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Full text of "Geschichte der Festungen Danzig und Weichselmünde bis zum Jahre 1814 in Verbindung mit der Kriegsgeschichte der freien Stadt Danzig"

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I 


Geschichte 

der  Festungen 

Danzig  und  Weichselmünde 

bis  zum  Jahre  1814 

in  YerMndiiDg  mit  der  Kriegsgeschichte 

der   freien  Stadt  Danzig 


von 


5 

Generalmajor  z.  D. 

Ritter  des  eisernen  Kreuzes  I.  u.  II.  Kl.  und  des  rothen  Adlerordens  IL  Kl.  mit  Eichenlaub, 
Mitglied  des  Gelehrten-Ausscliusses  vom  germanischen  Natlonal-Museum  zu  Nürnberg. 


Zweiter  Theil 

von  1734  bis  1814, 


Die  Bclagerangon  Danzigs 

von  1734,  1807  und  1813. 


V 

Mit  6  Skizzen  und  Plänen, 
wovon  4  in  Lichtdruck. 


Breslau. 

Verlag   von   Wilhelm   Koebner. 

(Inhaber :  M.  ft  H.  Marcus.) 

1893. 


^  6f^j^.  /z 


HARVARH  f^Oü.Fnp  LIBRARY 
JUN  201904 

HOHE.NZOLLERN  r(.)LL'  i:  i  lUN 
•' '    T  O'-  A.  C/.  C  )v.'i  i'wr. 


Inhalts  -Verzeiehniss. 


Seite 

III.  Danzig  uRter  polnischer  Sobutzherrsohaft  (Fortsetzung). 

G.  Die  Belagerung  Danzigs  1734. 

Quellen.    Yeranlassang  der  Belagerung.    Vorbereitungen  der  Stadt. 

Die  Bussen  vor  Danzig  bis  zur  Ankunft  des  Grafen  Münnich        1 

1.  Ankunft  des  Grafen  Münnich.    Einscbliessung  der  Stadt. 
Bau  einer  Kontravallation 13 

2.  Bombardement  der  Stadt.    Vorbereitungen  zum  Empfang 

der  Franzosen 26 

3.  Sturm  auf  den  Hagelsberg 30 

4.  Ankunft  der  französischen  Flotte.  Landung.  Gefecht  vom 

27.  Mai 34 

5.  Ankunft  der  russischen  Verstärkungen  und  der  Sachsen    .      40 

6.  Ankunft  der  russischen  Flotte 45 

7.  Förmlicher  Angriff  gegen  Weichselmttnde 45 

8.  Kapitulation  der  Franzosen 47 

9.  Uebergabe  von  Weichselmünde 50 

10.  Flucht  des  Königs  Stanislaus.    Kapitulation  von  Danzig      52 

11.  RttckbUck 57 

H.  Ende  der  polnischen  Schutzherrschaft 61 

IV.  Danzig  unter  preussisoher  Herrschaft  1793—1807 64 

Die  Belagerung  Danzigs  1807. 

Quellen 67 

a.  Uebersicht  des  Standes  der  Festungswerke  Danzigs  und  Weichsel- 
münde^s  und  deren  bauliche  Beschaffenheit  ende  des  Jahres 
1806 69 

b.  Armirung  von  Danzig  und  Weichselmünde  vom  1.  November 
1806  bis  zur  Einscbliessung  am  11.  März  1807. 

1.  Die  fortifikatorische  Armirung 75 

I.  gegen  den  gewaltsamen  Angriff 78 

JJ.  gegen  den  förmlicjien  An^ff      ,,.,,,.,      92 


IV 

Seite 

2.  Die  artilleristische  Armirung 110 

c.  Die  Besatzung 113 

d.  Kriegslage 119 

e.  Das  Belagerungskorps 121 

Die  Belagerung. 

f.  Von  der  Einschliessang  bis  zur  Eröffnung  der  1.  Parallele  vom 

H.  März  bis  1.  April 127 

g.  Von  Eröffnung  der  1.  Parallele  bis  zur  Vollendung   der  3. 
Parallele  vom  1.  April  bis  1.  Mai 145 

h.  Von  der  Beendigung  der  3.  Parallele  bis  zur  Kapitulation     .  169 

Rückblick 211 

Vergleich  mit  der  Belagerung  von  1734 217 

V.  Danzig  als  Freistaat  1807—1814 222 

A.  Die  Befestigungsbauten  von  1811  und  1812 230 

B.  Zustand  der  Werke  am  Ende  des  Jahres  1812 233 

Die  Blockade  und  Belagerung  Danzigs  1813 237 

1.  Die  Besatzung  Danzigs  und  das  Blockadekoqis    ....  239 

2.  Quellen  für  die  Belagerung  und  Vertheidigung  Danzigs   .  243 

3.  Die  Blockade  und  die  Vertheidigung  Danzigs  von  Mitte 
Januar  bis  1.  Mai 253 

Angriff  der  Russen  am  5.  März 266 

4.  Die  Blockade  und  die  Vertheidigung  Danzigs  vom  1.  Mai 

bis  zum  Waffenstillstände 289 

Der  Ausfall  vom  9.  Juni 299 

5.  Der  Waffenstillstand 308 

6.  Die  Belagerung  und  Vertheidigung  Danzigs  Vom  Waffen- 
stillstände bis  zur  Kapitulation 336 

a.  Der  Belagerer 336 

b.  Die  Besatzung 344 

c.  Die  Belagerung. 

1.  Einleitung  der  Belagerung  vom  24.   August  bis 

17,  September 348 

Das  Gefecht  vom  29.  August 350 

Die  Einnahme  von  Langfuhr  am  2.  September  355 

2.  Der  Scheinangriff  vom  17.  September  bis  10.  Oktober  374 
Die  Erstürmung  der  Schotteuhäuser 384 

3.  Die  Beschiessung  vom  10.  Oktober  bis  2.  November  392 

4.  Der  förmliche  Angriff  vom  2.  bis  29.  November  .  419 

d.  Die  Kapitulation 460 

e.  Rückfall  an  Preussen 472 

C.  Rückblick 476 

1.  Die  Vertheidigung 478 

2.  Der  Angriff 492 

3.  Bemerkungen  zum  Apercu 496 

4.  Schlussbetrachtung 504 


Seite 

Anhang. 

I.  Aus  der  Korrespondenz  des  Grafen  Dohna  mit  dem  Megor 

V.  Hake 509 

II.  Schreiben  des  Herzogs  von  Würtemberg  an  den  Obersten 

V.  Schulmann  und  Oberstlientenaut  t.  Pnllet     ....  511 

III.  Nachweisung  der  Batterien  vom  23.  Oktober     ....  613 

IV.  Auszug  aus  dem  Tagebuch  des  Majors  Liebe     .    .     .     .  515 
V.  Verzeichniss  der  Batterien  bei  eingetretener  Kapitulation  523 

VI.  Procfes-verbal  du  Oonseil  de  defense 528 


m 

.1 
t. 

r 


\  IIL    Danzig  unter  der  Schatzherrschaft  Polens. 

2)  (Fortsetzung). 


G.    Die  Belagerung  von  Danzig  i.  J.  1734'). 

Tafel  I. 

Wiederum  war  es  eine  Königswahl,  welche  zu  einer  Be- 
lagerung Danzigs  fährte.  König  August  II  von  Polen  war  am 
1.  Februar  ITr.rj  gestorben.  Trotz  der  Begünstigung  der  Ost- 
mächte, namentlich  Russlands,   welche  den  Kurfürsten  August 


')  Die  sehr  zahlreichen  Quellen  ttber  diese  Belagerang  hat  Hoburg  in 
seiner  Darstellung  derselben  (Nene  Prenss.  Provinzialblätter  3.  Folge  Bd.  2. 
Königsberg  1858  S.  84  und  in  einein  Nachtrage  dazu  Bd.  8.  1861  S.  78)  zu- 
sammengestellt.   Ich  greife  dayon  nur  die  wichtigsten  heraus. 
An  handschriftlichen  Quellen  sind  vorhanden: 

1.  Danziger  Rathschlüsse  vom  9.  Februar  1733  bis  17.  December  1734. 
Sie  enthalten  alles,  was  auf  die  Vertheidigung  der  Stadt  Bezug  hat,  den 
Schriftwechsel  mit  verschiedenen  auswärtigen  Regierungen  und  deren  Ge- 
sandten, sowie  mit  den  Befehlshabern  der  Belagerungstruppen. 

2.  Becess  von  den  russischen  Troubles  vom  17.  Febr.  1734  bis  22.  Hai 
1736.  Es  ist  ein  amtliches,  auf  Befehl  der  Stadt  geführtes  Tagebuch  in 
Bezug  auf  die  Belagerung  und  was  damit  in  Verbindung  steht. 

3.  Bemerkungen  von  drei  im  Dienst  dei  Stadt  angestellten  frans(toi8chen 
Officieren  ttber  die  äussern  Werke  der  Stadt  und  deren  Vertheidigung  vom 
16.  bis  23.  Februar  1734;  ein  in  Weichselmünde  geführtes  Jumal  über  die 
dortigen  Ereignisse  vom  6.  Februar  bis  16.  Aug.  1734;  Untersuchungsacten 
Aber  den  M%jor  Trinckins  etc. 

Vorstehende  Äctenstücke  befinden  sich  im  Archiv  der  Stadt  Danzig 
nebst  einigen  Piecen  unter  der  Rubrik  Militaria. 

4.  Handschriftliche  Bemerkungen  zu  „  Accurate  Nachricht  von  der  rnssischr 

Kö tal er,  Geschichte  der  Festungen  Danzig  und  Weicbselmttnde.    II.  l 


von  Sachsen  zum  Nachfolger  ausersehn  hatten,  ging  am  12.  Sep- 
tember die  Walil  Stanislaus  Leszynski's  unter  dem  Einfluss  des 
Primas  von  Polen,  Theodor  Potocki,  Erzbischofs  von  Gnesen, 


sächsischen  Belagerung  der  Stadt  Danzig."  Danziger  Stadtbibliothek  XV. 
40.  9.  Es  sind  hierin  die  Ausgaben  angeführt,  welche  der  Stadt  durch  die 
Belagerung  erwuchsen. 

5.  Nachricht  von  einigen  bei  der  Münde  und  voniehmlich  bei  der  Er- 
oberung der  Sommerschanze  von  den  Bussen  vorgefallenen  Begebenheiten 
1784.  Von  Karl  Friedrich  Runger.  Ms.  boruss.  Fol.  280  der  Königlichen 
Bibliothek  zu  Berlin.  Eine  Vertheidigungsschrift  des  Verf.,  eines  Danziger 
Of  ficiers,  Über  sein  Verhalten  bei  der  Eroberung  der  Sommerschanze.  In  dem- 
selben Vol.  finden  sich  noch  einige  Notizen  über  die  Belagerung  und  eine 
Angabe  der  Stärke  des  russischen  Belagerungskorps. 

6.  Zwei  Briefe  des  Feldmarschalls  Grafen  Müunich  an  den  König  Friedr. 
Wilhelm  I  von  Preussen  vom  26.  März  (5.  Apr.)  und  vom  20.  Juni  (1.  Juli) 
1734,  sowie  ein  Plan  von  Danzig  und  zwei  Pläne  von  Weichselmünde  mit 
den  von  den  Russen  ausgeführten  Belagerungsarbeiten.  Diese  Pläne  sind 
wahrscheinlich  vpm  Lieutenant  von  Reinhard  von  Platen  Dragonern,  wie  Ho- 
burg  dos  weiteren  ausführt.  Briefe  w^ie  Pläne  befinden  sich  im  Königl.  ge- 
heimen Staatsarchiv  zu  Berlin.  Erstere  sind  in  dem  Nachtrage  des  Major 
Hoburg  über  die  Belagerung  in  Band  8.  der  Neuen  Preuss.  Provinzialblätter 
3.  Folge  abgedruckt. 

Von  Druckschriften  sind  folgende  die  wichtigsten: 

1.  Accurate  Nachricht  von  der  russisch-sächsischen  Belagerung  und  Bom- 
bardirung  von  Danzig.  Nebst  Anhang.  Von  unparteiischer  Feder  entworfen. 
Köln  1736. 

2.  Kurzer  Auszug  alter  und  neuer  polnisch-preussischer  Kriegsgeschichte. 
Als  ein  anderer  Theil  der  accuraten  Nachricht.  Von  unparteiischer  Feder 
entworfen.    Köln  1738. 

3.  Ordentliches  Tagesregister  von  den  Unternehmungen  derer  Russen 
und  Sachsen  bei  der  Belagerung  der  Stadt  Danzig.  Von  luipartciischer  Feder 
entworfen.  Köln  1737.  Beigegeben  sind:  Inquisitionsakten,  die  Entfernung 
einer  hohen  Person  (König  Stanislaus)  betreifend. 

4.  Thomische  Begebenheiten,  welche  zu  gleicher  Zeit  der  Danziger  Be- 
lagerung 1733  und  1734  sich  merkwürdigst  zugetragen.  Von  unparteiischer 
Feder  entworfen.    Köln  1737. 

5.  Elbingische  Begebenheiten,  desgleichen.  Köln  1738.  Nebst  Plan 
von  Elbing. 

Diese  5  Nummern,  nebst  „Anhang  des  kurzen  Auszugs  alter  und  neuer 
polnisch-preussischer  Kriegsgeschichten,  von  unparteiischer  Feder  gesammelt. 
Köln  1740",  bilden  ein  Werk,  dessen  Verf.  Sejler  und  Schultz  sind.  Eine 
zweite  Auflage  von  1741  ist  in  2  Bänden.  4^  Von  allen  diesen  Ist  das 
„ordentliche  Tagesregister '^  die  bei  weitem  wichtigste  Quelle  und  macht  theil- 


3 

und  des  französischen  Gesandten  Marquis  de  Monti  durch.  Doch 
schon  waren  die  Russen  unter  dem  General  von  Lascy  im  An- 
marsch, um  die  Wahl  des  Kurfürsten  von  Sachsen  zu  erzwingen. 


weise   durchaus  den  Eindruck  eines  amtlichen  Berichts.     Es  ist  dabei  mit 
einem  guten  Plan  versehen. 

Von  andern  Drucksachen  ist  nur  noch  zu  erwähnen: 

6.  Das  vollständige  Jurnal  was  vor,  in  und  nach  der  Belagerung 
der  Stadt  Danzig  wie  auch  in  den  russischen  Tranch^en  merkwürdiges  vor- 
gegangen ist.  Entworfen  von  Friedlieb  Warmund  1735.  Es  enthält  neben 
manchen  Unrichtigkeiten  auch  vieles  Brauchbare.    Hat  einen  Plan. 

7.  Journal  historique  de  la  campagne  de  Dautzik.  Par  M*,  alors  officier 
dans  le  r^giment  de  Blaisois.    Amsterdam  &  Paris  1761. 

8.  von  Manstein.  Beitrag  zur  Geschichte  Eusslands  von  1727  bis  1744. 
Narh  der  französischen  Handschrift  übersetzt.  Leipzig  1771.  Manstein  trat 
erst  1736  in  russische  Dienste,  war  also  nicht  Augenzeuge.  Seine  QueUe  ist 
die  „accurate  Nachricht''  und  das  „ordentliche  Tagesregister.''  Er  zeichnet 
sich  neben  einigen  IrrthÜmern  durch  eine  lichtvolle  Darstellung  aus. 

9.  Massuet.    Histoire  de  la  guerre  präsente.    Amsterdam  1736. 

10.  Kurtze  geographische  Nachricht  von  der  Stadt  Danzig  und  ihrem 
District  nebst  dienlichen  Anleitungen  die  Topographische  Delineation  der 
Dantziger  Gegend  in  eynem  beigefügten  Landkärtchen  zu  erläutern  mit  einem 
Anbange  von  der  Danziger  Belagerung.    Nürnberg  1734. 

11.  Die  entlarvte  Partheylichkeit  der  sogenannten  unpartheiischen  Nach- 
richt von  der  Belagerung  der  Stadt  Danzig  in  kleinen  Anmerkungen  gezeigt 
von  einem  wirklich  Unparthey Ischen.    Frankfurt  a.  M.  1735. 

Hierzu  kommen  die  verschiedenen  Lebensbeschreibungen  von  Sta- 
nislans  Leszyuski,  des  Grafen  Münnich  u.  a.  m. 

Von  neueren  Darstellungen  ist  nur  die  vom  Major  Hoburg  von  Werth, 
da  er  das  Archiv  der  Stadt  Danzig  benutzt  hat.  Sie  zeichnet  sich  weder  durch 
VoUständigkeit.  die  er  behauptet  angestrebt  zu  haben,  noch  durch  Klarheit 
aus.  Es  fehlt  ihm  selbst  an  dem  nöthigen  Verständniss  und  namentlich  an 
kritischem  Sinn.  Seinem  Plan  liegt  zwar  der  des  „ordentlichen  Tagesregisters** 
zugrunde,  doch  hat  er  die  Belagerungsarbeiten  gerade  nicht  zum  Vortheil 
besseren  Verständnisses  abgeändert.  Ganz  unbegreiflich  ist  es,  dass  er  für 
den  Plan  den  Danziger  Maasstab  (Kulmisches  Maas)  gewählt  hat,  während 
das  Tagesregister  ausserdem  auch  das  rheinländische  Maas  hat.  Die  Reduc- 
tion  des  Danziger  Maasses  wird  dadurch  so  erschwert,  dass  die  Buthe  15  Fuss 
hat,  so  dass  das  Verhältniss  der  rheinl.  Buthe  zur  Danziger  nahezu  wie  11 : 9 
(genauer  1100 :  906)  ist,  während  12  Danziger  Fusse  11  rheinländischen  Füssen 
entsprechen. 

Die  vom  Hauptmann  Fritz  Honig  1S86  herausgegebene  Geschichte  der 
Festung  Weichselmünde  von  einem  Ungenannten  enthält  zwar  auch  eine 
Darstellung  der  Belagerung,  die  Danzig  mit  umfasst,  doch  hat  der  Verf.  das 


Stanislaus  sah  sich  genöthigt,  am  22.  September  Warschau  za 
verlassen  und  kam  am  2.  Oktober  unvermuthet  in  Danzig  au 
in  der  Absicht,  hier  vorläufig  seine  Residenz  aufzuschlagen. 
Bei  ihm  befanden  sich  der  französische  Gesandte,  der  Primas 
und  mehrere  polnische  Magnaten,  wie  der  Kronschatzmeister 
von  Polen  Ossolinski,  der  Graf  von  Poniatowski,  der  Fürst  Czar- 
toryski,  der  Graf  Dönhoff,  der  Bischoff  von  Plock,  der  Woiewode 
von  Marienburg  u.  a.  m.  ^).  Die  Stadt  war  sich  ihrer  schwie- 
rigen Lage  völlig  bewusst,  zögerte  aber  keinen  Augenblick, 
ihre  Existenz  für  den  König,  den  sie  anerkannt  hatte,  einzu- 
setzen, obgleich  am  5.  Oktober  unter  dem  Druck  der  russischen 
Armee  der  Kurfürst  von  Sachsen  als  August  III  zum  Könige 
von  Polen  erwählt  wurde.  Stanislaus  wurde  mit  allen  üblichen 
Ehrenbezeugungen  aufgenommen.  In  der  Nacht  vom  23.  zum 
24.  Oktober  langte  von  dem  städtischen  Agenten  in  Warschau 
die  Nachricht  an,  dass  36000  Russen  auf  dem  Wege  nach  Dan- 
zig wären.  Wenn  sich  dies  auch  nicht  bestätigte,  so  säumte 
die  Stadt  doch  nicht  länger,  die  Armirung  der  Werke  eintreten 
zu  lassen.  Sie  hoffte  übrigens  auf  einen  kräftigen  Beistand 
Ludwigs  XV  von  Frankreich,  dem  Schwiegersohn  Stanislaus 
Leszynski's. 

Die  Theile  der  Befestigung,  welche  bloss  aus  einem  Erd- 
wall bestanden,  wie  die  Niederfront  der  Stadt,  der  Bischofs- 
und Hagelsberg  mit  ihren  Anschlusslinien,  die  Ost-  und  West- 
schanze von  Weichselmttnde,  die  Holm-  und  andere  ausserhalb 
gelegenen  Schanzen  wurden  mit  einer  starken  Palisadirung  ver- 
sehn.   Die  Spitze  des  hohen  Kavalier-  oder  Dreckberges  in  dem 


Danz.  Archiv  nicht  benutzt.  Ausserdem  gebort  die  Abfassung  einer  Zeit  an 
(1825),  wo  es  mit  der  Kritik  der  Thatsachen  nicht  genau  genommen  wurde, 
so  dass  selbst  die  benutzten  Quellen  vielfach  entstellt  werden  und  der  Phan- 
tasie ein  grosser  Spielrauui  gelassen  ist.  Die  Irrthttmer  sind  so  zahlreich, 
dass  von  deren  Berichtigung  hat  Abstand  genommen  werden  müssen.  Dage- 
gen wird  die  allgemeine  Auffassung  des  Ganges  der  Belageiiiug  von  selten 
des  Verfassers  in  den  diesseitigen  Schlussbemerkungen  (Rilckblick)  besonders 
besprochen  werden. 

')  Eiu  vollständiges  Verzeichniss  der  polnischen  Begleiter  des  Königs 
findet  sich  im  „ordentl.  Tagesregist^^r''  S.  629  gelegentlich  ihrer  Anerkennung 
König  August's  III.  v.  29.  Juni  1734. 


Bastion  St.  Jakob  wurde  abgetragen,  um  schwere  Geschütze 
(laraaf  placiren  zu  können.  Merkwürdigerweise  nahm  man  sich 
aber  an  den  Vorgängen  der  Jahre  1655  und  1656  kein  Beispiel, 
indem  kein  einziges  provisorisches  Werk  auf  den  wichtigen 
Punkten  der  nächsten  Umgebung,  wie  dem  Stolzenberg,  Ziganken- 
berg,  Wunderberg  pp.,  erbaut  wurde.  Selbst  die  Judenschanze 
in  der  Nähe  der  heutigen  Jesuiterschanze,  welche  im  Besitz  des 
Feindes  eine  Beschiessung  der  Stadt  und  der  Speicherinsel  ge- 
stattete, blieb  unvollendet  liegen.  Erst  nach  vollzogener  Ein- 
schliessung  durch  die  Russen  wurden  die  Grandschanze  auf  dem 
Looseberge  bei  Schidlitz  (Nr.  9)  und  eine  Schanze  am  Gans- 
kruge (f)  serbaut  *).  Am  Danziger  Haupt,  dessen  Befestigung 
sich  im  schwedischen  Kriege  so  wichtig  erwiesen  hatte  und 
dessen  Besitz  zum  Schutz  der  Nehrung  nothwendig  war,  ge- 
schah nichts.  Von  der  Bedeutung  der  Nehrung  scheint  man 
überhaupt  keine  Vorstellung  gehabt  zu  haben.  Namentlich 
hatte  man  die  Planirung  der  Reduten  zur  Verbindung  des 
Holms  mit  Weichselmtindc  im  Lauf  der  Belagerung  zu  beklagen. 
Sie  war,  wie  wir  gesehen  haben.  1701  und  1705  erfolgt.  Der 
sehr  gelinde  Winter,  der  durchweg  herrschte,  hätte  vor  allem 
den  Bau  eines  Werkes  am  grossen  Holländer  begünstigt,  das 
der  General  Percewal  so  sehr  empfohlen  hatte.  Wenn  man 
nicht  die  übrigen  bedeutenden  Anstrengungen,  welche  die  Stadt 
machte,  berücksichtigte,  müsste  man  glauben,  dass  sie  sich  in 
der  Hoffnung  wiegte,  es  würde  überhaupt  nicht  zum  äussersten 
kommen.  Aber  die  Waffenvorräthe  wurden  vermehrt,  Pulver 
angekauft  ^),  die  nöthigen  Summen  für  die  Verproviantirung  aus- 
geworfen').   Das  Holz,  welches  ausserhalb  der  Wälle  lagerte, 


^)  Ausserdem  wurden  zwei  Batterien  am  linken  Weichselufer,  die  eine 
am  Stanguetengrabeu  (e'),  die  eiudere  bei  Milchpeter  (d')  gegenüber  der  Laak- 
schanze  angelegt,  um  den  Feind  fem  von  der  Weichsel  zu  halten  (Ordn.-Rec. 
V.  Mitte  März.  Hoburg.  Geschichte  der  Festungswerke  Danzig's  S.  115).  Un- 
begreiflicherweise legte  man  bei  Ohra  eioe  Verschanzung  (II  Taf .  I.  2)  an,  ohne 
die  anliegenden  Berge  hineinzuziehen. 

')  Wenn  Hobnrg  nur  von  60  Centnern  spricht,  so  mnss  das  wohl  ein 
Irrthum  sein,  die  Stadt  müsste  denn  einen  grossen  Bestand  gehabt  haben. 
Weichselmünde  hatte  bei  der  Uebergabe  allein  415  Zentner  Pulver. 

^  £s  wurden   dafür  später  100  Last  Boggen  angekauft,   die  als  ein 


wurde  in  die  Stadt  geschafft  und  die  Besatzung  zunächst  auf 
3000  Mann  verstärkt.  Auch  wurden  18000  Sandsäcke  und  1800 
spanische  Reiter  angefertigt.  Nach  Annäherung  der  Russen 
wurde  das  Lege-  und  Jakobsthor  geschlossen  und  jedes  mit 
einer  Bttrgerkompagnie  besetzt.  Die  Kompagnie  am  Legethor 
hatte  ausserdem  die  Steinschleuse  zu  bewachen.  Die  Söldner 
besetzten  den  Bischofs-  und  Hagelsberg,  so  wie  die  andern 
Aussenwerke. 

Der  König  überliess  der  Stadt  einige  tausend  Mann  seiner 
stehenden  polnischen  Truppen  (Kron-Garde)  aus  Dragonern  und 
Infanterie  bestehend  und  der  französische  Gesandte  errichtete 
auf  seine  Kosten  ein  Dragoner-Regiment.  Erstere  traten  förm- 
lich in  den  Dienst  der  Stadt  über  und  schwuren  dem  Rath. 
Ferner  schickte  der  französische  Gesandte  in  Stockholm,  Graf 
Casteja.  130  Freiwillige,  grösstentheils  Offleiere,  die  er  mit  Be- 
willigung der  schwedischen  Regierung  angeworben  hatte.  Sie 
langten  am  8.  Januar  1734  in  Weichselmfinde  an.  Unter  ihnen 
befand  sich  der  Baron  von  Stackeiberg,  von  dem  noch  mehr- 
fach die  Rede  sein  wird.  Ausserdem  wurden  noch  einige  andre 
renomirte  fremdländische  Officiere  in  Dienst  genommen,  wie 
ein  Oberst  Harang  und  der  Major  Salamon  Ennebergh  ^).  Auf 
Empfehlung  des  französischen  Gesandten  wurde  noch  der  schwe- 
dische Oberstlieutenant  Palmstinick  und  zwei  französische  Ar- 
tillerieofflciere,  ein  Oberstlieutenant  und  ein  Kapitain  eugagirt. 
Drei  französische  Ingenieurofficiere  waren  per  Post  übersendet 
worden  und  gingen  dem  städtischen  Ingenieur,  Hauptmann 
Charpentier,  eifrig  zur  Hand. 

Kommandant  der  Garnison  war  seit  1731  der  Generalmajor 
Johann  Wilhelm  von  Viettinghoff,  Kommandant  von  Weichsel- 
münde der  Hauptmann  Patzer,  der  9  Officiere  und  400  Mann 


Vorrath  dienen  sollten.     Für   den   eigenen  Unterhalt   hatten  die  Bewohner 
selbst  zu  sorgen. 

»)  Wir  erfahren  durch  Rathschl.  vom  2.  Octbr.  1733  (Hoburg  S.  89)  ge- 
legentlich eines  Avancementsvorschlages  noch  die  Anwesenheit  von  folgenden 
Officieren:  Oberst  von  Troschke,  Oberst  von  Bothmer  und  von  der  Groben; 
die  Oberstlieutenants  von  Diepenbrock,  von  Puttkamerj  von  Lehssen  und 
Grämlich;  die  Majors  von  Rauter  und  Schultz.  Der  Oberst  erhielt  6000,  der 
Oberstlieut^nant  3000  und  d^r  Major  1800  Gulden  Gehalt. 


unter  sich  hatte.  Den  Bischofs-  und  Hagelsberg  befetiligte  der 
Oberstlieutenant  Palmstruck. 

Die  städtische  Miliz  war  in  4  Regimenter  zu  je  12  Kom- 
pagnien getheilt.  Dazu  trat  ein  Regiment  aus  den  Vorstädten. 
Während  der  Belagerung  wurden  zum  täglichen  Dienst  8,  später 
9  Kompagnien  herangezogen.  Jeder  Einwohner  musste  sich  mit 
einem  guten  Gewehr,  Degen  und  Patronentasche,  3  Pfund  Pulver 
und  6  Pfund  Kugeln  versehen.  Auch  das  Landgebiet  war  mili- 
tairisch  organisirt  und  besetzte  nach  Beginn  der  Einschli  essung 
die  Vorstadt  Kneipab  *). 

Ausserdem  erliess  der  Rath  eine  Aufforderung  an  die  jungen 
Leute,  unter  Waffen  zu  treten.  Es  wurden  daraus  mehrere 
besondere  Korps,  das  der  Handlungsdiener  und  das  der  Gesellen 
gebildet.  Es  wurden  ferner  am  24.  Febr.  1734  freiwillige 
Schützen  engagirt^),  die  ein  Handgeld  von  5  Thalern,  eine  ge- 
zogene Büchse  und  eine  Pistole  erhielten.  Sie  wurden  Frei- 
schützen,  im  Volksmunde  auch   Schnapphähne  genannt  und 


')  lieber  die  Stärke  der  Landmiliz  liegen  für  das  Jahr  1734  keine  Nach- 
richten vor.  I.  J.  1704  konnte  dm  Dauziger  Landgebiet  1589  Mann  stellen 
und  zwar  der  Werder  711,  Nehrung  nnd  Scharpau  558,  die  Höhe  220  und  das 
Bauamt  (der  Theil  des  Werders  an  der  Boswieke)  100  Mann.  Hoburg  S.  92. 
')  Hoburg  berechnet  S.  95  znmtheil  nach  amtlichen  Nachrichten  die 
Stärke  der  Besatzungstmppen  wie  folgt: 

Die  von  der  Stadt  gehaltene  Garnison 8000  Mann. 

5  Bürger-Regimenter  gegen 7800       „ 

Handlungsdiener  in  3  Komp 540       „ 

Die  Gesellen  der  verschiedenen  Gewerke 1279 

Die  Fleischer,  welche  zu  Pferde  dienten,  mit  Einschlnss 

von  63  Meistern 176       „ 

Freischützen 700       „ 

Polnische  Truppen 2150       „ 

Schweden  gegen 200       „ 

Franzosen 2400 


7! 


in  Summa    23,245  Mann. 

Die  Fleischer  wurden,  da  sie  beritten  waren,  zum  Patrouillendienst,  die 
Barbiere,  die  bei  den  Gewerken  nicht  eingerechnet  sind  (gegen  50),  in  den 
Lazarethen  verwendet.  Die  Zahl  der  Gesellen  und  Fleischer  ist  amtlich  fest- 
gestellt (Notiz  vom  Februar  1734).  Die  Angabe  der  accurateu  Nachricht  von 
1200  Gesellen  ist  daher  wohl  ein  Schreibfehler.  Um  sich  gegenseitig  zu 
erkennen,  trugen  die  Besatzungstruppen  einen  Strohwisch  am  Hut. 


9 


zum   Vorpostendienst  sowie  zu  Streifzfigen  benutzt.     Was  sie 
au  Beute  gewannen,  sollte  ihr  Eigenthnm  sein. 

An  Artillerie  besass  die  Stadt  347  Kanonen,  von  denen 
sich  130  in  den  Aussenwerken ,  die  ttbrigen  auf  der  Stadtuni - 
Wallung  befanden^).  Weichselmftnde  hatte  ausserden  seine  be- 
sondere Artillerie').    Die  Bedienung  wurde  auf  123  Artilleristen 


Die  Stärke  der  Soldtrappen  von  8000  Mann  ist  nach  der  accuraten  Nach- 
richt angegeben,  da  sich  officielle  Daten  nicht  vorfanden.  Man  wird  sie  auf 
die  Hälfte,  vielleicht  noch  auf  weniger  reduciren  können,  da  ihr  Sold  monat- 
lich 80000  fl.  betrog. 

*)  Hobarg  S.  94.  Er  giebt  jedoch  seine  Quelle  nicht  an.  Es  ist  sehr 
wahrscheinlich,  dass  die  Geschütze  von  Weichselmünde  in  der  Zahl  von  817 
mit  enthalten  sind,  da  die  Zahl  ziemlich  genau  deijenigen  von  1807  entspricht, 
wo  im  Ganzen  349  Geschütze,  allerdings  incl.  der  Wurfgeschütze,  vorhanden 
waren.  Näheres  über  die  Kaliber  ist  nicht  bekannt.  Nach  erfolgter  Ein- 
schliessung  worden  rechts  vom  Olivaer  Thor  4— 12  pfundige  and  16  pfundige 
Kanonen  aufgestellt  und  der  Bischofsberg  mit  4-30  pfüudigen  Mörsern 
verstärkt. 

*)  Bei  der  Uebergabe  des  Forts  Weichselmünde  am  24.  Juni  waren 
vorhanden : 

5  metallene  4-Pfdr. 


3 

» 

3 

8 

4 

eiserne 

12 

9 

2 

» 

9 

9 

17 

9 

6 

9 

16 

^  9 

6 

9 

2 

0 

4 

9 

2 

9 

3 

9 

Summa  103  Kanonen. 
Ferner      2  metallene  48  pfundige  Mörser 
3  Handmörser 
8  Doppelhaken 
50  Feuerröhre 
200  Bomben. 
An  Kugeln:  2052— 12 pfundige,  18— 9pfde.,  3429— 6pfde.,  1028-5 pfde., 

212— 4pfde.,  480— 3  pfde. 
An  Kartätschen;  227— 12 pfundige,  235— 9pfde.,  203— 6pfde.,  340— öpfde., 

254— 4  pfde.,  44-3  pfde. 
An  Kartuschen:  24— 12 pfundige,  25— 9 pfde.,  137— 6 pfde.,  101— öpfde., 

189— 4  pfde.,  100-3  pfde. 
Ausserdem  noch  Kartuschen  in  4  Fässern. 
An  Pulver  waren  noch  451  V<  Ctr.  oder  1130  Pack  vorbanden.    Ferner 


_9 

und  30  Handlanger  vermehrt  nnd  80  geeignete  Infanteristen 
zur  Aushilfe  gegeben.  Die  Stadt  besass  ausserdem  seit  1710 
eine  Kompagnie  Bürgerkauoniere  von  300  Mann  mit  einem 
Rathsherm  als  Befehlshaber. 

Die  gesammte  Militairmacht  der  Stadt  stand  unter  dem 
Kriegsrath,  dessen  Zusammensetzung  und  Befugnisse  wir  be- 
reits aus  der  Befestigungsgeschichte  kennen-^). 

Die  Ausfuhr  von  Lebensmitteln  und  Furage  wurde  ver- 
boten. Der  Mannschaft  wurde  ausser  ihrem  Solde  täglich  für 
2  Groschen  Brod  bewilligt.  Die  Geldmittel  zur  regelmässigen 
Bezahlung  der  Besatzung  wurden  durch  Anleihen  aufgebracht. 
Ausserdem  erstattete  der  König  der  Stadt  30000  Thaler  zurück, 
die  er  1707  als  Darlehn  erhalten  hatte.  Die  Bitte  der  Stadt 
um  einen  Vorschuss  von  70000  Gulden  wurde  vom  Könige  je- 
doch abschläglich  beschieden. 

Zur  Verständigung  der  Stadt  mit  Weichselmündc  wurden 
Raketen  verwendet.  Als  Beobachtungsposten  diente  der  Kirch- 
thurm  von  St.  Marien,  wo  permanent  ein  Offleier  kommandirt 
war,  der  am  Fuss  des  Thurms  eine  reitende  Ordonanz  zur  Dis- 
position hatte. 

Die  Belagerung  von  Danzig  i.  J.  1734  durch  die  Russen 
hat  dadurch  einen  eigenthttmlichen  Reiz,  dass  sie  uns  den 
Standpunkt,   welchen   die  russische  Armee   zu   dieser  Zeit  im 


an  Blei  160  Ctr.  oder  875  Pack  in  grossen  Stücken,  an  Schwefel  nnd  Salpeter 
14  Vs  Ctr.,  an  metallenen  Handgranaten  99.  Ausserdem  einiger  Vorrath  an 
Waffen  nnd  Feuerwerkskörpern,  sowie  Materialien  für  das  Laboratoriam. 
Accnrate  Nachr.  Anhang  S.  309. 

Die  Ausrüstung  entspricht  ziemlich  genau  der  von  1697,  wo  die  West- 
schanze 19,  die  Ostschanze  87  Geschütze  incl.  5  Mörser  hatte. 

Nach  dem  Ordn.-Rec.  vom  20.  und  Rathschl.  vom  29.  März  1734  (Ho- 
burg  S.  129)  erhielt  der  Kriegsrath  das  Recht,  dass  alle  von  ihm  beschlossenen 
auf  die  Vertheidignng  bezüglichen  Massregeln  ohne  weitere  Anfrage  sofort 
zur  Ausführung  gelangen  konnten.  Seine  eigenthümliche  Zusammensetzung 
aus  allen  Ordnungen  mit  einem  der  Bürgermeister  als  Präsidenten,  entsprach 
jedoch  wenig  dem  Bedürfniss  einer  einheitlichen  Leitung,  Der  Oberbefehls- 
haber spielte  darin  nur  eine  untergeordnete  RoUe,  der  Ingenieur  wurde  nur 
ausnahmsweise  hinzugezogen  und  vou  ^iuem  Artillerieofficier  des  Platzes  ist 
Überhaupt  keine  Rede. 

*)  Oben  1,  404  Note  1, 


10 


Belagerungskriege  einnahm,  recht  klar  zur  Auschauung  bringt. 
Für  das  17.  Jahrhundert  wird  derselbe  durch  die  Belagerung 
von  Smolensk  1632  illustrirt,  wo  eine  Armee  von  über  100000 
Mann  sich  vergebens  beinahe  8  Monate  abmühte,  die  nur.  durch 
Mauern  befestigte  Stadt,  welche  durch  den  Polen  Stenzel 
Woyedwodzki  vertheidigt  wurde,  einzunehmen  und  so  dem 
Könige  Wladislaw  die  Zeit  gewährte,  zum  Entsatz  heranzu- 
kommen. Ueber  ihre  Belagerung  von  Riga  1656,  der  der  Czar 
persönlich  beiwohnte,  drückt  sich  der  schwedische  Bericht  *)  wie 
folgt  aus:  Ihr  Angriff  war  ohne  Ordnung  und  Plan,  die  Ap- 
prochen  wurden  ungeschickt  geleitet,  die  Batterien  confusement 
placirt,  jeder  Befehlshaber  machte  seinen  Angriff,  wie  ihm  gut 
schien.  Die  Kanonen  spielten  bald  auf  die  Thürme,  bald  auf 
die  Wälle,  bald  gegen  die  Stadt  und  thaten  grossen  Schaden 
an  Kirchen  und  Häusern,  aber  wenig  an  den  Vertheidigungs- 
werken.  Auf  das  Gerücht,  dass  der  König  (von  Schweden) 
zum  Entsatz  anrückte,  zogen  sie  am  6.  Oktober  1656  nach 
6wöchentlicher  Belagerung  mit  einem  Verlust  von  14000  Mann 
wieder  ab,  wie  Carlson  hinzufügt,  „den  Eindruck  einer  grossen 
aber  noch  barbarischen,  vom  Geiste  der  Civilisation  nicht  durch- 
drungenen Macht  hinterlassend."  Auch  die  Belagerung  von 
1734  war  keine  normale  Die  russischen  Kräfte  waren  an- 
fänglich nicht  ausreichend,  um  eine  förmliche  Belagerung  zu 
führen.  Ein  Bombardement  liess  erwarten,  auf  den  Geist  der 
Bürgerschaft  zu  wirken.  Es  scheint  in  Petersburg  beschlossen 
worden  zu  sein,  bevor  sich  Lascy  gegen  die  Stadt  in  Bewegung 
setzte.  Den  Maasstab  einer  wissenschaftlichen  Kritik  kann 
man  bei  den  unzulänglichen  Nachrichten  nicht  gut  anlegen. 
Es  kamen  manche  abnorme  Sachen  vor :  Blockade,  Beschiessung, 
gewaltsamer  Angriff  ohne  Vorbereitung  durch  Artillerie  und 
Sappen,  dann  wieder  alle  Merkmale  einer  förmlichen  Belage- 
rung, ohne  dass  es  jedoch  dazu  kam,  gehen  nebeneinander  her. 
Soviel  ergiebt  sich  aber,  dass  der  neue  Kommandirende,  Feld- 
marschall Graf  Münnich,  wusste,  was  er  wollte,  und  eine  ausser- 
ordentliche Thätigkeit  entwickelte.  Ein  andrer  Punkt  ist  es, 
der  unser  Interesse  erregt.     Ganz  überraschend  sind   die  Ver- 


*)  Carlson,  Gesch.  von  Schweden.    S.  171. 


11 

änderungen,  welche  seit  dem  17.  Jahrhundert  mit  dem  russi- 
schen Fussvolk  vorgegangen  sind.  Es  entwickelte  im  Lauf 
der  Belagerung  alle  die  Eigenschaften,  die  ihm  in  der  späteren 
glorreichsten  Zeit  eigenthümlich  sind.  Die  Artillerie  wird  von 
Manstein  als  vorzüglich  bezeichnet. 

Nachdem  der  Kurfürst  von  Sachsen  am  17.  Januar  1734 
zum  Könige  gekrönt  worden  war,  ohne  dass  dieses  Ereigniss 
Dänzig  in  seinem  Vorsatze,  den  von  ihm  anerkannten  König 
Stanislaus  zu  schützen,  wankend  gemacht  hätte,  brach  der 
russische  General  Lascy  mit  etwa  12000  Mann^)  am  25.  Ja- 
nuar von  Thorn  auf  und  rückte  am  5.  Februar  in  der  Gegend 
von  Dirschau  in  das  Danziger  Gebiet.  Am  16.  verlegte  er  sein 
Hauptquartier  nach  Weslinke  und  beschied  zum  22.  alle 
Schulzen  des  Werders  dahin,  um  das  Erforderliche  wegen  der 
Lieferungen  mit  ihnen  zu  vereinbaren.  Zigankendorf  wurde 
am  20.  mit  einer  starken  Abtheilung  russischer  Truppen  besetzt, 
die  bis  Langfuhr  streiften.  An  demselben  Tage  erliess  der 
General  an  Danzig  die  Aufforderung,  den  König  Stanislaus  zu 
entfernen  und  August  III  anzuerkennen.  Als  dies  ohne  Erfolg 
blieb*),  wurde  in  der  Nacht  vom  24.  zum  26.  die  Radaune 
von  den  Russen  abgeleitet  und  dadurch  die  grosse  Mühle, 
welche  die  Bedürfnisse  der  Stadt  an  Mehl  allein  bestritt,  ausser 
Thätigkeit  gesetzt.  Man  musste  sich  seitdem  mit  Handmtthleu 
und  einem  Gange  der  Mühle  an  der  Steinschleuse  behelfen. 
Auch  wurde  eine  Wassermühle  im  Bauamte  und  eine  im  Bürger- 
wald —  der  Theil  des  Werders  zunächst  der  Stadt  —  zu 
Mehlmühlen  eingerichtet  (Hoburg  S.  96.)  Kurz  nach  der  Ab- 
leitung der  Radaune  stachen  die  Russen  auch  den  Tempelhof  er 
Teich  aus,  worauf  das  Wasser  mit  solcher  Gewalt  auf  Neu- 
garten stürzte,  dass  es  die  Fische  bis  dahin  mitschwemmte,  die 


*)  Accnrate  Nachricht.  Tagesregister.  Nach  dem  weniger  zuverlässigen 
gVoUständigen  Jurnal^  bestand  die  russische  Armee  aus  10  Begimeuteru  zu 
Fnss  und  6  zu  Pferde,  nebst  1500  Kosacken,  im  ganzen  16000  Mann.  Die 
Avantgarde  führte  der  Generallieutnant  v.  Sagraiski,  die  Arrieregarde  der 
Generalmcgor  v.  Biron. 

*)  Die  Stadt  wendete  sich  unterm  23.  Febr.  in  einem  Schreiben  direct 
an  die  niss.  Kaiserin  Anna  und  legte  ihre  Handlungsweise  demüthig  mit  der 
Bitte  dar^  die  Truppen  zurückziehn  zu  wollen. 


12 


mit  Händen  aufgegriffen  wurden  *).  Als  Erwiderung  setzte  die 
Stadt  den  Werder  mittelst  der  Steinschleuse  unter  Wasser.  Am 
28.  hob  der  Hauptmann  von  Schmeling,  welcher  die  kleine 
Kalkschauze ^)  besetzt  hielt,  mit  150  Mann  eine  russische 
Bäckerei  bei  Schellmühl  auf*). 

Am  8.  März  bezog  das  russische  Gros  bei  Praust  und  mit 
den  Vortruppen  bei  St.  Albrecht  ein  Lager,  das  mit  einer  Ver- 
schanzung umgeben  wurde.  Am  9.  begann  man  die  Anfertigung 
von  Faschinen.  Demgegenüber  legten  die  Danziger  bei  Ohra 
auf  dem  rechten  Radauneufer  eine  Verschanzung  an,  die  mit 
einer  Besatzung  von  400  Mann  und  8  Kanonen  versehen  wurde. 
Die  nahe  an  das  linke  Eadauneufer  tretenden  Berge  wurden 
nicht  besetzt,  dagegen  da,  wo  der  Weg  von  Kowal  nach  Danzig 
die  Radaune  überschreitet,  an  den  Schottenhäusern  (h),  eine 
Reserve  von  200  Mann  aufgestellt.  100  Mann  wurden  ferner 
in  der  Nähe  der  Jesuiterkirche  in  Schottland  aufgestellt.  Das 
Kommando  in  Ohra  führte  der  Oberstlieutenant  Mazeppa. 

Der  General  Lascy  unternahm  merkwürdigerweise  nichts 
gegen  diesen  stark  gefährdeten  Posten.  Seine  Unthätigkeit 
lässt  sich  nur  dadurch  erklären,  dass  er  von  den  polnischen 
Insurgenten  sehr  in  Anspruch  genommen  wurde.  Fast  sämmt- 
liche  Magnaten  und  der  grösste  Theil  des  polnischen  niederen 
Adels  hielten  es  mit  Stanislaus.  Lascy  hatte  schon  auf  seinem 
Wege  von  Thorn  nach  Danzig  Kämpfe  mit  den  Insurgenten 
zu  bestehen  gehabt.  Noch  am  1 7.  Februar  musste  der  General 
3000  Mann  detachiren,  um  den  Grafen  Tarlo,  Woiewodon  von 
Lublin,    zurückzuwerfen.     Am    25.    Februar    schwärmten    die 


^)  Accurate  Nachricht.    S.  22. 

*)  Dass  die  kleine  Kalkschanze,  die  hier  gemeint  ist,  auch  Kanonen  ent- 
hielt, geht  ans  dem  „kurzen  Auszug"  S.  423  hervor.  Hoburg  erwähnt  sie 
mit  keinem  Wort,  obgleich  sie  durch  ihre  Lage  sehr  wichtig  war  und  „die 
accurate  Nachricht''  S.  74  ausdrücklich  sagt,  dass  sie  den  Feinden  viel  Schaden 
gethan  hat. 

^)  Hobnrg  S.  124.  Es  geht  daraus  hervor,  dass  die  Stadt  bis  auf  die 
Nehrung  auf  allen  Seiten  eingeschlossen  war.  Ein  Versuch,  sich  des  Holms 
zu  bemächtigen,  schlag  fehl.  Uebrigens  kann  die  Einschliessung  nur  durch 
Kosacken  bewerkstelligt  worden  sein,  da  die  Armee,  wie  wir  sehen  werden, 
bei  Praust  zusammengehalten  wurde.  Es  wird  von  täglichen  Gefechten  mit  den 
Kosacken  berichtet. 


13 

Polen  um  Praust  und  legten  den  Kosacken  einen  Hinterhalt, 
der  diesen  100  Mann  kostete.  Am  12.  März,  griff  der  Woie- 
wode  von  Kiew,  Potocki,  das  russische  Lager  mit  10000  Mann 
an  und  am  15.  hatte  der  Hauptmann  von  Lascy,  ein  Sohn  des 
Generals,  ein  hartnäckiges  Gefecht  mit  den  Insurgenten  zu 
bestehen*).  Es  ist  auffallend,  dass  die  Stadt  die  Lage  der 
Russen  nicht  besser  benutzte.  Ein  Versuch  durch  einen  Aus- 
fall von  250  Manu  mit  2  Kanonen  unter  dem  Major  Trinckius 
ein  russisches  Detachement  in  Gr.  Plönendorf,  eine  Meile  ober- 
halb Danzigs  an  der  Weichsel,  am  10.  März  zu  vertreiben, 
scheiterte  an  der  Unentschlossenheit  des  Majors,  welcher  des- 
halb zur  Rechenschaft  gezogen  wurde. 

L    Einschliessnng  der  Stadt,  Ban  einer  KontraTallationsUnie. 

Mit  der  Ankunft  des  direkt  von  Petersburg  kommenden 
Feldmarschalls,  Grafen  von  Münnich,  der  am  16.^)  unter 
einer  preussischen  Eskorte  im  Lager  eintraf,  trat  eine  grössere 
Thätigkeit  ein').  Nachdem  er  am  17.  von  Praust  aus  den 
Rath  der  Stadt  aufgefordert  hatte,  eine  Deputation  an  ihn  zu 
schicken,  um  ihr  die  Antwort  der  Kaiserin  auf  das  Gesuch 
vom    17.   Februar    mitzutheilen ,    darauf  jedoch    nicht    sofort 


*)  VoUständiges  Jumal.    Das  Jurnal  hat  bider  keine  Paginirong. 

')  Das  ordentliche  Tagesregister  verlegt  die  Ankauft  des  Grafen  Münnich 
auf  den  9.  März,  was  auch  Manustein  acceptirt  hat.  Indessen  datirt  das 
Manifest,  welches  er  zwei  Tage  nach  seiner  Ankunft  an  die  Stadt  erliess, 
vuiu  7/18  März  (Accurate  Nachricht.    Anhang  S.  286).    . 

*)  Bernhard  Christoph  von  Münnich  ist  am  9.  Mai  1683  zu  Neuenhiutorf 
im  Oldenburgschen  geboren  und  bildete  sich  während  des  spanischen  Erbfolge- 
kriege« unterm  Prinzen  Eugen  zu  einem  tüchtigen  Tmppenführer  aus.  Nach 
dem  Kriege  trat  er  in  den  Dienst  Kßnig  August's  II.  von  Polen  und  wurde 
1717  zum  Generalmigor  befördert.  1721  in  russische  Dienste  übergetreten,  wurde 
er  wegen  seiner  ausserordentlichen  Leistungen  1728  in  den  Grafenstand  er- 
hoben und  1732  zum  Generalfeldmarschall  ernannt.  Die  ihm  feindliche  Partei 
am  Hofe,  welche  seinen  Einfluss  auf  die  Kaiserin  Anna  fürchtete,  entfernte 
ihn  durch  das  Kommando  gegen  Danzig  vom  Hofe.  In  Bezug  auf  sein 
ferneres  Schicksal  verweise  ich  auf  Halem,  Lebensbeschreibung  des  kais.  russ. 
Generalf eldm. ,  Grafen  t.  M.  1803.  Friedrich  d.  G.  nennt  ihn  den  Prinzen 
Eugen  des  Nordens  und  die  Kaiserin  Katharina  zählt  ihn,  wenn  auch  nicht 
zn  den  SOhneu,  so  doch  zu  den  Vätern  Busslands.  Er  hat  das  Alter  von 
81  Jahren  erreicht. 


14 


Antwort  erhielt,  erliess  er  am  18.  ein  Manifest  an  die  Stadt, 
worin  er  sie  aufforderte,  die  Schlüssel  der  Thore  binnen  24 
Stunden  zu  Übersenden  und  sich  ihrem  rechtmässigen  Könige 
zu  unterwerfen,  widrigenfalls  er  von  keiner  Kapitulation  mehr 
hören  und  die  Stadt  nach  Kriegsusance  angreifen  werde.  Die 
Stadt  erwiderte,  von  der  dem  Könige  Stanislaus  gelobten  Treue 
nicht  abgehen  zu  können. 

Der  Graf  Hess  hierauf  in  der  Nacht  vom  18.  zum  19.  März 
den  Zigankenberg  (Nr.  1)  befestigen  und  warf  in  der 
folgenden  Nacht  das  Danziger  Kommando  mit  erheblichem  Ver- 
lust aus  Ohra,  indem  er  es  von  den  Bergen  her  in  Flanken 
und  Rücken  angreifen  Hess,  während  eine  starke  Abtheilung 
in  der  Front  vorging.  Der  Oberstlieutenant  Mazeppa  schlug  sich 
mit  Verlust  von  4  Kanonen  nach  Danzig  durch.  Auf  russischer 
Seite  war  der  Verlust  bedeutend  *).  Die  eroberten  Danziger 
Kanonen  Hess  Münnich  mit  2 — 9-Pftindern  in  der  Schanze  auf 
dem  Zigankenberg  aufpflanzen.  Am  21.  abends  eröffneten  sie  das 
Feuer*).  Die  Höhen  von  Ohra  Hess  der  Graf  verechanzen 
(Nr.  3).  In  der  Nacht  zum  24.  grifif  er  mit  2000  Mann  die 
Redute,  welche  die  Danziger  auf  dem  Looseberge  bei  SchidHtz 
auf  werfen  Hessen ,  an.  Die  noch  nicht  vollendete  Redute 
(Grandschanze  Nr.  9)  war  mit  einem  Lieutenant  und  40  Mann 
besetzt,  welche  100  Arbeiter,  die  die  Schanze  vollenden  sollten, 
zu  schützen  hatten.  Die  Schanze  wurde  nach  */4  stündigem 
Gefecht  genommen,  wobei  die  Danziger  30,  die  Angreifer  24 
Mann  verloren'). 

In  derselben  Nacht  war  das  Danziger  Haupt  von 
einigen  hundert  Dragonern  und  Kosacken  unter  dem  Major 
R  othe  in  Besitz  genommen  worden.  Der  Kömmandant,  Haupt- 
mann Hube  recht,  welcher  die  Instruktion  hatte,  vor  über- 
legenen Kräften  den  Rückzug  anzutreten,  hielt  sich  so  wörtlich 
daran,    dass  er  das  Fort  ohne  Gefecht   räumte,   wodurch   die 


»)  Hoburg  S.  128. 

^)  Es  werden  auch  15-  und  18 pfundige  Haubitzen  genannt,  womit  die 
Stadt  beschossen  wurde.    Vollstd.  Jurnal  und  ordtl.  Tagesregister. 
»)  Hoburg  S.  130. 


15 


Nehrung  geöffnet  und  die  Verbindung  zwischen  Danzig  und 
Weichselmtinde  bedroht  wurde*). 

Nachdem  die  Verschanzung  bei  Ohra  genügend  vorge- 
schritten war,  verlegte  der  Graf  Münnich  am  26.  sein  Haupt- 
quartier in  diesen  Ort. 

Das  energische  Vorgehen  Münnichs  verfehlte  seinen  Ein- 
druck in  der  Stadt  nicht.  Ein  grosser  Theil  der  Bürgerschaft 
war  dafür,  sich  unter  den  Schutz  des  Königs  von  Preussen  zu 
stellen,  doch  gelang  es  der  Beredsamkeit  des  preussischen  Ge- 
sandten und  der  polnischen  Kommission^),  welche  im  Namen 
des  Königs  mit  der  Stadt  verhandelte,  sie  davon  zurück  zu 
bringen.  Sie  schilderten  die  Mittel  der  Russen  zur  Belagerung 
für  unzureichend,  besonders,  da  die  preussische  Regierung  ver- 
sprochen habe,  den  russischen  Belagerungspark  nicht  durch 
Preussen  marschiren  zu  lassen  und  wiesen  auf  die  Gefahr  hin, 
die  Freiheit  der  Stadt  einzubüssen,  wenn  sie  sich  unter  den 
Schutz  des  Königs  von  Preussen  stellte.  Ausserdem  betheuerte 
der  französische  Gesandte  die  nahe  bevorstehende  Ankunft  der 
französischen  Hilfe,  sowie  dass  Ludwig  XV  allen  Schaden  er- 
setzen werde. 

Ende  März  Hess  der  Graf  Münnich  auf  der  Höhe  vor  dem 
Olivaer  Thor  die  Jerusalemer  Schanze^)  (Nr.  7)  aufwerfen 
und  pussirte  von  hier  aus  mit  Approchen  in  die  Ebene  vor 
dem  Olivaer  Thor  vor.  Am  28.  Hess  er  von  der  Nehrung  her 
einen  Angriff  auf  die  Sommerschanze  am  Einfluss  der  Bot- 
mannslake  in  die  Weichsel  ausführen.  Die  Russen  fanden  je- 
doch in  dem  Kommandanten  der  Schanze,  einem  Hauptmann 
Lealand.  einen  wachsamen  Gegner,  der  sie  mit  einem  heftigen 
Feuer  empfing.  Auch  die  anderen  Holmschanzen  beschossen 
die  Russen  und  ein  Prahmen  brachte  von  Weichselmünde  eine 
üntersttttÄung  von  20  Mann  und  Munition,  woran  Mangel  ein- 


^)  Ebenda. 

')  Die  Kommission  bestand  aus  dem  Bischof  von  Plock,  dem  Woiewoden 
von  Marienburg,  Przebendowski,  und  dem  Ünterkanzler  von  Littauen,  Fürsten 
Czartorysky. 

")  Die  Jerusalemer  Scbanze  hat  wie  das  gleichnamige  Bastion  des  Hagels- 
berges ihren  Namen  von  einer  Kapelle  Jerusalem  vor  dem  Olivaer  Thore. 
Siehe  Taf.  I  unter  q. 


_  16 

getreten  war,  so  dass  die  Rassen  zatn  Aufgeben  des  Angriffs 
gezwungen  wurden.  Die  Stadt  Hess  infolgedessen  einen  mit 
Kanonen  bewaffneten  Prahmen  zum  Schutz  des  Holms  her- 
richten, der  an  der  Sommerschanze  stationirt  wurde. 

Die  Russen  entwickelten  im  Schanzenbau  eine  ausser- 
ordentliche Thätigkeit,  gingen  von  Ohra  aus  die  Höhen  ftber 
Schottland  entlang  mit  Approchen  gegen  den  Bischofsberg  vor  ^), 
breiteten  sich  vom  Zigankenberge  aus  mit  Verschanzungen 
gegen  Schidlitz  aus,  verbanden  die  Jerusalemer  Schanze  durch 
Laufgräben  mit  dem  Zigankenberge  und  setzten  sich  bei  Aller- 
engelii  fest,  das  sie  ebenfalls  durch  Laufgräben  mit  den  Ar- 
beiten vor  dem  Olivaer  Thor  verbanden.  Hiergegen  machte 
in  der  Nacht  29. /30.  der  Hauptmann  von  Schmeling  einen 
Ausfall*)  aus  dem  Olivaer  Thor  mit  200  Mann.  Er  musste 
sich  jedoch  nach  anfänglichem  Erfolge  mit  einem  Verlust  von 
9  Mann  wieder  zurückziehn. 

Wenn  der  Graf  Münnicli  aber  geglaubt  hatte,  mit  den 
Laufgräben  vor  dem  Olivaer  Thor  sich  der  Weichsel  zu  nähern, 
seinen  linken  Flügel  daran  anzulehnen  und  die  Verbindung  der 
Stadt  mit  Weichselmünde  auf  dem  linken  Ufer  aufzuheben,  so 
hatte  er  sich  geirrt.  Die  Laufgräben  wurden  vom  Holzraum ') 
aus  flankirt,  von  der  kleinen  Ealkschanze  im  Rücken  beschossen 
und  vom  hohen  Kavalierberge  im  Jakobsbastion  eingesehn  und 
beschossen.    Trotzdem  wurde  mit  äusserster  Hartnäckigkeit  hier 

*)  Wenn  Hoburg  S.  130  behauptet,  die  Russen  hätten  sich  in  dieser  Zeit 
(Ende  März)  auch  auf  dem  Stulzenberge  verschanzt,   so  ist  das  ein  Irrthnin. 

*)  Das  Faktum  wird  von  mehreren  Seiten  bestätigt,  den  Hauptmann 
von  Schmeling  nennt  aber  aUein  Hoburg  S.  182.  Das  vollständige  Jnrnal 
fuhrt  unterm  28.  einen  Ausfall  mit  500  Mann  gegen  die  Zigankenberger 
Schanze  an,  der  zu  einem  heftigen  Gefecht  führte.  Es  wäre  möglich,  selbst 
wahrscheinlich,  dass  er  startgehabt  hat,  er  wird  aber  in  andern  Quellen- 
schriften nicht  bestätigt.  Ein  Ausfall  mit  130  Mann  am  29.  gegen  den  Jnden- 
kirchhof  Nr.  5,  dessen  Zaun,  hinter  welchem  sich  die  Russen  verbargen,  nieder- 
geworfen wurde,  ergiebt  sich  aus  dem  Recesse  vom  29.  und  30.  März.  (Hoburg 
S.  138.)  Auch  wird  mehrseitig  berichtet,  dass  Schottland  in  dieser  Zeit  (Ende 
Man)  von  Danzig  aus  iu  Brand  gesteckt  wurde,  weU  die  Russen  die  Häuser 
von  Ohra  aus  durchbrachen,   um   eine  gedeckte  Kommunication  herzustellen. 

^)  Der  Holzraum  (x)  ist  das  heutige  bastionirte  Werk  Holsraum  zwischen 
dem  Bastion  am  Rhäm  und  der  Weichsel,  südlich  der  ehemaligen  Kalkschanze. 
Siehe  oben  1,  441  seine  Befestigung  mit  einer  Batterie. 


17 

fortgearbeitet*),  indem  man  sich  der  vollen  Sappe  bediente. 
Um  den  Zweck  der  Sperrung  des  Wegs  auf  dem  linken 
Weichselufer  dennoch  zu  erreichen,  Hess  der  Graf  Mttnnich  in  April, 
der  Nacht  zum  1.  April  eine  Redute  (Nr.  12)  am  mittleren 
Legan  unterhalb  Schellraühl  an  der  Striess  von  700  Arbeitern 
und  200  Mann  Bedeckung  auf  werfen*).  Der  Bau  wurde  von 
den  Danzigern  nicht  gleich  bemerkt.  Am  nächsten  Tage 
richteten  aber  die  zunächst  gelegenen  Schanzen,  die  Kalk-, 
Jungfern-  und  Gevatterschanze,  sowie  der  bewaffnete  Prahmen 
ihr  Feuer  dahin.  Die  Kedute  war  indessen  mit  250  Mann  und 
4  Kanonen  besetzt  worden  und  wehrte  sich  so  erfolgreich,  dass 
der  Prahmen  mit  dem  Verlust  von  2  Verwundeten  sich  zurück- 
ziehen musste.  Dagegen  wurden  am  5.  zwei  Kanonen  der 
Schanze  demontirt. 

Während  die  Russen  sich  auf  diese  Weise  auf  dem  linken 
Ufer  der  Weichsel  festsetzten,  erhielt  der  Oberst  von  Leslie, 
welcher  auf  der  Nehrung  kommandirte,  den  Befehl,  auch  das 
rechte  Weichselufer  in  seine  Gewalt  zu  bringen.  Er  hielt 
Weich selmttn de  auf  dieser  Seite  eingeschlossen  und  liess  einen 
Theil  seiner  Truppen  bei  Heu bu de  ein  Lager  (Nr.  18)  auf- 
schlagen, von  wo  aus  er  mehrere  Batterien  vorschob  (Nr.  20), 
die  am  4.  April  das  Feuer  eröffneten.  Gleichzeitig  setzten  sich  die 
Russen  auch  bei  Rttckfort  auf  dem  linken  Ufer  der  Weichsel  (Nr.  19) 
fest ')  und  sperrten  dadurch  den  Steindamm,  den  Zugang  zum 
Werder.  Zwei  Prahme  vermittelten  die  Verbindung  beider 
Flussnfer.  Am  5.  befahl  der  Graf  Münnich  dem  russischen 
Gen.-Quartiermeister  von  Stoffel,  einen  Posten  an  der  Boot- 
mannslake zu  etabliren,  um  die  Kommunikation  der  Stadt  mit 
Weichselmttnde  auch  hier  zu  verlegen.  Es  wurde  daselbst  eine 
Rednte  (Nr.  16)  angelegt.  Schon  den  Tag  vorher  war  die 
Winterschanze,  welche  nur  eine  geringe  Besatzung  hatte, 
von  den  Russen  ohne  Gefecht  besetzt  worden,  so  dass  sie   im 


*)  Als  nach  Ankunft  der  Sachsen  ihnen  dieser  Theil  der  ContravaUation 
zufiel,  haben  sie  die  Stellung  bald  aufgegeben  und  sich  weiter  rückwärts 
etablirt  (Vollständiges  Jumal). 

•)  Ordentl.  Tagesregister  S.  5863.       .   .. 

')  Ebenda  S.  564.  Ein  Ort  Rückfort  ist  nicht  vorhanden,  wohl  aber 
ein  Rttckforter  Krug. 

Köhler,  Goacbiclita  der  Festungen  Danzig  und  Weichselmiinde.   II.  2 


18 


wesentlichen  in  den  Besitz  des  untern  Holms  kamen.  Weichsel- 
mtinde  war  schon  früher  zur  XJebergabe  aufgefordert  worden. 
Der  Graf  Münnich  wiederholte  jetzt  die  Aufforderung  mit  der 
Drohung,  den  Kommandanten  im  Weigerungsfall  als  Rebell  zu 
behandeln,  liess  aber  zugleich  „die  Recompense  von  einigen 
Tausenden"  durchblicken,  wenn  er  das  Fort  sogleich  übergeben 
würde  ^).  Patzer  verbat  sich  dergleichen  Anträge.  Alle  obige 
Arbeiten  hatten  nur  den  Zweck,  die  Stadt  vollständig  einzu- 
schliessen  und  sind  daher   als  Kontravallation   aufzufassen. 

Wahrscheinlich  durch  den  französischen  Gesandten  veran- 
lasst, hatte  der  König  Stanislaus  den  von  ihm  zum  Obersten 
und  Generaladjutanten  ernannten  Baron  von  Stackeiberg  mit 
Einwilligung  des  Danziger  Raths  unter  dem  Vorwande  nach 
Weichselmünde  geschickt,  Vorbereitungen  zum  Empfang  und 
zur  Unterbringung  der  Franzosen  zu  treffen.  Offenbar  han- 
delte es  sich  jedoch  darum,  einen  Einfluss  auf  die  Vertheidigungs- 
massregeln  zu  gewinnen.  Der  Rath  machte  indessen  den  Haupt- 
mann Patzer  allein  dafür  verantwortlich  und  befahl  ihm,  nur 
von  der  Stadt  Befehle  anzunehmen^). 

Da  die  Einwirkung  der  Batterien  bei  Milchpeter  und  am 
Stangnetengraben  gegen  die  russische  Attacke  von  Heubude  nur 
schwach  war,  liess  die  Stadt  eine  Redute  am  Ganskruge  (f) 
anlegen').  Ein  Ausfall  von  hier  aus  am  6.  April  gegen  die 
Rückforter  Schanze  wurde  von  dem  dort  kommandirenden  Major 
Lambsdorf  nachdrücklich  zurückgewiesen.  Zur  Rückeroberung 
der  Winterschanze  und  Zerstörung  der  russischen  Redute  an 
der  Bootmannslake  wurde  kein  Versuch  gemacht. 

Dem  Hagelsberge  gegenüber  war  von  den  Russen  fleissig 
fortgearbeitet  worden.  Am  4.  nahmen  sie  einen  altern  Posten 
daselbst,  wahrscheinlich  die  Reste  der  ehemaligen  Schanze  Vice- 
Admiral  in  Besitz*)  und  bauten  sie   zu    einer  Redute  (Nr.  6) 


*)  Rec.  vom  7.  April.    Hobnrg  S.  135. 
•)  Rec.  vom  1.  und  2.  April.    Ebenda. 

*)  Nach  Hoburg  S.  136  wurde   die  Schanze  auf  Anweisung  des   Majors 
Ennabergh  erbaut  und  mit  50  Mann  und  3  Kanonen  besetzt. 

*)  Ordentliches  Tagesregister  S.  5G4.     Mit  Unrecht  verlegt  Hoburg  den 


19 

aus,  welche  durch  eine  Kommunikation  von  400  Schritt  Länge 
mit  der  Zigankenschanze  verbunden  wurde.  Die  ßedute  wurde 
nach  dem  sächsischen  General  Rutowski,  der  sich  mit  dem 
Obersten  Rexin  am  27.  März  im  russischen  Hauptquartier  ein- 
gefunden hatte,  benannt.  Am  6.  April  traf  sächsischerseits 
auch  der  geheime  Kriegsrath  Uhle  ein,  um  die  nöthigen  An- 
ordnungen für  den  Unterhalt  der  sächsischen  Truppen  zu  trefifen, 
deren  Ankunft  bevorstand. 

Die  Russen  hatten  mit  dem  Mangel  an  Artillerie  zu 
kämpfen,  da  vorläufig  nur  die  Feldartiilerie  zur  Disposition 
stand.  Die  Ankunft  eines  Belagerungsparks  war  zwar  in  Aus- 
sicht gestellt,  aber  noch  im  weiten  Felde,  da  Preussen  den 
Durchmarsch  durch  sein  Gebiet  verweigerte.  Es  wollte  nur 
für  den  Fall  darauf  eingehn,  dass  beiden  Theilen  der  Durch- 
zug gestattet  würde.  Der  Graf  MUnnich  nahm  es  auf  sich, 
die  Einwilligung  der  Kaiserin  hierzu  herbeizuführen  und  bat 
unterm  25.  März  (5.  April)  den  König  von  Preussen,  dem 
Ueberbringer  des  Schreibens,  Oberstlieutenaut  Ritter,  die  Ein- 
willigung, die  Artillerie  passiren  zu  lassen,  zu  übergeben  *), 
was  auch  erfolgt  zu  sein  scheint. 

Der  Graf  Münnich  hatte  unterm  30.  März  ein  Kommando 
von  500  Dragonern  und  400  Mann  Infanterie  nach  Elbing  ge- 
schickt, um  die  Stadt  und  ein  daselbst  stehendes  polnisches 
Regiment  für  den  König  August  in  Pflicht  zu  nehmen.  Dem 
Kommando  war  der  Major  Schurz  von  der  Artillerie  beigegeben  ^), 
um  zu  ermitteln,  was  daselbst  an  Geschütz  vorhanden  sei  und 
diese  event.  nach  Ohra  zu  senden.  Am  9.  April  kamen  in  der 
Tliat  9  Elbinger  Geschütze,  18-  und  24-Pfünder  mit  Munition,  im 
russischen  Lager  an  und  wurden  sogleich  nach  dem  Ziganken- 


Bau  dieser  Redate  S.  133  noch  in  den  März,  obgleich  er  auch  darüber  keine 
andre  Quelle  hat,  als  das  ord.  Tageregister,  nach  welchem  die  Besitznahme 
des  Postens  am  4.  April  stattfand. 

»)  Der  betr.  Brief  ist  in  den  Neuen  Preuss.  Provinzialblättem  3.  Folge 
Bd.  8  S.  74  abgedruckt. 

')  Der  M^jor  St^.hurz  wird  im  vollständigen  Jamal  genannt  und  da- 
selbst auch  die  Zahl  der  Geschiltze  angegeben. 


20 


benre  geschickt,  um  die  Sudt   mit   gifihendeii  Engehi   zu   If- 

An  deiDKflben  Tage  hob  man  an  der  Bednte  Ton  Sobt^^K- 
niabl  ein  Betranehement  von  130  Schritt  längs  der  Weichsel 
an«  i'Xr  13;.  da«  noch  dnrch  eine  kleine  Rednte  gedeckt  ward  - 

An  den  Lanfgräben  gegen  die  Anssenwerke  war  ohnt- 
Unterbrechnng  weiter  gearbeitet  worden,  was  bei  den  nahm 
Entfernungen  und  dem  lebhaften  Feuer  von  den  Werken  dtr 
Stallt  nicht  ohne  Verlnste  abging.  Am  11.  zahlten  die  Ra»eTi 
allein  10  Todte  und  40  Verwundete.  Die  Ankunft  einer  s^chwc- 
di)^:hen  Brigantine  am  12.  mit  Gewehren.  Pulver  und  40  Mann 
gab  der  Stadt  einige  Erleichterung'). 

Am  13.  fassten  die  Russen  Meubude  gegenüber  auf  dem 
linken  Weichselnfer  festen  Fuss  (24)  und  etablirten  hier  zwei 
Prahmen  sowohl  zur  Verbindung  mit  dem  rechten  Ufer  als  um 
feindlichen  Fahrzeugen  die  Passage  der  Weichsel  zu  verlegren. 
In  der  Nacht  zum  14.  erreichten  die  Küssen  von  Ohra  ans  mit 
den  Approchen  die  alte  Jndenschanze  und  erbauten  tags  darauf 
daselbst  eine  Kedute  (Nr.  5)  *j.  In  der  Zigankenschanze  wurden 
zwei  Geschütze  demontirt 'j. 

Am  14.  besichtigte  der  Graf  Münnich  die  Arbeiten  bei 
Heubnde  und  auf  dem  Holm.  Auf  letzterem  hatte  er  schon 
früher  die  Anlegung  von  zwei  Reduten  angeordnet,  wahrschein- 
lich um  die  Sommerschanze  zu  isoliren*).     Er  begab    sich    so- 

')  Nach  dem  vollständigen  Jurnal  verursachten  die  glühenden  Kugeln 
in  der  Stadt  viel  Schaden. 

*j  Ordentl.  Tagesreg.  S.  566.  Hobnrg  glaubt  mit  Unrei-ht  darin  da.s 
weiter  unterhalb  gelegene  Retranchement  (No.  26)  zu  erkennen,  das  jedoch 
erat  vom  18.  Mai  angelegt  wurde. 

•)  Jurnal  auH  der  Münde.  Hoburg  S.  136.  Der  Oberst  von  Leslie  be- 
zeichnete sie  in  einer  Meldung  vom  12.  irrtbümlich  als  französische  Fregatte. 
Ord.  Tagesreg.  S.  567.  Das  Jurnal  muss  darüber  offenbar  besser  unter- 
richtet «ein.  Auch  muss  die  Brigantine  die  russischen  Werke  glücklich 
passirt  haben,  da  sie  spftter  oberhalb  derselben  auftritt. 

*)  Die  Schanze  wird  auch  Jesuiterschanze  genannt,  weil  das  Jesuiter- 
kolleginm  in  der  Nftlie  lag. 

*)  Ordentl.  Tagesreg.  S.  568. 

•)  Da«  ordentl.  Tagesreg.  sagt  darüber  S.  567  „(auch  besuchte  der  Ge- 
neral) die  beyden  Redouten,  welche  zwinchtm  dem  Kanal  (der  Laake)  und  der 


1-C 

0, 
■ 


■ 

) 


21 


dann  vor  Weichselmiiade  und  befahl,  in  dem  nahe  gelegenen 
Walde  Faschinen  zu  fertigen,  uin  die  ausgeführten  Reduten  und 
Batterien  mehr  zu  schützen.  Die  Laake  Hess  er  an  zwei  Stellen 
für  den  Verkehr  abschliessen.  Am  folgenden  Tage  (15.)  begab 
er  sich  sodann  nach  dem  Danziger  Haupt,  um  einen  geeigneten 
Ort  zur  AusschiflFung  der  über  Pillau  erwarteten  Artillerie  aus- 

,  findig  zu  machen.    Zum  Empfang  schickte  er   den  Lieutenant 

j  Junger  nach  Pillau. 

j  Von  der  Judenschanze  aus  nach  dem  Stolzenberg   hin  um- 

zog man  den  Bischofsberg  mit  einer  Eontravallationslinie, 
die  bei  ihrer  Nähe  von  den  feindliclien  Werken  grösstentheils  mit 
der  vollen  Sappe  ausgeführt  werden  musste,  so  dass  viel  Zeit  zu 
ihrer  Aushebung  erforderlich  war  ^).  Am  18.  wurde  die  Sappe 
auf  90  Schritt  fortgeführt^).  Gleichzeitig  waren  die  Kommu- 
nikationen vom  Zigankenberg  nach  der  Rutowski-Bedute  und 
nach  der  Grandschanze  beendet  worden.  Letztere  wurde 
am  19.  zu  einer  ßedute  umgebaut  und  mit  Geschützen  armirt*). 
Auch  die  Kommunikation  der  Redute  Nr.  12  nach  Schellmühl 
wurde  beendet  und  das  Retranchement  längs  der  Weichsel  da- 
selbst verlängert.  Es  hatte  den  Zweck,  die  Schiflffahrt  auf  der 
Weichsel  zu  hindern. 

Von  Putzig   langten   am  18.  2—10  pfundige  Kanonen  an. 
Die  Russen  schössen   am  19.  April  210  Kanonenschüsse,  wäh- 
rend die  Stadt  allein  an  Bomben  122,  theils  gegen  den  Zigan- 
kenberg, theils  gegen  die  Schellmühlredute  (Nr.  12)  warf*). 
In  Schottland  war  gegen  die  Stadt  ein  Abschnitt  angelegt 


Weichäel  mitten  unter  den  feindlichen  Werken  angelegt  waren  und  fand  die- 
^selben  in  gntem  Stande. '^  Nach  der  „accuraten  Nachricht'  waren  sie  aus  Holz 
gebaut  und  durch  Laufgräben  verbunden,  Jedoch  alles  über  sich,  weil  der 
Boden  purer  Morast  und  Sumpf  war.^ 

^)  Man  langte  erst  am  14.  Mai  auf  dem  Stolzenberge  an.  Ordentliches 
Tagesregister. 

*)  Ordentl.  Tagesreg.  S.  569. 

^)  Sie  war  dadurch  besonders  wichtig,  dass  man  von  hier  die  Verlän- 
gerung des  langen  Marktes  aufnehmen  und  diesen  beschiessen  konnte.  Accu- 
rate  Nachr.  S.  30. 

*)  Ordentl.  Tagesreg.  S.  570.  Am  14.  waren  128  und  am  18.  184  Bom- 
ben allein  gegen  die  Zigaoken^chauze  geworfen  worden.  Ebenda  568,  am  17. 
im  ganzen  230. 


22 


worden,  den  man  am  19.  mit  zwei  Kanonen  besetzte.  Die  Kon- 
travallation  gegen  den  Bischofsberg  rückte  an  diesem  Tage  um 
60,  am  20.  um  50  Schritt  vor.  Die  Linie  Zigankenberg-Grand- 
schanze  wurde  am  19.  um  74  Scliritt  quer  durch  Schidlitz  ver- 
längert. Die  Laufgräben  vor  dem  Olivaerthor,  welche  durch 
die  Triangel-Redute  (Nr.  28)  verstärkt  worden  waren,  wurden 
am  20.  um  84  Schritt  verlängert. 

Am  21.  wurde  bei  Schidlitz  eine  neue  Batterie  (Nr.  11) 
angelegt  und  der  Laufgraben  an  der  Grandschanze  mit  3  Tra- 
versen versehen.  In  der  folgenden  Nacht  wurde  an  der  Ru- 
towski-Redute  eine  Batterie  für  zwei  Mörser  erbaut.  Gleich- 
zeitig wurde  auf  dem  rechten  Weichselufer,  wahrscheinlich 
zwischen  der  Winter-  und  Sommerschanze,  eine  neue  Redute 
erbaut. 

Die  Verbindung  der  Stadt  mit  Weichselmünde,  welche  auf 
die  Weichsel  beschränkt  war.  blieb  trotz  aller  Chicane  der 
Russen  noch  offen.  Fast  täglich  gingen  kleine  Holzschuten 
hin  und  zurück.  Am  24.  kamen  4  dergleichen  glücklich  durch, 
obgleich  61  Kanonen-  und  4611  Musketenschüsse  darauf  ge- 
schehen waren.  Die  Russen  beschossen  die  Stadt  an  diesem 
und  den  folgenden  Tagen  nur  aus  6  Kanonen. 

Der  Graf  Münnich  hatte  gleich  nach  seiner  Ankunft  den 
Antrag  gestellt,  dass  ihm  Verstärkungen  zugeschickt  würden. 
Unzweifelhaft  muss  dies  Erfolg  gehabt  haben,  doch  haben  wir 
nur  ganz  vage  Nachrichten  darüber:  So  berichtet  die  accurate 
Nachricht  S.  42  und  74,  dass  fortwährend  der  russischen  Armee 
Verstärkungen  zugingen,  und  nach  dem  „ord.  Tagesreg."  S.  567 
traf  am  10.  April  im  Hauptquartier  die  Nachricht  ein,  dass  der 
General  Lubras  von  der  Kaiserin  den  Befehl  erhalten  habe, 
mit  den  Truppen  von  Warschau  zur  Armee  vor  Danzig  zu 
stossen  ^).  lieber  die  eigentliche  Stärke  der  Armee  herrscht 
für  den  Monat  April  völlige  Dunkelheit*).     Jedenfalls  war  sie 


*)  Nach  Maustein  S.  120  hätte  der  General  Lnbras  so  lange  mit  seinem 
Abmarsch  gezi)gert,  bis  der  Graf  Münnich  Ihn  habe  in  Arrest  stecken  lassen. 

*)  Eine  genauere  Nachricht  über  die  Stärke  der  russischen  Armee  ist 
erst  am  Schluss  der  Belagerang  vorhanden,  wo  sie  33,342  Mann  betrug  (Ho- 
bur^  S.  214  nach  ein^r  handschriftlicheu  Nachricht).    Rechnet  mau  von  dieser 


23 


unzureichend,  was  sich  um  so  drückender  fühlbar  machte,  als 
die  Polen  sich  wieder  zu  regen  begannen.  Der  Graf  Männich 
hatte  Anfang  des  Monats  den  General  Sagraiski  und  den 
Gen.-Maj.  Biron  mit  2000  Dragonern  und  1000  Kosacken  nach 
der  mittlem  Weichsel  senden  müssen,  wo  sich  der  Kastellan 
von  Czersk  und  der  Woiewode  von  Lublin,  Graf  Tarlo,  jeder 
mit  einigen  1000  Mann  eingefunden  hatten  *).  Die  Truppen  des 
Kastellans  waren  zwar  am  5.  in  der  Gegend  von  Seh  wetz  zer- 
sprengt worden,  bald  darauf  erschien  aber  der  Woiewode  von 
Lublin  in  der  Gegend  von  Tuchel  und  Konitz,  um  von  Westen 
her  gegen  Danzig  vorzudringen.  Der  Graf  Müunich  sah  sich 
genöthigt,  am  17.  den  General  von  Lascy  mit  Grenadieren  und 
einiger  Infanterie  zur  Verstärkung  des  Generals  Sagraisky  ab- 
zuschicken. Die  Vereinigung  erfolgte  bei  Behrendt.  Es  waren 
jetzt  2300  Mann  reguläre  Truppen  und  600  Kosacken  beisammen. 
Mit  diesen  geringen  Kräften  zeistreute  Lascy  das  gegen  8000 
Mann  starke  polnische  Korps  am  20.  bei  Wyszerzin  süd- 
westlich Neustadt  an  der  pommerschen  Grenze  völlig.  Lascy 
war  schon  am  25.  wieder  in  Olira  zurück.  Sagraisky  blieb 
noch  einige  Zeit  abkommandirt..  Ebenso  wurde  der  Oberst 
Boy  in  Elbing  festgehalten,  da  sich  polnische  Truppen  im 
Bisthum  Ermeland  zeigten.  Noch  am  26.  trafen  von  ihm  Ge- 
fangene vom  Korps  des  Grafen  Schlieben  im  russischen  Haupt- 
quartier ein. 

Inzwischen  bereitete  man  alles  zur  Aufnahme  der  erwar- 
teten Artillerie  vor.  Die  Kommunikationen  wurden  erweitert, 
die  Kontravallation  fortgeführt,  die  seit  dem  21.  im  Bau  be- 
gritfeuen  Batterien  wurden  beendet  und  neue  angefangen.     Am 


Summe  die  uotorischen  Verstärkungen  ab,  welche  der  Armee  im  Mai  und 
Juni  zugingen,  nämlich  7300  Mann  von  Warschau  und  2500  Mann,  welche 
mit  der  Flotte  ankamen,  so  bleiben  für  den  April  eijiige  20000  Mann.  Das 
gVoUstd.  Jurnal"  erzählt  zwar,  dass  im  Mai  ausserdem  noch  9000  M.  Ver- 
stärkung in  Aussicht  gestellt  wurden,  aber  nicht,  dass  sie  angekommen  wäreu. 
Wahrscheinlich  sind  die  Sachsen  damit  gemeint. 

*)  ('rdentl.  Tagesreg.  S.  557.  Um  dieselbe  Zeit  operirte  der  Woiwode 
Ton  Kiew  mit  12000  Mann  gegen  Krakau,  das  er  iu  der  Nacht  vom  3.  zum 
4.  Apiil  überfiel,  aber  vom  sächsischen  General  von  Löweudal  zurückgewiesen 
wurde. 


24 

24.  wurde  die  Kontravallation  bei  Schidlitz  um  113,  die  des 
Bischofsberges  um  40  Schritt  verlängert,  am  26.  die  letztere 
um  60,  die  bei  aller  Engeln  um  107  Schritt. 

Seit  dem  25.  wurde  die  Stadt  wieder  mit  9  Kanonen  be- 
schossen. Die  Unterbrechung  der  Kommunikation  mit  Weichsel- 
münde durch  Geschützfeuer  wollte  nicht  gelingen.  Am  24. 
kamen  4  Fischerkähne,  am  25.  eine  Schaluppe,  am  26.  zwei 
Boote  und  eine  Brigantine*)  durch.  Dagegen  wurde  am  29. 
von  zwei  Booten,  die  von  Weichselmüude  zurückkehrten,  eins 
in  den  Grund  geschossen.  Von  den  13  Mann  Besatzung  wur- 
den 5  getödtet,  zwei  gefährlich  verwundet,  die  übrigen  gefangen. 

Am  26.  wurde  eine  Batterie  zu  drei  Mörsern  bei  Aller 
Engeln  (Nr.  10)  und  am  27.  eine  solche  zu  3  Kanonen  (Nr.  11) 
rechts  der  Rutowskiredute,  sowie  eine  zweite  Mörserbatterie 
zu  2  Möi*s6rn  links  der  Redute  angefangen.  Links  der  Redute 
von  Schellmühl,  also  wahrscheinlich  auf  dem  linken  Ufer  der 
Striess,  wurde  eine  Batterie  zu  8  Kanonen  erbaut. 

Man  erwartete  auch  die  sächsische  Artillerie.  Am  26. 
wurde  ihr,  da  die  Gegend  immer  noch  unsicher  war,  ein  starkes 
Kommando  entgegengeschickt.  Am  28.  traf  die  Nachricht  ein  *), 
dass  die  russischen  Geschütze  von  Riga  und  Reval  endlich  am 
Danziger  Haupt  bei  Käsmark  eingetroffen  waren.  Der  Graf 
Münnich  Hess  nunmehr    die  Stadt  unter  Androhung  des  Bom- 


')  In  den  Relationen  ist  mehrfach  von  einer  Fregatte,  die  sogar  als 
französische  bezeichnet  wird,  die  Kede,  welche  auf  der  Weichsel  ober-  und 
unterhalb  der  Stadt  Danzig  sich  durch  Geschützfeuer  den  Belagerern  sehr 
lästig  machte.  Es  ist  wohl  darunter  die  am  12.  April  angekommene 
schwedische  Brigantine  zu  verstehen,  welche  auch  hier  gemeint  sein  mag. 

')  Ordentl.  Tagesreg.  S.  574.  Hobnrg  lässt  (S.  134)  den  russ.  Belagenings- 
park  am  28.  schon  vor  Danzig  eintreffen  und  begeht  femer  den  groben  Irr- 
thum,  die  vom  „vollständigen  JumaP  genauer  angegebene  Artillerie,  welche 
später  die  russ.  Flotte  mitbrachte,  auf  diese  erste  Seudung  zu  beziehen.  Die 
Zahl  der  Geschütze  der  letztem  ist  nicht  bekannt.  Einen  ungefähren  Anhalt 
giebt  dasselbe  Jurnal,  indem  es  sagt,  dass  am  12.  Juni,  al^  am  Tage  der 
Ankunft  der  russischen  Flotte,  7  Kanonenbatterieu  mit  29  Kanonen  und  6 
Morserbatterien  in  Thätigkeit  gegen  die  Stadt  waren.  Auch  das  ordentliche 
Tagesregister  giebt  für  diese  Zeit  eine  ähnliche  Notiz,  nur  dass  es  nicht  6 
Mörserbatterien,  sondern  6  Mörser  erwähnt.  Pen  ei^ntlichen  Bela^erongs- 
park  brachte  erst  die  Flotte  im  Juni. 


25 


bardemente  von  neuem  zur  Uebergabe  auflfordern.  Die  fremden 
Kaufleute  liess  er  anweisen,  die  Stadt  zu  verlassen,  was  ihnen 
jedoch  vom  Magistrat  nicht  gestattet  wurde. 

In  Danzig  hatte  man  die  Ankunft  des  russischen  Belage- 
rnngsparks  am  Haupt  ebenfalls  am  28.  durch  zwei  Fleischer- 
gesellen erfahren,  die  von  Bohnsack  kamen  und  daselbst  die 
Requisition  von  1200  Pferden  für  den  Transport  der  Geschütze 
erfahren  hatten  ^).  Am  29.  meldete  auch  der  Kommandant  von 
Weichselmünde  ihre  Ankunft  am  Hatipt  *).  Die  Stadt  liess  sich 
dadurch  indessen  nicht  schrecken  und  verweigerte  die  Ueber- 
gabe. Vergebens  waren  auch  die  Bemühungen  des  preussischen 
Etatsraths  von  Brand'),  der  am  20.  April  mit  neuen  Instruk- 
tionen im  russischen  Hauptquartier  eingetroffen  war.  Nach  den 
von  ihm  mitgebrachten  Vermittelungsvorschlägen  sollte  die 
Stadt  den  König  Stanislaus  und  seinen  Anhang  entfernen,  eine 
feierliche  Deputation  an  die  Kaiserin  Anna  und  an  König 
August  III  schicken,  um  Abbitte  zu  leisten,  und  eine  zu  be- 
stimmende Geldsumme  als  Entschädigung  zahlen.  Am  5.  Mai, 
nachdem  das  Bombardement  eröffnet  worden,  wandte  sich  die 
Stadt  an  den  Herrn  von  Brand  wegen  Vermittelung  eines  Waffen- 
stillstandes. Der  Graf  Münnich  liess  sich  jedoch  auf  nichts 
ein,  forderte  vorab  unbedingte  Unterwerfung,  Einräumung  eines 
Stadtthors  innerhalb  24  Stunden  und  Uebergabe  von  Weichsel- 
münde. 

Am  28.  (29  ?)  erfolgte  aus  der  Stadt  ein  grösserer  Ausfall 
gegen  die  Judenschanze  (Nr.  5).  Das  Gefecht  dauerte  andert- 
halb Stunden.  Die  Russen  erlitten  bedeutende  Verluste,  doch 
trieben  die  herbeieilenden  Reserven  den  Ausfall  wieder  zurück*). 


')  Accurate  Nachricht  S.  53. 

«)  Rec.  vom  29.  April.    Hoburg  S.  137. 

^)  Rec.  vom  24.  iind  28.  April. 

*)  Ord.  Tagesreg.  S.  576.  Karzer  Auszug  S.  411.  Nach  letzterem  hatte 
der  Ausfall^  der  mit  200  Mann  und  ÖO  Arbeitern  geschah,  den  Zweck,  die 
Werke  der  Rnssen  zu  zerstören.  Der  Punkt  war  in  der  That  wegen  des  be- 
vorstehenden Bombardements  sehr  günstig  gelegen,  Hoburg  erwähnt  diesen 
Aasfall  gar  nicl^t, 


26 

2.    Das  Bombardement  und  die  Anstalten  zxun  Empfang  der 

Franzosen. 

Inzwischen  traf  am  29.  die  sächsische  Artillerie  ein  *),  so- 
dass am  30.  Abends  S  Uhr  die  ersten  Bomben  in  die  Stadt  ge- 
worfen werden  konnten,  von  denen  eine  den  Rathliausthnrni 
traf.  In  den  folgenden  Tagen  langte  nach  und  nach  die  rus- 
Mai.  sische  Artillerie  an.  Von  ihr  wurden  am  1.  Mai  ebenfalls 
abends  8  Uhr  die  ersten  Bomben  geworfen.  Die  gegen  Weichsel- 
münde bestimmte  Artillerie  scheint  von  einer  russischen  Fre- 
gatte direkt  dahin  gebracht  worden  zu  sein,  denn  das  „vollst. 
JurnaP  giebt  an,  dass  am  3.  Mai  daselbst  4  Mörser  und  9  Ka- 
nonen, 600  Bomben,  24  Tonnen  Pulver  und  150  Kanoniere  aus- 
geschiflft  worden  sind.  Gegen  die  Stadt  waren  am  3.  Mai  erst 
5  Mörser  und  9  Kanonen  in  Thätigkeit. 

Da  die  Nachricht  eingetroffen  war*),  dass  einige  französi- 
sche Fregatten  und  ein  Linienschiff  bei  Kopenhagen  angekommen 
waren,  verfügte  sich  der  Graf  Münnich  am  3.  Mai  nach  Heu- 
bude, um  Vorsorge  zu  treffen,  die  Franzosen  am  Marsch  nach 
Danzig  zu  hindern.  Zu  dem  Zweck  ordnete  er  auch  ein 
Retranchement  zwischen  Neu -Schottland  und  Schellmühl  an 
(Nr.  25)^),  und  liess  die  Approchen  von  Schellmühl  zur  Redute 
Nr.  12  an  der  Weichsel  zur  Vertheidigung  gegen  einen  von 
Weichselmünde  kommenden  Gegner  einrichten  (N.  14),  Nächstdem 


^)  Die  Mähr,  dass  zwei  sächsische  Mörser  zur  Post  über  Berlin  als  an- 
gebliches Gepäck  des  Herzogs  vou  Weissenf  eis  trausportirt  worden  seien,  die 
selbst  vom  Geu.  von  Maustein  wiederholt  wird,  hat  nicht  den  geringsten 
Grad  von  Wahrscheinlichkeit  für  sich,  .abgesehen  von  dem  bedeutenden  Ge- 
wicht der  Mörser  selbst,  ist  auch  das  noch  grössere  der  zugehörigen  Munition 
inbetracht  zu  ziehen.  Das  „vollst.  JumaP  erwähnt  nicht«  davon  und  sagt, 
dass  ausser  zwei  Mörsern  auch  12  schwere  18-  und  24pfÜQdige  Kanonen  an- 
gelangt sind.  Das  ord.  Tagesreg.  S.  576  behauptet,  es  wären  nur  2  Bomben 
mitgekommen,  indessen  sind  am  ersten  Abend  aliein  6  geworfen  worden  (Accu- 
rate  Nachricht.  Anhang  S.  318,  Bombentabelle). 

•)  Die  erste  Nachricht  brachte  eine  schwedische  Yacht,  welche  Pulver 
und  Flinten  aus  Frankreich  brachte.     Accurate  Nachricht  S.  44. 

')  Ordentl.  Tagesreg.  S.  577.  Hoburg  bezieht  dieses  Retranchement  nicht 
auf  die  Franzosen,  die  über  Brösen  hierher  hätten  gelangen  können,  sondern 
auf  die  Stadt,  fasst  es  also  nicht  als  Circumvallation,  sondern  als  Coutra- 
vallatiou  auf! 


27 


liess  er  gegenftber  der  Winterschanze  auf  dem  linken  Weichselufer 
eine  Batterie  von  3  schweren  Kanonen  (Nr.  17)  erbauen,  um 
die  Sommerschanze,  die  unter  diesen  Umständen  von  be- 
sonderer Wichtigkeit  wurde,  zu  beschiessen.  Die  Batterie 
wurde  schon  am  4.  nachmittags  mit  den  ersten  drei  von  Käs- 
mark angekommenen  Kanonen  armirt  *).  Der  Graf  Münnich  be- 
gab sich  zur  Eröffnung  des  Feuers  persönlich  dahin.  Das  Feuer 
wurde  7  Uhr  abends  eröffnet,  und  schon  nach  dem  9.  Schuss 
war  der  mit  Kanonen  bewaffnete  Prahmen,  welcher  an  der  Schanze 
lag,  so  beschädigt,  dass  er  nur  mit  Mühe  nach  Weichselmüude 
entkam.  In  der  Schanze  kommandirte  zur  Zeit  ein  Hauptmann 
Fischer,  da  Lealand  am  2.  Mai  erkrankt  war.  Er  wurde  vom 
Grafen  Münnich  mit  der  Bemerkung  zur  Uebergabe  aufgefordert, 
dass  ihm  Ehre  genug  widerfahren  sei,  durch  schwere  Geschütze 
beschossen  worden  zu  sein.  Auf  seine  ablehnende  Antwort 
wurde  das  Feuer  fortgesetzt  und  dauerte  den  6.  hindurch,  so 
dass  bei  der  nahen  Entfernung  die  Palisadirung  sehr  litt.  Es 
fehlte  der  Besatzung  an  dem  nöthigen  Ausbesserungsmaterial, 
das  man  in  Weichselmtinde  vergeblich  requirirte.  Im  übrigen 
litt  die  Schanze  weder  Mangel  an  Lebensmitteln  noch  an  Muni- 
tion. Sie  war  mit  130  Mann  und  3  eisernen  Kanonen,  sowie 
einem  kleinen  Mörser  besetzt.  Zum  Angriff  der  Schanze,  der 
am  6.  abends  10  Uhr  erfolgen  sollte ,  war  der  Oberst  Leslie  mit 
450  Mann,  worunter  100  Grenadiere  mit  je  4  Handgranaten  aus- 
gerüstet und  50  Kosacken,  kommandirt.  Er  stellte  50  Grena- 
diere an  der  Weichsel  auf,  um  einer  etwaigen  Unterstützung 
der  Schanze  von  Weichselmünde  aus  entgegenzutreten,  be- 
stimmte 150  Mann  in  3  Abtheilungen  zum  Angriff  der  aus- 
springenden Winkel  der  Redute  und  liess  ebensoviel  mit  Beilen 
versehene  Mann  zum  Fällen  der  Palisaden  folgen.  Die  Kosacken, 
welche  ohne  Pferde  waren,  hatten  von  der  Kontreskarpe  aus 
die  Brustwehrkrone  unter  Feuer  zu  halten.  Die  obigen  Mann- 
schaften überschritten  am  grossen  Holländer  in  grösster  Stille 
die  Laake.  Ihnen  folgte  der  Rest  als  Reserve.  Ausserdem 
blieb  die  übrige  Mannschaft  im  Lager  unter  Gewehr.  Die  Be- 
satzung war  gerade  mit  Ausladen  der  endlich  von  Weichsel- 


»)  Ebenda  8.  578, 


26 


münde  eingetroffenen  requirirten  Gegenstände  beschäftigt,  haupt- 
sächlich Sandsäcke  und  spanische  Reiter,  die  auf  zwei  Booten 
angekommen  waren,  und  wurde  durch  den  Angriff  völlig  über- 
rascht. Die  Russen  erstiegen  ohne  Verlust  die  Brustwehr,  so 
dass  erst  im  Innern  der  Schanze  ein  heftiger  Kampf  begann. 
Der  Hauptmann  Fischer  entzog  sich  dem  heimlich  und  fuhr 
gleich  zu  anfang  nach  Weichselmünde  ab.  Das  Auffliegen  eines 
Pulvermagazins  veimehrte  die  Verwirrung.  Auch  der  2.  Officier, 
ein  Lieutenant  Runger,  fuhr  mit  einiger  Mannschaft  auf  den 
Booten  ab.  Der  Rest  der  Besatzung  wurde  theils  gctödtet,  theils 
gefangen.    Die  Russen  hatten  nur  29  Verwundete^). 

Weichselmünde  war  bereits  durch  einen  mit  Reduten  ver- 
sehenen Laufgraben  (Nr.  29),  vor  dem  ein  Verhau  angebracht 
war,  von  der  Nehrung  her  eingeschlossen.  Die  Russen  ver- 
banden diese  Kontravallationslinie  jetzt  mit  der  Sommerschanze 
(Nr.  30).  Eine  Beschiessung  der  Schanze,  von  Weichselmünde 
und  der  Herrenschanze  her,  blieb  ohne  Erfolg.  Einen  Versuch, 
die  Schanze  wiederzunehroen,  haben  die  Danziger  nicht  gemacht. 
Er  würde  auch  in  dem  sumpfigen  Terrain  und  bei  den  ange- 
legten Verschanzungen  der  Russen  auf  dem  Holm  seine  Schwie- 
rigkeit gehabt  haben.  Die  Verbindung  der  Stadt  mit  Weichsel- 
münde zu  Lande  war  jetzt  völlig  abgeschnitten.  Auch  hatte 
der  Kommandant  des  letztern  nicht  das  Vertrauen  der  Bürger- 
schaft, welche  deshalb  schon  am  30.  April  seinen  Ersatz  durch 
einen  andern  Offizier  beantragt  hatte.  Der  Rath  war  jedoch 
nicht  darauf  eingegangen.  Den  Hauptmann  Fischer  Hess  er 
aber  seines  üblen  Verhaltens  wegen  verhaften*). 

Der  Verlust  der  Sommerschanze  wurde  in  der  Stadt  tief 
empfunden.  Das  Bombardement  hatte  inzwischen  an  Aus- 
dehnung gewonnen.  Seit  dem  3.  Mai  fielen  täglich  über  100 
Bomben  in  die  Stadt.  Nur  während  der  Verhandlungen  mit 
dem  preussischen  Staatsrath  von  Brand  war  es  etwas  gemässigt 
worden.  Der  König  Stanislaus  hatte  sich  sogleich  nach  Lang- 
garten zurückgezogen,  auch  die  reichern  Bürger  folgten  dahin  ^). 


»)  Ordentl.  Tagesreg.  S.  580. 

»)  Rec.  vom  7.  und  25.  Mai.     Hoburg  S.  189. 

')  Wahr^cbeinlicl)  veranlasst  4urch   die  Aohäufuttg  der  Bewohner  iu 


29 


Der  bürgerliche  Verkehr  hörte  in  der  Stadt  allmählich  auf,  die 
am  meisten  ausgesetzten  Häuser  wurden  verlassen,  die  Ver- 
kaufsläden geschlossen,  es  zog  sich  alles  in  die  Eellerräume 
zurück.  Auch  die  Verhandlungen  der  städtischen  Obrigkeit 
fanden  in  den  untern  Oewölben  des  Rathhauses  statt,  bis  sie 
schliesslich  ebenfalls  nach  Langgarten  verlegt  wurden.  Doch 
hatte  es  seine  Schwierigkeit,  eine  Versammlung  zusammenzu- 
bringen. Der  französische  Gesandte  wurde  nunmehr  an  sein 
Versprechen  erinnert,  den  Schaden  zu  ersetzen.  Er  zeigte  sich 
zwar  gereizt  darüber,  deponirte  aber  30000  Dukaten*). 

Das  Feuer  von  den  Werken  wurde  inzwischen  fortgesetzt 
und  Vorkehrungen  getroffen,  entstehende  Feuersbrtinste  sogleich 
zu  löschen. 

Die  Arbeiten  in  den  russischen  Laufgräben  waren  indessen 
ununterbrochen  fortgegangen.  Die  Kontravallation  gegen  den 
Bischofsberg  war  vom  1.  bis  3.  Mai  um  250  Schritt  nach  dem 
Stolzenberg  hin  fortgeschritten.  Noch  am  7,  arbeitete  man 
daran.  Die  Circumvallation  bei  Neuschottland,  wovon  täglich 
gegen  200  Schritt  ausgehoben  wurden,  kam  bis  zum  8.  bis 
Langfuhr  zustande.  Auch  auf  der  Seite  vor  dem  Olivaer  Thor 
wuinie  rüstig  gearbeitet.  Am  letztern  Punkt  wurde  am  6.  ein  neues 
Boyau  von  130  Schritt  Länge  angesetzt  und  am  7.  um  100  Schritt 
weitei^eführt.  Wie  es  scheint,  beabsichtigte  man  von  Schidlitz 
aus  dais  Neugarten-Thor  durch  Laufgräben  zu  umschliessen,  um 
Ausfälle  aus  demselben  zu  verhindern.  Am  4.  näherte  man 
sich  demselben  um  90  Schritt,  am  7.  um  64  Schritt. 

Die  Batterien  waren  fertiggestellt,  aber  mit  der  Ankunft 
der  Geschütze  ging  es  sehr  langsam.  Am  7.  kamen  erst 
wiederum  zwei  Mörser  an,  die  sogleich  in  die  Batterien  ein- 
geführt wurden.  Die  Circumvallation  bei  Neu-Schottland  wurde 
um  300  Schritt   verlängert*).    Auch   armirte   man   an   diesem 


Langgarten  and  in  der  Niederstadt  Hess  der  Graf  Münnicb,  der  stets  sehr 
gat  über  die  Verhältnisse  in  Danzig  unterrichtet  war,  einen  gewaltsamen  An- 
griff aof  die  Vorstadt  Kneipab  machen,  der  jedoch  abgeschlagen  wurde. 
Accurate  Nachricht  S.  58. 

^)  Becess  vom  30.  April  und  5.  Mai. 

')  Ordentliches  Tagearegister  S.  581.     Es  ist  hier  ausdrttcklich  ausge- 


30 

Tage  die  neue  Batterie  rechts  der  Rutowski-Redute  mit  den 
3  schwersten  Kanonen  der  Zigankenschanze  *), 

3.    Der  Sturm  auf  den  Eagelsberg. 

Am  7.,  wo  der  Graf  Mtinnich,  der  der  Erstürmung  der 
Sommerschanze  beigewohnt  hatte,  wieder  nach  Ohra  zurück- 
gekehrt war  und  hier  über  die  Bestimmung  neu  angekommener 
Geschütze  disponirt  hatte,  langte  eine  durch  Herrn  v.  Gallowin 
überbrachte  Depesche  von  der  Kaiserin  an,  die  dem  Grafen 
befahl,  einen  gewaltsamen  Angriff  auf  den  Hagelsberg  zu  ver- 
suchen *). 

Um  mit  der  nöthigen  Vorsicht  zuwerke  zu  gehen,  be- 
willigte der  Feldmarschall  der  Stadt  einen  48  stündigen  Watfen- 
stillstand^)  bis  zum  9.  Mai  mittags,  um  Zeit  zu  gewinnen,  die 
Beschaffenheit  der  Werke  sorgfältig  zu  rekognosciren.  Er 
that  dies  am  8.  mit  den  Generalen  Lascy  und  Biron.  Der 
officielle  Bericht  sagt  über  das  Resultat  dieser  Rekognoscirung : 
„Der  Hagelsberg  ist  in  seiner  rechten  Flanke  gegen  das  Oli- 
vische Thor  eskarpiret  und  nicht  anzukommen.  Die  Tete  ist  ein 
reguläres  Hornwerk  mit  einem  Ravelin  und  Kontreskarpe*), 
welche  den  Hauptwall  und  das  Ravelin  bis  an  die  Brustwehr 
deckt,  stark  verpalisadiert,  mit  einer  starken  Artillerie  bespickt 
und  die  Brustwehren  mit  Sturmbalken  überall  belegt,  und  weil 
man  bis  dato  keine  schwere  Artillerie  noch  genügsame 
Mannschaft  gehabt,  die  Attake  bis  auf  die  lyontreskarpe  zu 
führen  und  Bresche  zu  legen,  die  Festungswerke  ganz  unbeschädigt 
in  vollem  Defensionsstande,  und  wie  man  sagt,  unterminirt,  so  dass 
da  dem  Hagelsberge  von  diesen  beiden  Seiten  nicht  anzukommen. 


sprochen,  dass  das  Retranchement  von  Neu-Schottland  gegen  die  Franzosen 
bestimmt  war. 

»)  Ebenda. 

*)  Ebenda  S.  582.  GaHowin  hatte  die  Entfernung  von  Petersburg  in 
7  Tagen  zurückgelegt. 

*)  Eec.  vom  7.  Mai.  Hobnrg  S.  190.  Die  russischen  Berichte  erwähnen 
von  diesem  Wa£fenstillsiande  nichts,  sagen  indessen,  dass  den  8.  zu  Ehren  des 
Krönungsfestes  der  Armee  Ruhe  gegeben  wurde. 

*)  Ordentl.  Tagesregister  S.  586.  Unter  Kontrescanie  ist  in  dem  Bericht 
gedeckter  Weg  zu  verstehen. 


31 

denselben  in  der  linken  Flanke  von  der  Seite  der  Schidlitz  zu 
attakiren.  Es  stossen  allda  an  dem  Hagelsberge  die  Aussen- 
vverke,  welche  die  Kommunikation  mit  dem  Bischofsberge 
machen.  Das  nächste  Werk  so  an  den  Hagelsberg  anhänget, 
hat  keinen  bedeckten  Weg,  sondern  einen  trocknen  Graben, 
und  die  darin  gesetzte  Palisaden  *)  und  das  natürliche  Terrain 
machen  die  Kontreskarpe.  Der  Wall  ist  von  Erde  und  nicht 
revetirt  und  die  Berme  mit  einer  dicken  lebendigen  Hecke 
besetzt;  der  trockene  Graben  ist  aus  unsern  in  der  Schidlitz 
geführten  Approchen  ganz  enfilirt^)  und  kommandirt,  und  war 
daher  von  den  Feinden,  sowohl  als  ein  auf  dem  Neben-Saillant 
gelegenes  Bonett  (vor  Bastion  Neubaur)^)  schon  einige  Tage 
abandonirt.  Es  wurde  demnach  resolvirt,  die  Attake  auf 
dieses  Werk  (das  Ravelin  Neubaur  —  Notzkenberg)  zu  führen 
und  von  da  aus  den  Hagelsberg  in  der  (linken)  Flanke  zu 
stüiTOen'*. 

Der  Graf  Münnich  befehligte  zur  Leitung  des  Sturms, 
welcher  am  9.  abends  stattfinden  sollte,  den  General lieutenant 
Knäs  Beratinski  und  den  Generalmajor  von  Biron  mit  8000 
Mann.  Die  Truppen  sollten  sich  um  7  Uhr  abends  hinter  dem 
Zigankenberge  sammeln,  daselbst  das  Gepäck  ablegen  und  nach 
Eintheilung  in  3  Kolonnen  und  Eintritt  der  Dunkelheit  den 
Laufgraben  nach  Schidlitz  bis  zur  Mörserbatterie  (Nr.  10) 
hinabsteigen,  hier  durch  Abräumung  der  Brustwehr  drei  be- 
queme Passagen  herstellen,  sich  sodann  ordnen  und  mit  einem 
Zwischenraum  von  30  bis  40  Schritten  zwischen  den  Kolonnen 
in  gleicher  Höhe  und  langsamen  Schritts,  um  nicht  auseinander 
zu  kommen,  antreten.  An  der  Spitze  jeder  Kolonne  sollten 
sich  200  Grenadiere,  jeder  mit  4  Granaten  und  800  Musketiere, 
jeder  mit  24  Patronen  versehen,  befinden.  Die  übrige  Mann- 
schaft sollte  zum  Tragen  der  Faschinen,  Stunnleitem,   Beile, 


^)  Die  Palisaden  standen  demnach  am  Fuss  der  Kontreskarpe. 

*)  nämlich  die  Gräben  vor  den  rechten  Facen  des  Bastions  und  Bavelins 
Neabaur.  Letzterer  war  vom  Looseberg  ans  auch  durch  Geschützfener  zu  be- 
streichen. 

*)  Das  Bastion  Neubaur  wird  in  den  gleichzeitigen  Berichten  „an  dem 
Kessel  beim  Majoren -Thor"  bezeichnet,  woraus  später  Bastion  Kessel  geworden 
ist.    Der  Name  Neubaur  wurde  nur  fttr  das  Ravelin  beibehalten. 


32 


Spaten  etc.  verwendet  resp.  als  Reserve  bestimmt  werden. 
Jeder  Kolonne  waren  3  Ingenieurofficiere  zugetheilt.  An  den 
Palisaden  angekommen,  sollten  die  Faschinen  niedergelegt  und 
die  Palisaden  weggeräumt  werden.  Käme  eine  Kolonne  früher 
damit  zustande  als  die  andere,  so  könnten  zwei  Kolonnen 
durch  dieselbe  Lücke  gehn,  die  dann  erweitert  werden  sollte. 
Nach  dem  üeberschreiten  des  Grabens  sollten  die  Leitern  an 
den  Wall  gelegt  und  derselbe  ei-stiegen  werden,  wobei  die 
Dornhecke  der  Berme  auszureissen  wäre. 

1500  Mann  waren  ausserdem  zu  drei  ScheinangrilBen  gegen 
den  Bischofsberg  und  gegen  die  Front  des  Hagelsbergs  be- 
stimmt. 

Die  Disposition  für  die  Sturmkolonne  wurde  richtig  aus- 
geführt. Eine  heftige  Beschiessung  des  Hagelsberges  vom  Mittag 
des  9.  ab  diente  zur  Vorbereitung  des  Sturms,  um  die  Palisaden 
zu  zei-stören  und  den  Wall  ersteiglich  zu  machen.  Die  Ko- 
lonnen traten  um  10  Uhr  abends  an.  Die  Besatzung  hatte  die 
Annäherung  frühzeitig  genug  entdeckt  ^),  um  zum  Empfang  der 
Kolonnen  bereit  zu  sein.  Geschütz-  und  Gewehrfeuer  empfingen 
die  vorgehenden  Bussen,  die  indessen  gegen  Mitternacht  an  dem 
am  weitesten  vorspringenden  Ravelin  Neubaur  anlangten,  die 
Palisaden  niederlegten,  den  Graben  trotz  des  verheerenden  Feuei-s 
von  den  anliegenden  Bastionen  überschritten,  auf  Leitern  die 
Eskarpe  erstiegen,  die  Hecke  auf  der  Berme  wegräumten  und 
nach  grossen  Verlusten,  welche  die  auf  sie  herabrollenden  Sturra- 
balken in  den  Reihen  rissen,  das  mit  sieben  Kanonen  besetzte 
Ravelin  erstiegen.  Aber  sämmtliche  Stabsofflciere,  die  Ingenieure 
und  die  meisten  Offleiere  waren  gefallen*),  so  dass  die  3  Ko- 
lonnen auf  dem  beschränkten  Raum  untereinander  kamen  und 
jede  Leitung  aufhörte.  Sie  hätten  von  dem  Ravelin  auf  einer 
schmalen  Rampe  wieder  in  den  Graben  steigen  und  den  Haupt- 
wall erklimmen  müssen.     Ein   heftiges  Gewehrfeuer  von  der 


^)  Der  Scheinangriif  gegen  den  Hagelsberg  war  etwas  zu  früh  erfolgt 
und  daranf  von  aHen  Werken  Leuchtkugeln  geworfen  worden.  Officieller 
Bericht. 

')  Es  muss  dies  schon  beim  Anmarsch  geschehen  sein,  da  sonst  alle  3 
Kolonnen  unmr»glich  auf  das  kleine  Ravelin  hätten  dlrigirt  werden  können. 


33 


gegenüberliegenden  Kurtine  decimirte  die  in  Verwirrung  ge- 
rathene  Masse,  die  trotzdem  aushielt,  aber  auch  nicht  vorwärts 
kam. 

Die  gegenüberstehenden  Danziger  hatten  bald  ihre  Munition 
verschossen,  doch  die  Sturmglocken  hatten  die  gesammto  Mann- 
schaft zusammengerufen,  neue  Munition  wurde  herbeigeschafft, 
die  ermüdete  Mannschaft  abgelöst.  Der  Kampf  im  Feuergefecht 
dauerte  drei  Stunden  fort.  Die  noch  übrig  gebliebenen  Russen 
wurden  bei  Anbruch  des  Tages  vom  Grafen  Münnich  zurück- 
berufen, da  sie  alle  Offensivkraft  verloren  hatten.  Aber  es 
hatte  seine  Schwierigkeit,  die  Leute  zurückzubringen.  Sie  wollten 
lieber  sterben  als  den  Platz  verlassen.  Der  General  Lascy, 
welcher  wie  die  übrigen  Generäle  sich  im  vordersten  Lauf- 
graben aufhielt,  musste  voreilen  und  persönlich  eingreifen,  um 
sie  in  Bewegung  zu  setzen.  Bei  dem  Rückzuge  über  das  Feld 
erlitten  sie  noch  durch  das  Kartätschfeuer  der  anliegenden 
Werke  grosse  Verluste.  120  Offleiere  und  4000  Todte  und 
Verwundete  blieben  liegen.  Die  Zahl  der  Todten,  welche  die 
Danziger  am  folgenden  Tage  im  „russischen  Grabe",  wie  es 
noch  heut  genannt  wird,  beerdigten,  beti'ug  692.  Die  Belagerten 
hatten  42  Todte  und  50  Verwundete. 

Die  Danziger  haben  es  nicht  verstanden,  den  Sieg  zu  be- 
nutzen. Die  Niedergeschlagenheit  war  im  russischen  Lager  der- 
artig, dass  sie  bei  einem  gut  geleiteten  Ausfall  grosse  Vor- 
tlieile  hätten  erreichen  können.  Um  sich  nicht  grossen  Ver- 
lusten bei  einem  frontalen  Angriff  der  gut  bewahrten  Höhen 
auszusetzen,  hätte  man  wenigstens  einen  Angriff  im  Rücken 
der  Belagerer  von  Weichselmünde  machen  können  Der  Schrecken 
war  hier  ebenso  gross  wie  vor  der  Stadt.  Wahrscheinlich 
hätte  man  das  scliwache  Belagerungskorps  mit  Leichtigkeit 
überwältigt  und  Weichselmünde  befreit.  Die  Erinnerung  an 
das  Jahr  1577  hätte  die  grossen  Vortheile,  in  denen  man  sich 
einem  Einschliessungskorps  von  Weichselmünde  gegenüber  befand, 
ins  Licht  stellen  müssen.  Aber  der  Moment  ging  ungenutzt 
vorüber.  Die  Danziger  überliessen  sich  ausschliesslich  der 
Freude  und  dachten  nur  daran,  einen  neuen  Sturm  abzuschlagen. 
Der  Rath  bewarb  sich  selbst  um  einen  neuen  Waffenstillstand. 

Köbler,  Gesdilobte  der  Festungen  Danzig  und  Welchselmüudo.    II.  3 


34 

1    Anbmft  einer  französischen  Flotte. 

Es  bandelte  sich  zunächst  darum,  die  Todten  zu  begraben 
und  die  Gefangenen  auszuwechseln.  Doch  war  es  dem  Ratli 
auch  darum  zu  tbun,  Zeit  zu  gewinnen,  weil  die  Ankunft  der 
Franzosen  nahe  bevorstand.  Der  Graf  Münnich  gestattete  zwar 
die  Begrabung  der  Todten  und  willigte  endlich  auch  in  die  Aus- 
wechslung der  Gefangenen,  die  am  14.  stattfand*),  liess  sich 
aber  sonst  auf  nichts  ein.  Mit  der  grössten  Energie  suchte  er  die 
erhaltene  Schlappe  zu  verwischen.  Er  hatte  sofort  die  ausserhalb 
stehenden  Detachements  eingezogen  %  sowie  nach  Warschau  zur 
Beschleunigung  der  Ankunft  der  verheisseuen  Truppen  geschickt, 
und  als  er  die  Ankunft  der  Franzosen,  welche  am  10.  auf  der 
Danziger  Rhede  anlangten,  erfuhr,  befahl  er,  alle  Dörfer  am 
Strande  einzuäschern,  um  ihnen  eine  Unterkunft  zu  benehmen. 
Er  liess  Seile  über  die  Weichsel  spannen,  um  die  Kommunika- 
tion mit  der  Stadt  völlig  abzuschneiden.  Die  Sommei^chanze 
wurde  durch  eine  Brücke  über  die  Laake  mit  dem  russischen 
Retranchement  verbunden  und  umgebaut.  Der  Eingang,  der 
bisher  nach  der  Seite  von  Weichselmünde  lag,  wurde  auf  die 
entgegengesetzte  Seite  verlegt.  Das  Retranchement  selbst  wurde 
verstärkt,  am  Strande  mit  zwei  hohen,  starken  Reduten  (Nr.  31) 
versehen,  auch  eine  Kommunikation  von  Heubude  mit  dem  Re- 
tranchement durch  dMi  zwischenliegenden  Sumpf  hergestellt. 
Dabei  ruhte  man  gegen  die  Stadt  nicht.  Am  14.  erreichte  die 
gegen  den  Bischofsberg  ausgehobene  Kontravallation  in  ihrem 
allmählichen  Vorschreiten  gegen  Schidlitz  zum  Anschluss  an  die- 
jenige des  Hagelsberges  die  Höhe  des  Stolzenberges*),  wo- 
durch man  sich  eines  vortheilhaften  Postens  bemächtigte. 

Die  Franzosen,  welche  am   11.  gelandet  waren*)  und  in 


')  Der  Austaasch  fand  bei  der  Kapelle  Jerusalem  (q)  statt.  Die  Stadt 
übergab  45  Gefangene,  die  mit  neuer  Kleidung,  Geld  und  Brot  versehen  waren. 
Die  gefangenen  städtischen  Soldaten  wurden  dagegen  in  einem  elenden  Zu- 
stande ttberliefert. 

')  Der  General  Sagraiski  traf  mit  seinen  Dragoner -Regimentern  und 
Kosacken  bereits  am  10.  ein. 

■)  Ordentl.  Tagesreg.  S.  589. 

*)  Hoburg  lässt  S.  194  die  Franzosen  erst  am  12.  auf  der  Rhede  ein- 
treffen, obgleich  er  ein  Schreiben  des  Grafen  Münnich  von  diesem  Tage  an- 


35 

Weichselmünde  Unterkunft  suchten,  fanden  hier  nur  den  Raum 
zwischen  dem  äussern  und  innern  Graben  disponibel  und  zogen 
es  vor,  auf  der  Westerplatte  ein  Lager  aufzuschlagen.  Sie  be- 
standen aus  den  beiden  Regimentern  Perigord  und  Blaisois,  zu- 
sammen gegen  1500  Mann  stark,  unter  dem  Befehl  des  Generals 
de  la  Motte  Perouse.  Ein  drittes  Regiment,  de  la  Marche, 
wurde  noch  erwartet.  Da  der  General  bei  seiner  Schwäche 
es  aufgab,  nach  Danzig  durchzudringen,  zog  er  es  vor,  nach 
Kopenhagen  zurückzufahren,  um  das  dritte  Regiment  zu  er- 
warten und  sich  reichlicher  mit  Lebensmitteln  zu  versehen.  Er 
schiflFte  sich  dalier  am  14.  wieder  ein  ^). 

Der  Unwille  darüber  in  Danzig  war  gross,  da  man  die 
nähern  Umstände  nicht  kannte.  Das  Bombardement  hatte  die 
Bürger  nach  und  nach  doch  mürbe  gemacht,  häufige  Feuers- 
brünste Hessen  sie  nicht  zur  Ruhe  kommen  und  der  Preis  der 
Lebensmittel  wai*  um  das  sechsfache  gestiegen.  Auch  kamen 
die  aus  ihrem  Besitzthum  vertriebenen  Bewohner  der  Nehrung 
zu  tausenden  vor  dem  Langgartener  Thor  an  und  baten  um 
Lebensmittel  und  Obdach.  Dabei  war  die  Kommunikation  mit 
Weichselmünde  nun  wirklich  abgeschnitten.  Ein  Prahmen  der 
Stadt  kam  am  12.  nur  bis  zur  Winterschanze  und  ein  anderer 
wurde  am  folgenden  Tage  schon  bei  Schellmühl  zurückgewiesen. 
Ein  Ausfall  am  16.  mit  200  bis  300  Mann  gegen  den  neuen 
russischen  Posten  bei  Stolzenberg  blieb  ohne  Erfolg. 

Der  Graf  Münnich  hatte  sich  am  15.  nach  der  Nehrung 
begehen,  um  die  Arbeiten  zu  besichtigen,  und  fand  sie  genü- 
gend vorgeschritten,  um  gegen  jeden  Angritf  gesichert  zu  sein  ^). 
Bei  Heubude  war  eine  Sperrung  der  Weichsel  beabsichtigt,  zu 
welchem  Zweck  alle  Säcke  auf  dem  Werder  eingezogen  worden 
waren.  Er  verordnete  die  Anlage  einer  neuen  Redute  auf  dem 
linken  Weichselufer  der  Winterschanze  gegenüber  (Nr.  27), 
welche  den  18.  begonnen  wurde.    Einige  Tage   darauf  wurde 

führt,  wonach  er  auf  eine  Vorstellung  der  Stadt,  mit  den  Zerstörungen  der 
Dörfer  auf  der  Nebmng  einzuhalten,  dies  von  der  Bedingung  abhängig  macht, 
das.s  sich  die  Franzosen  wieder  einschiffen. 

'-)  Ordentl.  Tagesreg.  S  589.  Hoburg  lässt  ihn  S.  194  am  16.  wieder 
abgehn,  wobei  er  sich  auf  einen  Ordn.-Rec.  vom  13.  (!)  beruft. 

*)  Es  war  also  auch  hier  eine  Koutravanationslinie  geschaffen. 

3* 


36 

ein  Retranchement  von  hier  nach  dem  neuen  Graben  am  Sasper- 
see  gezogen  und  mit  einer  zweiten  Redute  (Nr.  26)  verstärkt^), 
so  dass  der  Raum  zwischen  der  Weichsel  und  dem  Saspersee 
gegen  Weichselmünde  hin  gesperrt  war.  In  Schidlitz  und  Aller 
Engeln  schritten  die  Arbeiten  weiter  vor.  Die  Einwohner  von 
Stolzenberg  wurden  am  18.  angewiesen,  ihre  Häuser  zu  ver- 
lassen. Die  Russen  legten  hier  eine  Batterie  (Sandbatterie) 
von  4  Kanonen  (Nr.  21)  sowie  noch  2  Reduten  an.  Eine  Kom- 
munikation mit  der  Attacke  von  Schidlitz  wurde  vorläufig  durch 
spanische  Reiter  hergestellt,  ein  neuer  Ausfall  der  Danziger 
am  3.  Juli  mit  einem  Verlust  von  8  Todten  zurückgeschlagen  *). 
Der  Graf  Münnich  erliess  unter  diesen  Umständen  eine 
neue  Aufforderung  an  die  Stadt.  Der  Rath  nahm  die  Gelegen- 
heit wahr,  einen  Waffenstillstand  zu  beantragen,  weil,  wie  er 
sagte,  die  Ordnungen,  deren  Zustimmung  er  bedurfte,  bei  dem 
fortdauernden  Bombardement  nicht  zusammen  zu  bringen  wären. 
Die  Unterhandlungen  darüber  gingen  mehrere  Tage  fort,  bis 
es  dem  Herrn  von  Brand,  welcher  seit  dem  18.  wieder  im 
russischen  Hauptquartier  verweilte,  gelang,  einen  48 stündigen 
Waffenstillstand  vom  22.  bis  zum  24.  herbeizuführen.  Er  be- 
gab sich  mit  dem  Herrn  von  Grumbkow,  der  mit  ihm  angekommen 
war,  nach  Danzig  und  theilte  dem  Rathe  mit,  dass  sie  nur  ge- 
kommen wären,  um  der  Stadt  günstige  Kapitulationsbedingungen 
zu  verschaffen  und  machte  auf  die  nachtheiligen  Folgen  eines 
längern  Widerstandes  aufmerksam.  Die  Aufhebung  des  Ver- 
botes inbetreff  der  Passage  der  russischen  Artillerie  habe 
preussischerseits  schliesslich  stattfinden  müssen,  um  nicht  Feind- 
seligkeiten herbeizuführen.  Auch  sei  den  Polen  gleiche  Frei- 
heit bewilligt  worden,  jedenfalls  habe  die  Stadt  gegen  4  Wochen 


^)  Ordentl.  Tagesreg.  S.  592.  Das  Retranchement  wird  ganz  richtig 
Circumvallation  genannt.    Hobarg  bezieht  diese  Arbeiten  nur  auf  Redute  27. 

»)  Ord.  Tagesreg.  S.  589.  Hoburg  hat  die  Bedeutung  der  Festsetzung 
der  Rassen  auf  dem  Stolzenberge,  und  dass  die  russische  Kontravallation  da- 
mit geschlossen  wurde,  gar  nicht  erkannt  und  erwähnt  S.  196  nur  ganz  neben- 
bei einige  Ausfölle  gegen  den  Stolzenberg.  Auch  von  der  Batterie,  welche 
die  Sandbatterie  genannt  wurde,  wohl  weil  sie  dem  Bastion  Sandgrube  gegen- 
über lag,  weiss  er  nichts.  Das  Datum  des  zweiten  Ausfalles  giebt  der  „kurze 
Auszug"  an.    Die  Russen  sollen  dabei  100  Todte  gehabt  haben. 


37 

Aufschub  dadurch  gewonnen.  Die  Danziger  konnten  sich  jedoch 
nicht  entschliessen,  den  König  Stanislaus  fortzuschicken.  Die 
Bürgerschaft  stand  durch  Bestechungen  und  Versprechungen  aller 
Art  zu  sehr  unter  dem  Einäuss  des  französischen  Gesandten. 
Die  preussischen  Abgeordneten  hatten  auch  eine  Audienz  beim 
Könige  Stanislaus,  dem  sie  ganz  unverblümt  vorhielten,  dass 
er  die  Stadt  nicht  in  seinem,  sondern  in  französischem  Interesse 
ruinire,  da  seine  Sache  doch  hoffnungslos  verloren  sei.  Sie 
riethen  ihm,  die  Stadt  zu  verlassen.  Die  preussischen  Beamten 
verliessen  endlich  die  Stadt,  ohne  zu  einem  Resultat  gekommen 
zu  sein,  und  das  Bombardement  begann  am  Abend  des  24.  von 
neuem  ^). 

Der  General  de  la  Motte  war  am  19.  in  Kopenhagen  ein- 
getroffen, wo  er  das  Regiment  de  la  Marche  mit  3  Schiffen 
vorfand.  Die  3  Regimenter  zählten  zusammen  2400  Mann. 
Der  französische  Gesandte  am  dänischen  Hof,  Graf  Plelo,  be- 
trieb sehr  eifrig  die  Rückkehr  der  Truppen  nach  Danzig  und 
schloss  sich  ihnen  persönlich  an.  Sie  langten  am  23.  nach- 
mittags auf  der  Rhode  von  Danzig  an  und  bezogen  trotz  des 
Waffenstillstandes  ein  Zeltlager  auf  der  Westerplatte,  das  sie 
stark  verschanzten. 

Der  Graf  Münnich  hatte  nicht  sobald  Nachricht  von  der 
Ankunft  der  Franzosen  erhalten,  als  er  einen  Expressen  an 
den  Herzog  von  Weissenfeis  schickte ,  der  am  24.  in  Schöneck, 
einen  Tagemarsch  von  Danzig,  eingetroffen  war  und  daselbst 
den  25.  einen  Ruhetag  halten  wollte,  damit  er  schleunigst  her- 
beieilte. Der  General  Knäs  Urussow,  welcher  bis  dahin  in  dem 
für  die  Sachsen  bestimmten  Langfuhr  mit  3  Dragoner-Regi- 
mentern lag,  wurde  noch  am  24.  nach  Heubude  gesendet. 

Am  25.  war  ein  kleines  Fahrzeug  mit  Depeschen  des  fran- 
zösischen Gesandten  de  Monti^)  glücklich  nach  Weichselmünde 
gelangt  *)  und  brachte  für  den  General  de  la  Motte  den  Befehl, 


*)  Hoburg  S.  195. 

*)  Die  Stftdt  war  durch  Raketen  vou  der  Ankunft  der  Franzosen  be- 
nachrichtigt worden. 

')  Ein  Fischer  schwamm  dem  Fahnseuge  voraus  und  hieb  das  ausge- 
spannte Seil  durch.  Er  erhielt  dafür  vom  Könige  einige  Dukaten.  Accorate 
Nachricht  S.  73. 


38 


am  27.  die  Russen  vor  Weichselmlinde  anzugreifen  und  sich 
nach  Danzig  durchzuschlagen.  Von  der  Stadt  aus  würden  ihm 
Truppen  entgegenkommen. 

In  der  That  erhielt  der  Graf  Mönnich  an  diesem  Tage  schon 
um  8  Uhr  morgens  die  Nachricht,  dass  die  Franzosen  durch 
Weichselmünde  debuchiren.  Der  Graf  war  noch  am  26.  auf 
der  Nehrung  gewesen  und  konnte  über  einen  Angriff  des  Feindes 
völlig  beruhigt  sein.  Er  sendete  den  Befehl  an  Urussow,  mit 
seinen  3  Regimentern  nach  dem  Lager  bei  Weichselmünde  zu 
marschiren  und  gab  dem  Generaladjutanten  Stoffel  den  Auftrag, 
die  russischen  Reduten  an  der  Laake  und  das  Lager  bei  Heu- 
bude gegen    einen  Anfall    der  Danziger  Garnison  zu   sichern. 

Die  Franzosen  waren  um  7  Uhr  durch  Weichselmünde 
gerückt  und  sendeten  eine  Abtheilung  von  250  Mann,  'worunter 
die  100  Schweden  der  Besatzung,  zu  einem  Scheinangriff  gegen 
den  rechten  russischen  Flügel  voraus.  Ihnen  folgte  das  Re- 
giment P6rigord  als  Avantgarde,  das  Regiment  Blaisois  als 
Gros,  und  das  de  la  Marche  als  Arrieregarde. 

Die  Franzosen  hatten  das  Terrain  und  die  feindlichen  Ver- 
schanzungen nicht  rekognoscirt.  Sie  ttberliessen  sich  der  Füh- 
rung des  Obersten  von  Stackeiberg,  der  das  vor  den  nissischen 
Verschanzungen  liegende  sumpfige  Terrain  als  passirbar  be- 
zeichnete. Dies  war  jedoch  infolge  eines  Naclitregens  durch- 
aus nicht  der  Fall.  Der  Sumpf,  welcher  sich  nach  dem  Plane 
von  Puffendorf  vom  Jahre  1656  als  eine  zusammenhängende 
Fläche  darstellt,  bestand  zur  Zeit  der  Belagerung  von  1734  aus 
zwei  von  Norden  parallel  mit  einander  laufenden  Sumpfstrecken, 
die  an  das  Glacis  von  Weichselmünde  an  dessen  Südweststrecke 
herantraten  und  hier  mit  einander  verbunden  waren.  Doch 
führten  an  dieser  Stelle  Brücken  hinüber.  Die  Franzosen  ge- 
langten mit  Hilfe  derselben  in  den  Raum  zwischen  beiden 
Sümpfen  und  gingen  direkt  auf  das  Retranchement  los. 

Hinter  dem  linken  Flügel  desselben  am  Ende  des  west- 
lichen Sumpfes  hatten  das  Twersche  und  Permsche  Dragoner- 
Regiment  zu  5  Eskdr.  und  das  Bielowsche  Infanterie-Regiment 
zu  2  Bataillonen  Stellung  genommen.  Zwischen  den  beiden 
Sümpfen  stand  das  Welikoluksche  und  Smolenskische  Infanterie- 
Regiment,  hinter  dem  rechten  Fliigel  das  Tobolsche  und  Peters- 


39 

burgische  Dragoner- Regiment,  jenes  5,  dieses  2  Eskdr.  stark, 
am  Strande  das  Olonitsche  Dragoner  -  Regiment  zu  5  Eskdr. 
und  120  Kosacken '). 

Da  die  Franzosen  infolge  der  Sümpfe  sich  nicht  ausbreiten 
konnten,  waren  sie  dem  umfassenden  Artilleriefeuer  der  Russen 
ausgesetzt.  Trotzdem  drangen  sie  mit  grosser  Todesverachtung 
vor,  stiessen  nun  aber  vor  der  russischen  Verschanzung  auf 
einen  dichten  Verhau.  Ein  Wegräumen  desselben  erwies  sich 
im  feindlichen  Feuer  unmöglich,  sie  überstiegen  ihn  daher,  wo- 
bei sie  indessen  in  Unordnung  geriethen.  Sie  waren  bisher 
nur  von  Geschützen  beschossen  worden.  Die  Infanterie  und 
die  abgesessenen  Dragoner  hielten  ihr  Feuer  an  sich.  Die  Fran- 
zosen machten  unter  den  gegebenen  Umständen  von  ihrem  Feuer 
gar  keinen  Gebrauch.  Nur  die  Kanonen  von  Weichselmünde 
blieben  in  Thätigkeit.  Als  nun  aber  auf  15  Schritt  Enfernung 
von  den  Schanzen  das  Massenfeuer  der  russischen  Infanterie 
begann,  war  kein  Halten  mehr.  Die  Franzosen  stürzten  den- 
selben Weg,  den  sie  gekommen,  unaufhaltsam  zurück.  Die 
Regimenter  Blaisois  und  de  la  Marche.  welche  hinter  Perigord 
folgten,  wurden  mit  fortgerissen.  Dem  Feuer  der  Russen  aus- 
gesetzt, war  der  Verlust  auf  der  Flucht  grösser  als  b.eim  Vor- 
marsch. Derselbe  wird  auf  300  bis  500  Mann  angegeben. 
160  Todte  blieben  auf  dem  Platze,  unter  ihnen  der  Graf  Plelo. 
Er  soll  von  einem  französischen  Offizier  auf  dem  Rückzuge 
todtgeschossen  worden  sein,  dem  er  im  Gefecht  Feigheit  vor- 
geworfen hatte  *).  Die  Russen  verloren  1  Offlz.  7  Gemeine  todt, 
die  Obersten  von  Leslie  und  Gripanow,  1  Lieutenant  und  12 
Gemeine  verwundet. 

700  Mann  der  Danziger  Garnison,  welche  die  Russen  im 
Rücken  angreifen  sollten  und  zu  dem  Zweck  in  der  Nacht  zum 


')  Ordeutl.  Tagesreg.  Plan  desselben.  Uebereinstiramend  damit  der  Be- 
richt des  Lieutenants  v.  Reinhard  vom  Regiment  Platen  Dragoner  im  König!, 
geheimen  Staatsarchiv.  Hoburg,  neue  preuss.  Provinzial-Blätter.  3.  Folge. 
Bd.  8,  S.  73. 

^  Eine  andre  Version,  dass  Graf  Plelo  mit  15  Wunden  bedeckt  gewesen 
sei,  widerlegt  das  „vollst.  Jumal^,  das  sie  bringt,  am  Schluss  selbst.  Trotz- 
dem hat  sie  Hoburg  aufgenommen.  Ein  Handgemenge  hat  aber  gar  nicht 
stattgehabt. 


^ 

27.  uacli  dem  Holm  übergeschifit  worden  waren,  fanden  in  dem 
aufgeweichten  Terrain  so  viele  Schwierigkeiten,  dass  sie  nicht 
vorwärts  kamen.  Eine  Unzahl  Gräben  veisperrte  ausserdem 
den  Weg,  so  dass  sie  nicht  zum  Aufmarsch  gelangten.  Dabei 
wurden  sie  von  den  russischen  Schanzen  unaufhörlich  beschossen. 
Es  genügte  die  Annäherung  des  Generals  Urussow,  der  gegen 
sie  geschickt  wurde,  um  sie  zur  Umkehr  zu  bestimmen. 

5.  Anlraxift  der  Sachsen  und  der  mssischen  Verstärkungen. 

Der  misslungene  Angriff  vom  27.  war  um  so  entscheidender 
für  den  weiteren  Verlauf  der  Dinge,  als  am  25.  und  26.  die 
Sachsen  und  schon  vorher  die  von  Warschau  erwarteten  rus- 
sischen Verstärkungen  unter  Gen.  Lubrasch  angelangt  waren. 
Die  Stärke  der  Sachsen  unter  dem  Herzoge  Johann  Adolf 
von  Sachsen- Weissenf  eis  wird  auf  8  Bataillone,  20  Eskadr., 
gegen  8000  Mann,  angegeben  ^),  so  dass  man  die  alliirte  Armee 
Ende  Mai  auf  40000  Mann  veranschlagen  kann.  Die  russische 
Infanterie  war  auf  27  Weichselkähneu  befördert  worden,  wäh- 
rend die  Kavallerie  den  Landweg  einschlug.  Ausserdem  stand 
die  Ankunft  einer  russischen  Flotte  bevor,  die  auch  eine  Ver- 
stärkung an  Geschützen  mit  sich  führen  sollte.  Der  Graf  Mün- 
lüch  sendete  daher  den  Flügeladjutanten  Jakaschkin  nach  Pillau, 
um  die  nöthigeu  Vorbereitungen  zur  Ausschiffung  derselben  zu 
treffen,  und  Hess  den  Weg  von  Käsmark  nach  Ohra  ausbessern. 

Der  Herzog  von  Weissenfeis  nahm  sein  Hauptquartier  in 
Langfuhr  und  erhielt  mit  seinen  Truppen  die  Fortführung  des 
Angriffs  gegen  das  Olivaer  Thor  und  den  Hagelsberg,  sowie 
die  Besetzung  des  linken  Weichselufers  zur  Aufgabe.  Die 
Russen   sollten  den  Angriff  gegen  den  Bischofsberg   und   von 


^)  Nach  dem  voUätändigen  Jamal  waren  es  10  BataiUone,  21  Eskadrons. 
Dasselbe  giebt  die  Stärke  der  Russen  anf  6000  au,  von  denen  2000  nach 
Weichselmünde  gesendet  wurden,  lässt  dann,  wie  bereits  bemerkt,  am  29.  die 
Nachricht  eintreffen,  dass  noch  weitere  9000  anlangen  würden.  Die  Ankunft 
der  erstem  setzt  es  auf  den  18.,  während  das  ordentl.  Tagesreg.  sich  nicht 
genau  darüber  ausspricht.  Ueber  einen  zweiten  Transport  spricht  sich  letzteres 
zwar  nicht  aus,  sagt  aber  untenn  15.  Juni  (S.  610),  dass  der  Herzog  von 
Weissenfeis  gelegentlich  seiner  Anwesenheit  in  Ohra  die  rass.  Regimenter  be- 
sichtigt hätte,  welche  unlängst  von  Warschau  angekommen  wären. 


41 


Heabude  gegen  die  Stadt  weiterführen  nnd  das  rechte  Weichsel- 
ufer  besetzen.  In  der  Nacht  zum  29.  lösten  900  sächsische 
Musketiere  die  Bussen  in  den  zugewiesenen  Rayons  ab. 

Die  Arbeiten  auf  den  4  Attacken,  wie  man  sie  nannte, 
gegen  das  Olivaerthor,  gegen  den  Hagelsberg,  den  Bischofsberg 
und  von  Heubnde')  waren  inzwischen  unausgesetzt  fortgetzt 
worden  und  das  Bombardement  unaufhörlich  im  Werke. 
Es  waren  7  Batterien  mit  28  Kanonen  und  2  Kessel  mit  2 
sächsischen  und  4  russischen  schweren  Mörsern  in  Thätigkeit'). 
Die  Attacke  auf  dem  rechten  Weichselufer  war  dein  Ganskruge 
gegenüber  ende  Mai  so  weit  vorgeschritten,  dass  man  hoffen  durfte, 
von  hier  ans  Langgarten  nnd  die  Speicher  beschiessen  zu  können. 
Zu  gleichem  Zweck  wurde  von  Schottland  aus  eine  Batterie 
gegen  die  Mottlau  vorgeschoben  und  daselbst  eine  Redute  erbaut. 
Die  Geschütze  (8  eiserne  Kanonen)  sollen  aus  Elbing  gekommen 
sein  und  wurden  von  Sachsen  bedient').  Die  Entfernung  war 
jedoch  immer  noch  über  2000  Schritt.  Die  Bewerfung  von 
Langgarten  mit  Mörsern  hatte  mau  aufgeben  müssen,  weil  die 
Bulben  bei  der  grossen  Entfernung  alle  in  der  Luft  krepirten  *). 


')  Die  Änkanf t  der  rassischen  Verstärkungen  und  der  Sachsen,  sowie  die 
iu  naher  Aussicht  stehende  Ankunft  des  rassischen  Beiagerangstrains  aus 
PUIau  drängten  dazu,  zum  förmlichen  Angriff  überzugehen;  doch  scheint  ein 
von  Petersburg  eingegangener  Befehl,  die  Stadt  nicht  länger  zu  schonen,  den 
Grafen  Münnich  bestimmt  zu  haben,  das  Bombardement  vorzuziehen.  Ord. 
Tagesreg.  S.  600.  Da  indessen  Mangel  an  Munition  eintrat,  wurden  seit  an- 
fang  Juni  die  Arbeiten  auf  allen  Attacken  mehr  vorgetrieben,  „um'',  wie  sich 
da«  ordentl.  Tagesreg  S.  606  ausdrückt,  „nach  Ankunft  einiger  Kanonen  und 
Mörser,  welche  die  rassische  Flotte  zu  Pillau  ausgeladen,  den  Belagerten  zu 
Wasser  und  zu  Lande  desto  nachdrücklicher  zuzusetzen.''  Es  war  also  auch 
hier  das  Bombardement,  was  man  vor  Augen  hatte.  Man  woUte  die  Batterien 
nur  näher  an  die  Stadt  bringen. 

>)  Ord.  Tagesreg.  S.  606.  Etwas  später  (12.  Juni)  giebt  das  vollständige 
Jurnal,  wie  bereits  angeführt,  ziemlich  dieselbe  Zahl  an,  statt  der  6  Mörser 
aber  6  Mörserbatterien. 

*)  Ordentl.  Tagesreg.  S.  603.  Die  Batterie  ist  auf  dem  Plan  desselben 
nicht  eingezeichnet. 

'*)  Vollständiges  Jnraal  unterm  19.  Mai.  Der  Graf  Münnich  plante  in 
dieser  Zeit  ein  stärkeres  Bombardement  gegen  die  Niederstadt  und  erliess 
eine  neue  Anfforderang  an  die  in  Danzig  befindlichen  fremden  Kaufleute  und 
Faktors,  die  Stadt  zu  verlassen  und  ihre  Effekten  zu  retten.  Ordentliches 
Tajgesreg.  S.  600, 


42 


Die  Sachsen  arbeiteten  vornehmlich  au  Verstärkung  der 
Circumvallation  von  der  Weichsel  ^)  bis  Neu- Schottland  und  ver- 
längerten dieselbe  bis  zum  Dorfe  Striess.  Die  sehr  ausge- 
setzten Laufgräben  vor  dem  Olivaer  Thor  wurden  bis  auf  12 
Fuss  vertieft. 

Eine  grosse  Sorge  beschäftigte  die  Führer  der  alliirten  Armee, 
nämlich  die  Herstellung  einer  Brücke  über  die  Weichsel  zur 
Verbindung  der  durch  diesen  Strom  getrennten  Heeresabthei- 
lungen.  Die  Notliwendigkeit  davon  war  vsclion  längst  anerkannt 
worden,  hatte  aber  bei  den  geringen  Kräften,  über  die  der  Graf 
Münnich  bisher  verfügte,  hinausgeschoben  werden  müssen.  Das 
Unternehmen  blieb  auch  jetzt  sehr  schwierig.  Wo  man  die  Brücke 
oberhalb  Weichselmünde  auch  hinlegen  mochte,  sie  befand  sich  stets 
unterm  feindlichen  Feuer,  indem  die  Entfernung  von  der  Herrn- 
schanze bis  Weichselmünde  nur  3000  Schritt  betrug.  Da  die 
Herrn-,  Vorder-  und  kleine  Kalkschanze  jedoch  nur  mit  kleinen 
Kalibern  ausgerüstet  waren,  entschloss  man  sich,  die  Brücke 
der  Winterschanze  gegenüber  anzulegen  und  ging  sofort  an  die 
Arbeit*).  Die  Boote  dazu  waren  bald  herangeschafft,  indem 
man  24  dergleichen  am  Seestrande  bis  Koliepken  hin  auftrieb. 
Die  Schwierigkeit  lag  in  den  Zugängen,  da  auf  beiden  Seiten 
der  Weichsel  sich  ausgedehnte  Sumpfstrecken  ausbreiteten,  über 
welche  Dämme  geführt  werden  mussten.  Man  arbeitete  den 
ganzen  Monat  Juni  daran  und  als  man  endlich  damit  fertig 
war,  erlaubte  die  Uebergabe  von  Weichselmünde,  die  Brücke  in 
der  Nähe  des  Forts  zu  erbauen,  wozu  man  alsbald  überging. 
Das  Retranchement  gegenüber  der  Winterschanze  war  mit  einer 
Batterie  (Nr.  32)  von  4  Kanonen  zum  Schutz  des  Baues  ver- 
sehn worden^). 

Der  Herzog  von  Weissenfcls  entwickelte  eine  ausserordent- 
liche Thätigkeit.  Am  Tage  rekognoscirte  er  die  Umgegend  zu 
Pferde,  in  der  Nacht  war  er  bis  12  Uhr  in  den  Laufgräben  zu 
finden.     Am   31.  \vurde   die  Herstellung   eines  Retranchements 


*)  Gegenüber  der  Winterschaiize  wurde  am  29.  die  neue  Redute  fertig- 
gestellt und  das  Epaulement  daneben  verlängert. 
«)  Ordentl.  Tagesreg.  8.  602. 
»)  Ebenda  S.  603.    31.  Mai. 


43 


zwischen  dem  Saspersee  und  dem  Strand  (N.  33)  beschlossen 
und  alsbald  in  Angriff  genommen.  Alle  disponiblen  nicht  auf  Arbeit 
oder  Wache  befindlichen  Mannschaften,  selbst  die  der  Kavallerie, 
wurden  zur  Anfertigung  von  Faschinen  und  Schanzkörben  ver- 
wendet. 

Zuweilen  gelang  es  einem  Danziger  Schiff,  nach  Weichsel- 
münde durchzudringen.  Auch  zu  Lande  gelang  es  einzelnen  Per- 
sonen, die  Stadt  zu  erreichen,  so  zur  grossen  Freude  des  Königs 
Stanislaus  dem  General  Steinpflicht. 

Die  Franzosen  waren  durch  den  Echec  vom  27.  Mai  völlig 
eingeschüchtert.  Sie  lagerten  auf  der  Westerplatte  und  ver- 
schanzten sich  hier.  Eine  Aufforderung  des  Marquis  de  Monti, 
auf  der  Weichsel  Danzig  zu  erreichen,  blieb  völlig  unberück- 
sichtigt. Der  General  de  la  Motte  dachte  nur  noch  an  die 
Einschiffung,  wozu  der  Mangel  an  allen  Bedürfnissen  und  die 
grosse  Zahl  von  Verwundeten,  zu  deren  Wartung  nicht  mehr 
wie  alles  fehlte,  allerdings  aufforderten.  Er  stellte  dies  am 
3.  Juni  dem  Könige  Stanislaus  in  einem  Schreiben  vor,  das  in 
einem  von  1  Offizier  und  30  Mann  besetzten  Boote  glücklich 
nach  Danzig  durchdrang.  Er  forderte  darin  den  König  auf, 
die  Stadt  zu  verlassen  und  auf  den  französischen  Schiffen  nach 
Frankreich  zurückzukehren.  Der  Marquis  antwortete  im  Namen 
des  Königs,  dass  sich  der  General  mit  seinen  Truppen  nach 
Danzig  zu  begeben  habe  und  drohte  mit  starker  Strafe,  wenn 
er  sich  ohne  Erlaubniss  entfernen  würde'). 

Inzwischen  arbeiteten  die  Russen  und  Sachsen  immer  noch 
an  den  Attacken  von  Heubude,  gegen  den  Bischofs-  und  Ha- 
gelsberg und  gegen  das  Olivaer  Thor.  Die  Russen  bemächtigten 
sich    eines  vortheilhaften  Postens  in   der  Nähe   des  Bischofs- 


')  Hoburg  (S.  199),  dem  ich  das  in  der  Voraussetznng  entnehme,  dass 
er  eine  archivalische  Quelle  benutzt  hat,  scheint  damit  eine  Mittheilung  der 
^accuraten  Nachricht''  kombiuirt  zu  haben,  wonach  die  mehrerwähntc  Dan- 
ziger Schute^  welche  am  29.  Mai,  obgleich  stark  beschossen,  noch  einmal 
Weichselmünde  erreicht  und  auf  dem  Rückwege  1  Ingenieurofficier  und  30 
franz.  Artilleristen  mitgeführt  hat.  Accurate  Nachricht  S.  86.  Noch  in  der 
Nacht  vom  11.  zum  12.  Juli  kam  ein  kleines  Schiff  von  Danzig  nach  Weichsel- 
münde durch,  während  andre  am  7.  und  10.  Juli  hatten  umkehren  müssen. 
Ordeutl.  Tagesreg.  S.  607, 


44 

berges.  Die  Kontravallation  gegen  den  Bischofsberg  war  in  den 
Tagen  vom  25.  bis  zum  31 .  Mai  um  600  Schritt  nach  Norden  ver- 
längert worden,  sodass  der  Anschluss  an  die  gegen  den  Hagelsberg 
erreicht  war*).  Da  die  Russen  sich  am  Kloster  der  barmher- 
zigen Bruder  festzusetzen  suchten,  steckten  es  die  Danziger  in 
Brand.  Die  Mottlauische  Gasse,  welche  dahin  führte,  war 
schon  vorher  abgebrannt  worden.  Die  Sachsen  näherten  sich 
Juni,  mit  ihren  Laufgräben  dem  Hagelsberge.  Am  7.  Juni  langte  die 
russische  Flotte  in  Pillau  an  und  brachte  auf  4  Transport- 
schiffen gegen  30  ganze  Karthaunen  und  15  Mörser  grossen 
Kalibers  mit  *),  die  sofort  nach  Käsmark  weiterbefördert  wurden. 
Die  Flotte  selbst  hielt  sich  in  Pillau  nicht  auf  und  machte 
Jagd  auf  die  französischen  Schiffe,  welche  die  Rhede  von  Dan- 
zig  unter  Zurttcklassung  einer  Fregatte,  welche  im  Hafen  Schutz 
suchte,  verlassen  hatten.  Am  6.  Juni  langte  ein  in  Stockholm 
auf  Kosten  Danzigs  erbauter  und  ausgerüsteter  Hucker  in 
Weichselmünde  an,  der  durch  seine  flache  Bauart  ein  Befahren 
der  Weichsel  gestattete.  Er  war  mit  8  Geschützen  ausgerüstet 
und  mit  einer  soliden  Schanzbekleidung  versehn,  so  dass  man 
hoffte,  sich  durch  ihn  in  den  Besitz  der  Sommerschanze  und  des 
Holms  zu  setzen*).  Wie  es  scheint,  armirten  die  Danziger 
zur  Begünstigung  des  Augriffs  auch  die  Herrnschanze  stärker, 
wenigstens  wurde  von  dieser  und  der  kleinen  Kalkschanze  das 
sächsische  Lager  bei  Langfuhr  stark  beschossen,  so  dass  es  in 
der  Nacht  vom  11.  zum  12.  weiter  zurück  verlegt  werden 
musste.  Eine  Beschiessuug  der  Sommerschanze  durch  den 
Hucker  am  12.  blieb  ohne  Erfolg,  da  er  zu  weit  abblieb  und 
bald  wieder  zurückging.  Die  Russen  schlössen  infolge  dessen 
die  Weichsel  mit  Ketten  und  starken  Bäumen,  so  dass  die 
Verbindung  mit  Weichselmünde  völlig  aufgehoben  war. 


>)  Ordeutl.  Tagesreg.  S.  603. 

«)  Nachdem  vollständigen  Jamal  waren  es  20-24  pfändige,  20-18  pfdg. 
broncene  Kanonen,  2— 360pfdg.,  12-200pfdg.,  l0-6pfdg.  broncene  Mörser, 
10,615— 24  pfdg.,  9706— 18  pfdg.  Kugeln,  500— 24  pfdg.,  509— 18  pfdg.  Kar- 
tätschen, 1000- 360 pfundige,  3600— 200 pfundige  Bomben,  100  Karkaaseu, 
10,865— 6  pfdg.  Granaten,  10,000— 3  pfdg.  Handgranaten,  3496  Ctr.  Pulver. 

»)  Hoburg  S.  199, 


45 


6«  Anbinft  der  rnsflisolien  Flotte. 

An  demselben  Tage  langte  die  russische  Flotte^)  auf 
der  Danziger  Rliede  au.  Die  russische  Generalität  begab  sich 
am  13.  auf  das  Admiralschilf  und  wurde  vom  Admiral  Gordon 
mit  den  üblichen  17  Kanonenschüssen  feierlich  empfangen.  Die 
französische  Fregatte  erleichterte  ihre  Ladung  und  ging  die 
Weichsel  höher  hinauf. 

Die  Beschiessung  des  französischen  Lagers  durch  die  Flotte, 
welche  geplant  war,  musste  am  14.  wegen  hoher  See  unter- 
bleiben. In  der  Nacht  zum  15.  wurden  die  Franzosen  jedoch 
durch  zwei  Bombenwürfe  allaimirt  und  hielten  dies  für  ein  ver- 
abredetes Zeichen  zu  einem  allgemeinen  Angriff.  Sie  blieben 
daher  die  ganze  Nacht  unter  Waffen.  Kaum  hatten  sie  sich 
bei  Anbruch  des  Tages  zur  Euhe  begeben,  als  ein  furchtbares 
Beschiessetf  seitens  der  Flotte,  woran  auch  die  Sachsen  mit 
4  Kanonen  vom  Betranchement  (Nr.  33)  theilnahmen,  begann, 
das  den  ganzen  Tag  über  anhielt.  Die  Franzosen  benutzten 
die  Geschütze  des  üuckers,  um  sie  auf  den  Dünen  zu  placiren 
und  legten  in  der  Nacht  zum  16.  einige  Vei-schanzungen  längs 
des  Strandes  an,  sowie  ein  geschlossenes  Werk  an  der  Nord- 
seite der  Westerplatte.  Am  16.  wurde  das  Bombardement  der 
Flotte  fortgesetzt,  am  Nachmittage  ging  die  Flotte  jedoch 
wieder  unter  Segel,  wahrscheinlich  infolge  einer  Nachricht  über 
die  Annäherung  der  französischen  Schiffe,  die  sich  jedoch  nicht 
bestätigte.  500  Bomben  und  800  Kanonenkugeln  waren  ins 
Lager  gefallen,  ohne  jedoch  einen  wesentlichen  Schaden  zu 
thun. 

7.    Der  fönnliolie  Angriff  anf  Weiohsehnünde. 

Inzwischen  war  der  Transport  der  Geschütze  von  Käs- 
mark in  vollem  Gange  ^).    Schon   am  13.   hatte  die  Stadt  da- 


^)  Die  Flotte  bestand  aus  14  Linienschiifen,  8  Fregatten,  2  Bombardier- 
Oalioten  und  1  Brander.  Das  vollst  Jumal  giebt  die  Namen  der  einzelnen 
Schiffe  an. 

*)  Hobnrg  sagt  merkwürdigerweise  S.  200,  die  Geschütze  seien  am  14. 
von  der  Flotte  ausgeladen  worden. 


46 


ranter  zu  leiden.  Das  Bombardement,  welches  seit  ende  Mai  *) 
wegen  Mangel  an  Munition  nur  SL»hr  schwach  gewesen  war 
und  seit  dem  S.Juni  fast  ganz  geschwiegen  hatte,  belebte  sich 
wieder.  Am  15.  flog  ein  Pulvermagazin  in  der  Nähe  des 
Bastions  Elisabeth,  wo  sich  das  Laboratorium  befand,  in  die 
Luft  und  verbreitete  nicht  geringen  Schrecken,  doch  wurde  der 
Ausbreitung  des  Feuers  gesteuert*).  Jedoch  niclit  gegen  die 
Stadt  sollte  der  Hauptstoss  ausgeführt  werden.  Um  die  Gegen- 
wart der  Flotte  völlig  auszunutzen,  erschien  es  am  zweck- 
mässigsten,  die  Hauptkräfte  auf  Weichselmünde  zu  kon- 
centriren.  Es  wurde  daher  der  förmliche  Angriff  gegen 
dasselbe  auf  beiden  Seiten  der  Weichsel  beschlossen  und  mit 
Ausnahme  des  Bombardements  die  weitern  Massregeln 
gegen  die  Stadt  ganz  fallen  gelassen').  Die  Sachsen 
erhielten  am  16.  zum  Angriff  der  Westschanze^  eine  Ver- 
stärkung von  1300  Russen*).  Der  Graf  Mtinnich  begab  sich 
am  17.  bis  auf  weiteres  nach  Heubude,  um  die  Vorbereitungen 
zu  beendigen  und  in  der  Nähe  der  Arbeiten  zu  sein.  Die 
Dämme  zur  beabsichtigten  Brücke  waren  zu  dieser  Zeit  ziem- 
lich beendigt,  das  Retranchement  der  Sachsen  zwischen  dem 
Saspersee  und  dem  Strande,  welches  schon  am  9.  aus  dem 
rohen  herausgearbeitet  war,  war  in  der  Nacht  vom  15.  zum  16. 
völlig  zu  Stande  gekommen^). 


')  Nach  der  BombentabeUe  im  Anhange  der  acciiraten  Nachricht  war 
das  Bombardement  vom  6.  bis  20.  Mai  am  stärksten.  Es  fielen  täglich  100 
bis  150  Bomben  in  die  Stadt,  vorherrschend  in  der  Nacht.  Am  9.  Mai  wurden 
79  am  Tage  und  135  in  der  Nacht  in  die  Stadt  geworfen. 

*)  An  demselben  Tage  abends  9  Uhr  flog  auch  in  Weichselmünde  infolge 
des  Bombardements  der  Flotte  ein  Magazin  mit  50  bis  60  Handgranaten  in 
die  Luft,  ohne  jedoch  Schaden  zu  thun. 

')  Wir  erfahren  das  durch  eine  ganz  beilänfige  Bemerkung  im  „ordent- 
lichen Tagesregister "  S.  623,  wonach  die  Trancheearbeiten  vor  der  Stadt, 
welche  während  der  Belagerung  von  Weichselmtinde  aufgehört 
hatten,  in  der  Nacht  vom  27.  zum  28.  wieder  aufgenommen  wurden.  Vgl. 
auch  „accurate  Nachricht''  S.  123. 

*)  Ord.  Tagesr.  S.  611.  Wie  es  scheint,  waren  diese  eben  von  Warschau 
eingetroffen  und  sind  wohl  dieselben,  die  der  Herzog  von  Weissenfeis  in  Ohra 
besichtigt  hatte. 

*)  Ebenda. 


47 


Am  17.  abends  10  Uhr  wurde  von  ihnen  in  der  Ent- 
fernung von  nur  200  Schritt  eine  Parallele  gegen  die  West- 
schanze mit  1000  Mann  Arbeitern  ausgehoben  *).  Obgleich  die 
Arbeit  entdeckt  wurde,  zählte  man  nur  6  Verwundete.  Die 
Kommunikation  der  Parallele  nach  rückwärts  wurde  den  folgen- 
den Tag  hergestellt. 

Am  18.  abends  wurde  auch  die  Parallele  gegen 
Weichselmünde  auf  dem  rechten  Weichselufer  in 
der  Nähe  vom  Glacis  eröffnet.  Die  Franzosen,  welche  einen 
Ausfall  dagegen  versuchten,  wurden  zurückgewiesen.  Die 
Sachsen  nahmen  in  dieser  Nacht  Besitz  vom  Ballastkruge 
(Nr.  35),  den  die  Franzosen  vergeblich  in  Brand  zu  stecken 
suchten. 

Nachdem  die  russische  Flotte  am  19.  zurückgekehrt  war, 
forderte  der  Graf  Münnich  die  Franzosen  zum  Niederlegen  der 
Waflfen  auf.  Die  Lage  derselben  war  völlig  unhaltbar  geworden. 
Auf  eine  öde  Sandscholle  verpflanzt,  von  allen  Seiten  eng  ein- 
geschlossen und  beschossen,  waren  auch  die  letzten  Ressourcen 
zu  ihrer  Unterhaltung  ausgegangen.  Der  General  de  la  Motte 
bat  am  20.  um  Einstellung  der  Feindseligkeiten,  um  zwei 
Ofliciere  an  den  König  Stanislaus  zu  schicken.  Der  Graf 
Münnich  hatte  nichts  dagegen  und  bewilligte  einen  dreitägigen 
Waffenstillstand  zu  dem  Zweck,  behielt  sich  aber  die  Fort- 
führung der  Belagerungsarbeiten  während  desselben  vor. 
Weichselmünde  wurde  in  den  Waffenstillstand  eingeschlossen*). 

8.    Eapitnlation  der  Franzosen. 

Am  21.  wurde  vor  dem  Könige  Stanislaus  in  Gegenwart 
des  französischen  Gesandten  mit  den  abgeordneten  Officieren 
über  die  zu  nehmenden  Massregeln  lebhaft  dcbattirt.  Der 
Marquis  drang  darauf,  dass  der  Versuch  gemacht  würde,  nach 
Danzig  zu  kommen,  und  obgleich  die  beiden  Ofßciere  das  Zweck- 
lose dieses  Unternehmens  beredt  darstellten,  blieb  er  dabei  und 
machte  den  General  de  la  Motte  für  alle  Folgen  verantwort- 


*)  Ebenda  S.  612. 
*)  Ebenda. 


48 

lieh.  Der  König  hatte  nichts  als  Thränen*).  Nach  Rückkehr 
der  Officiere  verhandelte  der  General  de  la  Motte  am  23.  durch 
3  an  den  Grafen  Münnich  gesendete  Officiere  wegen  einer 
Kapitulation,  die  am  folgenden  Tage  zustande  kam.  Die 
Franzosen  sollten  mit  allen  militairischen  Ehren  aus  dem  Lager 
ziehen,  kompagnieweise  an  den  Bord  der  russischen  Flotte  ge- 
bracht werden,  wo  ihnen  die  Waffen  bis  zu  ihrer  Entlassung 
abgenommen  werden  sollten.  Der  Ort,  wo  diese  geschehen  sollte, 
war  in  der  Kapitulation  nicht  ausgesprochen,  der  Graf  Münnich 
verwies  sie  in  dieser  Beziehung  an  den  Admiral.  Sie  hofften 
nach  Kopenhagen  übergeführt  zu  werden  und  von  hier  auf 
französischen  Schiffen  nach  Frankreich  zurückzukehren.  Ihre 
Einschiffung  erfolgte  am  27.  Juni  *).  Sie  waren  noch  von  einer 
Stärke  von  150  Offlcicren,  102  Unterofflcieren  und  1684  Ge- 
meinen, Während  des  Waffenstillstandes  vom  19.  bis  22.  waren 
die  Angriffsarbeiten  der  Russen  gegen  Weichselmünde  und  der 
Sachsen  gegen  die  Westschanze  ununterbrochen  weiter  geführt 
worden.  Letztere  hatten  die  Parallele  bis  an  den  Ballastkrug 
verlängert  und  daselbst  eine  Redute  erbaut.  Auch  nach  rechts 
hin  war  die  Parallele  verlängert  und  mit  einer  Redute  ver- 
sehen worden.  Ebenso  wurden  die  Approchen  nach  rückwärts 
ausgebaut.  Der  Ballastkrug  wurde  nach  Abtragung  des  oberen 
Stockwerks  zu  einem  Blockhaus  (Kaponiero  in  den  Berichten 
genannt)  umgeformt  und  eine  Batterie  zu  8  Kanonen  eirichtet *). 
Auf  bitten  des  Hauptmanns  Patzer,  der  noch  keine  Antwort 
von  der  Stadt  hatte,  wurde  der  Waffenstillstand  um  48  Stunden 
verlängert.  Die  Sachsen  benutzten  sofort  die  Gelegenheit,  mit 
einem  Boyau  von  400  Schritt  Länge  vom  rechten  Flügel  der 
Parallele   bis  zur   Weichsel   vorzugehen.     In   gleicher   Weise 


»)  Hoburg  S.  202. 

*)  Anstatt  nach  Kopenhagen  wurden  sie  nach  Kronstadt  Ubergeschifft, 
weil,  wie  ein  Manifest  der  Kaiserin  Anna  vom  5.  Juli  erklärte,  die  f raneösische 
Flotte  ohne  Kriegserklftmng  am  30.  Mai  eine  russische  Fregatte  und  3  andre 
Schiffe  genommen  hatte.  Bevor  dieselben  niclit  ziirückgeliefert  würden,  sollten 
die  Franzosen  als  Gefangene  betrachtet  werden.  Sie  wurden  von  Kronstadt 
nach  Livland  Übergeführt,  von  wo  sie  erst  am  5.  December  nach  Zurücker- 
stattung der  Fregatte  durch  französische  Transportschiffe  abgeholt  wurden. 

3)  Ordentl.  Ti\gesrüg.  S.  612. 


49 

hatten  sich  die  Russen  gegen  Weicbselmünde  verhalten  und 
sich  auf  dem  Glacis  festgesetzt. 

Der  Oberst  von  Stackeiberg  hatte  sich  nach  der 
Kapitulation  der  Franzosen  mit  der  Bitte  an  den  Grafen 
Munnich  gewendet,  für  sich  und  die  in  Weichselmünde  befind- 
lichen Schweden  gleich  den  Franzosen  freien  Abzug  und  die 
nöthigen  Pässe  zur  Ueberfahrt  nach  Schweden  zu  erhalten.  Es 
wurde  ohne  weiteres  gewährt. 

In  der  Stadt  und  in  Weichselmtinde  war  indessen  die  Lage 
verzweifelt  geworden.  In  der  Stadt  war  namentlich  das  Geld 
ausgegangen,  nm  die  Garnison  zu  bezahlen.  '  Diese  nahm 
monatlich  80000  Gulden  in  Anspruch.  Der  in  Schweden  er- 
baute Hucker  hatte  allein  40000  Gulden  gekostet.  Der  Eath 
wandte  sich  an  den  französischen  Gesandten,  der  aber  auch 
von  allen  Mitteln  entblösst  war.  Er  hatte  monatlich  16000 
Dukaten  für  Wachgelder  und  zur  Unterstützung  der  im  Dienst 
befindlichen  jungen  Mannschaft  der  Gewerke  ausgegeben. 
Schliesslich  übernahm  er  jedoch  die  Kosten  für  den  Hucker. 
Dazu  hatte  sich  die  Stellung  des  Raths  zur  Gemeinde  sehr 
übel  gestaltet.  Die  grosse  Menge  war  durch  französisches 
Geld  für  die  Fortsetzung  der  Vertheidigung  gewonnen  worden, 
während  der  Rath  und  alle  einsichtigen  Bürger  den  Frieden 
herbeiwünschten.  Es  herrschte  daher  das  grösste  Misstrauen 
zwischen  Rath  und  den  Bürgern,  derartig,  dass  letztere  durch 
eine  besondere  Bürgerwache  von  10  Mann  die  Aus-  und  Ein- 
gehenden am  Langgartenthor  (der  Graf  Münnich  befand  sich 
zu  Heubude)  beobachten  Hessen.  Dabei  wurden,  wie  schon  im 
ganzen  Verlauf  der  Belagerung,  vom  französischen  Gesandten 
die  wunderbarsten  Gerüchte  verbreitet  und  von  der  Menge 
geglaubt.  Die  Besorgnisse  wegen  Weichselmünde,  mit  dem  man 
die  Verbindung  verloren  hatte,  steigerte  die  Spannung.  Als 
dann  ein  Offizier  der  dortigen  Garnison  mit  den  beiden  franzö- 
sischen Offizieren,  welche  an  den  König  Stanislaus  abgesendet 
waren,  anlangte  und  den  Zustand  dort  in  den  schwärzesten 
Farben  malte,  wurde  die  Niedergeschlagenheit  allgemein. 
Er^)  erzählte,   wie  der  Hauptmann  Patzer  weder  die  Achtung 

*)  Es  war  der  Danziger  Fähnrich  GaUentin,  dem  noch  ein  schwedischer 
Comet  beigegeben  war. 

KölUer,  Ge^ichiclite  der  Fodtuugen  Danzig  und  Weichsolmündc.    II.  4 


60 

der  Franzosen  noch  der  eigenen  Garnison  besitze.  Die  geringen 
Vorräthe  mttssten  mit  den  Franzosen  getheilt  werden,  obgleich 
diese  die  Besatzung  in  keiner  Weise  unterstützten  und  nur 
von  ihrem  Abzüge  sprächen.  Die  Disciplin  wäre  gänzlich 
untergraben  *). 

9.    Uebergabe  von  Weiohaelxnfinde. 

Die  Garnison  von  Weichselmttnde  war  412  Mann  stark 
gewesen,  von  denen  jedoch  täglich  eine  Anzahl  desertirten. 
Die  Besatzung  der  Werke  erforderte  täglich  270  Mann,  so  dass 
die  Leute  nicht  mehr  aus  den  Kleidern  herauskamen.  Die 
Missstimmung  der  Garnison  steigerte  sich  bei  der  Nachricht 
von  den  Unterhandlungen  der  Franzosen  wegen  einer  Kapi- 
tulation und  ging  in  offenen  Aufruhr  über.  Die  Mannschaft 
weigerte  sich,  ohne  die  Franzosen  noch  Dienste  zu  thuu.  Und 
als  dann  deren  Kapitulation  abgeschlossen  war  und  auch  die 
noch  gegen  50  Mann  starken  Schweden  Reisepässe  erhielten*), 
gingen  die  Soldaten  zur  offenen  Widersetzlichkeit  über,  be- 
gingen Ausschreitungen  aller  Art,  warfen  die  Gewehre  weg 
und  insultirten  die  Offleiere.  Der  Hauptmann  Patzer  ging  da- 
her auf  den  Vorschlag  des  Oberstlieutenants  v.  Rechenberg, 
den  der  Herzog  von  Weissenfeis  an  ihn  geschickt  hatte,  ein 
und  sendete  den  23.  den  Hauptmann  Harmens  und  2  Offiziere 
an  den  Grafen  Münnich.  Patzer  selbst  begab  sich  zum  Herzog 
von  Weissenfeis.  Die  Kapitulation  wurde  noch  am  24.  ab- 
geschlossen. Die  Besatzung  erhielt  freien  Abzug  mit  allen 
kriegerischen  Ehren  und  unter  Mitführung  von  2  Kanonen. 
Sie  huldigte  dem  Könige  August  III  und  wurde  in  die  Heimath 
entlassen.     Nach  Danzig  durfte  sie  natürlich  nicht,   der  Stadt 


»)  Hoburg  S.  204  flf. 

>)  Gralath  erzählt  HI  445,  dass  der  livländische  Woiewode  Morstyn  nach 
der  Eapitalation  von  Weichselmünde  einen  Danziger  Kathsherm  im  Vorzimmer 
des  Königs  Stanisians  in  Gegenwart  anderer  Polen  gefragt  habe,  was  die 
Garnison  der  Münde  veranlasst  hätte,  so  plötzlich  zu  kapituliren.  Der  Raths- 
herr  antwortete  ganz  gelassen :  laboravit  morbo  gallico,  worauf  der  Woiewode 
lächelnd  erwiderte:  Proh  dolor!  nos  omues  eodem  laboramus. 


5i 

sollte  selbst  keine  Abschrift  der  Kapitulation  gesendet  werden  *). 
Weichselmfinde  erhielt  eine  sächsische  Besatzung  ^). 

Die  Uebergabe  von  Weichselmünde  brachte  die  Danziger 
Burgerschaft  endlich  zur  Vernunft,  sie  war  einem  Friedens- 
schluss  nicht  länger  abgeneigt.  Der  Eath  nahm  daher  keinen 
Anstand,  auch  gegen  den  Wunsch  des  Königs  Stanislaus  die 
Vermittelung  des  preussischen  Staatsraths  von  Brand  und  des 
sächsischen  Ministers  von  Btilow  zu  einem  Stägigen  Waffen- 
stillstand in  Anspruch  zu  nehmen.  Der  Beschluss  wurde  am 
24.  gefasst  und  sofort  ausgeführt  und  schon  am  25.  gingen  vom 
Grafen  Münnich,  der  sich  noch  in  Heubude  befand,  die  Pässe 
für  die  Deputirten  ein,  die  mit  der  Führung  der  Unterhand- 
lungen beauftragt  wurden  und  die  sich  am  27.  in  Ohra  ein- 
finden sollten.  Den  Waffenstillstand  bewilligte  er  jedoch  nicht. 
Der  Graf  gab  als  Grund  dafür  an,  dass  die  Danziger  den  zu- 
letzt bewilligten  Waffenstillstand  gemissbraucht  hätten,  indem 
sie  während  desselben  fortgearbeitet  und  selbst  geschossen 
hätten.  Auch  seien  die  französischen  Truppen  in  dieser  Zeit 
gelandet.  Das  Schiessen  sollte  nur  während  der  Zeit,  wo  die 
Abgeordneten  sich  in  Ohra  befänden,  eingestellt  werden.  In 
der  Nacht  zum  28.  wurden  selbst  die  Arbeiten  auf  allen 
Attacken  gegen  die  Stadt  wieder  aufgenommen*),  und 


')  Hobnrg  S.  204  ff.  Der  Hauptmann  Patzer  starb  1748  als  Komman- 
dant von  Weichselmünde.  Es  scheint  demnach,  dass  ihn  wenigstens  in  den 
Augen  des  Raths  kein  Vorwurf  traf.  Nach  Familiennachrichten  soU  er  so- 
gar vom  Bath  den  geheimen  Befehl  erhalten  haben,  zu  kapituliren.  Nach 
einer  andern  Version  hatten  die  Ordnungen  bereits  den  Hauptmann  Lealand 
zum  Kommandanten  ernannt,  waren  aber  nicht  in  der  Lage,  den  Beschluss 
nach  Weichselmttnde  zu  kommuniciren.  Gallentin  und  der  schwedische  Komet 
hatten  dem  Grafen  Münnich  ihr  Ehrenwort  geben  müssen,  nichts  aus  der 
Stadt  mitzunehmen,  was  sie  nicht  vorzuzeigen  bereit  wären.  Die  Thatsach^, 
dass  Patzer  später  noch  Kommandant  war,  widerlegt  diese  Version  liin- 
reichend. 

')  Die  Bussen  hatten  nach  Abschluss  der  Kapitulation  das  Thor  von 
Weicfaselmünde  besetzt,  räumten  es  aber  noch  denselben  Abend  den  Sachsen  ein. 

*)  Ord.  Tagesreg.  S.  623.  Accurate  Nachricht  S.  123.  Danach  hätten 
die  Bässen  nach  der  Flucht  des  Königs  Stanislaus  „von  der  Heubude  jenseits 
der  Weichsel  einen  neuen  Graben  gezogen  und  Batterien  bis  nach  dem  Block- 
haas zu  aufgeworfen,  um  Langgarten  zu  beschiessen". 


&^ 

das  iBombardement  war  seit  dem  24.  heftiger  als  je*).  Am 
27.  flog  auf  dem  Hagelsberge  ein  Pulvermagazin  in  die  Luft. 

Der  Rath  von  Danzig  wählte  aus  seiner  Mitte  Johann 
Wahl  und  Gottfried  Ferber  zu  Abgeordneten  und  gab  ihnen 
eine  besondere  Instruktion,  wonach  sie  ausser  der  Wahrung 
aller  Rechte  und  Freiheiten  der  Stadt  auch  den  freien  Abzug 
der  in  Danzig  befindlichen  hohen  Personen  und  der  polnischen 
Regimenter  fordern  sollten.  Der  Graf  Münnich  bestand  dage- 
gen auf  Auslieferung  der  hohen  Personen  und  wollte  nur  einen 
Waffenstillstand,  den  die  Abgeordneten  von  neuem  forderten, 
bewilligen,  wenn  ihm  die  Ausseuwerke  oder  eins  der  äussern 
Thore  eingeräumt  würde. 

Auf  Bitten  des  Herzogs  von  Sachsen -Weissenf eis ,  an  den 
die  Stadt  noch  in  der  Nacht  einen  Tambur  geschickt  und  das 
Gesuch  um  einen  Stägigen  Waffenstillstand  mit  der  Erklärung 
wiederholt  hatte,  dass  sie  Seine  Majestät  König  August  III  als 
rechtmässigen  König  anerkenne,  bewilligte  der  Graf  Münnich 
am  28.  einen  3tägigen  Waffenstillstand  unter  der  Bedingung, 
dass  mit  den  Arbeiten  fortgefahren  würde.  Der  Waffenstill- 
stand wurde  indess  sofort  wieder  aufgehoben,  als  der  Graf  in 
Erfahrung  brachte,  dass  die  Stadt  den  General  v.  Vietinghof 
angewiesen  habe,  die  Wachen  dahin  zu  instruiren,  dass  sie, 
wenn  die  Russen  mit  der  Arbeit  fortfahren  sollten,  einen  Unter- 
officier  mit  Tambur  an  sie  schickten,  um  sie  aufzufordern,  mit 
der  Arbeit  einzuhalten,  widrigenfalls  Feuer  gegeben  werden 
sollte^).  Das  Bombardement  wurde  daher  wieder  aufge- 
nommen *). 

10.  Flucht  des  Zönlgs  Stanislaas  und  Zapitulation  von  Danzig. 
Da  trat  ein  Ereigniss  ein,   welches  die  unglückliche  Lage 


')  Es  wurden  am  24.  am  Tage  68,  in  der  Nacht  200  Bomben  in  die 
Stadt  geworfen.    Bombentafel. 

')  Ebenda  S.  624,  wo  die  Anweisung  des  Kaths  wörtlich  wiedergegeben  ist. 

®)  Ebenda.  Darauf  bezieht  sich  wohl  auch  die  Stelle  der  „accuraten 
Nachricht"  S.  123,  wonach  um  3  Uhr  morgens  die  Bomben  wieder  angestiegen 
kamen  und  zwar  von  sonderlicher  Grösse  ....  So  kanonirten  und  bom- 
bardirten  die  Bussen  auch  von  der  Heubude  nach  den  englischen  und  hol- 
ländischen Schiffen,  welche  sich  in  der  Mottlau  befanden. 


63 


der  Stadt  noch  verschärfte.  In  der  Nacht  vom  27.  zum  28. 
war  der  König  Stanislaus  entflohen*).  Der  Rath  erhielt  die 
KenntniKs  davon  erst  am  28.  nachmittags  4  Uhr  und  machte 
am  29.  Mittheilung  davon  an  den  Herzog  von  Weissenfeis  und 
an  den  Grafen  Miinnich.  Letzterer  erhielt  die  Nachricht  zu- 
erst vom  Herzoge  und  liess  sogleich  alle  Wege  auf  einige 
Meilen  Entfernung  jedoch  ohne  Erfolg  absuchen,  das  Bom- 
bardement aber  steigern,  obgleich  in  dem  Schreiben  des  Raths 
an  ihn  dieser  seine  Schuldlosigkeit  an  der  Flucht  betheuerte, 
dem  Briefe  auch  ein  Attest  des  Marquis  de  Mouti  beilegte, 
worin  dieser  auf  Ehre  und  Gewissen  erklärte,  dass  die  Stadt 
ohne  alle  Betheiligung  an  der  Flucht  des  Königs  sei. 

Der  Grund  für  eine  längere  Verzögerung  der  Uebergabe 
der  Stadt  war  mit  der  Flucht  des  Königs  hinfällig  geworden. 
Die  Stadt  räumte  daher  am  30.  den  Sachsen  das  Neugarten- 
Thor   ein^},    worauf   die   Feindseligkeiten    eingestellt   wurden. 


*)  Stanislaus  war  nach  einem  Plan  des  Marquis  de  Monti  durch  die 
lunndation  geflohn,  indem  er  in  der  Kleidung  eines  Bauern  an  der  linken 
Flanke  des  Bastions  Roggen  den  Wall  überstieg  und  mit  seinem  Begleiter, 
dem  General  Steenflicht,  geleitet  von  einem  Officier  der  Garnison  auf  zwei 
kleineu  Booten  über  den  Stadtgraben  und  den  Vorgraben  fuhr.  Der  Posten 
auf  der  Flanke  liess  die  drei  Personen  mit  Rücksicht  auf  den  Officier  passiren. 
Jenseit  des  Grabens  wurden  sie  jedoch  von  einem  Unterofficier  angehalten, 
der  aber  dadurch  beschwichtigt  wurde,  dass  der  Officier  kein  Hehl  daraus 
machte,  dass  es  der  König  sei,  den  der  Unterofficier  dann  auch  erkannte  und 
passiren  liess.  Weder  vom  Posten  noch  vom  Unterofficier  sind  Meldungen 
von  dem  Vorfall  an  ihre  Vorgesetzten  abgestattet  worden. 

Bei  der  Inuudation  angekommen,  entliess  der  König  den  Officier  der 
Garnison  und  bestieg  mit  dem  General  Steenflicht  ein  bereit  gehaltenes,  von  2  Frei- 
schützen besetztes  Boot.  Erst  am  2.  Juli  gelangte  der  König  bei  Käsmark 
über  die  Weichsel  und  erreichte  am  3.  Marien werder,  von  wo  er  am  10.  in 
Königsberg  ankam.  Von  dort  ist  er  erst  im  Mai  1736  nach  Frankreich  ab- 
gereist. (Extract  i.us  den  Inquisitionsakten  im  Anhange  des  ord.  Tagesregisters 
S.  651.  Relation  d'un  voyage  de  Daotzick  h  Marienwerder.  Hist.  de  Stanislaus 
par  D.  0.  S.  144.     Hoburg  S.  210). 

')  Hoburg  S.  211.  Die  gedruckten  Quellen  erwähnen  nichts  von  Ein- 
ränmnng  des  Nengarten-Thors  am  30.  Juni.  Da  jedoch  der  Graf  Münnich  in 
einem  Schreiben  an  den  Rath  von  diesem  Tage  (abgedr.  im  ordentl.  Tages- 
register S.  631)  ausdrücklich  erklärt,  dass  er  die  Abgeordneten  der  Stadt 
pur  dann  empfanden  werde,  wenn  den  Sachsen  ein  Thor  eingeräumt  würde. 


54 


Abends  6  Uhr  fiel  der  letzte  Schuss*).  Die  Abgeordneten  be- 
gaben sich  am  folgenden  Tage  ins  russische  Hauptquartier,  wo 
nach  längern  Verhandlungen  erst  am  7.  Juli  die  Kapitulation 
zu  Stande  kam  und  in  21  Haupt-  und  einem  Separatartikel  ab- 
geschlossen wurde.  Sie  wurde  am  8.  von  beiden  Seiten  unter- 
schrieben.    Die  Hauptpunkte  derselben  sind  folgende: 

Die  Stadt  erkannte  August  III  als  rechtmässigen  König  von 
Polen  an,  wogegen  dieser  ihre  Rechte  und  Privilegien  bestätigen 
sollte. 

Die  Sommer-  und  Winterschanze  sollten  nach  Abzug  der 
polnischen  Truppen,  welche  zu  Kriegsgefangenen  erklärt  wur- 
den*), sogleich  eingeräumt  werden,  Weichselmunde  jedoch  erst 
nach  Ankunft  des  Königs. 

Gleichzeitig  sollte  das  Olivaer  Thor  den  sächsischen  Truppen 
zur  Besetzung  mit  200  Mann  übergeben  werden,  bis  König 
August  die  Besetzung  desselben  durch  städtische  Truppen 
wieder  gestatten  würde. 

Die  Stadt  sollte  binnen  einem  Jahre  in  3  Terminen  zahlen: 
eine  Million  Thaler  an  Russland  und  eine  andre  Million  für  den 
Fall,  dass  die  Untersuchung  ihre  Mitschuld  bei  der  Flucht  des 
Königs  Stanislaus  darthun  würde.  30000  Dukaten  sollten  an 
die  russische  Generalität,  die  Artillerie-  und  das  Ingenieurkorps 
ausgezahlt  werden,  weil  die  Stadt  gegen  den  Kriegsgebrauch 
das  Geläute  der  Glocken  beibehalten  habe  (es  war  erst  am 
4.  Mai  eingestellt  worden). 


und  da  femer  das  Bombardement  wirklich  am  Abend  aufhörte,  mnss  die  Ein- 
räomuDg  des  Thors  jedenfalls  vorangegangen  sein.  Hoburg  giebt  seine  Quelle 
nicht  au. 

')  Der  Graf  Münuich  hatte  alles  vorbereitet,  dass  die  Stadt  in  48  Stunden 
so  viele  Bomben  und  Kugeln  erhalten  sollte,  wie  während  der  ganzen  Be- 
lagerung. Bloss  „auf  der  Heubude ^  befanden  sich  in  den  neuen  Batterien 
400  Stück  500 pfundige  Bomben,  „so  aber  Gott  sei  Dank''  nicht  abgeschossen 
wurden.  Accnrate  Nachricht  S.  125.  Am  29.,  wo  die  Nachricht  von  der 
Flncht  des  Königs  eintraf,  wurden  am  Tage  122,  in  der  folgenden  Nacht 
126  Bomben  in  die  Stadt  geworfen  und  am  30.  bis  6  Uhr  abends  127. 
(Bomben  tafel.) 

^  Sie  bestanden  noch  aus  600  Dragonern  und  1200  Mann  Infanterie 
(Krongarde),  400  Mann  des  Primas  und  einigen  hundert  Mann  Ozartoryski's, 
Ord.-Tagesreg.  8.  633. 


65 


Zar  Abbitte  bei  der  russischen  Kaiserin  soll  die  Stadt  eine 
Deputation  aus  der  Mitte  aller  drei  Ordnungen  nach  Peters- 
burg schicken  ^). 

Nicht  aufgenommen  im  Friedensvertrag  war  die  Zahlung 
von  80000  Gulden,  welche  die  Stadt  an  den  König  August  zu 
zahlen  sich  verstehen  musste. 

Den  7.  schon  war  das  Wasser  der  Radaune  von  den 
Russen  wieder  in  die  Stadt  geleitet  worden.  Am  9.  um  5  Uhr 
nachmittags  marschirten  die  beiden  polnischen  Regimenter, 
Krongarde  und  Dragoner,  1200  Mann  Infanterie  und  600  Pferde, 
sowie  die  Leibgarden  des  Primas  und  des  Fürsten  Czartoryski, 
crstere  400  Mann  stark,  mit  klingendem  Spiel  aus  dem  Peters- 
hagener  Thor  und  streckten  das  Gewehr.  Gleich  darauf  be- 
setzten die  Sachsen  das  Olivaer  Thor.  Die  städtischen  Soldaten 
zogen  sich  nach  dem  neuen  Werke  (Steenboks- Brille)  zui^ück. 
Die  Posten  wurden  durch  spanische  Reiter  getrennt.  Am 
10.  Juli  wurde  August  III  in  der  Stadt  als  König  von  Polen 
proklamirt,  und  am  11.  in  allen  Kirchen  Gottesdienst  abge- 
halten, dem  auch  der  Herzog  von  Weissenfeis  und  Feldmarschall 
Graf  Münnich  in  der  Pfarrkirche  zu  St.  Marien  beiwohnten. 

Der  Primas  und  die  polnischen  Magnaten  waren  schon 
während  der  Friedensunterhandlungen  ins  russische  Haupt- 
quartier übergeführt  worden.  Die  Magnaten  erkannten  den 
König  August  III  an  und  wurden  entlassen.  Der  Primas,  der 
sich  nicht  dazu  verstehn  konnte,  wurde  in  Haft  genommen. 
Der  französische  Gesandte,  welcher  aus  seiner  Mitwirkung  bei 
der  Flucht  des  Königs  kein  Hehl  machte,  wurde  ebenfalls  fest- 
gesetzt. 


*)  Das  über  die  Heise  geführte  Jiimal  befindet  sich  in  der  Stadtbibiiothek 
von  Dauzig  (XV.  F.  61)  und  ist  vom  Dr.  Löschin  in  seinen  »Beiträgen  zur 
Geschichte  der  Stadt  Danzig^  1.  Heft  Danzig  1837  mitgetheilt.  Die  Deputation 
hatte  einen  Aufenthalt  von  8  Monaten  in  Petersburg  und  hatte  trotzdem  von 
den  16000  Gulden,  die  ihr  zur  Bestreitung  der  Beisekosteu  bewilligt  waren, 
nur  6000  ausgegeben.  Die  10000  ^vurden  ihr  zum  Geschenk  gemacht,  da  es 
ihr  gelungen  war,  die  Zahlung  der  zweiten  Million  für  die  Flucht  des  Königs 
Stanislaus  von  der  Stadt  abzuwenden.  Die  Deputation  bestand  aus  den  Baths- 
herm  Wahl  und  Ehler,  den  Schoppen  Reyger  und  Bonhorst  und  aus  der 
'i.  Ordnung  den  Herrp  Martens,  Schendel  mit  dem  Sekretair  Jantssen. 


56 


Die  Sommer-  und  Winterschanze  wurden  am  13.  geräumt. 
Gleichzeitig  verliesseu  die  Russen  die  Nehrung  und  bezogen  ein 
Lager  bei  Wonneberg. 

König  August  kam  am  19.  Juli  in  Oliva  an,  besichtigte 
am  21.  Weichselmünde  und  die  russischen  AngriflFsarbeitcn  und 
nahm  am  22.  eine  Parade  über  die  vereinigte  Armee  ab.  Nach 
Danzig  ist  der  König  nicht  gekommen,  empfing  aber  am  25.  in 
Oliva  eine  Deputation  des  Danziger  Raths.  Nachdem  am  27. 
das  Olivaer  Thor  den  Danzigern  wieder  eingeräumt  worden 
war,  reiste  der  König  am  31.  nach  Sachsen  ab.  Die  Huldigung 
erfolgte  am  2.  August.  Den  König  vertrat  der  Bischof  von 
Krakau,  Fürst  Lipsky.  Der  Graf  Münnich  trat  am  10.  August 
seine  Rückreise  nach  Petersburg  an,  die  Armee  folgte  am  19. 
und  in  den  folgenden  Tagen.  Bis  zur  Berichtigung  aller 
Summen  blieb  ein  russisches  und  sächsisches  Exekutions- Kom- 
mando, das  russische  unter  dem  Oberst  Uexcüll,  zurück.  Erst 
nach  Ablösung  aller  Geldverpflichtungen  wurde  Weichselmünde 
am  22.  Mai  1736  der  Stadt  zurückgegeben. 

Die  Ausgaben  der  Stadt  während  des  Krieges  V^i'^^^l^w^t 
eine  handschriftliche  Notiz  zur  „accuraten  Nachricht"  (Stadt- 
bibliothek XV  9—40)  auf  1,086,912  Gulden  11  gr. 

Die  Abfindungen  infolge  des  Friedenstractats  beliefen  sich 
auf  4,885,327  Gulden  10  gr. 

Der  Sold  der  ständigen  Garnison  kam  auf  260,046 
Gulden  20  gr.  3  Pfennige,  der  der  neu  angeworbenen  Truppen 
auf  359,010  Gulden  6  Pfennige  zu  stehen,  wobei  die  Frei- 
schützen und  die  Bürgerwache  nicht  eingerechnet  sind. 

Die  Belagerung  hatte  seit  Ankunft  des  General  Lascy  145, 
seit  der  Eröffnung  des  Bombardements  62  Tage  gedauert.  Es 
wurden  4430  Bomben  in  die  Stadt  geworfen,  ohne  die  nach  den 
Aussenwerken  mitzurechnen.  Es  wurden  dadurch  1800  Häuser 
zum  Theil  bedeutend  beschädigt  und  1500  Einwohner  getödtet 
oder  verwundet. 

Die  Russen  verloren  während  der  Belagerung  gegen  200 
Officiere  und  über  8000  Mann '). 


*)  Hoburg  S.  212-214. 


57 


11.  Bückblick. 

Es  war  keine  geringe  Aufgabe,  die  der  Graf  Miinnicli  bei 
seiner  Ankunft  am  16.  März  übernahm,  mit  12000  Mann,   die 
sich  im  Lauf  des  April  nur  sehr  allmählich  auf  20000  Mann 
verstärkten,  die  Stadt  Danzig  mit  ihren  weitläuftigen  Befesti- 
gungsanlagen zur  Uebergabe  zu  zwingen.    Sein  Vorgänger,  der 
General  Lascy,  hatte  sich  5  Wochen  lang  den  Kopf  zerbrochen, 
wie  das  anzufangen  sei,  ohne  zu  einem  andern  Eesultat  zu  ge- 
langen, als  das  Land  auf  dem  linken  Ufer  der  Weichel  im  Um- 
kreise   von  Danzig  durch  Streifparteien    zu   beunruhigen   und 
auszufuragiren.      Der   Graf  Mlinnich   fasste   den   grossartigen 
Plan,  Danzig  von  allen  Seiten  eng  einzuschliessen  und  die  auf 
diese  Weise  verzettelten  Truppen  durch  eine  Kontravallations- 
linie  zu  schützen.     Es  müssen  natürlich  von  selten  der  Ver- 
theidigung  grosse  Fehler  begangen  worden  sein,  um  das  zu  er- 
möglichen.   Dazu  gehört,  dass  Danzig  das  Haupt  (die  Haupt- 
schanze) veiTiachlässigt  hatte,  von  dessen  Behauptung  der  Besitz 
der  Nehrung  abhängig  war,   dass  es   ferner  den  Holm  nach 
der  Nehrung  hin  nicht  durch  eine  Schanze  am  grossen  Holländer 
gesichert   hatte.     Im   Besitz    der   Nehrung   wäre   Danzig   vor 
Mangel  geschützt  worden  und  nur  durch  die  Behauptung  des 
Holms  war  die  Verbindung  mit  Weichselmünde  aufrecht  zu  er- 
halten.   Dass  sich  die  Russen  trotz  ihrer  Schwäche  in  so  grosser 
Nähe  festsetzen  konnten,  zeigt,  dass  der  Besatzung  alle  Fähig- 
keit   zur    Offensive    abging.     Die   5   Regimenter   Bärgerwehr 
waren  gesetzlich  nur  zur  Besetzung  der  Stadtbefestigung  ver- 
pflichtet, die  Handwerksgesellen  und  Freischützen  (Schnapphähne) 
waren  in  geschlossenen  Massen  nicht  zu  verwenden.    Es  blieb 
also  nur  ein  Theil  der  Söldner,   so  weit  sie  bei  Besetzung  der 
Aussenwerke  zu  entbehren  waren,  und  die  polnische  Kron- 
garde.  Letztere  ist  jedoch  bei  jeder  Gelegenheit  davon  gelaufen, 
so  bei  dem  Ausfall  gegen  Plönendorf  am  10.  März,  in  dem  Ge- 
fecht bei  Ohra  am  19.  März   und  bei  dem  Ausfall  zu  gunsten 
der  Franzosen  am  9.  Juni.     Ein  grösserer  Ausfall  von  einigen 
tausend  Mann   war  daher  von  vornherein  ausgeschlossen.    Es 
fehlte   ausserdem   jede   Einheit    des  Kommandos.     Jedermann 
weiss  jetzt,   dass  in  einer  belagerten  Festung  nur  ein  Wille 


58 


herrschen  darf.  Hier  bildete  aber  die  oberste  Behörde  ein 
Kollegium,  der  Senat,  von  welchem  wiederum  ein  andres 
Kollegium,  der  Kriegsrath,  aus  allen  Ordnungen  zusammen- 
gesetzt, abhängig  war  und  in  welchem  der  Kommandant  als 
Mitglied  nur  eine  untergeordnete  Stellung  einnahm.  Der  ganze 
Einfluss  der  Stellung  des  Kommandanten  beschränkte  sich  darauf, 
auf  nothwendige  Massregeln  aufmerksam  zu  machen.  Eine 
Verantwortlichkeit  trug  er  nur  in  bezug  auf  die  Disciplin  der 
Soldtruppen  und  auch  nur  auf  die  der  Stadt.  Weichselmünde 
hatte  seinen  eignen  Kommandanten. 

Diese  Thatsachen  vermindern  jedoch  nicht  das  Verdienst 
des  Grafen  Münnich,  darauf  seinen  Plan  gebaut  zu  haben.  Der 
Blockade  durch  die  Kontravallation  schloss  sich  das  Bombarde- 
ment an,  das  ebenfalls  auf  die  eigenthiimlichen  Verhältnisse 
der  Stadt  berechnet  war  und  auf  die  niedern  Volksklassen 
wirken  sollte. 

Einen  förmlichen  Angriff  auf  die  Stadt  hat  der  Graf 
von  Münnich  nicht  ausgeführt.  Wenn  in  den  gleichzeitigen 
Relationen  über  die  Belagerung  von  Attacken  vor  dem  Olivaer 
Thor,  gegen  den  Hagels-  und  Bischofsberg,  sowie  von  Heubude 
gesprochen  wird,  so  bezieht  sich  das  nur  auf  das  Bombardement. 
Es  liegt  nicht  das  geringste  Anzeichen  vor,  dass  eine  Bresche- 
legung  auf  einer  dieser  Fronten  beabsichtigt  gewesen  wäre. 
Wenn  der  Graf  einen  förmlichen  Angriif  beabsichtigt  hätte,  so 
hätte  er  sich  für  eine  dieser  4  Attacken  als  Hauptattacke  ent- 
scheiden müssen,  die  andern  wären  dann  Scheinattacken  ge- 
wesen. Davon  ist  jedoch  nicht  die  Rede.  Die  gedeckten  An- 
näherungen an  das  Olivaer-  und  Neugartener  Thor  hatten  nur 
den  Zweck,  die  Ausfälle  zu  erschweren-«  Der  Sturm  auf  den 
Hagelsberg  war  ganz  unvorbereitet  und  unabhängig  vom  Angriffs- 
plan des  Grafen.  Er  wurde  auf  besondern  Befehl  der  Kaiserin 
unternommen. 

Seit  dem  Bekanntwerden  der  Annäherung  einer  fran- 
zösischen B^lotte  mit  Entsatztruppen  erfolgten  von  seiten  des 
Grafen  von  Münnich  Defensiv-Massregeln,  um  sich  einem  Vor- 
dringen derselben  gegen  die  Stadt  zu  widersetzen.  Die  Lan- 
dung selbst  konnte  nicht  verhindert  werden.  Es  wurde  eine 
Kontravallationslinie  gegen  Weichselmünde  «luf  der  Seite  der 


59 


Nehrung  ausgeführt,  die  vom  Strande  ausging  und  sich  nach 
Eroberung  der  Sommerschanze  am  6.  Mai  an  diese  anschloss. 
Sie  bildete  zugleich  für  Danzig  eine  Circumvallation  und 
wurde  auf  dem  linken  Weichselufer  über  Schellmlihl  und 
Neu-Schottland  auf  Striess  weiter  geführt.  Eine  Verän- 
derung des  Angriffsplans  liegt  darin  nicht.  Die  Offensive  auf 
Danzig  wurde  fortgesetzt,  beschränkte  sich  aber  auf  ein  Bombar- 
dement und  einige  dasselbe  begünstigende  Bauten  im  Terrain, 
Laufgräben  behufs  gedeckter  Kommunikationen,  neue  Batterie- 
anlagen pp.  Eine  Aenderung  darin  trat  erst  ein,  als  die  An- 
kunft der  russischen  Flotte  auf  der  Danziger  Rhede  die 
Idee  nahe  legte,  sie  zu  einem  gemeinschaftlichen  Angriff  auf 
Weichselmände  auszunutzen.  Dieses  wurde  nunmehr  zu  beiden 
Seiten  der  Weichsel  förmlich  angegriffen  und  damit  die  Haupt- 
thätigkeit  hierher  verlegt.  Das  Bombardement  gegen  Danzig 
wurde  jedoch  fortgesetzt. 

Es  ist  für  die  Beurtheilung  der  Angriffsarbeiten  der  Russen 
sehr  wichtig,  diesen  Ideengang  des  Grafen  von  Münnich  richtig 
aufzufassen.  Die  Darstellung  der  Belagerung  in  der  „Geschichte 
der  Festung  Weichselmünde"  zeichnet  sich  dadurch  sehr  vor- 
theilhaft  vor  der  von  Hoburg  aus,  dass  der  ungenannte  Ver- 
fasser die  allgemeinen  Verhältnisse  nie  aus  den  Augen  verliert, 
doch  ist  es  ihm  nicht  gelungen,  den  Faden  aufzufinden,  der  die 
einzelnen  Momente  der  Angriffsweise  des  Grafen  von  Münnich 
verbindet.  Er  fasst  die  Kontravallationslinie  gegen  Danzig 
als  Parallele  auf  ^),  und  hält  sie  für  den  Ausgangspunkt  eines 
förmlichen  Angriffs  %  während  Münnich  nie  etwas  Anderes  be- 


^)  Der  Verfasser  hat  «ganz  übersehen,  dass  seine  yermeintliche  ParaUele 
nur  stückweise  durch  die  Sappe  hergestellt  worden  ist,  so  dass  zu  der  des 
Bischof sberges  aUein  26  Tage  (vom  18.  April  bis  14.  Mai)  gebraucht  wurden. 
Eine  erste  Parallele  des  fömlichen  Ang;rifPs  pflegt  man  dagegen  in  einer  Nacht 
anfzawerfen.  Verf.  scheint  die  Blockade  und  das  Bombardement  gar  nicht 
als  besondere  Angriffsformen  zu  betrachten. 

*)  Ebenda  S.  40 :  „Bischofs-  und  Hagelsberg  wurden  mit  einer  ParaUele 
umzogen."  S.  43:  „Vom  Bischofsberge  an  bis  Aller  Engeln  wurden  die  Ar- 
beiten vorwärts  getrieben. '^ 

S.  58 :  „Belagerer  und  Belagerte  waren  nach  70  Tagen  offener  Tranchee 
(Ende  Mai)  sowohl  über  die  Zweckmässigkeit  des  Ausgeführten  als  über  die 
^iothwendigkeit  des  i;oc]|  Auszufül^reiiden,  um  beiderseits  4&s  gesteckt^  Ziel 


eo 


absichtigt  bat,  als  die  Blockade  und  ein  Bombardement  der 
Stadt;  er  findet  ferner  in  den  Defensivmassregeln  gegen  die 
französische  Flotte  eine  Veränderung  des  ganzen  Plans,  indem 
er  schon  zu  dieser  Zeit  (anfang  Mai)  das  Hauptziel  des  Grafen 
auf  Weichselmünde  gerichtet  annimmt^);  im  Widerspruch  damit 
legt  er  dem  Grafen  seit  dem  1.  Juni  die  Absicht  unter,  einen 
vierten  Angriff  auf  Danzig  (auf  die  Niederstadt)  geplant  zu 
haben*),  während  dieser  Angriff  von  Heubude  aus  von  vorn- 
herein im  Gange  war  und  nichts  anderes  als  ein  Bombardement 
beabsichtigt  hat;  ja  er  lässt  diesen  Angriff  auf  dem  linken 
Ufer  der  Weichsel  bis  zum  Kneipab  vorschreiten  und  spricht 
von  Batterien,  welche  dem  Blockhause  (polnisclien  Haken)  gegen- 
über, am  Ausfluss  der  Laake,  angelegt  worden  seien*),  wovon 
nirgends  die  Rede  ist.  Die  Veränderung  im  Plane  der  Bela- 
gerungsarbeiten mit  dem  Hauptziel  auf  Weichselmttnde  tritt 
erst  mit  der  Ankunft  der  russischen  Flotte  ein  und  führt  zum 
förmlichen  Angriff  von  Weichselmünde  auf  beiden  Seiten  der 
Weichsel*). 


zu  erreichen,  in  grosser  Verlegenheit  .  .  .  Die  Trancheearheit  brachte  die  Be- 
lagerer in  ein  Labyrinth,  aus  welchem  drei  Attacken  gegen  Bischofsberg, 
llagelsberg  uud  Olivaer  Thor  unmöglich  führen  konnten.'*  Ferner  S.  (>0,  siehe 
unter  Note  5.    Danach  wäre  der  Graf  v.  Münnich  gan^s  planlos  vorgegangen. 

^)  Ebenda  S.  47 :  „Im  Monat  Mai  änderte  sich  der  Gang  der  Belagerung . . 
von  jetzt  an  wurde  das  Hauptaugenmerk  auf  Weichselmünde  gerichtet.* 

*)  Ebenda  59 :  „Er  (Münnich)  fasste  den  1.  Juni  den  Entschhiss,  noch 
einen  vierten,  ganz  abgesonderten  Angriff  gegen  die  niedere  Seite  der  Stadt 
zu  eröffnen,  um  durch  Verbrennen  der  Speicher  und  der  Schiffe  auf  der  Mott- 
lau Nachgiebigkeit  zu  erzwingen."  .  .  .  Den  24.  Juni  war  alles  bereit.  Offen- 
bar entnimmt  das  Vf.  aus  der  „accuraten  Nachricht'^  S.  123  und  125,  wonach 
diese  Massregeln  jedoch  erst  nach  der  Flucht  des  Königs  Stanislaus  am  28. 
Juni  beabsichtigt  wurden,  aber  nicht  auf  dem  linken  Ufer  der  Weichsel,  son- 
dern auf  dem  rechten,  von  wo  aus  die  Niederstadt  und  selbst  die  Mottlau 
noch  dui'ch  Geschosse  zu  erreichen  waren.  Das  durchwässerte  tief  liegende 
Terrain  macht  ausserdem  einen  Angriff  von  dieser  Seite  ganz  unmöglich,  der 
auch  mit  der  Weichsel  im  Rücken  ein  abenteuerliches  Unternehmen  ge- 
wesen wäre. 

^)  Ebenda  (Im  Anschluss).  „Diese  Tranchecattacke  kam  auf  dem  linken 
Ufer  der  Weichsel  bis  zum  Kneipab  völlig  zu  Stande ;  auf  dem  rechten  wurden 
Batterien  am  Blockhaus  gegenüber,  am  Ausfluss  der  Laake,  gebaut. 

*)  Der  Verfasser  drückt  sich  hierüber  S.  60  etwas  unbestimmt  aus,   hx- 


61 

Bei  so  verschiedenen  Auffassungen  ist  es  erklärlich,  dass 
die  Erfahrungen  der  Belagerung  von  1734  ohne  Einfluss  auf 
die  Massnahmen  des  Vertheidigers  und  Angreifers  in  den  Jahren 
1807  und  1813  geblieben  sind.  Von  Seiten  des  Vertheidigers  ist 
1807  nicht  einmal  die  Schanze  am  grossen  Holländer,  deren  Mangel 
1734  so  schwer  gebttsst  wurde,  erbaut  worden.  Die  Franzosen 
führten  hier  später  das  Fort  Napoleon  (gegenwärtig  Kronprinz) 
auf.  Der  General  Graf  Kaikreuth  fand,  als  er  die  Guverneur- 
stelle  von  Danzig  übernahm,  keine  Relation  der  Belagerung  von 
1734  im  Festungsarchiv  vor,  die  ihn  über  die  Wechselbeziehungen 
der  verschiedenen  Terrainabschnitte  der  Umgegend  von  Danzig 
hätte  Orientiren  können.    Er  erzählt  das  selbst. 


H.    Das  Ende  der  polnischen  Schutzherrschaft. 

Die  Zeit  von  1734  bis  zur  ersten  Tlieilung  Polens  1772 
bietet  für  unsern  Gegenstand  wenig  Interesse.  Die  Zumuthung 
Fermor's  1758  an  Danzig.  eine  russische  Besatzung  aufzunehmen^), 
wurde  durch  geschickte  Unterhandlungen  der  an  ihn  gesendeten 
Kathsherrn  Gralath  und  Weickhmann  und  durch  einige  Geld- 
spenden glücklich  abgewendet.  Die  Stadt  ermannte  sich  selbst, 
späteren  Anforderungen  Trotz  zu  bieten,  nahm  den  Generalmajor 
Eggers  mit  12000  fl.  jährlichen  Gehalts  in  Dienst  und  verstärkte 
die  Garnison.  Dabei  verstand  sie  es  auch,  die  Geldforderungen 
des  Königs  von  Polen,  August's  III,  auf  ein  Minimum  zurück- 
zuführen*). Der  Hubertsburger  Frieden  gab  der  Stadt  einige 
Jahre  Ruhe.    Seit  1765  begannen  dann  die  Misshelligkeiten  mit 


dem  er  sagt:  „Die  Trancheearbeiten  gegeu  die  hohe  Seite  und  das  Olivaer 
Thor  büeben  (nach  dem  Eintreffen  der  nissischen  Flotte),  obgleich  neue  an- 
gerangen  waren  (der  förmliche  Angriff  auf  Weichselmtinde),  nicht  zurück; 
doch  scheint  die  Ansicht,  durchaus  über  die  Berge  den  Eingang  in  die  Festung 
suchen  zu  müssen,  durch  die  Erfahrung  herichtigt  worden  zu  sein ;  man  war 
jetzt  wohl  nur  bemüht,  hier  das  Erreichte  zu  sichern  und  durch  Werfen  von 
Kugeln  und  Bomben  Danzig  moralisch  zu  erschüttern.  Dennoch  blieh  dieser 
Schauplatz  so  lebhaft  wie  früher.'' 

1)  liöschin  2,  218. 

')  Ebenda  2,  266. 


62 

Preussen  wegen  der  flüchtigen  Kantonisten,  die  1770  zur  preus- 
sischen  Besetzung  des  Werders  durch  den  General  von  Ingers- 
leben  führten  ^). 

Die  Festungsbauten  bescliränkten  sich  in  dieser  Zeit  aufs 
äusserste,  da  die  für  das  „Wallgebäude"  bestimmten  Einkünfte 
nach  der  Belagerung  von  1734  zur  Deckung  der  Kriegskontri- 
butionen herangezogen  werden  mussten.  Erst  unterm  24.  März 
1746  beantragte  der  Rath,  das  Scharwerksgeld  wieder  dem 
Wallgebäude  zuzuwenden  ^).  Die  ständige  Garnison  wurde  1750 
auf  800  Mann  Fussvolk  herabgesetzt ').  I.  J.  1757  wurden  von  den 
Ordnungen  4000  fl.  bewilligt,  um  eine  gemauerte  Poteme  in  der 
Kurtine  Salvator-Mittel  zu  erbauen.  Eine  gleiche  wurde  1761 
in  der  Kurtine  Schütz -Jerusalem  auf  dem  Hagelsberge  herge- 
stellt*). In  diese  Zeit  fällt  auch  die  Befestigung  des  Holz- 
raums zwischen  dem  Bastion  am  Rhära  und  der  Weichsel^), 
unter  Leitung  des  Generalmajors  Eggers,  wahrscheinlich  auch 
die  Erbauung  der  Möwenschanze,  eines  Erdwerks  am  rechten 
Weichselufer  am  Strande  von  Weichselmünde.  Es  wurde  durch 
Anschlusslinien  mit  diesem  verbunden. 

Zur  Regulirung  der  Inundation  im  Bauamt  wurde  1758 
die  Rückforter  Schleuse  ausgebaut  und  mit  einer  Redute 
versehen*).  In  den  Jahren  1767  und  1768  mussten  die  gänz- 
lich zerfallenen  Batardeaus  beim  Ausfluss  der  Mottlau  aus  der 
Stadt  durch  neue  ersetzt  werden'). 

Eine  traurige  Epoche  begann  mit  der  ersten  Theilung 
Polens  1772.  Die  Eifersucht  der  Mächte  hatte  es  verhindert, 
dass  Danzig  nicht  mit  Pommerellen  an  Preussen  fiel,  wie  es 
der  Wunsch  Friedrichs  des  Grossen  gewesen  war.     Der  Besitz 


>)  Ebenda  2,  32. 

>)  Hobarg.    Geschichte  der  Festungswerke  S.  115. 

')  Ebenda. 

*)  Ebenda  S.  116. 

")  y.  Duisburg.  Versuch  einer  historisch -topographischen  Beschreibung 
der  freien  Stadt  Danzig.  Danzig  1809  S.  369.  Dieser  Holzranm  hiess  zum 
Unterschied  von  dem  Jungstädtischen  der  Pockenhftuser. 

•)  Hoburg  S.  115. 

^  Ebenda  S.  116.  Ordnungs-Recess  vom  22.  April  und  1.  Juni  1767 
und  8.  Februar  1768. 


6a 


Pommerellens  brachte  aber,  da  die  geistlichen  Güter  in  der 
Umgegend  von  Danzig  St.  Albrecht,  Schottland,  Stolzenberg  und 
Schidlitz  damit  in  preussische  Hände  fielen  und  der  König  auch 
auf  den  Holm  Ansprüche  erhob  und  ihn  besetzen  Hess  ^),  das 
preussische  Gebiet  auf  3  Seiten  bis  auf  Gewehrschussweite  an 
die  Wälle  Danzigs  heran,  so  dass  dieses  fortdauernd  ausgesetzt 
war,  fiberfallen  zu  werden.  An  einem  Vorwande  dazu  würde 
es  nicht  gefehlt  haben,  da  der  Pöbel  sich  vielfach  in  Aus- 
schreitungen  gegen  Preussen  erging.  Der  Handel  Danzigs  wurde 
durch  die  Besetzung  von  Neufahnvasser  und  der  Westerplatte, 
die  preussischerseits  als  zu  Oliva  gehörig  betrachtet  wurden, 
nahezu  vernichtet.  Preussen  erhob  jetzt  den  Zoll  von  den  aus- 
und  einlaufenden  Schiffen  und  da  Danzig  das  Recht  dazu  nicht 
anerkannte,  erhob  es  den  Zoll  am  Blockhause  (polnischen  Haken) 
noch  einmal,  so  dass  die  fremden  Schüfe  den  Hafen  mieden. 
Friedrich  II  forderte  aber  auch  den  bisherigen  Privilegien 
Danzigs  zuwider  die  freie  Schifffahrt  und  den  freien  Handel 
für  seine  Unterthanen  auf  der  Weichsel  und  erhob  bei 
Fordon  von  allen  aus  Polen  kommenden  Waren  einen  hohen 
Zoll,  und  als  Danzig  Repressalien  nahm  und  am  Blockhaus 
(des  polnischen  Hakens)  ebenfalls  einen  Zoll  erhob,  liess 
Friedrich  die  Stadt  1783  durch  den  General  von  Egloffstein 
blockiren.  Durch  Vermittlung  Russlands  wurde  die  Blockade 
1784  aufgehoben  und  ein  Vergleich  geschlossen,  der  die  Stadt 
jedoch  nicht  befriedigen  konnte,  so  dass  die  Spannung  fort- 
dauerte. Bei  der  zweiten  Theilung  Polens  1793  wurde  Danzig 
zu  Preussen  geschlagen.  Der  Rath  und  alle  einsichtigen  Bürger 
erkannten  darin  das  einzige  Mittel  für  die  Stadt,  wieder  zum 
Wohlstande  zu  gelangen  und  gaben  sich  in  ihr  Schicksal,  der 
Pöbel  blieb  jedoch  aufsätzig,  so  dass  es  bei  der  Besetzung  der 
Anssenwerke  am  28.  März  zu  blutigen  Händeln  kam,  woran 
sich  auch  der  gemeine  Mann  der  Besatzung  eigenmächtig  be- 
theiligte. Die  Besetzung  der  Stadt  konnte  erst  am  4.  April 
1793  erfolgen.    Am  7.  Mai  fand  die  Huldigung  statt. 


')  Die  Besetzaug  des  Holms  fand  am  22.  August  1783  statt  Damus. 
Die  Stadt  Danzig  gegenüber  der  Politik  Friedrichs  des  Grossen  und  Friedrich 
Wilhelms  n  S.  110.    (Zeitschr.  des  westpr.  Gesch.-Ver.    Heft  XX 1887.) 


■*»  »»^  »» 


lY.    Danzig  unter  prenssischer  Herrschaft  1793 

bis  1807. 


Danzig  hatte   mit  seiner  Einverleibung   in  Preussen   alle 
Freiheiten  zurückerhalten,  welche  die  preassischen  Gesetze  zu- 
liessen,  und  erholte  sich  von  Jahr  zu  Jahr.    Die  Festungswerke 
mit  allen  ihren  Beständen  waren  an  den  Staat  übergegangen. 
Aber  so  dringend  nothwendig  eine  gründliche  Wiederherstellung 
der  Befestigungswerke  gewesen  wäre,   da  die  lange  Vernach- 
lässigung derselben  ihren  Verfall  herbeizuführen  drohte,  so  ge- 
schah  preussischerseits    zunächst   nichts.      Der   geringe  etats- 
massige  Reparaturfonds  reichte  kaum  aus,  um  die  zur  Festung 
gehörigen  Gebäude,  Brücken  und  Schleussen  nothwendig  imstande 
zu  erhalten.    Es  wurde  selbst  die  Frage  angeregt,  ob  die  Stadt- 
befestigung nicht  überhaupt  zu  rasiren  sei.    Nur  auf  die  Hafen- 
befestigung legte  man  Werth  und  es  wurden  dafür  i.  J.  1803 
infolge  Verwickelungen  mit  England  ziemlich  bedeutende  Summen 
ausgeworfen.    Es  wurde  damals  beschlossen,  die  Enveloppe  von 
Weichselmünde  —  die  frühere  Ostschanze  —  wieder  herzustellen 
und  Neufahrwasser  mit  einem  Gürtel  von  Erdbefestigungen  zu 
umgeben,   sowie  die  Befestigung  der  Westerplatte  zu  vervoll- 
ständigen.    Der  Neubau  der  Enveloppe  war  bis  zum  Ausbruch 
des  Krieges  von  1806  zu  zwei  Dritteln  beendet  und  nur  der 
obere  Anschluss  des  Forts  an  die  Weichsel  lag  noch  offen.    Von 
Neufahrwasser   war  nur   das  Hauptwerk  auf  dem    Dünenzuge 
zwischen  dem  Saspersee  und  dem  Strande  vollendet.    Es  be- 
stand aus  einem  tenaillirten  Werke,  welches  den  schmalen  Zu- 


65 


grang  nach  Neufahrwasser  deckte,  und  aus  zwei  dasselbe  flau- 
kirenden  Reduten.  Auf  der  Westerplatte  befanden  sich  vier  ge- 
schlossene Eeduten  I  bis  IV,  die  schon  1788  — 1790  angelegt 
worden  waren. 


köbler,  (beschichte  der  Gestängen  Danzlg  and  Weichselmände.    II.  8 


A.  Die  Belagerung  yod  Danzig  1807. 


a.  Uebersieht  des  Standes  der  Festungswerke 

Danzig's  und  Weiehselmünde's  und  deren  bauliche 

Beschaffenheit  am  Ende  des  Jahres  1806. 

Es  wird  zweckmässig  sein,  an  dieser  Stelle  eine  Rekapitu- 
lation fiber  den  Standpunkt  und  den  baulichen  Zustand  der 
Befestigungen  Danzigs  Ende  1806  eintreten  zu  lassen,  um  im 
Verein  mit  dem  Plan  II  Taf.  II  ein  Gesammtbild  derselben,  so- 
wie eine  Ergänzung  des  geschichtlichen  Theils,  zu  geben.  Ich 
benutze  hierzu  die  meisterhafte  Darstellung  des  Generals 
V.  Brese,  der  als  Augenzeuge  spricht*):  Der  Hauptwall  von 
Dauzig  mit  seinen  19  Bastionen^),  von  denen  14  auf  der  Süd-, 
Ost-  und  Nordseite  der  Festung,  einen  grossen  Halbkreis 
bildend,  der  Niederung  und  der  Weichsel  zugewendet,  die 
übrigen  5  aber  auf  der  Westseite  der  Festung  in  einer  geraden 
Front  unterhalb  des  Bischofs-  und  Hagelsberges  belegen  sind, 
ist  ringsum  mit  einem  durchschnittlich  15  Ruthen  breiten  und 
sehr  tiefen  Wassergraben  umgeben,  der  die  nöthige  Sicherheit 
gegen  einen  gewaltsamen  Angriflf  gewährt.  Auf  der  ganzen 
Niederungsseite  erhebt  sich  das  Profil  des  Hauptwalles  zu 
keiner  bedeutenden  Höhe;  derselbe  ist  jedoch  Tangs  seiner  Es- 
carpe  mit  einer  schmalen  Faussebraye  umgeben,  und  am  Fuss 
der  den  Hauptgraben  umschliessenden  Enveloppe  befindet  sich 
noch  ein  breiter  Vorgraben.  —  Das  vorliegende  Niederungs- 
terrain kann  auf  der  ganzen  Fläche  zwischen  dem  Deiche  des 


*)  Die  AnniruDg  der  Befestigungen  Danzigs  während  des  Winters 
1806—1807  im  Archiv  für  die  Officiere  der  kgl.  Preuss.  Artill.  u.  Ingen. 
Korps.    IL  Bd.  S.  20  ff. 

*)  Das  kleine  Bastion  Katz  ist  hierbei  nicht  eingerechnet. 


70 


linken  Weichselufers  und  dem  westlichen  hohen  Thalrande 
unter  Wasser  gesetzt  werden,  sobald  die  die  Niederung  durch- 
fliessende  Mottlau  mittelst  der  zu  dem  Behufe  vorhandenen 
Schleusenwerke  aufgestaut  wird.  --  Diese  Bewässerung  steht  mit 
dem  Hauptgraben  der  Festung  in  unmittelbarer  Verbindung  und 
vermehrt  dessen  Tiefe  um  die  Höhe  der  Aufstauung.  Unter 
solchen  Verhältnissen  ist  auch  ein  regelmässiger  Angriff  gegen 
diese  Seite  der  Festung  nicht  denkbar,  da  selbst  in  dem  Falle, 
dass  einem  belagernden  Feinde  die  theilweise  Ablassung  der 
Inundation  mittelst  Durchstechung  des  Weichseldammes  gelingen 
sollte,  das  Niederungs- Terrain  doch  zu  vielfach  mit  tiefen 
Gräben  durchschnitten  ist  und  dann  auch  zu  durchwässert  sein 
würde,  als  dass  es  zum  Approchiren  mit  einigem  Erfolge  sollte 
benutzt  werden  können.  Die  westliche,  dem  nahe  vorliegenden 
Höhenrande  zugewendete  und  daher  dem  wahrscheinlichen  An- 
griffe mehr  ausgesetzte  Front  des  Hauptwalles  ist  in  ihren 
5  Bastionen  und  den  zwischenliegenden  Curtinen  nach  einem  in 
der  That  imposanten  Profil  aufgeführt,  hinsichtlich  der  inneren 
Deckung  der  Linien  musterhaft  konstruirt  und  dabei  in  den 
Kavalieren  hoch  genug  herauf  genommen ,  um  die  nahe  vor- 
liegenden Abhänge  der  Höhen  und  den  innern  Raum  des  sich 
darüber  hinziehenden  Retranchements  vollständig  übersehen  zu 
können.  Nach  einem  gleich  hohen  Profile  sind  auch  noch  die 
dieser  Front  sich  rechts  und  links  anschliessenden  und  zum 
Theil  schon  der  Niederungsseite  angehörenden  beiden  Polygone 
erbaut  worden,  welche  daher  gewissermasscn  die  zurückgenom- 
menen Flügel  der  westlichen  Front  bilden  und  zur  wirksameren 
Verthcidigung  der  beiden  Eckbastione  wesentlich  beitragen.  Die 
Escarpe  dieser  7  Polygone  ist  mit  einem  niedrigen,  den  Wasser- 
spiegel des  breiten  Grabens  durchschnittlich  um  12  Fuss  über- 
ragenden Revetement  versehen,  welches  vor  den  Kurtineu  und 
den  zurückgezogenen  Flanken  der  Bastione  die  Foim  frei- 
stehender krenelirter  Mauern  erhalten  hat  *).  —  Die  Kontres- 


^)  Das  handschriftliche  Werk  PaUets  sagt  nach  der  skizzirten  Geschichte 
der  Belagerung  von  Danzig  lvS07  S.  2  darüber  Folgendes:  „Vorlängs  der  Eur- 
tine  ist  eine  gemauerte  Faussebraye  4  Fuss  stark,  9—10  Fuss  hoch,  am  Fuss 
des  Walles,  mit  Gewehrscharten  versehen.  Die  Flanken  sind  etwa  3  Buthen 
lang  und  werden  von  der  Fs^ussebra^e  gebildet.     Hinter  ihnen  ist  unter  dei^ 


71 


carpe  ist  sehr  hoch,  aber  nur  iu  Erde  aufgesetzt,  ein  bedeckter 
Weg  nicht  vorhanden.  Das  vor  der  westlichen  Front  des 
Hauptwalles  belegene  Retranchement  krönt  mit  seinen  beiden 
Haupttheilen  die  Höhen  des  Bischofs-  und  Hagelsberges, 
schliesst  sich  links  unterhalb  des  Bischofsberges  durch  die  Linien 
des  Petershagencr  Thores  dem  Hauptwallo  an,  überschreitet 
mit  der  Befestigung  des  Neugarten  Thores  das  tief  einge- 
schnittene Thal  zwischen  beiden  Höhen,  und  schliesst  sich  rechts 
unterhalb  des  Hagelsberges  durch  die  Befestigungen  des  Olivaer 
Thores  und  des  Holzraumes  dem  linken  Ufer  der  Weichsel  an. 
Dies  ausgedehnte  Retranchement  bildet  eine  zusammenhängende, 
thcils  bastionirte,  theils  tenaillirte  Linie,  welche  nur  mit  Erd- 
böschungen versehen,  und  zwar  auf  den  genannten  beiden 
Höhen  bei  trocknen  Gräben  mit  einem  Relief  von  60  bis  70 
Fuss  über  der  Grabensohle,  dagegen  in  den  Thälern  und 
Niederungen  bei  nassen  Gräben  mit  minder  bedeutenden  und 
zum  Theil  selbst  nur  niedrigen  Profilen  ausgeführt  ist.  Die 
Befestigungen  des  Bischofs-  und  Hagelsberges  bilden  vermöge 
ihrer  dominirenden  Lage  und  der  Gestaltung  ihrer  Werke  zwei 
selbstständige  Punkte  im  Retranchement,  dessen  ganze  Situation 
gegen  die  vor-  und  nebenliegenden  Höhenzüge  hinsichtlich  der 
inneren  gegenseitigen  Deckung  der  Linien  jedoch  zu  ungünstig 
ist,  als  dass  die  scharfsinnigste  Wahl  der  Richtungen  und  die 
Vervielfältigung  der  den  Raum  ohnedies  sehr  beengenden  Seiten- 
und  Rückenwehren  diesem  Zwecke  überall  ganz  vollständig 
hätte  entsprechen  können,  vielmehr  sind  einige  Wall-Linien, 
namentlich  auf  der  Strecke  vom  Hagelsberge  bis  zur  Weichsel, 
dem  Enfilade-  und  Rückenfeuer  nicht  ganz  zu  entziehen  gewesen, 
was  im  Jahre  1807  auch  selbst  bei  den  Hauptwerken  des 
Hagelsberges,  als  der  Angriff  mit  umfassender  Front  gegen  das 
Retranchement  vorging,  sehr  fühlbar  wurde.  —  Diesen  Mängeln 
ist   späterhin   durch  Vervollständigung   des   Defilements,    zum 


Kavalieren  ein  Gewölbe  befindlich,  aus  welchem  die  Kanonen  3  bis  4  Ruthen 
breit  ä  ciel  onvert  an-  die  Flanke  heran  gebracht  werden  müssen,  so  oft  eui 
Schoss  geschehen  soll.  Ans  diesem  Bilde  des  Hauptwalls  ergiebt  sich,  dass 
die  Grabenbestreichong  nicht  von  Bedeutung  sein  kann,  da  sie  nur  auf  so 
kurze  Flanken  zu  erhalten  steht.  Vom  obem  Wall  ist  der  Graben  kaum  zu 
sehen^  geschweige  denn  zu  bestreichen,' 


72 


Thcil  auch  durch  Anlage  neuer  Aussenwerke  noch  möglichst 
abgeholfen  worden.  In  der  Kehle  des  Bischofsberges,  welche 
damals  aus  unregelmässigen,  aber  grösstentheils  sehr  steilen 
Abstürzen  des  hohen  Lehmberges  bestand,  lag  auf  einem  Vor- 
sprunge die  sogenannte  Schwedenschanze,  eine  Erdlünette  von 
gutem  Profil,  welche  den  ganzen  inneren  Baum  der  vorliegen- 
den Befestigung  des  Bischofsberges  rein  übersah  und  das 
ßeduit  desselben  bildete.  Auf  der  Stelle  dieses  Werkes  liegt 
jetzt  die  grosse  Defensions-Kaserne  des  Bischofsberges.  —  Der 
Hagelsberg  besass  zu  jener  Zeit  noch  kein  Reduit,  war  aber 
schon  in  ähnlicher  Art  wie  jetzt  durch  zwei  Wall-Linien, 
welche  resp.  gegen  die  Niederung  des  Neugarten-  und  Olivaer- 
Thores  Front  machten,  der  dahinterliegenden  Eontrescarpe  des 
Hauptwallgrabens  angeschlossen,  so  dass  die  beiden  hochliegen- 
den Bastione  Jerusalem  und  Schütz  gewissermassen  ein  mit  der 
Hauptwall-Enceinte  verbundenes  für  sich  bestehendes  Horn- 
werk  bildeten. 

Dicht  vor  der  Befestigung  des  Holzraumes  und  hait  am 
linken  Weichselufer  lag  die  alte  Kalkschanze  (von  der  im 
Jahre  1807  nur  noch  einige  Linien  der  Wassergräben  sichtbar 
waren)  und  noch  weiter  stromabwärts  die  kleine  Kalk- 
schanze, eine  unbedeutende  Fleschc,  die  zu  jener  Zeit  eben- 
falls bis  auf  wenige  Reste  der  Brustwehrmassen  eingeebnet  war. 

Auf  der  Holminsel,  welche  nahe  unterhalb  Dauzig  durch 
eine  starke  Krümmung  der  Weichsel  und  durch  einen  auf  der 
Sehne  dieser  Krümmung  angelegten  Schifffahrts  -  Kanal ,  die 
Schutenlake  (auch  Bootmannslake  genannt),  gebildet  wird, 
hatten  sich  in  früheren  Zeiten  niemals  permanente  Befestigungen 
befunden,  indem  die  Lage  dieser  Insel  durch  die  sie  umgeben- 
den tiefen  Gewässer  hinreichend  gesichert  schien,  und  auch  in 
den  älteren  Vertheidigungen  der  Festung  hier  nur  nach  Mass- 
gabe des  Bedürfnisses  provisorische  Verschanzungen  und  ein- 
zelne Batterien  zur  Bestreichung  des  umliegenden  Terrains  oder  zur 
Flankirung  der  auf  den  jenseitigen  Ufern  vorhandenen  Werke 
angelegt  worden  waren. 

Zur  Verbindung  der  Holminsel  mit  Weichselmünde  lagen 
ehemals  zwischen  der  untern  Spitze  dieser  Insel  und  der  Münde 
auf  dem  rechten  Weichselufer  unweit  des  Schutendammes  einige 


73 


Beduten,  welche  während  der  Belagerung  im  Jahre  1734  noch 
zur  Vertheidigung  benutzt  *),  späterhin  aber,  ihrer  fortiflkatori- 
schen  Wichtigkeit  ungeachtet,  eingeebnet  und  mit  Häusern  be- 
baut worden  waren,  so  dass  um  das  Jahr  1806  sich  kaum  noch 
einige  Spuren  davon  vorfanden. 

Die  Befestigung  von  Weichselmttnde,  auf  dem  rechten 
Weichselufer  belegen,  bestand  damals  wie  jetzt  aus  einem  sehr 
kleinen  viereckigen  bastionirten  Fort  von  kaum  40  Ruthen 
Polygonseite,  jedoch  mit  hohem  Revetcment  und  breitem  Wasser- 
graben versehen.  Ausserhalb  dieses  sturmfreien  Werkes  und 
rings  um  dasselbe  befand  sich  eine  theils  bastionirte,  theils 
tenaillirte  Enveloppe  nur  in  Erde  konstruirt,  welche  zwischen 
sich  und  dem  Fort  eine  gegen  aussen  gedeckte  Esplanade  von 
durchschnittlich  30  Ruthen  Breite  umfasste. 

Dem  Fort  Weichselmünde  gegenüber  lag  hart  am  linken 
Stromufer  ein  Brückenkopf,  und  westlich  vor  diesem  der 
Flecken  Neufahrwasser  mit  seinen  Verschanzungen,  welche  theils 
in  einzelnen  geschlossenen  Reduten,  theils  in  Strandbatterien 
und  oflfenen  Lünetten  bestand.  —  Die  Lage  von  Neufahrwasser 
erleichtert  seine  Vertheidigung  ungemein,  indem  dasselbe  östlich 
und  nördlich  von  der  Weichsel  und  der  See,  auf  der  Südwest- 
seite aber  durch  ein  undurchwatbares  Bruchland,  den  sogenannten 
Saspersee,  gegen  feindliche  Angriffe  gedeckt  wird,  so  dass  eigent- 
lich nur  zwei  schmale  Zugänge  bestehen,  nämlich  der  eine 
südlich  auf  dem  schmalen  Damm  des  linken  Weichselufers,  der 
andere  westlich  längs  des  sich  vom  Dorfe  Broesen  heranziehen- 
den flachen  Dünenzuges.  Beide  Zugänge  sind  durch  Verschan- 
zangen abgesperrt. 

Ueber  den  derzeitigen  baulichen  Zustand  der  Werke  lässt 
sich  der  General  wie  folgt  aus: 

Die  Kreten  und  Ränder  der  Brustwehren  und  Wallgänge 
waren  in  der  Länge  der  Zeit  und  infolge  der  Benutzungsart 
der  Wallgräsereien  verfallen  und  abgeinindet,  so  dass  die  Feuer- 
linien in  ihrer  richtigen  Höhe  nicht  mehr  vorhanden   und   die 


^)  Hierin  irrt  sich  Brese,  da  diese  Beduteu  schon  170d  abgetragen 
worden  sind.  Ich  habe  die  SteUe  stehen  gelassen,  nm  zu  zeigen,  wie  selbst 
er  über  die  Belagerung  von  1734  nicht  orientirt  war.    Kh. 


74 


Faussebraie-Brustwehren  auf  den  Niederlingsfronten  nur  noch 
an  einer  wenig  regelmässigen  Erderhöhung  zu  erkennen  waren. 
Nur  die  westliche  hohe  Front  des  Hauptwalles  bot  bei  ihrem 
gut  erhaltenen  Profil,  ihrer  Mauerbekleidiing  und  ihrem  tief 
eingeschnittenen  breiten  Wassergraben  einen  mehr  beruhigenden 
Anblick  dar,  wogegen  wiederum  die  Werke  des  vorliegenden 
ßetranchements  fast  durchgängig  in  einer  ganz  ungenügenden 
Verfassung  sich  befanden.  Die  Böschungen  haben  hier,  be- 
sonders auf  dem  Hagelsberge,  der  Höhe  des  Profils  und  des 
leichten  Sandbodens  wegen  eine  sehr  flache  Anlage  erhalten, 
so  dass  infolge  des  überdies  eingetretenen  Verfalles  der 
Graben  und  der  Wall  an  den  meisten  Stellen  ganz  bequem 
passirt  werden  konnte. 

Die  Glaciskrete  und  der  bedeckte  Weg  waren  fast  ver- 
schwunden, und  auf  den  Linien  vom  Olivaerthore  bis  zur  Weich- 
sel hatte  früherhin  ein  zusammenhängender  bedeckter  Weg  nie- 
mals bestanden. 

Zu  Weichselmünde  und  Neufahrwasser  war  zwar  infolge  des 
dortigen  Baubetriebes  ein  nicht  unbedeutendes  Utensilement  und 
auch  ein  für  den  Zweck  der  Armirung  theilweise  anwendbarer 
Materialienvorrath  vorhanden;  in  den  Depots  von  Danzig  fehlte 
es  dagegen  an  allen  Werkzeugen  zu  umfassenderen  Arbeiten, 
und  nicht  eine  Palisade,  nicht  ein  Stamm  Bauholz,  nicht  eine 
Faschine  befand  sich  im  Besitz  der  Fortifikation ;  alles  musste 
erst  herbeigeschafft  werden.  Rechnet  man  diesen  Mängeln  noch 
hinzu,  dass  zu  Ende  des  Oktober  -  Monats  1806  von  den  zu 
Danzig  vorhandenen,  für  den  Kriegsgebrauch  noch  geeigneten 
293  Geschützen  ^)  sich  noch  keines  auf  dem  Wall  befand,  dass 
noch  keine  Munition  gefertigt  war,  dass  es  selbst  an  Bettungs- 
hölzern  und. an  Munitionsbehältnissen  in  den  Werken  gänzlich 
fehlte,  und  dass  ferner  die  Besatzung  dieses  ausgedehnten 
Platzes  damals  nur  aus  2900  Mann  Infanterie,  100  Mann  Ar- 
tillerie und  16  Mann  Kavallerie  bestand,  und  endlich  der  Masse 
zu  befriedigender  kostspieliger  Bedürfnisse  gegenüber  die  kö- 


*)  Das  ist  ein  Irrthum  von  Brese.  In  der  Arrairuugstabeüe  im  Anhange 
giebt  er  selbst  die  Zahl  anf  349  au.  Rechnet  man  davon  die  Armirung  von 
Weichselmttude  und  l^eufahrwasser  ab,  so  bloib^n  für  Danzig  261.    E^h, 


75 


niglicheu  Kassen  zu  Danzig  kaum  eine  Summe  von  5000  Rthlrn. 
aufbringen  konnten,  —  so  lässt  sich  nicht  in  Abrede  stellen, 
dass  die  Festung  sich  in  einer  in  der  That  höchst  bedenklichen 
Lage  befand,  bei  welcher  es  in  den  damaligen  Verhältnissen, 
bei  dem  Mangel  aller  Vorbereitung  und  Erfahrung  und  bei  der 
täglich  zunehmenden  allgemeinen  Bestürzung,  mindestens  sehr 
zweifelhaft  werden  mochte,  welches  Mittel  zuerst  zu  ergreifen 
und  welche  Richtung  überhaupt  bei  allen  noch  zu  treffenden 
Vertheidigungsvorkehrungen  einzuschlagen  war,  um  zunächst 
nur  dem  Vei-suche  eines  gewaltsamen  Angriffs,  der  bei  einem 
in  reissendem  Siegeslaufe  vordringenden  unternehmenden  Feinde 
schon  nach  wenigen  Wochen  zu  befürchten  stand,  mit  Erfolg 
entgegentreten  zu  können. 

b.  Armirung  von  Danzig 

und  Weiehselmünde  vom  1.  November  1806  bis  zur 

Einsehliessung  am  11.  März  1807. 

1.  Die  forüfikatorlsche  Armirung. 

Am  1.  November  1806,  16  Tage  nach  dem  Verlust  der 
Schlachten  bei  Jena  und  Auerstädt,  wurde  der  Platz-Ingenieur 
seitens  des  Guvernements  beauftragt,  Danzig,  Weichselmlinde 
und  Neufahrwasser  in  Vertheidigungsstand  zu  setzen. 

Ein  im  Voraus  bearbeiteter  Plan  für  die  fortifikatorische 
Kriegs-Armirung  der  ganzen  Festung,  welche  nunmehr  ohne 
Weiteres  zur  Anleitung  hätte  dienen  können,  war  nicht  vor- 
handen, und  es  mussten  daher  sogleich  die  nöthigen  Berathungen 
unter  Vorsitz  des  Guverneurs  gepflogen  werden,  um  die  über 
diesen  Gegenstand  abgegebenen  Gutachten  prüfen  und  ein  über- 
einstimmendes Zusammenwirken  der  verschiedenen  Lokalbehörden 
herbeiführen  zu  können.  Man  einigte  sich  alsbald  darüber, 
dass  zuvörderst  der  Hauptwall  gegen  einen  gewaltsamen  An- 
griff sichergestellt  werden  müsse,  dass  sodann  mit  der  Instand- 
setzung und  Palisadiiamg  des  Retranchements  des  ßischofs- 
und  Hagelsberges  und  der  dazu  gehörigen  Verbindungslinien  vom 
Petei'shagener  Thore  bis  zur  Weichsel  vorzugehen,  dass  endlich, 
wenn  der  Feind  dazu  noch  Zeit  lassen  sollte,  die  Verstärkung 
4ieser   ausgedehnten   Aussen-Enceinte  durch   Herstellung   und 


76 


Armirung  des  bedeckten  Weges  zu  bewirken  sei.  —  Auf  die 
von  dem  Platz-Ingenieur  vorgeschlagene  Anlage  von  9  deta- 
chirten  blockhausartigen  Posten  auf  den  Höhen  einige 
hundert  Schritte  vorwärts  des  ßetranchements  und  von  zwei 
grösseren  derartigen  Werken  auf  den  bis  gegen  800  und 
1000  Schritt  vor  dem  Bischofs-  und  Hagelsberge  belegenen 
dominirendsten  Terrainpunkten  —  glaubte  man  ihres  anzuer- 
kennenden Nutzens  ungeachtet,  vor  der  Hand  sich  nicht  einlassen 
zu  dürfen,  da  die  oben  erwähnten  die  Armirung  der  Haupt- 
werke betreflfenden  Arbeiten,  welche  jedenfalls  vorweg  beseitigt 
werden  mussten,  schon  einen  so  ansehnlichen  Kraft-  und  Zeit- 
aufwand in  Anspruch  nehmen  würden,  dass  man  deren  voll- 
ständige Ausführung  bis  zur  Ankunft  des  Feindes  kaum  zu- 
stande zu  bringen  hofifen  konnte. 

Die  Ausführung  der  Arbeiten  wurde  im  allgemeinen  so 
angeordnet,  dass  die  dringendsten  Sicherheits Vorkehrungen  gegen 
den  gewaltsamen  Angriff  den  Vorzug  erhielten,  und  dass  sodann 
mit  den  zur  mehreren  Verstärkung  der  Werke  dienenden  Ar- 
beiten nur  nach  und  nach  in  dem  Masse  vorgeschritten  werden 
sollte,  als  die  früher  begonnenen  sich  ihrer  Vollendung  naheten 
oder  doch  mit  den  dabei  irgend  anwendbaren  Kräften  in  Betrieb 
gesetzt  waren,  damit  man  nicht  besorgen  durfte,  die  Festung 
bei  noch  geöffneten  Werken  und  aufgewühltem  Terrain  vom 
Feinde  überrascht  zu  sehen.  Um  die  ganze  Arbeit  mit  einer 
ihrem  enormen  Umfange  entsprechenden  Kraft  angreifen  zu 
können,  wurden  unverzüglich  bei  der  damals  noch  bestehenden 
Dienstpflichtigkeit  der  Unterthanen  4000  Civilarbeiter,  300  Wa- 
gen mit  Gespann  und  500  Zimmerleute  requirirt.  Ausserdem 
sollte  die  Garnison  so  viel  an  Arbeitern  gesteilen,  als  sich  bei 
dem  nothwendigen  Wacht-  und  Felddienst  erübrigen  liess,  und 
zugleich  wurde  der  Platz-Ingenieur  auf  seinen  Antrag  von  dem 
Guvernement  autorisirt,  das  zur  Armirung  erforderliche  Holz 
gegen  Ertheilung  von  Quittungen  wegzunehmen,  wo  es  sich 
dem  Bedürfnisse  entsprechend  vorfand.  —  Letztere  Massregel 
war  um  so  nothwendiger,  als  es  der  Festung  an  allem  Material 
gebrach,  fürerst  auch  keine  Geldmittel  vorhanden  waren,  um 
kostbare  Holzankäufe  zu  bestreiten,  und  bei  dem  gesunkenen 
Vertrauen  sich  anfangs  Niemand  zur  vorschussweisen  Lieferung 


Verstehen  wollte.  Als  bald  nachher  die  Kassen  in  zahlungs- 
fähigen Zustand  gesetzt  wurden,  fanden  sieh  viele  Unternehmer, 
die  durch  Lieferung  zugerichteter  Hölzer  dem  rascheren  Fort- 
gange der  Armirung  sehr  zu  Hilfe  kamen.  —  So  hart  jene 
Massregel  der  Wegnahme  der  Hölzer  auch  scheinen  mochte, 
so  war  sie  unter  den  obwaltenden  Umständen  doch  unerlässlich, 
da  ohne  sie  die  ganze  Palisadirung  als  Hauptsicherung  der 
Werke  ins  Stocken  gerathen  wäre  und  späterhin  die  Folgen 
des  Zeitverlustes  wohl  schwerlich  durch  einen  vorübergehenden 
Mangel  an  Geldmitteln  einen  hinreichenden  Rechtfertigungsgrund 
gefunden  haben  würden.  —  Ueberdies  hatte  der  Verbrauch  der 
der  Kaufmannschaft  gehörigen  Balkenhölzer,  welche  in  unge- 
heuren Vorräthen  auf  den  Wassergräben  der  Festung  lagen, 
den  wesentlichen  Nutzen,  dass  die  Gräben  von  dieser  fast 
durchgängigen  Ueberbrückung  befreit  und  bei  ihrer  Breite  und 
Tiefe  wiedeioim  als  das  vorzüglichste  Schutzmittel  des  Haupt- 
walles in  Wirksamkeit  treten  konnten. 

Am  2.  November  begann  bereits  die  Armirungsarbeit  und 
wurde  von  diesem  Tage  ab  mit  zunehmender  Kraft  und  in 
folgerechter  Ordnung  ununterbrochen  fortgesetzt,  so  dass  der 
Winterwitterung  ungeachtet  mit  Ausgang  des  Monats  Decem- 
ber  1806  schon  die  nöthigsten  Sicherungsvorkehrungen  getroffen 
waren  und  die  zu  Anfang  November  noch  wehrlose  Festung 
der  feindlichen  Annäherung  nun  ohne  Besorgniss  entgegensehen 
konnte.  —  Die  ganze  fortifikatorische  Armirung,  um  deren 
nähere  Erörterung  es  sich  hier  nur  handelt,  umfasste  nach- 
stehende Arbeiten*): 


^)  Die  folgende  Darstellung  der  Armirung  ist  aus  den  während  der 
Vertheidigong  i.  J.  1807  bei  dem  Gnvernement  zu  Danzig  gesammelten  und 
späterhin  zum  Generalstabs- Archiv  abgegebenen  Original-Berichten  und  Tages- 
Bapporten  entnommen  worden.  —  Da  der  Verfasser  (Brese)  selbst  Augen- 
zeuge der  Armirung  und  Vertheidigung  war,  so  konnte  er  (besonders  in  Be- 
ziehung auf  die  Armirung)  aus  der  Erinnerung  manches  ergänzen,  was  jene 
an  Ort  und  Stelle  erstatteten  Berichte  wegen  vorausgesetzter  Bekanntschaft 
mit  der  Lokalität  nur  sehr  kurz  berührt  oder  auch  ganz  unerwähnt  gelassen 
haben.  Von  Höpfner  theilt  diesen  Aufsatz  ebenfalls  seinem  ganzen  Umfange 
nach  mit.    Eh. 


^8 

1.  Hinsichtlich  der  Sicherstellung  gegen  den  gewalt- 
samen Angriff. 

1.  Die  schleunige  Instandsetzung  der  Zugbrücken,  wo  sich 
dieselbe  noch  nöthig  zeigte;  die  Ergänzung  der  Thorverschi lisse 
und  der  Gatterthore  auf  den  Brücken  und  die  Reparatur  der 
Schleusenwerke. 

Alle  diese  Arbeiten,  bei  denen  man  eine  angemessene  An- 
zahl Handwerker  und  Handarbeiter  in  Thätigkeit  setzte,  waren 
in  kurzer  Zeit  beseitigt  und  dadurch  der  eigentliche  Stadthaupt- 
wall, vermöge  des  ihn  rings  umgebenden  tiefen  Wassergrabens 
als  gesichert  gegen  einen  Handstreich  anzusehen,  so  lange  nicht 
etwa  harter  Frost  die  Gräben  gangbar  machte  und  so  einen 
Ueberfall  von  der  Niederungsseite  her  gegen  den  dort  nicht 
revetirten  niedrigen  Erdwall  besorgen  liess.  —  Eine  versuchs- 
weise Schliessung  der  Schleusen  fand  am  26.  November  statt, 
und  da  sich  schon  nach  3  Tagen  das  Niederungsterrain  zwischen 
dem  Hühenrande  und  dem  Weichseldamm  auf  mehrere  hundert 
Schritte  vor  den  Festungswerken  ganz  mit  Wasser  bedeckt 
zeigte,  so  konnte  bei  der  Sicherheit  eines  so  raschen  Erfolges 
die  eigentliche  Schliessung  und  Verdammung  der  Schleusen  bis 
zur  wirklich  erfolgenden  Annäherung  des  Feindes  und  womöglich 
bis  nach  dem  Abgange  des  Hochwassers  ausgesetzt  bleiben. 
Die  Verdammung  hinter  den  geschlossenen  Portalen  oder  zwischen 
den  Versatzhölzern  wurde  späterhin  durch  Einwerfung  von 
Sandsäcken  bewirkt,  welche  sich  im  nassen  Zustande  unter 
Wasser  so  ineinander  fügen,  dass  sie  dicht  schliessen,  bei  wieder 
erfolgender  Aufräumung  der  Verdammung  aber  ohne  grosse 
Schwierigkeit  mittelst  Haken  einzeln  herausgehoben  werden 
können.  Diese  Verdammungen  geschahen  zuerst  bei  der  Stein- 
und  Pockenhäuser,  dann  bei  der  Kneipaber  und  Rück- 
fort er  Schleuse  *).    Die  Zugvorrichtungen  der  Festungsbrücken 


^)  Die  Schliessung  der  Steinschleuse  setzt  das  Terrain  zwischen  der 
Mottlan  und  dem  Steindamm  unter  V^asser,  lässt  jedoch  den  Festungsgräben 
die  erforderliche  Wassertiefe,  die  durch  Batardeaus  am  Ausfluss  der  Mottlau 
aus  der  Festung  erhalten  wird.  Zur  Ueberschwemmung  der  Niederung 
zwischen  dem  Mottlaudamm  und  den  Ortschaften  Altschottland,  Stadtgebiet 
und   Ohra    dienen  3  Schleusen  der  Mottlau.      Die    Pocken- (Poggen)häuser- 


?9    _ 

Waren  in  der  fiblichen  alten  Art  vorhanden  und  bestanden  in 
freistehenden  hölzernen  Portalen  mit  darüber  liegenden  Wipp- 
bäumen. Sie  waren  im  ganzen  in  gebrauchsfähigem  Zustande 
erhalten  worden,  und  nur  die  Werdersche  Brücke  in  der  Vor- 
stadt Kneipab  vor  dem  Langgarten  Thore  musste,  um  die 
Sicherstellung  des  Zuganges  von  dieser  Seite  zu  verwehren, 
mit  einem  neu  einzurichtenden  Aufzuge  versehen  werden. 

2.  Die  Abstechung  der  verfallenen  inneren  Brustwehr- 
böschungen des  Hauptwalles,  in  Verbindung  mit  der  Wieder- 
herstellung der  Brustwehrkrete  in  der  richtigen  Höhe  und  mit 
der  Bildung  des  Banketts,  wodurch  die  Walllinien  durchgängig 
wiederum  besetzungsfällig  eingerichtet  wurden. 

Diese  sonst  mit  raschem  Erfolge  zu  beseitigenden  Arbeiten 
nahmen  zu  Danzig  bedeutende  Kräfte  in  Anspruch,  da  die  Reguli- 
rnug  der  Brustwehren  bei  ihrem  versackten  Zustande  fast  überall 
mit  Aufhöhungen  bis  zur  richtigen  Höhe  der  Feuerlinie  und  mit 
Bonnetirungen,  und  wo  letztere  nicht  ausreichten,  mit  der  An- 
lage von  Seiten-  und  Rttckenwehren  in  Verbindung  gebracht 
werden  musste. 

Auf  eine  regelrechte  Formirung  der  Böschungen  war  aller- 
dings der  Beschleunigung  und  der  Winterwitterung  wegen 
nicht  zu  rechnen;  vielmehr  konnte  die  Herstellung  der  Brust- 
wehren und  der  Bankette  mehrentheils  nur  durch  satz weises 
Feststampfen  und  Anschlagen  des  gefronien  Bodens  bewirkt 
werden.  Zur  Bekleidung  der  Traversen  bediente  man  sich  der 
Schanzkörbe  oder  der  Faschinen. 

3.  Die  soeben  unter  Nr.  2  erwähnte  Arbeit  wurde  auch 
bei  dem  ganzen  äusseren  Eetranchement  des  Bischofs-  und 
Hagelsberges  und  bei  den  zwischen  und  neben  liegenden  Linien 
in  gang  gesetzt,  und  da  die  allmählich  zunehmende  Anzahl  der 
Civilarbeiter  und  die  eintreffenden  Verstärkungen  der  Besatzung 
eine  hinreichend  rasche  Betreibung  dieser  Arbeiten  gestatteten. 


Schleuse  dient  zur  Bewässerung  der  Gräben  der  Olivaerfront  und  des  Holz- 
raums. Die  Kneipaber  Schleuse  verhindert  den  Abfluss  der  Inundation  in 
den  Stangnetengraben  und  die  Weichsel,  indem  sie  den  Hauptentwässerungs- 
graben  des  Werders  sperrt.  Die  Rttckf orter  Schleuse  staut  die  obere  Boss- 
wicke. Die  Inundation  verbreitet  sich  bis  über  eine  Meile  von  den  Werken.  Kh. 


_    8Ö  _ 

so  dass  ihre  baldige  und  rechtzeitige  Beendigung  sich  über- 
sehen liess,  auch  überdies  noch  eine  grosse  Anzahl  Arbeiter 
verfügbar  blieb,  so  wurde  gleichzeitig,  zumal  der  Hauptwall 
von  Danzig  als  bereits  gesichert  gegen  den  gewaltsamen  An- 
griff angesehen  werden  konnte: 

4.    Ohne  Verzug  mit  der  Palisadirung  des  äusseren  Re- 
tranchements  vorgegangen,   was  um  so  dringender  schien,    als 
diese   Aussen  -  Enceinte    ohne   Revetcment    und   mit    trocknen 
Gräben   dem  ersten  Angriflf  ausgesetzt  liegt  und  ihre  Behaup- 
tung bei  der  dominirenden  Lage  des  Bischofs-  und  Hagelsberges 
für  eine  dauernde  Vertheidigung  der  Festung  unerlässlich  zu 
erachten   ist.  —  Auf   dem    ganzen    Umzüge    des  Hauptwalles 
dieses  Retranchements  vom  Petershagener  Thor  bis  zur  Weichsel 
wurde   die   Palisadirung   auf  allen   Bauposten  gleichzeitig   be- 
gonnen,  und   zwar  erhielt   die    Palisadirung  bei   den  Werken 
mit  trocknen  Gräben,  also  auf  dem  Bischofs-  und  Hagelsberge 
und  auf  dem  Tractus  zunächst  unterhalb  des  Hagelsberges  bis 
zum  Olivaer  Thore,  ihre  Stellung  auf  der  Grabensohle,  längs 
des  Fusses  der  Escai-pe  und  nur  etwa  3  bis  4  Fuss  von  dieser 
entfernt;  —  bei   den  Werken  mit  nassen  Gräben,   links  des 
Petershagener-  und  zu  beiden  Seiten  des  Neugartenthores,  auf 
der  tiefliegenden  Berme  der  Escarpe  und  bei  den  Linien  vom 
Olivaerthore    bis    zur    W^eichsel,  —  welche    ebenfalls    nasse 
Gräben  haben    und    damals   auf   der  Berme   der  Escarpe  mit 
einer  ziemlich   dichten   lebendigen  Hecke   versehen   waren,  — 
vorlängs  des  Fusses  der  Kontrescarpe,  hart  am  Wasserspiegel 
des  Grabens.  —  Die  Palisaden   waren   11   bis   12  Fuss   lang, 
wurden  4  Fuss  tief  eingegraben  und  behielten  7  bis  8  Fuss 
Höhe  über  der  Erde.    Sie  bestanden   aus  10-  bis  12zölligen 
Rundhölzern,  oder  auch  aus  gespaltenen  Halbhölzern,  wenn  die 
Stämme  über  12  Zoll  Stärke  hatten.    Im  letzteren  Falle  wurde 
die  flache  Seite  der  Palisaden  der  Escarpe  zugewendet.    Eine 
Verriegelung   fand   nicht  statt.  —  Das  Setzen  der  Palisaden 
geschah  mit  etwa  2  Zoll   Zwischenraum  und   nicht  nach   der 
Schnur,  sondern  aus  freier  Hand  in  möglichst  gerader  Richtung 
nach  bezeichneten  Alignements.  —  Auch  ist  ein  schnurgerechtes 
Setzen  bei   nicht  ganz   regelmässig  zugespitzten   Rundhölzern 
oder  bei  gespaltenen  Palisaden  der  oft  windschiefen  Flächen 


81 


wegen  mit  Erfolg  nicht  anwendbar.  —  Um  die  Arbeit  mehr  zu 
beschleunigen,  wurden  die  Gräben  für  die  Palisadenlinien  gleich 
im  Zusammenhange  vor  ganzen  Fronten  ausgehoben,  was  hier 
dicht  am  Fusse  der  sehr  hohen  äusseren  Wallböschungen  nur 
während  des  Winters  bei  gefrorenem  Boden  zulässig  war,  da 
zu  andrer  Zeit  leicht  ein  Nachsinken  des  Wallfusses  hätte  be- 
sorgt werden  können. 

Im  Allgemeinen  ist  hier  noch  zu  erwähnen,  dass  Sturm- 
pfähle (fraises)  bei  Armirung  der  Danziger  Werke  nach  der 
übereinstimmenden  Ansicht  der  leitenden  Ingenieure  nirgends 
zur  Anwendung  gekommen  sind,  einestheils,  weil  die  zu  Pali- 
sadirungen  erforderlichen  stärkeren  Hölzer  überall  zur  Hand 
waren,  —  anderntheils  aber  weil  Sturmpfähle,  längs  der  oberen 
Grabenränder  verlegt,  gegen  aussen  in  der  Regel  minder  gedeckt 
sind,  als  tiefstehende  Palisadirungen,  weil  sie  dem  Ricochet- 
nnd  Enfilirschuss  zu  viel  Fläche  bieten  und  mithin  auch  bei 
einem  förmlichen  Angriff  und  der  damit  verbundenen  dauernden 
Beschiessung  der  Werke  zu  vielfachen  Zerstörungen  ausgesetzt 
sind,  während  dann  ihre  tägliche  Herstellung,  sowohl  des 
grösseren  Aufraumes  als  ihrer  Höhenlage  wegen,  ungleich 
beschwerlicher  ist  als  bei  der  Palisade  auf  der  Graben- 
sohle. 

5.  Ausserhalb  vorlängs  der  vorgedachten  Palisadirung, 
und  zwar  zwischen  derselben  und  dem  Fusse  der  Kontreskarpe, 
oder  wo  die  Palisade  auf  der  Berme  stand,  auf  dem  Abhänge 
der  Berme  bis  zum  Wasserspiegel,  wurde,  je  nachdem  der 
Raum  es  gestattete,  eine  9  bis  12  Fuss  breite  Verpfählung 
von  dicht  neben  einander  eingetriebenen  und  oben  scharf  zu- 
gespitzten Pfählen  geschlagen.  Diese  Pfähle  hatten  etwa  die 
Starke  der  Faschinenpfähle  und  2*/«  bis  3  Fuss  Länge. 
Sieben  bis  acht  Stück  wurden  auf  einen  Quadratfuss,  mithin 
etwa  1000  auf  eine  Quadratruthe  gerechnet.  Nach  geschehener 
Eintreibung  ragten  sie  in  dicht  wechselnder  ungleicher  Höhe 
15  bis  18  Zoll  über  dem  Erdboden  hervor.  Aus  angestellten 
Versuchen  ergab  sich,  dass  eine  solche  Verpfählung  ohne  be- 
sondere Vorkehrung  durch  Truppen  nicht  zu  überschreiten,  dass 
ein  Herausziehen  mit  der  Hand  wegen  des  durch  die  vielen 

Köüler,  QeBcMühte  der  Festangen  Danzig  and  Weicliselmünde.    II.  6 


8S 

Pfähle  sehr  gedichteten  Bodens  unthunlich  *)  und  ein  Weghauen 
derselben  mit  den  Handbeilen  überaus  zeitraubend  war. 

Auch  das  Einschlagen  feindlicher  Hohlgeschosse  in  die 
Verpfählungen  hat  sich  späterhin  für  den  Zweck  dieses  Hinder- 
nissmittels wenig  nachtheilig  gezeigt,  da  bei  einer  Breite  von 
12  Fuss,  stellenweiser  Zerstörung  ungeachtet,  immer  noch  ein 
hinreichender  Theil  stehen  blieb,  um  die  Linie  geschlossen  halten 
und  selbst  einzelne  Lücken  in  der  hinterstehenden  Palisadirung 
gegen  den  Versuch  feindlichen  Eindringens  decken  zu  können. 

6.  Um  die  Hindernissmittel  gegen  einen  gewaltsamen  An- 
griff noch  zugleich  auf  eine  dem  Feinde  imponirende  gefahr- 
drohende Weise  zu  versuchen,  wurden  diejenigen  Theile  des 
äusseren  Retranchements ,  welche  keinen  nassen  Graben  vor 
sich  haben,  nämlich  die  Linien  rechts  am  Petershagenerthore, 
der  Hauptwall  des  Bischofs-  und  Hagelsberges,  die  Walllinien, 
welche  sich  zwischen  beiden  gegen  das  Neugartenthor,  und  die, 
welche  sich  rechts  des  Hagelsberges  bis  zum  Olivaerthore 
herunterziehen,  dicht  unter  der  Krete  der  äusseren  hohen  Wall- 
böschungen mit  einer  dreifachen  Reihe  runder  Sturmbalken 
von  mindestens  1  Fuss  Stärke  und  18  bis  24  Puss  Länge  ver- 
sehen. Diese  Rundhölzer  hingen  in  horizontaler  Richtung  je 
drei  dicht  unter  einander.  Die  sie  haltenden  Taue  waren  über 
die  Krone  der  Brustwehr  hinweggezogen  und  am  Fusse  der 
inneren  Brustwehrböschungeu  an  drei  nahe  bei  einander  ein- 
getriebenen 4  Fuss  langen  Pfählen  mit  gut  geschürzten 
Schleifen  befestigt.  Jeder  der  drei  Balken  bei?ass  sein  eigenes 
Tau,  so  dass  jeder  einzeln  (der  unterste  zuei-st)  losgelassen 
werden  konnte.  —  Zu  dem  Behufe  hatte  man  an  der  inneren 
Brustwehrböschung  unter  den  hier  befestigten  Tauen  drei 
Bretter  angebracht  und  mit  den  Nummern  L  IL  IIL  bezeichnet, 
woraus  sich  die  Reihenfolge  ergab,  in  der  die  drei  Sturmbalken 
mittelst  Durchhauung  der  Taue  nach  einander  in  den  Graben 
hinabzustürzen  waren.  Um  das  Tau  werk  vor  rascher  Fäulniss 
zu  bewahren,  wurde  dasselbe  durch  untergesetzte  Pfählchen  an 
der  äusseren  und  inneren  Brustwehrkrete  schwebend  über  der 
Brustwehrkrone  erhalten  *). 

*)  Das  bat  sieb  jedocb  nicht  bestätiget.     Kh. 
»)  Vergl.  n  Taf .  III  Fig.  4. 


83 

Man  machte  den  Versuch,  eine  solche  Balkenkoppel  durch 
Axthiebe  zu  lösen,  um  deren  Wirkung  zu  beobachten.  Die 
Gewalt,  mit  welcher  die  schweren  Rundhölzer,  nachdem  sie  auf 
den  hohen  Böschungsflächen  eine  beschleunigte  Bewegung  ge- 
wonnen hatten,  bis  zur  Grabensohle  hinunterstürzten,  war  ausser- 
ordentlich. Das  eine  derselben  schlug  gegen  die  Palisadenlinie 
im  Graben  und  bog  etwa  20  Stück  dieser  starken  4  Fuss  im 
Lehmboden  stehenden  und  fest  eingestampften  Palisaden  der- 
gestalt aus  ihrer  Richtung,  dass  sämmtliche  Spitzen  fast  um 
2  Fuss  aus  dem  Loth  hingen.  Es  lässt  sich  hieraus  abnehmen, 
welche  furchtbare  Wirkung  solche  Balken  auf  Tnippenmassen 
äussern  würden,  die  sich  stürmend  auf  dem  Talus  der  Werke 
oder  im  Graben  befönden.  Der  Holzaufwand,  den  die  Behän- 
gung des  hohen  Retranchements  mit  Sturmbalken  erforderte, 
war,  wie  sich  aus  einem  nur  oberflächlichen  Ueberschlage 
des  Materials  entnehmen  lässt,  sehr  bedeutend,  und  es  konnte 
diese  Massregel  neben  den  übrigen  Armirungsarbeiten  auch  nur 
zur  Ausführung  kommen,  da  die  bei  dem  ausgedehnten  Holz- 
handel der  Stadt  Danzig  damals  dort  aufgehäuften  grossen 
Holzvorräthe  eine  fast  unbeschränkte  Verwendung  gestatteten. 
—  Wäre  irgend  Mangel  an  Material  gewesen,  dergestalt,  dass 
es  zur  Frage  kommen  konnte,  ob  die  Palisadirung  oder  die 
Behängung  mit  Sturmbalken  den  Vorzug  verdienen,  so  musste 
die  letztere  unbedenklich  nachstehen,  da  die  Palisadirung  ein 
unter  allen  Umständen  zuverlässiges  Hindernissmittel  ist,  bei 
den  Sturmbalken  aber  die  gehoifte  Wirkung  ausschliesslich  von 
dem  richtigen  Moment  des  Loslassens,  mithin  von  sehr  vielen 
Zufälligkeiten  abhängig  bleibt.  Uebrigens  war  die  Hinauf- 
scbafFnng  der  schweren  Balken  auf  die  hohen  Wälle  und  deren 
Befestigung  an  dem  oberen  Rande  der  äusseren  Böschungen  bei 
Schnee-  und  Frostwetter  eine  sehr  beschwerliche  und  selbst 
gefährliche  Arbeit,  die  sich  späterhin  während  der  Vertheidigung 
bei  den  Werken  des  Hagelsberges  häufig  wiederholte,  da  die 
am  Tage  durch  feindliche  Geschützkugeln  losgerissenen  und  in 
den  Graben  hinabgerollten  Balken  zur  Nachtzeit  immer  wieder 
heranfgeschafft  und  befestigt  werden  mussten.  Indessen  war 
auch  diese  Arbeit  für  die  Dauer  nicht  mehr  durchzuführen,  und 
man  musste  sie  namentlich  bei  den  beiden  Bastionsfacen  der 

6* 


64 

angegriffenen  Front  Jerusalem -Schütz,  wo  täglich  die  Mehr- 
zahl der  Sturmbalken  heruntergeschossen  wurde,  zuletzt  ganz 
aufgeben. 

Der  Ingenieur-Major  Bousmard  sagte  in  seinen  amtlichen 
Gutachten  vom  20.  April  1807  über  die  Anwendung  der  Sturm- 
balken: „Je  crois  ce  moyen  excellent  tont  le  temps,  qu'on  ne 
s'en  sera  peu  ou  point  seiTi.  C'est  T^pee  de  Damokl^s,  tou- 
jours  suspendue  sur  la  tete  de  notre  temeraire  assaillant.  laquelle 
l'empeche  de  se  livrer  k  Tappetit  de  la  victoire.  Cette  ep6e, 
une  foi  tombee,  le  reste  des  convives  n'a  plus  d'inqui6tude  et  se 
livrera  a  la  plus  dfevorante  voracitfe.  Je  m'explique.  Des 
jeunes  gens  ou  tetes  chaudes,  qui  leur  ressemblent,  croiront  ne 
pouvoir  faire  assez  tot  partir  nos  enormes  rouleaux.  A  peine 
Tennemi  sera  dans  le  chemin  couvert,  qu'il  le  croiront  dans  le 
foss6,  et  sur  le  champ  la  liache  jouera  sur  No.  1.,  et  sans  inter- 
ruption  sur  No.  2.  et  3.  Si  No.  1.  fait  bon  effet,  il  faut  se 
garder  de  faire  partir  les  deux  autres.  L'ennemi  effraye  les 
craindra  d^avantage  suspendus  que  descendus  et  aura  raison. 
Quand  il  les  verra  tous  tombes,  il  les  möprisera,  s'ils  ne  lui 
ont  pas  fait  de  mal,  et  s'ils  en  ont  fait,  il  s'en  vengera  n'en 
craignant  plus  rien.  II  ne  faut  donc  les  lächer,  qu'ä  propos, 
ä  quelque  intervalle  les  uns  des  autres,  et  garder  le  plus 
longteraps  possible  le  dernier  (No.  3)  comme  l'ancre  de  raiseri- 
corde".  — 

Die  Sturmbalken  waren  verschieden  eingerichtet,  theils  so, 
dass  sie  längs  des  äusseren  Talus  unmittelbar  hinter  die  Pali- 
sade fielen  und  diese  dann  allerdings  beschädigten,  theils  so, 
dass  sie  mittelst  Unterlagen,  welche  zwischen  der  äusseren 
Wallböschung  und  der  Spitze  der  Palisadenlinie  in  steil  ab- 
fallender Richtung  angebracht  waren,  über  die  Palisaden  hin- 
weggeleitet wurden  und  demnach  jenseits  derselben  in  den 
Graben  stürzten.  Den  letzteren  wurde  der  Vorzug  eingeräumt. 
Ein  einziger  derselben,  sagte  Bousmard,  wird  durch  seinen 
niederschmetternden  Fall  einen  Schrecken  erregen,  geeignet,  den 
Kühnsten  zurückzuscheuchen ,  während  die  anderen,  hinter  die 
Palisadirung  fallend,  diese  zerstören  und  so  dem  stürmenden 
Feinde  Gelegenheit  gegeben  werde,  von  den  entstandenen  Oeff- 
nungen  Vortheil  zu  ziehen. 


85 


Während  man  nun  zur  Siclicrung  der  Aussenenceinte  von 
Dauzig  gegen  den  gewaltsamen  Augriff  mit  den  vorerwähnten 
Massregeln  eifrig  beschäftigt  war,  trat  ein  scharfer  Frost  ein, 
welcher  die  Gewässer  sogleich  mit  Eis  belegte.  Wie  weit  es 
möglich  sein  würde,  bei  dem  vielleicht  noch  strengeren  Froste 
neben  den  fortzusetzenden  übrigen  Armiruugsarbeiten  die  sämmt- 
liehen  nassen  Gräben  durch  Eisung  offen  zu  halten,  darüber 
mangelte  alle  Erfahrung,  und  andererseits  bestand  das  ganze 
Vertheidigungsvermögen  des  Erdwalles  auf  den  ausgedehnten 
NiederuDgsfronten  fast  ausschliesslich  in  den  breiten  und  tiefen 
Wassergräben.  Da  der  Feind  zu  jener  Zeit  schon  die  Weichsel 
bei  Warschau  fiberschritten  hatte  und  von  dort  aus  seine 
Richtung  auf  Königsberg  nahm,  so  konnte  bei  dessen  weiterem 
Vordringen  der  Versuch,  sich  der  Festung  Danzig  unter  Be- 
nutzung der  Eisdecken  der  Weichsel  und  der  Gräben  von  der 
Ost-  und  Südseite  her  zu  bemächtigen,  wohl  mit  einiger  Wahr- 
sckeinlichkeit  besorgt  werden.   — 

Um  daher  die  Sicherstellung  des  eigentlichen  Hauptkörpers 
der  Festung  nicht  aus  den  Augen  zu  verlieren,  kam  man  zu 
dem  Entscliluss: 

7.  Nunmehr  auch  den  Hauptwall  der  Stadtbefestigung,  so- 
weit er  nicht  mit  einer  Mauerbekleiduug  versehen  war,  mithin 
auf  sämmtlicheu  Niederungsfronten  von  der  Steinschleuse  bis 
zum  Bastion  Jakob  mit  einer  8  Fuss  hohen  Palisadirung  und 
einer  davorgesetzten  Verpfählung  zu  umgeben.  Die  Palisade 
erhielt  ihre  Stellung  am  Fusse  der  Eskarpe  im  inneren  Räume 
der  alten  Faussebraie,  und  die  12  Fuss  breite  Verpfählung  zu- 
nächst vor  der  Palisadirung  und  auf  der  Krone  der  verfallenen, 
nicht  mehr  besetzungsfähigen  Brustwehr  der  Faussebraie.  — 
Ausser  diesen  Linien  des  Hauptwalles  erhielten  auch  die  Ra- 
veline vor  dem  Jakobs-  und  vor  dem  Legethor,  sowie  der 
Waffenplatz  vor  dem  Langgarten-Thor  mit  dem  die  Thorpassage 
umfassenden  Theile  des  bedeckten  Weges  und  endlich  auch  die 
Enveloppe,  welche  dem  Umzüge  der  Kontreskarpe  des  Haupt- 
giabens  rechts  vom  Legethore  bis  zu  den  Linien  des  Peters- 
hagenerthores  folgt,  eine  starke  Palisadirung.  Gleichzeitig 
wurden 

8.  Alle  Anstalten  getroffen,  welche  zu  einer  fortgesetzten 


8ö_ 

Aufeisung  und  Offenhaltung  der  Gräben  erforderlich  waren. 
Man  schaffte  zu  dem  Behufe  48  Boot«  ffir  die  in  ebenso  viele  Sta- 
tionen getheilte  Wassergräben  an  und  vei*sah  diese  Boote  ihres 
eigentlichen  Gebrauches  und  der  besseren  Ausdauer  wegen  ausser- 
halb mit  einem  Beschlag  von  Eisenblech.  Nachdem  die  Eisfläche 
des  Hauptgrabens  längs  der  Mitte  desselben  30  Fuss  breit  und 
die  der  Vorgräben  18  Fuss  breit  einmal  geöffnet  worden,  wurden 
jedem  der  48  Boote  4  Mann  zugetheilt  und  diese  in  der  Art 
angewendet,  dass  2  Mann  längs  der  Eisränder  gehend  das  Boot 
in  schräger  Richtung  an  Tauen  langsam  fortzogen,  während  die 
beiden  anderen  Leute  im  Boote  das  neu  ansetzende  Eis  durch 
schaukelnde  Bewegung  des  Bootes  zerbrachen  und  die  Eis- 
Stückchen  mittelst  leichter  käscherartiger  Schaufeln  auf  die 
Eisränder  warfen.  Da  die  Kälte  sich  auch  späterhin  nicht  sehr 
anhaltend  und  strenge  zeigte,  so  gelang  es  durch  diese  imganzen 
geringen  Mittel  vollkommen,  die  Wassergräben  den  Winter  hin- 
durch offen  zu  erhalten.  * 

9.  Durch  die  unter  Nr.  7  und  8  erwähnten  Arbeiten  wurden 
die  verfügbaren  Arbeitskräfte  vielfach  vertheilt,  so  dass  die 
inzwischen  fortgesetzte  Palisadirung  des  äusseren  Retranchements 
nicht  mehr  so  raschen  Fortgang  nehmen  konnte,  als  anfangs, 
wo  sie  mit  ungetheilten  Kräften  betrieben  wurde.  —  Indessen 
brachte  man  sie,  der  kurzen  Tage  und  der  immer  rauher 
werdenden  Winterwitterung  ungeachtet,  doch  in  einigen  Wochen 
zustande  und  schritt  nun  ungesäumt  zur  Palisadirung  der 
Raveline  und  Kontregarden  des  Bischofsberges  und  der  Raveline 
des  Hagelsberges,  wobei  die  Palisadenlinien  ebenso  wie  bei 
dem  Hauptwalle  längs  des  Fusses  der  Eskarpe  gesetzt  und 
mittelst  einer  ausserhalb  derselben  angebrachten  12  Fuss  breiten 
Verpfählung  gegen  unmittelbaren  Andrang  gesichert  wurden. 
Bei  den  Ravelinen  führte  man  an  den  Schulterpunkten  die  Pa- 
lisadirung bis  zur  Sohle  des  Hauptgrabens  hinunter  und  zog 
sie  dann  im  Graben  längs  der  Kehlböschung  der  Raveline,  so 
dass  diese  Werke  durch  eine  Palisadirung  rings  umschlossen 
waren.  Quer  über  den  Hauptgraben  wurden  von  den  Kurtinen- 
Poternen  nach  den  Kehlen  der  Raveline  offene  Koffer  angelegt, 
und  diese  innerhalb  zu  beiden  Seiten  mit  einer  Palisadirung  ver- 
sehen, welche  die  Verbindung  sicherte  i|nd  von  der  Eskarpeu- 


87 


Palisade  vor  der  Kurtino  bis  zur  Kehlpalisade  der  Raveline 
und  zu  den  in  den  Reversböschungen  daselbst  angebrachten 
Treppen  sich  erstreckte.  —  Die  Anfertigung  dieser  zum  Theil 
sehr  hohen  Treppen  erfolgte  in  der  Regel  in  der  Art,  dass  die 
Treppenstufen  in  gehöriger  Breite  in  den  Boden  eingeschnitten, 
die  vertikalen  Seiten  der  Stufen  mit  dicht  angelegten,  durch 
vorgeschlagene  Pfähle  festgehaltenen  2  zölligen  Brettern  be- 
kleidet, die  horizontalen  Flächen  aber  gut  abgeebnet  und  fest- 
gestampft wurden.  Die  Brettbekleidung  der  Stufen  hindert  bei 
frequenter  Passage  die  baldige  Abtretung  dei-selben,  und  die 
ganze  Arbeit  ist  so  einfach  und  leicht  begreiflich,  dass  sie  durch 
gewöhnliche  Arbeiter  bei  einiger  Anleitung  mit  raschem  Erfolge 
verrichtet  werden  kann. 

Innerhalb  des  Retranchements  errichtete  man  zum  noth- 
dürftigen  Schutze  der  Wachtmanuschaften  gegen  die  rauhe 
Witterung  hölzerne  mit  Brettern  gedeckte  Piketbuden  in 
Form  von  Schleppschuppen,  auch  wurde  eine  Anzahl  von  Ab- 
tritten angelegt,  um  die  allgemeine  Verunreinigung  der  Werke 
zu  verhüten. 

10.  Um  die  Befestigung  des  Holzraumes,  mit  welcher 
der  rechte  Flügel  des  Retranchements  sich  der  Weichsel  an- 
schliesst,  in  der  rechten  Flanke  und  Kehle  gegen  einen  Coup 
de  main  mehr  zu  sichern,  wurde  die  Palisadirung  dieser  Be- 
festigung noch  stromaufwärts  längs  des  linken  Weichselufers 
in  gebrochenen  Linien  auf  450  Schritt  Länge  fortgesetzt,  mit 
Brustpalisaden,  Gewehrscharten  und  einem  Banket  versehen, 
und  am  äussersten  Ende  rechts  durch  eine  vorgi-eifende,  die 
ganze  Uferlinie  ausserhalb  der  Palisadirung  flankirende  Erd- 
flesche  geschlossen,  welche  man  vor  den  Facen  und  in  der 
Kehle  palisadirte  und  mit  einer  Verpfählung  rings  umgab. 

11.  Es  blieb  noch  erforderlich,  vor  dem  Langgartenthore, 
wo  sich  der  Weichseldamm  auf  einem  schmalen,  zwischen  dem 
Stromufer  und  der  Inundation  belegenen  Terrainstreifen  den 
Befestigungslinien  anschliesst,  einige  Sicherheitsvorkehrungen 
zu  treffen,  und  zwar 

a.  die  in  dem  Damme  etwa  ^U  Meile  vor  dem  Thore  be- 
legene Rückforter  Schleuse,  welche  den  Hauptabzugsgraben  der 
NiedeiTing  schliesst   und  jetzt  wegen  Aufstauung   der  Mottlau 


88 


und  zur  Haltuug  der  die  Niederung  bedeckenden  Inuudation 
verdämmt  war,  gegen  einen  Handstreich  des  Feindes  sicher 
zu  stellen,  und 

b.  den  Punkt  am  Ganskruge,  wo  die  aus  der  Nehrung  nach 
dem  Langgartenthore  führende  Landstrasse  die  Weichsel  über- 
schreitet, mit  einer  der  defensiven  Deckung  dieses  Uebergangs- 
punktes  entsprechenden  Befestigung  zu  versehen.  Zu  dem 
Behufe  wurde  auf  einem  günstigen  Punkte  noch  300  Schritt 
jenseits  der  Rtickforter  Schleuse  eine  Schanze  zu  4  Geschützen 
und  100  Mann  in  Form  einer  abgestumpften  Flesche  angelegt, 
dergestalt,  dass  die  mittere  Hauptlinie  des  Werkes  quer  über 
den  Damm  lag  und  denselben  aufwärts  wirksam  bestreichen 
konnte.  Der  Bau  dieser  Schanze  erforderte  viel  Zeit  und 
Arbeit,  da  der  Damm  nicht  durchstochen,  überhaupt  ein  Graben 
nicht  ausgehoben  werden  durfte,  mithin  das  ganze  Profil,  wel- 
ches den  Damm  noch  um  mehrere  Fuss  überragen  musste,  nur 
mittelst  des  bis  auf  800  Schritt  Entfernung  heranzuschaffenden 
und  bei  der  tiefen  Lage  des  Terrains  mühsam  abzuschälenden 
Bodens  aufzuschütten  war.  Dabei  wurde  dies  Werk  ringsum 
palisadirt  und  seiner  entfernten  und  üeberfällen  ausgesetzten 
Lage  wegen  mit  einem  bombenfesten  Blockhause  zur  Unterkunft 
der  Besatzung  versehen. 

Vor  dem  Ganskruge  längs  des  Weichselufers  warf  mau 
eine  sich  selbst  flankireude  Verschanzungsliuie  auf  und  schloss 
dieselbe  in  der  Richtung  stromaufwärts  dem  Weichseldamm  an, 
auf  welchen  hier  einige  hundert  Schritt  diesseits  der  Rückforter 
Schleuse  noch  ein  kleiner  Abschnittsposten  und  zur  Unterstützung 
des  letzteren  seitwärts  desselben  nahe  am  Weichselufer  ein 
redutenartig  geschlossenes  Werk,  seinem  Umfange  nach  auf 
3  Geschütze  und  50  Mann  berechnet,  angelegt  wurde.  Da  am 
Stromufer  viel  vorräthiges  Balkenholz  der  Arbeit  im  Wege  lag, 
dessen  Hinwegschaffung  Versäumniss  veranlasst  haben  würde, 
so  liess  der  Platz-Ingenieur  die  innere  Brustwehrböschung  dieser 
Verschanzungen  grösstentheils  von  Balkenholz  aufsetzen*). 

Endlich  benutzte  man  noch  den  durch  die  Vorstadt  Kneipab 
und    durch    den    Weichseldamm    führenden    Niederungskanal, 


^)  Das  Werk  wnrcle  danach  die  Balkenschauze  genannt.    El). 


89 


in  welchem  sich  die  Kneipaber  Schleuse  befindet,  um  hier  we- 
nige hundert  Schritte  vor  dem  Langgarten  Thore  eine  dritte 
Vertheidigungslinie  gegen  das  längs  des  Stromes  gangbare 
Terrain  zu  bilden.  Es  wurde  zu  dem  Behuf e  auf  dem  linken 
der  Festung  zugewendeten  Kanalufer  eine  Brustwehr  aufge- 
worfen, welcher  der  vorliegende  Kanal  zum  Graben  diente  und 
die  über  den  letzteren  führende  Werdersche  Brücke  mit  einem 
Aufzuge  und  einem  Gatterthore  versehen.  Zwei  kleine  Lünetten 
jenseits  der  Brücke  deckten  den  Uebergang  und  sicherten  zugleich 
die  verdammte  Kneipaber  Schleuse  gegen  unmittelbare  feindliche 
Annäherung. 

12.  Während  zu  Danzig  die  eben  erwähnten  Arbeiten  in 
vollem  Betriebe  waren,  verwendete  man  zu  Weichselmünde  alle 
beizubringenden  Kräfte,  um  die  infolge  des  unterbrochenen 
Friedensbaues  noch  geöffnet  gebliebene  Enveloppe  des  Forts 
unter  Benutzung  des  vorräthigen  Materials  so  gut  als  möglich 
zum  Schluss  zu  bringen.  Man  suchte  dies  in  der  Art  zu  be- 
wirken, dass  die  roh  aufgeschütteten,  jedoch  für  die  Bildung 
eines  Walles  noch  unzulänglichen  Erdmassen  aus  der  projek- 
tirten  Linie  des  Enveloppenwalles  etwas  mehr  zurück  gegen 
die  südliche  Fronte  des  revetirten  Forts  und  hier  in  die  Form 
eines  vom  Walle  des  Forts  aus  rein  zu  bestreichenden  palisa- 
dirten  bedeckten  Weges  gebracht  wurde.  Das  Glacis  dieses  be- 
deckten Weges  dehnte  sich  bis  gegen  den  vorliegenden  alten 
£nveloppengi*aben  aus,  längs  dessen  Eskarpe  noch  eine  niedrige, 
ebenfalls  palisadirte  Brustwehr  aufgeworfen  und  links  dem  Pro- 
file des  fertigen  Enveloppenwalles,  rechts  dem  Weichselufer 
angeschlossen  wurde.  Eine  kleine  Lünette  auf  der  Kontres- 
karpe  des  nassen  Grabens  diente  als  Brückenkopf.  Auch  die 
sogenannte  Möwen  schanze,  eine  flache  Dünen-  und  Strand- 
batterie, welche  sich  von  der  Nordfront  des  Forts  Weichsel - 
münde  bis  gegen  die  östliche  Mole  der  Weichselmündung  er- 
streckt, erhielt  in  ihrer  ganzen  Ausdehnung  und  in  der  Kehle 
längs  des  rechten  Weichselufers  eine  Palisadirung.  —  Auf  der 
Seite  von  Neufahrwasser  wurden  die  vier  Reduten  der  Wester- 
platte palisadirt,  desgleichen  die  beiden  Reduten  Nr.  5  und  6 
nebst  dem  vorliegenden  tenaillirten  Werke. 

Letztere  3  Werke  verband  man  unter  sich  durch  flankirte 


90 


Palisadenlinien  und  schloss  die  ganze  Position  links  dem  Sas- 
persee,  rechts  dem  tiefen  Fahrwasser  au.  Hart  am  Weichsel- 
ufer, dem  oberen  Anschluss  des  Forts  Weichselmünde  gegen- 
über, an  der  Stelle,  wo  ein  den  Saspersee  mit  der  Weichsel 
verbindender  Kanal  einmündet  und  der  Landweg  von  Danzig 
(der  sogenannte  neue  Weg)  nach  Neufahrwasser  diesen  Kanal 
passirt,  wurde  eine  geräumige  Schanze  angelegt  und  diese  mit 
der  vorerwähnten  Redute  Nr.  6  durch  eine  Palisadirung  in 
Verbindung  gebracht,  so  dass  die  Hafenstadt  Neufahrwasser 
ringsum  mit  Bcfestigungslinien  umschlossen  war.  Etwa  200 
Schritte  vor  der  Kanalbrücke  etablirte  man  auf  dem  neuen 
Wege  noch  einen  kleinen  Posten,  welcher  den  Uebergang  über 
die  Kanalbrücke  sicherte. 


Alle  hier  vorstehend  unter  I,  1  bis  12  aufgeführten  Ar- 
beiten hatten,  wie  schon  erwähnt,  hauptsächlich  nur  den  Zweck, 
die  Danziger  Befestigung  unter  allen  Witterungskonjunkturen 
gegen  einen  bald  zu  erwartenden  gewaltsamen  Angriff  des 
Feindes  sicher  zu  stellen,  und  so  umfassend  diese  Armirnng 
auch  war,  so  sehr  es  anfangs  an  allen  Mitteln,  mit  Ausnahme 
des  Holzes,  dazu  gebrach,  und  so  mannigfache  Behinderungen 
dabei  die  zunehmende  Kürze  der  Tage,  sowie  Frost  und  Schnee 
in  den  Weg  legten,  so  gelang  es  doch,  alle  dahin  gehörigen 
Arbeiten  in  den  beiden  Monaten  November  und  Dezem- 
ber so  weit  zu  fördern,  dass  das  Wesentlichere  als  geschehen 
zu  betrachten  war  und  nunmehr  auf  eine  weitere  Vervollstän- 
digung der  Werke,  namentlich  derjenigen,  welche  mit  Wahr- 
scheinlichkeit dem  regelmässigen  Angriff  ausgesetzt  waren,  Be- 
dacht genommen  werden  konnte. 

Die  Kommunikation  zwischen  Danzig  und  Weichselmünde 
hielt  man  im  ganzen  für  nicht  gefährdet,  da  die  Holminsel  und 
die  Nehrung  von  starken  Truppenabtheilungen  besetzt  gehalten 
wurden  und  die  Behauptung  dieser  mit  tiefen  Gewässern  um- 
schlossenen Terraintheile  keinem  Bedenken  zu  unterliegen  schien, 
üeberdies  war  der  Besitz  der  Nehrung,  von  welchem  die  mili- 
tärische Verbindung  zwischen  Königsberg   und  Danzig  abhing, 


91 


für  die  Operationen  des  verbündeten  Heeres  von  hoher  Wichtig- 
keit, und  man  mochte  daher  wohl  auf  eine  Unterstiitznng  seitens 
des  letzteren  für  den  Fall  gerechnet  haben,  dass  es  sich  um 
eine  ernstliche  Bedrohung  der  Nehrung  handeln  sollte.  Auch 
konnte  die  Anwesenheit  vieler  Kriegsfahrzeuge  befreundeter 
Seemächte,  welche  die  Nehrung  strandwärts  deckten  und  den 
militairischen  Uebergangspunkt  bei  Pillau  sicher  stellten,  einer 
solchen  unterstützenden  Diversion  zugunsten  der  Festung  nur 
förderlich  sein,  und  es  scheint  unter  allen  diesen  Verhältnissen 
wenigstens  erklärlich,  wenn  mau  sich  zu  Danzig  in  Beziehung 
auf  jene  Verbindungen  keinen  zu  lebhaften  Besorgnissen  hingab 
und  demnach  die  Errichtung  von  Vertheidigungswerken  auf  der 
Nehrung  und  auf  dem  Holm  vielleicht  minder  dringend  erach- 
tete, als  die  unausgesetzte  Betreibung  der  noch  bei  weitem 
nicht  vollendeten  Arrairungsarbeiten  an  den  Hauptwerken  von 
Danzig  selbst.  Welche  Umstände  oder  Voraussetzungen  aber 
auch  Veranlassung  gewesen  sein  mögen,  dass  man  die  Anlage 
oder  Herstellung  einiger  starker  Reduten  auf  der  Holminsel 
und  auf  dem  Terrain  zwischen  dieser  und  Weichselmünde  ent- 
weder wirklich  nicht  zustande  bringen  konnte  oder  für  nicht 
erforderlich  hielt,  so  hat  das  Unterbleiben  dieser  Massregel, 
wie  sich  späterhin  zeigte,  auf  die  Dauer  der  Vertheidigung 
doch  sehr  nachtheilig  eingewirkt,  da  die  Nehrung,  der  Schuten- 
damm und  der  Holm  nacheinander  durch  glücklich  ausgeführte 
Ueberfälle  in  Feindes  Hände  geriethen  und  infolgedessen  der 
Verlust  der  Festung  wahrscheinlich  früher  herbeigeführt  wurde, 
als  dies  bei  dem  noch  unberührt  gebliebenen  Zustande  des 
Hauptwalles  und  bei  offen  gehaltener  Verbindung  mit  der  See, 
wegen  der  dann  zulässigen  Ergänzung  der  erschöpften  Streit- 
mittel der  Festung  der  Fall  gewesen  sein  würde. 

Da  zu  anfang  Januar  des  Jahres  1807  die  feindlichen 
Bewegungen  sich  immer  noch  nicht  gegen  Danzig  richteten 
und  man  noch  einige  Wochen  Zeit  zu  gewinnen  hoffen  konnte, 
so  wurde  in  der  Vervollständigung  der  Armirung  unausgesetzt 
fortgeschritten  und  nunmehr  auf  die  Ausfühning  derjenigen 
Massregeln  Bedacht  genommen,  welche 


92 


IL  die   Erlangung    der   Vertheidigungsfähigkeit 
gegen    den    förmlichen  Angriff  zum  Zwecke  hatten. 
Hierhin  war  zu  rechnen: 

1)  die  Herstellung  und  Verstärkung  des  bedeckten  Weges 
vor  den  Linien  des  äusseren  Rctranchements; 

2)  die  Vermehrung,  Verbesserung  oder  Sicherstellung 
der  Kommunikationen  sowohl  zwischen  den  einzelnen 
Werken,  als  zwischen  den  vor  einander  liegenden 
Enceinten ; 

3)  die  Beschaffung  von  Unterkunftsräumen  für  Truppen 
und  Munition  in  den  dem  förmlichen  Angriff  ausgesetzten 
Werken ; 

4)  die  Anlage  vorgeschobener  Werke. 

Hinsichtlich  des  Details  dieser  wichtigen  Arbeiten  findet 
sich  Folgendes  anzuführen: 

1.  üeber  die  Herstellung  und  Verstärkung  des  bedeckten 
Weges  vor  den  Linien  des  äusseren  Rctranchements. 

Diese  umfassende  Arbeit  erforderte  über  zwei  volle  Monate 
an  Zeit  und  war  mit  allen  dazu  gehörigen  Einrichtungen  noch 
nicht  ganz  vollendet,  als  der  Feind  zu  ^nfang  März  vor  der 
Festung  erschien.  —  Indessen  hatte  man  doch  die  Glacisbrust- 
wehr  ringsum  zum  Schluss  gebracht  und  in  gewöhnlicher  x\rt 
auf  dem  Banket  mit  einer  Palisade  versehen,  und  es  konnte 
diese  Herstellung  des  bedeckten  Weges  um  so  mehr  als  die 
wichtigste  und  bemerkenswertheste  Arbeit  der  ganzen  Armirung 
angesehen  werden,  als  sie  unstreitig  die  Grundlage  zu  der 
nachherigen  erfolgreichen  Vertheidigung  bildete,  welche  sowohl 
durch  die  Originalität  der  dazu  getroffenen  Einrichtungen  als 
durch  umsichtige  Benutzung  dieser  letzteren  dem  Fortschreiten 
des  regelmässigen  Angriffs  so  unerwartete  und  schwer  zu  be- 
seitigende Hindernisse  in  den  Weg  legte.  — 

Es  wurde  zuvörderst  in  Erwägung  gezogen,  welche  Theile 
des  ganzen  Retrancheraents  vorzugsweise,  und  je  nachdem  die- 
selben dem  Angriffe  mehr  oder  weniger  ausgesetzt  wären,  mit 
einem  vollständigen  bedeckten  Wege  zu  versehen  sein  würden, 
welche  Frage  hier  bei  der  Ungewissheit  über  die  noch  ver- 
fügbare Zeit  um  so  erheblicher  schien,  als  der  ausserordent- 
liche Umfang  der  beabsichtigten  Arbeit  bei  der  Schwierigkeit 


_Ö3 

des  Defilements  und  bei  dem  geringen  Vorschub,  den  die  kaum 
noch  sichtbaren  Reste  des  ehemaligen  Glacis  gewähren  konnten, 
jedenfalls  Besorgnisse  erregen  und  wenigstens  auf  den  Versuch 
jeder  irgend  zulässigen  Beschränkung  hinleiten  musste.  — 

Indessen  waren  die  Ansichten  der  Sachverständigen  über 
den  wahrscheinlichen  Angriffspunkt  sehr  verschieden;  die  Er- 
fahrung aus  früheren  Zeiten  sprach  für  den  Hagelsberg;  es 
wurden  aber  auch  sehr  triftige  Gründe,  theils  aus  der  Terrain- 
gestaltung, theils  aus  der  Beschaffenheit  der  Werke,  entwickelt, 
welche  einen  Angriff  gegen  den  linken  Flügel  des  Bischofs- 
berges oder  gegen  die  schwach  profilirten  und  mangelhaft  ge- 
deckten Linien  rechts  und  links  des  Olivaer  Thores  wahr- 
scheinlich genug  erscheinen  Hessen,  so  dass  man  diese  Fronten 
keineswegs  ausser  Acht  lassen  konnte,  zumal  die  ausschliess- 
liche Verstärkung  eines  Theiles  des  Retranchements,  z.  B.  des 
Hagelsberges,  den  feindlichen  Angriff  um  so  eher  auf  einen 
der  anderen  Pun'kte  hingewiesen  haben  würde.  —  Unter  diesen 
Umständen,  und  um  die  Vertheidigungsfähigkeit  der  verschie- 
denen einem  Angriff  überhaupt  zugänglichen  Fronten  des  Re- 
tranchements in  einem  gewissen  Gleichgewicht  zu  erhalten, 
blieb  nichts  übrig,  als  sich  zur  Anlage  des  bedeckten  Weges 
sowohl  vor  dem  Bischofs-  und  Hagelsberge,  als  vor  den  Linien 
rechts  unterhalb  des  Hagelsberges  bis  zur  Weichsel  zu  ent- 
schliessen  und  ohne  Verzug  Hand  ans  Werk  zu  legen.  — 

Es  würde  hier  zu  weit  führen,  alle  Gründe  und  Ansichten 
aufzuzählen  und  zu  beleuchten,  welche  den  eben  erwähnten 
Entschlnss  zur  Reife  brachten,  und  es  sei  nur  vergönnt,  noch 
anzuführen,  dass  die  nächstfolgenden  und  späteren  Begeben- 
heiten die  Richtigkeit  der  genommenen  Massregeln  bestätigt 
haben,  denn  wenngleich  die  Franzosen  wirklich  damals  das  auf 
einem  Abhänge  des  Zigankenberges  belegene  Bastion  Jerusalem 
des  Hagelsberges  zum  eigentlichen  Angriffspunkt  wählten,  so 
lässt  sich  aus  der  diesfälligen  Darstellung  ihres  Chef- In- 
genieurs, des  Generals  Kirgener,  doch  entnehmen,  dass  ur- 
spi*ünglich  die  Absicht  vorgewaltet  hat,  die  Werke  rechts  unter- 
halb des  Hagelsberges  anzugreifen,  weshalb  gleich  nach  der  Ein- 
schliessung  die  Posten  von  Alier-Engel,  der  Ziegelei  und  der 
kleinen  Kalkschanze  genommen  wurden,  und  dass  man   diese 


_J4 

Absicht  nur  aufgegeben  zu  haben  scheint,  weil  die  Kalkschan^e 
von  der  Besatzung  ohne  Verzug  wieder  erobert  und  verstärkt 
hergestellt,  hierdurch  aber  einem  gegen  das  Olivaer  Thor  ge- 
richteten feindlichen  Angriff  die  sichere  Anlehnung  des  linken 
Flügels  genommen  wurde.  (Man  vergleiche  Kirgener  Pr6cis 
du  siege  de  Danzig  Seite  40  und  41.) 

Im  Jahre  1813  endlich  ist  der  regelmässige  Angriif  gegen 
den  Bischofsberg  geführt  worden.  Der  bedeckte  Weg  wurde 
demnach  vor  folgenden  Werken  hergestellt: 

a)  vor  den  Linien  des  Petershagener  Thores,  rechts  bis 
an  den  Eehlpunkt  des  Bastion  Salvator; 

b)  vor  den  beiden  Polygonen  des  Bischofsberges  Salvator- 
Mittel  und  Mittel-Scharfenort ; 

c)  rechts  unterhalb  des  Bischofsberges,  vor  dem  Ravelin 
Vigilance  und  vor  dem  Saillant  Hans  Mantel; 

d)  vor  dem  Neugarten-Thore  und  vor  der  linken  Face  des 
Bastions  Kessel; 

e)  vor  den  beiden  Polygonen  des  Hagelsberges  Kessel- 
Notzenberg  und  Schütz- Jerusalem ; 

f)  vor  den  tenaillirten  Linien  von  Bastion  Jerusalem  bis 
zum  Olivaer  Thore; 

g)  vor  den  Werken  vom  Olivaer  Thore  bis  zur  Weichsel, 
nämlich  vor  dem  Stiftswinkel  und  vor  der  Befestigung 
des  Holzraumes,  wo  früher  ein  bedeckter  Weg  gar 
nicht  bestanden  hatte  und  also  jetzt  mit  dem  vorlie- 
genden Glacis  erst  vollständig  formirt  werden  musste. 

üeber  das  Specielle  der  Anordnung  und  Ausführung  findet 
sich  Folgendes  zu  bemerken: 

Vor  mehreren  Linien  des  Retranchements  konnte  ein  be- 

■ 

deckter  Weg  wegen  der  Ueberhöhung  des  nahe  vor  oder  an- 
liegenden Terrains  und  wegen  der  darausfolgenden  Unmöglichkeit 
einer  gehörigen  Seiten-  und  Rückendeckung  gar  nicht  zur  An- 
wendung kommen,  wie  z.  B.  vor  den  beiden  Anschlussbranchen 
des  Bischofsberges,  vor  beiden  Facen  des  Bastions  Sandgrube 
und  vor  der  rechten  Face  des  Stiftswinkels. 

Noch  mehrere  Linien  fanden  sich,  die  zwar  ebenfalls  der 
Enfilade  nicht  ganz  entzogen  oder  selbst  durch  Traversen  nicht 
genügend  gedeckt  werden  konnten,  die  aber  doch  als  frontal- 


95 

geschlitzte  Kommunikationen  zwischen  vorhandenen  Werken 
längs  der  Kontreskarpe  nicht  füglich  zu  entbehren  waren.  Bei 
diesen  half  man  sich  in  der  Art,  dass  —  zur  Vermeidung  einer 
Besetzung  dei*selben  durch  Truppen  —  das  Banket  ganz  foH- 
gelassen  und  dicht  unterhalb  der  7  Fuss  hohen  inneren  Glacis- 
böschung  die  Palisade  gesetzt  wurde.  —  Nur  in  den  von  solchen 
Linien  gebildeten  Saillants  brachte  man  auf  2  bis  3  Ruthen 
Länge  von  der  Spitze  Bankets  an,  soweit  nämlich  die  hier 
aufgestellte  Mannschaft  durch  die  wechselseitige  Deckung  der 
zusammenstossenden  Linien  einen  noch  hinreichend  gesicherten 
Standpunkt  erhielt. 

Bei  der  Höhe  der  Kontreskarpe  vor  den  Bastionen  des 
Bischofs-  und  des  Hagelsberges  konnte  der  bedeckte  Weg  ohne 
Nachtheil  um  1  bis  2  Fuss  eingeschnitten  werden,  wodurch 
man  an  Deckung  gewann  und  den  nöthigen  Boden  zur  Schfittung 
des  Glacis  und  Herstellung  der  Glaciskrete  in  einer  angemessenen, 
dem  Defilement  möglichst  entsprechenden  Höhe  gleich  auf  der 
Stelle  erhielt,  so  dass  die  Arbeit  mehrentheils  durch  Spatenwurf 
geleistet  und  der  Karrentransport  nur  selten  erforderlich  wurde, 
üeberall  konnte  allerdings  nicht  eine  vollkommene  Rasante  oder 
auch  nur  ein  stetiger  Abfall  des  Glacis  zustande  gebracht 
werden,  da  es  hierzu  an  Zeit  und  Mitteln  fehlte,  und  es  war 
dies  namentlich  auch  vor  der  Spitze  des  Bastions  Jerusalem  der 
Fall,  wo  das  Glacis  bei  der  stark  gehobenen  Krete  nur  eine 
kapirte  brustwehrartige  Form  erhalten  konnte.  Späterhin  war 
dies  bei  der  Anlage  des  Kuronnements  ein  den  feindlichen 
Sapear  allerdings  sehr  begünstigender  Umstand.  Vor  den 
Werken  rechts  des  Olivaer  Thores  bis  zur  Weichsel  lag  die 
Kontreskarpe  des  Wassergrabens  so  niedrig,  dass  hier  das  Ein- 
schneiden eines  gedeckten  Weges  nicht  zulässig  gewesen  wäre. 

üeberdies  erforderten  die  links  seitwärts  auf  Kernschuss- 
weite gelegenen  Höhen  eine  zum  Theil  sehr  bedeutende  Hebung 
des  Glacis,  wodurch  der  Bedarf  an  Schüttungsboden ,  welcher 
hier  nur  mittelst  Wagen  aus  der  Ferne  herangeschafft  werden 
konnte,  ausserordentlich  vermehrt  wurde.  Der  möglichst  ge- 
häuften Arbeitskräfte  ungeachtet  währte  daher  die  Glacis-For- 
mation  auf  diesem  Posten  am  längsten  und  kam  mit  der  auf 
dem  Banket  der  Glacis-Brustwehr  stehenden  Palisadirung  erst 


_  Ö6 

am  lö.  März  mit  dem  Beginn  der  feindlichen  Blockade  zunl 
Schluss.  üeberhaupt  unterlag  hier  die  Tracirung  und  Profili- 
rung  des  bedeckten  Weges  wegen  der  schon  erwähnten  un- 
günstigen Terraingestaltung  grossen  Schwierigkeiten,  welche 
jedoch  der  diesen  Bau  leitende,  späterhin  bei  der  Vertheidigung 
am  5.  Mai  1807  gebliebene  Ingenieur  -  Major  Bousmard  voll- 
ständig zu  beseitigen  wusste,  dergestalt,  dass  zur  inneren  Deckung 
des  bedeckten  Weges  auch  nicht  eine  Traverse  erforderlich 
wurde.  —  Dies  erlangte  man  dadurch,  dass  die  in  die  Höhen 
alignirenden  Linien  nicht  parallel  mit  der  Kontreskarpe  gelegt, 
sondern  mit  der  rechten  Schulter  so  weit  vorgenommen  wurden, 
dass  ihre  Verlängerung  in  die  hohen  Werke  des  Hagelsbcrges 
traf,  wobei  man  zwar  die  gewöhnliche  regelmässige  Trace  der 
Waflfenplätze  und  Saillants  nicht  ganz  beibehalten,  dagegen  eine 
vollkommene  innere  Deckung  derselben  herbeiführen  konnte.  — 
Nur  auf  der  langen  Linie  vor  der  rechten  Face  des  Stiftswinkels 
hätte  dies  Mittel  nicht  ausgereicht,  weshalb  man  sich  hier  zur 
Anlage  einer  44  Ruthen  langen  unterirdischen  Kontreskarpen- 
Gallerie  cntschloss,  um  zwischen  dem  bedeckten  Wege  des  Oli- 
vaer  Thores  und  dem  der  Holzraumwerke  eine  ungestörte,  des 
nassen  Grabens  wegen  auf  andere  Weise  nicht  leicht  herzu- 
stellende Verbindung  erhalten  zu  können. 

Diese  Gallerie  bestand  aus  Rahmen  von  Kreuzholz,  im 
Lichten  4  Fuss  breit,  6  Fuss  hoch,  die  von  Mitte  zu  Mitte 
3V2  Fuss  weitgesetzt,  zu  beiden  Seiten  mit  zweizölligen  Bohlen 
oben  mit  vierzölligen  Bohlen  belegt  und  hiernächst  ganz  mit 
Boden  überschüttet  wurden,  so  dass  die  Stärke  der  Erddecke 
über  der  Gallerie  4  bis  5  Fuss  betragen  mochte.  Die  Fugen 
der  Bohlendecke  wurden  mit  Schaalbrettern  belegt  und  die 
lothrcchte  Stellung  und  gegenseitige  Spannung  der  Rahmen 
durch  zwischengekeilte  Bohlenenden  festgehalten. 

Das  ganze  äussere  Retranchement  der  Festung  war  nun  zwar 
durch  die  schon  unter  I.  erwähnten  Massregeln  gegen  einen  gewalt- 
samen Angriif  ziemlich  gesichert  zu  erachten,  dennoch  aber  der 
feindliche  Versuch,  sich  desselben  bei  seiner  Ausdehnung  und 
Lage  durch  einen  Handstreich  zu  bemächtigen,  immer  noch  sehr 
zu  besorgen.  Besonders  aber  war  ein  Ueberfall  zur  Nachtzeit 
zu  betlirchten,  da  die  Besatzung  zu  jener  Zeit  bei  ihrer  Unzu- 


97 


länglichkeit,  bei  dem  Mangel  an  Erfahrung  im  Festungskriege 
und  bei  der  ünzuverlässigkeit  der  vielen  Ausländer  die  geeig- 
neten Mittel  zu  einem  gegen  Ueberrumpeluug  sichernden  Vor- 
postendienst, oder  zu  der  bis  dahin  üblichen  Art,  den  bedeckten 
Weg  als  äusserstes  Festungswerk  stehenden  Fusses  mit  blanker 
Wafte  zu  vertheidigen,  nicht  in  hinreichendem  Masse  darbieten 
könnte. 

Diese  Umstände  brachten  den  Platz-Ingenieur  auf  den  Ge- 
danken, dem  bedeckten  Wege  eine  mehr  selbstständige  Ein- 
richtung zu  geben  und  es  dem  Feinde  unmöglich  zu  machen, 
sich  desselben  und  der  Kontreskarpe  im  Wege  des  gewaltsamen 
Angriffs  zu  bemächtigen.  —  Es  wurden  zu  dem  Behufe  Block- 
häuser angelegt,  welche  in  den  eingehenden  Waffenplätzen  ihre 
Stellen  erhielten,  dergestalt,  dass  sie  vermöge  ihrer  Einsenkung 
bis  zur  Schartensohle  durch  die  vorliegende  Glacisbrustwehr 
gegen  direktes  Geschützfeuer  von  Aussen  ganz  gedeckt  waren, 
durch  ihr  eigenes  flach  streichendes  Gewehrfeuer  aber  die  an- 
liegenden langen  Linien  des  bedeckten  Weges  rein  und  sehr 
wirksam  bestreichen  konnten^).  —  Die  Kehle  der  Blockhäuser 
wurde  durch  Tambur  -  Palisaden  mit  den  hinterliegenden  im 
Graben  befindlichen  Palisadirungen  in  Verbindung  gebracht 
und  dadurch  gegen  Ueberfall  sicher  gestellt.  Diese  Blockhäuser 
bildeten  demnach  die  sturmfreien  Reduits  des  bedeckten  Weges, 
in  deren  Feuer  der  Feind  verweilen  musste,  so  oft  er  versuchte, 
in  den  bedeckten  Weg  hinabzusteigen,  um  sich  dort  festzusetzen 
oder  um  die  Kontreskarpe  zu  überschreiten.  Die  Erfahrung 
bestätigte  die  von  ihrer  Einwirkung  gehegten  Erwartungen  voll- 
kommen, so  wie  auch  die  gewählte  Konstruktion  derselben  sich 
in  jeder  Beziehung  bewährte.  Die  Bombenbalkendecke  zeigte 
sich  hinreichend  widerstandsfähig  gegen  den  Bombenschlag  und 
der  Pulverdampf  im  inneren  Räume  verzog  sich  so  schnell,  dass 
die  Besatzung  selbst  bei  dem  lebhaftesten  Gewehrfeuer  dadurch 
nicht  belästigt  wurde  ^). 


»)  Vergl.  n  Taf ;  III  Fig.  2. 

')  Während  des  gewaltsameu  Angriifs  auf  den  gedeckten  Weg  in  der 
Nacht  vom  9.  zum  10.  Mai  verschoss  die  50  Mann  starke  Besatzung  des 
Blockhauses  rechts  des  Bavelins  Hagel  üher  60  Patronen  in  Zeit  von  zwei 

Köhler,  aeschichte  der  Festungen  Danzig  und  Weichselmüude.    II.  7 


Q8 

Es  wurden  angelegt: 

a)  Vor  der  Front  des  Bischofsberges  in  den  4  Waffen- 
plätzen der  eingehenden  Winkel  des  bedeckten  Weges  rechts 
und  links  der  beiden  Raveline  4  Blockhäuser  von  80  bis  90 
Fuss  Länge. 

b)  Rechts  unterhalb  des  Bischofsberges  vor  dem  Saillant 
Hans  Mantel  ein  flescheuförmiges  Blockhaus.  Ein  bedeckter 
Vertheidigungsraum  war  hier  nothwendig,  da  die  an  dieser 
Stelle  belegene  kleine  Kontregarde  mit  offenen  Brustwehrlinien 
von  den  nahe  vorliegenden  Höhen  völlig  eingesehen  war. 

c)  Vor  den  Werken  des  Hagelsberges  im  bedeckten  Wege 
6  Blockhäuser  von  40  bis  60  Fuss  Länge,  und  zwar  eins  der- 
selben in  dem  Waffenplatze  vor  der  linken  Face  des  Bastions 
Kessel,  zwei  in  den  Waffenplätzen  zu  beiden  Seiten  des  Ravelins 
Kessel,  zwei  in  dem  Waffenplatze  links  und  eins  in  dem  Waffen- 
platze rechts  des  Ravelins  Hagel. 

d)  Rechts  unterhalb  des  Hagelsberges  vor  der  Walllinie  bis 
zum  Olivaer  Thore  zwei  Blockhäuser  in  den  beiden  Waffen - 
platzen  der  eingehenden  Winkel. 

e)  Vor  der  Befestigung  des  Holzraumes  in  zwei  Waffen- 
plätzen des  bedeckten  Weges,  und  zwar  vor  dem  sogenannten 
Triangel,  und  in  der  Nähe  des  Anschlusses  an  die  Weichsel  zwei 
grössere  fleschen förmige  Blockhäuser. 

Der  bedeckte  Weg  wurde  im  iibrigen,  da  der  Angriffs- 
punkt aus  den  oben  erwähnten  Gründen  mit  Gewissheit  nicht 
vorherzusehen  war,  auf  dem  ganzen  Umzüge  des  Retranchements 
in  der  gewöhnlichen  Art  unmittelbar  hinter  der  Glacisbnistwehr 
mit  einer  Palisadirung  versehen.  Die  Palisaden  bestanden 
aus  Halbholz,  nämlich  aus  einmal  durch  die  Säge  getrennten 
10-  bis  12  zölligen  Rundhölzern.  Sie  waren  einschliesslich  der 
Spitze  9  Fuss  lang,  ragten  5^2  Fuss  über  dem  Banket  her- 
vor, wurden  IV2  Fuss  unter  der  Spitze  auf  der  nach  Innen  ge- 
wendeten flachen  Seite  verriegelt  und  auf  den  Spitzen  wie  in 
den  Zwischenräumen  auf  der  Riegellatte  (zur  Verhinderung  des 


Stunden  und  dennoch  sammelte  sich  der  Piilverdampf  \m  innern  Raum  nicht 
in  dem  Masse  an^  dass  die  ThHtigkeit  der  Besatzung  dadurch  nur  einen 
Augenblick  gehemmt  worden  wäre. 


__^9 

Auftretens  und  üebersteigens)  rait  starken  und  scharfen  eiser- 
nen Nägeln  besetzt.  —  Die  sonst  gewöhnlichen  Erdtraversen 
des  bedeckten  Weges  Hess  man  weg,  theils  weil  man  —  wie 
erwähnt  —  nicht  beabsichtigen  konnte,  denselben  mit  Truppen- 
massen unmittelbar  zu  vertheidigen ,  theils  weil  die  mittelbare 
Vertheidigung  und  Behauptung  vermöge  des  Feuers  aus  den 
Blockhäusern  durch  jene  Erdtraversen  offenbar  behindert  oder 
ganz  unthunlich  geworden  wäre.  Die  Zweckmässigkeit  dieser 
Weglassung  wird  durch  den  französischen  General  Kirgener  selbst 
gewissermassen  bestätigt,  wenn  er  in  seinem  Werke  über  die 
Belagerung  von  Danzig  Pag.  27  sagt:  on  a  fait  un  d6bouch6 
blinde  pour  entrer  dans  le  chemin  couvert,  qui  n'ayant  point 
de  traverses,  n'offrait  aucun  moyen  de  se  defiler. 

Ausser  der  Herstellung  oder  Neuanlage  des  bedeckten 
Weges  vor  dem  äusseren  Retranchement  unternahm  man  auch 
die  Instandsetzung  eines  Theiles  des  bedeckten  Weges  vor  dem 
Hauptwalle  selbst  und  zwar  vor  den  Bastionen  Jacob,  Fuchs 
und  Luchs.  Es  geschah  dies  in  der  Besorgniss,  dass  der  Feind 
die  Werke  unterhalb  des  Hagelsberges  angreifen  und  nach  deren 
Wegnahme  seine  Approchen  gegen  das  Bastion  Jacob  richten 
könnte.    Demgemäss  wurde 

a)  die  Glacisbrustwehr  vor  den  genannten  Bastionen,  so 
wie  der  Wall  der  kleinen  Fleschen  in  den  eingehenden  Winkeln 
hergestellt  und  palisadirt; 

b)  die  kleine  Ltinette  vor  der  Spitze  des  Bastions  Jacob 
(der  sogenannte  Jacobs  halbe  Mond)  retablirt  und 

c)  links  neben  dem  Ravelin  vor  dem  Jacobsthore  zur 
Deckung  der  Ravelingrabenbrlicke  ein  palisadirter  Waffenplatz 
angelegt. 

2.  üeber  die  Vermehrung,  Verbesserung  oder  Sicherstellung, 
der  Kommunikationen  sowohl  in  den  einzelnen  Werken,  als 
zwischen  den  voreinanderliegenden  Enceinten. 

Um  die  Verbindung  zwischen  den  Haupttheilen  des  äusseren 
Eetranchements  und  der  hinterliegenden  hohen  Front  des  Haupt- 
walles zu  vervollständigen  und  auf  näherem  Wege  als  durch 
die  beiden  Hauptthore  des  letzteren  nach  dem  Hagels-  und 
Bischofsberge  gelangen  zu  können,  wurden  durch  die  Fausse- 
braiemauer   der  Kurtine  Elisabeth — heilige  Leichnam,   unweit 

7* 


löo 

der  Flanken,  zwei  Pforten  gebrochen  und  vor  denselben  quer 
über  den  Hauptgraben  zwei  Prahinfahrten  und  in  ähnlicher  Art 
hinter  dem  Bischofsberge,  rechts  links  des  kleinen  Hauptwall- 
bastions  Katz  drei  solcher  Prahm-Kommunikationen  eingerichtet. 
Die  Prahme  wurden  durch  die  übersetzende  Mannschaft  selbst 
fortbewegt  und  zwar  an  Tauen,  welche  quer  über  den  Graben 
gespannt  auf  beiden  Ufem  befestigt  waren  und  an  einem  Längen- 
bord der  Prahme  in  Rollen  liefen.  Um  demnächst  die  weitere 
direkte  Verbindung  von  der  Kontreskarpe  des  Hauptgrabons 
nach  dem  Hagelsberge  sicher  zu  stellen,  palisadirte  man  die 
beiden  Anschlusslinien,  welche  von  den  Bastionen  Jerusalem 
und  Schütz  bis  zum  Hauptgraben  herunter  führen,  und  in  ähn- 
licher Absicht  schloss  man  auch  den  rechten  Flügel  des  Bischofs- 
berges, welcher  mit  dem  kleinen  Bastion  Vigilance  endet,  durch 
eine  starke  Palisadirung  dem  Hauptgraben  vor  Bastion  Karren 
an,  während  der  linke  Flügel  des  Bischofsberges  durch  die 
Walllinie  am  Petershagener  Thore  mit  den  Hauptwerken  bereits 
in  Verbindung  stand.  —  Ausserdem  wurden  die  dem  Hauptwall 
zugewendeten  hochliegenden  Kehlen  des  Bischofs-  und  Hagels- 
berges mit  einer  Palisadirung  umschlossen,  so  dass  nach  allen 
diesen  Vorkehrungen  beide  dominirenden  Hauptwerke  des  äusse- 
ren Retrauchements  als  selbstständige,  auch  in  ihrer  Verbindung 
mit  dem  Hauptwall  gesicherte  Befestigungen  zu  betrachten 
waren,  von  denen  aus  die  Vertheidigung  und  Behauptung  des 
ganzen  Retrauchements  immer  noch  erfolgen  konnte,  selbst 
wenn  es  dem  Feinde  gelungen  wäre,  sich  durch  Ueberfall  in 
Besitz  einzelner  Theile  desselben,  z.  E.  der  Werke  am  Olivaer 
oder  Neugarten  thore  zu  setzen.  —  Ferner  wurden  zur  Unter- 
haltung militairischer  Verbindungen  am  Ganskruge  zwei 
Fähren  zur  Ueberfahrt  nach  der  Nehrung  und  hinter  dem  rech- 
ten Flügel  der  Holzraumbefestigung  vier  Fähren  zur 
Kommunikation  mit  dem  Holm  in  Gang  gesetzt.  —  In  dem 
äusseren  Retranchement  fehlte  es  an  Poternen  und  gesicherten 
Verbindungen  mit  den  Werken  der  Kontreskarpe.  Um  diesem 
Mangel  abzuhelfen,  wurde 

a)  auf  dem  Bischofsberge: 

Vor  der  zum  Graben  führenden  gemauerten  Poterne  der 
Kurtine  Salvator  -  Mittel*  eine    in    die  Grabensohle    eingesenkte 


101 


100  Fuss  lange  bedeckte  hölzerne  Kommiuiikationsgallerie  bis 
zur  Kehle  des  Eavelins  Mittel,  sodann  in  dem  Kurtineuwall  Mittel- 
Scharfenort  eine  zum  Graben  führende  96  Fuss  lange,  7  Fuss 
breite,  7  Fuss  hohe  Poterne  in  Holz  durch  den  Mineur  augefertigt 
uud  ausserhalb  vor  dieser  Poterne  quer  durch  den  Graben  eine 
unterirdische  100  Fuss  lange  Verbindungsgallerie  nach  der 
Kehle  des  ßavelins  Scharfenort  angelegt,  diese  letzte  Gallerie 
aber  zu  Tage  gearbeitet  und  demnächst  überschüttet. 

b)  Auf  dem  Hagelsberge 

wurde  die  Verbindung  über  den  Graben  nach  den  Ravelinen 
durch  die  schon  oben  beschriebenen  offenen,  zu  beiden  Seiten 
palisadirten  Koffres  gebildet.  Massive  Poternen  waren  vor- 
handen. 

c)  In  der  tenaillirten  Befestigung,  rechts  unterhalb  des 
Hagelsberges,  wurden  in  den  beiden  Rentrants  zwei  gallerieartige 
Poternen  72  Fuss  lang,  4  Fuss  breit,  6  Fuss  hoch,  durch  den 
Wall  getrieben  und  ausserhalb  vor  diesen  Poternen  zwei  be- 
deckte und  krenelirte  hölzerne  Gallerien  quer  durch  den  Graben 
angelegt,  die  Kontreskarpe  hinaufgeführt  und  mit  den  im  be- 
deckten Wege  hier  errichteten  Blockhäusern  in  unmittelbare 
Verbindung  gebracht. 

d)  In  der  linken  Anschlusslinie  der  Holzraumbefestigung 
wurde  eine  40  Fuss  lange  Poterne,  7  Fuss  breit  und  ebenso 
hoch,  in  Holz  zu  Tage  gearbeitet  und  überschüttet  und  ausser- 
halb vor  dieser  Poterne  zur  unmittelbaren  Kommunikation  mit 
dem  vorliegenden  Blockhause  und  Waffenplatz  eine  schwim- 
mende Brücke  über  den  Wassergraben  angebracht,  welche  so 
eingerichtet  war,  dass,  wenn  man  sie  auf  der  Seite  der  Kon- 
treskarpe loshakte,  sie  durch  den  Strom  des  Grabens  sogleich 
an  die  Eskarpe  geschwenkt  wurde  und  hier  angelehnt  liegen 
blieb.  —  Vom  Halbbastion  Triangel  gelangte  man  durch  eine 
Prahmüberfahrt  nach  dem  Holzraum. 

Nächst  allen  vorerwähnten  Vorrichtungen  wurde  es  noch 
erforderlich,  mehrere  dem  Enfilade-  oder  Rückenfeuer  ausge- 
setzten Walllinien  und  Wallkommunikationen  durch  Traversen 
und  Parados  zu  decken,  wie  z.  E.  die  rechte  Face  des  Stifts- 
winkels rechts  des  Olivaer  Thores,  die  rechte  Face  des  Halb- 
bastions Triangel,  die  rechten  Hälften  der  kleinen  Holzraum- 


102 


bastione,  die  Faceu  der  Bastione  Schütz  und  Jerusalem  des 
Hagelsberges,  die  hohen  Flauken  derselben  und  späterhin  nach 
dem  Beginn  des  Enfiladefeuers  vom  Stolzenberge  her  noch  das 
ganze  innere  Plateau  des  Hagelsberges,  zu  welchem  Zwecke 
daselbst  in  der  Eile  drei  grosse  9  bis  10  Fuss  hohe  Traversen 
errichtet  werden  mussten. 

3.  Die  Beschaffung  von  Unterkunftsräuraen  für  Truppen 
und  Munition  in  den  dem  förmlichen  Angriff  ausgesetzten  Werken. 

Durch  die  im  bedeckten  Wege  des  äusseren  Rctranchements 
errichteten  Blockhäuser,  sowie  durch  die  Vermehrung  der  Po- 
ternen  und  durch  die  Anlage  bedeckter  Kommunikationen  war 
schon  einigermassen  für  Unterkunft  von  Mannschaften,  beson- 
ders in  den  Aussenwerken  des  Retranchements  Sorge  getragen 
worden.  —  Innerhalb  des  Hauptwalles  des  Retranchements 
fehlte  es  aber  ebenfalls  ganz  und  gar  an  bombensicheren  Räu- 
men, und  man  hatte  fürerst  nur,  wie  schon  oben  erwähnt  worden 
(I.  9.),  hölzerne  Wachtbuden  errichtet,  um  den  Truppen,  bei 
denen  infolge  des  angestrengten  Dienstes  und  der  rauhen  Jahres- 
zeit die  Krankheitsfälle  auf  eine  beunruhigende  Weise  zunah- 
men, wenigstens  ein  Obdach  gegen  die  Witterung  zu  geben.  — 
Nunmehr  wurde  auch  der  Bau  bombenfester  mit  Kochvorrich- 
tungen versehener  Baracken  begonnen,  in  welchen  die  Truppen 
der  Wallbesatzung  ein  auch  gegen  Hohlgeschosse  geschütztes 
Unterkommen  finden  konnten,  was  um  so  nothwendiger  schien, 
als  während  der  Vertheidigung  noch  auf  bedeutenden  Abgang 
zu  rechnen  war  und  dann  die  Besatzung,  wie  sich  vorausselien 
Hess,  nicht  mehr  stark  genug  bleiben  würde,  um  eine  regel- 
mässige Ablösung  der  Wallwache  eintreten   lassen    zu    können. 

Dergleichen  bombenfeste  Blockgebäude,  bis  auf  die  Feue- 
rungsanlagen ganz  in  Holz  konstruirt,  mit  12  zölligen  Balken 
gedeckt  und  darüber  4  bis  5  Fuss  hoch  mit  Erde  beschüttet  *), 
wurden  an  folgenden  Stellen  errichtet: 

a)  auf  dem  Bischofsberge  hinter  beiden  Kurtinen,  an  den 
Wallgang  angelehnt,  zwei  Baracken  von  resp.  16  und  18  Ruthen 
Länge  und  12  Fuss  Tiefe; 


»)  Vergl.  II  Taf.  III  Fig.  3. 


103 


b)  unweit  des  Neugarten-Thores  im  Bastion  Sandgrube^) 
zwei  Baracken  und  zwar  eine  grössere  innerhalb  des  Abschnittes 
an  der  Wallgangsböschung,  eine  kleinere  ausserhalb  des  Ab- 
schnittes im  Hofe  des  Saillants  freistehend  von  resp.  13  und 
6  Ruthen  Länge; 

c)  auf  dem  Hagelsberge  im  Innern  des  Bastions  Kessel  eine 
Baracke,  freistehend,  von  8  Ruthen  Länge,  und  hinter  der  Kur- 
tiue  Schütz-Jerusalem  an  die  Reversböschung  des  Wallganges 
angelehnt  drei  Baracken  von  resp.  8,  6  und  10  Ruthen  Länge. 
Ausserdem  wiude 

d)  das  alte  Wachthaus  auf  dem  Holzraum,  welches  massive 
Umfassungswände  hatte,  mit  einer  Balken-  und  Erddecke 
belegt. 

Diese  neuen  bombensicheren  Localien  konnten,  für  jeden 
Kopf  18  Quadratfuss  Raum  gerechnet,  etwa  720  Mann  auf- 
nehmen. In  den  oben  gedachten  16  Blockhäusern  des  bedeckten 
Weges  fanden  nach  der  getroffenen  Disposition  zur  Besetzung 
derselben  etwa  750  Mann  Unterkommen,  so  dass,  wenn  ausser- 
dem  noch  auf  Gallerien  und  Poternen  gerücksichtigt  wird,  inner- 
halb des  ganzen  Retranchements  ein  bombensicherer  Raum  für 
mindestens  1600  Mann  vorhanden  war,  d.  h.  für  zwei  Dritt- 
theile  der  wirklich  zur  täglichen  Besetzung  des  Retranchements 
bestimmten  Mannschaf t,  da  diese,  exclusive  einer  in  den  Quartieren 
verbleibenden  Bereitschaft  von  1200  Mann,  2300  Mann  betrug. 

In  Beziehung  auf  den  oben  erwähnten  Barackenbau  könnte 
noch  in  Frage  gestellt  werden,  ob  es  nicht  den  Vorzug  ver- 
dient haben  möchte,  statt  der  an  die  Kurtinenwallgänge  ge- 
lehnten Baracken,  welche  ausschliesslich  den  Zweck  der  bomben- 
sicheren Unterkunft  eines  Theiles  der  Wallbesetzung  haben 
konnte  —  freistehende  vertheidigungsfähige  Blockgebäude  in 
den  Kehlen  des  Bischofs-  und  Hagelsberges  etwa  an  den  Stellen 
zu  errichten,  wo  sich  jetzt  die  permanenten  Reduits  dieser 
Werke  befinden?  Im  rein  fortifikatorischen  Sinne  möchte  man 
geneigt  sein,  diese  Frage  ohne  weiteres  zu  bejahen,  und  zwar 
im  vorliegenden  Falle  um  so  mehr,  als  dergleichen  Reduitposten 


*)  Nach  der  skizzirten  Geschichte  S.  25  wurde  vor  Hansmantel  der  sog. 
Hut  gänzlich  haugardirt,  weil  der  vorliegende  Stolzv^nberg  das  Werk  einsah.  Kh. 


104 


bei  der  grossen  Ausdelmung  des  äusseren  Retranchements  zu 
Danzig  der  Vertheidigung  desselben  mehr  Sicherheit  und  Hal- 
tung und  eben  daher  auch  mehr  Befähigung  beigelegt  haben 
würden,  die  Behauptung  des  angegriffenen  Thciles  bis  auf  das 
äusserste  fortsetzen  und  jedenfalls  den  Sturm  abwarten  zu 
können,  ohne  wegen  der  Folgen  und  namentlich  wegen  Deckung 
des  Rückzuges  der  Besatzung  in  die  liinterliegende  Haupt- 
befestigung zu  bedenkliche  Zweifel  hegen  zu  dürfen,  welche 
letzteren  nicht  selten  zur  voreiligen  Räumung  angegriffener 
Aussenwerke  Veranlassung  gegeben  haben.  —  Wenn  anderer- 
seits aber  erwogen  wird,  ob  mit  Rücksicht  auf  die  Lage  der 
damaligen  Verhältnisse  und  auf  die  ungewisse  Dauer  der  ver- 
fügbaren Zeit  die  Unternehmungen  eines  solchen  Reduitbaues 
auch  rathsam  und  zulässig  gewesen  wären,  so  dürfte  diese  Frage 
bestimmt  verneint  werden  müssen,  da  selbst  die  wirklich  aus- 
geführten sehr  einfachen  Baracken  erst  nach  Beginn  der  Feind- 
seligkeiten belegbar  hergestellt  werden  konnten  —  die  zu  mehr- 
seitigen Rcduits  zusammenzustellenden  grossen  Blockhäuser  aber 
unstreitig  eine  weit  complicirtere  Konstruktion,  dabei  noch  be- 
sondere Vorrichtungen  wegen  ihrer  Verbindung  mit  den  hinter- 
liegenden Werken  und  ausserdem  so  bedeutende  Aufraums- 
arbeiten erfordert  haben  würden,  dass  ihre  rechtzeitige  Voll- 
endung gar  nicht  abzusehen  gewesen  wäre.  —  Auf  diese  Weise 
hätte  es  sich  dann  ereignen  können,  dass  die  Besatzung,  selbst 
für  die  letzte  und  wichtigste  Periode  der  Vertheidigung  sowohl 
ohne  bombensicheres  Unterkommen,  als  ohne  Reduit  geblieben 
wäre,  wobei  besonders  der  Mangel  des  crsteren  wegen  zu  nam- 
haften Verlustes  an  der  schon  sehr  geschwächten  Besatzung 
auf  die  Dauer  und  Energie  des  Widerstandes  leicht  sehr  nach- 
theilig hätte  einwirken  können. 

Bei  dem  grossen  Flächen  räum  der  Stadt  Danzig  selbst 
glaubte  man  auf  Einrichtungen  znr  gesicherten  Unterkunft  von 
Mannschaften  und  Lebensmitteln  im  Innern  derselben  nicht 
weiter  Bedacht  nehmen  zu  dürfen,  da  vorausgesetzt  wurde,  dass 
ein  grossser  Theil  der  Stadt,  namentlich  die  Speicherinsel  und 
Langgarten,  durch  Bombardement  nicht  zu  erreichen 
sein  würden,  was  im  Verlaufe  der  damaligen  Vertheidigung 
sich  auch  bestätigte. 


105 


Zur  bombensicheren  Unterbringung  der  Munition  benutzte 
man  mehrere  auf  der  Niederungsseite  des  Hauptwalles  ausser 
dem  feindlichen  Geschützbereich  belegene  alte  Pulver-Magazine 
und  einige  der  geräumigeren  Gewölbe  in  den  Bastionen  der 
hohen  westlichen  Front  des  Hauptwalles,  und  es  wurden  dem- 
gemäss  5  vorhandene  gemauerte  Friedenspulvermagazine  durch 
Aufbringung  von  Balken-  und  Erddecken  zu  bombenfesten 
Kriegsmagazinen  und  das  grosse  Suterrain  unter  Bastion 
Wieben  von  120  Fuss  Länge  und  9  Fuss  Breite,  nebst  2  an- 
liegenden kleinen  Gewölben  durch  Einbauung  von  Repositorien 
zu  Haupt-Munitions-Depots  eingerichtet. 

Um  aber  einen  grossen  Theil  der  fertigen  Munition  gleich 
in  den  Werken  gehörig  vertheilt  und  sicher  untergebracht  bei 
der  Hand  zu  haben,  errichtete  man  innerhalb  des  Retranchements 
und  im  Umzüge  des  Hauptwalles  62  kleine  Munitionsbehältnisse, 
jedes  durchschnittlich  12  Fuss  laug,  6  Fuss  breit  und  6  Fuss 
unter  den  Rahmen  hoch,  und  ausserdem  noch  7  etwas  geräu- 
migere Behältnisse.  Die  Anlage  dieser  Verbrauchs  -  Magazine 
erfolgte  mehrentheils  in  der  Rückseite  hoher  Wallgänge,  oder 
unter  Traversen  und  WuUprofilen,  insofern  deren  Lage  eine 
angemessene  Sicherung  der  Eingänge  zuliess.  —  Sie  wurden  zu 
Tage  gearbeitet  und  nach  einer  möglichst  einfachen  Konstruk- 
tion angefertigt,  indem  man  sich  hölzerner  Rahmen  von  9  Zoll 
Stärke  bediente,  welche  von  4  zu  4  Fuss  gesetzt,  auf  den  ver- 
tikalen Seiten  mit  6  zölligen  Halbhölzern  hinterlegt,  oben  nach 
der  Länge  des  Raumes  mit  9  bis  lOzölligen  Balken  bedeckt, 
hierauf  rings  mit  Boden  umschüttet  und  über  den  Balken- 
decken mit  einer  mindestens  5  Fuss  hohen  Erddecke  versehen 
wurden.  —  Der  Fussboden  erhielt  eine  Dielung  und  der  Ein- 
gang einen  doppelten  Thürverschluss.  Im  ganzen  hat  die  ge- 
wählte Konstruktion  genügt ;  wenigstens  ist  während  der  ganzen 
Dauer  der  Belagerung  keines  dieser  Pulverbehältnisse  durch 
feindliche  Projectile  zerstört  oder  aufgesprengt  worden. 

4.  Die  Anlage  neuer  Aussen-  und  detaschirter  Werke. 

Zu  diesen  Anlagen  sind  folgende  zu  rechnen: 

a)  Die  Schanze  an  der  Rückf orter  Schleuse  mit  ihrem 
Blockhanse,  die  Verschanzungen  am  Ganskruge  vorlängs  des 
Weichseldammes  und  an  der  Wer  der  sehen  Brücke,  welcher 


106 


Werke  scliou  weiter  oben  wegen  ihrer  Beziehung  zu  den  Inun- 
dations-Au lagen  ausführlich  gedacht  worden,  und  welche  hier 
der  vollständigen  Uebersicht  wegen  nur  nochmals  ei'wähut 
werden. 

b)  Das  Retranchement  längs  des  Stolzenberger  Grundes 
vor  der  Front  Salvator-Mittel  des  Bischofsberges. 

Dies  Werk  bestand  eigentlich  nur  in  einer  Brustwehr, 
welche  der  vorhandenen  Terraingestaltung  folgend  mit  ein-  und 
ausgehenden  Winkeln  hart  an  dem  diesseitigen  dominirenden 
Rande  des  steil  und  tief  eingeschnittenen  Stolzenberger  Grundes 
gebildet  wurde,  um  diesen  vom  Bischofsberge  her  nirgends  be- 
strichenen und  mithin  der  Festung  sehr  nachtheiligen  Grund 
ganz  in  der  Nähe  übersehen  und  wirksam  vertheidigen  zu 
können.  Auf  dem  linken  Flügel  schloss  sich  dies  Retranchement 
dem  bedeckten  Wege  vor  Bastion  Salvator  an,  auf  dem  rechten 
Flügel  wurde  dasselbe  durch  eine  in  Holz  construirte  krenelirte 
28  Ruthen  lange  Gallerie,  welche  man  bis  zur  Schartensohle 
einsenkte  und  mit  einer  Balken-  und  Erddecke  versah,  mit 
dem  bedeckten  Wege  vor  der  linken  Face  des  Bastions  Mittel 
in  Verbindung  gebracht  und  zugleich  durch  diese  Gallerie  die 
sonst  durch  kein  Terrain-Hinderniss  geschützte  rechte  Schulter 
dieses  vorgeschobenen  Retranchements  sowohl  gegen  Einsicht 
als  gegen  gewaltsamen  Angriff  möglichst  sichergestellt.  —  Die 
Gallerie  gewährte  überdies  einen  zweckmässigen  Untcrkunfts- 
rauni  für  einen  Theil  dei*  Besatzung.  —  Zur  niederen  Bestrei- 
chung des  unteren  Einganges  des  Stolzenberger  Grundes  wurde 
auch  die  vor  dem  Legenthore  im  Bereich  der  Inundation  bele- 
gene und  für  einen  gewaltsamen  Angriff  unzugängliche  B arm- 
herz ige-Brüder- Schanze  besetzungsfähig  hergestellt. 

c)  Die  detaschirte  Lünette  dicht  vor  dem  Olivaer  Thore. 
-  Da  dieses  Thor  gegen  das  äussere  Terrain  sehr  exponirt 

liegt,  dasselbe  damals  nur  durch  einen  kleinen,  mittelst  einer 
palisadirten  Erdflesche  verstärkten  Waffenplatz  gedeckt  und  gleich 
wohl  seiner  Lage  nach  für  die  Offensivbewegung  der  Besatzung  vor- 
zugsweise bestimmt  war,  so  schien  es  nöthig,  den  äusseren  Zu- 
gang zum  Thore  noch  durch  eine  Lünette  zu  sichern,  welche 
so  weit  vorgeschoben  wurde,  dass  die  vor-  und  zurückgehenden 
Truppen   sich   hinter  der  Kehle   derselben  ohne   Behinderung 


107 


durchziehen,  und  dass  ihre  Faceii  von  den  anliegenden  Befes- 
tigungslinien noch  hinreichend  ilankirt  werden  konnten.  —  Man 
begann  dies  Werk  erst  in  der  Nacht  vom  3.  zum  4.  April,  nach- 
dem der  Feind  die  Traucheen  vor  dem  Hagelsberge  schon  er- 
öffnet hatte,  so  dass  es  unter  dem  feindlichen  Feuer  vollendet 
werden  musste.  —  Es  erhielt  einen  nur  etwa  6  Fuss  tiefen 
trocknen  Graben,  welcher  längs  der  Kontreskarpe  mit  einem 
dichten  Verhau  versehen  wurde.  Der  Anschluss  an  die  hinter- 
liegende Glaciskrete  erfolgte  ebenfalls  auf  beiden  Flügeln  der 
Lünette  durch  einen  mit  den  Stammenden  eingegrabenen  Ver- 
hau. —  Die  innere  Deckung  des  Werkes  und  namentlich  der 
rechten  Face  gegen  die  links  anliegenden  Höhen  war  schwierig 
und  konnte  nur  durch  starke  Bonnetirung  und  durch  Zuhälfe- 
uahme  von  Traversen  bewirkt  werden. 

d)  Die   kleine  Kalkschanze    am    linken    Weichselufer, 
ungefähr  700  Schritt  vor  der  Befestigung  des  Holzraumes. 

Dies  Werk  wurde  auf  der  Stelle  einer  alten  völlig  einge- 
ebneten Redute  angelegt,  von  welcher  nur  noch  ein  schmaler 
und  nicht  hinreichend  tiefer  Wassergraben  vorhanden  war.  — 
Es  sollte  zur  Verstärkung  und  Flankirung  des  rechten  An- 
schlusses des  äusseren  Retranchcments  zwischen  dem  Olivaer 
Thore  und  der  Weichsel  dienen,  und  zugleich  dem  Feinde  die 
Festsetzung  an  der  Weichsel  und  sein  Vorgehen  gegen  das  Oli- 
vaer Thor  erschweren.  Um  diesen  Posten  vom  Holm  und  vom 
Holzraum  aus  einsehen  und  beheiTschen  zu  können,  wurde  er 
in  den  Grenzen  der  alten  Gräben  nur  in  Form  einer  offenen 
Flesche  hergestellt  und  mit  50  Mann  besetzt.  —  Die  Palisa- 
dirung  war  noch  nicht  zustande  gebracht,  als  der  Feind  in 
der  Nacht  vom  2.  zum  3.  April  sich  des  Werkes  bemächtigte 
und  es  sogleich  zu  einer  geschlossenen  Redute  umzufonnen 
begann.  Am  3.  April  morgens  wurde  dasselbe  wieder  genommen, 
an  demselben  Tage  und  in  der  folgenden  Nacht  die  Palisadirung 
geschlossen  und  rückwärts  eine  gedeckte  Kommunikation  mit 
dem  Holzraum  zustande  gebracht.  Demnächst  beschäftigte 
man  sich  mit  der  Erhöhung  und  Verstärkung  des  Profils  dieses 
Werkes,  da  es  täglich  dem  Geschützfeuer  der  umliegenden  Bat- 
terien ausgesetzt  war.  — 

e)  Die  sogenannte  Blockbausscbauze  auf  einer  schmalen 


108 


Landzunge  an  der  Einmündung  der  Mottlau  in  die  Weichsel, 
der  oberen  Holnispitze  und  der  Einmündung  der  Scliutenlake 
gegenüber.  —  Sie  wurde  auf  der  Stelle  eines  baufälligen,  zu- 
vor zu  demolirenden  alten  Blockhauses,  welches  zur  Zeit  der 
preussischeu  Besitznahme  von  Danzig  im  Jahre  1793  schon  vor- 
handen war,  errichtet  und  erhielt  daher  den  Namen  Blockhaus- 
schanze. Der  Mangel  an  Raum  und  an  Boden  machte  es  noth- 
wendig,  den  12  Fnss  starken,  durchschnittlich  13  bis  14  Fuss 
hohen  Wall  des  Werkes  innerhalb  und  ausserhalb  mit  einer 
senkrechten  —  Holzbekleidung  zu  verseilen,  die  Bankete  und 
Geschützbänke  aber  durch  solide,  aus  Balkenholz  gezimmerte 
und  mit  3  zölligen  Bohlen  belegte  Rüstungen  zu  bilden.  — 
Die  Wallbekleidungen  sowohl,  als  Rüstungen  waren  in  sich  Iiin- 
reichend  stark  verankert,  um  dem  Erddruck  und  der  Erschüt- 
terung des  Geschtttzfeuei-s  zu  widerstehen.  -  Die  der  Festung 
zugewendete  Seite  der  Schanze  bestand  nur  in  einer  3  zöl- 
ligen Bohlenwand,  um  nöthigenfalls  von  den  hinterliegenden 
Fronten  aus  geöffnet  werden  zu  können.  —  Im  Inneren  der- 
selben befand  sich  eine  bombenfeste  Baracke  und  ein  Munitions- 
behältniss.  —  Im  ganzen  wurde  diese  Schanze  so  sorgfältig 
und  regelmässig  erbaut,  dass  sie  hinsichtlich  ihrer  Konstruktion 
einem  im  tiefsten  Frieden  und  bei  günstiger  Jahreszeit  errich- 
teten Werke  völlig  gleich  erachtet  werden  konnte;  indessen  war, 
wie  ei-wähnt,  der  Mangel  an  Erdreich  und  die  weite  Heranschaffung 
des  Materials  dem  Bau  sehr  hinderlich,  und  es  lag  hierin  auch 
die  Veranlassung,  dass  derselbe  erst  gegen  den  Schluss  der 
Vertheidigung  ganz  beendet  wurde.  —  Von  der  Blockhausschanze 
rückwärts  nach  Strohdeich  warf  man  späterhin  längs  der  Mott- 
lau eine  trancheeartige  Verbindungslinie  auf,  um  nach  dem  Ver- 
lust des  Holmes  gedeckt  von  der  Festung  nach  diesem  Posten 
gelangen  zu  können. 

f)  Die  kleine  Verschanzung  an  der  rothcn  Brücke  vor 
dem  Legethore  links  neben  der  Barmhcrzigen-Brüderschanze. 
Dies  Werk  diente  als  Aussenpostcn  des  oben  genannten  Thores 
und  zur  Bestreichung  des  durch  das  überschwemmte  Niederungs- 
terrain nach  Alt-Schottland  führenden  Dammes. 

g)  Ein  detaschirtes  Werk  auf  der  Jesuiterhöhe,  900 
Schritt  vor  der  Front  Salvator-Mittel  des  Bischofsber^es,  etwa 


lOÖ 


auf  derselben  Stelle,  wo  die  Franzosen  während  der  Verthei- 
dignng  im  Jahre  1813  eine  Verschanzung  angelegt  hatten. 
Dasselbe  bestand  in  einer  bastionsförmigen  Lünette,  ihrem  um- 
fange nach  auf  200  Mann  und  4  Geschütze  berechnet,  welche, 
wenn  die  Zeit  es  noch  erlaubt  hätte^  mit  einem  Blockhause  im 
Innern  versehen  worden  wäre. 

Am  8.  März  begann  mau  diese  Arbeit  und  die  Brustwehr 
fing  bereits  an,  sich  zu  bilden,  als  der  Feind  am  10.  März  nach- 
mittags alle  Truppen  der  Besatzung,  welche  sich  auf  dieser 
Seite  der  Festung  noch  ausserhalb  der  Werke  befanden,  bis  an 
das  <31acis  zurückwarf  und  auch  die  Arbeiter  von  der  begonnenen 
Schanze  vertrieb.  Er  wurde  zwar  sogleich  wieder  delogirt,  da 
indessen  diese  Angriffe  in  den  nachfolgenden  Tagen  sich  wieder- 
holten und  keine  Hoffnung  vorhanden  war,  das  Werk  seiner 
weit  vorgeschobenen  Lage  entsprechend  noch  in  einen  hinreichend 
wehrhaften  Stand  setzen  zu  können,  so  wurde  die  Arbeit  an 
demselben  aufgegeben.  —  Ebenso  wurde,  wie  wohl  man  sich 
gegen  einen  regelmässigen  Angriff  viele  Vortheile  davon  ver- 
sprechen konnte,  die  Anlage  eines  vorgeschobenen  selbststandigen 
Werkes  auf  den  Zigankenbergen  gar  nicht  begonnen;  denn 
die  Ai-mirung  der  Hauptwerke  nahm  alle  nur  aufzubringenden 
Kräfte  fortgesetzt  dergestalt  in  Anspruch,  dass  es  nicht  mög- 
lich war.  sich  noch  mit  der  Schöpfung  weit  detaschirter  Aussen- 
post^n  einzulassen,  die  keinenfalls  mehr  ganz  vollendet  oder 
auch  nur  insoweit  haltbar  gemacht  werden  konnten,  um  nicht 
alsbald  mit  Tiiippen  und  Geschütz  ein  Opfer  des  Feindes  zu 
werden. 

h)  Die  Deckungslinien  und  Batterien  auf  der  Holminsel. 
Diese  bestanden  eigentlich  nur  in  einem  zusammenhängenden, 
trancheeaitigen  Aufwurfe,  welcher  dem  ümriss  der  Holminsel, 
und  zwar  den  Dämmen  sowohl  längs  des  Weichselufers  als 
längs  der  Sdintenlake,  folgte ,  um  diese  üferlinie  gegen  das 
feindliche  Feuer  gedeckt  besetzen  und  beobachten  zu  können. 
Dabei  wurden  die  Reste  einiger  alten  Schanzen  benutzt,  um 
darauf  Batterien  zur  Bestreichung  der  Dämme  des  gegenüber- 
liegenden linken  Weichselufers  *)  und  zur  Flankirung  der  Ealk- 


*)  Nach  fler  skizzirten  Oeftchichte  S.  62  wurde    gegenüber  Schellmühl 


110 


schanze  anzulegen.  —  Bei  diesen  im  ganzen  nicht  unbedeu- 
tenden Erdarbeiten  hatte  man.  wie  oben  erwähnt,  hauptsächlich 
nur  den  Zweck  der  Deckung  der  aufgestellten  Mannschaften 
und  Geschütze  vor  Augen,  während  besondere  Sicherungsmass- 
regeln gegen  einen  gewaltsamen  Angriff  nicht  zur  Anwendung 
kamen. 

2.  Die  artUleristische  Armirting. 

Ueber  die  artilleristische  Armirung  erfahren  wir  durch 
Brese^)  die  Aufstellung  der  Geschütze  gegen  den  gewaltsamen 
Angriff,  welche  für  die  Stadt  mit  ihren  Aussenwerken  ohne 
Weichselmünde  249  Geschütze  in  Anspruch  nahm,  wovon  auf  das 
Retranchement  151,  auf  die  Stadtumwallung  93,  auf  die  Block- 
hausschanze 2,  die  Schanze  vor  der  Rückforter  Schleuse  3  Ge- 
schütze kamen.  Zur  Disposition  gegen  den  förmlichen  Angriff 
blieben  nur  12  Geschütze.  In  Weichselmünde  und  Neufahr- 
wasser waren  68  aufgestellt.    Dazu  trat  die  Ausfallbatterie. 

Dem  Kaliber  und  der  Gattung  nach  zerfielen  die  349  Ge- 
schütze ohne  die  Ausfallbatterie  in 

46— 3  pfundige,  120— 6  pfundige,  122— 12  pfundige, 
15 — 20pfündige  Kanonen  *), 

eine  Schanze  für  4  Kanonen  und  weiter  abwärts  eine  zweite  aufgeworfen, 
um  den  Weg  von  Laushof  zu  bestreichen. 

*)  Archiv  S.  74.  Beilage  I.  Die  skizzirte  Geschichte  (Plümicke)  S.  46 
stimmt  in  der  Gesammtzahl  der  Geschütze  darin  überein,  weicht  aber  in  der 
Vertheilung  davon  ab.  Da  anzunehmen  ist,  dass  deren  Angabe  dem  PnUet- 
sehen  Manuskript  entnommen  ist,  so  mag  obige  Berechnung  dem  Armirungs- 
plan  angehören,  die  Pnlletsche  Angabe  dagegen  der  spätem  Verwendung  ent- 
sprechen, da  die  Reserve  darin  zur  Aufstellung  gelangt  ist.  Die  Aufstellung 
war  danach  folgende:  Auf  dem  Hauptwalle  der  Stadtbefestigung  befanden 
sich  in  allen  80  Stück,  auf  dem  Retranchement  vom  Petershagener  Thor  bis 
incl.  Holzraum  141,  in  der  Rückforter  Schanze  5,  am  Ganskruge  8,  im  Block- 
haus 5,  au  der  Werderschen  Brücke  2,  an  der  rothen  Brücke  2,  in  der  barm- 
herzigen Brüderschanze  3  und  auf  dem  Holm  15.  In  Wefchselmünde  und 
Neufahrwasser  88  Geschütze. 

*)  Es  sind  dieselben  Kaliber,  welche  die  Stadt  nach  dem  schwedischen 
Kriege  1626—1629  eingeführt  hatte  und  die  wir  oben  Bd.  I  S.  478  haben  ent- 
stehen sehen.  Die  Uebereiustimmung  in  der  Zahl  mit  den  Geschützen,  mit 
welchen  die  Stadt  1734  ausgerüstet  war,  .scheint  zu  ergeben,  dass  ein  Zu- 
wachs seitdem  nicht  eingetreten  war.  Sie  waren  mit  der  Stadt  1793  an 
Prenssen   übergegangen   und  von  diesem  nicht  vermehrt  worden. 


111 


9 — 7  pfundige,  11 — lOpfündige  Haubitzen, 
15 — SOpftindige,  11 — öOpfiindige  Mörser. 

Die  Aufstellung  war  ganz  den  bekannten  Grundsätzen  ent- 
sprechend, wonach  die  3-  und  6 pfundigen  Kanonen  als  Flanken- 
geschütze,  die  12 pfundigen  Kanonen  und,  wo  das  Terrain  es 
erforderte,  Haubitzen  zur  Bestreichung  des  Vorterrains  auf  den 
Facen  oder  ausspringenden  Winkeln,  die  Mörser  zur  Beleuch- 
tung des  Vorterrains  auf  den  Kurtinen  oder  in  den  Spitzen  der 
Bastione  aufgestellt  waren.  Auch  ist  eine  Bevorzugung  des 
Bischofs-  und  Hagelsberges  oder  gar,  dass  dieselben  von  vorn- 
herein gegen  den  förmlichen  Angriff  bewaffnet  waren,  nicht  zu 
erkennen.  Um  so  auffallender  ist  die  geringe  Zalil  der  Reserve- 
geschütze, die  gegen  den  förmlichen  Angriff  disponibel  gehalten 
wurden,  was  aber  noch  mehr  ist,  sie  gelangten  gar  nicht  zu 
dieser  Verwendung,  weil  das  sich  bald  herausstellende  Bedürfniss, 
die  Weichsel  in  ihrem  untern  Lauf  zu  beherrschen,  und  später 
die  Besorgniss,  den  Holm  zu  verlieren,  dahin  führten,  dass  sie 
sämmtlich  wenigstens  der  Zahl  nach  dahin  detachirt  wurden. 
Diese  Reserve  von  12  Geschützen  gegen  den  förmlichen  Angriff 
bestand  aus  5 — 12pftindigen  und  4 — 20pfündigen  Kanonen, 
2 — 10  pfundigen  Haubitzen  und  einem  Flankengeschtitz. 

Die  sehr  schwerfälligen  20  pfundigen  Kanonen  wurden  zum 
gi'üssten  Theil  auf  der  hohen  Front  (Bastion  Gertrud,  Wieben, 
KaiTcn,  Elisabeth  und  Jakob)  vei-wendet,  wo  sie  den  ganzen 
Verlauf  der  Belagerung  stehen  bleiben  und  dabei  das  Terrain 
vor  dem  Petershagener  und  Olivaer  Thor  bestreichen  konnten. 
Vermöge  des  tief  eingeschnittenen  Schidlitzthals  konnten  sie 
auch  gegen  einen  förmlichen  Angriff  auf  den  Bischofs-  oder 
Hagelsberg  hinwirken.  Auf  dem  Retranchement  selbst  sind  nur 
2  zur  Verwendung  gelangt').  Auffallend  erscheint,  dass  die 
schwache  Olivaer  Front  nur  mit  20,  der  Anschluss  zwischen 
dem  Bischofs-  und  Hagelsberg,   der  ziemlich  dieselbe  Ausdeh- 


')  Wenigstens  bei  der  AnfsteUnng  gegen  den  gewaltsamen  Angriff. 
Da  jedoch  5— 20pfündige  Kanonen  im  Lauf  der  Belagenmg  auf  der  Angriffs- 
front demontin  worden  sind  (Brese  Archiv  Bd.  11.  S.  62  Note),  so  müssen 
gegen  den  förmlichen  Angriff  noch  mindestens  3  aus  der  Reserve  auf  den 
Hr.gelsberg  geschafft  worden  sein. 


112 


nung  hat,  dagegen  mit  45  Geschützen  besetzt  worden  sind. 
Das  Verhältniss  findet  seine  Erklärung  jedoch  darin,  dass  der 
Anschhiss  wegen  der  zahlreichen  ausspringenden  Winkel  seines 
tenaillirten  Tracees  eine  grössere  Zahl  von  Flankengeschützen 
erforderlich  machte  (23  gegen  9)  und  eine  grössere  Zahl  von 
Wurfgeschützen  zur  Beleuchtung  der  vorliegenden  Schluchten 
bedurfte  (7  gegen  2). 

Aus  allem  geht  hervor,  dass  die  Ausrüstung  des  Platzes 
mit  Geschützen  eine  zu  geringe  war.  Noch  viel  grösser  war 
indessen  die  Kargheit  in  der  Ausrüstung  der  Festung  mit 
Pulver. 

Nach  dem  Originalbericht  des  Artillerie-Offiziers  vom  Platze, 
Majors  von  Oppen,  vom  12.  März  1S04  *)  befanden  sich: 

ctr.    Pfd. 

1.  Im  Haupt-Depot  (in  den  Gewölben  des  Bastions 

Wieben)  zu  Munition  verarbeitet 1091—35 

2.  In  den  Pulvermagazinen  auf  der  Niederungs- 
seite der  Festung  in  losem  Pulver  in  FäSvSern      618—55 

3.  In  den  Verbrauchs-Pulvermagazinen  der  Werke 
in  Kartuschen,  Bomben,  Granaten,  Leucht- 
kugeln etc 393—77 

und  an  losem  Pulver  in  Fässern     .....         8—55 

4.  An  Gewehr-  und  Karabinerpatronen  808272  304—37 
Ausserdem  an  Pulver,   theils  von  Privatleuten 
angekauft,  theils  aus  Pillau  erhalten^)     ...      142     — 

In  Summa  zu  Danzig    2558—39. 
Den  Befestigungen  von  Weichselmünde  und  Neu- 
fahrwasser waren  zugetheilt  worden 345    — 

Summa  des  ganzen  Bestandes 

bei  erfolgender  Einschliessung   2903—39. 


*)  V.  Brese  S.  96.  96.  Das  Pulver  aus  Pillau  pp.  ist  erst  am  6.  April 
angelangt,  daher  das  „ausserdem".  Es  geht  daraus  hervor,  dass  der  Graf 
Kalkrenth  sich  sogleich  nach  seiner  Ankunft  den  Pnlverrapport  vorlegen 
Hess. 

•)  Die  von  Pillau  erhaltenen  125  Ctr.  Pulver  waren  infolge  Requisition 
des  Guvemements  um  Vennehrung  der  Bestände  von  500  Ctm.  übersendet 
worden.  Auf  weitere  300  Ctr.  gab  der  Kr>nig  unterm  26.  April  eine  wieder- 
holte Anweisung   an   das    1.  Departement  des  OberkriegskoUegiums ,   wie  es 


Nach  der  skizzirten  Geschichte  der  Belagerung  sind  nach 
der  Berennung  noch  600  Centner  Pulver  von  Danziger  Kauf- 
leuten  aufgekauft  worden,  die  jedoch  nur  zur  Füllung  von 
Bomben  etc.  zu  verwenden  waren*). 

Als  Haupt-Laboratorium  wurden  die  Gewölbe  des  Bastions 
Elisabeth,  speciell  der  in  der  Erdschüttung  desselben  gelegene 
alte  Eandelersthurm  benutzt. 

G.   Die  Besatzung. 

Der  Guverneur  Graf  Kaikreuth,  welcher  am  11.  März, 
dem  Tage  Ae%  Berennung,  in  Dauzig  eintraf,  war  bereits  ein 
70er.  Aus  der  Schule  Friedrichs  des  Grossen  hervorgegangen, 
hatte  er  sich  in  den  Revolutionskriegen  vielfach  ausgezeichnet, 
war  ein  gewandter  Taktiker  und  verstand  es,  seine  Untergebenen 
zu  inspiriren.  Auch  mit  dem  Festungskriege  war  er  vertraut. 
Dabei  war  er  ein  wissenschaftlich  gebildeter,  vor  allem  aber 
ein  humaner  Mann,  der  das  Vertrauen  der  Bürgerschaft  in 
hohem  Grade  genoss  und  sie  zu  grosser  Opferwilligkeit  fort- 
riss.  Er  soll  nach  Boyen  (Erinnerungen  1,  264)  ungern  nach 
Danzig  gegangen  sein.  Boyen  schildert  ihn  als  eingefleischten 
Egoisten  und  wirft  ihm  den  Verlust  der  Schlacht  von  Auer- 

schdnt  anf  Drängen  des  Guyenieurs  (Belagerung  von  Danzig  1807.  Aas 
den  Originalpapieren  pp.  Posen  und  Leipzig  1809  S.  183).  Graf  Kalk- 
renth  drückt  sich  hierüber  in  einem  Schreiben  vom  6.  Mai  an  den  Major 
Y.  Oppen  (S.  184)  wie  folgt  aus:  „Ew.  pp.  wissen,  dass  wir  nur  500  Ctr. 
Pnlver  gefordert  haben,  davon  sind  125  Ctr.  bereits  hier,  fKX)  wahrscheinlich 
schon  in  Nenfahrwasser,  wenn  wir  aber  auch  diese  hereinbekommen,  das 
doch  wohl  zwischen  hier  und  8  Tagen  geschehen  muss,  so  würden  diese  doch 
nnr  auf  4  Tage  reichen.  Wie  kömmt  es,  dass  nicht  gleich  mehr  gefordert 
worden?  and  wäre  deshalb  etwas  versehn,  so  wäre  es  noch  Zeit,  eiligst  die 
benöthigte  Quantität  nachzufordern".  Am  folgenden  Tage  ging  jedoch  der 
Holm  verloren  und  diese  300  Ctr.  sind  nicht  nach  Danzig  gelangt.  200  da- 
Yon  gfingen  mit  dem  Dauntless  verloren.  Wie  aus  dem  Schreiben  des  Grafen 
Kalkreath  hervorgeht,  trifft  das  Guvernement  die  Schuld,  nicht  mehr  und 
nicht  frühzeitig  genug  gefordert  zu  haben.  Vorzugsweise  wird  dadurch  je- 
doch das  1.  Departement  kompromittirt.  Von  den  Zeitgenossen  wurde  die 
Entlassung  des  Guvemeurs  von  Königsbnrg  v.  Rüchel  nach  dem  Kriege  mit 
der  verspäteten  Sendung  der  300  Ctr.  in  Verbindung  gebracht. 

*)  Höpfner  bringt  diese  345  Ctr.  irrthümlich  von  dem  Bestände  an 
Pulver  in  Danzig  in  Abzug  und  erwähnt  auch  die  600  nachträglich  von  den 
Kaufleuten  beschafften  Centner  nicht 

Kdhler,  Geschicbte  der  Festangen  Danzig  und  Weichsel mUnde.    IL  8 


114 

stedt  vor  (Erinnerungen  1,  197).  Gneisenan  urtheilt  noch  i-flck- 
sichtsloser  über  ihn;  der  Prinz  August  von  Preussen,  der  1806 
in  Thüringen  unter  ihm  stand,  beschuldigt  ihn  auf  dem  Rück- 
zuge nach  der  Schlacht  von  Auerstedt  sein  Koit)s  verlassen  zu 
haben.    Kriegsgeschichtliche  Einzelheiten  I  2.  Heft. 

Der  ihn  während  der  Armirungszeit  der  Festung  vertretende 
Viceguverneur  v.  Maust  ein  besass  keine  der  geselligen  Eigen- 
schaften Kaikreuths  und  hatte  sich  den  Hass  seiner  Untergebenen 
und  der  Bürgerschaft  durch  seine  Pedanterie  und  Strenge  im 
höchsten  Grade  zugezogen.  Er  ist  von  den  Zeitgenossen  hart  ver- 
urtheilt  worden.  Namentlich  machte  man  ihm  den  Vorwurf,  2000  bis 
3000  Mann  der  Besatzung  in  unnützen  Gefechten  in  der  Umgegend 
verloren  zu  haben  ^),  die  zur  Ausführung  der  Armirungsarbeiten 
höchst  nothwendig  in  der  Festung  gewesen  wären  und  späterhin 
bei  der  Vertheidigung  vortreffliche  Dienste  geleistet  hätten. 

Kommandant  war  der  General  von  Hamberger,  kein 
Jüngling  mehr,  aber,  wie  sich  der  Verfasser  der  „Preussen  in 
Danzig"  ausdrückt,  an  Geisteskräften  ein  Jüngling  von  uner- 
müdlicher Thätigkeit  und  Umsicht. 

Der  Ingenieur  vom  Platz,  v.  PuMet.  war  zwar  noch 
Lieutenant,  aber  nach  dem  Zeugniss  eines  kompetenten  Augen- 
zeugen „vielleicht  einzig  geeignet,  eine  Befestigung  wie  die  von 


*)  Dieser  Vorwurf  ist  nnr  zum  Theil  begründet  und  der  Verlust  von 
2000  bis  3000  Mann  übertrieben.  Es  war  dem  General  von  Manstein  gelungen, 
die  pohlischen  Insurgenten ,  welche  seit  December  1806  Westpreusseu  beun- 
ruhigten, in  Zaum  zu  halten,  dagegen  überstieg  es  seine  Kräfte  Dirschau  be- 
haupten zu  wollen,  nachdem  der  General  Menard  mit  den  Badenern  und  der 
Nordlegion,  zusammen  gegen  5000  Mann,  von  Stettin  kommend,  am  18.  Febr. 
bei  Stargardt  eingetroffen  war  und  sich  mit  den  Polen  vereinigt  hatte.  Man- 
stein beauftragte  am  20.  den  Major  Both,  mit  600  Mann  und  zwei  leichten 
Geschützen  (!)  Dirschau  zu  besetzen  und  so  in  Vertheidigungszustand  zu 
setzen,  dass  er  es  24  Stunden  halten  könne,  wo  er  durch  den  Major  Wostrowski 
der  mit  800  Mann  Fussvolk,  300  Reitern  und  4  Geschützen  bei  Mühlbauz 
im  Danziger  Werder  stand,  entsetzt  werden  würde.  Der  General  Menard 
Hess  Dirschau  am  28.  angreifen  und  verlegte  dem  Major  Wostrowski  den 
Weg.  Die  Stadt  wurde  nach  hartnäckigem  Widerstand  erstürmt.  Nur  277 
Mann  der  Besatzung  entkamen  nach  Danzig.  Ebenso  fehlerhaft  war  es  vom 
General  Manstein,  dass  er  auf  der  Danziger  Nehrung  nicht  einige  Schanzen 
aufwerfen  Hess,  da  die  zur  Vertheidigung  der  Nehrung  aufgestellte  Mann- 
schaft vr)]lig  unzureichend  dazu  war. 


115 

jDanzig  zu  fiberselin  und  gegen  einen  hartnäckigen  Angriff  so 
lange  zu  erhalten,  wie  es  geschah."  Ihm  zur  Seite  stand  der 
Major  Bousmard,  ausgezeichnet  durch  seine  Geschicklichkeit 
als  Ingenieur  und  seine  theoretischen  Kenntnisse,  wie  durch 
seinen  Charakter.  Er  war  nach  Auflösung  der  Ingenieuraka- 
demie, wo  er  Lehrer  gewesen  war,  nach  Danzig  gegangen,  um 
sich  nützlich  zu  machen,  und  übernahm  hier  die  schwierigsten 
Bauausführungen,  sowohl  während  der  Armirung  wie  später  bei 
der  Vertheidigang.  Er  bewies  sich  dem  Lieutenant  Pullet 
gegenüber  so  ohne  allen  Egoismus,  dass  er,  wie  der  Verfasser 
des  „belagerten  Danzig"  erzählt,  bei  versammeltem  Kriegsrath 
den  Lieutenant  Pullet  bei  der  Hand  fassend  ausrief:  „Ich  sehe, 
dass  Sie  das  gute  wollen,  wie  ich  es  ebenfalls  aufrichtig  will, 
ich  werde  daher  Ihr  Adjutant  sein,  das  soll  uns  künftig  zur 
Eichtschnur  dienen."  Als  Ingenieur -Brigadier  war  der  Major 
Euhfuss  kommandirt.  Ende  April  traf  noch  der  Ingenieur-General 
Laurens  vom  Ingenieur-Departement  des  Oberkriegskollegiums 
ein,  den  sich  der  Graf  Kaikreuth  bei  seinem  Abgange  von  Memel 
speciell  vom  Könige  ausgebeten  hatte.  Seine  Wirksamkeit  ist 
nicht  über  die  Beiwohnung  des  Kriegsraths  hinausgegangen. 
Der  Artillerieofficier  vom  Platz,  Major  von  Oppen,  wurde 
während  der  ganzen  Belagerung  vom  Guverneur  infolge  der 
guten  Dienste  der  Artillerie  auf  Händen  getragen.  Er  hatte 
vortreffliche  Stützen  an  den  Hauptleuten  von  Fiebig,  der  jedoch 
gleich  in  den  ersten  Tagen  nach  der  Einschliessung  schwer  ver- 
wundet wurde  und  starb,  von  Holtzendorf,  Kommandeur  der 
Ausfallbatterie  und  später  der  Artillerie  des  Hagelsberges,  von 
Studnitz,  anfangs  Kommandeur  der  Artillerie  des  Hagelberges, 
später  des  Bischofsberges,  und  Wilke,  Kommandeur  der  Artillerie 
der  Olivaer  Front.  Von  den  Kommandeuren  der  Infanterie  wird 
vor  allem  der  Major  v.  H  o  r  n  vom  Regiment  Courbiere  gerühmt. 
Er  war  Kommandant  des  Hagelsberges  ^)  und  von  einer  rast- 
losen Thätigkeit.    Seiner  Wachtsamkeit  ist  zum  grossen  Theil 


^)  So  wird  Hörn  für  gewöhnlich  hezeichnet.  Kommandant  des  Hagels- 
berges war  jedoch  während  der  Belagemng  von  Danzig  der  General  v.  Harn- 
berger.  Hom  war  Stabsoffizier  du  joar  auf  demselben  nnd  wechselte  in 
dieser  Fanktion  mit  dem  Kapitain  v.  Natzmer.  Skizzirte  Geschichte  S.  181 
and  das  ^belagerte  Danzig''  S.  34. 

8* 


116 

die  Erhaltang  des  Hagelsberges  zuzuschreiben.  Er  revidirte 
in  der  Nacht  mehrentheils  jede  Schildwache  und  jeden  wichtigen 
Posten  wiederholentlich  und  das  in  einer  Zeit  von  8  Wochen, 
wo  niemand  mehr  aus  den  Kleidern  gekommen  ist.  Höchst 
thätig  waren  ferner  der  Major  von  Brauchitsch,  Kommandant 
des  Bischofsberges,  Major  von  Kamptz  am  Olivaer  Thor  und 
von  Wostrowski  auf  dem  Holzraura. 

Als  Kommandant  von  Weichselmttnde  fungirte  der  Oberst 
von  Schaper,  in  Neufahrwasser  der  Oberst  Schuler  von 
Senden.  Auf  den  erstem  war  die  Bürgerechaft  von  Danzig 
nicht  gut  zu  sprechen.  Die  Geschichte  weiss  sonst  nichts  von 
ihm  zu  erzählen. 

Die  Stärke  der  Garnison,  welche  bei  Eröffnung  des  Feld- 
zuges im  Oktober  1806  aus  einem  Infanterie-Regiment,  einigen 
dritten  Musketierbataillonen  und  5  Invalidenkompagnien,  zu- 
sammen aus  2900  Mann  Infanterie,  100  Mann  Artillerie  und 
16  Reitern  bestand  0,  hatte  am  12.  März  1807  die  Höhe  von 
12  273  M.  Inf.  mit  296  Offz.,  1613  M.  Kav.  mit  40  OflFz.,  1380 
M.  Art.  mit  23  Offz.,  und  21  M.  vom  Ingenieurkorps  mit  11 
Offz.,  zusammen  15287  mit  370  Offz.  erreicht.  Sie  war  aus  den 
verschiedensten  Elementen,  zum  Theil  sehr  unzuverlässigen,  zu- 
sammengesetzt. Zu  letztern  gehörten  namentlich  die  Polen, 
welche  in  dem  zur  Zeit  insurgirten  Südpreussen  ausgehoben 
worden  waren  ^). 

^)  Nach  Höpfner  S.  377  setzte  sich  die  Garnison  aus  folgenden  Truppen- 
theilen  zusammen: 

a.  an  Infanterie. 

das  neuformirte  Grenadier-BataiHon  Schmeling 746  Mann 

„    Grenadier-BataiUon  Rrauchitseh       725  „ 

„    Infanterie-Regiment  Hamherger 1247  „  . 

„           „               „         Courbiere 1195  , 

»           »                »         Diericke 1344  , 

die  3.  Musketierbataillone  von  Courbiere,  Diericke,  Kaikreuth, 

Besser,  Treskow,  Kaufberg  und  Kropf 4635  „ 

Reste  der  Füsclierbataillone  Pelet  und  Rühle 429  „ 

das  Fttselierbataillon  Rembow 518  „ 

die  Jägerkompagnie  Werner 141  ,, 

die  Füselierdepots  von  Rembow,  Wackenitz,  Bergen,  Stutterheim, 

Bülow,  8chachtmeier,  Greifenberg 279  „ 

das  Reservebataillon  Man  st  ein       269  „ 


117 


Davon  befanden  »ich  in  der  Stadt  216  Oflfz.  8265  M.  Inf., 
1459  M.  Kav.,  12Q0  M.  Artillerie  und  19  M.  des  Ingenieurkorps; 


das  Krockowsche  Freikorps 700  Manu 

die  2.  westpreussische  Invalideiikompaguie  (die  übrigeu  wareu 

aufgelöst  worden) 45 

zusammen     12273  Mauu 

b.  an  KavaUerie. 

Das  1.  Bataillon  von  Königin  Dragoner, 329  Manu 

die  Reste  des  Regiments  Rouquette  Dragoner,        380  „ 

ein  Kommando  von  König  von  Baiern  Dragoner, 60  „ 

Depot  des  Regiments  Reitzeustein  Kürassiere 141  „ 

9        n            a          BaUiodz  Kürassiere       54  „ 

8  Reserve-Schwadronen  und  Detachements  verschiedener  Regi- 
menter         549 

die  Krockowsche  reitende  Jäger-Schwadron 100  , 

zusammen       1613  Manu 

c.  an  ArtiUerie. 

Feldartillerie  unter  Major  von  Oppen 432  Mann 

FestnngsartiUeiie  unter  Major  Arent 109      „ 

provisorische  Artillerie  aus  Rauzionirten 572      „ 

Hülfsmannschaft,  zusammengestellt  ans  den  Füselierdepots  von 

Hinrichs,  Knorr,  Borel,  Oswald  und  Kloch 267      „ 

zusammen  1380  Mann 
d.  an  Ingenieuren:  11  Offiziere,  21  Mann 
Dazu  kamen  ende  März  und  aufang  April  zwei   pommersche 

und  ein  neumärkisches  Reserve-Bataillon 1582  Mann 

drei  Bataillone  russische  Infanterie 3736      „ 

drei  PoUcs  Kosacken 1063      „ 

in  Summa     21 668  Mann. 

Eine  andere  Stärkenachweisung  der  Besatzung  theilt  von  Duisburg 
S.  313  mit,  ohne  jedoch  seine  Quelle  zu  nennen.  Da  er  in  Danzig  anwesend 
war,  mag  er  sie  sich  damals  verschafft  haben.  Sie  trägt  kein  Datum  und 
weicht  im  einzelnen  ab,  stimmt  jedoch  in  der  Totalsumme  im  wesentlichen 
überein.  Ich  habe  daraus  die  Stärke  der  drei  Reserve-Bataillone  und  der  Russen 
entnommen.  Höpfner  erwähnt  auffallenderweise  von  dem  ueumärkischen  Re- 
serve-Bataillon, das  zuletzt  eintraf,  nichts,  ausser  einmal  ganz  beiläufig,  wo 
er  von  zwei  Kompagnien  des  Bataillons  spricht. 

Der  früher  im  BlÜcherschen  Husaren-Regiment  gestandene,  als  Ritt- 
meister verabschiedete  Graf  Krockow  auf  Gr.-Pnist  in  Hinterpommern  war 
unterm  27.  December  auf  sein  Ansuchen  als  Kommandeur  eines  Freikorps 
bestätigt  worden,  das  er  durch  Unterstützung  der  pommerschen  Stände  auf- 
zubringen versprach.    Das  Nähere  über  ihn  bei  Höpfner  S.  341  und  Friccius. 


118 


als  Besatzang  des  Holms  2  Offz.,  269  M.  Inf.  und  einige  Ar- 
tilleristen (fttr  die  Bataillons-Eanonen). 
In  Weichselmfinde  8  Officiere,  309  Mann  Infanterie,  60  Artilleris- 
ten und  1  Mineur,  zusammen  12  Offleiere  370  Mann. 
In  Neufahrwasser  46  Officiere,  2222  Kombattanten,  wovon  etwa 

120  Mann  Artillerie,  1  Mineur  und  2  rtd.  3-Pfdr. 
Auf  der  Nehrung  unter  dem  General  Ronquette  1448  Kombat- 
tanten, worunter  54  Kürassiere  von  Balliodz  nebst  einer 
halben  reitenden  Batterie  Stieler*). 
Die  Besatzung  hätte  allenfalls  genftgt,  wenn  es  sich  bloss 
um  die  Besatzung  der  Stadt  mit  ihren  Aussenwerken  und  von 
Weichselmttnde  und  Neufahrwasser  gehandelt  hätte.  Durch 
den  Hinzutritt  des  Holms  und  der  Nehrung  wurde  sie  jedoch 
ungenügend.  Die  nächste  Folge  war  die  zu  schwache  Be- 
setzung dieser  beiden  Terrainabschnitte  und  deren  Wegnahme 
durch  den  Feind.  Es  wurde  dahin  abgegeben,  nicht  was  er- 
forderlich gewesen  wäre,  sondern  was  man  nach  der  regle- 
mentsmässigen  Besetzung  der  Stadt  etc.  glaubte  entbehren  zu 
können.  Aber  auch  nach  der  Wegnahme  der  Nehrung  und 
nach  der  Verstärkung  durch  3  Reserve-Bataillone  und  die 
Russen,  die  leider  erst  nach  dem  Verlust  der  Nehrung  ein- 
trafen, trat  eine  sehr  schnelle  Abnutzung  der  Besatzung  durch 
die  Furcht  eines  gewaltsamen  AngriiFs  von  selten  des  Belagerers 
ein,  welche  durch  die  Möglichkeit  des  Gelingens  desselben,  so- 
weit das  Retranchement  in  Betracht  kam,  hauptsächlich  aber 
durch  allerhand  Gerüchte  genährt  wurde.  Infolgedessen  trat 
die  vom  Ingenieur  des  Platzes  ausgearbeitete  Disposition  der 
Besetzung  der  Werke,  wonach  etwa  die  Hälfte  der  Garnison 
einen  Tag  um  den  andern  eine  völlige  Ruhe  genossen  hätte'), 


^)  Höpfner  giebt  S.  379  auch  die  Trnppentheile  dieser  einzelnen  Kate- 
gorien an.  Bei  Duisburg  finden  sich  dieselben  für  Neufahrwasser  und  Weichsel- 
mttnde auch  für  die  spätere  Periode. 

*)  Pittmicke  theilt  in  der  skizzirten  Geschichte  der  Belagerung  S.  42 
nach  dem  handschriftlichen  Werke  Pnllets  über  die  Vertbeidigung  von  Danzig 
die  Zahlen  der  Disposition  in  Bezug  auf  die  Stadt  und  deren  Aussenwerke 
mit  (siehe  auch  Höpfner  S.  380).  Danach  hätte  eine  Besatzung  von  8300  Mann 
für  die  Stadt  genügt,  um  der  Hälfte  derselben  einen  Tag  um  den  andern 
Völlige  Ruhe  zu  ^eben,  indem  nur  ein  Sechstel  zv\x  immittelbaren  Besetzung 


119 

nicht  ein,  souderu  die  gesammte  Garuisou  war  jede  Nacht  auf 
*  den  Beinen,  und  die  Kleider  wurden  seit  dem  Tage  der  Be- 
rennung  nicht  abgelegt.  Dazu  kamen  die  massenhafte  Desertion 
und  die  Verluste  durch  Krankheit  und  Gefechte,  infolge  des 
offensiven  Charakters,  den  die  Vertheidigung  seit  dem  Ein- 
treffen des  Guverneurs,  Grafen  Kaikreuth,  annahm. 

An  Lebensmitteln  hat  es  während  der  ganzen  Dauer  der 
Belagerung  nicht  gefehlt^),  und  ist  deren  Preis  bei  den  guten 
Anordnungen  des  Guverneurs  auch  nicht  zu  sehr  in  die  Höhe 
getrieben  worden.  Ftir*Aerzte  war  ausreichend  gesorgt  und 
an  Lokalen  für  die  Lazarethe  und  deren  Ausrüstung  konnte  es  in 
einer  Stadt  von  dem  Umfange  wie  Danzig  und  dem  Geiste 
seiner  Bevölkerung,  soweit  diese  hier  in  Betracht  kommt  ^), 
nicht  fehlen. 

d.   Die  Kriegslage. 

Der  Zeitgewinn  von  vollen  zwei  Monaten,  welchen  die  Ar- 
mirungsarbeiten  von  Danzig  erhielten,  war  den  Bussen  zu 
danken.  Gegen  sie  hatte  sich  Napoleon  zunächst  wenden  müssen, 
und  dazu  waren  alle  seine  disponiblen  Kräfte  erforderlich  ge- 
wesen. Leider  hatte  ein  unmotivirter  Rückzug  Bennigsens  die 
grosse  Barriere  der  Weichsel  in  französische  Hände  gegeben. 
Sein  Sieg  von  Pultusk  am  26.  December  hatte  darin  nichts 
ändern  können,  er  hatte  nur  die  Bedeutung  eines  glücklichen 
Rückzugsgefechts.  Napoleon  breitete  sich  auf  dem  rechten 
Weichselufer  bis  zum  frischen  Haflf  aus  und  verlegte  seine  der 
Ruhe  bedürftige  Armee  in  die  Winterquartiere,  die  Passarge, 
die  Alle  und  den  Amuleff  bis  zur  Narew  vor  der  Front.  In 
der  Regelung  dieser  Winterquartiere,  die  anfang  Januar  1807 
eintrat,  drückt  sich  zuerst  seine  Absicht  auf  Danzig  aus  ^).    Sie 


der  Werke  als  Wache  erforderlich  geweseu  wäre,  ein  auder  Sechstel  als 
Piket  für  die  Dauer  der  Dunkellieit  diente  und  ein  drittes  Sedistel  sich  an- 
gekleidet im  Quartier  hefaud. 

*)  Den  nähern  Nachweis  giebt  Höpfuer  S.  381. 

•)  Danzig  hatte  zur  Zeit  44,511  Einwohner,  wovon  43,267  Lutheraner, 
485  Anabaptisten  und  786  Juden.    Nibuatnias  S.  20. 

*)  Befehl  an  den  General  Victor  vom  4.  Januar  1807.  M.  Dumas  T.  XVni 
S.  300 :  .  .  .  vous  agirez  ensemble  devant  Dantzick  pour  f ormer  le  blocus  de 


120 


sollten  die  Belagerung  von  Danzig  und  Graudenz,  der  alleinigen 
Bollwerke  der  Weichsel,  decken.  Vor  Einnahme  des  ersteren 
war  eine  Fortsetzung  der  Operationen  nicht  möglich.  Später 
wurde  ein  neu  zu  errichtendes  Armeekorps,  das  10.  unter,  dem 
Marschall  Lefebvre,  zu  dem  Zweck  errichtet,  Danzig  zu 
blockiren  *). 

Wenn  dennoch  zwei  neue  Monate  vorüber  gingen,  bevor 
an  die  Ausffihrung  der  Belagerung  gegangen  werden  konnte, 
so  lag  dies  in  dem  erneuerten  Vorgehu  Bennigsens,  diesmal 
auf  preussischem  Boden,  wodurch  die  Bildung  des  Belagerungs- 
korps, das,  soweit  es  bereits  vorhanden  war,  zur  Bekämpfung 
der  Russen  herangezogen  wurde  und  bis  Osterode  vorging, 
verzögert  wurde.  Erst  am  17.  Februar,  9  Tage  nach  der 
Schlacht  bei  Pr.-Eilau,  erhielt  Lefebvre*)  den  Befehl,  über 
Thorn  zurückzugehn,  die  im  Anmarsch  begriffenen  Sachsen  und 
Badener  an  sich  zu  ziehen  und  auf  Danzig  zu  marschiren. 
Napoleon  empfahl  ihm,  sich  sogleich  der  Nehrung  zu  bemächtigen 
und  bei  Dirschau  eine  Brücke  zu  schlagen. 

Es  war  nicht  das  erste  Mal,  dass  Danzig  als  befestigter 
Platz  in  die  strategischen  Kombinationen  eines  grossen  Krieges 
gezogen  wurde. 

In  dem  schwedisch-polnischen  Erbfolgekriege  des  17.  Jahr- 
hunderts hatte  es  für  Polen  dieselbe  Wichtigkeit  gehabt,  wie 
jetzt  für  Preussea.  Gustav  Adolf  hatte  jedoch  nicht  die  Mittel 
besessen,  sich  des  grossen  starken  Platzes  zu  bemächtigen. 
Karl  Gustav  hatte  es  jedoch  veratanden,  die  Stadt  zu  paralisiren, 


cette  place  .  .  .  Le  roar^chal  Bernadotte  qui  se  troiiyera  sous  pea  h  Elbing, 
coavrira  tos  denx  si6ges. 

0  Befehl  an  Lefebvre  vom  23.  Januar.    M.  Dumas  S.  330. 

*)  Der  Befehl  an  den  General  Chasseloup,  alle  Mittel  zur  Belagerung 
von  Danzig  vorzubereiten,  ist  schon  v.  13  Febr.  von  Eilau  aus.  (M.  Dumas 
S.  418.)  Es  heisst  darin:  „mon  Intention  est  de  pousser  vigoureusement  le 
sifege  de  Dantzick  ....  Donnez  fegalement  Tordre  au  gfenferal  de  Tartillerie 
de  pr^parer  tous  les  moyens  en  materiel  et  en  personnel  pour  pousser  vigou- 
reusement le  8i6ge  de  Dantzick,  mon  intention  6tant  de  placer  mon  ann6e 
de  maniöre  ä  prot6ger  le  si6ge  de  cctte  place  qu'il  est  instant  de  prendre 
avant  tout".  Der  Befehl,  auch  aus  Schlesien  Geschütze  heranzuziehen,  ist 
erst  vom  11.  März  (Dumas  S.  537^. 


121 


indem  er  sich  1656  des  Danziger  Hauptes  bemächtigte  und 
es  mit  einer  weitläuftigen  Befestigung  umgab,  worin  er  eine 
starke  Besatzung  unterhielt.  Der  Besitz  der  Nehrung,  der 
damit  gegeben  war,  und  die  fortwährende  Bedrohung  der  Ver- 
bindung Danzigs  mit  der  See  hatte  dieses  damals  matt  gelegt  ^). 
Für  Napoleon  hatte  Danzig  mit  seiner  grossen  Garnison  die 
Bedeutung,  dass  es  seine  Verbindungen  bedrohte.  Er  musste 
sich  desselben  bemächtigen,  bevor  er  an  die  Fortsetzung  seiner 
Operationen  denken  konnte.  Das  ist  leider  von  den  AUiirten 
nicht  frühzeitig  genug  erkannt  worden.  Für  sie  wäre  es  vor 
allem  darauf  angekommen,  das  Danziger  Haupt,  das  durch  die 
Einverleibung  des  Danziger  Gebiets  in  den  preussischen  Staat 
eine  grössere  Bedeutung  erhalten  hatte,  weil  es  sich  noch  um  die 
Äufrechterhaltung  der  Verbindung  mit  Königsberg  handelte, 
wieder  zu  befestigen.  Mit  Truppen  allein  war  weder  die  Ver- 
bindung mit  Königsberg  noch  die  mit  der  See  aufrecht  zu  er- 
halten, weil  der  Gegner  immer  eine  grössere  Zahl  dagegen 
aufstellen  konnte. 

Der  Marschall  Lefebvre  traf  am  25.  Februar,  zwei  Tage 
nach  der  Erstürmung,  in  Dirschau  ein.  Er  liess  in  den  ersten 
Tagen  des  März  den  grossen  Werder  besetzen  und  dehnte  sich 
am  6.  bis  in  den  Danziger  Werder  aus.  Am  9.  verlegte  er 
sein  Hauptquartier  nach  Rosenberg.  Am  10.  erschienen  die 
ersten  Franzosen  vor  der  Stadt. 

Der  Kommandant  Hamberger  —  der  Viceguverneur  von 
Manstein  hatte  am  24.  Februar  ein  Bein  gebrochen  —  liess 
die  Vorstädte  bis  auf  die  reglementsmässige  Entfernung  von 
800  Schritt  von  den  Werken  abbrennen  und  am  11.  den  Damm 
bei  Quadendorf,  beschützt  durch  7  Kompagnien,  durchstechen, 
um  die  schon  vorher  bewirkte  Anstauung  der  Mottlau  mittelst 
der  Steinschleuse  zu  vervollständigen.  An  demselben  Tage  traf 
der  Guverneur  Graf  Kaikreuth  ein. 

e.   Das  Belagerungskorps. 

Das  zur  Belagerung  von  Danzig  bestimmte  10.  Korps  unter 

*)  Auch  Gustav  Adolf  war  im  Besitz  des  Danziger  Hauptes  und  hatte 
es  befestigt.  Bei  seineu  geringen  Kräften  hatte  dasselbe  jedoch  mehr  einen 
defensiven  Zweck^  sicherte  ihm  aber  stets  deu  Zutritt  zur  Nehrung. 


122 


dem   Marschall  Lefebvre   erreichte  erst  gegen  Ende   der  Be- 
lagerung seine  volle  Stärke  von: 

20740  Mann  Infanterie, 
2506      „      Kavallerie, 
2917      „      Artaierie, 

zusammen  26163  Mann 
ohne  die  Genietruppen,  welche  nach  Kirgener  11  Kompagnien, 
nach  M.  Dumas  90  Mineurs,  86  Sappeurs  stark  waren  0- 


1980  Mann 
2148      „ 

432      „ 

416 

937 

415 


n 
1» 
n 


n 
ff 


*)  Die  Zusammensetzimg  des  frz.  10.  Armeecorps  nach  dem  Eintreffen 
der  frz.  Trappen  war  nach  HOpfner  S.  382  folgende: 

1.  Division  Michand 
12.  leichtes  Infanterie-Regiment 2  Bat. 

1.  Nordlegion 3     „ 

Sächsisches  Grenadier-Bataillon 1     „ 

1  BataiUon  des  Infanterie-Regiments  Prinz  Anton  .    .      1     „ 

Infanterie-Regiment  y.  Sänger 2     , 

1  BataiUon  des  Infanterie-Regiments  Bevilaqua.     .    .      1     „ 

10  Bat. 
2.  Division  Erbprinz  von  Baden 

19.  Linien-Infanterie-Regiment 2  Bat. 

Badisches  Leibregiment 2     „ 

Regiment  des  Erbprinzen 2     , 

Regiment  des  Markgrafen  Lndwig 2     „ 

Regiment  Harrandt 2     „ 

Jäger  zu  Fuss —     ,. 

10  Bat. 
3.  Division  Gielgud 
1  BataiUon  des  2.  leichten  Infanterie-Regiments     .     .      1  Bat. 

44.  Linien-Regiment 2     „ 

Regiment  von  Paris 2     „ 

2.  leichtes  polnisches  Regiment 1     , 

3'»  s  g  2„ 

8  Bat. 
4.  Division  Gardanne 

2.  Bataillon  2.  leichten  Infanterie-Regiments      ...      1  Bat. 

Sächsisches  Grenadier-Bataillon 1     , 

1  Bataillon  Regiments  Pr.  Maximilian 1     „ 

2.  BataiUon  Regiments  Pr.  Anton 1     „ 

1  Bataillon  2.  polnischen  Infanterie-Regiments   ...      1     „ 

4.  polnisches  Infanterie-Regiment 2     „ 


6328  Mann 

1352  Mann 
796      , 
660 
695 
570 
60 


4133  Manu 

1010  Mann 
950 
967 
374 
946 


n 

n 
n 


4247  Mann 

774  Mann 
353      , 
499      , 
482      „ 
646 
1275 


7  Bat.    3974  Mann 


123 


Um  die  Mitte  März  war  es  gegen  1 2  000  Manu  stark  ^).  Es 
fehlte  namentlich  der  grössere  Theil  der  französischen  Regi- 
menter. Der  Marschall  beklagte  sich  über  die  schlechte  Be- 
schaffenheit einzelner  Trappen. 


Dazu  das  frz.  72.  Linien-Infanterie-Regiment,  das  sehr 

spät  eintraf 2  Bat.    2058  Mann 

37  Bat.  20740  Mann 
Kayallerie-Division  des  General  Polenz 
19.  Chassear-Begiment 4  Esk.      303  Mann 

23.         n              »             4  „  512  „ 

Badiscbe  Husaren 1  „  136  „ 

Dragoner 2  „  288  „ 

Sächsische  Kürassiere 3  „  588  „ 

g          Cbeyauxlegers 1  „  156  „ 

2.  polnisches  Eayallerie-Begiment 3  „  215  , 

Polnische  KayaUerie  der  Edellente  (Towarczys)  .    .    .      2     „         121      „ 

20  Esk.    2506  Manu 
Artillerie 
1.  Kompagnie  5.  Fnss-Regimeuts 
8.  und  14.  Kompagnie  6.  Fuss-Begiments 

5.  Kompagnie  des  5.  Begiments  reitender  Artillerie 
12.  Kompagnie  der  Handwerks-Artillerie 

Dazu  sächsische,  badische  und  polnische  Artillerie 

in  Summa  2917  Mann 
Genietruppen 

3.  und  8.  Minenr-Kompagnie 

1.  Kompagnie  des  2.  Sappeur-Bataillons 

2.,  3.,  4.,  5.,  6.  und  8.  Kompagnie  des  4.  Sappeur-BataiUons 

6.  und  9.  Kompagnie  des  5.  Sappeur-Bataillons. 

*)  In  einem  Schreiben  des  Kaisers  an  Lefebvre  v.  16.  März  schätzt  er 
das  Korps  auf  20000  Mann.  In  einem  Parolbefehl  des  Grafen  Kaikreuth 
y.  28.  März  heisst  es:  „der  Feind  giebt  sich  selbst  auf  18000  Mann  an, 
soyiel  seme  Excellenz  wissen,  sind  es  11  bis  12000  Mann^  Die  Dislokations- 
liste bei  Duisburg  giebt  das  Korps  auf  14180  Mann,  woyon  1600  Mann 
Kavallerie;  Matth.  Dumas  giebt  es  S.  138  nur  auf  9000  Mann  an  und  sagt 
S.  144,  dass  es  während  der  ganzen  Belagerung  nicht  stärker  als  16000  Mann 
gewesen  sei.  Die  Angabe  bei  Duisburg  scheint  das  richtige  zu  treffen, 
wenigstens  für  den  24.  März.  Höpfner  veranschlagt  S.  385  die  Stärke  der 
Franzosen  zu  dieser  Zeit  viel  zu  hoch  auf  18000  Mann.  Nach  Grolman 
9,  69  war  die  Stärke  c^nfang  April  16740  Mann, 


124 


Der  Kaiser  antwortete  ihm,  dass  sie  immer  noch  besser 
als  die  wären,  die  er  vor  sich  hätte.  Die  Nordlegion  war  aus 
den  Deserteuren  der  preussischen  Armee  hervorgegangen,  die 
Desertion  derselben  blieb  auch  unterm  französischen  Adler 
sehr  stark. 

Der  Marschall  Lefebvre  war  ein  geborener  Elsasser, 
befand  sich  schon  vor  Ausbruch  der  Revolution  in  der  franzö- 
sischen Armee  und  gelangte  bereits  1797  zum  Kommando  der  Maas- 
und  Sambre-Armee.  Er  war  1804  Marschall  und  kommandirte 
bei  Jena  die  Infanterie  der  Garde.  Im  Jahre  1807  zählte  er 
52  Jahre. 

Als  sein  Chef  des  Generalstabes  fungirte  der  Divisions- 
general Drouet.  Die  Artillerie  kommandirte  der  Divisions- 
general Lariboisiere,  unter  ihm  die  Brigade-Generale  An- 
thouard  und  Lamartiniere.  An  Ingenieurofficieren  theilte  Napoleon 
dem  Marschall  das  beste  zu,  was  er  hatte,  seinen  eignen  Chef 
des  Ingenieurcorps,  den  Divisionsgeneral  Chasseloup-Laubat, 
der  jedoch  erst  am  19.  April  eintraf.  Bis  dahin  leitete  die 
Angriffsarbeiten  der  Brigade  -  General  Kirgener,  von  dem 
Napoleon  in  einem  Schreiben  vom  16.  März  an  den  Marschall 
sagt:  officier  de  g6nie  propre  ä  tout^).  Er  gab  ihm  ferner 
seinen  eigenen  Adjutanten,  den  Genieobersten  Lacoste,  als 
Kommandeur  der  Hauptattacke.  In  der  letzten  Zeit  wohnte 
der  General  Bertrand,  ebenfalls  Adjutant  des  Kaisei-s  und  vom 
Ingenieurkorps,  der  Belagerung  bei,  nachdem  er  schon  vorher, 
wie  Savary,  ein  anderer  Adjutant,  häufiger  vom  Kaiser  zum 
Belagerungskorps  geschickt  worden  war. 

Den  Belagerungspark  hatte  der  Major  Guillaumin  unter 
sich.  Als  Tranchcemajore  fungirten  die  Bataillons-Chefs  Sabatier 
und  Rogniat,  die  Attacke  an  der  unteren  Weichsel  (linkes 
Ufer)  dirigirte  der  Bat.-Chef  Boissonnet  von  der  kaiserlichen 
Garde,  die  Arbeiten  auf  dem  Holm  der  Bat.-Chef  Lesecq.  Von 
den  Ingenieur-Hauptleuten  führte  Blanc  bis  zum  19.  April 
die  Hauptattacke,  CoUet  die  Attacke  auf  dem  Stolzeuberg. 

Die  Transporte  der  Belagerungsartillerie  waren  noch  weit 
im  Rückstände.    Zur  Sicherung  der  Kommunikationslinien  für 

*)  M.  Dumas  S.  öö4. 


125 

dieselben  organisirte  der  Kaiser  auf  den  Strassen  von  Stettin 
nach  Danzig  und  für  den  Wasserweg  von  Küstrin  nach  Brom- 
berg und  weiter  den  Netzekanal  fort  eigne  Etappen-Kom- 
mandos*). Die  Transporte  auf  der  Weichsel  hatten  das  von 
Preussen  besetzte  Graudenz  zu  passiren.  Doch  ist  es  durch- 
weg gelungen,  sie  des  Nachts  ohne  Verlust  bei  der  Festung 
vorbeizufahren. 

Zur  Verbindung  des  Belagerungskorps  mit  der  Armee 
wurden  üebergänge  über  die  Weichsel  und  Nogat  bei  Dirschau 
und  Marienburg  hergestellt. 

Das  10.  Korps  hatte  am  12.  März  folgende  Stellung  inne: 

Die  Vorpostenkette,  welche  sich  von  Schellmtthl  und  Neu- 
Schottland  über  die  Höhen  westlich  Zigankcnberg  durch  Tempel- 
burg nach  Altdorf  und  Altschottland  fortzog,  wurde  gebildet 
von: 

Bat.  der  Nordlegion  in  Langfuhr, 
„     Badener  im  Bivuak  bei  Dreilinden, 
„  „  „        „        „    Wonneberg, 

„     Polen        y,        n        n    Schönfeld, 

"     T^  >  in  Ohra  und  Stadtgebiet. 

„    Franzosen  j 

Ein  polnisches  Bataillon  stand  auf  der  S&dostseite  der 
Festung  in  Quadendorf  und  Plönendorf.  Von  der  Kavallerie 
standen  die  polnischen  Lanciers  in  Langfuhr  und  an  der  See, 
die  badische  Kavallerie  in  Pietzkendorf,  Polen  bei  Wonneberg, 
die  sächsichen  Chevauxlegers  in  St.  Albrecht  und  Praust. 

Dahinter  kantonirten  das  23.  Chasseur-Regiment  in  Schüd- 
delkau,  das  19.  in  Borgfeld,  die  sächsischen  Kürassiere  in  Gisch- 
kau. 

Die  badensche  Infanterie  kantonirte  in  Pietzkendorf,  Müg- 
gau,  Nenkau,  Schfiddelkau  und  Wonneberg; 

die  polnische  Infanterie  in  Schönfeld,  Zankenczin  und 
Kowal; 

die  sächsische  Infanterie  in  St.  Albrecht,  Matschkau,  Borg- 
feld, Jenkau,  Tiefensee,  Kemlade  und  Praust*). 

^)  Damas.    Befehle  vom  16.  und  18.  März  S.  552  und  562. 
>)  H5pfner  S.  385.    Matth.  Dumas  S.  132.    Nibuatnias  S.  33.    Duisbar^ 
Anhang.    Nach  letzterem  war  die  Dislokation  am  24.  März  wie  folg;t: 


m 


Das  Hauptquartier  des  Marschalls  Lefebvre  befand  sich  in 
Praust,  der  Hauptpark  der  Artillerie  inLangenau  an  der 
grossen  Strasse  nach  Dirschau. 

Die  Hauptmacht  hielt  daher  die  Höhen  besetzt  und  hatte 


Infanterie 
General  Menard. 
Gen.  Pacihnd 
polniflche  Legion. 

4.  Bat 850  M.]Ungrahr 

3.     „       iiöO    „  Innd  Neu- 

2. 200   ,  I  schott- 


9 


1. 


General  Klosmann 
Badener. 
2.Bat.Mkg.Loai8  260  M.^ 


land. 


1. 
2. 
l. 
2. 
1. 
2. 

Jäger 


n 


n         .      250  „ 

Harrandt  .  800  ^ 

ff         .  300  „ 

Erbgrherz.  300  „ 

9           300  „ 

Leibrgnit.    300  „ 

300  , 

90  « 

General  Gielgad 
Polen. 


o 


2.  Bat.  Rgmt.  3 

1.  9 

2.     .         „2 
1.     „     Dombr. 

2.  9  9  1 

1.   • 


660  H.) 

650  , 

700  , 

[700  , 

650  , 

650  ,  J 

o 

CD    * 

S   OD 

o: 

0 


General  Polenz 
Sachsen. 

2.Bat.PrinzAntoii    3ö0  M. 


a^  OD 

3     9 
>  höSg 

^      CD 

g  s 


Nehmng. 


!•    w        9         n         350    „ 
2.    „   Rgmt.  Sänger  300    „ 

1'       »  9  9  *^       9 

1-9       9     Bevi- 

laqua  ....  300    „ 
1.    „    Prinz  Maxim.  300    „ 

1.  j,   Grend.  SQss- 

milch  ....  300    „ 

General  Schramm 
Franzosen. 

2.  Bat.    Chasseur- 

Regiment  2  800  M.  Nehrnug. 

1.  Bat.   Chassear- 

Regiment .  .  800M.  Stadtgebiet. 

Graf  Poninski 
Polen. 

2.  Bat.  Regiment   4700  M.  Nehning. 
1.      ,  ,  4700  M.  Werder. 


Samma  12580  M. 


Kavallerie 
General  Sokolnicki.    Polen. 
1  Esk.  Woyw.  Gnesen  200  Pf.  \ander 
1      „         „       Mlawa  150 

1  „    Towarczys.  .  .  100 

2  „    Masnren  ....  200 

Badener. 

Dragoner 50 

Hasaren 50 

Gen.  Kruschinsky.    Polen. 
2E8k.Narado8ti8  ...  200  Pf.lWonne- 
1    ,    M.  Moraschewski  100    »    jbcrg. 


/  See       ! 

}  Lang- 
fuhr 

\  Pietz- 
j  kendorf . 


Sachsen. 
4  Esk.  Leibkürass.  200  Pf.  1 


Polenz  Drag.  100    , 
Franzosen. 
ChassearsNo.  19 
250    , 


Pranst. 


auf  der 
Nehrung  u. 
d.Werder. 


Summa  1600  Pf. 


12? 

zn  beiden  Seiten  Detachements  gegen  das  linke  Weichselufer 
vorgeschoben.  Das  rechte  Weichselufer  blieb  noch  der  Be- 
satzung von  Danzig,  die  somit  die  Verbindung  zur  See  und 
über  Pillau  nach  Königsberg  offen  hatte. 


f.  Von  der  Einsehliessung  der  Festung 

bis  zur  Eröffnung  der  1.  Parallele. 

11.  März  bis  1.  April. 

Die  Einnahme  obiger  Stellung  war  im  Laufe  des  11.  März 
erfolgt.  Noch  am  Abend  wurden  die  drei  Schanzen  zwischen 
Neufahrwasser  und  dem  Saspersee,  die  zur  Zeit  nur  von  drei 
Kompagnien  des  Regiments  Kropf  besetzt  waren,  angegriffen. 
Der  Feind  wurde  mit  einem  Verlust  von  8  bis  10  Mann  zu- 
rückgewiesen. Der  Guverneur,  welcher  überzeugt  war,  dass 
Nenfahrwasser  zunächst  das  Hauptaugenmerk  des  Belagerers 
sein  werde,  sendete  am  12.  zwei  Kompagnien  des  Bats.  von 
Treskow  und  das  ganze  Krockowsche  Freikorps  dahin  *).  Ausser- 


^)  Die  folgenden  Details  Bind  ans  den  Berichten  des  GiiYernenrs  an 
den  König  in:  Belagerung  von  Danzig  i.  J.  1807,  Posen  und  Leipzig  1809 
entnommen.  Dieses  wichtige  Werk,  welches  in  den  bisherigen  DarsteUnngen 
der  Belagerung  fast  gänzlich  tibersehen  worden  ist,  enthält  auch  die  übrige 
Korrespondenz  des  Grafen  von  Kaikreuth,  worin  ein  ungemein  reiches 
Material  niedergelegt  ist.  Höpfner  hat  sich  in  seiner  Darstellung  der 
Belagerung  (der  Krieg  von  1806  und  1807,  3.  Band,  Berlin  1851)  fast  aus- 
schliesslich an  das  officielle  Jumal  der  Vertheidigung  von  Danzig  i.  J.  1807 
und  an  das  handschriftliche  Werk  des  Ingenieurs  vom  Platz,  PuUet,  über  die 
Vertheidigung  von  Danzig  1807  gehalten,  das  bereits  vom  Beg^eruugsrath 
Flfimicke  in  seiner  „Skizzirten  Geschichte  der  Belagerung  von  Danzig  1807 '', 
Berlin  1817,  benutzt  worden  ist.  Da  sich  das  Jumal  und  das  handschrift- 
liche Werk  Pullets  nur  auf  die  Ingenieurarbeiten  beschränkt,  Höpfner  sich 
im  übrigen  begnügt  hat,  die  „Skizzirte  Geschichte",  welche  sich  auffallender- 
weise auch  mit  der  Korrespondenz  Kaikreuths  nicht  bef  asst  hat,  zu  benutzen, 
80  ist  ihm  manches  entgangen,  was  der  Erwähnung  werth  ist.  Auch  die 
Parolebefehle  Kaikreuths  (Zeitschrift  für  Kunst,  Wissenschaft  und  Geschichte 
des   Krieges   Jahrgänge  1848  und  1844)   bieten   manches  Interessante.    Die 


1^6 

dem  detachirte  er  an  diesem  Tage  das  Res. -Bat.  v.  Manstein 
mit  2  Geschützen  nach  der  Holminsel,  die  bisher  unbesetzt  ge- 
blieben war.    Im  übrigen  hatte  er  bei  seiner  Ankunft  die  Vor- 


officiellen  Akten  Über  die  Veriheidigung  tob  Danzig  1807  liegen  in  diesen 
Werken  und  indem,  wasBrese  darüber  veröif entlieht  hat  (seiner  Armirang 
im  11.  Bande  des  Archivs  schliesst  sich  S.  60  S.  noch  der  Kampf  nm  das 
Blockhaus  im  gedeckten  Wege  an,  der  ausserdem  noch  von  ihm  in  seinen 
Vorlesungen  „über  das  Entstehu  und  das  Wesen  der  neueren  Befestigungs- 
methode'' behandelt  worden  ist),  ziemlich  vollständig  vor.  Von  geringerer 
Bedeutung,  doch  von  grossem  Interesse  durch  die  Unmittelbarkeit  der  An- 
schauung sind  die  Berichte  zweier  Augenzeugen,  weJche  in  den  Broschüren: 
„Die  Prenssen  in  Danzig*  und  das  „Belagerte  Danzig,  ein  Nachtrag  zu  der 
Schrift  die  Preussen  in  Danzig'^,  beide  Berlin  nnd  Leipzig  1808,  erschienen 
sind.  Als  der  Verfasser  der  erstem  wird  ebenfalls  Brese  genannt,  der  der 
andern  ist  jedenfalls  Pullet.  —  Von  lokalem  Interesse  ist  femer  für  die  Be- 
lagerung von  1807  die  „Geschichte  der  Belagerungen  und  Blokaden  Dauzigs 
von  der  frühesten  bis  auf  die  gegenwärtige  Zeif  von  Gottl.  von  Duis- 
burg, Danzig  1808.  Unbedeutender,  doch  immerhin  lesenswerth,  sind  die 
Schriften:  „Belagerang  und  Einnahme  von  Danzig'^  1807,  Leipzig  1808  und 
„Danzig  während  der  Belagerang  i.  J.  1807,  in  Briefen  von  einem  Augen- 
zeugen', Hamburg  1808. 

Dieses  reiche  Qnellenmaterial  wird  französischerseits  vervollständigt 
durch  das:  „Pr^cis  du  si^e  de  Dantzick''  des  Generals  Kirgener,  Paris 
1807.  Kirgener  war  bis  zum  Eintreffen  Chasseloups,  des  commandant  en 
chef  du  gtoie,  Vertreter  desselben  nnd  dann  (seit  dem  19.  April)  Direktor 
der  Angriffsarbeiten.  Er  beschränkt  sich  indessen  nur  auf  die  Ingenieur- 
arbeiten. Pullet  macht  ihm  in  seinem  handschriftlichen  Werke  zum  Vorwurf, 
dass  er  in  seinem  Plan  der  Angriffsarbeiten  Werke  aufgeführt  hat,  die  erst 
nach  der  Uebcrgabe  des  Platzes  in  Erwartung  der  Ankunft  Napoleons  erbant 
worden  sind.  Höpfner  giebt  dieselben  nach  den  Vorlagen  Pullets  auf  Plan 
XXnb.  in  punktirten  Linien  an.  Im  diesseitigen  Plan  der  Belagerung 
(II  Taf.  H)  sind  die  Laufgräben  zwar  nach  Kirgener  eingetragen,  aber  die 
nachträglich  ausgeführten  sind  punktirt.  Vervollständigt  wird  das  Werk  von 
Kirgener  durch  Nibuatnias  (St.  Aubin):  Si^  de  Dantzick  en  1807  r6dig6 
sur  le  Journal  da  siöge  de  Mr.  le  mar^chal  duc  de  Dantzick.  Paris  1818 
Endlich  hat  Matth.  Dumas  die  Belagerang  in  seinem  „Pr^cis  des  ^v^nements 
militaires'',  Tome  XVIII.  Paris  1826,  gegen  seine  Gewohnheit  mit  grosser 
Umständlichkeit  behandelt.  Es  ist  jedoch  nur  eine  Wiedergabe  von  Nibuat- 
nias. Eine  sehr  interessante  Zugabe  giebt  ein  Bericht  des  Obersten  im 
Ing.-Korps  Blanc  im  Juniheft  des  Spectateur  miiitaire  v.  J.  1841  über 
einige  Unternehmungen  während  der  Belagerung  von  Danzig  1807  (deutsch 


129 


trappen  der  Besatzung  noch  im  Besitz  der  Weichsel  und  der 
Dörfer  Zigankendorf  und  Stolzenberg  gefunden.  Sie  wurden 
am  12.  zwar  vor  dem  Bisehofsberg  und  dem  Olivaerthor  an- 
gegriffen und  in  die  wirksame  Kanonenschussweite  zurückge- 
drängt, doch  behielt  der  Feind  nur  die  auf  der  Jesuiterhöhe 
im  Bau  begriffene  Schanze  besetzt,  die  vom  Guvemeur  aufge- 
geben wurde,  weil  ihre  Vollendung  zu  viel  Blut  gekostet  haben 
würde.  Der  Hauptgrund  lag  wohl  darin,  dass  die  Schanze 
ohne  die  Besetzung  von  Schottland  nicht  zu  halten  war,  dieses 
aber  in  Asche  lag. 

Der  Belagerer  leitete  an  diesem  Tage  die  Badanne  ab, 
wodurch  die  grosse  Mühle  in  Unthätigkeit  gesetzt  wurde. 
Glücklicherweise  war  der  Fall  vorgesehn,  indem  die  Stein- 
schleuse zu  4  Mehlgängen  eingerichtet  war,  die  nunmehr  in 
Thätigkeit  gesetzt  wurden.  Ausserdem  etablirte  man  4  Ross- 
mühlen, so  dass  der  tägliche  Bedarf  an  Mehl  fjlr  die  Stadt  und 
Garnison  gedeckt  wurde. 

Der  Graf  Kaikreuth  regelte  den  Vorpostendienst,  nament- 
lich inbetreff  der  Kavallerie,  der  noch  nicht  gehörig  organisirt 
war.  Bei  Aller  Engeln  wurde  die  grosse  Feldwache  der  Ka- 
vallerie aufgestellt  und  die  ehemalige  Kalkschanze  sowie  die 
kleine  Kalkschanze  nebst  Ziegelei  mit  Infanterie  besetzt,  da 
der  Feind  sich  von  Schellmühl  aus  bis  auf  das  linke  Weichsel- 
ufer ausgebreitet  hatte.  Das  Kommando  über  die  Vorposten 
erhielt  der  Kommandeur  von  Rouquette  Dragoner,  Oberst  von 
Massenbach. 

In  der  Nacht  zum  13.  wurden  die  Schanzen  von  Neufahr- 
wasser von  neuem  allarmirt,  so  dass  der  Guvemeur  am  13. 
noch  eine  Komp.  von  Kropf  und  eine  von  Treskow  dahin  schickte 


im  Archiv  für  Art.  und  Ing.  Officiere  Band  13  S.  147  ff.).  Blanc  wohnte 
der  Belagemng  als  Hauptmann  und  Kommandant  der  Hauptattacke  hei.  Dazu 
ist  neuerdings  das  vom  Herrn  v.  d.  Wengen  herausgegebene  Tagebuch  des 
Hauptmanns  t.  Grolman  „ttber  den  Feldzug  des  Erbgrossherzogs  Karl  von 
Baden  1806  und  1807,  Freiburg  i.  B.  1887 '^  getreten,  das  manchen  neuen 
Aufschluss  gewährt. 

Köhler,  Oeschichte  der  Festungen  Danzig  and  Weicbselmünde.    11.  9 


130 


und  zwischen  den  Schanzen  Nr.  5  und  6  noch  eine  anlegen 
liess.  Zwei  Grenad.  -  Kompagnien  des  Bats.  von  Schmeling 
wurden  am  grossen  Holländer  als  eine  allgemeine  Reserve  auf- 
gestellt. Von  der  reitenden  Batterie  Holzendorf,  deren  Orga- 
nisation beendet  war,  kamen  2  Geschütze  am  Olivaerthor  auf 
Piket. 

Ein  neuer  Angriff  auf  Neufahrwasser  am  13.,  von  welchem 
die  Aufmerksamkeit  durch  lebhafte  Scharmützel  bei  Stolzen- 
berg  seitens  des  Belagerers  abgeleitet  werden  sollte,  blieb  ohne 
Erfolg.  Der  Hauptmann  Graf  Dohna,  welcher  die  Feldwache 
bei  Aller  Engeln  kommandirte,  erhielt  die  nachgesuchte  Er- 
laubniss,  dem  Feinde  in  die  Flanke  zu  gehn.  Durch  Pikets 
vom  Major  von  Wostrowski  unterstützt,  brachte  er  dem  Feinde 
einige  Verluste  bei.  Preussischerseits  wurden  3  Mann  leicht 
verwundet  und  2  Pferde  todtgeschossen.  Schon  hier  zeigte 
sich  das  Leiden  der  Garnison,  das  sich  immer  mehr  Steiger te^ 
die  Desertion,  indem  bei  diesen  Scharmützeln  3  Schützen  von 
Courbiere  und  2  Mann  von  Kropf  aus  der  Schanze  von  Neu- 
fahrwasser,  sowie  2  Kavalleristen  der  Feldwache  verschwanden. 

In  der  Stadt  herrschte  der  beste  Geist.  Die  Kaufmann« 
Schaft  schoss  für  die  in  Friedenszeiten  hier  garnisonirenden 
Regimenter  9000  Thaler  Unterstützung  für  die  Wittwen  zu- 
sammen, von  denen  4000  Thaler  den  Lazarethen  zugute  kamen. 
Die  Zahl  der  Kranken  belief  sich  am  13.  auf  734  Mann. 

Ein  lediger  Bording  (Weichselkahn),  welcher  am  14.  nach 
Neufahrwasser  wollte,  blieb  beim  2.  Legan  auf  einer  Sandbank 
sitzen.  Sogleich  waren  gegen  50  Mann  des  Feindes  zur  Stelle 
und  besetzten  ihn.  Der  Major  von  Krockow  eilte  indessen  von 
Neufahrwasser  herbei.  Gleichzeitig  wurde  vom  Holm  mit  Kar- 
tätschen dagegen  geschossen,  so  dass  der  Gegner  mit  Hinter- 
lassung von  5  Todten  davon  eilte.  Infolge  dieser  Vorgänge 
wurde  auf  dem  Holm  zur  Bestreichung  der  Weichsel  und  des 
Weges  nach  Schellmühl  eine  Schanze  für  4  Geschütze  angelegt 
und  bald  auch  eine  zweite  weiter  unterhalb  begonnen.. 

Die  Franzosen  arbeiteten  auf  der  Jesuiterhöhe  an  der 
Vollendung  der  Schanze,  was  ihnen  am  Tage  zwar  gelegt  wurde, 
doch  war  es  in  der  Nacht   nicht   zu   hindern.      Ausser   dieser 


131 


Schanze  Nr.  1  wurden  noch  andere  Nr.  2,  3,  4  und  5  als  einfe 
Alt  Kontravallation  aufgeworfen,  ohne  dass  man  es  in  der 
Festung  sogleich  bemerkt  hätte  ^). 

Die  täglichen  Scharmützel  mit  dem  Feinde  nahmen  die 
Kräfte  der  Garnison  derartig  in  Anspruch,  dass  es  nicht  möglich 
war,  gleichzeitig  die  nothwendigen  Erdarbeiten  pp.  zu  bestreiten. 
Der  Graf  Kaikreuth  wandte  sich  daher  direkt  an  den  General 
von  Bennigsen  mit  der  Bitte,  ihm  eine  Verstärkung  an  Infan- 
terie zu  senden.  Wegen  Ueberlassung  einiger  Pulks  Kosacken 
hatte  er  sich  schon  vor  seiner  Abreise  an  den  General  gewendet. 

Die  Zahl  der  täglichen  Deserteure  belief  sich  im  Durch- 
schnitt auf  6  Mann. 

Am  15.  herrschte  wegen  hässlichen  Wetters  auf  beiden 
Seiten  Ruhe. 

Dagegen  brach  der  Belagerer  am  16.  mit  3000  bis  4000 
Mann  gegen  Stolzenberg  und  Neugarten  vor  und  warf  die  Vor- 
truppen des  Belagerten  bis  an  die  Palisaden  des  Bischofsberges 
und  des  Neugarten-Thors  zurück.  Auch  bei  Zigankendorf  und 
Neufahrwasser  wurde  gefochten.  Von  der  Stadt  aus  verstärkt, 
gingen  die  Vorposten  zwar  wieder  gegen  Stolzenberg  vor,  wur- 
den aber  von  den  feindlichen  Sutiens  von  neuem  geworfen. 
So  dauerte  das  Gefecht  den  ganzen  Tag  fort  und  gab  den 
Ingenieuroffizieren  des  Belagerers  Gelegenheit,  das  Terrain  und 
die  Werke  zu  rekognosciren.  Der  Verlust  der  Belagerten  belief 
sich  auf  6  Todte  und  gegen  20  Verwundete.  Zigankendorf 
blieb  einige  Tage  von  beiden  Seiten  unbesetzt,  bis  sich  die  Be- 
lagerten wieder  hineinlegten.  Aus  dem  westlichen  Theil  von 
Stolzenberg  wurden  die  Franzosen  erst  am  18.  vertrieben. 

Der  Mangel  an  Furage  machte  sich  bereits  sehr  geltend, 
namentlich  fehlte  Stroh.  Der  Guverneur  sendete  daher  am 
17.  über  200  unbrauchbare  Pferde  mit  den  vorhandenen  Ge- 
fangeneU;  Arrestanten  und  100  Eanzionirten  nach  Pillau.  An 
diesem  Tage  trafen  die  ersten  Kosacken  ein.  Der  Best  folgte  in 
den  nächsten  Tagen.    Ein  Pulk  wurde  nach  Neufahrwasser,  ein 


*)  Der  Gavernear  berichtet  erst  unterm  25.  von  der  Entdeckung,  dass 
der  Feind  bei  Wonneberg  an  einer  Schanze  arbeitet  (S.  64).  Es  ist  die 
Schanze  Nr.  2  gemeint. 

9* 


13^ 


zweiter  nach  Danzig  verlegt,  ein  dritter  dem  Gen.  von  Rou- 
quette  zur  Disposition  gestellt,  der  ihn  jedoch  nach  Weichsel- 
münde schickte. 

Die  Desertion  nahm  bedenkliche  Dimensionen  an.  In  der 
Nacht  zum  16.  waren  11  Mann  entwichen,  in  der  folgenden 
gingen  allein  von  den  80  Mann  der  Besatzung  der  Rtickforter 
Schanze  l  Unteroffz.  und  21  Gem.,  vorherrschend  Polen,  davon. 

Ein  starker  Frost  machte  das  Eis  der  Inundation  tragfähig, 
doch  trat  am  18.  wieder  Tauwetter  ein. 

Nach  einer  Meldung  des  Majors  von  Kamptz  vom  Korps 
Rouquette  an  den  Guverneur  hatte  sich  der  Feind  am  16.  am 
Eukukskruge  ^)  gesammelt  und  daselbst  Kähne  und  Schlitten 
zusammengeführt.  Der  Guverneur  machte  daher  am  17.  den 
Gen.  Rouquette  darauf  aufmerksam  und  stellte  ihm  die  beiden 
Grenad.-Komp.  von  Schmeling  am  grossen  Holländer  zur  Dis- 
position. 

Am  18.  entspann  sich  gegen  Abend  bei  Neufahrwasser 
ein  kleines  Gefecht  wegen  eines  Schiffes,  das  hereingebracht 
werden  sollte.  Das  Schiff  musste  wieder  umkehren,  doch  verlor 
der  Gegner  dabei  5  Todte  und  Verwundete.  Preussischerseits 
hatte  man  einen  Todten  und  einen  Verwundeten. 

Die  beiden  Batterien  auf  dem  Holm  zu  je  4  Geschützen 
wurden  in  der  Nacht  zum  19.  armirt.  Die  Weichsel  wurde 
oberhalb  und  unterhalb  von  Danzig  durch  Schwimmbäume  ab- 
gesperrt. Am  20.  wurde  die  Balkenschanze*)  und  das  neue 
Retranchement  am  Ganskruge  angefangen  und  hinter  der  Ver- 
schanzung bei  letzterem  4  Geschütze  aufgestellt,  um  den  Holm 
war,  wie  wir  gesehen  haben,  rings  herum  eine  Tranchee  zur 
Verbindung  der  Battericanlagen  und  Aufstellung  von  Schützen 
zur  Bestreichung  der  Weichsel  und  der  Bootraannslake  in  An- 
griff genommen  worden.  Sie  wurde  am  heutigen  Tage  vollendet. 
Von  einem  selbständigen  geschlossenen  Werke  auf  dem  Holm 
ist  jedoch  keine  Rede. 

Gegen  Mittag  des  20.  traf  wie  ein  Donnerschlag  aus  hei- 
terem Himmel  die  Meldung  vom  General  von  Rouquette  ein. 


»)  Siehe  üebersichtsplan  Tafel  XI. 
=0  Vergl.  oben  S.  84. 


133 


dass  der  Feind  beim  Dauziger  Haupt  übergesetzt  sei  und  das 
Korps  gesprengt  habe.  Er  sei  im  Bäckzuge  auf  Danzig  be- 
griffen und  bitte  dringend  um  Hilfe. 

Der  General  von  Rouquette  hatte  seine  schwierige  Aufgabe 
bei  den  geringen  Kräften,  über  die  er  verfügte,  dadurch  zu 
lösen  gesucht,  dass  er  nur  die  wichtigsten  Punkte  besetzt  hielt, 
um  sie  desto  nachdrücklicher  vertheidigeu  zu  können.  Als 
solche  sah  er  an:  das  Danziger  Haupt,  Schönbaum,  Kukuks- 
krng  und  Stutthof ').  Die  beiden  letztern  hielt  er  weniger 
gefährdet,  so  dass  er  seine  Aufmerksamkeit  hauptsächlich  auf 
die  ersteren  verwendete. 

Am  Danziger  Haupt  wurde  eine  Komp.  Diericke  unter  dem 
Hanptm.  von  Lagerström  und  an  der  in  der  Nähe  befindlichen  Sied- 
lersfähre  30  Mann,  bei  Schönbaum  2  Komp.  Diericke  aufgestellt. 
Der  Weichselarm  nach  Danzig  hin  war  zwischen  Heubude  und 
dem  Danziger  Haupt  von  einer  Komp.  Courbiere  und  einer  Komp. 
des  6renad.-Bats.  Schmeling  besetzt,  der  Elbinger  Arm  zwischen 
Schönbaum  und  Stntthof  mit  4 V2  Komp.  und  29  Kürassieren  ^). 
Als  Reserve  für  letztere  standen  bei  Pasewark  eine  halbe 
Komp.  Courbiere  nebst  7  Kürassieren  und  für  das  Danziger 
Haupt  bei  Nickelswalde  1  Komp.  Courbiere,  eine  halbe  reitende 
Batterie  und  7  Kürassiere.  14  Kürassiere  standen  als  Brief- 
relais zwischen  Danzig  und  Pillau. 

Es  lassen  sich  gegen  diese  Besetzung  noch  mancherlei 
andre  Einwendungen  erheben,  das  drückt  sich  aber  ganz  be- 


')  HOpfner  S.  394.  Höpfuer  hat  diese  nnd  die  nachfolgenden  Details 
der  Eroberung  der  Nehrung  durch  die  Franzosen,  den  Untersuchnngsakten 
entnommen,  in  denen  die  Aussagen  sämmtlicher  Officiere  niedergelegt  sind, 
die  unter  dem  General  von  Rouquette  gestanden  haben.  Die  Untersuchung 
fand  nach  dem  Tilsiter  Frieden  durch  eine  speciell  zu  dem  Zweck  kom- 
mandirte  Kommission  statt.    lieber  die  Lage  der  Ortschaften   siehe  Taf.  XI. 

')  Höpfner  S.  394.  Davon  stand  in  Prenzlaff  eine  Komp.  Diericke,  in 
Freyenhuben  eine  Komp.  Füseliere,  in  Stengen  Vs  Komp.  Courbiere  nebst  22 
Riirass.  mit  Posten  längs  der  Schadlaake,  in  Stutthoff  2  Comp,  von  Courbiere 
nebst  7  Kürassieren.  Das  ganze  Detachement  Rouquette  bestand  wie  bereits 
bemerkt  aus  1430  Mann  Inf.,  54  Kür.  Balliodz  und  */i  rtd.  Batt.  Mit  Aus- 
nahme der  Komp.  des  Füselier-Bat.  Rembow,  welche  sehr  tüchtig  war,  be- 
stand die  übrige  Infanterie  theils  ans  Halbinvaliden,  theils  aus  Rekruten, 
grösstentheils  Polen. 


134 


stimmt  aus,  dass  ohne  Befestigungsanlagen  mit  dieser  verzet- 
telten Aufstellung  der  kleinen  Macht  nichts  anzufangen  war. 

Da  der  Feind  oberhalb  des  Danziger  Haupts  in  der  Weichsel 
ungesehn  vom  Veitheidiger  eine  beliebige  Anzahl  von  Kähnen 
versammeln  konnte,  so  war  hier  der  gefährdetste  Punkt,  der 
durchaus  befestigt  werden  musste.  Schon  seine  vorspringende 
Lage  forderte  dazu  auf  Eine  Landung  vom  frischen  Haff  her 
war  nicht  zu  fürchten,  da  sich  hier  nur  sehr  kleine  Kähne  dem 
Strande  der  Nehrung  nähern  können. 

Die  Verantwortlichkeit  für  die  Katastrophe,  welche  das 
Rouquettesche  Korps  ereilte,  trifft,  wie  die  Verhältnisse  bei 
seiner  Ankunft  nun  einmal  lagen,  ausschliesslich  den  Grafen 
Kaikreuth.  Wie  sein  Bericht  vom  9.  März  aus  Pillau  an  den 
König  bei  seiner  Reise  nach  Danzig  beweist,  war  er  völlig  von 
der  Noth wendigkeit  durchdrungen,  die  Nehrung  zu  behaupten. 
„Wird  die  Nehrung  erst  vom  Feinde  besetzt",  schreibt  er,  „so 
ist  gar  keine  Hoffnung  mehr,  Verstärkungen  nach  Danzig  zu 
bringen^)."  Er  hätte  noch  hinzufügen  können,  dann  ist  auch  die 
Verbindung  von  Weichselmünde  nach  Danzig  verloren.  Dadurch 
dass  er  feiner  bei  seiner  Weiterreise  nach  Danzig  sich  über 
die  Situation  des  Detachemeiits  von  Rouquette  genau  orientiren 
konnte,  eine  Befestigung  aber  nicht  befahl,  nahm  er  die  Verant- 
wortlichkeit für  diese  Unterlassung  auf  sich.  Er  hat  nach  dem 
Avertissement,  das  er  durch  den  Major  vom  Kamptz  über  die 
Vorkehrungen  des  Feindes  zum  üebergang  erhielt,  sich  nicht 
einmal  bewogen  gefunden,  eine  geeignete  Truppenzahl  der  Dan- 
ziger Besatzung  bereit  zu  stellen,  um  im  Nothfall  Hilfe  zu 
bringen. 

Rouquette  hatte  erst  seit  dem  8.  März,  nachdem  der  Dan- 
ziger Werder  vom  Gegner  besetzt  worden  war,  obige  Aufstel- 
lung genommen.  Die  Besatzung  des  Haupts  durch  den  Hauptm. 
V.  Lagerström  war  am  Tage  des  Ueberf alles  folgende:   Eine 


')  Die  Belagerung  von  Danzig  i.  J.  1807.  S.  7.  So  schreibt  er  auch 
am  17.  März  an  den  Major  v.  Kamptz  (ebenda  S.  33),  dass  die  Erhaltung  der 
Kommunikation  auf  der  Nehrung  mit  das  wichtigste  der  Defension  von  Dan- 
zig sei,  und  in  einem  Schreiben  an  den  Major  Stemenfels  vom  22.  (ebenda 
S.  62)  erklärt  er  ausdrücklich,  „dass  die  Nehrung  gegen  Uebermacht  nicht  zu 
halten  war''. 


135 


Feldwache  von  1  Offz.  und  33  Mann  hielt  die  Spitze  des  Haupts 
besetzt.  1500  Schritt  dahinter  stand  der  Hauptm.  selbst  mit 
40  Mann.  Der  Ort  war  ihm  genau  vorgeschrieben,  am  Gehöft 
des  Wirths  Boschke,  500  Schritt  vom  vorliegenden  Damm,  der 
an  der  Sehne  des  vorspringenden  Bogens  hinlief.  Ein  Piket 
von  15  Mann,  zu  dem  noch  ebensoviel  Mann  von  der  andern 
Komp.  des  Bat.  Diericke  stossen  sollten,  hielt  die  Verbindung 
mit  der  vorgeschobenen  Feldwache  und  diente  zur  Aufnahme 
derselben. 

Erst  nachdem  das  Eistreiben  auf  der  Weichsel  am  19.  auf- 
hörte, war  der  Marschall  Lefebvre  imstande,  den  wiederholten 
Weisungen  Napoleons,  sich  der  Nehrung  zu  bemächtigen,  nach- 
zukommen. Alle  Vorbereitungen  dazu  waren  getroffen.  Zu 
dem  Unternehmen  war  der  General  von  Schramm  mit  angeblich 
2000  Mann  und  6  Geschützen  bestimmt.  Er  hatte  die  nöthlge 
Zahl  Kähne  auf  Schlitten  zu  beiden  Seiten  des  Haupts  an  der 
rothen  Bude  bei  Fürstenwerder  und  bei  Siedlersfähre  hinter 
dem  Weichseldamm  zusammenfahren  lassen.  Die  Kähne  sollten 
auf  ein  verabredetes  Zeichen  gleichzeitig  über  den  Weichsel- 
damm getragen  und  in  den  Fluss  gelassen  werden.  Der  Ge- 
neral von  Schramm  theilte  sein  Detachement  in  3  Theile*) 
unter  den  Obersten  Vogel,  Brayer  und  Montmarie.  Der  An- 
griff sollte,  das  Haupt  umfassend,  gleichzeitig  von  allen  3  Theilen 
ausgeführt  werden,  indem  die  mittlere  Abtheilung  an  der  Spitze, 
die  beiden  andern  östlich  und  westlich  davon  landeten.  Nach 
Besitznahme  des  Haupts  sollte  die  mittlere  Abtheilung  gegen 
Nickelswalde  vordringen,  die  beiden  andern  längs  der  Weichsel 


^)  Nach  dem  Bericht  Kalkrenths  hestand  das  Schrammsche  Detachement 
aus  einem  Bat.  vom  2.  Chasseurregmt,  2  Bat.  Sachsen  und  2  Bat.  Polen  nebst 
einer  Eskadron  Chasseurs  zu  Pferde.  Höpfuer  giebt  (S.  409)  2  Bat.  Fran- 
zosen und  noch  1  Eskdr.  polnischer  Ulanen  an.  Zieht  man  die  oben  mit- 
getheilte  Dislocationsliste  vom  24.  März  zurathe,  wonach  an  diesem  Tage 
sich  nur  ein  BataiUon  Sachsen,  eins  Franzosen  und  ein  drittes  Polen  auf 
der  Nehrung  befanden  (zusammen  1800  M.,  ausser  der  Kayallerie),  so  ist  an- 
zunehmen, dass  der  General  Schramm  auch  das  Bat.  v.  2.  Chasseur-Regiment, 
welches  ausserdem  unter  seinen  Befehlen  stand,  herangezogen  haben  wird, 
so  dass  er  2600  Mann  stark  an  Inf.  war.  Polnische  KayaUerie  stand  nicht 
in  der  Nähe. 


136 


zu  beiden  Seiten  vorgehn.  Gleichzeitig  sollte  der  Oberst  Tho- 
loz6  mit  50  GLasseurs  und  einer  Kanone  auf  den  jenseitigen 
Damm  des  nach  Danzig  gehenden  Weichselarmes  abwärts  mar- 
schiren,  um  die  nach  Danzig  zurückgehenden  Preussen  zu  be- 
schiessen  ^).  Der  Gen.  von  Schramm  hielt  sich  bei  der  linken 
Abtheilnng  (Obst.  Montmarie)  auf,  welche  bei  Siedlers  Fähre 
fibergehn  sollte. 

Die  Disposition  wurde  pünktlich  ausgeführt.  Das  Geräusch 
des  Eis  treibenden  Stroms  verhinderte  die  frühzeitige  Entdeckung 
der  Unternehmung^),  erst  die  Schüsse  der  landenden  Franzosen 
allarmirten  die  Vorposten.  Der  Lieutenant  von  Lavergne  vom 
2.  Ghasseur  -  Regiment  landete  zuerst  und  überrumpelte  die 
Feldwache.  Er  fiel  zwar,  aber  die  Landung  der  mittleren 
Abtheilung  unter  dem  Obersten  Brayer  war  dadurch  gesichert. 
Der  Hauptmann  von  Lagerström  hatte  kaum  die  Zeit,  der  Feld- 
wache zu  Hilfe  zu  eilen,  als  er  schon  von  der  linken  Seite  her 
von  überlegenen  Kräften  angefallen  wurde.  Gleich  anfangs  ver- 
wundet, zog  er  sich  mit  grossem  Verlust  nach  der  Westecke 
des  Dammes,  welcher  das  Haupt  abschliesst,  zurück,  wo  ein 
Theil  des  Detachements  von  der  Siedlers  Fähre  unter  dem  Lieu- 
tenant von  Barner  zu  ihm  stiess.  Der  Versuch,  den  Damm  in 
seiner  ganzen  Breite  zu  besetzen,  wurde  durch  den  bei  Fürsten- 
werder übergesetzten   Feind  verhindert.     Gleichzeitig  in  der 


>)  M.  Dnmas  S.  134. 

*)  Wie  vortheilhaft  hätten  die  Kosacken  verwendet  werden  können,  die 
der  Gen.  Bonqoette  tags  zuvor  nach  Weichselmünde  entlassen  hatte,  nm  die 
Verbindung  der  Feldwache  nach  rückwärts  zu  unterhalten  und  die  Weichsel 
zu  beobachten!  Der  Graf  Kaikreuth  gab  am  22.  März  in  Danzig  folgenden 
für  seine  Art  charakteristischen  Parolebefehl  aus :  „Wenn  ein  Junker  8  Tage 
Soldat  ist,  30  weiss  er,  dass  die  Vorposten  eine  Stunde  vor  Tage  unterm  Ge- 
wehr, die  Feldwachen  aufgesessen  und  die  Pikets  parat  sein  müssen,  bis  die 
PatrouiUen  zurück  sind,  und  man  sehn  kann,  dass  kein  Feind  anrückt.  Da- 
mit solches  geschehe,  müssen  die  Herrn  Stabsofüciere  um  diese  Zeit  in  grösster 
Thädgkeit  sein.  Wenn  S.  Exe.  mm  nach  diesem  ganz  einfachen  Grundsatz 
des  Dienstes  den  Vorfall  auf  der  Nehrung  beurtheilen,  wo  der  Posten  bei 
Schönbaum,  ohne  einen  Schuss  zu  thun,  genommen,  alle  Quartiere  hinterwärts 
ebenso  überfaUen,  so  können  Sie  sich  nur  innigst  betrüben,  dass  aller  Feld- 
dienst aus  der  Armee  heraus  ist  und  man  es  als  Hauptsache  hält,  dass  Vor* 
posten  sich  bloss  mit  Präsentiren  abgeben  müssen*'. 


137 


Front  von  der  mittlem  Abtheilang  des  Feindes  angegriffen,  zog 
er  sich  wiederum  nördlich  ab,  wurde  nun  aber  von  der  von 
Siedlers  Fähre  vordringenden  Abtheiluug  angefallen,  von  allen 
Seiten  umringt,  durch  3  Schüsse  abermals  verwundet  und  mit 
dem  Rest  seiner  Kompagnie  gefangen. 

Der  Major  von  Sternenfels  war  inzwischen  mit  den  beiden 
andern  Komp.  Diericke  von  Schönbaum  herbeigeeilt,  fand  aber 
den  Damm  bereits  von  den  Franzosen  besetzt  und  die  Komp. 
Lagerström  verschwunden.  Nach  einem  vergeblichen  Versuch, 
den  Feind  zurückzuwerfen,  trat  er  den  Rückzug  nach  Nickels- 
walde an.  Ihm  schloss  sich  unterwegs  die  4.  Komp.  des  Bats., 
welche  von  Prenzlaff  herbeigeeilt  war,  und  der  Hauptmann  Ro- 
chella mit  einigen  50  Fiiselieren  von  Freyhuben  an.  Letzterer 
hatte  den  Rest  seiner  Füseliere  unter  dem  Lieut.  von  Löbel 
am  Kttkukskruge  mit  dem  Auftrage  zurückgelassen,  im  Noth- 
fall  sich  auf  den  Major  von  Kamptz  nach  Stutthoff  zurückzu- 
ziehen. 

Bei  dem  Rückzüge  nach  Nickelswalde  löste  sich  das  Bat. 
Diericke  infolge  zahlreicher  Ueberläufer  fast  auf.  Ein  Feld- 
webel der  Komp.  aus  Prenzlaff  ging  in  voller  Ordnung  mit  40 
Mann  zum  Feinde  über  und  schoss  auf  seine  alten  Waffenge- 
fährten. 

In  Nickelswalde  fand  der  Major  Stemenfels  den  General 
von  Roaquette  vor  dem  Ort  aufmarschirt.  Auch  war  hier  be- 
reits ein  Theil  der  Schmelingschen  Grenadfere,  die  vom  Obersten 
Montmarie  aus  Einlage  vertrieben  worden  waren,  angelangt. 
Der  General  hatte  Sogleich  vom  Vorgefallenen  Meldung  an  den 
Gavemeur  gemacht  und  um  Unterstützung  gebeten.  Der  Lieu- 
tenant von  Stieler  warf  einige  Granaten  auf  den  Feind,  da  der 
Tag  bereits  eingetreten  war.  Nach  den  Verlusten  im  Gefecht 
und  durch  Ueberläufer  bestand  die  ganze  versammelte  Macht 
nur  noch  aus  600  Mann.  Der  Gen.  beschloss  daher,  sich  ohne 
Verzug  nach  Danzig  zurüekzuziohn,  um  nicht  abgeschnitten  zu 
werden,  und  den  Major  von  Kamptz  seinem  Schicksal  zu  über- 
lassen. Er  setzte  den  Major  davon  in  Kenntniss  und  befahl 
ihm  die  einzelnen  Posten  zu  versammeln  und  nach  Pillau  aus- 
zuweichen. 

Per  Rückzug  erfolgte  in  ;swei  Kolonnen,  die  eine  auf  den 


138 


Dünen  gedeckt  durch  Schützen  und  durch  Artillerie,  die  andre 
am  Strande.  Die  Franzosen,  die  sich  selbst  erst  sammeln 
mussten,  folgten  nur  langsam. 

Gegen  SV«  Uhr  konnte  sich  der  General  bei  Neufehr  vor 
dem  Münder  Walde  von  neuem  aufstellen,  indem  er  in  Kompag- 
nien und  Zügen  auseinander  gezogen  den  ganzen  Raum  zwischen 
der  Weichsel  und  dem  Strande  ausfüllte.  Die  Abtheilungen  aus 
Krakau  und  Neufehr  hatten  sich  ihm  angeschlossen,  so  dass  er 
gegen  700  Mann  Infanterie,  4  reitende  Geschütze  und  einige 
Kavalleristen  stark  war. 

Hier  traf  ein  Schreiben  des  Grafen  Kaikreuth  ein,  wonach 
der  General  sofort  den  Feind  angreifen,  ihn  aus  der  Nehrung 
werfen  und  die  Verbindung  mit  Pillan  wieder  herstellen  sollte. 
Er  werde  zu  diesem  Zweck  durch  einen  Pulk  Kosacken  ver- 
stärkt werden.  Rouquette  antwortete,  er  werde  sich  bemühen, 
dem  Befehl  nachzukommen,  doch  bedürfe  er,  um  den  Feind 
zurückzuwerfen,  anderer  Hilfe  als  Kosacken. 

Die  Franzosen  machten  zunächst  keine  Anstalten  zum  An- 
griff, da  sie  vorläufig  nur  ein  Geschütz  hatten  und  dem  Oberst 
Vogel  die  Zeit  gelassen  werden  musste,  sich  nach  Pillau  hin 
zu  sichern.    Sie  legten  eine  Verschanzung  auf  der  Düne  an. 

Gegen  4  Uhr  nachmittags  traf  ein  Pulk  Kosacken  unter 
dem  Obersten  Malachow  von  Danzig  her  ein.  Mit  Mühe  gelang 
es  dem  Oberst,  sie  zu  einem  Angriff  gegen  etwa  60  feindliche 
Reiter  zu  bewegen,  welche  am  Strande  hielten.  Der  General 
V.  Rouquette  musste  sich  selbst  an  die  Spitze  stellen.  Da  die 
Franzosen  Kehrt  machten,  wuchs  den  Kosacken  der  Muth.  aber 
auf  den  ersten  feindlichen  Kanonenschuss  stutzten  sie  und 
machten  sich  davon,  obgleich  sie  durch  die  Batterie  Stieler  und 
durch  Schützen  unterstützt  wurden.  Der  General  nahm  die 
preussischen  Offiziere  zusammen  und  sprach  ihnen  seine  Absicht 
aus,  den  Feind  mit  der  Infanterie  anzugreifen.  Diese  waren 
für  ihre  Person  gern  bereit  zu  folgen,  machten  jedoch  darauf 
aufmerksam,  dass  die  Polen  bestimmt  zum  Feinde  übei*gehn 
würden.  Der  General  sah  sich  daher  genöthigt,  den  weiteren 
Rückzug  anzutreten.  Die  Grenadiere  und  die  Artillerie  wurden 
gegen  5  Uhr  nach  der  Fähre  am  Ganskruge,  die  übrige  In- 
fanterie nach  Weichselmünde  dirigirt. 


139 


Als  die  Artillerie  bereits  über  die  Weichsel  gesetzt  war, 
traf  eiu  neuer  Befehl  des  Guverneurs  ein,  die  Franzosen 
zurückzuwerfen,  zu  welchem  Zweck  der  General  durch  das 
Krockowsche  Freikorps  unterstüzt  werden  sollte.  Der  Befehl 
blieb  ohne  weitere  Folgen.  Das  800  Mann  starke  Krockowsche 
ITreikorps  ging  zwar  gegen  7  Uhr  abends  mit  den  beiden  an- 
dern Kosackenpulks  von  Weichselmünde  aus  vor,  musste  jedoch 
bald  wieder  umkehren.  Die  Infanterie  des  Generals  von  Ron- 
quette  ging,  nachdem  die  Besatzung  von  Weichselmünde  auf 
300  Mann  gebracht  worden  war,  am  folgenden  Tage  nach 
Danzig  zurück. 

Der  Marschall  Lefebvre  schickte  sofort  den  General 
Eirgener  nach  der  Nehrung,  um  die  nöthigen  Schanzen  zur 
Festhaltnng  derselben  gegen  Danzig,  Weichselmünde  undPillau 
anfwerfen  zu  lassen'). 

Der  Major  von  Kamptz  hatte  die  verschiedenen  Posten 
des  linken  Flügels  glücklich  an  sich  gezogen  und  führte  sie, 
350  Mann  Infanterie  und  42  Kürassiere  stark,  nach  Pillau,  wo 
in  den  nächsten  Tagen  die  russische  Verstärkung  unter  dem 
Fürsten  Tscherbatow  eintraf,  die  nunmehr  den  Weg  auf  der 
Nehrung  versperrt  fand.  Die  Vorbereitungen  zu  ihrem  Trans- 
port auf  der  See  nahmen  einige  Tage  in  Anspruch.  Für  alle 
Fälle  wurde  Pillau  zur  Beherrschung  des  Tiefs  nach  der 
Wasserseite  zu  stark  armirt  und  auf  der  Nehrungsspitze  gegen- 
über die  vorhandene  alte  Verschanzung  hergestellt  und  mit 
Mannschaft  und  Geschütz  besetzt*). 


0  Matth.  Damas  S.  138. 

*)  Höpfner  S.  402.  Die  uach  dem  Tilsiter  Frieden  eingesetzte  Unter- 
sachnngs-Kommission  sprach  den  Gen.  v.  Bouqnettc  von  der  Anschnldigung 
der  VersäumniBS  seiner  Pflicht  nnd  der  Unentschlossenheit  frei  und  erklärte, 
dass  die  Nehrung  bei  den  geringen  und  unzuverlässigen  Kräften  des  Generals 
hätte  verloren  gehen  müssen.  Sie  wies  die  aUeinige  Schuld  zu:  1)  dem  frü- 
hem Guvemenr  von  Danzig  (v.  Manstein),  der  es  verabsäumt  hat,  die  Ver- 
thddignngsmittel  durch  fortifikatorisöhe  Anlagen  zu  verstärken.  2)  Dem 
Oberbefehlshaber  der  verbündeten  Armee  (v.  Bennigsen).  weil  er  die  Wichtig- 
keit der  Nehrung  nicht  gewürdigt  und  ein  entsprechendes  Truppenkorps  da- 
bin detachirt  hat.  3)  Dem  Guv.  Grafen  Kaikreuth,  weil  er  nicht  statt  eines 
Pulks  Kosacken  den  Gen.  v.  Rouquette  durch  einige  Bataillone  Infanterie  und 
eine  angemessene  Linien-Kavallerie  verstärkt  hat    Das  TJrtheil  erfolgte  auf 


140 


Am  21.  wurde  Neufahrwasser  von  neuem  angegriffen.  Der 
Graf  Krockow  und  Oberst  Popow,  Kommandeur  des  im  Ort 
stehenden  Kosackenpulks,  erst  an  demselben  Morgen  wieder 
zurück,  verfolgten  den  abgewiesenen  Feind  bis  Langfubr  und 
Oliva.  Der  Guverneur  Graf  Kaikreuth  hatte  auf  die  Nachricht 
des  Angriffs  auf  Neufahrwasser  sogleich  einen  Ausfall  nach 
Wonneberg  durch  die  Obersten  von  Massenbach  und  Malachow 
machen  lassen.  Die  Kosacken  steckten  das  Hüttenlager  eines 
badischen  Battaillons  in  Brand  und  brachten  mehr  als  100 
Gefangene  ein.  Der  Feind  soll  mehr  als  40  Todte  gehabt 
haben. 

Bei  Zigankendorf  wurde  die  Vorpostenlinie  um  500  Schritt 
mehr  vorgeschoben.    Infolgedessen  entwickelte  sich  am 

22.  wiederum  ein  Gefecht,  worin  die  Belagerten  ihre  Linie 
behaupteten  und  die  Franzosen  auch  dem  Bischofsberge  gegen- 
über etwas  zurückgingen. 

Der  Mangel  an  Furage  in  Weichselmünde  veranlasste  den 
Guverneur,  die  100  Reiter  des  Krockow'schen  Freikorps 
und  die  beiden  Kosackenpulks  aus  Weichselmünde  und  Neu- 
fahrwasser, welche  unter  dem  Obersten  Popow  vereinigt  wurden, 
nach  Danzig  zu  ziehn.  Die  Kosacken  wurden  nach  dem 
Kneipab  und  nach  dem  Ganskruge  verlegt.  Der  Oberst  Ma- 
lachow lagerte  mit  seinem  Pulk  im  Schiessgarten  vor  dem 
hohen  Thor. 

Der  General  von  Schramm  verschanzte  sich  bei  Krakau 
unterhalb  Neufahrwasser  und  Hess  daselbst  eine  Brücke  über 
die  Weichsel  schlagen^). 


den  Bericht  des  Eeferenten  Obersten  y.  Bülow  (des  spätem  Grafen  von  Denne- 
witz),  der  mit  der  Lokalität  vertraut  war.  Das  Referat  wird  von  HOpfuer 
S.  403  ausführlich  mitgetheilt.  Höpfner  theilt  S.  409  in  einer  Note  die 
Aeusserung  von  Officieren  mit,  welche  den  General  v.  Kaikreuth  näher  ge- 
konnt haben.  Danach  soll  er  den  General  von  Rouquette  nicht  unterstüzt 
haben,  weil  derselbe  in  dem  zu  seiner  Zeit  viel  besprocheneu  Streit  Über  den 
Vorzug  der  Wendung  zu  Dreien  oder  zu  Vieren  bei  der  Kavallerie  sein 
Gegner  gewesen  sei.  Jedenfalls  ist  das  Benehmen  des  Grafen  aus  seinen 
selbst  über  die  Wichtigkeit  der  Nehrung  ausgesprochenen  Ansichten  nicht  zu 
erklären,  so  dass  es  gerechtfertigt  erscheint,  es  auf  persöuliche  Motive  zurück- 
zuführen. 

^)  Schreiben  des  Guverneurs  an  den  Obersten  von  BUlow  in  PiUau  vom 


141 


Zur  Beherrschung  der  Weichsel  und  der  Küste  liess  der 
Guverneur  einige  Fahrzeuge  herrichten,  wovon  zwei,  das  eine 
zu  4,  das  andre  zu  2  Geschtttzen,  bereits  an  diesem  Tage 
bereit  waren. 

Den  23.,  24.  und  25.  herrschte  bei  den  Vorposten  Ruhe. 
Die  Franzosen  arbeiteten  an  ihrer  Kontravallation  (Fleschen 
1—5)  fort.  Vier  Wurf  vom  Bischofsberge  jagten  die  feind- 
lichen Arbeiter  an  der  Redute  auf  der  Jesuiterhöhe  am  25. 
auseinander,  so  dass  die  Arbeit  nur  in  der  Nacht  fortgesetzt 
werden  konnte. 

Der  Guverneur  liess  auf  den  zwei  höchsten  Thürmen  der 
Stadt  Teleskope  zur  Beobachtung  des  Feindes  aufstellen.  In 
der  Nacht  wurden  die  Feldwebel  dazu  verwendet.  An  den 
Annirungsarbeiten  wurde  angestrengt  fortgearbeitet. 

Von  Pillau  lief  die  Nachricht  ein,  dass  die  Verstärkung 
der  Russen  am  22.,  23.  und  24.  daselbst  eintreffen  würde. 

Am  26.  liess  der  Guverneur  um  6  ühr  morgens  einen 
grössern  Ausfall  machen.  Er  berichtet  darüber  unterm  27.  an- 
den  König,  wie  folgt:  „Der  Ausfall  ward  früh  mit  ungefähr 
3000  Mann,  wovon  '/s  Kavallerie,  in  6  Kolonnen*)  unter  An- 
führung des  Obersten  von  Massenbach  gemacht,  gerieth  sehr 
gut;  es  wurden  sogleich  5  Offiziere  171  Mann  gefangen,  die 
Windmühle  und  das  Müllerhaus  bei  der  feindlichen  Schanze 
(Nr.  1)  auf  dem  Judenkirchhofe  abgebrannt. 

20.  April,  wonach  Höpfner  zu  berichtigen,  der  S.  410  sagt,  dass  die  Lage  der 
Brücke  nicht  genau  zu  ermitteln  wäre.  Seine  Erkundigungen  an  Ort  und 
Stelle  bestätigen  jedoch  obige  Nachricht  des  Guvemeurs  (Belag,  y.  1807 
S.  129). 

*)  Nach  Friccins,  Gesch.  der  Befestigungen  und  Belagerungen  Danzigs. 
Berlin  1854  S.  86  erhielten  diese  6  Kolonnen  folgende  Direktionen :  die  1.  und 
2.  debuchirten  ans  dem  Petershagener  Thor  und  gingen,  die  1.  gegen  Stolzenberg, 
die  2.  gegen  den  Judenberg  vor;  die  3.  und  4.  Kolonne,  letztere  als  Reserve,  diri- 
girten  sich  durch  das  Neugarten-Thor  auf  Schidlitz.  Die  5.  und  6.  Kolonne 
gingen  durch  das  Olivaer  Thor  vor,  erstere  nach  dem  Zigankenberg,  letztere 
gegen  Langfuhr.  Diese  Richtungen  sprechen  dafür,  dass  es  auf  die  5  Schanzen 
der  Kontravallation  abgesehen  war,  wie  dies  auch  französischerseits  ausge- 
sprochen ist.  Damit  Hesse  sich  der  Bericht  Kaikreuths  wohl  vereinigen.  Die 
1.  Kolonne  ist  als  die  Hanptkolonne  anzusehen,  deren  Spitze  nach  dem  Bericht 
bis  gegen  Wonneberg  vorgegangen  ist.  Sie  wurde  vom  Oberstlieutenant 
V.  Schmeling  geftUirt. 


142    _ 

Die  Tete  der  Hauptkolonne  war  bis  gegen  Wonneberg 
vorgegangen  und  zog  sich  zu  rechter  Zeit  zurUck.  Auf  dem 
Rttckzuge  hielten  sich  einige  Infanteriekolonnen  etwas  mit  zu 
pünktlichem   Manöveriren*)   auf,   wodurch  zuletzt  vorm 


*)  In  einem  Schreiben  des  Guverneurs  vom  27.  an  den  Major  v.  Wos- 
trowski  erklärt  er  sich  über  das  „zu  pünktliche  Manövriren''  näher,  indem 
er  einem  Kapitain,  wie  es  scheint  von  Kykbusch,  den  Vorwarf  macht,  dass  er 
en  6chiqnier  zurückgegangen  ist,  während  er  ohne  alle  Gefahr  en  front  de 
baniere  zurückgehn  konnte.  (S.  72.)  Der  Guverneur  sagt  hierbei  die  sehr 
praktischen  Worte  „von  allen  Evolutionen  ist  der  Ausfall  die  schwerste,  weil 
schnell  vor,  schnell  ausgerückt,  ungesäumt  doch  in  Ordnung  zurück,  das  Ele- 
ment davon  sind  pp.''  Ich  habe  absichtlich  den  Wortlaut  des  Berichts  au 
den  König  wiedergegeben,  weil  Höpfner  S.  411,  der  „skizzirt«n  Geschichte^ 
S.  72  folgend,  den  Ausfall  anders  darstellt.  Danach  sollten  die  Franzosen 
aus  Stolzenburg  geworfen,  der  Ort  jedoch  beim  Vordringen  nicht  gehörig  ab- 
gesucht worden  sein,  so  dass  eine  bedeutende  Zahl  feindlicher  Infanterie  sich 
in  den  Häusern  verstecktet  und  beim  Rückzuge  heftig  auf  die  Preussen  schoss. 
üöpfner  tritt  damit  jedoch  mit  seinen  eignen  Angaben  in  Widerspruch,  in- 
dem er  S.  391  sagt,  dass  der  Feind  am  18.  aus  dem  äussersten  Ende  von 
Stolzenberg  delogirt  wurde  und  am  22.  seine  Vorposten  noch  weiter  zurück- 
genommen hätte  (S.  41).  Stolzenberg  war  also  gar  nicht  vom  Feinde  be- 
setzt, weder  der  Bericht  an  den  König  noch  alle  andern  gleichzeitigen  Nach- 
richten wissen  etwas  davon.  Auch  irrt  Höpfner  darin,  dass  er  den  Berg,  auf 
welchem  Schanze  2  lag,  den  Windmühlenberg  nennt.  Der  Berg,  worauf  die 
Windmühle  und  das  MiUlerhaus  lag,  befand  sich  nach  dem  Bericht  des 
Guverneurs  auf  dem  Judenberge.  Er  findet  ferner  die  Veranlassung  zu  dem 
Ausfalle  darin,  dass  die  Schanze  2  so  weit  vollendet  war,  dass  sie  armirt 
werden  sollte  und  die  Truppen  bei  Wonneberg  600  Mann  nach  der  Nehrung 
detachirt  haben  sollten  und  ein  Unternehmen  auf  Neufahrwasser  beabsichtigt 
war,  um  sich  der  Landung  der  Russen  zu  widersetzen.  Von  alledem  wird 
in  dem  Bericht  des  Guverneurs  nichts  erwähnt,  doch  mag  die  Entdeckung 
der  Arbeit  an  Schanze  2  die  Hauptveranlassung  zum  Ausfall  gewesen  sein. 
Der  Guverneur  äusserte,  als  er  nach  dem  Gefecht  bei  der  Börse  vorbeiritt, 
zu  einigen  befreundeten  Kaufleuten:  „Meine  Herrn,  der  Feind  hatte  sich 
vorgenommen,  uns  einen  grünen  Donnerstag  zu  machen;  ich  hielt  es  für  ge- 
rathen  ihm  zuvorzukommen  und  ich  kann  Ihnen  sagen,  dass  alles  gut  gegangen 
ist".  (Duisburg  S.  222.)  In  derselben  Weise  spricht  sich  das  Zeitungsbnlletin 
des  Guverneurs  vom  27.  aus.  Der  grüne  Donnerstag  (26.)  war  nämlich  für 
Danzig  ein  ominöser  Tag,  und  allerhand  Gerüchte  waren  im  Umlauf,  darunter 
möglicherweise  auch  ein  Unternehmen  des  Feindes  auf  Fahrwasser.  Man  darf 
sich  durch  die  Aeussemngen  Kaikreuths  hinsichtlich  des  Erfolges  nicht  blenden 
lassen,  der  ganze  Ausfall  war  ein  verfehltes  Manöver;  nicht  eine  der  fünf 
Schanzen  ist  genommen  worden. 


143 

Bischofsberge  und  Neugartenthor  ein  blutiges  Oefecht  entstand, 
so  wie  hiernächst  bei  Zigankenberg  und  Langfuhr.  Gegen 
12  ühr  war  alles  vorbei  und  die  Vorposten  blieben  iYi  der 
alten  Position,  unser  Verlust  ist :  Blessirte  5  Offiziere,  6  Unter- 
offiziere, 97  Gemeine;  Todte  15  Gemeine;  Vermisste  oder  Ge- 
fangene 2  Offiziere,  2  Unteroffiziere,  1  Tambur,  136  Gemeine. 
14  blessirte  Pferde  und  2  Gefangene  von  der  Kavallerie.  Von 
den  Kosacken  1  Offizier,  4  Kosacken  und  3  Pferde  todt;  1  Unter- 
offizier, 16  Kosacken  und  20  Pferde  blessirt,  IKosack  gefangen. 

Die  Truppen  hielten  sich  sehr  gut,  namentlich  die  Kosacken, 
welche  die  meisten  Gefangenen  einbrachten". 

In  einem  Zeitungsbulletin  vom  27.  erwähnt"  der  Gu^erneur 
noch,  dass  sich  bei  dem  Ausfall  vom  26.  besonders  ausgezeichnet 
hätten:  Die  Fuss Jäger,  die  Schützen  namentlich  von  Courbiere 
unterm  Lieutenant  von  Lyncker,  der  3  Blessuren  erhalten  hat, 
nach  der  ersten  sich  verbinden  Hess  und  wieder  ins  Feuer 
ging;  die  Schützen  von  Schmeling  Grenadiere  und  ein  Theil 
des  Regiments  von  Rouquette  unter  Anführung  des  braven 
Majors  von  Mutius,  ebenso  wie  der  Oberst  von  Massenbacb, 
die  Kosackenobersten  von  Popow  und  von  Malachow,  der  Oberst 
von  Schäfer  und  Schuler  von  Senden,  der  Oberstlieutenant 
von  Schmeling  u.  a.  m. 

Der  Bericht  fährt  dann  fort:  Der  Major  Graf  Krockow 
hatte  den  Befehl,  während  des  Ausfalls  die  Aufmerksamkeit  des 
Feindes  von  der  Seite  von  Langfuhr  auf  sich  zu  ziehn,  ging 
abor  längs  dem  Strande  auf  Oliva  zu,  um  dort  mit  Wagen  zu 
furagiren,  wurde  mit  Uebermacht  bei  Brösen  abgeschnitten, 
das  Korps  musste  sich  durchschlagen,  wobei  Major  Graf 
Krockow  nebst  noch  1  Offizier  und  60  Mann  theils  blieben, 
theils  gefangen  und  ein  Offizier  und  mehr  denn  30  Mann 
blessirt  wurden  ^). 

Das  Zeitungsbulletin  setzt  noch  hinzu,  dass  durch  die  Ver- 
rätherei  eines  Knechts,  der  vorsätzlich  umwarf,  ein  reitendes 
Kanon  vom  Krockowschen  Korps  verloren  ging. 


>)  Nach  Matth.  Dnmas  S.  139  war  es  eine  Eskadron  des  19.  französischen 
Chasseor-Begimeuts  und  ein  polnisches  Ulanen-Regiment^  welche  den  Grafen 
Krockow  gefangen  nahmen. 


144 


Während  des  Gefechts  kamen  die  beiden  ersten  russischen 
Kompagnien  zur  See  an  und  zogen  noch  in  der  Nacht  in  Dan- . 
zig  ^n.    Mit  ihnen  der  General  Laurens. 

Am  27.  langte  wiederum  eine  Kompagnie  Russen  an.  Die 
vierte  des  1.  Bats.  wurde  durch  einen  feigen  Schiffer  auf  der 
See  zui*fickgehalten. 

Am  28.  rückte  der  Gen.  v.  Schramm  mit  seinem  Korps 
bis  Heubude  vor^).  Eine  Abtheilung  Franzosen  drang  bis  zu 
den  dem  Ganskruge  gegenüberliegenden  Häusern  von  Kreil  vor, 
wurde  aber  von  übergesetzten  preussischen  Jägern,  Kosacken 
und  russ.  Infanterie  wieder  zurückgetrieben.  Die  Häuser  von 
Kreil  sowie  der  grosse  und  kleine  Holländer  wurden  abgebrannt. 
Leider  versäumte  man  auch  das  Dorf  Weichselmünde  abzu- 
brennen, was  sich  in  der  Folge  sehr  nachtheilig  erwies. 

In  der  folgenden  Nacht  wurde  die  Balkenschanze  an  der 
Weichsel  beendet  und  am  Ganskruge  fortgebaut. 

Am  29.  kam  der  Fürst  Tscherbatow  mit  dem  2.  und  3. 
Bataillon  an,  mit  ihm  der  Major  von  Kamptz  mit  seiner  Mann- 
schaft. 

Es  wurden  zwei  neue  armirte  Schiffe  zum  Auslaufen  bei-eit 
gestellt.  Der  Befehl  über  das  kleine  Geschwader  wurde  dem 
Lootsenkommandeur  Husen  anvertraut. 

Die  Bttrgerkompagnien  erboten  sich,  im  innern  Dienst  der 
Stadt  Hilfe  zu  leisten  und  Wachen  zu  stellen,  was  dankbar 
angenommen  wurde. 

Nach  Ankunft  der  russischen  Infanterie  konnte  der  Gu- 
verneur  die  Besatzungen  von  Weichselmünde  und  Neufahr- 
wasser verstärken.  Nach  letzterem  wurde  das  Füsilierbataillon 
Pelet  unter  dem  Obersten  Schuler  von  Senden  verlegt,  dem 
zugleich  interimistisch  die  Kommandantenstelle  für  den  Obersten 
von  Winterfeld  übertragen  wurde. 

Am  30.  besetzte  ein  russisches  Bataillon  den  Holm,  wäh- 
rend ein  zweites  nach  Kneipab,  dem  Ganskrug  und  der  Rück- 
forter  Schleuse  verlegt   wurde.    Das   3.  wurde   in  Langgarten 


')  Die  Schanzen,  die  hier  »ogleich  in  Angriff  genommen  werden,   sind 
auf  n  Taf.  in  1  eingetragen. 


145 

untergebracht.  Die  noch  fehlende  Komp.  des  1.  Bats.  langtö 
am  1.  April  an. 

Im  übrigen  herrschte  seit  dem  27.  (dem  Charfreitage) 
wegen  der  Osterfeiertage  ziemliche  Ruhe.  Nur  die  beidersei- 
tigen Arbeiten  wurden  eifrig  fortgesetzt. 

Am  31.  März  wurde  seitens  der  Franzosen  gegen  Abend 
die  Schanze  an  der  Rtickforter  Schleuse  mit  einer  Haubitze 
und  zwei  Kanonen  beschossen  und  am  1.  April  ein  Angriff 
darauf  gemacht.  Die  russische  Besatzung  vertheidigte  sich 
hartnäckig,  verlor  aber  1  Offz.  und  mehrere  Mann;  15  Russen 
wurden  verwundet.  Der  preussische  Artillerieoffizier  in  der 
Schanze,  Hauptmann  v.  Fiebig,  verlor  ein  Bein  und  starb  an 
der  Amputation. 

Das  Eintreffen  der  Generäle  Michaud,  Dufour  und  von 
d.  Velde  mit  ihren  Abtheilungen  in  den  letzten  Tagen  des 
März  gestattete  dem  Marschall  Lefebvre  endlich  den  Beginn 
der  förmlichen  Belagerung^).  Vom  Belagerungstrain  war  in- 
dessen nur  ein  kleiner  Theil  eingetroffen,  doch  sah  man  der 
Ankunft  weiterer  Transporte  binnen  kurzem  entgegen. 

g.  Von  der  Eröffnung  der  1.  Parallele  bis  zur 
Vollendung  der  3.,  oder  vom  1.  April  bis  1.  Mai. 

Am  1.  April  Hess  der  Marschall  Lefebvre  die  Vorposten  ^P"l- 
aus  Stolzenberg,  Schidlitz,  Zigankenberg  und  Aller  Engeln  zu- 
rückwerfen. Vom  Zigankenberg  wurde  der  Belagerer  zweimal 
zurückgewiesen.  Mittags  befahl  der  Graf  Kaikreuth  jedoch,  das 
Feuer  einzustellen,  so  dass  der  Belagerer  nach  grossen  Ver- 
lusten im  Besitz  des  streitigen  Terrains  blieb.  Der  Lieutenant 
von  Barnikow  I  hatte  mit  einem  Kommando  des  schwarzen 
Husaren-Regiments  in  ein  Bataillon  badenscher  Infanterie  einge- 
hauen ^  und  1  Offz.    und   40  Mann   gefangen   genommen.    Es 


»)  Matth.  Dumas  S.  140.  Nach  ihm  wäre,  wie  bereit»  bemerkt,  das 
französische  Belagerangskorps  bis  dahin  nnr  9000  Mann  stark  gewesen? 

')  Nach  Grolman  S.  75  waren  es  2  Kompagnien  des  1.  BataiUons  vom 
Regiment  Erbgrossherzog,  die  auf  einer  Höhe  links  des  Zigankenberges 
standen.  Die  badischen  Truppen  verloren  142  Mann  an  Todten,  Verwundeten 
und  Gefangenen.  Drei  Officiere  wurden  schwer,  vier  leicht  verwundet.  Der 
Hauptmann  Fein  starb  an  seinen  Wunden. 

Köbler,  Oenchichte  der  Festangen  Danzig  and  Weichselmände.    IL  lo 


146 


wurden  überhaupt  89  Gefangene  gemacht.    Das  Gefecht  hatte 
6  Stunden  gedauert.     Der  Belagerte  zählte  75  Verwundete. 

In  der  folgenden  Nacht  wurde  vom  Belagerer  unter  Be- 
günstigung eines  lebhaften  Angriffs  auf  Aller  Engeln,  den  der 
General  Puthod  durch  den  Fürsten  Radziwill  ausführen  Hess, 
die  erste  Parallele  gegen  den  Hagelsberg  eröflfhet,  nachdem 
durch  einen  desfallsigen  Kriegsrath  festgestellt  worden  war, 
dass  der  Hauptangriflf  gegen  diesen  geführt  werden  sollte.  Er 
sollte  durch  zwei  Scheinangriffe,  den  einen  gegen  Weichsel- 
münde durch  den  General  von  Schramm,  den  zweiten  gegen 
den  Bischofsberg  begünstigt  werden.  Zwei  andere  sekundäre 
Angriffe  gegen  das  Olivaer  Thor  und  die  untere  Weichsel 
sollten  auf  dem  linken  W^eichselufer  geführt  werden^).  Der 
General  v.  Schramm  erhielt  ausserdem  den  Befehl,  die  Verbin- 
dung von  Weichselmüude  mit  Danzig  aufzuheben  und  den 
Wasserweg  zu  sperren. 

Die  Eröffnung  der  ersten  Parallele  bestand  zunächst  nur 
in  der  Krönung  des  Zigankenberges  in  der  Ausdehnung  von 
400  Metern.  Die  Dominirung  desselben  über  den  Hagelsberg 
hatte  vorzugsweise  die  Wahl  dieses  Angriffspunktes  bestimmt, 
obgleich  man  zunächst  wegen  Mangel  an  Artillerie  keinen  Vor- 
theil  davon  ziehen  konnte.  Ein  weiterer  Grund  lag  wohl  darin, 
dass  man  beim  Angriff  auf  den  Hagelsberg  die  kantonirenden 
Truppen  vortheilhafter  gruppiren  konnte,  sowohl  um  gegen 
Landungen  bei  Neufahrwasser  bereit  zu  stehen,  als  eine  nähere 
Verbindung  mit  den  Truppen  auf  der  Nehrung  zu  erzielen,  die 
nur  über  die  Holminsel,  deren  Wegnahme  die  Vorbedingung  da- 
zu war,  ermöglicht  werden  konnte.  Eine  direkte  Verbindung  mit 
der  Nehrung  östlich  von  Danzig  war  wegen  der  Inundation  nicht 
herzustellen.  Durch  den  Angriff  auf  den  Hagelsberg  gab  man 
allerdings  die  bequemere  Verbindung  mit  den  Hauptparks,  welche 
wegen  der  Weichseltransporte  an  der  Hauptstrasse  nach  Dir- 
schau  liegen  mussten,  auf,  aber  bei  einem  Angriff  auf  den 
Bischofsberg,  der  eine  leichtere  Verbindung  mit  denselben  ge- 
stattet hätte  und  auch  sonst   noch  Vortheile  bot*),   hätte   man 


^)  Mattd.  Dumas  S.  144. 

*)  Der  General  Kirgener  macht  in  dieser  Beziehung  geltend,    dass   der 


147 

die  ffir  den  Angriff  des  Hagelsberges  sprechenden  schwer  wie- 
genden Vortheile  aufgeben  müssen^).  Die  Einwirkung  des 
Bischofsberges  und  der  Hohninsel  als  entferntere  Kollatoral- 
werke  auf  den  Angriff  gegen  den  Hagelsbeig  würde  heut  be- 
stimmend gegen  denselben  sprechen,  war  aber  bei  dem  dama- 
ligen Zustand  der  Artillerie  ohne  Bedeutung.  Die  Verlegung 
des  Hauptangriffs  gegen  die  Front  am  Olivaer  Thor  hätte  die 
vorherige  Wegnahme  des  Holms  noth wendig  gemacht,  was  gleich 
bei  Beginn  der  Belagerung,  wo  man  auf  beiden  Ufern  der 
Weichsel  noch  nicht  genügend  basirt  dazu  war,  ein  sehr  zweifel- 
haftes Unternehmen  gewesen  wäre,  worauf  sich  kein  Plan  be- 
gründen Hess.  Ausser  der  Wegnahme  der  Ealkschanze  *)  hätte 
auch  die  Festsetzung  an  der  Bootmannslake  von  der  Nehrung 
aus  zu  den  Vorbereitungen  gehört.  Ein  Angriff  auf  Neufahr- 
wasser, den  der  Guverneur  mit  Recht  am  meisten  fürchtete, 
hätte  nur  für  den  Fall  zur  Diskussion  kommen  können,  dass 
man  sich  entschloss,  die  dortigen  Verschanzungen  durch  gewalt- 
samen Angriff  zu  nehmen.  Davor  schreckte  man  jedoch  zurück 
und  liess  es  nur  bei  Versuchen  bewenden  %  Zu  einem  förmlichen 
Angriff  fehlten  vorläufig  die  Mittel,  die  Zeit  bis  zu  deren  Ein- 


Besitz von  Stolzenberg  und  des  Stolzenberger  Grandes  am  Fnss  des  Glacis 
g^estattet  hätte,  die  1.  Parallele  in  grosser  Nähe  vom  Platze  zu  erbauen. 
Wegen  zu  geringer  Stärke  des  Belagerangskorps  hätten  die  Belagerten  jedoch 
nicht  daraus  vertrieben  werden  können. 

*)  Der  General  Pullet  macht  in  seinem  von  der  skizzirten  Geschichte 
benutzten  handschriftlichen  Werke  noch  besonders  für  den  Angriff  des  Hagels- 
berges geltend,  dass  die  hinter  dem  Bischofsberge  befindliche  Front  des 
Hauptwalles  der  Stadt  bedeutend  stärker  war  als  die  hinter  dem  Hagelsherge 
liegende.    Skizz.  Gesch.  S.  220. 

*)  Der  General  Kirgener  giebt  die  Wiedereroberang  der  kleinen  Kalk- 
schanze durch  den  Belagerten  als  Veranlassung  an,  dass  von  einem  Angriff 
der  Olivaer  Front,  den  er  für  den  vortheilhaf testen  hielt,  Abstand  genommen 
wurde.  Pr6cis  S.  41.  Die  Schanze  wurde  jedoch  erst  am  8.  zurttckerobeit, 
nachdem  die  Parallele  gegen  den  Hagelsberg  schon  in  der  Naoht  zum  2.  er- 
öffnet worden  war! 

')  Der  General  Kirgener  hielt  einen  gewaltsamen  Angriff  auf  Neufalm- 
wasser  ohne  Vorbereitung  durch  Artillerie  behufs  Zerstörung  der  sehr  staiüluNi 
Palisaden  nicht  ausführbar. 

10* 


148 

treflfen  musste  aber  benutzt  werden,  da  Napoleon   unaufhörlich 
auf  Beginn  der  Arbeiten  drang '). 

Die  Kenntniss  der  genauen  Vertheilung  der  Truppen  des 
Belagerungskorps  in  dieser  Zeit  wäre  in  allen  diesen  Beziehungen 
von  Interesse,  doch  lässt  sie  sich  nicht  genau  feststellen  *).  Als 
die  4  Hauptstationspunkte  ergeben  sich  Langfuhr,  Pietzkendorf, 
Wonneberg  und  St.  Älbrecht.  Hier  werden  daher  die  4  Divi- 
sionsstäbe gewesen  sein.  Die  Divisonen  bildeten  in  sich  ihre 
Reserven.  Von  jeder  Division  waren  2  Bataillone  zum  Detache- 
ment  des  General  v.  Schramm  auf  der  Nehrung  abkonimandirt. 
Wahrscheinlich  war  auch  gegen  Neufahrwasser  ein  gemischtes 
Kommando  aufgestellt.  Im  Werder  stand  vor  wie  nach  ein 
Bataillon  Polen. 

Der  Bau  der  1.  Parallele  war  von  der  Festung  nicht  be- 
merkt worden,  da  die  Entfernung  zu  gross  war.  Das  am  Mor- 
gen des  2.  dahin  dirigirte  Feuer  von  den  Werken  blieb  ohne 
Wirkung,  so  dass  der  Belagerer  am  Tage  die  Arbeit  vervoll- 
ständigen und  in  der  folgenden  mit  Zickzacks  vom  rechten  Flügel 
daraus  vorgehen  konnte.  Er  bemächtigte  sich  ausserdem  in  der 
Nacht  der  kleinen  Kalkschanze,  welche  verfallen  und  planirt  wor- 
den war  und  nur  durch  50  Mann  als  ein  vorgeschobener  Posten 
besetzt  war.  Von  3  Kompagnien  der  Nordlegion  angegriffen, 
räumte  die  Besatzung  den  Posten  ohne  Widerstand. 

Auf  Seiten  des  Vertheidigers  wurde  der  Bau  einer  Flesche 
vor  dem  Olivaer  Thor  begonnen. 

Der  Guverneur  Graf  Kaikreuth   Hess   am   3.    um   11  Uhr 


^)  Dieser  Umstand  und  namentlich  der  Mangel  an  Artillerie  mag  auf 
die  Wahl  der  AngriflFsfront  bestimmend  gewesen  sein,  da  bei  der  Beschaffen- 
heit des  Vorterrains  vom  Hagelsberg  die  wenigsten  Verluste  zu  erwarten 
waren.  Er  erklärt  zugleich,  dass  die  1.  Parallele  ungewöhnlich  weit  vom 
Platz  (1000  Schritt)  erbaut  worden  ist. 

*)  Nach  dem  Tagebuch  von  Grolman  S.  79  waren  die  4  Divisionen 
des  10.  Korps,  welche  erst  ende  März  gebildet  werden  konnten,  vom  linken 
nach  dem  rechten  Flttgel  wie  folgt  aufgestellt:  Michaud.  Erbgrossherzog  von 
Baden,  der  erst  am  2.  April  eintraf,  Gielgnd  und  Gardanne.  Bis  zum  Ein- 
treffen des  Erbgrossherzogs  hatte  der  General  Menard  die  Badener  geführt, 
obgleich  er  nur  Brigadegeneral  war,  der  General  v.  Klossmann  aber  General- 
lieutenant. 


149 


morgens  einen  Ausfall  von  40  Jägern,  unterstützt  von  einem 
Bataillon  Bussen  unter  dem  Oberstlieutenant  Dumaschew,  auf 
die  Ealkschanze  machen,  der  ausserdem  den  Zweck  hatte,  durch 
ein  zweites  Detachement  die  Ziegelei  und  Aller  Engeln,  wo  sich 
der  Feind  eingenistet  hatte,  zu  verbrennen.  Der  Oberstlieu- 
tenant ging  aus  der  Sortie  des  Pockenhäuser  Holzraumes  vor 
und  wurde  durch  das  Feuer  der  Batterie  auf  dem  Holm  unter- 
stfitzt. Nach  einem  kurzen  einleitenden  Gefecht  der  Jäger  gingen 
die  Russen  mit  dem  Bajonett  drauf.  Die  Besatzung  der  in- 
zwischen mit  einer  Brustwehr  in  der  Kehle  versehenen  Schanze 
wartete  den  Angriff  nicht  ab,  sondern  zog  sich  nach  der  Zie- 
gelei und,  gefolgt  von  den  Russen,  nach  Aller  Engeln  ab.  Die 
Russen  liessen  sich  verleiten,  heftig  nach  Langfuhr  und  in  der 
Richtung  auf  Pietzkendorf  zu  verfolgen,  wurden  aber  bald  von 
herbeieilenden  feindlichen  Reserven  bedrängt  und  mussten  sich 
zurückziehen,  wobei  sie  vom  Schmidt'schen  Garten*)  her  nicht 
unbedeutenden  Verlust  erlitten.  Das  Bataillon  v.  Brauchitsch,  das 
mit  Kosacken  und  einiger  preussischer  Kavallerie  auf  der  Chaussee 
vorgegangen  war,  hatte  sich  inzwischen  der  Aufgabe  erledigt. 
Aller  Engeln  und  die  Ziegelei  in  Brand  zu  stecken  und  deckte 
mit  gi'osser  Ruhe  den  Rückzug.  Der  Feind  folgte  bis  an  das 
Olivaer  Thor,  wo  einige  Unordnung  entstand  und  die  Russen 
über  die  Palisaden  kletterten.  Die  Grenadiere  von  Brauchitsch 
retteten  jedoch  das  Thor,  indem  sie,  quer  über  die  Olivaer 
Chaussee  aufgestellt,  den  Feind  mit  dem  Bajonett  empfingen. 
Sie  wichen  nicht  eher,  bis  der  letzte  Mann  in  Sicherheit  war, 
worauf  sie  sich  in  die  begonnene  Schanze  vor  dem  Thor  zu- 
rückzogen und  die  Artillerie  von  den  Wällen  den  Feind  bald 
vertrieb*).    Die  kleine  Kalkschanze  wurde  behauptet   und  mit 


')  Der  Schmidtsche  Garteu  spielt  auch  bei  der  Belagerung  von  1813 
eine  Rolle  und  lag  etwas  vorwärts  von  Aller  Engeln,  aber  links  von  der 
AUee. 

*)  Der  Verfasser  der  „Preussen  in  Danzig",  wahrscheinlich  Brese,  und 
y.  Duisburg  geben  eine  sehr  anschauliche  Darstellung  des  Gefechts.  Siehe  auch 
den  Bericht  des  (luverneurs  S.  80  und  89.  Nach  Brese  waren  es  nicht  Jäger, 
welche  dem  Ausfall  beigegeben  waren,  sondern  Filseliere,  die  die  Nacht  zuvor 
die  Schanze  geräumt  hatten  und  freiwillig  sich  am  Ausfalle  betheiligteu,  doch 
ist  das  ein  Irrthum. 


150 


200  Mann  besetzt.     Noch  an  demselben  Tage  wurde  sie  durch 
einen  Aufwurf  mit  dem  Holzraum  in  Verbindung  gesetzt  ^). 

Es  wurden  1  Hauptmann  und  25  Gemeine  der  Nordlegion 
gefangen.  Der  Verlust  des  Belagerten  betrug  gegen  100  Ver- 
wundete, hauptsächlich  Russen,  darunter  der  Oberstlieutenant 
Malachow  und  zwei  andere  Offiziere. 

Von  selten  der  Artillerie  des  Belagerten  wurde  ein  lang- 
sames Feuer  gegen  die  Sappenteten  unterhalten.  Für  die  Nacht 
waren  auf  Bastion  Jerusalem,  Ravelin  Hagel  und  Bastion  Schütz 
je  ein  Geschütz  bestimmt,  abwechselnd  einen  Kartätschschuss 
gegen  die  feindlichen  Arbeiten  abzugeben*).  Entdeckte  man 
aber  durch  die  von  Zeit  zu  Zeit  geworfenen  Leuchtkugeln 
grössere  Ansammlungen  feindlicher  Arbeiter,  so  wurden  sie  all- 
seitig lebhaft  mit  Kartätschen  beschossen.  Die  um  100  Manu 
verstärkte  Besatzung  des  gedeckten  Weges  vom  Hagelsberg 
unterhielt  die  ganze  Nacht  hindurch  Kleingewehrfeuer  im  hohen 
Bogen.  Der  Ingenieur  vom  Platz  etablirte  sich  nunmehr  be- 
ständig auf  dem  Hagelsberg.  Die  Arbeiten  auf  dem  Bischofs- 
berg leitete  der  von  der  aufgelösten  Ingenieur-Akademie  nach 
Danzig  kommandirte  Hauptmann  Rohde^). 

Im  Lauf  des  3.  langten  auf  der  Rhede  die  beiden  pom- 
merschen  Reservebataillone  unter  dem  Major  von  Gneisenau  an, 
konnten  aber  wegen  stürmischen  Wettei-s  nicht  ausschiffen. 

Von  Pillau  aus  wurde  an  diesem  Tage  ein  Detachemeut 
auf  der  frischen  Nehrung  gegen  Kahlberg  vorgesendet,  welches 


^)  Nach  dem  „belagerten  Danzig"  war  es  der  lugeuieiireleve  Brese,  der 
spätere  Chef  des  lugenienrkorps,  welcher  deu  Aufwurf  ausführen  Hess. 

')  Nach  der  skizzirten  Geschichte  S.  90  soUtc  alle  Viertelstunden  ein 
Kartätschschuss  erfolgen. 

Es  wird  nicht  erwähnt,  dass  eine  Vermehrung  der  Artillerie  des  Hagels- 
berges stattgefunden  hat.  Auch  sagt  Grolmann  S.  81,  dass  ihr  Feuer  ohne 
Bedeutung  war.  Später  zeigen  sich  die  beiden  Facen  der  Angriffsfront  mit 
je  6  Kanonen  bewaffnet,  so  dass  bei  dem  beengten  Raum  kein  Banket  für 
Infanterie  übrig  blieb.  Die  beiden  Bastione  waren  ausserdem  mit  je  2  Mörsern 
versehen.  Ein  Mörser  befand  sich  im  Ravel in-Hagel  und  einer  in  SaiUant  I. 
Skizzirte  Geschichte. 

»)  Höpfner  S.  419.  Skizzirte  Geschichte  S.  80.  Nach  derselben  befand 
sich  Pullet  bis  dahin  auf  dem  Bischofsberge  und  der  General  Laurens  auf 
(|em  Hagelsberge. 


IBl 


die  hier  stehenden  französischen  Vorposten  vertrieb.  Der  Ge- 
neral V.  Schramm  sendete  eine  Komp.  unter  dem  Hauptmann 
Mangarnau,  unterstützt  von  einem  Bataillon  Sachsen,  dagegen  vor, 
welcher  das  Pillauer  Detachement  wieder  zurückwarf. 

In  der  Nacht  zum  4.  wurde  die  kleine  Kalkschanze  aus- 
gebaut und  mit  einer  Palisadirung  versehn.  Zu  ihrer  Verthei- 
digung  wurde  auf  dem  Holm  eine  Batterie  von  drei  12-Pfündern 
angelegt.  An  der  Flesche  vor  dem  Olivaer  Thor  und  den  an- 
deren Armirungsarbeitcn  wurde  fleissig  fortgearbeitet. 

Der  Belagerer  stand  von  der  Wiedereroberung  der  Kalk- 
schanze ab  und  gab  damit  den  beabsichtigten  Angi'iif  auf  die 
Olivaer  Front  auf.  Er  verlängerte  dafür  die  1.  Parallele  nach 
links  hin  und  legte  einige  Reduten  darin  an  ^).  Kirgener  recht- 
fertigt die  sonst  ungewöhnliche  Anlage  von  Reduten  in  der 
Parallele  durch  die  Schwäche  des  Belagerungskorps.  Auf  dem 
rechten  Flügel  wurde  mit  Zickzacks  weiter  vorgegangen. 
Die  Arbeiten  schritten  wegen  Mangel  an  Mannschaften  nur 
sehr  langsam  vor.  Man  war  genöthigt,  Landvolk  zu  den  Ar- 
beiten heranzuziehen.  Auch  die  Artillerie  hatte  auf  den  schlech- 
ten Wegen  grosse  Schwierigkeiten  zu  überwinden,  so  dass  sich 
ihre  Ankunft  verzögerte. 

Der  Stadt  wurde  durch  Ableitung  des  Tempelburger  See's 
auch  das  letzte  Trinkwasser  entzogen,  so  dass  sie  in  dieser  Be- 
ziehung auf  die  schmutzige  Mottlau  und  die  Festungsgräben 
angewiesen  war. 

Am  Abend  des  4.  marschii-te  der  Major  von  Gneisenau  mit 
den  beiden  pommerschen  Reserve-Bataillonen  in  Danzig  ein. 

Am  5.  erhielt  die  Festung  aus  Pillau  125  Ctr.  Pulver  auf 
Konto  der  geforderten  500  Ctr.  und  108  Ctr.  Heu,  woran  es 
sehr  fehlte,  da  die  Pferde  der  Kosacken  daran  gewöhnt  waren. 

Die  folgenden  Tage  wurden  von  beiden  Theilen  auf  Fort- 
ftihiung  der  begonnenen  Arbeiten  verwendet. 

In  der  Nacht  zum  9.  eröffnete  der  Belagerer  in  der  Ent- 
fernung von  600  Schritt  eine  Parallele  gegen  den  Bischofs- 
berg.   Der  linke  Flügel  derselben  wurde  bis  auf  den  Abhang 

')  Matth.  Dumas  S.  147  und  Kirgener.  Höpfner  lässt,  entschieden  mit 
Unrecht,  diese  Arbeiten  schon  in  der  Nacht  zum  3.  ausführen.    (S.  421.) 


152 


des  Stolzenbergs  nach  dem  äussern  Neugarten  geführt,  um  da- 
selbst Enfilir-  und  Reversbatterien  gegen  den  Hagelsberg  zu 
erbauen. 

Von  Seiten  des  Vertheidigers  wurde  in  dieser  Nacht  die 
Flesche  vor  dem  Olivaer  Thor  beendigt  und  nun  ungesäumt  au 
die  Ausführung  eines  Projekts  gegangen,  das  schon  früher  vom 
General  Laurens  und  dem  Major  Bousmard  in  Anregung  ge- 
bracht, vom  Ingenieur  vom  Platz  aber  bekämpft  worden  war. 
Dieser  sah  sich  schliesslich  überstimmt.  Es  handelte  sich  näm- 
lich um  Anlage  eines  geschlossenen  Werks  auf  dem  sogenann- 
ten Grantberge,  500  Schritt  vor  dem  Scheunenwinkel,  das  als 
Kontreapproche  dienen  sollte.  Das  Werk  wurde  in  der  Nacht 
vom  9.  zum  10.  unter  den  Augen  der  feindlichen  Schildwachen 
in  Angriff  genommen  ^)  und  den  ganzen  folgenden  Tag  daran 
fortgearbeitet,  so  dass  es  des  Abends  mit  250  Grenadieren  unter 
dem  Hauptmann  von  Gerskow  vom  Bataillon  Brauchitsch  besetzt 
werden  konnte.  In  der  folgenden  Nacht  sollten  zwei  gedeckte 
Kommunikationslinien  nach  dem  Olivaer  Tlior  geführt  werden. 
.  Um  10  Uhr  abends  warf  sich  eine  Abtheilung  von  500 
Mann  des  Belagerers  unter  Anführung  des  Bataillonschefs  Ro- 
gniat,  die  zwischenliegende  Schlucht  überschreitend,  auf  das 
Werk  und  nahm  es  im  ersten  Anlauf.  Nach  obei^flächlicher 
Zerstörung  desselben  entfernten  sich  die  Franzosen  wieder  und 
die  Arbeit  wurde  preussischerseits  von  neuem  aufgenommen. 
Um  ein  Uhr  wurde  die  Schanze  von  den  Franzosen  wieder 
genommen  und  behauptet,  obgleich  der  Major  von  Kamptz  mit 
200  Mann  vom  Olivaer  Thor  zu  Hilfe  kam.  Der  Verlust  des 
Belagerten  belief  sich  auf  80  Mann. 

Die  Franzosen  zerstörten  die  Arbeit  unter  dem  Feuer  von 
den  Wällen  und  räumten  das  Werk  erst  mit  Anbruch  des 
Tages,  wo  es  sogleich  wieder  von  den  Belagerten  besetzt  wurde. 
Die  Arbeit  wurde  wiederum  aufgenommen,  die  Schluchten  an 
der  Schanze  mit  spanischen  Reitern  geschlossen  und  die  Kom- 
munikation nach  rückwärts  hergestellt. 


*)  Am  Morgen  des  10.  faud  man,  dass  das  Werk  nicht  gut  profilirt 
war,  so  dass  der  Guvemeur  den  General  Laurens  beauftragte,  sicli  persönlich 
davon  zu  überzeugen.  Man  half  sich  so  gut  es  anging.  Schreiben  des 
^uvemeurs  an  den  General  S.  103. 


153 


Am  12.  begab  sich  der  Ingenieur  vom  Platz  selbst  in  die 
Bousmardschanze,  wie  sie  genannt  wurde,  um  den  Bau  der- 
selben zu  beenden,  was  nur  mit  grossem  Verlust  ausgeführt 
werden  konnte.  Doch  gelang  es,  den  grössten  Theil  der  Brust- 
wehr und  die  Kehle  mit  Palisaden  zu  versehen,  sowie  an  der 
letztern  drei  Barrieren  anzulegen.  Gegen  Abend  tibernahm  der 
Ingenieurlieutenant  von  Borcke  die  Leitung  der  Arbeit.  Gegen 
11  Uhr  abends  erfolgte  ein  neuer  heftiger  Angriff  des  Be- 
lagerers auf  die  Schanze.  Der  General  Puthod  drang  an  der 
Spitze  eines  Battaillons  Sachsen  und  einiger  Elitekompagnien 
unter  Leitung  des  Bataillonschefs  Rogniat  in  der  Front  und 
rechten  Flanke  in  die  Schanze  ein.  Der  Major  Kamptz  eilte 
jedoch  mit  200  Mann  vom  Olivaer  Thor  zu  Hilfe  und  nahm 
die  Schanze  von  neuem,  wurde  aber  wieder  herausgeworfen. 
Auf  diese  Weise  wurde  das  Werk  dreimal  von  den  Sachsen 
genommen  ^),  bis  sie  sich  schliesslich  darin  behaupteten.  Der 
Verlust  war  auf  beiden  Seiten  sehr  bedeutend  und  mag  sich 
preussischerseits  auf  200  Todte,  Verwundete  und  Vermisste 
belaufen  haben.  Der  Lieutenant  von  Betzdorf  vom  Regiment 
Courbiere  wurde  verwundet,  2  Offiziere  wurden  gefangen. 

Da  der  Guverneur  die  Ueberzeugung  gewonnen  hatte,  dass 
die  Bousmard-Schauze  nicht  zu  behaupten  war,  beschloss  er, 
sie  aufzugeben,  jedoch  nicht  ohne  sie  zuvor  noch  einmal  ein- 
genommen zu  haben,  um  sie  zu  zerstören.  Er  beauftragte  da- 
mit den  Oberstlieutenant  von  Schmeling. 

Am  13.  morgens  8  Uhr  drang  dieser  mit  seinem  Grenadier- 
bataillon, vorangeschritten  von  150  Füselieren  von  Rembow- 
und  in  der  rechten  Flanke  gedeckt  von  einem  russischen 
Bataillon,  gegen  die  Schanze  vor,  die  zuvor  von  den  Wällen 
aus  heftig  beschossen  worden  war.  Die  sächsische  Besatzung 
wurde  mit  Heftigkeit  angegriffen  und  mit  einem  Verlust  von 
3  Offizieren  und  40  Mann  Gefangenen  aus  dem  Werke   ge- 


^)  Hierbei  zeichneten  sich  franzüsischerseits  die  Obersten  Bernard  nnd 
Uartitzch  (?),  der  Hauptmann  Schönfeld  nnd  der  Lieutenant  von  Obemitz 
ans,  ferner  der  Schütze  Kempel  und  vor  aUem  der  Tambur  Zworn,  der  als 
Held  des  Tages  bezeichnet  wird.  Nibuatnias  S,  6ß.  Der  franz.  Lieutenant 
Pemecourt  wurde  tödtUch  verwundet. 


154 


Würfen;  die  Sieger  drangen  bis  in  die  zweite  Parallele  nach. 
Hierbei  zeichneten  sich  namentlich  die  Lieutenants  von  Hohen- 
dorf,  von  Karlowitz  und  von  Förster  aus.  Jetzt  eilten  aber 
von  allen  Seiten  Truppen  herbei.  Der  Marschall  Lefebvre 
selbst,  begleitet  von  den  Generälen  Michaud,  Puthod  und  Dufour, 
warf  die  Grenadiere  an  der  Spitze  eines  Bataillons  des  44. 
Linienregiments  aus  der  Trancheo  und  Hess  es  sich  nicht 
nehmen,  den  Angriff  bis  in  die  Schanze  fortzusetzen  ^),  die  de- 
finitiv in  die  Hände  des  Belagerers  fiel.  Der  preussische  Ver- 
lust betrug  30  Mann'^).  Der  Lieutenant  Raal  genannt  von 
Thülen  vom  Fiiselierbataillon  Rembow  wurde  tödtlich  ver- 
wundet. Der  Verlust  des  Belagerers  war  viel  bedeutender. 
Kr  hatte  8  Offiziere  68  Mann  todt,  darunter  den  Oberst  Piriac 
und  den  Major  Kaiserling,  15  Offiziere  131  Mann  verwundet. 
Der  sächsische  Hauptmann  von  Dallwitz  starb  noch  als  Ge- 
fangener in  der  Wachtbude,  wohin  man  ihn  schwer  verwundet 
gebracht  hatte.  Im  Lauf  des  Tages  besetzten  die  Belagerer 
das  Werk  wegen  des  Feuers  von  den  Wällen  nicht,  in  der 
Nacht  zum  14.  aber  wurde  die  Tranchee  (2.  Parallele)  bis  zur 
Bousmardschanze  geführt  und  das  Werk  umgebaut.  Ein  anderes 
Werk  (b),  das  vom  Belagerten  aufgeworfen  und  ebenfalls  auf- 
gegeben worden  war,  wurde  vom  Belagerer  eingeebnet.  Viel- 
leicht um  einen  neuen  Ausfall  zu  verhindern,  unterhielt  der- 
selbe in  der  Nacht  ein  lebhaftes  Kleingewehrfeuer  gegen  das 
Olivaerthor  und  den  Hagelsberg. 

Im   allgemeinen  hatte  der  Ingenieur  vom  Platz  in  betreif 


*)  Nach  Höpfner  S.  425,  der  wiederum  der  „skizzirten  Geschichte* 
S.  87  folgt,  Avurde  hierbei  die  Bousmardschanze  von  Aller  Engeln  her  dnrch 
ein  feindliches  Bataillon  umgangen.  Kalkreuth,  Kirgener  und  Matth.  Dumas 
erwähnen  nichts  davon,  auch  hätten  die  Russen,  die  speciell  zur  Sicherung 
der  rechten  Flanke  aufgestellt  waren,  ihren  Dienst  schlecht  versehn.  Eine 
entfernte  Bestätigung  liegt  in  der  Mittheilung  (Belagening  und  Einnahme 
der  Stadt  Danzig  1807.  Leipzig  1808  S.  88),  dass  die  Grenadiere  von  Schmeling 
sich  über  die  Bussen  beklagt  haben,  dass  sie  nicht  stich  gehalten  hätten. 
Nach  Grolman  S.  83  wären  die  Russen  zuerst  davon  gelaufen.  Auch  Nibu- 
atnias  S.  72  spricht  davon. 

■)  Nach  dem  Rapport  der  Lazareth-Kommission  befanden  sich  infolge 
der  Gefechte  vom  12.  und  13.  56  verwundete  Preusseu  und  8  Russen  in  den 
Lazarethen. 


155 


seiner  Meinung  über  die  Anlage  dieses  Werkes  Recht  behalten. 
Es  war  ein  verfehltes  Unternehmen,  dennoch  möchte  man  es 
in  dem  Kranze  der  preussischen  Thaten  dieser  Belagerung 
nicht  missen. 

Der  Belagerer  hatte  sich  dadurch  in  seinen  Arbeiten  wenig 
stören  lassen.  Er  hatte  in  der  Nacht  vom  11.  zum  12.  den 
rechten  Flügel  der  2.  Parallele  gegen  600  Schritt  vom  Glacis 
des  Hagelsberges  mit  der  flüchtigen  Sappe  ausgehoben  und 
hatte  sie  in  den  folgenden  Nächten  nach  links  hin  verlängert  ^), 
wie  wir  gesehen  haben  bis  zur  Bousmardschanze. 

Am  12.  waren  von  ihm  die  Reduten  der  Kontravallatiou 
mit  Geschützen  armirt  worden.  Die  Redute  1  und  4  wurde 
mit  je  2,  die  Redute  5  mit  3  12-Pfündern  bewaffnet.  Die 
Armirung  der  Reduten  2  und  3  musste  noch  unterbleiben,  weil 
die  Wege  zu  sehr  aufgeweicht  waren.  Ausserdem  wurden  im 
letzten  Boyau  auf  dem  rechten  Flügel  2  Haubitzen  placirt,  um 
das  Innere  der  Stadt  zu  bewerfen.  Zur  Beherrschung  der 
Weichsel  wurden  am  linken  Ufer  derselben  Posten  bei  Legan 
etablirt  und  2 — 6-Pfünder  aufgestellt.  Um  die  Schifffahrt  auch 
in  der  Nacht  zu  stören,  nistete  sich  der  Hauptmann  Tardivelle 
in  einem  Hause  an  der  Mündung  der  Striess  ein  und  hielt  sich 
daselbst  trotz  des  Feuers  von  7  Geschützen  vom  Holm,  bis  er 
schliesslich  verwundet  wurde. 

Auf  Seiten  des  Vertheidigers  nahm  der  Kampf  um  die 
Bousmardschanze  das  ausschliessliche  Interesse  in  Anspruch. 
Seit  dem  10.  betheiligten  sich  junge  Danziger  Kaufleute  frei- 
willig an  den  Schanzarbeiten.  Es  wurde  ihnen  der  Bau  der 
Flesche  (Kaikreuth  nennt  sie  Kontregarde)  vor  Bastion  Jakob 
übertragen. 

Bei  dem  Kampfe  um  die  Bousmardschanze  am  13.  war  die 
Zahl  der  verlorenen  Kugeln,  die  unter  ihnen  einschlug,  so  be- 
deutend, dass  sie  die  Arbeit  einstellen  mussten. 

Von  Weichselmünde  wird  nur  berichtet,  dass  der  Lieutenant 
von  Taubenheim,    welcher  alle  Morgen  Patruillen  im  Münder 


')  Den  Franzosen  kam  dabei  za  statten,  dass  sie  infolge  der  zahlreichen 
Schluchten,  welche  die  Annäherung  erleichterten,  keine  Laufgräben  zur  Ver- 
bindung mit  der  1.  Parallele  bedurften. 


156 


Walde  ausführte,  am  10.  in  einen  Hinterhalt  fiel  und  getödtet 
wurde.  Ein  Mann  der  Patruille  wurde  vermisst,  6  Mann 
kehrten  verwundet  zurück. 

Am  Abend  des  13.  kamen  drei  englische  Kriegsschiffe  auf 
der  Rhede  an,  eins  von  18  und  zwei  von  16  Kanonen.  Sie 
waren  zur  Deckung  der  Kauffarteischiffe  in  der  Ostsee  bestimmt, 
nahmen  jedoch  Aufstellung  zur  Vertheidigung  von  Neufahr- 
wasser. Die  eigene  Flotille  hatte  sich  auf  6  Fahrzeuge  ver- 
mehrt. 

Am  14.  verhielten  sich  beide  Theile  ruhig.  In  der  folgen- 
den Nacht  vervollständigte  der  Belagerer  seine  Arbeiten  an 
der  2.  Parallele  und  baute  namentlich  an  2  in  der  Nacht  zum 
14.  begonnene  Reduten  zur  Sicherung  derselben  auf  beiden 
Flügeln.    Auch  wurden  Batterien  in  der  Parallele  erbaut. 

Wie  aus  einem  Schreiben  des  Guverneurs  vom  15.  an  den 
Obersten  Schuler  von  Senden  in  Neufahrwasser  hervorgeht^), 
hatten  sich  die  Franzosen  in  den  Häusern  des  Dorfes  Weichsel- 
münde eingenistet.  Der  Guverneur  befahl  ihm  und  dem  Obersten 
von  Schaper  in  Weichselmünde  das  Dorf  zu  zei'stören,  zu 
welchem  Zweck  die  beiden  Kompagnien  von  Treskow,  welche 
infolge  der  endlichen  Ankunft  des  neumärkischen  Reserve- 
bataillons nach  der  Stadt  beordert  waren,  noch  in  Weichsel- 
mündc  zurückbehalten  wurden.  Auch  von  (Jer  Stadt  aus  sollten 
Mannschaften  hinausgeschickt  werden. 

Leider  kam  das  alles  zu  spät.  In  der  Nacht  zum  16.  Hess 
der  General  Gardanne,  welcher  seit  dem  7.  für  den  erkrankten 
General  von  Schramm  die  Truppen  auf  der  Nehrung  komman- 
dirte,  zwei  Schanzen  No.  9  und  10  (Fig.  1,  Tafel  III)  am  Einfluss  der 
Bootmannslake  in  die  Weichsel  auf  deren  rechtem  Ufer  erbauen  ^) 
und  hob  damit  die  Landverbindung  zwischen  Weichselmünde 
und  Danzig  auf.  Die  Arbeit  wurde  vom  Battaillons-Chef  vom 
Ingenieurcorps  Sabatier  unter  Bedeckung  eines  Bataillons  vom 


»)  S.  113. 

')  Nibuatniaä  S.  71.  Die  Schanze  No.  9  lag  auf  dem  Schuteudainni 
westlich  vou  No.  10.  Der  General  Bertrand,  A(^'utaiit  des  Kaisers,  hatte  be- 
reits früher  auf  die  Wichtigkeit,  die  nördliche  Landzunge  der  Holminsel  zu 
befestigen,  hingewiesen,  aber  die  beiden  Bataillone,  die  er  dazu  forderte, 
waren  noch  nicht  zu  entbehren  gewesen.    Nibnataias  S.  63, 


157 

2.  leichten  Infanterie-Regiment  und  eines  Bataillons  vom  2. 
polnischen  Inf  anterie  -  Regiment  der  Division  Gardanne  mit 
grosser  Umsicht  ausgeführt. 

Der  russische  Major  auf  dem  Holm,  von  ütken,  hatte  die 
Arbeit  frühzeitig  entdeckt  und  sie  mit  Geschütz  und  Klein- 
gewehr beschiessen  lassen.  Er  war  dann  selbst  mit  50  Mann 
über  die  Laake  gesetzt,  wurde  aber  mit  lebhaftem  Gewehr- 
feuer empfangen  und  abgewiesen.  Der  Guvenieur,  welcher  die 
Meldung  davon  erhielt,  erkannt^  sogleich  die  ganze  Wichtig- 
keit der  Situation  und  sendete  den  Major  von  Kamptz,  der  in 
der  Gegend  gut  orientirt  war,  mit  dem  2.  Bataillon  Diericke 
hinaus.  Von  Weichselmünde  aus  sollten  die  beiden  Kompagnien 
von  Treskow,  unterstützt  vom  neumärkischen  Reservebataillon, 
mitwirken.  Diese  delogirten  auch  den  Feind  aus  dem  Dorfe 
Weichselmünde  und  brannten  das  Dorf  nieder.  Ein  weiterer 
Erfolg  wurde  von  dieser  Seite  jedoch  nicht  erzielt.  Der  Platz- 
major von  Weichselmünde,  von  Rahn,  fand  dabei  seinen  Tod. 
Auf  der  andern  Seite  war  der  Major  von  ütken  ohne  die  An- 
kunft des  Majors  von  Kamptz  abzuwarten  mit  2  Kompagnien 
über  die  Laake  gesetzt.  Er  wurde,  nachdem  er  die  Schanze 
genommen,  von  den  Reserven  der  Franzosen  wieder  hinaus- 
geworfen und  erlitt  auf  dem  engen  Schutendamme  starke  Ver- 
luste. Als  dann  der  Major  von  Kamptz,  welcher  am  Gans- 
kruge über  die  Weichsel  gesetzt  war,  anlangte,  ging  er  seiner- 
seits zum  Angrifl*  der  Schanze  vor.  Das  Terrain  war  sehr 
durchschnitten  und  gestattete  nur  das  Vorgehn  je  einer  Kom- 
pagnie. Dennoch  wurde  die  Schanze  genommen,  jedoch  wieder 
verloren  ^). 

Das  Gefecht  kam  zum  stehn  und  wurde  sieben  Stunden 
lang  fortgeführt,  ohne  dass  es  gelang,  sich  dauernd  in  den 
Besitz  der  Schanze  zu  setzen.    Der  Verlust  der  Garnison  war 


')  Die  skizzirte  Geschichte  S.  89  und  nach  ihr  Höpfner  (8,  428)  setzen 
irrthümlich  die  Unternehmung  des  englischen  Eapitains  Chatam  am  16.  an, 
als  ob  er  den  Angriff  auf  die  Schanze  hätte  unterstützen  wollen.  Sie  fand 
jedoch  erst  am  17.  statt,  wie  Höpfner  sie  an  diesem  Tage  auch  noch  einmal 
wiederholt,  die  skizzirte  Geschichte  aber  verschweigt,  was  deutlich  den  Irrthum 
erkennen  lässt.    t.  d.  Wengen  (Grolman)  S.  85. 


158 


bedeutend  *).  Es  wurden  82  Verwundete  nach  den  Lazarethen 
gebracht,  worunter  20  Russen.  Ein  Offizier  und  30  Mann 
wurden  getödtet,  1  Offizier  12  Mann  verinisst.  Das  Bataillon 
Diericke  hatte  8  Offiziere  (von  12)  verwundet,  worunter  der 
Führer  des  Bataillons  von  Grumbkow  und  der  Hauptmann  von 
Lüptow.  Dem  Adjutanten,  Lieutenant  von  Lindheim,  wurde 
der  Arm  zerschossen.  Der  Hauptmann  de  la  Ohevalerie  starb 
an  seinen  Wunden  ^).  Auf  französischer  Seite  zeichneten  sich 
beim  Kampf  um  die  Schanze  der  Bataillons-Chef  vom  Ingenieur- 
korps Lesecq  und  der  Sappeurhauptmann  Queru  aus.  Auch  der 
General  Schramm,  obgleich  krank,  war  herbeigeeilt  und  wird 
lobend  erwähnt.     Die  Franzosen  verloren  150  Mann^). 

Eine  an  diesem  Tage  auf  der  Höhe  hinter  der  Schanze 
Bousmard  aufgesteckte  weisse  Flagge  sollte  den  General  Gar- 
danue  wahrscheinlich  avertiren,  dass  Verstärkungen  im  Anmarsch 
waren*).  Ihre  Uebersendung  erwähnt  auch  Dumas  (S.  153), 
doch  scheinen  sie  nach  dem  Gefecht  wieder  zurückgezogen 
worden  zu  sein^). 

Die  Verbindung  Danzigs  mit  Weichselmünde  und  Neufahr- 
wasser war  jetzt  nur  noch  verstohlencrweise  auf  der  Weichsel 
offen.  Der  Graf  Kaikreuth  war  durch  das  Gefecht  so  einge- 
schüchtert, dass  er  von  einem  neuen  Versuch,  die  Franzosen 
zu  vertreiben,  abstand  und  es  ruhig  geschehn  Hess,  dass  die 
Franzosen  nach  dem  Gefecht  eine  grössere  Redute  ^)  auf  50 
Toisen   (140  Schritt)  vom   rechten  Weichselufer   erbauten   und 


')  Nach  Grolman  S.  84  giii^  auch  ein  Geschütz  verloren.  Die  skizzirte 
Geschichte  sagt  S.  89  (Note)  sogar,  dass  die  reitende  Artillerie  hierbei  fast 
gänzUch  verloren  gegangen  sei. 

')  Bericht  des  Guvemeurs. 
Die  Preussen  in  Danzig. 

8)  Nibuatnias  S.  73. 

*)  Nach  dem  Tagebuch  von  Grolman,  herausgegeben  von  v.  d.  Wengeu, 
S.  84  fand  seitens  der  Badener  ein  Scheinangriff  mit  50  Schützen  auf  die 
kleine  Kalkschanze  statt. 

^)  Nach  einem  Schreiben  des  Guverneurs  an  den  Obersten  von  Bülow 
vom  20.  (S.  129)  waren  die  Franzosen  auf  der  Nehrung  3600  Manu  stark  und 
standen  mit  ihrem  Gros  in  Heubude.  Das  bei  Neufeh r  angelegte  Lager 
mit  Brücke  stand  leer,  sollte  aber  gegen  Pillau  hin  eine  Palisadirung  erhalten. 

«)  Taf.  nr  Fig.  1  Nr.  10.    Nibuatnias  S.  73. 


15Ö 


sie  mit  dem  riickliegenden  Barackenlager  durch  eine  auf  beiden 
Seiten  mit  einer  Brustwehr  versehenen  Kommunikation  von  300 
Toisen  (840  Schritt)  Länge  verbanden.  Durch  diese  Redute 
und  eine  am  17.  auf  dem  linken  Weichselufer  begonnene  (Nr.  6) 
wurde  auch  die  Verbindung  auf  der  Weichsel  so  gut  wie  abge- 
schnitten. 

In  der  Nacht  vom  16.  zum  17.  krönte  der  Belagerer  auf 
der  Hauptattacke  das  Plateau,  welches  sich  vor  dem  rechten 
Flügel  der  2.  Parallele  befand,  mit  der  flüchtigen  Sappe  und 
richtete  es  zu  einem  Waffenplatze  (Halbparallele)  ein.  Die  Ver- 
bindung mit  der  2.  Parallele  wurde  theilweis  durch  eine  Wtirfel- 
sappe  hergestellt. 

Da  in  den  letzten  Tagen  mehrere  Transporte  mit  Artillerie 
und  Munition  eingetroffen  waren,  begann  in  dieser  Nacht  auch 
die  Armirung  der  fertiggestellten  Batterien.  Doch  verbot  der 
Marschall  Lefebvre  streng,  daraus  zu  schiessen,  bevor  nicht 
sämmtliche  Batterien  armirt  waren  ^).  Um  die  Sappenarbeiten 
gegen  das  ungeschwächte  Artilleriefeuer  des  Vertheidigers  zu 
schützen,  befahl  er,  Wolfsgräben  vor  den  Parallelen  anzulegen, 
um  daraus  durch  Schützen  die  Scharten  der  feindlichen  Artillerie 
zu  beschiessen,  was  auch  Erfolg  hatte. 

Eine  englische  Korvette  (Kapitain  Chatam),  welche  am  17., 
von  2  Schaluppen  gezogen,  die  Weichsel  gegen  5  Uhr  abends 
hinauffuhr,  um  die  Franzosen  zu  beschiessen,  kehrte  bald  wieder 
zni*ück  ^). 

In  der  Nacht  vom  17.  zum  18.  ging  man  auch  auf  der 
linken  Seite  der  2.  Parallele  mit  3  Zickzacks  auf  der  Kapitale 
des  Bastions  Jerusalem  vor  und  stellte  eine  Halbparallele  her. 
Die  Entfernung  derselben  vom  gedeckten  Wege  (Palisadirüng) 
betrug  60  Toisen  (170  Schritt)»). 


')  Nor  3  Probeschttsse  aus  Mörsern  nach  der  Stadt  gaben  einen  Vor- 
gescbmack  von  dem  zn  erwartenden  Bombardement.    Skizzirte  Gesch.  S.  89. 

^  Sie  unterhielt  nach  Grolmann  S.  85  von  5\'i  Uhr  nachmittags  bis 
9  Uhr  abends  von  der  Holmspitze  aus  ein  lebhaftes  Feuer,  aber  ohne  allen 
Erfolg  und  mit  starker  eigner  Einbusse. 

*)  Nibuatnias  S.  77.  M.  Diunas  S.  156.  Höpfher  verlegt  nach  den  Be- 
obachtungen vom  Platz  (S.  430)  die  Anlage  von  3  Zickzacks  auf  den  19.  und 


160 


Gleichzeitig  Hess  der  General  Lariboissiere  auf  der  Attacke 
auf  dem  Stolzenberge  eine  grössere  Batterie  beginnen,  die  nur 
80  Toisen  (215  Schritt)  vom  Bischofsberge  entfernt  war. 

Am  18.  bemerkte  man  von  der  Festung  aus,  dass  der  Be- 
lagerer während  der  Nacht  seine  Arbeiten  gegen  Bastion  Notz- 
kenberg  fortgesetzt  und  vor  seiner  2.  Parallele  eine  Flesche 
für  Schützen  angelegt  hatte. 

Die  Zahl  der  Kranken  und  Verwundeten  in  der  Festung 
belief  sich  in  dieser  Zeit  auf  1169  Preussen  und  375  Russen. 
Es  desertirten  täglich  6  bis  10  Mann,  vergleichsweise  weniger 
wie  vor  Ankunft  der  Kosacken,  welche  vor  dem  Retranchement 
vorgeschoben  waren  und  dort  auch  vom  Feinde  geduldet  wurden. 

Am  19.,  20.  und  21.  trat  ein  solches  Schnee-  und  Regen- 
wetter ein,  dass  die  Laufgräben  im  Wasser  standen  und  die 
Arbeit  des  Belagerers  sich  hauptsächlich  auf  die  Reinigung  der- 
selben beschränkte.  Doch  wurde  in  der  Nacht  zum  21.  vor 
dem  rechten  Flügel  der  2.  Parallele  noch  eine  weitere  Halb- 
parallele angelegt*). 

Der  Major  von  Gneisenau,  welcher  durch  Kabinetsordre 
vom  11.  zum  Kommandanten  von  Kolberg  ernannt  worden  war, 
reiste  auf  einem  der  armirten  Fahrzeuge  dahin  ab. 

Am  22.  trat  wieder  Frost  ein.  so  dass  in  der  Nacht  zum 
23.  aus  der  rechten  Halbparallele  mit  Zickzacks  vorgegangen 
werden  konnte.  Da  das  Feuer  des  Vertheidigers ,  begünstigt 
durch  hellen  Mondenschein,  jedoch  sehr  heftig  war,  musste  n)an 
sich  der  vollen  Sappe  bedienen,  und  selbst  hierbei  stürzten  die 
Sappenkörbe,  so  wie  sie  gesetzt  waren,  wieder  nieder*). 

Infolge    des   günstigem   Wetters  konnten  von   Seiten    des 


der  Halbparallele  vor  Jerusalem  auf  den  20.  Die  Berichte  des  Belagerers 
haben  jedoch  den  Vorzug. 

^)  Kirgener  S.  8.  Höpfher  verlegt  das  nach  den  Beobachtungen  vom 
Platz  (skizzirte  Gesch.  nach  der  Hdschr.  Pullets)  erst  auf  die  Nacht  vom  22. 
zum  23.,  wo  die  Arbeit  erst  schärfer  hervortreten  mochte. 

')  Die  Instruction  für  das  Schiessen  der  Infanterie  aus  dem  gedeckten 
Wege  vom  19.  Apr.  (abgedr.  im  Archiv  Bd.  US.  100)  wurde  am  21.  aus- 
gegeben. Parolebefehl  von  diesem  Tage.  Die  Artillerie  sollte  mit  Pausen 
schiessen,  woraus  die  Garnison  erkennen  könne,  dass  kein  feindlicher  Angriff 
geschieht. 


161 

Belagerers  auch  die  Arbeiten  an  der  unteren  Weichsel  wieder 
aufgenommen  werden.  Die  Redute  Nr.  6,  welche  vom  Batail- 
lonschef Boissonnet  erbaut  wurde,  wurde  nahezu  vollendet  und 
in  den  folgenden  Tagen  der  Damm  des  nach  Neufahrwasser 
führenden  neuen  Weges  in  einer  Länge  von  600  Schritt  ku- 
ronirt  und  am  Ende  mit  einer  Kupüre  versehen.  Nach  rück- 
wärts wurde  der  Damm  mit  der  Redute  6  verbunden  *).  Auf  dem 
rechten  Weichselufer  wurde  in  der  Redute  Nr.  10  ein  hölzernes 
Blockhaus  erbaut  und  die  Redute  mit  4  Kanonen  bewaffnet. 
Am  23.  wurden  mehrere  Emplacements  für  Haubitzen  vor- 
bereitet^. Mit  der  Sappe  konnte  man  am  Tage  wiederum  nicht 
arbeiten.  Es  wurden  mehrere  Sappeure  der  Teten  erschossen. 
Ein  Boyau,  der  in  der  Nacht  fehlerhaft  tracirt  worden  war 
und  vom  Bastion  Kessel  aus  bestrichen  wurde,  konnte  den  gan- 
zen Tag  über  nicht  betreten  werden,  obgleich  nur  ein  12-Pfünder 
dagegen  thätig  war. 

Die  Armirung  der  Batterien  der  1.  und  2.  Parallele  war 
so  weit  vorgeschritten,  dass  das  Feuer  eröffnet  werden  konnte 
Es  wurde  dazu  die  Nacht  vom  23.  zum  24.  bestimmt.  Den 
Abend  zuvor  hielt  der  Marschall  eine  Revue  der  Truppen  ab,  um 
sie  anzuspornen.    In  den  Batterien  standen  bereit: 

18  24  pfundige  i 

28  12       „        /  ^*"^^^^^ 

9,  grösstentheils  50  pfundige,  Mörser, 
8  Haubitzen, 


zusammen  63 .  Geschütze. 

Ausserdem  waren  sechs  6-Pfünder  und  drei  3-Pfüüder  auf  den 
Flügeln  der  Parallele  zum  Schutz  gegen  Ausfälle  aufgestellt'). 


')  M.  Dumas  S.  157.    Höpfner  verlegt  das  S.  432  auf  den  33. 

')  Dnrch  Parolebefehl  vom  28.  wurde  die  SpeciaUnstrnction,  wie  die 
Palisaden  und  Werke  zu  vertheidigen  sind,  ausgegeben  (gedr.  Archiv  Bd.  11  S.  97 
als  Beilage  II  des  Aufsatzes  v.  Brese  Über  die  Armirung  Danzigs  1807). 

*)  Nibuatnias  S.  80.  Nach  einem  auf  der  Bibliothek  des  grossen  General- 
stabs befindlichen  Plan,  der  aus  der  Bibliothek  von  Metz  stammt  und  wahr- 
scheinlich einen  Original-Bericht  an  den  Kaiser  vom  23.  April  vorstellt,  be- 
fanden sich  zu  dieser  Zeit  in  der  1.  Parallele  5  Batterien  Kanonen,  2  Haubitzen, 
2  Mörser,  in  der  2.  Parallele  3  Batterien  Kanonen  und  eine  MOrserbatterie, 
auf  dem  Kräbenberge  2  Batterien  zu  4  Kanonen. 

Kdliler,  Oesehichte  der  Festangen  Danzig  und  Welchselmiiiide.    II.  11 


162 


Die  Wurfgeschütze  eröffneten  das  Feuer  um  1  Uhr  nachts 
mit  einem  Bombardement  auf  die  Stadt.  Mit  Tagesanbruch 
gegen  3  Uhr  morgens  wurden  auch  die  Kanonenbatterien  de- 
maskirt,  und  es  erfolgte  durch  letztere  ein  Geschtitzkampf  mit 
dem  Gegner,  den  der  Vertheidiger  mit  der  grössten  Lebhaftig- 
keit und  mit  Erfolg  beantwortete  ^).  Allmählich  liess  das  Feuer 
des  Vertheidigers  nach,  der  seine  Geschütze  zurückzog  und  die 
Scharten  blendete^). 

Es  wurden  vom  Belagerer  in  den  ersten  13  Stunden  (bis 
mittags  1  Uhr,  wo  das  Feuer  nachliess)  gegen  1200  Hohlge- 
schosse in  die  Stadt  geworfen  und  gegen  600  Passkugeln  ver- 
feuert. Namentlich  wurde  die  Alt-  und  Rechtstadt  hart  mit- 
genommen. Zweimal  brach  Feuer  aus,  wurde  aber  bald  gelöscht. 
Von  der  Garnison  wurden  2  Musketiere  und  2  Kosacken  unterm 
Gewehr  erschossen,  von  den  Einwohnern  mehr.  Einige  Laza- 
rethe  wurden  stark  beschädigt,  am  meisten  das  des  Regiments 
Hamberger,  wo  40  Kranke  lagen. 

Das  Feuer  des  Belagerers  wurde  von  den  Artilleriegeneralen 
Anthouard  und  Lamartiniere  geleitet.  Die  Sappen  schritten 
unter  Begünstigung  desselben  in  der  Nacht  um  95  Toisen  vor, 
wodurch  man  auf  beiden  Seiten  der  Festung  um  20  Toisen  (56 
Schritt)  näher  kam.  Ein  kleiner  Ausfall  in  der  Nacht  vom 
23.  zum  24.,  der  den  Belagerten  zwei  Verwundete  kostete,  hin- 
derte die  Thätigkeit  der  Sappeure  nur  auf  kurze  Zeit'). 

In  der  Nacht  vom  24.  zum  25.  wurde  auf  dem  Stolzen- 
berge  eine  zweite  Batterie  erbaut,  und,  wie  die  erste,  am 
Nachmittage  des  25.  mit  3  —  24-Pfünden>,  später  mit  4 
ai'mirt. 

Auf  der  Hauptattacke  wurde  das  Feuer  gegen  die  Stadt 
auch  in  der  Nacht  fortgesetzt.  Mit  den  Sappen  näherte  man 
sich  links  bis  35  Toisen  (100  *)  von  den  Palisaden  und  begann 


')  Es  wurdeu  4  franz.  Kanoniere  getödtet,  zwei  Kanonen  demontirt,  ein 
Mörser  und  zwei  Mörserlaifeten  unbrauchbar  gemacht.    Nibnatnias  S.  81. 

*)  Der  General  Kirgener  schreibt  dies  der  vorzüglichen  Wirkung  der 
französischen  Artillerie  zu,  doch  war  es  einfach  eine  damals  geltende  Regel. 
Die  Angriff  sfront  und  die  Kollateral  werke  konnten  den  6.S  französischen  Ge- 
schützen in  allem  nur  30  gegenüberstellen.    Skiz.  Gesch.  97. 

")  Kirgener  S.  9.    Skizzirte  Gesch.  S.  91. 


163 

■ 

die  3.  Parallele.  Ein  Ausfall  störte  die  Arbeiter  auf  kurze 
Zeit.  Hierbei  wurde  der  mehrfach  erwähnte  franz.  Sappeur- 
Sergeant  Thomas  schwer  verwundet. 

Am  25.  war  das  Feuer  des  Belagerers  bis  3  ühr  nach- 
mittags sehr  lebhaft.  Er  concentrirte  eine  Zeit  lang  das  Feuer 
gegen  den  Bischofsberg  (Vigilance- Scharf enort),  der  den  Bat- 
terien sehr  unbequem  war.  Vorzugsweise  wurden  jedoch  die 
Werke  des  Hagelsberges  stark  mitgenommen,  wenn  auch  die 
Zahl  der  demontirten  Geschütze  nur  unbedeutend  war. 

uro  2  Uhr  nachmittags  erfolgte  von  selten  des  Marschalls 
Lefebvre  eine  Aufforderung  zur  üebergabe  des  Platzes,  die  je- 
doch vom  Guverneur  entschieden  zurückgewiesen  wurde  ^). 

Um  6  Uhr  abends  wurde  durch  den  Hauptmann  von  Stud- 
nitz  ein  Pulvermagazin  auf  dem  Stolzenberge  in  die  Luft  ge- 
sprengt, wobei  nach  Aussage  der  Gefangenen  ein  badensischer 
Oberst  und  ein  Major  umgekommen  sein  sollten'). 

Es  wurden  in  den  letzten  40  Stunden  gegen  1000  Schüsse 
gezählt.  Der  Vertheidiger  erlitt  einen  Verlust  von  40  Mann 
todt  und  verwundet. 

Für  den  Belagerer  langte  ein  neuer  Transport  Artillerie 
(7  Kanonen)  von  Warschau  an. 

In  der  Nacht  vom  25.  zum  26.  wurden  auf  der  rechten 
Seite  5  kurze  Schläge  vorgetrieben,  so  dass  man  auch  hier  an 
den  Bau  der  3.  Parallele  gehen  konnte,  an  der  links  fortgear- 
beitet wurde.  Der  Graf  Kaikreuth  entschloss  sich  infolgedessen 
zu  einem  grösseren  Ausfall.  Das  Kommando  erhielt  der  Major 
von  Wostrowski  mit  300  Grenadieren  und  260  Arbeitern.  Der 
Ausfall  erfolgte  um  9  Uhr  abends,  führte  aber  zu  keinem  Re- 
sultat, da  durch  ein  Missverständniss  alles  wieder  nach  dem 
gedeckten  Wege  zurücklief*).     10  Mann  wurden  verwundet. 

Der  Vertheidiger    verwendete   die  Nacht  zur  Herstellung 

^)  Nibuatnias  S.  83  und  8ö  ond  skizzirte  Gesch.  S.  103  theilen  die  beider- 
seitigen Schreiben  mit. 

*)  Nach  Nibuatnias  S.  87  war  es  ein  Mnnitionsbehältniss  für  Granaten, 
deren  yerschlossene  Kisten  dnrch  die  Verwegenheit  des  Hauptmanns  Lorge  und 
zweier  Kanoniere,  welche  in  die  brennende  Baracke  drangen,  noch  glücklich 
hinaasgeschafft  wurden.  Die  Aussage  der  Gefangenen  ist  jedenfalls  ungenau, 
da  Grolman  nichts  davon  erwähnt. 

*)  In  den  französischen  Berichten  wird  der  Ausfall  gar  nicht  erwähnt, 

11* 


164 

der  Werke  und  zur  Ergänzung  des  Materials.  Der  Belagerer  setzte 
das  Bombardement  gegen  die  Stadt  lebhaft  fort,  wodurch  an 
zwei  Orten  Feuer  entstand  und  eine  Arbeitsstelle  von  Fach- 
werk im  Bastion  Elisabeth,  in  w^elchem  sich  das  Laboratorium  be- 
fand, entzündet  wurde.  Grlticklicherweise  war  kein  Pulver  vor- 
handen, so  dass  sich  das  Feuer  nicht  weiter  verbreitete. 

Am  26.  war  das  Feuer  auf  beiden  Seiten  wieder  sehr  leb- 
haft. Die  Franzosen  verschossen  1319  Kugeln.  Der  Hagels- 
berg litt  sehr  durch  das  Feuer  vom  Stolzenberge ,  das  wieder 
im  vollen  Gange  war*).  Die  beiden  Batterien  bestrichen  den 
innern  Raum  desselben,  die  Kurtine  und  die  rechte  Face  vom 
Bastion  Schütz.  Da  die  3.  Parallele  im  weiteren  Fortschreiten 
begriffen  war  und  das  Feuer  von  den  Werken  zu  plongirend 
wurde,  entschloss  sich  der  Guvcmeur  zu  einem  neuen  Ausfall. 
Das  Kommando  erhielt  wiederum  der  Major  von  Wostrowski 
mit  300  Musketieren  von  Besser  und  150  Füselieren  von  Rembow, 
nebst  Arbeitern  von  allen  Infanterie-  und  Kavallerie-Regimentern. 
Zur  Deckung  der  linken  Flanke  folgte  das  Bataillon  Schmeling. 
Unvorsichtigerweise  hatte  man  das  Feuer  um  7  Uhr  plötzlich  ver- 
stummen lassen,  so  dass  sich  der  Belagerer  zum  Empfang  des 
Ausfalls  in  Bereitschaft  setzen  konnte.  Der  Oberst  vom  In- 
genieurkorps und  Adjutant  des  Kaisers  Lacoste,  welcher  die 
Hauptattacke  kommandirte,  einigte  sich  mit  dem  Kommandanten 
der  Trancheewache,  General  Menard,  rechts  und  links  Deta- 
chements  in  den  Trancheen  zu  etabliren,  die  dem  Feinde  in  die 
Flanken  gehen  sollten.  Es  gelang  den  ausfallenden  Truppen, 
einen  Theil  der  3.  Parallele  zu  zerstören  und  14  Gefangene 
(12  Badener  *)  und  2  Franzosen)  zu  machen.    Doch  nun  stürzte 


scheint  daher  gar  nicht  bemerkt  worden  zu  sein.  Das  Mlssverständniss  war 
daraus  entsprangen,  dass  , zurück,  zurück"  genifen  wurde. 

*)  Schreiben  des  Guy.  von  diesem  Tage  an  den  Major  von  Oppen  S.  146. 
Der  Guvemeur  befiehlt,  dass  alles  auf  der  Niedenmgsseite  befindliche  Wurf- 
geschütz nach  dem  Bischofsberg  gebracht  werden  solle,  auch  eine  Haubitze 
vom  Holm,  um  die  Batterie  auf  dem  Stolzenberge  zum  schweigen  zu  bringen. 
Von  Seiten  des  Belagerers  wurden  die  Batterien  der  Reduten  Nr.  1  und  2 
der  Kontravallation  angewiesen,  das  Feuer  des  Bischofsberges,  welches  die 
Batterien  auf  dem  Stolzenberge  sehr  belästigte,  niederzuhalten  (Nibuatnias  S.  86). 

')  Nach  Grolman  verloren  die  Badener  6  Todte,  21  Verwundete  und 
13  Gefangene.    S.  89. 


165 

sich  der  Bats.-Clief  Koguiat  mit  der  Trancheewache  in  der  Front 
mit  dem  Bajonet  auf  sie,  und  die  Seitendetachements  drohten 
ihnen  den  Eückzug  abzuschneiden.  Die  Ausfalltruppen  erlitten 
einen  Verlust  von  10  Offz.  und  100  Mann  an  Todten  und  Ver- 
wundeten*). Der  Fähnrich  von  Reizenstein  vom  1.  pommerschen 
Reserve-Bataillon  starb  an  seinen  Wunden.  Auch  der  Verlust  der 
Franzosen  war  bedeutend.  Der  Sergeantmajor  Vernon  von  den 
Sappeuren  erhielt  3  Bajonetstiche  und  der  Sergeant  GeoflFroy 
wurde  schwer  verwundet. 

Die  Knrtine  der  Hagelsberger  Front  wurde  in  der  folgen- 
den Nacht  mit  3  Traversen  versehen,  und  auch  dahinter  zum 
Schutz  der  Kommunication  nach  den  Baracken  wurden  3  Tra- 
versen aufgeführt.  Die  Traversen  des  Bastions  Schütz  \^nirden 
erhöht  und  auf  der  ganzen  Front  die  Scharten  ausgebessert. 
Da  es  anfing,  an  Faschinen  und  Schanzkörben  zu  fehlen,  wurden 
in  der  Stadt  Tragkörbe  requirirt  und  selbst  Linden-  und  Easta- 
nienzweige  wurden  zur  Anfertigung  des  Baumaterials  benutzt. 

Am  27.  April  wurden  vom  Belagerer  1930  Geschosse  gegen 
die  Festung  abgegeben.  Auch  der  Vertheidiger  regte  sich  wieder 
und  überraschte  die  Gegner,  die  ihn  schon  abgethan  glaubten, 
mit  einem  lebhaften  Feuer.  Es  galt  von  dem  zu  diesem  Zweck 
neu  armirten  Bischofsberge  aus  die  Batterien  auf  dem  Stolzen- 
berge  und  die  dem  Bischofsberge  sehr  unbequemen  Geschütze 
der  beiden  Reduten  1  und  2  niederzuhalten.  Am  Nachmittag 
kam  ein  zweistündiger  Waffenstillstand  zum  Begraben  der 
Todten  zu  stände.  Der  Belagerer  benutzte  dies,  um  die  Oert- 
lichkeit  in  betreif  der  Anlage  einiger  beabsichtigter  Rikoschett- 
batterien,  deren  Nothwendigkeit  sich  aufdrängte,  zu  besichtigen 
und  über  einen  dahin  zu  dirigirenden  Laufgraben  schlüssig  zu 
werden*).  Ausserdem  wurde  der  linke  Flügel  der  beiden  Batterien 
auf  dem  Stolzenberge  durch  einen  Laufgraben  mit  den  Ar- 
beiten gegen  den  Bischofsberg  verbunden  und  die  Halbparallele 


*)  Nach  Nibuatnias  S.  89  wäre  die  ganze  ansfaUende  Trappe  — 
600  Grenadiere  —  gefangen  genommen  worden! 

')  Ebd.  S.  90.  Die  Steile  ist  allem  Anschein  nach  dnrch  den  Plan  von 
Kirgener  (vgl.  oben  S.  128  Note)  veranlasst,  da  in  Wirklichkeit  keine  Riko- 
schettbatt^rie  erbaut  worden  ist. 


166 


zwischen  der  2.  und  3.  Parallele  mit  Mörsern  und  Haubitzen, 
sowie  mit  drei  12-PfUndem  bewaffnet. 

An  der  unteren  Weichsel  wurde  fortgearbeitet  *). 

In  der  Nacht  zum  28.  erfolgte  ein  Ausfall  von  300  Mann 
gegen  die  Batterien  des  Stolzenberges,  der  jedoch  ohne  Erfolg 
blieb ').  Eine  AUarmirung  der  feindlichen  Arbeiter  vor  Bastion 
Schütz  durch  den  Lieutenant  v.  Trabenfeld  mit  20  Mann,  der  den 
Verlust  von  1  Todten  und  3  Verwundeten  herbeiführte,  störte 
nur  vorfibergehend. 

Am  28.  arbeitete  der  Belagerer  daran,  die  3.  Parallele  nach 
rechts  hin  zu  verlängern  und  die  Kommunikation  zu  erweitem. 
Einer  der  Schläge  der  Halbparallele  wurde  nach  rechts  hin  bis 
zu  dem  Ort  verlängert,  den  man  tags  zuvor  zur  Anlage  einer 
Rikoschettbatterie  geeignet  gefunden  hatte').  Der  Artillerie- 
kämpf  gegen  den  Bischofsberg  dauerte  fort. 

Der  Kampf  um  die  3.  Parallele  wurde  auch  an  diesem 
Tage  fortgesetzt,  indem  der  Guverneur  einen  neuen  Ausfall 
gegen  dieselbe  unternehmen  Hess.  Infolge  eines  Kriegsrathes 
wurden  dazu  3  Bataillone  bestimmt,  welche  nach  einer  Dispo- 
sition des  General  Laurens  gegen  die  beiden  FlUgel  und  das 


^)  Nach  Nibuatnias  S.  91,  dem  auch  M.  Dumas  folgt  (S.  161),  Hess  der 
Bato.-Chef  vom  Ingenieur-Korps  Sabatier  am  27.  mit  der  Sappe  auf  dem 
Scbntendamme  arbeiten  und  bemächtigte  sich  der  Landzunge  des  Holms,  wo 
früher  die  Sommerschanze  gelegen  hatte.  Er  etablirte  sich  daselbst,  indem 
er  die  Landzunge  durch  eine  Kupüre  abschnitt  und  auf  der  Laake  eine 
Brttcke  herstellte.  Die  Franzosen  hätten  demnach  schon  an  diesem  Tage  auf 
dem  Holm  festen  Fuss  gefasst.  Die  Massregel  erscheint  höchst  ingeniös  und 
wird  auch  von  der  skizzirten  Geschieh te  S.  121  Note  bestätigt,  jedoch  wird 
sie  von  Höpfner  S.  438  mit  Recht  bestritten. 

')  Skizzirte  Geschichte  S.  105.  Der  Bericht  des  Guvemeurs  vom  5.  Mai 
erwähnt  diesen  Ausfall  nicht,  sagt  aber,  dass  die  am  27.  vom  Belagerer  an- 
gelegte Batterie  am  28.  zum  Schweigen  gebracht  und  eine  andere  niedriger 
angelegte  Batterie  erbaut  worden  sei.  Französischerseits  wird  der  Ausfall 
ebenfalls  nicht  erwähnt. 

*)  Nibuatnias  S.  91.  Dumas  S.  162.  Kirgener  erwähnt  hiervon  nichts,  die 
Stelle  scheint  daher  nur  durch  den  gefälschten  Plan  desselben  veranlasst  wor- 
den zu  sein.  Wie  es  scheint,  arbeitete  der  Feind  selbst  am  Tage.  Die  Scharten- 
Bohlen  waren  bei  dem  hohen  Belief  der  Werke  des  Hagelsberges  nicht  tief 
genug  geneigt,  um  das  nahe  vorliegende  Terrain  zu  bestreichen.  (Höpfner 
g,  439.  Skizzirte  Gesch.  S.  101.) 


167 


Centram  der  3.  Parallele  dirigirt  wurden.  Die  3  Abtheilungen 
in  der  Gesammtstärke  von  600  Mann  wurden  von  den  Majors 
Wostrowski,  von  Eamptz  und  dem  Oberstlieutenant  von  Schme- 
ling  geführt.  Der  Ausfall,  abends  10  Uhr  unternommen,  war 
im  ganzen  zwar  günstig,  doch  hätte  er  mehr  leisten  müssen, 
wenn  mehr  Einklang  geherrscht  hätte.  Die  Abtheilung  des 
rechten  Flügels  kam  früher  als  die  andern  an  den  Feind  und 
wurde  von  2  Kompagnien  des  französischen  19.  Linien-Regiments 
unter  dem  Bataillons-Chef  vom  IngenieurkoiT)s  Rogniat  zurück- 
geworfen und  bis  an  die  Palisaden  des  gedeckten  Weges  ver- 
folgt. Einige  verwegene  Sappeure  sprangen  selbst  über  die 
Palisaden  weg  und  wurden  gefangen.  Die  mittlere  Abtheilung 
befand  sich  zu  der  Zeit  noch  mit  100  Arbeitern  im  gedeckten 
Wege  und  Hess  sich  auf  ein  stehendes  Peuergefecht  ein,  ohne 
weiter  vorzugehen.  Die  Abtheihmg  des  linken  Flügels  über- 
raschte dagegen  die  feindlichen  Arbeiter,  warf  die  Tranchee- 
wache  zurück,  und  der  Hauptmann  von  Hanstein  vom  Füselier- 
Regiment  Rembow  vernagelte  3  Kanonen.  Ein  Offizier  und  48 
Mann  der  Trancheewache  wurden  gefangen.  Der  mit  den  Re- 
serven herbeieilende  General  Michaud  vertrieb  die  Abtheilung 
wieder.  Der  preussische  Verlust  betrug  20  Todte,  65  Ver- 
wundete und  80  Vermisste^).  Zwei  Offiziere  des  Regiments 
Hamberger  blieben,  der  Hauptmann  von  Hosius  desselben  Re- 
günents  starb  an  seinen  Wunden.  Unter  den  gefangenen  Fran- 
zosen befand  sich  ein  Ingenieurlieutenant  Brenne,  ein  Korporal 
und  2  Sappeure.  Der  Hauptmann  Sauveterre  und  der  Lieute- 
nant Fray  vom  19.  Infanterie-Regiment  fielen.  — 

In  der  Nacht  zum  29.  wurde  die  3.  Parallele  nach  rechts 
und  links  hin  verlängert  und  die  Annäherungen  dahin  beendet. 

Am  29.  richtete  das  Feuer  des  Belagerers  an  den  Basti- 
onen des  Hagelsberges  bedeutende  Zerstörungen  an,  weil  die 
Schäden  des  vorhergehenden  Tages  nicht  hatten   ausgebessert 

*)  Nach  Grolmau  mnsa  der  preussische  Verlust  viel  bedeutender  ge- 
wesen sein.  Der  Erbgrossberzog  von  Baden  will  am  29.  auf  dem  Glacis 
gegen  dO  Todte  gesehen  haben.  Ohne  die  Deserteure  sind  103  Gefangene 
eingebracht  worden.  Die  Verlustliste  des  Belagerers  weist  40  Todte,  40 
Verwundete  und  28  Gefangene  auf,  darunter  von  den  Badeuem  7  Todte, 
5  Verwundete  und  18  Vennisste. 


168 

werden  können.  Die  Brustwehren  waren  grösstentheils  abge- 
kämmt, die  Traversen  durch  die  Batterie  des  Stolzenberges  zer- 
stört, 14  Sturmbalken  heruntergeschossen. 

Auf  Seiten  des  Belagerers  traf  ein  neuer  Artillerie-Trans- 
port aus  Warschau  ein. 

In  der  Nacht  zum  30.  wurde  das  letzte  Blockhaus  im  ge- 
deckten Wege  links  von  Kavelin  Hagel  fertiggestellt. 

Von  selten  des  Belagerei*s  wurde  der  flache  Bogen  vor 
dem  Saillant  des  Ravelin  Hagel  begonnen,  indem  der  Sappeur 
an  zwei  Punkten  aus  der  3.  Parallele  debuchirte  ^).  Anfäng- 
lich geschah  es  jedoch  ohne  Erfolg').  Die  3.  Parallele  wurde 
infolgedessen  mit  Sandsackscharten  versehen  und  Baukets  her- 
gestellt. Zur  Deckung  der  Batterien  auf  dem  Stolzenberge  wurde 
die  Tranchee  nach  rechts  hin  verlängert.  Die  Stadt  wurde 
heftig  beschossen  und  brannte  an  mehreren  Stellen. 

Am  30.  wurden  zwei  neue  Batterien  vom  Belagerer  angelegt, 
die  eine  in  der  2.  Parallele,  die  andere  etwas  weiter  vor '),  um 
die  Brauchen  des  gedeckten  Weges  und  die  Blockhäuser  in  den 
eingehenden  Waffenplätzen  zu  bestreichen. 

Um  Mittag  nach  der  Parole,  als  der  General  Laurens  mit 
den  Guvemements- Adjutanten  von  Plateu  und  von  Arnim  in 
eine  der  Baracken  an  der  Eurtine  des  Hagelsberges  trat, 
durchschlug  eine  feindliche  Bombe  die  Decke.  Alle  3  Offleiere 
wurden  von  einem  losgerissenen  Balken  niedergeworfen  und  der 
General  nebst  dem  Lieutenant  von  Platen  so  stark  verletzt, 
dass  sie  an  den  Wunden  starben. 

Der  Artilleriekampf  war  auf  der  ganzen  Front  sehr  heftig. 

Der  Hauptmann  von  Studiiitz  setzte  der  Redute  Nr.  1  auf 
dem  Jesuiterberge,  die  der  Stadt  sehr  schädlich  war,  hart  zu  ^). 

Die  Besatzung  des  gedeckten  Wegs  unterhielt  ein  ununter- 
brochenes Feuer  auf  die  Belageiiingsarbeiten.    In  der  Nacht 


')  Eirgener  S.  14.    Nibaatnias  S.  94. 

')  Skizzirte  (lesch.  S.  111.  Es  wurden  in  den  Bastionen  Schütz  and 
Jerusalem  je  4  Jäger  dagegen  aufgestellt. 

^)  Nach  Grolman  lagen  die  Batterien  auf  den  äussersten  Flügehi  der 
beiden  HalbparaUelen. 

^)  Nach  Dumas  hat  der  Belagerte  das  Feuer  von  mehr  als  20  Geschüts^u 
darauf  concentrirt. 


169 

klärten  vom  Wall  geworfene  Feuertöpfe  (pots  ä  feu)  das 
Terrain  an  den  Sappen teten  auf,  so  dass  der  Fortschritt  der 
Sappe  nur  äusserst  langsam  war. 

h.  Von  der  Beendigung  der  3.  Parallele  bis  zur 

Kapitulation  des  Platzes« 

Die  Fortschritte  der  Sappe  waren  auch  am  1.  und  2.  Mai   Mai. 
äusserst  langsam.    Der  Vertheidiger  warf  die  Körbe  durch  seine 
Artillerie  um,  so  wie  sie  gesetzt  waren.    Nur  vor  Bastion  Schätz 
war   es   nicht   zu  verhindern,  weil  die  Scharten  des  Bastions 
Jerusalem  nicht  die  nöthige  Inklination  gestatteten. 

An  der  Niederweichsel  wurde  die  Kedute  Nr.  6  beendet 
nnd  armirt. 

Seit  dem  1.  Mai  richtete  der  Belagerer  das  Feuer  hauptsäch- 
lich auf  den  Hagelsberg,  der  furchtbar  mitgenommen  wurde.  Der 
Artillerie  des  Vertheidigers  gelang  es  endlich,  die  Redute  Nr.  1 
auf  der  Jesuiterhöhe  zum  Schweigen  zu  bringen  *).  Dagegen 
zeigten  sich  die  späteren  Anstrengungen  der  Artillerie  des  Ver- 
theidigers vom  Bischofsberge  gegen  die  feindlichen  Batterien  auf 
dem  Stolzenberge  unzureichend^). 

In  dem  Saillant  des  gedeckten  Wegs  vor  Ravelin  Hagel 
wurde  von  seiten  des  Belagerten  ein  15  Fuss  tiefer  Minen- 
brunnen ausgehoben. 

In  der  Nacht  vom  3.  und  4.  gelang  es  dem  Belagerer  end- 
lich, die  beiden  Sappenteten  des  flachen  Bogens  (demi-cercle)  vor 
dem  ausspringenden  Winkel  des  Ravelins  Hagel  zu  vereinigen. 
Auf  der  äussersten  Linken  der  3.  Parallele  ging  er  mit  der 
traversirten  Sappe  gegen  den  Saillant  vor  Bastion  Jerusalem 


')  Der  Guvemeur  richtete  am  3.  Mai  ein  uehr  verbindlicheB  Schreiben 
an  den  Major  von  Oppen  wegen  der  Erfolge  der  ArtiUerie.    S.  166. 

*)  Schreiben  des  Gavemeors  an  den  Kommandanten  Gen.  v.  Hamberger 
▼.  4.  Mai.  S.  167.  Ein  von  Dnmas  in  der  Nacht  zum  3.  erwähnter  AusfaU 
TOB  aOOO  Mann  gegen  die  3.  ParaUele  und  gleichzeitig  gegen  den  Stolzenberg 
(S.  165)  wird  in  den  Berichten  des  Vertheidigers  nicht  erwähnt.  Kirgener 
sagt  nur,  dass  der  Sappeur-Kapitain  Boisaubert  erschossen  worden  sei.  Nach 
Nibuatnias  S.  97  erfolgte  dies  bei  einem  AusfaU  von  200  Mann  gegen  den 
Stolzenberg,  so  dass  die  2000  Mann  bei  Dumas  nur  ein  Schreibfehler  sind. 


170 


vor.  Nach  rechts  hin  warde  die  3.  Parallele  bis  in  das  Thal 
von  Sciudlitz  verlängert*). 

Das  Feuer  des  Belagerers  gegen  den  Hagelsbei-g  war  am 
3.  so  heftig  gewesen,  dass  die  Besatzung  innerhalb  24  Stunden 
40  Todte  und  Verwundete  verlor.  Vom  Civil  waren  bis  jetzt 
4  Personen  getödtet,  22  verwundet. 

Am  4.,  da  der  Belagerer  aus  dem  flachen  Bogen  auf  der 
Kapitale  des  Ravelins  mit  der  doppelten  Sappe  vorzugehen  ver- 
suchte, wurde  vom  Vertheidiger  ein  lebhaftes  Feuer  auf  die 
Sappenteten  gerichtet,  so  dass  die  Arbeit  aufhören  musste. 
Die  Batterien  der  2.  Parallele  richteten  daher  ihr  Feuer  gegen  die 
betreflfenden  Geschütze  des  Vertheidigers  und  demontirten  einige 
Kanonen  und  Scharten.  Der  Vertheidiger  bediente  sich  nunmehr 
vorherrschend  der  Mörser,  von  denen  er  4,  später  5  auf  der 
Angriffsfront  aufstellte  und  die  einzelnen  Sappen  der  Länge 
nach  zu  fassen  suchte,  da  ein  direktes  Bewerfen  ohne  Resultat 
blieb,  indem  die  Bomben  ins  Feld  fielen. 

In  dem  Bericht  des  Guverneurs  an  den  König  vom  5.  wird 
der  Füselier  Schultz  vom  Bataillon  von  Kloch  mit  Auszeichnung 
erwähnt,  welcher  den  brennenden  Zünder  einer  feindlichen 
Bombe  ausurinirte. 

Die  Erfolge  der  Artillerie  des  Vertheidigers  waren  auch 
in  den  folgenden  Tagen  ausserordentlich,  so  dass  der  Belagerer 
sich  fast  ausschliesslich  mit  Ausbesserung  der  Schäden  beschäf- 
tigen musste*).    Erst  in  der  Nacht  zum  7.  gelangte  er  bis  auf 


*)  Dumas  S.  165.  Nibuatnias  S.  98.  Kirgener  erwähnt  hiervon  nichts. 
Wie  es  scheint,  ist  diese  Angabe,  sowie  die  oben  S.  165,  166  ci*wahnten  durch 
den  Plan  von  Kirgener  hervorgerufen  worden,  da  auch  die  skizzirte  Ge- 
schichte darüber  schweigt. 

')  Der  Guvemeur  war  so  entzückt  von  den  Erfolgen  der  Artillerie, 
dass  er  am  6.  von  neuem  an  den  Major  von  Oppen  schrieb:  „bin  Ew.  und 
der  Artillerie  unendlich  verbunden,  dass  sie  den  Feind  in  seiner  Arbeit  fest- 
zuhalten so  kräftig  wirkt''.  Der  General  Kirgener  schreibt  die  Misserfolge 
der  französischen  Artillerie  dem  Mangel  an  Munition  und  dem  Umstand  zu, 
dass  das  Terrain  keine  Rikoschettbatterien  gestattete.  Letzteres  lässt  sich 
mit  einigem  Grunde  doch  nur  von  der  linken  Face  des  Bastions  Jerusalem 
sagen,  und  auch  hier  hätte  man  Mörser  in  Verlängerung  derselben  verwenden 
können.  Weit  nachtheiliger  war,  dass  mau  die  ersten  8~  10  Tage  sämmtUche 


171 


6  Toisen  (etwas  über  15  Schritt)  vom  ausspringenden  Winkel 
des  Ravelins  Hagel,  während  die  Sappe  vor  Bastion  Jerusalem 
täglich  nur  2  Rntimi  vorschritt. 

Die  Besatzung  erlitt  am  5.  dnrcli  d«ii  Tod  des  Majors  Bous- 
mard  einen  unersetzlichen  Verlust,  indem  er  des  Morgens  halb 
6  Uhr,  als  er  mit  dem  Platzingenieur  die  Fortschritte  des  Bela- 
gerers während  der  Nacht  rekognoscirte,  von  einer  Gewehr- 
kugel getroffen  wurde  und  nach  wenigen  Minuten  starb.  Am  6. 
starb  auch  der  General  Laurens  an  seiner  am  30.  April  er- 
haltenen Wunde. 

Die  Arbeiten  des  preussischen  Mineurs  gingen  ihren  Weg 
fort.  Er  hatte  in  der  Nacht  zum  7.  bereits  die  Palisadenlinie 
um  IVs  Fuss  hinter  sich.  Ausfällein  dieser  und  der  vorherge- 
henden Nacht  waren  zwar  projektirt  worden,  unterblieben  aber, 
weil  sich  die  Erschöpfung  der  Truppen  schon  in  hohem  Grade 
geltend  machte. 

Diese  Nacht  (zum  7.)  wurde  für  die  Festung,  wie  sich  der 
Guverneur  in  seinem  Bericht  an  den  König  ausdrückte,  eine 
der  unglücklichsten.    Der  Holm  fiel  in  die  Hände  des  Feindes. 

Schon  gegen  6  Uhr  abends  war  man  in  der  Festung  auf 
die  Absichten  des  Feindes  aufmerksam  geworden,  indem  man 
15  Wagen  mit  Kähnen  und  Brettern  von  Zigankendorf  nach 
Schellmühl  fahren  sah.  Der  Guverneur  machte  der  Besatzung 
des  Holms  sofort  Anzeige  davon  und  sendete  den  Fürsten  Tscher- 
batow  nach  dem  Holm,  welcher  noch  vom  Major  von  Utken 
mit  9  Kompagnien  (1050  Mann)  besetzt  war.  Ausserdem  befand  sich 
daselbst  ein  preussisches  Artillerie-Kommando  unter  dem  Lieute- 
nant von  Stieler  mit  14  Geschützen,  wovon  eine  Haubitze  und  ein 
SOpfundiger  Mörser.  Der  Fürst  ertheilte  ausführliche  Befehle  für 
den  Fall  eines  Angriffs  und  Hess  400  Mann  Verstärkung  zurück. 
Obgleich  der  Guverneur  um  9  Uhr  noch  einmal  hinausschickte, 


Wurfgeschütze  zum  Bombardement  der  Stadt  benutzte,  was  sich  als  vöUig 
unnatz  erwies.  Der  tiefere  Orund  lag  aber  noch  darin^  dass  die  französischen 
ArtiUerieoffiziere  von  den  Erfolgen  im  Felde  berauscht,  alle  guten  Grundsätze 
für  den  Gebranch  der  Artillerie  im  Belageningskriege  vergessen  hatten  und  in 
gedankenloser  Weise  flüchtig  über  alles  hinweggingen.  Es  drückt  sich  dies 
nicht  nur  bei  Danzig  aus,  sondern  war  in  der  Zeit  ganz  allgemein.  Die 
spanischen  Belagerungen  liefern  ein  reiches  Material  dafür. 


172 


wurde  die  Besatzung  des  Holms  und  der  kleinen  Kalkschanze 
von  der  Unternehmung  des  Feindes   doch  völlig  überrascht*). 

Der  Marschall  Lefebvre  war  zu  dem  Unternehmen  auf  den 
Holm  durch  den  General  Chasseloup,  welcher  seit  dem  19.  April 
die  Direktion  der  Belagerungsarbeiten  übernommen  hatte,  gedrängt 
worden,  da  man  vom  Holm  aus  die  Angriifsfront  im  Rücken  fassen 
konnte.  Der  Marschall  ging  um  so  eher  darauf  ein,  als  ihm  der  Be- 
sitz des  Holms  zur  Verbindung  mit  der  Nehrung  durchaus  noth wen- 
dig war  und  er  die  Brücke  über  die  Weichsel  bei  Legan,  die 
zu  diesem  Zwecke  von  der  grössten  Wichtigkeit  war,  noch  nicht 
hatte  ausführen  können,  ihm  auch  der  bevorstehende  Entsatz- 
versuch über  Neufahrwasser  nicht  unbekannt  sein  konnte,  da 
ihm  von  der  Ansammlung  der  feindlichen  Truppen  um  Pillau 
gewiss  Meldungen  zugekommen  waren.  Er  befahl  dem  General 
Gardanne,  in  der  Nacht  zum  7.  von  der  Nehrung  aus  die  Laake 
zu  überschreiten,  und  beauftragte  seinen  Chef  des  Generalstabs, 
den  Divisionsgeneral  Drouet,  vom  linken  Weichselufer  aus  einen 
Landungsversuch  auf  dem  Holm  zu  machen  und  sich  der  kleinen 
Kalkschanze  zu  bemächtigen. 

Nach  dem  Tagebuche  von  Grolman  S.  93  ^)  war  der  Verlauf 
folgender:  Es  wurden  zu  dem  Uebergange  600  Mann  auserlesener 
Truppen  bestimmt,  nämlich  400  Franzosen  vom  44.  Linien-, 
2.  und  12.  leichten  Regiment,  sowie  von  den  beiden  B^eldba- 
taillonen  der  Pariser  Stadtgarde,  ferner  100  Badener  und  100 
polnische  Insurrektionstruppen.  Ausserdem  blieben  in  Reserve 
300  Mann  Sachsen  und  Polen  der  Nordlegion'),  um  nach  der 
Eroberung  des  Holms  sich  der  Kalkschanze  zu  bemächtigen. 
Dieses  kombinirte  Detachement  versammelte  sich  abends  unter 


*)  Der  Major  von  Pogwisch,  welcher  mit  Depeschen  vom  Könige  zurück- 
kam und  den  liolm  in  der  Naclit  zwischen  12  und  1  Uhr  passirte,  fand  die 
Bussen  noch  munter. 

*)  Ein  preussischer  oder  russischer  offizieller  Bericht  über  die  Vorgänge 
auf  dem  Holm  in  der  Nacht  vom  6.  zum  7.  existirt  nicht.  Die  französischen 
Berichte  sind  sehr  oberflächlich.  Dumas  erwähnt  nichts  von  der  Wegnahme 
der  Kalkschanze  und  Kirgener  nichts  von  einem  Uebergange  der  Franzosen 
vom  linken  Weichselufer,  beide  nichts  von  den  Vorgängen  an  der  Laake. 
Am  besten  sind   noch  die  Berichte  von  Nibuatnias  S.  101   ff.  und  Grolman. 

')  Nach  Nibuatnias  unter  Befehl  des  Bataillonschefs  Romnette. 


173 


Fuhrung  des  General-Adjutanten  Ai.ne  und  des  Bataillonschefs 
Arnaud  (nach  Nibuatnias  Armand)  im  Thale  von  Langfuhr. 
Zum  Uebergange  über  die  Weichsel  hatte  man  keine  anderen 
Hilfsmittel  als  6  Pontons  (nach  Nibuatnias  12),  von  denen  jedes 
nicht  über  30  Mann  (nach  Nibuatnias  25)  fasste,  welche  auf 
einem  grossen  Umwege  nach  der  Weichsel  gebracht  werden 
mnssten. 

Gegentiber  der  Schanze,  welche  die  Franzosen  am  Schuten- 
damme erbaut  hatten,  und  um  deren  Besitz  am  16.  April  ge- 
kämpft worden  war,  lag  die  grösste  Redute  des  Holms  mit  7 
Geschützen  an  der  (untern)  Spitze  des  Holms  (die  Winter- 
schanze). Weiter  aufwärts  befand  sich  eine  zweite  grosse  Re- 
dnte  (die  Jungfernschanze)  mit  5  Geschützen.  Mit  dieser  bei- 
nahe in  gleicher  Höhe  lagen  auf  dem  linken  Weichselufer 
Schellmühl  und  verschiedene  andere  Gebäulichkeiten  (Legan). 
Hinter  Schellmühl  wurden  die  Pontons  abends  abgeladen  und 
durch  die  Striess  in  die  Weichsel  geführt.  Zuerst  setzten  200 
(300)  Franzosen  über  den  Strom,  landeten  unbemerkt  unterhalb 
der  2.  Redute  und  schlichen  dann  gegen  die  Redute  an  der 
(untern)  Holmspitze  (Winterschanze)  vor  *).  Die  Pontons  fuhren 
ebenso  unbemerkt  zurück,  um  die  Badencr  und  Polen  überzu- 
setzen. Die  Fahrzeuge  waren  mit  den  letzteren  Truppen  bis  in 
die  Mitte  des  Stroms  gekommen,  als  aus  der  2.  Redute  des 
Holms  ein  Kartätschenschuss  fiel  und  über  sie  hinwegging. 
Auch  feuerte  ein  Wachtposten  und  tödtete  einen  Mann.  Noch 
herwärts  vom  Ufer  sprangen  die  Leute  aus  den  SchilBfen  in  das 
hier  einige  Fuss  tiefe  Wasser,  stürzten  sich  auf  die  Schanze 
und  waren  innerhalb  weniger  Minuten  in  derselben.  Im  näm- 
lichen Augenblicke  erstürmten  die  Franzosen  die  Redute  auf  der 
Holmspitze.  In  der  ersten  Hitze  wurde  alles  niedergemacht, 
was   man  bewaffnet  fand;   doch   retteten   die  Badener   vielen, 


*)  Nach  Nibnatnias  S.  102  mit  Ausnahme  der  Pariser  Garde,  welche 
unter  Ptthrung  des  Adjutanten  Avy  des  Generals  Drouet  die  2.  Redute 
(Jongfemschanze)  erstürmte.  Die  DarsteUung  bei  Grolman  ist  damit  nicht 
in  Einklang  zu  bringen.  Auch  widerlegt  letztere,  indem  sie  die  Winterschanzc 
noch  im  Besitz  der  Besatzung  des  Hohns  bezeichnet,  die  Behauptung  des 
Nibuatnias,  dass  die  untere  Holmspitze  seit  dem  27.  April  im  Besitz  der 
¥rauz<>scn  gewesen  nnd  befestigt  worden  sei. 


174 


welche  um  Pardon  baten,  das  Leben.  Ein  Haus  im  Innern  der 
2.  Redute  fand  man  mit  Soldaten  angefüllt,  welche  im  Schlafe 
überrascht  wurden.  Als  man  sie  befragte,  warum  sie  nicht 
nach  den  Schüssen  aufgesprungen  wären,  sagten  sie,  dass  sie 
schon  zu  sehr  an  das  Schiessen  der  Schanze  gewöhnt  gewesen 
seien  und  dadurch  sich  nicht  mehr  hätten  stören  lassen. 

Während  die  letzten  200  (?)  Franzosen  noch  über  die 
Weichsel  kamen  *),  verfolgten  die  Eroberer  den  fliehenden 
Feind,  der  sich  wegen  des  sumpfigen  Bodens  im  Innern  des 
Holms  meistentheils  durch  die  Laufgräben  (die  Dämme)  zu 
retten  suchte  und,  von  Bestürzung  übermeistert,  sich  beinahe  ohne 
Widerstand  niederstechen  Hess.  Die  übrigen  3  Rednten  wurden 
nacheinander  ebenfalls  genommen.  Ein  kleiner  Theil  der  Russen 
war  so  glücklich,  vermittelst  einer  grossen  Weichselfähre,  die 
bei  der  obern  Holmspitze  an  einem  Seile  ging,  zu  entkommen. 
(Es  sind  die  Fähren  am  Holzraum  gemeint.)  Trotz  des  heftigen 
Gewehr-  und  Kartätschfeuers  aus  der  Festung  (vom  Holz- 
raum) stieg  ein  badischer  Soldat  am  rechten  Weichselufer  hin- 
unter und  hieb  das  Seil  der  Fähre  durch,  um  die  Ueberschiffung 
preussischer  Truppen  zu  erschweren*). 


')  Nach  Nibnatnias  fanden  nur  2  Ueberfahrten  statt. 

*)  Anch  von  anderer  Seite  werden  einieelue  Heldenthaten  angeführt. 
Kirgener  erwähnt  S.  17,  dass  der  Mineur  Jacquenot  der  8.  Kompagnie  im 
feindlichen  Gewehrfeuer  die  Kette  au  der  Fähre  durchgefeilt  habe.  Matthien 
Dumas  rühmt  die  That  eines  Chasseurs  vom  12.  leichten  Infanterie-Regiment, 
welcher,  nnter  einen  feindlichen  Haufen  verirrt,  wahrnahm,  dass  sich  eine 
Abiheilung  seiner  Kameraden  näherte.  Die  Russen  schrien  entgegen,  sie 
sollten  nicht  schiessen,  sie  wären  Franzosen,  er  aber  rief  den  Seinen  mit  Ein- 
setasung  seines  Lebens  zu,  ja  zu  schiessen,  es  wären  Russen.  Die  Anekdote 
wird  auch  von  Danzig  ans  bis  auf  den  Namen  des  Chasseurs,  Fortnnas,  bestätigt 
(Duisburg  8.  274). 

Auch  preussischerseits  werden  Heldenthaten  gemeiner  Soldaten  berichtet. 
Der  Guvemeur  Graf  KaUcreuth  lobt  in  einem  Schreiben  an  den  Major 
von  Wostrowski,  der  auf  dem  Holzraum  kommandirte,  die  edle  Thai  zweier 
Pommern  vom  Reserve -Bataillon,  über  welche  der  Major  berichtet  hatte. 
Das  Zeitungs-Bulletin  vom  14.  erzählt  den  Vorfall.  Ein  Russe  hatte  sich 
anter  einer  alten  Brücke  der  Laake  versteckt  und  wurde  von  den  beiden 
Pommern  unter  dem  feindlichen  Gewehrfeuer  mit  einem  Kahn  nach  dem 
Unken  Weichselufer  gerettet.  Einige  Tage  später  wird  ein  anderer  Fall 
offiziell  berichtet.     Ein  Küra.s.«(ier  vom  Regiment  Balliodz,  welcher  zu  der 


175    _ 

Sobald  die  Insel  erobert  war,  griffen  die  am  linken  Ufer 
in  Reserve  verbliebenen  Sachsen  und  Polen  die  Kalkschanze 
(welche  von  150  Mann  Diericke  unter  dem  Hauptmann  Stach 
von  Glotzheim  besetzt  war,  v.  Höpfner)  an  und  bemeisterten 
sich  derselben  bald  mit  nur  unbedeutendem  Verluste,  obwohl 
die  preussische  Besatzung  durch  das  Gefecht  auf  der  Insel  alert 
sein  musste.  Drei  Offiziere  und  160  (?)  Mann  wurden  gefan- 
gen und  zwei  Kanonen  (3-Pfünder)  erbeutet*). 

Im  ganzen  fielen  in  die  Hände  der  Sieger  17  (?)  Kanonen 
und  Haubitzen,  sowie  548  Gefangene,  worunter  1 1  Offiziere  und 
89  Verwundete.  Gegen  400  Russen  waren  auf  der  Stelle  ge- 
blieben. Die  Belagerer  hatten  insgesammt  9  Todte  und  39  Ver- 
wundete, und  zwar  zum  Theil  durch  das  Feuer  der  Festung, 
welches  mit  Tagesanbruch  von  der  gegenüberliegenden  Schanze 
des  Holzraumes  und  von  dem  weiter  rückwärts  gelegenen 
Bastion  Jakob  ungemein  stark  wurde  und  die  Gebäude  ober- 
halb des  Holms  in  Brand  steckte. 

Von  der  Nehrung  wurde  sogleich  eine  Brücke  über  die 
Laake  geschlagen,  um  die  Division  Gardanne  durch  den  Holm 
mit  dem  Belagerungskorps,  von  welchem  sie  bisher  getrennt 
war,  in  Verbindung  zu  bringen.  Ferner  wurden  in  den  nächsten 
Tagen  die  eroberten  Schanzen  den  Zwecken  des  Belagerers 
entsprechend  umgebaut. 

Das  badische  Detachement  hatte  sich  sehr  ausgezeichnet. 
Die  Unteroffiziere,  Schützen  und  Gemeinen  waren  beinahe  durch- 
gängig Freiwillige.  Die  3  Offiziere  —  Hauptmann  Brückner 
und  die  Lieutenants  Schönfeld  und  St.  Ange    —   wurden   vom 


ArtUlerie  kommandirt  war,  wurde  in  demselben  Bulletin  belobt,  weil  er  nach 
dem  Holm  übergesetzt  war  und  8  von  den  Franzosen  besetzte  Häuser  in 
Brand  gesteckt  hatte,  die  sich  dem  Holzraum  sehr  lästig  gemacht  hatten. 
Die  Betreffenden  wurden  durch  Parolebefehl  vom  9.  Mai  namentlich  gemacht 
und  belobt.  Die  beiden  Pommern  hiessen  Feierhandt  und  Maier,  der  Kürassier 
Schulz  und  der  Musketier,  der  ihn  übergesetzt  hatte,  Stein. 

')  Die  Thatsachen  werden  im  allgemeinen  von  Nibuatnias  in  derselben 
Weise  vorgetragen,  jedoch  sehr  confus,  so  dass  man  den  Hergang  nicht  erkennen 
kann.  Nach  seiner  Darstellung  mUsste  man  glauben,  dass  die  kleine  Kalk- 
Bchanse  auf  dem  Holm  gelegen  hätte  Als  Zeit  der  1.  Ueberfahrt  giebt  er 
ein  Uhr  des  Morgens  an. 


176 


Erbgrossherzog  mit  Rücksicht  auf  ihre  bisherige  Bravur  aus- 
gewählt und  hatten  sich  auch  hier  grosses  Lob  erworben. 
Dennoch  erhielt  infolge  von  Kabalen  im  Hauptquartier  nur  der 
jüngste  jener  3  Offiziere  das  Kreuz  der  Ehrenlegion. 

Die  Franzosen  führten  sofort  von  der  kleinen  Kalkschanze 
eine  Tranchee  zur  Verbindung  mit  ihren  Laufgräben  nach  den 
Bergen,  begannen  bei  Legan  den  Bau  einer  Schiffbrücke  nach 
dem  Holm,  richteten  sich  auf  dem  Holm  selbst  ein  und  wendeten 
die  vorhand'enen  Schanzen  nach  der  Stadt  hin.  Durch  die  Ein- 
wirkung von  hier  aus  auf  die  Angriffsfront  hätte  der  Besitz 
des  Holms  von  ungemeiner  Wichtigkeit  werden  können.  Glück- 
licherweise für  den  Vertheidiger  scheint  der  Belagerer  jedoch 
keine  schweren  Geschütze,  die  wegen  der  Entfernung  allein  von 
Wichtigkeit  gewesen  wären,  mehr  übrig  gehabt  zu  haben  oder 
doch  bei  ihrem  Transport  nach  dem  Holm  auf  Schwierigkeiten 
gestossen  zu  sein.  Denn  unterm  10.  war,  wie  aus  einem  Schreiben 
des  Guverneurs  an  den  Hauptmann  Wilke,  welcher  die  Artillerie 
auf  der  Olivaer  Front  kommandirte,  hervorgeht,  vom  Holm  aus 
noch  nicht  geschossen  worden*).  Nur  die  kleine  Kalkschanze 
feuerte  und  inkommodirte  sehr  stark.  Von  hier  aus  geschah 
auch  am  20.  der  Schuss,  welcher  mit  einemmale  12  Mann  von 
Diericke  hinter  der  Brustwehr  tödtete,  oder  schwer  verwundete  *). 
Nach  Dumas  soll  auch  die  Schanze  Nr.  6,  welche  am  7.  ihr 
Feuer  eröffnete,  gegen  Danzig  gefeuert  haben.  Wenn  ihre  Lage 
zur  Angriffsfront  auch  sehr  günstig  war,  so  betrug  die  Entfer- 
nung jedoch  gegen  3000  Schritt. 

Der  Guverneur   forderte   am  Morgen  des  7.  telegraphisch 


*)  Dass  der  Feind  indessen  an  zwei  Batterien  auf  dem  Holm  baate, 
entdeckte  man  nach  Duisburg  S.  279  am  9.  Mai  von  dem  Thurme  aus. 

*)  Bulletin  an  den  König.  Es  wird  nicht  gesagt  hinter  welcher  Brust- 
wehr. Die  Schanze  liegt  in  der  Entfernung  von  1000  Schritt  ziemlich  genau 
in  der  Verlängerung  der  rechten  Face  von  Jerusalem,  so  dass  diese  wohl  ge- 
meint ist.  Ich  mache  bei  dieser  Qelegenheit  darauf  aufmerksam,  dass  der 
Massstab  der  Pläne  von  Danzig  bei  Brese  (Archiv  11.  Bd.)  und  HOpfner 
(Uebersichtsplan  des  3.  Bandes  No.  XTII)  falsch  ist.  Beide  Pläne  haben  den- 
selben Massstab  von  1  :  12000,  während  sie  in  Wirklichkeit  den  von  1  :  15000 
haben.  Die  Uebereinstimmung  ist  merkwürdig,  und  da  sie  beide  die  officiellen 
i^ellen  benutzen ,  scheint  es  die  gemeinsame  Benutzung  eines  denselben  bei- 
liegenden Plans  anzudeuten. 


J77 

den  Oberst  Schuler  von  Senden  auf,  1600  Mann  aus  Neufahr- 
wasser und  Weichselmünde  auf  den  auf  der  Rhede  liegenden 
englischen  Kriegsschiffen  einzuschiffen  und  den  Holm,  der  mit 
1200  Mann  besetzt  sei,  anzugreifen.  Der  Oberst  antwortete 
indessen,  dass  ein  solches  Unternehmen  ganz  unthunlich  sei,  da 
die  Schiffe  auf  beiden  Seiten  und  vom  Holm  aus  beschossen 
werden  würden.    Dabei  blieb  es  denn  auch  *). 

Der  auf  dem  Holzraum  kommandirende  Major  von  Wostrowski 
hatte  sofort  selbständig  geeignete  Massregeln  ergriffen,  sich 
gegen  den  Holm  zu  schätzen,  indem  er  hinter  der  Palisadirung 
längs  der  Weichsel  eine  Erdbrustwehr  bis  zum  Blockhause  am 
polnischen  Haken  aufwerfen  liess  und  die  Linien  des  Holzraums 
mit  Traversen  versah.  Er  bat  den  Guverneur  nur  um  zeit- 
weilige Ueberlassung  eines  Ingenieurofflciers,  der  das  auch  dem 
Lieutenant  Pullet  zur  Berücksichtigung  zuschrieb.  Der  Haupt- 
mann Wilke,  dessen  Artillerie  nach  der  skizzirtcn  Geschichte 
S.  124  einen  bedeutenden  Zuwachs  erhalten  hatte,  erhielt  den 
Befehl,  den  Gegner  so  zu  beschäftigen,  dass  er  nicht  gegen  die 
Angriflfsfront  feuern  könnte.  Der  Guverneur  gestattete  ihm  daher 
ausnahmsweise  mit  dem  Pulver  nicht  zu  sparen,  was  sonst  nur 
noch  dem  Hauptmann  von  Studnitz  in  betreff  des  Stolzenberges 
gestattet  war^). 

Die  Gewinnung  des  Holms  seheint  den  Marschall  Lefebvre 
etwas  übermüthig  gemacht  zu  haben.  Er  befahl  am  7.  die  ge- 
waltsame Wegnahme  des  gedeckten  Wegs  und  die  Ausführung 
des  Kuronnements  mit  der  flüchtigen  Sappe.  Der  Oberst  La- 
coste und  Rogniat  wurden  mit  der  Ausführung  betraut.  Chef 
der  zugetheilten  Ingenieurbrigade  war  der  Hauptmann  Blanc, 
von  Kirgener  S.  19  rühmlichst  erwähnt.  Der  Angriff  gelang  in- 
.soweit,  dass  der  Angreifer  in  den  gedeckten  Weg  des  Rave- 
lins  Hagel  eindrang,  einen  hier  ziemlich  vorgeschrittenen  Minen- 
brnnnen  zerstörte,  wobei  3  Mineure  und  9  Handlanger  in  seine 
Gewalt  fielen,  und  selbst  bis  in  den  Graben  drang,  um  die 
Palisadirung  und   die   vorliegende  Verpfählung   niederzulegen. 


»j  Höpfner  S.  367. 

*)  Auf  den  fibrigen  Fronten  durfte  nur  mit  V«  der  gewöhnlichen  Ladung 
gefeuert  werden.    (Die  Preussen  in  Danzig  und  das  belagerte  Danzlg.) 

Köhler,  Gescbiclite  der  Festangen  Danz ig  und  Welcbselmände.  II.  12 


178 

Hiervon  hielt  ihn  jedoch  das  mörderische  Feuer  von  den  Wällen 
ab,  und  er  musste  sich  begnligen,  nach  mehrstündigem  Besitz 
des  Glacis  ein  Euronnement  auf  dem  Saillant  des  Ravelins  zu- 
stande gebracht  zu  haben.  Wegen  Mangel  an  Mannschaften 
hatte  man  dem  Euronnement  keine  grössere  Ausdehnung  geben 
können.  Von  einem  Besitz  des  gedeckten  Wegs  war,  da  das 
Blockhaus  im  eingehenden  Winkel  unangetastet  blieb,  keine 
Rede. 

Der  Verlust  der  Franzosen  wird  von  ihnen  selbst  auf  100 
Mann  angegeben.  Der  Ingenieurkapitain  Beaulieu  und  der  Lieu- 
tenant Bartheiemi  wurden  schwer  verwundet*). 

')  Wir  haben  über  diese  Nacht  die  Dai-steUung  eines  an  hervorragender 
SteUe  Mitwirkenden,  des  Hauptmanns  Blanc,  der  sich  darüber  im  Spect.  mil. 
V.  1841  (Uebersetzung  im  Archiv  für  Ing.  d.  Art.-Offiz.  13.  Band  S.  147) 
wie  folgt  anslässt:  ^dem  Fortgange  der  doppelten  Sappe ,  welche  gegen  den 
aasspringenden  Winkel  des  Ravelins  Hagel  geführt  ward,  stellten  sich  grosse 
Schwierigkeiten  entgegen.  Der  Feind  hatte  einen  Theil  seiner  Geschütze  in 
Thätigkeit  erhalten  und  zerstörte  durch  diese  alle  Augenblicke  die  Sappentete; 
auch  wurden  jede  Nacht  oder  eine  Nacht  um  die  andere  AusfäUe  gemacht, 
wodurch  unsere  Sappeure  ausser  Gefecht  gesetzt  oder  zur  Flucht  genöthigt, 
und  die  während  des  Tages  mühsam  gemachten  Arbeiten  zerstört  wurden. 
Es  war  auffallend,  dass  der  Feind  jetzt  noch,  nachdem  die  Tranchee 
schon  seit  28  Tagen  eröffnet  war,  Geschütze  auf  dem  Walle  erhalten  hatte. 
Indessen  erklärte  sich  dies  dadurch,  dass  die  linke  Face  des  rechten  Flügel- 
bastions (Jerusalem)  der  Angriffsfront  ihrer  Lage  nach  nicht  rikoschettirt 
werden  konnte,  weshalb  unsere  Wirkung  gegen  seine  Artillerie  auf  Demontir- 
schüsse  und  Bombenwürfe  beschränkt  werden  musste.  Bomben  aber  waren 
im  Belagerungsdepot  nur  wenige  vorhanden,  und  man  ging  mit  denselben  um 
so  sparsamer  um,  als  die  Angriffsfronten  so  hoch  über  den  Horizont  der  hinter- 
liegenden Stadt  liegen,  dass  man  weder  ihre  Wirkung  beurtheilen,  noch  ihre 
Flugbahn  gehörig  einrichten  konnte.  Demontirschüsse  dagegen  wurden  uusern 
Artilleristen  dadurch  erschwert,  dass  der  Feind,  um  sie  zu  täuschen  und  vom 
fernem  Schiessen  abzuhalten,  seine  Schiessscharten  sämmtlich  mit  gefüllten 
Batteriekörben  so  aussetzte,  als  wären  sie  schon  unbrauchbar  geworden,  in 
der  Nähe  aber,  geschützt  durch  die  Brustwehr  des  Walles,  seine  Geschütze 
aufstellte,  diese  von  Zeit  zu  Zeit  hinter  dem  Schanzkorbe  in  Bereitschaft 
stellte,  diesen  plötzUch  wegnahm,  2  oder  3  Schuss  auf  die  Sappentete  gab 
und  dann  die  Scharte  wieder  blendete. 

Diesen  Schwierigkeiten  ungeachtet  rückten  die  Trancheearbeiton  vorwärts 
und  man  war  am  7.  bis  auf  12  Meter  vom  ausspriugenden  Winkel  des 
Ravelins  gekommen,  als  der  Marschall  Lefebvre  den  Befehl  gab,  die  Glacis- 
krete  gewaltsam  zu   krönen.     Erfahrungsmässig  gehört  dieses  Manöver  zu 


17Ö    _ 

Am  8.  erreichte  der  Belagerer  mit  der  Sappe  den  Saillant 
vor  Bastion  Jerusalem. 

Der  Marschall  Lefebvre,  von  Napoleon  wiederholentlich  zur 
Beschleunigung  des  Angriffs  gedrängt,  hatte   sich  zur  gewalt- 


den  gefährlichsten  des  Belagernngskrieges,  and,  wenn  nicht  vorher  alles  Feaer 
des  Feindes  gedämpft  ist,  wovon  man  hier  noch  weit  entfernt  war,  verliert 
man  dahei  viele  Leute.  Den  Marschall  konnte  demnach  nur  folgender  wichtiger 
Beweggrund  dazu  bestimmen:  der  Feind  war  nämlich  unterirdisch  ans  eiueoi 
llinenschacht ,  welchen  er  im  gedeckten  Wege  vor  dem  gedachten  Ravelin 
abgetäuft  hatte,  mit  einer  Gegenmine  unter  unsere  Trancheearbeiten  gegangen, 
unsere  Mineure  behaupteten  sogar,  dass  er  sich  schon  mit  der  Ladung  seiner 
Mine  beschäftigte.  Der  Marschall  besorgte  daher  mit  Recht,  dass  eine  Ex- 
plosion dieser  Gegenmine  bei  unsem  Soldaten  die  Furcht  erzeugen  könnte, 
alle  Theile  des  Glacis  seien  unterminirt,  und  dass  dies  auf  ihre  Haltung  nach- 
theilig einwirken  könnte. 

Die  Ausführung  der  gewaltsamen  Krönung  kommandirte  Oberst  Lacoste, 
Adjutant  des  Kaisers.  Ich  stand  unter  ihm  mit  dem  Hauptmann  Beaulieu 
und  dem  Lieutenant  Barthelemy.  Dreihundert  auserwählte  Leute,  jeder  mit 
einem  Schanzkorb  und  einem  Spaten  versehen,  sollten  mit  einbrechender  Nacht 
aus  der  doppelten  Sappe  vorbrechen,  welche  längs  der  Kapitallinie  des  Ravelins 
Hagel  vorgetrieben  wurde,  und  die  beiden  Seitenäste  des  gedeckten  Wegs 
schnell  mit  ihren  Schanzkörben  einfassen.  Man  hatte  ihnen  nur  Spaten  ge- 
geben, weil  der  schon  ursprünglich  sandige  Boden,  aus  weichem  das  Glacis 
bestand,  erst  vor  kurzem  aufgeschüttet  war,  indem  der  Feind  dieses  Glacis 
erst  während  der  ersten  Tage  der  Einschliessung  gebildet  hatte.  Zwei  De- 
tachements,  ein  jedes  10  Mann  stark,  sollten  sich  auf  die  eingehenden  Waffen- 
plätze werfen,  um  den  Feind  aus  denselben  zu  vertreiben,  und  der  Sergeant 
vom  Genie  Choppot  mit  2  Sappeuren,  denen  Aexte  und  Sägen  mitgegeben 
wurden,  sollte  in  den  gedeckten  Weg  dringen,  sich  gegen  die  Minenschächte 
wenden  und  in  dieselben  hinabsteigen,  um  die  Mine  zu  entdecken  und  ihre 
Gallerie  zu  zerstören. 

Am  7.  Mai  bei  Einbruch  der  Nacht  brachen  die  Arbeiter  aus  der  doppelten 
Sappe  vor;  sie  hatten  jedoch  noch  nicht  obige  12  Meter  von  der  Sappen- 
tete bis  zum  gedeckten  Wege  zurückgelegt,  als  30  oder  40  von  ihnen  durch 
Kartätschschüsse  ausser  Gefecht  gesetzt  wurden,  welche  der  Feind  von  der 
Spitze  des  Ravelins  und  von  den  beiden  Bastionsfacen  der  Angriffsfront  gegen 
sie  abgab.  Der  Genie-Hauptmann  Beaulieu  war  unter  dieser  Zahl  und  erhielt 
einen  Schuss  in  das  Bein.  Aus  der  Festung  wurden  Feuertöpfe  geworfen, 
welche  hinter  uns  auf  das  Glacis  fielen  und  uns  dem  Feinde  so  deutlich 
wie  am  hellen  Tage  zeigten.  Wir  blieben  die  ganze  Nacht  hindurch  diesem 
Kartätsch-  und  ausserdem  noch  einem  lebhaften  Kleingewehrfeuer  ausgesetzt, 
und  nur  wenige  von  uns  wurden  davon  verschont.  Wir  schützten  uns,  so  gut 
wir  konnten,   selbst  durch  die  Körper  unserer  gefallenen  Kameraden.    Das 


_180 

Samen  Wegnahme  des  Hagelsberges  entschlossen.  Alle  Vor- 
bereitungen wurden  dazu  getroffen,  das  Feuer  der  Artillerie 
wurde  verdoppelt.  Am  9.  wurden  bereits  die  Debuchees  in 
den  gedeckten  Weg  hergestellt,  und  in  der  Nacht  zum  10.  wurde 
der  gewaltsame  Angriff  auf  den  gedeckten  Weg  des  Bastions 
Jerusalem  und  Ravelins  Hagel  wiederholt,  wobei  mit  grosser 
Bravur  und  Beharrlichkeit  gegen  den  eingehenden  Waffenplatz 
zwischen  beiden  vorgestürmt  wurde.  Nach  zweistündigem  ver- 
geblichen Bemühen  musste  man  die  Versuche,  das  Blockhaus  zu 
nehmen,  aufgeben  und  sich  mit  bedeutendem  Verlust  zurück- 
ziehen. Die  Fortsetzung  des  Kuronnements  musste  in  regelmässiger 
Weise  durch  die  Sappe  *)  erfolgen.  Von  Seiten  der  Besatzung 
zeichneten  sich  in  der  Nacht  zum  10.  der  Major  von  Hörn  und 
Lieutenant  von  Lindheim,  welcher  letztere  leicht  verwundet  wurde, 
sowie  der  Lieutenant  von  Hauck  aus.  Auch  zwei  Musketiere, 
Friedrich  und  Zwaszkowitz,  wurden  öffentlich  belobt.  Der  Verlust 


Blutbad  war  so  ^oss,  dass  der  Oberst  Lacoste  mir  znricf :  „Denken  wir 
daran,  um  dergleichen  nicht  mehr  zn  unternehmen'^. 

Mit  Tagesanbruch  hatte  man  sich  auf  der  geringen  Ausdehnung  gedeckt, 
welche  die  übrig  bleibenden  Arbeiter  mit  Schanzkörben  besetzen  konnten. 
Dessenungeachtet  wurde  der  Lieutenant  Barthelemy,  welcher  gross  von  Wuchs 
war  und  sich  einen  Augenblick  biosgegeben  hatte,  durch  ein  Wallgewehr 
schwer  verwundet.  Der  Sergeant  Choppot  kam  um  10  oder  11  Uhr  mit  3  ge- 
fangenen feindlichen  Mineuren  an*'. 

Die  Motivirung  des  Befehls  der  gewaltsamen  Krönung  des  bedeckten 
Wegs,  die  Blanc  in  den  Fortschritten  des  feindlichen  Mineurs  sucht,  dürfte 
wohl  nur  subjectiv  sein,  da,  wie  wir  sehen  werden,  der  Angriff  in  einer  der 
folgenden  Nächte  wiederholt  wurde,  nachdem  der  Minen brnnnen  des  Ver- 
theidigers  zerstört  war.  Ein  Vordringen  bis  zu  den  Palisaden  des  Grabens 
Yom  Ravelin  Hagel  erwähnt  Blanc  nicht.  Meine  Quelle  ist  Brese  Archiv 
11.  Bd.  S.  63. 

^)  Eirgener  stellt  diesen  zweiten  Angriff  S.  21  nur  als  eine  Re- 
kognoscirung  durch  2  Sappeurdetachements  gedeckt  durch  eine  Infanterie- 
abtheilung dar.  Höpfner  folgt  ihm  darin.  Der  bedeutende  Verlust  auf  beiden 
Seiten  spricht  dagegen;  auch  Brese  stellt  den  Angriff  als  eine  Wiederholung 
des  ersten  mit  einigen  Bataillonen  dar,  und  der  Guvemeur  gratnlirt  am  10. 
dem  General  von  Hamberger  und  der  Besatzung  des  Hagelsberges  in  einem 
besonderen  Schreiben  ,zu  dem  neuen  Ruhm,  den  dieselben  durch  den  in 
voriger  Nacht  abermals  abgeschlagenen  Angriff  der  Palisaden  erworben  haben '^. 
Siehe  auch  Skizzirte  Geschichte  S.  129. 


181 


betrug  1  Bombardier,  13  Todte  und  19  Verwundete.  Den  Ver- 
lust des  Feindes  schätzte  der  Guvenieur  auf  200  bis  300  Mann. 
6  Todtc  lagen  diesseits  der  Palisaden. 

An  eine  Benutzung  der  erreichten  Vortheile  durch  einen 
Ausfall  war  nicht  mehr  zu  denken,  da  die  Besatzung  dazu 
nicht  mehr  fähig  war. 

Dem  Angreifer  blieb  nichts  übrig,  als  zur  Mine  zu  schreiten, 
um  sich  des  Blockhauses  zu  bemächtigen,  da  es  durch  Geschütze 
nicht  zu  fassen  war.  Zu  dem  Zweck  musste  man  zunächst 
durch  die  Sappe  in  möglichster  Nähe  des  Blockhauses  einLoge- 
ment  bilden.  Auch  machte  man  den  Versuch,  eine  Haubitze 
im  Kuronnement  vor  Bastion  Jerusalem  zu  etabliren,  um  von 
hier  aus  das  Blockhaus  zu  fassen. 

Der  Marschall  sah  sich  demnach  genöthigt,  vom  Sturm 
vorläufig  abzustehen.  Auch  das  Feuer  der  Artillerie  wurde  be- 
deutend gemässigt.  Man  ging  auf  allen  3  Saillants  gleich- 
massig  mit  der  Sappe  vor.  Die  Verlängerung  des  Kuronne- 
ments  vor  der  rechten  Face  des  Ravelins  wurde  jedoch  durch 
Kanonenfeuer  verhindert  und  selbst  der  fertige  Theil  zerstört. 

Auch  am  11.  warf  der  Vertheidiger  so  viel  Bomben,  dass 
mindestens  6  Toisen  der  Sappentete  zerstört  wurden.  Etwas 
besser  schritt  die  Sappe  vor  dem  Bastion  Jerusalem  vor,  weil 
wegen  des  eigenthümlichen  Terrains  die  Bombenwürfe  nicht 
beobachtet  werden  konnten^). 

Am  12.  gelang  es  trotz  aller  Schwierigkeiten  die  beiden 
Sappen  des  Kuronnements  zu  vereinigen^).    Ein  weiteres  Vor- 


')  Am  wirksamsten  hiergegen  zeigte  sich  noch  ein  Mörser  im  Saillant  I 
unterhalb  des  Bastions  Jerusalem  nach  dem  Olivaer  Thore  hin.  Skizzirte 
Geschichte  S.  130,  131.  Die  Mörser  in  Bastion  Schütz  wurden  schlecht  be- 
dient. 

^)  Der  Oberst  Blanc  erzählt  S.  151  des  Archivs,  wie  gefährdet  die  Her- 
stellung des  Kuronnements  fortwährend  durch  den  Umstand  war,  dass  der  ge- 
deckte Weg  durch  kein  Geschoss  des  Belagerers  getroffen  werden  konnte: 
gDer  Feind  schlich  sich  mit  Körben  heran,  die  mit  Handgranaten  gefüllt 
waren,  die  er  gegen  die  Sappen tete  schleuderte.  Zuweilen  suchte  er  auch 
mittelst  des  Sappenbakens  den  Bollkorb  und  selbst  die  Sappeure  hinüberzu- 
ziehen. Eines  Tages,  als  der  Capitain  OoUet  den  Dienst  hatte,  gab  es  einen 
hartnäckigen  Kampf  zwischen  den  Belagerern  und  unsem  Sappeuren,  indem 
der  Feind  einen  davon  gefasst  hatte  und  es  viel  Mühe  kostete,  das  Hinüber- 


182 


gehen  in  den  gedeckten  Weg  wurde  aber  am  13.  durch  Klein- 
gewehrfeuer, Bomben  und  Steinwürfe  verhindert.  Man  war 
daher  zur  Ueberdeckung  eines  grossen  Theils  der  Laufgräben 
genöthigt*).  Der  Ingenieur  Kapitain  Paporet,  Adjutant  des 
Generals  Bertrand,  wurde  getödtet. 

In  der  folgenden  Nacht  gelang  es  endlich  dem  Belagerer, 
auf  dem  Saillant  des  eingehenden  Waffeuplatzes  zu  debuchiren 
und  bis  3'  an  die  Palisaden  vorzudringen. 

Auf  Seiten  des  Vertheidigers  liörte  man  am  13.  im  Block- 
hause den  feindlichen  Mineur  arbeiten.  Unverzüglich  wurden 
im  Innern  des  Blockhauses  zwei  Minenschachte  von  9'  Tiefe 
angelegt.    Tafel  HI  Figur  2. 

Am  13.  wurde  ferner  die  Artillerie  der  Schanze  Nr.  1 
(Judenschanze)  wieder  lebendig.  Der  Hauptmann  von  Studnitz 
erhielt  den  Befehl,  dagegen  zu  feuern. 

Auf  Seiten  des  Belagerers  kam  das  Logement  für  eine 
Haubitze  im  ausspringeuden  Winkel  vor  Bastion  Jerusalem  zu- 
stande. Sie  wäre  ausreichend  gewesen,  das  Blockhaus  zu  zer- 
stören. Es  gingen  daher  am.  14.  um  2  Uhr  morgens  30  Mann 
der  Blockhauswache  unter  dem  Lieutenant  von  Tiedewitz  längs 
des  gedeckten  Weges  gegen  den  Haubitzstaud  vor.  jagten  die 
Besatzung  heraus  und  vernagelten  die  Haubitze.  Der  Unter- 
offizier Hennig  vom  Bataillon  Rembow  wollte  die  Haubitze 
durchaus  aus  der  Sappe  ziehen,  blieb  aber  hierbei.  Das  De- 
tachement  hatte  überhaupt  6  Todte  und  4  Verwundete.  Vom 
Feinde  zählte  man  30  Todte  auf  dem  Platz. 


ziehn  desselben  nach  der  Festung  zu  verhindern".  Die  „Skizzirte  Geschichte* 
erwähnt  den  Vorfall  ebenfalls  (S.  132).  Er  fand  am  12.  nachmittags  statt 
Der  Rollkorb  wurde  wirklich  in  den  gedeckten  Weg  gezogen.  Der  Lieute- 
nant von  Tiedewitz  befehligte  die  Mannschaft,  welche  vom  Regiment  Diericke 
war.  Auch  dass  sich  der  Gegner«  um  sich  der  Handgranaten  zu  erwehren, 
grosser  Granaten  bediente,  die  ihm  mehr  schadeten  als  den  Vertheidigern  im 
bedeckten  Wege,  wird  von  der  akizzirteu  Geschichte  erzählt.  Schon  aus  der 
obigen  Stelle  Blanc's  geht  hervor,  dass  kein  Trancheckavalier  vorhanden  war. 
Dumas  sagt  dies  S.  171  ausdrilcklich  und  zwar,  weil  das  Terrain  die  An- 
legung desselben  nicht  erlaubt  habe.  Merkwürdigerweise  wird  er  in  den  Be- 
richten des  Vertheidigers  erwähnt,  jedoch  nur  vermuthungsweise  (Skizzirte 
Geschichte  S.  120). 
^)  Brese  S.  64. 


183 

Die  Judenschanze  wurde  am  14.  wieder  zum  Schweigen 
gebracht. 

Im  Blockhause  war  aus  dem  Minenschacht  rechts,  um  dem 
feindlichen  Mineur  von  der  Seite  beizukommen,  ein  Rameau 
rechts  der  Kapitale  des  Blockhauses  vorgetrieben  worden. 

Der  Belagerer  legte  zum  bessern  Schutz  des  Haubitz- 
etablissemeuts  ein  Crochet  am  Kuronnement  an. 

Wir  müssen  hier  die  Belagerungsarbeiten  auf  einen  Tag 
verlassen,  um  unsere  Aufmerksamkeit  dem  Entsatzversuch  zu- 
zuwenden, der  am  15.  in  Wirksamkeit  trat. 

Zuvor  sei  bemerkt,  dass  die  Stadt  Danzig  während  des 
ganzen  Verlaufs  der  Belagerung  sich  höchst  loyal  benahm. 
Schon  am  26.  April  hatte  König  Friedrich  Wilhelm  in  dies 
aus  Bartenstein  in  einem  besonderen  Kabinetsschreiben  aner- 
kannt, das  am  11.  Mai  in  Danzig  publicirt  wurde  (Duisburg 
Seite  283).    Der  Inhalt  lautete: 

„Seine  Kgl.  Maj.  pp.  haben  aus  mehreren  Berichten  des 
Gnvernements  zu  Danzig  mit  lebhaftem  Wohlgefallen  ersehen, 
wie  sehr  die  gute  und  treue  Bürgerschaft  daselbst  sich  beeifert, 
ihren  Patriotismus  auf  eine  thätigo  Weise  bei  jeder  Gelegen- 
heit zu  Tage  zu  legen.  —  Es  gereicht  dies  Allerhöchst  Ihnen 
zur  angenehmsten  Genugthuung,  um  so  mehr,  als  sich  die  gute 
Burgerschaft,  ob  sie  gleich  erst  später  mit  Allerhöchst  Ihren 
Staaten  vereinigt  worden  ist,  vor  den  Einwohnern  so  vieler 
altem  Städte  des  Staats  so  sehr  zu  ihrem  Vortheile  ausge- 
zeichnet. Bei  diesen  guten  Gesinnungen  und  bei  den  guten 
Anordnungen,  welche  das  Guvernement  zur  Vertheidigung  ge- 
troffen hat,  sind  Seine  Majestät  für  das  Schicksal  der  dortigen 
Vestung  unbesorgt,  und  indem  sie  die  gute  Bürgerschaft  zur 
Standhaftigkeit  in  den  jetzigen  bedrängten  Zeiten  ermuntern, 
versichern  Sie  derselben,  dass  Sie  ihr  die  jetzt  bewiesene  Treue 
und  Anhänglichkeit  gewiss  nicht  vergessen  werden." 

Fr.  W. 

Namentlich  erwies  sich  die  Kaufmannschaft  höchst  auf- 
opfernd. Einer  Aufforderung  des  Gnvernements  vom  9.  Mai 
zu  einer  Anleihe  von  150000  Thaleni  war  bereitwillig  entgegen- 
gekommen worden.    Am  16.  sah  sich  der  Guvemeur  von  neuem 


184 


in  die  Nothwendigkeit  versetzt,  eine  Anleihe  von  200000  Thalern 
aufzunehmen. 


Mitte  April  hatte  der  Fürst  Tscherbatow  in  Danzig  ein 
Schreiben  des  Höchstkomraandirenden,  des  General  v.  Bennigsen, 
vom  10.  erhalten,  worin  er  den  nahe  bevorstehenden  Entsatz 
von  Danzig  in  Aussicht  stellte.  Die  Freude  in  Danzig  war 
gross.  Um  dieselbe  Zeit  wurde  auf  der  frischen  Nehrung  ein 
Detachement  unter  dem  Obersten  von  Bülow,  dem  späteren 
Grafen  von  Dennewitz.  aufgestellt,  zunächst  nur  aus  1  Bataillon, 
2  Eskadrons  und  2  reitenden  3  pfundigen  Kanonen  bestehend, 
welches  die  Fühlung  mit  den  Franzosen  halten  und  die  Weg- 
nahme der  auf  der  Nehrung  Pillau  gegenüberliegenden  Schanze 
durch  dieselben  verhindern  sollte.  BiUow  setzte  sich  sofort 
schriftlich  mit  dem  Guverneur  von  Danzig  in  Verbindung,  der 
ihm  unterm  20.  April  nähere  Auskunft  über  die  Situation  der 
Franzosen  auf  der  Nehrung  mittheilte. 

Durch  den  Besitz  der  Schanze  gegenüber  Pillau,  welche 
mit  250  Mann  und  zwei  12-Pftindern  besetzt  war,  die  unter 
das  Kommando  Bülows  gestellt  wurden,  behielt  man  den  freien 
Zutritt  zur  Nehrung.  Das  frische  Haff  beherrschte  man  durch 
eine  kleine  Flotille,  die  am  13.  April  einen  Bording  am  Aus- 
gange des  Elbinger  Hafens  versenkt  hatte  und  am  24.  einen 
zweiten  hinzufügte,  so  dass  den  Franzosen  der  Zutritt  zum 
Haff  gesperrt  wurde  und  einem  auf  der  Nehrung  vorgehenden 
Entsatzheer  Lebensmittel  zugeführt  werden  konnten. 

Französischerseits  standen  die  Vorposten  des  Schramm- 
schen  Korps  auf  der  frischen  Nehrung  bei  Kahlberg,  das  Korps 
selbst,  nach  Schätzung  des  Guverneurs  3600  Mann  stark,  bei 
Heubude.  Elbing  und  der  grosse  Werder  war  von  der  Oudinot- 
schen  Grenadierdivision  mit  dem  Hauptquartier  in  Marienburg 
besetzt.  An  Oudinot  reihte  sich  das  Lannes'sche  Korps.  Ein 
auf  der  Nehrung  vorgehendes  Entsatzkorps  von  Danzig  würde 
sich  daher  in  seiner  linken  Flanke  bedroht  gefunden  haben. 

Ein  erfolgreicher  Entsatz  von  Danzig  war  unter  diesen 
Umständen  nur  durch  eine  Offensive  der  russischen  Hauptarmee 
möglich.    Napoleon  musste  auf  das  linke  Ufer   der  Weichsel 


185 


zurückgewiesen  werden;  das  war  auch  die  Ansicht  Bennigsens. 
Dazu  war  aber  das  Eintreffen  von  Verstärkungen  abzuwarten 
und  ein  geordnetes  Verpflegungssyistem  einzuführen. 

Als  sich  anfangs  Mai  für  Danzig  der  Zeitpunkt  näherte, 
wo  es  sich  aus  eigner  Hilfe  nicht  länger  erhalten  konnte,  waren 
bei  der  grossen  Armee  an  Verstärkungen  nur  die  1.  Division 
unter  dem  Grossfürsten  Konstantin  eingetroffen,  die  andern  in 
Aussicht  stehenden  Verstärkungen  kamen  nicht  mehr  in  be- 
tracht,  weil  sie  zu  spät  angekommen  wären.  Eine  Offensive 
mit  der  ganzen  Armee  war  unter  diesen  Umständen  ohne  Aus- 
sicht auf  Erfolg.  Der  Kaiser  Alexander,  welcher  sich  selbst 
bei  der  Armee  befand,  drängte  dazu,  einen  Entschluss  zu 
fassen.  Bennigsen  willigte  schliesslich  in  einen  Entsatz  zur 
See,  obgleich  er  sich  auch  davon  nichts  versprach.  Aber  ge- 
schehn  musste  etwas. 

Das  Kommando  des  Entsatzkorps,  das  sich  ende  April  in 
Königsberg  sammelte,  wurde  dem  General  Kaminskoi,  dem 
Sohne  des  Feldmarschalls,  übertragen.  Er  sollte  sich  anfangs 
Mai  in  Pillau  zur  Einschiffung  nach  Neufahrwasser  bereit 
halten.  Die  dazu  bestimmten  Truppen  hatten  die  Stärke  von 
5300  Russen,  worunter  320  Kosacken  und  1300  Preussen,  in 
Summa  von  6600  Mann.  Der  Oberst  von  Bülow,  auf  2500 
Mann  Infanterie,  280  Pferde  und  4  Geschütze  gebracht,  sollte 
auf  der  Nehrung  vorgehen. 

Ein  so  geringes  Korps  war  allenfalls  imstande,  solange 
die  Verbindung  Danzigs  mit  der  See  noch  offen  war,  der 
Festung  Lebensmittel,  Pulver  und  Verstärkungen  zuzuführen. 
An  einen  Entsatz  derselben  war  indessen  nicht  zu  denken,  und 
selbst  das  erstere  war  nur  möglich,  wenn  die  mssische  Haupt- 
armee dafür  sorgte,  dass  dem  Belagerungskorps  keine  Ver- 
stärkungen zugingen.  Wie  wollte  man  das  aber  verhüten,  ohne 
die  ganze  Armee  zu  engagiren?  Bennigsen  war  nicht  gewillt, 
sie  auf  diese  Weise  aufs  Spiel  zu  setzen,  alles,  was  er  that, 
war  nur  Schein,  um  die  Stimmen  zum  Schweigen  zu  bringen, 
die  sich  gegen  ihn  erhoben  hatten.  Als  die  russische  Armee 
sich  bei  Heilsberg  und  Btirgerswalde  zusammenzog,  fertigte 
Napoleon,  der  durch  den  Marschall  Lefebvre  von  der  Ansammlung 
von  Truppen  bei  Pillau  unterrichtet   worden   war,  bereits   die 


186 


Befehle  aus.  wonach  die  Grenadierdivision  Oudinot  vorläufig 
den  General  Albert  mit  einem  Bataillon  nach  Fürstenwerder, 
dem  Haupt  gegenüber,  abschicken  sollte,  uro  daselbst  eine 
Schiffbrücke  zu  schlagen  und  einen  Brückenkopf  anzulegen. 
Die  Dragoner-Brigade  Beauraont  sollte  die  Elbinger  Weichsel 
beobachten.  Am  12.  befahl  Napoleon,  dass  Oudinot  nach 
Danzig  aufbreche  und  der  Marschall  Victor  eben  dahin  die 
Division  Dupas  abrücken  lasse,  welche  zwischen  Danzig  und 
Kolberg  stand.  Die  Bewegungen  Bennigsens  haben  Napoleon 
nicht  veranlasst,  seine  Befehle  zurückzunehmen.  Auch  Hess 
Bennigsen  bereits  am  14.,  wo  die  letzten  Truppen  des  Expe- 
ditionskorps erst  in  Neufahrwasser  anlangten,  die  Armee  schon 
wieder  in  die  alten  Quartiere  zurückkehren.  Das  Unter- 
nehmen war  daher  bereits  an  diesem  Tage  als  verfehlt  anzu- 
sehn,  bevor  das  Korps  noch  mit  dem  Feinde  in  Berührung 
gekommen  war. 

Die  Expedition  zur  See,  zu  der  man  sich  entschlossen 
hatte,  war,  wenn  sie  auch  nicht  die  Gefahr  einer  Katastrophe 
bot,  wie  ein  Vorgehen  auf  der  Nehrung,  jedoch  alle  den  Chicanen 
ausgesetzt,  die  zur  Zeit  der  ausschliesslichen  Segelschiffe  mit 
dem  Transport  von  Truppen  verbunden  waren.  Die  Ein- 
schiffung war  bereits  am  8.  erfolgt,  aber  der  Wind  blieb  aus. 
um  die  Transportflotte  in  Bewegung  zu  setzen.  Man  ging  end- 
lich am  10.  abends  und  am  11.  trotz  ungünstigen  Windes  in 
See.  Die  guten  Segler  waren  schon  am  11.,  andere  am  12., 
noch  andere  am  13.  in  Neufahrwasser,  ein  schwedisches  Linien- 
schiff, welches  1300  Mann  aufgenommen  hatte,  langte  sogar 
erst  am  14.  an.  Der  Guverneur  erhielt  am  10.  durch  Ver- 
mittlung englischer  Kriegsschiffe,  von  denen  sich  einige  auf  der 
Rhode  befanden,  das  Telegramm  von  Neufahrwasser,  dass  die 
russische  Avantgarde  unterwegs  wäre  ^).    Er  tröstete  damit  die 


^)  Eiu  BatAÜlou  des  Archangelgorodschen  Musketierregimeuts  unter  dem 
Hauptmann  Rhebek  war  schon  am  7.  von  Pillau  abgegangen.  Die  Trans- 
portflotte für  das  Gros  bestand  aus  2  englischen  Fregatten  von  16  und  24 
Kanonen,  1  engl.  Brigg  von  16  Kanonen,  2  engl.  Kuttern  von  10  und  8  Ka- 
nonen. Gleichzeitig  laugten  auf  der  Rhede  von  Danzig  3  englische  Kriegs- 
schiffe flacher  Bauart  au  von  je  20  Kanonen  und  ein  schwed.  Kutter  von 
12  Kanonen,  so  dass  mit  dem  erwähnten  schwedischen  Linienschiff  von  74 


187 


Besatzung  und  die  Einwohner  von  Danzig  hinsichtlich  des  am 
7.  erfolgten  Verlustes  der  Holminsel.  Der  Kommandant  von 
Neufahrwasser,  Oberst  Schuler  von  Senden,  fasste  die  Sache 
schärfer  auf,  indem  er  am  9.  an  den  König  berichtete,  dass 
nach  dem  Verlust  des  Holms  die  Stärke  der  Kaminskoischen 
Truppen  unzureichend  sei.     Zu  thun  war  indessen  nichts  mehr. 

Vielleicht  hätte  man  gut  gethan,  das  Bülowsche  Detache- 
ment  noch  zur  See  nachzuschicken.  Wenn  er  noch  am  15.  in 
Neufahrwasser  eingetroffen  wäre,  hätte  er  das  Gefecht  zu 
gunsten  Kaminskoi's  entscheiden  können.  Aber  über  sein  Ein- 
greifen von  der  Nehrung  her  war  man  nicht  zur  Klarheit  ge- 
kommen, so  sehr  es  sich  auch  aufdrängen  musste,  dass  der 
Feind  die  Elbinger  Weichsel  überschreiten  könnte  und  dann 
ein  Vorgehen  Bülows  über  Stutthof  hinaus  nicht  möglich   war. 

Schon  am  13.  langte  der  Marschall  Lannes  mit  der  Division 
Oudinot  bei  Danzig  an,  da  Oudinot  sich  auf  Ersuchen  Lefebvres 
schon  vor  dem  Eintreffen  des  kaiserlichen  Befehls  in  Bewegung 
gesetzt  hatte. 

Der  General  Kaminskoi  war  auf  der  englischen  Fregatte 
Falcon  am  12.  in  Neufahrwasser  eingetroffen.  Es  wurde  tele- 
graphisch eine  Disposition  zum  Angriff  des  Feindes  auf  den  14.  mit 
dem  Guverneur  vereinbart.  Der  Angriff  sollte  auf  dem  linken  Ufer 
der  Weichsel  statthaben,  musste  aber  um  24  Stunden  hinaus- 
geschoben werden,  weil  noch  1600  Mann  (1300  auf  dem  Linien- 
schiff und  300  Preussen  auf  Transportschiffen)  fehlten.  Sie 
landeten  am  Morgen  des  14.  Da  inzwischen  die  ganze  Oudinot- 
sche  Division  bei  Danzig  angekommen  war,  erschien  dem 
Guverneur  ein  Angriff  auf  dem  linken  Weichselufer  nicht  mehr 
angängig.  Er  schlug  telegraphisch  einen  Angriff  auf  die  Nehr- 
ung und  den  Holm  vor,  den  er  mit  1000  Mann  unterstützen 
wollte.  Kaminskoi  ging,  wenn  auch  mit  Widerstreben,  darauf 
ein. 

In  der  Nacht  zum  15.  wurden  die  Truppen  von  Neufahr- 
wasser nach  Weichselmünde  übergesetzt.  Da  man  verabsäumt 
hatte,  eine  Brücke  zu  schlagen,  zu  der  das  Material  vorhanden 


Kanonen  sich  10  Kriegsschiffe  auf  der  Rhede  hefaudeu,     Per  engl.  Kapitain 
Saunde^  hatte  das  Kommando. 


188 


war,  so  gab  es  viel  Aufenthalt,  und  der  Angriff  konnte  nicht 
um  3  Uhr,  sondern  erst  um  4  Uhr  morgens  bei  hellem  Tage 
stattfinden. 

Der  Marschall  hatte  am  12.  den  General  von  Schramm 
durch  das  Regiment  von  Paris,  2  Bataillone  der  Nordlegion 
und  einer  Eskadron  des  19.  Chasseur- Regiments  verstärkt 
und  die  Division  Oudiuot  am  folgenden  Tage  über  die  Berge 
nach  Schellmühl  dirigirt.  Der  General  Schramm  hatte  die 
Lisiere  des  Münder  Waldes,  die  400  bis  500  Schritt  von 
Weichselmünde  ablag*),  besetzt,  verschanzt  und  verhauen  und 
stand  durch  die  Schanzen  10,  11  mit  dem  Holm  in  Verbindung. 
Zur  Beobachtung  der  Fähre  am  Ganskruge  stand  der  General 
Gardanne  bei  Heubude. 

Durch  ein  wunderbares  Verhängniss  sahen  sich  die  Re- 
präsentanten zweier  so  fern  auseinander  liegenden  Nationen 
nach  73  Jahren  wiederum  ziemlich  genau  in  derselben  Situation 
aber  mit  gewechselten  Rollen  einander  gegenüber  gestellt.  Wie 
im  Jahre  1734  die  Franzosen,  waren  jetzt  die  Russen  der  nach 
Weichselmttnde  verschlagene  Theil,  ebenso  von  vornherein  un- 
fähig, ihre  Aufgabe  zu  erfüllen,  und  dennoch  bereit,  in  der 
hoffnungslosesten  Lage  der  militairischen  Ehre  jedes  Opfer  zu 
bringen.  Auf  demselben  Terrain  wie  damals  sollte  am  15.  die 
Entscheidung  erfolgen.  Die  Russen  waren  insofern  besser 
daran,  als  sie  eine  befreundete  Flotte  zu  ihrer  Aufnahme 
hatten,  wenn  der  Kampf  unglücklich  ausschlug,  während  die 
Franzosen  damals  auch  auf  der  Seeseite  eingeschlossen  waren 
und  eine  Kapitulation  eingehen  mussten. 

Das  eigentliche  Angriffsobjekt  musste  für  den  Graf  Ka- 
rainskoi  der  Holm  sein,  weil  nur  durch  dessen  Besitz  die  Ver- 
bindung mit  Dauzig  hergestellt  werden  konnte.  Um  jedoch 
dahin  zu  gelangen,  mussten  die  Franzosen  zunächst  aus  dem 
Münder  Walde  geworfen  werden.  Der  General  theilte  daher 
sein  Korps  in  3  Angriffskolonnen  und  eine  Reserve.    Die  erste 


*)  Da  der  Wald  zur  Festhaltung  des  Dünensandes  sehr  uothwendig  war, 
hatte  man  seine  Abholzung  bis  auf  die  Entfernung  you  800  Schritt  von  der 
Festung  noch  immer  hinausgeschoben. 


189 


Kolonne  unter  dem  General  Arseniew  *)  sollte  am  Strande  vor- 
dringen, den  Wald  in  der  rechten  Flanke  angreifen,  den  B^eind 
aufrollen  und  auf  Heubude  vordringen.  Eine  zweite  Kolonne 
unter  dem  General  Laptiew-)  sollte  den  Wald  in  der  Front 
angreifen,  die  an  der  Waldspitze  liegende  Redute  im  Rücken 
nehmen  und  Verbindung  mit  der  1.  Kolonne  halten. 

Eine  dritte  Kolonne  unter  dem  General  Leontiew  *)  erhielt 
den  Hauptangriff  auf  dem  Holm  und  sollte  links  Verbindung 
mit  der  2.  Kolonne  halten.  Um  die  Bootmanslake  überschreiten 
zu  können,  folgten  ihr  auf  der  Weichsel  einige  mit  langen 
Brettern  beladene  Prahmen.  Hauptsächlich  zu  ihrer  Unter- 
stützung war  die  Reserve  unter  dem  preussischen  General 
von  Rembow*)  bestimmt,  sollte  zunächst  aber  bei  Weichsel- 
münde zurückbleiben. 

Als  Generalstabsofficier  war  dem  General  Kaminskoi  der 
preussische  Major  von  Rauch  beigegeben.  Ausserdem  hatte 
jede  Kolonne  und  die  Reserve  einen  der  Gegend  kundigen 
preussischen  Officier  als  Führer  zugetheilt  erhalten.  Die  Gar- 
nison von  Weichselmünde  und  Neufahrwasser  sollte  mit  einigen 
100  Mann  einen  Ausfall  auf  dem  neuen  Wege  längs  des  linken 
Weichselufers  machen  und  sich  der  Kupüre  bemächtigen^). 

Der  Holm  sollte  gleichzeitig  von  Danzig  aus  angegriffen 
werden.    Zur  Begünstigung  des  Angriffs   sollten  die  3  flach- 


')  Die  1.  Kolonne  bestand  ans  dem  Novaginskischen  Musketier-Regiment, 
2  BataiUonen  des  Tobolskiachen  Mnsketier-Kegiments ,  ans  1  Eskadron  pr. 
Königin  Dragoner,  200  Kosacken  nnd  4  Kanonen. 

')  Die  2.  Kolonne  hatte  an  ihrer  Tete  den  Lieutenant  Schenk  mit  60 
Schützen  der  Garnison  Weichselmünde  und  bestand  aus  1  Bataillon  russischer 
Schützen  kommandirt  vom  Major  Graf  Balmen,  aus  dem  21.  Jäger-Regiment 
und  einem  Bataillon  vom  Polotzkischen  Musketier-Regunent. 

Das  preussische  Füselierbataillon  Schachtmeier  sollte  die  Flanken  beider 
Kolonnen  decken  und  die  Verbindung  zwischen  ihnen  halten. 

")  Die  3.  Kolonne  bestand  aus  dem  Mobile wschen  Musketier-Regiment, 
aus  2  Bataillonen  des  Polotzkischen  Musketier-Regiments,  120  Kosacken  und 
4  Kanonen. 

*)  Die  Reserve  bestand  aus  dem  Archangelgorodschen  Musketier-Regi- 
ment, 1  Bataillon  von  Besser  und  6  Kanonen. 

V.  Plotho  Tagebuch.  .  Berlin  1811  S.  263.  Die  Beilage  N.  14  giebt  einen 
Auszug  des  officiellen  russischen  Berichts  über  das  Gefecht  bei  Weichselmünde. 

^  Vergl.  oben  S.  161. 


190 

gehenden  englischen  Kriegsschiffe  mitwirken  und  namentlich  den 
Uehergang  des  Feindes  über  die  Weichsel  hindern. 

Französischerseits  standen  auf  dem  rechten  Flügel  am 
Strande  das  2.  leichte  Infanterie -Regiment,  im  Centrum  drei 
sächsische  Bataillone,  auf  dem  linken  Flügel  zwischen  dem  Walde 
und  der  Laake  polnische  Infanterie  *) ,  bei  Heubude  das  Regi- 
ment von  Paris.  Die  polnische  Reiterei  und  4  Kompagnien 
der  Nordlegion  hielten  die  Verbindung  zwischen  Heubude  und 
dem  General  Schramm*).  Der  Marschall  Lefebvre  hielt  hinter 
den  Laufgräben  eine  Reserve  bereit,  um  sich  nach  Lage  der 
Dinge  aufs  Angriffsfeld  zu  begeben. 

Die  1.  und  2.  Kolonne  rückten  gleichzeitig  gegen  die 
Lisiere  des  Waldes  vor  und  wurden  mit  einem  lebhaft  unter- 
haltenen Feuer  empfangen,  was  bei  dem  schwierigen  durch 
Löcher  und  sumpfige  Stellen  kupirten  Terrain  bedeutende  Ver- 
luste herbeiführte. 

Nachdem  die  durch  künstliche  Mittel  verstärkte  Lisiere 
nach  hartnäckigem  Gefecht  genommen  war,  drang  die  1.  Ko- 
lonne bis  zum  Wege  nach  Heubude  vor  ^)  und  die  2.,  gefolgt  von 
der  3.,  welche  sich  wegen  des  heftigen  feindlichen  Feuers  vom 
linken  Weichselufer  etwas  von  der  Weichsel  entfernt  hatte,  der 
Disposition  gemäss,  gegen  die  Kehle  der  Redute  11  (b  bei  Höpf- 
ner).  Da  die  3.  Kolonne  lebhaft  in  das  Gefecht  der  2.  ver- 
wickelt worden  war,  wurden  2  Kompagnien  Besser  aus  der 
Reserve  gegen  die  Batterie  am  Schutendamme  No.  10  vorgesendet. 


0  Höpfuer  483. 

*)  Nach  Nibuatnias  S.  123  hätten  4  Kompagnien  des  12.  leichten  Xu- 
fanterie-Reglnients  hinter  dem  Centnim  eine  Reserve  gebildet  nnd  eine  Kom- 
pagnie desselben  Regiments  hätte  mit  einer  Eskadron  des  19.  Jäger-Regimen t<< 
zn  Pferde  am  Strande  gestanden.  Offenbar  liegt  hier  eine  Verwechselung 
mit  dem  2.  leichten  Infanterie-Regiment  vor.  Das  12.  stand  nach  dem  Tage- 
buch von  Grolman  auf  dem  linken  Ufer  der  Weichsel  bei  Schellmühl.  Auf 
der  andern  Seite  scheint  es  ein  Irrthum  von  Höpfuer,  das  ganze  2.  leichte 
Infanterie-Regiment  am  Strande  aufzustellen.  Bei  der  Division  Schramm 
(Gardanne)  stand  nur  ein  Bataillon  dieses  Regiments. 

')  Es  kann  damit  nur  der  sogenannte  Wiukelweg  gemeint  sein,  der  von 
Henbude  an  den  Strand  führt.  Nach  dem  Bulletin  des  Guverneurs  vom  19. 
(S.  228)  ging  das  Kleingewehrfeuer  in  dem  Walde  bei  Heubude  bis  an  den 
Rand  der  Weichselseite  vor. 


_  J91 

Inzwischen  war  vom  linken  Ufer  der  Weichsel  das  12. 
leichte  französische  Infanterie-Regiment  und  200  Sachsen  tiber- 
geschifft *)  worden  und  warfen  die  2.  Kolonne  ^)  (zuvor  wohl  auch 
die  beiden  Kompagnien  Besser)  mit  bedeutendem  Verlust  zurück. 
Durch  das  Grenadier-Bataillon  des  Archangelgorodschen  Regi- 
ments aus  der  Reserve  aufgenommen  und  von  den  beiden 
anderen  Kompagnien  des  Bataillons  Besser  unterstützt,  wurde 
der  Feind  seinerseits  geworfen  und  lebhaft  verfolgt.  Die  Ver- 
schanzung am  Ausgange  des  Waldes  fiel  hierbei  den  Russen 
in  die  Hände  und  wurde  bis  auf  1  Offizier  9  Mann  nieder- 
gemacht und  8  Kanonen  erobert.  Das  Gefecht  kam  indessen 
zum  stehen*).  Vergebens  wartete  man  auf  ein  Lebenszeichen 
der  Danziger  Garnison,  während  fortdauernde  Verstärkungen 
des  Feindes  (Division  Oudinot)  anlangten,  an  deren  Spitze  sich 
der  Marschall  Lannes  in  Person  gesetzt  hatte.  Dem  General 
Oudinot  wurde  ein  Pferd  unterm  Leibe  erschossen  *). 

Da  die  Munition  ausging*)  und  die  Engländer  wegen 
widrigen  Windes  nicht  erschienen,  trat  der  General  Kaminskoi 
den  Rückzug  nach  6 stündigem  Gefecht  nach  Weichselmünde 
an,  der  in  der  grössten  Ordnung  ausgeführt  wurde.  Das  preus- 
sische  Bataillon  Schachtmeier  wurde  vorausgeschickt,  um  die 
Garnison  von  Neufahrwasser,  für  das  man  fürchtete,  zu  ver- 
stärken.   Die  übrigen  Truppen  zogen  sich  allmählich  unter  die 


*)  Höpfner  lässt  das  Regiment  über  die  Brücke  gehen,  die  jedoch  erst 
am  16.  fertig  wurde.    Tagebuch  des  Hauptmanns  von  Grolman  und  Nibnatnias. 

')  Von  der  3.  Kolonne  ist  in  dem  officiellen  Bericht  nicht  weiter  die 
Rede. 

*)  Nach  Nibnatnias  trafen  um  diese  Zeit  2  Kompagnien  der  Pariser 
Garde  von  Heubude  ein. 

*)  Die  französischen  Berichte  schreiben  dem  Eingreifen  dieser  Truppen 
den  Rückzug  Kaminskoi's  zu.  Nach  Grolman  S.  99  führten  diese  Generale 
nur  ein  Bataillon  heran. 

^)  Nach  Höpfner  S.  485  hatten  sich  die  Russen  gänzlich  verschossen. 
Er  führt  diesen  wichtigen  Umstand  erst  später  ganz  beiläufig  an  und  schreibt 
die  Veranlassung  zum  Rückzuge  der  Niederlage  des  linken  Flügels  zu.  Plotho 
erwähnt  nichts  davon.  Da  das  Bataillon  Schachtmeier  zuerst  zurückgeschickt 
wurde  und  diesem  Flügel  angehörte,  erscheint  eine  Niederlage  des  linken 
Flügels  wenig  begründet.  Nach  dem  Bulletin  des  Guvemeurs  vom  19.  wäre 
das  Feuer  sowohl  von  Kanonen  als  Kleingewehr  schon  um  6  Uhr  morgens 
schwächer  geworden  und  Iiätte  um  ^all  Uhr  ganz  aufgehört. 


192 


Kanonen  von  Weichselmfinde  und  in  der  Nacht  nach  Nenfahr- 
wasser  zurQck.  Das  Bataillon  Besser  blieb  zur  Verstärkung 
der  Garnison  von  Weichselmtinde  zurück.  Der  Verlust  der 
Russen  betrug  14  Offiziere  422  Mann  todt,  41  Offiziere  895 
Mann  verwundet,  der  der  Preussen  2  Offiziere  42  Mann  todt, 
4  Offiziere  116  Mann  verwundet,  zusammen 

61  Offiziere  1469  Mann, 
der  vierte  Theil  des  ganzen  Korps.  Die  Franzosen  gaben 
225  Mann  Verlust  an  und  schätzten  den  der  Aliirten  auf  2000. 
Das  Gefecht  konnte  nur  gelingen,  wenn  die  anfänglich 
gegenüberstehenden  Truppen  zurückgeworfen  wurden ,  bevor 
neue  Kräfte  anlangten.  Man  hielt  sich  aber  zu  lange  mit 
Schiessen  auf.  Freilich  ohne  Unterstützung  von  Danzig  her 
wäre  man  auch  so  zu  keinem  Resultat  gelangt.  Der  Gnverneur 
hatte  am  Ganskrug  die  gesammte  Reiterei,  2  Bataillone  Russen, 
das  Grenadier-Bataillon  Schraeling  und  die  reitende  Batterie 
Holtzendorf  versammelt  und  hatte  die  Absicht,  die  Weichsel 
zu  passiren,  sobald  die  feindlichen  Vorposten  dem  Ganskrug 
gegenüber  zurückgezogen,  d.  h.  also  durch  Kaminskoi  vertrieben 
sein  würden.  Da  der  üebergang  auf  einer  Fähre  stattfinden 
musste,  wäre  er  dann  wohl  zu  spät  gekommen.  Der  Gnverneur 
musste  den  Angriff  auf  Heubude,  durch  dessen  Wegnahme  er 
sich  erst  die  Verbindung  mit  Kaminskoi  eröffnete,  gleichzeitig 
mit  dem  Angriff  des  letzteren  auf  den  Wald  ausführen.  Frei- 
lich ohne  Brückenkopf  war  eine  solche  Operation  schwierig 
und  hier  liegt  der  eigentliche  Haken.  Warum  war  aber  ein 
Brückenkopf,  dessen  Nothwendigkeit  sich  schon  am  20.  März 
aufgedrängt  haben  musste,  nicht  vorhanden?  Merkwürdig  ist 
der  Bericht  des  Guverneurs,  er  habe  nur  eine  Attacke  des 
Generals  Kaminskoi  im  Walde  bemerkt,  welche  verunglückte 
und  verunglücken  musste,  und  ohne  die  mögliche  Hoffnung 
eines  Entsatzes  hätte  er  wegen  Schwäche  der  Besatzung  keinen 
Ausfall  unternehmen  können  '). 


»)  Höpfner  S.  487.  In  der  „Belagerung  von  Danzig  i.  J.  1807»  ist  das 
Schreiben  des  Guverneurs  an  den  König  vom  25.  Mai  ohne  den  mit  gesperrten 
Lettern  gedruckten  Satz  mitgetheilt.  Nach  der  skizzirten  Geschichte  hatte 
der  Gnverneur  denselben  Grund,  wegen  Schwäche  der  Besatzung  die  Wieder- 


_iöä 

Der  Oberst  von  Bülow  hatte  nichts  beitragen  können, 
dem  Gefechte  Kaininskois  eine  bessere  Wendung  zu  geben.  Er 
war  am  9.  auf  Polski  vorgegangen,  musste  hier  aber  bis  zum 
12.  warten,  bis  das  Detaehement  versammelt  war.  An  diesem 
Tage  traf  erst  das  Füselierbataillon  Bülow  ein.  Bis  zum  14. 
verpflegt,  rückte  er  am  13.  mit  dem  Gros  bis  Kahlberg  vor, 
das  der  Feind  geräumt  hatte,  die  Kavallerieposten  bis  V«  Meile 
diesseits  Bodenwinkel  vorgeschoben.  So  blieb  er  am  14.  stehen, 
um  Lebensmittel  zu  empfangen,  die  den  Nachmittag  aus  Pillau 
eintrafen  und  Furage  auf  einen  Tag,  Brot  auf  drei  Tage 
brachten.  Vom  Feinde  hörte  man,  dass  er  bei  Schönbaum  an 
einer  Brücke  baue  und  daselbst  von  bedeutender  Stärke  stehe. 
Seine  Vortruppen  standen  bei  Steegen.  Bis  dahin  raai-schirte 
Bülow  am  15.  und  konnte  während  des  Marsches  deutlich  den 
Angriff  des  Generals  Kaminskoi  verfolgen,  aber  auch,  dass  das 
Gefecht  um  Mittag  zurückging.  Er  schickte  daher  mittags 
das  Grenadier-Bataillon  Braun  mit  der  Artillerie  nach  Boden- 
winkel zurück  und  echellonirte  die  Infanterie  zwischen  Steegen 
und  Stutthof.  Die  Vorposten  der  Kavallerie  unter  dem  Ritt- 
meister von  Möllendorf  standen  vor  Pasewark,  mit  Patruillen 
über  Nikclswalde  auf  Danzig  sowie  auf  Schönbaum.  Von 
ihnen  ging  die  Meldung  ein,  dass  die  Brücke  gegen  Abend 
fertig  war.  Noch  war  es  möglich,  dass  der  General  Kaminskoi 
den  andern  Tag  den  Angi'iff  eraeuerte.  Ohne  einen  Erfolg 
dort  war  ein  weiteres  Vorgehen  ßülows  nicht  möglich.  Da 
dieser  unterblieb,  war  nichts  mehr  zu  thun. 


Die  Belagerungsarbeiten  waren  inzwischen  keinen  Augenblick 
unterbrochen  worden.  Wir  haben  S.  182  gesehen,  dass  im  Innern 
des  Blockhauses  unweit  der  Spitze  zwei  Minenschachte  angelegt 
worden  waren.  Aus  dem  Schacht  rechts  wurde  ein  Rameau, 
rechts  der  Kapitale  des  Blockhauses,  vorgetrieben  ^).    Nach  dem 


eroberuDg  des  Holms  nicht  unteniehmen  zu  können,  wenn  ein  Entsatz  nicht 
anf  das  bestimmteste  einträte,  schon  damals  angegeben. 

^)  Das  nachfolgende  inbezug  auf  die  Ingenienrarbeiten   vorherrschend 
nach  Brese. 

Kdbler,  Geschichte  der  Festungen  Danzig  und  Welchselmttnde.    II.  IS 


194 


ungleichen  Schalle  des  Klopfens  glaubte  man  am  15.  ^)  auf  zwei 
feindliche  Qallerien  schliessen  zu  können  und  setzte  den  an- 
gefangenen Gang,  der  Richtung  des  stärkeren  Schalles  folgend, 
bis  auf  20'  Länge  in  stark  fallender  Neigung  fort*).  Vor  Ort 
war  nun  das  Näherkommen  des  feindlichen  Mineurs  deutlich  zu 
vernehmen.  Es  wurde  daher  ein  Kamouflet  von  90  Pfund 
Pulver  eingesetzt'),  noch  einige  Stunden  gelauert  und  am  16. 
nachmittags  um  3  Uhr,  als  man  die  jenseitige  Arbeit  auf  einige 
Fuss  nahe  glaubte,  Feuer  gegeben.  Der  Dampf  stieg  aus  dem 
Kuronnement  auf,  woraus  sich  schliessen  liess,  dass  die  feind- 
liche Gallerie  zwar  getroffen  und  geöffnet  worden,  zum  theil 
aber  auch  stehen  geblieben  war.  Nach  kurzer  Zeit  hörte  man 
in  der  2.  Angiiffsgallerie  arbeiten,  dann  trat  Stille  ein;  man 
konnte  annehmen,  dass  der  feindliche  Mineur  seine  Ladung  ein- 
brachte. 

Während  man  in  dem  zweiten  Miuenschacht  des  Blockhauses 
eben  beschäftigt  war,  eine  Gallerie  aufzuhauen,  um  dem  zweiten 
Angriffs-Rameau  entgegenzugehen,  sprang  die  feindliche  Mine*) 
am  Abend  desselben  Tages  um  8V2  Uhr.  Sie  war  mit  400 
Pfund  geladen.  Die  Schlittung  ihres  Trichters  erreichte  bei- 
nahe das  Blockhaus.  Der  Waffenplatz  mit  seiner  Palisadirung 
war  bis  zur  halben  Facenlänge  ganz  zerstört,  das  Blockhaus 
selbst  in  der  Spitze  stark  erschüttert,  so  dass  die  Wandbe- 
kleidung desselben  klaffte,  die  Ständerung  und  die  Decke  ver- 
schoben waren.  An  dem  Schacht  im  Innern  des  Blockhauses 
und  an  der  soeben  begonnenen  Kontregallerie  zeigte  sich  keine 
wesentliche  Beschädigung,  und  die  Arbeit  konnte  hier  ohne 
Verzug  fortgesetzt  werden,  um  damit  in  die  Nähe  des  feind- 
lichen Minentrichters  zu  gelangen.  Aus  dem  Blockhause  und 
dem  anliegenden  Palisadentambur  feuerte  man  lebhaft  in  den 
vorliegenden  zerstörten  Waffenplatz,  da  man  einen  Angriff  ver- 
muthete,  zugleich  aber  auch  die  Krönung  des  nahen  Trichters 
zu  verhindern  beabsiclitigte. 


*)  Nach  Kirgener  wurde  der  französische  Mineur  am  15.  nberhanpt  erst 
angesetzt,  was  nach  der  skizzirt^n  Geschichte  S.  135  wahrscheinlicli  erscheint. 
«)  Fig.  2.    Taf.  m. 
•)  Fig.  2  a.    Taf.  IH. 
*)  Fig.  2  b.    Taf.  in. 


_195 

Im  Innern  des  Blockhauses  wurden  «och  in  der  Nacht,  da 
die  Spitze  bereits  geöffnet  war,  quer  durch  dasselbe  zwei  Pali- 
sadenabschnitte m  und  n  angelegt,  um  den  unversehrt  geblie- 
benen Theil  noch  ferner  schrittweise  vertheidigen  und  die  Kontre- 
minirung  sicherstellen  zu  können. 

Ein  heftiges  Kartätsch-  und  Borabenfeuer,  welches  der  Ver- 
theidiger  während  der  ganzen  Nacht,  verstärkt  noch  durch  Klein- 
gewehrfeuer, unterhielt,  konnte  nicht  verhindern,  dass  der  Be- 
lagerer den  Trichter  kuronnirte  ^)  und  den  Mineur  auf  der  Ka- 
pitale des  Blockhauses  ansetzte,  indem  er  den  Theil  des  Ku- 
ronnements  vor  dem  eingehenden  Waffenplatz  und  in  der  Mitte 
vor  der  linken  Face  des  Bastions  Jerusalem  mit  der  doppelten 
bedeckten  Sappe  ausführte.  Am  letztern  Punkt  durchschnitt 
er  die  Glaciskrete  und  die  Palisadirung  und  schritt  in  der  Länge 
einer  Ruthe  im  gedeckten  Wege  vor.  Er  schob  dabei  statt 
des  Rollkorbes  die  durch  Ausgrabung  gewonnene  Erde  im  hohen 
Hänfen  gegen  den  Grabenrand  hin. 

Durch  das  fortwährende  Geschützfeuer  des  Belagerers  waren 


^)  Blanc  giebt  hiervon  folgende  Schilderung:  „Ich  übernahm  an  diesem 
Tage  (16.  abends)  den  Dienst  und  fand  bei  meiner  Ankunft  in  der  2.  Parallele 
den  Hauptmann  Lebrun,  welcher  die  Miuenarbeit  geleitet  hatte,  vor,  um  die 
Wirkung  der  MinenzHndnng,  die  soeben  statt^^efunden ,  abzuwarten.  Die 
Explosion  erfolgte  und  bei  dem  Anblick  mehrerer  Uolzstücke,  welche  iu  die 
Lnft  geschlendert  wurden,  zweifelte  Lebrun  nicht  an  der  Auf  Sprengung  des 
Blockhauses  und  ging  ab,  um  die  Nachricht  davon  in  das  Hauptquartier  zu 
bringen. 

Ich  warf  mich  sogleich  mit  den  Officieren  meiner  Brigade  und  den  im 
Dienst  befindlichen  Sappeuren  in  den  Minentrichter,  jedoch  waren  wir  er- 
staunt, als  wir  die  Erde  von  der  Seite  des  Blockhauses  abschälten,  dieses 
vöUig  unversehrt  zu  finden.  Wir  wurden  noch  mehr  überrascht,  als  wir 
aus  den  Scharten  des  nun  frei  gewordenen  Blockhauses  und  aus  den  Spalten, 
welche  zwischen  den  durch  die  Minenwirkung  aus  ihrer  Lage  gebrachten 
Wandhölzern  klafften,  Gewehrschüsse  erhielten.  Einige  Sappeure  wurden 
verwundet,  der  Qeniecapitain  Migneron  wurde  getödtet,  und  wir  mussten  für 
den  Augenblick  den  Minentrichter  räumen.  Eine  Stunde  später  kamen  wir 
jedoch  mit  Bohlen  zurück,  welche  die  Sappeure  so  trugen,  dass  sie  den 
Körper  dadurch  deckten  und  dann  gegen  die  Schiessscharten  und  Spalten  des 
Blockhauses  lehnten.  Mit  Anbruch  des  Tages  war  der  Minentrichter  gekrönt, 
jedoch  von  dem  gegenüberliegenden  Bastion  eingesehen  und  wir  mussten  uns 
desshalb  tiefer  graben.    Archiv  13.  Bd.  S.  150. 

13* 


_  196  _ 

die  Brustwehren  der  Angriffsfront  völlig  durchwtthlt  und  die 
ehemalige  Gestalt  der  äussern  Böschung  vernichtet,  so  dass 
man  auf  seiten  des  Vertheidigers  anfing  wegen  der  Er- 
steigbarkeit des  Hagelsberges  besorgt  zu  werden.  Der  In- 
genieur vom  Platz  benutzte  die  finstere,  nebliche  Nacht,  um  sich 
von  der  Praktikabilität  der  äussern  Böschung  zu  überzeugen, 
fand  aber,  dass  gerade  die  ausserordentliche  Verwüstung  der 
Plackage  und  namentlich  die  auf  der  Mitte  der  Böschung  ent- 
standenen vielen  Bombentrichter,  die  Ersteigung  der  70'  hohen 
Bastione  Schütz  und  Jerusalem  sehr  beschwerlich  und  unterm 
Feuer  fast  unmöglich  machten^). 

Da  die  ungemeine  Höhe  des  Bastions  Jerusalem  gegen  den 
vorliegenden  gedeckten  Weg,  sowie  die  nachtheilige  Stellung  der 
senkrecht  auf  die  Kurtine  stehenden  Flanke  des  Bastions  Schütz 
die  Arbeiten  des  Belagerers  nicht  gehörig  mit  Geschützen  be- 
schiessen  Hess,  auch  das  Bombenfeuer  keine  hinreichende  Wir- 
kung gestattete,  so  genehmigte  der  Guverneur  die  vom  Platzinge- 
nieur eingereichte  Disposition  zu  einem  Ausfall,  obgleich  bei 
der  allgemein  eingetretenen  Abspannung  die  Abneigung  gegen 
dergleichen  Unternehmungen  bereits  sehr  entschieden  hervor- 
trat. Am  17.  um  5  Uhr  nachmittags  begann  ein  durch  6  Mörser 
aus  den  Bastionen  Jerusalem  und  Schütz,  dem  Ravelin  Hagel 
und  dem  Saillant  1  unterhalb  des  Hagelsbergcs  verstärktes 
Bombardement  gegen  das  Kuronuement,  um  den  Ausfall  vor- 
zubereiten. Von  5V«  Uhr  an  unterhielten  100  Jäger,  welche 
längs  der  ganzen  Front  des  Hagelsberges  vertheilt  waren,  ein 
wohlgezieltes  Feuer  gegen  die  feindlichen  Arbeiten.  Von  6  Uhr 
ab  richtete  sich  das  Bombardement  gegen  die  3.  Parallele,  um 
deren  Besatzung  zu  vertreiben.  Um  10  Uhr  abends  erfolgte 
der  Ausfall.  Drei  Abtheilungen  Infanterie,  jede  aus  1  Officier, 
20  Mann  und  30  Arbeitern  mit  Handgranaten  versehen,  gingen 
gleichzeitig  vor.  Die  erste  unter  dem  Lieutenant  von  Lehwald 
vom  Regiment  Diericke  brach  aus  dem  Wafi'enplatz  rechts  des 
Bastions  Jerusalem  gegen  den  wieder  hergestellten  Haubitzstand 
vor,  vernagelte  das  Geschütz  und  demolirte  die  Brustwehr  mit 
der  Scharte.    Die  zweite  unter  dem  Lieutenant  von  Tiedewitz 


')  Höpfner  S.  491.  492. 


197 


zog  sich  aus  dem  Palisadentambur  hinter  dem  angegriflfenen 
Blockhause  rechts  heraus,  vertrieb  die  feindlichen  Sappeure  aus 
dem  bedeckten  Wege  vor  Bastion  Jerusalem  und  zerstörte  das 
dortige  Debuchement.  Die  dritte  Abtheilung  unter  dem  Lieu- 
tenant von  Losch  ging  links  des  Blockhauses  gegen  den  ku- 
ronnirten  Minentrichter  vor,  nahm  ihn,  verfehlte  aber  ihren 
Zweck,  da  der  sie  führende  Officier  in  der  Finsterniss  in  den 
feindlichen  Minenbrunnen  stürzte  und  das  Genick  brach,  die 
Truppen  aber  über  das  Bestreben,  den  Officier  zu  retten,  die 
Zeit  verloren  und  bald  zurückgeworfen  wurden.  Man  zählte  in 
Summa  8  Todte  und  14  Verwundete.  Der  Hauptmann  von 
Kamecke,  der  den  Ausfall  vom  Walle  aus  überwachte,  wurde 
erschossen . 

Lizwischen  war  die  Minenarbeit  im  Blockhause  seit  dem  26. 
abends  fleissig  fortgesetzt,  und  es  war  aus  dem  Schachte  links 
mit  einem  engen,  nur  mit  Bohlenstücken  ausgekleideten  Rameau 
etwa  20  Fuss  weit  vorgegangen  worden.  Man  wendete  sich 
aus  diesem  ßameau  mit  einem  6 '  langen  Gange  rechts,  so  dass 
man  sich  gerade  unter  den  Kuronnement  des  feindlichen  Trichters 
befand^),  lud  mit  100  Pfund  und  zündete  abends  11  Uhr,  etwa 
eine  Stunde  nach  dem  Ausfalle.  Das  Kuronnement  und  der 
feindliche  Minengang  wurden  grösstentheils  zerstört.  Am  Morgen 
sah  man  indessen  den  Feind  an  einem  neuen  Logement  inner- 
halb des  WaiTenplatzes  arbeiten,  auch  hatten  die  Sappeure  am 
18.  des  Morgens  dem  Blockhause  sich  so  weit  genähert,  dass  sie 
mittelst  Haken  die  lockere  Wandbekleidung  in  der  Spitze  los- 
rissen und  die  schon  vorhandene  Oeffnung  erweiterten.  Das 
Buchsenfeuer  von  6  hinter  dem  innern  Palisadenabschnitt  des 
Blockhauses  aufgestellten  Jägern  vertrieb  jedoch  die  Sappeure 
und  nöthigte  sie,  die  Arbeit  einzustellen  und  die  Sappenspitze 
zu  blenden.  Da  man  den  feindlichen  Mineur  wiederum  arbeiten 
hörte,  so  wurden  im  Blockhause  mehr  rückwärts  hinter  dem 
zweiten  Palisadenabschnitte  zwei  neue  Schachte  abgeteuft,  um 
von  hier  aus  den  Minenkrieg  nach  Bedürfniss  fortsetzen  zu 
können. 

Auch  in  dem  Blockhause  links  des  Ravelins  Hagel  teufte 


»)  Fig.  2  c.    Taf.  IH. 


198 


man  einen  Brunnen  ab.  Auf  der  Kurtine  wurde  eine  Scharte 
für  einen  3-Pfünder  eingeschnitten,  um  die  Spitze  der  bedeckten 
Sappe  gegen  den  eingehenden  Waffenplatz  direkt  beschiesscn 
zu  können. 

Der  Belagerer  war  bemüht,  mit  der  bedeckten  Sappe  vor 
der  linken  B'ace  des  Bastions  Jerusalem  wieder  in  den  gedeckten 
Weg  zu  dringen,  was,  da  der  Zweig  desselben  ohne  Traversen 
und  daher  dem  Feuer  des  Blockhauses  ausgesetzt  war,  seine 
grossen  Schwierigkeiten  hatte. 

Der  Guverneur  sagt  in  einem  Bericht  an  den  König  *),  dass 
die  Infanterie  sichtbar  schmilzt,  theils  durch  den  täglichen  Ver- 
lust, theils  durch  Desertion  zum  Feinde.  In  den  8  Tagen  vom 
11.  bis  18.  seien  77  Todte  und  149  Verwundete,  wovon  immer 
die  Hälfte  als  todt  angesehen  werden  kann,  9  Vermisste  und 
63  Deserteurs,  worunter  die  Ordonanz  des  Kommandanten, 
die  mit  Wohlthaten  überhäuft  worden  ist,  zu  registriren 
gewesen.  Von  den  24  Mann  Wache  in  der  barmherzigen 
Brüderschanze  komplottirten  in  der  Nacht  zum  20.  16  Mann 
von  den  Bataillonen  Oswald  und  Bülow.  lauter  Polen,  die  zum 
Feinde  übergehen  wollten,  sie  waren  schon  im  Kahne  auf  dem 
Wasser,  hatten  aber  Gegenwind,  so  dass  ein  treuer  Schütze  und 
ein  Unterofficier  Zeit  gewannen,  einen  niederzuschiesscn  und  die 
andern  zu  arretiren.  Mit  mehr  Glück  desertirten  die  Nacht 
zuvor  1  Unterofficier  und  17  Mann  vom  Regiment  Hamberger. 

In  der  Nacht  vom  18.  zum  19.  gelang  es  dem  Feinde,  um 
Mitternacht  Brennmaterialien,  gegen  die  Spitze  des  Blockhauses 
zu  werfen  und  dasselbe  in  Brand  zu  stecken*).  Wasser  zum 
Löschen  war  nicht  zur  Hand,  und  die  Flammen  griffen  bei  der 
Lebendigkeit  des  Luftzuges  im  Innern  rasch  um  sich.  Nachdem 
man  aus  dem  brennenden  Blockhause  vergeblich  auf  die  schüren- 
den Sappeurs  gefeuert  hatte,  ging  ein  Theil  der  Wachtmann- 
schaft  von  ihrem  Officier  ^)  geführt  hinaus,   vertrieb   die  Sap- 

»)  Die  Belag,  v.  Danzig  1807  S.  232. 

*)  Hierbei  wurde  der  Lieutenant  Tholoz^,  Sohn  des  am  20.  März  am 
Danziger  Haupt  gebliebeneu  franzöjjischen  Oberst  Tholoz6,  erschossen. 

')  Wahrscheinlich  war  es  der  Lieutenant  v.  Rieben  von  den  Jägeru, 
welchen  der  Guverneur  in  dem  Bericht  vom  20.  belobt.  Siehe  auch  Skizzirte 
Geschichte  S.  157.  » 


199 


peure  und  versuchte  durch  Aufwerfen  von  Erde  die  Flammen 
zu  dämpfeu,  was  aber  bei  der  Nähe  des  Feindes  nicht  gelingen 
konnte,  zumal  der  Brand  die  Wände  und  das  Bombengebälk 
in  dem  vordem  Theil  des  Blockhauses  schon  durchweg  erfasst 
hatte.  Um  2  Uhr  musste  dasselbe  verlassen  werden  und  gegen 
Tagesanbruch  stürzte  es  ganz  zusammen.  Noch  während  des 
Brandes  errichtete  man  dicht  hinter  dem  Blockhause  einen 
starken  Palisadenabschnitt,  der  durch  einen  Erdaufwurf  gegen 
das  brennende  Blockhaus  abgeschlossen  wurde  ^).  Dadurch 
wurde  der  Tambur  des  Waffenplatzes  wieder  geschlossen,  letz- 
terer noch  ferner  behauptet  und  die  niedere  Flankirung  des 
bedeckten  Wegs  erhalten. 

Der  Belagerer  liess  in  der  Nacht  eine  Rekognoscirung  in 
den  Graben  ausführen,  um  die  Hindernisse  in  demselben,  die 
sich  einem  Sturm  entgegensetzen  könnten,  zu  untersuchen.  Es 
gelang  dem  Sappeur -Korporal  Gaucia,  mit  3  Sappeuren  und 
6  Mann  Infanterie  in  den  Graben  des  Bavelins  zu  dringen; 
die  Palisaden  erwiesen  sich  jedoch  zu  stark,  um  umgehauen  zu 
werden.  Ein  Versuch,  sie  durch  Pechfaschiuen  zu  verbrennen, 
hatte  auch  keinen  Erfolg,  da  sie  nur  theilweise  verkohlten. 
Auch  ein  späterer  Versuch,  sie  durch  Pulverfässer,  die  man  da- 
gegen rollte  und  anzündete,  umzuwerfen,  führte  zu  nichts,  sie 
wurden  nur  aus  ihrer  Lage  gebracht,  da  sie  ohne  Schwellen 
eingesetzt  waren*). 

Das  Logement  im  bedeckten  Wege  vor  Bastion  Jerusalem 
ei-weiterte  der  Feind  und  begann  am  19.  mit  einem  bedeckten 
Gange  die  Kontreskarpe  herabzusteigen,  nachdem  er  sich  durch 
Einschneiden  in  den  oberen  Rand  derselben  eine  etwas  flachere 
Descente  gebildet  hatte.  Die  Arbeit  rückte  unter  dein  Gewehr- 
feuer vom  Tambur  und  von  3  Flankengeschtttzen  des  Bastious 
Schätz  nur  sehr  langsam  vor,  und  die  feindlichen  Sappeure 
blieben  mehr  mit  Herstellung  der  Schäden  beschäftigt,  als  dass 
sie  vorwärts  kamen.  Die  steile  27 '  hohe  Kontreskarpe  nöthigte 
auch  hier  den  Feind,  sich  der  Mine  zu  bedienen  und  dadurch 
Zeit  zu  verlieren. 


»)  Fig.  2  op.  Taf.  III. 
*)  Blanc.    Archiv  S.  153, 


200 


An  diesem  Tage  (19.)  endigte  der  letzte  Versuch  des  Ge- 
nerals Kaminskoi,  etwas  zur  Erleichterung  der  Besatzung  bei- 
zutragen, auf  eine  höchst  missliche  Weise.  Er  hatte  am  16. 
wegen  völliger  Erschöpfung  der  Truppen  geruht  und  am  17. 
mit  Tagesanbruch  eine  erfolglose  Rekognoscirung  auf  Saspe 
gemacht.  Ueberall  war  er  auf  einen  überlegenen  Feind  ge- 
stossen,  der  nur  durch  mehrere  hundert  Schritte  lange  Deflleen 
zu  erreichen  war.  Dabei  wurde  er  unaufhörlich  telegraphisch 
vom  Guverneur  bestürmt,  einen  Angriff  auf  den  Holm  zu 
machen.  Um  etwas  zu  thun,  wurde  das  am  flachsten  gehende 
englische  Kriegsschiff,  der  „Dauntless"  von  zweiundzwanzig 
24  pfundigen  Karonaden  mit  200  Centner  Pulver  beladen  und 
bereit  gehalten,  um  bei  günstigem  Winde  die  Weichsel  auf- 
wärts zu  gehn,  die  Brücke  bei  Legan.  welche  am  16.  beendet 
worden  war,  zu  durchbrechen  und  die  Festung  mit  Munition 
zu  versorgen.  Am  19.  Hess  der  General  Kaminskoi  einen 
Kriegsrath  zusammentreten,  dem  alle  Generale  und  Stabsofficiere 
seines  Korps,  der  Kommandant  von  Neufahrwasser  und  der 
englische  Kapitain  beiwohnten.  Der  Kriegsrath  entschied  sich 
dahin,  dass  der  Holm  von  der  Wasserseitc  nicht  zu  nehmen 
sei.  Der  Graf  Kaikreuth,  dem  dies  Resultat  mitgetheilt  wurde, 
erwiderte,  dass  er  ohne  eine  Verstärkung  von  2000  Mann  und 
möglichst  viel  Pulver  „die  bisherige  brillante  Vertheidigung 
von  Danzig"  aufgeben  müsse. 

Die  Fortschritte  des  Belagerers,  die  in  dieser  Zeit  in 
Neufahrwasser  bekannt  wurden,  veranlassten  den  General 
Kaminskoi,  noch  an  demselben  Tage  einen  zweiten  Kriegsrath 
zu  berufen,  in  welchem  er  darauf  antrug,  dass  bei  dem  in- 
zwischen eingetretenen  günstigen  Winde  der  Dauntless  unver- 
züglich in  die  Stadt  zu  kommen  suchen  müsse,  um  wenigstens 
Pulver  hineinzubringen.  Der  das  Schiff  kommandirende  Kapitain 
Chattam  stellte  vor,  dass  bei  der  Wendung,  welche  die  Weichsel 
am  Holm  mache,  der  günstige  Wind  verloren  gehn  würde;  aber 
der  Graf  Kaminskoi  ging  auf  keine  Entgegnung  ein  und  liess  in 
der  Hitze  das  Wort  Poltronnerie  fallen,  das  allen  weiteren  Ver- 
handlungen ein  Ende  setzte.  Das  Schiff  ging  um  4  Uhr  nach- 
mittags unter  Segel,  nachdem  es  noch  mit  100  Ctrn.  englisches 
Pulver  (ausser  den  eingenommenen  200)  und  500  Scheffel  Hafer 


201 


beladen  worden  war.  Als  Besatzung  diente  1  Offizier  nnd 
40  Jäger  des  Krockowschen  Freikorps.  Ein  Adjutant  des 
Fürsten  Tscherbatow  und  der  preussische  Hauptmann  Braun, 
der  vom  Könige  zurückgekommen  war,  schiiften  sich  mit  ein. 
Als  das  Schiff  der  Weichselbiegung  folgend  den  günstigen  Wind 
immer  mehr  verlor  und  es  der  feindlichen  Artillerie  gelang, 
das  Tauwerk  auf  der  rechten  Seite  abzuschiessen ,  wodurch 
sich  alle  Segel  plötzlich  links  wendeten,  gerieth  das  Schiff  un- 
weit des  rechten  Ufers  auf  den  Grund  und  konnte  nicht  wieder 
flott  gemacht  werden.  Nach  kurzem  tapfern  Widerstände  er- 
gab es  sich  der  herbeieilenden  französischen  Infanterie^).  Die 
Franzosen  schafften  sofort  das  Pulver  ans  Land ,  damit  das 
Schiff  nicht  von  Weichselmünde  aus  in  die  Luft  gesprengt 
wurde.  Der  Rumpf  wurde  in  den  Strom  versenkt  und  das 
schmale  Fahrwasser  damit  gefüllt. 

Damit  war  die  letzte  Hoffnung  eines  Entsatzes  verloren. 
Da  der  Guverneur  einen  Sturm  befürchtete,  so  ersuchte  er 
für  diesen  Fall ,  der  durch  Fanale  angezeigt  werden-  würde, 
von  Neufahrwasser  über  Saspe  vorzugehen,  um  eine  Diversion 
zu  machen.  Der  Fall  trat  jedoch  nicht  mehr  ein,  und  Ka- 
minskoi  musste  sich  begnügen,  einen  ruhigen  Zuschauer  ab- 
zugeben. 

Schon  früher  war  der  Oberst  von  Bülow  ausser  Thätigkeit 
gesetzt  worden.  Die  Brücke  bei  Schönbaum  war  nicht  sobald 
geschlagen,  als  die  französische  Dragoner-Brigade  Beaumont 
und  das  Grenadierbataillon  des  Generals  Albert  sofort  über 
die  Weichsel  gingen  und  den  Oberst  Bülow,  der,   wie  wir  ge- 


*)  Der  Hauptmann  Braun  wurde  mit  gefangen,  und  da  der  Marschall 
Lefebvre  dem  Grafen  Kalkrenth  einige  Privatbriefe,  die  sich  auf  dem  Schiffe 
gefunden  hatten,  zuschickte,  glaubte  dieser  bestimmt,  dass  auch  königliche 
Depeschen  in  den  Besitz  der  Franzosen  gelangt  wären,  die  dem  Feinde  die 
ganze  ungünstige  Lage  der  Festung  verratheu  könnten.  Er  beschuldigte  den 
Hauptmann  Braun,  diese  vermeintlichen  Depeschen  nicht  vernichtet  zu  haben. 
Wie  sich  jedoch  später  herausgestellt  hat,  war  der  Hauptmann  Braun  keines- 
wegs Träger  von  Depeschen,  hatte  auch  von  dem  Postbeatel  mit  Privatbriefen 
keine  Kenntniss  gehabt.  Die  Beschuldigung,  die  noch  Höpfner  dem  Hauptmann 
Braun  macht,  ist  also  ohne  Grund.  Friccius,  der  sie  ebenfalls  anführt,  hätte 
m  vermeiden  können  (Siehe  Miüt.  Wochenblatt.    Beiheft  1853  S.  24). 


202 


sehen  haben,  mit  seiner  Infanterie  zwischen  Steegen  und  Stutt- 
hof  echelonnirt  war,  anfielen.  Bülow  wurde  mit  grossem  Ver- 
lust zurückgeworfen  und  bis  Polski  verfolgt.  Nur  3  Tage 
hatte  Napoleon  unterm  14.  dem  General  Beaumont  zur  Ab- 
fertigung Bülows  gegeben,  dann  sollte  er  wieder  zurück  sein. 
Bülow  setzte  noch  in  der  Nacht  zum  17.  den  Rückzug  fort. 
Der  General  Albert  ging  zur  Besetzung  der  Brücke,  Beaumont 
nach  Marienburg  zurück. 

Der  Verlust  Bülows  wird  französischerseits  auf  1100  Mann 
und  4  Geschütze  angegeben.  Preussische  Angaben  sind  da- 
rüber nicht  vorhanden,  doch  können  nur  3  Geschütze  verloren 
gegangen  sein. 

Kehren  wir  nach  Danzig  zurück,  so  waren  am  20.  gegen 
Mittag  die  Belagerungsarbeiten  mit  dem  förmlichen  Graben- 
tibergang  bis  gegen  den  Fuss  der  Eskarpe  vorgerückt,  und  der 
Feind  begann  hier  die  Palisadenlinic  zu  durchbrechen  0-    Um 


*]  Kirgener  S.  30.  Höpfner  verlegt  die  Durchbrechnug  der  Palisaden 
irrtbümlich  auf  den  21.  Der  Oberst  Blanc  erzählt  diese  Episode  wie  folgt: 
, ludessen  schickte  der  Kaiser,  dein  die  Belagerung  sich  zu  lauge  hinzog,  wieder- 
holt seine  Adjutauteu  zum  Marschall  Lefebvre  und  schrieb  ihm  alle  Tage, 
es  wäre  Zeit  Danzig  mit  Sturm  zu  nehmen.  Der  MarschaU  würdigte  mich 
eines  Tages  der  Ehre,  mich  ui  der  Tranchee  über  meine  Meinung  zu  fragen. 
Ich  antwortete  ihm,  dass  man  sich  zum  Sturm  erst  dann  entschliessen  könne, 
wenn  zuvor  die  Palisaden  weggeräumt  sein  würden.  Der  Marschall  theilte 
diese  Meinung  und  drückte  sich  sehr  stark  gegen  diejenigen  aus,  welche  nach 
seiner  Meinung  dem  Kaiser  schrieben,  dass  die  Birne  zum  abschütteln  reif 
sei.  Zwei  Tage  später  am  20.  Mai  morgens  löste  ich  bei  der  Graben- 
descente  den  diese  Sappeurbrigade  kommandireuden  Ingenieurofficier  ab,  der 
mir  sagte,  dass  er  versucht  habe,  die  Palisaden  abhauen  zu  lassen,  dass 
die  Sappeure  es  aber  nicht  zu  wege  gebracht  hätten,  und  zeigte  mir  zwei, 
die  dabei  getödtet  worden  wären.  Dabei  ist  zu  bemerken,  dass  nicht  bloss 
die  spitze  Verpfählung  den  Zugang  zu  den  Palisaden  erschwerte,  sondern 
dass  auch  der  Feind  sie  durch  Geschütze  deckte,  welche  auf  der  rechten  Seite 
des  linken  Flügelbastions  (Schütz)  aufgestellt  wareu,  sowie  durch  Infanterie 
die  Ruinen  des  Blockhauses  (den  Tambur)  besetzt  hielt  und  die  Palisaden 
unmittelbar  vor  der  Mündung  der  Gewehre  im  Rücken  beschoss. 

Ich  wusste  nicht,  was  ich  machen  sollte,  als  um  8  Uhr  morgens  General 
Bertrand,  Adjutant  des  Kaisers,  in  der  Descente  erschien  und  mir  sagte,  er 
habe  den  Kaiser  sehr  niiss vergnügt  verlassen,  weil  noch  immer  kein  Sturm 
erfolge,  und  er  hoffe,  ich  werde  Mittel  finden,  die  Palisaden  als  das  einzige 
Hindemissmittel  gegen  denselben  zu  beseitigen.    Nach  einigem  Nachdenken 


203 


4  Uhr  nachmittags  wurde  deshalb  ein  Ausfall  unternommen  und 
zwar  gleichzeitig  von  zwei  Abtheilungen.  Die  eine  100  Mann 
stark  unter  dem  Lieutenant  von  Massow,  wovon  50  Mann 
Arbeiter  unter  dem  Fähnrich  von  Schack  ging  durch  den  Pali- 
sadentambur hinter  dem  zerstörten  Blockhause  gerade  gegen 
die  Descente,  die  zweite,  80  Mann  stark  unter  dem  Lieutenant 


antwortete  ich  ihm,  dass  ich  ein  Mittel  versuchen  wolle,  es  sei  aber  so 
zweifelhaft,  dass  ich  es  ihm  jetzt  nicht  sagen  wolle,  weil  er  es  für  unaus- 
führbar halten  dürfte.  Wenn  es  gelänge,  würde  ich  ihm  davon  sogleich 
Meldung  machen. 

Ich  kehrte  in  das  Kuronnement  des  gedeckten  Wegs  zurück,  nahm  mir 
8  Sappeure  mit  einem  Sergeanten,  die  einige  Spaten  und  Hacken  mitnehmen 
mussten,  und  ss^gte  ihnen:  wir  wollen  in  den  Graben  niedersteigen,  die  feind- 
lichen Kanoniere  können  uns  nicht  sehen,  der  Pnlverdampf  nimmt  ihnen  bei 
ihrem  uuaulliörlichen  Schiessen  die  Aussicht.  Die  Leute  im  Tambur  am 
Blockhause  sind  eingeschlafen;  und  die  Schildwache  hat  sich  gewiss  in  eine 
Ecke  gedrückt,  um  den  Gewehrkugeln  nicht  ausgesetzt  zu  sein.  Bei  diesen 
Worten  sagte  ein  Soldat  vom  12.  Infanterie-Regiment,  Franz  Vall6,  der  mich  hörte, 
zu  mir:  Glauben  Sie  Capitain,  dass  es  nur  unter  den  Sappeuren  brave  Leute  giebt  ? 
Wohlan  denn,  sagte  ich  ihm,  nimm  3  oder  4  gute  Leute  von  eurem  Regiment 
mit  und  seid  mit  dabei.  Seine  Wahl  war  bald  getroffen,  und  diese  13  Manu 
stiegen  mit  mir,  einer  nach  dem  andern,  in  den  Graben,  indem  sie  sich  schon 
in  der  Descente  der  Länge  nach  auf  die  Erde  legten  und  sich  so  herabgleiten 
Hessen,  um  nicht  gesehen  zu  werden.  Als  wir  an  die  auf  der  Grabeusohle 
eingesetzten  Pfählchen  kamen,  riss  ich  einen  davon  aus,  der  ohne  Schwierigkeit 
folgte,  und  so  wurde  der  Weg  bis  zu  den  Palisaden  bald  frei.  Ich  liess  nun 
meine  Mannschaft  sich  rechts  und  links  von  mir  an  die  Palisaden  drücken,  machte 
es  ihnen  begreiflich,  dass  die  GeschUtzkugeln ,  deren  Geräusch  wir  hörten, 
uns  nicht  treffen  könnten,  weil  die  Verlängerung  der  äussern  Palisadenlinie 
ausserhalb  der  Flankeuscharten  fiel,  und  wies  sie  au,  eiueu  Graben  längs  den 
Palisaden  auszuheben  und  demnächst  die  Palisaden  eine  nach  der  andern  mit 
der  Hacke  zu  fassen  und  in  den  Graben  zu  stürzen,  wobei  sie  aber  auf- 
gefangen werden  müssten,  um  kein  Geräusch  zu  machen. 

Die  Leute  machten  sich  mit  Eifer  an  die  Arbeit  und  kamen  über  mein 
Erwarten  glücklich  damit  zustande.  Dieser  Versuch  wäre  aber  nicht  geglückt, 
weun  die  Palisaden  unter  sich  oben  durch  eine  Latte  verbunden  gewesen 
wären.  Um  ein  Uhr  mittags  waren  die  Palisaden  der  zu  erstürmenden 
Bastionsface  auf  eine  solche  Länge  niedergelegt,  dass  2  Sturmkolonnen  in 
der  Front  durchgehen  konnten,  und  erst  jetzt  bemerkte  uns  eine  Schildwache 
am  Blockhause  und  rief  die  Wache  ins  Gewehr.  Es  ward  ein  Ausfall  ge- 
macht, während  unsre  Arbeiter  die  Kontrescarpe  wieder  zu  en'eichen  suchten, 
wobei  zwei  verwundet  wurden.  Ich  schrieb  sogleich  an  den  General  Bertrand, 
dass  der  $turm  erfolgen  könne''.    Archiv  13.  ^d.  S.  152  f{. 


204 


von  Roggenbiike,  aus  dem  Waflfenplatz  rechts  des  Bastioiis 
Jerusalem,  beide  Abtheilungen  mit  Handgrauat€n  *)  versehen,  vor. 
Der  Feind  wurde  aus  dem  ganzen  Kuronnement  des  Glacis  bis 
zur  3.  Parallele  zurückgeworfen,  hiernächst  die  Descente  und 
das  Logement,  zu  deren  Schutz  im  gedeckten  Wege  sowie  der 
Haubitzstand  demolirt,  die  Haubitze,  welclie  niemals  zum  Schuss 
gekommen  ist,  vernagelt  und  rückwärts  von  der  Bettung  ge- 
worfen und  eine  grosse  Anzahl  von  Schanzkörben,  Faschinen 
und  Arbeitsutensilien  erbeutet  und  zurückgebracht.  Die  Zwecke 
des  Ausfalls  waren  vollkommen  erreicht.  Der  Verlust  auf 
Seiten  des  Belagerten  belief  sich  auf  70  Todte  und  Verwun- 
dete. Der  Lieutenant  Roggenbuke  und  der  Fähnrich  Schack 
blieben.  Französischerseits  wurden  der  Oberst.  Lafosse  vom 
44.  Linieuregimeut  und  der  Bataillonschef  Oudet,  welche 
die  Reserven  herbeiführten,  schwer  verwundet,  der  Hauptmann 
Porcher  und  der  Lieutenant  Brule  von  den  Sappeuren  wurden 
getödtet. 

In  der  Nacht  begann  der  Feind  seine  Arbeiten  an  dem 
Epaulement  des  Grabenüberganges  von  neuem,  wobei  er  sich, 
um  schneller  vorwärts  zu  kommen,  fast  nur  der  Faschinen 
bediente.  Es  gelang  ihm,  die  Descente  zu  beendigen  und  den 
Grabenübergang  bis  dicht  an  die  Palisaden  am  Fuss  des  Bastions 
Jerusalem  zu  fähren. 

Am  21.  nachmittags  3  ühr  schlichen  einige  Jäger  der  Be- 
satzung längs  der  Palisadirung  bis  an  die  neue  Descente  und 
steckten   sie  in  Brand.    Das  Feuer  wurde  zwar  gedämpft,  aber 


^)  Die  Handgranaten  waren  dem  Belagerer  sehr  unbequem,  da  er  ihnen 
nichts  entgegenzusetzen  hatte.  „Ich  versnchte",  erzählt  der  Oberst  Blanc, 
^den  Handgranaten  mit  grt^ssern  Hanbitzgranaten  zu  antworten;  es  fand  sich 
jedoch  nur  ein  Sappeur,  der  dazn  stark  nnd  geschickt  genug  war  und  doch 
brachte  er  die  angezündete  Granate  nicht  einmal  ganz  über  die  Brustwehr 
imserer  Sappe,  so  dass  sie  beim  Zerplatzen  uns  ebenso  gefährlich  wurde  als 
dem  Feinde".  Der  Vertheidiger  wusste  die  Vortheile,  die  er  von  den  Hand- 
granaten hatte,  wohl  zu  schätzen.  „Der  ünterofficier  Stöhr  vom  Regiment 
Dierecke",  sagt  der  Parolebefehl  vom  14.  Mai,  „hat  das  Vorurtheil,  welches 
die  Handgranate  gänzlich  aus  der  Mode  gebracht,  durchbrochen  und  sie  mit 
grossem  Nutzen  wieder  eingeführt**.  Durch  Parolebefehl  vom  21.  Mai  werden 
5  Musketiere,  welche  Handgranaten  geworfen  hatten,  —  es  handelt  sich  um 
den  Ausfall  vom  20.  —  belobt. 


205 


nochmals  angezündet,  wobei  der  ganze  Faschinenbau  vollständig 
niederbrannte.  Der  Belagerer  unterhielt  während  dieser  Zeit 
ein  heftiges  Bombardement  gegen  die  Werke,  wobei  es  sich 
ereignete,  dass  drei  öOpfündige  und  zwei  25pfQndige  Bomben 
in  den  engen  Raum  der  niederen  Flanke  von  Bastion  Schütz 
fielen,  wo  sich  ausser  der  Bedienung  der  Geschütze  noch  der 
Ingenieur  vom  Platz  und  ein  Artillerieoffizier  befanden.  Sämmt- 
liche  Anwesenden  warfen  sich  auf  die  Erde  und  blieben  un- 
beschädigt, obgleich  4  Bomben  krepirten,  die  5.  jedoch  nur 
den  Zünder  ausstiess. 

Da  der  Angriff  nunmehr  so  weit  gediehen  war,  dass  man 
jeden  Augenblick  einen  allgemeinen  Sturm  auf  die  Werke  des 
Hagelsberges  erwarten  konnte,  so  wurde  noch  in  der  Nacht 
dicht  hinter  der  Eskarpenpalisadirung  der  Eurtine  und  der 
beiden  Flanken  eine  dreifache  Linie  von  spanischen  Reitern 
dergestalt  in  einander  gesetzt,  dass  ein  Vordringen  des  Feindes 
in  die  unbestrichenen  Räume  der  äusseren  Eurtinenwinkel  und 
ein  Ersteigen  des  Walles  an  diesen  Stellen  nicht  leicht  zu  be- 
sorgen stand. 

Da  man  bemerkt  hatte,  dass  der  Belagerer  zwei  Gallerien 
aus  dem  Kuronnement  vorgetrieben  hatte,  die  eine  unterm 
Ravelin  Hagel  fort  bis  nahe  zur  Appareille  in  der  Kehle  des 
Werks,  die  andre  unter  dem  Tambur  links  jenes  Ravelins  hin- 
weg bis  zur  Kehle  des  dortigen  eingehenden  Waffenplatzes,  so 
wurden  vom  Vertheidiger  Quetschminen  vorbereitet,  die-  für  den 
Fall  des  Sturms  gezündet  werden  sollten,  damit  der  Feind  nicht 
vermöge  der  Gallerien  sich  von  der  Kehle  aus  in  den  Besitz 
des  Ravelins  und  des  Waffenplatzes  setzte. 

Der  Feind  schritt  gleichzeitig  zur  Wiederherstellung  der 
Schulterwehr  seines  Grabenüberganges,  die  er  diesmal  zur  Ver- 
meidung eines  abermaligen  Brandes  aus  Sandsäcken  aufsetzte, 
und  erreichte  mit  dieser  Arbeit  am  22.  Mai  abends  wiederum 
den  Fuss  der  Eskarpe,  wo  er  die  Oeffnung  in  der  Palisaden- 
linie noch  zu  erweitern  im  Begriff  stand,  als  gegen  3  Uhr 
moi^ens  von  seiten  des  Marschalls  Lefebvre  der  Befehl  einging, 
die  Arbeit  einzustellen. 

Im  Laufe  des  21.  war  der  Marschall  Mortier  mit  der  Divi- 
sion Dupas  eingetroffen,  und  der  Marschall  Lefebvre  hatte  alles 


206 


zum  Sturm  vorbereitet  *),  der  unfehlbar  eingetreten  wäre,  wenn 
die  wegen  der  Kapitulation  eingeleiteten  Verhandlungen  zu 
keinem  Resultat  geführt  hätten. 

Der  Ueberbringer  der  Privatbriefe,  welche  auf  dem  Daunt- 


*)  Blanc  fährt  iu  der  Schilderung  der  letzten  Stadien  der  Belagerang 
wie  folgt  fort,  wobei  sein  Qedächtniss  ihn  jedoch  um  einen  Tag  trügt, 
indem  die  folgenden  Ereignisse  auf  den  21.  fallen :  „Die  Zeit  znm  Stnrm  ward 
auf  den  Abend  bei  einbrechender  Nacht  festgestellt,  und  um  5  Uhr  abends 
erhielt  ich  meine  Instruktion  als  Befehlshaber  der  Ingenieure  bei  diesem 
Sturm.  Die  Truppen  waren  in  den  Laufgräben  versammelt,  ich  lud  die 
Officiere  der  Voltigeure,  welche  die  Spitze  der  Sturmcolonue  bilden  sollten, 
ein,  mit  mir  zur  Grabendescente  zu  kommen,  um  ihnen  den  Weg  zu  zeigen, 
den  sie  nehmen  mu<sten,  nm  den  steilen  und  hohen  Abhang  der  linken 
Bastionsface  zn  ersteigen  und  um  gleichzeitig  die  Wirkung  der  runden  Lang> 
hölzer  (Stnrmbalken)  zu  vermeiden,  welche  längs  der  obem  Brustwehr  lagen 
und  durch  Taue  dort  gehalten  wurden,  die  nur  durchzuhauen  waren,  nm  die 
Angriffskolonnen  durch  ihren  Niedersturz  zu  zerschmettern.  Dieselbe  Er- 
klärung gab  ich  auch  den  Unterofficieren,  als  der  Soldat  Vall6,  der  sich  beim 
Heransnehmen  der  Palisaden  so  gut  benommen  hatte,  mir  sagte:  Oapitain! 
ich  bemerke,  dass  diese  Sturmbalken  die  Kameraden  beunruhigen,  gebt  mir  ein 
Beil,  und  ich  lasse  sie  in  den  Graben  hinabrollen!  Er  bekam  das  Beil,  wobei  ich 
ihm  empfahl,  nicht  früher,  als  ich  es  ihm  sagen  würde,  abzugeben,  indem  ich 
besorgte,  der  Feind  könne  durch  sein  frühes  Abgehn  eher  alsesnöthig  wäre, 
von  nnserm  Vorhaben  unterrichtet  werden.  Kaum  aber  hatte  ich  meine  Stelle 
verlassen,  als  Vall6  sich  in  den  Graben  stttrzte.  Alle  Augen  waren  auf  ihn 
gerichtet.  Wir  sahen  ihn  längs  der  Brustwehr  des  Bastions  hin  laufen  und 
die  Taue  mit  dem  Beile  entzweihauen,  worauf  die  Balken  mit  Krachen  in  den 
Graben  niederrollten.  Vall6  kam  gleichzeitig  an,  und  ich  reichte  ihm  die 
Hand,  um  ihn  in  die  Grabendescente  zu  ziehen,  als  er  eine  ans  dem  ein- 
gehenden Waffenplatzo  abgeschossene  Gewehrkugel  in  den  Unterleib  erhielt. 

Einige  Augenblicke  später  hOrte  man  ein  starkes  Gewehrfeuer  auf  unserm 
linken  Flügel.  Es  Hess  sich  vermuthen,  dass  dies  ein  falscher  Angriff  der 
Polen  gegen  die  niedere  Weichselfront  sein  werde,  und  ich  sagte  dem  General 
Pttthod,  der  den  Sturm  auf  das  Bastion  ausführen  sollte,  dass  ohne  Zweifel 
dieses  Gewehrfeuer  die  Besatzung  unter  die  Waffen  rufen  werde,  weshalb  ich 
glaubte,  dass  man  noch  vor  Einbruch  der  Nacht  zum  Sturm  schreiten  müsse. 
Der  General  theilte  diese  Meinung  und  war  im  Begriff,  den  Befehl  znm 
Sturm  zu  geben,  als  er  nochmals  seine  Instruction  durchlas  und  darin  die 
Nachschrift  fand,  den  Sturm  nicht  eher  zn  unternehmen,  als  bis  der  Marschall 
ihm  den  Befehl  dazu  durch  einen  A^'utanten  übersenden  werde. '^  (Archiv 
13.  Band  S.  154.)  Die  Tollkühnheit  des  Valle  war  auch  von  den  Vertheidigem 
bemerkt  worden  und  wird  ohne  den  Namen  zn  nennen  im  „belagerten  Danzig'' 
S.  31  berichtet. 


207 


less  gefunden  worden,  Oberst  Lacoste,  Adjutant  des  Kaisers, 
wurde  vom  Grafen  Kaikreuth  zu  Tische  zurückbehalten  (21.). 
Er  äusserte  beim  Abschiede,  dass  er  zwar  nicht  den  geringsten 
weitern  Auftrag  erhalten  habe,  dass  er  sich  aber  glücklich 
schätzen  würde,  das  Werkzeug  zum  guten  zu  sein. 

Da  nur  noch  325  Centner  Pulver  vorhanden  waren  und 
die  nicht  ganz  verschossen  werden  durften,  ohne  zu  unter- 
handeln, so  erwiderte  der  Guverneur  in  scherzendem  Ton,  der 
Oberst  möge  am  nächsten  Mittwoch  (28.)  wieder  bei  ihm 
speisen,  so  sollte  weiter  davon  die  Rede  sein.  So  lange  reichte 
aber  noch  das  Pulver,  und  war  dann  kein  Entsatz  eingetroffen, 
so  hätte  sich  die  Garnison  auf  Diskretion  ergeben  müssen.  Die 
Infanterie  der  Garnison  war  durch  11  Wochen  lange  Anstren- 
gungen auf  */»  ihrer  frühern  Stärke  gekommen  und  ausser- 
ordentlich erschöpft,  auch  fingen  die  Lebensmittel  an  auszu- 
gehen. 

Der  Marschall  Lefebvre  schickte  noch  denselben  Abend  9 
Uhr  den  Oberst  Lacoste  mit  seinem  Chef  des  Qeneralstabs 
Drouet  nach  Danzig  zurück,  um  den  Guverneur  zu  bewegen, 
sich  bestimmt  zu  erklären,  ob  er  beabsichtigte,  wenn  bis  zum 
27.  kein  Entsatz  käme,  die  Festung  zu  übergeben.  Der  Guver- 
neur antwortete,  dass  das  allerdings  seine  Absicht  sei,  aber 
nur  auf  die  Bedingungen  der  Kapitulation  von  Mainz,  welche 
die  Garnison  von  Danzig  wegen  ihrer  brillanten  Vertheidigung 
verdiene  und  ebenso  gut  verlangen  könne,  als  sie  ehemals  dem 
Marschall  Bouflers  vom  Prinzen  Eugen  bewilligt  wurden. 

Um  Mitternacht  kam  der  Oberst  Lacoste  noch  einmal  zu- 
rück und  theilte  dem  Guverneur  mit,  dass  der  Marschall  auf 
eigne  Hand  keine  solche  Kapitulation  eingehen  könne,  sich  aber 
Instnictionen  erbitten  werde.  Vorläufig  wolle  er  das  Schiessen 
einstellen  lassen  und  überliesse  es  dem  Guverneur,  dasselbe  zu 
thun.  Dieser  ging  darauf  ein,  und  so  wurden  in  der  Nacht  zum 
22.  die  Feindseligkeiten  eingestellt^). 

Am  23.  lief  die  Antwort  Napoleons  ein,  wonach  er  dem 
Marschall  die  erbetene  Autorisation  gab,  die  Kapitulation  nach 
seinem  Ermessen   abzuschliessen.     Infolgedessen  erschien  mit- 


^)  HQpfner  S.  517.    Belagerung  von  Danzig  S.  240. 


208 


tags  1  ühr  der  General  Drouet  mit  dem  Sohue  des  Marschalls 
Lefebvre,  um  die  Kapitulation  abzuschliessen.  Doch  konnte  man 
sich  nicht  einigen  *).  Der  Guverneur  schreibt  über  den  Stand 
der  Unterhandlungen  am  24.  an  den  Major  von  Brauchitsch, 
Kommandant  des  Bischofsberges:  „Mit  den  Franzosen  bin  ich 
noch  nicht  einig,  bis  12  Ulir  mittags  haben  die  Abgesandten 
wieder  hier  sein  wollen,  um  mir  Bescheid  zu  bringen,  ob  der 
Marschall  Lefebvre  mein  Ultimatum  von  dieser  Nacht  1  Uhr 
annimmt,  denn  die  Kapitulation  von  Mainz,  nämlich  der  ehren- 
volle Abmarsch  mit  Gewehren,  die  Kavallerie  zu  Pferde  bis 
nach  Preussen,  ist  schon  festgesetzt^),  dass  also  die  Truppen 
in  Ansehung  des  Ruhms  völlig  gesichert  sind,  nur  besteht  man 
auf  die  frühere  Uebergabe  des  Olivaer  und  Neugartenthoi-s  und 
des  Hagelsberges,  die  um  der  Sache  näher  zu  kommen  und  auch 
als  ziemlich  gleichgültig  vom  Dienstag  nachmittag  auf  Mittwoch 
nachmittag  zurückrückt,  und  Marsehall  Lefebvre  verlangt  sie 
schon  auf  morgen.  Ueber  diese  einzige  Basis  sind  wir  also 
nur  noch  uneins.  Auch  ist  die  Kapitulation  erst  entworfen, 
nichts  discutirt  noch  geschlossen ,  deren  Beendigung  nach  den 
Herrn  Deputirten  aber  wohl  keine  Schwierigkeiten  finden  wird"  '). 
Noch  am  25.  morgens  telegraphirte  der  Guverneur  nach  Neu- 


^)  Während  der  Anwesenheit  der  französischen  Abgeordneten  schrieb 
der  Major  von  Hom  im  Auftrage  des  Officiercorps  an  den  Cliiverneur: 
„Die  schändlichen  Bedingungen,  welche  der  Feind  von  uns  verlangt, 
haben  das  ganze  Corps  der  Ofüciere  und  mich,  die  wir  den  Hagelsberg 
zu  vertheidigen  die  Ehre  haben,  bewogen  £w.  Exe.  ganz  unterthänigst  zu 
bitten,  uns  bei  einer  Fahne  den  heiligsten  Eid  leisten  zu  lassen,  dass  wir  uns 
lieber  unter  dem  Schutz  des  Hagelsberges  begraben  lassen,  als  eine  dem 
preussischen  Officier  ehren  widrige  Kapitulation  eingehen  zu  wollen". 

Hagelsberg  den  23.  Mai  1807.    gez.   von  Hörn. 

Das  scheint  Eindruck  gemacht  zu  haben.  Die  Verhandlungen  wurden 
zwar  momentan  abgebrochen,  aber  noch  spät  abends  franzOsischerseits  wieder 
angeknüpft,  worauf  der  Guverneur  um  1  Uhr  sein  Ultimatum  stellte.  Es 
handelte  sich  nur  noch  um  den  Tag  der  Uebergabe  des  Hagelsberges  und 
zweier  Thore,  die  der  Marschall  schon  zum  26.  (Montag)  verlangte,  Kaikreuth 
aber  erst  Mittwoch  bewilligen  wollte. 

')  HOpfner  irrt  daher  S.  521,  dass  der  Marschall  noch  am  24.  den  freien 
Abzug  nicht  habe  zugestehen  wollen. 

*)  Die  Belagerung  von  Danzig.    S.  236. 


— r 

fahr  Wasser:  „Unterhandlungen  von  gestern  Abend  spät  franzo- 
sischerseits  wieder  angeknüpft,  sind  aber  noch  nicht  einig." 
Inbetreflf  der  beiden  Forts  Neufahrwasser  und  Weichselmünde 
hatte  der  Guverneur  erklärt,  dass  er  sich  zu  nichts  verpflichten 
könne,  indessen  schon  am  23.  nachmittags  4  Uhi  den  beiden 
Kommandanten  telegraphisch  zu  erkennen  gegeben,  dass  er  mög- 
licherweise pro  forma  den  Befehl  zur  Uebergabe  scliicken  könnte. 
Er  hatte  für  diesen  Fall  ihnen  die  Antwort  darauf  freigestellt. 
Die  beiden  Kommandanten  hatten  sich  höhern  Orts  Verhaltungs- 
befehle erbeten  *).  Der  General  Kaminskoi  war  nicht  im  Zweifel, 
was  zu  thun,  und  traf  alle  Vorbereitungen  zur  Einschiffung. 
Weichselmünde  war  an  sich  vertheidigungsfähig,  hatte  aber  eine 
zu  geringe  Besatzung  (622  Mann),  während  der  Kommandant 
1500  Mann  für  nothwendig  erachtete.  Durch  die  Thätigkeit 
des  Ingenieurlieutenants  Jachnik  waren  die  Werke  in  gutem 
Stande,  doch  glaubte  der  Kommandant  bei  der  geringen  Besat- 
zung sich  höchstens  14  Tage  halten  zu  können. 

Am  25.  meldete  der  Guverneur  die  abgeschlossene  Kapi- 
tulation dem  Könige. 

Als  am  25.  gegen  Abend  das  Telegramm  in  Neufahrwasser 
eintraf:  „ohne  Pulver,  das  mir  nicht  verschafft  worden,  Kapi- 
tulation abgeschlossen,  wenn  nicht  bis  morgen  Mittag  Entsatz 
kommt.  Wo  nicht,  marschire  ich  Mittwoch  mit  Ober-  und 
üntergewehr  nebst  2  Geschützen  über  die  Nehrung  nach  Pillau. 
Die  Garnison  darf  ein  Jahr  nicht  dienen,"  begann  der  General 
Kaminskoi  sofort  die  Einschiffung  seiner  Truppen.  Die  beiden 
Kommandanten  waren  nicht  dazu  zu  bewegen,  gleiches  zu  thun. 

Sie  wollten  die  Befehle  des  Königs  abwarten.  Diese  trafen 
am  26.  Mai  mittags  11  Uhr  ein.  Beide  Garnisonen  sollten  sich 
einschiffen.  Der  Oberst  Schuler  von  Senden  hatte  alles  dazu 
vorbereitet  und  bemühte  sich,  nur  durch  Unterhandlungen  mit 
den  verstärkten  französischen  Truppen  Zeit  zu  gewinnen,  um 


*)  Es  war  dies  auf  die  telegraphische  Nachricht  des  Ouvemeurs  vom  22. 
geschehen^  wonach  er  nach  Nenfahrwasser  mittheilte,  dass,  wenn  his  Mittwoch 
(28.)  kein  Entsatz  anlange,  er  kapituliren  werde.  Der  Guvemenr  hatte  gleich- 
zeitig darum  ersncht,  an  Se.  Majestät  eiligst  zu  melden,  dass  er  nur  die 
Antwort  Napoleons  abwarte,  um  seine  Bedingungen  zu  stellen. 

Köhler,  Geschiclite  der  Festaogidn  Danzig  und  WeichselmUiide.    II.  14 


auch  noch  die  metallenen  Geschütze  einschiffen  zo  lassen,  als 
um  5  Uhr  nachmittags  die  Nachricht  eintraf,  „dass  die  Gemeinen 
der  Garnison  Weichselmünde  zum  Feinde  übergegangen  seien". 
Er  zog  daher  die  Posten  ein,  nahm  die  Officiere  und  wenige 
treu  gebliebene  Unterofficiere  und  Gemeine  von  Weichselmünde 
an  sich  und  schiffte  sich  unter  dem  Schutze  einer  englischen 
Fregatte  ein.  Die  Franzosen  drängten  zwar  hart  nach,  wurden 
jedoch  von  den  Kartätschen  der  Fregatte  zurückgewiesen,  so 
dass  die  Abfahrt  erfolgen  konnte  und  die  Truppen  am  27. 
morgens  noch  gleichzeitig  mit  denen  Eaminskoi's  in  Pillau  an- 
langten. 

Am  Mittag  des  26.  wurde  der  Hagelsberg,  das  Olivaer, 
Jakobs-  und  Neugarten-Thor  den  Franzosen  übergeben,  am  27. 
morgens  9  Uhr  rückte  die  Garnison  von  Danzig^)  mit  Waffen 
und  Gepäck,  fliegenden  Fahnen,  klingendem  Spiele,  brennenden 
Lunten  und  2  bespannten  Geschützen  nach  der  Nehrung  ab, 
begleitet  vom  General  Jarry  und  dem  Obersten  Nivet,  um  alle 
Kollisionen  mit  den  französischen  Truppen  auf  der  Nehrung  zu 
vermeiden. 

Schon  in  den  letzten  Tagen  war  die  Desertion  zu  hunderten 
erfolgt,  im  Moment  des  Abmarsches  warfen  tausende  ihre 
Gewehre  und  Patronentaschen  weg  und  liefen  fort.  Manche 
Kompagnien  behielten  5—6  Mann.  „Wir  wollen  uns  nicht  wer 
weiss  wohin  schleppen  lassen  .  .  ."  riefen  sie*). 

Gleich  nach  dem  Abmarsch  der  preussischen  Besatzung  hielt 
der  Marschall  Lefebvre  an  der  Spitze  eines  Theiles  des  10.  Korps 
seinen  Einzug  in  Danzig.  Der  Marschall  Lannes  und  General 
Oudinot  lehnten  es  ab,  daran  Theil  zu  nehmen.    Die  Divisionen 


')  Ihre  Stärke  war: 

60  Officiere    1222  Mann  1144  Pferde  der  Kavallerie 
217        „          8467      „  der  preussischen  Infanterie 

33        ,  1034      „  der  Russen 

25        „  1424      ,  der  Artillerie 

—        9  301      „  131        „       der  nicht  equipirten  Kavallerie 


zus.  335  Officiere  12448  Manu  1275  Pferde. 

Nach  Duisburg  S.  307  war  das  abrückende  Korps  nur  noch  7000  Mann 
stark,  wahrscheinlich  nach  Abrechnung  der  Deserteure. 

')  Belagerung  und  Einnahme  von  Danzig  1807.     Leipzig  1808. 


m 

Oudinot  und  Dupas  marscliirten  am  28.  ab.  Der  Marschall 
Lefebvre  wurde  zwei  Tage  nach  dem  Einzüge  zum  Herzog  von 
Danzig  ernannt  und  kehrte  nach  dem  Hauptquartier  Napoleons 
zurück.  Dieser  traf  am  31.  in  Oliva  ein  und  besichtigte  am 
1.  Juni  die  Belagerungsarbeiten,  Weichselmünde  und  Neu- 
fahrwasser. Am  2.  kehrte  er  über  Marienburg  nach  Finken- 
stein zurück.  Zum  Guverneur  von  Danzig  wurde  der  General- 
Adjutant  Napoleons  Rapp,  zum  Kommandanten  der  General  Ar- 
mand und  bald  darauf  der  General  Menard  ernannt.  Das  10. 
Armeekorps  wurde  nach  Abgabe  der  Garnison  von  Danzig,  die 
aus  dem  44.  Linien-Regiment  und  den  Badenern  bestehen  sollte, 
aufgelöst,  indem  die  Truppen  andern  Armeekorps  zugewiesen 
wurden. 

Duisburg  berechnet  die  Zahl  der  TVährend  der  Belagerung 
von  der  Garnison  gebliebenen  Officiere  auf  22.  Sechzig  waren 
verwundet  worden.  An  Einwohnern  waren  20  getödtet,  44  ver- 
wundet worden.  Von  den  Geschützen  wurden  nach  „das  belagerte 
Danzig"  S.  25,  26  demontirt.  Nach  Brese  (Archiv  S.  62)  waren  es 
5— 20Pfünder,  16— 12Pfünder,  3— 6Ptünder,  1-30 pfundiger 
Mörser  und  1 — 10  pfundige  Haubitze. 

Ich  kann  nicht  umhin,  im  Anschluss  an  die  Darstellung  der 
Belagerung  die  Bemerkungen  folgen  zu  lassen,  welche  Brese 
seiner  Abhandlung  über  die  Armirung  Dauzigs  und  der  Ueber- 
sicht  der  Belagerung  beigegeben  hatM.     Er  sagt: 

„Wenn  man  nun  auf  die  oben  dargestellte  Ausführung  der 
fortifikatorischen  Armirung  der  Befestigungen  von  Danzig  zu- 
rückblickt und  das  Resultat  dieser  umfassenden  Arbeit  nach 
dem  soeben  vorgetragenen  Verlauf  des  Angriffes  und  der  Ver- 
theidigung  unpartheiisch  zu  würdigen  sich  bemüht,  so  dürfte 
zunächst  wohl  zugegeben  werden,  dass  die  höchst  schwierige 
Aufgabe,  einen  Waffenplatz  des  Umfanges  wie  Danzig,  bei  un- 
erwarteter Verlegung  des  Kriegsschauplatzes  in  seine  Nähe 
und  bei  fast  unhaltbarem,  von  allen  Mitteln  entblösstem  Zu- 
stande —  in  4  Wintermonaten  in  eine  völlig  kriegsfertige  Ver- 
fassung zu  setzen,  auf  eine  dem  Zweck  möglichst  entsprechende 


*)  Archiv  für  die  Officiere  des  ArtiUerie-  und  Ingenieur-Korps.    Bd.  1 1 
S.  70  ff. 


61ä 

Weise  gelöst  worden  ist.  wenigstens  so  weit,  als  die  obwal- 
tenden Umstände  dies  irgend  gestatteten ;  denn  ein  kriegsgefibter, 
mit  hinreichenden  Angriflfskräften  versehener  Feind  brachte  78 
Tage  (vom  10.  März  bis  zum  26.  Mai  1807)  vor  der  Festung 
zu  und  bedurfte  55  Tage  offener  Tranchee,  bevor  er  in  Besitz 
des  Platzes,  und  15  Tage  dieser  Zeit,  bevor  er  durch  den  be- 
deckten Weg  und  trocknen  Graben  bis  zur  Eskarpe  eines  nicht 
revetirten,  nur  mit  provisorischen  Hindernissmitteln  versehenen 
Retranchementswalles  gelangen  konnte.  —  Diese  Hinderniss- 
mittel und  namentlich  die  starken,  gut  bestrichenen  Palisaden- 
linien hatten  sich  im  ganzen  trefflich  bewährt,  denn  wiewohl 
die  von  der  feindlichen  Artillerie  mehrere  Wochen  hindurch  ge- 
schlagenen Bastionsfacen  Schütz  und  Jerusalem  das  Bild  einer 
Bresche  darboten  und  fast  alle  Sturmbalken  heruntergeschossen 
waren,  so  hielt  die  Palisadirung  der  Eskarpe,  die  Zersplitterung 
einzelner  Hölzer  abgerechnet,  sich  doch  in  dicht  geschlossenen 
Linien,  und  auch  die  Verpfählungen  blieben  —  vieler  darin  ein- 
geschlagener Hohlgeschosse  ungeachtet  —  immer  noch  ein  schwer 
zu  überschreitendes  Hindernis«.  Kriegener  in  seinem  Pr6cis  du 
si6ge  de  Danzig  (pag.  29)  misst  den  Entschluss,  vom  gewalt- 
samen Angriff  abzustehen  und  alle  Details  der  förmlichen  Be- 
lagerung durchzumachen,  hauptsächlich  der  Beschaffenheit  und 
Stellung  der  Palisadirungen  bei,  da  bei  der  Tiefe  der  Gräben 
auf  die  Zerstörung  durch  Geschütz  nicht  viel  zu  rechnen  war 
und  bei  der  Unthunlichkeit  des  Abhauens  so  starker  Palisaden 
am  Ende  nichts  übrig  blieb,  als  sie  auszugraben. 

Hiernächst  aber  muss  besonders  den  Blockhäusern  im  be- 
deckten Wege  der  wesenthchste  Antheil  an  der  Verzögerung 
des  Angriffs  zuerkannt  werden,  da  es  nur  der  geschickten  und 
sinnreichen  Anwendung  derselben  zugeschrieben  werden  darf, 
wenn  alle  Versuche  des  Feindes,  sich  durch  gewaltsamen  An- 
griff in  Besitz  des  bedeckten  Weges  zu  setzen,  scheiterten  und 
derselbe  genöthigt  wurde,  den  langsamen  förmlichen  Weg  des 
Euronnirens  und  Minirens  einzuschlagen. 

Camot  selbst  gedenkt  in  seinem  Werke  über  Vertheidigung 
der  Festungen  (pag.  77)  der  Danziger  Blockhäuser  in  diesem 
Sinne,  indem  er  als  ein  auffallendes  Beispiel  unerwarteter  Ver- 
zögerungen eines  Angriffs  anführt,    dass  ein  einziges  kleines 


213 


Blockhaus,  die  Wegnahme   des  bedeckten  Weges   um  15  Tage 
aufzuhalten,  im  stände  gewesen  ist. 

Es  kann  übrigens  nicht  entgelien,  dass  die  ganze  Dauer 
der  Belagerung  noch  um  einige  Wochen  verlängert  und  viel- 
leicht selbst  ein  glücklicher  Ausgang  herbeigeführt  worden 
wäre,  wenn  man  die  Verbindung  der  Festung  mit  Weichsel- 
münde,  von  wo  aus  ihr  nur  die  nöthige  Unterstützung  an  Mann- 
schaften und  Streitmitteln  zugehen  konnte,  frei  zu  erhalten 
vermocht  hätte,  und  es  knüpft  sich  hieran  nochmals  die  schon 
oben  berührte  Frage,  warum  nicht  rechtzeitig  auf  die  Anlage 
einiger  geschlossener  Werke  auf  der  Holminsel  und  am  Schuten- 
damme Bedacht  genommen  worden,  zumal  von  den  zu  Danzig 
ausgeführten  Arbeiten  die  eine  oder  die  andere,  wie  z.  E.  die 
ausgedehnte  Palisadirung  und  Verpfählung  des  mit  einem  tiefen 
Wassergraben  umgebenen  Hauptwalles  der  Stadtbefestigung  — 
vielleicht  ganz  hätte  unterlassen  und  die  darauf  verwendete 
Zeit  und  Kraft  zu  der  so  wichtigen  Deckung  der  eben  er- 
wähnten Verbindung  benutzt  werden  können.  Hierauf  lässt 
sich  zunächst  erwidern,  dass  bei  dem  Beginn  der  Armirung 
mit  Gewissheit  nicht  vorher  zu  sehen  war,  ob  die  Winterwitte- 
rung, die  in  der  Regel  dort  sehr  strenge  ist,  eine  ununter- 
brochene Offenhaltung  der  Eisdecke  der  Wassergräben  wirklich 
gestatten,  ob  ferner  die  Anstauung  der  Gräben  unter  allen 
Umständen  gesichert  bleiben  und  ob  die  Verstärkung  der  Be- 
satzung alsbald  in  dem  Umfange  eintreffen  würde,  um  allen- 
falls einige  der  unternommenen  Arbeiten  zu  gunsten  der  noch 
ausserhalb  der  Hauptbefestigung  anzulegenden  Werke  unter- 
lassen zu  können.  Sodann  tritt  aber  in  Erwägung,  dass  die 
Sicherstellung  des  Haupttheiles  der  Festung,  nämlich  der  Stadt- 
befestigung mit  ihrem  Retranchement,  doch  unstreitig  vorzugs- 
weise ins  Auge  gefasst  werden  musste,  dass  aber,  wie  das 
Vorstehende  erweiset,  die  Zeit  bis  zum  Erscheinen  des  Feindes 
in  der  That  nicht  ausreichte,  um  alles,  was  hierzu  nothwendig 
war,  zu  Stande  zu  bringen;  dass  namentlich  die  bombensicheren 
Baracken  des  Hagelsberges,  die  Blockhäuser  links  des  Ravelins 
Hagel  und  im  bedeckten  Wege  vor  dem  Holzraum,  sowie 
mehrere  der  benannten,  theils  neu  angelegten,  theils  neu  reta- 
blirten    Aussenwerke   zu    anfang   Mai   noch   unvollendet   oder 


214 

sogar  eben  erst  begonnen  waren  and  mithin  unter  den  Augen 
des  Feindes  und  unter  dessen  Feuer,  so  weit  als  thunlich,  noch 
zu  beendigen  blieben,  woraus  sich  zugleich  mit  aller  Wahr- 
scheinlichkeit ergeben  dürfte,  dass  es  wohl  In  der  That  an  Zeit 
gebrach,  um  mit  den  durch  die  Gegenwart  eines  thätigen  Feindes 
an  sich  schon  sehr  beschränkten  Arbeitskräften  auf  noch  aus- 
gedehntere Befestigungsanlagen,  als  für  den  dringendsten  Bedarf 
der  Armirung  der  Hauptwerke  gerade  erforderlich  waren,  ein- 
gehen zu  können,  wie  dies  auch  schon  weiter  oben  in  Be- 
ziehung auf  die  projectirten  vorgeschobenen  Posten  des  Bischofs- 
und Hagelsberges  erwähnt  worden  ist.  1 

Wollte  man  daher  aus  dem  Verluste  des  Holms  und  dos 
Schutendammes  und  aus  den  allerdings  beklagenswerthen  Folgen 
dieser  unerwaiteten  Begebenheiten  Veranlassung  nehmen,  die 
Militairbehördon  zu  Danzig  einer  wesentlichen  Unterlassung  zu 
zeihen,  so  dürfte  ein  solcher  Vorwurf  bei  unparteiischer  Er- 
wägung aller  Verhältnisse  vor  dem  Urtheile  eines  gerechten 
und  billigen  Richters  nicht  bestehen,  mindestens  das  im  ganzen 
unleugbare  Verdienst  der  Ingenieure,  bei  der  Armirung  von 
Danzig  unter  erschwerenden  Umständen,  etwas  ausserordent- 
liches geleistet  und  hinsichtlich  der  Ausdauer  und  Umsicht  in  der 
Durchführung  der  ganzen  umfassenden  Massregel  ein  seltenes 
und  nachahmungswerthes  Beispiel  aufgestellt  zu  haben,  in  keiner 
Art  auflieben  oder  nur  schmälern  können.  Für  die  angewandte 
Befestigungskunst,  und  zwar  für  einen  ihrer  wichtigsten  Ab- 
schnitte, wird  diese  Armirung  stets  ein  sehr  lehrreiches  Ereig- 
niss  bleiben*). 

*)  Die  nachfolgenden  ßemerkungen  sind  geschrieben,  bevor  ich  die 
Aeussernng  Gneisenan's  über  die  Vertheidigung  Danzigs  1807  kannte.  Wenn 
ich  dieselbe  auch  ihrem  ganzen  Umfange  nach  nicht  billigen  kann  und  darin 
selbst  eine  gewisse  Gereiztheit  herauserkennen  möchte,  die  durch  irgend 
welche  Umstände  hervorgerufen  sein  mag,  so  bleibt  das  Urtheil  eines  solchen 
Mannes  immerhin  von  Wichtigkeit,  um  hier  übergangen  zn  werden.  Er  sagt 
in  einem  Schreiben  vom  19.  November  1829  an  Stein  (Pertz  6,  776):  „Ein 
würdiges  Grab  für  Hörn  dürfte  der  Danziger  Hagelsberg  sein.  Horn's  Ver- 
theidigung desselben  ist  der  einzige  Glanzpunkt  der  Belagening  dieser 
Stadt.  Die  Blockhäuser  im  gedeckten  Wege  ausgenommen,  waren  fast  alle 
Ingenieur-Anordnungen  entweder  ganz  ungenügend  oder  unzweckmässig  oder 
überflüssig  und  die  Auwendung  der  Truppen  seitens  Ks^lkreutb's  ungeschickt 


215 


Brese  stellt  sicli  in  diesen  Bemerkungen  ausschliesslich  auf 
den  Standpunkt  des  Ingenieurs  vom  Platz  und  seiner  Gehilfen. 
Wenn  er  auch  einen  Augenblick  die  Militairbehördcn  zu  Danzig 
hineinzieht,  so  geht  er  doch  sogleich  wieder  auf  die  Ingenieure 
zuräck,  wo  es  sich  darum  handelt,  sie  von  den  Unterlassungs- 
sünden, die  bei  der  Armirung  begangen  worden  sind,  freizu- 
sprechen, ja  es  hat  fast  den  Anschein,  als  ob  die  Rechtfertigung 
derselben  die  Veranlassung  zu  seiner  Arbeit  über  die  Armi- 
rung von  Danzig  gewesen  ist.  Das  ist  nicht  der  Standpunkt, 
von  dem  aus  die  Dinge  angesehen  sein  wollen.  Die  Leistungen 
der  Ingenieure  sind  ja  ausserordentlich  gewesen,  aber  der  Um- 
stand, dass  der  Holm  bei  der  Ankunft  des  Guverneurs  am 
11.  März,  wo  der  Belagerer  seine  Einschliessung  vollzog,  gar 
nicht  einmal  besetzt  war,  deutet  darauf  hin,  dass  die  all- 
gemeinen Verhältnisse,  soweit  sie  über  das  Glacis  der  Stadt- 
befestigimg  mit  ihren  Aussen  werken  hinausgingen,  gar  nicht 
in  betracht  gezogen  worden  sind^).  Niemand  hätte  die  Fran- 
zosen am  11.  März  verhindern  können,  sich  des  Holms  zu  be- 
mächtigen, und  wenn  die  Untei-suchungs-Kommission  nach  dem 


und  matt.  Er  selbst  hatte  sich  in  4en  letzten  14  Tagen  nicht  mehr  auf  den 
Wällen  des  Hageis-  nnd  Bischofsberges  sehen  lassen,  sondern  war  in  dem 
gewölbten  Thorweg  des  Stadtwalles  geblieben,  während  Hörn  auf  dem  Hagels- 
berg nicht  von  der  Stelle  wich.  Der  unglückliche  Ausgang  dieser  Ver- 
theidjgung  hat  Hom*s  Verdienstlichkeit  hierbei  nicht  in  ihr  volles  Licht 
treten  lassen,  ebensowenig  wie  das  des  Majors  Bousmard,  der.  als  Pullet's 
Bathgeber,  vermuthlich  diesem  die  Idee  eingegeben  hatte,  Blockhäuser  im 
gedeckten  Wege  anzulegen,  da  dieser  Vorschlag  in  des  letztem  Werk  „sur 
la  defense  des  places  fortes''  bereits  enthalten  war  und  hier  zum  ersten 
male,  seitdem  aber  von  den  Franzosen  öfters,  ausgeführt  wurde.  Diese 
beiden  Umstände,  Horn's  Vertheidigung  des  Hagelsberges  und  die  beiden 
Blockhäuser  als  verständige  Mittel  dazu,  haben  die  Ehre  der  Vertheidigung 
von  Danzig  gerettet,  soweit  dies  möglich  ist.  Bis  zur  dritten  Parallele  kann 
ich  als  Augenzeuge  davon  sprechen. 

*)  Wie  kleinlich  erscheinen  die  Massregeln  des  Vertheidigers  inbetreff 
des  Verhältnisses  von  Weichselmünde  zu  Danzig  in  Vergleich  mit  dem  Aus- 
spruch des  Verfa-ssers  der  „Geschichte  von  Weichselmünde",  dass  in  beiden 
Festungen  eine  nicht  zu  berechnende  Masse  von  Kraft  liege,  die  einzeln  un- 
nütz sich  aufzehrt,  in  gemeinsamer  Wirkung  aber  Erfolge  hervorbringen 
kann,  welche  unsere  Zeit  nicht  kennt,  vielleicht  nicht  einmal  für  möglich 
bält^    (Herausg^abe  von  Honig,  S.  24.) 


216 


Kriege  das  frühere  Guvernement  zu  Danzig  beschuldigte,  es 
verabsäurot  zu  haben,  durch  fortifikatorische  Anlagen  auf  der 
Nehrung  die  Vertheidigungsraittel  zu  ergänzen^),  um  wie  viel 
mehr  trifft  dieser  Vorwurf  das  Guvernement  (General  von  Man- 
stein)  inbetreif  der  Unterlassung  von  Befestigungsanlagen  zur 
Verbindung  der  Stadt  mit  Weichselmiinde  und  auf  dem  Holm! 
Wenn  die  Initiative  zu  diesen  Befestigungsanlagen  auch  zunächst 
dem  Guverneur  persönlich  zukam,  und  ich  betone  dies  aus- 
drücklich, weil  der  Platzingenieur  mit  den  Details  der  forti- 
fikatorischen  Armirung  zu  sehr  in  Anspruch  genommen  war, 
so  gehört  der  letztere  doch  immerhin  zum  Guvernement  und 
ist  dessen  erster  Rathgeber.  Er  hatte  ausserdem  am  1.  No- 
vember 1806  den  Auftrag  von  demselben  erhalten,  nicht  bloss 
Danzig,  sondern  auch  Weichselmünde  und  Neufahrwasser  in 
Vertheidigungszustand  zu  setzen^,  und  dazu  gehört  denn  doch 
wohl  die  Sicherung  der  Verbindung  mit  denselben.  Brese  giebt 
uns  eine  Andeutung  über  die  Ansichten,  wie  sie  zur  Zeit 
herrschend  gewesen  sein  mögen,  indem  er  sagt'),  dass  die 
Behauptung  des  Holms  und  der  Nehrung  keinen  Bedenken 
unterlegen  habe,  weil  diese  Terrainabschnitte  mit  tiefen  Ge- 
wässern umgeben  gewesen  seien! 

Was  von  Armirungsarbeiten  in  Danzig  zu  unterlassen  ge- 
wesen wäre,  und  ob  nicht  durch  eine  frühzeitige  Beantragung 
eine  Erhöhung  des  Dienststandes  des  Ingenieurpersonals  und 
eine  Ergänzung  der  sonstigen  Mittel  unter  Darlegung  des  (hän- 
genden Bedürfnisses  der  erwähnten  Befestigungsanlagen  noch 
von  Einfluss  gewesen  wären,  lasse  ich  hier  unerörtert.  Die 
Schwächen  des  damaligen  Guvernements  sind  ja  nach  allen 
Richtungen  zu  Tage  getreten,  wie  es  sogar  erst  dem  Grafen 
Kaikreuth  anheimgefallen  ist,  einen  Antrag  wegen  Vermehrung 
der  Pulver vorräthe  zu  stellen. 

Es  ist  gewiss  bezeichnend,  dass  der  Ingenieur  vom  Platz 
über  die  Nothwendigkeit  einer  Ausdehnung  der  Befestigungen 
des  Bischofs-  und  namentlich  des  Hagelsberges  auf  das  Vor- 


»)  Höpfner  S.  403. 

«)  Brese.    Archiv  Band  11  S.  27, 

»)  Ebenda  S.  41, 


217 


terrain  sich  vollkommen  klar  war,  aber,  vom  Stolzenberg  ab- 
gesehen, mit  Recht  davon  Abstand  nahm,  weil  die  Kräfte  und 
Mittel  dazu  nicht  vorhanden  waren,  dass  aber  von  einer  An- 
erkennung über  die  Nothwendigkeit  der  Ausdehnung  der  Be- 
festigung auf  den  Holm  und  den  Sehutendamm,  die  weit 
wichtiger  und  unerlässlich  war,  sich  kaum  eine  Spur  vorfindet  ^). 
Es  beweist  das  zur  genüge,  dass  daran  gar  nicht  gedacht  worden 
ist,  und  dass  alles,  was  nachträglich  darüber  gesagt  worden  ist, 
nur  Vertuschungen  sind.  Selbst  die  alten  Schanzen  des  Holms 
waren  nicht  instand  gesetzt  worden. 

Unter  allen  Umständen  bietet  die  Armirung  und  die  Be- 
lagerung von  Danzig  im  Jahre  1807  den  Kombinationen  und 
der  Belehrung   ein   so   reiches   Feld,    wie   kaum   eine  zweite 


^)  Der  trancbeeartige,  zusammenhängende  Aufwurf  längs  der  Weichsel 
und  Laake  kann  als  eine  Befestigung  des  Holms  nicht  angesehen  werden. 
Er  war  nur  zur  Beobachtung  geeignet. 

In  dem  „belagerten  Danzig*^  heisst  es  zwar  S.  14,  dass  zur  Verbindung 
zwischen  Weichselmünde  und  der  Holmspit>ze  eine  Kedute  zu  3  bis  400  Mann 
mit  4  bis  6  Kanonen  in  Arbeit  genommen  worden  wäre,  es  aber  bei  der  ge- 
ringen Population  von  Weichselmünde  und  Neufahrwasser  an  Menschenhänden 
gefehlt  hätte,  und  es  in  diesen  Orten  selbst  unendlich  yiel  zu  thun  gab,  dass 
auch  die  unerwartet  schnelle  ZurÜckdräugung  unserer  Truppen  von  der  Neh- 
rung die  zweckmässige  völlige  Instandsetzung  des  Werks  verhindert  hätte. 
Diese  Bemerkungen  werden  inbezug  auf  eine  Stelle  in  den  „Preussen  in 
Danzig'^  S.  6  gemacht,  wo  es  heisst  „vernachlässigt  aber  war  und  blieb  die 
(Befestigung)  des  Schutendamms,  welche  die  Kommunikation  zwischen 
Weichselmünde  und  Danzig  erhalten  hätte''.  In  einem  anonymen  Werke  ist 
eine  solche  Bemerkung  wie  in  dem  „belagerten  Danzig''  leicht  hingeworfen, 
iu  officiellen  Kundgebungen  findet  sich  darüber  nichts.  Brese  führt  in  seiner 
Armirung  (Archiv  Bd.  11)  alle  Arbeiten  ausführlich  an  und  erwähnt  selbst 
S.  59  die  angefangene  Befestigung  auf  der  Jesuiterhöhe,  aber  mit  keinem 
Wort  eine  angefangene  Befestigung  am  Schutendamm,  wozu  er  durch  seine 
Bemerkung  in  „die  Preussen  in  Danzig'^  und  die  Entgegnung  Pullets  im 
„belagerten  Danzig'^  speciell  Veranlassung  gehabt  hätte.  Auch  sagt  er  S.  23 
des  Archivs  ausdrücklich,  dass  die  alten  Beduten,  die  sich  früher  zur  Ver- 
bindung der  Holmspitze  mit  Weichselmünde  daselbst  befunden  hätten,  ein- 
geebnet und  mit  Häusern  bebaut  gewesen  wären,  und  S.  60  „dass,  wenn  nur 
2  bis  3  der  alten  Schanzen  des  Holms  als  geschlossene  Beduten  mit  starker 
Palisadirung  hergestellt  worden  wären,  .  .  .  man  die  Mittel  gewonnen  haben 
würde,  den  feindUchen  Angriff  in  der  Nacht  vom  6.  und  7.  Mai  zurückzu- 
weisen". Danach  muss  man  wohl  den  Beginn  des  im  „belagerten  Danzig" 
«rwälmten  Werks  stark  in  Zweifel  i^ieh^n, 


218 


Unternelimung  des  modernen  Belagerungskrieges.  Ein  grosses 
Interesse  hat  von  jeher  der  Kampf  um  den  bedeckten  Weg 
erweckt.  Er  steht  völlig  einzig  da.  Wenn  man  in  erster 
Linie  auch  dem  Blockhause  des  eingehenden  Waflfenplatzes  den 
Preis  zuerkennen  muss,  weil  es  im  Verein  mit  der  Palisadirung 
die  Grundlage  des  Kampfes  bildete,  so  haben  doch  auch  alle 
Waffengattungen  daran  theilgenoramen,  das  Fussvolk  durch 
kleine  Ausfalle  und  durch  das  Feuergefecht,  die  Artillerie  durch 
Zerstörung  des  Kuronnements ,  die  Pioniere  durch  den  Minen- 
krieg,  die  Ingenieure  durch   die  Anordnung   der  Ausfälle  etc. 

Dass  die  Artillerie  des  Platzes  in  diesem  Stadium  der  Ver- 
theidigung  noch  so  Bedeutendes  leisten  konnte,  fällt  allerdings 
der  fehlerhaften  Verwendung  der  Artillerie  des  Angreifers  zur 
Last.  Wie  schon  in  der  ersten  Periode  des  Angriffs*),  hat  sie 
auch  hier  die  grössten  Fehler  begangen.  Das  Blockhaus  konnte 
zerstört  sein,  bevor  die  Sappe  aus  der  3.  Parallele  hervorbrach, 
da  der  gedeckte  Weg  vor  der  rechten  Face  des  Ravelins  Hagel 
ins  Feld  schlug  und  rikoschettirt  werden  konnte.  Auch  die 
Flanken  der  Angriffsfront  konnten  mindestens  durch  Wurf- 
batterien unschädlich  gemacht  werden.  Aber  man  zog  es  vor, 
diese  zu  einem  erfolglosen  Bombardement  der  Stadt  zu  ver- 
wenden. Man  vernachlässigte  selbst,  Kontrebatterieu  gegen  die 
Flanken  zu  etabliren,  so  dass  diese  bis  zum  letzten  Moment 
in  Thätigkeit  geblieben  sind.  Um  die  Kontrebatteiien  gegen 
Ausfälle  zu  schützen,  wären  Trancheekavaliere  erforderlich  ge- 
wesen, um  den  gedeckten  Weg  zu  beherrschen. 

Das  Verhalten  des  Grafen  Kaikreuth  ist  nicht  fehlerfrei. 
Dass  er  an  dem  Verlust  der  Nehrung  und  des  Holms  seineu 
Antheil  hat,  ist  bereits  ei'wähnt  worden.  Die  Ueberlegenheit 
in  der  Stärke  bei  Beginn  der  Belagerung  hat  er  nicht  aus- 
genutzt. Die  frühe  Aufgebung  der  Jesuiterschanze  ^  ist 
daher  nicht  gerechtfertigt  und  der  Ausfall  vom  26.  März  ist 
ohne  Resultat  verlaufen,  weil  über  die  Truppen   schlecht   dis- 


»)  Vergl.  oben  S.  170   Note  2. 

*)  Die  Schanze  lag  auf  der  Jesiüterhöhe ,  wurde  vom  Vertheidiger  je- 
doch Judeuschanze  genannt,  wie  1813  die  Battcrieq  Friaul  auf  der  Jesuit^r* 
böhe. 


219 


ponirt  war.  Er  hätte  mindestens  die  Jesuiterschanze  wieder 
einbringen  müssen,  die  unter  den  Kanonen  des  Bischofsberges 
lag.  Aber  der  ganze  Ausfall  gleicht  mehr  einer  Allarmirung 
des  Feindes,  als  einem  AngrilF  der  feindlichen  Kontravallation, 
was  er  allein  doch  nur  bezwecken  konnte. 

Bei  dem  Entsatzversuch  des  Generals  Kaminskoi  am  15.  Mai 
rechnete  derselbe  auf  eine  wirksame  Unterstützung  des  Guver- 
neurs,  Grafen  Kaikreuth,  während  dieser,  der  am  Gansknige 
bereit  stand,  auf  den  Erfolg  Kaminskoi's  wartete,  um  die 
Weichsel  zu  überschreiten,  und,  da  er  diesen  Erfolg  für  un- 
möglich hielt,  nichts  that.  Wie  aus  den  Untersuchungsakten 
nach  dem  Kriege  hervorgeht,  wurde  die  Disposition  zu  dem 
Gefecht  vom  Guverneur  so  ausgelegt,  dass  der  Ausfall  ans 
Danzig  die  Weichsel  überschreiten  sollte,  nachdem  der  Münder 
Wald  genommen  war  *),  während  die  Disposition  des  Generals 
Kaminskoi  besagt,  dass  der  Ausfall  zu  eben  der  Zeit  nach  dem 
Holm  erfolgen  soll,  wenn  er  von  Weichselmünde  her  angegriffen 
wird*).  Bei  so  entgegengesetzten  Ansichten  verlief  der  Ent- 
satz ohne  Resultat.  Wenn  das  auch  von  vornherein  abzusehen 
war,  so  bot  der  Versuch  immerhin  die  Jetzte  Möglichkeit  des 
Entsatzes,  und  nur  ein  gleichzeitiges  Einsetzen  aller  Kräfte 
hätte  einen  Erfolg  geben  können.  Als  Berthier  in  der  ver- 
zweifelten Lage  Bonaparte's  vor  der  Schlacht  von  Abukir  diesen 
hinsichtlich  der  Angriffs-Disposition  fragte,  welchen  Truppen- 
theil er  zur  Reserve  bestimmte,  antwortete  er:  „Sie  denken 
wohl,  ich  bin  Moreau**. 

Die  Belagerung  Danzigs  von  1807  hat  viel  Gemeinsames 
mit  der  von  1734.  Der  Graf  von  Münnich  wie  der  Marschall 
Lefeb vre  begannen  die  Belagerungen  unter  gleichen  Verhältnissen, 
in  derselben  Jahreszeit  mit  unzureichenden  Kräften  und  ohne 
Artillerie.  Sie  sahen  sich  infolgedessen  veranlasst,  eine  Kontra- 
vallation in  grosser  Nähe  von  der  Festung  aufzuwerfen,  um 
deren  Ausdehnung  möglichst  zu  verkürzen.  Sie  wurde  durch 
einzelne  Reduton  hergestellt,  die  1734  durch  Laufgräben  ver- 
banden  wurden.    Die  Aufmerksamkeit  beider  Feldherren  war 


»)  Höpfner  S.  487. 
>)  Ebenda  S.  483, 


220 

von  vornherein  auf  die  Nehrang  gerichtet,  and  es  gelang  ihnen, 
sich  in  den  Besitz  derselben  zu  setzen,  wodurch  die  Verbindung 
von  WeichselmUnde  mit  der  Stadt  auf  dem  Landwege  auf- 
gehoben wurde.  Um  dies  auch  auf  dem  Wasserwege  zu  er- 
reichen, setzten  sie  sich  an  der  Bootmanslaake  und  auf  dem 
linken  Weichselufer  fest  und  bemächtigten  sich  bald  der  Holm- 
insel. Von  Seiten  der  Russen  geschah  dies  nur  zum  Theil, 
weil  die  Holminsel  im  Jahre  1734  befestigt  war,  1807  aber 
nicht.  Daher  gelang  es  den  Russen  auch  nicht,  sich  der  kleinen 
Ealkschanze  zu  bemächtigen,  die  ihnen  im  ganzen  Verlauf  der 
Belagerung  viel  zu  schaffen  machte.  Die  Operationen  beider 
Belagerungen  stimmen  auch  darin  überein,  dass  beide  Belagerer 
durch  ein  Bombardement  auf  die  Stadt  einzuwirken  suchten. 
Mfinnich  ist  dazu  gezwungen  gewesen,  weil  er  nicht  geniigende 
Kräfte  zum  förmlichen  Angiiff  hatte,  und  als  diese  ende  Mai 
vorhanden  waren,  Munitionsmangel  eintrat.  Erst  Mitte  Juni 
nach  dem  Eintreffen  der  russischen  Flotte  konnte  er  dazu 
schreiten,  verlegte  ihn  aber  nach  Weichselmftnde,  um  die  Flotte 
auszunutzen.  Lefebvre  verband  dagegen  das  Bombardement 
mit  dem  förmlichen  Angriff,  aber  zum  grossen  Nachtheil  des 
letztern.  Im  übrigen  ist  das  Bombardement  in  beiden  Fällen 
ohne  Einfluss  auf  die  Gewinnung  des  Platzes  gewesen. 

Die  beiden  Belagerungen  gleichen  sich  auch  darin,  dass 
beide  Feldherren  von  ihren  Herrschern  angetrieben  wurden,  die 
Belagerung  rasch  zu  Ende  zu  fähren.  Während  Mttnnich  jedoch 
durch  die  unverständige  Einwirkung  von  oben  gelähmt  wurde  — 
der  Stuim  auf  den  Hagelsberg  war  die  Folge  davon  —  war 
die  Einwirkung  Napoleons  eine  fördernde.  Sie  zwang  den 
Marschall  Lefebvre^  zum  förmlichen  Angriff  tiberzugehen  und 
diesen  mit  grosser  Energie  zu  führen.  Die  Einwirkung  Napo- 
leon's  zeigte  sich  auch  darin  sehr  wirksam,  dass  er  gegen  den 
Entsatzversuch  Kaminskoi's  so  viel  Kräfte  zur  Verfügung  de« 
Marschalls  Lefebvre  stellte,  dass  der  Erfolg  nicht  zweifelhaft 
bleiben  konnte.  Auf  der  andern  Seite  erhielt  Münnich  die  sehr 
wirksame  Unterstützung  der  Flotte,  die  er  auch  sehr  vortheil- 
haft  zu  verwerthen  verstand. 

Was  die  Vertheidigung  betrifft,  so  ist  im  Grunde  jeder 
Vergleich    massig.     Nur    das   Gemeinsame    besteht,    dass   die 


ä2i 


Bfirgerschaft  von  Danzig  die  strenge  Blockade  and  das  Bom- 
bardement mit  seinen  entsetzlichen  Leiden  mit  grosser  Hingebang 
ertrug,  und  dass  bei  beiden  Belagerungen  der  Entsatz  von  der 
See  herkam  und  scheiterte.  Aber  was  die  Thätigkeit  der  Be- 
satzung anbetrifft,  so  fehlt  jeder  Anhaltspunkt  eines  Vergleichs, 
weil,  wie  ich  oben  näher  ausgeführt  habe,  im  Jahre  1734  ein 
Kommandant  mit  voller  Machtbefugniss  gar  nicht  existirte  und 
die  Besatzung,  obgleich  der  Zahl  nach  stark  genug,  zu  keiner 
Offensivoperation  befähigt  war. 


V.    Danzig  als  Freistaat  1807-1814. 


Napoleon  legte  der  Stadt  nach  der  Besitznahme  im  Jahre 
1807  eine  Kontribution  von  20  Millionen  Franken  auf  und  be- 
fahl die  sofortige  Wiederherstellung  der  Festungswerke  auf 
Kosten  der  Stadt.  Dafür  erhob  er  sie  im  Tilsiter  Frieden  mit 
einem  Gebiete  von  2  Lieues  im  Umkreise  zu  einem  Freistaate 
unter  dem  Schutze  der  Könige  vomPreussen  und  Sachsen  und 
unter  Garantirung  ihrer  alten  Verfassung.  Es  war  das  keines- 
wegs ein  Akt  des  Wohlwollens  gegen  die  Stadt,  sondern  nur 
eine  andere  Form  der  Unterthänigkeit  unter  Frankreich  und 
schlimmer  wie  diese,  da  sie  einen  französischen  Guverneur  erhielt, 
der  sich  alles  erlauben  konnte.  Als  solcher  war  dem  Marschall 
Lefebvre,  der  für  seine  Person  400000  Franken  von  der  Stadt 
erpresst  hatte,  der  General  Rapp ')  gefolgt.    Hauptsächlich  auf 

^)  Rapp,  der  so  eng  mit  dem  Schicksal  der  Stadt  verknüpft  ist,  war 
zu  dieser  Zeit  35  Jahr  alt,  Divisionsgeneral  und  Adjutant  des  Kaisers,  dem 
er  sich,  wie  es  scheint,  unentbehrlich  zu  machen  wusste.  In  der  Schlacht 
war  es  Rapp,  den  der  Kaiser  von  seinen  Adjutanten  vorzugsweise  verwendete, 
wo  irgend  das  Gefecht  schwankte.  Der  Kaiser  sagte  dann,  indem  er  auf 
die  Gegend  hinwies,  wo  er  seine  Gegenwart  wfinschte,  ganz  einfach:  „Rapp, 
voir  nn  peu"  oder  nach  beendigter  Schlacht:  „Rapp,  poursuis-les  un  peu.'' 
Rapp  war  der  einzige  von  den  Adjutanten  Napoleon^s,  der  in  den  Toilerien 
wohnte.  Napoleon  hat  wiederholentlich  zu  seiner  Umgebung  geäussert,  dass 
es  schwer  sei,  mehr  gesunden  Menschenverstand  und  Klugheit  zu  besitzen 
als  Rapp.  Unerschrocken  in  der  Gefahr,  verwegen  auf  dem  Schlachtfelde 
und  von  unbeugsamer  Energie,  hatte  er  auch  die  Gabe,  sich  bei  den  Soldaten 
populär  zu  machen.    Er  verstand  es,    auf  ihren  Geist  zu  wirken.    Daneben 


^2ä 

dessen  Betrieb  und  im  Verein  mit  Soult,  der  noch  in  Elbing 
stand,  geschah  es,  dass  der  Tilsiter  Traktat  auf  die  willkür- 
lichste Weise  gedeutet  wurde,  indem  die  zwei  Lieues  bei  der 
Grenzregulirung  zu  zwei  deutschen  Meilen  erweitert  wurden, 
was  im  Elbinger  Vertrage  vom  6.  December  1807  vom  preussi- 
schen  Generalkommissarius  auch  unterschrieben  worden  ist. 
Die  preussische  Regierung  protestirte  allerdings  dagegen,  doch 
musste  sie  schliesslich  nachgeben.  Danzig  musste  für  diese 
Gebietserweiterung  4  Millionen  Franken  zahlen,  ßapp  bedang 
sich  dabei  noch  eine  Million  für  sich  aus,  legte  der  Stadt  aber 
Stillschweigen  darüber  auf,  und  da  dies  ohne  Mitwissenschaft 
des  französischen  Intendanten  Chopin  nicht  gut  durchzuführen 
war,  musste  dieser  mit  200000  Franks  von  der  Stadt  mundtodt 
gemacht  werden^).  Die  Einführung  der  alten  Verfassung  von 
4  Burgermeistern,  12  Schoppen  und  den  Hundert-Männern  war 
natürlich  bedeutungslos  geworden,  da  der  französische  Guverneur 
der  eigentliche  Gewaltige  war.    Auf  seine  Veranlassung  wurde 


war  er  ein  grosser  Finanzmann,  wo  es  auf  seinen  Säckel  ankam.  Sein  Cha- 
rakter war  ohne  Tiefe.  Er  war  leidenschaftlich  nnd  unbeständig,  ein- 
schmeichelnd und  abstossend,  je  nach  seiner  Laune,  und  der  Gewaltherrschaft 
sehr  ergeben.  Dagegen  war  er  selbst  dem  Kaiser  gegenüber  freimuthig. 
Seine  Prachtliebe  ist  den  Danzigem  theuer  zu  stehen  gekommen.  Sie  warfen 
ihm  auch  vor,  sehr  abhängig  von  seiner  Umgebung  gewesen  zu  sein.  Nament- 
lich scheint  der  den  Danzigem  yerhasste  General  d'  H^ricourt  grossen  Ein- 
fldss  auf  ihn  gehabt  zu  haben. 

Bapp  ist  1773  von  deutschen  Eltern  in  Kolmar  geboren.  Seine  Kennt- 
niss  der  deutschen  Sprache  hat  Napoleon  wohl  vorzugsweise  bestimmt,  ihn 
zum  Guverneur  von  Danzig  zu  ernennen.  Ursprünglich  für  den  geistlichen 
Stand  bestimmt,  bewog  ihn  seine  Leidenschaft  für  den  Soldatenstand,  im  Alter 
von  15  Jahren  bei  den  Chausseurs  zu  Pferde  einzutreten.  Seine  militairische 
Laufbahn  war  glänzend.  .  Den  Feldzug  in  Egypten  machte  er  als  Adjutant 
des  Generals  Desaix  mit  und  erwarb  sich  auf  dem  Schlachtfelde  den  Rang 
als  Chef  d^escadron.  Noch  während  des  Feldzugs  wurde  er  Oberst.  Nach 
dem  Tode  Desaix's  in  der  Schlacht  von  Marengo  machte  Napoleon  ihn  zu 
seinem  A^utanten  und  verwendete  ihn  1802  auch  als  Diplomat  in  der  Schweiz. 
Die  Schlacht  bei  Austerlitz  brachte  ihm  den  Bang  als  Divisionskommandeur 
ein,  der  Feldzng  von  1809  die  Ernennung  zum  Grafen.  Im  Feldzuge  von 
1812,  wo  er  sich  wiederholentlich  auszeichnete,  erhielt  er  seine  22.  Wunde. 
Er  starb  1821  im  Alter  von  49  Jahren  in  hohen  Stellungen  bei  Ludwig  XVIII. 

')  Das  Folgende  ist  aus  Blech,  Geschichte  der  7jährigen  Leiden  Danzigs 
von  1807—1814,  Danzig  1815,  entnommen. 


^u 


am  24.  Augast  1807  eine  Zwangsanleibe  ausgeschrieben,  und 
als  die  Bürgei*scbaft  die  Zablung  verweigerte,  wurden  die  24 
reichsten  Bürger  verhaftet.  Es  wurden  damit  3V»  Millionen  Fran- 
ken aufgebracht.    Sie  reichten  bei  weitem  nicht  aus.    Im  März 

1808  wurde  schon  die  fünfte,  im  Oktober  die  siebente  Zwangs- 
anleihe aufgelegt.  Beschwerden  der  Stadt  und  selbst  eine  Ge- 
sandschaft nach  Paris  und  zum  General-Intendanten  Daru  nach 
Berlin  blieben  ohne  Erfolg.  Die  Schuldenlast  der  Stadt  war 
Ende  1808  schon  auf  30  Millionen  Franken  gestiegen.    Im  Jahre 

1809  zur  Theilnahme  an  dem  Feldzug  gegen  Oesterreich  abbe- 
rufen, legte  Bapp  der  Stadt  nahe,  welchen  vortheilhaften  Ein- 
druck es  auf  den  Kaiser  machen  niüsste,  wenn  er  als  Zeugniss 
für  die  gute  Gesinnung  der  Stadt  einen  Ehrensäbel  von  ihr 
vorzeigen  könnte.  Die  Stadt  gab  dafür  8000  Thaler  aus  und 
veranstaltete  ein  grosses  Abschiedsfest.  Er  machte  Hoffnung, 
dass  er  den  Kaiser  bestimmen  werde,  die  Kriegskontribution 
zu  ermässigen.  Doch  kam  er  1810  ohne  solche  Erleichterung 
der  Stadt  zurück,  drang  ihr  vielmehr  den  Ankauf  der  Pali- 
saden, die  er  als  sein  Eigen thum  betrachtete,  weit  über  ihren 
Werth  mit  250000  Franken  auf.  Schon  vorher  hatte  er  die  so- 
genannten königlichen  Gebäude,  die  durch  die  Kapitulation  an 
Frankreich  gefallen  waren,  an  die  Stadt  für  510000  Franken 
verkauft,  was  jedoch  nicht  hinderte,  dass  er  sie  fortbenutzte 
und  bei  der  Armirung  gegen  Russland  viele  andere,  darunter 
36  Speicher,  hinzunahm.  Kaperbriefe,  die  er  an  zwei  Franzosen 
ausgegeben  hatte,  brachten  den  Hafen  von  Danzig  in  Verruf. 
Doch  eröffnete  er  sich  auch  hieraus  eine  Einnahmequelle,  indem 

1810  zahlreiche  Schiffe,  angeblich  mit  Ballast  beladen,  in  der 
That  aber  mit  Kolonial waaren,  gegen  eine  Abgabe  von  7V» 
Procent  an  den  Guverneur,  in  den  Hafen  einlaufen  durften. 
Das  sehr  bedeutende  Einkommen,  welches  die  Stadt  von  der 
grossen  Mühle  hatte,  ging  ihr  verloren,  weil  die  Mühle  für  die 
Besatzung  in  Beschlag  genommen  wurde.  Alles  das  geschah 
in  Friedenszeiten  gegen  alles  Recht.  Der  drohende  Ausbruch 
des  Krieges  mit  Russland  legte  der  Stadt  noch  ganz  andere 
Lasten  auf.  Schon  am  6.  April  1811  erliess  Napoleon  den  Be- 
fehl, dass  die  Stadt  nicht  nur  auf  ein  Jahr  die  Verproviantirung 
für  16000  Mann  und  1000  Pferde  beschaffen,  sondern  auch  die 


fortlaufende  Verpflegung  der  halben  Garnison,  die  sich  1811 
auf  23000  Mann  steigerte,  übernehmen  solle.  Eapp  und  ein 
französischer  Kaufmann  übernahmen  die  Lieferung  und  liqui- 
dirten  allein  für  die  Monate  April,  Mai  und  Juni  1811  425000 
Franken.  Die  Stadt  erklärte  sich  unfähig  zu  diesen  Leistungen 
und  überliess  dem  Guverneur,  Zwangsmassregeln  eintreten  zu 
lassen.  Aber  die  Mittheilung  desselben,  dass  er  unterm  11.  April 
die  Ermächtigung  erhalten  habe,  den  Belagerungszustand  zu 
erklären  und  die  demnächstige  Arretirung  von  4  Regierungsnüt- 
gliedern  *)  und  Belegung  der  übrigen  Mitglieder  der  Ordnungen 
mit  Einquartirung  ^),  sowie  die  Drohung,  die  ganze  Garnison  zur 
Execution  bei  dei*  Bürgerschaft  einquartieren  zu  lassen,  machten 
die  Stadt  gefügig. 

Alle  möglichen  Steuern  und  Zwangsanleihen  waren  jedoch 
nicht  imstande,  die  Summen  zu  bestreiten,  die  fällig  wurden. 
Schon  im  Anfange  des  Jahres  1812  war  die  Stadt  mit  einer 
Million  im  Rückstande.  Es  kam  so  weit,  dass  die  Kirchen  ihrer 
goldenen  und  silbernen  Gefässe  beraubt  und  den  Lehrern  und 
Geistlichen  das  Gehalt  verkürzt  werden  musste.  Dazu  traten 
nun  die  Durclimärsche  nach  Russland.  Man  veranschlagt  die 
Truppenzahl,  welche  Danzig  passirt  hat,  auf  80000  Mann,  die 
verpflegt  werden  mussten.  Napoleon  bewilligte  dafür  monat- 
lich 500000  Franken,  die  jedoch  bei  weitem  nicht  ausreichten. 
Bei  seiner  Durchreise  durch  Danzig  1812  eiwiderte  er  der  De- 
putation, die  die  Beschwerden  der  Stadt  anbrachte:  „Ich  be- 
zahle Alles,  das  wird  sich  finden."     Rapp  nahm  er  mit  sich^). 

^)  Das  GnvernemeDt  hatte  4  Begierlingsmitglieder,  zwei  Senatoreu, 
einen  Schoppen  und  den  Sprecher  der  3.  Ordnung  direkt  aufgefordert,  einer 
Kommission  beizutreten,  die  unter  dem  Vorsitz  des  Generals  Bachelu  berathen 
sollte,  wie  das  geforderte  Geld  beizutreiben  sei.  Da  sie  sich  weigerten,  der 
Kommission  beizutreten,  weil  sie  sich  nicht  gegen  ihre  Mitbürger  gebrauchen 
lassen  wollten,  wurden  sie  verhaftet  und  sollten  nach  Hamburg  zum  Mar- 
schall Davoust  deportirt  werden.    Blech  1,  289. 

')  Jeder  Senator  erhielt  12,  jeder  Schöppe  8,  jeder  Hundertmann  4  Mann, 
denen  täglich  ein  Frühstück,  vollständiges  Mittag-  und  Abendessen,  eine 
Flasche  Wein  und  Vt  Thaler  gegeben  werden  musste.    Blech  1,  289. 

')  Napoleon  hielt  sich  vom  7.  bis  11.  Juni  in  Danzig  auf.  Bapp  folgte 
am  23. ,  erhielt  aber  unterwegs  in  Braunsberg  den  Befehl  zurückzukehren, 
weU  die  Engländer  mit  einer  Landung  drohten.    Auf  weiteren  Befehl  reiste 

Köhler,  Geschichte  der  Festungen  Danzig  und  Weichselmilnde.    II.  16 


£26 

Danzig  erhielt  bei  Ausbrach  des  Krieges  von  1812  eine 
ausserordentliche  Bedeutung.  Schon  der  Feldzug  von  1807  hatte 
die  Wichtigkeit  erkennen  lassen,  die  Danzig  durch  seine  Lage 
hat.  Der  Ausgang  des  Krieges  hatte  von  seinem  Besitz  abge- 
hangen. Napoleon  hatte  daher,  sobald  sich  die  Verhältnisse  mit 
Russland  zu  trüben  begannen,  i.  J.  1811  den  Befehl  ertheilt, 
die  Stadt  in  einer  Weise  zu  befestigen,  die  ihrer  günstigen  Lage 
entsprach.  Er  emannte  zu  dem  Zweck  eine  Kommission,  be- 
stehend aus  den  Brigade-Generalen  im  Ingenieur-Korps  Haxo 
und  Chamberlhac  und  dem  Ingenieur  des  Platzes,  Oberst  Bicke- 
mont^).  Der  Danziger  Deputation  gegenüber  äusserte  er  sich: 
„Ich  werde  Ihre  Stadt  besetzt  behalten,  sie  enthält  die  Mün- 
dung der  Weichsel  und  bildet  den  Markt  Polens^)".  In  diesen 
Eigenschaften  hatte  schon  Gustav  Adolf  die  Bedeutung  Danzigs 
aufgefasst  und  seinen  Besitz  angestrebt.  Mit  einer  zahlreichen 
Besatzung  versehen,  beherrscht  Danzig  die  untere  Weichsel  und 
zwingt  die  angreifende  Armee,  sich  in  seinen  Besitz  zu  setzen, 
bevor  sie  weitere  Schritte  thun  kann.  Für  den  Fall  eines 
Bückzugs,  wie  desjenigen  der  Franzosen  1812,  ist  es  mit  seinen 
weitläuftigen  Werken  einschliesslich  Weichselmünde  und  Neu- 
fahrwasser geeignet,  eine  ganze  Armee  aufzunehmen  und  dem 
Gegner  Halt  zu  gebieten.  Der  Zustand  der  französischen  Armee 
und  die  Jahreszeit  haben  das  damals  verhindert.  Danzig  bietet 
ausserdem  einen  vorzüglichen  Depotplatz,  da  es  als  Handels- 
emporium  und  als  volkreiche  Stadt  ^)  viele  Hilfsquellen  bietet. 
Als  solches  hat  es  sich  bei  dem  Vormarsch  der  französischen 
Armee  1812  vorzüglich  bewährt*). 


er  dann  am  3.  August  wieder  zur  grossen  Armee  nacb,  drei  Wochen  später 
erschien  eine  englische  Flotte  von  Kriegsschiffen  auf  der  Danziger  Bhede 
und  bombardirte  ohne  Erfolg  Weichselmünde. 

')  d'Artois.    Relation  de  la  defense  de  Danzig  en  1813.    Paris  1820. 

«)  Blech  1,  274. 

")  Danzig  hatte  1813  30000  Einwohner.  Ebenda.  d'Artois  giebt  S.  3 
irrthUmlich  40000  an.  Die  Zahl  der  Einwohner  war  seit  1807  bedeutend 
zurückgegangen. 

*)  Blech  giebt  uns  1,248 ff.  ein  lebensvolles  Bild  davon:  „Das  Gewühl 
in  der  Stadt  wurde  immer  grösser.  Viele  tausend  arbeitende  Hände  waren 
geschäftig,  jeder  Handwerker  in  voller  Arbeit,  jeder  Arbeitsmann  in  voller 
Bewegung,  die  Strassen  voll  gehender  und  kommender  belasteter  Wagen  .... 


^-T 

Der  von  der  Kommission  dem  Kaiser  vorgelegte  Plan  der 
Befestigung  Danzigs  wurde  von  ihm  im  ganzen  Umfange  ge- 
nehmigt.   Die  Stadt  wurde  durch  dessen  Ausführung  zum  be- 

Wohin  man  sah,  wurde  gearbeitet.  Das  alte  Zeughans  in  der  WoUweber- 
gasse  war  eine  grosse  Gewerkstätte,  hier  hämmerten  und  pochten  Tag  und 
Nacht  Schmiede,  Zimmerleute  und  andere  Holzarbeiter  hauptsächlich  Laffeten 
und  andere  Dinge,  eben  das  geschah  auf  dem  Wallplatz  am  Lege-Thor,  wo 
grosse  Schuppen  zu  Schmieden  errichtet  wurden,  eben  dies  im  Schiessgarten. 
Die  zahllose  Menge  des  gefertigten  wurde  dann  auf  dem  freien  Platze  am 
Lege-Thor  und  im  Schiessgarten  aufgestellt  Ansserdem,  mussten  noch  die 
Schmiede  eine  Menge  Spaten  und  andere  Geräthe,  die  Zimmerleute  Karren, 
Schaufeln  u.  s.  w.  liefern.  Die  Kirche  von  S.  Oatharinen  musste  zu  Stell- 
macherarbeiten eingeräumt  werden.  Sie  wurde  ganz  aufgeräumt  und  zu 
einer  Werkstätte  für  Schmiede  eingerichtet.  Bald  bedeckte  sich  der  Kirch- 
hof und  die  benachbarten  Strassen  mit  einer  unzähligen  Menge  von  Trans- 
portwagen. Zu  ihrem  Vorgespann  war  eine  Menge  requirirter  Ochsen  be- 
stimmt, welche  in  eignen  dazu  erbauten  Ställen  im  Kneipab  gehalten  und 
von  einem  ordentlich  mit  Officieren  militairisch  eingerichteten  Korps  von 
Ochsentreiberu  bedient  wurden.    Diese   holten  dann  von  Zeit  zu  Zeit  die 

Wagen  ab Wandte  sich  der  Blick  auf  die  Schiffs  werfte,  so  war 

auch  hier  alles  in  lebendiger  Bewegung,  um  Pontons  zu  bauen.  Auch  an 
diesen  Fahrzeugen  wurden  viele  hundert  gefertigt  und  zu  jedem  ein  eigner 
Wagen I  der  das  Boot  und  zugleich  alles  dazu  nüthige,  Dielen  zu  Brücken, 
Anker,  Ruder,  Schaufeln  n.  s.  w.,  trug.  So,  sehr  nett  gearbeitet,  wurden  sie 
bis  zam  künftigen  Gebrauch,  besonders  vor  dem  Lege-Thor,  längst  der 
Mottlau  bis  Klein-Bürgerwald  auf  ihren  Wagen  mit  allem  Zubehör  aufge- 
stellt Indess  arbeiteten  stiller  aber  in  grosser  Menge  manche  andere  Ge- 
werke.  Der  schöne  Saal  im  russischen  Hause,  den  wir  im  vorgehenden  glanz- 
voU  zu  den  Bällen  hergerichtet  sahen,  war  zu  einer  Kleiderfabrik  umge- 
ändert; wo  sich  ehedem  lustig  die  Füsse  bewegten,  arbeiteten  jetzt  emsig 
fleissige  Hände.  Der  ganze  Saal  war  mit  Arbeitenden  dieser  Klasse  besetzt ; 
eine  Menge  Meister  schnitten  zu  und  eine  noch  grossere  Menge  Gesellen 
and  Barschen  verfertigten  Tag  und  Nacht  alle  Arten  von  Soldatenkleidem. 
Anf  gleiche  Weise  waren  alle  Schuster,  Sattler  u.  s.  w.  aufgeboten  und  für 
sie  Plätze  ansgemittelt,  oder  sie  arbeiteten  in  ihren  Wohnungen.  Alles  ver- 
fertigte wnrde  in  ein  grosses  Magazin  abgeliefert,  und  dazu  hatte  sich  die 
Dreifaltigkeits-  oder  Graumönchenkirche  hingeben  müssen;  von  hier  aus 
wurden  die  allenthalben  requirirten  oder  auch  herbeigeführten  Tücher,  Zeuge 
u.  8.  w.,  die  in  ungeheuren  Massen  dort  lagen,  abgeholt  und  hierhin  'das 
verfertigte  wieder  abgeliefert.  Späterhin,  als  die  Wagenarbeiten  in  S.  Oa- 
tharinen ihr  Ende  erreicht  hatten,  wurde  diese  Kirche  zu  einem  gleichen 
Magazin  gebraucht.  Noch  auf  einer  andern  Seite  gerieth  alles  in  emsige 
Thätigkeit  £ine  grosse  Menge  des  requirirten  Getreides  wurde  nach  der 
grossen  Mühle  und  den  Mühlen  ringsumher  gefahren   und  von  dort  wieder 


^20 


deutendsten  Waffenplatz  des  Nordens  erhoben,  aber  diese  Aus- 
flihrang  erforderte  eine  ganze  Reihe  von  Jahren.     Obgleich 


abgeholt,  mehreres  Mehl  kam  schon  ans  der  Feme  aus  andern  Vorräthen. 
Eine  grosse  Bäckerei  mit  10  Oefen  war  am  Sack,  nnweit  des  englischen 
Dammes  angelegt.  Schon  waren  viele  Feldbäcker  verschrieben  nnd  Tag  und 
Nacht  worden  hier  Zwiebäcke  verfertigt,  die  in  Fässer  verpackt,  in  mehreren 
Speichern  für  die  Zuknnft  aufbewahrt  wurden,  so  welchem  Zweck  auch  die 
Bötticher  nicht  genug  Hände  schaffen  konnten,  60000  Fässer  zu  liefern. 
Neben  der  Bäckerei  wurde  i.  J.  1812  noch  eine  Schlächterei  eingerichtet. 
Endlich  hatten  die  Maurer  und  alle  Bauhandwerker  unaufhörlich  zu  thun. 
Schon  bestehende  Gebäude  wie  die  Kirchen  und  die  Speicher  mnssten  zn 
Werkstätten,  Verwahrungsplätzen  n.  s.  w.  eingerichtet  werden;  ganz  neue 
Gebäude  erhoben  sich,  z.  B.  jene  Bäckerei,  das  Beduit  auf  dem  Hagelsberge, 
das  massive  und  einfach  schöne  Pulvermagazin  auf  dem  Langgartener  Wall,  die 
mit  vielem  Aufwände  von  Kunst  und  Festigkeit  errichtete  Stückgiesserei  im 
Stadthofe,  wenigstens  6  Rossmühlen  u.  a.  m.  Doch  gehörten  zu  diesen  Zu- 
rüstungen  noch  mancherlei  andere  Dinge.  Ausser  der  ungefragten  Besitz- 
nahme von  vielen  Speichern  und  Kirchen  und  andern  öffentlichen  Grebäuden 
zum  Gelass  für  die  Bedürfnisse  der  Armee,  gehört  hierher  die  Ankunft  von 
einer  Menge  Pulver,  Geschütz,  Geld  u.  s.  w.  Lange  Reihen  von  Wagen, 
von  Ck>lberg  und  Stettin  kommend,  ....  zogen  meistens  über  die 
Wälle,  lun  unter  dieselben  abgeladen  zu  werden;  zu  gleicher  Zeit  kam  Ge- 
schütz an  und  wurde  noch  mehreres  in  Jachten  und  Oderkähnen  verladen; 
hunderte  von  Wagen  mit  Ammunition  kamen  nnd  gingen;  eine  unzählige 
Menge  Geräthschaften  aller  Art  langte  an,  ins  Depot  gelegt  zu  werden. 
Femer  wurde  eine  Anzahl  von  Aerzten,  Chirurgen,  Apothekern  für  die  blei- 
benden Hospitäler  requirirt,  indem  alle  bei  der  Armee  befindlichen  mit  dieser 
wegziehen  mnssten.  Endlich  gehörte  zu  diesen  Zurüstungen  die  Requisition 
alles  Getreides,  hauptsächlich  aber  auch  anderer  für  die  Armee  brauchbarer 
Dinge,  wie  gewöhnlich  für  einen  selbst  bestimmten  niedrigen  Preis,  der  auch 
nicht  bezahlt  wurde.  Zehntausend  Last  Weizen  und  Roggen  wurden  zur 
Ablieferung  an  die  kaiserlichen  Magazine  ohne  weiteres  abgefordert  und  da- 
bei nicht  einmal  die  Vorstellung  entgegengenommen,  dass  darunter  sich 
vieles  fremde  nur  hier  niedergelegte  Eigenthum  befinde.  Man  nahm,  was 
man  fand,  und  rühmte  sich  dabei  wunder  wie  gerecht  man  dabei  verfahren 
habe.  Damit  aber  ja  nicht  von  diesen  und  mehreren  nöthigen  Waaren  zu- 
viel versteckt  wurde,  mnssten  die  Speicher  mit  Wachen  besetzt  und  alle  Vor- 
räthe  nachgesehen  werden.  Galt  die  Vorstellung  der  beraubten  Kaufleute 
nicht,  so  galt  die  Vorstellung  der  Regierung  ebensowenig,  dass  doch  un- 
möglich alles  genommen  werden  könne,  dass  doch  ja  auch  die  Einwohner 
der  Stadt  zu  ihren  Bedürfnissen  etwas  behalten  müssten.  Doch  meinte  mau, 
hier  etwas  thun  zu  müssen,  und  gab  aOOLast  frei;  eine  fast  lächerliche  Be- 
willigung, da  bei  dem  jährlichen  Bedarf  der  Stadt  von  ungefähr  6000  Lasten, 
sie  so  nur  für  5  Wochen  erhielt  und  dann  aus  den  kaiserlichen  Magazinen 


229 

daher  in  den  Jahren  1811  nnd  1812  fleissig  gearbeitet^)  und 
7  bis  8  Millionen  darauf  verwendet  worden  waren,  befand  sich 
die  Festung  im  Anfange  des  Jahres  1813,  wo  sie  in  Thätigkeit 
trat,  noch  in  einem  unförmlichen  Zustande.  Ein  Theil  der  pro- 
jektirten  Werke  war  noch  gar  nicht  angefangen,  andere  noch 
nicht  vollendet,  die  Ausbesserung  der  alten  Befestigung  war 


kaufen  soüte;  eine  freche  Finanzoperation,  worauf  diese  wie  viele  andere 
Unternehmungen  hinausliefen.    Ebenso  wie  dem  Getreide,  ging  es  später  dem 

Wein,  Branntwein,  Tabak  u.  s.  w Die  Depots  von  48  Begimentem 

wurden  nach  Danzig  verlegt,  d.  h.  die  Unnützen,  die  Kranken,  die  Bekruteu 
hatten  hier  ihren  Standort  ....  Dann  wurde  die  Stadt  verurtheilt,  im 
Rücken  der  grossen  Armee  für  dieselbe  Lazarethe  für  ungeftthr  8000  Mann 
zu  halten.  Das  gehörte  zu  dem  Schrecklichsten,  was  hier  gegen  Becht  und 
Eigentlium  ausgeübt  wurde.  Zum  Gelasse  waren  bestimmt  und  mussten  be- 
stimmt werden  das  Kloster  zu  Oiiva,  das  ganze  Gymnasiumsgebäude,  das 
Lfcent,  das  Dominikanerkloster,  das  Jesuiterkloster  zu  Schottland,  mehrere  soge- 
nannte Ambulancen,  und  diese  Gebäude  mussten  nicht  allein  eingerichtet,  sondern 
mit  aUen  Utensilien,  Bettgestellen,  Betten  und  allem  Geräthe  versehen  werden, 
welche  beim  Mangel  aller  Schonung  oft  verbraucht,  immer  von  neuem  au- 
geschafft werden  mussten,  wobei  es  an  tausendfachen  Unterschleifen  nicht 
fehlte  ....  Im  Mai  1812  erschien  eine  Aufforderung  an  das  Publikum,  an 
die  Unglücklichen  im  Lazarethe  Hemden,  Laken,  Mützen,  Handtücher  u.  dgl. 
von  ihrem  Vorrathe  aus  Milde  und  Wohl  thätigkeit  zu  liefern;  aber  nicht 
genug,  dass  eine  solche  Bitte  im  Grunde  nur  ein  anders  eingekleideter  Befehl 
war:  sondern  in  demselben  Augenblicke  ernannte  das  Guvemement  245  Per- 
sonen, die  4000  Hemden  und  ebensoviel  Bettlaken  u.  dgl.  innerhalb  drei 
Tagen  liefern  sollten.  Vergebens  waren  bei  diesen  und  tausend  andern  For- 
derungen Weigerungen;  sie  konnten  allenfalls  ein  paar  Tage  die  Sache  ver- 
zögern, bisweilen  etwas  mildem,  aber  sie  aufheben  nie''. 

d^Artois,  der  die  Leistungsf ähigkeit  Danzigs  als  Depot  aus  eigner  Erfah- 
rung kannte,  sagt  darüber  S.  3:  „Cette  ville  eu  effet,  qui  comptait  plus  de  40000 
ämes  (?),  est  le  d§p6t  de  presque  toutes  les  denr6es  de  la  Pologne :  eile  offre, 
par  les  seuls  secours  de  sa  population,  de  sa  Industrie  et  de  son  commerce  ma- 
ritime, des  ressources  immenses  en  tout  genre  pon  une  arm^e  nombreuse. 
On  peut  facilement  y  faire  confectionner  tout  se  qui  est  n^cessaire  ä  Tarme- 
ment,  ä  Thabillement  et  ä  T^quipement  des  troupes.  Ses  vastes  approvi- 
sionnements  de  bois  et  ses  chantiers  de  construction  permettent  de  se  pro- 
corer  promptement  des  transports,  des  barques,  des  canonni^res,  des  ^quipages 
de  pont.  Ses  arsenanx  et  ses  magazins,  augment^s  et  approvi8ionn6s  par 
les  soins  du  gouvemement  fran^is,  6taient  remplis  de  munitions  de  guerre 
et  d'ane  artillerie  formidable  de  si^e  et  de  campagne. 

')  Nach  Blech  1,  247  waren  8000  Arbeiter  ans  den  preussischen  Ge- 
bieten dabei  beschäftigt 


230 


noch  gar  nicht  in  Angriff  genommen  worden*).  Der  Platz 
hätte  einem  gewaltsamen  Angriff  nicht  widerstehen  können.  Da 
aber  die  Russen  bei  ihrer  Ankunft  vor  der  Stadt  im  Januar 
1813,  wo  auch  der  Zustand  der  Besatzung,  die  zugefrorenen 
Gräben  und  die  eisbedeckte  Inundation  zu  einem  gewaltsamen 
Angriff  aufgefordert  hätten ,  davon  abstanden ,  so  gewann  die 
Befestigung  nach  einigen  Monaten  durch  unerhörte  Anstrengung 
des  Ingenieurkorps  und  der  Besatzung  eine  Stärke,  die  nicht 
bloss  einem  gewaltsamen,  sondern  auch  einem  förmlichen  An- 
griff gewachsen  war. 

Die  Befestigung  von  Danzig  und  Weichselmünde  hat  da- 
mals die  Gestalt  angenommen,  die  sie  noch  Jahrzehnte  be- 
halten hat. 


A.    Die  Befestigungsbauten   der  Jahre  1811  und  1812. 

Die  in  den  Jahren  1811  und  1812  in  Danzig  ausgeführten 
Arbeiten  an  der  Befestigung  haben  sich  vorherrschend  mit  der 
Verstärkung  des  Bischofs-  und  Hagelsberges  und  mit  dem  Neu- 
bau der  Befestigung  der  Holminsel  befasst.  Die  alte  Befesti- 
gung des  Bischofsberges,  wie  sie  aus  dem  17.  Jahrhundert 
überkommen  war,  bestand  aus  einer  Anhäufung  von  Werken 
in-  und  nebeneinander,  die  eine  gegenseitige  Vertheidigung  nur  in 
einem  beschränkten  Masse  zuliessen  und  wiegen  geringem  Relief 
und  unbedeutenden  Gräben  nicht  gegen  einen  gewaltsamen  An- 
griff schützten,  da  sie  nur  in  Erde  ausgeführt  waren.  Bei  der 
Belagerung  von  1807  waren  sie  nur  durch  die  Blockhäuser  in 
den  eingehenden  Winkeln  des  gedeckten  Weges  und  durch  eine 
starke  Palisadirung  sturmfrei  hergestellt  worden.  Es  war  hier 
eine  ganz  neue  Anordnung  der  Werke  erforderlich,  indem  mehrere 
Theile  ausgeschieden,  andere  hinzugefügt  und  dem  Terrain  an- 
gepasst  werden  mussten.  Man  erreichte  das  durch  Erweiterung 
des  Ravelins  Mittel  -  Scharf euort  und  durch  Hereinziehung  des 
Stolzenberges  in  die  Befestigung  durch  Erbauung  der  Lünette 


»)  d'Artois  S.  29. 


231 

Cafarelli  (jetzt  Knesebek)  auf  diesem  Berge.  Die  Beherr- 
schung des  Stolzenbcrger  Grundes  wurde  durch  Anlage  der 
Lünette  Leclerc  (Htinerbein)  sichergestellt.  Ein  äusserer  ge- 
deckter Weg  sicherte  die  Verbindung  der  Limetten  mit  der 
Hauptenceinte  des  Berges,  der  ausserdem  auf  der  rechten  Seite 
isolirt  und  durch  Erweiterung  der  alten  Schwedenschanze  mit 
einem  Reduit  versehen  wurde.  Das  letztere  Werk  wurde  mit 
Gräben  und  einem  gedeckten  Wege  versehen. 

Der  Hagelsberg  erhielt  durch  Erbauung  eines  gemauerten 
Reduits  von  mehreren  Stockwerken  und  einer  bombensicheren 
Eindeckung  eine  wesentliche  Verstärkung.  Das  Gebäude  wurde 
durch  eine  bedeckte  Kommunikation  mit  dem  Hauptgraben  der 
Stadtbefestigung  verbunden  und  durch  Retrancheraents  zur  Seite 
derselben  abgeschlossen.  Vor  der  Spitze  des -linken  Halbbas- 
tions wurde  eine  Lünette,  Senarmont  (Borstell),  angelegt  und 
das  Ravelin  Hagel  mit  Holz  revetirt.  Alle  diese  Werke  waren 
zu  Anfang  des  Jahres  1813  noch  unvollendet.  Dies  gilt  auch 
von  der  Befestigung  der  Holm  ins el,  die  im  grossartigsten  Style 
angelegt  wurde.  Der  Entwurf  dazu  macht  den  französischen 
Ingenieuren  alle  Ehre.  Während  die  bisherigen  Versuche,  die 
Insel  zu  befestigen,  sich  auf  die  Umfassung  derselben  be- 
schränkten, erkannte  die  französische  Kommission  die  Nothwen- 
digkeit,  die  Insel  mit  der  Stadtbefestigung  sowohl  als  mit 
Weichselmünde  in  die  engste  Beziehung  zu  setzen.  Es  wurden 
daher  an  der  Weichsel  zu  beiden  Seiten  der  Abzweigung  der 
Laake  Brückenköpfe  erbaut  und  dem  linken,  auf  der  Holminsel 
gelegenen,  eine  Ausdehnung  gegeben,  dass  er  zu  einem  ver- 
schanzten Lager  dienen  konnte.  Dasselbe  wurde  von  mehreren 
grossen  Lünetten  umschlossen,  die  sich  links  an  die  Weichsel 
und  rechts  au  die  Laake  lehnten^).  Ein  Reduit  in  Gestalt 
eines  Kronwerks  diente   als  zweiter  Brückenkopf*).     Die  Ver- 


^)  Die  Lünette  des  zur  Nehrung  führenden  Brückenkopfs  rechts  der 
Laake  erhielt  den  Namen  Yalongue  (heut  Dohna);  die  sich  auf  dem  linken 
Ufer  der  Laake  anschliessende  Lünette  hiess  Tholoz6  (heut  Oppen);  die 
übrigen  der  Beihenfolge  nach  hiessen  Thenlli^  (Hake),  Sorbier  (Thümen), 
(vorbineau  (Wobeser)  und  Meunier  (Hirschfeld).  Zwischen  den  Lünetten  Sor- 
bier und  Meunier  war  das  come  du  Holm  eingeschoben. 

')  Gegenwärtig  Prinz  von  Hessen  Homburg  genannt. 


232 


bindung  mit  Weichselmünde  wurde  durch  das  Fort  Napoleon 
(jetzt  Kronprinz)  gesichert,  das  in  Gestalt  einer  viereckigen 
bastionirten  Redute  zu  beiden  Seiten  der  Laake  in  der  Nähe 
der  Ausmfindung  derselben  in  die  Weichsel,  also  an  der  Stelle 
erbaut  wurde,  die  bereits  vom  General  Perceval  1649  für  ein 
grösseres  Werk  ausersehen  war.  Der  auf  dem  rechten  Ufer 
der  Laake  gelegene  Theil  bildet  einen  Brückenkopf  zur  Neh- 
rung und  hat  eine  selbständige  dreieckige  Form ').  Eine  dop- 
pelte Kaponiere  verband  das  Fort  vorwärts  mit  Weichselmünde 
und  rückwärts  mit  dem  verschanzten  Lager.  Erstere  wurde 
durch  die  Redute  d'Hautpoul  (jetzt  Hamberger),  letztere 
durch  die  Redute  St.  Hilaire  (jetzt  Laurens )  geschützt.  Der 
grösste  Theil  dieser  Werke  war  zu  Anfang  des  Jahres  1813 
noch  ohne  gedeckten  Weg,  ohne  Verbindungen  und  ohne  ge- 
deckte ünterkunftsräume,  sowie  ohne  Pulvermagazine. 

Um  sich  eine  Verbindung  mit  dem  Werder  offen  zu  halten, 
wurde  die  zum  Schutz  der  Rückforter  Schleuse  vorhandene 
Schanze  zu  einem  Fort  erweitert,  das  den  Namen  Lacoste 
(jetzt  Kaikreuth)  erhielt.  Es  war  1813  bis  auf  die  ünter- 
kunftsräume beendet.  Die  Vorstadt  Kneipab  wurde  mit  einer 
Umfassung  versehen,  welche  die  Gestalt  eines  Kronwerks  er- 
hielt, das  mit  einem  Ravelin  und  zu  beiden  Seiten  mit  Lünetten 
versehen  werden  sollte.  Doch  nur  die  rechte  Lünette  war 
anfang  1813  nahezu  beendet,  das  Ravelin  und  die  linke  Lünette 
noch  nicht  angefangen.  Das  Kronwerk  erhielt  den  Namen 
Desaix  (heut  Prinz  Karl  von  Mecklenburg)  *).  Die  Ausführung 
der  Arbeiten  in  den  Jahren  1811  und  1812  leitete  der  Ingenieur 
vom  Platz,  Oberst  Richemont*). 


*)  Der  auf  dem  linken  Ufer  der  Laake  gelegene  Theil  existirt  heut 
nicht  mehr. 

»)  Das  Vorstehende  nach  d'Artois  S.  29  If. 

')  Der  General  Campredon,  Chef  des  Ingeuieurkorps  von  Danzig  1813, 
sagt  von  ihm  in  seinem  „Rapport  sur  Jes  travaux  du  Gönie"  vom  3.  Decem- 
ber  1813:  Ms.  le  colonel  de  Richemont,  directeur  des  fortifications,  a  d^ve- 
lopp6  des  talcns  tres  distingu6s,  des  qualit^s  pr^cieuses,  et  nn  z^Ie  infatigable, 
qui  lui  ont  concili^  Testime  et  Tattachement  de  tonte  la  garnison-     Charge, 


233 


B.  Zustand  der  Werke  am  Ende  des  Jahres  1812. 

Der  Divisions- General  und  Kommandeur  des  Ingenieur- 
koi*ps  in  Danzig  1813,  Campredon,  lässt  sich  in  seinem  Rapport 
über  die  Arbeiten  des  Ingenieurkorps  während  der  Vertheidi- 
gung  der  Stadt  1813  über  die  Beschaffenheit  der  Werke,  wie  er 
sie  bei  seiner  Ankunft  in  Danzig  mitte  Januar  vorfand,  *)  wie 
folgt  aus: 

„Der  Theil  der  Umfassung  der  Stadtbefestigung,  welcher 
den  Bergen  zugewendet  ist  (die  sogenannte  hohe  Front),  war  in 
ziemlich  gutem  Zustande,  aber  der  Rest  des  Umzuges,  soweit 
er  von  der  Inundation  und  der  Weichsel  umgeben  war,  befand 
sich  in  einem  äusserst  schwachen  Zustande.  Die  Brustwehren 
und  Faussebraien  innerhalb  dieser  Ausdehnung  waren  formlos 
und  leicht  zugänglich,  hatten  nur  eine  einzige  Reihe  alter  Pali- 
saden, die  an  vielen  Orten  schadhaft  waren  und  das  alleinige 
Hinderniss  gegen  einen  gewaltsamen  Angriff  bildeten,  da  die 
Gräben  gefroren  waren  und  ein  gedeckter  Weg  auf  diesen  14 
Fronten  nicht  vorhanden  war.  Von  den  Redans  in  den  einge- 
henden Waffenplätzen  waren  kaum  noch  Spuren  erkennbar,  die 
bei  einem  hohen  Stande  der  Inundation  gänzlich  verschwanden. 
Das  Fort  Desaix,  welches  das  Langgartenthor  deckt,  war  in 
brauchbarem  Stande,  obgleich  das  Ravelin  noch  fehlte.  Der 
grosse  und  kleine  Brttckenkopf  auf  der  Hol  min  sei  war  ziemlich 
weit  vorgeschritten,  bedurfte  aber  noch  bedeutender  Arbeiten 
zur  Herstellung  gedeckter  Räume  und  Pulvermagazine,  von 
denen  noch  kein  einziges  vorhanden  war.  Von  den  7  vorge- 
schobeneu Lflnetten  des  grossen  Brückenkopfs  waren  3  ziemlich 
beendet,  die  andern  zum  Theil  nur  tracirt. 

Das  gemauerte  Reduit  des  Hagelsberges   war  ziemlich 


k  Dantzig,  de  la  direction  des  travaux  du  genie  depuis  plus  de  trois  ans, 
on  peut  dire,  quMl  est  en  quelqne  sorte  le  cr^ateur  des  ouvrages,  qui  ont  port6 
üb  un  si  haut  degr6  la  force  de  cette  place,  laqueUe  se  trouvait  hon  d*6tat 
de  defense  au  commencement  du  blocus,  ces  ouvrages  n^ayaut  pu  encore  §tre 
achev^s. 

^)  Auriol;  defense  de  Dantzig  eu  1813.  Journal  du  siege,  Journal  per- 
sonnel  du  g^n^ral  de  division  de  Campredon  commandant  le  g^nie  du  X.  Corps. 
Paris  1886.    8.  273  ff. 


234 


fertig,  dagegen  das  Ravclin  (Hagel)  noch  sehr  zurück.  Der 
gedeckte  Weg,  die  Blockhäuser  und  die  gedeckten  Verbindun- 
gen mit  den  Aussenwerken  waren  noch  sehr  unvollkommen, 
so  dass  das  Fort  gegen  einen  Handstreich  nicht  gesichert  war. 

Die  Front  des  Olivaer  Thors  war  äusserst  schwach, 
namentlich  befanden  sich  die  Brustwehren  und  der  gedeckte 
Weg  in  sehr  schlechter  Beschaffenheit.  Dasselbe  war  der  Fall 
mit  der  Front  am  Neugartener  Thor,  welche  den  Bischofs- 
berg mit  dem  Hagelsberg  verbindet.  Hier  trat  noch  die  schlechte 
Disposition  der  Werke  hinzu,  so  dass  man  wegen  eines  gewalt- 
samen Angriffs  sehr  besorgt  sein  musste. 

Die  Wälle  des  Bischofsberges  hatten  im  allgemeinen 
bereits  die  projektirte  Form  erhalten,  aber  die  Palisadirungen 
waren  noch  sehr  unvollständig,  fast  alle  Blockhäuser  des  ge- 
deckten Weges  und  die  Kommunikationen  nach  den  Aussen- 
werken fehlten  noch ;  der  gedeckte  Weg  war  noch  sehr  unvoll- 
kommen und  der  äussere  gedeckte  Weg  kaum  begonnen.  Das 
ganze  Vorterrain  war  mit  Häusern  angefüllt,  unter  denen  sich 
einzelne  bedeutende  Gebäude  befanden.  Man  konnte  das  Fort 
kaum  gegen  einen  gewaltsamen  Angriff  gesichert  erachten. 

Die  Festung  Wcichselmünde  und  ihre  bedeutenden  Neben- 
werke (das  Fort  Montebello,  das  Retranchement  von  Neufahr- 
wasser und  der  Westerplatte)  waren  bisher  gänzlich  vernach- 
lässigt worden.  Die  ganze  Anlage  war  im  äussersten  Grade 
schwach.  Mit  Ausnahme  des  Fort  carre,  welches  dem  Ganzen 
als  Reduit  dient,  war  alles  übrige  einem  Handstreich  ausgesetzt. 

Das  Fort  Napoleon  und  die  Redute  d'Hautpoul,  die  im 
Verein  mit  dem  Holm  die  Verbindung  mit  Danzig  schützten, 
waren  noch  nicht  vollendet,  es  existirten  noch  keine  bomben- 
sicheren Räume,  sondern  nur  einige  provisorische  Baracken. 

Das  Fort  Lacoste  war  ziemlich  vorgeschritten,  doch  fehl- 
ten auch  hier  bombensicher  eingedeckte  Räume  und  Block- 
häuser. 

Noch  sei  erwähnt,  dass  der  sogenannte  Holzraum,  welcher 
in  Verlängerung  der  Olivaer  Front  an  der  Weichsel  lag,  äusserst 
dürftig  befestigt  war,  so  dass  man  die  Befestigung  der  Olivaer 
Front  schon  früher  davon  isolirt  hatte,  indem  man  vom  Bastion 
am  Rahm  ein  Retranchement  nach  dem  Bastion  Jakob  geführt 


235 


hatte,  das  hier  in  einer  Lünette  endigte*).  Der  gegenüberlie- 
gende, neugeschaffene  Brückenkopf  auf  dem  Holm  diente  durch 
die  Flankirung  der  Olivaer  Front,  die  er  gestattete,  wesentlich 
zur  Verstärkung  dieses  Theils." 

Von  einer  artilleristischen  Armirung  hatte  bisher  keine 
Rede  sein  können,  da  die  Werke  noch  nicht  vollendet  waren. 

Bisher  hatte  die  ganze  Arbeitskraft  auf  die  Befestigung 
verwendet  werden  müssen.  Wie  in  den  Vorwerken  befand  sich 
auch  im  ganzen  Platz  kein  bombensicher  eingedeckter  Raum. 
Kasernen  waren  nicht  vorhanden.  Zwar  waren  die  alten  Kloster- 
gebäude belegt  worden,  aber  sie  langten  bei  weitem  nicht  aus, 
so  dass  ein  grosser  Teil  der  Besatzung  bei  den  Bürgern  ein- 
quartiert war.  Hospitäler  waren  nur  in  geringer  Zahl  vor- 
handen und  schlecht  eingerichtet.  Die  anderweitig  zu  diesem 
Zweck  eingeräumten  Gebäude  hatten  zu  enge  Räume.  Die  Ma- 
gazine waren  grösstentheils  geleert,  da  sie  zur  Verpflegung  bei 
den  Durchmärschen  nach  Russland  ihre  Vorräthe  hatten  her- 
geben müssen.  Es  wurden  selbst  Lebensmittel  von  Danzig  der 
grossen  Armee  nachgeführt.  Mehltransporte  sind  bis  nach 
Moskau  gegangen.  Dasselbe  gilt  von  der  Munition,  von  der 
ebenfalls  ganze  Transporte  zur  Armee  abgingen.  Auch  der 
Belagerungstrain  für  Riga  war  in  Danzig  ausgerüstet  worden. 
Allerdings  waren  dafür  Nachschübe  aus  den  Oderfestungen  er- 
folgt. Die  Furage  fehlte  fast  gänzlich.  Getreide  war  zwar 
ausreichend,  Hafer  dagegen  gar  nicht  vorhanden.  An  Fleisch 
trat  bald  Mangel  ein.  Schon  10  Tage  nach  Eintritt  der 
Blockade,  am  2.  Februar,  musste  die  Mundportion  auf  4  Loth 
Fleisch  und  die  Ration  auf  4  Pfund  Heu  und  ebensoviel  Stroh 
herabgesetzt  werden.  Andere  Lebensmittel,  sowie  Salz  und 
Medikamente  für  die  Lazarethe  fehlten  fast  gänzlich. 


^)  Ausserdem  wurde  hart  an  der  Weichsel  die  Lünette  Tardiveüe  (Zieten) 
vorgelegt. 


I  i—i  1^1 1^1 1 


Die  BelageroDg  Danzigs  im  Jahre  1813. 


1.    Die  Besatzung. 

Als  Besatzung  hatte  bisher  die  33.  Division,  bestehend  aus 
dem  5.,  6.  und  7.  neapolitanischen  Regiment,  gedient,  von  denen 
jedoch  die  Elitekompagnien  zum  König  Murat  detachirt  waren. 
Ausserdem  waren  zwei  Bataillone  der  30.  Division  vorhanden, 
sowie  einige  Sappeur-  und  Artillerie-Kompagnien*).  Schon  seit 
Ende  December  1812  waren  zahlreiche  einzelne  Mannschaften 
eingetroffen,  die  theils  verwundet  oder  krank  und  mit  erfrornen 
Gliedern  behaftet  waren.  Es  wurden  daraus  provisorische  Re- 
gimenter gebildet,  die  nach  Eintreffen  der  Trümmer  der  34.  Di- 
vision dieser  zugetheilt  wurden*). 

Rapp  hatte  am  3.  December  1812  in  Smorgani  von  Napo- 
leon den  Befehl  erhalten,  sich  nach  Wilna  zu  begeben,  sich  dort 
4  Tage  aufzuhalten  und  alles  aufzubieten,  die  Armee  zu  sam- 
meln, und  sich  dann  nach  Danzig  zu  begeben,  um  die  Funktion 
als  Guvemeur  zu  tibernehmen*).  Er  langte  am  18.  December 
unerkannt  mit  erfromer  Nase  in  Danzig  an*).  Die  Wasser- 
gräben und  die  Inundation  waren  mehrere  Fuss  stark  mit  Eis 
bedeckt,  der  Schnee  lagerte  mannshoch  in  den  Werken.  Der 
Guvemeur  gab  zunächst  kein  Lebenszeichen  von  sich,  nicht 
einmal  eine  Aufforderung  an  die  Bewohner,  sich  mit  Lebens- 
mitteln zu  versehen,  erfolgte.  Erst  am  31.  December  erklärte 
er   die  Festung  in   den  Belagerungszustand  und  sich  als  den 


»)  d'Artois  S.  38. 

^  Ebenda. 

")  Auriol  S.  43.    M^moires  de  Kapp. 

*)  Blech  1,  302. 


240 

alleinigen  Befehlshaber^).  In  einem  Schreiben  vom  4.  Januar 
1813  an  den  Majorgeneral  meldet  er*),  dass  er  nur  3000  Mann 
im  Dienst  habe,  da  4  Kompagnien  zum  Transport  von  Kriegs- 
gefangenen und  eine  Kompagnie  nach  Dirschau  abkommandirt 
seien.  Er  bittet,  dass  er  die  4  Bataillone  der  Brigade  Gault 
von  der  30.  Division,  deren  Ankunft  aus  Deutschland  bevor- 
stand, nicht  nach  Königsberg,  wie  befohlen,  schicken,  sondern 
zurückbehalten  dürfe*).  Am  13.  Januar,  wo  es  viel  zu  spät 
war,  erliess  Rapp  an  die  Landbewohner  den  Befehl,  ihr  Vieh 
nach  Danzig  zu  treiben*). 

Napoleon  hatte  am  5.  December  1812  in  Smorgani  die 
Armee  verlassen  und  das  Kommando  derselben  an  den  König 
von  Neapel  übergeben.  Erst  von  diesem  ging  am  9.  der  Befehl 
an  Macdonald,  der  mit  dem  10.  Korps  noch  vor  Riga  stand,  ab, 
den  Rückzug  anzutreten.  Murat  hoffte  sich  mit  diesem  noch 
intakten  Korps  und  mit  Hilfe  Schwarzenbergs  hinter  dem 
Memelfluss  halten  zu  können.     Die  Kapitulation  Yorks  vereitelte 


>)  Ebenda  306. 

«)  Auriol  S.  44. 

*)  Die  80.  Divison,  Heudelet,  aus  Ersatzmannschaften  bestehend,  war 
aus  Deutschland  nacli  Danzig  herangezogen,  aber  nach  ihrem  Eintreffen  nach 
Königsberg  dirigirt  worden,  wo  sie  dem  10.  Korps  (Macdonald)  ziigetheilt 
wurde,  das  nach  dem  Abfall  Yorks  nur  noch  aus  der  7.  Division  (Gran^jean) 
bestand.  Sie  nahm  zur  Aufnahme  Macdonalds  am  81.  December  in  Wehlau 
Stellung  (Auriol  13).  Der  General  Gault,  Kommandeur  der  3.  Brigade  dieser 
Division,  meldete  unterm  20.  December  an  Rapp,  dass  von  den  6  Bataillonen 
seiner  Brigade  zwei  von  dem  kommandirenden  General  des  11.  Korps  in 
Spandau  zurückgehalten  worden  seien  und  die  übrigen  vier  am  3.  oder  4.  Ja- 
nuar in  Danzig  eintreffen  würden.  Für  seine  Person  hoffe  er  am  1.  Januar 
daselbst  zu  sein.  (Auriol  45.)  Die  Brigade  Gault  war  demnach  noch  zurück. 
Wir  finden  den  General  erst  am  16.  Januar  in  Danzig,  wo  ihn  Rapp  mit 
vier  Bataillonen  nach  der  Nehrung  entsendete,  um  die  Russen  daraus  zu  ver- 
treiben (d'Artois  S.  15).  Die  beiden  noch  fehlenden  Bataillone  der  Brigade 
sind  unzweifelhaft  diejenigen,  welche  am  20.  Januar  aus  Spandau  in  Danzig 
eintrafen  (Blech  2,  6).  Zwei  aus  Magdeburg  waren  am  8.  in  Danzig  einge- 
troffen. Die  Zweifel  bei  Friccius  sind  damit  erledigt.  Siehe  auch  d'Artois 
S.  16,  wonach  der  General  Gault  den  beiden  Bataillonen  am  20.  bis  Koliebken 
entgegenging.  Mit  ihnen  kamen  die  vier  Kompagnien  Neapolitaner  zurück, 
welche  Kriegsgefangene  transportirt  hatten. 

♦)  Blech  2,  13. 


241 

das.  Unaufhaltsam  ging  der  Rückzug  weiter.  Auch  die  zu- 
gefrorene Weichsel  setzte  der  Verfolgung  der  Russen  keine 
Schranken.  Am  12.  Januar  1813  hatte  Macdonald  Elbing  Jannar. 
räumen  müssen.  Er  hatte  den  Befehl  erhalten,  sein  Korps 
(ans  der  7.  und  30.  Division  bestehend),  das  zur  Besetzung  von 
Danzig  bestimmt  war,  an  Rapp  abzugeben  und  für  seine  Person 
zum  Hauptquartier  zu  stossen.  Der  Chef  des  Ingenieurkorps 
des  10.  Armeekorps,  Campredon,  wurde  zum  Kommandeur 
der  Ingenieure  in  Danzig  bestimmt  und  traf  am  12.  daselbst 
ein  *),  wo  er  den  General  Haxo  ablöste  *).  Am  13.  wurde  die 
Arrieregarde  des  10.  Armeekorps,  vom  General  Bachelu  geführt, 
bei  Stüblau  von  den  Russen  angegriffen.  Bachelu  zog  sich  in 
der  folgenden  Nacht  nach  Rosenberg  zurück,  wo  am  14.  ein 
heftiges  Gefecht  stattfand ').  In  Danzig  hörte  man  den  Kanonen- 
donner und  sah  den  Rauch  des  von  den  Kosacken  in  Brand 
geschossenen  Dorfes.  Die  Einwohner  hofften  auf  ihre  Erlösung, 
sollten  jedoch  bitter  enttäuscht  werden. 

Obgleich  es  dringend  nothwendig  gewesen  wäre,  Praust 
und  einen  Theil  des  Werders  in  Besitz  zu  behalten,  um  der 
Stadt  Trinkwasser,  Lebensmittel  und  Furage  zuzuführen,  sahen 
sich  die  Franzosen  doch  gezwungen,  das  Terrain  nach  und 
nach  aufzugeben. 

Am  16.  traf  die  34.  Division  in  Danzig  ein  *),  welche  eben- 
falls zur  Besatzung  bestimmt  war.  Es  waren  nur  Trümmer 
der  Division  Loison,  später  Marchand,  die  vom  Brigadegeneral 
Franceschi  geführt  wurden.  Am  21.  besetzten  die  Russen 
Oliva,  Mattern  und  Brentau.  Damit  war  die  vollständige  Ein- 
schliessung  hergestellt.  Drei  Kompagnien  Artillerie,  welche  nur 
einen  Tagemarsch  hinter  den  am  20.  angelangten  beiden  Ba- 
taillonen der  Brigade  Gault  marschirten,  mussten  wieder  nach 
Stettin  umkehren  ^).     Die  Unordnung  in  der  Stadt  war  anfäng- 


«)  Auriol  s.  50. 
«)  Blech. 

^  Näheres  über  dieses  Gefecht  im  Beiheft  des  Mil.  Wochenblatts  zum 
Jahre  1887  S.  114. 

*)  V.  Düring  S.  7. 
*)  d'Artois  S.  16. 

Kollier»  Q^escMchte  der  Festungen  Danzig  und  Weldiselmände.    II.  16 


ä42 

lieh  grenzenlos,   doch  gelang  es  den  Bemflhungen  Rapp's,  die 

Zucht  herzustellen.  Am  20.  Januar  war  alles  in  Ordnung  ^). 
Die  Besatzung  von  Danzig  bestand  jetzt  aus  der 

7.  Division,  Grandjean.  Brigade  Bachelu:  13.  baierischos,  1. 
westfälisches,  10.  polnisches  Regiment.  Brigade 
Fürst  Radziwil,  5.  und  11.  polnisches  Regiment.  In 
Summa  332  Offiziere  6613  Mann  stark. 

30.  Division,  Heudelet.  Ersatztruppen  von  18  verschiedenen 
Regimentern,  die  in  3  Brigaden,  Breissan,  Husson 
und  Gault,  getheilt  waren.  In  Summa  360  Offiziere 
9881  Mann.  Die  Division  war  mit  2  Brigaden  nur 
bis  Wehlau  gekommen  und  hier  in  den  allgemeinen 
Rückzug  verwickelt  worden,  ohne  ein  Gefecht  be- 
standen zu  haben.  Die  3.  Brigade,  Gault,  erhielt 
am  16.  Januar  bei  Neufehr  die  Feuertaufe. 

33.  Division,  Detres  (d'  Estrees),  bestand   nur  aus  der  Brigade 

Graf  Pepe  mit  dem  5.,  6.  und  7.  neapolitanischen 
Regiment.     Sie  war  96  Offiziere  3033  Mann  stark. 

34.  Division,    Brigade -General    Franceschi,    unter    ihm    der 

Generalmajor  Devillier.  Sie  bestand  aus  den  Regi- 
mentern Frankfurt  und  dem  4.,  5.  und  6.  Rhein- 
bunds-Regiment ^).     Dazu  traten  vier   provisorische 


^)  Dttring  S.  22.  Der  General  Rapp  giebt  in  seinen  Memoiren  S.  209 
folgende  Schilderung  der  Besatzung:  La  garnison  se  coraposait  d'nn  ramal 
confus  de  soldats  de  tontes  armes  et  de  toutes  nations:  il  y  ayait  des  Fran- 
gais,  des  AHemands,  des  Polonais,  des  Africains,  des  Espagnois,  des  Hoilandais, 
des  Italiens.  La  plüpart,  epuises,  malades,  s'^taient  jetto  k  Dantsick  faute 
de  pouToir  continuer  leur  route:  ils  s'titaient  flatt^s  d'y  trouver  qaelqne  son- 
lagement;  roais  d^pourvn  de  medicaments,  de  viande,  de  l^imes,  sans  spi- 
rituaux,  sans  fonrages,  j'etais  oblige  de  renyoyer  ceux  qui  n'^taient  pas  absolu- 
ment  incapables  d'^vacuer  la  place.  N^anmoins  il  m'eu  resta  eucore  plus  de 
trente-cinq  mille,  qui  ne  foumissaient  pas  au  delä,  de  huit  a  dix  mille 
combattants:  eucore  ^taieut-ils  presque  tous  des  recrues  qui  n'avaient  ni 
exp^rience  ni  discipliue.  Cette  circoutance  k  la  y6rit6  m^inqui^tais  peu; 
je  connaissais  nos  soldats;  je  savais  que,  ponr  bien  faire,  ils  n'ont  besoin 
quo  de  Fexemple;  j^6tais  r^solu  de  ne  pas  m'6pargner''. 

')  Das  4.  Regiment  war  ans  Mannschaften  der  sächsischen  Herzog- 
thttmer,  das  5.  aus  Lippe  und  Anhalt,  das  6.  ans  Schwarzburg,  Waldeck  und 
Reuss  zusammengesetzt. 


243 


französische  Inf anterie  -  Regimenter,  alles  in  alleni 
199  Offiziere  2316  Mann  stark '), 
Die  Reiterei,  Generalmajor  Cavaignac,  war  aus  2  provisorischen 
Dragoner-Regimentern,  den  Resten  von  8  Dragoner- 
Regimentern  und  einem  provisorischen  Regiment,  das 
Kürassiere,  Chasseure,  Husaren,  Dragoner  und  pol- 
nische Ulanen  enthielt,  zusammengesetzt.  In  Summa 
72  Offiziere  1730  Mann  stark. 
Die   Artillerie   kommandirte   der   Brigade-General   Lepin.    Sie 

war  99  Offiziere  2255  Mann  stark. 
Das  Genie  betrug  der  Zahl  nach:  159  Offiziere  941  Mann. 
Die  Marinetruppen  unter  dem  Contre-Admiral  Dumanoir  zählten 
47  Offiziere  690  Mann. 
Mit   Hinzurechnung   einiger  Administrationszweige   betrug 
die  Gesammtstärke  35934  Mann,   wovon  5919  Mann  zur  Zeit 
(Januar)  in  Lazarethen  lagen.    Von  den  übrigen  Truppen  waren 
nur  9  bis  10000  dienstfähig. 

Die  Zahl  der  Geschütze  betrug  bei  der  üebergabe  der- 
selben au  die  Russen  noch  536  Stück. 

Commandant  superieur  war  der  Brigade-General  v.  Bazan- 
court,  ('hef  des  Generalstabs  der  Brigade -General  d'Hericourt, 
Ingenieuroffizier  vom  Platz  der  Oberst  Richemont^. 

2.    ftnellen. 

Es  ist  eine  auffallende  Erscheinung,  dass  die  so  interessante 
Belagerung  Danzigs  im  Jahre  1813  so  wenig  bekannt  ist  und 
in  den  Streitschriften  der  Gegenwart  über  den  Festungskrieg 
so  gut  wie  gar  nicht  erwähnt  wird,  obgleich  sie  über  wichtige 
Punkte,  die  augenblicklich  die  militairische  Welt  beschäftigen, 
Aufschluss  zu  geben  imstande  ist.    Das  Studium  der  Belagerung 


*)  Die  Division  war  erst  im  November  1812  unter  Loisou  aas  Königs- 
berg ausgerückt  und  ist  nicht  ttber  Wilna  hinausgekommen,  wo  sie  von  den 
Trum  mein  der  grossen  Armee  erreicht  und  mit  fortgerissen  wurde,  so  das's 
sie  schon  in  Eowno  von  diesen  nicht  zu  unterscheiden  war.  Daher  die  Schwäche 
der  Division.  Das  5.  und  6.  Regiment,  welche  in  Kowuo  zarttckgeblieben 
waren,  deckten  den  weitern  Rückzug,    v.  Dilring  S.  3. 

^  Die  genauere  Nachweisnng  befindet  sich  im  Anhange  zu  d'Artois  und 
hieraus  entnommen  bei  Auriol. 


244 

ist  allerdings  ausserordentlich  erschwert.     Abgesehen  von  der 
langen  Dauer,   die  Blockade    eingerechnet   von   einem  ganzen 
Jahr,  die  abstossend  wirkt,  sind  es  vorherrschend  die  Quellen, 
die  vom  Studium  abhalten.     Sie  bilden  an  sich  eine  ganze  Bi- 
bliothek, sind  aber  so  zerstreut,  dass  sie  selbst  in  grossen  Mi- 
litair-Bibliotheken    nicht  vereinigt   gefunden   werden.     Sodann 
hat  sich  in  den  Hauptschriften  eine  so  erbitterte  Polemik  er- 
hoben,  dass  es  einer  eingehenden  Kritik  bedarf,   um   die  weit 
auseinandergehenden  Ansichten   auf  einen  gesunden  Boden  zu- 
rückzuführen.    Diese  Kritik  ist  bisher  ausgeblieben.    In  Nach- 
stehendem soll  der  Versuch  gemacht  werden,  aus  dem  zahlreichen 
Quellenmaterial  die  Blockade  und  Belagerung  möglichst  getreu 
zur  Darstellung  zu  bringen.    Es  ist  zu  diesem  Zweck  erforder- 
lich, zunächst  eine  Uebersicht  über  die  Quellen  zu  gewinnen,  da 
auch  die  scheinbar  unbedeutendsten  nicht  zu  entbehren   sind. 
Das  trotz  der  grossen  Ereignisse  auf  den  andern  Kriegs- 
theatern der  Belagerung  von  Danzig  zugewendete  Interesse  der 
Zeitgenossen  wurde  zunächst  durch  eine  kleine  Schrift  befrie- 
digt, welche  auf  Veranlassung  einer  Anzahl  von  Officieren  der 
30.    Division   (Heudelet)    von    einem    Herrn    v.    M.    herausge- 
geben wurde,    der   zwar   nicht  Augenzeuge  gewesen  war,    wie 
das   aper^u  des  Herzogs  von   Würtemberg  S.   296  behauptet, 
aber,   weil  er   der  Feder  gewachsen,   von  jenen  Officieren  ge- 
wählt und  mit  dem  erforderlichen  Material  versehen   worden 
war.    Die  Schrift  erschien  1814  zu  Paris  unter  dem  Titel:  Le 
si6ge  de  Dantzig  en  1813  par  M.  de  M******.    Da  sie  keinen 
Plan  hat  und  nur  den  Antheil  der  30.  Division  schüdert,  ist  sie 
gegenwärtig  fast  verschollen,   aber  sehr  mit  Unrecht,   weil  sie 
im  Anhange  einen  Anszug  aus  dem  vom  Chef  des  Generalstabs 
der  Division  geführten  Tagebuch  enthält,  von  dem  nur  zu  be- 
dauern ist,  dass  es  nur  ein  Auszug  ist.    Jedoch  sind  alle  Ge- 
fechtstage der  Division  unverkürzt  aufgenommen,  wie  sie  seiner 
Zeit  dem   Guvernement  eingereicht  worden   sind.    Das   Tage- 
buch ist  frei  von  allen  Phrasen  zur  Verherrlichung  der  grossen 
Armee,  wie  sie  der  französischen  kriegsgeschichtlichen  Litera- 
tur jener  Zeit  eigenthümlich  sind,  und  in  so  präciser  Fassung 
geschrieben,  dass  die  Berichte  als  Muster  dienen  können.     Sie 
sind  durch  ihre  Zuverlässigkeit  daher  geeignet,  zur  Kritik  der 


245 


grösseren  Werke,  welche  die  Belagerung  später  dargestellt  haben, 
zu  dienen,  und  um  so  werthvoller,  als  diese  Werke  die  Kritik 
in  hohem  Masse  herausfordern.  Es  werden  dadurch  manche 
dunkle  Punkte  aufgeklärt. 

Im  folgenden  Jahr  kam  das  Werk  eines  Danziger  Patrioten 
heraus,  der  die  ganze  Zeit  der  französischen  Gewaltherrschaft 
erlebt  hatte  nnd  sie  beschreibt,  wobei  er  auf  das  Jahr  1813 
ganz  besonderen  Nachdruck  gelegt  hat.  Es  ist  das  bereits  er- 
w^ähnte  Werk  des  Diakonus  an  der  Kirche  von  St.  Marien  und 
Professors  der  Geschichte  am  Danziger  Gymnasium,  Blech: 
Geschichte  der  siebenjährigen  Leiden  Danzigs  von  1807—1814. 
2  Theile.  Danzig  1815.  Er  beschäftigt  sich  vorherrschend  mit 
der  Innern  Geschichte  der  Stadt,  giebt  aber  auch  über  die  mi- 
litairischen  Dinge  vielfach  Aufschlüsse  und  ist  sehr  zuverlässig. 

Im  Jahr  1817  erschien  die  „skizzirte  Geschichte  der 
russisch-preussischen  Blockade  und  Belagerung  von 
Danzig  im  Jahre  1813  nebst  Vertheidigung  dieses  Platzes,"  ein 
stümperhaftes  Werk,  das  nur  dadurch  Werth  erhält,  dass  es  in 
der  3.  Abtheilung  S.  100—146  einen  Originalbericht  aus  dem 
herzoglichen  Hauptquartier  enthält,  der  sich  durch  grosse  Ge- 
sichtspunkte und  Motivirung  des  Ganges  der  Belagerung  aus- 
zeichnet und  auf  den  leitenden  Ingenieur  als  Verfasser  hin- 
weist *).  Befremdend  ist  nur,  dass  in  der  Chronologie  mehrfache 
Verstösse  gerade  bei  Hauptaktionen  vorkommen.  Ausserdem  ent- 
hält die  skizzirtc  Gescliichte  einen  Abriss  der  Militair-Laufbahn 
des  Herzogs  Alexander  von  Würtemberg  und  das  Tagebuch  des 
Majors  Bauer  vom  1.  westfälischen  Infanterie-Regiment,  das 
besonders  für  das  Gefecht  vom  2.  September  von  Wichtigkeit 
ist.  Das  Beiheft  zum  Militair -Wochenblatt  von  1887  S.  112  ff. 
enthält  auch  Briefe  des  Majors  Bauer  an  seinen  Bruder 
aus  dieser  Zeit. 

In  demselben  Jahr  1817  erschien  ferner  Plotho's  Ge- 
schichte des  Krieges  in  Deutschland  und  Frankreich  in 


*)  Wie  ich  nachträglich  aus  den  Akten  des  Kriegs-Archivs  des  grossen 
Generalstabs  ersehe,  enthält  diese  Abtheilung  ganze  Sätze  aus  dem  Tage- 
buche der  Ingenieur-Arbeiten  des  Obersten  von  Pullet  mit  einigen  Zusätzen, 
die  der  Beachtung  werth  sind.  Der  Herausgeber  der  skizzirten  Geschichte 
ist  auch  hier  der  Begierungsrath  PliUnicke. 


246 

den  Jahren  1813  und  1814,  welche  im  Anhange  des  1.  und 
2.  Bandes  eine  üebersicht  der  Blockade  und  Belagerung  von 
Danzig  giebt,  die  einige  nicht  unwichtige  Details  enthält,  im 
übrigen  aber  ohne  Werth  ist. 

Ebenfalls  vom  Jahr  1817  ist  das  Tagebuch  über  die  Be- 
lagerung der  Stadt  Danzig  vom  Jahr  1813  von  dem  Schaum- 
burgisch -Lippischen  Hauptmann  von  Düring.  Der  Verfasser 
war  vermöge  seiner  Anstellung  beim  Generalstabe,  wodurch  er 
Gelegenheit  hatte,  die  Berichte  der  Truppentheile  einzusehen,  so- 
wie als  Augenzeuge  vieler  Gefechte  in  der  Lage,  zuverlässige 
Nachrichten  zu  geben,  die  er  durch  seine  persönlichen  Ver- 
bindungen vervollständigte.  Er  liefert  daher  eine  durchaus 
selbständige  Arbeit  und  ist  durch  Mittheilung  der  franzö- 
sischen Verluste,  die  er  den  Eingaben  entnehmen  konnte,  von 
Wichtigkeit. 

Alle  diese  Werke  haben  indessen  einen  mehr  oder  weniger 
beschränkten  Gesichtskreis  und  geben  von  dem  innern  Zusammen- 
hange der  Operationen  keine  richtige  Vorstellung,  dienen  jedoch 
zur  Kontrolle  der  grössern  Werke.  Es  gehörte  die  Müsse  der 
folgenden  Friedeusjahre  und  die  unbeschränkte  Benutzung  des 
urkundlichen  Materials  dazu,  um  Werke  zu  schaffen,  welche 
den  wissenschaftlichen  Anforderungen  entsprechen  konnten,  und 
diese  werden  durch  d'Artois  (Relation  de  la  defense  de  Danzig 
en  1813.  Paris  1820)  und  den  Herzog  Alexander  v.  Würtem- 
berg  (Apercu  des  Operations  des  troupes  alliees  devant  Danzig 
en  1813  par  un  officier  russe,  Frankfurt  &  Leipzig  1820),  je- 
doch mit  einiger  Einschränkung  geboten. 

Der  spätere  Divisions-Kommandeur  im  Ingenieurkorps  von 
Artois  hat  die  Vcrtheidigung  Danzigs  als  Ingenieurlieuteuant 
mitgemacht  und  war  schon  bei  dem  Ausbau  der  Werke  seit 
1811  thätig,  so  dass  er  vorzüglich  geeignet  war,  die  Geschichte 
^er  Vertheidigung  Danzigs  zu  schreiben.  Er  hat  dazu  die  Be- 
richte und  Tagebücher  des  Generalstabes,  der  Artillerie  und 
des  Ingenieurkorps  benutzt  und  hat  auch  werthvolle  Mitthei- 
lungen aus  der  Privatkorrespondeuz  ßapps  erhalten.  Sein  Werk 
ist  denn  auch  als  Grundlage  für  die  Geschichte  der  Blockade, 
Belagerung  und  Vcrtheidigung  Danzigs  zu  betrachten  und  bildet 
eine  Zierde  der  französischen  Militairliteratur  aus  der  Zeit  Na- 


247 


poleons  I.  Er  hat  jedoch  auch  die  Fehler  der  Schriftsteller 
jener  Zeit,  namentlich  die  Tendenz  der  Verhenlichung  der 
grossen  Armee,  er  verschweigt  manches  und  verringert  die  Ver- 
luste, welche  ihm  die  Berichte  der  Truppentheile  ergaben.  Auch 
zeigt  er  wenig  Beruf  zur  Darstellung  taktischer  Verhältnisse. 
Dazu  tritt  der  Mangel  an  Eenntniss  über  die  Stärke  und  die 
Operationen  des  Gegners,  4er  ihn  zu  vielfachen  Irrthtimern  ver- 
leitet. Hierin  wird  er  durch  das  Werk  des  russischen  Officiers 
ergänzt,  der  wie  bemerkt  kein  anderer  ist  als  der  Herzog 
Alexander  von  Wi'irtemberg,  Kommandeur  des  Belagerungskorps, 
selbst.  Selbstredend  standen  diesem  alle  Rapporte,  Tagebücher 
und  Korrespondenzen  zu  geböte.  Aber  man  kann  nicht  sagen, 
dass  er  diese  Quellen  in  vorurtheilsfreier  Weise  benutzt  hätte. 
Der  englische  Bevollmächtigte  im  Hauptquartier  des  Herzogs, 
der  Artillerieoberst  Campbell,  sagte  von  ihm  im  vertrautern 
Kreise,  „dass  er  den  Ton  der  Wahrheit,  ohne  erbittert  zu  werden, 
nicht  hören  könne,"  und  das  drückt  sich  in  seinem  Werke  höchst 
charakteristisch  aus.  Das  Werk  des  Herrn  von  Artois  mag  ihn 
bei  dieser  Gemüthsstimmung  aufs  äusserste  gereizt  haben,  so 
dass  er  sich  zu  den  grössteu  Ungerechtigkeiten  gegen  diesen 
Schriftsteller  hinreissen  lässt.  Manche  seiner  Ausstellungen 
sind  jedoch  begründet.  Nicht  minder  ergeht  sich  der  Herzog 
in  einer  Reihe  von  Bemängelungen  der  oberen  Leitung  der  Ver- 
tlieidigung  und  hat  kein  Wort  der  Anerkennung  für  Rapp,  sucht 
im  Gegentheil  dessen  Leistungen  bei  jeder  Gelegenheit  herab- 
zuziehen *),  die  eignen  dagegen  hervorzuheben.  In  dieser  Be- 
ziehung verfehlt  er  nicht,  Aeusserungen  der  Literatur,  wenn  sie 
ihm  günstig  sind,  anzubringen. 


')  Zn  seinen  ungerechtfertigten  Behanptnngen  gehört  unter  anderem, 
dass  der  Herzog  erklärt,  die  französische  Besatzung  habe  aus  lauter  kriegs- 
erfahrnen Mannschaften  bestanden,  die  20jährige  Feldzüge  hinter  sich  hatten, 
während  er  grösstentheils  nur  schlecht  bewaffiiete  Bauern  zur  Verfügung  gehabt 
hätte.  Wie  wir  gesehen  haben,  bestand  nur  die  Division  Grandjean  aus  Truppen, 
die  bereits  den  Feldzng  von  1812  mitgemacht  hatten,  aber  auch  aus  Neufor- 
mationen gebildet  war.  Der  übrige  Theil  der  Besatzung  bestand  mit  Aus- 
nahme von  Versprengten,  die  sich  in  Danzig  eingefunden  hatten,  aus  unaus- 
gebiideten  Ersatztruppen.  Von  einer  Ueberlegcnheit  in  der  Zahl,  die  der 
Herzog  behauptet,  kann  gar  keine  Rede  sein,  da  der  grösste  Theil  der  Be- 
satzung in  den  ersten  Monaten  im  Lazareth  lag  oder  sonst  dienstunfähig 


248 


Im  übrigen  ist  das  Werk  des  Herzogs  von  der  grössten 
Wichtigkeit  und  geeignet,  den  üblen  Eindruck  seiner  Polemik 
gegen  den  Gegner  zu  verwischen,  da  es  ein  genügendes  Mate- 
rial liefert,  ein  selbständiges  Urtheil  über  die  Belagerung  zu 
gewinnen.  Auch  seine  Ungenauigkeiten  und  Lücken  der  Dar- 
stellung sind  durch  kritische  Untersuchungen  unter  Heranzie- 
hung anderer  Quellen  zu  berichtigen  resp.  auszufüllen.  Was  aber 
seine  Leitung  betrifft,  so  hat  sich  der  Herzog  seiner  Aufgabe, 
den  General  Rapp  unschädlich  zu  machen  und  die  Belagerung 
zu  einem  günstigen  Ende  zu  führen,  durchaus  gewachsen  ge- 
zeigt '). 

An  russischen  Quellen  für  die  Belagerung  ist  ausser  dem 
Werke  des  Herzogs  noch  ein  auf  Befehl  des  Chefs  der  Ingenieure 
von  der  Ingenieur- Abtheilung  des  Kriegsnünisteriums  1842  heraus- 
gegebenes Jurnal  für  das  Ingenieurkorps  vorhanden,  das  im 
Archiv  für  das  preussische  Artillerie-  und  Ingenieurkorps  Band  20 
S.  84  ff.  in  deutscher  Uebersetzung  abgedruckt  ist.  Es  schliesst 
mit  der  Wegnahme  der  Schottenhäuser  in  der  Nacht  vom  10. 
zum  11.  Oktober  und  giebt  von  der  Belagerung  nur  noch  die 
Eintheilung  des  Belagerungskorps  für  die  Trancheen.  Wesent- 
lich Neues  ist  darin  nicht  enthalten,  auch  ist  es  kein  Jurnal, 
sondern  eine  Sammlung  von  Nachrichten,  die  sich  zufällig  dar- 
boten. 

Von  grossem  Interesse  sind  dagegen  die  Briefe  eines 
preussischen  Landwehrofficiers  aus  der  Zeit  vom  Ausgange  des 
Waffenstillstandes  bis  zum  Ende  der  Belagerung.  Der  Ver- 
fasser wird  nicht  genannt,  gehörte  aber  einer  der  ersten  Fa- 
milien Ostpreussens  an  und  seheint  nach  einzelnen  Andeutungen 
Adjutant  beim  Bataillon  Hülsen*)  gewesen  zu  sein.    Die  Briefe 


war,  80  dass  nur  7000  bis  8000  Mann  verwendet  werden  kounteu.  Wenn 
die  Besatzung  im  Sommer  bis  auf  1500Ö  und  16000  Dienstfähige  stieg,  so 
war  das  Belagcrungskorps  bis  dahin  auf  40000  angewachsen. 

*)  Das  Urtheil  des  englischen  Bevollmächtigten  über  die  Leitung  der 
Operationen  der  Belagerung  seitens  des  Herzogs  ist  im  höchsten  Grade  par- 
teiisch, wenn  er  behauptet:  „dass  kein  Platz  besser  vertheidigt  und  keiner 
schlechter  angegriffen  worden  sei,  als  Danzig*^. 

')  Wie  ich  nachträglich  aus  einer  Vorschlagsliste  zu  Auszeichnungen 
(Kriegs- Archiv   des  grossen  Qeueralstabs  F.  15)  ersehe,   war  ein  Herr  von 


249 


sind  vom  Generallieutenaiit  z.  D.  von  Wittich  der  Allgenieinen 
Militairzeitung  tiberlassen  worden  und  von  dieser  im  Jahrgang 
1880  S.  178  ff.  veröffentlicht.  Unter  dem  frischen  Eindruck 
der  Ereignisse  geschrieben,  bilden  sie  einen  interessanten  Bei- 
trag zur  Kenntniss  der  allgemeinen  Verhältnisse  und  einzelner 
Situationen. 

Auch  die  französische  Literatur  über  die  Belagerung  Danzigs 
1813  ist  nachträglich  noch  durch  Werke  von  Augenzeugen  be- 
reichert worden,  zunächst  durch  ßapp  selbst,  indem  dessen 
Familie  im  Jahre  1823  die  „M6moires  du  general  Bapp,  aide-de- 
camp  de  Napoleon,  ecrits  par  lui-meme"  herausgab.  Es  ist  ein 
merkwürdiger  Irrthum,  der  sehr  verbreitet  ist,  dass  der  General 
nicht  der  Verfasser  sein  kann,  weil  er  keine  Schulbildung  gehabt 
habe.  Doch  auch  das  Leben  ist  eine  Schule,  namentlich  wenn 
es  sich  unter  Verhältnissen  wie  das  seine  bewegt  hat.  Ein 
anderer  hätte  sich  unmöglich  so  in  die  Verhältnisse  hinein- 
denken können,  um  ein  ähnliches  Werk  zu  schreiben.  Dieses 
bezieht  sich  zwar  auf  die  ganze  Dienstzeit  Rapps,  behandelt 
das  Jahr  1813  jedoch  weitläuftiger,  um,  wie  der  General  in  der 
Vorrede  bemerkt,  die  Namen  der  Tapferu,  die  unter  seinem  Ober- 
befehl gestanden,  aber  durch  den  Lauf  der  Verhältnisse  von 
allen  Belohnungen  ausgeschlossen  worden  sind,  der  Nachwelt  zu 
erhalten.  Dieser  Gesichtspunkt  hat  ihn  überhaupt  zu  seinen 
Aufzeichnungen  veranlasst.  Man  darf  daher  in  dem  Werk,  das 
an  sich  nur  eine  Skizze  vorstellt,  keine  neuen  Aufschlüsse 
erwarten.  Aber  seine  ganze  Auffassung  ist  sehr  anziehend. 
Auch  geht  er  näher  auf  die  Motive  seiner  Handlungen  ein. 

Im  Jahre  1841  erschien  eine  Broschüre  von  P.  Himly:  „Ca- 
pitulation  de  Danzig,  avec  observations  critiques  par  de  Riche- 
mont,"  welche  unter  dem  Verwände,  Plotho  zu  berichtigen,  die 
Leitung  der  Ingenieurarbeiten  bei  der  Vertheidigung  Danzigs 
1813  für  den  Obersten  von  Richemont  in  Anspruch  nimmt  und 
den  General  von  Campredon  davon  ausschliesst.  Die  Schrift 
hätte  besser  unterbleiben  können.  Die  Verdienste  Richemont's 
als  Baudirektor  in   den  Jahren   1811   und  1812  und  bei  der 


Brederlow  Adjudaut  des  betreffeudeu  Landwehr-Bataillons.    Aas  den  Briefen 
sind  obige  Aeusseruugeu  des  Obersten  Campbell  eutuommen. 


250 


Vertlieidigung  1813  sind  von  keiner  Seite  bestritten  worden, 
aber  als  Dirigent  der  Vertheidigungsarbeitcn  wird  er  officiell 
nirgends  genannt. 

Von  grossem  Wertli  sind  dagegen  die  von  Charles  Auriol 
i.  J.  1888  herausgegebenen  Dokumente  des  Generallieutenants 
von  Campredon  *).  Das  Werk  hat  vor  dem  Artois'  den  Vorzug 
voraus,  dass  es  ein  wirkliches  Tagebuch  giebt,  während  Artois 
die  Form  einer  fortlaufenden  Erzählung  gewählt  hat  und  da- 
durch das  Verständniss  erschwert.  Auch  das  aper^u  des  Her- 
zogs von  Würtemberg  hat  die  Form  des  Tagebuchs  verschmäht, 
die  für  Darstellungen  des  Festungskrieges  unerlässlich  ist.  Man 
kann  sagen,  dass  eine  befriedigende  Darstellung  der  Blockade 
und  Belagerung  Danzigs  erst  durch  die  Schriften  Campredons  er- 
möglicht ist.  Von  grossem  Interesse  ist  auch  der  Schlussbericht, 
den  Campredon  nach  der  Kapitulation  über  die  Ingenieurarbeiten 
dem  Kaiser  einreichte,   und  den  Auriol   im  Anhange  mittheilt. 

Ausser  obigen  Quellenschriften  existiren  noch  eiuige  Be- 
arbeitungen nach  denselben,  die  sich  jedoch  auf  eine  Kritik 
der  Thatsachen  in  betreff  der  abweichenden  Berichte  nicht  ein- 
lassen oder  doch  einen  sehr  parteiischen  Standpunkt  einnehmen. 
Die  österreichische  militairische  Zeitschrift  bringt  im  3.  Bande 
des  Jahrgangs  1825  eine  Geschichte  der  Belagerung  Danzigs 
1813  vom  Hauptmann  Wohlgemuth,  die  jedoch  nur  das  Werk 
von  d' Artois  und  das  apergu  des  Herzogs  von  Würtemberg  be- 
nutzt und  durchaus  parteiisch  für  letzteren  ist.  Der  General 
Auditeur  Friccius  widmet  in  seinem  Werke  „Geschichte  der  Be- 
festigungen und  Belagerungen  Danzigs  mit  besonderer  Berück- 
sichtigung der  ostproussischen  Landwehr.  Berlin  1854"  der  Be- 
lagerung von  1813  eine  besondere  Aufmerksamkeit,  verwirft 
aber  die  Werke  von  d' Artois  und  dem  Herzoge  von  Würtem- 
berg als  Parteischriften  und  bemüht  sich,  aus  den  übrigen  Quellen 
eine  Schilderung  der  Belagerung  zusammenzustellen,  die  von  einem 
gänzlichen  Mangel  historischer  Methode  zeigt.  Das  Buch  be- 
hält jedoch  dadurch  einigen  Werth,   dass  er  bestrebt  gewesen 


*)  Defense  de  Dautzig  en  1813,  Jouraal  de  siege,  Journal  personnel  et 
notes  du  gfen^ral  de  division  de  Campredon  connnandant  le  genie  du  X©  corps, 
leltres  diverse?,  auuot^s  et  publi^s  par  Charles  Auriol    Paris  188S. 


251 


ist,  Nacbricbten  vou  noch  lebenden  Augenzeugen  einzuziehen 
und  zu  verwerthen  *).  Eine  dritte  Darstelhmg  der  Belagerung 
Danzigs  1813  hat  Charles  Auriol  mit  Bezug  auf  seine  VeröfFent- 
licbung  der  Dokumente  Campredons  in  der  Eevue  historique 
von  1889  gegeben,  die  jedoch  ganz  den  französischen  Standpunkt 
vertritt  und  von  dem  Werke  des  Herzogs  von  Wiirtemberg  keine 
Notiz  nimmt.  Das  apergu  scheint  überhaupt  in  Frankreich 
unbekannt  geblieben  zu  sein. 

Die  Quellenwerke  werden  vervollständigt  durch  die  werth- 
vollen  Aktenstücke,  welche  das  Kriegs-Archiv  des  grossen  Ge- 
neralstabes enthält,  die  mir  durch  die  Güte  des  Chefs  des  Ge- 
neralstabs der  Armee,  Herrn  General  der  Kavallerie,  Grafen 
von  Schliefen,  zur  Einsicht  vorgelegen  haben,  wofür  ich  an 
dieser  Stelle  meinen  innigsten  Dank  ausspreche.  Sie  enthalten 
die  Berichte  des  Obersten  von  Pullet,  des  Grafen  Dohna,  zum 
Theil  auch  des  Herzogs  von  Würtemberg  an  den  König  Frie- 
drich Wilhelm  III.  die  Tagebücher  des  Obersten  von  Pullet 
über  die  Ingenieur-Arbeiten  und  die  des  Majors  Liebe,  Komman- 
deurs der  preussischen  Artillerie,  über  die  Operationen  dieser 
Waffe,  sowie  das  Tagebuch  des  Majors  von  Hake;  ferner  die 
Tagebücher  der  einzelnen  preussischen  Truppentheile,  die  an  der 
Belagerung  theilgenommen  haben.  Nebenher  gehen  einzelne  Be- 
richte an  das  Militair-Guvernement  des  Landes  von  der  Weichsel 
zur  russischen  Grenze  in  Königsberg,  Privatbriefe  des  Grafen 
Dohna  an  den  General-Adjutanten  v.  d.  Knesebeck,  die  Briefjur- 


*)  Wie  ich  nachträglich  aas  den  Akten  des  Kriegs-Archivs  ersehe,  hat 
Friccius  das  Tagebuch  des  M.ijors  von  Hake  zur  Grundlage  seiner  Geschichte 
der  Belagerung  Danzigs  genommen.  Auch  was  er  sonst  neues  zu  erzählen 
weiss,  scheint  er  den  Mittheilungen  des  Majors,  spätem  Obersten  von  Hake 
zu  verdanken  zu  haben,  da  Keiner  wie  dieser  mit  den  Innern  Verhältnissen 
des  Hauptquartiers  vertraut  war.  Der  Major  von  Hake  war  ursprünglich  als 
Ersatz  für  den  vom  Herzog  von  Würtemberg  ins  Hauptquartier  gezogenen 
3Iajor  von  Liebhaber  zum  Grafen  Dohna  als  Generalstabs-Officier  kommau- 
dirt  worden.  Später  wurde  er  für  den  Major  von  Liebhaber,  der  sich  im 
Hauptquartier  nicht  heimisch  fühlte,  vom  Herzog  an  dessen  Stelle  komman- 
dirt  und  erwarb  sich  des&en  Vertrauen.  Sein  Tagebuch  beschäftigt  sich  nur 
mit  den  preussischen  Truppen,  und  da  Friccius  sich  diese  vorzugsweise  zum 
Gegenstande  genommen  hat,  war  ihm  das  Tagebuch  von  grossem  Werth,  doch 
kann  C9  nicht  als  Grundlage  für  die  Geschichte  der  Belagerung  dienen. 


252 


naie  des  Hauptquartiers,  soweit  sie  vom  Major  von  Hake  ge- 
führt worden  sind,  eine  Korrespondenz  desselben  mit  dem  Grafen 
Dolina,  Korrespondenzen  des  letztern  mit  dem  Hauptquartier, 
nebst  andern  Mittheilungen  untergeordneter  Art.  Bei  diesem 
reichen  Material  war  es  nothweudig,  sich  bei  Ausnutzung  des- 
selben möglichst  zu  beschränken,  um  nicht  zu  Unförmlichkeiten 
in  der  Darstellung  verleitet  zu  werden.  Es  kam  darauf  an,  mit 
Hilfe  dieses  Materials  den  Thatbestand  festzustellen,  insoweit 
die  widersprechenden  Nachrichten  der  russischen  und  franzö- 
sischen Berichte  dies  erforderlich  machten,  und  die  Ver- 
schleierung des  Thatsächlichen ,  wie  sie  sich  auch  bei  sonst 
treuen  Darstellungen  militairischer  Ereignisse  einschleichen,  auf- 
zudecken. Soviel  dies  durch  Kandbemerkungen  zu  erreichen 
war,  ist  Gebrauch  davon  gemacht  worden.  Nur  in  einzelnen 
Fällen  war  es  erforderlich,  die  preussischen  Berichte  als  Grund- 
lage der  Darstellung  zu  benutzen. 

Pläne. 

Das  Werk  von  d'Artois  ist  mit  einem  vorzüglichen  Plane 
im  Massstabe  von  6  cm  =  1000  m  (1  :  16655)  versehen,  der 
offenbar  dem  officielleu  Plan  abgenommen  ist.  Auriol  giebt 
eine  Reduction  davon,  hat  jedoch  Massstab  und  Nordlinie  weg- 
gelassen. Der  Plan  des  aperqu  ist  ganz  unzureichend,  in  sehr 
kleinem  Massstabe  und  ohne  Sorgfalt  ausgeführt,  so  dass  Be- 
zeichnungen im  Text  nicht  auf  dem  Plane  und  solche  im  Plane 
nicht  im  Text  aufzufinden  sind.  Die  skizzirte  Geschichte  giebt 
ihrem  Charakter  gemäss  nur  eine  Planskizze,  auf  der  jedoch 
die  Angriffsarbeiten  nach  russischen  Quellen  ziemlich  richtig 
eingetragen  sind^).  Der  Plan  der  österreichischen  Zeitschrift 
ist  ganz  brauchbar.  Der  Plan  bei  Friccius  im  Massstabe  von 
1  :  45000  ist  zwar  sehr  schön,  giebt  aber  nur  die  Eintragung 
des  Blockadekorps  und  einiger  Batterien.  Die  übrigen  Werke 
sind  ohne  Pläne. 


*)  Die  Planskizze  stimmt  mit  derjeuigeu  überein,  welche  der  Major 
Liebe  seinem  Tagebuch  beigefügt  hat.  Sorgf«ältiger  sind  die  Skizzen,  welche 
der  Oberst  von  PuUct  seinen  Berichten  an  den  König  hinzugefügt  hat  imd 
die  in  dem  diesseitigen  Plane  berücksichtigt  sind. 


253 

3.  Die  Blockade  und  Armirxmg  Danzigs  von  ICitte  Januar 

bis  1.  Mai  1813. 
Die  Besatzung  von  Danzig  befand  sich  nach  der  Ein- 
schliessung  in  der  eigenthümlichen  Lage,  die  Armirung  der 
weitläuftigen  Festungswerke  ausführen  zu  müssen,  die  sonst  der 
Eiuschliessung  vorausgeht,  also  gleichzeitig  im  Innern  des  Platzes 
rastlos  zu  arbeiten  und  gegen  aussen  sich  bereit  zu  halten, 
denselben  gegen  den  Versuch  eines  gewaltsamen  Angriffs,  wozu 
die  Beschaffenheit  der  Werke  und  die  zugefrorenen  Gewässer 
in  hohem  Grade  aufforderten,  zu  schützen.  Dabei  war  der 
dienstfähige  Theil  der  Besatzung  in  völlig  unzureichender  Stärke 
und.  von  vornherein  dem  Mangel  einer  auskömmlichen  Nahrung 
ausgesetzt.  Es  herrschte  ausserdem  eine  Kälte  von  18  bis 
20  Grad,  die  anfang  Februar  auf  26  Grad  stieg.  Um  sich  die 
Möglichkeit  offen  zu  halten,  die  Umgegend  auszufuragiren,  Hess 
der  Guverneur  die  Vorstädte  nicht  niederbrennen,  sondern 
dehnte  sich  im  Gegentheil  noch  über  dieselben  hinaus  aus,  wo- 
durch seine  Kräfte  noch  mehr  zereplittert  wurden.  Er  behielt 
Brösen,  Saspe,  Neu-Schottland,  Striess,  Langfuhr,  Heiligenbrunn, 
Schidlitz,  Stolzenberg,  Schottland,  Stadtgebiet  und  Ohra  besetzt. 
Auf  dem  Werder  wurden  die  dem  Fort  Lacoste  zunächst 
gelegenen  Häuser  besetzt,  ebenso  die  in  der  Inundation  gelegenen 
Inseln.  Auf  der  Nehrung  behielt  er  Heubude  und  Neufehr  inne 
und  schob  die  Vorposten  bis  in  die  Nähe  von  Bohnsak  vor. 
Es  wurden  tägliche  Furagirungen  im  Werder  und  über  die 
Vorposten  hinaus  nach  Pitzkendorf  und  Schönfeld  gemacht. 
Die  Beute  wurde  zwar  immer  geringer,  aber  man  hoffte  auf 
die  bessere  Jahreszeit  und  behielt  die  Position  besetzt. 

Werfen  wir  einen  Blick  auf  die  Russen.  Der  Graf  Platow 
hatte  mit  einem  6000  bis  7000  Mann  starken  Kosackenheere 
am  12.  Januar  bei  Marienburg  die  Nogat  überschritten  und, 
wie  wir  gesehen  haben,  die  Franzosen  allmählich  auf  Danzig 
zurückgedrängt.  Am  21.  war  die  Eiuschliessung  vollständig 
und  die  Besatzung  von  jeder  Kommunikation  nach  aussen  ab- 
geschnitten. Platow  befand  sich  für  seine  Person  noch  am  24. 
vor  Danzig  und  bemühte  sich,  da  er  mit  den  Kosacken  nicht 
stürmen  konnte,  auf  alle  mögliche  Weise,  namentlich  durch 
Proklamationen,  auf  den  Senat  der  Stadt,   dann  auf  die  Polen 


254 


und  zuletzt  auch  auf  die  Deutschen  einzuwirken,  das  Joch  der 
jammervollen  Franzosen,  die  nur  noch  Schattenbilder  seien, 
abzuschütteln.  Er  bot  den  Ueberläufern  Schätze  an,  doch 
alle  diese  Versuche,  die  auch  später  fortgesetzt  wurden,  blieben 
ohne  Erfolg.  Rapp  verstand  es,  den  Hieb  zu  pariren.  Er  Hess 
die  Proklamationen,  die  ihm  abgeliefert  wurden,  drucken  und 
vertheilen  und  versprach  jedem  eine  Belohnung,  der  ihm  neue 
mitthcilte.  Anfang  Februar  langte  auch  russisches  Fussvolk 
an*),  und  das  Kosackenkorps  wurde  aufgelöst,  ein  Theil  dem 
Blockadekorps  überwiesen,  der  andere  Theil  unter  Czerniczew, 
Dörnberg  und  Tettenborn  der  Armee  Wittgensteins  zugetheilt, 
um  die  von  ihm  zur  Blockade  von  Danzig  abgegebenen  Truppen 
zu  ersetzen.  Wittgenstein  war  nämlich  am  14.  Januar  in 
Elbing  eingetroffen  und  hatte  hier  den  Befehl  erhalten,  das 
Blockadekorps  zu  formiren.  Er  bestimmte  dazu  das  Armee- 
korps von  Steinheil  und  den  grössern  Theil  vom  Korps  von 
Berg,  sowie  einige  Regimenter  der  andern  Abtheilungen  *).  Da 
der  General  von  Steinheil  nach  Fiuland,  dessen  Guverneur  er 
war,  zurückbeordert  wurde,  erhielt  der  Vertheidiger  von  Riga, 
Generallieutenant  Löwis,  das  Kommando  des  Blockadekorps. 
Bei  den  geringen  Kräften,  über  die  er  verfügte,  konnte  er  sich 
nur  auf  eine  Beobachtung  von  Danzig  einlassen,  auch  scheint 
sein  Auftrag  darüber  nicht  hinausgegangen  zu  sein.  Dagegen 
ist  es  unverständlich,  warum  Wittgenstein,  der  auf  höhern  Befehl 
bis  zum  2.  Februar  unthätig  in  Elbing  verweilte  und  dann  in 
Stargardt  bis  zum  13.  Februar  anhalten  musstc,   nicht  den  Be- 


*)  Nach  Dilring  S.  26  zeigte  sich  russische  Infanterie  znerst  am 
3.  Februar. 

*)  Nach  dem  aper^u  S.  IL  hat  Wittgenstein  die  6.,  21.  and  25.  In- 
fanterie-Division, zusammen  noch  nicht  9000  Mann,  ferner  6  Eskdr.  Husaren, 
8  Eskdr.  Dragoner,  4  Eskdr.  Ulanen,  8  Regimenter  Kosacken  und  Tataren, 
sowie  7  Kompagnien  Feld- Artillerie,  in  Summa  18500  Mann  an  das  ßlockade- 
korps  abgegeben.  Die  Berechnung  scheint  jedoch  nicht  zutreffend,  da  das 
Jurnal  die  Stärke  des  Blockadekorps  um  die  Mitte  Februar,  nachdem  Ver- 
stärkungen von  Pillau  eingetroffen  waren,  auf  nur  10902  Mann  angiebt,  eine 
Zahl,  die  als  officiell  zu  betrachten  ist.  Die  0  Eskdrs.  Husaren,  1  Regiment 
Kosacken  und  2  Kompagnien  Artillerie,  welche  inzwischen  zur  grossen  Armee 
abmarschirt  waren,  kOnneu  höchstens  lOüO  Manu  stark  gewesen  sein. 


255 


fehl  erhielt,  Danzig  zu  stttrmeii,  da  dessen  Zustand  im  russischen 
Hauptquartier  bekannt  sein  musste. 

Der  General  Löwis  nahm  folgende  Aufstellung  ein.  Der 
Generalmajor  Wiljaminow  besetzte  mit  seiner  Reiterei  *)  die 
Linie  Oliva,  Brentau,  Nenkau,  Scliiddelkau  und  Kowal,  wo  sich 
die  Truppen  des  Bergschen  Armeekorps  unter  dem  Generalmajor 
Alexejew  anschlössen.  Hinter  der  Reiterei  stand  das  Fuss- 
volk,  das  in  zwei  Abtheilungen  formirt  war.  Die  linke  Ab- 
theilung ^)  hielt  Gluckau,  Byssowe,  Mattern  und  Freudenthal, 
die  rechte  ^)  unter  dem  Oberstlieutenant  Kusmin  die  Ortschaften 
Kalpin,  Ottomin  und  Nastimpol  besetzt.  Die  zugehörige  Ar- 
tillerie*) war  auf  den  Flügeln  vertheilt.  Die  Reserve  unter 
Kommando  des  Generalmajors  Tschernisch^)  stand  in  Zuckau. 

Von  den  Bergschen  Truppen  waren  die  Dörfer  St.  Albrecht 
und  Praust  unter  dem  Oberst  Jachontow  mit  2  Regimentern 
zu  Fuss  und  einem  Kosackenregiment  ^)  mit  zwei  Geschützen 
der  reitenden  Batterie  Nr.  1  besetzt.  Die  Reiterei  unter  dem 
Obersten  Lotschilin  I  besetzte  die  Linie  Neuenhuben,  Quaden- 
dorf  ^).  Auf  der  Nehrung  befanden  sich  2  Sotnien  Kosacken  in 
Bohnsak  und  ein  Bataillon**)  mit  2  Geschützen  der  reitenden 
Batterie  Nr.  23  in  Wordel. 

Hinter  der  Reiterei  im  Werder  befand  sich  wiederum  das 
Fussvolk  in  2  Abtheilungen,  die  erste  ^)  in  Müggenhall,  Schönau 


^)  Das  Isnmsche  Hasaren-,  Perekopsche  Tataren-Begiment  und  die  Eo- 
sai-ken-Begimenter  Grekow  II  und  Sutscbilin. 

*)  Sie  bestand  aus  dem  B.  und  4.  kombinirten  Infanterie-Regiment. 

')  Das  2.  Jäger-,  1.  See-  und  Petrowskiscbe  Infanterie-Regiment. 

*)  Die  leichte  Batterie  N.  26  und  eine  halbe  reitende  Batterie  N.  3  auf 
dem  linken,  die  leichte  Batterie  N.  40,  2  Geschütze  der  reitenden  Batterie 
N.  5  und  4  der  reitenden  N.  24  auf  dem  rechten  Flttgel. 

')  Sie  bestand  ans  dem  Kasanschen  Dragoner -Regiment,  dem  Woro- 
newskischen  Infanterie-Regiment  und  der  schweren  Batterie  N.  21. 

*)  Das  Jachontowsche  Volontair-  und  24.  Jäger-Regiment,  nebst  dem 
Kosacken-Regiment  Kutainikow. 

^  Sie  bestand  aus  dem  Kosacken-Regiment  Lotschilin,  dem  kurländischen 
Volontair-  und  einem  Kalmücken-Regiment. 

^  vom  5.  kombinirten  Jäger-Regiment. 

")  Aus  dem  3.  Jäger-  und  dem  littauischen  Infanterie -Regiment  mit 
4  Geschützen  der  schweren  Batterie  N.  5  bestehend. 


256  _ 

und  Trutenau,  die  zweite *)  in  Hochzeit.  Die  Reserve^)  unter 
dem  Oberst  Erkeln  lag  in  den  Dörfern  Wozlaw,  Eeichenherg, 
Weselinken,  Klein-  und  Gross-Zünder. 

Das  Hauptquartier  des  Generals  Löwis  befand  sich  in  Piaust, 
das  des  Generals  Alexejew  in  Gross-Zünder,  das  des  Generals 
Weljaminow  ist  nicht  bekannt^). 

Nachdem  der  General  Rapp  die  Besatzung  organisirt  und 
die  der  Ordnung  ganz  entwöhnten  Truppen  einigermassen  dis- 
ciplinirt  hatte,  musste  es  ihm  darauf  ankommen,  sie  an  das 
Gefecht  zu  gewöhnen.  Er  bediente  sich  dazu  zunächst  der 
Division  Grandjean,  der  einzigen,  die  im  Feuer  gewesen  war, 
und  von  der  er  sich  einen  Erfolg  versprechen  konnte*).  Er 
stellte  dem  General  die  Aufgabe,  das  vom  Feinde  besetzte 
Dorf  Brentau  zu  rekognosciren.  Wie  wir  gesehen  haben, 
befand  sich  hier  nur  Reiterei.  Es  war  sehr  leicht,  sie  zurück- 
zuwerfen, aber  d'Artois'^)  entwirft  davon  ein  förmliches 
Schlachtengemälde,  obgleich  er  eingesteht,  dass  man  es  nur  mit 
300  bis  400  Baschkiren  (es  waren  die  Perekopschen  Tataren) 
zu  thun  hatte,  denen  man  3  Gefangene  abnahm.  Eine  Re- 
kognoscirung,  die  der  General  Husson  an  demselben  Tage,  den 


*)  Ans  dem  Tinginskischcn  lufanterie-Regiinent  bestehend. 

*)  Sie  bestand  ans  dem  5.  (?)  Bataillon  des  5.  Jäger-Regiments,  dem 
2.  Bataillon  des  1.  kombiuirten  Jäger  -  Regiments  nnd  aus  2  Eskadrons  des 
M  {tauschen  und  Kasanschen  Dragoner-Regiments  mit  12  Geschützen  der  rei- 
tenden Batterie  N.  23. 

')  Die  vorstehende  Dislokation  befand  sich  in  den  nach  der  Kapitniation 
von  Danzig  mit  Beschlag  belegten  Papieren  der  französischen  Ingenieur- 
officiere  und  ist  dem  russischen  Jurnal  für  das  Ingen ienrkorps  einverleibt 
worden.  Archiv  für  die  Officiere  der  ArtiHerie  und  des  Ingenieurkorps  Bd.  20 
S.  84,  85.  Einzelne  Ungenauigkeiten  mögen  sich  in  der  Zusammensetzung 
des  Blockadekorps  finden,  im  allgemeinen  ist  sie  jedoch  richtig  und  dadurch 
von  Werth,  dass  russische  Nachrichten  aus  dieser  Zeit  fehlen.  Das  russische 
Jurnal  giebt  bei  Mittheilung  derselben  keinen  Kommentar  dazu,  hält  sie  also 
für  richtig. 

*)  Der  General  Rapp  verband  mit  dem  Ausfall  noch  die  Absicht,  den 
Russen,  welche  aussprengen  Hessen,  dass  sie  es  auf  einen  gewaltsamen  An- 
griff abgesehn  hätten  und  zu  dem  Zweck  im  Werder  eine  grosse  Anzahl 
Leitern  auftreiben  lie-sseu,  zu  zeigen,  dass  die  Besatzung  noch  bei  Kräften 
sei.    M^moires  de  Rapp  S.  216. 

*)  Relation  S.  52. 


257 

29.  Januar,  gegen  Pitzkendorf,  Miggau  und  Wonneberg  aus- 
führte, traf  nur  auf  Kosacken  mit  2  Geschützen,  die  zurück- 
wichen*^). 

Ernstliclier  war  ein  Ausfall  am  4.  Februar.  Augenschein-  Februar, 
lieh  wollte  der  Guverneur  die  Neapolitaner  im  Gefecht  beob- 
achten, um  zu  sehen,  was  er  an  ihnen  habe.  Er  gab  dem 
General  Detres  den  Auftrag,  Striess  wiederzunehmen,  das  von 
den  Russen  mit  2  Bataillonen  besetzt  worden  war^.  Detres 
ging  um  9  Uhr  morgens  mit  4  Bataillonen  4  Eskadrons  und 
3  Geschützen  aus  Langfuhr  gegen  das  Dorf  vor,  Hess  den 
Oberst  Farine  mit  der  Reiterei  in  der  Ebene  Aufstellung  nehmen 
und  sendete  den  Oberst  Degennaro  mit  einem  Bataillon  des 
7.  Regiments  und  150  Voltigeuren  des  6.,  nebst  einer  Eskadron 
des  polnischen  Ulanen -Regiments  gegen  Brentau  vor.  Die 
Russen  zogen  ihre  Vorposten  ein  und  gingen  darauf  zum  An- 
griff über.  Der  Oberst  Graf  Dolon  fiel  mit  den  Isumschen 
Husaren  und  Perekopschen  Tataren  über  die  Tirailleure  her, 
die  sich  zuweit  vom  Bataillon  entfernt  hatten  und  nieder- 
gemacht wurden.  Der  Major  Lukwenew  folgte  mit  einem 
Bataillon  des  4.  kombinirten  Infanterie-Regiments.  Obgleich 
der  Oberst  Farine  zu  Hilfe  eilte  und  den  Oberst  Degennaro 
entsetzte,  glaubte  D6trfes,  der  anscheinend  keine  Fortschritte 
gegen  Striess  gemacht  hatte,  den  Rückzug  antreten  zu  müssen  ^). 
Er  wurde  vom  Major  Bauer  aufgenommen  (Beiheft  zum  Militär- 
Wochenblatt  1887  8. 120).  Das  Dorf  blieb  von  einem  Bataillon 
Neapolitanern  besetzt,  das  um  3  Uhr  nachmittags  von  den 
Russen  vertrieben  wurde. 

Das  russische  Jurnal  schätzt  den  Verlust  der  Neapolitaner 
auf  400  Mann*). 


>)  Ebenda  S.  53. 

')  Die  Besetzung  von  Striess  rassischerseits  wird  in  den  rassischen  Be- 
richten nicht  erwähnt.  Nach  dem  „Apercu''  ist  der  General  D^trös  sogar  aus 
Striess  zumAngriff  der  Russen  vorgebrochen.  Das  ist  jedoch  ein  Irrthuni, 
denn  das  russische  Belagernngs  -  Jurnal  (Archiv  S.  86)  lässt  ihn  aus  Lang- 
fahr ausfallen. 

*)  d'Artois  55. 

«)  Archiv  S.  86.  Nach  Blech  2,  26  bestand  der  Verlust  aus  100  Todten 
and  25  Gefangenen. 

Köhler,  Oeachicbte  der  Featungen  Danzig  und  Weichselmiinde.    il.  17 


258 

Die  Übrigen  Vorposten-Kommandeure  waren  von  dem  Vor- 
haben der  Neapolitaner  benachrichtigt  worden  und  hatten  den 
Auftrag  erhalten,  den  Gegner  scharf  zu  beobachten.  Sei  es 
aus  Missverständniss  oder  einem  andern  Grund,  begnügte  sich 
der  Oberst  von  Heeringen,  der  mit  rheinbündlerischen  Truppen 
in  Stolzenberg  und  Schidlitz  stand,  nicht  damit,  sondern  ging 
auf  Wonneberg  vor,  vertrieb  hier  die  Kosacken,  gelangte  beim 
weitem  Vorgehen  jedoch  in  ein  wenig  übersichtliches  Gelände 
und  wurde  von  allen  Seiten  angefallen.  Die  überraschten 
Truppen  hatten  nicht  die  Zeit,  Karr6  zu  formiren  und  wurden 
entweder  niedergemetzelt  oder  gefangen.  Nur  der  Frankfurter 
Major  Horadam,  der  sich  durchschlug,  entkam.  Der  Verlust 
betrug  nach  d'  Artois  22  Offiziere  243  Mann  ^). 

Der  Guverneur  konnte  das  reiche  Dorf  Langfuhr  nicht  im 
Besitze  der  Russen  lassen  und  unternahm  am  6.  einen  wohl 
vorbereiteten  Angriff  darauf.  Er  bestimmte  den  General 
Grandjean  mit  8  Bataillonen,  4  Geschützen  und  einigen  Es- 
kadrons  zum  Angiiff  des  Dorfes,  während  der  General  Bachelu 
mit  4  Bataillonen  und  zwei  Geschützen  Pitzkendorf  und 
der  General  Husson  mit  2  Bataillonen  2  Geschützen  Neu- 
Schottland  angreifen  sollte.  Der  General  Cavaignac  sollte  mit 
der  Reiterei  über  Schellmühl  eine  Umgehung  ausführen*).  Es 
hätte  der  Aufbietung  so  bedeutender  Kräfte  nicht  bedurft.  Die 
Russen  hatten  die  Stellung  von  Langfuhr  und  Striess  mit  500 
Mann  Fussvolk  und  250  Reitern  besetzt  und  räumten  die 
Dörfer,  die  sie  mit  ihren  geringen  Kräften  auf  die  Dauer  doch 
nicht  hätten  behaupten  können.  Ein  weiteres  Vordringen  der 
Franzosen  über  Striess  hinaus  wurde  jedoch  zurückgewiesen*). 
Mühlenhof  blieb  von  den  Russen  besetzt,  deren  Vorposten  sich 
bis  Konradshamraer  ausdehnten.  Die  Franzosen  richteten  Lang- 
ftihr  zur  Vertheidigung  ein  und  krenelirten  namentlich  die  am 


^)  Relation  S.  56.  Nach  Blech  2,  26  betrug  er  22  Officiere  340  Mann 
an  Gefangenen  und  60  Todte.  Nach  Düriug  S.  27  war  das  Detachement 
überhaupt  nur  256  Mann  stark.    Bauer  giebt  den  Verlust  auf  2ö0  Mann  an. 

»)  d 'Artois  S.  56. 

')  Archiv  S.  86.  Von  einem  Angriff,  den  die  Russen  darauf  noch  gegen 
Langfuhr  gemacht  haben  sollen,  und  der  vom  herbeieilenden  General  Husson 
zurückgewiesen  wurde  (d 'Artois  57),   wissen  die  nissischen  Berichte  nichts. 


diesseitigen  Ausgange  gelegenen  beiden  Häuser,  um  bei  einem 
Angriff  der  Russen  der  in  Aller  Engeln  stehenden  Reserve  Zeit 
zu  geben,  heranzukommen^). 

Rapp  stand  von  weitern  Unternehmungen  ab.  Der  Zustand 
der  Besatzung  war  durch  den  um  sich  greifenden  Typhus  sehr 
bedenklich  geworden.  Im  Januar  waren  täglich  50  Mann  ge- 
storben, im  Februar  steigerte  sich  das  infolge  der  ansteckenden 
Krankheit,  der  grossen  Strapazen  und  der  geringen  Nahrung 
auf  täglich  130  Mann.  Die  Zahl  der  Kranken  betrug  ende 
Februar  15000.  Hauptsächlich  litten  die  Nationalfranzosen  und 
Neapolitaner,  deren  rege  Phantasie  sie  schwieriger  als  die 
andern  Nationen  die  Anstrenguugeu  und  die  Beunruhigung  Über 
die  Zukunft  ertragen  liess^).  Aber  auch  die  nicht  von  der 
Krankheit  angegriffenen  Mannschaften  schleppten  sich  aus 
Schwäche  und  Traurigkeit  nur  mühsam  hin.  Die  Portion  wurde 
Mitte  Februar  auf  4  Unzen  frisches  Fleisch  auf  2  Tage  und 
in  der  Zwischenzeit  auf  eine  gleiche  Menge  Pökelfleisch  ausser 
dem  Brod  herabgesetzt  ^).  Der  Guverneur  sann  auf  Mittel,  den 
Major  gen6ral  von  diesem  Zustande  zu  benachrichtigen  und 
entschloss  sich  schliesslich,  ein  kleines  Schiff  auszurüsten,  das 
nach  Stralsund,  wo  sich  noch  eine  französische  Besatzung  be- 
fand, fahren  sollte.  Der  Herzog  von  Ahremberg,  Ordonnanz- 
Offizier  des  Kaisers,  und  der  Hauptmann  Chichowski  vom  5. 
polnischen  Infanterie  -  Regiment  übernahmen  es,  die  Botschaft 
auszurichten.  Rapp  bat  namentlich  Pökelfleisch,  Salz  und 
Medikamente  auf  dem  Wasserwege,  bevor  die  Engländer  auf 
der  Danziger  Rhede  erschienen,  zu  übersenden.  Das  Boot 
wurde  jedoch  25  Lieues  von  Danzig  entfernt  von  einem  heftigen 


')  Campredon  64.  Wie  der  Major  Bauer  unterm  7.  März  an  seinen 
Bruder  schreibt  (Beiheft  d.  M.  W.  Bl.  zu  1887  S.  121)  habe  er,  der  seit  dem 
3.  März  die  Vorposten  bei  Langfuhr  kommandirte,  auf  eigenen  Antrieb  die 
beiden  Häuser  zu  Blockhäusern  einrichten  lassen. 

*)  Dissertation  snr  le  typhus  contagieux,  qui  a  r6gn6  6pidemiquement 
ä  Dantzick  pendant  le  blocus  et  le  si^ge  de  cette  place  en  1813,  pr^nt^e 
ä  la  Facult^  de  M6decine  de  Paris  par  J.  B.  Tort,  docteur  en  M6decine,  em- 
ploj6  &  Dantzick.    Paris  1817  p.  15.    d'Artois  S.  61. 

*)  d'Artois,  Relation  S.  63. 


260 

Sturm  erfasst  und  musste  umkehren,   um  eine  bessere  Jahres- 
zeit abzuwarten  *). 

Inzwischen  waren  die  Armirungsarbeiten  seit  Mitte 
Januar  mit  aller  Kraft  gefördert  worden  ^.  Die  Werke  mussten 
vom  Schnee  befreit  und  das  Eis  der  Gräben  aufgehauen  wei-den. 
Es  lag  darin  eine  ungeheure  Arbeit,  die  bei  20  Grad  Kälte  ausge- 
führt werden  musste.  Mau  stellte  in  dem  Eise  der  Gräben  eine 
Lttnette  von  8  bis  10  Meter  Breite  her  und  thürrate  die  daraus 
gewonnenen  Eisschollen  diesseits  derselben  auf,  um  daraus  einen 
unübersteiglichen  Wall  zu  bilden.  Bei  der  grossen  Kälte  bildete 
sich  aber  immer  von  neuem  eine  Eisdecke,  trotzdem  fort- 
während Kähne  das  Wasser  in  Bewegung  setzten.  Schwieriger 
noch  war  die  Arbeit  auf  der  Weichsel.  Hier  begann  man  an 
der  Mündung  und  stellte  einen  Kanal  von  16  bis  17  Meter 
Breite  her,  der  in  der  Mitte  des  Flusses  bis  zum  Fort  Lacoste 
(gegen  10000  Meter  Entfernung)  ausgeführt  wurde.  Es  wurden 
Eisstücke  von  6  bis  7  Meter  im  Quadrat  mittelst  einer  beson- 
ders dazu  konstruirten  Axt  ausgehauen  und  abgestossen,  dass 
sie  dem  Meere  zuflössen.  Der  Frost  steigerte  sich  aber  so,  dass 
trotz  der  schnellen  Strömung  des  Flusses  der  ganze  Kanal  in 
einer  einzigen  Nacht  wieder  zufror  und  die  Arbeit  von  neuem 
begonnen  werden  musste.  Es  waren  täglich  1200  Mann  der 
Besatzung  dazu  angestellt,  die  Tag  und  Nacht  daran  arbeiteten. 
Dies  wiederholte  sich  noch  ein  zweites  Mal,  so  dass  der  Kanal 
dreimal  aufgeeist  werden  musste^). 

Am  Ein-  und  Ausfluss  der  Mottlau  wurde  eine  starke  Barri- 
kade errichtet  und  davor  ein  Graben  ausgehauen.  Davor  wurde 
eine  doppelte  Reihe  spanischer  Reiter  aufgestellt.  Ebenso 
wurde  beim  Einfluss  der  Radaune  in  die  Festung  verfahren*). 

Am  schwierigsten  war  die  Aufstellung  der  Palisaden.  Die 
Löcher  dafür  mussten  mit  der  Axt  aufgehauen  werden,  nach- 
dem die  Erde  zuvor  durch  aufgelegtes  und  angezündetes  Holz 
erwärmt   worden   war.     Diese  Arbeit  wurde  an  allen  Aussen- 


^)  Ebenda  S.  64. 
>)  Ebenda  S.  41. 
>)  Ebenda  S.  42. 
*)  Ebenda  S.  43.    Campredon,  Aiiriol  S.  62. 


261 


werken  ausgeführt  aud  auch  die  Kehlen  derselben  ^  selbst  am 
Fort  Desaix,  wurden  mit  Palisaden  geschlossen.  Thore,  Barri- 
eren und  Poternen  wurden  angelegt  und  die  Verbindungen  der 
Werke  gesichert ').  In  den  Kurtinen  der  Faussebraien  derjenigen 
Fronten,  welche  der  Inundation  zugewendet  waren,  wurde  ein 
Tambur  von  Palisaden  erbaut  *).  Auf  dem  Hagels-  und  Bischofs- 
berge wurden  ausserdem  die  alten  Blockhäuser  in  den  eingehen- 
den Winkeln  des  gedeckten  Weges  ausgebessert  resp.  neue 
konstruirt  und  in  den  gedeckten  Wegen  eine  zweite  Reihe  Pali- 
saden aufgestellt.  Alles  das  wurde  in  den  Monaten  Januar 
und  Februar  ausgeführt*). 

Grosse  Thätigkeit  herrschte  auch  bei  der  Artillerie.  Ende 
Januar  waren  bereits  500  Geschütze  aufgestellt.  Es  wurden 
LaiTeten  reparirt,  die  Handfeuerwaffen  instandgesetzt,  Munition 
angefertigt^). 

Mehrere  Gebäude  wurden  zu  Lazarethen  eingerichtet,  Medi- 
kamente angekauft  und,  was  sonst  zur  Ausrüstung  gehörte,  be- 
schafft. Sehr  zu  statten  kamen  dabei  die  13  Millionen  Franken, 
welche  die  Kontributionen  in  Kurland  eingebracht  hatten.  Es 
waren  dabei  10  Millionen  in  Münze,  die  andern  3  Millionen  in 
Papierrubeln  und  Anweisungen.  Für  den  Bedarf  war  das  wenig, 
wenn  man  berücksichtigt,  dass  die  Truppen  seit  mehreren  Mo- 
naten ohne  Sold  waren  und  zahlreiche  Civilarbeiter  angestellt 
werden  mussten,  ganz  abgesehen  von  den  Ankäufen  an  Lebens- 
mitteln, Furage  und  Medikamenten. 

Seit  der  Mitte  des  Febmar  wurde  die  Temperatur  auffal- 
lend günstiger.  Anhaltende  Regen  bedeckten  die  Eisdecken  mit 
Wasser.  Am  24.  Februar  begann  das  Eis  sich  zu  spalten  und 
auf  der  W^eichsel  sich  in  Bewegung  zu  setzen.  Der  Fluss 
konnte  nicht  mehr  überschritten  werden.  In  der  Nacht  vom 
26.  zum  27.  begann  der  Eisgang,  zugleich  aber  auch  eine 
Stopfung  des  Eises  an  der  Biegung  der  W^eichsel  beim  Holm. 
Die  Mottlau  wurde  dadurch  so  aufgestaut,  dass  sie  die  Speicher- 


^)  Ebenda. 

*)  CampredoD,  Auriol. 

3)  d\4rtois  Relation  S.  43. 

*)  Ebenda  S.  44. 


262 


insel  und  Langgarten  überschwemmte.    Bald  ergoss  sich  auch 
die  Weichsel  über  beide  Ufer  und  brach  an  mehreren  Orten 
die  Dämme.    Die  Vorstadt  Kneipab  und  die  ganze  Gegend  bis 
auf  1  Vs  Lieues  aufwärts  wurden  unter  Wasser  gesetzt.    Mehrere 
Posten  auf  der  Nehrung  und  im  Werder,  die  in  der  Nacht  davon 
überrascht  worden   waren,    wurden   abgeschnitten   und  kamen 
grösstentheils  um  *).  Die  Besatzungen  auf  dem  Holm  und  vom  Fort 
Napoleon  konnten  erst  nach  36  Stunden  gerettet  werden*).   Die 
in  den  Kellern  der  Niederstadt  aufbewahrton  Lebensmittel  der 
Einwohner  gingen  grösstentheils  verloren.     Der  Preis  der  Le- 
bensmittel erreichte  eine  unerschwingliche  Höhe  *).    Das  Wasser 
drang  in  die  Werke,  schwemmte  die  Palisaden  weg,  beschädigte 
Schleusen  und  Brücken,  zerstörte  sie  zum  Theil.     Das  Fort 
Napoleon  wurde  durch  eine  Fluth,  die  sich  bei  Heubude  Bahn 
gebrochen  hatte,  stark  beschädigt,   die  Pulverbestände  wurden 
verdorben.    Die  Rückfortor  Schleuse   wurde  ganz  zerstört  und 
fortgerissen,  der  Damm  daselbst  in  einer  Ausdehnung  von  40 
bis  43  Meter  durchbrochen,   so  dass  sich  die  Weichsel  in  den 
Werder  ergoss.    Seit  1775  hatte  man  solchen  Eisgang  nicht 
erlebt.     Das   grösste   Unglück   sollte   aber   noch   folgen.     Der 
grosse  Batardeau  am  Bastion  Braunross  wurde  weggeschwemmt 
und  der  gegenüberliegende  am  Bastion  Mottlau  stark  beschädigt, 
durch  enorme  Anstrengungen  jedoch  noch  gerettet.    Es  stand 
in  Aussicht,   dass  die  Ueberschwemmung  durch  die  Festungs- 
gräben in  die  Weichsel  abfliessen  würde,  wodurch  der  schwächste 
Theil  der  Umfassung  der  Stadt  blossgelegt  worden  wäre*). 

Am  27.  Februar  wurde  die  Radaune  bei  Praust  von  den 
Russen  abgeleitet  und  der  Stadt  dadurch  das  Wasser  entzogen. 
Es  mussten  mehrere  Rossmühlen  erbaut  werden,  um  das  Getreide 
für  die  Besatzung  zu  mahlen  %  Am  übelsten  stand  es  mit  der 
Feuersgefahr,  die  aus  dem  Mangel  an  Wasser  entsprang.   Man 


*)  d'Artois,  Relation  S.  65. 

»)  Blech  S.  2,  37. 

')  Ebenda  S.  2,  38. 

*)  d'Artois,  Relation  S.  67. 

»)  Ebenda  S.  70. 


263 

half  sich  schliesslich,  indem  man  aus  der  Mottlau  längs  der 
langen  Brücke  Pumpen  anlegte*). 

Die  Russen  hatten  sich  seit  dem  6.  Februar  ruhig  ver- 
halten. Gegen  mitte  des  Monats  erhielten  sie  nicht  unerheb- 
liche Verstärkungen,  die  anscheinend  von  Pillau  kamen,  das  am 
8.  Februar  kapitulirt  hatte.  Ein  um  den  20.  gefangener  russi- 
scher Officier  sagte  aus,  dass  er  erst  vor  5  Tagen  vor  Danzig 
angekommen  und  mit  einer  Kolonne  von  6  Regimentern  Infan- 
terie und  2  Kosacken -Regimentern  marschirt  sei.  Ein  Vergleich 
der  obigen  Truppendislocirung  mit  der  nachfolgenden  vom 
17.  Februar  zeigt,  dass  eine  Vermehrung  des  Blockadekorps 
um  9  Infanterie-  und  Jägerregimenter,  3  Kosacken-  und  2 
Ulanen-Regimenter  stattgefunden  hat.  Dagegen  war  das  Isumsche 
Husaren-Regiment  einige  Tage  nach  dem  Gefecht  vom  6.  Fe- 
bruar zur  grossen  Armee  abmarschirt.  (Apercu  S.  22.)  Auch 
das  Infanterie- Regiment  Tinginsk  fehlt,  das  nach  Küstrin  be- 
ordert war.  Der  neuen  Dislocirung  liegt  eine  veränderte  Ein- 
theilung  des  Korps  zugrunde,  die  jedenfalls  infolge  der  Ver- 
stärkung erforderlich  wurde.  Das  Blockadekorps  zerfiel  danach 
in  4  Abtheilungen  und  2  Reserven.  Vom  linken  Flügel  abge- 
rechnet, hatte  die  1.  Abtheilung  unter  dem  Generalmajor 
Wiljaminow,  in  der  Stärke  von  970  Reitern  und  2600  Mann 
Fussvolk '),  den  Raum  vom  Strande  bei  Konradshammer  bis  zum 
Miggaubach  zu  decken.  Ihre  Vorposten  standen  in  Glettkau, 
Miihlhof,  Pelonken,  Silberhammer,  Brentau,  Zigankendorf ,  Miggau. 

Die  2.  Abtheilung,  540  Reiter  und  872  Mann  Fussvolk 
stark  ^,  war  vom  Generalmajor  Kulnew  befehligt  und  besetzte 
den  Raum  vom  Miggaubach  bis  Schönfeld.    Sie  hatte  Posten 


*)  Blech  2,  35.  Lange  Brücke  ist  der  Weg  auf  dem  BoUwerk  längs 
deä  linken  Mottlannfers  von  der  Koggenbrücke  zum  Fischmarkt. 

*)  Die  1.  Abtheilung  bestand  aus  den  Kosacken-Regimentem  Grekow  I, 
Grekow  V,  Grekow  XVII,  aus  dem  Perekopschen  Tataren-Begiment,  dem  1., 
2.,  3.  und  4.  kombinirten  Infanterie-Regiment,  aus  6  Geschützen  der  reiten- 
den Batterie  N.  3  und  ans  der  leichten  Batterie  N.  10. 

')  Die  2.  Abtheilung  bestand  ans  den  Kosacken-Regimentem  Tschemo- 
snbow  Vin  und  Jagodin,  den  Petrowschen-  und  Woroneschkischen  Inf anterie- 
Begimentem,  aus  dem  1.  und  2.  See-Regiment,  6  Geschützen  der  reitenden 
Batterie  N.  3. 


264 


auf  den  Höhen  von  Schidlitz,  Wonneberg,  Zankencziu  und 
Schönfeld. 

Die  3.  Abtheilung,  732  Keiter  und  1918  Mann  Fussvolk 
stark*),  war  vom  Oberst  Turtschaminow  befehligt  und  be- 
setzte den  Raum  zwischen  Schönfeld  und  der  alten  Radaune 
bei  Krampitz  mit  Vorposten  bei  Matschkau,  St.  Albrecht  und 
Nobel. 

Die  4.  Abtheilung,  620  Reiter  und  1100  Mann  Fussvolk 
stark*),  war  vom  Generalmajor  Grob unzow  befehligt  und  be- 
setzte den  Raum  zwischen  der  alten  Radaune  am  Eramskruge 
bis  zur  Weichsel.  Posten  waren  auf  allen  nach  Danzig  führen- 
den Wegen  vorgeschoben.  Zu  dieser  Abtheilung  gehörte  noch 
der  Oberst  Rosen,  der  mit  500  Mann ')  in  Bohnsak  und  Wördel 
auf  der  Nehrung  stand  und  Posten  nach  Neufehr  vorgeschoben 
hatte. 

Die  1.  Reserve  stand  in  und  bei  Uhlkau,  südwestlich  von 
Rosenberg,  und  war  975  Mann  stark  ^).  Befehlshaber  war  der 
Generalmajor  Rachmanow.  Die  2.  Reserve  w^urde  vom  General- 
major Tschernisch  befehligt,  war  550  Mann  stark*)  und 
stand  in  Neustadt*). 

Die  4  Abtheilungen  zählten,  ausser  der  Reserve  und  dem 


*)  Die  3.  Abthcilung  bestand  aus  den  Kosacken-Regimentern  Sutschilin, 
Cliaritonow,  dem  Volontair  -  Regiment  Jaisontow,  aus  4  Eskadrons  des  pol- 
nischen Ulanen-Regiments,  den  Infanterie-Regimentern  Tnia  und  Nowaginsk, 
dem  3.  Jäger-Regiment,  aus  6  Geschützen  der  reitenden  Batterie  N.  19  und 
der  leichten  Batterie  N.  40. 

*)  Die  4.  Abtheilung  bestand  aus  dem  Kosacken- Regiment  Ilowaisky 
IX,  dem  Tataren -Regiment  Simpheropol,  dem  Brianskischen  Infanterie- 
Regiment,  dem  44.  Jäger-Regiment  und  aus  6  Geschützen  der  reitenden  Bat- 
terie N.  19. 

^)  Der  Oberst  Rosen  hatte  das  kombinirte  Dragoner -Regiment  und  das 
littauische  Infauterie-Regimeut  nebst  2  Sotnien  Kosacken  (200  M.)  unter  sich. 

*)  Die  1.  Reserve  bestand  aus  dem  Nisowschen  und  Newaschen  Infan- 
terie-Regiment, aus  der  leichten  Batterie  N.  11  und  der  schweren  Batterie  N.  6. 

^)  Bestehend  aus  dem  Kasanschen  Dragoner-  und  Tamburgi sehen  Ulanen- 
Regiment. 

')  Das  Vorstehende  ist  dem  russischen  Belagerungsjurnal  entnommen. 
Archiv  S.  86.  87.  Siehe  auch  Apercu  (Herzog  v.  Würtemberg)  S.  22,  das 
jedoch  die  Stärke  nicht  mittheilt. 


265 

Detachement  auf  der  Nehrung,  2862  Reiter  uud6490  Mann  Fassvolk, 
24  reitende,  24  leichte  und  12  schwere  Geschütze.  Die  (ie- 
sammtsumme,  incl.  der  Reserven  und  des  Obersten  Rosen,  betrug 
10902  Mann*). 

Blech,  der  sich  mehrfach  auch  in  militairischer  Beziehung 
gut  unterrichtet  zeigt,  sagt,  dass  der  General  Wiljaminow  in 
Oliva,  Kulnew  in  Schiddelkau,  Rachmanow  (für  Turtschaminow) 
in  Praust,  Gorbonizow  (Grobunzow)  in  Wozlaw  Quartier  hatten. 
Das  Hauptquartier  befand  sich  nach  wie  vor  in  Praust.  Er 
fügt  noch  hinzu,  dass  die  Magazine  sich  in  Dirschau  und  Neu- 
stadt befanden  und  kleinere  für  die  tägliche  Ausgabe  in  Oliva, 
Sukau  und  Praust  vorhanden  waren.  In  Mewe  war  ein  grosses 
Lazareth  etablirt.  Ambulanzen  befanden  sich  in  Oliva  und 
Rusowtschin  nördlich  von  Langenau*). 

Die  Franzosen  mussten  die  russischen  Verstärkungen  sehr 
bald  empfinden,  indem  seit  dem  25.  Februar  das  Furagiren  über 
die  Vorposten  hinaus  nicht  länger  angängig  war^).  Ihr  Ver- 
such, sich  am  15.  Februar  des  Dorfes  Quadendorf  im  Werder 
zu  bemächtigen,  misslang.  Ein  zweiter  Versuch  am  22.  Februar 
wurde  ebenfalls  zurückgewiesen*).  Man  bemerkte  in  den  rus- 
sischen Lagern  vielfache  Bewegungen,  neue  Posten  wurden  vor- 
geschoben, andere  eingeschaltet.  Gegeu  Langfuhr  fanden  Zu- 
sammenziehungen statt.  Der  General  Rapp  traf  daher  Vor-  März, 
bereitungen,  einem  Angriff  zu  begegnen.  Er  Hess  am  3.  März 
den  Posten  von  Langfuhr  verstärken-^)  und  stellte  am  Olivaer 
Thor  eine  grössere  Reserve  auf  ^). 


')  Die  Siiiumirung  ist  jedoch  uicht  genau.  Die  Totalsuinme  würde 
1 1  387  Manu  betragen. 

*)  Blech  2,  17. 

*)  Campredon.    Auriol  S.  66. 

*)  Apercu  S.  23. 

^)  Tagebuch  des  Majors  Bauer  bei  Plümicke  (skizzirte  Gesch.)  S.  190, 
wonach  der  Major,  welcher  den  erkrankten  Regimentskommandeur  v.  Pless- 
mann  vertrat,  mit  dem  1.  westfälisclien  Infauterie-Kegimeut,  in  der  Stärke 
von  noch  280  3Ianu,  am  3.  März  die  Vorposten  von  Langfuhr,  Striess  und 
Neuschottland  besetzte  und  die  daselbst  befindlichen  Franzosen,  bestehend 
aus  einem  Hauptmann,  2  Lieutenants  und  70  Mann,  zugetheilt  erhielt.  VgL 
auch  das  Schreiben  des  Majors  vom  4.  März. 

•)  d'Artois   S.  74.      Derselbe    theilt  S.   73    in  einer  Note  die  Auf- 


266 

Angriff  der  Bussen  am  6.  Harz. 

Am  5.  März  4Vs  Uhr  morgens,  also  bei  völliger  Dunkelheit, 
drangen  die  Bussen  auf  allen  Punkten  auf  die  französischen 
Vorposten  ein  und  warfen  sie  aus  Striess,  Neu-Schottland,  vom 
Zigankenberg,  aus  Schidlitz,  Stolzenberg,  Ohra  und  Stadtgebiet 
in  Unordnung*)  zurück.  Die  Vorposten  bei  Langfuhr,  die  in 
der  Nacht  vom  4.  zum  5.  von  den  70  Franzosen  gebildet  wurden, 
die  sich  beim  Detachement  des  Majors  Bauer  befanden  und  in 
Striess  und  auf  dem  Wege  nach  Jäschkenthal  standen,  waren  von 
dem  Angriff  so  bestürzt,  dass  sie,  ohne  einen  Schuss  abgegeben 
zu  haben,  der  die  Westfalen  im  Dorf  hätte  aufmerksam  machen 
können,  p61e-mele  mit  den  Russen  in  Langfuhr  anlangten.  Die 
Besatzung  des  Dorfes  wurde  daher  noch  in  den  Häusern  über- 


stellung  der  Vorposten  fraiizösiächerseits  mit,  die  für  das  Gefecht  Tom  5.  März 
von  Wichtigkeit  ist. 

Fussvolk.  Offlzlere.  Soldaten. 

Ohra,  Stadtgebiet  und  Altschottland     .........  40  534 

Bischofsberg 3  159 

Stolzenberg 3  99 

Schidlitz 3  100 

Zigankenberg 4  130 

Hagelsberg 8  198 

Holzraum 22  405 

Langfuhr  und  Neu-Schottland 11  190 

Zu  AUer  Engeln,  Kabrun  und  Schellmühl  als  Beserve   .     .  8  310 

Fort  Desaix 5  68 

„     Lacoste 3  94 

Holm 5  121 

Fort  Napoleon 5  114 

Weichselmünde '33  832 

Neufahrwasser 53  1138 

Kavallerie.  Officlere.  Soldaten. 

Stolzenberg 1  40 

Stadtgebiet 1  40 

Summa    208  4572 

Total  4780. 

')  d'Artois  sagt  natürlich  S.  74:  Nos  postes  aYanc6s  furent  oblige  de 
battre  en  retraite ,  ils  se  repliercnt  cepcndaut  avec  ordre  et  sangf roid,  en 
faisaut  uu  feu  vigoureux.  Der  Bericht  des  Majors  Bauer  bezeugt  für  Langfnhr 
das  Gegentheil,  und  es  wird  an  den  andern  Punkten  auch  nicht  viel  anders 
gewesen  sein,  da  die  Stellungen  sämmtlich  genommen  wurden. 


267 

rascht  und  musste  sich  zum  Theil  aus  den  Fenstern  retten.  Be- 
günstigt durch  die  krenelirten  Häuser  am  südlichen  Ausgang 
des  Dorfes,  gelang  es  dem  Major  Bauer  sie  wieder  zu  sammeln. 
Er  warf  die  Russen,  an  der  Spitze  der  Grenadier-Kompagnie 
des  Hauptmanns  von  Skraid,  mit  dem  Bajonet  wieder  aus  dem 
Dorfe  heraus,  liess  den  Hauptmann  am  äussersten  Ausgang  des 
Dorfs  mit  den  Befehl  zurück,  sich  bis  auf  den  letzten  Mann 
zu  halten,  und  begab  sich  zurück,  um  mit  den  andem  Kompag- 
nien die  übrigen  Ausgänge  des  Dorfes  zu  besetzen.  Die  Vol- 
tigeur-Kompagnie  liess  er  hinter  dem  Dorfe  in  Reserve.  Die 
Russen  waren  inzwischen  wieder  zum  AngriflF  übergegangen,  so 
dass  die  Lage  des  Majors  sehr  bedenklich  wurde.  Doch  hielt 
er  sich  bis  zum  anbrechenden  Tage,  wo  die  Reserve  von  Aller 
Engeln  sich  endlich  einstellte').  Der  Major  Bauer  dirigirte  sie 
hinter  dem  Dorfe  hinweg,  um  den  Russen  den  Weg  nach 
Jäschkenthal  zu  verlegen,  während  er  in  der  Front  zum  Angriff 
vorging.  Die  Russen  zogen  sich,  sobald  sie  die  Reserve  be- 
merkten, theils  nach  Jäschkenthal,  theils  nach  Striess  zurück. 
Der  Oberstlieutcnant  Clamont  ruckte  sehr  langsam  und,  wie 
sich  der  Major  Bauer  ausdrückt,  en  debandade  an,  so  dass 
die  Russen  ohne  grosse  Verluste  davonkamen*).  In  den  Strassen 
des  Dorfes  blieben  von  ihnen  16  Todte  und  20  Verwundete 
liegen.  Die  zwei  Kompagnien  des  Regiments,  welche  Neu- 
Schottland  besetzt  hielten,  hatten  sich  auf  das  polnische  Ba- 
taillon zurückgezogen,  das  ihnen  als  Reserve  diente,  und  kamen 
erst  später  zum  Regiment  zurück. 

Inzwischen  hatte  der  Guverneur  die  Besatzung  von  Danzig 
alarmirt  und  sendete  das  7.  neapolitanische  Regiment,  1  Bataillon 
Franzosen  und  1  Bataillon  Polen  mit  6  Geschützen  unter  dem 
General  Heudelet  zur  Unterstützung  des  Generals  Breissan,  welcher 
die  Vorposten  auf  dieser  Seite  kommandirte,  vor.     Neu-Schott- 


*)  Sie  bestand  uach  d'Artois  aus  2  Bataillonen  des  21.  und  28.  Re- 
giments leichter  Infanterie  unter  dem  Bataillonschef  Clamont.  Bauer  nennt 
ihn  Clement,  Campredon  Clamou,  Rapp  Claumont.  Bauer  wird  von  Kapp 
Blaer  genannt  (Memoires  S.  219). 

*)  Vgl.  damit  die  memoires  S.  219,  wonach  800  Bussen  hätten  in  den 
Staub  beissen  müssen! 


268 


laud  und  Striess  wurden  wiedergewonnen  und  die  Russen  in  den 
Wald  von  Oliva  zuiückgeworfen  *). 

Am  hartnäckigsten  war  das  Gefecht  in  Ühra.  wo  die 
Russen  sehr  bedeutende  Kräfte  entwickelten.  Der  Bataillons- 
chef Boulan,  der  hier  kommandirte,  machte  an  der  Spitze  meh- 
rerer Grenadierkompagnien  drei  Vorstösse  gegen  die  in  das  Dorf 
gedrungenen  Russen,  musste  aber  schliesslich  ihrer  Uebermacht 
weichen  und  selbst  Schottland  aufgeben.  Auch  die  von  den 
Generalen  Grand  jean  und  Franceschi  herbeigeführten  Reserven  und 
das  Feuer  von  zwei  Regimentsgeschiitzen  konnten  keinen  Um- 
schwung der  Verhältnisse  herbeiführen.  Eine  von  Stolzenberg 
kommende  russische  Kolonne  drohte,  dem  General  Franceschi  in 
die  Flanke  zu  fallen.  Der  Guverneur  schickte  daher  das  in 
Reserve  gehaltene  6.  neapolitanische  Infanterie-Regiment  auf 
den  Judenberg.  Der  Divisions-Komniandeur  Detr^s  setzte  sich 
selbst  an  die  Spitze  des  Regiments  und  nahm  das  Plateau  des 
Berges  in  einem  Anlauf.  Mit  einem  Bataillon  des  4.  franzö- 
sischen leichten  Regiments  in  Reserve  behaupteten  sich  die  Ne- 
apolitaner hier  bis  zum  Abend.  Aber  aus  Schottland  und  Stadt- 
gebiet waren  die  Russen  nicht  zu  vertreiben.  Ebenso  behaupteten 
sie  sich  in  Stolzenberg,  Schidlitz  und  auf  dem  Zigankenberg. 
Da  entsandte  der  General  Rapp  um  3  Uhr  nachmittags  den 
General  Bachelu  mit  4  Bataillonen,  150  Pferden  und  der  pol- 
nischen  reitenden  Batterie  aus  dem  Neugartener  Thor.     Die 


*)  d'Artoid  S.  76.  Bericht  des  Majors  Bauer.  Nach  demselben  (PUlmicke 
S.  192)  war  der  General  Rapp  selbst  zur  Stelle,  was  die  m^moires  de  Rapp 
S.  219  auch  bestätigen.  Den  Angiiif  auf  Striess  führte  der  Major  auf  Befehl  des 
Generals  Breissan  um  2  Uhr  nachmittags  aus,  wie  das  Gefecht  Überhaupt  noch 
den  ganzen  Tag  fortdauerte.  Der  Major  Bauer  wird  in  dem  Bericht  ausge- 
zeichnet und  erhielt  nach  dem  Gefecht  vom  General  Rapp  zum  Beweise 
seiner  Zufriedenheit  noch  ein  zweites  franz('>sisches  Bataillon  von  2ö0  3fann 
zugetheilt  mit  dem  Kommando  über  den  französischen  Stabsof ficier ,  was 
ganz  ungewöhnlich  war.  Er  hütete  sich  aber,  Franzosen  künftig  wieder  auf 
Vorposten  zu  schicken.  Ausführlicher  noch  ist  das  Schreiben  des  Majors  au 
seinen  Bnider  vom  7.  Mäiz  (Beiheft  z.  Mil.-W.-Bl.  von  1887  S.  120  if.).  In 
einem  Bericht  au  Berthier,  der  im  westfälischen  Moniteur  vom  11.  Juli  ab- 
gedruckt ist  (Beiheft  S.  121),  nennt  Rapp  den  Bataillouschef  Bauer  einen  ofii- 
cier  tres-distingu^,  der  bereits  in  Spanien  und  bei  dem  Rückzuge  des  10.  Korps 
(Macdouald)  aus  Russlaud  sich  ausgezeichnet  hätte. 


269 

Rossen  wurden  aus  Schidlitz  vertrieben  und  dabei  mehrere 
hundert  Gefangene  gemacht.  Darauf  erstürmte  der  General  den 
Zigankenberg,  von  wo  sich  die  Russen  in  Unordnung  auf  Pitz- 
kendorf  zurückzogen.  Auch  Stolzenberg  wurde  geräumt.  Die 
Russen  zogen  sich  nach  Wonneberg  ab,  wobei  ihnen  eine 
Haubitze  abgenommen  wurde.  Der  General  Bachelu  liess 
ein  Bataillon  und  4  Geschütze  unter  dem  Oberst  Kamienski 
zur  Beobachtung  von  Pitzkendorf  und  das  13.  baierische  Re- 
giment mit  4  Geschützen  gegen  Wonneberg  zurück  und  wandte 
sich  mit  dem  Rest  seiner  Truppen  nach  den  Höhen  bei  Ohra  *). 
Gleichzeitig  gingen  die  französischen  Truppen  in  Schottland  vor 
und  warfen  die  Russen  heraus,  wobei  ihnen  der  General  Ba- 
chelu den  Rückzug  abschnitt  und  viele  Gefangene  machte. 

Auch  auf  den  entfernteren  Punkten  fanden  Gefechte  statt, 
da  die  Russen  von  allen  Seiten  zum  Angriff  vorgegangen  waren. 
Sie  hatten  nach  dem  Eisgange  das  von  den  Franzosen  ver- 
lassene Heubude  besetzt  und  warfen  von  hier  aus  die  franzö- 
sischen Truppen,  welche  der  General  Rapp  einige  Tage  vorher 
am  Strande  aufgestellt  hatte,  unter  die  Kanonen  von  Weichsel- 
münde zurück.  Im  Werder  wurde  ein  vom  Fort  Lacoste  vor- 
geschobener Posten  im  Hause  Heinrichsdorf  überfallen  und  ein 
Officier  und  30  Mann  zu  Gefangenen  gemacht.  Auf  der  Seite 
von  Neufahrwasser  vertrieben  die  Russen  die  französischen 
Posten  aus  Brösen  und  Saspe.  Andere  Posten  vom  7.  Regi- 
ment der  Neapolitaner  hielten  so  lange  stand,  bis  sie  vom 
Major  de  la  Nougarede,  der  mit  2  Bataillonen  aus  dem  Re- 
tranchement  von  Neufahrwasser  ausfiel,  entsetzt  wurden.  Auch 
Brösen   wurde  wieder   eingenommen.     Saspe  blieb  jedoch   von 


*)  Der  AusfaU  des  Generals  Bacheln  wird  von  d'Artois  S.  77,  Blech 
2y  49,  Kapp  (m^moires  2^)  und  Oampredon  (Auriol  S.  69)  ziemlich  Überein- 
stimmend erzählt.  Der  letztere  ist  am  präcisesten,  indem  er  sagt:  „le  g^- 
n6ral  Bachelu  se  porte  avec  une  colonne  de  4000  hommes  snr  la  hauteur  de 
Zigankenberg  (wozu  er  vorher  nothweudig  Schidlitz  eingenommen  haben 
mnsste,  vgl.  die  m6moires  de  Kapp)  et  de  lä,  rabattant  son  mouvement  sur  Ohra,  il 
fait  environ  3  ä  4  cents  prisonniers  k  Pennemi  et  lui  enlöve  une  piöce  de  ca- 
non  dans  Schidlitz".  Die  übrigen  Details  giebt  d'Artois.  Die  Angabe  Blechs 
ist  dadurch  wichtig,  dass  sie  die  französischen  Berichte  bestätigt. 


270 

den  Russen  besetzt^).  Am  Abend  waren  mit  Ausnahme  von 
Heinrichsdorf  und  Saspe  alle  Punkte  wieder  eingenommen,  welche 
die  Franzosen  vor  dem  Gefecht  inne  hatten.  Die  Verluste 
waren  auf  beiden  Seiten  sehr  bedeutend.  Von  15  Offtcieren 
des  französischen  29.  Linien-Infanterie-Regiments  in  Ohra  wurden 
allein  13  getödtet  oder  verwundet.  Im  ganzen  betrug  der 
französische  Verlust  62  Officire,  604  Unterofficiere  und  Ge- 
meine. Der  Brigade-General  Devilliers,  der  Oberst  von  Egloff- 
stein  und  der  Major  Horadam  wurden  verwundet.  Den  Verlust 
der  Russen  übertreibt  d'Artois,  dem  ich  im  allgemeinen  gefolgt 
bin  *).  Die  Russen  selbst  geben  ihn  auf  6  Officien«,  840  Mann 
an  Todten  und  Verwundeten  und  170  an  Gefangenen  an,  über- 
treiben aber  ihrerseits  den  der  Franzosen*). 

Es  ist  bemerkenswerth ,  dass  der  General  Campredon*) 
sagt,  es  seien  auf  selten  der  Franzosen  an  diesem  Tage  24  be- 
spannte Geschütze  in  Thätigkeit  gewesen,  namentlich  habe 
Bachelu  mit  der  Artillerie  den  Russen  beim  Rückzuge  aus 
Ohra  grossen  Schaden  zugefügt.  Er  erwähnt  hierbei  speciell 
den  Chef  d'escadron  Farjon  und  den  Hauptmann  Faury,  die  mit 
ihren  Batterien  sich  ausgezeichnet  haben. 

Ueber  die  Motive,  die  den  General  Löwis  geleitet  haben, 
den  Angriff  vom  5.  zu  unternehmen ,  gehen  die  Ansichten  sehr 


')  Nach  Düring  S.  40  fiel  es  erst  am  19.  März,  wo  die  Russen  die  Nea- 
politaner daraus  vertrieben)  in  russische  Hände. 

•)  d'Artois  giebt  Seite  80  den  Verlust  der  Russen  an  Todten,  Ver- 
wundeten lud  Gefangenen  auf  2093  Mann  und  ein  Geschütz  au.  Rapp  spricht 
in  seinen  Memoiren  S.  223  selbst  von  2000  Mann  und  ausserdem  von  11  bis 
1200  Gefangenen.  Er  hält  diesen  Tag  für  den  glänzendsten  der  ganzen  Be- 
lagerung. 

^  Apercu  S.  24.  Das  russische  Belagerungsjumal  (Archiv  S.  87)  ist 
hier  ganz  unzuverlässig.  Es  spricht  von  Gefechten  am  5.,  6.  und  7.  März 
und  setzt  die  Verluste  der  Franzosen  mit  ungeheuren  Zahlen  an,  doch  mögen 
hier  Schreibfehler  mit  untergelaufen  sein.  Der  Herzog  von  Würtemberg  hat 
sich  nur  insoweit  davon  beeinflussen  lassen,  dass  er  (Apercju  S.  23)  den  An- 
griif  auf  den  6.  März  setzt ,  also  die  Mittelzahl  herausgreift.  Blech  stimmt 
jedoch  mit  den  französischen  Quellen  inbetreff  des  ö.  überein.  Das  Schreiben 
des  Majors  Bauer  an  seinen  Bruder  v.  7.  (Beiheft  S.  72)  lässt  darüber 
keinen  Zweifel 

*)  Auriol  S.  69. 


271 

auseinander.  Der  Herzog  von  Würtemberg  sagt  *) ,  dass  der 
General  die  Stellung  der  Franzosen  ausserhalb  der  Stadt  habe 
einschränken  wollen.  d'Artois  behauptet  *),  dass  er  den  Durch- 
marsch eines  Truppenkorps,  welches  zur  Blockade  von  Stettin 
bestimmt  war,  habe  benutzen  wollen,  um  den  Versuch  zu 
machen,  sich  des  Bischofs-  und  Hagelsberges  durch  üeber- 
raschung  zu  bemächtigen  oder  wenigstens  die  Franzosen  in  den 
Platz  zu  werfen.  Blech  führt  ^)  aus,  er  habe  die  Besatzung 
durch  seinen  AngriflF  veranlassen  wollen,  aus  der  Stadt  zu 
rücken,  um  den  Danzigern  Veranlassung  zu  geben,  die  Thore 
hinter  ihr  zu  schliessen  und  sich  der  Franzosen  zu  entledigen. 
Nnr  der  erste  Grund,  der  des  Herzogs  von  Würtemberg,  lässt 
sich  halten.  Es  war  nach  den  Verstärkungen,  die  der  General 
Löwis  erhalten  hatte,  eine  Ehrensache  für  ihn,  die  Franzosen 
sich  nicht  so  ausbreiten  zu  lassen  und  ihnen  die  Hilfsmittel  zu 
entziehen,  welche  die  besetzten  Ortschaften  boten*). 

In  der  Abschätzung  der  gegenseitigen  Stärke  gingen  die 
Ansichten  ebenso  sehr  auseinander.  d'Artois  veranschlagt  die 
Russen  zu  dieser  Zeit  nach  der  Aussage  der  Gefangenen  auf 
21 300  Mann  ^),  während  sie,  wie  wir  gesehen  haben,  kaum  halb 
so  stark  waren.  Von  Seiten  der  Russen  wird  die  Besatzung 
nach  Aussage  der  Spione  auf  30000  Mann  angegeben,  doch 
glaubt  der  Herzog,  diese  Zahl  infolge  ihrer  Verluste  im  Gefecht 
und  der  Epidemie  auf  25000  herabsetzen  zu  müssen,  von  denen 
einige  tausend  in  den  Lazarethen  lagen  ^).  Jedenfalls  hält  er 
sie  den  Russen  gegenüber  für  selir  überlegen  und  macht  dem 
General  Rapp  den  Vorwurf,  die  Belagerer,  welche  ein  immenses 


*)  Apercu  S.  23. 

*}  Relation  S.  80. 

')  Blech  2,  46.  Auch  Kapp  war  der  Meinung,  dass  der  General  Löwis 
die  Wirkung  seiner  ausgestreuten  Proklamationen  überschätzt  und  geglaubt 
habe,  dass  die  nicht  der  französischen  Nationalität  angehörigen  Theile  der 
Besatzung  und  die  Einwohner  mit  den  Franzosen  auf  gespanntem  Fnss  ge- 
standen, ja  sich  bekämpft  hätten.    M6moires  219. 

*)  Wahrscheinlich  hat  der  Umstand,  dass  die  lufanterie-Begimenter 
Tula  und  Nowoginsk  in  den  nächsten  Tagen  zur  grossen  Armee  abmarschiren 
sollten,  auf  dei}  Entschluss  des  Generals  eingewirkt. 

*)  Relation  S.  81. 

")  Apercu  S.  27. 


272 

Terrain  besetzen  mussten  und  bei  dem  Hochwasser  ohne  Ver- 
bindung unter  einander  waren,  nicht  vernichtet  zu  haben.  Dass 
die  Besatzung  zu  dieser  Zeit  nicht  mehr  als  10000  Dienst- 
fähige hatte,  also  gewiss  nicht  stärker  war  als  die  Russen, 
kann  man  wohl  als  nachgewiesen  ansehen. 

Von  grösserem  Interesse  sind  die  Lehren,  welche  das  Ge- 
fecht vom  5.  März  in  taktischer  Beziehung  bietet. 

Partielle  Gefechte  lassen  sich  sowohl  vom  Belagerer  als 
vom  Belagerten  nicht  gut  ausführen,  weil  der  Angreifer,  wenn 
er  an  einem  Punkt  Erfolg  hat,  ihn  nicht  ausbeuten  kann,  da 
er  auf  beiden  Seiten  bedroht  ist  und,  ist  es  der  Belagerer,  in 
das  Geschtitzfeuer  des  Platzes  kommt,  ist  es  der  Belagerte,  sich 
der  Unterstützung  des  Feuers  der  Wälle  begiebt.  Es  müssen  daher 
immer  allgemeine  Engagements  ins  Auge  gefasst  werden,  die 
unter  Umständen  erfolgen,  wie  sie  der  Feldkrieg  nicht  bietet. 

Die  Fronten  sind  im  Verhältniss  zur  Truppenzahl  selir  aus- 
gedehnt, und  das  Breuer  von  den  Wällen  legt  mancherlei  Rück- 
sichten auf.  Von  seiner  überlegenen  Reiterei  wird  der  Belagerer 
selten  Vortheil  ziehen  können.  Er  wird  seinen  Angriff  auf  die 
feindlichen  Vorposten  dahin  zu  verlegen  haben,  wo  er  von  den 
Kanonen  der  Festung  nichts  zu  befürchten  hat,  und  der  Ver- 
theidiger  dahin,  wo  er  vom  Feuer  derselben  am  besten  unter- 
stützt wird.  Die  Disposition  des  Generals  Löwis  vom  5.  März 
trägt  diesen  Forderungen  Rechnung.  Die  Hauptangriffe  auf 
Ohra  und  Langfuhr  hatten  vom  Feuer  der  Wälle  nichts  zu 
leiden.  Auf  den  übrigen  Punkten  gewährte  die  Dunkelheit  die 
erforderliche  Sicherheit  gegen  das  Feuer  dei*  Wälle.  Es  wird 
daraus  auch  erklärlich,  dass  die  Angriffe  gleichzeitig  erfolgten 
und  der  Angriff  auf  Langfuhr  nicht  um  einige  Stunden  voraus- 
ging, um  die  feindlichen  Kräfte  dahin  zu  locken.  Man  muss 
dem  russischen  General  indessen  den  Vorwurf  machen,  dass  er 
in  seinem  Centrum,  etwa  bei  Wonneberg,  keine  Reserve  aufge- 
stellt hatte.  Das  Eingreifen  Bachelu's  würde  dann  nicht  mög- 
lich gewesen  und  die  Leitung  des  Gefechts,  die  gänzlich  ver- 
misst  wird,  wesentlich  erleichtert  worden  sein.  Auf  der  andern 
Seite  erfolgte  der  Ausfall  des  Generals  Bachelu  da,  wo  er  von 
der  Artillerie  des  Platzes  vorzüglich  unterstützt  wurde,  und  war 
auch  insofern  gut  angesetzt,  als  ein  Vorstoss  gegen  Ohra,  wo 


a7ä 

sich  die  zahlreichsten  Kräfte  der  Russen  befanden,  nur  von  den 
Höhen  aus  Erfolg  haben  konnte,  zu  dem  Zweck  der  Feind  aber 
zuvor  aus  Stolzenberg  vertrieben  werden  musste,  was  nur  nach 
vorangegangener  Besitznahme  des  Zigankenberges  möglich  war. 
Bevor  der  General  Bapp  den  Ausfall  Bachelu's  anordnete,  hatte 
er  sich  persönlich  überzeugt,  dass  auf  dem  gefährdetsten,  weit 
entferntesten  Punkt,  Langfuhr,  keine  Gefahr  mehr  vorhan- 
den war. 

Wenige  Tage  nach  dem  Gefecht,  am  9.  März,  trafen  die 
Landwehren  von  Petersburg  und  Nischninowgorod  vor  Danzig 
ein*)  und  ersetzten  die  Verluste.  Obgleich  11  Druschinen 
an  der  Zahl,  ist  ihre  Stärke  nicht  höher  als  2000  Mann  anzu- 
schlagen. Der  General  Adadurow,  der  sie  gebracht  hatte,  über- 
nahm für  den  erkrankten  General  Kulnew  dessen  Truppenabthei- 
lung*).  Vom  Blockadekorps  gingen  dagegen  die  Infanterie-Regi- 
menter Tula  und  Nowoginsk,  wie  erwähnt,  zur  grossen  Armee  ab'), 
wie  schon  Mitte  Februar  ein  Kosacken-Regiment  und  zwei  Artil- 
lerie-Kompagnien*). Den  12.  März  langte  eine  englische  Fregatte 
und  eine  Korvette  auf  der  Danziger  Rhede  an,  infolgedessen 
der  General  Löwis  sein  Hauptquartier  dauernd  nach  Koliebken 
verlegte,  um  leichtere  Verbindung  mit  den  Engländern  zu 
haben*).  Für  die  Besatzung  von  Danzig  war  die  Blockade  zur 
See  ein  harter  Schlag.  Noch  kurz  zuvor  hatte  ein  kleines 
dänisches  Fahrzeug  die  Mündung  der  Weichsel  erreicht  und  der 
Besatzung  Salz  zugeführt'^),  woran  grosser  Mangel  war.     Man 


*)  Russisches  Jamal,  Archiv  S.  90. 

«)  Apercu  S.  25. 

')  Russ.  Jnrnal.  Archiv  S.  90.  Das  Blockadekorps  erreichte  dadurch  die 
Stärke  von  13  bis  14000  Mann  und  seine  beabsichtigte  Zusammensetzung  aus 
der  6.,  21.  und  25.  Infanterie-Division,  die  in  Summa  nur  gegen  9000  Mann 
stark  waren,  da  sie  seit  dem  Feldzage  von  1812  noch  keine  Ersatzmann- 
schaften erhalten  hatten.  An  Reiterei  waren  12  Eskadrons.  an  Artillerie 
7  Batterien  vorhanden,  dazu  traten  die  Eosacken  und  Tataren. 

*)  Apercu  S.  22.  Die  schwere  Batterie  Nr.  5  und  die  reitende  Nr.  3 
können  damit  nicht  gemeint  sein,  da  sie  nach  dem  russischen  Jamal  erst 
am  24.  Man  abgingen. 

")  Ebenda  S.  25. 

•)  d'Artois  S.  87. 

Köhler,  Geschichte  der  Festimgeii  Danzig  and  Weiohselmilnde.    II.  18 


274 

erfuhr  vom  Kapitain,  der  am  4.  März  Kopenhagen  verlassen 
hatte,  dass  die  Russen  am  28.  Februar  noch  nicht  in  Berlin 
eingetroffen  waren,  und  dass  die  in  Frankreich  neu  organisirten 
Streitkräfte  bereits  den  Rhein  überschritten.  Die  Besatzung 
gab  sich  der  Illusion  hin,  dass  sie  bald  entsetzt  werden  würde. 
Die  Verlegung  des  russischen  Hauptquartiers  nach  Koliebken 
zeigt,  dass  der  Befehlshaber  des  Blockadekorps  auf  alle  Offensiv- 
operationen verzichtet  hatte.  Dennoch  war  die  Besatzung  unter 
dem  Eindruck  des  Gefechts  vom  5.  März  eifrig  bemüht,  die 
vorgeschobenen  Stellungen  zu  befestigen,  was  bisher  wegen  der 
dringenderen  Arbeiten  im  Platze  nicht  hatte  stattfinden  können. 
In  Stadtgebiet  wurde  ein  in  der  breiten  Dorfstrasse  gelegenes  Haus 
(A)  am  Ausgange  des  Thals  von  Schönfeld,  in  welchem  die  so- 
genannten Schottenhäuser  liegen,  krenelirt  und  durch  eine  Pali- 
sadirung  mit  einem  zweiten  Hause  (B)  verbunden,  das  auf  der 
andern  Seite  der  Radaune  lag  und  in  seinen  drei  Stockwerken 
ebenfalls  krenelirt  wurde.  Es  bildete  gleichsam  einen  Thurm, 
der  die  Palisadirung ,  womit  die  Schottenhäuser  versehen 
wurden,  flankirte  und  die  Radaune  in  ihrem  obern  Lauf  be- 
strich*). Auch  innerhalb  des  Dorfes  wurden  vortheilhaft  ge- 
legene Häuser  zur  Vertheidigung  eingerichtet,  um  einem  ereten 
Angriff  zu  widerstehen  und  der  Reserve  Zeit  zu  geben,  heran- 
zukommen. 

In  ähnlicher  Weise  wurden  die  bereits  krenelirten  Häuser 
(b  c)  am  südlichen  Ausgange  von  Langfuhr  zur  Vertheidigung 
eingerichtet  und  mit  starken  Palisaden  umschlossen.  Der  Aus- 
gang des  Thals  von  Jäschkenthal  wurde  mit  Palisaden  gesperrt. 
Ebenso  wurde  Neu-Schottland  verbarrikadirt.  Die  vorgescho- 
benen Posten  der  Feldwachen  wurden  mit  Schützengräben 
versehen,  die  von  den  Posten  selbst  hergestellt  wurden^). 

Das  Dorf  Stolzenberg,  das  früher  das  ganze  Plateau  des 
Berges  bis  an   das   Glacis  des  Bisehofsberges  bedeckt  hatte, 


')  Ebenda  S.  82.    Campredon,  Generalbcricht.    Auriol  S.  283. 

')  Ebenda  S.  83.  Die  Feldwachen  schützten  sich  ausserdem  darch  Erd- 
anf würfe  gegen  UeberfäUe  der  Kosacken.  Da  sie  an  bestimmten  Punkten 
lagen,  gewannen  diese  „Posten*'  allmählich  an  Festigkeit. 


275 

reichte  immer  noch  bis  300  Meter  an  die  Werke  des  Bischofs- 
berges heran.  Es  wurde  jetzt  bis  auf  600  Meter  von  den 
Werken  abgebrochen  und  dabei  die  Kirche  und  das  Kapuziner- 
kloster demolirt,  in  welchen  sich  die  Russen  am  5.  März  fest- 
gesetzt hatten.  Der  westliche  Ausgang  des  Dorfes  wurde 
befestigt*).  Im  Bürgerwalde  (Werder)  wurden  die  zunächst 
gelegenen  Meiereien  und  Häuser,  die  als  Inseln  aus  der  Inun- 
dation  ragten,  befestigt,  um  sich  die  Vorräthe  derselben  zu 
sichern.  Um  den  Feind  aus  einigen  entfernteren  Inseln  zu  ver- 
treiben, wurde  eine  kleine  Flotille  für  400  Mann  erbaut  ^).  Ein 
eingefallener  Frost,  der  die  Inundation  mit  einer  Eisdecke  von 
2*/«  Zoll  Stärke  bedeckte,  verhinderte  eine  Zeit  lang  die  Ver- 
wendung derselben. 

Der  General  Kapp  hatte  unterm  8.  März,  also  nur  wenige 
Tage  nach  dem  Anfall  der  Russen  vom  5.  März,  eine  neue 
Dislokation  der  Truppen  angeordnet,  die  zur  Auffassung  der 
Situation  und  als  Disposition  für  die  Vertheidigung  von  Wichtig- 
keit ist.  Da  sie  auch  für  die  spätere  Zeit  inkraft  blieb,  lasse 
ich  sie  unten  ^  in  ihrem  ganzen  Umfange  folgen,  weil  ein  Aus- 
zug daraus  unmöglich  ist. 

Inzwischen  nahm  der  Typhus  immer  grössere  Proportionen  an. 


1)  Ebenda  S.  84. 

«)  d^Artois  S.  84. 

^  Die  Dislokation  gehört  zu  den  bei  der  Uebernahme  von  Danzig  vor- 
gefundenen Dokumenten  und   wird  weder  von  Artois  noch  von  Campredon 
mitgetbeilt.    Archiv  S.  88. 
7.  Division. 
Das  13.  baierische  und  1.  westfälische  Regiment  besetzen  den  Ziganken- 
berg,  Heiiigenbruun,  Langfuhr,  Neu-Schottland,  Scheiimühl,  die  Fabrik  Kabrun, 
AUer  Engeln  und  das  Hans  Otto  Schmidts  (Schmidts  Garten  Taf.  VI.  x).    Der 
Divisionsgeneral  Gran^jean  übernimmt  die  angemessene  Besetzung  dieser  Orte. 
Der  Posten  von  Striess  wird  in  der  Nacht  nach  Langfuhr  zurückgezogen.    Die 
Übrigen  Regimenter  bleiben  in  Reserve  und  werden  zum  innern  Dienst  der 
Festung  herangezogen.    Bei  entstehendem  Ailarm   sammelt  sich  das  IL  pol- 
nische Regiment  am  Olivaer  Thor  und  die  Brigade  Radziwil  vor  dem  Fort 
Hagelsberg  mit  dem  linken  Flügel  an  (Au88en-)Neugart«n. 
30.  Division. 

Die  30.  Division  besetzt  Schottland,  das  Stadtgebiet  und  Ohra  mit  500 
Mann  Infanterie.    Der  General  Heudelet  bleibt  in  der  Stellung,  die  er  gegen- 


276 

Eines  seiner  Opfer    war  der  General  Franceschi,    einer    der 
hervorragendsten  Taktiker  der  französischen  Armee.    Auch  die 


wärtig  isne  hat;  seine  Ablösung  kann  erst  in  zwei  Wochen  geschehen.  Die 
Division  besetzt  ferner  Schidlitz  und  Stolzenberg  mit  200  Mann.  Bei  ent- 
stehendem Allarm  begiebt  sich  der  Divisionskommandear  nach  diesen  Orten. 
Die  SO.  Division  besetzt  femer  das  Fort  Weichselmitnde  mit  700  Mann  diemvt- 
fähiger  Infanterie.  Du'e  Ablösung  wird  in  der  Folge  befohlen  werden.  Die 
30.  Division  schickt  morgen  200  Mann  nach  Heubude  zur  Ablösung  des 
dortigen  Postens.  Die  Ablösung  dieses  Postens  wird  in  Zukunft  alle  10  Tage 
erfolgen.  Das  Fort  Napoleon  wird  morgen  von  der  30.  Division  an  die 
33.  Division  und  das  Fort  Lacoste  an  die  34.  Division  übergeben.  Die  30.  Di- 
vision nimmt,  soviel  es  ihre  Stärke  erlaubt,  an  dem  Innern  Dienst  der  Gar- 
nison theil,  besetzt  das  Thor  von  Neugarten  und  Petershagen  und  das  Fort 
auf  dem  Bischofsberge.  Bei  entstehendem  Allarm  sammelt  sie  sich  am  hohen 
Thor,  so  dass  der  rechte  Flügel  vor  diesem  Thor  zu  stehen  kommt. 

33.  Division. 

Die  33.  Division  besetzt  Neufahrwasser  mit  dem  7.  Neapolitanischen 
Begiment,  welches  morgen  dahin  abgeht  und  das  5.  (neap.)  Regiment  daselbst 
ablöst.  Die  fernere  Ablösung  wird  in  der  Folge  befohlen  werden.  Zwei 
Kompagnien  des  6.  (neap.)  Regiments,  welche  sich  ebenfalls  dort  befinden, 
werden  von  zwei  andern  desselben  Regiments  abgelöst.  Die  33.  Division  be- 
setzt morgen  das  Fort  Napoleon  mit  80  Mann,  welche  alle  10  Tage  abgelöst 
werden.  Sie  besetzt  femer  wie  früher  den  Holzraum.  Die  übrigen  Truppen 
dieser  Division  werden  zum  Innern  Dienst  der  Festung  mit  herangezogen. 
Bei  entstehendem  Allarm  sammelt  sie  sich  auf  dem  Platz  vor  dem  Theater 
(Dominikplatz). 

34.  Division. 

Die  34.  Division  besetzt  heute  das  Fort  Lacoste  mit  80  Mann.  Sie 
besetzt  ferner  den  Holm  und  das  Fort  Desaix,  dessen  Garnison  alle  24  Stunden 
abgelöst  wird.  Bei  entstehendem  Allarm  sammelt  sich  die  Division  auf  dem 
Langenmarkte. 

Die  Abtheilung  des  2.  Dragoner-Regiments,  welche  jetzt  in  Neufahr- 
wasser steht,  kehrt  morgen  in  die  Festung  zurück;  in  Neufahrwasser  bleibt 
nur  das  1.  Dragoner-Regiment,  welches  wie  früher  Bröseu  und  Saspe  besetzt. 
Die  Posten  von  Langfuhr,  Schidlilz  und  Stadtgebiet  werden  vom  2.  Dra- 
goner-Regiment und  vom  polnischen  Ulanen-Regiment  besetzt.  Das  1.  Dra- 
goner-Regiment steht  unter  dem  Befehle  des  Kommandanten  von  Neufahr- 
wasser. Die  übrigen  KavaUerie-Abtheilungen  stehen  unter  den  Komman- 
danten der  Posten,  denen  sie  zugetheilt  sind.  Bei  entstehendem  Allarm 
sammelt  sich  die  KavaUerie,  welche  in  der  Festung  steht,  auf  dem  Platze 
vor  dem  Theater  Dominikplatz. 

Die  Seetruppen  und  Arbeits-Bataillone  sammeln  sich  bei  entstehendem 
AUarm  auf  dem  Langenmarkte. 


277 


Noth  in  der  Stadt  steigerte  sich  von  Tag  zu  Tag.  Die  Furage 
für  die  Pferde  ging  zu  Ende,  das  Stroh  langte  nicht  mehr  für 
die  Lazarethe  aus.  Auch  an  frischem  Fleisch  mangelte  es,  ob- 
gleich den  Einwohnern  alles  Vieh  weggenommen  war.  Es  musste 
etwas  geschehen,  um  dem  Maugel  abzuhelfen. 

Der  General  Rapp  hatte  nichts  verabsäumt,  um  auf  den 
Geist  der  Truppen  einzuwirken,  wozu  ihm  der  glückliche  Aus- 
gang des  Gefechts  vom  5.  März  sehr  zustatten  kam.  Er  zeigte 
sich  oft  unter  ihnen,  besonders  unter  den  Polen,  die  sich  an 
diesem  Tage  hervorgethan  hatten.  Er  erschien  dabei  in  der 
polnischen  Mütze  (viereckig  und  roth)  und  später  in  einer  völlig 
polnischen  Kleidung  ^).  Es  war  nichts  geeigneter  die  polnischen 
Regimenter  zu  enthusiasmiren.  Die  günstigen  Nachrichten  aus 
Deutschland  wurden  übertrieben,  um  die  Hoffnung  der  Truppen 
auf  baldigen  Entsatz  zu  beleben.  Der  General  glaubte  es  unter 
diesen  Umständen  wagen  zu  dürfen,  einen  grösseren  Ausfall  zu 
unternehmen,  der  ihm  den  Werder  erschliessen  sollte,  wo  er 
noch  bedeutende  Vorräthe  zu  finden  hoffte.  Er  glaubte,  mit 
Hilfe  der  Flotille  dauernd  daselbst  Fuss  fassen  zu  können. 
Der  24.  März  wurde  zur  Ausführung  bestimmt.  Der  General 
Heudelet  sollte  über  Ohra  einen  Verstoss  auf  die  Schweinsköpfe 
und  Matschkau  machen  und  eine  Abtheilung  auf  Quadendorf  ent- 
senden. Im  Verein  mit  der  Flotille  sollte  an  der  Mottlau  eine 
Schanze  errichtet  werden.  Zum  Schutz  der  Unternehmungen 
sollten  von  den  übrigen  Truppen  Ausfälle  gemacht  werden,  die 
sich  jedoch  darauf  beschränken  sollten,  den  Gegner  festzuhalten. 
Zu  dem  Zweck  erhielt  der  General  Devflliers  bei  der  34.  Di- 
vision den  Befehl,  im  Angesicht  der  feindlichen  Stellungen  von 
Wonneberg  und  Pitzkendorf  die  gegenüberliegenden  Höhen  zu 
besetzen.  Ihm  zur  rechten  sollte  das  11.  polnische  Regiment, 
zur  linken  der  General  Husson  mit  seiner  Brigade  und  der 
kaiserlichen  Garde  ^)  Stellung  nehmen.     Bei  Langfuhr  komman- 


Ebendort  sammelt  sich  die  Garde  und  bleibt  in  Reserve. 
Aus  der  Dislokation  ergiebt  sich,  dass  Heubude  und  Saspe  wieder  im 
Besitz  der  Festung  waren. 
»)  Blech  2,  51. 
')  Es  sind  darunter  gegen  400  Mann  der  Garde  zu  verstehen,  die  beim 


278 

dirte  der  General  Breissan.  Er,  wie  der  Kommandant  von 
Neufahrwasser,  sollten  einen  Scheinangriff  ausführen,  ohne  sich 
jedoch  auszusetzen  *). 

Die  Truppen  des  Generals  Heudelet  sammelten  sich  am 
Petershagener  Thor.  Die  Avantgarde  führte  der  General 
Bachelu,  der  um  6V2  Uhr  morgens  mit  dem  5.  polnischen  In- 
fanterie-Regiment, der  Reiterei  des  Generals  Cavaignac  und 
einer  leichten  Batterie  aus  Ohra  vorbrach.  Eine  Abtheilung 
von  150  Russen,  auf  die  er  zunächst  traf,  wurde  über  den 
Haufen  gerannt  und  von  der  Reiterei  grösstentheils  gefangen. 
An  den  Drei  Schweinsköpfen  angelangt,  wendete  sich  der  General 
von  der  Hauptstrasse  ab,  über  Matschkau  auf  Borgfeld,  das 
von  500  Russen  besetzt  war.  Das  Dorf  wurde  in  der  Front 
von  einem  Bataillon  des  5.  polnischen  Infanterie-Regiments  an- 
gegriffen und  von  einem  zweiten  Bataillon  umgangen.  Die  Be- 
satzung räumte  den  Ort,  wurde  aber  von  der  Reiterei  angefallen 
und  gänzlich  zerstreut.  Die  Verfolgung  ging  bis  zum  Dorfe 
Praust.  Die  Besatzung  der  Dörfer  Drei  Schweinsköpfe  und 
St.  Albrecht  zog  sich  infolge  der  Umgehung  des  Generals 
Bachelu  zurück,  so  dass  die  Hauptkolonne  unter  dem  General 
Gault,  welche  auf  der  Hauptstrasse  vorging,  keinen  Widerstand 
fand.  In  St.  Albrecht  wurde  ein  Lazareth  genommen  und  eine 
Anzahl  Gefangener  gemacht.  Von  hier  aus  wurde  das  13. 
baierische  Infanterie- Regiment,  das  im  Verein  mit  60  Westfalen 
nur  noch  ein  Bataillon  unter  dem  Major  Seiferditz  fonniren 
konnte  ^),  auf  dem  Damme  der  alten  Radaune  gegen  die  Mottlau 
vorgesendet,  um  mit  der  Flotille  in  Verbindung  zu  treten,  die 
mit  18  Fahrzeugen  und  200  Mann  Besatzung  Danzig  um  6  Uhr 
morgens,  geführt  vom  Artilleriekapitain  Gautier,  verlassen  hatte. 
Die  Flotille  war  durch  300  Russen,  welche  sich  in  den  Häusern 


Bttckzuge  ans  Russland  als  Kranke  in  Danzig  zurückgeblieben  waren  und 
jetzt  zum  Theil  wieder  Dienst  thun  konnten. 

^)  Le  siege  de  Dantzig  en  1813  par  M.  de  M**^  giebt  S.  106  eine  aus- 
führliche Disposition  zu  diesem  Ausfall  nach  dem  Tagebuch  der  Div.  Heudelet. 

*)  Schreiben  des  Majors  Bauer  vom  27.  März.  Beiheft  S.  124.  Ausser 
diesen  60  Mann  hatte  das  westfälische  Regiment  noch  30  Mann  auf  Vor- 
posten, welche  mit  jenen  zur  Zeit  die  dienstfähige  Mannschaft  des  Regiments 
bildeten.    Der  Major  Bauer  wohnte  daher  der  Expedition  nicht  bei. 


279 


am  Kramskruge  eingenistet  hatten,  aufgehalten  worden.  Bei 
Annäherung  der  Baiern  stieg  die  Besatzung  ans  Land,  und  beide 
gemeinschaftlich  warfen  die  Russen  auf  das  rechte  Ufer  der 
Mottlau  zurück.  Letztere  zogen  sich  auf  Quadeudorf  zurück.  Die 
Sapeure  durchschnitten  den  Radaune-Damm,  um  die  Verbindung 
mit  St.  Albrecht  aufzuheben,  und  arbeiteten  jenseits  der  Brücke 
am  Kramskruge  an  einer  Schanze,  die  als  Brückenkopf  gegen 
den  Werder  für  künftige  Furagirungen  seitens  der  Flotille 
dienen  sollte.  Sie  wurden  jedoch  durch  Annäherung  einer  starken 
Kolonne  aus  Quadendorf  darin  gestört.  Die  Baiern  traten  den 
Rückzug  an,  und  die  Flotille  entfernte  sich  nach  dem  Abbrennen 
der  Brücke,  um  1000  Meter  weiter  unterhalb  im  Mottlaudamm 
zwei  Kupüren  herzustellen  und  durch  eine  Palisadirung  zu  ver- 
binden. Die  anliegenden  Häuser  wurden  krenelirt.  Die  Be- 
festigung des  Punktes  wurde  in  den  folgenden  Tagen  fort- 
gesetzt ').  , 

Der  General  Heudelet  trat  gegen  Abend  mit  der  inzwischen 
gesammelten  Beute  den  Rückzug  nach  Danzig  an. 

Kleine  Gefechte  hatten  auch  au  den  übrigen  Punkten  der 
Einschliessung  stattgehabt.  Bei  Striess  fand  sich  auch  der 
General  Löwis  ein  und  unterhielt  mit  dem  General  Breissau, 
der  hier  kommandirte,  eine  Kanonade.  Der  General  Husson 
drang  bis  Wonneberg  vor,  ohne  einen  erheblichen  Widerstand 
anzutreffen.  Es  zeigte  sich  an  diesem  Tage  so  recht,  wie  ver- 
kehrt es  von  Seiten  des  Generals  Löwis  gewesen  war,  das 
Hauptquartier  nach  Koliebkeu  zu  legen,  von  wo  eine  Leitung 
seiner  langgedehnten  Linie  im  Fall  eines  Ausfalls  nicht  mög- 
lich war.  Vom  General  Rapp  war  es  ein  Fehler,  für  einen 
so  weit  aussehenden  Plan  nur  einen  Tag  angesetzt  zu  haben. 
Hätte  er  die  Truppen  am  Abend  bei  Matschkau  versammelt 
und  hier  bivouakiren  lassen,  um  am  andern  Morgen  die  Fu- 
ragimng  fortsetzen  zu  können,  so  wäre  das  Resultat  ein  anderes 
gewesen.  Er  hätte  es  selbst  wagen  können,  zum  Angriff  über- 
zugehen und  die  ganze  Stellung  des  Blockadekorps  aufzurollen. 
Er  befand  sich  hierzu  am  günstigsten  Punkte,  da  er  diese 
Stellung  am  wichtigsten  Punkte  durchstossen  hatte. 


')  Campredon.    Auriol  S.  71.    d'Artois  S.  93.    Siehe  Taf.  VI  p  und  q. 


280 


Der  Verlust  der  Franzosen  belief  sich  an  diesem  Tage  auf 
81  Todte,  Verwundete  und  Gefangene*).  Unter  den  letzteren 
befand  sich  der  Artillerie-Hauptmann  Faucy,  der  den  Eosacken 
in  die  Hände  fiel.  An  Russen  wurden  6  Offiziere  350  Mann 
gefangen  eingebracht,  darunter  befanden  sich  Milizen  (von  den 
Druschinen),  die  noch  nicht  eingekleidet  waren,  Greise  und 
ganz  junge  Leute.  Der  General  Miliaminow  und  die  Majors 
Läpp,  Girkowitz  und  Lukaweniew  wurden  verwundet. 

Der  Erfolg  der  Furagirung  entsprach  nicht  den  gehegten 
Erwartungen.  Man  erfuhr  nicht  einmal  von  den  Gefangenen 
die  Stärke  des  Blockadekorps,  da  diese  bei  den  unaufhörlichen 
Ablösungen  schwer  festzustellen  war;  auch  Nachrichten  aus 
Deutschland  konnten  ausser  dem,  was  vom  Hauptquartier  da- 
rüber verbreitet  wurde,  nicht  in  Erfahrung  gebracht  werden. 
Der  Schulze  von  Traust,  welcher  auf  Befehl  des  Guvenieurs 
nach  Danzig  mitgenommen  wurde,  wusste  so  wenig  wie  die 
anderen  und  wurde  am  folgenden  Tage  wieder  entlassen.  An 
Beute  führte  man  nur  gegen  100  Stück  Vieh  davon.  Der  Gu- 
verneur  sah  sich  unter  diesen  Umständen  gezwungen,  eine 
Kommission  zu  ernennen,  welche  alles  zu  untersuchen  hatte, 
was  in  der  Stadt  zur  Nahrung  von  Menschen  und  Pferden 
dienen  könne*).  Als  Vorstand  wurde  der  Divisions-General 
Heudelet  ernannt.  Die  Kommission  nahm  ein  Verzeichniss  aller 
betreffenden  Gegenstände  auf,  vei-siegelte  die  Keller  der  Wein- 
händler, nachdem  der  erforderliche  Bedarf  gegen  Bons  ent- 
nommen war,  suchte  die  Häuser  nach  dem  vorhandenen  Vieh 
ab,  das  den  Besitzern  jedoch  vorläufig  bleiben  sollte.  Wie  sich 
herausstellte,  war  der  Bestand  nur  gering,  so  dass  die  Kommission 
dem  Guverneur  den  Vorschlag  machte,  den  Truppen  Pferde- 
fleisch zu  verabreichen.  Die  Besitzer  von  Pferden  wurden  an- 
gewiesen, diese  auf  Erfordern  an  die  Pferdeschlächtereien  ab- 
zuliefern.    Auch   die   bei   den   Truppen   entbehrlichen   Pferde 


*)  D  'Artois  S.  94.  Nach  DQriDg  verloren  die  Franzosen  an  Todten  und 
Verwundeten  3  Officiere  217  Mann. 

*)  Nach  Blech  2,  71  fand  die  Ernennung  dieser  commission  extraordinaire 
d'apprivisonnements  de  siege  am  7.  April  statt,  nach  Campredou  (Auriol  S.  74) 
am  17, 


281 

wurden  designirt.  Auf  die  Lazarethe  wurde  besondere  Sorg- 
falt vei-wendet.  Als  Ersatz  der  Butter,  die  sehr  selten  geworden 
war,  wurden  die  Gallerte  aus  den  Knochen  des  geschlachteten 
Viehs  ausgezogen  und  verwendet ').  Die  Kommission  legte  auf 
alle  Medicamente  und  auf  die  Leinewand,  die  sich  zu  Verband- 
zeugen eignete,  Beschlag.  Sie  kontroUirte  selbst  die  Verwaltung 
der  verschiedenen  Zweige.  Ohne  Härte  gegen  die  Einwohner 
konnte  all  das  nicht  abgehen.  Der  General  Hendelet  hiess 
nicht  anders  als  der  Teufel. 

Der  Typhus  nahm  im  Monat  März  immer  grössere  Pro- 
portionen an.  In  der  2.  Hälfte  des  Monats  starben  täglich 
200  Mann*).  Die  Lazarethe  waren  überfüllt.  Die  Zahl  der 
bettlägerigen  Kranken  (gegen  18000)  überstieg  alle  Mittel,  die 
auf  deren  Pflege  verwendet  werden  konnten.  Auch  die  Rein- 
lichkeit liess  unter  diesen  Umständen  zu  wünschen  übrig.  Die 
Epidemie  verbreitete  sich  selbst  nach  Neufahrwasser  und 
Weichselmünde,  die  bisher  verschont  geblieben  waren.  Auch 
die  hohem  Klassen  der  Einwohner  Danzigs  blieben  nicht  ver- 
schont *).  Nach  dem  Bericht  von  Tort  blieben  die  der  Artillerie 
und  dem  Genie  zugetheilteu  Truppen,  durch  die  Ressurcen, 
welche  diese  Waffen  hatten,  am  meisten  von  der  Krankheit 
verschont.  Die  Generale  Lepin  und  Campredon,  die  sie  kora- 
mandirten,  verwendeten  eine  ausserordentliche  Sorgfalt  auf  die 
Gesundheit  ihrer  Leute.  Anfang  April  erreichte  die  Epidemie 
ihren  Höhepunkt.  Während  im  März  4000  Mann  gestorben 
waren,  reducirte  sich  die  Zahl  im  Monat  April  auf  3000,  im 
Mai  auf  2000.  Am  6.  April  wurde  der  brave  General  Gault 
nach  neunstündigen,  unerhörten  Leiden  liingerafft*). 


*)  Campredon.     Aurioi  S.  75.     d'Artois  S.  97. 

*)  Das  westfälische  Regiment,  das  beim  Einmarsch  in  Danzig  noch 
46  Offiziere  und  888  3fann  stark  gewesen  war,  hatte  nach  dem  Tagebuch 
des  Majors  Bauer  am  ö.  März  nur  noch  280  Mann,  am  8.  infolge  des  Ver- 
lustes am  5.  März  nur  117,  am  15.  nur  85.  Es  starben  davon  täglich  5  bis 
6  Mann.  Nach  dem  Gefecht  vom  24.  wurde  es  mit  den  Baiem  zu  einem 
Bataillon  formirt,  das  abwechselnd  vom  Major  Bauer  und  den  baierischen 
Stabsofficiereu  Bollk  und  Seiferdiz  kommandirt  wurde.    Plümicke  S.  193. 

*)  d  'Artois  S.  98.  Nach  Blech  2,  23  starben  schon  im  Februar  wöchent- 
lich 200  bis  300  aller  Stände. 

*)  d'Artois  S.  101. 


282 

Die  Russen  verhielten  sich  seit  dem  24.  März  ziemlich 
ruhig  und  begnügten  sich  mit  Aufliebung  einzelner  Vorposten 
und  dem  Ueberfall  von  Feldwachen.  Sie  befestigten  ihre 
Stellungen.  Bei  Matschkau  wurde  eine  Redute  und  bei  Wonne- 
berg  ein  Retranchement  angelegt*).  Einige  Veränderungen 
waren  in  den  Truppentheilen  eingetreten.  Am  24.  März 
marschirte  auf  Befehl  des  Generals  Grafen  Wittgenstein  die 
schwere  Batterie  Nr.  5  und  die  reitende  Nr.  3  nach  Berlin  ab. 
Am  29.  folgte  das  Kosacken-Regiment  Jlowaiski  X.  Dagegen 
langte  am  26.  die  9.  Kompagnie  der  Petersburger  Landwehr 
in  der  Stärke  von  248  Mann  aus  Jurburg  an  und  wurde  dem 
Woroneschkischen  Regiment  zugewiesen.  Am  11.  April  stiess 
die  Reserve  -  Escadron  des  Jamburgischen  Ulanen -Regiments 
zum  Blockadekorps.  Uebrigens  litten  auch  die  Russen  Mangel. 
Am  25.  März  wurden  3  Batterien  (die  schwere  Nr.  6 ,  die 
reitende  Nr.  1  und  die  leichte  Nr.  11)  nach  Dirschau  geschickt, 
um  auf  dem  grossen  Werder  (Nogatwerder,  wie  er  von  deu 
Russen  genannt  wui*de),  Unterkommen  und  Nahrung  zu  finden  ^). 
April.  Vom  Zustand  in  Danzig  war  man  genügend  unterrichtet. 

Der  Oberst  Eigner,  welcher  wegen  einiger  Unterhandlungen 
nach  der  Stadt  geschickt  worden  wai',  kam  am  17.  April  von 
dort  zurück  und  erzählte,  dass  von  der  33000  Mann  starken 
Besatzung  schon  17000  gestorben  seien').  Das  ist  nun  zwar 
übertrieben,  aber  10000  Mann  kann  man  für  diese  Zeit  bestimmt 
annehmen  und  ebensoviele  mögen  noch  in  den  Lazarethen 
gelegen  haben,  so  dass  die  Zahl  der  Dienstfähigen  etwa  11000 
betrug.  Wahrscheinlich  ist  es  dieser  Offleier,  auf  den  sich  das 
Schreiben  des  Generals  Rapp  an  den  General  Löwis  vom 
16.  April  bezieht*),  dass  er  vom  17.  April  ab  keine  Parla- 
mentäre mehr  annehme  und  den  Vorposten  den  Befehl  er- 
theilt  habe,  auf  jeden  zu  schiessen,   der  sich  annähere.    Schon 


>)  Ebenda. 

*)  Russisches  Jumal.    Archiv  S.  90. 


3)  Ebenda. 

*)  d'Artois  S.  111.  Er  hatte  die  Vorposten,  während  seine  Ankunft 
dem  Vorposten-Kommandeur  gemeldet  wurde,  verführen  woUen,  zu  desertiren. 
Es  waren  Westfalen. 


283 


am  7.  April  hatte  er  jedem  seiner  Leute  eine  Belohnung  ver- 
heissen,  der  ihm  einen  Menschen  zuführe,  welcher  ihn  zur  De- 
sertion habe  verleiten  wollen  *).  Der  General  Rapp  konnte 
jedoch  die  Verbreitung  lügenhafter  Nachrichten  seitens  der 
Bussen  nicht  hindern,  die  an  der  damals  stattgehabten  lieber- 
gäbe  von  Thom  und  dem  zwischen  Preussen  und  Russland  ge- 
schlosseneu Bündniss  einen  Anhalt  fanden,  aber  weit  übertrieben 
wurden.  Den  Danzigern  gab  die  Versiegelung  des  preussischen 
Postbureaus  am  14.  April  eine  Bestätigung  des  Bündnisses^). 

Rapp  verstand  es,  die  entsetzlichen  Zustände,  welche  in 
Danzig  infolge  des  Typhus  und  des  Mangels  herrschten,  und 
welche  die  Truppen  zu  demoralisiren  drohten,  durch  Betäubung 
derselben  zu  überwinden.  Er  begünstigte  die  Lust  und  das 
Vergnügen,  wozu  ihm  die  Faschingszeit  Gelegenheit  gab.  Zu 
Ostern  (18.  April)  rückte  er  mit  7000  Mann  aus  und  hielt 
zwischen  Neu-Schottland  und  Oliva,  auf  dem  heutigen  grossen 
Exercierplatze,  eine  Parade  im  Angesicht  der  russischen  Vor- 
posten ab.  Was  man  auch  dagegen  gesagt  hat,  er  hat  seinen 
Zweck,  den  Geist  der  Truppen  zu  heben,  damit  erreicht.  Den 
Plackereien  der  Kosacken  suchte  er  durch  gelegentliche  AUar- 
mirungen  der  feindlichen  Läger  zu  begegnen.  Eine  grössere 
Unternehmung  dieser  Art  fand  am  15.  April  statt. 

Die  russische  Linie  war  an  den  hervorragendsten  Punkten 
mit  Feuer-  und  Rauchsignalen  versehen.  Rapp  beschloss,  durch 
einen  Ausfall  eines  derselben  anzuzünden  und  dadurch  die  ganze 
feindliche  Linie  zu  aUarmiren.  Das  5.  und  10.  polnische  In- 
fanterie-Regiment erhielten  Befehl,  das  Dorf  Brentau  anzu- 
greifen. 

Die  Kommandeure  derselben,  Szembeck  und  Potocki,  rückten 
um  Mitternacht^)  aus  Langfuhr  aus  und  gelangten,  ohne  be- 
merkt zu  werden,  auf  die  Anhöhe,  welche  das  Brentauer  Thal 


^)  Der  Tagesbefehl  ist  vollständig  im  russischen  Jumal  (Archiv  S.  91) 
abgedruckt  und  gehört  wahrscheinlich  zu  den  mit  Beschlag  belegten  Do- 
kumenten.   Siehe  auch  d^Artois. 

«)  Blech  2,  65. 

')  Campredon  (Auriol  S.  73).  d'Artois  S.  103.  M6moires  de  Rapp 
S.  299.  Da  der  Ausfall  um  Mittemacht  erfolgte,  sagt  ersterer  den  14., 
letzterer  den  15.    In  den  russischen  Berichten  wird  dieser  Ausfall  gar  nicht 


284 


von  der  Ebene  trennt.  Die  Vorposten,  die  hier  standen,  wurden 
verjagt.  Potoöki  griff  darauf  das  Dorf  Brentau  an  und  be- 
mächtigte sich  desselben.  Gegen  40  Mann,  die  mehrere  befestigte 
Häuser  besetzt  hatten,  wurden  nach  einander  überwältigt.  Man 
fand  ein  Lazareth  für  300  Mann,  in  welchem  die  vorgefundeneu 
Waffen  zerschlagen  und  einige  Equipagewagen  zertrümmert 
wurden.  Der  Bataillonschef  Szembeck  zündete  das  Allarmsignal 
auf  der  Höhe  an,  worauf  alle  übrigen  Signale  antworteten  und 
die  russische  Armee  in  die  Waffen  trat,  auch  den  ganzen 
folgenden  Tag  darin  verblieb.  Szembeck  drang  darauf  bis  in 
die  Nähe  von  Oliva  vor  und  warf  einige  Granaten  aus  einer 
mitgeführten  Haubitze  hinein.  Der  Rückzug  nach  Langfuhr 
wurde  ungestört  ausgeführt.  Man  hatte  nur  den  Verlust  eines 
Mannes  zu  beklagen,  der  bei  Ei'stürmung  der  befestigten  Häuser 
in  Brentau  gefallen  war^). 

Am  23.  April  langte  der  Herzog  Alexander  von 
Württemberg,  Onkel  des  russischen  Kaisers,  aus  dem  grossen 
Hauptquartier  vor  Danzig  an,  um  das  Kommando  über  das 
Blockadekorps  zu  übeniehmen.  Wie  er  dem  General  Löwis 
schon  vorher  mitgetheilt  hatte,  lehnte  er  jede  Verantwortlich- 
keit ab,  bevor  er  sich  nicht  genau  über  die  Lage  orientirt  und 
alles  persönlich  besichtigt  hatte.  Es  war  in  der  That  hohe 
Zeit,  dass  die  Führung  in  andere  Hände  überging,  da  sich  ein 
gewisser  Schlendrian  im  russischen  Hauptquartier  eingeschlichen 
hatte.  Trotz  der  Erfahrungen  vom  24.  März  befand  sich  das- 
selbe immer  noch  in  Koliebken,  wo  der  Kommandirende  völlig 
ausserstande  war.  einen  Einfluss  bei  eintretenden  Wechselfällen 

4 

auszuüben,  der  Dienst  bei  der  grossen  Entfernung  des  rechten 
Flügels  überhaupt  sehr  erschwert  war.  Solange  die  Weichsel 
gefroren  war,  bedurfte  es  keiner  besonderen  Verbindung  mit 
dem  auf  der  Nehrung  detachirten  Korps.  Es  wurde  aber  auch 
nach  Eintritt  des  Tauwetters  keine  hergestellt.     Man  begnügte 

erwähnt,  dagegen  werden  andere  angeführt,  so  vom  Jurnal  (Archiv  S.  91) 
am  21.  und  22.  und  im  Apercu  S.  27  zwischen  dem  12.  und  24.  April. 

*)  Die  französischen  Berichte  verherrlichen  ausserdem  die-  Thaten  des 
mar^chal-des-logis  Devill,  welcher  mit  einem  Dutzend  Husaren  die  russischen 
Vorposten  bis  zum  Strande  hin  in  Unruhe  versetzte.  Den  Russen  ist  das 
ganz  entgangen,  kein  Bericht  erzählt  etwas  davon. 


286 

sich  mit  einer  Fähre,  und  obgleich  der  Oberst  Rosen  dadurch 
ganz  auf  sich  angewiesen  war,  erhielt  er  nicht  einmal  die  er- 
forderliche Artillerie,  um  ihn  einigermassen  selbständig  zu 
machen  ^).  Dabei  waren  drei  Batterien  wegen  Mangels  an  Furage 
nach  dem  giossen  Werder  zurückgeschickt,  die  ebensogut  auf 
der  Nehrung  hätten  verpflegt  werden  können.  Auch  wäre  es 
erforderlich  gewesen,  zur  Sicherung  seiner  ausgesetzten  Lage 
ihn  in  den  Stand  zu  setzen,  sich  eine  verschanzte  Stellung  vor- 
zubereiten, wozu  seine  Mannschaft  bei  dem  ausgedehnten  Vor- 
postendienst nicht  ausreichte.  Es  musste  einleuchten,  von 
welcher  Wichtigkeit  für  den  Feind  eine  Abfuragirung  der 
Nehrung  war;  trotzdem  war  nichts  geschehen,  das  Vieh  und 
die  Lebensmittel  zu  entfernen.  Unglücklicherweise  hatte  sich 
der  Herzog  die  Besichtigung  der  Nehrung  bis  zuletzt  vorbe- 
halten und  war  eben  im  Begriff,  dahin  abzugehen*),  als  Bapp 
ihm  zuvorkam. 

Es  ist  auffallend,  dass  Bapp  bei  seinem  grossen  Mangel 
an  Lebensmitteln  die  Abfuragirung  der  Nehrung  bisher  unter- 
lassen hatte.  Er  hat  allem  Anschein  nach  selbst  Heubude 
wieder  geräumt.  Das  russische  Jurnal  erzählt  von  einem  Ver- 
such, den  die  Belagerten  am  11.  April  gemacht  hätten,  am 
Qanskruge  eine  Brücke  über  die  Weichsel  zu  erbauen,  was  vom 
Obersten  Rosen  verhindert  wurde  ^).  Die  Ankunft  des  Herzogs 
von  Würtemberg,  die  schon  am  24.  in  Danzig  bekannt  war*), 
musste  den  General  Rapp  dazu  drängen,  nicht  länger  zu  säumen, 
da  mit  Bestimmtheit  vorauszusetzen  war,  dass  dem  Herzog  die 
Mittel  bewilligt  worden  wären,  die  Belagerung  schleunigst  in 
Angriff  zu  nehmen.    Rapp  bestimmte  den  27.  zur  Ausführung 


*)  Wie  gross  das  Bedürfniss  nach  Artillerie  vorhanden  war,  ergiebt  sich 
daraiLs,  dass  der  Oberst  sich  einige  Geschütze  aus  Holz  anfertigen  Hess, 
welche  die  Franzosen  vorfanden.    Blech. 

«)  Apergu  S.  40. 

')  Archiv  S.  90.  Die  französischen  Quellen  erwähnen  nichts  von  dem 
Versuche,  aber  in  dem  Umstände,  dass  die  Franzosen  am  27.  April  nicht  am 
Qanskruge  über  die  Weichsel  gingen,  was  sie  gewiss  gethan  hätten,  wenn  sie 
im  Besitz  von  Heubude  gewesen  wären,  liegt  auch  eine  gewisse  Bestätigung 
der  Angabe  des  russischen  Jumals. 

*)  Oampredon.    Auriol  S.  75. 


286 


und  übertrug  dieselbe  dem  General  Bachelu.  Um  die  Russen 
zu  täuschen,  Hess  er  die  Nachricht  verbreiten,  dass  ein  grosser 
Ausfall  gegen  Oliva  im  Werke  sei. 

Der  General  Bachelu  erhielt  1200  Mann  Fussvolk  und 
350  Reiter  unter  Kommando  des  Obersten  Farine  zugetheilt, 
dazu  eine  polnische  und  eine  französische  Batterie.  Ausserdem 
wurde  von  Weichselmtinde  ein  Detachement  Fussvolk  längs 
dem  Strande  vorgesendet.  Der  Guverneur  folgte  mit  seinem 
Stabe  und  zwei  Bataillonen  Fussvolk  in  einiger  Entfeniung. 
Der  Ausfall  erfolgte  bei  Anbruch  des  Tages  vom  Holm  aus*). 
Jeder  Soldat  war  auf  4  Tage  mit  Brot  versehen.  In  Heubude 
wurde  ein  russisches  Piket  angetroffen  und  gänzlich  vernichtet*). 
Der  Oberst  Rosen  war  877  Mann  stark,  wovon  503  Mann 
Fussvolk  und  374  Reiter,  wie  bemerkt  ohne  Artillerie*).  Er 
hatte  an  der  schmälsten  Stelle  der  Nehrung,  bei  Neufehr,  Auf- 
stellung genommen,  wich  aber  bei  der  feindlichen  Ueberlegen- 
heit  und  durch  das  Detachement  von  Weichselmünde  in  der 
rechten  Flanke  bedroht  bald  zurück  und  stellte  sich  bei  Wordel 
auf.  Nach  kurzem  Gefecht  ging  er  auf  Pasewark  zurück.  Hier 
hielt  er  den  Feind  so  lange  auf,  bis  das  Proviant -Magazin, 
das  in  diesem  Dorfe  vorhanden  war,  geräumt  und  das  Vieh 
weggetrieben  war.  Er  zog  sich  dann  nach  Junkeracker  zurück, 
wo  er  abends  9  Uhr  eintraf,  ohne  vom  Feind  verfolgt  zu 
werden*). 

Der  General  Rapp,  welcher  bis  Wordel  gefolgt  war,  kehrte 
auf  die  Meldung  Bachelu's  von  Pasewark  aus,  dass  der  Feind 
bis  Vogelsang  auf  der  frischen  Nehrung  geflohen  sei^),  über 
Heubude,  wo  er  die  Weichsel  passirte,  zurück,  um  die  Russen, 
welche  oberhalb  des  Forts  Lacoste  den  Weichseldamm  besetzt 


")  d^Artois  S.  114.  Campredon  S.  75.  Blech  sagt  irrthümlich,  der  üeber- 
gang  über  die  Weichsel  wäre  um  Mittemacht  am  Ganskruge  geschehen.   (2,  78.) 

•)  Blech  2,78. 

')  Die  Stärke  wird  im  Apert^u  S.  40  auf  dcus  genaueste  nachgewiesen, 
um  der  Uebertreibung  d'Artois'  entgegenzutreten,  der  S.  114  die  Stärke  Rosens 
auf  2600  Mann  Fussvolk,  600  Dragoner,  300  Kosacken  und  mehrere  Geschütze 
angiebt.    Die  m^moires  de  Rapp  sprechen  sogar  von  5000  (S.  233). 

♦)  Jumal.     Archiv  S.  92. 

*)  d'Artois  S.  115.  Woher  konnte  Bachelu  dies  so  schnell  erfahren  haben? 


287 

hielten,  zu  vertreiben  und  dadurch  die  Weichsel  für  die  Trans- 
porte der  Beute  frei  zu  machen.  Drei  Schaluppen  unter  Füh- 
rung des  Kontreadmirals  Dumanoir  unterstützten  den  Guverneur 
hierbei*),  der  nicht  unterliess,  einen  Theil  des  Werders  ab- 
zufuragiren. 

Der  russische  Verlust  betrug  nach  dem  Jurnal  8  Offiziere 
100  Mann.  Auch  Campredon  giebt  100  Mann  an.  d'Artois 
macht  daraus  jedoch  9  Offiziere  260  Mann.  Französischerseits 
waren  2  Offiziere  7  Mann  todt  und  4  Offiziere  33  Mann  ver- 
wundet*). 

Der  Herzog  von  Würtemberg,  welcher  sein  Quartier  vor- 
läufig hinter  dem  Zentrum  der  Armee  in  Klein-Leesen  genommen 
hatte,  erhielt  erst  36  Stunden  nach  dem  erfolgten  Angiilf  der 
Franzosen  die  Meldung  davon,  weil  die  beiden  Offiziere,  welche 
der  Oberst  Rosen  an  ihn  abgesendet  hatte,  die  Fähre  bereits 
im  Besitz  der  Franzosen  fanden  und  der  eine  von  ihnen  getödtet, 
der  andere  gefangen  genommen  wurde.  Die  dritte  Meldung 
aus  seinem  Nachtquartier  hatte  grosse  Umwege  zu  machen*). 
Der  Herzog  sendete  sogleich  die  zu  seiner  Sicherheit  kom- 
mandirten  beiden  Regimenter  und  6  reitende  Geschütze  unter 
dem  Obersten  Peuker  nach  Gross -Plönendorf,  um  das  linke 
Weichselufer  zu  vertheidigen  *). 

Der  General  Bachelu  blieb  4  Tage  auf  der  Nehrung,  um 
dieselbe  gründlich  abzufuragiren.  Die  Beute  war  sehr  be- 
deutend: 500  Stück  Hornvieh,  400  Stuck  Kleinvieh,  600  Ctr. 
Heu,  400  Ctr.  Stroh  und  2300  Decalitres  Hafer.  Das  Vieh 
wurde  auf  dem  Landwege  nach  Danzig  getrieben,  die  Furage 
auf  der  Weichsel*)  transportirt. 

Während  der  Expedition  des  Generals  Bachelu  waren  die 
Vorposten  verdoppelt  und  der  General  Husson  bei  Langfuhr 
und  Neu-Schottland  bereit  gestellt  worden,  doch  verhielten  sich 
die  Russen  ruhig.  Der  Oberst  Rosen  nahm  nach  dem  Abzüge 
der  Franzosen  seine  alten  Stellungen  wieder  ein. 


')  Ebenda  S.  116. 

«)  Ebenda  S.  117. 

»)  Aper<ju  S.  46. 

*)  Jurnal.    Archiv  S.  92. 

»)  d'Artois  S.  117. 


28d 


Rapp  verfehlte  nicht,  die  Resultate  der  Expedition  der 
Besatzung  von  Danzig  im  Sinne  Napoleonscher  Bulletins  mit- 
ztttheilcn,  um  daraus  Kapital  zur  Hebung  des  Geistes  derselben 
zu  schlagen  *).  Er  ist  darin  in  seinem  Recht.  Wenn  aber  die 
französischen  Berichterstatter  d'Artois  und  Campredon  dieselbe 
Tonart  anschlagen  und  das  Gefecht  vom  27.  als  etwas  ausser- 
ordentliches hinstellen  ^),  so  tragen  sie  weder  zum  Verständniss 


*)  Das  russische  JnrDai  giebt  (Archiv  S.  115)  folgenden  Tagesbefehl  Bapps 
vom  1.  Mai  wieder:  Der  Ausfall,  den  ein  kleiner  Theil  der  Garnison  am 
27.  April  anf  der  Nehrung  unternahm,  ist  vom  glänzendsten  Erfolge  gewesen. 
Der  Feind  wurde  fünfmal  mit  dem  Bajonet  geworfen  und  auf  8  und  9  Meilen 
verfolgt;  wir  verwundeten  und  tödteten  ihm  viele  Menschen,  unter  den 
ersteren  zwei  Stabsofficiere.  Gegen  300  Mann,  unter  denen  9  Officiere,  fielen 
uns  als  Gefangene  in  die  Hände,  einen  Theil  derselben  bildeten  die  Grenadier- 
Kompagnien  des  littauiscben  Regiments.  Wir  brachten  für  8  Monate  Lebens- 
mittel und  Furage  in  die  Festung.  Unsere  Truppen  blieben  vier  Tage  auf 
dem  vom  Feinde  eroberten  Terrain,  und  der  Feind  wagte  nicht,  etwas  gegen 
sie  zu  unternehmen.  Der  General  en  chef  befahl  gestern,  den  30.,  dem  Ge- 
neral Bachelu,  der  diese  glänzende  Expediton  führte,  in  die  Festung  zurück- 
zukehren. Wir  waren  erstaunt  zu  sehen,  dass  uns  auch  nicht  ein  Mann  bei 
unserm  Rückzug  in  die  Festung  folgte.  Wir  haben  nur  den  Verlust  von 
13  Verwundeten  und  3  Getüdteten  zu  beklagen.  Der  General  en  chef  be- 
zeugt den  Truppen  aller  Nationen,  die  diese  Expedition  begleiteten,  seine 
volle  Zufriedenheit.  Besonders  angenehm  ist  es  ihm  zu  sehen,  dass  die  Ver- 
bündeten auf  Versuche  des  Feindes,  sie  zum  Abfall  zu  bewegen,  so  brav  mit 
Kanonenkugeln  und  mit  dem  Bsgonete  zu  auworten  verstehen.  Das  ist  die 
wahre  Rache  eines  tapfem,  beleidigten  Kriegers.  Die  Einwohner  Danzigs, 
welche  seit  vier  Monaten  Zeugen  der  tapfern  Ausdauer  der  Garnison  ge- 
wesen sind,  gewinnen  jetzt  mehr  als  jemals  die  Ueberzeugung,  dass  die 
Truppen  Napoleons  unüberwindlich  sind. 

*)  d'Artois  geht  S.  115  so  weit  zu  sagen,  dass  die  russische  Artillerie 
gar  nicht  die  Zeit  gehabt  hätte,  einen  Schuss  zu  thun,  so  ungestüm  sei  der 
Angriff  der  Franzosen  gewesen,  wo  er  wissen  konnte,  dass  die  Russen  ohne 
Artillerie  waren.  Aehnlich  Campredon  S.  76.  Darin  mag  letzterer  aber  recht 
haben,  wenn  er  S.  77  sagt:  „Cettc  brillante  sortie,  qui  ent  lieu  dans  un  temps 
ou  les  roaladies  contagieuses  commeugaient  ä  disparaitre,  releva  beaucoup 
Tesprit  de  la  gamison  et  Ini  inspira  uue  confiance  et  une  fermite  qui  ne  se 
dementit  pas  un  instant  pendant  le  reste  de  la  defense".  Der  Einfluss  des 
Ausfalls  war  namentlich  dadurch  so  bedeutend,  dass  der  Besatzung  auf 
einige  Zeit  Lebensmittel  zugeführt  wurden,  die  vor  allem  den  Kranken  zu- 
gute kamen.  Düring  sagt  S.  46  indessen,  dass  die  Gamison  gar  nichts  da- 
von gehabt  hätte,  weil  die  Beute  ausschliesslich  den  Generälen,  Kommissären 
und  ihren  guten  Freunden  zu  Nutz  gekommen  wäre. 


680 

der  Begebenheiten  noch  zur  Glorie  ihrer  Nation  bei.  Die  Leis- 
tungen der  Besatzung  und  die  glorreiche  Führung  der  Ver- 
tlieidigung  durch  ßapp  bedürfen  solcher  Ueberschwenglichkeiten 
nicht. 

1    Die  Blockade  vom  1.  Hai  bis  znm  Waffensüllotande. 

Der  Angriff. 

Der  Kaiser  Alexander  hatte  in  seinem  Onkel  den  richtigen  Mai. 
Mann  gefunden,  der  der  Stelle  gewachsen  war,  die  er  zu  be- 
kleiden hatte.  Von  reicher  Kriegserfahrung,  verband  der  Her- 
zog damit  ein  seltenes  Wissen,  das  sich  auch  auf  die  für  den 
Belagerungskrieg  besonders  wichtigen  Zweige  der  Artillerie  und 
des  Ingenieurwesens  erstreckte.  Namentlich  aber  hatte  er  einen 
unbeugsamen  Charakter  und  eine  starke  Willenskraft.  Er  war 
von  dem  Generallieutenant  Borosdin  I  begleitet  und  übernahm 
am  1-  Mai  das  Kommando  *).  Zum  Chef  des  Generalstabs  wählte 
er  den  General  -  Major  Wiljaminow  *),  der  wieder  zur  Armee 
zurückgekehrt  war.  Der  Herzog  fand  das  Blockadekorps  in 
einer  Stärke  von  13000  Mann  vor*),  die  völlig  unzureichend 
war,  die  weite  Strecke  von  Brösen  am  Strande  bis  Quadendorf, 
in  der  Nähe  der  obern  Weichsel,  zu  decken,  viel  weniger  noch 
Truppen  nach  der  Nehrung  zu  entsenden.  Er  hatte  indessen 
bei  seiner  Abreise  sowohl  vom  Kaiser  Alexander  als  von 
Friedrich  Wilhelm  III  die  Zusicherung  baldiger  Verstärkungen 
erhalten.  Er  nahm  nach  dem  unglücklichen  Ausgange  des  Ge- 
fechts vom  27.  April  die  Gelegenheit  wahr,  um  von  neuem 
darum  zu  bitten.  In  der  That  ging  am  6.  Mai  ein  Schreiben 
Hardenbergs  aus  Dresden  an  das  Militair  -  Guvernement  von 
Königsberg  ab,  wonach  die  ostpreussische  Landwehr  nach  Danzig 
abrücken  solle.  Wenige  Tage  darauf  traf  auch  ein  Schreiben 
des  Königs  an  das  Guvernement  ein,  das  die  Angelegenheit 
dringend  machte.    Die  1.  Division  der  ostpreussischen  Landwehr 


*)  Apertju  S.  307. 

*)  Friccius  S.  171.  Friccius  ist  im  Irrthum,  dass  auch  der  Fürst  De- 
meter WoU^onski  mit  dem  Herzog  gekommen  ist. 

')  Apercu  S.  37.  Im  Anhange  desselben  befindet  sich  die  Tabelle  der 
Stärke  der  einzelnen  Regimenter. 

Köhler,  Gescliiehte  der  Festongeii  Danzig  und  WeichselmOnde.   IL  19 


29ö_ 

unter  ihrem  Inspekteur,  dem  Grafen  Ludwig  von  Dohna,  erhielt 
Befehl,  sich  marschbereit  zu  halten.  So  sehr  sich  die  Eussen 
dagegen  gesträubt  hatten*),  preussische  Truppen  an  der  Be- 
lagerung von  Danzig  theilnehmen  zu  lassen^),  das  Bedürfniss 
dazu  lag  vor  und  siegte  über  das  in  russischen  Kreisen  längst 
gepflegte  Verlangen  nach  der  Weichsel  und  Danzig. 

Der  erate  Befehl  des  Herzogs  betraf  die  Abführung  des 
Viehes,  Getreides  und  aller  Lebensmittel,  welche  sich  in  der 
Entfernung  von  IVa  Meilen  von  Danzig  befanden,  nach  rück- 
wärts. Er  Hess  die  Massregel  durch  besonders  dazu  komman- 
dirte  Officiere  überwachen.  Die  zurückbleibenden  Bewohner 
durften  nur  für  drei  Tage  Lebensmittel  behalten^).  Am  3. 
Mai  wurde  die  Errichtung  von  3  Fuhrparkskolonnen  befohlen. 
Jede  Kolonne  bestand  aus  160  Gespannen  zu  4  Pferden*).  Als 
Kommandeure  derselben  wurden  OfBciere  gesetzt,  auf  deren  Eifer 
Verlass  war.  Die  Massregel  wurde  durch  die  völlig  ausge- 
sogene Gegend  von  Danzig  hervorgerufen ;  die  Kolonnen  sollten 
Lebensmittel  und  Furage  aus  Ostpreussen  und  Pommern  holen. 
Das  Hauptmagazin  wurde  in  Dirschau  eingerichtet,  kleinere 
in  Kalpin,  Oliva  und  St.  Albrecht  ^).  Am  2.  Mai  befahl  der 
Herzog,  auf  der  Nehrung  bei  Neufehr  eine  Verschanzung  auf- 
zttwerfen,  und  schickte  einen  preussischen  Offleier  zu  dem  Zweck 
dahin.  Sie  sollte  aus  mehreren  unter  sich  gebrochenen  Linien 
mit  Batterien  gebildet  werden,  die  von  der  Weichsel  bis  zum 
Strande  gingen.  Davor  sollten  Reduten  zur  Bestreichung  der 
Front  und  Verhaue  angelegt  werden^).  Zwei  Weichselkähue 
wurden  bewaffnet  und  zum  Schutz  des  linken  Flügels  bestimmt. 
Nach  Ankunft  der  russischen  Flotte  wurden  auch  drei  Schaluppen 


>)  Friccius  S.  174. 

•)  Schreiben  Kutusows  an  Wittgenstein  vom  Februar,  worin  es  heisst: 
„Zur  Belagerung  Danzigs  dürfen  preussische  Truppen  nicht  verwendet  werden'' 
Danilewski  I.    Friccius  S.  174. 

•)  Apergu  S.  36. 

*)  Jumal.    Archiv  S.  116. 

»)  Apercu  S.  38. 

•5  Jumal.    Archiv  S.  116. 


291 

auf  der  See  zum  Schutz  des  rechten  Flügels  kommandirt  *).  2ur 
Verbindung  mit  der  Nehrung  wurden  am  rothen  Kruge  und  an 
der  Siedlersfälire  je  2  Fähren,  die  auch  für  Kavallerie  geeignet 
waren,  hergestellt.  Auf  jedem  Ufer  befand  sich  eine;.  Der 
Herzog  richtete  ferner  sein  Augenmerk  auf  bessere  Organisation 
der  Lazarethe  und  Ambulanzen  und  suchte  alles  hervor,  um 
dem  Typhus  zu  steuern,  der  sich  auch  in  der  russischen  Armee 
verbreitete.  Alle  kleinen  Detachements  bei  der  Bagage  und  in 
den  Depots  wurden  zu  ihren  Truppentheilen  zurückgeschickt 
und  die  Verwaltungsbeamten  bei  den  Magazinen  scharf  kon- 
trollirt.  Die  nach  dem  grossen  Werder  zurückgeschickten  Bat- 
terien wurden  wieder  herangezogen,  und  für  den  Ersatz  der 
Munition  wurde  gesorgt.  Als  Depot  für  dieselbe  wurde  Graudenz 
bestimmt,  aber  auch  für  weitern  Nachschub  aus  ßussland  ge- 
sorgt. 

Die  beim  Blockadekorps  befindlichen  Milizen  (Landwehren) 
waren  durchweg  schlecht  bewaffnet;  ein  Theil  hatte  noch  Piken, 
ein  anderer  schlechte  Gewehre  von  verschiedenem  Kaliber.  Es 
wurde  dafür  gesorgt,  dass  bei  den  Bataillonen  ein  gleiches  Ka- 
liber vorhanden  war  und  die  Reparaturen  durch  geschickte 
Büchsenmacher  ausgeführt  wurden.  Es  wurden  ferner  die 
strengsten  Verordnungen  erlassen,  dass  die  Bauern  des  Werders 
sich  nicht  nach  der  Stadt  durchschlichen  und  Lebensmittel  da- 
hin führten.  Die  Einwohner  von  Plönendorf,  Nassenhuben, 
Hochzeit,  Eeichenberg  wurden  über  die  Weichsel  zurückge- 
sendet. Alle  Kähne  und  Fahrzeuge  dieser  Dörfer  wurden  mit 
Beschlag  belegt^. 

Nach  und  nach  trafen  auch  Verstärkungen  ein.  Schon  am 
L  Mai  langte  der  Generalmajor  Welikopolski  mit  einem  Theil 
der  Petersburger  und  Nowgoroder  Landwehr  in  der  Stärke  von 
290fficieren  und  599  Untere fficieren  und  Gemeinen  an.  Er  wurde 
vorwärts  Schiddelkau  in  ein  Bivuac  gelegt  und  zur  allgemeinen 
Reserve  bestimmt.  Zu  ihm  stiess  die  schwere  Batterie  No.  6, 
und  die  nach  Gross-Plönendorf  entsendete  halbe  reitende  Bat- 


*)  Apercu  S.  47. 

')  Das  Vorstehende  nach  dem  Apercu  S.  43  ff.  und  dem  Jamal.    Archiv 
S.  116. 


^9ä 

ierie  nebst  dem  1.  und  2.  Seeregiment,  ferner  das  Kosacken- 
Eegiment  Grekow  I*).  Das  Kommando  darüber  erhielt  der 
Generalmajor  Welikopolski.  Die  Stärke  der  Reserve  war  nicht 
über  2800  Mann  anzuschlagen.  Eine  noch  kleinere  Reserve  wui^e 
zwischen  Praust  und  Rostau  aufgestellt.  Das  Hauptquartier 
wurde  nach  Schiddelkau  und  nach  dem  Eintreffen  weiterer  Ver- 
stärkungen nach  Sulmin  verlegt*). 

Die  Aufstellung  der  Reserven  hing  mit  der  neuen  Disloka- 
tion der  Truppen  zusammen,  die  der  Herzog  anordnete.  Der 
Oberst  Falk  vom  Jamburgschen  Ulanen -Regiment  erhielt  das 
Kommando  über  ein  Detachement  von  2600  Mann'),  von  dem 
er  die  Vorposten  vom  Strande  über  Saspe  und  Mühlenhof  bis 
Brentau  zu  stellen  hatte.  Das  Kommando  ging  später  auf  den 
General  Kulibakin  über. 

Der  Oberst  Treskin  vom  Regiment  Asow  hatte  mit  einem 
Detachement  von  1300  Mann  aller  Waffen  das  Plateau  zwischen 
Pitzkendorf  und  Miggau  zu  besetzen;  der  Oberst  Peyker  vom 
2.  See-Regiment  mit  1500  Mann  die  Stellung  von  Wonneberg. 
Der  General  Tschernisch  hatte  mit  1300  Mann  das  Kommando 
über  die  Vorposten  vorwärts  Schönfeld  und  Matschkau;  1200 
Mann  unter  dem  General  Adadurow  besetzten  mit  dem  Haupt- 
quartier in  Wozlaw  den  Raum  bis  zur  AVeichsel  längs  der  Inun- 
dation.  Der  Oberst  Rosen,  welcher  zur  21.  Division  gehörte, 
die  demnächst  zur  grossen  Armee  abmarschiren  sollte,  wurde 
vom  Oberst  Ekeln  vom  74.  Jägerregiment  abgelöst,  der  auf 
2200  Mann  verstärkt  wurde.  Die  kleine  Reserve  zwischen 
Praust  und  Rostau,  aus  2  Bataillonen  und  200  Kosacken,  zu- 
sammen 700  Mann,  bestehend,  kommandirte  der  Major  Afro- 
simow.  Auf  der  Höhe  zwischen  Striess  und  Pelonken  wurde  am 
16.  Mai  eine  starke  Redute  erbaut  und  mit  6  Geschützen  armirt. 
Die  Central-Reserve  war  für  den  ganzen  Raum  vom  Strande 
bis  St.  Albrecht  bestimmt*). 


*)  Apercu  S.  48.    Jamal.    Archiv  S.  92. 

")  Apercu  S.  49. 

')  Das  Detachement  wurde  später  dnrch  3  Bataillone  verstärkt  (Aperga 
S.  61),  welche  am  Ausgange  des  Thals  von  Brentau  für  den  FaU  eines  feind- 
lichen Angriffs  eine  Reserve  bildeten. 

*)  AperQU  S.  52. 


293 


Auf  einen  Parlanicntair,  den  der  Herzog  am  6.  Mi^i  nach 
Danzig  schicken  wollte,  um  die  Uebernahme  des  Kommando's  dem 
General  Rapp  anzuzeigen,  wurde  von  den  französischen  Vor- 
posten geschossen,  so  dass  der  Herzog  sich  veranlasst  sah,  am 
8.  einen  Tagesbefehl  zu  erlassen,  damit  eine  derartige  Praxis 
nicht  auch  bei  den  diesseitigen  Vorposten  einreisse.  Zur  Ver- 
breitung von  Proklamationen  an  die  Besatzung  liess  der  Her- 
zog durch  Kosacken  in  der  Nacht  Piken  innerhalb  der  feind- 
lichen Vorposten  aufstellen,  woran  die  Proklamationen  befestigt 
waren.    Auch  unterhielt  er  eine  Zahl  von  Spionen  in  der  Stadt. 

Um  die  Schwäche  des  Blockadekorps  zu  verbergen  und  den 
Feind  in  Athem  zu  erhalten,  liess  der  Herzog  tägliche  Anfälle 
der  feindlichen  Vorposten  durch  einige  hundert  Mann  Fussvolk 
und  ebensoviel  Kosacken  ausführen,  während  die  Truppen  in  den 
Lägern  völlige  Ruhe  genossen^).  Der  Monat  Mai  verging  da- 
her fast  ohne  bemerkenswerthe  Ereignisse*). 

Am  11.  Mai  stiessen  die  Reserve-Bataillone  der  6.,  21.  und 
25,  Division,  sowie  2  Eskadrons  Dragoner  in  der  Stärke  von 
187  Oberc^cieren,  706  ünterofficieren  und  5119  Gemeinen  zum 
Blockadekorps  und  wurden  vorläufig  der  allgemeinen  Reserve 
bei  Schiddelkau  zugetheilt,  ebenso  das  7.  Baschkiren-Regiment, 
(las  am  30.  Mai  anlangte'). 

Das  Orenburgische  Attaman-Regiment,  welches  gleichzeitig 
mit  den  Baschkiren  ankam  *),  wurde  dem  Detachement  bei  Wonne- 
berg zugetheilt  und  aus  einigen  Bataillonen  der  5.  und  14.  In- 
fanterie-Division, welche  mit  dem  Schmidtschen-Korps  anlangten, 
ein  besonderes  Detachement  gebildet,  das  die  Verbindung  der 
Generale  Adadurow  und  Tschernisch  herstellen  sollte.  Am  26. 
Mai  langten  aus  Pillau  auf  der  Weichsel  zwei  Kanonenboote 
an,  die  dem  Detachement  in  Neufehr  unterstellt  wurden*). 


>)  Ebenda  S.  54. 

*)  Campredon.    Auriol  S.  80. 

')  Junial.    Archiv  S.  117. 

*)  Die  beiden  Regimenter  zählten  980  Mann,  waren  aber  durch  den 
weiten  Marsch  sehr  erschöpft.  Sie  ersetzten  jedoch  zwei  Eosacken-Regimenter, 
welche  zur  Beschleunigung  der  Transporte  aus  Ostpreussen  und  Pommern 
abkommandirt  waren.    Apercu  S.  57. 

*)  Jumal.    Archiv  S.  117. 


294 


Ende  Mai  und  anfang  Juni  stiess  die  1.  Division  ost- 
preussischer  Landwehr  unter  dem  Major  Graf  zu  Dohna  mit 
9  Bataillonen  *),  6  Eskadrons,  in  Summe  6022  Mann  stark,  zum 
Blockade-Korps.  Davon  wurden  7  Bataillone  als  ReseiTe  für 
Pitzkendorf  vorwärts  Nenkau  aufgestellt  und  2  Bataillone,  eine 
Eskadron  dem  Detachement  des  Generals  Tschernisch  zwischen 
Schönfeld,  Matschkau  und  St.  Albrecht  zugetheilt  ^.  Fünf  Es^ 
kädrons  Reiterei  stiessen  zur  allgemeinen  Reserve  bei  Sclüd- 
delkau. 

Am  7.  Juni  langten  3200  Rekruten  der  21.  Division  an  und 
marschirten  mit  der  Division  den  folgenden  Tag  zur  grossen  Armee 
ab.  Die  Division  war  ausser  den  Rekruten  9  höhere,  72  Sub- 
altem-Officiere,  141  ünterofficiere,  72  Spielleute  und  2695  Ge- 
meine stark;  deren  Stellung  bei  Pitzkendorf,  Nenkau  und  Miggau 
nahmen  jetzt  die  7  preussischen  Landwehr-Bataillone  ein,  ver- 
stärkt durch  die  russischen  Regimenter  Asow  und  Nizow  der 
6.  Division^. 

Am  8.  Juni  trafen  20  russische  Kanonenboote  und  8  Traus- 
portschiffe mit  Munition  auf  der  Danziger  Rhede  ein*). 

Am  demselben  Tage  langte  das  Tulasche  Puss-Kosacken-Re- 
giment  an  und  wurde  dem  General  Tschernisch  zugetheilt.  Da- 
gegen wurde  das  Woroneschkische  Infanterie-Regiment  dem  Ge- 
neral entzogen  und  als  besonderes  Detachement  unter  dem 
Obersten  Naunow  bei  Rostau  aufgestellt*). 


')  Die  Division  bestand  aus  2  Brigaden,  der  4.  und  ö.,  eine  jede  ans 
Ö  Bataillonen  und  einem  Kavallerie-Regiment  gebildet.  Ein  Bataillon  war 
jedoch  in  der  Gegend  von  Graudeuz  zur  Bewachung  der  polnischen  Grenze 
zurückgeblieben.  Die  zur  Division  gehörige  Batterie  langte  erst  w^ährend  des 
Waffenstillstandes  an.  Friccius  193.  Die  Bataillone  trafen  einzeln  ein, 
No.  19  schon  am  30.  Mai,  No.  17  am  31.,  No.  18  sogar  erst  am  11.  Juni, 
die  Reiterabtheiiungen  am  3.  und  7.  Juni.    Kriegs-Archiv  F.  9. 

*)  Jumal  und  Apercu  S.  56.  Von  den  7  Bataillonen  wurde  jedoch  eins 
(No.  17,  Oelrichs)  schon  am  4.  Juni  nach  der  Nehrung  abkommandirt.  Kriegs- 
Archiv  F.  9. 

^)  Apercu  S.  57.  Das  russische  Jumal  führt  diesen  Umstand  nicht  au, 
hat  im  Gegentheil   die  21.  Division  bereits  am  14.  Mai  abmarschiren  lassen. 

*)  Ebenda.  Nach  dem  Jumal  befanden  sich  darauf  10  Mörser,  144  Ka- 
nonen und  2278  Mann.    Archiv  S.  117. 

»)  Jumal.    Archiv  S.  117. 


295 

Der  Umstand,  dass  die  preussische  Landwehr  zwei  Regi- 
menter russischer  Infanterie  zugewiesen  erhielt,  während  2  Ba- 
taillone Preussen,  die  mindestens  ebenso  stark  waren,  zum  Ge- 
neral Tschernisch  kommandirt  wurden,  ist  wohl  darauf  zurück- 
zuführen, dass  die  Landwehr  noch  nicht  im  Feuer  gewesen 
war.  Eigen thümlich  war  aber  das  Verhältniss,  dass  der  Graf 
zu  Dohna  Major  war,  die  Kommandeure  der  russischen  Regi- 
menter dagegen  Obersten.  Es  ist  nicht  ausgesprochen,  dass  das 
Detachement  von  einem  höhern  russischen  Officier  kommandirt 
wurde.  Wir  erfahren  im  Gegentheil  aus  der  Relation  der  Schlacht 
am  9.  Juni,  dass  der  Oberst  Treskin  vom  Asowschen  Infan- 
terie-Regiment, welcher  das  Detachement  von  Pitzkendorf  schon 
vorher  kommandirtc,  noch  an  diesem  Tage  das  Kommando  inne 
hatte,  während  der  Graf  Dohna  den  Rang  eines  Divisions-Kom- 
mandeurs faktisch  besass.  Wie  Friccius  S.  199  behauptet,  haben 
diese  Verhältnisse  von  vornherein  zu  einer  Entfremdung  zwischen 
dem  Herzoge  und  dem  Grafen  Dohna  geführt,  da  letzterer  das 
preussische  Interesse  in  jeder  Beziehung  vertrat.  Er  ist  zwar 
bald  zum  Oberstlieutenant  befördert  worden  *),  was  in  Preussen 
als  ein  ausserordentlicher  Fall  angesehen  wurde,  inbezug  auf 
die  erwähnten  Verhältnisse  jedoch  ohne  Belang  war.  Wie  wir 
sehen  werden,  kamen  diese  Sachen  erst  später  zum  Austrage. 

Die  Vertheidigung. 

Auf  die  Besatzung  übte  die  bessere  Jahreszeit  im  Verein 
mit  dem  Nachlassen  der  Epidemie  einen  sehr  guten  Einfluss 
aus.  Die  Zahl  der  Dienstfähigen  mehrte  sich  von  Tag  zu  Tage, 
und  auch  der  Geist  der  Mannschaft  hob  sich  mit  dem  Wieder- 
aufleben der  Natur.  Die  Vegetation  sprosste  üppig  empor. 
Die  zahlreichen  Wiesen  rings  um  die  Stadt  und  die  Wälle  be- 
deckten sich  mit  einem  grünen  Teppich  und  ei*setzten  den  Mangel 
an  Furage.  Ein  Theil  der  Pferde  wurde  auf  die  Weide  ge- 
schickt, namentlich  die,  welche  als  Schlachtvieh  verwendet 
werden  sollten,  was  für  die  Mannschaft  wiederum  von  Vortheil 
war.  Für  die  übrigen  Pferde  ersparte  mau  dadurch  seit  ende 
Mai  auf  zwei  Monate  die  Furage,  so  dass  die  Vorräthe  an  Ge- 


*)  Nach  Friccius  am  9.  August. 


296 


treide  in  dieser  Zeit  unberülul  blieben.  Bis  dahin  waren  die 
Pferde  statt  des  Hafers  mit  Roggeumehl,  dem  ein  Drittel  Kleie 
beigemischt  war,  in  Form  von  Kuchen  gefüttert  worden.  Die 
Ration  betrug  7  Pfund,  wozu  2  Pfund  Eoggenmehl  kamen. 
Stroh  wurde  nur  für  die  Lazarethe  verwendet.  Die  tägliche 
Portion  für  die  Mannschaft  betrug  2  Unzen  Pferdefleisch  und  1 
Unze  Pökelfleisch,  für  die  Kranken  in  den  Lazaretlien  ein  halbes 
Pfund  Rind-  oder  Hammelfleisch.  Die  Beute,  welche  durch 
häufige  Excursionen  in  den  Werder  eingebracht  wurde,  kam  nur 
den  Lazarethen  zu  gute*). 

Immer  noch  starben  im  Mai  60  bis  70  Mann  täglich.  Die 
Lazarethe  waren  mit  8000  Mann  angefüllt.  Bis  zum  1.  Mai 
hatte  die  Besatzung  10000  Mann  verloren*).  Die  Zahl  der 
Dienstfähigen  belief  sich  auf  12000. 

Inzwischen  war  die  Zeit  herangekommen,  wo  die  13  Mil- 
lionen des  Kurländer  Raubes  zu  Ende  gingen.  Geld  war  aber  zur 
Besoldung  der  Besatzung  und  zur  Ablöhnuug  der  zahlreichen  Ar- 
beiter, welche  die  Fortiflkation  und  die  Artillerie  zu  Armirungs- 
zwecken  beschäftigte,  nicht  zu  entbehren.  Der  General  Rapp 
schätzte  die  Summe  von  3  Millionen  B^anks  für  erforderlich, 
um  für  die  Zukunft  sichergestellt  zu  sein,  und  ernanute  eine 
Kommission  (11.  Mai),  bestehend  aus  dem  Divisious-Kommandeur 
Heudelet  als  Präses,  dem  Kommandeur  der  Artillerie,  General 
Lepin,  dem  ersten  Kommandanten  General  Bazancourt  und  ei- 
nigen höhern  Verwaltungsbeamten,  um  die  Summe  zu  beschaffen. 
Er  ertheilte  ihr  die  weitgehendste  Vollmacht,  sowohl  über  die 
Art  der  Erhebung  als  über  die  Mittel  der  Ausführung').  Die 
Form,  in  der  sich  Heudelet  der  Sache  entledigte,  spottet  aller 
Beschreibung  *).    Es  gelang,  durch  Gewaltmassregeln  2  Millionen 


^)  Campredon  (Auriol  S.  80)  erwähnt  solcher  Excuräiouen  durch  die 
Flotille  unterm  7.  und  17.  Mai  unter  dem  ArtiUerie- Hauptmann  Andrieux. 
Auch  in  Apercu  S.  56  werden  sie  angedeutet. 

«)  d^Artois  S.  122.    Auriol  S.  82. 

")  d'Artois. 

*)  Blech  2,  98.  Heudelet  liess  28  der  angesehensten  Bürger  in  ihren 
Quartieren  aufgreifen  und  zu  sich  füliren.  Hier  eröffnete  er  ihnen  in  Gegen- 
wart der  ganzen  Kommission,  dass  er  8  Millionen  hahen  müsse,  die  jedoch 
nur  als  Anlehen  aufzufassen  seien,  dass  er  die  Herren  in  Haft  behalten  werde, 


297 

aufzutreiben.  Dazu  kam  die  Denunciation  eines  gewissen  Re- 
dai,  der  als  russischer  Spion  verhaftet  war  und  am  Tage  seiner 
beabsichtigten  Hinrichtung  vorgab,  wichtige  Enthüllungen  machen 
zu  wollen.  Die  Hinrichtung  wurde  suspendirt  und  der  Mann 
vernommen.  Er  sagte  aus,  dass  am  22.  Mai  eine  Revolution 
ausbrechen  sollte,  die  zum  Zweck  habe,  die  Stadt  den  Russen 
zu  überliefern.  Er  gab  alle  Einzelheiten  darüber  an  und  be- 
zeichnete den  Senior  des  Schöppengerichts ,  Pegelau,  als  den 
Anstifter.  Der  Guverneur  Hess  Pegelau  verhaften  und  vor  ein 
Kriegsgericht  stellen,  das  jedoch  seine  völlige  Schuldlosigkeit 
erkannte  und  ihn  wieder  freigab  *).  Redai  wurde  am  16.  Mai 
gehangen. 

Der  gute  Stand  der  Saaten  gab  den  Belagerten  Veran-  juni. 
lassung,  seit  Ende  Mai  tägliche  Furagirungen  über  die  Linie 
der  feindlichen  Vorposten  hinaus  vorzunehmen,  welche  auf  Seiten 
der  Russen  wiederum  Angriffe  in  einem  grössern  Umfange  wie 
bisher  hervorriefen,  um  die  Belagerten  mehr  einzuschränken. 
Es  fanden  täglich  Gefechte  statt,  die  von  den  Berichterstattern 
je  nach  ihrem  Standpunkte  und  ihrer  Auffassung  verschieden 
dargestellt  werden,  so  dass  selbst  die  Tage  nicht  übereinstimmen. 
So  giebt  d'Artois  den  31.  Mai,  3.  und  8.  Juni^),  der  Herzog 
von  Würtemberg  den  30.  Mai,  2.  und  6.  Juni ')  an.  Das  russi- 
sische  Jurnal  nennt  dagegen  den  26.,  27.  und  31.  Mai  und  er- 
wähnt von  den  G-efechten  zu  anfang  Juni  bis  auf  den  grössern 
Ausfall  am  9.  gar  keine*).  Selbst  Campredon  weicht  von 
d'Artois  ab*).  Die  Resultate  der  einzelnen  Gefechte  kommen 
darin  überein,  dass  die  Belagerten  aus  ihren  Stellungen  zurück- 

wenn  sie  Schwierigkeiten  machen  würden.  Die  Bürger  erklärten,  es  sei  wohl 
möglich,  dass  sich  in  der  Stadt  noch  3  Millionen  befänden,  dass  sie  aber 
nicht  die  Hände  dazu  bieten  würden,  die  betreifenden  Bürger  bekannt  wer- 
den zu  lassen.  Sie  wurden  darauf  verhaftet  und  während  ihrer  Abwesenheit 
ihre  Bücher  eingesehen  und  versiegelt. 

»)  Ebenda  2,  93. 

')  Relation  S.  145.    Damit  stimmt  auch  Düriug  S.  145  überein. 

*)  Apercu  S.  55. 

*)  Archiv  S.  117.  118.  Am  meisten  Gewicht  legt  das  Jurnal  auf  den 
Ausfall  gegen  den  General  Andadurow  vom  27.  Mai,  der  anderweitig  gar 
nicht  erwähnt  wird. 

»)  Auriol  S.  83. 


298 

geworfen  werden,  die  Belagerer  sich  aber  unter  dem  Feuer  der 
Festung  nicht  zu  behaupten  vermögen  und  in  ihre  alte  Stellung 
zurückgehen  *).  Der  Belagerte  befand  sich  bei  diesen  Gefechten 
entschieden  im  Nachtheil,  weil  der  Guverneur  sich  genöthigt 
sah,  die  Truppen  in  steter  Bereitschaft  zu  halten.  Die  Reiterei 
hielt  stets  die  Hälfte  ihrer  Pferde  gesattelt,  die  Artillerie  25 
Geschütze  mit  ihren  Munitionswagen  bespannt.  Das  Fort  La- 
coste erhielt  eine  stärkere  Besatzung,  und  am  Ganskruge  wurde 
ein  neuer  Posten  angelegt.  Die  Vedetten  der  Reiterei  wurden 
verdoppelt. 

Der  Herzog  von  Würtemberg  war  immer  noch  tiberzeugt, 
dass  die  Besatzung  stärker  sei  als  er,  und  suchte  den  Feind 
über  seine  Schwäche  zu  täuschen,  indem  er  in  der  Nacht  auf 
den  Höhen  grosse  Feuer  unterhielt  und  am  Tage  Bewegungen 
ausflihren  Hess.  In  der  That  schätzten  die  Belagerten,  denen 
einzelne  Verstärkungen  nicht  entgangen  waren,  das  Blockade- 
korps auf  30000  Mann.  Damit  seine  Truppen  dadurch  nicht 
entmuthigt  würden,  liess  der  Guverneur  verbreiten,  diese  Ver- 
stärkungen kämen  nicht  aus  Russland,  sondern  es  seien  die 
Flüchtlinge  aus  Sachsen,  wo  Napoleon  bedeutende  Siege  er- 
fochten hätte  und  in  Dresden  eingerückt  sei  *).  Dunkle  Ge- 
rüchte über  die  Schlacht  von  Lützen  waren  wirklich  bereits  an- 
gelangt. Indessen  hielt  Rapp  es  doch  für  angezeigt,  seine 
Stellungen  zu  befestigen.  Der  westliche  Ausgang  von  Stolzen- 
berg  wurde  mit  einem  kleinen  Werk  versehen.  Auch  im  Innern 
des  Dorfes  wurden  einige  Häuser  krenelirt.  ein  Haus  (K)  süd- 
lich des  Dorfes,  an  einem  kleinen  Teich  gelegen,  das  ebenfalls 
befestigt  war,  wurde  der  Dragonerposten  genannt,  weil  er  gewöhn- 
lich mit  Dragonern  besetzt  wurde.  Ausserdem  liess  er  vor  dem 
Zigankenberg  drei  kleine  Redans  (N.  0.  P.)  zum  Schutze  des 
Dorfes  Zigankendorf  erbauen.  Die  Redans  wurden  später  er- 
weitert und  erhielten   die  Namen  Batterie  Kirgener,   Lünette 


')  Am  vollständigsten  werden  diese  Gefechte  nach  dem  Tagebuch  der 
Division  Heudelet,  im  Anhange  zu  „Le  siege  de  Dant^ig  par  M.  de  M****'' 
8.  111.  112  gegeben.  Danach  hätten  dergleichen  am  3.  5.  6.  7.  und  8.  Juni 
stattgefunden. 

*)  Danziger  Zeitung  No.  64.    Apercu  S.  66. 


299 

Istrien  nnd  Batterie  Caulaincourt  *).  Diese  Arbeiten  wurden  am 
2.  und  3.  Juni  ausgeführt.  Dann  wurde  links  der  Allee  auf 
dem  Krähenberge  in  der  Höhe  von  Aller  Engeln  eine  Batterie 
angelegt,  welche  die  Gegend  von  Schelhntihl  und  Neu-Schott- 
land,  sowie  den  Ausgang  von  Langfuhr  bestrich.  Sie  wurde 
später  Batterie  Montbrun  genannt.  Das  Haus  Kabrun  (eine 
Aschbude),  das  schon  im  April  befestigt  worden  war,  sowie  ein 
Gewächshaus  jenseits  Aller  Engeln,  das  im  Schmidt'schen  Garten 
links  der  grossen  Allee  lag,  erhielten  Werke  vorgelegt*). 

Im  Archiv  des  russischen  Ministeriums  findet  sich  ein  Tages- 
befehl des  Generals  Rapp  vom  8.  Jnni  hinsichtlich  des  Vor- 
postendienstes, der  von  Interesse  ist®).  Es  heisst  darin: 
„Von  diesem  Tage  an  übernimmt  für  jede  24  Stunden  ein  Bri- 
gade-General du  jour  die  Vorposten.  Unter  seinem  Befehl 
stehen  alle  Vorposten  von  Neu-Schottland  bis  Ohra.  Sein  Aufent- 
halt ist  in  Schidlitz ;  die  Ablösung  der  Vorposten  geschieht  alle 
24  Stunden  und  zwar  um  Mittag.  Der  Brigade-General  du  jour 
trifft  bei  einem  feindlichen  Angriff  die  ersten  nöthigen  Anord- 
nungen und  disponirt  über  eine  Reserve  von  8000  Manu,  die 
ihm  auf  Verlangen  gestellt  werden  wird.  Ebenso  stehen  die 
Pikets  unter  seinem  Befehl,  die  jedesmal  ausrücken,  wenn  bei 
den  Vorposten  Gewehrfeuer  gehört  wird.  Bei  vorkommenden 
Ereignissen  meldet  der  General  du  jour  unverzüglich  dem  Ge- 
neral en  chef  und  dem  Festungs-Kommandanten.  Die  einzelnen 
Befehlshaber  reichen  ilim  und  dem  Hauptquartier  jeden  morgen 
um  9  Uhr  ihre  Rapporte  ein.  Der  General  du  jour  inspicirt 
alle  Vorposten  und  reicht  dem  General  en  chef  bei  der  Ablösung 
derselben  einen  schriftlichen  Rapport  ein". 

Der  Ausfall  vom  9.  Juni. 

Das  wichtigste  Gefecht  fand  am  9.  Juni  statt.  Die  un- 
aufhörlichen Anfälle  des  Feindes,  welche  eine  stete  Bereitschaft 
erforderten  und  die  Truppen  durch  fast  tägliche  Alarmirungen 
ermüdeten,  hatten  die  Geduld  des  Guverneurs  erschöpft*).    Er 

>)  d'Artoifl  S.  148. 

')  Campredon.    Auriol  S.  83. 

*)  Archiv  S.  119.    Schon  Friccius  theilt  ihn  S.  178  mit. 

*)  M6moires  de  Bapp  S.  237. 


300 

entschloss  sich  am  9.  Juni  einen  allgemeinen  Ausfall  zu  unter- 
nehmen und  damit  eine  grosse  Furagirung  zu  verbinden.  Der 
General  Lepin  hatte  dazu  40  bespannte  Geschütze  fertigge- 
stellt und  Kapp  setzte  seine  Hoffnung  darauf,  dem  Feinde  da- 
mit möglichst  grosfcie  Verluste  beizubringen,  um  ihn  von  weitern 
Belästigungen  abzuhalten. 

Die  Stärke  der  französischen  Ausfalltruppen  wird  auf 
höchstens  10000  Mann  anzuschlagen  sein').  Der  Herzog  von 
Würtemberg  berechnet  im  Apercu  S.  69  die  Stärke  des  Blockade- 
korps auf  16400  Mann*).  Davon  würden  nach  Abzug  der  Laza- 
rethkranken  und  der  Truppen  auf  der  Nehrung  und  im  Werder, 
die  nicht  am  Gefecht  theilnahmen,  noch  mindestens  6000  Manu 
abgehen,  so  dass  die  Stärke  auf  beiden  Seiten  im  allgemeinen 
gleich  war.  Auf  selten  der  Russen  kommandirte  der  General- 
major Kulibakin  bei  Brentau  und  bis  zum  Strande,  der  Oberst 
Treskin  bei  Pitzkendorf  und  Miggau,  der  Oberst  Peyker  bei 
Wonneberg,  der  General  Tscher nisch  bei  Schönfeld  und  Matsch- 
kau, der  Generalmajor  Adadurow  auf  dem  Werder,  der  Oberst 
Ekelen  auf  der  Nehrung.  Die  allgemeine  Reserve  befand  sich 
bei  Schiddelkau,  eine  kleinere  zwischen  Praust  und  Rostau,  da- 
von abgesondert  das  Infanterie-Regiment  Woronesch  bei  Rostau. 

Der  General  Rapp  beabsichtigte  anscheinend  bei  Schönfeld 
und  Matschkau  die  feindliche  Stellung  zu  durchstossen  und  von  hier 
aus  aufzurollen.  Da  der  Durchbruch  jedoch  nicht  gelang,  voll- 
zog sich  der  Angriff  in  Echelons  von  Brigaden  vom  linken  Flügel. 


^)  Eechuet  man  die  Zahl  der  Gestorbeneu  und  der  seit  dem  15.  Januar 
in  Gefechten  Umgekommenen  auf  18000  Manu  und  die  der  Lazarethkranken 
auf  7000  Mann,  so  bleiben  von  der  ursprünglich  35000  Manu  starken  Besat- 
zung noch  15000  dienstfähige,  von  denen  5000  als  Besatzung  in  Danzig  mit 
seinen  Ausseuwerken ,  auf  dem  Holm  in  Weichselmünde  und  in  dem  retrau- 
chirten  Lager  von  der  Westerplatte  und  Neufahrwasser  zurückgelassen  werden 
mussten,  so  dass  10000  Mann  zum  Ausfall  disponibel  blieben. 

^)  Der  Herzog  von  Würtemberg  berechnet  im  Apercu  S.  69  die  Ver- 
stärkungen, welche  das  Blockadekorps  seit  seiner  Ankunft  erhalten  hatte,  nach 
Abrechnung  der  21.  Division  auf  3800  Mann.  Mit  dieser  Berechnung,  woraus 
sich  die  Stärke  der  Armee  von  16400  Manu  ergiebt,  stimmt  auch  übereiu, 
dass  der  Ausweis  der  Stärke  des  Blockadekorps  ende  August  bei  Wieder- 
eröffnung der  Feindseligkeiten  über  39000  Mann  betrug  (s.  Anhang  zum  Apercu), 
von  denen  im  Lauf  des  Juni  gegen  15000  Landwehren  und  gegen  5206  Be- 


301 


Er  theilte  seine  Armee  in  einen  rechten  und  linken  Flügel. 
Zwischen  beiden  bildete  die  34.  Division  unter  dem  General 
Devilliers  in  einer  Aufstellung  bei  Dreilinden  gewissermassen 
das  Centrum  und  scheint  speciell  den  Zweck  gehabt  zu  haben, 
die  Arbeiter  zu  decken,  welche  vorwärts  Zigankendorf  das  Ge- 
treide  abmähen  sollten.  Zu  dem  Zweck  waren  eine  grosse 
Menge  Wagen  mitgeführt  worden.  Den  rechten  Flügel  bildete 
die  Division  Grandjean  mit  dem  13.  bairischen,  1.  westfälischen 
und  den  5.  10.  und  11.  polnischen  Regiment  nebst  4  Geschützen. 
Der  General  hatte  die  Plateaus  von  Zigankenberg  und  Lang- 
fuhr zu  besetzen,  sich  aber  darauf  zu  beschränken  den  Feind 
zu  beobachten.  Den  linken  Flügel  bildete  der  General  Heu- 
delet  mit  der  30.  und  33.  Division,  4  Eskadrons  unter  dem 
General-Major  Cavaignac  und  34  Geschützen,  hauptsächlich 
12Pfündem  und  Haubitzen.  Er  war  zum  AngriflF  bestimmt'). 
Die  Truppen  benutzten  bei  ihrem  Vormarsch  das  Terrain 
so  umsichtig,  dass  der  Anmarsch  von  den  russischen  Vorposten 
nicht  bemerkt  wurde  und  der  Alarmschuss  im  feindlichen  Lager 
erst  gegen  11  Uhr  abgegeben  wurde,  als  die  französische  Ar- 
tillerie bereits  in  Position  war.  Das  Hauen  des  Getreides  wurde 
sofort  begonnen.  Um  diese  Zeit  erhielt  der  General  Rapp  durch 
einen  jüdischen  Spion  die  officielle  Mittheilung  von  den  Siegen 
bei  Gross -Görschen  und  Bautzen  und  theilte  sie  den  Truppen 
sogleich   mit,    so   dass  ein  tausendstimmiges  vive  l'empereur! 


kruten  eingetroffen  waren.  Zur  grossen  Armee  waren  nur  einige  Kosacken- 
regimenter  und  eine  Eskadron  Dragoner  abgegangen.  Im  übrigen  sind  meh- 
rere Regimenter  an  diesem  Tage  gar  nicht  ins  Gefecht  gekommen  und  in 
ihrem  Lager  geblieben  (Apercu  S.  24). 

^)  Das  Tagebuch  der  Division  Heudelet  (Anhang  zu  ,le  si^ge  de 
Dautzig  1813")  giebt  S.  114  den  officieUen  Bericht  des  Divisionskommandeurs 
über  das  Gefecht  vom  9.  Juni.  Nach  demselben  hätten  auf  Seiten  der  AUiirten 
3000  Mann  Infanterie  auf  dem  rechten  Flügel,  4000  im  Centrum  vorwärts 
Wonneberg  und  2000  auf  dem  linken  Flügel  bei  Pitzkendorf  gestanden.  Die 
Heiterei  schätzt  das  Tagebuch  auf  1500  Mann,  die  Artillerie  auf  15  Ge- 
schütze, wovon  4  —.  12Pfünder.  Er  fügt  hinzu,  dass  dies  das  dreifache  der 
französischen  Elräfte  gewesen  sei!  Diese  Angabe  wäre  mit  der  übrigen  nur 
dann  zu  vereinigen,  wenn  sich  das  dreifache  auf  die  Beiterei  bezöge.  Andre 
Angaben  über  die  Stärke  liegen  nicht  vor. 


2U  den  Russen  hinüberschallte  *).  Der  General  Tscheinisch, 
welcher  schnell  in  die  Waffen  treten  liess,  vertheidigte  seine 
Stellung  zwischen  Schönfeld  und  Ohra  so  hartnäckig,  dass 
der  General  Husson,  der  ihm  gegenüber  stand,  kein  Terrain  ge- 
winnen konnte  *).  Auch  ein  zweiter  Verstoss,  den  die  Franzosen 
von  Ohra  her  unternahmen,  hatte  keinen  Erfolg ').  Der  General 
Heudelet  liess  daher  die  Brigade  Breissan  zum  Angriff  von 
Wonneberg  vorgehen  und  behielt  die  Neapolitaner  (33.  Division) 
in  Reserve.  Der  Herzog  von  Würtemberg  hatte  jedoch  die  Re- 
serve von  Schiddelkau  nach  Wonneberg  herangezogen  und  stellte 
sie  auf  den  Höhen  vor  dem  Dorfe  auf,  so  dass  das  Gefecht  hier 
zum  Stehen  kam*).  Ebensowenig  war  der  General  Devilliers, 
welcher  darauf  gegen  Miggau  vorging,  im  stände,  den  rechten 
Flügel  des  Detachements  vom  Obersten  Treskin  zu  verdrängen, 
obgleich  sich  der  General  Rapp  mit  einer  Verstärkung  an  Ar- 
tillerie persönlich  dahin  begab.  Darauf  wurde  auch  Pitzkendorf, 
wahrscheinlich  vom  General  Grandjean,  angegriffen.  Nach  dem 
russischen  Jurnal  (Archiv  S.  118)  fand  dies  3  Uhr  nachmittags 
statt  und  führte  zum  heftigsten  Gefeclit  des  Tages,  Nach 
d'Artois  S.  151  und  Rapp  (memoires  S.  239)  ging  der  Angriff 
des  rechten  französischen  Flügels  von  den  Russen  aus.  Vgl. 
auch  den  Bericht  der  Division  Heudelet  S.  116.  Die  Furagirung 
musste  hier  eingestellt  werden^),  da  sich  eine  heftige  Kanonade 
engagirt  hatte  ^). 

Der  Herzog  hatte   an   den  General  Kulibakiu   den  Befehl 
gesendet,  die  feindlichen  Vorposten  bei  Striess  zurückzuwerfen 


^)  d'Artois  S.  150.    Memoires  de  Rapp  S.  238. 

•)  Apergu  S.  68. 

')  Jurnal.  Archiv  S.  118.  Die  in6moires  de  Kapp  g^eben  irrthümlich 
an  y  der  Angriff  auf  Ohra  sei  russischerseits  gemacht  worden.  Es  fand  dies 
erst  zuletzt  statt,  wobei  das  preuss.  Landwehrbataillon  No.  10  (von  Bolschwing), 
unterstützt  durch  die  TiraiUeure  des  Bat.  No.  9  (von  Hülsen)  und  die  5.  Ka- 
vallerie-Abtheilung  (von  Brünneck),   sich  auszeichneten  (Kriegs- Archiv  F.  9). 

*)  Ein  Vordringen  der  Franzosen  Über  Wonneberg  hinaus,  wie  d'Artois 
behauptet,  hat  ebensowenig  wie  bei  Schönfeld  und  Pitzkendorf  stattgefunden. 

*)  d'Artois  S.  151. 

^)  Das  russische  Jurnal  hebt  es  (Archiv  S.  118)  als  bemerkenswerth 
hervor,  dass  sich  4  Geschütze  der  reitenden  Batterie  No.  19  gegen  15  fran- 
zösische hielten. 


ao3 

und  nach  umständen  die  Pikets  aufzuheben  *).  Der  General 
sendete  den  Major  Lantjew  mit  200  Jägern*)  über  Brentau 
vor,  der,  das  Thal  umgehend,  ein  Piket  von  40  Mann  gefangen 
nahm. 

Während  des  Gefechtes  borabardirte  die  russische  Flotte  die 
Westerplatte,  um  die  Aufmerksamkeit  abzulenken. 

Auf  allen  Seiten  zum  Stehen  gebracht,  sah  sich  der  General 
Rapp  genöthigt,  das  Gefecht  gegen  6  Uhr  abzubrechen  und  den 
Rückzug  anzutreten,  wobei  er  bis  unter  die  Kanonen  der 
Festung  verfolgt  wurde. 

Die  preussischen  Landwehrbataillone,  die  an  diesem  Tage 
zuerst  ins  Feuer  kamen,  hatten  sich  sowohl  im  Detachement 
Tschernisch,  wie  bei  Miggau  vortrefflich  geschlagen.  Drei  Ba- 
taillone, welche  bei  der  Verfolgung  in  Schidlitz  eindrangen,  konnten 
nur  durch  wiederholte  Befehle  wieder  herausgezogen  werden'*). 
Nach  Plotho  (1,  234)  haben  sich  die  Bataillone  von  Bolschwing 
und  von  Hülsen,  sowie  die  Eskadron  von  Wobeser  ausgezeichnet. 
Vgl.  oben  S.  302  Note  3. 

Der  Verlust  der  Russen  belief  sich  an  Todten  und  Verwun- 
deten auf  10  Officiere  257  Mann,  der  der  Preussen  auf  45  Mann. 
Allgemein  bedauert  wurde  der  Tod  des  Obersten  Uschakow.   Die 


*)  Apercu  S.  60.  Nach  dem  Kriegs- Archiv  des  grossen  Generalstabs  warde 
während  des  Gefechts  das  prettss.  Landwehr  -  Bat.  No.  19  nach  Silberhammer 
entsendet,  kehrte  aber  am  folgenden  Tage  ins  Lager  von  Nenkau  zurück. 

*)  Jumal.  Archiv  S.  118.  Nach  demselben  waren  es  nur  100  Mann 
vom  3.  Jäger -Regiment.  Das  Apercu  nennt  den  Major  Lappa  und  giebt 
200  Mann  an. 

')  Der  Herzog  sagt  darüber  (Apercu  S.  59):  „Trois  bataillons  de  la 
milice  prussienne  qui  venaient  d'arriver  et  qui  n'avaient  jamais  vu  le  feu, 
se  distinguerent  beaucoup  dans  cette  affaire  et  t^moignaient  tant  d'ardeur, 
qu'ils  p6netrerent  jusqae  dans  le  vallon  de  Schidlitz,  et  qu'il  fallut  les  ordres 
les  plns  pr6cis  pour  les  engager  ä  retirer  dans  la  ligne.''  Die  drei  Bataillone 
Nr.  14,  15  und  16  der  4.  Brigade  (Graf  Eulenburg),  welche  erst  am  7.  und 
8.  eingetroffen  waren  und  im  Bivuak  bei  Nenkau  lagen,  hatten  noch  keine 
Patronen  und  geschärfte  Steine,  hielten  aber  auf  der  Höhe  von  Pitzken- 
dorf,  wohin  sie  dirigirt  wurden,  von  einer  russischen  Batterie  unterstützt,  das 
feindliche  Kanonenfeuer  ruhig  aus.  Das  zur  Brigade  gehörige  Bataillon 
Nr.  7  kam  an  diesem  Tage  erst  an  und  wurde  auf  seine  von  Praust  aus  da- 
rüber gemachte  Meldung  nach  Matschkau  gewiesen,  wo  es  als  Reserve  des 
Generals  Tschernisch  stehen  blieb.    Kriegsarchiv  F.  9. 


304 

Franzosen  geben  ihren  Verlust  selbst  auf  400  Mann  an  ^),  docli 
ist  er  entschieden  grösser  gewesen,  da  sie  durch  die  Verfolgung 
sehr  gelitten  haben.  Der  Herzog  von  Wnrtembei*g  hatt«  sich 
mit  Ruhm  bedeckt.  „Er  fand  sich  überall  vor.  wo  der  Feind 
die  grössten  Anstrengungen  machte,  und  wusste  durch  seine 
weisen  Massregeln  den  Sieg  auf  die  Seite  der  Russen  zu  wen- 
den" *).  Der  Bericht  von  Blech ')  bestätigt  im  wesentlichen  die 
nissischen  Berichte*),  denen  ich  gefolgt  bin.  Aus  den  franzö- 
sischen Berichten  ist,  mit  Ausnahme  des  Tagebuchs  der  Division 
Heudelet,  nur  die  Schlachtordnung  verwendbar.  Sie  nehmen 
natürlich  den  Erfolg  ihrerseits  in  Anspruch.  Der  General 
Campredon,  welcher  dem  Gefecht  im  Gefolge  des  Generals  Rapp 
beiwohnte,  stellt  sich  für  sein  taktisches  Urtheil  ein  schlechtes 
Zeugniss  aus,  wenn  er  sagt"'):  „notre  feu  fait  gi-ande  ravage 
dans  les  masses  ennemis.  On  voit  partout  la  confusion  dans 
ses  rangs  et  plusieurs  pieces  sont  demontees.  II  est  oblige 
d'abandonner  son  camp  de  Pitzkendorf.  II  ne  peut  contenir  les 
nouvelles  recrues  qu'en  pla^ant  un  rang  de  Cosaques  derriere 
elles."  Von  den  Gefechten  bei  Schönfeld,  Wonneberg  und 
Miggau  weiss  er  nichts  mitzutheilen.  Blech  erzählt  über  die 
Rückkehr  der  Besatzung  ®) :  „Der  Abend  schied  die  Kämpfenden 
von  einander,  die  Garnison  zog  in  die  Stadt  und  musste  ge- 
stehen, die  Feinde  hätten  wie  die  Mauern  gestanden  .  .  .  . 
Fast  ein  jeder  hatte  von  den  erschossenen  Pferden  etwas  für 
sich  erbeutet,  und  diese  abgehackten  und  abgerissenen  Stücke 
brachten  sie,  mehrere  in  Säcken,  viele  auf  ihren  Bajoneten,  wie 
Siegeszeichen  in  die  Stadt."  In  seinem  Bericht  an  den  Major- 
gfeneral  zeichnet  der  General  Rapp  den  Major  Bellancourt  und 


')  d'Artois  S.  152.  Nach  Düriiig  55  sind  es  19  Officiere,  637  Maun 
geweseo.  Nach  d  'Artois  hätten  die  Preussen  allein  1300  Mann  verloren,  obgleich 
officiell  feststeht,  dass  sie  während  der  ganzen  Belagerung  nnr  459  Manu 
verloren  haben  (Verlustliste  im  Anhange  des  Apercu).   Vgl.  auch  Apercu  S.  6.3, 

')  V.  Stengel  in  seinem  Werk  über  die  russischen  Milizen  2,  13. 
Apercu  S.  68. 

»)  Blech  2,  124. 

*)  AperQU  S.  58  ff.  und  Jurnal  (Archiv  S.  118). 

^)  Auriol  S.  84. 

«)  Blech  2,  126. 


v 


3öä 


den  Bataillonskommandeur  Duprat  aus,  welche  verwundet  Wor- 
den sind,  den  General  Cavaignac,  dem  ein  Pferd  unter  dem 
Leibe  erschossen  wurde,  die  Generäle  Husson  und  Breissan; 
die  Majors  Schneider*),  Gleize,  Treny  und  Dauger;  den  General 
Devillier,  den  Oberst  von  Egloffstein,  den  Major  Horadam  und 
den  Oberstlieutenant  Hoppe.  Vom  General  Lepin  sagt  er :  Dieser 
ausgezeichnete  Officier  hat  selbst  Anerkennung  beim  Feinde  ge- 
funden; vom  General  Campredon  und  Oberst  Eichemont,  dass 
sie  ihn  bei  allen  Ausfällen  begleitet  hätten  und  durch  ihre  In- 
telligenz und  Erfahrung  bei  mehreren  Gelegenheiten  von  grossem 
Nutzen  gewesen  sind.  Noch  wird  der  sächsische  Artillerie- 
Hauptmann  Preuthin  ^)  und  der  Sergeant  Vignaux  erwähnt,  die 
sich  durch  ihre  Unerschrockenheit  ausgezeichnet  und,  obgleich 
zweimal  verwundet,   das  Schlaclitfeld  nicht  verlassen  hätten*). 

Noch  am  Abend  des  9.  trafen  die  Officiere  aus  den  beiden 
grossen  Hauptquartieren,  welche  den  Abschluss  des  Poischwitzer 
Waffenstillstandes  vom  4.  Juni  verkündigen  sollten,  ein.  Sie 
waren  am  5.  abgereist.  Russischerseits  war  es  der  Oberst  von 
Wolzogen  *),  f ranzösischerseits  der  Hauptmann  Planat,  Adjutant 
des  Generals  Drouet.  Letzterer  versuchte  es  jedoch  vergebens, 
noch  in  der  Nacht  in  den  Platz  zu  gelangen,  da  der  Befehl 
Rapp's,  alle  Verbindung  nach  aussen  zu  verhindern,  mit  grosser 
Strenge  beobachtet  wurde.  Erst  am  folgenden  Tage  nachmit- 
tags 3  Uhr  erhielt  der  Guverneur  ein  Schreiben  des  Hauptmanns 
Planat,  das  seine  Ankunft  im  russischen  Hauptquartier  anzeigte. 
Der  Waffenstillstand  wurde  noch  an  demselben  Tage  den  Truppen 
bekannt  gemacht'*). 

Unzweifelhaft  wird  der  General  Bapp  infolgedessen  und 
bei  den  geringen  Resultaten  des  Ausfalls  ^)  bedauert  haben,  ihn 

*)  Den  Major  Schneider  erwähnt  auch  Blech  2,  113.  Schneider  war  1815 
Chef  des  Generalstahs  der  Rheinarmee  unter  Rapp. 

')  Der  Hauptmann  Preuthin  wird  von  d'Artois  als  Kommandeur  der 
sächsischen  Batterie  von  6  Geschützen  bezeichnet,  welche  das  Gefecht  auf 
dem  linken  Flügel  eröffnete. 

")  d'Artois  S.  152. 

*)  Apergu  S.  75. 

*)  d'Artois  S.  154. 

^)  Es  waren  nur  wenige  Wagen  unreifen  Getreides  in  die  Stadt  ge- 
bracht, einige  Wagen  vom  Belagerer  abgeschnitten  worden.    Blech. 

Köhler,  GheschicUte  der  Festungen  Oanzig  and  Welcliselmtlnde.    IL  80 


306 


unternommen  zu  haben,  aber  ihm  einen  Vorwurf  zu  machen, 
wie  es  geschehen  ist,  dass  er  ihn  ausgeführt  hat,  ist  nicht  zu 
rechtfertigen,  da  die  Chancen,  Vortheile  davon  zu  haben,  sich 
mit  jedem  Tage  verringerten  und  schon  wenige  Tage  nach  dem 
9.  die  Landwehren  von  Jaroslaw,  Tula  und  Kaluga  in  der 
Stärke  von  12320  Mann  aller  Grade  beim  Blockadekorps  ein- 
trafen^). Auch  musste  etwas  geschehen,  um  dem  unleidlichen 
Zustande,  in  welchen  das  System  des  Herzogs  von  Wtirtemberg 
die  Besatzung  versetzt  hatte,  ein  Ende  zu  machen. 

Fortsetzung  der  Ärmirung. 

Seit  dem  Monat  März  wurden  die  Armirungsarbeiten  durch 
gutes  Wetter  begünstigt  und  mit  verdoppeltem  Eifer  fortgesetzt. 
Der  Platz  erhielt  von  Tag  zu  Tage  einen  höhern  Grad  von 
Stärke,  so  dass  ende  Mai  alle  Arbeiten  auf  den  Bergen  und 
diejenigen,  welche  durch  die  Beschädigungen  der  Ueberschwem- 
mungen  im  Februar  erforderlich  geworden  waren,  als  beendigt 
angesehen  werden  können.  Der  Platz  war  mit  einem  Wort  zu 
dieser  Zeit  in  einem  respektablen  Zustande^. 

Im  speciellen^)  waren  auf  dem  Bischofsberge  die  ver- 
schiedenen Blockhäuser,  welche  die  Flankirung  bewerkstelligen 
sollten  und  bisher  nicht  vorhanden  waren,  sowie  diejenigen  in 
den  einspringenden  Winkeln  des  gedeckten  Weges  beendet. 
Ihr  Inneres  bot  gleichzeitig  der  Besatzung  zahlreiche  und  ge- 
sunde Wohnungen.  Einige  davon,  wie  die  Grabenkaponferen 
vor  dem  Bastion  Salvator  und  im  Graben  des  äusseren  gedeckten 
Weges,  waren  selbst  für  Geschütze  eingerichtet.  Die  Gräben 
waren  ausserdem  mit  zwei  Reihen  Palisaden  versehen.  Ein  Pulver- 
magazin, das  nach  allen  Seiten  geblendet  war,  wurde  beendet. 
Geräumige  Rampen  in  der  Kontreskarpe  erleichterten  die  Aus- 
fälle und  den  Transport   der  Geschütze   nach   dem   gedeckten 


»)  Jumal.    Archiv  S.  120. 

•)  Campredon  (Auriol  S.  81). 

*)  Die  folgenden  Nachrichten  sind  dem  Bericht  entnommen,  welchen  der 
Hauptmann  Planat  bei  seiner  Rtlckkehr  ins  Hauptquartier  dem  Major-g^n6ral 
Berthier  überbrachte  (d'Artois  S.  164  fif.).  Einzelne  Zusätze  sind  ans  dem  Be- 
richte Cr.mpredon^s  vom  3.  Dezember  (Auriol  S.  278  fF.). 


307 


Wege.  In  diesem  waren  eine  doppelte  Palisadenreihe  nnd  in 
den  ausspringenden  Winkeln  Tamburs  aus  Palisaden  hergerichtet 
und  boten  eine  völlige  Sicherheit  gegen  den  gewaltsamen  An- 
griff. Eine  bedeckte  Batterie  am  äusseren  gedeckten  Wege  be- 
strich den  Stolzenberger  Grund  und  flankirte  den  Angriff  auf 
die  Lünetten  Leclerc  und  Cafarelli.  Das  Vorterrain  war  voll- 
ständig planirt  und  alle  Häuser  entfernt. 

Auf  dem  Hagelsberge  war  die  hölzerne  Bekleidung  des 
Ravelins  Hagel,  eine  enorme  Arbeit  wegen  des  hohen  Profils 
dieses  Werkes,  glücklich  zustande  gekommen.  Unter  der 
Kontreskarpe  von  der  Lünette  S6narmont  war  eine  Haupt- 
gallerie  mit  mehreren  Anfängen  von  Nebengallerien  angebracht, 
um  im  Falle  eines  Angriffs  den  Minenkrieg  zu  erleichtern.  Die 
Palisaden  und  Tamburs  resp.  Blockhäuser  im  gedeckten  Wege 
waren  beendet.  An  das  gemauerte  Reduit  und  die  gedeckte 
Verbindung  desselben  mit  der  Stadtenceinte  war  die  letzte  Hand 
gelegt  worden. 

Die  Front  Neugarten  war  verstärkt,  die  am  Olivaer 
Thore  verbessert  worden. 

Auf  dem  Holm  und  am  Fort  Napoleon  waren  die  grossen 
Beschädigungen,  welche  die  üeberschwemmung  im  Februar  an- 
gerichtet hatte,  ausgebessert.  Die  gedeckten  Wege,  welche  an 
diesen  Werken  noch  gefehlt  hatten,  waren  hergestellt,  und  man 
war  noch  dabei,  Traversen  und  Rtickenwehren  anzubringen  und 
Pulvermagazine  und  gedeckte  Unterkunftsräume  darin  zu  er- 
bauen. Namentlich  wurde  das  Fort  Napoleon  reichlich  mit 
Blockhäusern  ausgestattet,  so  dass  sowohl  die  Besatzung  als 
sämmtliche  Vorräthe  sicher  untergebracht  werden  konnten^). 

Die  Redute  d'Hautpoul  wurde  verstärkt  und  ihre  Ver- 
bindung mit  Weichselmttnde  und  mit  dem  Fort  Napoleon  durch 
Palisaden  gedeckt. 

Die  detachirten  Reduten  von  Neufahrwasser  und  der 
Westerplatte  wurden  völlig  in  stand  gesetzt,  die  Kontres- 
karpe des  Forts  Mo ntebello  wurde  mit  Sturmpfählen  versehen 
und  der  hinter  dem  Fort  führende  Weg  verbarrikadirt,  so  dass 


*)  Campredon.    Anriol  S.  280. 

«0* 


308 


das  Fort  vollständig  selbständig  war.  Selbstredend  erhielt  es 
auch  hinreichende  bedeckte  Räume  im  Innern. 

In  Weichselmünde  waren  bedeutende  Arbeiten  ausge- 
führt worden.  Das  Fort  carre  wurde  instandgesetzt;  die  Gräben 
der  Ostschanze  wurden  zum  Theil  rektificirt,  um  sie  vollkommen 
bestreichen  zu  können.,  vorzugsweise  wurden  aber  die  Kase- 
matten theils  bewohnbar  gemacht,  theils  zu  Magazinen  herge- 
richtet, was  für  Weichselmünde  von  grosser  Wichtigkeit  gegen 
ein  Bombardement  von  der  See  war. 

An  den  Forts  Lacoste  und  Desaix  nebst  der  Lünette 
Colbert  wurden  mehrere  Verbesserungen  angebracht,  namentlich 
wurden  sie  reichlich  mit  bedeckten  Räumen  versehen. 

Die  Stadtbefestigung  war  in  gutem  Stande.  Das  grosse 
Pulvermagazin  in  der  Niederstadt,  das  114000  Kilogramm  fassen 
konnte,  war  nahezu  beendet.  Der  Weg  dahin  und  hinter  den 
Bastionen  der  Niederstadt  hinweg,  welcher  bei  Regenwetter  un- 
passirbar  war,  wurde  erhöht.  Die  Tamburs  in  den  eingehenden 
Waflfenplätzen  des  äussern  gedeckten  Wegs  längs  der  Inundation 
waren  beendet. 

Die  Lazarethe  und  Rossmühlen  waren  in  gutem  Stande  und 
alle  Arbeiten,  welche  zur  Erleichterung  des  innern  Dienstes  er- 
forderlich waren,  vollendet. 

Die  Wälle  waren  reichlich  mit  Geschützen  versehen,  die 
Munition  war  gefertigt  und  überall  genügender  Vorrath  vorhan- 
den \).  An  den  Strandbatterien  waren  Oe-fen  für  glühende  Ku- 
geln erbaut  worden. 

6.  Der  Waffenstillstand  vom  10.  Tnni  bis  zum  21.  Augast. 

Der  Hauptmann  Planat  überbrachte  dem  General  Rapp 
einen  Brief  Napoleon's  und  ein  Schreiben  des  Majorgenerals 
Berthier.  Als  Anerkennung  seiner  Verdienste  erhielt  der  General 
das  Grosskreuz  des  Ordens  der  Rennion  und  die  Patente  für 
10  Officiere  und  100  Ritter  der  Ehrenlegion  zur  Vertheilung 
nach  seinem  Gutachten  an  die  Mannschaft.   Er  wurde  ermäch- 


*)  In  einem  Schreiben  an  Berthier  vom  17.  Juni  drückt  Bapp  die  Be- 
sorgniss  ans,  dass  das  Pulver  nicht  ausreichen  werde ,  was  sich  jedoch  nicht 
bestätigt  hat. 


309 


tigt,  Officiere  bis  zum  Grade  eines  Hauptmanns  zu  befördern, 
und  aufgefordert,  Vorscliläge  für  höhere  Stellungen  einzu- 
reichen. Die  Besatzung  wurde  zu  einem  eignen  Armeekorps, 
dem  10.,  erhoben  und  Eapp  zum  Chef  desselben  ernannt.  Er 
hatte  bisher  nur  den  Earig  eines  Divisions-Kommandeurs  und 
wurde  dadurch  zum  kommandirenden  General  erhoben.  Der 
Kaiser  drückte  ihm  die  Hoifnung  aus,  dass  es  zum  Frieden 
kommen  werde,  sollte  dies  jedoch  nicht  erfolgen,  so  würde  er 
ihn  entsetzen.  Zu  seiner  Orientirung  schickte  er  ihm  den 
Moniteur  seit  dem  1.  Januar.  Noch  machte  er  ihn  darauf  auf- 
merksam, dass  das  freundschaftliche  Verhältniss  zu  Dänemark 
fortbestehe  und  der  Baron  Alquicr  noch  Gesandter  daselbst  sei  *), 
Nach  dem  Poischwitzer  Vertrage  sollte  das  Terrain  inner- 
halb einer  lieue  von  der  Enceinte  des  Platzes  neutral  sein. 
Ferner  sollte  der  Platz  alle  5  Tage  je  nach  der  Stärke  der 
Besatzung  durch  das  Blockadekorps  mit  Lebensmitteln  und 
Furage  versehen  werden.  In  beiden  Beziehungen  stellte  der 
General  Rapp  Forderungen,  die  für  den  Gegner  ganz  unan- 
nehmbar waren  ^).  Er  gab  die  Stärke  der  Besatzung  auf 
30000  Mann  und  6000  Pferde  an,  was,  wie  der  Herzog  von 
Würtemberg  durch  seine  Kundschafter  wusste,  viel  zu  hoch  ge- 
griffen war^).  Die  Grenze  des  neutralen  Terrains  wollte  er 
nicht  von  der  Enceinte,  sondern  von  den  Aussenwerken  bemessen 
haben.  Aber  noch  ein  anderer  Punkt  wirkte  sehr  erschwerend 
auf  die  Abwickehmg  des  Geschäftsganges.  Rapp  sprach  den 
Wunsch  aus,  die  Lebensmittel  und  Furage  durch  Unternehmer 
selbst  zu   beschaffen.    Der  Herzog  ging  sehr  gern  darauf  ein, 

*)  Den    Brief    theilt    Campredou  mit.      Aiiriol    S.  88.     Er    ist    vom 
5.  Juni  datirt. 

-)  Die  bezügliche  Korrespondenz  zwischen  dem  Herzog  und  dem  General 
Rapp  ist  im  Apergu  8.  78—91  mitgetheilt. 

')  Nachträglich  ist  die  effektive  Stärke  durch  d'Artois  S.  161  bekannt 
geworden.    Sie  betrug 

20578  Officiere,  Unterofficiere  und  Gemeine, 
404  Militair-Beamte, 
811  Gefangene 
in  Summa  21793  Köpfe  und  2302  Pferde,  wobei  jedoch  diejenigen  des  Ge- 
neralstabs nicht  inbegriffen  waren,  für  welche  713  Rationen,  und  zwar  352 
in  natura  und  861  in  Geld,  gefordert  wurden. 


310 


da  er  die  Schwierigkeiten  voraussah,  welche  die  Auftreibung 
der  Proviantirung  in  dem  ausgesogenen  Lande  bereiten  würde. 
Er  instruirte  danach  die  Verwaltungsbehörden  in  Ostpreussen 
und  Pommern.  Da  zog  Kapp  den  Antrag  wiederum  zurück*) 
und  setzte  den  Herzog  dadurch  in  grosse  Verlegenheit,  da  er 
neue  Instruktionen  erlassen  musste  und  eine  bedeutende  Ver- 
zögerung der  ersten  Lieferungen  eintrat,  die  ihm  bei  seiner 
Gewissenhaftigkeit  sehr  unangenehm  war,  aber  auch  viel  Re- 
klamationen seitens  der  Franzosen  zur  Folge  hatte,  da  sie  ihm 
die  Verzögerung  als  Böswilligkeit  auslegten. 

Die  von  beiden  Seiten  eingesetzte  Kommission  zur  Ausein- 
andersetzung obiger  Verhältnisse,  welche  französischei'seits  aus 
dem  Kommandeur  der  Artillerie,  General  Lepin,  und  dem 
Ingenieur  vom  Platz,  Oberst  ßichemont,  russischerseits  aus  dem 
General  Gerebzow  und  dem  Major  von  Pullet  bestand,  einigt« 
sich  am  16.  Juni  zu  einem  Uobereinkommen,  das  aus  13  Artikeln 
bestand. 

Ueber  den  eingangs  erwähnten  zweiten  Punkt  kam  man  zu 
keiner  definitiven  Einigung,  da  indessen  eine  Zahl  angenommen 
werden  musste,  kam  man  insoweit  überein,  dass  die  Lieferungen 
vorläufig  für  17000  Mann  und  1800  Pferde  stattfinden  sollten, 
von  jeder  Seite  aber  zwei  Officiere  sich  zu  der  Kommission  be- 
geben sollten,  welche  die  Ausführung  des  Waffenstillstandsver- 
trages zu  überwachen  hatten,  um  die  Kopfzahl  festzustellen, 
üeber  die  Grenzen  des  Festungsrayons  war  der  Herzog  geneigt, 
auf  den  Vorschlag  des  Generals  Rapp  einzugehen,  dass  alles  im 
statu  quo  bleiben  sollte.  Da  dies  jedoch  dem  Poischwitzer  Ver- 
trage nicht  entsprach,  war  auch  in  dieser  Beziehung  ein  Ein- 
verständniss  der  von  den  Kronen  ernannten  Kommission  er- 
forderlich*). Ueber  den  dritten  Punkt  sprach  das  Uebereinkomnien 


')  Als  Grund  für  diese  Zurückziehung  glaubt  das  Aperen  S.  103  Note 
annehmen  zu  müssen,  dass  der  General  Rapp  bei  näherer  Ueberlegung  zu  der 
Einsicht  gelangt  ist,  dass  er  bei  der  Ueberwachung  der  Lieferungen  durch 
den  Herzog  schwerlich  darauf  rechnen  konnte,  auf  diesem  Wege  mehr  zu  er- 
halten, als  ihm  zukam,  und  dnss  die  Lieferungen  durch  Unternehmer  bedeutende 
Kosten  verursachen  würden. 

')  Eine  Entscheidung  der  Kommission  über  die  Ausführung  des  Poisch- 
witzer Vertrages   ist    nie   erfolgt   (d'Artois   S.  178),  so  dass  es  scheint,   als 


311 


im  9.  Artikel  noch:  die  vom  General  Eapp  gewünschte  Art  der 
BeschaflFung  der  ProViantirung  aus,  dass  es  den  kommandirenden 
Generälen  überlassen  sei,  wie  dieselbe  erfolgen  solle.  Erst 
darauf  hat  ßapp  seinen  Wunsch  fallen  gelassen*).  Der  Ar- 
tikel 9,  den  d'Artois  in  seiner  Mittheilung  des  Uebereinkommens 
vom  16.  ausgelassen  hat,  liefert  den  Beweis  für  den  im  Apercu 
angegebenen  Wunsch  des  Generals  Eapp,  die  Proviantirung  durch 
Unternehmer  selbst  zu  beschaffen,  der  in  den  Berichten  d'Artois' 
und  Campredon's  mit  Stillschweigen  übergangen  wird*).  Es 
liegt  auf  der  Hand,  dass  dies  nur  geschehen  ist,  um  die  Schuld 
der  Verzögerung  der  Lieferungen  auf  den  Herzog  abzuwälzen, 
während  Rapp  allein  die  Veranlassung  dazu  war').  Die 
erste  Lieferung  erfolgte  am  18^). 

Der  Herzog  von  Würtemberg  hatte  geltend  gemacht,  dass 
während  des  Waffenstillstandes  alle  Arbeiten  unterbleiben 
müssten  und  weder  neue  Werke  angefangen  noch  angefangene 
fortgesetzt  werden  dürften^),  womit  der  General  Rapp  sich 
einverstanden  erklärte. 

Die  Officiere.  welche  aus  dem  kaiserlichen  Hauptquartier 
entsendet  worden  waren,  um  den  blockirten  Festungen  den 
Waffenstillstand  zu  verkünden,  hatten  den  Auftrag,   bei  ihrer 


ob  Bapp  sich  darein  erg;eben  hat,  das  Uebereiukoinmen  vom  16.  in  Bezug  auf 
die  Kopfstarke  anzunehmen,  und  dass  Officiere  überhaupt  nicht  abgesendet 
worden  sind. 

»)  Apercu  S.  99. 

0  Das  Uebereinkommeu  vom  16.  wird  vollständig  nur  im  Apergu  S.  92ff. 
abgedruckt.  d^Artois  und  nach  ihm  Aurioi  lassen  verschiedene  Artikel  und 
namentlich  Nr.  9  aus.  Der  betreffende  9.  Artikel  lautet :  ],La  proposition  de 
laisser  a  la  garuison  la  facult6  de  traiter  directemeut  k  Dauzig  pour  une 
partie  des  fouruitnres  pouvant  faciliter  les  Operations  du  ravitaillement  en 
r^servant  aux  assiegeans  le  droit  de  verificatiou  et  de  prendre  toutes  les 
mesures  de  suret^,  eile  est  soumise  ä  Tacceptation  des  deux  g^n^raux  en  chef.'' 

^)  Das  hielt  den  General  Rapp  jedoch  nicht  ab,  unaufhörliche  Rekla- 
mationen in  dieser  Angelegenheit  an  den  Herzog  zu  richten.  Er  berichtete 
selbst  im  Geheimen  am  1.  Juli  durch  denselben  jüdischen  Spion,  welcher  die 
Nachricht  von  den  Siegen  von  Gi'.-Görschen  und  Bautzen  überbracht  hatte, 
an  den  Major-g6n6ral,  dass  der  Feind  nicht  die  Hälfte  der  Lebensmittel  liefere, 
zu  denen  er  verpflichtet  sei.    d'Artois  S.  178. 

*)  Apercu  S.  101,  nach  d'Artois  S.  177  erst  den  19. 

4  Ebenda  S.  87. 


312 


Rfickkanft  über  den  Stand  der  Dinge  in  den  betreifenden 
Festungen,  sowie  über  deren  Proviantirung.  Artillerie  und  Mu- 
nition zu  berichten.  Sie  sollten  von  den  Artillerie-  und  In- 
genieurofficieren  der  Plätze  einen  genauen  Bericht  über  das,  was 
sich  zugetragen  hatte,  mitbringen,  sich  aber  auch  aus  eigner 
Anschauung  von  allem  überzeugen,  st)  dass  sie  dem  Kaiser  dar- 
über berichten  könnten.  Unter  dem  Vorwande,  sich  auszu- 
ruhen, sollten  sie  7  bis  8  Tage  in  der  Festung  verweilen  ').  Der 
Hauptmann  Planat  reiste  infolgedessen  erst  am  18.  ab*).  Unter 
den  Papieren,  die  er  mitnahm,  ist  besondei-s  der  Bericht  Rapp's 
vom  17.  an  den  Kaiser  von  Interesse,  den  Campredon  mit- 
theilt'). Er  besteht  aus  zwei  Schreiben,  von  denen  das  erste 
mehr  persönlichen  Charakters  ist.  Ich  gebe  sie  wegen  ihrer 
Wichtigkeit  im  Original  wieder. 

Le  comte  Eapp  ä  TEmpereur. 
Sire, 

M.  Planat  rendra  compte  k  V.  M.  des  chicaues  que  m'a 
faites  le  duc  de  Wurtemberg:  elles  etaient  faciles  k  prevoir. 
Ces  Messieurs  sont  de  mauvaise  humeur  de  n'avoir  jamais  pu 
rfeussir  contre  nous.  Cependant,  Sire,  je  dois  dire  ä  V.  M.  que, 
si  Parmistice  durait  longtems,  notre  position  serait  plus  fächeuse 
que  pendant  les  hostilit6s  et  surtout  pour  les  habitans.  Car 
avant  les  hostilites,  je  trouvais  toujours  moyen  de  faire  entrer 
quelque  chose  dans  la  place,  soit  par  la  force  des  armes,  soit 
par  adresse;  maintemant  rien  n'arrive  et  Vennemi  nous  bloque 
plus  s6rieusement  que  jamais,  puisqu'il  n'a  autre  chose  ä  faire 
et  voulait  meme  empecher  nos  pecheurs  de  sortir  tandis  qu'il 
n'a  pu  y  reussir  dans  l'etat  de  guerre.  J'ai  donne  l'ordre  de 
faire  tirer  sur  les  flottes  russes  et  anglaises,  si  elles  inquietent 
encore  la  peche. 

II  serait  bien   important  que  V.  M.   put  avoir  la  facilite 


*)  Die  Instruktion  für  diese  Officiere  wird  von  Aiiriol  S.  87  mitgetheilt. 

")  Campredon.  Auriol  S.  96.  Die  Angabe  Rapp's  im  Schreiben  v.  14.  an 
den  Herzog,  dass  er  die  1.  Lieferung  abwarten  sollte,  ist  nur  ein  Vorwand, 
um  seinen  langem  Aufenthalt  zu  rechtfertigen.  Thats«ächlich  ist  er  früher 
abgereist. 

»)  Ebenda  S.  92. 


313 


d'envoyer  tous   les  cinq  joiirs,   uii  officier  qui  retournerait  au 
quartier  geiieral  aprfes  avoir  re§u  mes  depeches. 

Je  joins  ä  cette  lettre  la  copie  du  traite  passe  entre  le 
duc  de  Wurtemberg  et  moi  au  sujet  des  articles  de  Tarmistice 
dont  l'execntion  a  souflFert,  ici,  beaucoup  de  difficultes. 

Je  suis  avec  le  plus  profond  respect 

Sire 
de   Votre    Majeste    Imperiale   et  Royale, 
le  plus  obeissant  et  le  plus  fidele  sujet, 

Dantzig,  le  17  juin  1813.  Signe:  Rapp. 

Le  general  comte  Rapp  ä  TEmpereur. 
Sire.  17  juin  1813. 

M.  Planat  m'a  remis  la  lettre  dont  Votre  Majeste  m'a 
honore,  c'est  un  des  plus  beaux  jours  de  ma  vie  que  celui  oü 
j'ai  re^u,  apres  cinq  mois  de  blocus  et  sacliant  la  ligne  de  vos 
Operations  ä  ISOlieues  de  Dantzig,  des  nouvelles  aussi  satis- 
faisantes  de  Votre  Majeste: 

Je  n'ai  jamais  eu  d'inquietude,  je  m'en  reposais  sur  le  genie 
et  sur  cette  force  d'äme  dont  Votre  Majeste  a  donne  des  preu- 
ves  si  eclatantes  et  j'etais  certain  qu'elle  reparerait  bientot 
tous  les  desastres  de  Tlüver  pass6. 

L'ennemi  a  souvent  cherche  ä  nous  persuader  de  mauvaises 
nouvelles  et  surtout  relativement  ä  1' Antriebe,  mais  je  savais 
k  quoi  m'en  tenir  et  les  reponses  que  je  lui  ai  faites  en  diflffe- 
rentes  occasions  prouveront  k  Votre  Majeste  que  nous  ne  croyons 
pas  facilement  aux  contes  de  M.  Kotzebue.  Votre  Majeste  lira 
avec  interet  les  rapports  que  j'ais  Thonneur  de  lui  adresser, 
aussi  qu'au  Major-general  des  affaires  qui  ont  eu  lieu  dans  les 
environs  de  Dantzig  et  eile  remarquera  sans  doute  que  Tenne- 
mi  n'a  jamais  pu  me  faire  abandonner  les  positions  que  j'occu- 
pais  au  commencement  du  blocus,  positions  dans  lesquelles  M. 
Planat  nous  a  trouves. 

Si  les  affreuses  maladies,  espece  d'epidemie,  qui  ont  regn6 
ici  et  qui  m'ont  souvent  arrache  des  larmes  de  sang,  n'avaient 
pas  cause  taut  de  ravages  parmi  mes  troupes,  il  y  avait  un 
moment  ou  j'aurais  pu  aller  ä  Königsberg  et  revenir  par  Thorn, 
car  Fesprit  de  cette  garnison  monte  ä  un  tel  point  que  Ton 
peut  regarder  chaque  soldat  corame  un  brave  distingu6. 


314 


A  Tafifaire  du  5.  niars,  j'ai  battu,  avec  5000  horames, 
20C00  Eusses,  parmi  lesquels  il  n'y  avait  pas  an  Iiomme  de 
milice  et  je  leur  ai  enleve  du  canon  et  fait  beaucoup  de  pri- 
sonuiers.  J'avais  alors  18000  malades,  taut  aux  höpitaux 
qu'aux  infirnieries  et  a  la  chambre,  le  reste  gardait  la  ville  et 
les  forts  exterieurs. 

L'aflfaire  du  24.  inars  a  eu  lieu  avec  4000  hommes  contre 
8O0O  Russes.  Ce  u'est  enfm  que  depuis  le  17.  avril  que  la 
sante  de  nos  soldats  s'est  amelioree.  II  a  fallu,  pour  obtenir 
ce  rfeultat,  beaucoup  de  patience,  beaucoup  de  soius  et  mal- 
heureusement,  ici  comme  partout  ailleurs,  on  n'a  pas  ete  secon- 
de  par  nos  administrations 

Pendant  raou  absence  ä  Tarmee  les  magasins  ont  ete  lais- 
ses  dans  Tetat  de  denüment  le  plus  absolu.  On  avait  con- 
sonime  en  grande  partie  la  viande  salee  au  milieu  de  Pabon- 
dance.  Les  magazins  ä  fourage  contenaient  k  mon  arrivee 
une  douzaine  de  quintaux  et,  k  l'exception  du  pain,  ancun 
Service  n'etait  assur6;  les  höpitaux,  autrefois  bien  tenus,  6taient 
dans  un  etat  affreux.  J'avais  instruit  Ms.  le  comte  Daru  de 
cet  etat  de  choses,  j'avais  meme  envoyö  k  cet  eflfet  le  general 
Lepin  ä  Königsberg;  mais  on  nie  fit  dire  qu'il  n'y  avait  aucune 
apparence  que  je  fusse  assiege,  ni  bloque 

Enfin  apr^s  le  d6bäcle  ä  Königsberg,  on  n'a  plus  pense  ä 
Pillau,  ni  k  Dantzig  et  on  a  envoye  l'ordonnateur  .  .  .  avec  des 
ordonnances  pour  2400000  francs  afiu  d'approvisionner  ma  place, 
au  lieu  de  faire  vider,  pendant  le  sejour  k  Königsberg,  les 
immenses  magazins  de  cette  ville  et  surtout  ceux  d'Elbing  qu'il 
6tait  facile  d'evacuer  et  qui  contenaient  des  vins,  eau-de-vie, 
rhum,  riz,  farines,  medicamens  et  tant  d'autres  objets  precieux, 
qui  sont  tombes  entre  les  mains  des  Cosaques.  J'ai  vu  depuis 
des  personnes  qui  voulaient  se  charger  de  ses  evacuations,  mais 
on  a  perdu  le  temps  k  marchander  avec  eux  et,  pour  une 
difference  peut-etre  de  50000  francs  on  a  laiss6  perdre  des 
sommes  immenses. 

Malheureusement  le  major-göneral  etait  malade.  Son  Al- 
tesse est  la  seule  personne  qui  n'avait  pas  perdu  la  tete  dans  cette 
retraite  et  qui  a  rendu  les  plus  grands  Services  k  Votre  Ma- 


815 


jeste.  Je  repftte  ce  que  j'ai  entendu  dire  par  tous  les  mili- 
taires. 

Tout  ce  que  j'ai  Thonneur  de  dire  ä  Votre  Majeste  sur 
Tadministration  est  exacte,  je  ne  veux  faire  de  tort,  ni  de  mal 
a  personne,  mais  je  dois  la  v6rite  ä  Votre  Majeste,  puisque  le 
sacces  de  ses  Operations  en  depend. 

J'ai  distribue  les  d6corations  d'officiers  et  de  Chevaliers 
que  Votre  Majeste  a  accord6es  au  10.  corps.  Cette  faveur  a 
produit  un  grand  effet,  les  recompenses  se  sont  donuees  avec 
la  plus  scrupuleuse  equite.  Ne  serait-ce  pas  trop  demander  ä 
Votre  Majeste  d'accorder  encore  le  meme  nombre,  tant  en  croix 
d'officiers  qu'en  legionnaires  et  dix  croix  d'officiers  ou  Chevaliers 
de  la  Beunion?  II  y  a  encore  bien  militaires  k  r^compenser 
et,  quoique  j'aye  eu  en  general  a  me  plaiudre  de  l'administration, 
je  dois  dire  que  quelques-uns  d'entr'eux  meritent  des  recom- 
penses, et  particulierement  les  officiers  de  sante,  dont  le  zele 
et  le  devouement  ont  le  plus  puissamment  contribu^  a  sauver 
le  reste  de  la  garnisou.  Au  reste  je  ne  distribuerais  les  nou- 
velles  decoratious  que  j'ai  demandees  k  Votre  Majeste  qu'au 
cas  oü  la  paix  me  paraitrait  assuree  et,  dans  le  cas  coutraire, 
je  reserverais  ces  recompenses  pour  en  faire  part  aux  braves 
qui  se  distingueraient  le  plus.  Car,  ainsi  que  Votre  Majeste  Ta 
pense,  il  serait  bien  avantageux  au  bien  de  son  Service,  dans 
une  garnisou  composee  de  tant  de  nations  difFerentes,  que  celui 
qu'elle  a  honore  de  sa  confiance  füt  autorise  ä  recompenser 
des  hommes  animes  d'un  tel  esprit  de  bravour  et  devouement. 
Ce  serait  le  moyen  de  doubler  mes  forces. 

J'ai  continue   ä  faire  suivre  les   plans  de  Votre  Majeste, 

depuis  le  moment  ou  il  a  ete  possible  de  reprendre  les  travaux. 

,  Votre  Majeste  trouverait  la  place  dans  un  bei  etat  de  defense. 

J'ai  fort  ä  me  louer  du  general   de  Campredon  et  du  colonel 

de  Eichemont,  dont  les  talens  egalent  l'experience. 

J'ai  eu  pendant  la  saison  de  glaces,  des  momens  bien  in- 
quietans,  Tennemi  ayant  souvent  menace  de  chercher  k  penetrer 
dans  Dantzig;  le  froid  a  dure  si  longtems  cette  annee  que  le 
cöte  faible  de  la  place  nous  a  fait  passer  bieu  des  nuits,  dont 
les  fatigues  ont  augmente  le.  nombre  de  nos  malades. 

Tous  nos  efforts  pour  rompre  la  glace  ne  produisant  pas 


316 


grand  resultat,  ce  n'etait  qu'avec  beaucoup  d'hommes  qu'on 
pouvait  arreter  Fennemi.  Les  habitans  6taient  si  persuades 
que  les  Russes  tcuteraient  alors  uii  assaut  qu'une  grande  partie 
d'entre  eux  ont  abandoniife  la  place  et  quittaient  en  masse  les 
quartiers  menac^s,  qni  sont  restes  tous  inhabites  jusqu'au 
priutems. 

Les  soldats  des  30.,  33.  et  34.  divisions  soiiffroient  tant 
du  froid  que  j'avais  peine  ä  rassembler  1000  honimes  de  ces 
trois  divisions.  La  division  du  general  Grandjean  faisait  seule 
tout  mon  espoir  parce  qu'elle  soutenait  mieux  le  froid  et  que 
ses  homroes  etaient  bicn  plus  formes. 

Votre  Majeste  trouvera  ici  une  belle  artillerie  bien  attelee, 
une  cavalerie  bien  montee  et  meprisant  souverainement  les 
Cosaques.  II  a  fallu  bien  des  soins  et  des  sorties  aussi  heu- 
reuses  que  Celles  que  nous  avons  faites  pour  conserver  cette 
cavalerie  et  cette  artillerie  dans  un  si  bon  etat  et  avec  un 
pareil  esprit. 

J'ai  etabli  depuis  deux  mois  une  commissiou  d'approvision- 
nement  de  dix-luiit  personnes  pris  parrai  les  chefs  de  toutes 
les  armes  dans  tous  les  Services,  k  la  tete  de  laquelle  j'ai  place 
le  gfeneral  Heudelet.  Cette  commission  nous  a  rendu  de  grands 
Services  et  je  me  serais  fort  bien  trouve  de  l'avoir  etablie  plus 
tot.  Mais  j'ais  tarde  ä  prendre  ce  parti  sachant  conibien  cela 
contrarierait  les  chefs  de  Tadministration.  J'ai  ici  386  hommes 
de  la  garde  imperiale  qui  etaient  presque  tous  geles;  200  sont 
parfaitement  retablis.  La  majeure  partie  est  de  la  vieille  garde 
et  fournira  de  beaux  pelotons.  J'en  ai  un  soin  particulier  et  je 
les  regarde  comme  une  excellente  reserve. 

Le  raajor-general  rae  parle  dans  une  de  ses  lettres  de 
conserver  Dantzig  jusqu'au  mois  de  mai  prochain  en  cas  d'övene- . 
mens  inattendus.  II  ne  faut  pas  compter  sur  une  defense  aussi 
longue.  II  faudrait  nous  renforcer  de  15000  hommes  et  avoir 
pour  un  mois  de  vivres  de  plus.  Sans  un  secours  d'hommes, 
la  place  ne  serait  plus  tenable  Thiver  prochain,  car  la  garnison 
est  compose  aujourd'hui  de  21000  hommes  et  il  n'y  en  a  que 
12000  de  disponibles.  Je  perds  encore  au  delä  de  1100  hom- 
mes chaque  mois. 

Un  emprunt  force  que  j'ai  leve  sur  le  commerce  d^  Dant- 


317 

zig  nous  a  ete  d^un  grand  secours;  cet  empriint  est  flx6  ä 
3  millions  dont  1700000  fr.  seulement  sont  rentrfes.  Sans  ce 
moyen,  le  pay erneut  de  la  solde  6tait  arret6  et  si  Votre  Majeste 
ne  nous  assure  de  nouveaux  fonds,  nous  nous  retrouverons  dans 
le  meme  embarras  avant  un  mois. 

Lcs  d6penses  ont  et6  cependant  reduites  autant  qu'une 
6conomie  bien  entendue  Ta  permis.  Par  exeraple,  on  ne  paye 
que  la  solde,  deduction  faite  des  masses,  et,  quant  aux  diff^rents 
Services,  on  prend  les  matieres  par  requisition  payable  au  d6blocus. 
On  ne  paye  donc  que  la  main-d'oeuvre. 

Je  dois  beaucoup  d'^Ioges  au  g^neral  Bazancourt,  eomman- 
dant  de  la  Legion  d'honneur,  auquel  j'ai  confl6  le  commande- 
meut  sup6rieur  de  la  place.  Cet  officier  g6n6ral  a  commande 
en  mon  absence  pendant  les  sorties  avec  une  activitfe  remar- 
quable.  Votre  Majeste  connait  cet  officier  genßral  trfes  dis- 
tingtt6  dont  je  ne  puis  dire  assez  bien. 

Je  suis  etc.  etc.  Rapp. 

In  dem  Schreiben  an  Berthier  von  demselben  Datum  *)  führt 
Rapp  einzelne  Punkte  hinsichtlich  des  Mangels  einer  ausreichen- 
den Besatzung  und  Verproviantirung,  sowie  an  Geld  näher  aus. 
Inbezug  auf  die  Besatzung  sagt  er,  dass  der  gegenwärtige 
Stand  von  20578  Mann  am  Ende  des  Waffenstillstandes  infolge 
der  Krankheiten  auf  19000  gesunken  sein  werde,  von  denen 
mindestens  2000  in  den  Lazarethen  liegen  werden*);  im  Mai  näch- 
sten Jahres  ®)  würden  unter  der  Annahme,  dass  der  Winter  die 
Anzahl  der  Kranken  nicht  vermehre  und  nur  1000  Mann  monat- 
lich sterben,  weitere  8000  Mann  abgegangen  sein,  ohne  die 
Verluste  in  den  Gefechten  zu  berücksichtigen.    Mit  11000  Mann, 


^)  Mitgetheilt  von  Campredon  (Auriol  S.  104).  d'Artois  giebt  das 
Schreiben  S.  168  im  Auszuge  wieder,  scheint  aber  das  Koncept  benutzt  zu 
haben,  das  in  einzelnen  Punkten  ausführlicher  ist  und  vieneicbt  infolge  von 
Sehreibfeblem  einzelne  Zahlen  anders  hat. 

')  Es  starben  im  Monat  Juni  immer  noch  30  bis  40  Mann  täglich. 
d'Artois  S.  168. 

')  Es  bezieht  sich  das  auf  die  Forderung  Berthiers,  den  Platz  bis  zum 
1.  Mai  zu  halten.  Thiers  ist  ofifenbar  im  Irrthuui,  wenn  er  behauptet,  der 
Kaiser  habe  Bapp  befohlen,  Danzig  erst  auf  ein  Schreiben  von  seiner  Hand 
zu  übergeben.    Auriol  S.  102. 


318 


die  dann  noch  bleiben  würden,  wovon  noch  gegen  3000  Laza- 
rethkranke  abzurechnen  wären,  Hessen  sich  die  weitläiiftigen 
Werke  Danzigs  aber  nicht  vertheidigen.  Ueber  den  Oktober 
hinaus  könne  er  für  nichts  einstehen.  Die  Vertreibung  eines 
Theils  der  Bewohner,  wie  sie  der  Kaiser  verlange,  würde  darin 
nichts  ändern.  Der  Kaiser  habe  vor  zwei  Jahren  der  Stadt 
jßOOOOO  Centner  Getreide  durch  Requisition  genommen  und  nur 
20000  Centner  gelassen,  wovon  sich  diese  bisher  unterhalten 
habe*).  Hinsichtlich  des  mangehiden  Geldes  bemerkt  Rapp, 
dass  die  monatlichen  Ausgaben  sich  auf  900000  Franken  be- 
laufen, die  Zwangsanleihe  aber  bisher  nur  1700000  Franken 
eingetragen  habe,  was  die  Ausgaben  nur  noch  auf  2  Monate 
decken  würde. 

Sehr  merkwürdig  sind  die  auseinandergehenden  Ansichten 
über  den  Einfluss  des  Waifenstillstandes  auf  die  Dauer  der 
Vertheidigung.  Rapp  hält  ihn  in  seinen  beiden  Schreiben  für 
nachtheilig,  weil  er  durcli  denselben  an  Mannschaften  ge- 
schwächt werde  ^).  Der  Herzog  von  Würtemberg  sieht  ihn  für 
die  Russen  für  sehr  nachtheilig,  für  den  Vertheidiger  sehr  vor- 
theilhaft  an,  weil  er  nach  Eintreffen  der  Verstärkungen,  die  er 
erwartete,  und  die  im  Laufe  des  Juni  auch  eintrafen,  den  Feind 
aus  Langfuhr  und  Olira  hätte  vertreiben  und  den  förmlichen 
Angriff  um  einen  Monat  früher  hätte  beginnen  können*).  Ich 
komme  noch  darauf  zurück. 

Die  Bewohner  Danzigs  befanden  sich  durch  den  Waffen- 
stillstand in  die  Lage  versetzt,  zusehen  zu  müssen,  dass  die 
Besatzung  Nahrungsmittel  erhielt,  während  sie  leer  ausgingen. 
Wie  wir  gesehen  haben,  macht  Rapp  in  seinem  Schreiben  an 
den  Kaiser  vom  17.  darauf  aufmerksam,  dass  ein  längerer 
Waffenstillstand  für  die  Bewohner  höchst  verderblich  werden 
müsse.  Die  Russen  verdoppelten  ihre  Wachsamkeit,  dass  nichts 
in  die  Stadt  gelangte.  Die  Theurung,  die  schon  vorher  gross 
gewesen  war,  nahm  in  schreckenerregender  Weise  zu.  Das 
Pfund  Butter  kostete   ende  Juli   2  Thaler,   das   Pfund  Kaffee 


»)  Vgl.  oben  S.  228  Note. 

')  Infolge  der  Krankheiten.    Er  hätte  anch  hinzufügen  können  an  Geld. 

»)  Apercju  S.  76. 


3^ 

4  Thaler,  das  Pfund  Brod  2  Ggr.,  die  Kanne  Milch  6  Ggr.  *). 
Unter  diesen  Umständen  war  der  Wucher,  den  die  höheren  fran- 
zösischen Officiere  mit  den  Lebensmitteln,  die  ihnen  durch  den 
Raub  zugefallen  waren,  trieben,  noch  eine  wahre  Wohlthat, 
wenigstens  für  die  Wohlhabenderen.  Sie  verkauften  den  ScheflFel 
Roggen,  der  den  Kaufleuten  vorher  ohne  Entschädigung  abge- 
nommen worden  war,  für  7  Thaler,  den  geraubten  Hammel  für 
50  Thaler,  die  Kuh  für  200  bis  250  Thaler«).  Dabei  wurden 
die  Massregeln  zur  Eintreibung  der  Zwangsanleihe  fortgesetzt. 
Die  Zahl  der  Verhafteten  mehrte  sich  täglich*),  und  ihre  Be- 
handlung wurde  immer  unmenschlicher,  Rapp  selbst  immer  ab- 
stossender.  Eine  Deputation  der  Regierung,  welche  am  21.  Juli 
in  dringenden  Angelegenheiten  an  ihn  gesendet  war,  Hess  er 
nicht  vor,  und  als  sie  zum  dritten  Mal  erschien,  wies  er  sie 
schroff  zurück*). 

Im  übrigen  verlief  der  Monat  Juni  und  der  Anfang  Juli  sehr    Juli, 
ruhig  ^).    Der  General  Rapp  verlegte  fast  die  ganze  Besatzung 
auf  die  Dörfer,  um  sie  dem  Leichengenich  zu  entziehen  ®).    Die 
Heuernte  nahm  ausserdem  die  Mannschaft  in  Anspruch,     Aber 


»)  Blech  2,  139  und  2,  160.  Nach  Dttring  kostete  ein  Pfund 
schlechtes  Rindfleisch  um  diese  Zeit  20  gute  Groschen  bis  einen  Thaler,  das 
Pfund  Butter  4  Thaler,  ein  Danzigcr  Scheffel  Roggen  16  Thaler,  ein  Pfund 
Pferdefleisch  9  gute  Groschen,  eine  kleine  Zwiebel  4  gute  Groschen,  20  Kar- 
toffeln einen  halben  Thaler,  ein  Pfund  Salz  einen  Thaler. 

»j  Ebenda  S.  167. 

8)  Ebenda  S.  153. 

*)  Ebenda  S.  139.  Es  ist  etwas  sehr  Schönes  um  die  Humanität  im 
Kriege,  aber  sie  kann  sich  nur  da  ergehen,  wo  der  Dienst  nicht  daniuter 
leidet.  Denn  der  Krieg  an  sich  ist  unvereinbar  mit  der  Humanität,  ist  viel- 
mehr der  Gegensatz  dazu.  Rapp  hatte  den  Befehl,  Danzig  zu  halten.  Das 
Geld  musste  beschafft  werden,  um  das  zu  erm(1glichen.  Die  Zwangsanleihe 
w^ar  nothwendig.  Die  Ausführung  überliess  er  der  dazu  ernannten  Kom- 
mission. Aber  es  ist  natürlich,  dass  der  Guvemeur  von  diesem  Augenblick 
ab  die  gemüthliche  Seite  seines  Charakters,  die  ihm  allgemein  zuerkannt 
wurde,  nicht  mehr  zeigen  konnte  und  der  Bürgerschaft  gegenüber  ein  schroffes 
Wesen  annahm.  Man  hat  ihm  das  als  Stdz  ausgelegt,  auch  ist  er  davon 
nicht  freizusprechen,  er  gerirte  sich  als  suverainer  Fürst,  aber  in  diesem  FaU 
ist  es  nicht  Stolz. 

*)  d'Artois  S.  178.     Apercu  S.  104. 

•)  Blech  2,  141. 


320 


auch  das  grüne  Getreide  wurde  gehauen  und  den  Besitzern  ent- 
zogen ^).  Man  konnte  seine  Reife  nicht  abwarten,  da  die  Feind- 
seligkeiten jeden  Augenblick  wieder  beginnen  konnten.  Das 
grösste  Misstrauen  herrschte  auf  beiden  Seiten.  Da  der  Herzog 
es  nicht  in  der  Hand  hatte,  die  Lieferungen  regelmässig  zu 
stellen,  weil  dies  von  den  Civilbeliörden  abhing  und  mit  den 
grössten  Schwierigkeiten  verbunden  war,  legte  man  ihm  das  als 
Böswilligkeit  aus.  Rapp  sendete  am  ersten  Juli  einen  Spion 
an  Berthier  ab  mit  chiffrirter  Depesche,  worin  er  sich  bitter 
über  die  mangelhafte  Ausführung  der  Bedingungen  des  Waffen- 
stillstandes seitens  der  Russen  beklagte  und  aussprach,  dass  bis- 
her nur  die  Hälfte  der  fälligen  Lebensmittel  abgeliefert  wor- 
den sei^). 

Der  Herzog  Alexander  benutzte  die  Ruhetage,  um  die 
russischen  Milizen  zu  orgauisiren  ^).  Aus  den  15  Druschinen 
der  Petersburger  Landwehr  wurden  7  Bataillone  gemacht*), 
deren  Kommando  wegen  Erkrankung  des  Senators  Bibikow, 
der  sie  befehligte,  später  auf  den  General  Adadurow  überging. 
Diese  Landwehren,  wie  auch  die  preussischen,  wurden  regel- 
mässig einen  Tag  um  den  andern  gedrillt.  Ein  Theil  derselben, 
die  schlecht  bewaffnet  waren,  wurden  der  Artillerie  überwiesen 
und  am  Belagerungsgeschütz  eingeübt,  wo  sie  später  die  besten 
Dienste  leisteten''). 

Im  Lauf  des  Juni  kamen  5119  Rekruten  der  6.  und  25. 
Division  an,  die  sogleich  eingestellt  wurden.  Ebenfalls  noch 
im  Juni  trafen  die  angesagten  Verstärkungen  ein :  2  Eskadrous 
des  Kasan'schen  Dragoner-Regiments,  zusammen  180  Mann  stark, 


>)  d'Artois  S.  180. 

*)  d  'Artois  S.  178.  Es  war  ein  russischer  Jude  Moses  Meusel  aus  Wilna, 
der  als  Doppelspion  diente  und  die  Depesche  zuvor  dem  Herzog  vorlegte,  der 
sie  entziifem  liess  und  wieder  zurückgab.    AperQU  S.  104. 

»)  Aperiju  S.  106. 

*)  Friccius  sagt  iiTthtinilich  ö,  weil  er  die  Errata  nicht  gelesen  hat. 

^)  Apercu  S.  107.  Ueberhaupt  stellt  der  Herzog  den  Landwehren  das 
beste  Zeugniss  ans.  Er  sagt:  En  g6n6ral,  Ics  milices  tant  russes  qne  prus- 
siennes  rivaliserent  par  la  suite  avec  les  meilleurs  troupes  de  ligne,  quoique 
composees  enti^rement  de  paysans,  dont  la  plus  grande  partie  n^avait  jamais 
vu  le  feu. 


J2i^  __ 

nebst  60  Dragonern  fttr  die  Reserve-Eskadrons  und  eine  halbe 
Kompagnie  Reserve- Artillerie,  dann  die  Landwehren  von  Jaroslaw, 
Tula  und  Kaluga  nebst  Verstärkungen  der  Petersburger  und 
Nowgoroder  Landwehr,  zusammen  gegen  15000  Mann  stark 0. 
Die  erstem  waren  vom  Fürsten  Demeter  Wolkonski  heran- 
geführt worden,  der  mit  ihnen  die  Höhen  von  Nenkau  ein- 
nahm *).  Die  Truppen ,  die  hier  gestanden  hatten ,  wurden  nach 
dem  Thal  von  Brentau  und  vorwärts  Oliva  verlegt.  Hierauf  konn- 
ten die  Kosacken- Regimenter  Grekow  I  und  Ilowaiski  IX 
nebst  einer  Dragoner-Eskadron  von  Pleskow,  die  auf  der  Neh- 
rung gestanden  hatte,  zur  grossen  Armee  gesendet  werden. 

Der  Vorpostendienst  wurde  auch  während  des  Waffenstill- 
standes mit  grosser  Strenge  gehandhabt.  Auf  dem  Werder 
verhinderten  kleine  bewaffnete  Kähne,  dass  keine  Lebensmittel 
nach  der  Stadt  gebracht  werden  konnten,  auf  der  Weichsel 
dienten  die  bewaffneten  Fahrzeuge,  welche  den  linken  Flügel 
der  Verschanzung  deckten,  zu  gleichem  Zweck.  Ebenso  wurde 
der  Strand  scharf  bewacht')  und  den  Fischern  nicht  gestattet, 
sich  davon  zu  entfernen.  Doch  hat  es  Rapp,  indem  er  sich 
auf  den  Waffeustillstandsvertrag  bezog,  durchgesetzt,  dass  bis 
auf  eine  Lieue  von  der  Küste  gefischt  werden  durfte*).  Der 
Herzog  verwendete  viel  Sorgfalt  auf  die  Parkkolonnen  und 
Ambulanzen.  Er  Hess  sie  wegen  Mangel  an  Pferden  zum  Theil 
mit  Pferden  der  Regimenter  bespannen,  um  die  Verpflegung 
der  Armee  zu  sichern^).  Die  Lazarethe  wurden  in  guten  Stand 
gesetzt,  da  die  Epidemie  immer  noch  nicht  erloschen  war. 

Auf  ein  Gesuch  des  Guverneurs  fand  am  3.  Juli  eine  Zu- 


')  Davon  kamen  nach  dem  Jnrnal  (Archiv  S.  120)  auf  die  Landwehr 
von  Jaroslaw,  Tula  und  Kaluga  12320  Mann.  Nach  Blech  2,  122  sind  diese 
Landwehren  um  die  Mitte  Juni  angekommen. 

*)  Nach  dem  Jamal  (Archiv  S.  120)  stiessen  auch  die  Linien-Infanterie- 
Begimenter  Nizow  und  Koporsk  zum  Fürsten  Wolkonski. 

')  Die  russische  Flotille  war  im  Juni  ausser  zahlreichen  Transportschiffen 
und  6  Kanonenhooten  19  grössere  und  kleinere  Fahrzeuge  stark.  Nach  dem 
Jamal  soll  allerdings  am  18.  Juni  die  russische  Flotte  mit  der  Belagerungs- 
artUlerie  eingetroffen  sein,  doch  ist  das  offenbar  ein  Schreibfehler  fttr  18.  JuU, 
wo  auch  Blech  deren  Ankunft  konstatirt. 

*)  d'Artois  S.  177. 

*)  Apercu  S.  108. 

Köhler,  Geschicbte  der  Festangen  Danzlg  und  Weichselmttnde.    II.  91 


322 

sammenkanft  der  beiden  Eommandirenden  beiStriess  statt.  Sie 
dauerte  gegen  10  Minuten,  ohne  dass  man  vom  Pferde  stieg. 
Der  General  Rapp  war  mit  seinem  ganzen  Stabe  in  Oala  er- 
schienen, der  Herzog  hatte  gar  keine  Rücksichten  genommen. 
Man  schied  sehr  kalt  voneinander. 

In  der  Nacht  zum  13.  Juli  langte  ein  Kuriier  aus  dem 
russischen  Hauptquartier  in  Reichenbach  an  und  brachte  den 
Befehl  des  Oberet  Kommandirenden  Barklay  de  Tolli  vom 
6.  Juli,  dass  die  Lieferungen  an  die  Garnison  zu  suspendiren 
seien,  weil  die  Franzosen  durch  einen  Ueberfall  der  Freikorps 
von  Lützow  und  von  Colomb  den  Waffenstillstand  gebrochen 
hätten.    Feindseligkeiten  seien  jedoch  zu  vermeiden^). 

«  Der  Herzog  machte  sogleich  an  den  General  Rapp  Mit- 
theilung hiervon  und  fttgte  noch  hinzu,  dass  alle  übrigen  Be- 
dingungen des  Waffenstillstandes  dadurch  nicht  berührt  würden. 
Auch  der  Grund  der  Massregel  war  angegeben*).  Unglück- 
licherweise war  jedoch  der  Offizier,  welcher  wegen  seiner 
Eenntniss  der  französischen  Sprache  für  gewöhnlich  zu  diesen 
Sendungen  benutzt  wurde,  nicht  zur  Stelle  und  kam  erst  gegen 
Abend  zurück.  Er  machte  sich  jedoch  sofort  auf  den  Weg, 
wurde  aber  am  Olivaer  Thor  nicht  eingelassen,  so  dass  das 
Schreiben  erst  am  14.  gegen  Mittag  in  die  Hände  von  Rapp 
gelangte.     Durch    einen    Schreibfehler    war    das    Datum    des 


^)  Der  Befehl  lautet  (Apercu  S.  123):  „Qu'attendn  les  ^v^nemens,  qni 
avaient  eu  lien  au  corps  des  volontaires  de  Lützow  et  de  Colomb,  sur  lesquels 
les  FrauQais  venaient  de  faire  une  attaque  k  rimproviste,  tandis  que  ees 
demiers  se  rendaient  tranquillement  d'apres  les  stipulations  de  rarmistice, 
con^u  eutre  les  puissances  bellig^rantes,  au  lieu  de  leur  destination,  et  dans 
nn  moment,  oü  la  tr^ve  ne  pouvait  leur  inspirer  ancune  d^fiance,  et  ou  par 
cons^uent  ils  ne  se  tenaient  point  sur  leurs  gardes,  sa  M.  Tempereur  er- 
donnait  k  S.  A.  de  cesser  toutes  les  livraisons  de  vivres  pour  la  gamison  de 
Danzig,  et  toute  autre  communication  avec  les  assi^g^s,  jusqu'4  ce  que  cette 
affaire  fnt  entiement  r^gl^e  et  jusqu'ä  nouvelle  ordre,  et  qu^en  cas,  que  le 
gouvemeur  de  la  place  demandait  la  permission  pour  le  quartier-gfn^ral  de 
rarm6e  fran^aise,  cette  permissiou  devait  lui  etre  refus^e  en  ^vitant  toutefois 
de  recommencer  les  hostilit^s, 

N.  388  Le  g^n^ral  Barklay  de  ToUy. 

Beichenbach  le  24  juin  1813  (a.  St.). 

*)  Das  Schreiben  findet  sich  im  Apercu  S.  112,  bei  d'Artois  S.  182  und 
Oampredon  (Auriol  S.  108). 


323 


Schreibens  nicht  korrekt,  indem  es  hiess  Vis  juillet  k  1  henre 
da  matin.  Es  wäre  ein  leichtes  ffir  Eapp  gewesen  zu  erkennen, 
dass  nicht  der  12.  gemeint  sein  konnte,  da  der  1.  Juli  a.  St. 
zu  jener  Zeit  dem  13.  a.  St.  entspricht,  auch  nicht  der  geringste 
Grand  für  den  Herzog  vorlag,  die  Mittheilung  absichtlich  um 
2  Tage  zu  verzögern.  Aber  die  Geduld  Rapp's  war  zu  Ende. 
Das  Misstrauen,  was  er  von  vornherein  gegen  den  Herzog  hatte, 
sah  in  diesem  Falle  nur  eine  neue  Chikane.  Er  antwortete 
daher  noch  an  demselben  Tage  in  einem  gereizten  Tone,  be- 
klagte sich  über  Verzögerung  der  Lieferungen,  sowie  über  die 
Verspätung  des  Schreibens,  das  die  gänzliche  Sistirung  der 
Lieferungen  ankttndigt,  und  erkennt  darin  einen  Bruch  des 
VSTaflFenstillstandes ;  er  werde  sich  in  Bereitschaft  setzen,  die 
Feindseligkeiten  wieder  zu  beginnen,  und  frage  nur  an,  ob  die 
6  Tage,  welche  nach  dem  Waffenstillstandsvertrage  von  der 
Aafkttndigung  ab  inne  gehalten  werden  sollen,  vom  12.  um 
1  Uhr  morgens  oder  vom  14.  mittags  zu  rechnen  seien.  Im 
Übrigen  verlange  er  noch  die  rückständigen  Lebensmittel  ^)  und 
mache  den  Herzog  für  den  Bruch  des  Waffenstillstandes  ver- 
antwortlich. 

Der  Herzog  übersendete  darauf  unterm  15.  die  Abschrift 
des  Befehls  von  Barklay*),  begleitet  von  einer  längeren  Aus- 
einandersetzung über  das  Datum   und  die  Verspätung  seiner 


^)  Das  Schreiben  wird  mitgetheilt  von  d'Artois  S.  183,  Campredon 
(Anriol  S.  109)  nnd  im  Anszuge  vom  Apergu  S.  117. 

*)  d'Artois  übergeht  das  mit  Stillschweigen  und  sagt,  dass  dem  Schrei- 
ben des  Herzogs  vom  16.  eine  Konferenz  vorausging ,  die  der  Herzog  bean- 
tragt habe,  und  die  zwischen  den  Generallieutenants  Borozdin  und  Heudelet 
stattgefunden  haben  soll.  Weder  der  Herzog  (im  Apercu)  noch  Campredon 
wissen  etwas  davon,  auch  wäre  die  Zeit  vom  14.  zum  15.  zu  kurz  dazu  ge- 
wesen. Was  der  Herzog  in  dem  Schreiben  vom  15.  über  Aeusserungen  Boroz- 
din^s  und  Grebezow's  mittheilt,  bezieht  sich  auf  frühere  Konferenzen,  aber 
vielleicht  hat  d'Artois  daraus  auf  eine  Konferenz  am  14.  oder  15.  geschlossen. 
Wie  d'Artois  den  Thatbestand  zu  verdunkeln  sucht,  geht  unter  anderm  da- 
raus hervor,  dass  er  S.  202  behauptet,  der  Herzog  habe  den  Qrund  der 
Aufhebung  der  Lieferungen  überhaupt  nicht  angegeben.  Er  sieht  diese  Auf- 
hebung nur  als  eine  Caprice  des  Herzogs  au.  Er  sagt  S.  184:  Chacun 
tronvait  la  d6claration  du  duc  de  W.,  de  ne  plus  foumir  des  vivres,  Texplication 
de  la  conduite  tortueuse  et  embarass^e  qu'il  avait  tenue  jusqu'alors,  pour  se  sous- 
traire,  autant  qu'il  etait  en  son  pouvoir,  &  Tobligation  de  ravitaiUer  la  place*. 


324 

Mittheilnng  darüber;  er  machte  darauf  aufmerksam,  dass  nicht 
er,  sondern  der  Guverneur  die  Verantwortung  eines  Bruchs  des 
Waffenstillstandes  tragen  werde,  da  der  General  Barklay  ihm 
ausdrücklich  jede  Feindseligkeit  verbiete.  Sollte  der  Guverneur 
dennoch  die  Feindseligkeiten  wieder  eröffnen,  so  werde  er  seine 
braven  Russen  bereit  finden,  ihr  Blut  für  die  Sache  der  Fürsten 
und  Völker  zu  vergiessen ').  In  einem  Antwortschreiben  von 
demselben  Tage  zeigt  Rapp  an,  dass  er  am  20.  die  E'eindselig- 
keiten  wieder  eröffnen  werde,  und  setzt  hinzu,  dass  die  Phrase 
über  die  Sache  aller  Fürsten  und  Völker  von  einem  Fürsten 
eigenthümlich  klinge,  der  da  weiss,  dass  der  Kaiser  Alexander 
5  Jahre  im  Bündniss  mit  Napoleon  gewesen  sei,  um  den  Des- 
potismus einer  Seemacht  zu  brechen,  welche  den  Kontinent  in 
Kontribution  zu  setzen  suche,  und  dass  sein  erhabener  Bruder 
der  König  von  Würtemberg  seit  langer  Zeit  eine  der  sichersten 
Stützen  derselben  Sache  ist*). 

Der  Herzog  war  erstaunt  über  die  Sprache,  die  sich  der 
General  erlaubte,  da  es  ihm  aber  darauf  ankam,  es  nicht  zum 
äussei'sten  kommen  zu  lassen,  führte  er  in  einer  Erwiderung 
vom  17.')  noch  einmal  alle  Gründe  auf  und  wies  darauf  hin, 
wie  wunderbar  es  sich  ausnehmen  würde,  wenn  sie  beide  sich 
als  Macht  gegen  Macht  gerirten  und  die  alleinigen  wären, 
welche  sich  bekämpften,  da  der  Waffenstillstand  bis  zum 
6.  August  währte. 

Der  General  Rapp  erörterte  in  einer  Erwiderung  noch  ein- 
mal die  Gründe,  die  ihn  nöthigten,  den  Kriegszustand  wieder 
aufzunehmen,  schlug  jedoch  als  ein  Auskunftsmittel  vor,  von 
Feindseligkeiten  abzustehen,  wenn  ihm  der  Herzog  bis  zum  20. 


»)  Apercu  S.  121.    d^Artois  S.  186. 

•)  Apercu  S.  126.    d'Artois  S.  188. 

')  Apercu  S.  128.  d'Artois  S.  189.  Um  dem  General  Rapp  anzudeuten, 
wie  wenig  die  Bemerkung  inbetreff  des  Königs  von  Würtemberg  am  Orte 
wäre,  scbloss  der  Herzog  das  Schreiben  mit  der  Wendung,  dass  ein  russischer 
kommandirender  General  sich  keineswegs  geringer  achte  als  ein  König  des 
Rheinbundes,  und  dass  es  vom  Belieben  des  Kaiserg  von  Russland  abhänge, 
ihn  (den  Herzog)  zu  dieser  Würde  zu  erheben,  dass  der  Herzog  aber  die  kleine 
Bedingung  daran  knüpfen  würde,  nicht  auf  Kosten  einer  anderen  Macht 
dazu  zu  gelangen. 


325 


die  ihm  noch  zuständigen  Lebensmittel  liefere^).  Der  Herzog 
lehnte  das  ab,  weil  er  durch  den  Befehl  des  Oberkommando's 
gebunden  sei. 

Der  Herzog  bereitete  sich  daher  auf  die  Wiedereröffnung 
der  Feindseligkeiten  vor,  untersagte  jedoch  seinen  Truppen 
jeden  Angriif.  Selbst  die  Arbeiten  sollten  nur  in  dem  Falle 
wieder  aufgenommen  werden,  wenn  der  Feind  damit  vorgehe. 

Der  General  Kapp  verdoppelte  die  Vorposten  und  liess  am 
16.  abends  die  Arbeiten  wieder  beginnen^).  Die  Russen  folgten 
darin  am  18.  Der  Herzog  liess  auf  der  ganzen  Front  von  der 
Radaune  bis  zum  Grunde  von  Divelkau  eine  Reihe  leichter 
Werke  auf  werfen,  zunächst  zu  keinem  andern  Zweck, 
als  dem  Feinde  zu  zeigen,  dass  seine  Massregeln  die  Russen 
zwängen,  ein  Gleiches  zu  thun^).  Zu  einer  Kontravallation 
sind  diese  Werke  erst  später  erwachsen.  Sie  wurden  in  drei 
Tagen  (18.  bis  20.),  allerdings  mit  Aufbietung  bedeutender 
Kräfte,  vollendet.  Ausserdem  liess  der  Herzog  die  Verschanzung 
von  Neufehr,  die  noch  nicht  fertig  war,  beenden  und  armirte 
sie  mit  8  Geschützen. 

Am  20.  verkündeten  6  Schüsse  von  jedem  der  Aussenwerke 
französischerseits  den  Wiederbeginn  der  Feindseligkeiten,  doch 
kam   es  zu  keinem  Gefecht*);  die  wenigen   scharfen   Schüsse, 


*)  Apercu  S.  130.  d'Artois  S.  190.  Wenn  der  General  Rapp  in  den 
vorhei^eheuden  Schreiben  Phrasen  gebraucht,  welche  dem  Herzoge  als  unge- 
hörig erscheinen  mussten,  so  lässt  sich  zu  seiner  Entschuldigung  anf^ren, 
dass  er  in  seiner  Eigenschaft  als  Vertreter  Napoleon^s  und  der  französischen 
Armee  sich  nichts  vergeben  wollte,  aber  es  ist  unverständlich,  wie  wenig 
scharf  er  die  Lage  des  Herzogs  auffasste,  wenn  er  wie  im  vorliegenden  Fall 
Forderungen  aufstellt,  die  der  Herzog  nach  den  Befehlen,  die  er  vom  Ober- 
kommando hatte,  nicht  erftUlen  konnte.  Der  Herzog  hatte  den  bestimmten 
Befehl,  mit  allen  Lieferungen  einzuhalten,  und  Rapp  hatte  diesen  Befehl  in 
Händen.  Alle  Versprechungen,  die  der  Herzog  vorher  gemacht  hatte,  und 
worauf  sich  Kapp  in  dem  Schreiben  beruft,  waren  mit  dem  Befehl  Barklay's 
gegenstandslos  geworden. 

')  Campredon-Auriol  S.  144. 

»)  Apercu  S.  137. 

*,  d'Artois  behauptet  S.  200,  dass  die  Russen  um  10  Uhr  abends  Con- 
grevische  Raketen  gegen  die  Werke  haben  steigen  lassen,  die  jedoch  nur  bis 
auf  das  Glacis  der  Aussenwerke  gelangt  wären,  und  dass  einige  Scharmützel 


326 

die  am  21.  und  22.  fielen,  gingen  nur  von  den  Franzosen  aus, 
die  Russen  haben  nach  dem  Zeugniss  Campredon's  nicht  ge- 
schossen*). Die  Franzosen  begannen  am  Abend  des  20.  die 
Werke  auf  der  Jesuiterhöhe*).  Die  Russen  feierten  am  25.  Juli 
den  Sieg  Wellington's  bei  Vittoria  durch  Artilleriesalven.  Rapp 
that  dasselbe,  weil,  wie  er  bekannt  machen  liess,  dies  nur  ein 
Sieg  der  Franzosen  sein  könne'). 

Am  22.  traf  von  Barklay  de  Tolli  der  Befehl  ein,  die 
Lieferungen  wieder  zu  beginnen*).  Der  Herzog  machte  sogleich 
dem  General  Rapp  Anzeige  davon*),  doch  langte  die  Mittheilung 
erst  am  23.  nachmittags  3  Uhr  an.  Rapp  sandte  sogleich  den 
General  Heudelet  in  das  russische  Hauptquartier,  um  das 
Nähere  zu  verabreden.  Der  General  Borozdin,  den  der  Herzog 
damit  beauftragte,  kam  mit  Heudelet  fiberein,  dass  die  Liefe- 
rungen am  folgenden  Tage,  spätestens  am  25.  morgens,  wieder 
beginnen  sollten^.  Doch  war  es  dem  Herzog  unmöglich,  dem 
nachzukommen.    Es  gelang  ihm  nur  dadurch,   dass  er  es  den 


stattgeftinden  hätten.  Die  Aufgabe  Campredon's,  dass  die  Russen  sich  rohig 
verhalten  hätten,  würde  allein  schon  genügen»  dies  zu  widerlegen.  Der  Herzog 
von  Würtemburg  weiss  aber  ausserdem  noch,  dass  Congrevische  Raketen  zu 
dieser  Zeit  noch  gar  nicht  angekommen  waren,  und  dass  die  ersten  in  der 
Nacht  vom  16.  zum  17.  August  verwendet  wurden.    Apercu  S.  138. 

»)  Auriol  S.  114. 

*)  Ebenda. 

•)  Blech. 

*)  Apercu  S.  139. 

^)  d^Artois  S.  201.  d'Artois  erzählt,  dass  der  General  Borozdin,  der 
Heudelet  empfangen  habe,  ihm  gesagt  hätte,  dass  der  Herzog  es  allerdings 
auf  eine  Mittheiluug  vom  Oberkommando,  dass  die  Fortsetzung  der  Liefeniugen 
in  Aussicht  stände,  es  auf  sich  genommen  habe,  ohne  den  Befehl  abzuwarten, 
die  rückständigen  Lieferungen  zu  leisten,  um  während  der  Friedensunter- 
handln ngeu,  die  in  Prag  eröffnet  waren,  jede  Feindseligkeit  zu  vermeiden. 
Der  Herzog  findet  im  Apergu  S.  139  diese  Darstellung  mit  Recht  rein  lächer- 
lich, da  dem  Hauptmann  d  'Artois,  als  er  das  schrieb  bekannt  sein  konnte, 
dass  zur  selben  Zeit  auch  die  übrigen  blockirten  Festungen  wieder  mit  Lebens- 
mitteln versehen  wurden,  d  'Artois  scheint  mit  dieser  Darstellung  seine  Auf- 
fassung über  den  Herzog,  die  wir  oben  kennen  gelernt  haben,  rechtfertigen 
zu  woUen,  und  giebt  durch  diese  nachgewnesene  Erfindung  seiner  Glaub- 
würdigkeit eine  starke  Erschütterung. 

•)  Campredon,    Auriol  S,  X14, 


327 

eignen  Truppen  abbrach,  am  26.  die  erste  Lieferung  zu  verab- 
folgen. Die  Lebensmittel  mussten  in  dem  ausgesogenen  Lande 
den  Bewohnern,  die  mit  dem  grössten  Unwillen  den  Franzosen 
etwas  zukommen  liessen,  abgenommen  werden.  Der  Verrath 
an  dem  Lützow'schen  Freikorps  hatte  das  Land  aufgeregt. 
Ausserdem  waren  keine  Pferde  vorhanden  oder  gingen  unter- 
wegs zu  gründe  ^).  Trotz  dieser  Schwierigkeiten  gelang  es  dem 
Herzoge,  seinen  Verpflichtungen  möglichst  nachzukommen,  und 
es  ist  eine  Unwahrheit,  wenn  d'Artois  S.  203  behauptet,  es 
wären  nur  zwei  Drittel  der  fälligen  Lebensmittel  eingeliefert 
worden.  Auch  die  rückständigen  Quantitäten  wurden  nach  und 
nach  abgeliefert  und  würden  vollständig  dazu  gelangt  sein, 
wenn  der  Waflfenstillstand  nicht  vor  der  Ernte  abgelaufen  wäre. 

Am  2.  August  brachte  ein  russischer  Offizier  aus  dem  August. 
Hauptquartier  die  Verlängerung  des  Waffenstillstandes  über 
den  6.  hinaus  mindestens  bis  zum  10.,  also  mit  Einschluss  der 
6  Tage  Aufkündigung  bis  zum  16.  Er  überbrachte  auch  fran- 
zösische Depeschen,  darunter  die  Ernennung  des  Generals 
Bachelu  zum  Divisions-Kommandeur,  wodurch  die  34.  Division 
auf  ihn  überging.  Farine  und  d'Hericourt  wurden  zu  Brigade- 
Kommandeuren  ernannt,  Heudelet  zum  grandofficier  der  Ehren- 
legion, Detres  zum  Kitter  der  eisernen  Krone  und  die  Generale 
Lepin,  Husson  und  Breissan  zu  Kommandeuren  der  Ehren- 
legion *). 

In  den  Lägern  herrschte  wieder  Ruhe,  die  Arbeiten  waren 
auf  beiden  Seiten  eingestellt  worden*).  Am  27.  Juni  traf  die 
Batterie  Sommer  bei  der  ostpreussischen  Landwehr  ein,  die 
bisher  ohne  Artillerie  gewesen  war.  Die  Mobilmachung  der 
Batterie  hatte  viel  Zeit  in  Anspruch  genommen,  da  es  an  allem 
fehlte.  Sie  erschien  in  einer  Stärke  von  2  Offizieren,  12  Unter- 
offizieren und  116  Mann  mit  8  Geschützen*).  Die  Batterie 
wurde  nach  Schiddelkau  verlegt,  in  dessen  Nähe  sich  zu  dieser 
Zeit  auch  die  Landwehr  befand  und  zwar  die  4.  Brigade  (Kom- 


»)  Apercu  S.  140. 

*)  Campredon.    Auriol  S.  115. 

»)  d'Artois  S.  204.    Apercu  S.  144. 

*)  Apercu  S.  142. 


328 

mandeur  Major  Graf  Eulenburg)  im  Lager  bei  Schönfeld,  die 
5.  Brigade  (EommaDdeur  v.  Hindenburg-Bcnneckendorf)  zwischen 
Zankenczin  und  Miggau.  Von  der  Kavallerie  stand  die  4.  Ab* 
theilung  (Regiment  von  3  Eskadrons)  unter  dem  Major  von  Kn- 
rowski  bei  Schönfeld,  die  5.  Abtheilung  unter  dem  Major 
von  Briinneck  bei  Zankenczin.  Der  Major  Graf  Dohna  lag  in 
Schönfeld.  Im  Juli  wurde  die  Division  vom  Guverneur  des 
Landes  zwischen  Weichsel  und  der  russischen  Grenze,  General 
von  Zastrow,  besichtigt.  Der  General  spricht  in  seinem  Bericht 
vom  15.  Juli  an  den  König  sich  mit  grosser  Anerkennung  über 
die  Truppe  aus;  er  sagt:  sie  habe  alle  seine  Erwartungen  Über- 
treffen, doch  fehlen  noch  tuchene  Hosen  und  Mäntel.  Ueber 
das  Offlzierkorps  ist  er  des  Lobes  voll,  bedauert  jedoch,  dass 
der  Rang  des  Grafen  Dohna  seiner  Stellung  nicht  entspreche 
und  er  den  russischen  Offizieren,  mit  denen  er  im  Gefecht  zu- 
sammentreffe, in  dieser  Beziehung  nachstehe.  Er  bittet  um 
Avancement  für  denselben.     (Kriegs- Archiv  F.  8). 

Anfang  August  traf  auch  der  letzte  Rest  der  russischen 
Flotte  ein.  Sie  war  jetzt  83  Kanonenboote,  6  Galeoten,  2  Fre- 
gatten und  2  KoiTetten  stark.  Kommandeur  war  der  Kontre- 
admiral  Greigh  *).  Die  Belagerungsgeschütze  folgten  erst  später 
auf  Transportschiffen  aus  England  im  Lauf  des  August  und 
September. 

Der  Herzog  von  Würtemberg  hatte  sich  durch  häufige 
Besuche  der  Lazarethe  den  Typhus  zugezogen  und  musste  am 
31.  Juli  das  Kommando  an  den  Fürsten  Wolkonski  abtreten^). 
Auf  eine  Mittheilung   davon   an   den  General  Rapp   erwiderte 


^)  Ebenda  S.  144.  Am  11.  August  traf  noch  das  Tataren-BegimeDt 
von  Teptei*sk  in  der  Stärke  von  600  Pferden  ein,  auch  gegen  200  Kosackeu 
aus  den  Depots. 

')  Die  Krankheit  des  Herzogs  hatte  schon  seit  aufang  Juli  ange- 
halten. Der  General  von  Zastrow  hatte  ihn  bereits  in  vollem  Delirium  an- 
getroffen und  nur  am  11.  Gelegenheit  gefunden,  ihn  zu  sprechen.  Der  Ge- 
neral sagt  in  seinem  Bericht  an  den  König,  dass  er  sich  von  der  Würde, 
der  Festigkeit  und  dem  hohen  Interesse  überzeugt  habe,  mit  welchem  Se. 
Königliche  Hoheit  das  Kommando  führe.  Er  fügt  hinzu,  dass  er  hierbei  auch 
den  Oberstlieutenant  v.  Pnllet  über  die  bevorstehende  Belagerang  gesprochen 
habe,  der  alles  für  die  Zukunft  vorbereitet  habe.    (Kriegs-Archiv.) 


329 


dieser  am  5.  August,  indem  er  ihn  durch  seinen  Chef  des 
Stabes  d'Hericourt  beglückwünschte,  dass  der  Herzog  alles 
gethan  habe,  was  in  seinen  Kräften  stand,  um  die  Lieferungen 
auf  dem  Laufenden  zu  erhalten.  Der  General  d'H6ricourt  über- 
reichte gleichzeitig  den  Stand  der  Lieferungen  *). 

Der  General  Rapp  hatte  ende  Juli  ans  den  überzähligen 
Offizieren  und  Unteroffizieren  das  Regiment  „König  von  Rom" 
errichtet.  Er  schrieb  am  4.  August  dem  Major  general  darüber: 
„Das  Regiment  besteht  aus  2  Bataillonen  in  der  Stärke  von 
675  Mann.  Jedes  Bataillon  wird  durch  einen  erfahrenen 
Obersten  kommandirt  und  besteht  aus  4  Kompagnien,  welche 
durch  ßataillonskommandeure  befehligt  werden.  An  die  Spitze 
des  Regiments  habe  ich  den  General  Bazancourt  gestellt,  dessen 
lan^e  und  gute  Dienste  dem  Kaiser  bekannt  sind.  Das  Regi- 
ment soll  eine  Reserve  bilden  und  im  Fall  eines  Angriffs  an 
den  wichtigsten  Punkt  verwendet  werden*). 

Am  17.  August  traf  ein  Kurier  aus  dem  grossen  Haupt- 
quartier ein,  welcher  die  Aufkündigung  des  Waffenstillstandes 
überbrachte.  Der  Fürst  von  Wolkonski  machte  am  folgenden 
Tage  dem  General  Rapp  davon  Anzeige,  und  es  wurde  verein- 
bart, die  Feindseligkeiten  am  24.  zu  beginnen*). 

Der  General  Rapp  hatte  sich  doch  entschliessen  müssen, 
dem  Befehl  Napoleon's  nachzukommen  und  die  Einwohner 
Danzig's,  welche  keine  Lebensmittel  nachweisen  konnten,  aus- 
zuweisen. Er  dehnte  die  Massregel  auf  alle  diejenigen  aus, 
welche  keine  Steuern  zahlten  und  nicht  bei  der  Zwangsanleihe 
betheiligt  waren*).  Die  Massregel  wurde  mit  aller  der  Härte 
ausgeführt,  die  irgend  möglich  war,  denn  es  gab  kein  ander 
Mittel.  Das  Dekret  ist  vom  Tage  nach  Aufkündigung  des 
Waffenstillstandes  (19.  August).  Es  ergiebt  sich  daraus,  dass 
Rapp  mit  der  entsetzlichen  Massregel  gezögert  hatte,  bis  alle 
Aussicht   auf  den  Frieden   geschwunden  war.     Ausgenommen 


»)  Apercu  S.  142. 
*)  Oampredon.    Anriol  S.  115. 
^  Aper^a  S..  144.    Oampredon  (Auriol  S.  117). 

*)  Das  betreffende  Dekret  wird  von   Oampredon  (Auriol  S.  118)  mit- 
getheilt. 


330 


waren  die  Arbeiter,  welche  bei  der  Artillerie  und  Fortifikation 
beschäftigt  waren.  Sie  arbeiteten  seit  Juli  ohne  Lohn,  nur  um 
das  schlechte  Brod,  das  man  ihnen  verabfolgte,  und  hatten  sich 
darein  ergeben  *).  Die  Zahl  der  Ausgewiesenen  wird  auf  6000 
jeglichen  Alters  und  Geschlechts  geschätzt  *).  Die  Russen  waren 
dadurch  in  die  peinlichste  Lage  versetzt,  aber  der  Kommandirende 
konnte  nur  nach  den  Kriegsgesetzen  handeln,  wonach  sie  zurück- 
zuweisen waren,  was  streng  durchgeführt  wurde*). 


»)  d'Artois  S.  172.    Blech  2,  157. 

*)  Blech.    Apercu  S.  153. 

')  Einer  der  elementarsten  Grundsätze  der  Kriegfühning  ist,  dass  man 
nicht  gewähren  lassen  darf,  was  dem  Gegner  Vorteil  bringt.  Auf  der  andern 
Seite  ist  es  nicht  gerechtfertigt,  seinen  Willen  auch  da  durchsetzen  zu  wollen, 
wo  man  den  Gegner  nicht  zwingen  kann,  sich  diesem  Willen  zu  beugen,  wie 
es  hier  der  Fall  ist.  Der  Angreifer  hat  kein  Mittel  zur  Hand,  den  Gegner 
zur  Wiederaufnahme  der  Ausgewiesenen  zu  veranlassen.  Auf  eigne  Verant- 
wortung darf  er  sie  aber  nicht  passireu  lassen.  Will  er  human  handeln,  so 
kann  er  die  Entscheidimg  seiner  Regierung  überlassen,  die  ihm  jedoch  wenig 
dankbar  dafür  sein  wird,  da  sie  nicht  gegen  ihr  Interesse  handeln  kann.  Die 
Verantwortung,  eine  grausame  Handlung  begangen  zu  haben,  fällt  ausschliess- 
lich dem  Vertheidiger  zur  Last,  da  er  die  Initiative  dazu  ergriffen  hat,  wenn 
er  nach  den  Kriegsgesetzeu  auch  dazu  berechtigt  ist.  Wie  sich  die  Sache 
vor  Dauzig  gestaltete,  ist  Grausen  erregend.  Die  Unglücklichen  waren  von 
vornherein  ohne  Lebensmittel,  wurden  von  den  Vorposten  der  Russen  zurück- 
gewiesen und  von  der  Besatzung  nicht  wieder  aufgenommen,  so  dass  sie 
faktisch  dem  Hnngertode  preisgegeben  waren,  dem  auch  eine  grosse  Zahl 
erlegen  ist.  Die  kräftigeren  Naturen  haben  sich  durch  die  Mittel,  welche 
die  günstige  Jahreszeit  bot,  erhalten  können.  Als  dann  aber  der  Frost  ein- 
trat, war  auch  für  sie  keine  Rettung,  so  dass  sich  Rapp  schliesslich  ihrer 
angenommen  hat,  was  nur  anzuerkennen  ist.  Da  ihre  Zahl  sehr  geschwunden 
war,  hätte  eine  fernere  Zurückweisung  seitens  der  Russen  wohl  unterbleiben 
können.  Eine  besondere  Episode  bietet  das  Schicksal  der  Waisenkinder.  Sie 
waren,  148  Köpfe  stark,  in  der  Zahl  derjenigen  begriffen,  die  ausgewiesen 
werden  mussten,  weil  sie  die  Stadt  nicht  länger  ernähren  konnte.  Ihr  Vor- 
stand Gehrt  Hess  es  sich  nicht  nehmen,  mit  ihnen  zu  ziehen  und  ihr  Schicksal 
zu  theileu,  das  nur  der  Hungertod  sein  konnte.  Seinen  Bemühungen  ist  es 
schliesslich  nach  14  Tagen  gelungen,  den  Befehl  des  Herzogs  zu  erwirken, 
dass  die  Vorposten  sie  passireu  Hessen.  Vebrigens  hätte  es  Gehrt  aUein  nicht 
durchgesetzt,  den  Herzog  zu  bestimmen.  Das  Verdienst  kommt  dem  General- 
lieutenant Löwis  zu.  Nachdem  er  sich  wiederholentlich  für  die  Waisen  ver- 
gebens verwendet  hatte,  ergriff  er  die  Gelegenheit,  wo  der  Herzog  ihn  infolge 
des  Todes  eines  Sohnes  sein  Beileid  bezeugte,  und  erwiderte:   , Geben  Sie 


331 


Fortsetzung  der  Armirung,  Befestigung  des 

Vorterrains. 

Die  Armirung  gegen  den  gewaltsamen  Angriff  war  im 
wesentlichen  bei  Beginn  des  Waffenstillstandes  beendet.  Als 
die  Unterbrechung  desselben  am  16.  Juli  die  Wiederaufnahme 
dei*  Arbeiten  gestattete,  konnte  der  Belagerte  seine  technischen 
Truppen  auch  bei  der  Befestigung  des  Vorterrains  verwenden.  Es 
handelte  sich  darum,  den  Angreifer  möglichst  weit  von  den  Werken 
entfernt  zu  halten,  wodurch  ein  wesentlicher  Zeitgewinn  er- 
reicht und  die  Stadt  gegen  ein  Bombardement  gesichert  wurde. 
Ueber  die  Front,  welche  der  Feind  zum  Angriff  wählen  würde, 
ob  den  Bischofsberg,  den  Hagelsberg  oder  die  Olivaer  Front, 
konnte  man  nichts  wissen,  musste  sich  daher  für  alle  Fälle  ein- 
richten. Das  entsprach  auch  der  Absicht,  die  allein  massgebend 
blieb,  die  bisher  innegehabte,  ausgedehnte  Stellung  zu  behaup- 
ten und  noch  weiter,  als  es  bisher  geschehen  war,  zu  ver- 
stärken*). Wenn  man  daher  auch  seit  dem  20.  Juli*)  an  die 
Befestigung  der  Jesuiterhöhe  ging,  so  hatte  man  dabei  nur 
die  Sicherung  der  Dörfer  Schottland  und  Stadtgebiet,  die  im 
Grunde  lagen,  im  Auge.  Die  Befestigung  der  Dörfer  selbst, 
auf  die  man  sich  bisher  beschränkt  hatte,  konnte  nicht  zu 
ihrer  Behauptung  genügen.  Die  Jesuiterhöhe  beherrschte  ausser- 
dem alle  umliegenden  Höhen.  Auf  der  Kuppe  derselben,  da  wo 
die  heutige  Jesuiterschanze  liegt,  wurden  zwei  Feldwerke  er- 
baut, die  mit  einander  durch  einen  Laufgraben  verbunden  wurden 
und  eine  Art  Homwerk  bildeten  ^).  Das  eine  hatte  zum  Zweck, 
die  Radaune,   das  Dorf  Ohra  und  die  anliegenden  Höhen   zu 


mir  für  den  Einen  jene  150  Waisen!''  Plümicke  bestreitet  S.  189  diese  An- 
gaben Blech 's  und  behauptet,  dass  Langeron  der  Wohlthäter  gewesen  sei,  da 
dieser  sich  aber  nicht  beim  Blockadekorps  befand  und  Plümicke  auch  keine 
Quelle  nennt,  ist  auf  seine  Behauptung  kein  Werth  zu  legen. 

^)  Die  im  August  unternommenen  Arbeiten  deuten  darauf  hin,  dass  man 
nicht  auf  eine  förmliche  Belagerung,  sondern  auf  eine  Fortdauer  der  Blockade 
rechnete.  Da  der  Belagerer  bis  zu  dieser  Zeit  noch  über  keinen  Belagerungs- 
train gebot,  man  auch  über  seine  Stärke  nicht  aufgeklärt  war,  so  ist  es  be- 
greiflich, dass  man  sich  dieser  Illusion  hingeben  konnte. 

*)  Campredon.    Auriol  S.  114. 

^  Siehe  Taf.  VI  unt^r  G, 


332 


bestreichen,  das  andre  diente  dem  erstem  zur  Unterstützung, 
sah  das  Thal  von  Schönfeld,  wo  der  Weg  von  den  Schotten- 
häusern dahin  führt,  ein  und  bestrich  das  Plateau  von  Stolzen- 
berg  *).  Als  Feldwerke  hatten  sie  eine  geringe  Brustwehrstärke 
und  Höhe.  Ihre  Kehle  war  durch  Palisaden  geschlossen.  Ihre  Her- 
stellung hat  10  bis  12  Tage  erfordert.  Sie  waren  mit  2  starken 
Batterien  besetzt,  und  man  nannte  sie  infolgedessen  batte- 
ries  Frioul.  Eine  gedeckte  Verbindung,  für  Geschütze  brauch- 
bar, führte  vom  Petershagener  Thor  nach  den  Schanzen.  Wenn 
die  Höhe  zur  Vertheidigung  der  Dörfer  befestigt  werden  musste, 
so  war  die  Befestigung  der  Dörfer  nicht  minder  nothwendig 
zur  Vertheidigung  der  Höhe.  Man  begnügte  sich  daher  nicht, 
am  Eingange  des  Dorfes  Stadtgebiet  im  Anschluss  an  die 
Schottenhäuser  einen  Abschnitt  (coupure)  hergestellt  zu  haben  ^), 
der  jetzt  bis  zur  Inundation  verlängert  wurde  (C),  sondern  legte 
noch  einen  zweiten  Abschnitt  (D)  in  der  Höhe  der  angelegten 
Schanzen  Frioul  durch  das  Dorf  Schottland  an,  der  ebenfalls 
bis  zur  Inundation  reichte  und  mit  Geschützen  versehen  wurde. 
Diese  Arbeit  hat  lange  Zeit  in  Anspruch  genommen,  da  Häuser 
krenelirt,  Brustwehren  mit  Gräben  aufgeworfen  und  Palisaden 
gesetzt  werden  mussten.  Da,  wo  der  Abschnitt  den  obern  Rand 
des  Berges  erreichte,  legte  man  später  eine  starke  Redute  an, 
die  „avanc6e  de  Frioul"  (E)  genannt  wurde  und  ebenfalls 
mit  Geschützen  versehen  war'). 

Merkwürdigerweise  versäumte  man  es,  die  Befestigung  des 
Berges  bis  an  den  Abhang  zu  den  Schottenhäusern  fortzusetzen 
und  daselbst  ein  Werk  anzulegen.  Es  waren  hier  jedoch  ein- 
zelne feste  Posten  entstanden,  welche  die  Feldwachen  angelegt 
hatten,  um  sich  gegen  Ueberfälle  der  Kosacken  zu  sichern*). 
Als  Schanzen  kann  man   sie  nicht  ansehen,  weil  sie  nicht  mit 


»)  d'Artüis  S.  197. 

•)  Vergl.  oben  S.  332. 

^)  Der  Zeitpunkt,  wo  die  Anlage  des  II.  Abächuitts  und  der  avaucee 
de  Frioul  erfolgte,  wird  seiner  Zeit  im  Tagebuch  der  Belagemng  ange- 
geben werden.  Die  Anlage  fand  erst  nach  der  Besitznahme  der  Schot- 
tenhäuser durch  die  Küssen  statt.  Des  Zusammenhangs  wegen  musste  hier 
vorgegriffen  werden. 

*)  d'Artois  S.  211. 


333 


Geschütz  besetzt  waren,  wie  sie  denn  auch  bei  den  vielfachen 
Kämpfen,  die  um  ihren  Besitz  später  geführt  wurden,  stets  im 
ersten  Anlauf  genommen  wurden.  Von  Wichtigkeit  wurde 
namentlich  die  Sternschanze  (le  poste  de  l'Etoile)  (m)  auf 
dem  Plateau  zwischen  den  Schottenhäusern  und  Reiersgarten 
und  der  links  rückwärts  davon  am  Rande  des  Abhanges  ge- 
legene Hauptmannsposten  (le  poste  du  capitaine)  (h),  der 
zur  Unterstützung  des  erstem  diente.  Ein  Lieutenantsposten 
(g)  befand  sich  am  Nordabhange  der  Schottenhäuser  und  ein 
Sergeantenposten  rechts  der  Batterien  FriauP)  (H). 

Das  südlich  (jenseits  der  Schottenhäuser)  vorgelegene  Dorf 
Ohra,  wie  es  die  französischen  Berichte  nennen,  denn  eigentlich 
ist  es  Stadtgebiet,  wurde  zwar  besetzt,  aber  nicht  befestigt,  doch 
hatten  die  Vorposten  sich  durch  den  poste  du  jardin  gesichert. 

Bei  der  Befestigung  der  Jesuiterhöhe  hat  keineswegs  die 
Rücksicht,  die  Stadt  vor  einem  Bombardement  zu  sichern,  mit- 
gespielt. Man  war  noch  wie  1807  der  Meinung,  dass  die  Ge- 
schütze von  hier  aus  nicht  zur  Speicherinsel  reichten*),  was 
sich  ja  damals  bestätigt  fand.  Aber  man  kannte  nicht  die  Trag- 
weite der  englischen  Geschütze. 

Die  weit  vorspringende  Lage  von  Langfuhr,  das  der  Gu- 
verneur  so  lange  wie  möglich  festhalten  wollte,  führte  noch  zu 
andern  Anlagen.  Die  bereits  befestigten  Punkte  Kabrun  und 
Aller  Engeln  konnten  nicht  genügen,  die  Verbindung  der  Festung 
mit  dem  Dorfe  sicher  zu  stellen,  doch  legte  man  während  der 
Unterbrechung  des  Waffenstillstandes  eine  Art  Redute  vor  dem 
Hanse  Kabrun  an,  so  dass  letzteres  ein  Reduit  dazu  abgab'). 
Zwar  hatte  man  zu  derselben  Zeit  durch  Anlage  einer  starken 
Batterie  auf  dem  Berge  links  der  grossen  Allee  in  der  Höhe 
von  Aller  Engeln  eine  vorzügliche  Stütze  gewonnen  *),  aber  die 
Basis  des  ganzen  Systems  erschien  nicht  breit  genug.  Es  lag 
nahe,  die  Schanzen,  welche  man  noch  vor  dem  Waffenstillstände 
diesseits  Zigankendorf  aufgeworfen  hatte,  und  die  während  der 
Unterbrechung  des  Waffenstillstandes  verstärkt  worden  waren, 

')  Ebenda  S.  210. 

^  Ebenda. 

»)  d'Artoifl  S.  195. 

*)  Ebenda.    Der  Berg  wird  auf  älteren  Plänen  der  Krähenberg  genannt. 


334 


mit  jener  Batterie  durch  eine  angemessene  Zahl  von  Zwischen- 
werken zu  verbinden.  Die  Schanzen  bei  Zigankendorf  hatten 
ursprünglich  nur  den  Zweck  gehabt,  die  vorgeschobenen  Vor- 
posten aufzunehmen.  Auch  die  neuen  Werke,  welche  unmittel- 
bar nach  Aufhebung  des  Waffenstillstandes  begonnen  wurden, 
sollten  zunächst  nur  diesem  Zwecke  dienen  und  bestanden  nur 
aus  Erdaufwürfen.  Sie  erfüllten  aber  auch  den  wichtigen  Zweck, 
die  zahlreichen  Schluchten,  welche  zur  Allee  ausliefen,  und  die 
dem  Feinde  ebensoviele  Sammelpunkte  abgaben,  um  die  Ver- 
bindung mit  Langfuhr  mit  dem  Olivaer  Thor  zu  gefährden,  unter 
Feuer  zu  nehmen,  und  wurden  deshalb  für  Geschütze  eingerichtet. 
Es  waren  ihrer  drei,  so  dass  sich  nunmehr  von  der  Batterie 
Kirgener  ab,  die  den  linken  Flügel  einnahm,  sieben  Werke  er- 
hoben: Kirgener,Istrien,  Caulaincourt,  Romoeuf  (Q),  Grabowski  (R), 
Deroy  (S)  und  Montbrun  (T).  Mit  letzterem  Namen  wurde  die 
Batterie  links  der  Allee  bezeichnet*).  Die  Werke  gewannen 
später,  veranlasst  durch  das  Vorgehen  der  Russen  von  Neu- 
Schottland  aus,  eine  Festigkeit,  die  urspiünglich  nicht  beabsich- 
tigt war,  und  bildeten  ein  vollständiges  Retranchement,  das  durch 
Anlage  zweier  neuen  Werke,  der  Batterie  Fischer  (U)  an  der 
Allee  und  der  Batterie  Gudin  (V),  bis  zur  Weichsel  fortgeführt 
wurde.  Das  letztere  Werk,  welches  an  der  Altstädtischen 
Ziegelscheune  erbaut  wurde,  hiess  nach  derselben  auch  batterie 
de  la  briqueterie. 

Das  Tracee  der  einzelnen  Werke  w^ar  nach  dem  Gelände, 
das  sie  einnahmen  oder  vertheidigen  sollten,  sehr  verschieden. 
Zum  Theil  waren  es  nur  Redans.  Hinter  den  Batterien  Kir- 
gener und  Montbrun  wurde  später  ein  Barackenlager  einge- 
richtet, ersteres  für  400  Mann,  letzteres  für  150  Mann.    Alles 


^)  Ebenda  S.  208.  Schon  am  26.  August  konnten  einzelne  dieser  Werke 
mit  Geschützen  armirt  werden,  so  dass  sie  an  dem  Gefecht  vom  29.  Augast 
theilnahmen.    Es  waren  folgende:  zus. 

Kirgener  erhielt  2  — 12Pfünder  und  eine  Haubitze  von  6  ZoH  4  Linien,  3 
Caulaincourt         2-12        ,  ,,  „  ,6„4„         3 

Montbrun  4—  8        ,  „       „  „  „    6     „     4      „         5 

Kabrun  2--  6        „         —     —         — —        2 

Istrien  2 — 12Pfünder  und  eine  Haubitze  von  6  ZoU  4  Linien, 

dazu  2  russische  Einhörner 5 

d'Artois  S.  254. 


335 


das  entstand  nach  und  nach.  Als  die  Russen  von  Langfuhr 
und  Neu-Schottland  vorgingen,  war  nur  ein  Theil  dieser  Werke 
fertig. 

Zu  den  weitern  Armirungsarbeiten ,  die  nach  Aufhebung 
des  WaflFenstillstandes  eintraten,  gehörte  die  vollständige  Pla- 
nirung  des  Geländes  vor  dem  Bischofsberge.  Von  dem  ehemals 
grossen  Dorfe  Stolzenberg  blieb  nur  der  westliche  Theil  stehen. 
Zwei  vortheilhaft  gelegene  Häuser  wurden  krenelirt  und  mit  Pali- 
saden umgeben,  eins  am  Westausgange  des  Dorfes,  das  andere  (K) 
sfidlich  desselben.  Ein  drittes  derartiges  Haus  (u)  befand  sich 
auf  dem  Judenkirchhofe,  ein  viertes  (t)  am  obern  Ausgange 
von  Weinberg  ^).  Vor  dem  Neugarter  Thor  wurden  die  Häuser 
bis  zum  Looseberge  und  tief  in  Schidlitz  hinein  demolirt  und 
zwischen  der  Ltinette  Cafarelli  und  dem  Bastion  Sandgrube 
eine  kleine  Lttnette  Delsons  (L),  die  heutige  Kftmmelschanze,  er- 
baut, um  das  Neugarter  Thor  zu  bestreichen. 

Auch  vor  dem  Retranchement  Neufahrwasser  und  dem  Port 
Lacoste  wurden  die  Häuser,  welche  die  Annäherung  des  Feindes 
begünstigten,  abgetragen.  Der  Wald  der  Nehrung  gegenüber 
Weichselmünde  wurde  bis  auf  600  Meter  von  Glacis  gefällt*). 

Die  Weichsel  wurde  unterhalb  der  Westerplatte  verbarri- 
kadirt,  damit  kein  feindliches  Schiff  einlaufen  konnte. 

Der  innere  Dienst  in  der  Stadt  wurde  geregelt,  wobei  das 
auf  3  Bataillone  verstärkte  Regiment  Roi  de  Rome  vortreff- 
liche Dienste  leistete.  Es  hatte  die  Magazine  für  Lebensmittel 
und  andere  Vorräthe  zu  bewachen  und  wurde  dabei  von  einem 
ans  Beamten  gebildeten  Bataillon  unterstüzt.  Die  Lebensmittel 
waren  auf  der  Speicherinsel  in  den  grossartigen  Magazinen 
dieses  Stadtheils  und  zwar  in  dem  nördlichen  Theil  derselben, 
der  durch  seine  Entfernung  dem  Bombardement  am  wenigsten 
ausgesetzt  war,  untergebracht.  Die  Insel  erhielt  einen  beson- 
deren Kommandeur.  Der  Guverneur  Hess  durch  ein  Arrete  be- 
kannt machen,  dass  jedes  Individuum,  welches  daselbst  beim 
Versuch  zu  stehlen  ertappt   würde,  der  Todesstrafe  verfiel'). 

^)  Weinberg  heisst  die  Gruppe  yon  Häusern  in  der  Schlacht  südlich  des 
Stolzenberger  Grundes. 
«)  d'Artols  S.  212. 
^  d'Artois  S.  214. 


836 

6.    Sie  Belagerung  Sansig'e  vom  21.  Angut  bis 

29.  November. 

Bevor  ich  den  Lauf  der  Begebenheiten  wieder  auftiehrae, 
ist  es  erforderlich,  einen  Bück  auf  den  Zustand  beider  Gegner 
bei  Beginn  der  Feindseligkeiten  nach  dem  Watl'enstiilstande  zu 
werfen. 

a.     Der  Belagerer. 

Nach  dem  Abmarsch  der  21.  Division  bestand  das  Blockade- 
korps, wie  oben  bemerkt,  aus  der  6.  und  25.  Division.  Eine 
jede  derselben  bestand  aus  4  Linien-  und  2  Jäger-Regimentern  *) 
in  der  Stärke  von  je  4800  Kombattanten,  von  denen  der  grösste 
Theil  jedoch  Rekruten  waren.  Den  Rest  des  Korps  bildeten 
Milizen.  Die  Regimenter  hatten  2  Bataillone  mit  Ausnahme 
des  3.  Jägerregiments,  welches  drei  hatte. 

An  Milizen  befanden  sich  im  Korps  diejenigen  von  St. 
Petersburg,  Nowgorod,  Tula,  Jaroslaw  und  Kaluga*). 

Die  Feldartillerie  bestand  aus  3  leichten  Batterien  (No  10, 
11.  und  40),  einer  schweren  (No.  6)  und  einer  reitenden  (No.  19). 
Dazu  kam  eine  halbe  reitende  der  Miliz  von  Tula  und  eine 
halbe  reitende  der  Reserve^).  Eine  russische  leichte  Batterie 
bestand  aus  8  — 6 pfundigen  Kanonen  und  4  Haubitzen,  die 
schwere  nur  aus  12  Pf  lindern. 

An  Reiterei  hatte  das  Blockadekorps  2  Linien-Regimenter, 
die  Dragoner  von  Kasan  (6  Eskadrons)  und  die  Ulanen  von 
Jamburg  (4  Eskadrons).  Dazu  kamen  3  Reserve  -  Eskadrons : 
Moskau,  Kargopol  und  Ingermannland  *). 

An  Kosackenregimenter  waren  vorhanden :  Das  von  Grekow  V. 


*)  Zar  6.  Division  gehörten  die  Linienregimenter  Asow,  Nizow,  Bransk 
nnd  ein  kombinirtes  Regiment  (Swodnj);  das  Jflgerregiment  No.  3  und  ein 
Bataillon  von  No.  34  und  eins  von  No.  18, 

zur  25.  Division :  die  Linienregimenter  No.  t  und  2  der  Marine,  die  von 
Woronesch  nnd  Koporsk,  sowie  die  Jägerregimenter  No.  31  und  47. 
')  Die  Stärke  der  Milizen  betrug: 

601  Offiziere,  1490  Unteroffiziere,  14941  Gemeine. 
s)  Die  Stätke  der  Feldartillerie  betrug: 

36  Offiziere,  103  Unteroffiziere,  1140  Gemeine. 
*)  Die  Stärke  der  Linienreiterei  betrag: 

41  Offiziere,  83  Unteroffiziere,  924  Gemeine. 


33? 

Grekow  XVII,  Charitonow,  Sutschilin  II,  Tschcrnosubow  und 
das  des  Attaman  von  Ohrenburg;  an  Tataren:  die  Regimenter 
von  Teptersk,  Perekop  und  Sinferopol,  dazu  ein  Baschkiren- 
Regiment.  Die  Regimenter  waren  durchschnittlich  260—280 
Mann  stark. 

Noch  waren  vorhanden  ein  Regiment  Reiterei  der  Miliz 
von  Tula  in  der  Stärke  von  260  Mann;  die  Freiwilligen  des 
Korps  von  Schmidt  gegen  100  Mann  und  30  Mann  der  Frei- 
willigen von  Naroth,  welche  zu  Ordonnanzdiensten  benutzt 
wurden  *). 

Die  preussische  Landwehr  bestand  aus  9  Bataillonen,  6  Es- 
kadrons  und  einer  Batterie*). 

Die  Gesammtstärke  des  Blockadekorps  belief  sich  auf  nahe- 
zu 40000  Mann. 

Für  den  Dienst  war  das  Blockadekorps  in  5  Detachements 
getheilt  : 

1.  Auf  der  Nehrung  der  Oberst  Ekeln  mit  1  Regiment 
Kosacken,  3  Eskdr.  Dragonern,  2  Druschinen  und  1  preu- 
ssischen  Landwehrbat.,  4  Haubitzen  und  8  —  6  Pf  lindern. 

2.  Der  General  Dedulin  besetzte  die  Inundation  von  der 
Radaune  bis  zur  Weichsel  mit  1  Regiment  Kosacken  und 
den  Volon tairs  von  Schmidt,  2  Regimentern  Miliz  und 


*)  Die  leichte  Reiterei  betrag: 

142  Offiziere,  200  Unteroffiziere,  4064  Gemeine. 

')  Die  Stärke  der  preussischen  Landwehr  betrug:  an  Fasavolk:  159 
Offiziere,  127  Unteroffiziere  5123  Gemeine;  an  Reiterei:  31  Offiziere,  59 
Unteroffiziere,  404  Gemeine;  an  Artillerie:  2  Offiziere,  21  Unteroffiziere, 
116  Gemeine. 

Das  FuBSVolk  war  in  2  Brigaden  zu  je  5  Bataillonen  getheilt,  von  denen 
jedoch  das  Bataillon  No.  13  (von  Rautter)  in  Graudenz  abkommandirt  war. 
Ein  anderes  Bataillon  (No.  17.  Oelrichs)  befand  sich  auf  der  Nehrung. 
Die  4.  Brigade  bestand  aus  den  Bataillonen :  No.  9  (von  Hülsen),  No.  10  (von 
Bolschwing),  No.  18  (Graf  Dohna  Reichertswalde),  No.  19  (von  Bequignolles) ; 
die  5.  Brigade  aus  den  BataiUonen  No.  7  (von  Aschenbach),  No.  14  (von 
Meyer),  No.  15  (von  Spiess),  No.  16  (von  Brockhausen).  Die  4.  Kavallerie- 
Abtheilnng  zählte  die  Eskadrons:  von  Below,  von  Kotze,  von  Hejking  I.; 
die  5.  die  Eskadrons:  Schach  von  Wittenau,  Schimmelpfennig  von  der  Oye 
und  von  Wobeser.   (von  Hake,  Tagebuch.    Kriegs- Archiv  E.  202.    Friccius  194.) 

Köhler,  Geschichte  der  Festungen  Danzig  und  Weichselmtlnde.    II.  82 


338 


1  Linienbataillon.  Letzteres  mit  einigen  Kosackeu  stand 
in  Rostau,  um  die  Verbindung  mit  dem  nächsten  Korps 
zu  unterhalten. 

3.  Der  Generallieutenant  Löwis  besetzte  den  Raum  von 
der  Radaune  bis  vorwärts  Tempelburg  mit  3  Linien- 
Regimentern,  3  Druschinen,  6  Bataillonen  Preussen,  einem 
Regiment  Kosacken  und  6  Eskadrons  Preussen,  dazu  6 
schwere  und  8  reitende  Geschütze.  Den  rechten  Flügel 
des  Detachements  führte  der  General  Tschernisch.  Er 
stand  hinter  Reiers  Garten*). 

4.  Der  Oberst  Treskin  stand  auf  den  Höhen  von  Miggau 
und  Pitzkendorf  mit  2  Regimentern  Kosacken,  der  Rei- 
terei der  Miliz  von  Tula   und  2  Eskadrons  Dragoner, 

2  Linienregimentern,  1  Jägerbataillon  und  4  Druschinen. 

5.  Der  General  Kulibakin  (später  Turtschaminow)  im 
Thal  von  Brentau  und  in  der  Gegend  von  Striess  und 
Mühlenhof  mit  6  Bataillonen  Linien  -  Inf  anterie  und 
Jägern,  2  Druschinen  und  einem  preussischen  Bataillon 
nebst  8  Geschützen. 

Zu  letzterem  Detachement  gehörte  eine  Abtheilung  von  3  Ba- 
taillonen, einem  Kosackenregiment  und  2  Geschützen,  die  anfangs 
vom  Adjutanten  des  Herzogs,  Oberst  Petersen,  später  vom 
Major  Girkowitz   kommandirt  wurde.     Sie  stand  in  Brösen. 

Eine  Reserve  war  bei  Wonneberg,  eine  zweite  zwischen 
Pelonken  und  Mühlenhof  aufgestellt.  Erstere  kommandirte  der 
General  Kulniew,  später  der  General  Jurlow.  Sie  bestand 
aus  2  Eskadrons  Tataren,  3  Eskadrons  Dragoner,  2  Druschinen, 
und  1  Bataillon  Preussen,  mit  8  leichten  und  10  reitenden  Ge- 
schützen. 

Die  zweite  Reserve  kommandirte  der  General  Rochmanow. 
Sie  bestand  aus  einem  Tatarenregiment,  3  Eskadrons  Ulanen  und 
4  Bataillonen  Milizen,  nebst  4  leichten  und  4  reitenden  Geschützen 
der  Miliz  von  Tula.  6  Geschütze  davon  wurden  später  zum 
General  Dedulin  kommandirt.   Zu  ihr  gehörten  die  Detachements 


*)  Keiers  Garten  liegt  südlich  des  von  Scbönfeld  kommenden  Bachs  bei 
seiner  Ausmttndnng  in  die  Radaune  und  spielt  während  der  Belagerung  eine 
wichtige  Rolle.    Er  wird  auch  als  Wäldchen  von  Ohra  bezeichnet 


339 

!SUr  Bewachung  der  Kttste  und  der  Magazine  von  Glettkaa  und 
Koliebken  in  d^r  Stärke  von  3  Eskadrons  Eosacken  und  einigen 
kleinern  Abtheilungen.  « 

Die  Linie,  welche  vom  Blockadekorps  eingenommen  wurde, 
ist  im  allgemeinen  durch  die  am  18.  und  19.  Juli  ausgeführten 
Erdaufwürfe  gegeben  (siehe  Taf.  VI).  Sie  sollten  zu  einer  Kon- 
travallation  ausgearbeitet  werden,  nachdem  Langfuhr  in  Besitz 
genommen  war,  und  gingen  daher  vorläufig  nur  von  der  Eadaune 
am  Niederfelde  von  Ohra  bis  auf  die  Höhen  gegenüber  Divel- 
kau.  Nach  der  Eroberung  von  Langfuhr  am  2.  September,  das 
sogleich  befestigt  wurde,  wurde  die  Linie  durch  Erbauung  von 
3  Eeduten  auf  der  Höhe  gegenüber  Königsthal  vervollständigt 
und  durch  Wegnahme  von  Schellmühl,  Reiershof  und  Kabrun  am 
17.  September  abgeschlossen,  worauf  auch  der  Ausbau  des 
rechten  Flügels  der  Kontravallation  erfolgte  *).  Sie  lag  im 
Durchschnitt  2400  Meter  von  den  feindlichen  Werken  ab  und 
bildet  in  dieser  Beziehung  einen  merkwürdigen  Gegensatz  zu 
der  Kontravallation,  die  der  Feldmarschall  von  Münnich  1734 
ausführen  liess,  die  wegen  der  geringen  Stärke  des  Blockade- 
korps nur  wenige  hundert  Meter  vom  Platze  ablag.  Auch  bildete 
diese  einen  Laufgraben,  während  die  Kontravallation  von  1813 
aus  einer  Anzahl  von  Reduten  bestand,  die  ziemlich  weit  von 
einander  entfernt  waren. 

Die  Redute  des  rechten  Flügels  war  schon  am  9.  April 
erbaut  worden  ^)  und  befand  sich  auf  der  Höhe  zwischen  Matsch* 
kau  und  dem  Ohraer  Niederfelde,  500  Meter  vom  Ausgange 
von  Ohra  in  der  Verlängerung  der  grossen  Strasse  von  Ohra 
Stadtgebiet,  die  sie  bestreichen  sollte.  Etwa  500  Schritt  links 
davon  befand  sich  eine  zweite  Redute  zur  Bestreichung  des 
Plateau's  und  des  kleinen  Gehölzes  von  Ohra  südlich  des  von 
Schönfeld  kommenden  Bachs.  Die  3.  Redute,  auf  einer  Höhe 
zwischen  Schönfeld  und  Reiersgarten  gelegen,  bestrich  das 
Plateau  zwischen  den  Schottenhäusern  und  Reiersgarten,  sowie 
den  Grund  westlich  der  Schottenhäuser.  Die  4.  Redute  lag 
zwischen   Schönfeld   und   Wonneberg   auf  einem  stark  ausge- 


»)  Apercu  S.  163  ff. 

^  d'Artois  S.  194.    Campredon  (Auriol  S.  122). 

22« 


340 

sprochenen  Berge,  den  die  Franzosen  wegen  seiner  Gestalt  den 
grossen  Zuckerhut,  die  Alliirten  den  Kosackenberg  nannten.  Sie 
bestrich  die  durch  die  ßchottenhäuser  führende  Strasse.  Zwei 
andere  Reduten  lagen  vorwärts  Wonneberg  gegen  1400  Meter 
vom  Ausgange  des  Dorfes  Stolzenberg.  Jenseits  des  Schidlitzer 
Grundes  in  der  Nähe  von  Tempelburg  lag  eine  Redute  in  der 
Verlängerung  der  Hauptstrasse  von  Schidlitz.  Mehr  links  gegen- 
über Dreilinden  befanden  sich  2  Reduten  gegen  1000  Meter 
von  Zigankendorf  und  weiterhin  2  andere  auf  der  Höhe  gegen- 
über Divelkau  *).  Zwischen  diesen  und  Langfuhr  wurden  dann 
die  oben  angeführten  3  Reduten  aufgeführt. 

Als  Landungsplatz  für  die  Geschütze  war  Koliebken  aus- 
ersehen worden.  Der  erste  Transport  des  Belagerungsparks 
und  der  Munition  traf  am  9.  September  von  England  ein.  Zum 
Ausschiffen  der  schweren  Geschütze  musste  ein  Damm  von  240 
Meter  Länge  vom  Strande  in  die  See  aufgeworfen  werden, 
der  von  den  hochgehenden  Wellen  dieser  Jahreszeit  mehrfach 
weggeschwemmt  wurde.  Die  Ausschiffung  leitete  der  englische 
Major  Macdonald*).  Wege  und  Brücken  waren  schon  während 
des  Waflfenstillstandes  hergestellt  worden.  Die  vorhandenen 
Brücken  waren  völlig  unbrauchbar. 

Beim  Blockadekorps  befand  sich  noch  bei  Wiederausbruch 
der  Feindseligkeiten  nicht  eine  Kompagnie  Pioniere  oder  Sappeure 


^)  Die  wörtliche  Üebereinstiromnng  in  der  Lage  der  einzelneu  Rednten 
der  Kontra vaHation  bei  Caropredon  und  d'Artois  beweist,  dass  diese  Angaben 
dem  officieUen  Jamal  der  Vertheidigung  entnommen  sind.  Der  Plan  bei 
d  'Artois  stimmt  nicht  mit  dem  Text  ttberein,  indem  die  Rednten  No.  1  und  4 
verschoben  sind  und  die  Redute  des  rechten  Flügels  mit  No.  2  bezeichnet  ist. 
Im  Aper(ju  sind  die  11  Rednten  mit  u'"  t'"  s'"  r'"  q"'  p'"  o'"  n'"  m"'  1'" 
k'"  und  die  3  sich  daran  anschliessenden  auf  der  Höhe  von  Königsthal  mit 
yiu  j/^i  jj///  |)ezeichnet.  Zur  Erleichterung  des  Aufsuchens  beim  Vergleich 
beider  Werke  habe  ich  auf  Plan  Taf.  VI  die  Bezeichnung  beider  SchriftsteUer 
eingetragen  und  habe  daran  auch  bei  den  späteren  Bauausführungen  festge- 
halten. 

')  An  englischen  Offizieren  waren  ausserdem  noch  kommandirt:  der 
Oberst  Campbell  und  die  Hauptleute  Macleod  und  Montaigne.  Mit  den  0)n- 
grevischen  Raketen  war  ein  Kommando  von  70  englischen  Artilleristen  unter 
Kommando  des  Lieutenants  Gilbert  gekommen.    Apercu  S.  277. 


341 


und  ausser  der  Feldartillerie  nicht  eine  Artillerie-Kompagnie  *). 
Wie  wir  gesehen  haben,  wurden  die  schlecht  bewaffneten  unter 
den  Milizen  durch  Officiere  der  Feldartillerie  am  Geschütz  aus- 
gebildet und  haben  vortreffliche  Dienste  geleistet.  Der  Komman- 
deur der  russischen  Artillerie,  Oberst  Schulmann,  hat  sich  um 
ihre  Ausbildung  grosse  Verdienste  erworben.  Als  Officiere  wurden 
diejenigen  aus  den  Milizen,  welche  früher  in  der  Artillerie  ge- 
dient hatten,  eingestellt.  Als  später  die  russische  Flotte  infolge 
der  schlechten  Jahreszeit  die  Danziger  Rhede  verlassen  musste, 
beliielt  der  Herzog  von  Würtemberg  eine  Anzahl  Marine-Officiere 
und  Matrosen  zur  Bedienung  der  Geschütze  zurück. 

An  Ingenieur  -  Offizieren  waren  ausser  dem  preussischen 
Oberstlieutenant  von  Pullet  nur  zwei  russische  vorhanden.  Kurz 
vor  Beginn  der  eigentlichen  Belagerung  trafen  noch  11  nissische 
und  5  preussische  Ingenieur-Offiziere  ein. 

Zum  Landtransport  der  Geschütze  und  der  Munition,  sowie 
der  Lebensmittel,  welche  seit  dem  Monat  September  ebenfalls 
zur  See  ankamen,  mussten  bei  der  schlechten  Beschaffenheit  der 
Landpferde  Regimentspferde  genommen  werden.  Es  wurden 
zu  dem  Zweck  ein  Baschkiren-  und  ein  Kosackenregiment 
komraandirt.  Die  Landtransporte  nahmen  trotzdem  viel  Zeit 
in  Anspruch  und  wurden  vor  Mitte  Oktober  nicht  beendigt*), 
der  Transport  der  Faschinen  und  Schanzkörbe,  welche  in 
Freudenthal   zwischen   Mattern   und   Oliva   gefertigt    wurden. 


^)  Erst  am  1.  Oktober  traf  eine  Artillerie-  imd  eine  Pontonier-Kom- 
pagnie  ein,  welche  letztere  ebenfalls  in  den  Batterien  Dienste  that  (Apercu 
S.  251).  Noch  später  fand  sich  eine  halbe  preussische  Pontonier-Kompagnie 
ein.  Am  23.  October  waren  prenssischerseits  vorhanden:  3  ArtUlerie- Kom- 
pagnien in  der  Stärke  von  202  Mann,  1  Kommando  von  153  Mann,  1  Hand- 
werksdetachement  von  24  Mann  und  29  Handwerkern,  eine  Reserve  von 
74  Manu  und  208  Hilfsmannschaften  der  Infanterie.    (Kriegs-Archiv.) 

')  Nach  einem  Brief  in  die  Heimath  des  anonymen  Landwehrofficiers 
(Al)gem.  Mil. -Zeitung,  Jahrg.  1880  S.  180),  Zankenczin  den  29.  September, 
an  welchem  Tage  die  Ausladung  der  Geschütze  in  KoUebken  beendet  wurde, 
waren  zu  dieser  Zeit  bereits  80  Geschütze  im  Park  (bei  Schiddelkau)  aufge- 
stellt. Der  Verfasser  sagt,  ohne  die  Engländer  könnten  wir  gar  nichts  ma- 
chen, die  alles  zur  Belagerung  bis  auf  Bleifedem  und  Aexten,  Leitern,  Schau- 
feln, Pulver,  Affutagen,  Siehlen,  sogar  die  Schubkarren  zum  Transport  der 
Jiunitioii  in  den  Trancheen  geliefert  hab^i;. 


342 


dauerte  noch  länger,  so  dass  die  Belagerung  nicht  vor  ende 
Oktober  begonnen  werden  konnte. 

Nach  dem  Apercu  S.  161  sind  aus  England  100  —  24pffindige 
und  20  —  12pfündige  Kanonen,  28  Haubitzen  und  66  Mörser 
eingetroffen.  Doch  stimmt  das  nicht  mit  einem  im  Belagerungs- 
Jumal  (Archiv  S.  122)  aufgenommenen  Verzeichniss  aus  dem 
russischen  Staatsarchiv  überein,  wonach  es  59  —  24  pfundige, 
40  —  12pffindige  Kanonen,  14  Haubitzen  und  40  Mörser  waren. 
Nach  demselben  stellte  Preussen  ausserdem  noch  23  Geschütze, 
und  an  russischen  waren  16 ,  ferner  von  der  russischen  Marine 
4  —  1  pudige  Einhörner,  4  —'SS pfundige  Karonaden  und  2  Stein- 
mörser vorhanden,  in  Summa  202  Geschütze,  wovon  99  Wurf- 
geschütze ^).  An  Kugeln,  Granaten  und  Bomben  zählt  dieses 
Verzeichniss  203176,  an  Pulver  24300  Pud  auf. 

Der  Herzog  von  Würtemberg  hatte  sich  von  vornherein 
für  den  Angriff  des  Bischofsberges  entschieden  und  hatte  darin 
im  Hauptquartier  auch  keinen  Widerspruch  gefunden.  Die 
Front  am  Olivaer  Thor,  die  früher  als  die  schwächste  befunden 
worden  war,  hatte  durch  die  Befestigung  des  Holms,  von  wo 
aus  sie  flankirt  wurde,  eine  solche  Stärke  erhalten,  dass  ihr 
Angriff  unmöglich  war.  Auch  der  Hagelsberg  hatte  so  an 
Stärke  gewonnen,  dass  sein  Angriff  ausser  Frage  stand.  Das 
gemauerte  Reduit  desselben  hätte  ausserdem  einen  zweiten  An- 
griff erforderlich  gemacht.  Der  Angriff  des  Bischofsberges  ge- 
währte den  grossen  Vortheil,  dass  die  Speicherinsel,  welche 
ganz  ungeschützt  dalag,  von  den  Höhen  über  Schottland 
und   Stadtgebiet  in  Brand  geschossen  werden  konnte').     Der 


^)  Jedoch  auch  dieses  Verzeichniss  ist  nnr  annähernd  richtig.  Nach 
einem  Bericht  des  kommandirenden  prcussischen  ArtiHerie-Officiers,  Major 
Liehe,  vom  23.  Oktoher  an  den  Piinzen  August,  Chef  der  prcussischen  Ar- 
tillerie, waren  an  englischen  Geschützen  vorhanden:  50 — 24 pfundige, 
10 — 12 pf findige  eiserne  Kanonen;  4 — 10 ''ge  und  8  — 6"ge  metallene  Hau- 
hitzen, 2  — 13"ge,  16  — 10"ge,  10  — 8 "ge  eiserne  und  12  — 5V«"ge  metallene 
Mörser.  Dazu  kommen  an  prcussischen  Geschützen  12  —  24pfÜndige,  18— 
12 pfundige  metallene  Kanonen,  5  metallene  10 pfundige  Hauhitzen,  10—10 
pftlndige  eiserne,  2  desgl.  Steinmörser  und  8  —50  pfundige  metallene  Mörser, 
demuach  90  Kanonen,  17  Hauhitzen,  60  Mörser,  in  Summa  167  Geschütze. 
Russische  Geschütze  waren  zur  Zeit  noch  nicht  vorhanden  (Kriegs-Archiv  F.  9). 

•)  Aperen  256.    Wenn  der  Herzog  von  Würtemherg  die  Motive  für  deli 


343 


Herzog  war  durch  seine  Agenten  in  der  Stadt  genau  orientirt, 
dass  sich  neben  andern  Vorräthen  hier  die  Lebensmittel  be- 
fanden. Die  Entfernung  lag  noch  ausserhalb  der  Schussweite, 
da  der  General  ßapp  die  Lebensmittel  am  nördlichen  Theil  der 
lusel  untergebracht  hatte,  aber  er  hatte  es  versäumt,  diesen 
Theil  zu  isoliren,  so  dass  sich  der  Brand  dahin  fortpflanzen 
konnte.  Auch  waren,  wie  der  Oberstlieutenant  von  Pullet  wissen 
konnte,  einzelne  Geschosse  im  Jahre  1807  bis  nach  den  Matten- 
buden gelangt.  Der  Besitz  jener  Höhen,  der  allerdings  zunächst 
erkämpft  werden  musste,  erleichterte  ausserdem  sehr  wesentlich 
die  Eröffnung  der  Tranchee  auf  dem  Stolzenberger  Plateau. 

Wenn  der  Verfasser  des  Apergu  geltend  macht  (S.  255), 
dass  das  Terrain  zwischen  dem  Schidlitzer  Grunde  und  den 
Schottenhäusern  mit  Schhichten  erfüllt  ist,  welche  die  An- 
näherung erleichtern,  so  kann  er  das  nur  auf  die  Schluchten 
von  Altdorf  beziehen,  die  jedoch  auch  den  Nachtheil  haben, 
den  Angriff  auf  den  Bischofsberg  sehr  einzuengen. 

Bei  dem  Entschluss,  den  Bischofsberg  anzugreifen,  konnte 
die  Lage  der  Depots  schon  anfang  September,  wo  die  Trans- 
porte begannen,  bestimmt  werden.  Der  Geschützpark  sollte 
nach  Schiddelkau,  das  grosse  Pulvermagazin  hinter  Nenkau 
und  das  Materialien -Depot  in  der  Gegend  von  Matschkau 
zu  liegen  kommen.  Diese  Festsetzung  bereits  um  die  Mitte 
September  ^)  beweist  am  schlagendsten,  dass  die  Ansicht  d'Artois' 
und  Campredon's,  der  Herzog  habe  anfänglich  die  Absicht  gehabt, 

Angriff  des  Bischof sberges  auf  die  Leichtigkeit  eines  Bombardements  von  den 
Höhen  über  Schottland  zurückführt,  so  lässt  sich  dagegen  nichts  einwenden, 
da  er  ursprünglich  die  Absicht  hatte,  sich  der  „batteries  de  FriouP  auf  gewalt- 
samen Wege  zu  bemächtigen,  es  entspricht  aber  nicht  der  Wirklichkeit,  wenn 
er  in  seinem  Haisonneraent  die  Hoben  der  Schottenhäuser  hineinzieht,  da  er 
sich  ihrer,  wie  wir  sehen  werden,  nur  bemächtigt  hat,  um  den  Sturm  auf  die 
batterics  de  Frioul  vorzubereiten,  nicht  aber  um  ein  Bombardement  auf  die 
Speicherinsel  zu  er^^ffnen.    Diese  Absicht  trat  erst  später  hinzu. 

^)  Als  der  Kommandeur  der  preussischen  Artillerie,  Major  Liebe,  am 
14.  Oktober  beim  Belagerungskorps  eintraf,  fand  er  den  Artilleriepark,  die 
Pulvermagazine  und  die  Artillerie  -  Werkstätte  bereits  grösstentheils  einge- 
richtet. Sein  Stellvertreter  der  Hauptmann  Pittscher  hatte  das  mit  vieler 
Umsicht  besorgt.  Auch  fernerhin  fiel  der  preussischen  Artillerie  dieser  wich- 
tige Dienstzweig  anbeim,  wie  sie  auch  den  Transport  der  Munition  nach  den 
Batterien  zu  besorgen  hatte.    (Bericht  des  Major  Liebe.   Krie^Archiv  F.  9.) 


das  Olivaer  Thor  und  die  anliegende  Front  anzugreifen,  und  sei 
nur  durch  die  Schwierigkeiten,  auf  die  er  stiess,  davon  zurück- 
gekommen, durchaus  verfehlt  ist.  Der  Herzog  musste,  bevor  er  an 
die  Wegnahme  der  Höhen  an  den  Schottenhäusem  ging,  noth- 
wendig  den  linken  Flttgel  seiner  Kontravallationslinie  bis  Schell- 
mtthl  ausdehnen  und  sich  hier  solide  etabliren,  was  zu  dem 
obigen  Irrthum  der  französischen  Ingenieure  Veranlassung  ge- 
geben hat.  Ueber  Eabrun  hinaus  ist  er  gegen  das  Olivaer 
Thor  nicht  vorgegangen,  aber  er  hat  den  Umstand,  dass  der 
Transport  der  Geschütze  und  Materialien  nach  den  entfernt 
gelegenen  Depots  so  lange  andauerte,  trefflich  benutzt,  um 
durch  ein  lebhaftes  und  wohl  unterhaltenes  Feuer  die  Auf- 
merksamkeit des  Belagerten  von  Ohra  abzuziehen,  was  ihm  so 
vollständig  gelungen  ist,  dass  die  Belagerten  von  der  Fest- 
setzung daselbst  und  von  dem  Angriff  auf  den  Bischofsberg 
vollständig  überrascht  wurden. 

Im  übrigen  befolgte  der  Herzog  nach  Wiederaufnahme 
der  Feindseligkeiten  dasselbe  System,  welches  ihm  vor  dem 
Waffenstillstände  so  gute  Früchte  getragen  hatte,  den  Gegner 
unaufhörlich  zu  beunruhigen.  Täglich  wurden  4  Kompagnien 
Fussvolk,  3  Eskadrons  Kosackeu  und  2  Geschütze  kommandirt, 
Anfälle  auf  die  feindlichen  Vorposten  zu  machen  ^).  Vorzüglich 
wurden  die  Angriffe  auf  Ohra  gemacht,  anfänglich  um  die  Auf- 
merksamkeit des  Feindes  von  Langfuhr  abzuziehen,  das  er  in  Be- 
sitz nehmen  wollte,  später  um  ihn  an  diese  Angriffe  zu  gewöhnen 
und  so  den  Hauptangriff  auf  den  Bischofsberg  vorzubereiten, 
indem  er  seine  Aufmerksamkeit  von  hier  ableitete. 

b.  Die  Besatzung. 
Die  Besatzung  hatte  zur  Zeit  des  Wiederbeginns  der  Feind- 
seligkeiten durch  das  allmähliche  Erlöschen  der  Epidemie  und 
die  Ruhe  und  reichlichere  Nahrung  während  des  Waffenstill- 
standes, den  höchsten  Stand  an  Zalil  der  Dienstfähigen  und  den 
kräftigsten  Gesundheitszustand  erreicht.  Die  Mannschaft  hatte 
sich  akklimatisirt  und  hatte  an  Kriegserfahrung  gewonnen.  Sie 
stellte  jetzt  12  bis  15000  Kombattanten,  während  sie  zwei 
Monate    früher    nur   7   bis   8000    aufbringen   konnte').     Am 

»)  Apercu  S.  184. 

>)  Campredon  sagt  in  seinem  Tagebnehe  nuter  dem  24.  Angnst  (Anriol 


345 


16.  Augast  war  die  letzte  russische  Lieferung  eingetroffen. 
Es  hatte  nichts  erspart  werden  können,  da  die  Russen  hinter 
ihren  Verpflichtungen  zurückgeblieben  waren.  Man  hatte  selbst 
während  des  Waffenstillstandes  die  eignen  Vorräthe  angreifen 
müssen.  Dennoch  war  der  Maugel  nicht  so  gross,  als  d'Artois 
glauben  machen  will.  Nur  das  Fleisch  ging  allmählich  aus  ^). 
An  Getreide  war  dagegen  kein  Mangel.  Nach  einer  Berechnung 
der  Lebensmittel  am  Ende  des  Waffenstillstandes  zählte  man 
noch  6  Millionen  Portionen  Getreide,  Mehl,  Zwieback,  den 
Bedarf  an  Getreide  für  den  Branntwein  eingesqhlossen,  von  dem 
ausserdem  noch  für  42  Tage  vorhanden  war.  Das  entsprach 
einem  Vorrath  auf  6  Monate,  da  täglich  25000  Portionen  er- 
forderlich w^aren.  Mit  dem  Pökelfleisch  abwechselnd  mit 
massigen  Portionen  Pferdefleisch,  glaubte  man  noch  4  Monate 
auskommen  zu  können,  ebenso  lange  mit  Salz.  Die  übrigen 
Bedürfnisse  waren  allerdings  nur  in  geringem  Masse  vorhanden  *). 
Nach  einer  Aufnahme  vom  14.  Oktober  war  bei  einer  täg- 
lichen Ausgabe  von  31000  Portionen  von  24  Unzen  Brod  noch 
an  Getreide,  Grütze,  Branntwein,  Salz  ein  Vorrath  für  132  Tage 
vorhanden,  aber  für  die  noch  vorhandene  geringe  Anzahl  von 
Pferden  nur  noch  auf  88  Tage  Furage  *).     Eine  grosse  Hilfe 


S.  120):  „Lor8  de  la  cessatiou  des  hostilit6s  la  gamison  6tait  daus  Tetat  le 
plus  florissant.  Elle  avait  consid^rablement  dimma6  en  nombre  par  les  mala- 
dies  terribles  qui '  ravaient  desolee  depuis  son  entr6e  k  Dantzig  jusqu'ä  la 
fin  d'Avril,  mais  ce  qui  restait  se  trouvait  compos^  d'hommes  aguerris  et 
acclimatis^s  et  eile  pouvait  mettre  environ  12  ou  15  iniUe  baionnettes  en 
ligne.  Denx  mois  auparavant  on  ponvait  k  peine  reunir  1  k  S  mille  com* 
battans.  Le  repos  que  lui  doima  rarmistice  mit  fin  k  toiites  les  maladies 
et  donna  le  temps  de  faire  une  ample  r6colte  de  fourages  sur  la  grande 
^tendue  de  terrain  dont  on  avait  conserv6  la  possessiou  depais  le  commence- 
ment  dn  blocus.'' 

^)  d'Artois  S.  387.  „On  en  6tait  r^dait  aux  derni^res  extr6mit6s,  snr- 
tout  par  rapport  k  la  viande  dont  on  manquait  totalement/  Die  Znnabme 
der  Kombattanten  lässt  sich  namentlich  im  Tagebuch  des  Majors  Bauer  ver- 
folgen. Am  15.  März  war  das  Kegiment  Westfalen  nur  noch  85  Mann  stark 
und  musste  am  24.  April  mit  den  Baiern  in  ein  Bataillon  vereinigt  werden. 
Am  9.  Juni  fochten  die  Westfalen  schon  wieder  abg6Son4ert,  und  ani  29.  August 
waren  sie  bereits  280  Mann  stark.    PlUmi^^e. 

»)  Blech  2,  192. 

>)  Ebenda  S.  258, 


846 


war  der  Fischfang.  Der  General  Campreäon  erzählt,  dass  er 
nur  von  Pferdefleisch  und  Fisch  gelebt  habe*).  Die  Ueber- 
schwemmung  der  Weichsel  zu  anfang  September  brachte  einen 
reichlichen  Fischvorrath.  Der  Kommandant  Bazancourt  konnte 
noch  am  10.  Oktober  ein  Diner  von  50  Gedecken  geben.  Das 
Bombardement  hat  das  alles  zerstört. 

Der  Geist  der  Besatzung  war  ein  vorzüglicher.  Alle 
Nationen  wetteiferten  mit  einander,  und  selbst  die  ersten  Nach- 
richten von  den  französischen  Niederlagen  brachten  darin  keine 
Veränderung  her.vor.  Erst  als  die  Gerüchte  von  der  Schlacht 
bei  Leipzig  nach  Danzig  gelangten,  begann  die  Desertion,  zu- 
erst bei  den  Thüringern,  später  auch  bei  den  andern.  Am 
24.  November  musste  der  Major  Bauer  den  Guverneur  bitten, 
ihn  nicht  mehr  auf  Vorposten  zu  schicken,  was  dieser  auch 
bewilligte.  „Wir  hatten  erst  jetzf",  sagt  der  Major  in  seinem 
Tagebuch,  „sichere  Nachrichten,  wie  es  in  nnserm  Vaterlande 
aussah"  ■). 

In  der  Stadt  sah  es  traurig  aus.  Blech  bezeichnet  die 
Zeit  des  Wiederausbruchs  der  Feindseligkeiten  *)  „als  den 
Gipfel  des  Elends,  wo  der  Mensch  nichts  mehr  fürchtete,  aber 
auch  nichts  mehr  hoffte."  Die  Preise  der  Lebensmittel  steigerten 
sich  von  Tag  zu  Tage.  Ende  August  wurde  das  Pfund  Rind- 
fleisch zu  einem  Thaler,  das  Pfund  Butter  zu  5  Thalern,  der 
Scheffel  Roggen  zu  20  Thalern,  ein  schlechtes  ^oldatenbrod  zw 
einem  Thaler  6  Ggr.  bezahlt*).  Bald  hörte  der  Verkauf  aber 
überhaupt  auf.  Ende  September  schlössen  die  Bäcker*),  am 
4.  Oktober  die  Fleischer^)  ihre  Läden.  Selbst  Pferdefleisch 
war  nicht  mehr  zu  haben.  Um  sich  Salz  zu  verschaffen,  wurde 
es  aus  den  leeren  Heringstonnen  ausgelaugt.  Die  leere  Tonne 
wurde  mit  8  Thalern  bezahlt.  In  Neufahrwasser  wurde  das 
ehemalige  königlich  preussische  Salzmagaziu  in  dieser  W^eise 
von   der  Besatzung  ausgenutzt,  indem   die  Soldaten   die  Salz- 


0  Auriol  S.  157. 

«)  Plttraicke  S.  198. 

3)  Blech  2,  201. 

*)  Ebenda  193. 

*)  Campredon  (Auriol  S.  255). 

•)  Bbendft. 


347 

kruste  von  den  Dielen  schabten^).  Immer  neue  Ausweisungen 
erfolgten.  Die  Stadt  sank  auf  16000  Bewohner  herab.  Dabei 
starben  täglich  50  bis  60,  was  man,  da  die  Epidemie  aufgehört 
hatte,  dem  Hunger  zuschrieb.  Zwei  Weiber  kamen  in  Verdacht, 
Menschenfleisch  verkauft  zu  haben.  Dabei  gingen  die  Requi- 
sitionen an  Holz,  Hemden,  wollenen  Decken  u.  s.  w.  fort  und 
wurden  mit  der  grössten  Härte  eingetrieben.  Da  die  3  Mil- 
lionen der  Zwangsanleihe  noch  nicht  voll  waren,  wurden  immer 
neue  Kreise  hineingezogen.  Dazu  traten  bald  die  Schrecken 
des  Bombardements,  das  den  Bewohnern  selbst  den  Aufenthalt 
in  ihren  Wohnungen  verleidete  und  in  die  Keller  trieb.  Doch 
war  das  noch  nicht  das  schrecklichste.  Die  Mannschaften  der 
Besatzung  benutzten  jeden  Brand,  um  zu  stehlen,  indem  sie 
vorgaben,  retten  zu  wollen,  und  da  man  ihnen  das  nachsah, 
fielen  sie  auch  ohne  Brandgefahr  in  die  Häuser  und  nahmen, 
was  sich  vorfand^). 

In  der  Eintheilung  der  Besatzung  änderte  sich  nichts,  als 
dass  infolge  von  Todesfällen  Personenwechsel  eintraten.  Der 
General  Devilliers  fibergab  nach  Beförderung  des  Generals 
Bachelu  zum  Divisions- Kommandeur  die  34,  Division,  die  er 
seit  dem  Tode  des  Generals  Franceschi  geführt  hatte,  an  diesen 
und  erhielt  das  Kommando  der  Brigade  Bachelu's.  Die  Truppen 
waren  nach  Wiedereröffnung  der  Feindseligkeiten  in  folgender 
Weise  vertheilt*).  Die  30.  Division  (Heudelet)  besetzte  Ohra, 
die  Schottenhäuser,  die  verschiedenen  Posten  auf  dem  Plateau 
des  Stolzenberges  und  Schidlitz*).  Die  Vorposten  waren  200 
Toisen  vorgeschoben. 

Die  7.  Division  (Grandjean)  hatte  Zigankendorf  und  das 
Plateau  dahinter,  die  Höhen  des  Königsthals,  die  Dörfer  Lang- 
fuhr, Striess,  Neu-Schottland  und  Schellraühl  besetzt  und  unter- 


>)  Blech  2,  193  Note. 

«)  Blech  a.  a.  0. 

»)  d'Artois  S.  199.    Campredou  (Auriol  S.  121). 

*)  Nach  dem  Tagehuch  der  Division  Heudelet  S.  117  war  Ohra,  Stadt- 
gebiet und  Schottland  dauernd  von  einem  Major  und  600  Mann,  Stolzenberg 
und  Schidlitz  von  einem  Bataillonschef  und  200  Mann  besetzt.  Ausserdem 
steUte  die  Division  noch  die  Besatzungen  von  Heubude  (103  Mann),  Fort 
Napoleon  (82  Mann)  und  Weichs^lmünde  (387  Manp)  in  Summa  572  Mann. 


348 

hielt  die  Verbindung  mit  Neufahrwasser.  Die  beiden  andern 
Divisionen  waren  in  den  Werken  der  Stadt,  des  Holms  und 
der  unteren  Weichsel  vertheilt.  Im  Werder  waren  die  Posten 
auf  den  Mottlaudämmen  so  weit  vorgeschoben,  dass  der  Bürger- 
wald   im  Besitz  der  Besatzung  blieb. 

Der  General  Rapp  war  entschlossen,  den  Besitz  der  Vor- 
städte so  lange  als  möglich  zu  behaupten.  Die  denkwürdigen 
Kämpfe,  die  sich  daran  knüpften,  sind  taktisch  von  grossem 
Interesse  und  werden  im  ganzen  Umfange  zur  Darstellung 
kommen. 

c.  Die  Blockade. 

Die  Zeit  von  Wiedereröffnung  der  Feindseligkeiten  bis  zur 
Kapitulation  des  Platzes  zerfällt  in  vier  ziemlich  gleichlange 
Perioden: 

1.  Vom  24.  August  bis   17.  September,    dem  Schluss  der 
Kontravallation  durch  ihre  Ausdehnung  bis  zur  Weichsel. 

2.  Vom  17.  September  bis  10.  Oktober  ScheinangriflF  auf 
die  Olivaer  Front. 

3.  Vom  10.  Oktober  bis  3.  November,  Bombardement. 

4.  Vom  3.  November  bis  zur  Kapitulation  des  Platzes  am 
29.  November.    Förmliche  Belagerung. 

Die  lange  Dauer  des  Scheinangriifs  und  des  Bombardements 
sind  dui-ch  den  Umstand  hervorgerufen  worden,  dass  die  Bereit- 
stellung des  Materials  für  den  förmlichen  Angriif  sehr  viel 
Zeit  erforderte.  Dagegen  ist  der  förmliche  Angriff  durch  die 
Erfolge  des  Bombardements  sehr  bedeutend  abgekürzt  worden. 

I.  Einleitung  der  Beiagerung  vom  24.  August  bie  17.  September. 

Am  24.  August  mittags  erfolgte  auf  jeder  Seite  eine  An- 
zahl Kanonenschüsse  zum  Zeichen,  dass  der  Kriegszustand  ein- 
getreten sei;  der  Belagerte  feuerte  von  jedem  Aussenwerk  6  ^), 
der  Belagerer  bei  jedem  der  5  Detachements  4  Kanonenschüsse  *) 
ab.  Wenige  Tage  zuvor  war  von  letzterem  der  Schidlitzer 
Bach  abgeleitet  worden,  welcher  den  Graben  vor  dem  Neugarter 
Thor  bewässerte^). 

»)  d'  Artois  S.  219. 

»)  AperQu  S.  180. 

')  Ebenda,    d 'Artois  S,  192, 


340 

Der  Belagerte  vollendete  in  den  folgenden  Nächten  die  August, 
während  der  Unterbrechung  der  Waffenruhe  begonnenen  Werke 
und  armirte  sie  in  der  Nacht  zum  26.  Es  waren  die  „batteries 
de  Frioul"  auf  der  Jesuiterhöhe,  die  Eedute  vor  dem  Hause 
Kabrun,  die  grosse  Batterie  links  der  Allee  (Montbrun)  bei  Aller 
Engeln  und  die  3  Lünetten  vor  dem  Zigankenberg.  An  dem 
Abschnitt  Ohra-Stadtgebiet  und  den  Schottenhäusern  wurde 
emsig   fortgearbeitet  ^). 

Der  Herzog  von  Wtirtemberg  war  wieder  hergestellt  und 
liess  die  bekannten  Anfälle  auf  die  feindlichen  Vorposten  be- 
ginnen. In  der  Nacht  zum  25.  wurde  das  französische  Piket, 
das  sich  Brösen  gegenüber  befand,  aufgehoben  *),  in  der  folgen- 
den Nacht  Schidlitz  alarmirt  und  von  liier  aus  das  Neugarter 
Thor  mit  Congrevischen  Raketen  beschossen.  Auch  Langfnhr 
hatte  durch  die  Raketen  zu  leiden*).  Zur  Unterstützung  der 
Angriffe  auf  Ohra  wurde  in  der  folgenden  Nacht  die  Redute 
Nr.  2  der  Kontravallation  armirt*).  Am  28.  morgens  erfolgte 
ein  Anfall  auf  Ohra.  Die  Vorposten  des  Belagerten  wurden 
aus  dem  Wäldchen  von  Reiersgarten  und  aus  dem  Dorfe 
Ohra-Niederfeld  vertrieben.  Erst  an  dem  Abschnitt  Stadt- 
gebiet A  wurde  den  Nachsetzenden  Halt  geboten.  Preussischer- 
seits  waren  nur  die  Tirailleurs  vom  Bataillon  Nr.  18  und  die 
Eskadron  Heyking  zur  Stelle.  Da  der  Zweck  erreicht  war, 
befahl  der  Graf  Dohna,  welcher  anwesend  war,  den  Rückzug. 
Die  Franzosen  besetzten  das  Wäldchen  wieder,  doch  wurden 
ihre  Vedetten  eingeschränkt,  um  nicht  wie  bisher  Einsicht  in 
das  Lager  von  Schönfeld  zu  haben.  Das  Gefecht  zog  sich  von 
morgens  10  bis  mittags  4  Uhr  hin*).  Es  war  ein  Vorspiel  des 
folgenden  Tages. 

^)  Campredon.    Auriol  S.  130. 

•)  AperQU  8.  187. 

')  Campredon.    Auriol  S.  130. 

*)  Ebenda  131,  womit  auch  Blech  2,194  übereinstimmt.  Wie  derMiyor 
von  Hake  in  seinem  Tagebuche  (Kriegs -Archiv  E.  202)  mittheilt,  wurde  die 
Schanze  1  mit  einem  Kanon,  die  Schanze  3  mit  einer  Haubitze  der  Batterie 
Sommer  besetzt. 

')  Dohna,  Bericht  an  den  König  vom  7.  September.  Kriegs- Archiv  F.  8. 
Campredon,  Auriol  S.  131.  d'Artois  S.  223.  Nach  dem  Apercu  wäre  es  nur 
das  gewohnliche,  täglich  kommandirte  Detachement  gewesen,  welches   den 


350 


Das  Gefecht  vom  29.  August. 

Bevor  der  Herzog  sich  au  Langfuhr  machte,  dessen  Besitz 
sein  nächstes  Objekt  sein  musste,   um  die  Kontravallation,   die 
bisher  nur  bis  Divelkau  ging,  auf  dem  linken  Flügel  zum  Ab- 
schluss  zu  bringen,   glaubte  er,   sich  zunächst  der  anliegenden 
Höhen  bemächtigen  zu  müssen,  um  sich  eine  günstige  Gefechts- 
lage zu  vei'schaffen,  denn  es  war  vorauszusehen,  dass  der  Kampf 
um  Langfuhr  ein  hartnäckiger  sein  werde.    Er  beauftragte  da- 
her  den  Oberst  Treskin,   sich   in   der  Nacht  zum  29.  in    den 
Besitz  des  Waldes  von  Jäschkenthal  und  des  Johannisberges  zu 
setzen,    welcher  letzteie   nalio   an  Langfuhr   herantritt.    Der 
General  Eulibakin  sollte  ihn  dabei  von  Striess  aus  unterstützen. 
Der  Oberst  Treskin  bestimmte  4  Bataillone  zum  Angriff  und 
Hess  eine  Reserve  von  2  Bataillonen  und   einem  Kosackenregi- 
ment  folgen.    Offenbar  hat  er  auch  einige  Geschütze  mitgeführt, 
die   später  auch   genannt   werden.    Der  Angriff  gelang  ohne 
Schwierigkeiten,   da  die  Höhen  in  der  Nacht  nur  durch  Vor- 
posten besetzt  waren.     Gleiches  war  bei  Striess  der  Fall,  wo 
der  General  Kulibakin  mit  3  Bataillonen  einrückte  und  von  hier 
aus  2  Jägerkompagnien  auf  Langfuhr  schickte,  die  bis  in  die 
Mitte  des  Dorfes,  da  wo  der  Weg  nach  Jäschkenthal  abführt, 
vordrangen^).    Hier  wurden  sie  jedoch  vom  Hauptmann  Enita 
des  11.  polnischen  Regiments  zurückgeworfen.   Inzwischen  hatte 
der  General  Fürst  Radziwil  die  Reserven  von  Kabrun  und  Aller 


Ausfall  ausgeführt  hätte.  Da  der  Herzog  aher  die  Absicht  damit  verknüpfte, 
die  Aufmerksamkeit  des  Feindes  von  Langfuhr  abzulenken,  gegen  das  er 
demnächst  vorgehen  wollte,  ist  es  wahrscheinlich,  dass  das  Detachemeut  ver- 
stärkt worden  ist.  Die  Russen  erlitten  einen  Verlust  von  7  Todten  und  11 
Verwundeten  (Apercu  S.  187),  die  Preussen  1  Todten  und  4  Verwundete. 
Nach  d'Artois  (225)  wären  allein  30  Todte  aufgefunden  worden.  Den  eignen 
Verlust  setzt  er  auf  6  Todte  und  1  Offizier,  2  Mann  Verwundete  an.  Die 
2  Mann  sind  offenbar  ein  Schreibfehler.  Das  Tagebuch  der  Division  Heudelet 
giebt  6  Todte,  1  Offizier  und  22  Mann  Verwundete  an.  Nach  demselben 
wurden  die  Franzosen  vom  M^or  Legros  kommandirt.  (S.  118.)  Die  Russen 
giebt  das  Tagebuch  1600  Mann  stark  an. 

')  AperQU  S.  189.  In  den  französischen  Berichten  herrscht  die  Auffas- 
sung, die  Russen  hätten  es  auf  Langfuhr  abgesehen  gehabt.  Daher  lässt 
d'Artois  S.  225  diese  bis  an  die  Blockhäuser  am  südlichen  Ausgange  des 
Dorfes  vorrücken,  aber  vergebliche  Anstrengungen  machen,  sich  derselben 
zu  bemächtigen! 


351 

Engeln  vorgeführt  und  ging  gegen  7  Uhr  morgens  zum  Angriff 
der  Höhen  über,  konnte  aber  gegen  die  vortlieilhafte  Position 
des  Gegners,  der  jetzt  mit  2  Geschützen  versehen  war,  keine 
Fortschritte  machen.  Zu  dieser  Zeit  traf  der  General  Rapp 
ein  und  sendete  den  Bataillonschef  Szembek  mit  den  Yoltigeuren 
des  11.  Regiments  gegen  das  grosse  Belvedere  (d)  in  die  rechte 
Flanke  des  Feindes.  Es  gelang  diesem  auch,  sich  dieses  Punktes 
zu  bemächtigten,  doch  wurde  er  von  anrückenden  Verstärkungen 
der  Russen  wieder  zurückgetrieben.  Der  Rest  des  Detachements 
vom  Obei-st  Treskin  hatte  sich  auf  den  Höhen  von  Pitzkendorf 
und  Divelkau  entwickelt. 

Der  General  Rapp  zog  das  10.  polnische  Regiment  unter 
dem  Oberst  Kamienski  zur  Unterstüzung  des  11.  nach  Lang- 
fuhr heran,  befahl  ihm  jedoch,  sich  vorläufig  ruhig  zu  verhalten 
und  auf  das  Zeichen  zum  Angriff  zu  warten.  Er  begab  sich 
in  Person  nach  dem  Zigankenberg,  wohin  er  den  grössten  Theil 
der  Besatzung  von  Danzig  dirigirt  hatte.  Der  General  Lepin 
stellte  hier  32  Geschütze^)  in  zwei  grossen  Batterien  auf  und 
begann  eine  lebhafte  Kanonade  gegen  die  auf  den  Höhen  von 
Pitzkendorf  stehenden  Russen.  Der  Rest  der  Division  Grand- 
jean hielt  sich  rechts  der  Batterien  in  den  anliegenden  Gründen 
versteckt,  zur  Linken  der  Batterien  stellte  sich  die  34.  Division 
und  die  Reiterei  auf.  Zur  Rechten  gegen  Langfuhr  hin  nahm 
die  33.  Division  Stellung.  Die  30.  Division  (Heudelet)  besetzte 
die  Stellung  Schidlitz,  Stolzenberg,  Ohra. 

Nach  einer  längern  Kanonade  sendete  der  General  Rapp 
den  Bataillonschef  Czembek  mit  einem  Bataillon  des  11.  pol- 
nischen. Regiments,  gefolgt  von  einem  zweiten  unter  dem  Major 
Krazin,  gegen  Divelkau  vor  und  bestimmte  das  13.  baierische 
und  1.  westfälische  Regiment  als  Reserve.  Gleichzeitig  ging 
der  General  Farine  mit  dem  1.  Treffen  der  Reiterei,  aus  250 
Husaren,  reitenden  Jägern  und  Ulanen  bestehend,  gegen  Pitz- 
kendorf vor^).    Die  4  Erdaufwürfe,  welche   von  den  Russen 


^)  Nach  Campredon  S.  132  sind  es  84  gewesen. 

*)  d ' Artois  S.  229.  L'aper^u  bemerkt  S.  196,  dass  Czembek  die  Schlucht 
von  DiveUcan  unter  dem  Feuer  der  rassischen  ArtiUerie  mit  grosser  Bravur 
überschritt  und  sich  des  Dorfes  bemächtigte.  Auch  sonst  lässt  dasselbe  den 
Trappen  des  Gegners  alle  Gerechtigkeit  widerfahren  und  erwähnt  beiläufigi 


^52 

auf  den  Höhen  vorwärts  Pitzkendorf  und  Divelkau  hergestellt 
worden  waren,  wurden  von  ihnen  geräumt^). 

Noch  war  aber  der  Johannisberg  von  den  Russen  besetzt, 
von  wo  aus  sich  5  Geschütze  sehr  unbequem  machten.  Der 
General  Rapp  entnahm  daher  der  rechten  Flfigelbatterie  auf 
dem  Zigankenberge  5  Geschütze  und  stellte  sie  auf  den  Höhen 
südlich  von  Königsthal  auf,  von  wo  sie  das  Thal  und  die  Ab- 
hänge des  Johannisberges  unter  Feuer  nahmen,  die  auch  als- 
bald von  den  russischen  Truppen  geräumt  wurden.  Der  Gu- 
verneur  Hess  darauf  ein  Bataillon  des  11.  polnischen  Regiments 
zum  Angriif  der  Höhen  vorgehen  und  die  33.  Division  zur 
Unterstützung  folgen.  Das  war  für  den  Obersten  Kamienski 
das  Zeichen,  auch  seinerseits  von  Langfuhr  aus  anzugreifen. 
Die  beiden  Kolonnen  kamen  gleichzeitig  auf  der  Höhe  an,  die  von 
den  Russen   nach  hartnäckigem  Widerstände  geräumt  wurde*). 

Das  Wetter  war  den  ganzen  Tag  über  regnerisch.  Die 
französischen  Berichte  nehmen  daraus  die  Veranlassung,  dass 
der  General  Rapp  seine  Vortheile  nicht  weiter  verfolgte,  son- 
dern gegen  Abend  den  Rückzug  anbefahl.  In  Wahrheit  wurde 
dieser  jedoch  durch  das  Vorgehen  von  3  Bataillonen,  4  Eska- 
drons  und  4  Geschützen  unter  dem  Fürsten  Wolkowski  von 
Wonneberg  her  ^)  herbeigeführt,  welche  die  linke  Flanke  Rapp's 


dass  die  gegen  Miggau  und  Pitzkendorf  vorgesendeten  Truppen  mit  grossem 
Mnth  und  in  guter  Ordnung  vorgingen,  bis  sie  von  Wonneberg  in  ihrer 
linken  Flanke  bedroht  wurden.  Es  scheint  dies  die  34.  Division  und  die 
Keiterei  des  Generals  Cavaignac  gewesen  zu  sein. 

*)  Apergu  S.  191.  d'Artois  gesteht  S.  229  zwar  ein,  dass  sie  noch  nicht 
mit  Artillerie  besetzt  waren,  schildert  sie  aber  als  geschlossene  Werke,  in 
denen  ein  grosses  Blutbad  angerichtet  wurde.  Es  sind  die  Bedans  9,  10, 11,  12 
(n'",  m"',  1"',  k"0  gemeint. 

')  d'Artois  S.  331.  L'aper^u  verschweigt  diesen  Angriff,  doch  erwähnt 
der  Verfasser  desselben  S.  196  beiläufig,  dass  der  Oberst  Kamienski  bei  dem 
Angriff  auf  das  Thal  von  Jäschkendorf  viel  Muth  und  Eifer  gezeigt  hat. 
Nach  Campredon  haben  die  Bussen  die  Stellung  von  selbst  geräumt. 

")  AperQU  S.  192.  Bericht  Dohna's  an  den  König  vom  7.  September 
Kr.-Arch.  F.  8.  Es  waren  die  Bat.  10,  18  und  19  der  Brigade  Hindenburg  — 
Beneckendorf  und  die  Kavallerie* Abtheilung  des  Majors  von  Brünneck.  Nur 
die  Tirailleure  sind  ins  Gefecht  gekommen,  wurden  aber  vortrefflich  durch 
die  Hauptleute  Boerdanz,  Miroschewski  und  Pröck  geführt.  Der  Herzog 
spricht   in   seinem  Bericht  an  den  Kaiser  Alexander  mit  ausserordentlicher 


35S 

bedrohten  und  die  Ricbtung  auf  Dreilindeu  innehielten.  Der 
darauf  folgende  Rückzug  der  Besatzung  wurde  durch  die  nach- 
setzenden Russen  sehr  belielligt.  Der  Oberst  Kamienski  musste 
einem  neuen  Angriff  der  Russen  weichen  und  zog  sich  nach 
Langfuhr  zurück.  Der  Johannisberg  und  Jäschkenthal  blieben  in 
den  Händen  der  Russen.  Auch  Striess  wurde  vom  General 
Kulibakin  behauptet^). 

Der  Herzog  hatte,  um  die  Aufmerksamkeit  des  Feindes 
abzuziehen,  auch  nächtliche  Angriffe  auf  Schidlitz  und  Ohra  an- 
geordnet. Bei  Schidlitz  kam  es  bei  Tagesanbruch  zu  einem 
leichten  Gefecht.  Von  grösserer  Ausdehnung  war  das  von 
Ohra,  wo  der  General  Tschernisch  das  Kommando  hatte.  Wie 
am  Tage  zuvor  warfen  die  Russen  den  Gegner  aus  dem  kleinen 
Gehölz  und  dem  südlichen  Ausgang  von  Ohra,  wurden  aber  an  dem 
Abschnitt  in  der  Höhe  der  Schottenhäuser  aufgehalten  und  von 
den  anrückenden  feindlichen  Reserven  wieder  zurückgetrieben  *). 
Das  wiederholte  sich.  Doch  behauptete  sich  der  General 
Tschernisch  schliesslich  an  dem  Abschnitt,  räumte  aber  gegen 
Abend  das  Dorf  wieder,  da  sein  Zweck,  die  Aufmerksamkeit 
des  Feindes  hierher  zu  lenken,  erfüllt  war  ^).  Wie  das  Apercu 
S.  193  bemerkt,  hätte  es  zunächst  nicht  im  Interesse  der  Russen 
gelegen,  das  Dorf  Ohra  bis  zu  jenem  Abschnitt  im  Besitz  zu 


AnerkeDnung  von  den  3  Bataillonen  und  theilt  eine  Abschrift  davon  dem 
Könige  mit,  worin  er  den  Grafen  Dohna  und  Pullet  zu  Obersten  vorschlägt 
(Kriegs-Archiv  F.  8). 

*)  Nach  den  französischen  Berichten  sind  die  Russen  dreimal  in  Lang- 
fuhr  eingedrungen,  aber  stets  mit  grossen  Verlusten  zurückgeworfen  worden. 
Campredon,  Anriol  S.  132. 

-)  Nach  d'Artois  S.  234  ist  hierbei  eine  russische  Abtheiluug,  welche 
durch  die  Gärten  längs  der  Inundation  vorging,  abgeschnitten  und  grössten- 
theils  niedergemacht  worden?  Das  Tagebuch  der  Division  Heudelet  weiss 
nichts  davon.  Nach  demselben  kommandirte  an  diesem  Tage  der  Major 
Schneider  die  französischen  Vorposten,  der  General  Husson  die  Reserve.  S.  119. 

")  Preussischerseits  fochten  hier  die  Tirailleurs  der  BataiUone  No.  7 
und  16  unter  dem  Major  von  Brockhusen.  Sie  drangen  auf  die  Höhe  vor, 
die  Russen  im  Dorfe.  Die  Franzosen  räumten  die  Sternschanze,  hielten  sich 
aber  im  Hauptmannsposten.  Beim  Rückzuge  drang  der  Feind  übereilt  vor 
und  gerieth  in  ein  Kreuzfeuer,  das  ihm  erhebliche  Verluste  zuzog.  (Dohna, 
Bericht  an  den  König.) 

Köhler,  Geschichte  der  Fostangen  Danzig  und  Weicbselmünde.    II.  83 


35^  _ 

behalten,  weil  sie  dadurch  den  Gegner  veranlasst  hätten,  die 
wichtige  Hohe  an  den  Schottenhäusern  zu  befestigen,  was  ihre 
spätere  Besitznahme  sehr  erschwert  liätte.  Durch  die  täglichen 
Harzelirungen  erreichten  sie,  dass  der  Gegner  diesem  Theil 
nicht  die  Aufmerksamkeit  schenkte,  die  er  verdiente. 

Die  französischen  Bericlite  schreiben  dem  Belagerten  den 
Sieg  des  Tages  zu,  weil  er  sich  im  Besitz  von  Langfuhr  be- 
hauptete. Mit  mehr  Recht  fiel  er  den  Russen  zu,  weil  sie  ihre 
Absicht  erreicht  hatten.  Der  Verlust  war  auf  beiden  Seiten  sehr 
bedeutend.  Nach  dem  Apercu  S.  195  betrug  er  auf  seiten  der 
Russen  10  Officiere  136  Mann  todt,  32  Officiere  550  Mann  ver- 
wundet und  70  Mann  gefangen.  d'Artois  giebt  S.  234  die 
Zahl  der  gefangenen  Russen  auf  2  Officiere  180  Mann  an  und 
schätzt  den  Verlust  derselben  an  Todten  und  Verwundeten  un- 
endlich höher  als  den  eignen,  den  er  für  Ohra  auf  1  Haupt- 
mann und  5  Mann  todt,  5  Officiere  27  Mann  verwundet  und 
bei  Langfuhr  und  Pitzkendorf  auf  341  Mann  todt  und  verwundet 
angiebt*).  Nach  Blech  (2,198)  waren  es  jedoch  1000  und  das 
russische  Jurnal  giebt  sogar  1500  bis  1600  Mann  an.  Jeden- 
falls durfte  sich  der  General  Rapp  nicht  noch  einmal  solchen 
Verlusten  aussetzen.  Er  machte  daher  keinen  Versuch  mehr, 
die  Russen  vom  Johannisberg  zu  vertreiben,  und  beschränkte 
sich  auf  die  Defensive.  In  der  Nacht  zum  31.  Hess  er  auf  den 
dem  Johannisberg  gegenüberliegenden  Höhen  des  Königsthals 
Brustwehren  für  Artillerie  aufwerfen  und  am  folgenden  Tage 
Rampen  in  die  dahinter  liegende  Schlucht  herstellen^).  Am 
September.  1.  September  wurde  die  Stellung  Kabrun-Schellmühl  bis  zum 
Legan  befestigt,  um  für  den  Fall,  dass  sich  der  Gegner  des 
Dorfes  Langfuhr  bemächtigte,  die  Verbindung  mit  Neufahr- 
wasser auf  dem  linken  Weicliselufer  noch  zu  behaupten.  In 
der  folgenden  Nacht  (zum  2.)  wurde  zu  dem  Zweck  an  zwei 
Werken  zwischen  Kabrun  und  der  Weichsel  gearbeitet*). 


*)  d'Artois  234.  Nach  Düring  S.  72  betrug  der  Verlust  der  Franzosen 
gegen  500  Manu,  worunter  57  Officiere.  Das  10.  polnische  Begiment  verlor 
allein  23  Officiere.  Das  Tagebuch  der  Division  Heudelet  S.  120  sagt  inbezng 
auf  Ohra  1  Hauptmann  und  7  Mann  todt,  4  Officiere,  54  Mann  verwundet. 

')  Campredon.    Auriol  S.  133. 

')  Ebenda  S.  134.    Sie  sind  jedoch  nicht  mehr  zustande  gekommen. 


355 

Die  Einnahme  von  Langfuhr  am  2.  September; 

Der  Herzog  Alexander  bereitete  sich  mit  äusserster  Vor- 
sicht zum  Angriff  auf  Langfuhr  vor.  Er  Hess  den  Belagerten 
jede  Nacht  durch  kleinere  Detachements  beunruhigen,  so  dass 
dieser  sich  daran  gewöhnte,  am  Tage  in  der  Ruhe  nicht  gestört 
zu  werden,  der  Herzog  aber  diesmal  gerade  am  Tage  angreifen 
wollte*).  Die  Posten  auf  dem  grossen  und  kleinen  Belvedere 
des  Johannisberges  wurden  mit  einer  Brustwehr  umgeben,  als 
ob  der  Herzog  sich  fürchtete,  angegriffen  zu  werden*).  Die 
Verbindung  des  Dorfes  Langfuhr  mit  Danzig  wurde  fast  aufge- 
hoben, indem  sie  durch  Kanonen  bestrichen  wurde.  Die  Flotte 
erhielt  Befehl,  die  Westerplatte  zu  bombardiren,  um  die  Auf- 
merksamkeit des  Feindes  auf  sich  zu  ziehen.  Der  2.  September 
war  zum  Angriff  von  Langfuhr  bestimmt.  Schon  am  1.  Sep- 
tember entfalteten  sich  60  Kanonenboote  der  Westerplatte 
gegenüber,  wie  es  scheint,  um  sich  einzuschiessen^).  Am  2.  um 
9  Va  Uhr  morgens  rückten  sie  von  neuem  in  Schlachtlinie  an.  Man 
zählte  2  Korvetten  und  40  Kanonenboote.  27  andere  standen 
bereit,  die  ersteren  abzulösen*).  Der  Admiral  Greigh  hatte  in 
der  Nacht  die  einzunehmende  Linie  durch  Flaggen  bezeichnen 
lassen.  Der  auf  der  Westerplatte  stationirte  französische  Fre- 
gatten-Kapitain  Eoutheau  Hess  sie  am  Morgen  trotz  der  Nähe 
der  feindlichen  Flotte  entfernen,  was  wenigstens  bei  dreien  ge- 
langt). Um  IOV2  Uhr  wurde  das  Feuer  eröffnet.  Die  Strand- 
batterien erwiderten  es  lebhaft.  Das  ganze  Resultat  war,  dass 
ein  Pulvermagazin  der  Westerplatte  in  die  Luft  gesprengt 
wurde,  wobei  zwei  Mann  umkamen  und  mehrere  verwundet 
wurden.  Dagegen  wurden  4  Kanonenboote  beschädigt.  Nach 
mehrstündiger  Kanonade  ging  die  Flotte  zurück,  kam  aber 
nachmittags  wieder^)  und  beschoss  auch  Weichselmünde. 
Das    Feuer   wurde    3    Stunden  fortgesetzt,    doch    ohne    allen 


»)  Apercu  S.  198. 

»)  d^Artois  S.  237.    Campredon.    Düring  S.  78. 

^  Campredon. 

*)  d'Artois  S.  238. 

*)  Ebenda. 

^)  Nach  dein  Aperen  S.  206  \\m  3  Uhr,  nach  d'Artois  um  5  Uhr. 

23* 


356 


Erfolg.  Dieser  Scheinaugriff  war  noch  mit  einem  anderen 
verbunden,  den  der  General  Löwis  auf  Ohra  um  1  Uhr  mittags 
ausführen  sollte.  Der  General  Tschernisch,  welcher  die  Truppen 
führte,  warf  den  Gegner  aus  dem  kleinen  Gehölz  bei  Reiei-s- 
garten,  bemächtigte  sich  des  Dorfes  Ohra-Niederfeld  bis  zum 
Abschnitt  an  den  Schottenhäusern  und  behauptete  diese  Punkte 
auch.  Dagegen  blieben  die  Sternschanze  und  die  Hauptmanns- 
schanze im  Besitz  des  Belagerten,  der  dadurch  das  Plateau 
zwischen  den  Schottenhäusern  und  Reiersgarten  beherrschte^). 

In  seinem  Angriff  auf  Langfuhr  verstand  es  der  Herzog, 
den  Gegner  vollständig  zu  überraschen.  Nach  seiner  Disposition 
sollte  der  Angriff  in  3  Kolonnen  ausgeführt  werden. 

Die  1.  Kolonne  befehligte  der  Oberst  Fürst  Bolotuk,  ein 
Tatar,  der  jedoch  das  volle  Vertrauen  des  Herzogs  besass.  Die 
Kolonne  bestand  aus  2  Tataren-Regimentern,  200  Kosacken  und 
2  Bataillonen  Fussvolk,  Jäger  und  Linie,  welche  beim  Anmarsch 
zum  Gefechtsfelde  auf  den  Kruppen  der  Tatarenpferde  trans- 
portirt  wurden.  Sie  waren  besonders  dazu  eingeübt  worden. 
Das  Rendez-vous  der  Kolonne  war  links  der  Stellung  von  Pitz- 
kendorf  um  4  Uhr  nachmittags.  Von  hier  sollte  sie  mit 
Schnelligkeit  das  Thal  von  Diwelkau  entlang  marschiren,  an 
dessen  AusmUndung  das  Fussvolk  absitzen  lassen  und  sich  rechts 
wenden,  um  Aller  Engeln  und  die  Batterie  Montbrun,  sowie  den 
Weg  nach  Danzig  zu  beobachten  und  jeden  Versuch  eines  Vor- 
marsches gegen  Langfuhr  zu  verhindern.  Das  Jägerbataillon  sollte 
Langfuhr  von  Süden  her  angreifen,  das  Linienbataillon  zwischen 


>)  d'Artois  S.  244.  Es  wird  dies  auch  durch  spätere  Ereignisse  be- 
stätigt. Der  russische  Bericht  (aperen  S,  $?06)  ist  dagegen  nicht  genau,  wenn 
er  angiebt,  dass  die  Abschnitte  in  Ohra  und  Stadtgebiet  von  den  Russen 
genommen  und  zerstört  worden  und  die  Höhen  jenseits  von  Reiersgarten  im 
Besitz  der  Russen  geblieben  seien.  Der  Abschnitt  im  Stadtgebiet  wurde  nicht 
genommen  und  zerstört,  sondern  nur  das  Dorf  Ohra-Niederfeld,  das  keinen 
Abschnitt  hatte.  Solange  ferner  die  Sternschanze  (poste  de  TEtoile)  im  Be- 
sitz des  Belagerten  blieb,  kann  vom  Besitz  der  Höhen  jenseits  Reiersgarten 
nur  in  beschränktem  Masse  die  Rede  sein,  denn  diese  Schanze,  welche  den 
Russen  später  noch  viel  zu  schaifen  gemacht  hat,  lag  mitten  auf  diesen 
Höhen.    Vgl.  auch  den  Bericht  des  Tagebuchs  der  Div.  Hendelet  S.  121. 


357 


Eönigsthal  und  Langfuhr  Stellung  nehmen,  um  das  Jägerbataillon 
nötliigenfalls  zu  unterstützen^). 

Die  2.  Kolonne  wurde  vom  General  Kulibakin  kommandirt 
und  bestand  aus  6  Bataillonen,  einigen  Kosacken  und  4  Hau- 
bitzen. Sie  liatte  ihren  Sammelplatz  in  Brentau  und  sollte  von 
Jäschkenthal  aus  um  5  Uhr  Langfuhr  angreifen.  Sie  hatte 
durch  je  ein  Bataillon  mit  der  1.  und  3.  Kolonne  Fühlung  zu 
nehmen. 

Die  3.  Kolonne  kommandirte  der  Oberst  Turtschaminow. 
Sie  sollte  um  4  Uhr  vorwärts  Polanken  stehen  und  Neu-Schott- 
land  und  Schellmühl  nehmen.  Die  Kolonne  bestand  aus  einem 
Regiment  Kosacken,  4  Eskadrons  Ulanen,  2  Eskadrons  Dra- 
gonern, 5  Bataillonen  Fussvolk  und  8  reitenden  Geschützen.  Nach 
der  Einnahme  von  Neu -Schottland  sollte  der  Oberst  200  Ko- 
sacken, 4  Eskadrons,  eiu  Jägerbataillon  und  4  Geschütze  gegen 
Schellmühl  und  Kabruu  schicken,  um  den  Feind  abzuhalten, 
Verstärkungen  nach  Langfuhr  zu  senden.  Der  übrige  Theil  der 
Kolonne  sollte  links  von  Neu-Schottland  Stellung  nehmen,  um 
den  Gegner,  der  etwa  von  Danzig  gegen  Langfuhr  vorrücken 
sollte,  anzugreifen. 

Der  Oberst  Treskin  sollte  von  Pitzkendorf  zwei  Bataillone 
gegen  Zigankendorf  vorsenden,  die  hier  bis  zur  Nacht  bleiben 
sollten.  Dem  Detachement  waren  200  Kosacken  beigegeben. 
Mit  dem  Rest  seiner  Truppen  sollte  der  Oberst  bei  Dreilinden 
eine  Aufnahmestellung  nehmen. 

Der  Oberst  Peyker,  der  vorwärts  Wonneberg  stand,  sollte 
gegen  Schidlitz  und  Stolzenberg  demonstriren,  sobald  Langfuhr 
angegriffen  würde. 

Der  Oberst  Petersen  sollte  mit  seinem  bei  Brösen  stehen- 
den Detachement  das  Retranchement  von  Neufahrwasser  be- 
obachten und  mit  dem  Oberst  Turtschaminow  Verbindung  halten. 

Die  bei  Polanken  lagernde  Reserve  sollte  sich  vorwärts 
des  Waldes  von  Mühlhof  aufstellen,  um  erforderlichenfalls  den 
Angriff  auf  Langfuhr  und  Neu-Schottland  zu  unterstützen. 

800  Milizen  mit  Spaten  und  Beilen   sollten  bei  Brentau 


»)  L'aper$u  S.  201. 


358 


stehen,  um  nach  Besitznahme  von  Langfuhr  das  Dorf  zu  ver- 
schanzen ^). 

Die  Disposition  wurde  auf  allen  Punkten  mit  grösster 
Präcision  ausgeführt*).  Der  Oberst  Turtschaminow  hatte  von 
Klein-Hammer  aus  ein  Bataillon  gegen  Langfuhr  abgezweigt, 
das  gleichzeitig  mit  der  2.  Kolonne  eintraf,  so  dass  das  Dorf 
von  allen  Seiten  —  von  Süden  durch  die  1.  Kolonne  —  um- 
geben war.  Die  Besatzung  desselben  war  vollkommen  über- 
rascht worden  und  wurde,  insoweit  sie  sich  nicht  in  die  beiden 
Blockhäuser  rettete,   niedergemacht  oder  gefangen  genommen. 

Der  Oberst  Turtschaminow  warf  den  Feind  auf  Neu- 
Schottland  und  sendete  das  bezeichnete  Detachement  nach 
Schellmühl,  welches  sich  des  Orts  bemächtigte  und  ihn  in  Brand 
steckte.  Der  Versuch,  sich  auch  des  Hauses  Kabrun  zu  be- 
mächtigen, das  wie  Langfuhr  von  Baiern  und  Westfalen  besetzt 
war,  schlug  jedoch  fehl,  da  die  Redute  mit  2  Geschützen  aus- 
gerüstet war.  Der  Oberst  hatte  inzwischen  vorwärts  Neu- 
Schottland  Stellung  genommen*). 

Die  Besatzung  der  beiden  Blockhäuser  in  Langfuhr  ver- 
theidigte  sich  mit  ausserordentlicher  Tapferkeit. 

Der  General  Rapp  befand  sich  beim  Diner,  als  der  Ba- 
taillonschef Czembek  die  Nachricht  brachte,  dass  zahlreiche 
feindliche  Reiterei  ein  Hurrah  auf  Aller  Engeln  mache*).  Er 
Hess  sogleich  Generalmarsch  schlagen  und  begab  sich  hinaus. 
Nachdem  die  Truppen  vor  dem  Olivaer  Thor  angekommen  waren, 


*)  Ebenda  S.  206.  Nach  dem  Bericht  Dohua's  an  den  König  vom  7.  Sep- 
tember befanden  sich  darunter  auch  400  Mann  preussischer  Landwehr  unter 
dem  Hauptmann  v.  Grävenitz  vom  Bataillon  Nr.  10. 

*)  Der  Hauptmann  v.  Düring  sagt  S.  79  darüber:  Gegen  4  Uhr  Nach- 
mittags überfiel  der  Feind  förmlich  die  Posten  Striess,  Langfuhr,  Neu-Schott- 
land  und  Schellmühl.  Selten  wohl  wurde  ein  so  ausgedehnter  Ueberfall  mit 
mehr  Genauigkeit  ausgeführt.  Alle  genannten  Posten  wurden  zu  gleicher 
Zeit  angegriffen  und  zurückgeworfen.    L'aper(;u  S.  214. 

^)  In  dem  Bericht  des  Herzogs  an  den  Kaiser  heisst  es:  Das  preussische 
Bataillon  v.  Spiess  (Nr.  15),  welches  dem  Oberst  Turtschaminow  zugetheilt 
war,  hat  sich  sehr  ausgezeichnet.  (Kriegs-Arch.  F.  8.)  Das  Bataillon  befand 
sich  seit  dem  19.  August  in  Oliva  (Tagebuch  F.  9). 

*)  Es  ist  der  Ausdruck  Campredon's,  der  sich  bei  dem  Diner  befand, 
Auriol  S.  135. 


359 


formirte  er  zwei  Kolonneu  und  schickte  die  eine  nach  Schell- 
niühl,  die  andere  gegen  Langfuhr.  Die  Russen  wurden  aus 
Schellmfthl  vertrieben  und  das  Feuer  gelöscht^).  Der  Angriff 
auf  Langfulir  gelang  jedoch  nicht.  Nur  die  Spitze,  es  waren 
Neapolitaner,  gelangte  bis  zum  Dorf,  der  Rest  der  Kolonne 
wurde  von  der  russischen  Reiterei  zurückgeworfen.  Die  Be- 
satzung der  Blockhäuser  machte  bei  der  Ankunft  der  Neapoli- 
taner einen  Ausfall,  und  beide  gemeinsam  drängten  die  Gegner 
ins  Dorf  zurück.  Doch  erhielten  diese  bald  Verstärkungen. 
Die  Neapolitaner  wurden  abgesciniitten  und,  soweit  sie  sich 
nicht  in  die  Blockhäuser  retteten,  grösstentheils  niedergehauen  ^). 
Da  die  Nacht  eingetreten  Avar  und  der  General  Grandjean  die 
Metdung  machte,  dass  die  Blockhäuser  sich  im  Besitz  des 
Feindes  befänden,  wurde  der  Angriff  nicht  wiederholt.  Der 
(Teneral  zog  die  Geschütze  aus  Kabrun  und  Aller  Engeln  zurück, 
weil  sie  zu  ausgesetzt  schienen,  und  entliess  die  Truppen  in  ihre 
Quartiere.  Schellmühl,  das  Haus  und  die  Redute  Kabrun, 
Aller  Engeln  und  die  Batterie  Montbrun  blieben  in  den  Händen 
des  Vertheidigers.  Aber  der  Bau  der  beiden  angefangenen 
Schanzen  zwischen  Kabrun  und  der  Weichsel  musste  unter 
diesen  Umständen  unterbleiben. 

Die  Besatzung  der  beiden  Blockhäuser  in  Langfuhr  sah 
sich  daher  auf  sich  angewiesen,  hielt  sich  aber  wacker.  Der 
Major  Bauer,  welcher  sich  zufällig  nach  Langfuhr  begeben, 
hatte  sich  beim  Anmarsch  der  Russen  nur  mit  Mühe  in  das 
östliche  Blockhaus  gerettet,  wo  der  baierische  Hauptmann 
Fahrbek  kommandirte.  Die  Russen  hatten  bei  ihrer  Ankunft 
die  Blockhäuser  von  allen  Seiten  umgeben,  konnten  aber  bei 
aller  Anstrengung  nichts  ausrichten.  Auch  ihre  Versuche,  die 
Palisadining  durch  Pechkränze  anzustecken,  gelang  nicht.  Sie 
mussten  es  mit  ihrem  Leben  bezahlen.  Der  Major  Bauer  stellt 
ihnen  das  glänzendste  Zeugniss  ihrer  Tapferkeit  aus.  Sie  steckten 
darauf  die  zunächst  gelegenen  Häuser  an,  aber  der  Wind  war 


*)  Campredon,  Auriol  S.  137.  Der  Verfasser  des  Apercu  behauptet,  dass 
die  Russen  bei  einbrechender  Nacht  nach  Neu-Schottland  zurückgegangen 
wären  und  ein  Piket  zurückgelassen  hätten.  Schellmühl  blieb  jedoch  im  Be- 
sitz der  Franzosen. 

«)  d'Artois  S.  243. 


360 


ihnen  nicht  günstig.  Doch  fasste  das  Dach  Feuer  und  wurde 
nur  mit  grosser  Anstrengung  gelöscht,  da  kein  Wasser  vorhan- 
den war.  In  der  folgenden  Nacht  hielten  sich  die  Russen 
ruhig,  aber  am  andern  Morgen  brachten  sie  Geschütze  vor,  zu- 
erst gegen  das  westliche  Blockhaus.  Der  westfälische  Lieute- 
nant Tettenborn,  der  hier  kommandirte,  sah  die  Unmöglichkeit 
ein,  sich  länger  zu  halten,  —  gleich  die  erste  Granate  zündete 
—  er  schickte  einen  Hornisten  hinaus,  um  die  Kapitulation  an- 
zubieten, die  auch  angenommen  wurde.  Als  die  Besatzung  aber 
ohne  Waffen  heraustrat,  schössen  die  Russen  auf  sie.  Ein 
Tlieil  lief  davon  und  entkam.  Der  Rest  wurde  aufs  schreck- 
lichste behandelt,  namentlich  die  Offleiere.  Darauf  wurde  auch 
das  östliche  Blockhaus  beschossen.  Es  blieb  nichts  iibrig,  als 
dasselbe  zu  räumen^).  Die  Besatzung  suchte  sich  nach  dem 
Hause  Kabrun  durchzuschlagen,  wurde  aber  von  feindlichen 
Dragonern  angefallen  und  grösstentheils  niedergesäbelt.  Nur 
ein  Theil  der  Braven  rettete  sich  dahin,  wobei  sie  anfänglich 
für  Feinde  gehalten  und  beschossen  wurden.  Unter  ihnen  be- 
fand sich  der  Major  Bauer.  Der  General  Rapp  bereitete  den 
Entkommenen  eine  glänzende  Aufnahme^). 


*)  Die  Angabe  d'Artois'  S.  247,  dass  hierbei  der  Adjutant  Rapp's  Mar- 
nier  mit  einigen  Mann  thätig  gewesen  sei,  findet  in  den  Mittheilungen  des 
Majors  Bauer  keine  Bestätigung.  Auch  Canipredon  erwähnt  nichts  davon. 
Dagegen  giebt  Auriol  den  Bericht  Marnier's. 

^)  Ich  kann  es  mir  nicht  versagen,  den  Bericht  des  Mt^ors  Bauer  aas 
seinem  Tagebuche  (Plüuiicke  S.  193 ff.),  der  noch  zahlreiche  Details  enthält, 
hier  folgen  zu  lassen:  „Den  2.  September  gegen  4  Uhr  nachmittags  wurden 
die  Dörfer  Striess  und  Laugfuhr,  nach  erfolgter  Ablösung  der  Polen,  mit  einer 
solchen  SchneUigkeit  und  Uebermacht  überfallen,  dass  die  bairische  und  west- 
fälische Besatzung  dieser  Dörfer  sich  in  die  beiden  Blockhäuser  werfen 
musste.  Ich  befand  mich  in  dem  Augenblick  mit  mehreren  Ofiicieren  an  den 
äusserst^n  Vorposten  von  Striess,  um  mich  zu  überzeugen,  ob  die  Meldungen 
von  dem  Unterofficier  in  Striess  begründet  seien,  dass  sich  russische  Cavallerie 
nach  Neu-Schottland  zu  sehen  Hesse.  Mit  der  grüssten  Anstrengung  erreichte 
ich  aber  kaum  die  Blockhäuser  wieder  und  kam  mit  den  Russen  fast  zu- 
gleich dort  an.  Ich  flüchtete  in  das  am  Eingänge  links  stehende,  wo  Capt. 
Fahrbeck  von  den  Baiern  das  Commando  hatte.  Kaum  hatteu  wir  die  Thüreu 
verrammelt,  so  waren  auch  die  Bussen  schon  an  den  Palisaden,  um  solche 
auszubrechen  und  zu  ersteigen.  Nie  hatte  ich  eine  Truppe  mit  mehrerer 
ßravour  und  Ausdauer  fechten  sehen.    Ihr  Verlust  war  sehr  gross  und  vey- 


361 


Auch  der  französische  Posten  in  Heubude  auf  der  Nehrung 


mehrte  sich  von  Miuute  za  Miuate,  indem  wir  beinahe  mit  dem  Bajonett 
dnrch  die  Sehiessscbarten  sie  au  den  Palisaden  erreichen  konnten,  und  also 
auch  kein  Schusa  verloren  ging.  Demuugeachtet  yersnchten  sie  es  auf  den 
Leichnamen  ihrer  Kameraden  die  Palisaden  zu  erstürmen.  Mittlerweile  hatte 
die  Danziger  Garnison  eineu  Ausfall  gemacht.  Ein  neapolitanisches  Eegiment 
kam  auch  bis  zu  den  Blockhäusern;  wir  machten  einen  Ausfall  und,  vereint 
mit  ihnen,  drängten  wir  die  Bussen  im  Dorfe  zurück,  wurden  aber  durch 
neuankomniende  aufs  neue  von  der  Festung  abgeschnitten  und  mussten  uns 
wieder  in  die  Blockhäuser  werfen.  Hier  machte  der  Feind  mehrere  Gefangene, 
besonders  Neapolitaner,  die  zuweit  vorgegangen  waren  und  sich  mit  dem  Re- 
giment nicht  wieder  vereinigen  konnten.  Die  neu  Angekommenen  versuchten 
es  aufs  neue,  die  Palisaden  zu  ersteigen,  mussten  aber  ebenfalls  mit  be- 
deutendem Verlust  davon  abstehen.  Das  kreuzende  Feuer  dieser  beiden 
Häuser  kostete  dem  Feinde  viel  Leute ;  die  ganze  Strasse  war  damit  bedeckt, 
besonders  aber  vor  den  Palisaden.  So  kam  unter  beständigem  Feuer  der  Abend 
heran  und  mit  ihm  einige  Kühe.  Meine  Leute  hatten  so  scbuell  gefeuert,  dass 
sie  das  Gewehr  nicht  mehr  laden  konnten  und  erst  abkühlen  mussten.  Die 
Garnison  hatte  nochmals  einen  Ausfall  gemacht,  ward  aber  wiederum  von  den 
Russen  zurückgedrängt,  und  somit  auch  uns  alle  Hoffnung  eines  Entsatzes 
benommen.  Da  die  Bussen  endlich  sahen,  dass  sie  auf  diese  Art  nicht  Herr 
der  Blockhäuser  würden,  zündeten  sie  die  benachbarten  Häuser  an  und 
brannten  einen  grossen  Theil  des  Dorfes  Langfuhr  ab.  Zu  imserm  Glück 
webte  der  Wind  entgegengesetzt,  und  unserer  Aufmerksamkeit  hatten  wir  es 
zu  verdanken,  dass  wir  nicht  mitverbrannten.  An  jedem  Fenster  und  auf 
dem  Boden  hatten  wir  Soldaten  aufgestellt,  die  au  den  abgebrannten  Stellen 
mit  dem  Seitengewehr  abkratzen  mussten,  und  hierdurch  bloss  retteten  wir 
das  schon  an  mehreren  Stelleu  angebrannte  Haus.  Die  Hitze  im  Hause  selbst 
war  durch  den  Brand  der  benachbarten  Häuser  so  gross,  dass  ich  die  Be- 
serve-Patronen  aus  den  Stuben  auf  den  Gang  setzen  lassen  umsste.  Mehnuals 
nahte  sich  der  Feind  mit  Pechkränzen,  um  sie  aufs  Haus  oder  an  die  Pali- 
saden zu  werfen,  musste  aber  jedesmal  seine  Kühnheit  mit  dem  Leben  be- 
zahlen. Den  übrigen  Theil  der  Nacht  war  es  ziemlich  ruhig,  und  meine  Leute 
konnten  sich  etwas  ausruhen,  litten  aber  aufs  schrecklichste  in  dieser  Hitze 
an  Durst.  Ich  hatte  mehrere  Verwundete.  Die  Bohlen,  womit  die  Fenster 
zugeschlagen  waren,  waren  so  düime,  dass  jede  Kugel  durchschlug.  Mit  dem 
Tage,  wo  wir  vergeblich  auf  Succurs  aus  der  Stadt  hofften,  wurde  unsere 
Lage  noch  schrecklicher,  denn  wir  wurden  mit  Artillerie  beschossen.  An  das 
nns  gegenüberliegende  Haus  kam  die  Beihe  zuerst,  und  nachdem  mehrere 
Kugeln  durch  dasselbe  geschlagen  waren,  schickte  der  Lieutenant  v.  Tetten- 
born  von  den  Westphäiingem  einen  Hornisten  heraus,  um  zu  capituliren. 
Die  (Kapitulation  wurde  ihm  zugesichert,  wenn  sie  die  Gewehre  im  Hause 
Hessen.  Kaum  waren  sie  aber  ohne  Gewehre  aus  dem  Hause,  als  der  Feind 
f^nch  von  allen  Seiten  Feuer  auf  sie  gab.    Ein  Theil  davon  lief  der  Festung 


362 


wurde  in  der  Nacht  zum  3.  vom  Bataillon  No.  17  (Oelrichs)  au- 


zu  und  rettete  sich ;  die  übrigen  wurden  theiis  niedergemacht,  tbeils  gefangen. 
Die  Lieutenants  von  Tetteuborn  und  Otto,  ingleichen  ein  aide-Major  Stöpler 
von  den  Westpfalen,  wurden  als  Gefangene  aufs  schrecklichste  misshaudelt. 
Dies  alles  geschah  unter  unsem  Augen,  ohne  die  geringste  Hilfe  leisten  zu 
können;  und  kaum  war  es  geschehen,  als  auch  wir  beschossen  wurden.  Sieben 
Kanonenkugeln  und  3  Haubitzen  (Granaten),  die  durch  unser  Haus  flogen, 
richteten  eine  gi'osse  Verwüstung  in  den  vollgepfropften  Stuben  an  Ich  be- 
fand mich  auf  der  obem  Etage  und  Oapit.  Fahrbeck  in  der  untersten.  Jetzt 
kam  ein  Sergeant  von  meinen  Voltigeuren  und  meldete  mir,  dass  schon  durch  die 
erste  Haubitze  das  Haus  in  Brand  gesteckt  sei  und  das  ganze  Dach  schon 
brenne.  Ich  überzeugte  mich  selbst  davon,  und  da  ich  es  wirklich  so  fand, 
beratschlagt«  ich  mit  dem  Oapitain,  dass  wir  versuchen  wollten,  uns  durch- 
zuschlagen, indem  doch  an  keine  Rettung  weiter  zu  denken  war.  Das  aber 
wurde  uns  sehr  schwer  gemacht.  Die  Thttr  in  den  Palisaden  war  so  schmal,  dass 
nur  ein  Mann  durch  konnte;  auch  selbst  die  vielen  Todteu  vor  dem  Hause 
hinderten  unser  Herauskommen.  Wir  hatten  ungefähr  600  Schritt  bis  zu 
einer  unserer  Verschanzungen  (Haus  Kabrun),  die  ebenfalls  von  Baiem  und 
Westpfalen  besetzt  waren.  Kaum  aber  waren  wir  aus  dem  Hanse,  als  wir 
auch  schon  von  allen  Seiten  beschossen  wurden.  Die  russischen  Dragoner, 
die  hinter  den  Häusern  versteckt  gestanden  hatten,  waren  in  einem  Augen- 
blick zwischen  uns  und  hauten  einen  Theil  von  uns  nieder.  Die  Besatzung 
der  Verschanzung,  sowie  die  Artillerie  auf  den  Wällen,  die  in  der  Meinung 
standen,  dass  die  Russen  einen  Sturm  auf  die  Verschanznngen  machen  wollten, 
feuerten  fleissig  unter  uns  und  tödteten  so  Freund  als  Feind  —  bis  endlich 
ein  Grenadier  von  meinem  Regiment  mich  erkannte  und  den  komraaudirenden 
Capitain  v.  Stirnberg  darauf  aufmerksam  machte,  wo  denn  dieser  das  Feuer 
der  Schanze  einstellen  liess.  So  kam  ich  glücklich,  nachdem  ich  von  allen 
Seiten  mit  grossem  und  kleinem  Geschütz  von  Freund  und  Feind  beschossen 
worden  war,  ohne  die  kleinste  Blessur,  nur  ganz  entkräftet  und  ermattet,  bei 
der  Verschanzung  an.  Diese  beiden  Tage  hatten  dem  Rogiinent  4  gefangene 
und  3  blessirte  Offiziere,  76  Unteroffiziere  und  Geraeine,  theils  todt,  theils  bles- 
sirt,  theils  gefangen,  gekostet.  Sechs  Blessirte  brachte  ich  noch  mit.  Der  An- 
blick war  der  schrecklichste  für  mich,  die  armen  Blessirten  im  Blockhause, 
die  so  treu  mit  uns  ausgehalten  hatten^  in  den  Flammen  zurücklassen  zn 
müssen. 

Dass  General  Rapp  uns  ganz  unserm  Schicksal  überlassen  hatte,  lag 
daran,  dass  der  Divisions- General  Granc^ean  ihm  die  Meldung  gemacht  hatte, 
die  Blockhäuser  wären  abgebrannt  und  die  Besatzung  darin  von  den  Russen 
niedergemacht.  Man  hatte  allgemein  geglaubt,  dass  bei  dem  grossen  Brande 
auch  diese  beiden  Häuser  mit  niedergebrannt  und  die  Recognaissance,  die  man 
geschickt  hatte,  hatte  die  Russen,  die  todt  vor  den  Häusern  lagen,  für 
Baiem  und  Westpfalen  gehalten,  weil  sie  die  nämlichen  Mäntel  hatten,  wie  wir. 
Um  in  etwas  dies  wieder  gut  zu  machen,  befahl  er  mir,  alle  blessirten  Baiern 


363 
gegriflfen.    Der  Hauptmann  Carre,  der  hier  konamandirte,  wusste 


und  Westpfalcn  iu  seiu  Haus  zu  schicken.  Er  üess  das  Gartenhaus  hinter 
dem  Guyerueineutsgebäude  (der  General  Kapp  wohnte  iu  dem  heutigen  Gu- 
vernementsgebäude  in  Langgarten.  Anm.  d.  Vf.)  für  sie  zurecht  machen,  gab 
ihnen  alle  ärztliche  Hilfe  und  Pflege,  die  nur  möglich  war,  und  behielt  sie 
so  lauge  dort  bis  sie  wieder  in  ihre  Compagnien  eintreten  konnten.  Er  ver- 
sicherte mir  mehrmals,  das.s  ich  dies  als  einen  kleinen  Beweis  ansehen  möchte, 
wie  gern  er  das  wieder  gut  machen  wollte,  was  ohne  seinen  Fehler  geschehen 
sei.  Die  ganze  gesunde  Besatzung  der  beiden  Blockhäuser  wurde  vom  Com- 
mandanten  und  von  mehreren  Obersten  der  Festung  zum  Essen  geladen. '^ 
Ausführlicher  noch  ist  das  Schreiben  des  Majors  Bauer  an  seinen  Bruder  vom 
4.  September  (Beiheft  z.  M.-W.  1887  S.  126). 

Der  General  Campredon  beschreibt  das  Gefecht  vom  2.  September  sehr 
anschaulich  vom  französischen  Standpunkte ,  so  dass  ich  dessen  Bericht,  da  er 
auch  speciell  auf  das  Verhalten  der  Besatzung  in  den  Blockhäusern  eingeht 
(Auriol  S.  135),  hier  folgeu  lasse:  ,,J'etais  ä  diuer  chez  le  Gouverneur  quand 
le  chef  de  bataillon  Szembeck  vint  annoncer  la  nouvelie  que  Tennemi  faisait 
un  hourra  consid^rable  de  ca Valerie  vers  Aller-Engeln  sur  les  all6es  d'Oliva. 
Vers  ö  henres  du  soir,  Tennemi  se  porte  par  un  mouvememt  tr^  rapide  k 
Tentr^e  de  Langfuhr,  k  la  gorge  de  Touvrage  de  Kabrun  et  Scheilmühl.  Une 
ttombreuse  cavalerie  couvre  la  piaine  et  conronne  les  hauteurs  en  avant  du 
camp  retrauche  du  Zigankenberg  et  s'avance  jusqu'au  pied  de  notre  batterie 
ä  gauche  de  Tallte.  Bientöt  Tattaque  devient  g6n6rale  et  on  fait  uu  feu 
tres  vif  sur  tonte  la  ligne  depuis  Scheilmühl  jusqu'ä  Ohra.  L'artillerie,  placke 
dans  Touvrage  de  Kabrun,  Tempecha  d'etre  pris.  L'ennemi,  apr^s  avoir  atta- 
qne  en  vein  les  raaisons  cr^nel^cs  de  Laugfuhr,  mit  le  feu  aux  maisons  les 
plus  voisines,  esp6rant  quMl  se  communiquerait  ä  ces  demieres,  mais  ces  braves 
troupes  qui  y  6taient  reuferm^es  tinrent  ferme  quoique  la  chaleur  y  füt  ex- 
cessive  et  que  le  feu  eüt  d^jä  pris  k  la  toiture.  Quelques  instans  apr^s,  le 
feu  se  manifeste  egalement  ä  Scheilmühl,  au  Zigankenberg  et  ä  la  tete  du 
village  d'Ohra.  Des  que  nos  troupes  furent  r6unies,  on  forma  deux  colonnes, 
dont  Tune  se  porta  sur  Scheilmühl  et  Tautre  sur  Langfuhr.  La  premiere 
reprit  Scheilmühl,  6teignit  Tincendie  et  fit  main  basse  sur  400  incendiaires. 
La  seconde,  dirig^e  sur  Langfuhr,  ne  put  commencer  son  mouvement  que 
lorsque  le  jour  §tait  sur  son  d^clin,  et  trouva  des  forces  si  consid6rables 
taut  dans  la  vallee  de  Köuigsthai  qu'ä  la  tete  de  Neu-Schottland ,  qu'elle  ne 
put  s'avaucer  jusqu'aux  maisons  cr^nelees  pour  d^gager  les  troupes  qui  y 
^toient  renferm^es.  Dans  cette  attaque,  un  d§tachement  de  Napolitaius,  qui 
6tait  parvenu  jusqu'aux  portes  des  maisons  crenel^es,  fut  coup6  par  une 
Charge  de  cavalerie,  de  la  coloune  dont  il  faisait  partie,  et  n'eut  d'autres 
moyens  pour  se  sauver  que  de  s'enfertner  avec  les  troupes  qu'il  venait  d61ivrer. 
Plnsienrs  rapports  assuraut  que  les  maisons  cr^nel^es  ne  tiraient  plus  et  que 
la  gamison  en  avait  ^t^  massacree,  on  ne  fit  pas  de  nouvelles  tentatives  et 
les  troupes  se  tinrent  toute  la  nuit  sous  les  armes  en  ^vant  de  TAUer-Engel, 


364 


sich  jedoch  den  sehr  überlegenen  Kräften  des  Feindes  zu  ent- 
ziehen *)  und  gelangte  glücklich  nach  dem  Huhn^). 

Die  Demonstrationen  des  Obersten  Peyker  von  Wonneberg 
aus  gegen  Schidlitz  und  Stoltenberg  wurden  nach  anfänglichem 
Erfolge  von  den  Kanonen  des  Bischofsberges  zurückgewiesen. 
Der  Oberst  setzte  seine  Angriffe  jedoch  in  der  folgenden  Nacht 
fort  und  beschoss  die  Stadt  mit  Congrevischen  Raketen^). 

Zigankendorf  wurde,  nachdem  es  um  10  Uhr  abends  von 
den  Küssen  geräumt  war,   wieder  von   den   Franzosen  besetzt. 


afiii  d'etre  a  portee  de  seconrir  l'ouvraj^e  de  Kabrun,  eii  cas  d'une  nouveUe 
attaqiic  ....  Le  leiidemiu  vers  8  heiires  du  luatiu,  ou  tut  tres  etonnc  de 
vüir  reveuir  les  Bavarais,  les  Westphalieiis  et  les  Napolitaiiis  reufermes  daus 
les  niaiduns  creneles.  (-es  braves  avaieut  defendu  leurs  postes  tant  qui'Is 
avaicut  eu  des  munitions  et  etaient  parveun  a  faire  leur  retraite  cn  se  fai- 
saut  jour  i\  la  baionuette,  apres  avoir  perdu  le  tiers  de  leur  moude."' 

Nach  d'Artüis  S.  244  ist  bei  Aller  Engeln  nur  eine  Reserve  zurückge- 
blieben ..puur  soutenir  Kabnm  dont  ou  jug:ea  conveuable,  vu  la  proximit6  de 
rennenn,  de  retirer  rartillerie.''  Von  letzterem  erwähnt  Tampredou  nichts. 
Auch  bei  Aller  Engeln  fand  dies  statt,  jedoch  nur  während  der  Nacht. 

Die  Abweichung  des  französischen  von  dem  russischen  Bericht  inbetreff 
Schellniührs  ist  sehr  auffallend.  Ich  gebe  dem  französischen  den  Vorzug,  da 
SchellniiUil  bis  zum  17.  im  Besitz  der  Franzosen  blieb  und  Kapp  einen  grossen 
Werth  auf  seine  Behauptung  legte,  um  die  Verbindung  mit  Weichselmünde 
auf  dem  linken  Weichsel uf er  zu  sichern,  die  auf  dem  rechten  Ufer  sehr  unbequem 
war.  Auch  wird  in  dem  ofliziellen  Bericht  Rapp's  (d'Artois  Ö.  249)  der  Haupt- 
mann Ostrowski,  Kommandeur  der  polnischen  reitenden  Batterie,  besonders  aus- 
gezeichnet, dessen  Verhalten  wesentlich  dazu  beitrug,  den  Rückzug  der  Russen 
aus  Schellmühl  zu  bewirken.  Ferner  sagt  das  Aper<,'u  S.  240,  dass  SchellmUhl 
am  17.  von  dem  General  Turtschaminow  den  Franzosen  abgenommen  worden 
sei.  Die  Zuverlässigkeit  des  Apercu  wird  dadurch,  sowie  durch  die  irrigen 
Angaben  über  Ohra  an  demselben  Tage,  nicht  wenig  beeinträchtigt. 

^)  Campredon,  Auriol  S.  130.  d'Artois  S.  255.  Tagebuch  des  Bataillons 
No.  17  und  des  Majors  von  Hake.     Kriegsarchiv. 

'^)  von  Düring  S.  83.  Es  erbcheint  das  sehr  wahrscheinlich,  da  die 
Weichsel  bereits  sehr  hoch  ging,  doch  sprechen  die  französischen  Berichter- 
statter (d'Artois  S.  256  und  Campredon  S.  140)  nur  von  den  Schwierigkeiten, 
welche  der  Uebergang  über  die  AVeichsel  auf  der  Fähre  bot.  Es  wurde  in- 
folgedessen ein  Brückenkopf  am  Ganskrug  geplant,  aber  die  Ueberschwem- 
roung,  welche  einige  Tage  darauf  stattfand,  verhinderte  seine  Ausfühnmg. 
Es  ist  auffallend,  dass  man  nicht  vorher  daran  gedacht  hattQ. 

«)  Apercu  S.  221. 


365 


Es  hatte  hier  den  ganzen  Tag  über  ein  lebhaftes  Gewehrfeuer 
mit  den  Lunetten  vor  dem  Zigankenberge  geherrscht. 

Ein  Ausfall  der  Besatzung  von  Neufahrwasser  gegen  Schell- 
inuhl  wurde  vom  Obersten  Petersen  zurückgewiesen  ^). 

Der  Belagerte  liob  noch  in  der  Nacht  zum  3.  auf  der  Allee 
bei  Aller  Engeln  einen  Abschnitt  (Kupi'ire)  aus,  der  mit  einigen 
Geschützen  besetzt  wurde  und  später  die  Batterie  Fischer  hiess. 
Die  Batterie  Montbrun  hatte  während  des  Gefechts  lebhaft  ge- 
feuert. 

Von  Seiten  der  Russen  wurden  in  der  Nacht  zum  3.  bei 
Neu-Schottland  zwei  Reduten  (c'"  und  d'")  erbaut  und  durch  einen 
Laufgraben  verbunden,  auch  zwei  Batterien  e'",  f "  abgesteckt. 
Zugleich  wurde  Langfuhr  verbarrikadirt  und  ein  Laufgraben  von 
hier  nach  Neu-Schottland  ausgehoben.  Die  Arbeit  war-  trotz 
eines  lebhaften  Feuers  vom  Holm  und  der  Batterie  Montbrun  so 
gefördert  worden,  dass  sie  am  andern  Morgen  Deckung  gewährte^). 

Die  Russen  verloren  am  2.  September  alles  in  allem  ge- 
rechnet 6  Officiere.  102  Mann  todt  und  9  Officiere,  388  Mann 
verwundet.  Sie  nahmen  in  Langfuhr  allein  9  Officiere,  250  Mann 
gefangen,  ohne  die  in  Ohra  zu  rechnen  ^).  Der  Verlust  der 
Franzosen  wird  von  d'Artois*)  2  Officiere,  80  Mann  todt,  102 


*)  Ebenda  S.  213.  Der  Oberst  Petersen  hatte  sich,  um  die  Bewegung 
des  Obersten  Tnrtscbaminow  nach  Nen-Schottland  zu  beg^ünstigen ,  mit  dem 
prenssischen  LandwehrbataiUon ,  einigen  Kosacken  nnd  2  Geschützen  nach 
Lanenthal  begeben.  Der  Rest  seines  Detachement^  blieb  bei  Brösen  zor  Be- 
obachtung des  Retranchements  zurück.  Das  preussische  LandwehrbataiUon  war 
wahrscheinlich  das  von  Hülsen  (Nr.  9),  welches  am  1.  September  mit  Tagesan- 
bruch nach  Koliebken  abmarschirt  war. 

*)  Ebenda  S.  221.  Tagebuch  des  OberstUentenants  v.  Pullet.  Kriegs- 
Archiv  F.  9.  Hiemach  führte  der  General  v.  Borosdin  das  Kommando  der 
ganzen  Expedition,  und  Pullet  war  ihm  dabei  attachirt.  Inbezng  auf  die 
ausgeführten  Arbeiten  fügt  Pullet  noch  hinzu,  dass  der  Schrötter^sche  Garten 
und  Klein-Hammer  zur  Postenvertheidigung  eingerichtet  und  eine  zweite 
Tranchee- Verbindung  von  Kloinhammer  nach  Langfuhr  geführt  wurde.  Auch 
wurden  die  beiden  Blockhäuser  am  Eingange  von  Langfuhr  wieder  verthei- 
digungsfähig  hergestellt.  In  Langfuhr  wurden  dreifache  Kupüren  quer  durch 
die  Strasse  gelegt. 

*)  Ebenda  S.  214. 

*)  d'Artois  S.  248.  d'Artois  muss  über  diese  Angaben  selbst  beschämt 
gewesen  sein,  denn  er  giebt  sie  nicht  im  Text,  sondern  in  einer  Note. 


366 


verwundet  und  50  Mann  (?)  gefangen,  angegeben.    Von  anderer 
Seite  wird  er  auf  1000  Mann  geschätzt^). 

Die  Obersten  Turtschaminow,  Fürst  Bolotuk  und  Treskin, 
welclie  sich  ausgezeichnet  hatten,  avancirten  einige  Zeit  darauf 
zu  Generalen.  Besondere  hervorgehoben  werden  die  Leistungen 
der  Generale  Borozdin,  Kulibakin  und  Gerebzow^). 

Der  General  Rapp  konnte  nicht  daran  denken,  die  Russen 
aus  der  am  2.  gewonnenen  und  in  der  folgenden  Nacht  be- 
festigten Stellung  vertreiben  zu  wollen.  Er  hatte  alle  Veran- 
lassung, das  Blut  seiner  Mannschaft  zu  schonen.  Seine  Mass- 
regeln beschränkten  sich  daher  auf  die  strengste  Defensive. 
Die  Ingenieurarbeiten  wurden  mit  dem  grössten  Eifer  fortge- 
setzt. Es  blieb  hier  noch  viel  zu  thun.  Die  Steinschleuse  und 
die  daran  liegende  Mühle  mussten  geblendet  werden,  die  Front 
am  Neugarter  Thor,  an  der  bisher  noch  gar  nichts  gethan  war, 
korrigirt,  der  Abschnitt  von  Ohra-Stadtgebiet  vollendet,  das 
Zigankenberger  Retranchement,  wie  man  die  Lünetten  von  Bat- 
terie Kirgener  bis  Batterie  Montbrun  nannte,  ausgebaut  werden. 
Die  Batterie  Fischer  an  der  Allee,  die  dazu  geschlagen  wurde, 
war  eben  erst  angefangen.  Alle  diese  Werke  waren  in  Arbeit 
genommen.  Noch  hoffte  man  die  Verbindung  mit  Weichselmünde 
auf  dem  linken  Weichselufer  behaupten  zu  können.  Ein  Haus 
zwischen  Schellmühl  und  Neufahrwasser  (a)  wurde  zu  einem 
Blockhaus  hergerichtet  und  links  vom  Fort  Montebello  (Wester- 
schanze)  am  Abzugsgraben  des  Sasper-Sees  ein  kleines  Werk, 
die  Lünette  Cr6tin  (z),  erbaut').  In  der  Nacht  vom  4.  zum  5. 
war  Schellmühl  vorübergehend  von  Kosacken  eingenommen  worden. 
Der  General  Rapp  kommandirte  daher  einige  Fahrzeuge,  die  in 
der  Höhe  von  Schellmühl  ankerten  und  derartige  Versuche  für 
die  Zukunft  verhindern  sollten.  Das  bedeutendste  von  ihnen, 
war  das  Schiflf  „la  Nymphe  de  la  Vistule*). 

Sehr  störend  wurden  diese  Arbeiten  von  einer  neuen  Ueber- 


»)  Blech  2,  211. 
*).  Apercu  S.  213. 

")  d^Artois  S.  253.     Die  Lünette  wurde  erst  am  27.  September  be* 
gönnen.    Apergu. 

*)  Ebenda  S.  256. 


367 


schwemmung  der  Weichsel  unterbrochen.  Schon  seit  dem  2. 
September  war  sie  im  Steigen  begriflfeu.  Sie  stieg  am  4.  um  3 
Fuss  7  Zoll  und  brach  bei  Neufehr  durch  einen  von  den  Russen 
früher  hergestellten  Durchstich  des  Dammes  in  den  Werder. 
Am  5.  stieg  sie  auf  5'  4"  über  den  gewöhnlichen  Wasserstand, 
am  6.  auf  6  Fuss  11  Zoll,  am  7.  auf  7  Fuss  8  Zoll  und  be- 
hielt diese  Höhe  auch  am  8.,  9.  und  10.  bei*).  Erst  am  11. 
fing  sie  wieder  an  zu  fallen.  Der  Schaden,  den  sie  verursachte, 
war  ausserordentlich.  Das  Wasser  stürzte  mit  grosser  Gewalt 
durch  die  Festungsgräben  und  überfluthete  den  Batardeau  am 
Bastion  Braunross,  der  erst  zur  Hälfte  fertig  war*).  Er  wurde 
am  5.  weggeschwemmt,  ebenso  der  Batardeau  der  ßoswike.  Der 
Batardeau  am  Bastion  Mottlau  war  im  höchsten  Grade  bedroht 
und  konnte  nur  durch  die  grössten  Anstrengungen  erhalten 
werden. 

Die  Faussebraie  mehrerer  Bastione  der  Niederstadt  wurde 
fortgespült  ^)  und  die  Schleusenthüren  am  Kneipab  wegge- 
schwemmt. Die  Mottlau  war  zum  Strom  von  reissender  Schnellig- 
keit geworden,  so  dass  sie  mehrere  Stadttheile  überschwemmte 
und  Holzvorräthe  und  Gebäude  fortriss.  Die  Langgartenbrücke 
(am  Milchkannenthurm)  wurde  dadurch  so  beschädigt,  dass  sie 
jeden  Augenblick  einzustürzen  drohte  und  es  nur  gelang,  sie  durch 
grosse  Lasten,  die  man  darauf  brachte,  zu  erhalten.  Für  den 
zum  Fort  Lacoste  führenden  Weichseldamm  war  die  grösste 
Gefahr  vorhanden.  Man  eiTcichte  es,  durch  vorgelegte  Bretter- 
gerüste, welche  die  Wellen  brachen,  ihn  zu  schützen.  Vor  dem 
Batardeau  am  Bastion  Mottlau  wurden  Erde,  Mist  und  Blätter 
geworfen  und  dadurch  die  durchgesickerten  Löcher  verstopft. 
Der  Holm  war  mehrere  Tage  überschwemmt,  wodurch  an  den 
Werken  viel  Schaden  angerichtet  und  grosse  Quantitäten  Pulver 
verdorben  wurden*).  Die  Ueberschwemmung  wurde  auch  die 
Veranlassung,  dass  der  Bau  eines  Brückenkopfes  gegenüber 
dem  Ganskinge,   der  soeben  begonnen  war,   nicht  fortgesetzt 


*)  Campredon.    Auriol  S.  141—145. 

«)  d'Artois. 

')  d^Artoia  S.  265. 

^)  Ebenda  S.  263.    Campredon. 


_368  _ 

werden  konnte,  was  sich  später  sehr  fühlbar  machte,  da  die 
Vorstädte  Kneipab  und  Langgarten  von  hier  aus  bombardirt 
wurden. 

Der  Herzog  von  Würtemberg  hatte  am  3.  und  4.  die 
Westerplatte  und  Weichselmünde  durch  die  Flotte  von  neuem 
bombardiren  lassen,  jedoch  ohne  sonderlichen  Erfolg.  Die 
Jahreszeit  war  bereits  zu  ungünstig  für  Operationen  der  Flotte, 
da  heftige  Winde  die  Schiffe  in  schaukelnde  Bewegung  setzten 
und  ein  Zielen  unmöglich  machten*).  Gleichzeitig  wurden  zu 
Lande  die  täglichen  Beunruhigungen  der  Belagerten  durch 
kleine  kommandirte  Detachements  fortgesetzt").  Die  Arbeiten 
bei  Langfuhr  und  Neu-Schottland  nahmen  täglich  an  Umfang 
zu.  Die  Laufgräben  wurden  in  der  Nacht  zum  6.  nach  beiden 
Seiten  verlängert  und  lehnten  sich  rechts  an  den  südlich  von 
Königsthal  gelegenen  Höhenzug,  links  an  ein  östlich  Neu- 
Schottland  gelegenes  Vorwerk.  Die  begonnenen  Reduten  von 
Neu-Schottland  und  2  Batterien  wurden  vorläufig  mit  Feld- 
geschützen (4  —  r2Pfündern  und  4  Haubitzen)  armirt,  da  die 
Stürme  die  Ausschiffung  der  englischen  Geschütze  sehr  be- 
hinderten *).  Am  7.  wurde  eine  neue  Batterie  (g'")  links  des 
Blockhauses    von  Langfuhr   begonnen*).     An    demselben  Tage 


*)  Apercu  S.  223.  Nach  dem  Tagebach  des  Oberstlientenants  von  Pnllet 
(Kriegs-Archiv  F.  9)  lag  die  Schuld  aber  auch  danm,  dass  der  rechte  Flügel 
der  Schiffslinie  2500  Schritt,  der  linke  noch  mehr  von  den  Schanzen  entfernt 
war  und  nur  das  Centrum  etwas  näher  lag.  Pnllet  hatte  sich  persönlich 
ans  Land  begeben  und  fand  die  Schanzen  nicht  im  mindesten  beschädigt,  ob- 
gleich 130  Geschütze,  von  denen  ISpfilndige  das  geringste  Kaliber  waren, 
6  Stunden  lang  dagegen  thätig  gewesen  waren.  Die  beabsichtigte  Landung 
musste  unterbleiben. 

')  Am  4.  fand  bei  Schidlitz  ein  Gefecht  statt,  wobei  das  preuss.  Land- 
wehr-Bataillon No.  18  als  Sutien  einer  russischen  Abtheilung  diente  und  einen 
Todten  und  mehrere  Verwundete  verlor,  von  Hake  Tagebuch.  Das  Tage- 
buch der  Division  Heudelet  gicbt  S.  123  eine  ausführliche  Schildening  des 
Gefechts.  In  der  Nacht  machte  der  Belagerte  einen  Ausfall  gegen  die  Ar- 
beiten bei  Langfuhr,  wobei  das  preuss.  Landwehr-Bataillon  No.  10,  welches 
am  3.  nach  Langfuhr  kommandirt  worden  war,  einige  Verwundete  verlor. 
Beide  Gefechte  werden  in  dem  Bericht  Dohna's  an  den  König  vom  7.  erwähnt. 

»)  Ebenda. 

*)  Ebenda.    Pnllet  Tagebuch. 


369  _ 

abends  alarmirte  der  Oberst  Turtschaminow  das  Haus  Kabrun  ^),  September 
nachdem  er  einige  Granaten  hineingeworfen  hatte,  zog  sich  aber, 
weil  er  von  der  Batterie  Montbrun  heftig  beschossen  wurde, 
wieder  zurück.  Der  im  Hause  kommandirende  französische  Offizier 
hatte  die  Instruktion,  dasselbe  bei  dringender  Gefahr  anzu- 
stecken und  zu  verlassen,  zu  welchem  Zweck  das  Haus  mit 
brennbaren  Stoffen  angefüllt  war.  Der  Offizier  that  dies  vor- 
eilig und  zog  ab.  Als  er  seinen  Irrthum  erkannt  hatte,  schoss 
er  sich  eine  Kugel  vor  den  Kopf.  Die  Schanze  wurde  wieder 
vom  Belagerten  besetzt*). 

In  der  Nacht  zum  8.  wurde  seitens  dos  Belagerers  der 
Bau  dreier  Reduten  am  Nordrande  des  Thals  von  Diwelkau 
begonnen,  welche  die  Kontravallation  von  Langfuhr  schlössen'). 
Die  Batterie  (g'")  am  Blockhause  bei  Langfuhr  wurde  in  der 
Nacht  zum  9.  mit  2  Feld-12  Pfündern  armirt.  Erst  am  14. 
konnten  die  Feldgeschütze  obiger  Batterien  durch  englische 
Belagerungsgeschütze  ausgetauscht  werden,  und  zwar  erhielten 
die  4  zuerst  erbauten  Batterien  in  Summa  4  —  24Pfünder,  2  — 
12Pfünder  und  2  Haubitzen*). 

')  Ebenda. 

•)  d'Artois  S.  258.    Campredon.     Auriol  S.  144. 

«)  Apercu  S.  229.  Im  zugehörigeu  Plan  sind  die  Batterien  mit  h"',  i'" 
nnd  y"'  eingetragen,  h"'  jedoch  irrthümHch  auf  dem  kleinen  Belvedere  (f) 
des  Johannisberges.  Sie  lag  auf  dem  grossen  Belvedere.  Nach  Campredon 
S.  147  lag  die  eine  dieser  Reduten  auf  dem  grossen  Belvedere,  die  zweite 
zwischen  diesem  und  Pitzkendorf ,  die  dritte  etwas  rechts  von  diesem  Dorfe 
(von  Danzig  aus  gesehen),  d'Artois  sagt  irrthttmlich  (S.  267)  etwas  links. 
Campredon  stimmt  vollständig  mit  dem  aper^u  Überein,  wenn  unter  h'''  die 
Batterie  auf  dem  grossen  Belvedere  verstanden  wird. 

*)  Ebenda  S.  222.  Dagegen  behaupten  die  französischen  Berichter- 
.statter,  dass  die  Batterien  mit  je  drei  Oeschtltzen  ausgerüstet  waren,  was 
mit  dem  russischen  Belagerungsjumal  übereinstimmen  würde,  wonach  die 
bei  Nen-Schottland  gelegenen  Batterien  am  14.  mit  12  Belagerungsgeschützen 
versehen  wurden.  Archiv  S.  122.  Im  übrigen  weichen  die  Beobachtungen 
der  französischen  Ingenieure  in  der  Zeit  nicht  unwesentlich  von  den  Angaben 
des  Apergu  ab.  Nach  ihnen  sind  in  der  Nacht  vom  7.  zum  8.  zwei  neue 
Batterien  hinter  dem  Laufgraben  von  Neu-Schottland  zum  Vorwerk  und  eine 
No.  26  auf  dem  Abhänge  der  Höhe,  an  welche  sich  der  rechte  Flügel  der 
Tranchee  lehnte,  erbaut  worden  (Campredon,  Auriol  S.  144).  Nach  dem 
Tagebuch  von  Pnllet  wurde  der  Bau  der  Batterie  No.  26  am  9.  begonnen. 
Die  Annirung   mit  3  Geschützen   fand   am    11.  statt.     Das  aperen  hat  von 

Köhler,  G«9cbicbte  der  Festungen  Danzig  und  Weichselmüude.  II.  24 


370 

Die  französischen  Ingenieure  wurden  durch  die  Anlagen 
der  Eussen  in  nicht  geringe  Verlegenheit  gesetzt.  Sic  glaubten 
anfänglich  mit  Recht,  dass  es  sich  nur  um  den  Ausbau  der 
Koutravallation  handele,  aber  die  bald  folgende  Ausdehnung 
der  Werke  liess  doch  kaum  einen  Zweifel,  dass  sie  die  Er- 
öffnung der  Tranchee  und  den  Bau  der  1.  Parallele  bedeuteten, 
obgleich  sehr  gewichtige  Gründe  dagegen  sprachen.  Auf  der 
andern  Seite  waren  die  russischen  Werke  mit  solcher  Sorgfalt 
ausgeführt,  die  Batterien  bekleidet  und  sogar  palisadirt,  dass 
die  Ansicht  sich  festsetzte,  es  sei  wirklich  die  1.  Parallele. 
Nur  der  General  Lepin  war  nicht  zu  überzeugen  und  hielt  es  für 
unmöglich,  dass  der  Feind  hier  vorgehen  wolle  *).  Unter  diesen 
Umständen  schien  es  geboten,  das  Ketranchement  von  Ziganken- 
berg  bis  zur  Weichsel  fortzusetzen.  Am  10.  wurde  die  Alt- 
städtische Ziegelei  zu  einem  geschlossenen  Werk  ausgebaut 
und  die  folgenden  Tage  mit  Eifer  zu  Ende  geführt^).  Gleich- 
zeitig wurde  eine  alte  Schanze  auf  dem  Holm  gegenüber  Schell- 
mühl  zu  einer  Batterie  ausgebaut,  welche  ihrer  Lage  nach 
vorzüglich  geeignet  war,  die  vorrückenden  Küssen  in  Flanke 
und  Rücken  zu  fassen.    Sie  wurde  Batterie  LiMot  (Y)  genannt. 

Der  12.,  13.,  14.  und  15.  wurden  von  seiten  des  Belagerers 
dazu  verwendet,  in  der  gewonnenen  Position,  wo  es  erforder- 
lich war,  aufs  beste  nachzuhelfen  und.  was  durch  den  unauf- 
hörlichen Granat-  und  Kugelregen  zerstört  wurde,  auszubessern. 
(Pullet,  Tagebuch  der  Ingenieurarbeiten.    Kriegsarchiv  F.  9.) 

Die  Ueberschwemmung  hatte  auf  die  Russen  keinen  andern 
Einfluss  ausgeübt,  als  dass  die  Vorposten  des  Generals  Dedulin 
nach  Rostau,  Trutenau,  Gross-Zünder  und  vorwärts  Käsmark 
zurückgezogen  werden  mussten*). 

Für  den  16.  bereitete  der  Herzog  von  Würtemberg  den 
letzten  Versuch  vor,  von  der  Flotte  Nutzen  zu  ziehen.    Die 


dieser  Batterie  keine  Notiz  genommen.  Eine  Batterie  v  ***  von  6  Geschtltzeu, 
die  in  der  Uebersicht  der  Batterien  aufgenommen  ist,  ist  im  Plan  nicbt 
zu  finden. 

*)  Vergl.  Bericht  desselben,  auszüglich  bei  Anriol  S.  146. 

•)  d'Artois  S.  260.  Dies  Werk  erhielt  den  Namen  batterie  de  Qudin 
oder  de  la  briqucterie.    Campredon. 

»)  Apercu  S.  225. 


__371 

erfahrensten  Seeleute  waren  der  Ansicht,  dass  die  Batterien 
auf  der  Westerplatte  zu  deinontiren  wären,  und  dass  nur  die 
ungünstige  Witterung  den  Erfolg ,  bisher  beeinträchtigt  hätte. 
Der  Herzog  ging  um  so  lieber  darauf  ein,  als  die  Jahreszeit 
die  Flotte  zwang,  die  Rhede  von  Danzig  zu  verlassen  und  es 
den  dänischen  Schiffen  gelingen  könnte,  in  die  Weichsel  ein- 
zulaufen. Er  wusste,  dass  10  dänische,  mit  Lebensmitteln  be- 
ladene  Schiffe  in  Kopenhagen  dazu  bereit  lagen.  Es  musste 
ihm  also  darauf  ankommen,  in  den  Besitz  der  Weichselmündung 
zu  gelangen.  Er  Hess  daher  3  Bataillone  mit  150  Mann  Arbeitern 
einschiffen,  um  auf  der  Westerplatte  zu  landen,  sobald  die  Flotte 
die  Batterien  demontirt  hatte.  Vier  andere  Bataillone ')  wurden 
bei  Brösen  aufgestellt,  um  sich  der  3  westlichen  Reduten  des 
Retranchements  von  Neufahrwasser  zu  bemächtigen,  wenn  die 
Flotte  Erfolg  hätte.  Das  Detachement  auf  der  Nehrung  sollte 
gegen  Weichselmtinde  demonstriren  und  der  General  Löwis  das 
Dorf  Stadtgebiet  angreifen. 

Um  6  Uhr  morgens  erschienen  83  Schaluppen,  jede  mit  3 
schweren  Kanonen  bewaffnet,  und  einige  Kanonenboote,  unter- 
stützt von  2  russischen  und  2  englischen  Fregatten,  bis  auf 
400  Toisen  vor  der  Westerplatte  und  begannen  ein  heftiges 
Feuer  gegen  die  Landbatterien,  das  bis  6  Uhr  abends  währte*). 
Die  See,  die  schon  vorher  unruhig  war,  wurde  es  während  des 
Gefechts  noch  mehr,  so  dass  die  Geschütze  nicht  trafen.  Eine 
Landung  konnte  daher  nicht  unternommen  werden.  Eine 
Schaluppe  wurde  in  die  Luft  gesprengt  und  drei  andere  be- 


0  Daiiinter  das  preussische  Landwehrbataillon  Hülsen,  bei  welchem  der 
Verfasser  der  Briefe  stand,  welche  in  der  allgemeinen  Militär-Zeitnng  abge- 
dmekt  sind. 

')  Nach  dem  Tagebuch  des  Oberstlieutenauts  von  Pullet  war  die  Flotte 
in  zwei  Divisionen  zu  je  60  Kanonen  getheilt.  Nach  d^Artois  S.  269  lösten 
sich  diese  alle  3  Stunden  ab.  Die  Zahl  der  verschossenen  Kugeln  wird  von 
ihm  auf  20000  angegeben.  Die  vier  vorhergehenden  Bombardements  hatten 
zusammen  nur  15000  Kugeln  verfeuert.  Nach  einer  Berechnung,  die  ange- 
stellt worden  ist,  imd  deren  Resultat  d'Artois  mittheilt,  würden  die  5  Bombarde- 
ments einen  Kostenaufwand  von  1 470000  Francs  verursacht  haben,  ohne  die  Be- 
schädigung an  den  Schiffen  zu  rechnen.  Die  Besatzung  des  Retranchements  be- 
stand nach  Dttring  nur  ans  3  schwachen  BataiUonen,  gegen  1100  Mann  stark 
{ß.  86).  Die  Zahl  der  französischen  Geschütze  wird  von  Pullet  auf  12  angegeben. 


372 

schädigt.  Die  Flotte  verlor  1  Offizier,  78  Mann  todt  und 
192  verwundet.  Der  Kapitain  und  3  Matrosen  von  der  in  die 
Luft  gesprengten  Schaluppe  wurden  gerettet  *).  Der  Verlust  der 
Franzosen  wird  auf  2  Mann  todt  und  2  verwundet  angegeben  *). 
Der  Herzog  hatte  wiederum  den  Oberstlieutenant  von  Pullet 
zum  Admiral  Greigh  gesendet,  um  dem  Bombardement  beizu- 
wohnen und  den  Zeitpunkt  zu  bestimmen,  wo  die  Landung  auf 
der  Westerplatte  und  der  Sturm  auf  der  Landseite  auf  Neu- 
fahrwasser stattfinden  könnten.  Nach  den  vergeblichen  An- 
strengungen beauftragte  der  Admiral  den  Oberstlieutenant  von 
Pullet  Sr.  Königlichen  Hoheit  zu  sagen,  dass  er  schlechtenlings 
verzweifle,  die  feindlichen  Geschtitze  zum  Schweigen  zu  bringen, 
und  dass,  wenn  er  das  Gefecht  fortsetzen  solle,  die  Schaluppen 
eine  nach  der  andern  in  die  Luft  gehen  würden.  Um  sich 
seines  Auftrages  im  ganzen  Umfange  aus  eigner  Ueberzeugung 
zu  entledigen,  begab  sich  Pullet  in  Begleitung  eines  Adjutanten 
des  Herzogs  in  die  Linie  der  Schaluppen,  bestieg  zuerst  die 
rechts  des  noch  schwimmenden  Wracks  gelegene,  sodann  die 
links  davon  befindliche  und  fand  nach  angestellter  Untersuchung 
1.,  dass  die  Einrichtung  der  Schaluppen  und  ihre  schwankende 
Bewegung  die  Artilleristen  behindern,  ein  gezieltes  Feuer  ab- 
zugeben, 2.,  dass  die  Schaluppen  zu  niedrig  gegen  das  Vorland 
lägen  dergestalt,  dass  die  Schüsse  nur  die  Brustwehr  im  Kamm 
berühren,  mithin  es  unmöglich  sei,  mit  solchen  die  feindlichen 
Geschütze  in  den  Schanzen  zu  demontiren,  3.,  blieb  hierbei  die 
Bravur  dieser  braven  Seesoldaten  zu  bewundern,  weil  sie  so 
zu  sagen  auf  einem  schwimmenden  Tisch,  worauf  Geschütze 
stehen,  im  Kartätschschuss  von  feststehenden  Batterien  mit 
hoher  Ausdauer  und  Unerschrockenheit  fochten'). 


")  Apercu  S.  235.  Jumal,  Archiv  S.  122.  Nach  d'Artois  bestand  die 
Besatzung  einer  Schaluppe  aus  30  Mann.  Nach  dem  Tagebach  von  Pullet 
hatte  die  in  die  Luft  gesprengte  3  Kanonen  und  46  Mann. 

«)  d'Artois  S.  271.  Drei  KttstenlafPeten  wurden  beschädigt,  gegen  100 
Palisaden  zerbrochen  und  der  grösste  Theil  der  Häuser  von  Nenfahrwasser 
vernichtet.  Oberster  Befehlshaber  der  Forts  an  der  unteren  Weichsel  war 
der  Oberst  Rousselot,  Kommandeur  der  Artillerie  daselbst  der  Major  Fran<jois, 
von  Seiten  des  Genies  der  Bataillouschef  im  Ingenieurkorps  Golt. 

*)  Tagebuch  des  Oberstlicntenants  von  Pullet.     Kriegs- Archiv  F.  9. 


373 


Das  Gefecht  wurde  daher  eingestellt.  Es  war  die  letzte 
Aktion  der  Flotte.  Sie  verliess  am  2.  und  3.  Oktober  die 
ßhede  von  Danzig,  die  bei  dem  stürmischen  Wetter  keine 
Sicherheit  mehr  bot.  Drei  Kanonenboote  wurden  noch  durch 
einen  Windstoss  gegen  die  Kfiste  getrieben  und  erlitten  be- 
deutende Beschädigungen,  so  dass  sie  nur  mit  Mühe  wieder 
flott  gemacht  werden  konnten.  Eine  englische  Fregatte  und 
eine  Korvette,  sowie  eine  russische  Fregatte  blieben  bei  Putzig 
zurück,  um  den  Wachtdienst  an  der  Küste  zu  übernehmen  und 
die  Mündung  der  Weichsel  zu  beobachten^). 

Der  Angriff  auf  Ohra,  der  für  den  16.  befohlen  war,  hatte 
zum  Resultat  gehabt,  dass  die  Sternschanze,  deren  schwache 
Besatzung  bei  Annäherung  des  Generals  Löwis  davon  lief,  in 
die  Hände  der  Russen  fiel.  Erst  bei  eingetretener  Finsterniss, 
nachdem  eine  Verstärkung  von  200  Mann  eingetroflfen  war, 
gingen  die  Franzosen  zum  Angriff  der  Schanze  vor,  die  jedoch 
im  Besitz  der  Russen  blieb.  Die  Truppen  des  Lagers  von 
Wonneberg  waren  infolge  des  Gefechtes  alarmirt  worden  und 
hatten  sich  vor  dem  Dorfe  aufgestellt,  ohne  jedoch  engagirt  zu 
werden*).  Am  folgenden  Tage  gegen  Abend  wurde  die  Stern- 
schanze von  der  Judenschanze  ^  stark  beschossen  und  darauf  an- 
gegriffen. Die  Schanze  wurde  genommen,  aber  von  den  Russen 
im  Hurrah  wiedergenommen.  Das  Gefecht  endigte  gegen 
11  Uhr  abends  mit  dem  Verlust  der  Sternschanze  für  die  Russen. 
Es  lag  nicht  in  der  Absicht  des  Herzogs,  die  Sternschanze, 
wenn  es  mit  Opfern  verbunden  sein  sollte,  besetzt  zu  behalten. 
Sie  sollte  in  diesem  Falle  demolirt  werden,  wozu  auch  1  Unter- 
Offizier,  20  Mann  koramandirt  waren.  Doch  war  das  nur  theil- 
weise  erfolgt.  Sie  wurde  jetzt  von  den  Franzosen  bedeutend 
verstärkt*). 


»)  Apercu  279. 

*)  vou  Hake,  Tagebuch  und  das  der  Division  üeudelet. 

')  Ueber  die  Judenschauze  siehe  iinteu  S.  38ö,  3.  Da  der  Posten  des 
St:rgeanteu  ohne  Artillerie  war,  sind  hier  wohl  die  batteries  de  Frioul  ge- 
meint. 

*)  Tagebuch  der  Division  Heudelet  126  und  des  Hi^ors  von  Hake  (Kriegs- 
Archiv  F.  9). 


374 


Am  16.  hatten  auch  die  Batterien  bei  Pitzkendorf  Nr.  21  (y'") 
und  22  (i'")  das  Feuer  eröffnet*),  anscheinend  auch  die  Batterie 
am  grossen  Belvedere  (d  [Nr.  23,  h'"]). 

2.    Der  Soheliiaiigrifr  von  17.  Septenber  bis  zun  10.  Oktober. 

Die  Zeit  vom  17.  September  bis  zum  10.  Oktober  hat 
keinen  ausgesprochenen  Charakter.  Russischerseits  gelangt  man 
am  17.  September  durch  Wegnahme  von  Eabrun  (Aschbude), 
Gross-  und  Klein-Schellmfihl  *)  zu  einer  sicheren  Anlehnung  des 
linken  Flügels  an  die  Weichsel  und  vollendet  damit  die  Kontra- 
vallation,  welche  bis  zur  oberen  Radaune  hin  ausgebaut  wurde. 
Der  beabsichtigte  förmliche  Angriff  gegen  den  Bischofsberg 
liegt  aber  noch  weit  im  Felde,  da  die  Ausschiffung  des  Materials 
bei  Koliebken  sehr  langsam  von  statten  geht  und  der  Land- 
transport desselben  nach  den  Depotplätzen  wegen  Mangels  an 
Fuhren  und  der  schlechten  vom  Lande  gestellten  Pferde  grosse 
Schwierigkeiten  bietet. 

Auf  Seiten  des  Vertheidigers  befestigt  sich  unter  diesen 
Umständen  die  Ansicht,  dass  der  Belagerer  die  Olivaer 
Front  anzugreifen  beabsichtige,  so  dass  man  sich  ein- 
bildet, die  guten  Dispositionen,  die  man  getroffen  hat,  sind  es, 
welche  den  Feind  auf  so  grosse  Entfernungen  zurückhalten  und 
ihn  zwingen,  zu  einem  Bombardement  zu  greifen'),  wunderbar 


^)  Der  Major  Liebe  sagt  in  seinem  Bericht  vom  23.  Oktober  (Kriegs- 
Archiv  F.  9):  „Am  16.  fingen  die  mit  preussischeu  Artilleristen  besetzten 
Batterien  bei  Pietzkendorf  an  zu  feuern",  und  nihrt  in  der  Nachweisung 
der  an  diesem  Tage  thätigen  Batterien  die  eine  mit  7,  die  andere 
mit  5— 24Pfttndem  bewaffnet  au.  Nach  Campredon  war  die  Batterie  23  (d)  schon 
am  14.,  die  Batterie  21  und  22  am  15.  demaskirt  worden.  Nach  dem  aperen 
S.  239  sind  die  Batterien  23  und  21  in  der  Nacht  vom  16.  zum  17.  mit  je 
2— ^24PfÜndem  armirt  worden,  dagegen  die  Batterie  22,  sowie  die  des  kleineu 
Belvedere  (f),  die  einige  Tage  später  das  Feuer  eröffnete  (nach  dem  Tagebucbe 
des  Bataillons  18,  das  am  17.  September  das  Bataillon  10  in  Königsthai  ab- 
gelöst hatte,  am  19.),  ohne  Geschütze  geblieben.  Das  apergu  zeigt  sich  auch 
hier  unzuverlässig.    Nach  Campredon  hatte  die  Batterie  23  6  Scharten. 

*)  Klein-Schellroühl  wird  auch  Böttchers  Haus  und  Beierahof  genannt. 

')  Der  General  Campredon  spricht  sich  in  seinem  Tagebuche  unterm 
8.  Oktober  (Auriol  S.  160)  wie  folgt  darüber  aus:  L'ennemi  retenn  par  nos 
dispositions  ä  une  tr^  grande  distance  de  la  place  et  oblig^  par  cons^quent 
^   un  d^veloppement  de  trapch^e  beaucoup  plu^    consid6rabie  pour  pouvoir 


376 


genug,  da  von  einem  Bombardement  auf  diesen  Entfernungen 
nichts  zu  erwarten  war.  Was  später  in  dieser  Beziehung  von 
hier  aus  geschah,  war  nur  ein  Nothbehelf,  um  die  Zeit  nicht 
unbenutzt  verstreichen  zu  lassen,  und  vorzüglich  um  den  Feind 
zu  täuschen ').  Damit  soll  das  Verfahren  des  Angreifers  jedoch 
nicht  gebilligt  werden.  Die  Täuschung  wäre  auch  aufrecht  er- 
halten worden,  wenn  in  Verbindung  mit  den  Arbeiten  in  der 
Ebene  ein  Angriff  auf  den  Zigankenberg  verbunden  worden 
wäre  *),  dessen  Werke  (die  Reduten  Kirgener  und  Istrien)  einem 


eubrasser  les  froiits,  objets  de  8es  attaques,  voyant  sa  marcbc  retard^e  depiüs 
plus  d'uu  mois  (!) ,  parait  d^termin^  ä  joindre  le  bombardement  ä  la  marcbe 
progressive  de  ses  attaques".  Dieser  gewiegte  Ingenieur-General  ist  demnach 
vollkommen  überzeugt,  dass  der  Angieifer  den  förmlichen  Angriff  gegen  die 
OHvaer  Front  beabsicbtigt,  und  dass  die  Dispositionen  des  Vertbeidigers  ihn 
gezwungen  hätten,  den  Angi'iff  auf  so  bedeutenden  Entfernungen  zu  eröffnen 
und,  um  umfassen  zu  können,  sich  so  bedeutend  auszudehnen  (von  Pitzkendorf 
bis  zur  Weichsel).  Was  die  angeblich  vom  Vertheidiger  veranlasste  Verzö- 
gerung der  Arbeiten  um  einen  Monat  betrifft,  so  geht  daraus  hervor,  dass 
C.  keine  Ahnung  davon  hat,  welche  Schwierigkeiten  der  Herzog  nach  allen 
Richtungen  zu  überwinden  hatte. 

*)  Dass  diese  Täuschung  wirklich  beabsichtigt  und  nicht,  wie  die  fran- 
zösischen Schriftsteller  angeben,  der  Angriff  gegen  die  Olivaer  Front  anfäng- 
lich geplant  war,  geht  aus  der  skizzirten  Geschichte  des  Plümicke  S.  109 
hervor,  die,  wie  ich  gezeigt  habe,  in  dieser  3.  Abtheilung  dem  Hauptquartier 
des  Herzogs  entstammt.  Positiver  dafür  spricht  noch  die  Thatsache,  dass 
der  Geschützpark  zum  Angriff  des  Bischofsberges  bereits  seit  Mitte  September, 
wo  def  erste  preussische  Geschütztransport  anlangte,  eingerichtet  und  zu  sei- 
nem Schutz  das  Lager  bei  Zankeuczin  durch  ein  Dragoner -Regiment  und 
zwei  preussische  Landwehrbataillone  (No.   18  und  No.  9)  verstärkt  wurde. 

')  Dass  man  sich  im  Hauptquartier  gegen  die  Wichtigkeit  der  Werke 
auf  dem  Zigankenberge  bei  einem  Angriff  auf  den  Bischofsberg  nicht  verschloss, 
beweist  die  starke  Bewaffnung  der  Batterien  21,  22,  23  und  f,  mit  denen  in 
der  Folge  der  Zigankenberg  beschossen  wurde.  Es  sind  aber  Entfernungen 
von  2000  bis  3200  Schritt.  Wie  hier  drückt  sich  im  ganzen  Verlauf  der 
Belagerung  die  verkehrte  Ansicht  der  Oberleitung  aus,  dass  man  mit  dem 
Beschiessen  Dinge  erreichen  könne,  die  sonst  nur  der  Sappe  und  der  blanken 
Waffe  zufaUen,  und  dass  man,  wie  dies  sowohl  als  die  grossen  Entfernungen 
beweisen,  auf  denen  man  schoss,  von  der  Wirkung  der  Artillerie  keine  Vor- 
stellung hatte.  Der  Major  Liebe  sagt  in  einem  Schreiben  an  die  General- 
Inspektion  der  ArtiUerie  vom  9.  Januar  1814  (Kriegs- Archiv  F.  12):  Die 
Leitung  der  Belagerungsarbeiteu  im  Ganzen  darf  ich  nicht  berühren,  weil 
jed^  finde  Laufjo^raben  und  jedes  Kanon  von  Sr.  K^\.  Hoheit  angeordnet 


376 


Angriff  auf  den  Bischofsberg  sehr  hinderlich  werden  mussten. 
Es  war  das  um  so  mehr  geboten,  als  am  7.  September  der 
positive  Befehl  des  Kaisers  Alexander  eingetroffen  war,  zum 
förmlichen  Angriff  zu  schreiten  ^). 


warde,  wiewohl  ich  überzeugt  zu  sein  glaube,  daüs  HOchstdieselbe  äicli  nur 
mit  der  Leitung  de»  Ganzen  beschäftigte  uud  jene  Details  deu  Ingenieurs, 
dem  russischen  Obersten  Manfredi  und  dem  prensäischcu  Obersten  von  PuHet 
überlassen  und  ihre  Vorschläge  vertrauensvoll  genehmigt  hat.  Wie  es  scheint, 
besitzen  letztere  vom  Belagerungskriege  ganz  eigenthümliche  Ansichten,  welche 
wenig  Nachahmung  finden  werden.  Gewiss  ist,  dass  die  Kräfte  der  Menschen 
und  Pferde  schon  vor  der  eigentlichen  Belagerung  dadurch  erschöpft  wurden, 
dass  man  viele  Arbeiten  auf  zu  grosse  Entfernungen  von  der  Festung  unter- 
nahm. 

')  Dieser  Befehl  des  Kaisers  Alexander  wird  nur  im  Tagebuch  des  Ma- 
jors von  Hake  und  hier  auch  nur  ganz  beiläufig  erwähnt  (Kriegs  -  Archiv 
F.  9  und  Friccius,  der  irrthünilich  den  ö.  September  sagt).  £s  erscheint  da- 
her geboten,  sich  noch  nach  andern  Beweisen  dafür  umzusehen,  uud  die  liegen 
in  den  Korrespondenzen  des  Knegs- Archivs  vor.  Der  stellvertretende  Komman- 
deur der  prenssischen  Artillerie,  Hauptmann  Pittscher,  —  der  Major  Liebe 
traf  erst  am  14.  Oktober  ein  —  wendete  sich  am  20.  September  mit  16  An- 
fragen an  den  Director  des  Geniewesens,  Oberstlieutenant  von  Pullet,  darunter 
die:  „Ist  es  Sr.  Kgl.  Hoheit  dem  Herzog  Alexander  von  Würtemberg  auch 
vorgestellt  worden,  wie  gefährlich  es  ist,  im  Monat  Oktober  eine  förmliche 
Belagerung  anzufangen,  uud  weiche  Mittel  anzuwenden  sind,  um  das  Geschütz 
aus  den  Parallelen  zu  bringen,  wenn  die  Witterung  so  schlecht  werden  sollte, 
die  Belagerung  aufzuheben^.  Pullet  antwortet  brm.  darauf:  „Der  Herzog  hat 
den  Befehl  zu  belagern,  ob  im  Monat  Oktober  oder  November  muss  uns  gleich- 
gültig sein,  sobald  wir  nur  zum  Sappiren  kommen'^. 

Ein  weiterer  Beweis  liegt  in  einem  geharnischten  Schreiben  des  Herzogs 
an  das  Civil  -  Guvernemement  des  Laudes  zwischen  der  Oder  und  Weichsel 
vom  14.  Oktober  (Kriegs- Archiv  F.  lö)  wegen  Nachlässigkeiten  in  Gestellung 
der  requirirten  Wagen.  Es  hcisst  darin:  „Mir  ist  der  Befehl  zur  Belagerung 
worden" . 

Als  dann,  nachdem  sich  der  Beginn  der  förmlichen  Belagerung  immer 
weiter  hinausgeschoben  hatte,  der  Herzog  ende  Oktober  ernstliche  Anstalten 
traf,  damit  vorzugehen,  und  sich  im  Offiziercorps  der  Alliirteu  ernste  Bedenken 
dagegen  erhoben,  machte  sich  der  Graf  Dohna,  wie  er  schreibt  aus  Pflicht- 
gefühl gegen  seinen  Monarchen,  zum  Dolmetscher  der  öffentlichen  Meinung 
und  begab  sich  am  28.  Oktober  zum  Herzoge,  um  ihm  Vorstellungen  zu 
machen,  dass  es  unmöglich  sei  in  dieser  Jahreszeit  die  Belagerung  mit  Aus- 
sicht auf  Erfolg  zu  unternehmen,  die  Armee  überhaupt  zu  schwach  dazu  sei, 
antwortete  ihm  der  Herzog:  „Dass  der  bestimmte  Befehl  Sr.  Majestät  de^ 
Kf^isers  ihn  zur  Eröffnung  der  Belagerung  nöthige;  sollte  es  so  stark  frierei^ 


_377 

Nach  diesen  allgemeinen  Bemerkungen  können  wir  wiederum    September. 
zum  Tagebuch  zurückkehren. 

Am  17.  um  5  Ulir  abends  wird  die  „Nymphe  de  la  Vis- 
tule**  von  4  russischen  Geschützen,  welche  vor  Neu-Schottland 
aufgefahren  waren,  beschossen  und  durch  einen  Treffer  in  die 
Pulverkammer  in  die  Luft  gesprengt  *).  Der  Herzog  hatte  dem 
General  Turtschaminow  den  Befehl  ertheilt,  das  Haus  Kabrun 
gegen  Abend  anzugreifen,  was  dieser  mit  gutem  Erfolge  aus- 
führte. Das  Haus  fiel  nach  lebhaftem  Widerstände  in  seine 
Gewalt^).  Mit  leichter  Muhe  bemächtigte  er  sich  darauf  der 
beiden  Schellmühl.  Die  Besatzungen  zogen  sich  theils  nach 
dem  Abschnitt  bei  Aller  Engeln,  theils  nach  dem  befestigten 
Posten  am  2.  Legan  an  der  Weichsel  zurück  ^).  Inzwischen  hatte 
der  Herzog  1500  Milizen  des  Landesaufgebots  von  St.  Peters- 
burg unter  dem  Obersten  Alalikin  herangezogen,  welche  bei 
eintretender  Dunkelheit  die  Schanzarbeit  begannen  und  die 
Palisadirung  der  Kehle  der  Schanze  von  Kabrun  durch  Erde 
bedeckten,  sowie  gedeckte  Verbindungen  obiger  Oertlichkeiten 
unter  einander  und  mit  den  rückwärtigen  Werken  herstellten^). 


dass  nicht  mehr  gegraben  werden  könne,  welches  in  wenigen  Tagen  zu  er- 
warten sei,  so  mttsste  die  Arbeit  mit  Sandsäcken  oder  Schncesäcken  fortge- 
setzt werden,  welches  der  Oberst  von  Pullet  auszuführen  übernommen  habe; 
die  Truppen  würden  zwai'  durch  Krankheiten  aufgerieben  werden,  anch  hätten 
Se.  Kgl.  Hoheit  dies  angezeigt  und  erwarteten  eine  Verstärkung  von  6000 
Mann.  Auch  die  Erschöpfung  des  Landes  und  den  Ruin  der  Stadt  könne 
8e.  Kgl.  Hoheit  nicht  berücksichtigen,  und  wenn  aUe  Versuche  vergebens 
wären ,  so  würden  sie  ihre  Truppen  und  das  Geschütz  wieder  in  die  erste 
Parallele  zorückzieheu  und  diese  als  Kontravallationslinie  betrachten''.  (Be- 
richt Dohna's  an  den  König  vom  29.  Oktober.    Kriegs-Archiv  F.  19.) 

*)  AperQU  239.  Danach  hatte  die  Nymphe  10  Kanonen,  womit  sie  auf 
das  wirksamste  die  SteHung  Klein  -  Schellmühl  -  Kabrun  flankirte.  Die  Zeit 
ö  Uhr,  welche  für  die  folgenden  Ereignisse  von  Wichtigkeit  ist,  wird  von 
Campredon  (Auriol  149)  und  dem  Tagebuch  des  Majors  von  Hake  ttberein- 
.stimmend  augegeben.  Oflfenbar  stand  die  Batterie  in  Beziehung  zu  dem  An- 
griff des  Obersten  Turtschaminow.  Nach  Dttring  87  bestand  die  Besatzung 
der  Nymphe  aus  23  Mann,  d'Artois  giebt  ihr  S.  278  nur  13  Mann,  weil  der 
Kapitaiu  mit  der  übrigen  Mannschaft  am  Lande  gewesen  sei. 

»)  Apercu  240. 

')  Campredon  149. 

*)  Apercu  240. 


378 

September.  In  der  Nacht  wurde  der  Bau  einer  Batterie  von  2  —  24  Pfundern 
(b'",  28)  zwischen  Schellmühl  und  Neu-Schottland  mit  der  Front 
gegen  Fort  Napoleon  begonnen,  welche  ausser  Bekämpfung  dieses 
Forts  noch  den  Zweck  hatte,  die  Weichsel  abwärts  zu  be- 
streichen'). Die  Arbeit  schritt  trotz  der  Bekämpfung  von  30 
Kanonen  und  30  Mörsern  von  den  Batterien  Montbrun,  Gra- 
bowski,  vom  Hagelsberge  und  vom  Holm  *)  so  vor,  dass  am 
andern  Morgen  ein  Angriff  des  Belagerten  abgeschlagen  werden 
konnte '). 

Am  18.  wurde  an  der  Allee  vor  Langfuhr  in  der  Höhe  von 
Kabrun  ein  Durchstich  (Abschnitt)  hergestellt,  der  mit  150  Mann 
besetzt  wurde.  Die  Verbindung  von  Neu-Schottland  mit  Klein- 
Schellmühl  wurde  beendet*),  und  alle  begonnenen  Arbeiten  wuixlen 
eifrig  fortgesetzt.  Nach  Carapredon  wurden  von  den  Küssen 
zwei  Haubitzen  auf  der  Höhe  des  Galgenberges,  welcher  die 
Batterie  Montbrun  überhöht,  aufgestellt,  stellten  jedoch  ihr 
Feuer  bald  ein,  weil  sie  vom  Holm  aus  flankirt  wurden*). 

Am  19.  wurde  das  befestigte  Haus  am  2.  Legan,  da  es  sehr 
ausgesetzt  war  und  nicht  mehr  genügte,  die  Verbindung  mit 
Neufahrwasser  aufrecht  zu  erhalten,  geräumt  und  verbrannt^). 
Der  Belagerte  arbeitete  mit  erhöhter  Thätigkeit  an  Vollendung 
der  Batterien  Gudin  und  Liedot,  der  Belagerer  an  Fortsetzung  des 
Batteriebaues  und  der  Erweiterung  der  Tranchee.  Preussischer- 
seits  wurde  in  der  folgenden  Nacht  ein  Flesche  mit  Laufgräben 
am  Ohraer  Wäldchen  aufgeworfen'). 

Am  20.  In  der  Nacht  zum  20.  wurde  seitwärts,  hart  vor 
Schellmühl,  eine  geschlossene  und  palisadirte  Batterie  (b",  29) 
zu  5  —  24Pfündern  in  Arbeit  genommen*)  und  der  Durchstich 


*)  Tagebuch  PuUet's.    Kriegs-Archiv  F.  9. 

2)  d'Artois  278. 

«)  Campredou  149.    Blech  2,  328. 

*)  Apercu  241. 

*)  Auriol  150. 

^  Ebenda.  Der  Posten  bestand  aus  einer  daselbst  gelegenen  Scheune, 
die  roit  Palisaden  umgeben  war. 

^)  Tagebuch  des  Majors  von  Hake.    Kriegs-Archiv  F.  9. 

^  Tagebuch  des  Oberstlieutenants  von  Pullet,  Kriegs-Archiv  F.  9.    Das 

Apercu  lässt  bereits  in  der  Nacht  zum  18.  den  Bau  aller  4  Batterien,  die 


379 

an  der  x\llee  bis  zu  den  Bergen  nnd  links  bis  zu   dem  Hause    September. 
Kabrun  verlängert,  so  dass  eine  Art  zweiter  Parallele  entstand. 
Ferner  wurde  die  gedeckte  Verbindung  nach  der  neuen  Batterie 
hergestellt    und    die  vom  Hause  Kabrun  nach  Schellmühl   be- 
endet ^). 

Am  Tage  beschossen  die  Batterien  am  Belvedere  und  bei 
Pitzkendorf  die  Batterien  des  Zigankenberges.  Auch  eine 
Batterie  auf  dem  Johannisberge  (f ),  die  bei  dieser  Gelegenheit 
zuerst  erwähnt  wird,  nimmt  Theil  daran  ^). 

Am  21.  Die  Batterie  bei  Schellmühl  wird  beendet.  Das 
Feuer  der  betreflfenden  Batterien  gegen  das  ßetranchement 
Zigankenberg  wird  fortgesetzt.  Der  Belagerte  versieht  die 
Batterie  Fischer  an  der  Allee  mit  Flanken^). 

Am  22.  Fortsetzung  der  Arbeiten  und  der  Beschiessung 
des  Zigankenberger  Ketranchcments.  Die  Batterie  (a"  27)  bei 
Klein-Schellmühl  wird  begonnen.  Sie  ist,  wie  b",  für  5 — 24 
Pfänder  bestimmt.  Während  letztere  gegen  die  obere  Weichsel 
und  den  Holm  bestimmt  ist,  soll  a"  die  Ebene  nach  der  Ziegel- 
scheune und  Aller  Engeln  bestreichen^).  Der  Belagerte  beginnt 
auf  dem  Holm  eine  neue  Batterie,  die  nach  der  in  der  Nähe 
befindlichen  Mühle  die  Batterie  du  Moulin  genannt  wird^). 

Am  23.  In  der  Nacht  zum  23.  erfolgt  seitens  der  Russen 
wieder  eine  Alarmirung  von  Ohra  und  der  Sternschanze,  jedoch 
ohne   Erfolg.     Der   Angriff   wird    am    folgenden    Nachmittage 


später  in  der  Linie  Kabrau-Schellmühl  augelegt  wurden,  beginnen.  Wie  aus 
Anhang  I  hervorgeht,  suchte  der  Herzog  als  Grundsatz  festzuhalten,  dass 
der  Batteriebau  gleichzeitig  mit  dem  Bau  der  Tranchee,  also  in  der  ersten 
Nacht,  erfolgte,  und  da  dies  nicht  ausführbar  war,  sucht  er  es  in  seiner  Dar- 
stellung der  Belagemngsarbeiteu  als  wirklich  ausgeführt  hinzustellen,  um 
jeden  Vorwurf,  der  aus  der  Nichtbefolgnng  des  damals  geltenden  Grundsatzes 
erhoben  werden  könnte,  von  sich  abzuweisen.  Dies  Verfahren  ist  zur  Beur- 
theilung  des  aperen  höchst  charakteristisch. 

*)  Campredon  150. 

*)  Ebenda.  Nach  dem  Tagebuch  des  preussischen  Landwehr-Bataillons 
No.  18,  welches  seit  dem  17.  das  BataiUon  No.  10  in  Langfuhr  abgelöst 
hatte,  hat  die  Batterie  schon  am  19.  das  Feuer  eröffnet. 

»)  Ebenda. 

*)  Punet.    Tagebuch. 

*;  Campredon  151. 


380 

September,  ebenso  fruchtlos  wiederholt^).  Fortsetzung  der  Arbeiten  Gudin- 
Fischer  und  der  Batterie  Klein-Schellmühl  *). 

Am  24.  In  der  Nacht  zum  24.  wird  die  Batterie  Klein- 
Schellmühl  beendet.  Von  selten  des  Belagerten  werden  die 
Bäume  der  Allee  bei  Aller  Engeln  gefällt.  Fortsetzung  der 
Arbeiten^). 

Am  25.  In  der  Nacht  zum  25.  werden  die  Batterien  bei 
Gross-  und  Klein-Schellmühl  mit  12  —  24Pfündern  und  2  Hau- 
bitzen armirt*).  Von  seiten  des  Belagerten  wird  die  Batterie 
Liedot  bewaffnet.  Am  Tage  Eröffnung  des  Feuers.  Die  Werke 
des  Retranchements  Zigankenberg  werden  auf  18  Fuss  Brust- 
wehrstärke gebracht  % 

Am  26.  Wegen  Ausbesserung  der  Batterien  schweigt  das 
Feuer.  Hinter  den  Batterien  Kirgener  und  Montbrun  werden 
Baracken  für  das  Retranchement  erbaut^). 

Am  27.  Liinette  Cretin  am  Fort  Montebello  begonnen. 
Am  Tage  beginnt  ein  heftiger  (jesehützkampf,  der  5  Stunden 
währt,  und  woran  auch  die  Werke  von  Neu-Schottland  theil- 
nehmen,  die  durch  4  Mörser  und  4  Haubitzen  vorstärkt  worden 
sind^).     Die  Bomben  erreichen  das  Bastion  St.  Jakob. 

220  preussische  Artilleristen  kamen  mit  16  Mörsern  und 
5  Haubitzen  aus  Graudenz  an  ®).  Es  ist  der  letzte  der  preussi- 
schen  Transporte. 

Am  28.  Die  Batterie  Delzons  wird  beendet,  ebenso  die 
Hohlräume  des  Retranchements  Zigankenberg.  Die  Batterien 
Gudin  und  Fischer  werden  mit  Palisaden  verstärkt^).  Auf 
Seiten    des   Angreifers   wird  an    dem  Ausbau    der  Werke    der 


^)  Tagebuch  des  Majors  Hake  (Kriegä- Archiv)  und  diejenige  der  Division 
Heudelet  126. 

2)  Camprcdou  152.    d'Artois  285.    Apercu  246. 

3)  Campredou  152.    d'Artois  282. 

*)  Aper<;ii  247.    Campredou  152.    d'Artois  282. 

»)  d'Artois  281. 

ö)  Campredon  153. 

')  Apercu  247. 

»)  Ebenda. 

^)  Campredou  154. 


381 

Kontravallation  gearbeitet,   die  bisher  nur  aus  Aufwürfen  be- 
standen '). 

Am  29.  wird  die  Ausschiffung  der  Geschütze  bei  Koliebken 
beendet.  Die  Russen  vernieliren  die  Zahl  ihrer  Barken  auf  der 
Inundation.  Der  Kapitain-Lieutenant  Kaarulow  der  Marine  er- 
hält den  Befehl  darüber  2). 

Am  30.  zeigt  sich  der  Belagerte  mit  4  bewaffneten  Fahr- 
zeugen auf  der  Inundation,  wird  aber  vertrieben'*).  Gleiches 
behauptet  d'Artois  zu  gunsten  der  Franzosen*). 

Der   Herzog    verlegt   am   1.   Oktober    sein   Hauptquartier    Oktober. 
nach  Pelonken. 

Der  Stand  der  Besatzung  ohne  Beamte  betrug  am  1.  Ok- 
tober nur  noch  19 (XK)  Mann*'). 

In  der  Nacht  fand  der  erste  Frost  statt.  Nach  dem  AperQu 
251  soll  an  diesem  Tage  eine  heftige  Beschiessung  stattgefunden 
haben  ®). 

Am  2.  Oktober  fallen  nur  w-enige  Schüsse  gegen  die  Ar- 
beiter. Nur  die  Beschiessung  des  ßctranchements  von  Ziganken- 
berg  durch  die  Batterien  vom  Belvedere,  Pitzkendorf  und  Johannis- 
berg  wird  fortgesetzt. 

Eine  Kompagnie  Festungs-Artillerie  kommt  aus  Riga  an, 
auch  eine  Pontonier-Kompagnie '). 

Ein  Kabinetsschreiben  langt  an  mit  19  eisernen  Kreuzen 
und  dem  Avancement  der  Majors  Graf  Dohna  und  Pullet  zu 
Oberstlieutenants  *). 

*)  Apercu  250.  Campretion  (157)  bemerkt  noch  unter  dem  3.  Oktober, 
class  er  die  nenen  Arbeiten  des  Angreifer»  vom  Zigankenberg  und  den  Höhen 
von  Schidlitz  aus  rekognuscirt  habe,  am  6.  gemeinschaftlich  mit  Rapp  die 
vor  dem  Bischofsberg. 

*)  Ebenda.  Nach  Campredon  S.  154  steUte  der  Belagerer  an  diesem 
Tage  eine  Kommunikation  von  Striesshof  nach  Lauenthal  her. 

')  Ebenda  251. 

*)  d'Artois  285. 

*)  Campredon  156.  Nach  Düring  95  war  die  Besatzung  nur  noch  17000 
Mann  stark,  also  halb  so  stark  wie  im  Januar. 

•)  Das  ist  jedenfalls  ein  Irrthum.  Nach  den  französischen  Berichten 
ist  seit  dem  27.  und  bis  in  den  Oktober  hinein  nur  wenig  geschossen  worden. 

^)  Apcrqu  251. 

")  Tagebuch  des  Majors  von  Hake.  Der  Major,  bisher  Generalstabsofficier 
beim  Grafen  Dohna,  wird  zum  Herzoge  kommandirt. 


382 

Oktober.  PuIlet  drückt  sich  über  die  Thätigkeit  des  Belageren  in 

dieser  Zeit,  wie  folgt,  aus ').  „Vom  1.  bis  9.  Oktober  sind  ausser 
einer  geschlossenen  Batterie  im  Garten  von  Aschbude  (Kabrun)  ^), 
um  die  Stadt  zu  haubitziren,  fortwährend  die  Vorbereitungen 
zur  Eröffnung  der  Parallele  (gegen  den  Bischofsberg)  mit  aller 
Anstrengung  betrieben,  auch  die  durch  das  feindliche  Geschütz 
häufig  in  den  Palisadirungen  und  Scharten  ruinirten  Batterien 
in  gehörigem  Zustande  gehalten  —  und  endlich  eine  völlig 
durch  boyeaux  gedeckte  Kommunikation  von  Neu -Schottland 
nach  Reiershof  gefertigt  worden".  Wie  Carapredon  unterm 
2.  Oktober  berichtet'),  war  auch  der  Belagerte  hauptsächlich 
mit  Arbeiten  beschäftigt  und,  wie  seine  Arbeiten  zur  Ver- 
stärkung des  Retranchements  und  der  Batterien  Gudin  und 
Fischer  sowie  derjenigen  auf  dem  Holm  (Liedot  und  du  Moulin) 
beweisen,  immer  in  dem  Glauben  befangen,  dass  die  Olivaer 
Front  angegriffen  werden  würde. 

Am  4.  Oktober  erscheinen  bei  Ohra  auf  der  Mottlau  12 
bewaffnete  Fahrzeuge  der  Russen,  wovon  5  mit  Kanonen  aus- 
gerüstet sind. 

Am  6.  Oktober  führen  die  Russen  eine  Tranchee  gegen 
den  Zigankenberg  aus,  daran  schliesst  sich  der  Bau  einer  Re- 
dute Nr.  16  (k")*)  an  dem  Wege  zwischen  Dreilinden  und  Pitzken- 
dorf.  Die  Batterien  Kirgener,  Istrien  und  Caulincourt  be- 
schiessen  diese  Arbeiten. 


*)  Tagebuch  Pullets  über  die  Ingenieur- Arbeiten.     Kriegs- Archiv  F.  9. 

•)  Der  Bau  der  Batterie  wurde  vom  Belagerten  zuerst  am  5.  Oktober 
entdeckt.  Campredon  158.  d'Artois  293.  Diese  übereinstimmenden  Nach- 
richten setzen  die  Unzuverlässigkeit  des  aper^u,  die  sich  auch  inbezug  auf 
die  Batterien  von  Schellmühl  ausdrückt,  deren  Bau  es  schon  in  der  Nacht 
vom  17.  zum  18.  September  beginnen  lässt,  in  das  richtige  Licht.  Nach  dem- 
selben ist  der  Bau  der  Batterie  schon  am  26.  beendet  worden,  so  dass  sie 
schon  an  der  Beschiessung  vom  27.  theilgenommen  hat. 

')  Campredon  156. 

*)  Ebenda  159.  d'Artois  (S.  293)  lässt  sogar  eine  Verbindung  dieser 
Arbeiten  über  den  Galgenberg  nach  den  Laufgräben  vor  Laogfuhr  herstellen. 
Nach  dem  aper^u  erfolgte  der  Ausbau  dieser  Redate  (No.  16),  welche  schon 
während  des  Waifenstil  Island  es  flüchtig  aufgeworfen  worden  sein  soll,  erst 
am  26.  Oktober,  was  auch  Düring  (S.  211)  zu  bestätigen  scheint. 


383 

Am    7.    Oktober.    Die    Beschiessung    des    Retranchements    Oktober. 
Zigankenberg  hält  noch  immer  an. 

Am  8.  eröffnet  die  Batterie  Asciibude,  welche  mit  4  Mörsern 
ausgerüstet  ist,  wozu  später  noch  2  — 8zöllige  Haubitzen  kamen, 
das  Feuer  ^). 

Am  9.  um  10  Uhr  morgens  wird  aus  allen  Batterien  des 
Belagerers  sehr  lebhaft  geschossen.  Das  Feuer  dauert  jedoch 
nur  eine  Stunde.  Der  General  Rapp  lässt  infolgedessen  die 
in  der  Altstadt  befindlichen  Militair- Etablissements  räumen, 
namentlich  das  Pulvermagazin  im  alten  Thorgebäude  des 
Bastions  St.  Jakob,  das  Lazareth  im  Pockenhaus,  die  Be- 
kleidungs-Niederlagen in  den  Kirchen  u.  s.  w.  Die  Vorräthe 
werden  theils  nach  der  Speicherinsel  theils  nach  der  Vorstadt 
gebracht.    Die  Kasernen  im  Holzraum  werden  geräumt*). 

Der  Frost  lässt  wieder  nach,  und  es  tritt  Regenwetter 
ein  '). 

Am  10.  machen  die  Belagerten  auf  Booten  einen  Ausfall 
gegen  Plönendorf,  bemächtigen  sich  daselbst  einer  Windmühle, 
die  sie  zerlegen  und  nach  der  Stadt  führen. 

Um  7  Uhr  abends  beginnt  ein  heftiges  Bombardement 
gegen  die  Altstadt,  um  die  Aufmerksamkeit  der  Besatzung  ab- 
zuziehen, da  der  Herzog  einen  Angriff  auf  die  Schottenhäuser 
beabsichtigt.  Es  hat  auch  den  Erfolg,  dass  um  8Va  Uhr  im 
Dominikaner  -  Kloster  Feuer  ausbricht.  Das  Klostergebäude 
diente  als  Lazareth  für  150  kriegsgefangene  Russen,  von  denen 
25  verbrannten.  Glücklicherweise  gelang  es  der  Besatzung,  ein 
weiteres  Umsichgreifen  des  Feuers  zu  verhindern.  Die  Ein- 
wohner verhielten  sich  dabei  sehr  indolent*). 


>)  Nach  dem  Bericht  des  Majors  Liebe  (Kriegs-Archiv  F.  No.  9)  ist  die 
Batterie  zuuächst  nur  mit  2  — SzöUigen  Haubitzen  ansgerttstet  und  beginnt 
erst  am  10.  das  Feuer,  was  jedoch  ein  Irrthum  sein  mag,  da  Campredon  160 
und  d'Artois  294  übereinstimmen,  dass  die  Batterie  am  8.  das  Fener  eröff- 
net hat. 

*)  d*Artois  294.  Campredon.  von  Düring  98,  der  auch  noch  das  hei- 
lige Leichnams-Hospital  erwähnt,  das  geräumt  wurde. 

*)  Campredon  161. 

<)  Ebenda  162.    d'Artois  296.    Blech  2,  2.38. 


384 


Die  Erstürmung  der  Scliottenhäuser  Hohen  am 

10.  Oktober. 

Die  Quellen  über  das  Gefecht  vom  10.  Oktober  sind  sehr 
zahlreich,  darunter  viele  von  Augenzeugen.  Zuverlässig  sind 
jedoch  nur  die  Originalberichte.  Alle  späteren  Darstellungen, 
selbst  von  Augenzeugen,  unterliegen  den  Einflüssen  mensch- 
lisclier  Schwäche.  So  ist  die  Darstellung  im  Apercu  gerade- 
zu gefälscht,  weil  sie  die  ausgegebene  Disposition  falsch  wieder- 
giebt,  um  danach  den  Thatbestand  zu  verdunkeln. 

Sie  erwähnt  mit  keinem  Wort,  dass  die  Kolonne  des 
Majors  Julius  unter  dem  Befehle  des  Grafen  Dohna  stand,  und 
weist  ihr  in  der  Disposition  den  Auftrag  zu,  sich  der  beiden 
Schanzen  rechts  der  Scliottenhäuser  *)  zu  bemächtigen,  während 
sie  nach  der  ursprünglichen  Disposition  die  Special-Reserve  für 
die  1.  Kolonne  bildete  und  erst  in  Thätigkeit  trat,  als  der 
Ausfall  der  Besatzung  in  2  Kolonnen  stattfand*).  Die  Ein- 
nahme der  beiden  Schanzen  fiel  der  1.  Kolonne  zu  und  wurde 
vom  Major. von  Me3'er  mit  dem  14.  Landwehr-Bataillon  prompt 
ausgeführt.  Ich  halte  mich  daher  in  Folgendem  strikte  an 
den  Bericht  des  Grafen  Dohna  vom  12.  Oktober  an  den  König*). 

....  Die  1.  Kolonne  bestand  aus  dem  russischen  Bataillon 
Grenkowitz,  200  Arbeitern,  dem  16.,  9.  und  14.  Bataillon  preu- 
ssischer  Landwehr,  der  1.  russischen  Druschine  der  Petersburger 
Landwehr  und  annoch  50  Arbeitern.  Zu  dieser  Kolonne  ge- 
hörten 4  Wagen  mit  Brettern  und  4  Wagen  mit  Sturmleitern, 
Brecheisen  und  andern  zum  Sturm  nöthigen  Dingen.  Die  2. 
Kolonne  bestand  aus  2  Bataillonen  des  Regiments  Briansk,  2 
Eskadrons  des  Kasan'schen  Dragoner-Regiments,  einer  Eskadron 
von  der  5.  Landwehr-Abtheilung  und  einer  russischen  Batterie 


^)  Es  sind  die  Stern-  und  die  Hauptraanns-Schanze  gemeint. 

*)  In  der  Eingabe  des  Herzogs  über  Anszeicknnngen  für  das  Gefecht 
V.  10.  heisst  es  beim  Major  JuUus:  „Führt«  die  2.  Kolonne  und  rückte  mit 
selbiger  vor,  als  der  Feind  mit  2  Kolonnen  einen  AusfaU  machte''.  Das  ist 
ganz  übereinstimmend  mit  dem  Bericht  des  Grafen  Dohna  an  den  König, 
aber  im  vollen  Gegensatz  zur  Darstellung  im  Apergu. 

")  Kriegs-Archiv  F.  8.  Ganz  übereinstimmend  damit  ist  der  Bericht 
der  4.  Land  weh  rbrigade  und  namentlich  dadurch  wichtig,  dass  er  die  Dispo- 
sition des  Herzogs  wörtlich  wiedergiebt.     Kr.-Arch.  F.  9.  S.  7  ff. 


385 


von  Grebel.  Diese  2.  Kolonne  stand  unmittelbar  unter  dem 
Befehle  des  russischen  Majors  Julius,  beide  Kolonnen  aber  an- 
mittelbar unter  mir,  da  mir  die  Expedition  übertragen  war. 
Die  3.  Kolonne,  welche  die  Reserve  bildete,  bestand  aus  3  Es- 
kadrons  von  der  4.  Kavallerie-Abthoilung  der  Landwehr,  einer 
Eskadron  der  5.  Abtheilung,  4  Eskadrons  des  Kasan'schen  Dra- 
goner-Regiments, 1  Bataillon  preussischer  Landwehr,  1  Bataillon 
Druschinen.  1  Bataillon  vom  4.  Jägerregiment,  einer  6 pfundigen 
Batterie  Sommer,  1  —  6  pfundigen  russischen  Batterie,  2  Ba- 
taillonen Druschinen  und  1  Bataillon  vom  1.  See-Regiment.  Diese 
Kolonne  stand  unter  dem  russischen  General  Kulibakin. 

Man  hatte  die  Absicht,  auf  der  Höhe  zwischen  den  Schotten- 
häusem  und  Ohra  einen  Laufgraben  anzulegen,  und  es  kam  da- 
her bei  dieser  Expedition  darauf  an,  sich  eines  Blockhauses 
von  sehr  erheblicher  Stärke*)  (es  ist  ein  altes  sehr  massives 
Gebäude),  ferner  einer  Schanze^)  auf  der  Höhe  links  von  den 
SchottenhäuseiTi ,  die  unter  dem  Kartätschfeuer  der  Juden- 
schanze ')  lag,  einer  Batterie  von  3  Kanonen,  die  refusirt  in 
der  Vorstadt  stand,, und  zweier  Reduten  rechts  von  den  Schotten- 
häusern zwischen  da  und  Ohra  zu  bemächtigen.  Zu  diesem 
Zweck  sollte  die  1.  Kolonne  so  verdeckt  als  möglich  an  die 
Schottenhäuser  herangehen.  Der  russische  Major  Grenkowitz 
sollte  mit  seinem  Bataillon  (die  Spitze  haben  und)  dergestalt 
vorrficken,  dass  er  das  Blockhaus  umging,  die  Radaune  passirte 


>)  Plan  Taf.  VI.  B. 

*)  Die  Lientenantsschanze. 

')  unter  Jadenschanze  kann  hier  mir  die  Jesniterschanze  gemeint  sein. 
Zwar  kommt  in  andern  Berichten  neben  der  Jesniterschanze,  wie  die  „batteries 
Frionl"  genannt  werden,  auch  die  Judenschanze  vor,  aber  als  Bezeichnung 
für  den  Posten  des  Sergeanten  (vgl.  oben  S.  333).  Dieser  Posten  hat  jedoch 
nie  Geschütz  enthalten.  Das  eigenthümliche  Tracee  der  batteries  Frioul,  in 
dem  sie  sich  ans  zwei  Lünetten  darstellten,  hat  den  Belagerer  dazn  verleitet, 
eine  Juden-  und  eine  Jesniterschanze  anzunehmen,  und  da  die  Truppen 
vorzngs weise  von  der  ersteren  belästigt  wurden,  deren  linke  Face  dahin  schlug, 
so  hielt  man  dafür,  dass  sie  abgesondert  anf  dem  Judenberge  lag.  Pullet 
hat  in  den  Skizzen,  die  er  seinen  Berichten  an  den  König  beilegte,  die  Jnden- 
scbanze  wirklich  auf  den  Judenberg  eingetragen,  und  erst  in  der  Skizze  seines 
letzten  Berichts  vom  23.  Novbr.  wird  der  Posten  des  Sergeanten  als  Jnden- 
schanze  bezeichnet. 

Köhler,  Geschichte  der  Festangen  Danzig  und  Weichselmünde.    II.  26 


386 


und  sich  mit  der  Front  gegen  Danzig,  an  die  üeberscliwemmnng 
und  an  die  Kadaune  lehnte,  wobei  er  sich  eines  Dammes  in 
seiner  rechten  Flanke  zu  bemächtigen  hatte,  welcher  zu  einem 
feindlichen  Posten  in  der  Niederung  führt.  —  Der  Major  von 
Hülsen  sollte  mit  2  Kompagnien  des  9.  Bataillons  die  beiden 
Schanzen  rechts  der  Schottenhäuser  nehmen  und  mit  2  Kompag- 
nien das  Blockhaus  von  seiner  Seite  einschliessen.  —  Der 
Major  von  Brockhusen  sollte  mit  dem  16.  Bataillon  links  bei  den 
Schottenhäusern  vorbeigehen,  mit  einem  Theil  seines  Bataillons 
die  Radaune  auf  Brettern  passiren  und  sich  dem  Major  Gren- 
kowitz  anschliessen,  um  die  Bewegungen  des  Feindes  zu  beob- 
achten. Mit  dem  andern  Theil  seines  Bataillons  sollte  er  links 
auf  die  Höhe  gehen  und  die  dort  liegende  Schanze  nehmen  und 
mit  dem  3.  Theil  des  Bataillons  das  Blockhaus  beobachten. 
Das  14.  Bataillon  unter  dem  Major  von  Meyer  sollte  als  1.  Reserve 
dicht  bei  den  Schottenhäusern  stehen  bleiben.  Die  1.  Peters- 
burger Druschine  sollte  anfangs  als  Reserve  hinten  aufgestellt 
werden. 

Die  2.  Kolonne  unter  Major  Julius  sollte  en  reserve  rechts 
unter  der  Batterie  am  Kosackenberge  stehen  bleiben  und  die 
eigentliche  Reserve  unter  dem  General  von  Kolubakin  ihre  Po- 
sition zwischen  dem  Kosackenberge  und  Wonneberg  einnehmen. 

Eine  halbe  Stunde  nach  Eintritt  der  Dunkelheit  wurde  ein 
falscher  Angriflf  auf  der  Seite  von  Langfuhr  und  Pitzkendorf 
gemacht^).  Eine  Stunde  nach  dem  Finsterwerden  wurden  die 
2  ersten  Kolonnen,  wie  es  befohlen  war,  vor  Schönfeld  ver- 
sammelt und  zu  ihrem  Zweck  formirt.  Die  1.  Kolonne  ging 
links  um  den  Kosackenberg  durch  Thäler  bis  an  die  Schotten- 
häuser. Die  2.  Kolonne  ging  rechts  von  dem  Berge  weg  und 
setzte  sich  unweit  dem  Eingang  des  Hauptthaies.  Man  setzte 
sich  in  aller  Stille  in  Marsch.  Als  die  1.  Kolonne  dicht  vor 
den  Schottenhäusern  ankam,  erhielt  sie  auf  40  Schritt  ein  sehr 


*)  Der  Oberst  Tnrtschaminow,  der  ihn  auf  der  Seite  von  Langfuhr  führte, 
während  der  Oberst  Treskin  von  Pitzkendorf  gegen  Zigankendorf  vorging, 
entledigte  sich  seines  Auftrags  mit  vieler  Umsicht.  Auf  der  ganzen  Front 
von  der  Weichsel  bis  zu  den  Bergen  wurde  ein  lebhaftes  Tirailleur-Feuer 
unterhalten  und  sämmtliche  Kanonen-Batterien  waren  gegen  die  Werke  des 
Vertheidigers  in  Thätigkeit  gesetzt. 


387 

heftiges  Feuer  aus  den  Häuseni  und  einigen  Retranchements. 
Der  Feind,   der  von  unserer  Absicht  durch  irgend  eine  Ver- 
räthei-ei    unterrichtet   war,    hatte    sich  völlig   vorbereitet  und 
empfing  uns  mit  allen  Vortlieilen,   die  auf  seiner  Seite  benutzt 
werden  konnten.    Wir  fanden  auf  diesem  Fleck,  wo  sonst  eine 
Wache  von  8  Mann,  sowohl  tags  wie  nachts  gewesen  war,  mehr 
als  ein  Bataillon  und  hinter  diesem  war  alles  noch  stark  be- 
setzt.     Das   russische   Bataillon   stockte,    das    16.  preussische 
Landwehr-Bataillon,  welches  unmittelbar  folgte,  nahm  mit  dem 
Bajonett  die  Höhen  und  Retranchements  links  von  den  Schotten- 
häusern.   Die  alte  Disposition  konnte  nunmehr  nicht  mehr  be- 
folgt werden,   da  die  an   der   Tete   befindlichen  Arbeiter  zer- 
sprengt waren,  so  dass  es  an  den  nöthigen  Hilfsmitteln  fehlte, 
die  Radaune  zu  überschreiten  und  die  Palisaden  abzuhauen.    Ich 
richtete  daher  den  Angriff  den  nunmehr  obwaltenden  Verhält- 
nissen nach  ein,  schickte  unter  dem  Befehl  des  Brigadiers  Grafen 
Eulenburg  sogleich  das  16.  und  9.  Bataillon  theils  in  gerader 
Richtung,  das  Blockhaus  rechts  lassend,  vorwärts,  theils  links 
auf  die  Höhe.    Das  14.  Bataillon  wurde  rechts  dicht  an  den 
Schottenhäusern  vorbei  geschickt,  um  an  stelle  des  9.  die  beiden 
Reduten  zu  nehmen.     Das  rechte  Ufer  der  Radaune  war  zu 
stark  besetzt,  und  es  war  daher  unmöglich,  Brücken  über  die.Ra- 
daune  zu  schlagen.    Man  beschränkte  sich  also  darauf,  bis  an  die 
Radaune  vorzudringen,  um  den  Feind  vom  linken  Ufer  zu  be- 
schiessen.    Hierbei  that  das  russische  Bataillon  Grenkowitz  sich 
besonders  heiTor.     Die  Majore  Brockhusen    und  Hülsen  ver- 
trieben den  Feind  von  den  Höhen  links,  und  ersterer  nahm  die 
dort  befindliche  Schanze.     Die  1.  Druschine  Petersburg  wurde 
ebenfalls  nach  dieser  Seite  herangezogen.    Das  linke  Ufer  der 
Radaune   war  vom  Feinde  gereinigt.     Der  Major  von  Meyer 
nahm  die  beiden  Schanzen  rechts  mit  vieler  Entschlossenheit. 
Bei  allen  diesen  Bewegungen  war  das  Blockhaus  sehr  im  Wege, 
zugleich  war  das  Geschtitzfeuer  sowohl  von  der  Judenschanze 
als  von  einer  an  der  üeberschwemmung  liegenden  Batterie  und 
der  Batterie  in  Ohra  sehr  heftig.    Ich  schickte  dem  Major  Ju- 
lius nunmehr  den  Befehl,  mit  Ausnahme  der  Batterie  heranzu- 
rücken, und  liess  den  Oapitain  von  Gayette  avertiren,  dass  er  die 
Schanzarbeiten  beginnen  könne.     Der  Major  Julius  stellte  sich 

25* 


388 

dicht  bei  den  Schottenhäusern  auf  und  schickte  Kayallerie  und 
Schützendetachements  zur  Deckung  der  linken  Flanke  vor.  Um 
12  Uhr  wurde  die  Trancheo  eröffnet.  Um  sich  des  Blockhauses 
zu  bemächtigen,  wurden  zwei  Haubitzen  der  Batterie  Sommer 
unter  Bedeckung  einer  Eskadron  der  5.  Kavallerie-Abtheilung 
und  2  Haubitzen  der  Batterie  v.  Grebel  herangezogen,  jedoch 
konnten  sie  nichts  effektuiren,  indem  das  Blockhaus  zu  massiv 
war  und  etwas  verdeckt  stand,  so  dass  die  Ecke  des  Hauses 
nicht  gefasst  werden  konnte". 

So  standen  die  Sachen,  als  gegen  ein  ühr^)  der  franzö- 
sische Ausfall  erfolgte.  Wir  müssen  uns  daher  jetzt  den  fran- 
zösischen Quellen  zuwenden,  von  denen  das  Tagebuch  der  Di- 
vision Heudelet  die  zuverlässigste  ist. 

Der  General  Rapp  hatte  ziemlich  spät  die  üeberzeugung 
gewonnen,  dass  die  Angriffe  von  Ijangfuhr  und  Pitzkendorf  her 
nur  zum  Scheine  waren.  Er  nahm  darauf,  was  er  in  der  Stadt 
zur  Hand  hatte  —  es  mochten  gegen  2000  Mann  sein  —  zu- 
sammen und  sendete  sie  unter  dem  General  Husson  gegen  Ohra 
vor. 

Der  General  disponirte  über  seine  Truppen  in  folgender 
Weise.  Der  Major  Dauger  ersteigt  mit  dem  Elitebataillon  der 
7.  Balbbrigade  auf  dem  planirten  Wege  am  Jesuiterkollegium 
die  Höhe,  wirft  den  daselbst  befindlichen  Feind  zurück  und 
verjagt  ihn  aus  den  Posten  des  Sergeanten  und  des  Lieutenants. 
In  2.  Linie  folgen  ihm  zu  seiner  Unterstützung  400  Polen  als 
Flankendeckung,  und  um  ihn  nöthigenfalls  aufzunehmen.  Der 
Bataillonschef  Charton  debuchirt  an  der  Spitze  von  300  Mann 
der  6.  Halbbrigade  aus  der  Barriere  der  Kupttre  von  Stadt- 
gebiet und  wendet  sich  gegen  den  Hauptmannsposten  und  darauf 
gegen  die  Sternschanze,  welche  vom  Feinde  besetzt  sind.  Vierzig 
Mann  nehmen  in  den  Schluchten,  welche  zu  den  Reduten  Friaul 
und   den   Blockhäusern    am   Judenkirchhof  und   in   Weinberg 


^)  üeber  die  Zeit,  wo  der  Ausfall  sich  wirksam  zeigte,  gehen  die  Nach- 
richten sehr  auseinander.  D^Artois  sagt  um  11  Uhr  abends,  das  Tagebuch 
der  Division  Heudelet  uin  Mittemacht,  Brederlow  (Allgem.  Mil.-Zeitung  1880 
S.  188)  1  Uhr,  womit  auch  Canipredon  S.  163  übereinstimmt,  die  Berichte 
einzelner  Truppentheile  (Kriegs-Arch.  F.  9)  2  Uhr,  der  Bericht  Dohna's  sogar 
3  Uhr  morgens. 


389 


führeil,  Aufstellung  zu  deren  Schutz.  Die  300  Manu  der  8. 
Halbbrigade  dienen  vorwärts  des  Petershagener  Thores  als 
Reserve.  Die  Kupfire  und  die  Blockhäuser  am  Stadtgebiet 
bleiben  vom  Major  Legros  besetzt^). 

Der  Major  Dauger  und  der  Bataillonschef  Chartou  führten 
ihre  Aufträge  prompt  und  zu  gleicher  Zeit  aus  und  be- 
mächtigten sich  der  genannten  Posten  und  der  Schottenhäuser. 
Die  Arbeiten  am  Laufgraben  waren  seit  9  Uhr  jedoch  so  weit 
vorgeschritten,  dass  sie  nur  momentan  unterbrochen  wurden. 
Die  Geschütze  der  Reduten  Friaul  und  der  Kupüre  waren  die 
ganze  Zeit  über  in  Thätigkeit  geblieben  und  hatten  ihr  Feuer 
gegen  die  feindlichen  Reserven  gerichtet.  Wie  es  scheint,  hatte 
sich  der  Major  Dauger  jedoch  mit  der  Wiedergewinnung  des 
Plateaus  begnügt  und  der  Bataillonschef  Charten  war  nach  der 
Besitznahme  der  Sternschanze  gegen  das  Hölzchen  von  Ohra 
vorgegangen.  Der  Graf  Dohna,  unterstützt  von  2  Bataillonen 
der  Reserve,  welche  der  Oberst  Bagajewski  herbeiführte,  be- 
nutzte das,  um  sich  wieder  in  den  Besitz  der  Schottenhäuser 
zu  setzen  ^).  Die  Arbeiten  an  den  Laufgräben  konnten  wieder 
aufgenommen  werden,  obgleich  sie  vom  Hauptmanusposten  und 
der  Sternschanze  beschossen  wurden.  Die  leitenden  Ingenieur- 
officiere  halfen  sich,  indem  sie  Traversen  auf  warfen  und  auf 
dem  rechten  Flügel  einen  Haken  bildeten,  der  gegen  300  Schritt 


0  Tagebuch  der  Division  Heudelet  S.  129. 

*)  Die  russischen  Berichte  (das  Jurnal  im  Archiv  nnd  bei  Plotho)  sagen 
irrthamlich ,  dass  der  Hauptmannsposten  und  die  Stemschanze  noch  in  der 
Nacht  wiedergenommen  wurden,  und  das  apercju  geht  sogar  (S.  274)  so  weit 
zu  behaupten,  dass  das  Plateau  der  Stcrnschauze  fortwährend  im  Besitz  des 
Majors  Julius  geblieben  sei.  Der  preussische  Landwehrofficier  von  Brederlow, 
welcher  dem  Gefechte  beiwohnte,  sagt  in  einem  Briefe  vom  17.  Oktober 
(Allgem.  Milit.-Zeitung  von  1880  S.  188)  darüber,  dass  die  Franzosen,  nachdem 
sie  den  Grafen  Dohna  aus  den  Schotteuhäusem  vertrieben,  sich  an  den  Häusern 
(von  Ohra)  fortgescb liehen  und  „von  dort  ans  uns  genöthigt  hätten,  alles  zu 
verlassen**.  Sie  wären  dann  bis  ins  Ohraer  Wäldchen  vorgedrungen,  was 
Dohna  benutzt  habe,  um  von  neuem  anzugreifen.  „Wir  behaupteten",  fährt  er 
fort,  „den  Berg  rechts  der  Schottenhäuser,  die  vordem  Häuser  bis  ans  Block- 
haus (B)  und  konnten  in  derselben  Nacht  und  tags  darauf  im  feindlichen 
Feuer  die  Tranchee  anlegen,  die  seit  2  Tagen  (und  Nächten)  zwei  Reduten 
(Nr.  33  und  34,  oder  e"  und  f")  hat"»  Das  stimmt  mit  den  französischen 
Berichten  überein. 


390 


von  den  feindlicheii  I^osten  ablag*),  möglichist  dagegen  ge- 
schätzt. 

Das  Gefecht  dauerte  die  ganze  Nacht  hindurch.  Der  Ge- 
neral Rapp  musste  sich  überzeugen,  dass  er  bei  der  hartnäckigen 
Ausdauer  des  Feindes  eine  Auffrischung  seiner  im  Gefecht  be- 
findlichen Truppen  werde  eintreten  lassen  oder  die  vorgescho- 
bene Position  werde  aufgeben  müssen.  Da  er  die  Mittel  zu 
ersterem  nicht  mehr  besass,  zog  er  um  9  Uhr  morgens  (S.  11) 
die  Truppen  des  Generals  Husson  in  die  Stadt  zurück  und  über- 
liess  den  Vorpostenkommandeur  seinem  Schicksale. 

Der  Verlust  war  auf  selten  der  AUiirten  sehr  bedeutend. 
Er  belief  sich  auf  3  Officiere,  80  Mann  todt  und  6  Officiere, 
362  Mann  verwundet^).  Auf  französischer  Seite  giebt  Dttring 
S.  109  den  Verlust  auf  5  Officiere,  123  an  Todten,  Verwundeten 
und  Gefangenen  an.  Nach  dem  Tagebuch  der  Division  Heudelet 
S.  131  betrug  er  allein  für  die  Division,  der  die  Truppen  aller- 
dings fast  ausschliesslich  angehörten,  5  Officiere,  15  Mann  todt, 
8  Officiere,  114  Mann  verwundet.  Man  kann  diese  Zahlen  als 
officiell  betrachten  und  danach  die  blossen  Schätzungen  beur- 
theilen.  Das  apergu  und  Blech  geben  den  Verlust  der  Fran- 
zosen auf  700,  das  russische  Jurnal  und  Plotho  sogar  auf  1000 
Mann  an. 

Die  Russen  hatten  den  Tod  des  Obersten  Bagajewski  zu 
beklagen,  der  allgemein  bedauert  wurde.  Preussischerseits  blieb 
der  Graf  Kayserlingk.  Der  Hauptmann  von  Podewils  wurde 
scliwer  verwundet  und  starb  bald  darauf.  Von  französischen 
Officieren  wurden  der  Generallieutenant  Campredon  und  der 
General  Husson  leicht  verwundet. 

In  den  russischen  Berichten  werden  rühmend  erwähnt  der 


*)  Die  Arbeit  an  der  Traucliee  wird  vom  d'Aitois  (S.  299)  und  Cauipredou 
(S.  163)  bestätigt.  „Campredon  erklärt  ausdrücklieb,  dass  die  Posten  von 
9  bis  1  Ubr  im  Besitz  der  Russen  gewesen  sind  und  au  der  Tranchee  fort^je- 
arbeitet  worden  ist. 

*)  Damit  stimmt  aucb  das  russische  Jamal  im  Archiv  überein  und  setzt 
ausdrücklich  hinzu,  dass  der  preusaische  Verlust  darin  einbegriflfeu  ist.  Plotho 
lässt  diese  Zahlen  jedoch  nur  für  die  Russen  gelten  und  giebt  den  Verlust 
der  3  preussischen  Landwehrbataillone,  die  am  Gefecht  theilnahraen,  auf 
}0  Officiere,  236  Mann  an. 


391 


Graf  Dohna,  Pullet,  die  Majors  Julius,  Grenkowitz  und  Bötticher, 
sowie  der  Hauptmann  von  Korf,  Chef  der  reitenden  Batterie 
No.  19,  in  den  französischen:  Husson  und  Legros. 

Gegen  die  nördliche  Front  wurde  das  Geschlitzfeuer  die 
ganze  Nacht  hindurch  unterhalten,  nur  die  Raketen  und  etwas 
später  die  Mörser  stellten  das  Feuer  früher  ein.  Gegen  Schidlitz 
und  Stolzenberg  waren  Scheinangriffe  gemacht  worden. 

Nach  dem  Abzüge  des  Generals  Husson  gelang  es  den  Alli- 
irten  leicht,  die  Franzosen  aus  den  vorgeschobenen  Posten  zu 
vertreiben.  Schon  um  10  Uhr  morgens  wurden  die  Sternschanze 
und  der  Hauptmannsposten  geräumt  ^).  Am  längsten  hielten  sich 
die  Franzosen  in  Ohra,  das  schliesslich  von  den  Russen  ver- 
brannt wurde,  allerdings  zu  ihrem  Nachtheil,  da  die  Franzosen 
dadurch  von  der  Eupüre  aus,  die  sie  behaupteten,  freies  Schuss- 
feld erhielten.  Der  Verlust  der  Franzosen  wird  an  diesem  Tage 
(dem  11.)  nach  dem  Tagebuche  der  Division  Heudelet  auf  10 
Todte  und  56  Verwundete  angegeben. 

Die  Franzosen  rühmen  sich,  dass  der  einfache  Aufwurf 
des  „poste  de  l'etoile'^  die  Russen  44  Tage  lang  (28.  August  bis 
10.  Oktober)  aufgehalten  habe.  Was  hätten  die  Russen  mit 
dem  Boden  machen  sollen,  den  sie  mit  soviel  Blut  getränkt 
hätten?  Sie  hätten  unnöthig  die  Aufmerksamkeit  der  Franzosen 
auf  den  Punkt  gelenkt  und  die  Ueberraschung  aufgegeben,  die 
ihnen  am  10.  Oktober  so  vortheilhaft  war,  dass  sie  vier  Stunden 
Zeit  gewannen,  um  sich  einzugraben,  bevor  Rapp  den  retour 
offensif  ausführte.  Die  Zeit  für  den  Angriff  am  10.  Oktober 
war  dadurch  genau  bestimmt,  dass  sie  erst  dann  die  erforder- 
liche Anzahl  von  Geschützen  und  Material  bereit  hatten,  um 
die  Jcsuiterschanze  pp.  bekämpfen  zu  können.  Ihre  früheren 
Angriffe  auf  den  Posten  hatten  nur  den  Zweck  geliabt,  den  Be- 


^)  Tagebuch  der  Division  Heudelet.  Uebereiustimmend  damit  das  Tage- 
buch vom  Major  v.  Hake.  Kriegs- Archiv  F.  9.  Nach  Campredon  trifft  das 
iinr  bei  der  Stenisehanze  zu,  der  Hauptmannsposten  soll  sich  bis  zum  Abend 
gehalten  haben.  D'Artois  lässt  beide  bis  zum  Abend  im  Besitz  der  Franzosen, 
was  von  dem  Tagebuch  Pnllet's  über  die  Ingenieur- Arbeiten  (Kriegs-Archiv 
d.  Gr.  Gen.-St.)  bestätigt  wird.  Hiernach  hätte  der  Augriff  der  Russen  erst 
nachmittags  4  Uhr  begonnen  und  zwar  von  Ohra  aus.  Von  den  beiden  Posten 
erwähnt  Fallet  aUerdmgs  nichts,  die  daher  schon  früher  geräumt  sein  können. 


392 


lagerten  mürbe  zu  machen  oder  in  einigen  Fällen  die  Aufmerk- 
samkeit desselben  von  andern  Punkten  abzulenken,  wie  am  29. 
August  und  16.  September. 

3.    Die  BeschlessuRfl  Danzlg's. 

Wie  aus  den  preussischen  Quellen  liervorgeht,  hatte  der 
Herzog,  indem  er  sich  der  Höhen  der  Schottenhäuser  bemäch- 
tigte, keineswegs  die  Absicht,  wie  er  es  nachträglich  infolge 
des  glücklichen  Ausgangs  behauptet  *),  die  Stadt  von  hier  ans 
zu  bombardiren.  Es  kam  ihm  vielmehr  darauf  an,  sich  eine 
Position  zu  schaffen,  die  mit  Anlehnung  an  die  Inundation  für 
das  Belagerungskorps  auf  dem  rechten  Flügel  eine  ähnliche 
Lage  herbeiführte,  wie  sie  durch  die  Stellung  von  Gross-  uud 
Klein-Schellmühl  mit  der  Anlehnung  an  die  Weichsel  der  linke 
Flügel  besass*).  Die  Position  an  den  Schottenhäusern  gewährte 
dabei  noch  den  Vortlieil,  bei  dem  projektirten  Angriff  auf  den 
Bischofsberg  den  rechten  Flügel  desselben,  der  sonst  ganz  in 
der  Luft  geschwebt  liätte,  zu  schützen  und  die  Jesuitei-schanze 
zu  bekämpfen  *),  welche  eine  Flaukirung  des  Angriffs  ausgeübt 
hätte.  Es  schien  dies  um  soniehr  gerechtfertigt,  als  die  Mittel 
zum  Angriff  des  Bischofsberges  noch  nicht  bereit  waren.  Aber 
täuschte  sich  der  Herzog  hierin  nicht?  Die  Ausschiffung  der 
Artillerie  war  seit  dem  29.  September  beendet,  die  sehr  an- 
sehnliche preussische  Artillerie  stand  zu  dieser  Zeit  bereits  im 
Park,  die  Munition  für  dieselbe  war  gefertigt*).  Wenn  man 
bedenkt,  dass  der  Marschall  Lefebvre  1807  die  1.  Parallele  er- 
öffnen Hess,  ohne  dass  seine  Artillerie  überhaupt  angelangt  war, 
und  dass  die  Laufgräben  bis  zur  3.  Parallele  vorpnssirt  wurden, 


>)  Apercu  280. 

•)  So  steUt  es  wenigstens  PulJet  dar,  Tagebuch  der  lugenieurarbeiteu. 
Kriegs- Archiv  F.  9.  Offenbar  ist  das  jedoch  eine  später  gebildete  Ansieht. 
Den  wahren  Hergang  werden  wir  weiter  unten  kennen  lenien. 

')  Tagebuch  des  Majors  Liebe.    Ebenda. 

*)  Schreiben  des  Majors  Liebe  an  die  General-Inspektion  der  ArtiUerie 
vom  2.  Januar  1814.  Kriegs- Archiv  No.  12:  „Warum  die  Belagerung  nicht 
schon  mitte  September  begonnen,  ist  mir  unbekannt.  Die  Artillerie  war 
schon  am  14.  Oktober  auf  24  Tage  mit  Munition  versehen.  Vielleicht  fehlte 
99  fui  Faschinen  und  Schanzkörben''. 


393 


ohne  dass  von  der  Artillerie  auch  nur  ein  Schuss  gethan  wur- 
den wäre,  so  kann  man  die  Bedenklichkeiten  des  Herzogs  nicht 
theilen.  Die  Gründe,  die  er  angiebt,  den  Angriff  des  Bischofs- 
berges so  lange  liinaus  geschoben  zu  haben,  sind  nicht  stich- 
haltig. Zunächst  hielt  er  sich  nicht  für  stark  genug  und  hatte 
6000  Mann  Hilfstruppen  verlangt;  dann  sollen  die  Faschinen 
und  Schanzkörbe  gefehlt  haben;  in  einem  Schreiben  vom  9.  Ok- 
tober an  den  König  giebt  er  an,  dass  er  aus  Mangel  an  Ar- 
tilleristen, die  erst  aus  der  Landwehr  gebildet  werden  müssten, 
nichts  Grosses  beginnen  könne  0.  Was  die  Stärke  betrifft,  so 
giebt  er  sie  in  einem  Schreiben  vom  23.  Oktober  incl.  der 
Kranken  auf  32000  Mann  an,  wovon  jedoch  3500  Mann  auf 
Kommando  in  Pommern  und  im  Herzogthum  Warschau  waren, 
um  die  nöthigen  Bedürfnisse  beizutreiben*).  Warum  ist  es, 
kann  man  fragen,  mit  dieser  Mannschaft,  die  durch  Krankheiten 
sich  noch  bedeutend  vermindert  hatte,  später  gegangen,  nach- 
dem sich  die  Schwierigkeiten  durch  die  schlechte  Jahreszeit 
noch  bedeutend  vermehrt  hatten?  Inbetreff  der  andern  Punkte 
kann  doch  nur  eigne  Verschuldung  vorliegen,  da  der  Waffen- 
stillstand Zeit  genug  geboten  hatte,  Faschinen  und  Schanzkörbe 
anzufertigen  und  Artilleristen  auszubilden. 

Was  hinderte  nun  vollends  den  Herzog,  am  10.  Oktober 
statt  der  Schottenhäuscr  die  Jesuiterschanze  anzugreifen*)? 
Die  Verhältnisse  lagen  so  günstig  wie  möglich  für  ein  Gelingen 
dieses  Angriffs.  Die  beiden  Lünetten  derselben  bestanden  zu 
dieser  Zeit  aus  einfachen  Feldwerken,  die  nicht  sturmfrei  waren. 
Die  üeberraschung  wäre  ebenso  gross  gewesen  wie  beim  An- 
griff der  Schottenhäuser  und  hätte,  bevor  der  Gegenstoss  er- 
folgte, mehrere  Stunden  Zeit  gegeben,  sich  einzugraben.  Der 
Jesuiterberg  wäre  dadurch  zu  einer  starken  Position  geworden, 
die  Rapp  schwerlich  hätte  bewältigen  können,  da  er  alle  Ver- 
anlassung hatte,  mit  seinen  Kräften  haushälterisch  umzugehen. 
Der  Herzog  hätte  sich  ein  Beispiel  an  Müunich  nehmen  sollen, 

*)  Kriegs- Archiv  F.  15. 

*)  Ebenda. 

')  So  lag  es  in  seiner  Absicht.  Wie  ans  Anhang  I  hervorgeht,  hat 
der  Major  von  Hake  auf  Veranlassung  des  Grafen  Dohna  den  Herzog  um- 
gestimmt.   Siehe  die  folgende  Note. 


394 


der  1734  die  Danziger  Besatzung  von  Schottland  und  Stadtge- 
biet im  Rücken  angriff.  Am  10.  Oktober  1813  wäre  die  600 
Mann  starke  Besatzung  der  Kuptire  A  mit  den  Vorposten  wahr- 
scheinlich abgeschnitten  worden,  jedenfalls  nicht  imstande  ge- 
wesen, angriffsweise  vorzugehen.  Sie  hätte  sich  bis  zur  Ankunft 
der  Verstärkungen  überhaupt  nicht  halten  können.  Bei  einem 
ungünstigen  Ausfall  des  Angriffs  wäre  der  Rückzug  in  keinem 
Fall  gefährdet  gewesen. 

Wie  die  Verhältnisse  nach  Erstürmung  der  Schottenhäuser 
nun  einmal  lagen,  wäre  nichts  anderes  übrig  geblieben,  bevor 
man  zu  den  Angriftsarbeiten  gegen  den  Bischofsberg  schritt, 
als  sich  der  Jesuiterschanze  und  der  Lünetten  Istrien  und 
Kirgener  des  Zigankenberges  gewaltsam  zu  bemächtigen,  bevor 
sie  noch  stärker  befestigt  wurdön.  Das  war  die  Ansicht 
Pullet's  und  des  Kommandeurs  der  russischen  Artillerie,  Schul- 
mann. Dazu  war  der  Herzog  jedoch  nicht  zu  bewegen ')  und 
fand  in  dem  Bombardement  der  Speicherinsel  einen  Ausweg, 
den  er  mit  grossem  Eifer  ergriff.  Der  Zeitpunkt,  wo  er  den 
Entschluss  fasste,  ist  genau  festzustellen.  Es  war  gegen  Abend 
des  15.  Oktober^).  Der  Herzog  hatte  durch  seine  Agenten  in 
der  Stadt  erfahren,  dass  der  Guverneur  die  Lebensmittel  auf 
der  Speicherinsel  untergebracht  habe.   Ein  Bombardement  hätte 


*)  Der  Herzog  war  auf  die  Vorstellungen  des  Majors  von  Hake,  statt  des 
Angriffs  auf  die  Jesuiterschanze  sich  der  Stellung  an  den  SchottenhäuscrD 
zu  bemächtigen,  eingegangen,  um  hier  Batterien  zu  erbauen  und  den  Angriff 
auf  die  Jesuiterschanze  wirksam  vorzubereiten.  Da  fasste  er  am  15.  den 
Entschluss,  die  Speicherinsel  zu  bombardiren,  und  mit  der  gewaltsamen  Weg- 
nahme der  Jesuiterschanze  war  es  zu  Ende.    Vergl.  die  folgende  Note. 

*)  Der  Major  Liebe  war  am  15.  Oktober  mit  den  Vorbereitungen  zur 
Armirung  der  beiden  in  der  Tranchee  auf  den  Höhen  der  Schottenhäuser  er- 
bauten Batterien,  welche  bestimmt  waren,  die  Juden-  und  Jesuiterserschanze 
zu  beschiessen  und  zu  bewerfen,  beschäftigt.  ,, Inzwischen",  erzählt  der  Major 
in  seinem  Bericht  vom  23.  Oktober,  Kriegs- Archiv  F.  9  „schickte  gegen  Abend 
der  Herzog  den  Befehl,  die  auf  der  Speicherinsel  befindlichen  Speicher  sollten 
durch  die  preussische  Artillerie  mit  6  —  50  pftlndigen  Mörsern  in  Brand  ge- 
steckt werden,  weil  sich  in  denselben  die  Lebensmittel  für  die  Garnison  be- 
fänden. Hierauf  schlug  ich  vor,  dass  dieser  Zweck  durch  glühende  Kugeln 
und  Haubitzgrauaten,  mit  den  bestimmten  Bomben  gemeinschaftlich  gebraucht, 
sicherer  und  geschwinder  erreicht  werden  würde.  Se.  Kgl.  Hoheit  genehmigte 
meinen  Vorschlag  und  überliess  mir  die  Ausführung". 


395 


daher  von  den  grössten  Folgen  sein  können.  Die  grosse  Ent- 
fernung der  Insel  Hess  das  Projekt  jedocli  als  sehr  problematisch 
erscheinen.  Die  Lebensmittel  waren  ausserdem  im  nördlichen 
Theil  der  Insel  untergebracht,  der  ganz  ausserhalb  der  Trag- 
weite der  damaligen  Geschütze  lag,  was  der  Herzog  nicht  ge- 
wusst  zu  haben  scheint.  Pullet  und  Schulmann  legten  daher 
auch  gar  kein  Gewicht  auf  das  Bombardement,  und  da  der 
Herzog  ihren  Vorträgen  kein  Gehör  lieh,  wendeten  sie  sich  am 
17.  Oktober  schriftlich  an  ihn,  um  sich  als  Leiter  der  Bela- 
gerungsarbeiten jeder  spätem  Verantwortung  zu  entziehen.  Sie 
legten  die  Nothwendigkeit  dar,  sich  der  Jesuiter-  und  Ziganken- 
berger  Schanzen  auf  gewaltsamem  Wege  zu  bemächtigen.  Der 
Herzog  antwortete  ihnen  am  folgenden  Tage  schriftlich  ziemlich 
schroff,  dass  es  bei  seiner  Instruktion  sein  Bewenden  haben  müsse*). 
Es  scheint  selbst,  dass  er  sich  Pullet  gegenüber  in  den  nächsten 
Tagen  in  gereizter  Stimmung  befand,  denn  er  beauftragte  den 
eben  aus  Russland  angekommenen  Ingenieuroberst  Manfredi  zur 
Weiterführung  der  Ingenieurarbeiten.  Diese  bestanden  in  dem 
Vorpussiren  der  Sappe  aus  dem  Thale  der  Schottenhäuser  gegen 
die  Jesuiterschanzc.  Der  Vertheidiger  blieb  jedoch  in  dieser 
Zeit  nicht  unthätig  und  schob  sowolil  von  der  Jesuiterschanze 
als  vom  Zigankenberg  Werke  vor,  die  den  Herzog  in  nicht  ge- 
ringe Verlegenheit  setzten,  weil  er  sich  gezwungen  sah,  nun 
doch  zum  gewaltsamen  Angriif  zu  schreiten,  um  zu  verhindern, 
dass  diese  Werke  (die  avancee  Frioul  und  die  avancee  Kirgener, 
wie  sie  von  den  Franzosen  genannt  wurden)  nicht  eine  Festig- 
keit erreichten,  die  ihren  Angriif  zu  sehr  erschwerte.  Die 
Nacht  vom  1.  zum  2.  November  wurde  zur  Ausführung  be- 
stimmt. Beide  Werke  wurden  erstürmt,  mussten  aber  infolge 
eines  Gegenangriffs  wieder  geräumt  werden.  Doch  gelang  es, 
am  folgenden  Tage  wenigstens  die  avancee  Kirgener  ohne  grossen 
Widerstand  wieder  einzunehmen.  Gleichzeitig  wurde  das  Dorf 
Stolzenberg  genommen  und  die  1.  Parallele  gegen  den  Bi- 
schofsberg eröffnet.  Aber  die  Lünetten  des  Jesuiter-  und 
Zigankenbergs  befanden  sich  drohend  vor  den  beiden  Flanken 
der  Parallele.     Die  Aufgebung  der  avancee  Kirgener  und  des 

*)  Kriegs-Arcbiv  F.  15.    Siehe  AuhaDg  II. 


396 


Dorfes  Stulzeiiberg  von  selten  des  Belagerten  war  die  Folge 
eines  grossen  Brandes,  der  in  der  Nacht  vom  1.  zum  2,  No- 
vember die  Lebensmittel  der  Besatzung  vernichtete  und  den 
Guverneur  und  die  Besatzung  aufs  tiefste  alterirte*).  Das 
Feuer,  durch  das  Bombardement  erzeugt,  war  nur  dadurch  an 
den  Aufbewahrungsort  der  Lebensmittel  gelangt,  dass  es  sich 
dahin  verbreitet  hatte.  Geschosse  hatten  die  Gegend  nicht  er- 
reicht. Es  war  daher  ein  ganz  zufälliges  Ereigniss,  auf  das 
der  Herzog  keinen  Grund  hatte  stolz  zu  sein,  das  er  aber  nicht 
verfehlte,  als  einen  grossartigen  Erfolg  seiner  Leitung  aufzu- 
bauschen. 

Zu  den  Details  übergehend,  so  sind  die  Ereignisse  des 
11.  Oktober  bereits  oben  im  Anschluss  an  das  Gefecht  zum  10. 
berichtet  worden.  Wenn  Pullet  im  Tagebuch  der  Ingenieur- 
arbeiten (Kr.-Arch.  F.  9)  sagt,  dass  um  IV U  abends  die  ganze 
Position,  deren  Eroberung  am  10.  intentionirt  war,  sich  in 
„unsern"  Händen  befand,  so  bezieht  sich  das  nur  auf  den  Ge- 
winn der  beiden  Schanzen  etoile  und  capitaine,  auf  den  Besitz 
von  Ohra  und  der  Hohen  der  Schottenhäuser,  auf  denen  noch 
in  der  Nacht  vom  10.  und  11.  die  Tranchee  eröffnet  worden 
war*).  Die  1.  Kupüre  und  das  Blockhaus  B  blieb  noch  in  den 
Händen  des  Feindes^). 


^)  d^Artuis  sagt  S.  856  darüber:  ^un  d^couragemenc  geueial  semblait 
avoir  frapp6  les  d^fcnseurs  de  Dantzig,  absorbes  daiis  les  id^es  les  plus 
penibles  ^. 

')  Seiiicu  Gruudsätzeii  getreu,  den  Batteriebau  gleichzeitig  luit  der  Tran- 
chee in  der  ersten  Nacht  ausführen  zu  lassen  und  dies  auch,  unabhängig 
davon,  ob  es  wirklich  geschehen  ist,  in  der  Darstellung  zum  Ausdruck  zu 
bringen,  lässt  der  Herzog  im  aper^u  (S.  280)  den  Bau  der  4  Batterien  auf 
der  Höhe  der  Schottenhäuser  schon  in  der  Nacht  vom  10.  zum  11.  beginnen. 
Wie  wir  gesehen  haben,  behauptet  er  auch,  dass  die  beiden  Schanzen  des 
Etoile  und  capitaine  vom  Major  Julius  genommen  und  die  ganze  Nacht  über 
behauptet  worden  sind,  und  S.  280,  dass  aUe  4  Batterien  gegen  die  Speicher- 
insel bestimmt  waren. 

^)  Was  die  Eäumnng  der  1.  Kupüre  und  des  Blockhauses  B  durch  die 
Franzosen  betrifft,  so  gehen  die  Nachrichten  darüber  sehr  ans  einander,  und 
es  bleibt  nichts  übrig,  als  die  französischen  Nachrichten,  die  alle  Wahrschein- 
lichkeit für  sich  haben,  als  richtig  anzuerkennen,  wonach  sie  erst  am  Bl  Ok- 
tober aufgegeben  worden  sind.    Nach  dem  Tagebuch  der  4.  ostpreussischen 


397 

Der  12.    In  der  Nacht  zum  12.   wird  die  Tranchee  nach    Oktober, 
beiden  Seiten  verlängert  und  mit  dem  Bau  von  zwei  Batterien 
zu  5  resp.  7  Geschützen  begonnen  ^). 

Die  Besatzung  der  Kupüre  1  hatte  viel  zu  leiden,  da  sie 
eingesehen  wurde.  Namentlich  sind  die  Artilleristen  und  ihre 
Pferde,  die  immer  angeschirrt  bleiben  mussten,  sehr  ausgesetzt 
gewesen. 

Der  General  Kapp  besichtigte  im  Lauf  des  Tages  in  Be- 
gleitung des  Generals  Campredon  den  Jesuiterberg,  um  die 
Punkte  zu  ermitteln,  wo  Befestigungen  anzubringen  waren.  Es 
wurde  beschlossen,  in  der  Höhe  der  Jesuiterkirche  einen  Ab- 
schnitt (D)  durch  das  Dorf  Schottland  zu  legen,  der  bis  zur 
Inundation  ging  und  da,  wo  er  sich  rechts  an  die  Höhe  lehnte, 
eine  Lunette  (E)  auf  der  Kante  des  Berges  als  Stiitzpunkt  er- 
halten sollte.  Die  Lünette  sollte  durch  einen  Verhau  am  Ab- 
hänge mit  dem  Abschnitt  verbunden  werden^). 

Von  Seiten  des  Belagerers  unterhielten  die  Batterien  von 
Kabrun,  Neu-Schottland  und  Schellmlihl  seit  Mittag  ein  massiges 
Feuer '). 

Das  Wetter  ist  regnerisch,  aber  warm*). 

Den  13.  Die  beim  Batteriebau  beschäftigten  Arbeiter  wer- 
den von  der  Jesuiterschanze  beschossen  und  müssen  am  Tage 
die  Arbeit  einstellen.  Um  2  Uhr  nachmittags  beginnt  der  Be- 
lagerte die  Arbeit  am  neuen  Abschnitt  in  Schottland.  Die 
Häuser  des  Dorfs  werden,  soweit  sie  maskiren,  niedergerissen. 
Die  beiden  Häuser  an  der  Inundation  werden  zu  Blockhäusern 


Brigade  (Kriegs- Archiv  F.  9)  ist  es  schon  in  der  Nacht  vom  16.  zum  17. 
Oktober  erfolgt,  nach  dem  apergu  am  22.  Oktober. 

>)  Mit  Ausnahme  des  aper^u  stimmen  darin  die  übrigen  QueUen  überein. 
Es  sind  die  Batterien  des  linken  Flügels  No.  33,  34  (e",  f"  des  apergu). 
Schon  ihre  Lage  deutet  an,  dass  sie  nicht  gegen  die  Speicherinsel  bestimmt 
sein  konnten,  sondern,  wie  Liebe  ausdrücklich  ausspricht,  gegen  die  Jesuiter- 
schanze. 

«)  Campredon  165.  d'Artois  beschreibt  S.  307,  308  den  Abschnitt  von 
Alt-Schottland  (die  2.  Kupüre)  näher.  Die  Gebäude  des  Jesuiter-Koilegiums 
und  die  Kirche  wurden  zur  Vertheidigung  eingerichtet  und  bildeten  einen 
änsserst  wichtigen  Stützpunkt  der  Stellung. 

•)  Apercu. 

*)  Campredim. 


_398_  _ 

Oktober,  umgescliaffen.  Gleichzeitig  wird  die  Lünette  E,  vom  aper^u  v  " 
genannt,  in  Angriif  genommen.  Sie  erhält  den  Namen  avancee 
Frioul '). 

Um  9  Uhr  abends  machen  die  Russen  einen  kurzen  Ver- 
stoss und  erheben  ein  furchtbares  Geschrei,  so  dass  der  General 
Rapp  sich  veranlasst  sieht.  Generalmarsch  schlagen  zu  lassen. 
Doch  konnte  er  schon  um  10  Uhr  die  Truppen  wieder  entlassen, 
da  sich  die  Russen  wieder  zurückzogen^). 

Das  Wetter  war  sehr  schön. 

Den  14,  Foitsetzung  der  beiderseitigen  Arbeiten.  Das 
Wetter  ist  sehr  schlecht.  Erst  um  10  Uhr  morgens  hört  der 
Regen  auf. 

Den  15.  Fortsetzung  der  Arbeiten.  Die  von  Preussen  er- 
bauten beiden  Batterien  (3!^.  34)  werden  beendet*).  Da  die 
baldige  Räumung  der  Kuptire  1  zu  befürchten  stand,  werden 
französischerseits  die  Arbeiten  an  Kuptire  2  beschleunigt.  Es 
wird  auch  am  Tage  daran  gearbeitet*). 

Aus  Russland  langen  300  Sappeure  und  Pionieie  mit  7  Offi- 
cieren  an*^). 

Es  tritt  Kälte  ein. 

Den  16.  In  der  Nacht  zum  16.  werden  die  beiden  Bat- 
terien Nr.  33.  34  armirt  ^)  und  an  einem  flankirenden  Vorsprung 

*)  Ebenda.     d'Artois. 

*)  Ebenda  166,  167.  Nach  dem  Tagebuch  des  Majors  von  Hake  (Kriegs- 
Archiv  202  E.)  sind  es  im  Gegentheil  die  Franzosen  gewesen,  welche  von  der 
Radaune  her  einen  Angriif  anf  die  Tranchee  gemacht  haben,  aber  zurückge- 
schlagen wurden.  Dafür  spricht  auch,  dass  die  Besatzung  der  SteHnng  der 
Bussen  am  folgenden  Tage  bedeutend  verstärkt  wurde.  Am  Ohraer  Wäld- 
chen werden  2  russische  BataiUone  aufgesteUt  und  das  ostpreuss.  Landwehr- 
BataiHon  No.  19  dem  General  Naumief,  welcher  die  Trancheewache  befehligt«, 
als  Reserve  beigegeben.  Ausserdem  wurden  am  Kosackeuberge  2  halbe  Ba- 
taillone und  ein  Kosackenregiment,  sowie  im  Wonneberger  Thal  2  Eskadrons 
aufgestellt. 

■)  Tagebuch  des  Majors  Liebe.    Kriegs-Archiv. 

*)  Campredon  167. 

'')  Apergu  282. 

^  Wie  es  scheint,  haben  diese  Batterien  am  16.  das  Feuer  gegen  die 
Jesuiterschanze  eröffnet,  wie  es  nach  Campredon  S.  169  und  Düring  S.  102 
wahrscheinlich  ist.  Auch  nach  dem  Tagebuch  des  Majors  Hake  ist  das  Fener 
am  16.  eröflFnet  worden,  doch  äussert  er  sich  nicht  über  das  Ziel. 


des  Abhanges  zum  Dorfe  Stadtgebiet,  gegen  100  Meter  rückwärts  Oktober, 
der  Tranchee,  eine  Batterie  (No.  31  oder  c")  erbaut,  wozu  100 
Preussen  kommandirt  waren.  Die  Batterie  war  für  eine  10  zöl- 
lige und  2 — 8  zöllige  Haubitzen  bestimmt.  Ausserdem  wurden 
in  der  Mitte  der  Tranchee  Bettungen  für  5 — 10  zöllige  Mörser 
gelegt  ^).  Auch  scheint  die  Batterie  Nr.  32  (d  ")  in  dieser  Nacht 
erbaut  worden  zu  sein,  welche  von  den  preussischen  Quellen 
nicht  erwähnt  wird,  weil  sie  von  Russen  bedient  wurde  ^).  Die 
Batterien  31  und  32  werden  am  17.  armirt,  Nr.  32  schiesst 
auch. 

Die  Brustwehren  der  Lünetten  Friaul,  welche  ursprünglich 
nur  9  Fuss  stark  waren,  werden  durch  Ansetzen  zweier  Reihen 
Sappenkörbe  nach  innen  auf  die  Stärke  von  15  Fuss  gebracht'). 

In  diesen  Tagen  war  auch  von  den  Russen  an  einer  Ku- 
püre  durch  das  Dorf  Stadtgebiet  bis  zur  Inundation  gearbeitet    . 
worden.     Nach  dem  apergu  283  ging  sie  von  der  Batterie  c" 
(31)  aus  und  wurde  am  17.  beendet,   was  auch  von  Pullet  be- 
stätigt wird*). 

Die  täglichen  Kommandirungen  von  200  Mann  wurden 
russischerseits  fortgesetzt.  Ein  solches  Detachement  dringt  am 
17.  in  Schidlitz  ein  und  zerstört  2  Barrieren'^). 

Das  Wetter  ist  an  diesem  Tage  regnerisch  und  windig. 

Am  Morgen  des  18.  wurde  das  Feuer  gegen  die  Stadt  er- 
öffnet ^).     Da  jedoch  kein  Brand  entstand,  verstärkte  man  gegen 


^)  Mfgor  Liebe,  PuUet,  von  Hake,  übereinstimmend  mit  d^Artois  und 
Campredon.  Das  aper^u  ist  für  diese  Zeit  ganz  unzuverlässig.  Nach  ihm 
sind  die  beiden  Batterien  e",  f "  schon  in  der  Nacht  zum  14.  und  die  Batte- 
rien c"  und  d"  in  der  Nacht  zum  15.  armirt  worden,  die  Batterien  hätten 
demnach  schon  am  15.  und  16.  das  Feuer  eröffnet. 

*)  d'Artois  315.  Campredon  169.  Apercu  282  lässt  sie  schon  am  15. 
das  Feuer  eröffnen,  was  ein  Irrthum  ist. 

')  Campredon  170.    d'Artois. 

*)  PuHet.  Tagebuch:  „Vom  12.  bis  17.  wurde  daran  gearbeitet,  sich  in 
der  neuen  Position  auf  den  Höhen  bei  den  Schottenhäusem  quer  durch  Stadt- 
gebiet (bei  den  Franzosen  wird  dieser  Theil  schon  zu  Ohra  gerechnet)  bis  an 
die  Inundation  so  festzusetzen,  dass  es  dem  Feinde  nicht  mehr  gelingen 
konnte,  auch  mit  dem  härtesten  Andränge  uns  wieder  zu  delogiren".  Siehe 
Taf.  VI. 

*)  Apercu  283. 

®)  Nach  dem  Tagebuch  des  Majors  Liebe  wirkten  gegen  die  Stadt  5  —  24 


400 

Oktober.  Abend  die  Ladungen  und  vermehrte  die  Erhöhungen^).  Das 
Bombardement  war  mit  Werfen  von  400  Raketen  begleitet,  von 
denen  jedoch  keine  die  Stadt  erreichte*). 

An  dem  Bombardement  vom  18.  haben  auch  die  Batterien 
von  Neu-Schottland,  Kabrun  und  Schellmühl  theilgenommen. 
Ihre  Gescliosse  beunruliigten  den  nördlichen  Stadttheil,  die  der 
Ohraer  Batterien  den  südlichen.  Die  Langgasse  bildet  die 
Grenze  zwischen  beiden  Wirkungssphären.  Haubitzen  und 
Mörser  erreichten  die  Speicherinsel  nicht,  die  glühenden  Kugeln 
der  mit  4  —  24Pfündern  versehenen  Batterie  32  hatten  dagegen 
eine  Schussweite  von  2600  und  2800  Meter.  Einige  erreichten 
selbst  die  Kirche  von  Langgarten  (3300  Meter).  Sie  zünden 
an  7  bis  8  Orten,  allein  in  der  Langgasse  dreimal,  doch  wird 
das  Feuer  noch  immer  bald  gelöscht.  Um  Mittag  hören  die 
•  Congrevischen  Raketen,  etwas  später  auch  die  Mörser  zu  feuern 
auf.     Die  Kanonen  massigen  das  Feuer. 

Die  Arbeiten  am  Abschnitt  in  Schottland  und  in  der 
avancee  Frioul,  obgleich  von  der  Batterie  31  heftig  beschossen, 
werden  Tag  und  Nacht  fortgesetzt.  Das  Feuer  vom  Bischofs- 
berge und  der  Jesuiterschanze  wird  sehr  lebhaft  unterhalten. 
Auch  die  Bastione  Gertrud  und  Maidloch  der  Stadtbefestigung 
nehmen  an  der  Beschiessung  der  Batterien  des  Gegnei-s  theil. 
In  einer  der  Batterien  werden  2  Scharten  demontirt'). 


Pfander,  1  — 10"ge  und  4  — 8"ge  Haubitzen  und  6  — 10"ge  Mttrser.  Es 
scheint  demnach,  dass  die  Batterien  e''  (33)  und  f"  (34)  gegen  die  batteries 
Frioul  (Jesuiterschanze)  schössen. 

^)  Der  Major  Liebe  sagt  darüber:  Bei  diesen  starken  Ladungen  wur- 
den den  Artilleristen  durch  den  ans  der  Mündung  kommenden  Feuerstrom  die 
Mäntel  verbrannt.  Die  Mortier-Bettungen  wurden  durch  6  —  8  Wurf  zermalmt, 
ohnerachtet  sie  aus  lauter  aneinander  gelegten  8 ''gen  starken  Rippen  be- 
standen   Gegen   die  Haubitzlaffeten  war  der  Rückstoss  so  gro.s8, 

dass  die  Splintbolzenküpfc  absprangen Und  dennoch  erreichte  man 

nichts,  weil  die  Entfernungen  zu  gross  waren.     Kriegs-Archiv  F.  12  S.  7. 

*)  Liebe  sagt  darüber  ebenda:  „Viele  krepirten  in  der  Luft  und  einige 
stiegen  fast  kerzengerade  in  die  Höhe,  statt  sich  vom  Standpunkte  zu  entfernen. 
Eine  jede  Rakete  soll  3  Guineen  kosten.  Weiter  als  1500  Schritt  mag  keine 
gegangen  sein,  auch  hielten  viele  nicht  genau  Linie,  sondern  flogen  beinahe 
ganz  seitwärts".  Ueber  die  Zahl  400  kommen  Pullet  und  Liebe  überein, 
während  die  Franzosen  15  bis  1600  gezählt  haben  wollen. 

•)  Apergu  283. 


ioi  _ 

Am  19.  wird  das  Bombardement  in  der  Nacht  und  am  Oktobet. 
Tage  heftig  fortgesetzt^).  Auf  dem  langen  Markt  werden 
mehrere  Menschen  getödtet.  Die  Batterien  von  Ohra  haben  von 
einer  auf  der  Mottlau  schwimmenden  Batterie  zu  leiden.  Der 
Herzog  zeigte  den  grössten  Eifer  für  das  Bombardement.  Bei 
Eröffnung  des  Feuers  am  17.  war  er  persönlich  zugegen.  An 
diesem  Tage  (19.)  befahl  er  abends  6  Uhr  alles  aufzubieten, 
um  ein  günstiges  Resultat  zu  erreichen.  Um  7  Uhr  brannte 
es  an  12  bis  16  Orten,  so  dass  ein  Löschen  nicht  mehr  möglich 
war*)-  In  der  Nacht  brannte  die  Speicherinsel  in  ihrem  süd- 
lichen Theil  bis  zur  Kuhbrücke  nieder.  Das  Feuer  hatte  ein 
bedeutendes  Stroh-  und  Getreide-Magazin  erfasst,  und  ein  be- 
beträchtlicher Vorrath  von  Talg  und  Oel  war  ein  Raub  der 
Flammen  geworden^).  18,  nach  d'Artois  22  zu  Kasernen  ein- 
gerichtete Speicher  verbrannten.  Rapp  Hess  Generalmarsch 
schlagen  und  bot  die  ganze  Garnison  zum  Löschen  auf.  Der 
Schaden  traf  vorzugsweise  die  Kaufleute,  welche  einen  Verlust 
von  9  Millionen  Frcs.  erlitten  haben  sollen.  Vom  Belagerer 
sollen  an   diesem  Tage  7000  bis  8000  Schuss  gefallen   sein*). 

Gegen  10  Uhr  entstand  auf  dem  Buttermarkt  ein  neues 
Feuer.  Drei  Häuser  brannten  nieder,  wobei  der  Senator  Eggert, 
welcher  die  Löschanstalten  der  Stadt  unter  sich  hatte,   durch 


*)  Nach  d'Artois  316  waren  auf  selten  des  Belagerers  in  Thätigkeit: 
auf  der  Höhe  der  Schottenhäuser  5  Mörser,  5  Haubitzen  von  6"  4'",  10  —  24 
Pfunder;  bei  Kabrun  2  Mörser ;  bei  ScheUmühl  7  —  24PfUnder;  in  den  Batterien 
bei  Langfuhr  einige  Feldgeschütze;  auf  dem  Johannisberge  3  —  24  Pfünder  und 
2  Haubitzen,  ebensoviel  in  Pitzkendorf.  Zum  Vergleich  mögen  die  Angaben 
des  Majors  Liebe  iv  seinem  Bericht  vom  23.  dienen.  Auf  der  Höhe  der  Schotten- 
häuser in  der  Batterie  No.  31,  1  — 10"ge,  2--8"ge  Haubitzen,  in  No.  32 
4  — 24 pfundige  Kanonen,  in  No.  33  3  — 12 pfundige  Kanonen  und  2  — 8"ge 
Haubitzen,  in  No.  34  1  —  1 2 pfundiges  und  6  — 24 pfundige  Kanonen,  in  der 
Tranchee  zwischen  den  Batterien  5 — 10  "ge  Mörser  in  2  Batterien. 

Bei  Kabrun  2  — 8"ge  Haubitzen,  bei  ScheUmühl  8— 24 pfundige  Kano- 
nen, bei  Reihershof  5  — 24 pfundige  Kanonen,  bei  Kabruu  2  —  8"ge  Hau- 
bitzen, auf  dem  Johannisberge  6  —  24 pfundige  Kanonen,  bei  Pitzkendorf 
10  —  24  pfundige  Kanonen. 

*)  Tagebuch  des  Majors  Liebe.    Kriegs-Archiv. 

•)  Tagebuch  des  Oberstlieutenants  PuUet.    Kriegs-Archiv. 
.    ")  d'Artois  317. 

Köhler,  Geschichte  der  Festungen  Danzig  und  Weichselmünde.    II.  8d 


402 

Oktober,  einen  Bombensplitter  verwundet  wurde.  Eine  glühende  Kugel 
ging  bis  ins  Guvernementsgebäude  in  Langgarten  ^). 

Der  20.  Das  Feuer  auf  der  Speicherinsel  liess  gegen 
Mitternacht  nach.  Das  Bombardement  wird  lebhaft  fortgesetzt  *). 
Am  Wallhofe  ^)  wird  mittags  eine  Holzniederlage  in  Brand  ge- 
setzt, von  der  aus  das  Feuer  sich  verbreitet  und  das  kleine 
Zeughaus  in  Gefahr  setzt.  Auch  das  Bastion  Wieben  wird  be- 
droht, in  dessen  Poternen  si<'h  200  Centner  Pulver  befinden. 
Es  gelingt  dem  General  Lepin,  der  seine  Artilleristen  aufge- 
boten hat,  das  Bastion  zu  isoliren  und  alle  Löcher  zu  ver- 
stopfen. Der  Belagerer  beschiesst  hartnäckig  die  Brandstätte. 
Neue  Feuer  in  der  Vorstadt  werden  rechtzeitig  entdeckt  und 
gelöscht,  aber  es  brennt  seit  30  Stunden. 

Der  Belagerer  lässt  in  der  Nacht  eine  neue  Batterie 
Nr.  35  zwischen  den  Thälern  von  Schönfeld  und  Wonneberg  für 
2  —  24Pfünder  erbauen  und  sie  durch  einen  Laufgraben  mit  den 
Batterien  bei  Ohra  verbinden.  Es  sind  1000  Arbeiter  dabei 
beschäftigt*).  Die  Batterie  hat  den  Zweck,  den  Bischofsberg 
zu  beschäftigen  und  die  Jesuiterschanze  zu  beschiessen. 

Das  Wetter  ist  schön  und  ohne  Wind. 

Der  21.  Das  Bombardement  wird  Tag  und  Nacht  fortge- 
setzt. Am  Morgen  stehen  mehrere  Häuser  am  Vorstädtischen 
Graben  in  Brand.  Das  Feuer  verbreitet  sich  nach  dem  Poggen- 
pfuhl  und  bedroht  die  Petrikirche,  in  der  sich  1700  Centner 
Getreide  befinden.  Eine  Bombe  entzündet  eine  Niederlage  von 
Theer  im  Theerhofe.  Der  Guverneur  kommandirt  ein  comite 
de  defense  unter  Vorsitz  des  Generals  Grandjean,  zu  dem  auch 
einige  Rathsleute  der  Stadt   zugezogen    werden.    Es   soll   die 


*)  Campredon  173. 

")  Nach  dem  Tagebuch  des  Majors  Liebe  wird  ein  dritter  Glühofen  er- 
baut, am  23.  ein  4.  und  5. 

•)  Wallhof  ist  die  heutige  Fortifikation. 

*)  Apergu  284.  Tagebuch  des  Majors  von  Hake.  Kriegs-Archiv.  Vom 
Belagerten  wird  die  Batterie  am  21.  bemerkt.  Campredon  175.  d'Artoia  325. 
J)as  aper^u  bezeichnet  die  Batterie  irrtlnunlich  mit  g",  die  erst  später  er- 
baut worden  ist.  von  Hake,  Tagebuch.  Nach  dem  Tagebuch  des  Majors 
Liebe  ist  die  Batterie  in  der  Nacht  vom  21.  zum  22.  erbaut  und  in  der 
Nacht  vom  24.  zum  25.  armirt  worden. 


403  _ 

geeigneten   Massregeln  berathen,   um  der  Feuersgefalir  zu  be-    Oktober, 
gegnen.     Dasselbe   beschliesst   am  folgenden  Tage  eine  Feuer- 
wehr   (corps  de  pompiers)    von  Soldaten    zu   errichten,    deren 
Kommando    dem    Ingenieur -Hauptmann    Rep6caud    anvertraut 
wird  ^). 

Auf  der  Mottlau  erscheinen  zwei  schwimmende  Batterien, 
welche  die  Batterien  von  Ohra  sehr  belästigen  ^.  Die  Batterie 
35  wird  beendigt  und  armirt.  Die  Batterien  bei  Kabrun  und 
Schellmühl  etc.  sind  immer  noch  in  Thätigkeit  und  bewahren 
nach  dem  apergu  eine  ausgesprochene  Ueberlegenheit  über 
die  des  Belagerten  auf  dem  Holm  und  im  ßetranchement^). 

Der  22.  Zum  Schutz  gegen  die  schwimmenden  Batterien 
des  Belagerten  auf  der  Mottlau  wird  der  rechte  Fitigel  der 
Batterie  c"  (No.  31)  mit  einer  Schulterwehr  versehen  und  der 
von  hier  aus  am  17.  begonnene  Abschnitt  bis  zur  Inundation 
fortgesetzt  *). 

Das  Feuer  im  Poggenpfuhl  in  der  Nähe  der  Petrikirche 
und  mehrere  neue  Ausbrüche  auf  der  Speicherinsel  werden  ge- 
löscht. Das  Bombardement  wird  ormässigt.  Das  Wetter  ist 
schön  aber  kalt^). 

Der  23.  Der  Angreifer  erbaut  auf  dem  äussersten  rechten 
Flügel  seines  Abschnitts  im  Dorfe  Ohra  eine  Batterie  h",  die 
mit  2  — 12Pfündern  und  2  Haubitzen  armirt  wird®).    Das  Bom- 


»)  Campredon  175.    d'Artois  324—326. 

')  Apergu  284.  Nach  dem  Tagebuch  des  Majors  von  Hake  wird  eine 
französische  Batterie  der  Innudation  vernichtet?  Nach  dem  aper<;u  sind  die 
Batterien  durch  russische  Schiffe  und  durch  das  Feuer  der  Batterie  31  (c'') 
verjagt  worden.  Diese  schwimmenden  Batterien,  von  denen  3  angefertigt 
worden,  waren  eine  jede  mit  2—4  Pfündem  und  2  Haubitzen  armirt.  Letz^ 
tere  hatten  besondere  Laffeten,  die  eine  Erhöhung  von  4ö  Grad  gestatteten. 
d'Artois  309  Note  1. 

»)  AperQu  285. 

*)  Apercu  285.  Die  Pikets ,  welche  der  Belagerte  noch  im  oberen  Theil 
von  Stadtgebiet  stehen  hatte,  wurden  am  22.  von  200  Jägern  bis  an  die 
letzten  Häuser  des  Dorfes  zurückgetrieben. 

*)  Campredon  175. 

*)  Aperijrt  285.  Nach  von  Hake,  Tagebuch,  Kr. -Archiv,  ist  die  Batterie 
erst  am  26./27.  erbaut  worden,  nach  dem  Tagebuch  des  Majors  Liebe  wird  sie 
am  30.  mit  2  englischen  eisernen  12  Pf  (Indern  und  zwei  schweren  prenssischen 

26* 


404 

Oktober,  bardement  wird  fortgesetzt.  Die  Zahl  der  bisher  geworfenen 
Bomben  beläuft  sich  auf  mehr  als  10000  *)•  In  dem  ara  6.  Ok- 
tober bei  Zigankendorf  aufgeworfenen  Laufgraben  wird  am 
Morgen  des  23.  der  Bau  einer  Batterie  (No.  24)  vom  Vertheidiger 
entdeckt,  und  aus  der  während  des  Waffenstillstandes  erbauten 
Redute  bei  Tempelburg  (No.  8  bei  d'Artois)  fällt  der  erste  Schass 
gegen  die  Barriere  von  Schidlitz^). 

Von  selten  des  Vertheidigei-s  wird  die  avancee  Frioul  durch 
Palisaden  geschlossen,  und  auch  der  Abschnitt  in  Schottland  (II 
Coupure)  ist  so  weit  fortgeschritten,  dass  die  Nachtarbeit  einge- 
stellt werden  kann.  In  der  Stadt  ist  die  Feuerwehr  in  der 
Organisation  begriffen.    Die  Stadt  wird  in  12  Bezirke  getheilt. 

Das  Wetter  wie  am  vorigen  Tage  *). 

Der  24.  Das  Bombardement  wird  fortgesetzt,  doch  sind 
seit  dem  22.  keine  neuen  Feuersbrünste  zu  verzeichnen  *).  Das 
Feuer  im  Poggenpfuhl  und  am  Vorstädtischen  Graben  brennt 
zwar  noch,  doch  ist  für  die  Petrikirche  nichts  mehr  zu  fürchten. 
Gegen  Mittag  wird  das  Feuer  gegen  den  Langenmarkt  concen- 
trirt,  wo  um  diese  Zeit  die  Befehlsausgabe  erfolgte,  doch  war 


10  pfundigen  Haubitzen  armirt.  Nach  ihm  sind  wegen  des  schwierigen 
sumpfigen  Bodens  8  Tage  auf  deren  Bau  verwendet  worden.  Das  aper<^n  ver- 
wechselt die  Batterie  mit  einfachen  Geschützemplacements,  die  um  diese  Zeit 
auf  dem  rechten  Flügel  hergestellt  wurden  und  zwar  nach  Liebe  eins  zu  2  Ein- 
hörnern und  ein  anderes  für  2 — GPfünder  und  1  Einhorn.  Sie  hatten  vorzugs- 
weise die  Beschiessnng  von  Schottland  zum  Zweck.  Die  Batterie  soUte  da- 
gegen die  schwimmenden  Batterien  des  Feindes  abhalten  und  das  Dorf  Stadt- 
gebiet gegen  Angriffe  sichern.  Von  der  Festung  ans  ist  die  Batterie  erst 
am  28.  bemerkt  worden.  D'Artois  hat  ihre  Lage  nicht  feststeUen  können, 
er  verlegt  sie  irrthümlich  auf  den  Damm  der  Radaune,  Campredon  sagt 
S.  180  richtiger  auf  den  Damm  am  Dorfe  Ohra. 

')  Campredon  175. 

*)  Ebenda.  Es  ist  auffallend,  dass  beide  Punkte  vom  aperen  mit 
Stillschweigen  übergangen  werden.  An  der  Thatsache  ist  nicht  zu  zweifeln, 
da  die  Batterie  —  bei  d'Artois  No.  24  benannt  —  auch  in  der  akizzirten 
Geschichte,  die  hauptsächlich  russische  Quellen  benutzt,  erwähnt  wird.  Für 
die  Beschiessnng  von  Schidlitz  spricht,  dass,  wie  wir  sehen  werden,  in  den 
folgenden  Tagen  Vorkehrungen  zum  Schutz  desselben  getroffen  werden.  Auch 
das  Tagebuch  der  Division  Heudelet  (S.  133)  spricht  davon. 

«)  Ebenda. 

*)  d'Artois  327. 


406 

die  Parole  an  diesem  Tage  abbestellt.  Der  General  Campredon  Oktober, 
besichtigt  mit  dem  Obersten  Ricbemont  infolge  der  Beschiessuwg 
von  Schidlitz  die  dortige  Gegend,  um  den  Platz  für  eine  Redute 
zum  Schutz  des  Eingangs  dieses  Dorfes  zu  ermitteln.  Sie  ent- 
scheiden sich  für  den  Punkt,  wo  bisher  ein  Posten,  genannt  le 
poste  du  Chef  de  Bataillon  (im  Plane  bei  M.),  zwischen  der 
Batterie  Kirgener  und  Schidlitz  lag'). 

Das  Wetter  ist  regnerisch,  aber  weniger  kalt. 

Der  25.  In  der  ganzen  Nacht  zum  25.  fällt  heftiger  Regen, 
so  dass  das  Bombardement  schweigt.  Gegen  11  Uhr  morgens 
beginnt  es  mit  grosser  Heftigkeit  wieder.  Da  der  Regen  um 
2  Uhr  nachmittags  wieder  stärker  wird  und  die  ganze  folgende 
Nacht  anhält,  wird  es  nur  schwach  genährt.  Die  Arbeiten  wer- 
den aber  trotz  des  Regens  fortgesetzt*).  Der  Belagerer  ver- 
längert die  Tranchee  links  nach  Wonneberg  hin  und  erbaut  am 
Ende  derselben  die  Batterie  36  (g")*)-  l^ie  Batterie  wird  am 
27.  armirt.     (Tagebuch  des  Majors  Liebe). 

Der  26.  Der  Belagerer  erweitert  und  verstärkt  in  der 
Nacht  zum  26.  die  bereits  früher  aufgeworfene  Redute  K"  (bei 
d'Artois  No.  16)  und  versieht  sie  mit  Palisaden.  Sie  wurde  am 
27.  beendet  und  mit  5— 24Pfündern  gegen  die  Lünette  Istrien 
armirt*).  Das  Bombardement  bleibt  wegen  des  schlechten 
Wetters  unbedeutend,  doch  fallen  immer  noch  in  24  Stunden 
250  Bomben  und  500  andere  Geschosse  ^).    Die  Russen  benutzen 


»)  Campredon  176,  d'Artois  325. 

*)  Campredon  177. 

^)  V.  Hake,  Tagebnch  und  Liebe.  d'Artois  325.  Dass  links  der  Schotten- 
häuser-Batterien  in  der  Bichtung  auf  Wouneberg  zwei  Batterien  in  dieser 
Zeit  erbaut  wurden  und  nicht  bloss  eine,  wie  das  Aper<;u  behauptet,  bezeugt  auch 
der   Bericht   Dohna's   an   den   König  vom   29.  Okt,    (Kr.-Arch.  F.  8  S.  17). 

*)  Apercju  286.  Der  Vf.  nennt  sie  Redute  von  Dreilinden,  DUring  S.  111 
und  Liebe  von  Zigankenberg.  Die  Geschütze  scheinen  zum  Theil  von  der 
Batterie  auf  dem  Johanuisberge  entnommen  zu  sein,  denn  der  Major  Liebe 
sagt  in  seinem  Tagebuche,  dass  am  27.  von  der  Bednte  auf  dem  Johanuis- 
berge 4  —  24Pfünder  nach  einer  mehr  vorwärts  gelegenen  Bedute  gebracht 
worden  sind.  Nach  d'Artois  S.  340  hatte  die  Bedutc  16  übrigena  nur 
4  Scharten,  ebenso  nach  der  skizzirten  Geschichte. 

*)  D'Artois  326. 


406 

Oktober,  die  Zeit  zur  Ausbesserung  ihrer  Batterien,  die  durch  das  eigne 
Feuer  gelitten  haben.  Gegen  4  Uhr  nachmittags  wird  das 
Feuer  wieder  lebhafter.  Der  Belagerer  vertieft  den  Laufgraben 
bei  Zigankendorf  und  legt  darin  eine  zweite  Batterie  No.  25  an  \). 

Von  Seiten  des  Vertheidigers  wird  das  Werk  beim  Posten 
des  Bataillonschefs  oder,  wie  d' Artois  ihn  nennt,  poste  du  comman- 
dant,  in  der  Nacht  zum  26.  in  Angriff  genommen  und  erhält 
den  Namen  avanc6e  de  Kirgencr,  im  Plane  M  (u")-  Wegen 
des  schlechten  Wetters  schreitet  die  Arbeit  jedoch  nur  langsam 
fort  und  muss  um  2  Uhr  nachts  ganz  eingestellt  werden.  Die 
Baracken  des  Retranchements  Zigankenberg  sind  nahezu  voll- 
endet. Auf  dem  Bischofs-  und  Hagelsberge  werden  die  Truppen 
in  bedeckten  Räumen  untergebracht^). 

Der  27.  In  der  Nacht  zum  27.  erbaut  der  Belagerer  eine 
Redute  für  4  Mörser  (i",  bei  d'Artois  Redute  No.  15)  vorwärts 
Wonneberg  und  verbindet  sie  mittelst  Laufgräben  mit  der 
Batterie  g"  (No.  36)').  Eine  vom  Belagerer  gegen  Schidlitz  vor- 
gesendete Partei  hob  daselbst  eine  französische  Feldwache  auf*). 
Das  Dorf  Stadtgebiet  und  die  Arbeiten  in  Schottland  werden 
von  ihm  stark  beschossen,  namentlich  leidet  das  Gebäude  des 
Jesuiterkollegiums.  Ein  Civilarbeitcr  wird  getödtet  und  eine 
Frau  schwer  verwundet.  Auch  Feuer  entsteht  im  Dorf,  wird 
jedoch  bald  gelöscht. 

*)  D'Artois  340.  Anch  diese  Batterie  ist  wie  die  No.  24  im  Plane  der 
ßkizzirten  Geschichte  (unter  8  und  9)  eingezeichnet.  Es  kann  daher  kein 
Zweifel  sein,  dass  die  Angaben  der  französischen  Ingenieure  richtig  sind  und 
das  Apercu  hier  eine  Lücke  hat. 

*)  Campredon  177. 

')  Apergu  286,  d'Artois  341.  Campredon  sagt  darüber  S.  177:  .Dans 
la  nuit,  Teunemi  a  commence  une  redoute  ä  50  toises  de  notre  postc  ie  plas 
avanc6,  k  ganche  de  Stolzenberg.  II  a  bcaucoup  avanc^  son  ouvrage  peudant 
la  nuit.  De  Tautre  cöt^  du  redau,  derriöre  cette  redoute,  il  a  travaill6  k  une 
tranch^e  et  une  batterie  pour  soutenir  cette  redonte  cu  avant".  Diese 
Batterie,  im  Plane  der  skizzirten  Geschichte  unter  No.  6  aufgenommen  und 
nach  Liebe  mit  4--24Pfündern  armirt,  wird  vom  aper^u  ebeufaUs  nicht  er- 
wähnt. 

*)  Apercu  286.  Auch  Campredon  hat  das  Seite  178  angedeutet,  indem 
er  erwähnt,  dass  die  2.  Batterie  von  Schidlitz  (soll  wohl  heissen  2.  Barriere) 
angegriffen  worden  sei,  der  Feind  sich  aber  nach  dem  Verbrennen  von 
2  liäusem  wieder  zurückgezogen  habe. 


407 

Von  Seiten  des  Vevtlieidigers  wird  die  Arbeit  an  der  avanc6e    Oktober. 
Kirgeuer  beschleunigt   und   auch    am    Tage   fortgesetzt.     Der 
Bischofsberg  schiesst  die  ganze  Nacht  hindurch  und  auch  die 
Batterien   Kirgener   und   Istrien   sind   gegen   die   in   Bau   be- 
griffenen Batterien  des  Gegners  in  Thätigkeit. 

Das  Wetter  ist  schön,  aber  kalt '). 

Der  28.  Die  Redute  oder  Mörserbatterie  i "  (No.  15)  wird  in 
der  Nacht  zum  28.  beendet  und  eine  neue  Redute  1 ",  in  der  Nähe 
von  Schidlitz,  sowie  zwei  neue  Batterien  n'"  und  m'"  auf  der 
Krete  des  Ravins  von  Dreilinden,  wie  sich  das  Apercu  ausdrückt, 
werden  begonnen^).  In  der  Nacht  um  1  Uhr  unternimmt  der 
Belagerer  einen  Angriff  auf  Schidlitz  und  zu  beiden  Seiten  des 
Dorfes,  wird  jedoch  zurückgeschlagen,  setzt  sich  aber  rechts  des 
Dorfes  fest»).  Die  Batterien  No.  15  (i"),  No.  16  (K")  und  No.  25 
werden  in  der  Nacht  armirt  und  eröffnen  am  28.  das  Feuer ;  i " 
gegen  die  Batterien  Friaul,  K "  und  No.  25  gegen  die  Lünetten 
Istrien  und  Kirgener,  wobei  es  sich  ereignet,  dass  eine  Kugel 
die  Mündung  eines  12-Pfünders  in  der  Batterie  Kirgener  trifft 
und  das  Metall  eindrückt.  Das  geladene  Geschütz  feuert  in- 
folgedessen von  selbst  ab,  und  die  Kugel  stellt  den  Schaden 
wieder  her.  Die  Batterien  an  den  Schottenhäuseni  beschiessen 
vorzugsweise  die  Lünetten  Friaul  und  den  Abschnitt  von  Schott- 
land. Nur  einige  Schuss  werden  nach  der  Stadt  abgegeben. 
Die  Lünetten  Friaul  werden  hart  mitgenommen  und  müssen 
ausgebessert  werden.  An  der  avancee  Kirgener  ist  die  Arbeit 
durch  den  Angriff  unterbrochen  worden.    Auch  an  dem  Abschnitt 


')  Campredon  178. 

•)  L'aper^u  287.  Nach  d'Artois  340  sind  in  dieser  Nacht  die  Batterien 
13  und  14  vorwärts  Tempelhof  zn  beiden  Seiten  desselben  begonnen  worden. 
Es  ist  sehr  wahrscheinlich,  dass  sie  mit  den  Batterien  m'''  und  u'''  identisch 
sind  nud  das  aperi^n  sich  in  der  Lage  geirrt  hat,  denn  von  n'"  und  m'"  kann 
man  nicht  nach  dem  Zigankenberg  schiessen. 

')  Campredon  179  und  sehr  ausführlich  im  Tagebuch  der  Division 
Heudelet  S.  133.  Das  Apercu  erwähnt  von  diesem  Angriff  nichts,  offenbar 
hängt  damit  jedoch  der  Bau  der  Kedute  1"  zusammen.  Die  Bedute  wird  in 
den  französischen  Berichten  erst  später  erwähnt  und  von  d'Artois  unter  No.  19 
genannt. 


_  408 

Oktober,  von  Stadtgebiet  hat  die  Arbeit  auf  einige  Zeit  eingestellt  werden 
müssen.  In  der  avancee  Kirgener  werden  am  28.  vier  Manu 
verwundet.  Die  schwimmenden  Batterien  des  Vertheidigere 
sind  noch  immer  in  Thätigkeit  *)•  Drei  an  den  Guvemeur  ab- 
gesendete Parlamentaire  werden  von  diesem  nicht  angenommen. 

Es  ist  Frost  eingetreten,  sonst  ist  das  Wetter  schön. 

Der  29.  In  der  Nacht  zum  29.  wird  ein  Laufgi-aben  p" 
von  der  Batterie  i''  (No.  15)  in  den  Altdorfer  Grund  herab- 
geftthrt  und  erhält  hier  die  Richtung  auf  die  Batterien  Friaul. 
Da,  wo  er  die  Krete  des  Plateaus  erreicht,  wird  ein  Redan  9"  an- 
gelegt und  damit  Fuss  auf  dem  Plateau  gefasst*). 

Der  Angriflf  auf  Schidlitz  von  Seiten  des  Belagerers  wird 
in  der  Nacht  wiederholt.  Ein  Theil  des  Dorfes  bleibt  in  seinem 
Besitz  % 

Auf  Seiten  des  Belagerten  können  die  Arbeiten  an  den 
Batterien  Friaul  und  an  der  avancee  Kirgener  wegen  Mangels 
an  Arbeitern  nicht  fortgesetzt  werden.  Es  war  beabsichtigt 
gewesen,  die  gemauerten  Reduits  der  Reduten  Friaul  durch 
Traversen  zu  maskiren,  weil  sie  jetzt  im  Rücken  beschossen 
wurden.  Campredon  notirt  in  seinem  Tagebuch,  dass  die  neue 
Batterie  auf  dem  Damm  bei  Ohra  die  erste  Coupure  und  die 
Gebäude  des  Jesuiterkollegiums  beschiesst.  Die  Coupure  war 
also  noch  im  Besitz  des  Belagerten,  ein  Sappeur  wird  darin 
getödtet.  In  Bezug  auf  das  Vorgehen  des  Belagerers  gegen 
Schidlitz  wird  beschlossen,  ein  Werk  links  von  Stolzenberg  zu 
errichten  (von  der  Stadt  aus  gesehen). 


^)  Ebeuda. 

«)  D'Artois  342.    Campredon  180. 

»)  Apercu  287.  D'Artois  stellt  dies  S.  340  in  Abrede.  Nach  ihm  ist 
der  Angriff  ebenfalls  abgeschlagen  worden.  Campredon  spricht  sich  nicht 
darüber  aus,  sehr  ausführlich  dagegen  das  Tagebuch  der  Division  Hendelet 
Danach  hat  der  Bataillonschef  Carre  und  der  Hauptmann  Leclerc  aUc  Angriffe 
zurückgeschlagen.  Am  Morgen  hat  Carr6  jedoch  die  Besatzungen  der  Posten 
vorwärts  Stolzenberg  eingezogen  und  sie  weiter  rückwärts  am  Blockhaus  von 
Stolzenberg  in  der  Nähe  des  gelben  Hauses  aufgestellt.  S.  134.  In  dem 
Gefecht  dieser  Nacht  spielt  der  Posten  gen.  Pichon  vorwärts  Schidlitz 
eine  Bolle,  der  nur  in  dem  Tagebuch  erwähnt  wird.  Er  war  am  13.  mit  der 
Parrie^re  von  Schidlitz  durch  einen  gedeckten  Weg  verbunden  worden. 


_  409  _^ 

Das  Wetter  ist  schlecht:  Regen  und  abwechselnd  Schnee  ').    Oktober. 

Der  30.  Der  Belagerer  geht  aus  dem  in  der  vorigen  Nacht 
erbauten  Redan  in  Zickzacks  gegen  die  Batterien  Friaul  vor^). 
Auf  dem  linken  Flügel  stellt  er  eine  Kommunikation  zur  Re- 
dute K"  (No.  16)  her.  Infolge  eines  neuen  Angriffs  auf  Schid- 
litz  wird  ein  Theil  des  Dorfs  vom  Belagerer  in  Besitz  genommen, 
und  der  Bau  der  avancee  Kirgener  wird  eingestellt,  doch  bleibt 
die  Stelle  noch  vom  Belagerten  besetzt'). 

Die  3  Reduten  auf  dem  Jesuiterberge  (avanc6e  und  die 
Batterien  Friaul)  werden  stark  beschossen,  wogegen  das  Bom- 
bardement gegen  die  Stadt  nur  schwach  fortgesetzt  wird.  Wegen 
der  dringenden  Gefahr  wird  jedoch  die  Arbeit  an  der  avancee 
Friaul  und  an  dem  Abschnitt  in  Schottland  auch  bei  Tage  fort- 
gesetzt. Es  werden  mehrere  Arbeiter,  daininter  auch  Civilisten, 
getödtet.  Das  beabsichtigte  Werk  links  von  Stolzenberg  wird 
in  Angriff  genommen.  Campredon  notirt,  dass  der  Feind  einen 
Erdaufwurf  gegenüber  dem  kleinen  Posten  am  Eingange  von 
Stolzenberg  herstellt.     Es  ist  die  Redute  1"  (No.  19)  gemeint. 

Der  Tag  ist  schön  und  nur  massig  kalt*). 

Der  31.  In  der  Nacht  zum  31.  hat  sich  der  Belagerer  mit 
den  vom  Redan  vorgetriebenen  Zickzacks  den  Batterien  Friaul 
bis  auf  500  Schritt  genähert  und  erbaut  3  Mörserbatterien  r", 
s"  nnd  t".  Zugleich  wird  der  Laufgraben  p"  erweitert,  um 
die  Mörser  darin  fortschaffen  zu  können.  Es  sind  2400  Milizen 
und  gegen  100  Sappeure  und  Pioniere  dabei  angestellt^).  Am 
31.  Hess  der  Herzog  die  beiden  Posten  bei  Stolzenberg  angreifen 
und  stellte  die  Vorposten  näher  gegen  den  Bischofsberg  auf. 
Die  Posten  wurden  genommen  und  eingeebnet®). 


*)  Campredon  180. 

•)  DArtois  342. 

»)  D'Artois  341.    Düring  115. 

*)  Campredon  180-182. 

*)  Apercu  288.  D'Artois  bat  für  diese  Batterien  in  seinem  Plan  die 
Bezeichnung  No.  41  und  42.  „Hinsichtlich  des  Laufgrabens  p"  sei  daran 
erinnert,  dass  sich  der  Geschützpark  bei  Schiddelkan  befand,  die  Geschütze 
daher  über  Wonneberg  transportirt  wurden. 

*)  Ebenda.  Unter  diesen  beiden  Posten  ist  das  krenelirte  nnd  mit 
Palisaden  umgebene  Haus  am  Eingange  von  Stolzenberg  und  das  die  Nacht 


_  410 

Oktober.  Fraiizösischerseits   wird    erwogen,   ob   es    nicht   angezeigt 

wäre,  mit  Feldgeschützen,  unterstülzt  von  einiger  Infanterie,  von 
Stolzenberg  aus  vorzugehen  und  die  vom  Redan  aus  vorgetrie- 
benen Laufgräben  im  Rücken  zu  fassen.  Man  steht  jedoch  da- 
von ab,  um  nicht  ein  grösseres  Gefecht  heraufzubeschwören  *). 
Die  avaucee  Frioul  wird  mit  3  kleinen  Mörsern  vei-sehen  *). 
Da  die  Sappen  des  Belagerers  die  erste  Kupürc  zu  uberflügelu 
drohen,  sieht  man  sich  endlich  veranlasst,  diese  zu  räumen  und 
die  Truppen  hinter  den  Abschnitt  von  Schottland  zurückzuziehen, 
obgleich  dieser  noch  nicht  vollständig  beendet  ist*). 

Ein  Schiff  von  200  Tonneu  Ladung  von  Talg,  Sirup  und 
Leinöl,  das  von  Riga  kam  und  nach  Stettin  wollte,  verirrt« 
sich  in  den  Hafen  von  Neufahrwasser  —  der  Schiffer  soll  be- 
trunken gewesen  sein  —  und  wurde  vom  Schiffskapitain  Du- 
moutier  mit  Beschlag  belegt*). 

Das  Feuer  gegen  die  Speicherinsel  wird  wieder  verstärkt  ^). 

Es  tritt  Frost  ein  und  fällt  Schnee. 

Um  diese  Zeit  erbaut  der  Belagerte  am  Krahnthor  eine 
Brücke,  weil  die  Brücken  am  Kuh-  und  grünen  Thor  infolge  des 
Bombardements  zu  sehr  ausgesetzt  sind^).  Auch  beginnt  in 
dieser  Zeit  infolge  der  Nachrichten  über  die  Schlacht  bei  Leipzig 
die  Desertion  bei  der  Besatzung  um  sich  zu  greifen'). 

zuvor  in  Angriff  genommene  Werk  links  (südlich)  vom  Dorfe  zu  verstehen. 
Die  französischen  Berichterstatter  schweigen  darüber  mit  Ausnahme  desjenigen 
von  M****,  le  siege  de  Danzig  en  1813  S.  134,  Tagebuch  der  Division  Heudelet, 
wonach  es  jedoch  schon  am  28.  geschehen  ist. 

»)  Campredon  182,  d'Artois  344. 

')  Campredon  182.  D'Artois  344  (S.  346)  sagt  zwei,  lässt  aber,  was  Cam- 
predon nicht  erwähnt,  die  Kurtiue  zwischen  den  beiden  Batterien  Friaul  mit 
4  kleinen  Mörsern  bewaffnen. 

')  Campredon  182,  d'Artois  344.  Die  Angabe  des  aper^u  S.  285,  dass 
die  erste  Coupnre  schon  am  22.  geräumt  worden  ist,  kann  daher  nicht 
richtig  sein. 

*)  Apercu  289.  d'Artois  349.  Campredon  notirt  das  S.  181  schon  zum  30., 
womit  auch  Düring  übereinstimmt  (S.  113;.  Beide  stellen  das  Ereigniss 
wesentlich  anders  dar  als  das  apergu  und  machen  daraus  eine  Helden that  des 
p.  Dumoutier. 

*)  Aper<;u  289. 

«)  Düring  117. 

')  Ebenda  112. 


_411 

Der  1.  November.    In  der  Nacht  zum  1.  November  werden    November, 
die  Batterien  m'"  und  n"'  aniiirt,  die  letztere  mit  2  Mörsern, 
die  erstere  mit  2  Haubitzen  und  4  —  24Pftindern.    Die  Redute 
1 "  wird  beendet  *). 

Das  Feuer  gegen  die  Speicherinsel  wird  in  der  Nacht  von 
allen  Batterien,  die  Einsicht  darauf  haben,  aufgenommen*). 
Die  Sappen  des  Belagerers  nähern  sich  den  Batterien  von  Friaul 
bis  auf  400  Schritt.  Er  treibt  ausserdem  Rekognoscirungen  gegen 
die  befestigten  Posten  auf  dem  Plateau  des  Stolzenberges  vor, 
wird  jedoch  zurückgewiesen'**).  Von  Seiten  des  Belagerten  werden 
die  Batterien  von  Friaul  ausgebessert  und  Masken  (Traversen) 
vor  den  gemauerten  Reduits  derselben,  welche  dem  direkten 
feindlichen  Schuss  ausgesetzt  sind,  angelegt*).  Das  Feuer  der 
kleinen  Mörser  in  der  avancee  Frioul  zog  das  des  Belagerers 
auf  sich,  so  dass  diese  sowohl  als  die  Batterien  Fiiaul  binnen 
kurzem  zum  schweigen  gebracht  wurden.  Man  erwartete  in- 
folgedessen in  der  nächsten  Nacht  einen  Angriff  und  stellte  in 
Weingarten  eine  Reserve  auf^). 

Das  Bombardement  gegen  die  Speicherinsel  wurde  auch 
am  Tage  mit  grosser  Heftigkeit  fortgesetzt  und  von  der  Fes- 
tung ebenso  erwidert*').  Gegen  6  Uhr  abends  fiel  eine  Bombe 
in  einen  mit  Hanf  gefüllten  Speicher  in  der  Nähe  der  grünen 
Brücke,  welcher  in  weniger  als  10  Minuten  in  Flammen  stand  ^). 
Auch  in  der  Nähe  des  Theerhofs  brach  Feuer  aus.  Der  Ge- 
neral Camprcdon  befand  sich  gei'ade  beim  Guverneur  als  die 
Meldung  eintraf.  Bei  seiner  Ankunft  an  der  Feuerstätte  gegen 
7  Uhr  fand  er  das  Feuer  bereits  in  erschrecklicher  Ausdehnung. 
Ein  heftiger  Südostwind  trieb  es  sodann  in  weniger  als  zwei 


»)  Apercu  287.  Vgl.  S.  407  Note  2,  wonach  unter  w'"  und  n'"  die 
Batterien  bei  Tempelburg  (13  und  14)  gemeint  sein  mögen. 

«)  Ebenda  289. 

3)  Campredon  182. 

*)  Ebenda  183.  Die  Ausführung  hat  der  lugenieurhauptmann  Dieudonne. 

*)  Ebenda. 

^)  Nach  d^Artois  365  hat  die  Artillerie  des  Platzes  am  1.  November 
und  während  der  Nacht  4000  Schuss  gethan.  Für  gewöhnlich  geschahen  in 
dieser  Zeit  täglich  1600  Schuss  und  selbst  während  des  spätem  Geschütz- 
kampfes am  17.  November  nur  3500  Schuss. 

')  Dttring  117. 


412 


Stunden  in  der  Riclitung  auf  die  Magazine  fort,  so  dass  eine 
Löschung  ganz  unmöglich  war.  Es  gelang  nur,  einige  Speicher 
zu  räumen  und  die  6  Rossmtthlen  zu  retten.  Gegen  Mitternacht 
war  die  ganze  Speicherinsel  in  Brand  oder  doch  unrettbar  be- 
droht. Der  grössere  Theil  der  Soldaten  und  die  untern  Volks- 
klassen raubten  nur  noch.  Zahlreiche  Kammerbestände  an  Be- 
kleidungsstücken, die  wichtigsten  Lazarethe,  die  Kasernen  und 
der  grösste  Theil  der  noch  vorhandenen  Lebensmittel  war  ein 
Raub  der  Flammen  geworden.  Wunder  barer  weise  wurde  der 
in  der  Nähe  befindliche  Milchkannenthurm,  der  voll  Munition 
war,  verschont  ^). 

Der  2.  November.  Die  Brandstätte  wurde  die  ganze  Nacht 
hindurch  vom  1.  zum  2.  November  vom  Belagerer  beschossen,  aber 
die  Bestürzung,  die  sich  der  ganzen  Besatzung  bemächtigt  hatte, 
nur  in  beschränktem  Masse  ausgebeutet.  Es  erfolgten  zwar 
um  10  Uhr  abends  Angriffe,  aber  mit  so  geringen  Kräften,  dass 
kein  Erfolg  erzielt  wurde.  Der  Verfasser  des  apergu  (also  der 
Herzog  selbst)  sucht  das  damit  zu  begründen,  dass  die  Zahl 
der  Linientruppen  nur  4000  Mann  betragen  habe,  wovon  noch 
der  grösste  Theil  Rekruten  gewesen  wäre.  Die  Milizen  seien 
aber  zu  schlecht  bewaffnet  gewesen,  um  sie  zu  einem  Sturm 
auf  die  feindlichen  Werke  zu  benutzen*).     Der  Herzog  habe 


>)  Campredou  183.  184,  d'Artois  353  ff.,  Blech  2,  262  ff.,  Düring  117  ff. 
Nacb  d'Artois  366  wurden  zwei  Drittel  der  Muudvorräthe  veruichtet  und 
zwar  24299  Ctr.  Getreide,  108  Ctr.  Mehl,  53  Ctr.  Reis,  228  Ctr.  Salz  und 
404  880  Portionen  Zwieback.  Es  blieb  an  Getreide  kaum  ein  Vorrath  für 
zwei  Monate.  Auch  Blech  schätzt  (12268)  den  Mundvorralh  auf  zwei  Drittel 
des  Bestandes :  800  Last  Getreide,  18000  Säcke  Reis,  Zwieback  auf  14  Tage, 
ein  ganzer  Bording  mit  Salz.  Der  Werth  der  verbrannten  Gebäude  wurde 
mindestens  auf  zwei  Millionen  Thaler  angeschlagen,  ebenso  hoch  belief  sich 
der  Werth  der  der  Bürgerschaft  gehörigen  Waaren. 

^)  Apergu  294.  Es  ist  unverständlich,  wie  der  Herzog  auf  die  Zahl  von 
4000  Mann  Linientrnppen  kommt,  da  seine  Stärkenach  Weisung  (Tableau  II) 
gegen  9000  Linien truppen  aufweist,  die  Rekruten  sich  auch  seit  Monaten  vor 
Danzig  befanden,  also  vollkommen  kriegsbrauchbar  sein  konnten.  Au  Milizen, 
die  ostpreussische  Landwehr  mit  eingerechnet,  waren  gegen  20000  vorhanden, 
und  wenn  auch  der  3.  Theil  davon  bei  den  Russen  mit  Piken  bewaifoet  war, 
so  hat  das  in  der  Nacht  wenig  zu  sagen.  Dabei  führt  der  Herzog  wieder- 
holeutlich  an,  dass  die  Milizen  sich  wie  Veteranen  geschlagen  haben,  und  be* 
nutzte  die  preussische  Landwehr  vorzugsweise    beim  Sturm  von  Werken. 


413 

daher  nur  die  Absicht  gehabt,  den  Feind  die  Nacht  hindurch 
unter  Waffen  zu  halten,  ihn  auf  diese  Weise  zu  entkräften  und 
die  Unordnung  zu  vermehren '). 


^)  Hiernach  könnte  es  scheinen,  als  oh  die  in  der  Nacht  vom  1.  zum 
2.  Novemher  ausgeführten  Angriife  durch  die  Feuershninst  hervorgenifen 
worden  wären.  Das  ist  aher  durchaus  nicht  der  Fall.  Die  Angriffe  waren 
vorher  disponirt  und  hätten  stattgefunden,  auch  wenn  keine  Feuershninst 
ausgehrochen  wäre.  Auch  ist  es  eine  untergeschobene  Meinung,  welche  das 
aper<;a  S.  294  ausspricht,  dass  der  Angriff  auf  avanc^e  Frionl  gegen  den 
Willen  des  Herzogs  stattgefunden  hätte,  indem  er  damit  nur  eine  Demon- 
stration beabsichtigt  habe,  um  den  Angriff  auf  avanc6e  Kirgener  und  auf 
Stolzenberg  zu  begünstigen.  Da  mehrseitig  bezeugt  wird,  dass  den  Truppen 
Arbeiter  beigegeben  waren,  uro  das  Werk  mit  den  rückwärtigen  Laufgräben 
zu  verbinden,  kann  nur  ein  ernstlicher  AngrifiF  beabsichtigt  worden  sein. 
Das  Tagebuch  des  Majors  von  Hake  (Kr. -Archiv)  sagt  darüber:  „der  am 
80.  Oktober  beabsichtigte  Angriff  auf  die  kleine  Schanze  (avanc^e  Frioul) 
unter  dem  Qeneral  Tschemisch  wurde  heut  ausgeführt.  Man  nahm  die 
Schanze  ...."'  Ebenso  deutlich  ist  der  Bericht  des  Grafen  Dohna  vom 
2.  November  an  den  König  (Kr.-Archiv  F.  19):  „Euer  Kgl.  Majestät  melde 
ich  unterthänigst,  dass  gestern  Abend  ein  Angriff  auf  die  Verschanzungen 
des  Feindes  in  Alt-Schottland,  Stolzenberg  und  der  Strasse  von  Schidlitz  ge- 
macht wurde.  Der  General  Tschernisch  kommandirte  auf  dem  rechten  Flügel 
und  Se.  Kgl.  Hoheit  der  Herzog  hatte  mir  befohlen,  ihm  das  15.  Preussische 
Landwehrbataillon  von  Spiess  als  Reserve  zuzutheilen;  der  Oberst  Peikert  kom- 
mandirte das  Centrum,  und  ihm  war  auf  höhern  Befehl  das  18.  Landwehrbataillon 
Graf  Dohna  zugetheilt.  Der  General  Treskin  kommandirte  den  linken  Flügel, 
und   ihm   waren    die   Bataillone   No.  10   von   Bohlschwing   und  No.  14  von 

Meyer  zugetheilt Anfänglich  war  der  Erfolg  glänzend,  nachdem  aber 

der  Feind  seine  Verstärkungen  herangezogen,  mussten  die  errungenen  Vor- 
theile  aufgegeben  werden.  Die  Angriffe  geschahen  ohne  Zusammenhang  und 
wurden  nicht  unterstützt''. 

Vgl.  auch  die  Briefe  des  Herrn  von  Brederlow  vom  4.  November  und 
den  vorher  ohne  Datum.    AUgem.  Milit.-Zeitung  1880. 

Bezeichnend  ist  auch,  was  der  Graf  Dohna  in  seinem  Bericht  vom 
2.  November  an  den  KOnig  hinzufügt :  „wahrscheinlich  wird  heut  der  Angriff 
erneuert  werden,  da  es  die  Absicht  Sr.  Königlichen  Hoheit  des  Herzogs  ist, 
auf  der  Höhe  von  Stolzenberg  und  der  Jesuiterschanze  die  1.  Parallele  zu 
eröffnen*'.  Es  mnsste  sich  jedem  militairisch  Gebildeten  aufdrängen,  dass 
ohne  den  Besitz  der  Jesuiterschanze  die  1.  Parallele  gegen  den  Bischofsberg 
nicht  eröffnet  werden  konnte.  Auch  scheint  die  Absicht  vorgelegen  zu  haben, 
sich  ihrer  in  der  folgenden  Nacht  zu  bemächtigen,  denn  der  Major  Liebe 
schreibt  in  seinem  Tagebuche  unterm  2.  November :  „die  Juden-  und  Jesuiter- 
schanze wurden  heftig  beschossen,  weil  man  in  der  folgenden  Nacht  stürmen 


414 

Die  Vorgänge  der  Nacht  werden  wie  folgt  erzählt.  Um 
10  Uhr  abends  erfolgte  auf  allen  Punkten  ein  Zurückdrängen 
der  Vorposten  des  Belagerten.  Darauf  wurden  Altschottland 
und  der  Jesuiterberg,  Schidlitz  und  die  Höhen  zu  beiden  Seiten 
desselben  angegriflfeu.  Die  Belagerer  schienen  entschlossen,  sagt 
Dtiring  S.  118,  diese  Posten,  es  koste,  was  es  wolle,  zu  nehmen 
und  zu  behaupten.  Trotz  unausgesetzter  Kartätschschüsse  vom 
Bischofsberge  setzten  sie  sich  in  den  Besitz  der  Flesche  (avancee) 
von  Friaul.  Die  Besatzung  bestand  nach  d'Artois  (S.  357)  aus 
50  Mann  unter  dem  Hauptmann  Maugin.  Er  wurde  gleich  zu 
anfang  erschossen.  Auch  der  Lieutenant  Boery  vom  Ingenieur- 
korps, der  das  Kommando  übernahm,  erhielt  zwei  Schusswunden. 
Die  anstürmenden  Russen  (vom  preussischen  Land  weh  rbataillon 
unterstützt)  drangen  in  den  Graben  und  rissen  die  Palisaden 
aus.  Die  Ersteigung  der  Brustwehr  machte  keine  Schw^ierig- 
keiten,  da  die  vordere  Böschung  durch  mehrtägiges  Beschiessen 
leicht  zugänglich  war.  Die  Lünette  wurde  sofort  durch  einen 
Laufgraben  mit  den  rückwärtigen  Trancheen  verbunden.  Der 
Guverneur,  davon  unterrichtet,  schickte  dem  General  Husson, 
welcher  die  Reserve  der  30.  Division  kommandirte,  den  Befehl 
das  Werk  wiederzunehmen,  damit  sich  der  Feind  nicht  der  Batterien 
Friaul  bemächtigte.   Der  Angriif  fiel  einem  Bataillon  des  5.  polni- 


wollte,  der  Sturm  unterblieb  jedoch.^  Es  kann  demnach  keinem  Zweifel 
unterliegen,  dass  auch  am  1.  Norember  die  Absicht  vorhanden  war,  nicht 
bloss  das  avancee,  sondern  auch  die  batteiies  de  Frioul  zu  nehmen,  und  dass 
dies  nur  an  der  Ausführung  gescheitert  ist,  weshalb  das  aper<;u  den  Hangel 
an  Erfolg  zu  verschleiern  sucht.  Der  Graf  Dohna,  der  in  dieser  Nacht  nur 
Zuschauer  war,  macht  denn  auch  in  einem  Schreiben  vom  2.  November,  das 
er  gelegentlich  des  Berichts  an  den  König  dem  General  v.  d.  Knesebeck  zn- 
sendete, seinem  Herzen  Luft,  indem  er  sagt:  ,dass  die  herrschende  Unord- 
nung mit  jedem  Tage  zunimmt.  Bei  dem  Gefecht  der  verwichenen  Nacht 
war  der  General  Tschemisch,  der  General  Sosnin  und  der  Oberst  Pullet  an- 
getrunken und  die  beiden  erstem  dermassen,  dass  sie  die  schrecklichsten  Un- 
ordnungen veranlassten.   Die  Trnppen  waren  brav,  aber  ohne  Leitung 

Jeden  Abend  sehen  wir  hier  die  schrecklichsten  Fenersbrünste  in  der  Stadt 
und  den  Vorstädten,  die  Gegend  wird  durch  nnregelmässige  Fouragimngen 
und  Plünderungen  verheert,  und  während  der  Zeit  giebt  der  Herzog  jeden 
Abend  Bälle  und  Concerte".  Von  solchem  Balle  waren  obige  3  Herren  ge- 
kommen, wie  Brederlow  mittheilt,  der  überhaupt  in  der  Darstellung  dieser 
Nacht  köstlich  ist. 


415 

sehen  Infanterie-Regiments  unter  dem  Major  Treny  und  der  Frei- 
kompagnie des  Hauptmanns  Chambure  zu  ^).  Nachdem  das 
Feuer  vom  Bischofsberge  5  Minuten  verstummt  war,  warfen 
sich  die  Polen  von  Altschottland  her  in  die  Kehle  des  Werkes, 
während  Chambure,  gedeckt  durch  den  Hohlweg,  der  vom  Wein- 
berg aufsteigt,  es  rechts  umging.  Die  Besatzung  wurde  nach 
den  französischen  Berichten  bis  auf  20  Mann  und  einen  Officier, 
die  gefangen  fortgeführt  wurden,  niedergemetzelt.  Dasselbe 
behaupten  die  russischen  Berichte  bei  der  Einnahme  des  Werks. 
Die  Franzosen  planirten  den  von  den  Russen  aufgeworfenen 
Laufgraben. 

Inzwischen  waren  die  Russen  in  Alt -Schottland  bis  zur 
2.  Kupüre  vorgedrungen  und  unterhielten  hier  zwei  Stunden  hin- 
durch ein  lebhaftes  Kleingewehrfeuer  gegen  die  Besatzung  der- 
selben, wobei  sie  gegen  den  gedeckt  stehenden  Feind  bedeutend 
im  Nachtheil  waren  und  erhebliche  Verluste  erlitten,  bis  sie 
schliesslich  wieder  abzogen.  Der  General  Heudelet  konnte 
gegen  1  Uhr  die  Reserve  wieder  nach  der  Stadt  entlassen. 

Um  dieselbe  Zeit  entbrannte  das  Gefecht  um  Stolzenberg 
und  die  avancee  Kirgener.  Die  Russen  trafen  hier  bei  ihrem 
Vorgehen  auf  keine  anderen  Kräfte  als  die  gewöhnliche  Vor- 
postenaufstellung mit  ihren  Repli's.  Schidlitz  und  Stolzenberg 
waren  von  den  Vorposten  der  30.,  die  avanc6e,  von  denen  der 
7.  Division  besetzt.  Eine  gemeinschaftliche  Reserve  war  nicht 
vorhanden.  Der  General  Treskin  liess  die  avancee  durch  die 
beiden  preussischen  Landwehrbataillone ,  die  ihm  zugetheilt 
waren,  angreifen,  während  der  Oberst  Peyker  das  Landwehr- 
bataillon als  Reserve  in  Wonneberg  zurückliess  und  mit  den 
Russen  angriff.    „Beide  Unternehmungen",  sagt  Pullet  in  seinem 


*)  Die  Freicompagnie  wird  hier  zam  ersten  Male  erwähnt.  Sie  war  im 
Oktober  vom  Gnvemeur  wahrscheinlich  nach  dem  Vorbilde  der  Danziger  Frei- 
kompagnien in  der  Belagerung  von  1734  errichtet  worden  und  hatte  den  Zweck, 
den  Belagerer  in  steter  Unruhe  zu  erhalten,  was  bei  dem  geringen  Stande  der 
Besatzung  durch  Linientruppen  nicht  zu  erreichen  war.  Die  Mannschaft  war 
ausser  der  Muskete  mit  Säbeln  und  Pistolen  bewaffnet  und  bestand  aus 
70  Manu  ausgesuchter  Leute.  Ihre  Leistungen  werden  von  den  franz(tsischen 
Berichterstattern  übertrieben,  vom  Herzoge  zu  gering  angeschlagen. 


416 

November.  Jnrnal,  „hatten  einen  überaus  glücklichen  Erfolg,  so  dass  unser 
Verlust  an  Todten  und  Verwundeten  bei  dieser  ersten  Weg- 
nahme nur  20  Mann  betrug.**  Wenn  Pullet  dann  aber  fortfährt: 
„Viermal  wurden  in  der  nämlichen  Zeit  diese  Redute  wechsel- 
seitig erobert  und  verloren,  dem  ungeachtet  wurden  an  solcher 
über  800  Schritt  Umwandlungsarbeitcn  gegen  die  feindliche 
Seite  vollbracht**,  so  kann  sich  diese  Angabe,  soweit  sie  den 
Kampf  betrifft,  wohl  nur  auf  das  Gefecht  am  folgenden  Morgen 
beziehen ;  wie  hätte  sonst  die  bedeutende  Arbeit  von  800  Schritt 
Umwandlungsarbeiten  ausgeführt  werden  können!  Diese  be- 
standen in  der  Herstellung  eines  Laufgrabens  zur  Verbindung 
der  avanc6e  u"  (20)  mit  der  Redute  K"  (16).  Die  schwache 
Besatzung  von  Stolzenberg  hatte  sich  beim  Angriff  des  Obersten 
Peyker  in  Ordnung  auf  die  Lünette  Cafarelli  zurückgezogen. 
Wenn  das  Tagebuch  Pullet's  sagt:  „Der  Angriff  auf  Stolzen- 
berg hatte  sich  bis  3  Uhr  gegen  Morgen  verspätet**,  so  wider- 
spricht das  seiner  ersten  Angabe,  dass  Stolzenberg  gleichzeitig 
mit  der  avancee  genommen  wurde,  und  kann  sich  daher  wohl 
nur  auf  die  Arbeiter  beziehen,  die  erst  um  3  Uhr  anlangten. 
„Um  die  verspätete  Zeit  nachzuholen**,  sagt  das  Tagebuch 
weiter,  „begab  sich  der  Direktor  des  Geniewesens  (d.  i.  Pullet) 
mit  seinen  beiden  Adjutanten,  dem  preussischen  Lieutenant 
Brese  und  dem  russischen  Lieutenant  Schmiedeknecht,  dahin 
und  theilte  die  Arbeit  unter  Benannte  ein.  Man  brachte  es 
so  weit,  dass  um  halb  6  Uhr  morgens  ein  Logement  für  150 
Mann  600  Schritt  vom  bedeckten  Wege  des  äussersten  feind- 
Werkes  mit  Kommunikationen  nach  dem  Grunde  herunter  mit 
völliger  Deckungshöhe  von  4  Fuss  breit  eingeschnitten  war- 
Dieser  Einschnitt  formirte  zugleich  mit  200  Schritt  Front  den 
förmlichen  linken  Flügel  der  1.  Parallele  unge- 
achtet des  die  ganze  Arbeitszeit  durch  anhaltenden  heftigen 
Kartätschfeuers.  Die  Nähe,  in  der  man  uns  wahrscheinlich 
nicht  vermuthete,  und  der  Umstand,  dass  man  den  sanften 
Hügel,  worauf  die  nachmalige  Batterie  angeordnet  werden  sollte, 
dicht  vor  der  Front  behielt,  scheinen  die  Ursache  gewesen  zu 
sein,  dass  wir  keinen  einzigen  Todten  oder  Blessirten  hatten."* 
Am  2.  um  10  Uhr  morgens  waren  beide  Positionen,  um 
welche,  be^sonders  bei  der  auf  der   linken  Seite,   so  heftig  ge- 


417 


stritten  worden  war,  durch  die  Uebermacht  des  Feindes  be- 
wältigt und  verloren  *). 

Der  General  Heudelet  hatte  auf  die  Nachricht,  dass  Stolzen- 
berg  habe  geräumt  werden  müssen,  den  Major  Garr6  beauf- 
tragt, nur  300  Mann  auf  dem  Bischofsberge  zurückzulassen, 
andere  100  Mann  am  Neugarter  Thor  aufzustellen  und  mit  dem 
Rest  der  1.  Halbbrigade  sich  zur  Rückeroberung  von  Stolzen- 
berg  bereit  zu  stellen.  Der  General  Rapp  befahl  jedoch,  dass 
bei  der  Dunkelheit  der  Nacht  und  bei  der  Unkenntniss  über 
die  Stärke  des  Feindes  der  Angriff  auf  den  folgenden  Morgen 
verschoben  werden  sollte.  Der  Kommandeur  der  7.  Division, 
General  Grandjean,  sollte  seinerseits  die  disponibeln  Kräfte  zur 
Rückeroberung  der  avanc6e  stellen.  Der  General  bestimmte 
zur  Führung  derselben  den  Brigadegeneral  Devilliers,  während 
die  Truppen  der  30.  Division  vom  General  Breissan  geführt 
wurden. 

Bevor  der  General  Devilliers,  dessen  Truppen  einen  weitem 
Weg  zurückzulegen  hatten,  noch  heran  war,  griff  der  General 
Breissan  die  Stellung  der  Russen  in  Stolzenberg  an,  warf  sie 
aus  dem  Laufgraben,  den  sie  in  der  Nacht  aufgeworfen  hatten, 
heraus,  ebenso  aus  den  übrigen  Posten  von  Stolzenberg,  so  dass 
das  ganze  Plateau  wieder  in  den  Händen  der  Franzosen  war. 
Der  General  wurde  hierbei  am  Kopfe  schwer  verwundet,  so 
dass  er  einige  Wochen  darauf  starb*). 


')  lieber  das  Gefecht  selbst  lässt  sich  das  Tagebach  Pdlet^s  nicht  aas. 
Dass  es  bis  IG  Uhr  morgens  daaerte,  erwähnt  auch  der  Graf  Dohna  in  seinem 
Bericht  vom  2.  November  an  den  König.  Den  Stnrm  auf  die  avanc^e  Frionl 
verlegt  Pullet  in  dem  Tagebuch  auf  die  Nacht  vom  28.  zum  29.  Oktober, 
wie  es  auch  in  die  skizzirte  Geschichte  übergegangen  ist.  Offenbar  liegt  hier 
eine  Absicht  vor.  Er  trennt  auf  diese  Weise  die  Thätigkeit  des  Obersten 
Manfredi,  der  zu  dieser  Zeit  die  Leitung  der  Arbeiten  hatte,  von  der  seinigen 
und  erhielt  von  diesem  Tage  ab,  wie  er  sich  im  Tagebuch  ansdrttckt,  die 
Leitung  der  Attacke  unter  dem  Oberbefehl  Sr.  Königlichen  Hoheit  aus- 
schliesslich. 

*)  Diesen  Thatsachen  gegenüber,  die  das  Tagebuch  der  Division  Heu- 
delet und  d*Artois,  sowie  das  Tagebuch  des  Minors  von  Hake  mittheilen, 
leugnet  das  aperen  S.  298,  dass  am  2.  November  ein  Gefecht  bei  Stolzenberg 
stattgefunden  habe,  und  behauptet,  die  aufgeworfenen  Laufgräben  seien  aus 
Missverständniss  von   den  russischen  Trappen  verlassen  worden,   so  dass  sie 

Köhler,  Oeschichte  d^rFestangenDanzig  und  Weicbselmtinde.    11.  87 


418 


Der  Angriff  des  Generals  Devilliers  erfolgte  etwas  später. 
Die  avanc6e  Kirgener  fiel  nach  tapferem  Widerstände  wieder 
in  die  Hände  der  Franzosen  und  wurde  von  ihnen  gegen  wieder- 
holte Angriffe  behauptet.  Dabei  fiel  der  preussische  Major  von 
Bohlschwing,  als  er  eben  sein  Landwehrbataillon  (Nr.  10)  zum 
Angriff  vorführte.  Der  Bruder  des  Lieutenants  Brese,  noch 
Portepefähnrich,  wurde  von  einer  Kanonenkugel  todtlich  ge- 
troffen. Das  10.  Bataillon  wurde  vom  Hauptmann  v.  Graeve- 
nitz  mit  vieler  Umsicht  und  Tapferkeit  weiter  geführt,  so  dass 
ihn  der  Graf  Dohna  in  seinem  Bericht  vom  2.  November  zum 
eisernen  Kreuze  vorschlug.  Die  aufgeworfenenLaufgräben  wurden 
von  den  Franzosen  zu  beiden  Seiten  von  Schidlitz  wieder  ein- 
geebnet. Der  Hauptmann  Dieudonn6  war  mit  französischen 
Pionieren  und  400  Spaniern  den  ganzen  Tag  (2.  November)  da- 
mit beschäftigt. 

Der  Verlust  war  in  dieser  Nacht  auf  beiden  Seiten  sehr 
bedeutend.  Der  der  Verbündeten  wird  vom  Apercu  (S.  299) 
auf  2  Offiziere  und  320  Mann  an  Todten  und  Verwundeten  und 
auf  25  Gefangene  angegeben.  Der  der  Franzosen  bestand  aus 
153  Mann,  worunter  11  Offiziere.  Die  Angabe  (nach  Düring 
S.  119)  ei-scheint  jedoch  zu  gering,  da  das  Tagebuch  der  Division 
Heudelet  den  Verlust  der  Division  allein  auf  30  Mann  an  Todten 
und  147  Mann  an  Verwundeten  angiebt.  (de  M***  si6ge  de 
Dantzig  en  1813  S.  138). 

An  die  vergangene  Nacht  knüpfte  sich  eine  weitere  Span- 
nung des  Verhältnisses  zwischen  dem  Herzoge  und  dem  Grafen 
Dohna,  da  dieser  sich  am  folgenden  Morgen  zum  Herzoge  begab, 
um  dagegen  zu  demonstrircn,  dass  preussische  Landwehrbataillone 


eine  Stunde  darauf  von  den  Franzosen  besetzt  worden  sind.  Das  aperen 
lässt  sogar  den  General  Breissan  die  avanc6e  Kirgener  angreifen  und  dabei 
seine  tödtliche  Wunde  erbalten!  Breissan  gehörte  zur  Division  Heudelet, 
Devilliers  zur  7.  Division  Gran^jean.  Vgl.  ausserdem  das  Tagebuch  des 
preussischen  Landwehrbataillons  No.  18  (Kr.-Archiv  F.  9  S.  39),  das  dem 
General  Peikert  zugetheilt  war,  wonach  das  2.  russische  See-Begiment  in  der 
Nacht  vom  1.  zum  2.  November  einen  bedeutenden  Verlust  erlitt  und  aus 
!  Stolzenberg  zurückgedrängt  wurde.    Das  18.  Bataillon  musste  das  See-Regi- 

ment  unterstützen,  wobei  der  Pr.-Lientenant  Haberlandt  mit  den  Tirailleuren 
der  1.  Kompagnie  eine  feindliche  Redute  auf  dem  Stolzenberg  einnahm. 


^419 

unter  russische  Generäle  gestellt  würden,  die  sich  der  Truppe 
nicht  verständlich  machen  könnten  und  daher  unnöthige  Ver- 
luste herbeiführten.  Er  verlangte,  dass  die  preussischen  Truppen 
als  selbständige  Division  unter  seiner  Führung  formirt  würden. 
Die  nächsten  Tage  brachten  noch  weitere  Anträge  des  Grafen, 
die  den  Herzog  schliesslich  veranlassten,  ihn  auf  den  Dienst- 
weg zu  verweisen,  wonach  er  seine  Anträge  an  den  General 
Wiliarainow  zu  richten  habe.  Aufs  äusserste  fühlte  sich  Dohna 
aber  verletzt,  als  der  Herzog  ihm  durch  den  Major  von  Hake 
das  Ansinnen  zumuthete.  seine  Berichte  an  den  König  durch 
ihn  gehen  zu  lassen.  Dohna  koncentrirte  seine  ganze  Wuth  auf 
den  armen  Major,  dass  er  solche  Aufträge  übernehmen  könne, 
und  hat  ihm  das  für  die  ganze  Folgezeit  nachgetragen.  Trotz 
aller  Verdienste  und  der  wiederholten  warmen  Empfehlungen 
von  Seiten  des  Herzogs  an  den  König,  hat  der  Major  nicht  das 
eiserne  Kreuz  bekommen.  Es  gehört  nicht  in  unsere  Aufgabe, 
näher  auf  diese  Verhältnisse  einzugehen.  Unzweifelhaft  befand 
sich  der  Graf  im  Recht,  seine  Truppe  zu  vertreten,  doch  wird 
man  die  Form,  in  der  es  geschah,  nicht  billigen  können. 

4.    Der  formliche  AngrilT  vom  3.  bio  29.  November. 

Die  26  Tage  der  förmlichen  Belagerung  Danzigs  bei  vor- 
gerückter Jahreszeit  in  dieser  nordischen  Gegend  erfolgten 
unter  so  eigenthümlichen  Verhältnissen,  dass  die  Belagerung 
nicht  als  Muster  aufgestellt  werden  kann,  was  nicht  ausschliesst, 
dass  sie  im  höchsten  Grade  lehrreich  ist.  Der  Vertheidiger 
war  durch  die  Vernichtung  des  grössten  Theils  seiner  Lebens- 
mittel infolge  des  Bombardements  bereits  auf  das  äusserste 
gebracht,  aber  auch  der  Dienststand  der  Besatzung,  bei  der 
Ausdehnung  der  Werke  an  und  für  sich  schon  unzureichend, 
verringerte  sich  gegen  Ende  der  Belagerung  durch  die  Vor- 
kommnisse in  Deutschland,  welche  zu  zahlreichen  Desertionen 
der  deutschen  Elemente  und  der  Mannschaft  der  von  Napoleon 
annektirten  Landschaften  führten^),  in  dem  Masse,  dass  er  in 


>)  Der  General  Hnsson  meldete  am  21.  November  dem  Gnvemeur,  dass 
die  Mannscliaften  des  45.  Regiments  der  9.  Halbbrigade  (von  der  Küste  der 
Nordsee  und  Hamburg)  haufenweise  desertiiten.    d'Artois  410. 

87* 


420 

keiner  Weise  mehr  aasreichte.  Schliesslich  verweigerte  der 
noch  bleibende  Rest  derselben  eine  Verwendung  nach  aussen. 
Der  Vertheidiger  war  ausserdem  durch  den  Mangel  an  Pferden 
in  die  Lage  versetzt,  seine  Armirungsarbeiten,  nach  dem  die 
Angrif^front  sich  ausgesprochen  hatte,  nicht  in  dem  Umfange 
eintreten  lassen  zu  können,  welchen  die  Lage  mit  sich  brachte. 
Der  Bischofsberg  konnte  nicht  mit  der  erforderlichen  Anzahl 
von  schweren  Geschützen  versehen  werden,  und  die  Schanzen  vor 
dem  Zigankenberg,  welche  durch  ihre  flankirende  Lage  den 
grössten  Einfluss  hätten  aus&ben  müssen,  waren  nur  dürftig 
mit  Geschützen  ausgerüstet. 

Auch  der  Angreifer  verfügte  nicht  über  eine  ausreichende 
Mannschaft,  um  die  ausgedehnten  Arbeiten  bewältigen  zu  können, 
welche  der  förmliche  Angriff  erforderlich  machte.  Die  Auf- 
rechterhaltung der  Blockade  auf  den  nicht  angegriffenen  Fronten 
erheischte  bei  dem  Umfange  der  Befestigungen  Danzigs  eine 
grosse  Anzahl  von  Trappen,  deren  Stärke  ausserdem  durch 
Krankheiten,  namentlich  durch  die  Dyssenterie,  nicht  unbe- 
deutend verringert  wurde').  In  den  Trancheen  des  Angriffs 
konnten  noch  keine  8000  Mann  verwendet  werden,  von  denen 
täglich  2000  Mann  auf  Arbeit  kamen.  Hierauf  ist  es  wohl 
zurückzuführen,  dass  der  Herzog  zum  Bau  der  1.  Parallele 
schritt,  bevor  er  sich  der  einengenden  Werke  auf  dem  Ziganken- 
berge  und  der  Jesuiterhöhe  bemächtigt  hatte,  was  nur  durch 
einen  gewaltsamen  Angriff  hätte  geschehen  können.  Anstatt 
die  Angriffsfront  zu  umfassen,  wurde  er  infolgedessen  selbst 
umfasst  und  verhindert,  mit  der  Sappe  vorzugehen.  Wenn  es 
ihm  dann  auch  gelang,  begünstigt  durch  eine  überwältigende 
Geschützzahl,  auf  dem  rechten  Flügel  vorzuschreiten,  was 
übrigens  nur  durch  den  schwachen  Dienststand  des  Belagerten, 
welcher  Ausfälle  verbot,  möglich  wurde,  so  ist  er  nach  Bäumung 
der  Werke  der  Jesuiterhöhe  und  von  Schottland  von  Seiten  der 
Gegner  nicht  über  die  ersteren  vorgegangen,  so  dass  er  am 
Tage  der  Kapitulation  immer  noch  600  und  mit  seiner  1.  Pa- 


^)  Das  Bataillon  Nr.  19  der  ostpreiissischeu  Landwehr  musste  wegen  der 
zahlreichen  Kranken  am  27.  Oktober  nach  Graudenz  geschickt  werden. 
Y.  Hake.    Tagebuch.    Es  wnrde  durch  das  Bat.  Nr.  13  (v.  Rantter)  ersetzt. 


421 


rallele  auf  dem  Plateau  von  Stolzenberg  700  Meter  von  den 
Werken  des  Bischofsberges  entfernt  war.  Das  Geschutzfeuer,  auf 
das  er  allein  vertraute,  kann  nur  den  vorbereitenden  Akt  aus- 
fähren und  muss  durch  den  Stoss  ergänzt  werden.  Wenn  dies 
schon  im  Feldkriege  selbst  bei  den  gegenwärtigen  Waffen 
der  Fall  ist,  um  so  vielmehr  im  Festungskriege,  wo  der  Gegner 
hinter  Deckungen  steht  und  die  Schäden,  welche  das  Geschütz 
anrichtet,  in  der  Nacht  wieder  beseitigen  kann.  Mit  dem  Ver- 
fahren, das  der  Herzog  einschlug,  hätte  er  noch  recht  lange 
vor  Danzig  zubringen  können,  bevor  es  gefallen  wäre.  Wie 
sehr  er  seine  Lage,  die  durch  den  Eintritt  der  strengen  Jahres- 
zeit noch  verschlimmert  wurde,  erkannte,  geht  aus  den  täg- 
lichen Aufforderungen,  die  er  seit  dem  22.  November  unter  den 
verschiedensten  Vorwänden  an  Rapp  richtete,  in  Unterhandlungen 
zu  treten,  und  aus  der  gUnstigen  Kapitulation  hervor.  Aus 
den  Ausführungen  im  aperen  liesse  sich  das  freilich  nicht  er- 
kennen*). Erst  am  25.  ging  der  General  Rapp  darauf  ein, 
nachdem  ihm  am  24.  die  Kommandeure  der  nicht  französischen 
Truppentheile  der  Danziger  Besatzung  erklärt  hatten,  dass  sie 
nicht  länger  im  Stande  wären,  ihre  Truppen  zu  beherrschen. 
Schon  vor  dieser  Erklärung  hatte  Rapp  dies,  wie  aus  seiner 
Anrede  an  den  Kriegsrath  vom  23.  hervorgeht  *),  erkannt.  Diese 
Anrede,  welche  zum  Zweck  hatte,  dem  Kriegsrath  die  Nothwen- 
digkeit,  mit  dem  Gegner  zu  paktiren,  darzulegen,  stellt  die  Ver- 
weigerung des  Gehorsams  dieser  Truppentheile  als  die  Haupt- 
veranlassung, an  die  üebergabe  zu  denken,  hin.  Der  Mangel 
an  Lebensmitteln,  wovon  noch  auf  48  Tage  vorhanden  waren, 
folgt  erst  in  zweiter  Linie.  Von  einem  Antheil,  den  der  An- 
greifer durch  die  Zertrümmerung  der  Werke  des  Bischofsberges 
auf  den  Entschluss,  in  Unterhandlungen  zu  treten,  ausgeübt  hat, 
ist  mit  keinem  Worte  die  Rede. 


*)  Plümicke  (Sklzzirte  Geschichte  S.  180)  giebt  eine  Anzahl  von  Gründen, 
anscheinend  ans  offizieller  Qnelle  an,  die  den  Herzog  znr  Kapitulation  yom 
29.  NoTember  bestimmt  haben  sollen.  Sie  sind  alle  nur  untergeordneter  Art, 
die  eigentlichen  Grttnde  werden  verschwiegen,  der  Verfasser  des  apergn  de- 
mentirt  sie  auch,  ob  mit  Fug  und  Recht  erscheint  zweifelhaft. 

*)  Diese  Rede  vom  23.  November  giebt  eine  so  prftcise  Darstellung  des 
Znstandes  der  Besatzung  zur  Zeit  der  Kapitulation,  dass  ich  sie  im  An- 
hange (Nr.  VI)  aufgenommen  habe. 


422 


Wenden  wir  uns  nach  diesem  Ueberblick  zu  den  Details. 
Der  Herzog  von  Wttrtemberg  theilte  für  den  Traucheedienst  die 
Trappen  in  6  Brigaden  zu  je  3  Bataillonen  ^).  Sie  standen  unter 
Befehl  des  Generallieutenants  Löwis,  der  die  Generalmajors  Ada- 
durow  und  Naumow  unter  sich  hatte.  Das  Lager  der  nicht 
im  Dienst  befindlichen  lag  vorwärts  Wonneberg.  Hinter  den 
Trancheen  bildeten  das  Tataren-Regiment  Sympheropol  und  die 
Kosacken  von  Orenburg  unter  dem  Befehl  des  Prinzen  Balatnk 
eine  Chaine.  In  Wonneberg  lagen  200  Milizen,  die  als  Kranken- 
träger dienten.  Hinter  Wonueberg  stand  eine  Reserve  von  3 
Bataillonen,  10  Eskadrons  und  2  Batterien  *)  unter  dem  General- 
major Jurlow  und  zum  Schutz  des  rechten  Flügels  ein  beson- 
deres Detachement,  das  jedoch  noch  unter  Befehl  des  Ge- 
nerals Löwis  stand,  von  4  Bataillonen  unter  dem  Generalmajor 
Tschernisch'). 

')  Die  6  Brigaden  waren  wie  folgt  zusammengesetzt: 

1.  Brigade  Oberat  Stalipiu: 

2  BataiUone  des  Kegiments  Xoporski, 

1  Bataillon    der  Miliz  yon  St.  Petersburg. 

2.  Brigade,  Oberst  Peyker: 

2  Bataillone  des  2.  Seeregiments, 

1  Bataillon      ,    Regiments  Woronesch. 

3.  Brigade,  Oberst  Afrosimow: 

2  Bataillone  des  31.  Jägerregiments^ 

1  Bataillon    der  Miliz  von  Jaroslaw. 

4.  Brigade,  Oberst  Graf  Dobna:  (v.  Beneckendorf-Hiudenburg) 

3  ostpreussische  Landwehr-Bataillone. 

5.  Brigade,  Major  Julius: 

2  BataiUone  des  Regiments  Bransk, 

1  Bataillon      „    3.  Jägerregiments. 

6.  Brigade,  Der  preussische  Major  Oldenburg?  (Graf  Eulenbui^), 

3  ostpreussische  Landwehrbatailloue. 

In  Summa  18  BataiUone,   von  deneu  10  der  Linie  angehörten,   in  der 
Stärke  von  7800  Mann,  worunter  3800  Milizen. 

*)  Die  Reserve  war  aus  folgenden  Triippentheilen  zusammengesetzt: 

2  Bataillone  der  Miliz  von  St.  Petersburg, 

1  Bataillon  ostpreussischer  Landwehr, 

4  Eskadrons  des  Dragonerregimeuts  Kasan, 

6  „         ostpreussischer  Landwehr-Kavallerie, 

2  Batterien. 

•)  Das  Detachement,  welches  das  Dorf  Ohra  und  die  Schottenhäuser  zu 
besetzen  hatte,  bestand  au9 


423 


Die  Stellungen  rechts  und  links  der  Trancheen  bis  zum 
Strande  waren  in  der  bisherigen  Weise  besetzt*). 

Das  Hauptquartier,  das  während  des  Waffenstillstandes  nach 
Jenkau  verlegt  worden  war  und  sich  seit  Ausgang  desselben 
in  Polanken  befand,  wurde  seit  anfang' Oktober  nach  Zankenczin 
verlegt  ^). 

Die  Direktion  der  Arbeiten  hatte  der  preussische  Oberst 
von  Pullet.  Als  seine  Adjutanten  fungirten  die  Ingenieurlieu- 
tenants Brese  und  Schmiedeknecht. 

Die  Leitung  der  Trancheearbeiten  hatte  der  Oberstlieutenant 
von  den  Sappeuron,  Danilow.  Trancheemajor  war  der  Haupt- 
mann Doering.  Als  Officiere  du  jour  dienten  die  Hauptleute 
Streckenbach,  Ewriemoch  und  der  preussische  Ingenieurhaupt- 
mann von  Gayette. 

Die  Ingenieur-  und  Sappeurofficiere  wurden  in  5  Brigaden 
getheilt,  deren  Chefs  die  Hauptleute  Sawitsch,  Datzky,  Olderok, 
Solowjew  und  Radeke  waren').  Jedem  waren  3  bis  5  Lieu- 
tenants zugetheilt. 

Der  Ingenieuroberst  Manfredi  mit  2  Adjutanten  und  der 
Hauptmann  Kool*)  befanden  sich  im  Hauptquartier. 

Die  Sappeure  und  Pioniere  lagerten  vorwärts  Schönfeld. 

Kommandeur    der    russischen    Artillerie    war  der    Oberst 


2  Bataillonen  des  1.  Seeregiments, 
1  Bataillon  des  18.  Jägerregiments, 

1  Bataillon  der  Miliz  von  St.  Petersburg  und 

2  Geschützen. 

^)  Das  vorstehende  nach  dem  Apercu  S.  3 13  ff.  Das  rassische  Bela- 
gerungsjnmal  (Archiv  S.  124)  giebt  eine  andere  Eintheilung  der  Truppen, 
die  wahrscheinlich  davon  herrührt,  dass  von  Zeit  zu  Zeit  Ablösungen  ein- 
traten. 

*)  So  behauptet  das  aper^u  S.  319,  während  der  Major  Hake,  der  dem 
Hauptquartier  seit  dem  2.  Oktober  angehörte,  in  seinem  Tagebuche  ausdrück- 
lich anführt,  es  sei  am  1.  Oktober  nach  Polanken  verlegt  worden,  wie  auch 
das  Datum  der  verschiedenen  Briefe  des  Herzogs  bezeugt. 

')  Die  2.  Brigade  befand  sich  zu  Langfuhr. 

*)  Kool  war  Holländer  und  stand  vor  dem  Feldznge  von  1812  in  Danzig, 
wo  er  bei  den  Bauten  beschäftigt  war.  Er  wurde  während  des  Feldzugs  zu 
den  mobilen  Truppen  versetzt  und  desertirte  zu  den  Küssen,  denen  er  detail- 
Hrte  Pläne  namentlich  über  die  Befestigung  des  Bischofsberges  zuführte. 
Näheres  bei  d'Artois  374  Note  2. 


424 

I   I  I  ■  _ 

Schulmann.  Ihm  waren  der  preussische  Major  Liebe  und  der 
Hauptmann  Pitscher  zugetheilt  ^).  Wie  bereits  oben  angeführt 
worden  ist,  befand  sich  der  grosse  Geschützpai^k  vorwärts 
Schiddelkau,  das  Pulver  in  einer  Tenainmulde  hinter  Nenkau ;  ein 
kleineres  Pulvermagazin  für  den  täglichen  Verbrauch  war  bei 
Wonneberg,  der  Materialienpark  des  Ingenieurkorps  bei  Matsch- 
kau, ein  kleinerer  bei  Miggan,  die  Ambulanzen  und  das  ärzt- 
liche Personal  in  Wonneberg*). 

Die  Belagerten  waren  zur  Zeit  wie  folgt  vertheilt:  Die 
30.  Division  (Heudelet)  vom  Neugartener  Thor  bis  zum  Bastion 
Ochs,  den  Bischofsberg,  Schottland  und  Jesuiterhöhe  inbegriffen  ^. 
Die  34.  Division  (Bachelu)  von  Bastion  Ochs  bis  zur  Mündung 
der  Mottlau  in  die  Weichsel. 

Das  11.  polnische  und  1.  westfälische  Regiment  von  der 
Mündung  der  Mottlau  bis  zum  Bastion  Jacob. 

Das  10.  polnische  und  13.  baierische  Regiment  von  der 
Lünette  Tardivelle  vor  dem  Holzraum  bis  zum  Neugarter  Thor, 
Hagelsberg  und  Holm  eingerechnet. 

Das  5.  polnische  Regiment  hatte  das  Retranchement  Zi- 
gankenberg  besetzt. 


^)  Aperen  S.  319,  320. 
>)  Ebenda  S.  318,  319. 

*)  Im  Speciellen  war  die  Division  Heudelet  uach  dem  Tagebuch  derselben 
S.  140,  141  uach  Aufgebung  der  Beduten  Friaul  seit  dem  23.  wie  folgt 
aufgestellt: 

1  Officier  und  25  Mann  in  der  Lünette  Lasalc, 
1       „         ,    25      „      „     «         ,        Delzons. 
Zwischen  diesen  äussersten  Posten  befand  sich  eine  von  6  Officieren 
kommandirte  Linie  von  Posten  in  der  Stärke  von  200  Mann,  150  Toisen  vom 
Bischofsberg  vorgeschoben. 

1  Offider     30  Mann  am  Petershagener  Thor 
1       9  30      9      ,     Neugarter  Thor 

1       a  25      „     im  Bastion  Yigilance 

1  «  26      ,      „        „       Sandgrube 

3  Officiere  120      „      als  Posten  im  Innern  des  Bischofsberges 

2  ,  40      .      in  der  Lflnette  Cafarelli 
2        „          40      „       „     „         „       Ledere 

2  „  50      ,      im  Lager  des  Betranchements  Holm 

3  a         100      „        „    Fort  Napoleon 
15       „        200      .       in  Weichseimünde, 


425 


Im  Fort  Desaix  befanden  sich  300,  im  Fort  Lacoste  120 
unberittene  Reiter  und  Dragoner;  in  den  Kasernen  der  Stadt 
das  6.  und  7.  neapolitanische  Regiment.  Die  Reserve  war  aus 
der  kaiserlichen  Garde,  der  Marine  und  den  dabei  angestellten 
Arbeitern,  den  Mineuren  und  Sappeuren  (in  Langgarten)  zusam- 
mengesetzt. Sie  lagen  sämmtlich  in  der  Stadt.  In  Weichsel- 
munde  und  Neufahrwasser  befanden  sich  das  29.  Regiment, 
zur  34.  Division  gehörig,  Dragoner  und  eine  Kompagnie  pol- 
nischer Sappeure. 

Die  Stärke  der  Besatzung  geht  aus  dem  Schreiben  heiTor, 
welches  der  General  Rapp  dem  Hauptmann  Marnier  an  den 
Kaiser  Napoleon  mitgab,  um  ihn  nach  dem  grossen  Brande  vom 
1.  November  von  seiner  trostlosen  Lage  zu  unterrichten.  Da- 
nach bestand  das  zehnte  Armeekorps  noch  aus  17597  Mann, 
wovon  4097  krank  waren  und  600  aus  Gendarmen,  Intendantur- 
beamten und  unbewaffneten  Arbeitern  bestanden,  so  dass  nur 
12900  Kombattanten  übrig  blieben.  Nach  den  Waffen  ver- 
theilten  sich  diese  wie  folgt:  1600  Mann  bei  der  Artillerie, 
320  beim  Ingenieurkorps,  250  Mann  Garde,  480  bei  der  Marine, 
950  Reiter  (unberitten),  9300  Mann  Fussvolk.  Letzteres  bestand 
aus  3500  Franzosen,  3300  Polen,  1300  Neapolitanern  und  1200 
Deutschen  ^). 

üeber  den  Zustand  der  Besatzung  sagt  der  General  Cam- 
predon  in  seinem  Tagebuche  unterm  3.  November:  „Die  Lage 
der  Besatzung  wurde  in  dieser  Zeit  äusserst  misslich.  Die 
ausserordentlichen  Beschwerden ,  die  Krankheiten ,  welche 
wieder  begonnen,  hatten  die  Mannschaft  so  geschwächt,  dass 
sie  kaum  noch  zu  der  gewöhnlichen  Besatzung  der  Wälle  aus- 
reichte'). Dennoch  fiel  keiner  derselben  in  die  Hände  des 
Feindes. 


»)  d'Artoia  S.  381. 

')  Rapp  war  eutBchlossen,  Weichselmünde  aufzugeben  und  dessen  Be- 
satzung nach  Danzig  zu  ziehen ,  wenn  die  Mannschaft  daselbst  nicht  mehr 
ausreichte.  Er  hatte  zu  dem  Zweck  seit  dem  15.  September  die  Werke  von 
Weichselmünde  und  Neufahrwasser  unterminiren  lassen,  um  sie  in  die  Luft 
zu  sprengen,  wenn  der  Fall  eintrat.  Düring  129.  d'Artois  421.  Kichemont, 
der  die  Unterminirung  ebenfalls  erzählt,  behauptet,  er  habe  das  ohne  Wissen 
4es  Quvem^urs  ausführen  lassen,  um  gelegentlich  der  Unterhandlungen  beim 


426 


„Am  beunruhigendsten  war,  dass  ein  Theil  der  Besatzung 
aufsätzig  wurde.  Die  Deutschen,  von  dem  Unglück  unserer 
Armee  bei  Leipzig  unterrichtet  und  von  ihren  Fürsten  abbe- 
rufen*), verweigerten  den  äussern  Dienst  und  Hessen  jeden 
Augenblick  einen  Aufstand  befürchten  trotz  ihrer  Offleiere, 
welche  die  Gesetze  der  Ehre  mit  der  Treue,  die  sie  ihren 
Fürsten  schuldeten,  zu  vereinigen  wussten,  und  deren  Verhalten 
bis  zum  letzten  Augenblick  des  höchsten  Lobes  voll  war.  Die 
Bayern,  deren  Tapferkeit  und  Diensteifer  unübertroffen  dasteht, 
zeigten  stets  eine  Gesinnung,  die  sie  den  Franzosen  theuer 
machten.  Die  .braven  Polen,  zahlreicher  als  die  Deutschen, 
haben  sich  während  der  ganzen  Dauer  der  Belagerung  durch 
ihre  Tapferkeit  und  bewundernswerthe  Hingebung  ausgezeichnet, 
obgleich  sie  vom  Feinde  durch  Proklamationen  bearbeitet  wur- 
den, uns  zu  verlassen.  Die  Franzosen,  denen  man  unter  diesen 
Umständen  die  schwierigsten  Posten  geben  musste,  waren  von 
diesem  harten  Dienst  vollkommen  ausgemergelt  und  erlitten 
jeden  Tag  viel  Verluste. 

„Der  Hunger  fing  an  unleidlich  zu  werden.  Der  Soldat 
erhielt  seit  8  Monaten   nur  eine  geringe  Portion  von  getrock- 


Abachloss  der  Kapitulation  auf  deu  Herzog  vou  Würtemberg  zu  wirken. 
Himly,  capitulation  de  Danzig.  Paris  1841  S.  26.  Wohin  doch  der  Ehrgeiz 
führen  kann! 

>)  Da»  ist  ein  offenbarer  Irrthum  von  Campredon.  Von  keinem  Fürsten 
ist  die  BUckbemfong  der  Tmppen  eingetroffen.  d'Artois  erzählt  S.  411,  dass  der 
Kommandeur  des  baierischen  Regiments,  Oberst  Graf  Butlar,  am  11.  November 
vor  Rapp  erschien  und  ein  Schreiben  vorzeigte,  das  er  vom  Ilorzog  von  Würtem- 
berg erhalten  hatte,  wonach  dieser  dem  Obersten  das  Bündniss  seines  Königs  mit 
den  Alliirten  mittheilte  und  auf  sein  Ehrenwort  versicherte,  dass  er  den  Be- 
fehl habe,  die  Baiern  als  Rebellen  zu  behandeln,  wenn  sie  künftig  noch  in 
den  Reihen  der  französischen  Armee  kämpfen  würden.  Da  der  Oberst  keinen 
direkten  Befehl  von  seinem  Könige  hatte,  glaubte  er  den  General  Rapp,  der 
übrigens  vom  Herzoge  auch  direkt  davon  benachrichtigt  worden  war,  nicht  ver- 
lassen zu  dürfen.  Da  aber  andererseits  das  Bündniss  Baiems  mit  deu  Alliirten 
nicht  zu  bezweifeln  sei,  erklärte  er,  dass  er  die  Waffen  gegen  diese  Mächte 
nicht  länger  führen  könne.  Der  General  entband  ihn  vom  äussern  Dienst 
Vgl.  auch  Dttring  S.  132.  Die  Westfahlen  hatten  noch  am  22.  die  Batterie 
Fischer  besetzt,  als  sie  von  den  Russen  angegriffen  wurde.  Wie  wir  gesehen 
haben,  bat  der  Major  Bauer  erst  am  24.  den  General  Rapp  darum,  das  Re- 
giment vom  äussern  Dienst  zu  entbinden,  was  der  General  sofort  bewillig. 


427 


netem  Pferdefleisch  (denn  es  wurden  nur  die  Pferde  an  die 
Schläcliterei  abgeliefert,  welche  dienstunfähig  waren).  Die  un- 
reinsten Thiere,  wenn  sie  nur  geniessbar  waren,  wurden  ver- 
schlungen. Das  Pökelfleisch  war  ausgegangen,  ebenso  das 
trockene  Gemüse.  Der  Branntwein  und  das  Salz  waren  nahe 
daran  zu  schwinden.  Der  Augenblick  kam  immer  näher,  wo 
nur  noch  Getreide  vorhanden  war,  das  aber  nur  mit  grossen 
Schwierigkeiten  gemahlen  werden  konnte,  da  die  Mühlen 
grösstentheils  durch  das  Bombardement  zerstört  waren  und  auch 
der  Best  dem  gleichen  Schicksal  entgegenging.  Mit  einem 
Wort,  es  schien  unmöglich,  die  Kräfte  der  durch  die  Strapazen 
erschöpften  Mannschaft  noch  länger  aufrecht  zu  erhalten. 

„Dazu  kam,  dass  seit  5  Monaten  kein  Sold  mehr  bezahlt 
worden  war,  was  unter  den  fremden  Truppen  eine  grosse  Un- 
zufriedenheit erzeugte. 

„Aber  mitten  unter  diesen  traurigen  Verhältnissen,  welche 
der  beginnende  Frost  noch  steigerte*),  weil  er  den  gewalt- 
samen Angriff  des  Feindes  in  Aussicht  stellte,  zeigte  die  Be- 
satzung immer  noch  eine  unerschütterliche  Festigkeit,  und  na- 
mentlich entwickelten  die  französischen  Truppen  in  den  täglichen 
Gefechten,  die  immer  blutiger  wurden,  einen  heroischen  Muth*)." 

Der  Eingang  des  Schreibens  Rapp's  an  Napoleon,  das  er  dem 
Hauptmann  Marnier  mitgab,  lautete:  Unsere  Lage,  Sire,  ist  die 


^)  Mau  ging  dem  nicht  uuyorbereitet  eutgegea.  Seit  dem  Oktober  wurde 
daran  gearbeitet,  die  14  Fronten  der  Inundation  mit  einer  2.  Palisadenreihe 
anf  der  Faussebraie  zu  versehen.  Der  grösste  Theil  der  Palisaden  bestand 
aus  runden  Stammhölzern,  von  denen  die  der  ansspringenden  Winkel  eine 
Stärke  von  65  bis  70  Centimetem  hatten.  An  den  am  meisten  bedrohten 
Punkten  wurde  selbst  eine  dritte  Beihe  und  anf  der  Berme  zum  Theil  eine 
vierte  gesetzt.  Ausserdem  wurde  für  jeden  eingehenden  Waffenplatz  ein  so- 
genannter Bording  beschafft,  ein  Fahrzeug  von  23  Meter  Länge  und  3  Meter 
und  dariiber  Breite.  Die  Wände  desselben  waren  mit  je  11  Scharten  ver- 
sehen, einige  hatten  auf  dem  Verdeck  noch  eine  Brustwehr  aus  Strauchwerk 
von  2  Meter  Höhe.  Im  Innern  waren  sie  für  den  Winter  eingerichtet  und 
mit  Oefen,  Feldbetten,  Tischen  und  Bänken  versehen.  Ihre  Bestimmung  war 
als  Blockhaus  für  den  Waffenplatz  zu  dienen.  Kähne  stellten  die  Verbindung 
zwischen  den  Bordings  her  und  dienten  auch  als  Eisbrecher,  um  die  gefronien 
Gräben  mit  einer  offenen  Eünette  zu  versehen.    d*Artois  S.  347. 

*)  Oampredon,  Auriol  S.  189,  190. 


428 

traurigste;  wenn  Sie  es  nicht  ermöglichen,  uns  zu  entsetzen, 
bleibt  der  Besatzung,  welche  sich  durch  lange  und  erfolgreiche 
Kämpfe  unsterblich  gemacht  hat,  nur  noch  die  Aussicht,  eine 
glorreiche  Vertheidigung  durch  die  Gefangenschaft  zu  be- 
endigen ^). 

Es  war  unter  diesen  Verhältnissen,  dass  der  Herzog  von 
Wtirtemberg  die  erste  Parallele  eröffnen  Hess. 

Obgleich  der  Herzog  im  allgemeinen  sehr  gut  fiber  die 
Lage  der  Dinge  in  Danzig  unterrichtet  war,  konnte  er  doch  nicht 
Kenntniss  von  den  Zuständen  haben,  wie  sie  aus  obigen  Mit- 
theilungen hervorgehen.  Es  ist  ihm  dalier  nicht  hoch  genug 
anzurechnen,  dass  er  trotz  der  vorgerückten  Jahreszeit,  welche 
eine  baldige  Einstellung  der  Belagerungsarbeiten  in  Aussicht 
stellte,  zur  förmlichen  Belagerung  schritt.  Seine  ganze  Um- 
gebung, mit  Ausnahme  des  Obersten  von  Pullet,  stellte  ihm  die 
Unmöglichkeit  vor,  einen  Platz  wie  Danzig  durch  Gewalt  zu 
nehmen,  und  hielt  die  Blockade  für  ausreichend.  Letzteres 
hätte,  wie  die  Verhältnisse  in  Danzig  lagen,  in  Wirklichkeit 
allerdings  zu  demselben  Resultat  geführt,  aber  niemand  im 
russischen  Lager  konnte  wissen,  dass  die  Lebensmittel  f&r  die 
Besatzung  nur  noch  bis  zum  1.  Januar  reichen  wfirden.  Es 
zeugt  von  der  grossen  Energie  des  Herzogs,  die  sich  auch 
überall  sonst  zeigte,  dass  er  sich  von  den  Hindernissen,  die  sich 
der  förmlichen  Belagerung  entgegenstellten,  nicht  abschrecken 
Hess  *). 

Ich  nehme  hier  das  Tagebuch  wieder  auf. 
November.  3-  November.    In  der  Nacht  zum  3.  wiederholte  der  Be- 

lagerer die  Angriffe  der  vorhergehenden  Nacht  auf  die  Höhen 
zu  beiden  Seiten  des  Dorfes  Schidütz,  die  augenblicklich  ver- 


'}  d'Artois  S.  381. 

')  Schon  der  alleinige  Umstand,  wie  es  mög^lich  sein  werde,  die  aussei^ 
ordentlich  schweren  englischen  Geschütze  hei  dem  aufgeweichten  herbstlichen 
Boden  in  die  Batterien  zu  schaffen,  da  keine  Pferde  dazn  vorhanden  waren, 
hätte  von  dem  Gedanken  einer  Belagerung  abschrecken  kOnnen.  Der  Herzog 
Hess  die  Armirang  der  Batterien  durch  die  Pferde  der  Baschkiren  ausführen. 
Es  waren  drei  Nächte  dazu  erforderlich,  und  es  ging  ziemlich  laut  dabei  her. 
Campredon  hat  es  in  seinem  Tagebuche  notirt,  dass  man  daraus  auf  die  Ar- 
mirung  der  Batterien  schloss. 


429 

loren  gegangen  waren,  ohne  erheblichen  Widerstand  zu  finden.  November. 
Der  Belagerte  war  nicht  mehr  im  stände,  die  erforderlichen 
Kräfte  auf  die  Behauptung  der  Stellung  zu  verwenden,  doch 
blieb  er  noch  im  Besitz  der  avanc6e  Kirgener.  Der  Oberst 
von  Pullet,  der  die  Arbeiten  stets  persönlich  leitete,  Hess  so- 
gleich die  Redute  a'  (18)  in  Angriff  nehmen  *),  welche  den  linken 
Flügel  der  in  der  folgenden  Nacht  zu  erbauenden  1.  Parallele 
gegen  die  Reduten  Kirgener  und  Istrien  decken  sollte*).  Gleich- 
zeitig mit  dieser  Redute  wurde  noch  eine  dritte  (p')  an  der 
Stelle  erbaut,  wo  der  rechte  Flügel  der  Parallele  zu  liegen 
kommen  sollte^). 

Das  Dorf  Schidlitz  wurde  etwa  in  der  Mitte  seiner  Länge 
von  einer  Kupüre  durchbrochen  und  auf  diese  Weise  ein  Ab- 
schnitt hergestellt.  Zu  diesen  Arbeiten  waren  2200  Mann  an- 
gestellt worden.  Der  Bau  der  beiden  Reduten  wurde,  be- 
günstigt durch  einen  Nebel,  der  bis  Mittag  anhielt,  auch  am 
3.  fortgesetzt,  so  dass  sie  gegen  Abend  bis  auf  die  Palisadirungen 
fertig  wurden.  Die  Batterien  an  den  Schottenhäusern  erhielten 
den  Befehl,  das  Feuer  zu  verdoppeln,  um  die  Aufmerksamkeit 
des  Feindes  abzulenken*). 

Auf  Seiten  des  Belagerten  fasste  man  die  Arbeiten  der 
Nacht  als  Eröffnung  der  1.  Parallele  auf,  und  der  General 
Httsson  erhielt  den  Befehl,  einen  Ausfall  darauf  zu  machen. 
Er  rückte  bei  Tagesanbruch  bis  an  die  Werke  heran,  fand 
aber  so  überlegene  Kräfte  gegen  sich,  dass  er  von  einem  An- 
griff abstand^).    Die  französischen  Ingenieure  waren  durch  die 


')  Apercu  306.    Der  Verfasser  sagt  irrthttmlich  a'  und  V. 

*)  Die  Rednte  18  wnrde  anch  die  Batterie  Brese,  die  Redute  19  die 
Batterie  Eool  genannt. 

')  Der  Pnnkt  p'  (39  bei  d  ^Artois)  ist  so  gewählt,  dass  er  den  ftnssersten 
Punkt  nach  Süden  bildete,  wo  noch  eine  Batterieanlage  möglich  war,  da  von 
da  ab  das  Terrain  nach  Altdorf  abf äUt  and  die  Aussicht  auf  die  feindlichen 
Werke  nimmt. 

*)  Apergu  323. 

^  d'Artois  371.  Campredon  187.  Der  Verfasser  des  aper^u  macht 
S.  325  d'Artois  den  Vorwurf,  dass  er  einen  Angriff  durch  Husson  gegen  den 
Bau  der  1.  Parallele  ausführen  lässt,  der  gar  nicht  stattgefunden  habe.  Das 
ist  jedoch  ein  Irrthum.  D'Artois  wie  der  General  Campredon  erwähnen  diesen 
Ausfall  am  3.,  wo  nach  ihrer  Ansicht  die  1.  ParaUele  eröffnet  wurde;  der 


430 

November.  Bauten  des  Belagerers  für  die  Reduten  aaf  der  Jesuiterhöhe 
besorgt,  weil  sie  von  dort  im  Kücken  gefasst  werden  konnten. 
Sie  bemühten  sich  daher,  auf  dem  Judenberg  eine  Stelle  aus- 
findig zu  machen,  die  sich  zur  Anlage  eines  Werkes  eignete. 
Die  Schwierigkeit  lag  jedoch  darin,  dass  der  Feind  einmal  im 
Besitz  der  Batterien  von  Frioul  die  Verbindung  des  Juden- 
bergs  bedrohte.  Auch  würde  das  Werk,  wenn  es  etwas  nützen 
sollte,  viel  Zeit  in  Anspruch  genommen  haben.  Man  begnügte 
sich  daher,  den  Bau  der  Traversen,  welche  die  Reduits  der 
Batterien  Friaul  schützen  sollten  und  bereits  in  Arbeit  waren, 
zu  beschleunigen.  Dasselbe  fand  an  dem  Abschnitt  in  Schott- 
land statt,  der  noch  nicht  vollkommen  beendigt  war.  Auch  der 
Verhau  vom  Jesuiter-Kollegium  nach  der  Avanc6e  Frioul  war 
noch  unvollendet.  Die  Brustwehren  der  Lfiuetten  Cafarelli  und 
Leclerc  wurden  verstärkt'). 

Die  Kälte  hatte  nachgelassen. 

4.  In  der  Nacht  zum  4.  wurde  die  1.  Parallele  in  der 
Weise  vervollständigt,  dass  die  Reduten  a'  (18)  und  p'  (39) 
durch  eine  Tranchee  verbunden  wurden.  Es  waren  dabei 
2000  Arbeiter  thätig,  die  durch  3  Bataillone  gedeckt  wurden. 
Als  Reser\'e  waren  einige  ostpreussische  Landwehrbataillone 
weiter  rückwärts  aufgestellt  *).    Die  Arbeit  scheint  vom  Gegner 


Verfasser  des  aper^u  spricht  aber  vom  4.,  wo  die  ParaUele  in  Wirklichkeit 
erst  ausgeführt  wurde,  wenigstens  nach  der  Darstellnng  des  apergu.  Es 
handelt  sich  dabei  nur  nm  ein  Wortspiel,  denn  die  Tranchee  gegen  den 
Bischofsberg  ist  jedenfalls  schon  in  dieser  Nacht  vom  2.  zum  3.  eröffnet 
worden,  wie  der  Verfasser  des  Apercu  S.  421  auch  anerkennt,  wenn  auch 
nicht  in  ihrer  ganzen  Ausdehnung.  Den  Ausfall  bestätigt  auch  der  Land- 
wehrofficier  des  Bataillons  HiUsen  v.  Brederlow  aus  eigner  Anschauung  und 
das  Tagebuch  der  Division  Heudelet,  das  den  Verlust  des  Generals  Husson 
auf  einen  Hauptmann  (Milcent),  2  Officiere  und  20  Mann  Verwundete  und 
3  Todte  angiebt. 

*)  Campredon  187.    d*Artois  373. 

*)  Apercu  323,  324.  Pullet  spricht  sich  in  dem  Tagebuch  der  Ingenieur* 
arbeiten  (Kr.-Arch.  F.  9)  wie  folgt  über  die  Arbeiten  aus:  ^Vom  3.  zum  4.  und 
zum  6.  war  die  Arbeit  auf  dem  linken  Flügel  der  1.  Parallele  dahin  gediehen, 
dass  solcher  nicht  nur  durch  3  hintereinander  liegende  Batterien,  wovon  die 
3.  und  letzte  mit  Palisaden  geschlossen,  kräftig  unterstützt,  sondern  auch  die 
1.  Parallele  vollkommen  zur  Hälfte  angefertigt  und  mit  der  Position  auf 
den  Schottenhäuser  Hohen  verbunden  war,  ohne  dass  der  Feind  diese  Arbeit 


431 

gar  nicht  bemerkt  worden  zu  sein,  da  die  Arbeiter  und  Be-  November, 
deckungstruppen  nicht  einen  Mann  verloren.  Campredon  be- 
merkt in  seinem  Tagebuch,  der  Feind  rückt  nicht  über  seine 
Position  hinaus  und  beschäftigt  sich  mit  den  Verbindungen 
nach  hinten^).  Er  setzte  voraus,  dass  die  1.  Parallele  bereits 
fertig  war. 

Der  linke  Flügel  der  ersten  Parallele  war  etwas  zurück- 
gezogen, um  von  den  Reduten  des  Retranchements  Ziganken- 
berg  nicht  enfilirt  zu  werden  *).  Nach  den  russischen  Berichten 
lag  die  1.  Parallele  650  Schritt  vom  Bischofsberge  ab,  nach 
den  französischen  700  Meter  von  den  ausspringenden  Winkeln 
der  Lünetten  Cafarelli  und  Ledere  und  900  Meter  von  den 
Werken  des  Forts.  Das  Terrain  spricht  für  die  französische 
Angabe  *). 

Von  Seiten  des  Belagerten  räumte  man  in  der  Nacht  zum 
4.  das  Dorf  Schidlitz  und  die  Häusergruppen  in  den  anliegenden 
Mulden,  brannte  sie  aber  aus.  Nur  ein  Haus  in  der  nach 
Zigankendorf  führenden  Schlucht  wurde  erhalten  und  binnen 
24  Stunden  zu  einem  Blockhaus  umgeformt.  Der  Bau  der 
avancee  Kirgener  wurde  sistirt,  doch  blieb  der  Posten  noch  be- 
setzt*). Mit  aller  Anstrengung  wurde  dagegen  an  der  Ar- 
mirung  des  Bischofsberges  gearbeitet.  Die  französischen  Inge- 
nieure waren  durch  die  Eröffnung  der  1.  Parallele,  die  keinen 
Zweifel  mehr  liess,  dass  es  sich  um  einen  förmlichen  Angriff 
des  Bischofsberges  handele,  völlig  überrascht  worden  und  hatten 
bisher  nichts  zu  seiner  Armirung  gethan.     Der  Stillstand  im 


für  das  zn  nehmen  scheint,  was  sie  wirklich  ist.''  Es  ist  jedoch  zu  bemerken, 
dass  die  Batterie  b'  (Nr.  17)  erst  in  der  Nacht  zum  6.  erbaut  worden  ist. 

^)  Campredon  190. 

*)  Um  bei  der  Ausdrucks  weise  des  aper^u  zu  bleiben,  wonach  die  1. 
ParaUele  zwischen  den  beiden  Beduten  18  (a')  und  39  (p')  geführt  wurde, 
bildete  die  ParaUele  nicht  eine  direkte  Verbindung  zwischen  beiden  Beduten, 
sondern  ging  von  Bedute  18  im  weiten  Bogen  durch  das  Dorf  Stolzenberg 
und  mehrfach  en  cremaill6re  zur  Bedute  p'  (39)  hin.  Die  Bedate  17  (b') 
existirte  noch  nicht. 

')  Der  Msgor  Liebe  ist  auch  damit  nicht  zufrieden,  sondern  behauptet, 
er  hätte  die  Erhöhung  der  Geschütze  für  1200  Schritt  und  mehr  nehmen 
müssen.    Tagebuch.    Kr.-Archiv  F.  9. 

*)  Campredon  190.    d'Artois. 


482 

November.  Vorgehn  bei  Langfuhr,  die  heftige  Beschiessang  der  Werke  auf 
der  Jesaiterhöhe  und  in  letzter  Zeit  die  Anlage  mehrerer  Bat- 
terien in  der  Gegend  von  Schidlitz,  sowie  die  Oefechte  daselbst 
und  bei  Stolzenberg  hätten  darauf  führen  sollen.  Aber  erst  am 
3.  erkannten  sie  die  Gefahr*). 

Es  wurden  nunmehr  alle  Punkte  der  Umfassung  und  der 
Aussenwerke,  die  Einsicht  auf  den  Angriff  hatten,  stärker  be- 
waffnet. Es  wurden  die  Punkte  bestimmt,  wo  Leuchtpfannen 
aufzustellen  waren.  In  den  Kehlen  der  Reduten  Eirgener  and 
Istrien  wurden  Flanken  angesetzt,  um  eine  grössere  Front  nach  dem 
Angriffsfeld  hin  zu  gewinnen^).  Der  Abschnitt  vor  Schottland 
und  die  Werke  auf  der  Jesuiterhöhe  wurden,  soweit  es  noch 
erforderlich  war,  palisadirt.  Auf  dem  Bischofsberge  wird  auf 
eine  gesicherte  Unterkunft  der  Truppen  Bedacht  genommen. 
Traversen  gegen  den  Rikoschetschuss  werden  erbaut  und  das 
Ingenieurpersonal  bedeutend  erhöht.  Bisher  waren  der  chef 
de  bataillon  Michaud  vom  Ingenieurkorps  und  der  Hauptmann 
Dieudonnö  mit  den  Lieutenants  d'Artois  und  Lapasque  (von 
den  Mineuren)  mit  der  Ausführung  der  Arbeiten  betraut  ge- 
wesen. Sie  werden  durch  zwei  Hauptlente  und  3  Lieutenants 
verstärkt.  Ebenso  wird  das  Personal  und  Material  der  Ar- 
tillerie*) vermehrt.    Der  Stand  wird  auf  350  Artilleristen  und 


^)  D^  ce  moment,  sagt  der  Bericht  tlber  die  Ingenieorarbeiten  (Anriol 
S.  288),  nons  pümes  juger  avec  assez  de  probabilit6  (!)  les  projets  de  Tassi^- 
geant,  qui  jusqa^alors  ayaient  paru  douteux,  und  nacbdem  er  dies  näher  aus- 
einandergesetzt bat,  fährt  er  fort:  Nons  dümes  croire^ös  lors  qne  Tassi^-geant, 
qni,  pendant  dcnx  mois  d'attaqne,  avait  6t6  tenne  k  une  si  grande  distance, 
roalgr6  nn  trös  grand  d^veloppement  de  tranch^e,  sontenn  par  le  feu,  ne 
vonlait  pas  se  contenter  de  brftler  la  ville  par  ses  bombes,  ses  obus  et  ses 
bonlets  rongcs  dont  il  a  lanc6  nne  tr^  grande  qnantit^,  et  que  son  projet 
6tait  de  diriger  nne  attaqne  r^uli^re  yers  le  fort  de  Bischofeberg. 

*)  Die  Verstärkung  der  Armimng  des  Zigankenbergs  besduränkte  sich 
jedoch  nnr  anf  2  Stücke  in  Lttnette  Istrien.    d^Artois  372. 

*)  Die  Zahl  und  die  Gattungen  der  Geschütze  anf  dem  ßischofsbeige 
mit  den  Anschlusslinien  an  das  Nengarter  und  Petershagenerthor  bestanden 
aus:  18— 24Pfündem,  21— 12Pfündem,  13— SPfündem,  17— GPföndem, 
1— 4Pfünder,  7— SPfündem, 

4  Haubitzen  zu  6  Zoll  4  Linien,  5  zu  24  (Pfund?) 

9  Mörser  zu  10,  13  zu  6  Zoll, 


433 

500  Aushilfemannschaften  anderer  Waffen  gebracht.    Zum  Kom-    November, 
mandeur  der  Artillerie  wird  der  Kommandant  Farjau  ernannt 
mit  dem  Hauptmann  Aumont  als  Adjutant.    Kommandant  des 
Forts  ist  der  Oberst  Cabrio*).    Das  Wetter  ist  schön. 

Am  5.  In  der  Nacht  zum  5.  wurden  die  Beduten  a'  (18) 
1"  (19)  und  p'  (38)  mit  Palisaden  versehen  und  armirt,  die 
beiden  ersteren  mit  je  4,  die  letztere  mit  6  —  24  Pfändern. 
Die  avanc^e  Kirgener  wurde  mit  dem  Bajonett  genommen  und 
sogleich  mit  der  Bedute  k"  (16)  durch  eine  Tranchee  ver- 
bunden ^.  Die  in  der  Nacht  vom  1.  zum  2.  ausgeführte  Tranchee, 
welche  den  gleichen  Zweck  hatte,  war,  wie  wir  gesehen  haben, 
vom  Belagerten  wieder  eingeebnet  worden.  Die  avanc^e  wurde 
vom  Belagerer  zu  einer  Redute  ausgebaut  und  erhielt  den  Namen 
Wilhelmsschanze.  Sie  wurde  nach  rechts  mit  der  1.  Parallele 
verbunden.  Doch  scheint  sie  wegen  der  üeberhöhung  durch  die 
Batterie  Kirgener  nicht  mit  Geschützen  versehen  worden  zu 
sein.  Der  Major  Liebe  erhielt  vom  Herzog  den  Befehl,  die  Stein- 
schleuse zu  beschiessen '). 

Der  Hauptmann  Chambure  schiffte  sich  in  der  Nacht  zum 
5.  mit  der  Freikompagnie  in  Neufahrwasser  ein  und  landete 
hinter  dem  Retranchement  von  Neufehr  auf  der  Nehrung.  Er 
fiberfiel  das  Hauptquartier  des  Obersten  Ekeln  in  Bohnsack.  Ein 
Schuppen,  worin  sich  die  Pferde  des  Obersten  und  zwei  Schmieden 
befanden,  wurde  verbrannt.  Inzwischen  hatten  sich  die  Russen 
seiner  zwei  Fahrzeuge  bemächtigt,  so  dass  er  bei  seiner  Rück- 


in  Samma  77  Kanonen,  31  Warfgeschtttze  =  108. 

d'Artois  368. 

0  Campredon. 

*)  Apercu  326.  Nach  d'Artois  375  nnd  Campredon  193  war  die  Be- 
satzung instrnirt  im  FaH  des  Angriffs  keinen  ernstlichen  Widerstand  entgegen- 
zusetzen, was  in  soweit  begründet  erscheint,, dass  französischerseits  kein  Versuch 
gemacht  wurde,  sie  wieder  zu  nehmen.  Sie  muss  sich  also  haben  ttberraschen  lassen, 
da  sie  niedergemacht  wurde.  Zu  halten  war  sie  nicht  länger,  da  die  Beduten 
18  und  19  nur  600  Schritt  davon  ablagen  und  die  russischen  Schützen  sich 
auf  halbe  Gewehrschussweite  davon  eingegraben  hatten,  um  jeden  aufs  Kom 
zu  nehmen,  der  den  Kopf  vorstreckte.  Nach  d'Artois  373  wurde  die  Redute 
16  auch  mit  den  Batterien  24  und  26  durch  eine  Tranchee  verbunden. 

")  Tagebuch  des  M^jor  Liebe. 

Köhler,  Geschichte  der  Festangen  Danzlg  and  Weiohselmünde.    II.  28 


43^ 

Noyember.    kehr  sich  nicht  wieder  einschiffen  konnte.    Es  gelang  ihm  jedoch 
sich  nach  Weichselmttnde  durcliznschlagen^). 

Im  übrigen  wurden  die  Armirungsarbeiten  auf  dem  Bischofs- 
berge in  Schottland  und  in  den  Reduteu  fortgesetzt.  Campredon 
bemerkt,  dass  das  Feuer  auf  dem  Bischofsberge  schlecht  dirigirt 
worden  sei,  wofür  auch  die  geringen  Verluste  der  Russen  sprechen. 
Sie  konnten  am  Tage  an  ihren  Zickzacks  zur  Verbindung  nach 
rückwärts  fortarbeiten  und  eine  Arriere-Parallele  erbauen*). 
Der  Tag  war  schön. 

Am  6.  Der  Belagerer  erbaut  in  der  Nacht  zum  6. 
die  Batterie  b'  (No.  17)  gegen  das  Neugar ter  Thor  und 
das  Ketranchement ')  und  pflanzt  von  der  Nehrung  aus 
gegenüber  dem  Ganskruge  8  Haubitzen  und  eine  Anzahl  Con- 
grevischer  Raketen  unter  dem  Schutz  von  2  Bataillonen  und 
einigen  Kosacken  auf,  um  Langgarten,  namentlich  das  Guver- 
nementsgebäude  und  die  Pulvermühle  auf  dem  englischen  Damm, 


')  Aperga  327.  d'Artois  376  und  Campredon  194  machen  von  seinen 
Erfolgen  viel  Aufhebens.  Er  soll  Kanonen  vernagelt  und  300  Kann  getödtet 
haben.  Die  preussischen  Berichte  wissen  davon  nichts.  Tagebuch  des  preussi- 
schen  Landwehr-BataiUons  Nr.  17  (Oelrichs),  das  speciell  von  dem  UeberfaU 
betroffen  wurde.    Kr.-Arch.  F.  9. 

*)  Tagebücher  des  Majors  v.  Hake  und  Pullet's.  Letzterer  spricht  sich 
ttber  den  Zweck  der  Arriere-Parallele  dahin  aus:  sich  zwischen  beiden  Pa- 
rallelen zu  schlagen,  falls  der  Feind  einen  Ausfall  auf  die  1.  Parallele  wagen 
sollte.  Der  Oberstlieutenant  Pullet  glaubte  hierdurch  mehr  im  Vortheil  zu 
bleiben,  als  wenn  man  sich  mit  ungeübten  Truppen  zwischen  der  1.  Parallele 
und  der  Festung  schlagen  müsse. 

^  Campredon  194:  ;,Nnit  du  5.  au  6.  L^ennemi  commence  une  batterie 
sur  le  mamelon  auquel  aboutit  la  gauche  de  sa  parallele.  Cette  batterie, 
ainsi  que  les  deux  en  arriere  sur  les  mamelons  qui  couronneut  Schidlitz, 
paraissent  dirig^es  sur  le  front  de  Neugarten  et  les  derriöres  du  camp  re- 
tranch6  du  Zigankenberg."  Es  geht  daraus  hervor,  dass  die  Batterie  b'  (17) 
bei  Eröffnung  der  1.  Parallele  noch  nicht  vorhanden  war  und  letztere  daher 
nicht  von  ihr  ausgegangen  sein  kann,  obgleich  sie  infolge  des  grossen  Bogens, 
den  die  Parallele  von  Batterie  Brese  aus  nach  vorwärts  beschrieb,  auf  dem 
linken  Flügel  derselben  lag,  d.  h.  jetzt  daselbst  erbaut  wurde.  Wir  haben 
hier  wiederum  ein  Beispiel  der  summarischen  Darstellungsweise  des  Verfassers 
vom  aper^u.  Das  Tagebuch  des  Major  Liebe  damit  übereinstimmend  erwähnt 
noch,  dass  die  nissischen  Pioniere  den  Scharten  eine  falsche  Direktion  gegeben 
haben. 


435  _ 

zu  beschiessen.  Eine  Holzniederlagc  ging  infolgedessen  in 
Flammen  auf*). 

Von  selten  des  Belagerten  werden  die  Armirungsarbeiten 
fortgesetzt  und  zwischen  den  Reduten  Istrien  und  Kirgener 
Batterieanlagen  erbaut  ^).  Von  ihrer  Armirung  und  Verwendung 
erfährt  man  jedoch  nichts. 

Das  Wetter  ist  regnerisch,  die  Temperatur  gelinde. 

Gegen  Abend  erschien  ein  Parlamentair  des  Herzogs  von 
Würtemberg  bei  den  Vorposten  an  der  grossen  Allee  und  gab 
ein  Schreiben  desselben  an  den  General  Bapp  ab.    Es  lautet: 

General ! 

Ich  habe  vor  einigen  Tagen  einen  Parlamentair  mit  Trom- 
peter an  Euer  Excellenz  abgeschickt.  Die  Vorposten  haben 
sie  sich  annähern  lassen  und  dann  auf  sie  geschossen.  Ich 
bin  nicht  wenig  über  diese  Verletzung  de^  Völkerrechts  be- 
troffen gewesen,  wiederhole  jedoch  den  Versuch,  um  Sie  über 
die  Kriegslage  aufzuklären,  wonach  Sie  nicht  die  geringste 
Aussicht  haben  entsetzt  zu  werden.  Ich  gehe  auf  Details  nicht 
ein,  da  sie  Ihnen  nur  schmerzlich  sein  würden,  gebe  Ihnen  aber 
mein  Ehrenwort,  dass  die  grosse  französische  Armee  auf  dem 
Rßckzuge  nach  dem  Rhein  begriffen  ist  und  Dresden  sowie  Er- 
furt geräumt  hat.  In  dem  Augenblick,  wo  ich  schreibe,  hat 
sie  wahrscheinlich  den  Rhein  schon  überschritten.  Im  übrigen 
bin  ich  bereit,  ihnen  die  Zeitungen,  welche  darüber  Nachricht 
geben,  zu  übersenden.  Es  scheint  mir  danach  an  der  Zeit  zu 
sein,  dass  Euer  Excellenz  Ihre  Lage  und  die  der  Besatzung  in 
reifliche  üeberlegung  ziehen,  da  es  dazu  bald  nicht  mehr  Zeit 
sein  möchte,  und  dass  Sie  Sich  bemühen,  Ihrer  Regierung  ein 
Truppenkorps  zu  erhalten,  was  sich  durch  ein  beiderseitiges 
ehrenvolles  und  vortheilhaftes  üebereinkommen  erreichen  Hesse. 
Ich  bin  im  Besitz  aller  Mittel  Sie  zu  zwingen,  nicht  länger 
einen  Platz  zu  vertheidigen,  der  ohne  Aussicht  ist,  entsetzt  oder 
mit  Lebensmitteln  versehen  zu  werden.    Mögen  Sie  bedenken, 


>)  Apercu  331.    Campredon  195,  d'Artois  377. 
')  Campredon  196. 


jtg* 


436 

dass  ich  keine  andern  Beweggrunde  habe,  als  der  Stadt  das 
Elend  zu  ersparen,  unter  dem  sie  seit  so  langer  Zeit  leidet. 

Mit  ausgezeichneter  Hocliachtung 

gez.:  Alexander  von  Wflrtemberg 
General  en  chef. 

Der  General  Rapp  antwortete  sofort  wie  folgt: 
Monseigneur! 

Ich  beeile  mich  das  Schreiben  zu  beantworten,  womit  Eure 
Konigl.  Hoheit  mich  am  heutigen  Tage  beehrt  haben.  Der  Par- 
lamentair, der  vor  kurzem  an  mich  abgesendet  worden  ist,  würde 
angenommen  worden  sein,  wenn  nicht  in  demselben  Augenblick 
und  in  naher  Entfernung  davon  der  Versuch  gemacht  worden 
wäre,  Proklamationen  an  meine  Truppen  auszutheilen  und  wenn 
Ihre  Batterien  nicht  das  Feuer  fortgesetzt  hätten.  Auch  ist 
erst  auf  ihn  geschossen  worden,  nachdem  er  wiederholentlich 
darauf  aufmerksam  gemacht  worden  ist,  dass  man  ihn  zwingen 
werde,  sich  zu  entfernen. 

Eure  Königl.  Hoheit  benachrichtigen  mich  von  den  traurigen 
Ereignissen  der  französischen  Armee  und  geben  Ihr  Ehrenwort 
für  deren  Wahrheit  ab.  Danach  ist  es  mir  nicht  gestattet, 
daran  zu  zweifeln.  Ich  erlaube  mir  jedoch  Sie  darauf  aufmerk- 
sam zu  machen,  dass  das  Glück  unbeständig  ist  und  die  Erfolge 
im  Kriege  sich  jeden  Tag  ändern  können,  so  dass  Ihre  allge- 
mein gehaltenen  Zusicherungen  mich  nicht  abhalten  können 
auf  irgend  eine  Unterstützung,  sei  es  durch  Waffengewalt  oder 
durch  Unterhandlungen  zu  hoffen,  und  dass  ich  noch  mit  allem 
versehen  bin,  um  mich  auf  längere  Zeit  zu  vertheidigen.  Ich 
kann  nicht  darauf  denken  in  Unterhandlungen  zu  treten,  ohne 
die  Pflichten,  die  mir  auferlegt  sind,  zu  verletzen.  Eure  Königl. 
Hoheit  versichern,  dass  Sie  im  Besitz  aller  Mittel  sind  mich  zu 
zwingen,  die  Vertheidigung  des  Platzes,  der  mir  anvertraut  ist, 
aufzugeben.  Das  ist  von  Ihrem  Standpunkte  aus  ganz  richtig, 
aber  Sie  kennen  nicht  die  Mittel,  die  mir  zu  geböte  stehen  und 
erst  nach  dieser  Kenntniss  würden  Sie  die  Ihrigen,  mich  zu 
zwingen,  abmessen  können. 

Ich  bitte  Sie  überzeugt  zu  sein,  dass  ich  auf  Ilire  Achtung 
grosses  Gewicht  lege,  dass  ich  aber,  um  sie  zu  verdienen,  in 
der  Vertheidigung  wie  bisher  fortfahren  muss,  auch  wenn  dies 


437 

nicht  schon  durch  die  Pflichten  gegen  meinen  Suverain  geboten   November. 
wäre. 

Die  Zeitungen  werde  ich  mit  Dank  annehmen,  wenn  Sie 
die  Gewogenheit  haben  wollten,  auch  die  französischen  denen 
der  alliirteu  Mächte  beizulegen. 

Im  übrigen  versichere  ich  Eurer  Königl.  Hoheit,  dass  die 
Leiden  der  Bewohner  Danzigs  mich  ebenfalls  im  hohen  Grade 
bekümmei*n,  dass  ich  sie  aber  nicht  verschuldet  habe. 

Was  Euer  Königl.  Hoheit  auch  über  mich  beschliessen 
werden,  so  bitte  ich  Sie  überzeugt  zu  sein,  dass  dies  meine  Ge- 
fühle gegen  Sie  nicht  alteriren  werde. 

gez.:  Graf  Kapp. 

Ein  Adjutant  des  Generals  gab  am  7.  das  Antwortschreiben 
bei  den  Vorposten  in  Langfuhr  ab  *). 

Am  7.  In  der  Nacht  zum  7.  macht  die  Freikompagnie  des 
Kapitain  Chambure  eine  Laudung  zwischen  Brösen  und  Konrads- 
hammer, wird  aber  von  den  Kosacken  zurückgetrieben*).  • 

Auf  beiden  Seiten  werden  die  Arbeiten  in  der  Nacht  fort- 
gesetzt. Am  Morgen  eröffnen  die  beiden  Batterien  18  (a')  und 
19  (1'')  das  Feuer.  Der  Belagerte  macht  infolgedessen  das 
Neugartener  Thor,  das  beschossen  wird,  zu^). 

Die  Bescliiessung  der  Steinschleuse  wird  fortgesetzt,  jedoch 
ohne  allen  Erfolg.  Es  gelingt  auch  nicht,  die  dabei  befindliche 
Mühle  in  Brand  zu  stecken,  obgleich  eine  Belohnung  darauf 
gesetzt  ist*) 

Das  Wetter  ist  feucht  und  kalt-^). 

Am  8.  Die  Batterien  18  und  19  werden  palisadirt  %  Die 
Batterie  17  (b'),   auch  Schmiedeknecht   genannt,   eröffnet   am 


*)  Die  beiden  Schreiben  werden  von  Campredon  mitgetheilt.  Anriol 
S.  195  ff. 

*)  Aper<ju  339.  d'Artois  macht  (378)  aus  dieser  Expedition  Chambure's 
eine  grosse  Heldenthat,  lässt  das  mssische  Barackenlager  verbrennen,  8  Russen 
tödten,  30  Mann  verwunden  und  mehrere  Kosackenpferde  erbeuten. 

»)  Campredon  197. 

*)  Tagebuch  des  Major  Liebe.    Kr.-Arch.  F.  9. 

*)  Campredon. 

•)  Apercu  337.  Die  erste  Parallele  ist  bis  zu  diesem  Tage  voHständig 
hergestellt.  ^On  s'occupa  jusqu'au  28.  October  (8.  November)  ä  consolider 
tous  nos  ouvrages.'' 


438 

November.  Morgen  das  Feuer').  Auf  seilen  des  Belagerten  wird  die  rechts 
gelegene  Batterie  Frioul  mit  fougasses  k  bombes  vei^ehen^. 
Der  Bischofsberg  unterhält  ein  lebhaftes  Feuer  auf  die  feind- 
lichen Arbeiten,  dagegen  thnn  die  Batterien  Eirgener  und  Is- 
trien,  wie  Gampredon  bemerkt,  nicht  ihre  Schuldigkeit.  Sie 
scheinen  ihren  Vortheil,  die  1.  Parallele  zu  enfiliren  und  zum 
Theil  im  Rttcken  zu  fassen,  nicht  zu  verstehen. 

Der  Tag  ist  schön  und  nur  massig  kalt'). 

Am  9.  Das  Bombardement  der  Batterien  an  den  Schotten- 
häusern dauert  fort.  Der  Belagerer  vereinigt  in  der  Nacht  zum 
9.  seine  Attacke  gegen  die  Jesuiterschanze  (batteries  de  Frioul) 
mit  den  Batterien  r"  s"  t"  durch  einen  Laufgraben  mit  der 
1.  Parallele  bei  p'  und  verlängert  ihn  bis  zu  den  Schotten- 
häusern*).   Die  Linie,  welche  nunmehr  den  rechten  Flügel  der 


J)  Gampredon  201. 

*)  Die  fougasses  &  bombes  bestanden  uacb  d'Artois  in  einem  Kasten, 
der  mit  4— 10"gen  Bomben  und  6  Pfund  Pulver  geladen  war. 

')  Gampredon. 

^)  Beriebt  PuUets  an  den  König  vom  9.  November  nebst  Skiasze  sagt: 
In  Verfolg  meines  Berichts  vom  5.  b.  melde  Ew.  KönigL  Majestät  ich  unter- 
tbänigst,  dass  das  Stück  der  1.  Parallele  aa  in  gestriger  Nacbt  unter  meiner 
persönlichen  Leitung,  nachdem  es  die  vorige  Nacbt  missglückt  war,  100  Schritt 
vom  Feinde  (von  der  Judenschanze)  ab,  gefertigt  worden  ist,  ohne  dass  wir 
sonderlich  vom  Feinde  gestört  worden  w&ren.  Sämmtlicbe  Parallelen  sind  so 
breit,  dass  zwei  Wagen  darin  vorbeifahren  können.  Um  halb  12  Uhr 
in  der  Nacht  begab  ich  mich,  nachdem  ich  die  auszuführenden  Arbeiten  drei 
kaiserlichen  Ingenieur-Officieren  übergeben  hatte,  nach  der  Schanze  Ziganken- 
dorf  gegenüber  (Wilhelmsschanze),  um  die  dortigen  Arbeiten  zu  revidiren. 
Eine  Kanonenkugel  riss  mir  hier  meinen  2.  Adjutanten,  den  kaiserlichen 
Lieutenant  Schmiedeknecbt,  von  der  Seite  ....  In  der  nämlichen  Schanze 
ist  der  Unterofficier  Brese  geblieben.  Bei  meiner  Bückkehr  nach  dem  rechten 
Flügel  fand  ich  die  Tranchee  in  so  gutem  Fortgange,  dass  ich  die  Arbeiter 
nm  4  Ubr  entlassen  konnte."  Diese  3Iclduug  steht  im  Widerspruche  mit  dem 
Tagebuche  PuUets  (siehe  oben  S.  430  Note  2),  wird  aber  von  d'Artois  (S.  375) 
und  Gampredon  (202)  bestätigt.  Das  Tagebuch  führt  in  der  Nacht  vom  8. 
zum  9.  nur  den  Tod  des  Lieutenants  Schmiedeknecht  au.  Der  Irrthum  des 
Tagebuchs  ist  auch  in  die  „Skizzirte  Geschichte''  (129)  übergegangen,  wonach 
der  Hauptmann  v.  Gayette  den  Anschluss  der  1.  Parallele  an  die  Schotten- 
häuser in  der  Nacht  vom  4.  zum  ö.  ausgeführt  hat.  Noch  auffallender  als 
der  Irrthum  des  Tagebuchs  ist,  dass  das  Apercu  die  wichtige  Nachricht  der 
Verlängerung  der  ersten  Parallele  mit  Stillschweigen  übergeht. 


439 


1.  Parallele  bildet,  geht  etwa  hundert  Meter  bei  der  Juden- 
schanze (poste  du  sergent)  vorbei.  Sie  kommt  damit  der 
Jesuiterschanze  sehr  nahe,  namentlich  der  avanc6e.  Die  1.  Pa- 
rallele erhält  dadurch  eine  Ausdehnung  von  2300  Schritt,  wird 
aber  von  der  avanc6e  Frioul  zum  Theil  enfllirt*),  doch  schützt 
das  Terrain  dagegen.  Auch  ist  die  avanc^e  ohne  Geschütz, 
weil  man  die  Haubitze  zurückgezogen  hat,  die  das  feindliche 
Feuer  zu  sehr  auf  sich  zog.  Der  Oberst  Ekeln  erschien  in 
dieser  Nacht  wiederum  dem  Ganskruge  gegenüber  und  beschoss 
Langgarten.  Er  hat  das  im  Lauf  der  Belagerung  noch  mehr- 
fach wiederholt*).  Am  9.  reiste  der  Hauptmann  Marnier  mit 
Depeschen  des  Generals  Rapp  zur  See  zu  Napoleon  ab^).  Der 
General  schreibt:  „Unsere  Lage  ist  die  betrübendste  und  wenn 
Euer  Majestät  Armeen  Sie  nicht  instand  setzen,  die  Belagerung 
baldigst  aufzuheben,  so  bleibt  der  Besatzung,  welche  sich  durch 
lange  und  unaufhörliche  Erfolge  unsterblich  gemacht  hat,  nur 
die  Aussicht,  die  glorreiche  Vertheidigung  durch  die  Gefangen- 
schaft abzuschliessen.^ 

Wir  erfahren  aus  den  Depeschen  noch,  dass  die  Armee  zur 
Zeit  17597  Mann  zählte  und  zwar: 

in  den  Lazarethen    1182 


Kranke 


im  Revier    .     .     .    2915  j 


Gensdarmerie,  Intendantur,  Beamte  pp.    — ,600 

Kombattanten 12,900. 

.   Die  Vertheilung  auf  die  einzelnen  Waffen  und  Nationali- 
täten siehe  d'Artois  381. 

Ueber  das  Verhältniss  des  Herzogs  zu  Rapp  schreibt  Pullet 
in  dem  Bericht  vom  9.  an  den  König:  „Die  Verheerung  in 
Danzig  soll  schrecklich  sein.  Sie  hat  die  Vorräthe  des  Guverneurs 
so  mitgenommen,  dass  er  sich  seit  3  Tagen  wider  seine  sonstige 
Art  sehr  umgänglich  beweist,  indem  er  wieder  Parlamentaire 
annimmt  und  vom  Herzoge  das  Anerbieten,  ihm  authentische 
Nachrichten  über  den  gegenwärtigen  Zustand  in  Deutschland 
mitzutheilen,  angenommen  hat."     Vgl.  S.  436. 

')  Campredon  202. 
*)  Apercu  340. 

•)  Campredon  202.  d'Artois  381.  Letzterer  theilt  im  Anhange  VI, 
S.  479  auch  den  Bericht  der  abenteuerlichen  Reise  des  Kapitains  mit. 


440 

November.  Der  Herzog  hatte  am  8.  ein  neues  Schreiben  (datirt  Po- 

lanken 7.)  an  Bapp  bei  den  Vorposten  abgeben  lassen,  worin  er 
gelegentlich  der  Uebersenduug  einiger  Zeitungen  seine  Vor- 
stellungen wiederholt  und  am  Schluss  die  Bitte  hinzufügt,  dass 
der  General  die  bairischen  Truppen  entlassen  möge.  Er  ver- 
pflichtet sich,  sie  nicht  zurückzuhalten  und  zu  verwenden,  sondern 
nach  Hause  zu  schicken. 

Er  stellt  in  Aussicht,  diese  Bitte  auch  bald  auf  die  Sachsen 
und  Polen  auszudehnen,  da  der  Friede  mit  dem  Könige  von 
Sachsen  in  einigen  Tagen  abgeschlossen  sein  wird.  Der  General 
Rapp  antwortete  darauf  am  9.  und  bemerkt  unter  anderem :  „Die 
Aufgabe  der  Besatzung  ist  ganz  unabhängig  von  den  Begeben- 
heiten, sie  hat  sich  bis  auf  den  letzten  Mann  zu  vertheidigen  und 
ich  habe  eine  viel  zu  hohe  Idee  von  der  Charakterstärke  Euer 
Königl.  Hoheit,  um  daran  zu  zweifeln,  dass  ich  mit  dieser  Auf- 
fassung eine  höhere  Stufe  in  Ihrer  Achtung  erwerben  werde. 
Wenn  Sie  Sich  auf  das  Elend  und  die  Leiden  der  Bewohner 
Danzigs  beziehen,  so  nehme  ich  als  Mensch  —  und  das  wissen 
alle  —  den  grössten  Antheil  daran,  als  Soldat  aber  ist  es  die 
letzte  Bttcksicht,  die  ich  zu  nehmen  habe.  Wenn  Sie  die  Ueber- 
zeugung  haben,  dass  ich  nicht  mehr  entsetzt  werden  kann  und 
nur  noch  auf  wenige  Wochen  Lebensmittel  habe,  so  ist  kein 
Grund  vorhanden,  warum  Sie  das  Bombardement  nicht  einstellen. 
Was  den  Abfall  Baiems  betrifft,  den  Sie  mir  mittheilen,  so  hat 
das  für  mich  keinen  officiellen  Charakter,  da  für  mich  nur  .der 
Befehl  des  Kaisers  massgebend  sein  kann.  Ich  kann  daher  die 
Baiern  ohne  Befehl  des  Kaisers  nicht  entlassen.  Da  Sie  auf 
diesen  Punkt  einen  so  grossen  Werth  legen,  so  gestatten  Sie, 
dass  ich  einen  Offleier  an  meinen  Suverain  sende,  dessen  Rück- 
kehr volle  Klarheit  in  die  Situation  bringen  würde"  *). 

Am  10.  In  der  Nacht  zum  10.  beginnt  auf  Seiten  der 
AUiirten  der  Batteriebau  in  der  1.  Parallele*).    Die  dispo- 


*)  Campredou  nnd  anderwärts. 

*)  Ich  folge  in  Nachstehendem  den  Angaben  des  aperen  S.  341  und,  was  die 
Zwecke  der  einzelneu  Batterien  betrifft,  S.  368  desselben,  gebe  im  Anhange  V 
aber  das  Tagebuch  des  Major  Liebe  fär  diese  Zeit,  worin  die  Armirungs- 
arl^eiten  der  1.  Parallele  von  einem  andern  Gesichtspunkte  aus  dargestellt 


441 


niblen  Kräfte  erlaubten  nur  successiv  damit  vorzugehen.  Es 
wird  mit  den  Batterien  des  linken  Flügels  begonnen  und  werden 
deren  4  in  Angriff  genommen.  Der  Verfasser  des  apergu  be- 
zeichnet sie  mit  r,  m',  n',  o';  T  soll  mit  4  —  24 Pffindern  be- 
waffnet werden  und  die  Lttnette  Cafarelli  beschiessen,  m',  mit 
4  —  24  Pffittdern  bewaffnet,  ist  gegen  die  Kontregarde  Scharfen- 
ort  bestimmt,  n'  soll  12  Mörser  erhalten  und  damit  die  Bas- 
tione  Mittel  und  Scharfenort  bewerfen,  o '  mit  4  —  12  Pfändern 
und  2  Haubitzen  bewaffnet,  ist  gegen  Lfinette  Leclerc  und  Bas- 
stion  Mittel  bestimmt^). 

Nach  dem  Tagebuch  des  Major  Liebe  werden  bei  Schell- 
rnühl  4— 13'^ge  grosse  metaUene  russische  Mörser  aufgestellt,  um 
mit  200  pfundigen  Bomben  die  Wohnung  Rapp's  in  Langgarten 
zu  beunruhigen.  Die  Veranlassung  lag  wohl  mehr  darin,  dass 
der  Rest  von  Lebensmitteln  der  Besatzung  nach  dem  grossen 
Brande  in  Langgarten  untergebracht  war. 

Der  Ausbau  der  Wilhelmsschanze  wird  vom  Belagerer  be- 
endet und  die  Schanze  mit  Palisaden  versehen.  Das  linke 
Werk  von  Batterie  Friaul  erhält  in  dieser  Nacht  ebenfalls 
fougasses  k  bombes.  Die  Armirungsarbeiten  des  Bischofsberges 
werden  fortgesetzt.  Der  Batteriebau  in  der  1.  Parallele  scheint 
vom  Belagerer  nicht  wahrgenommen  worden  zu  sein. 

In  der  Nacht  war  Regen  gefallen,  der  Tag  war  schön  und 
mild. 

An  diesem  Tage  langte  ein  drittes  Schreiben  des  Herzogs 
an  Rapp  an,  worin  er  sagt,  dass  seine  Kenntnisse,  wonach  die 
Besatzung  nur  noch  auf  25  Tage  mit  Lebensmitteln  versehen 
sei,  vom  Hauptmann  Marnier  herrühre,  dessen  Schiff  von  einem 
englischen  Hooker  aufgebracht  worden  sei  ^.    Femer  theilt  der 

werden  und  reich  an  artilleristischen  Details  sind,  deren  Anfzählnng  für  das 
allgemeine  Tagebnch  sich  nicht  eignen  wtlrde. 

')  Das  aperen  bringt  noch  auf  derselben  Seite  die  Notiz,  dass  die  Franzosen 
Alt-Schottland  nnd  die  Gebäude  bis  znm  Petershagener  Thor  angesteckt  hätten. 
Wenn  dies  der  FaU  gewesen  wäre,  hätten  sie  das  Dorf  auch  räumen  müssen, 
was  indessen  erst  am  22.  erfolgt  ist.  Dagegen  ist  von  seiten  der  Bussen 
wiederholentlich  der  Versuch  gemacht  worden,  das  Dorf  niederzubrennen,  ohne 
dass  es  gelangen  wäre.  Der  Major  Liebe  sucht  die  Ursache  davon  darin, 
dass  die  Zimmer  leer  gewesen  wären. 

')  Wie  der  Verfasser  des  aper^u  S.  340  eingesteht,  h^be  der  Herzog 


442 

Herzog  den  soeben  eingetroflfenen  Befehl  des  Kaisers  Alexander 
mit,  wonach  die  Besatzung,  wenn  sie  sich  nicht  sofort  ergiebt, 
nur  noch  auf  eine  capitulation  k  discretion  zu  rechnen  habe. 
Es  wird  dann  davon  abhängen,  ob  bei  der  Uebergabe  noch  auf 
25  Tage  Lebensmittel  vorhanden  sein  werden  oder  nicht.  Im 
letztern  Fall  soll  die  Besatzung  als  Rebellen  betrachtet  und 
nach  Russland  abgeführt  werden.  Die  Sendung  eines  Officiers 
an  Napoleon  wird  abgelehnt.  Alle  ferneren  Parlamentaire  mit 
Ausnahme  desjenigen,  welcher  die  Antwort  auf  das  vorliegende 
Schreiben  bringt,  werden  abgewiesen  werden,  wenn  sie  nicht 
mit  weisser  Flagge  erscheinen. 

Die  Antwort  des  Generals  Rapp  geht  am  folgenden  Tage 
ein  und  lautet:  Wenn  Ew.  Königl.  Hoheit  die  üeberzeugung 
gewonnen  haben,  dass  die  Besatzung  nur  noch  auf  25  Tage 
Lebensmittel  hat,  so  beruht  das  auf  Nachrichten,  welche  weit 
entfernt  davon  sind,  genau  zu  sein  und  ich  weiss  nicht,  wie 
die  Gefangennahme  des  Hauptmanns  Marnier  damit  in  Beziehung 
stehen  soll.  Die  uebergabe  des  Platzes,  welcher  mir  anvertraut 
ist,  liegt  noch  so  fern,  dass  an  Unterhandlungen  nicht  gedacht 
werden  kann.  Seiner  Zeit  wird  sich  mein  Parlamentair  ein- 
stellen. Wenn  Ew.  Kgl.  Hoheit  bemerken,  dass  Sie  keinen 
ohne  weisse  Flagge  mehr  empfangen  werden,  so  mögen  Sie 
bedenken,  dass  meine  Mannschaft  nie  einwilligen  wird, 
Demüthigungen  hinzunehmen  und  ich  im  äussersten  Fall  noch 
mehr  wie  einen  Gegenstand  zu  bieten  haben  werde,  der  Ew. 
Kgl.  Hoheit  bewegen  könnte,  als  Kompensation  zu  dienen. 
Zum  Schluss  erlaube  ich  mir  Ew.  Kgl.  Hoheit  mein  Bedauern 
auszusprechen,  dass  Sie  mir  nicht  gestattet  haben,  einen  Offizier 
an  den  Kaiser  Napoleon  zu  schicken,  da  die  Anwesenheit  des 
Kaisers  in  Paris  kein  Hinderniss  in  dieser  Beziehung  abgeben 
kann.  Dieses  Mittel  würde  für  die  Verbündeten  ohne  Nach- 
theil sein,  wäre  vielmehr  das  einzige,  welches  die  Angelegen- 
heiten Danzigs  zum  Abschluss  bringen  könnte.  Wenn  es  mög- 
lich wäre,  sich  hierüber  zu  einigen,  würde  ich  einen  Offizier 


sieh  hier  der  List  bcdicut.    Der  Hauptmann  Marnier  ist  glücklich  dnrchge^ 
kommen.    Der  Verfasser  kommt  S.  383  nqch  einmal  darauf  zurück, 


443 

nach  Langfuhr   »enden,   um  die   Nützlichkeit  dieser  Massregel    November, 
für  beide  Theile  noch  weiter  auseinander  zu  setzen  *). 

gez.:  Rapp. 

Am  11.  In  der  Nacht  zum  11.  wird  hinter  der  1.  Parallele 
südlich  p'  eine  Brustwehr  zur  Deckung  für  Reiterei  erbaut*). 
Langgarten  wird  von  neuem  vom  jenseitigen  Weichselufer  aus  be- 
schossen, doch  ohne  Erfolg.  Dagegen  brennt  es  auf  dem  Theer-. 
hofe^). 

In  der  ersten  Parallele  legt  die  preussische  Artillerie 
Bettungen  zu  5  Batterien  k  6  Mörsern,  zwischen  je  2  Mörsern 
werden  Traversen  erbaut,  um  sich  gegen  die  Zigankenschanze 
zu  sichern  und  für  jede  Batterie  eine  Pulverkammer.  In  der 
Nacht  (10.  zum  11.)  findet  die  Armirung  der  Batterien  mit 
11  —  lOpfündigen  eisernen  preussischen  Mörsern  und  10 — 8  "gen 
eisernen  englischen,  3  —  50 pfundigen  preussischen  metallenen 
und  6 — lOpfündigen  preussischen  eisernen  Mörsern  statt*). 

Am  11.  morgens  um  3  Uhr  machten  die  Franzosen  einen 
Ausfall  auf  die  1.  Parallele,  wurden  aber  mit  einem  Verlust 
von  7  Todten  zurückgeschlagen.  Der  Verlust  preussischerseits 
betrug  3  Todte  und  15  leicht  Verwundete*). 

Am  12.    Das  Bombardement  und   der  Batteriebau  werden 


^)  Beide  Briefe  bei  Campredon.  Im  Auszuge  bei  d^Artois  S.  395  uud 
im  aperen  S.  339. 

*)  Apercu  342.  Der  Verfasser  führt  noch  an,  dass  in  dieser  Nacht  die 
arriere  Parallele  erbaut  worden  sei,  doch  ist  das  wahrscheinlich  eine  Ver- 
wechslung mit  dem  Bau  der  arriere  Parallele  hinter  dem  rechten  Flügel, 
den  das  Tagebuch  Pullets  in  der  folgenden  Nacht  erwähnt. 

^)  Dies  wird  auch  vom  Major  Liebe  bestätigt,  der  jedoch  die  Gegend 
der  Steinschleuse  bezeichnet. 

^)  Tagebuch  des  Major  Liebe.  Kr. -Archiv.  Neben  und  zwischen  den 
Mörsern  wird  eine  Batterie  zu  4  und  2  zu  5  Kanonen  erbaut. 

^)  Tagebuch  der  Ingenieurarbeiten  und  Bericht  Pullet's  an  den  König 
vom  9.,  ferner  Tagebuch  der  4.  Ostpreussischen  Landwehr-Brigade  (Kr.-Arch. 
F.  9),  der  das  Bataillon  Nr.  13  (v.  Rautter),  welches  vom  Ausfall  betroffen 
wurde,  angehörte.  Obgleich  die  Thatsache  von  d^Artois,  Campredon  S.  208 
und  durch  das  Tagebuch  der  Division  Heudelet  S.  139  bestätigt  wird,  leugnet 
sie  das  Aper<;u  ab.  Es  ist  wiederum  Chambure,  der  den  Ausfall  vollführte, 
dessen  Erfolg,  wenn  davon  überhaupt  die  Rede  sein  kann,  auf  die  lächer- 
lichste Weise  übertrieben  wird,  d  'Artois  verlegt  S.  378  den  Ausfall  irrthüm- 
licherweise  auf  die  Nacht  vom  11.  zum  12.  und  giebt  dadurch  dem  Verfasser 
des  Apercu  S.  333  eine  Handhabe  das  Faktum  zu  bestreiten, 


444 

NoTember.  vom  Belagerer  eifrig  fortgesetzt  und  die  Arriere-Parallele 
hinter  dem  rechten  Flügel  der  1.  Parallele  erbaut*).  Nach 
Dttring  S.  133  haben  die  Belagerten  an  diesem  Tage  den 
Ganskrug  und  das  Dorf  Steindamm  geräumt  und  niedergebrannt. 
Der  General  Campredon  benrtheilt  die  Batterieanlagen  der 
1.  Parallele  wie  folgt:  eine  Batterie  an  der  Dorfstrasse  von 
Stolzenberg  ist  gegen  den  ausspringenden  Winkel  der  Lnnette 
Cafarelli  gerichtet,  eine  andere  weiter  sfidlich  scheint  zum 
Bikoschettiren  der  rechten  Face  derselben  bestimmt  zu  sein. 
Dazwischen  liegen  einige  grössere  Bauten,  wahrscheinlich  für 
Mörser.  Einige  Scharten  sind  gegen  das  Blockhaus  am  Teich 
(K,  la  maison  jaune)  gerichtet*). 

Der  Tag  ist  schön,  aber  kalt 

Am  13.  In  der  Nacht  zum  13.  erfolgen  seitens  des  Be- 
lagerten Rekognoscirungen  nach  Heubude.  Sie  werden  von 
Campredon  wie  vom  Verfasser  des  aperqu  erwähnt.  Der  Be- 
lagerer beginnt  in  dieser  Nacht  den  Bau  zweier  neuen  Batterien. 
Die  Batterie  g'  ist  für  6  Mörser  bestimmt  und  soll  in  Verein 
mit  p',  die  bereits  vorhanden  ist,  das  Bastion  Salvator  be- 
schiessen.  Die  andere  Batterie  r',  mit  4  Haubitzen  armirt,  ist 
gegen  Lfinette  Ledere  bestimmt. 

Hinter  der  Arriere-Parallele  werden  Zickzacks  zur 
gedeckten  Annäherung  der  Geschütze  bei  der  Armirung  an- 
gelegt »). 

Dem  General  Campredon  erscheint  am  Morgen  des  13.  das 
ganze  Plateau  in  seiner  Breitenausdehnung  mit  Batterien  er- 


')  Tagebuch  der  Ingenieurarbeitcu. 

*)  Campredon  S.  210.  Die  Angaben  sind  zur  Beurtheiluug  der  Angaben 
alliirterseits  von  Interesse. 

')  Aperen  342.  Nach  dem  Tagebuch  der  Ingenienrarbeiten  hatte  PuUet 
den  Hauptmann  Kool,  der  mit  den  Linien  des  Bischofsberges  vertraut  war, 
zum  Abstecken  der  Batterien  zur  Disposition  gestellt  Nach  Liebe  wurde 
ihm  seitens  der  Artillerie  der  Lieutenant  Kode  zugetheilt.  Die  Angaben 
Liebe's  weichen  nicht  unerheblich  von  denen  des  aperqu  ab  (siehe  Anhang  V), 
sowohl  in  Bezug  auf  Zeit  der  Erbauung,  Zahl  der  Geschütze  und  Zweck  der 
Batterien.  Wie  der  Major  Liebe  anführt,  wurden  die  5  Mörserbatterien  in 
einer  Nacht  begonnen,  während  das  apergu  sie  nach  und  nach  ausführen 
lässt.  Als  Kontrolle  könnten  allenfalls  die  Beobachtungen  Campredons  dienen, 
doch  sind  sie  nicht  eingehend  genug,  um  als  Richtschnur  j^u  dienen, 


445  _ 

füllt,  zum  Theil  fttr  Kanonen,  zum  Theil  für  Mörser,  die  wegen   November, 
des  Flaukenfeuers  vom  Zigankenberge  en  cremailli^re  erbaut 
sind  oder  im  Rücken  Traversen  haben  *).    Die  Beschiessung  der 
Stadt  wird  fortgesetzt. 

Von  Seiten  der  Artillerie  wird  endlich  eine  Haubitze  nach 
avancee  Frioul  gebracht,  um  die  nnvortheilhaft  angelegten 
Laufgräben  zu  enflliren.  Nach  den  französischen  Berichten 
soll  ihre  Wirkung  ausserordentlich  gewesen  sein').  Das 
Tagebuch  der  Ingenieurarbeiten  von  Pullet  erwähnt  nichts 
davon. 

Der  Herzog  von  Würtemberg  sendet  an  diesem  Tage 
einen  4.  Brief  an  den  General  Rapp,  worin  er  ersucht,  einen 
General  nach  Langfuhr  zu  senden,  was  der  General  Rapp 
zusagt. 

Am  14.  In  der  Nacht  zum  14.  werden  zu  den  7  Batterien 
der  1.  Parallele  noch  zwei  neue  u'  und  v'  hinzugefügt,  u'  wird 
für  6  Mörser,  v'  für  4  — 24-Pfünder  eingerichtet.  Beide  sind 
gegen  Bastion  Salvator  bestimmt*). 

Der  Belagerte  setzt  seine  Armirungsarbeiiten  fort.  Die 
Verstärkung  der  Brustwehren  der  Batterie  Istrien  und  Caulain- 
court  wird  beendet,  die  von  Cafarelli  und  Leclerc  ist  noch  in 
der  Arbeit,  ebenso  die  Ausbesserung  der  Batterien  und  der 
avancee  Frioul.  Die  in  letzterer  aufgestellte  Haubitze  fährt 
fort  günstig  zu  wirken. 

Der  General  Heudelet  und  der  Oberst  Richemont  begeben  sich 
auf  Befehl  des  General  Rapp  nach  Langfuhr  und  haben  mit 
dem  Herzog  von  Würtemberg  eine  zweistündige  Konferenz. 

Das  Wetter  ist  gelinde,  aber  nebelig*). 

Am  15.  In  der  Nacht  zum  15.  werden  von  selten  des 
Belagerers  die  Batterien  w'  und  x'  in  Angriff  genommen.  Die 
Batterie  w '  ist  gegen  das  Ravelin  Mittel-Scharfenort,  x '  gegen 
Bastion    Mittel    bestimmt,    erstere    wird    für    4  —  24  Pf  linder, 


^)  Campredon  210. 

')  d'Artois  376.    Campredon  210. 

')  Apercu  343.  An  diesem  Tage  wird  vom  Verfasser  auch  des  Baues 
von  Traversen  gedacht.  Nach  Liebe  werden  in  dieser  Nacht  drei  Batterien 
für  Kanonen  und  Haubitzen  erbaut. 

*)  Campredon  211. 


446  _ 

November,  letztere  für  6  Mörser  eingerichtet.  Die  Batterien  u'  und  v' 
werden  beendigt*). 

Der  General  Campredon  macht  von  der  Festung  aus 
folgende  Wahrnehmungen:  Es  sind  im  ganzen  28  Scharten 
sichtbar,  obgleich  sie  noch  nicht  vollständig  demaskirt  sind. 
Auch  sind  noch  keine  Geschütze  in  den  Batterien  zu  bemi^rken. 
Man  unterscheidet  zahlreiche,  hohe  Traversen,  um  sich  nach 
beiden  Seiten  gegen  Enfilade  zu  sichern.  Von  den  andern 
Batterien  wird  lebhaft  geschossen  ^). 

Die  avanc6e  Frioul  wird  mit  fougasses  ä  bombes  versehen. 
Gegen  2  ühr  nachmittags  wird  der  2.  Ingenieur  vom  Platz 
Richaud  von  einer  Kanonenkugel  getödtet,  als  er  in  den 
batteries  de  Frioul  eben  das  Banket  bestieg. 

Das  Wetter  ist  schön  und  gelinde. 

Am  16.  Die  Batterie  w'  und  x',  sowie  die  Traversen 
werden  beendet  und  die  Armirung  sämmüicher  Batterien  wird 
fortgesetzt  •).  Hinter  der  Parallele  werden  3  Verbrauchs-Pulver- 
magazine erbaut.  Der  preussische  Hauptmann  v.  Glasow  wird 
in  der  Tranchee  von  einem  Granatsplitter  getödtet. 

Das  Feuer  der  Batterien  Kirgener  und  Istrien  ist  sehr 
heftig,  verursacht  jedoch   wenig    Schaden  (?)^).    Der  General 


*)  Apercu  344. 

*)  Campredon  212.  Nach  dem  aperga  S.  SOG  hat  die  Armirang  der 
Batterien  schon  am  14.  begonnen,  was  auch  vom  Migor  Liebe  bestätigt  wird. 
Der  General  Campredon  mnss  sich  hier  also  irren. 

')  Apercu  3Ö0.  Die  Schwierigkeiten  der  Armirong^waren  ausserordent- 
lich. Die  schweren  eisernen  24Pfünder,  grösstenteils  englische  Defensions- 
geschütze,  erforderten  40  bis  50  Kosacken-  oder  Baschkirenpferde  zu  ihrem 
Transport  in  die  Parallele  (S.  358).  Die  Pferde,  welche  nie  Geschirre  auf 
dem  Leibe  gehabt  hatten  und  nicht  aus  Ziehen  gewöhnt  waren,  konnten  nur 
mit  grossem  Geräusch  zum  Ziehen  angetrieben  werden.  Dabei  war  der  Boden 
aufgeweicht,  so  dass  mehrere  24PfÜnder  stecken  blieben,  die  nur  durch  Mann- 
schaften wieder  flott  gemacht  werden  konnten.  Um  nicht  dem  feindlichen 
Feuer  ausgesetzt  zu  werden,  wurden  sie  während  des  Tages  mit  Faschinen 
bedeckt.  Die  Armirung  hat  unter  diesen  Umständen  3  Tage  in  Anspruch 
genommen.    Vgl.  Anhang,  Tagebuch  des  Majors  Liebe. 

*)  Apercu  350.  Der  Verfasser  behauptet  S.  343,  dass  die  ArtiUerie 
während  der  ganzen  Belagerung  nur  40  Todte  und  60  Verwundete  verloren 
habe  und  dass  die  Batterien  des  Zigankenbergs  kein  einziges  Geschütz  de- 
montirt  hätten.    Siehe  jedoch  Anhang  V,  Tagebuch  des  Majors  Liebe. 


447 

Campredon  notirt  in  seinem  Tagebuclie,  dass  nach  dem  Geräusch    November. 
zu  ui-theilen,  was  man  in  der  Festung  höre,   die  Batterien  ar- 
mirt   werden    müssen.     Trotzdem    hat    man    auf   diesen   ent- 
scheidenden Akt  keinen  Ausfall  unternommen. 

Die  Freikompagnie  des  Chambure  machte  in  der  Nacht 
einen  Ausfall  auf  die  Batterie  Kabrun  ^). 

Nach  dem  aperQU  S.  350  sollen  die  Batterien  an  den 
Schottenhäusem  in  dieser  Nacht  durch  5  Mörser  verstärkt  ^^orden 
sein,  welche  dahinter  in  den  Kommunikationen  aufgestellt 
worden  sind.  Der  Major  Liebe  erwähnt  diese  5  Mörser  jedoch 
schon  in  seinem  Bericht  vom  23.  Oktober  an  die  General -In- 
spektion der  Artillerie. 

Die  Belagerer  geben  nachmittags  3  Uhr  eine  Salve  von 
50  Schuss  zur  Feier  der  üebergabe  von  Stettin. 

Das  Wetter  ist  schön,  aber  kalt. 

Am  17.  In  der  Nacht  zum  17.  wird  die  Armirung  sämmt- 
lieber  Batterien  beendet  und  am  Morgen  um  9  Uhr  das 
Feuer  daraus  eröffnet*).  Nach  dem  apergu  8.  352  waren 
42  Kanonen,  48  Mörser  und  6  Haubitzen  der  1.  Parallele 
in  Thätigkeit,  womit  d^Artois  ziemlich  genau  fibereinstimmt  ^). 
Ausserdem  setzten  die  Batterien  von  Schellmuhl,  Kabrun,  die 
gegen  den  Zigankenberg  gerichteten  Batterien,  sowie  diejenigen 
der  Schottenhäuser  ihr  Feuer  fort,  so  dass  131  Geschütze  in 
Thätigkeit  waren*).    Am  meisten  hatten  die  Lunetten  Cafarelli 


')  Campredon  212.  D'Artois  379.  Die  französischen  Berichterstatter 
machen  daraus  wiederum  eine  grosse  Heldenthat.  Nach  Campredon  hat  die 
Kompagnie  die  Besatzung  niedergemetzelt,  nach  d^Artois,  der  sich  am  aus- 
führlichsten dartiher  äussert,  hat  er  70—80  Mann  getödtet  und  selbst  nur 
einen  Verlust  von  2  Todten  und  5  Verwundeten  gehabt.  Der  Vf.  des  aper^ 
spricht  mit  Recht  S.  345  der  Sache  alle  Bedeutung  ab  und  beruft  sich  auf 
Düring,  welcher  constatirt,  dass  die  Kompagnie  grosse  Verluste  gehabt  hat. 
Wie  das  apergu  S.  349  anführt,  belaufen  sich  die  Verluste  der  Russen  durch 
die  ^reicompagnie  in  allen  ihren  Expeditionen  nur  auf  8  Todte  und  7  Ver- 
wundete.   Die  preussischen  Verluste  sind  oben  angegeben. 

*)  Apercu  S.  350.  Pullet  sagt  im  Tagebuch  irrtbümlich  bei  Tages- 
anbruch.   Siebe  Campredon  213,  dWrtois  402.    Major  Liebe. 

^)  D'Artois  sagt  S.  402  Note  2 :  41  Mörser,  42  Kanonen,  10  Haubitzen. 

^)  Die  Zahl  131  giebt  Pullet  in  seinem  Bericht  an  den  König  vom  19. 
und  in  seinem  Tagebuch  an. 


_    44B 

November.  Und  Leclerc,  sowie  die  avancfee  Frioul  zn  leiden.  Letztere 
hatte  sich  in  den  letzten  Tagen  dem  rechten  Fittgel  der  ersten 
Parallele  sehr  lästig  gemacht,  daher  concentrirten  die  10 ''gen 
Mörser  der  Batterien  an  den  Schottenhäasem  nnd  die  b^Wgeu 
aas  s",  V\  u"  ihrFeuer  dagegen.  Sie  mnsste  infolge  dessen  zurück- 
gezogen werden.  Eine  Bombe  entz&ndete  einen  der  Minen- 
kasten (fongasses)  der  linken  Batterie  Frioul.  Das  Feuer 
theilte  sich  auch  dem  andeiii  Kasten  der  Batterie  mit.  Die 
Batterien  selbst  wurden  zu  unförmlichen  Haufen  zusammen- 
geschossen ^). 

Trotz  des  Feuers  wurden  die  Arbeiten  fortgesetzt. 

Die  Traversen  der  rechten  Facen  der  Lünetten  CafareUi 
und  des  Bastions  Mittel  werden  beendet^).  Die  Posten  am 
maison  jaune  und  von  Weinberg  müssen  eingezogen  werden'). 
Die  krenelirten  Häuser  der  Judenschanze  (du  sergent)  und  des 
Judenkirchhofes  werden  in  Brand  geschossen^).  Dagegen  sind 
die  3  Flankenbatterien  (17,  18,  19)  gegen  den  Zigankenberg 
ohne  alle  Wirkung,  weil  sie  zu  tief  standen  und  zu  weit  ent- 
fernt waren.  Die  Batterien  der  1.  Parallele  erlitten  dadurch  und 
weil  sie  zu  gedrängt  waren,  grosse  Verluste*). 

Der  Tag  ist  schön,  aber  kalt. 

Am  18.  Das  Feuer  in  der  Nacht  zum  18.  wird  fortgesetzt. 
Die  Zahl  der  SV«" gen  Mörser  vor  den  Werken  der  Jesuiter- 
schanze  wird  auf  12  erhöht  und  eine  Station  (f)  für  Raketen 
erbaut.    Apercu  363. 

In  der  Lünette  Leclerc  wird  ein  Verbrauchspulvermagazin 
in  die  Luft  gesprengt  und  die  Minenkasten  des  rechten  Werks 


')  ,11  est  impossible" ,  sagt  d'Artois  S.  403,  ,de  donner  nne  id6e  de  la 
prodigieuse  quantit^  de  projectiles  qu^Is  lancörent  snr  nos  ouvrages.  Le  fen 
ronlant  de  lenr  artiUeiie  produisait  an  fracas  comparable  k  celui  da  tonnöre. 
C'6tait  k  tel  point,  qne,  pendant  cette  joum^e,  quoiqne  nous  ripostämes  par 
3400  conps  de  canons,  notre  fen  semblait  Steint  comparativement  k  celoi  des 
tranch^es.  Les  bombes  de  rennemi  ^clataient  presque  toutes  en  Tair,  et  n'en 
6taient  qae  plus  dangereuses.  Le  terrain  fkit  iabour6  et  sillomi^  en  tons  sens 
et  le  palissadement  fortement  endommag6  snr  plnsieurs  points. 

*)  Campredon  213. 

»)  D'AitoiB  408. 

*)  Apergn  362. 

•)  Tagebuch  des  M^'or  Liebe.    Kr.-Archiv  F.  9. 


44Ö 

der  Jesuiterschanze  (batteries  de  Fripul)  werden  ebenfalls  ent-    November, 
zündet  ^). 

In  der  Nacht  (17.  zum  18.)  wurde  ein  400  Schritt  langer 
Einschnitt  a  b  mit  Zickzacks  rückwärts  nach  der  flüchtigen 
Sappe  200  Schritt  von  der  Jesuiterschanze  angefertigt,  um  den 
Truppen  ein  Logement  zu  geben,  aus  welchem  sie  aus  grosser 
Nähe  über  die  Jesuiterschanze  herfallen  können^). 

Auf  Seiten  des  Belagerten  gelang  es  auf  dem  Bischofs- 
berge immer  noch  die  Schäden  in  der  Nacht  auszubessern, 
namentlich  die  Palisaden  zu  ersetzen ;  bei  den  Werken  auf  der 
Jesuiterhöhe  war  das  nicht  mehr  möglich.  Es  wurden  3000 
Schuss  aus  dem  Platz  gethan^),  das  Feuer  war  daher  noch 
wenig  gedämpft. 

Die  Obersten  Treskin  und  Turtschaminow  erhalten  vom 
Herzoge  den  Befehl,  in  ihrem  Bereich  den  Gegner  zu  beun- 
ruhigen. Gegen  7  Uhr  abends  erscheint  an  der  Allee  von  Lang- 
fuhr ein  russischer  Parlamentair  mit  einem  Schreiben  an  den 
General  Rapp,  wird  aber  vom  General  du  jour  abgewiesen, 
weil  es  nachts  ist.  Er  versichert,  den  andern  Tag  wieder 
kommen  zu  wollen,  ist  aber  nicht  erschienen.  Französischer- 
seits  wird  dies  als  List  angesehen,  um  auszukundschaften. 

Das  Wetter  ist  gut,  selbst  milde. 

Am  19.  Das  Tagebuch  der  Ingenieurarbeiten  (Pullet)  be- 
richtet :  „In  der  Nacht  zum  19.  sind  die  Jesuiterschanzen  (durch 


')  Campredon  214. 

*)  Wörtlich  nach  dem  Tagebuch  der  Ingenieurarbeiten  Kr.-Arch.  Pnllet 
fügt  hinzu:  „wir  haben  dabei  nur  8  Blessirte  und  Todte  gehabt."  L^aper^u 
sagt  dazu  in  einer  Anmerkung  zu  S.  362:  „Par  cea  travaux  qui  furent  exe- 
cnt^B  avec  1500  travailleurs  la  droite  des  redoutes  Frioul  se  trouva  enti- 
örement  toum6e  et  par  ce  moyen  on  fut  dispens^  de  les  empörter  de  vive 
force;  ce  qui  aurait  occasionn^  aux  assi6gements  une  perte  de  400  k  500  bommes 
&  moins*.  Der  Vf.  irrt  sich  hieriUi  da  die  Judenschanze  in  dieser  Nacht  noch 
yom  Feinde  besetzt  war  und  Niemand  voraussetzen  konnte,  dass  sie  und  die 
Jesuiterschanze  freiwillig  geräumt  werden  würde.  Im  Gegentheil  geht  aus 
den  Worten  PuUets  hervor,  dass  man  von  der  Nothwendigkeit  überzeugt  war, 
sie  mit  Sturm  zu  nehmen.  „Was  nothwendig  geschehen  muss" ,  sagt  PuUet 
noch  in  seinem  Bericht  vom  19.  Novbr. 

')  Campredon  214.    D*Artois. 

Kdüler,  068chich(e  der  Festungen  Danzig  und  Weicbselmttnde.    II.  29 


450 

einen  700  Schritt  langen  Tranchee-Einschnitt  nach  der  flüch- 
tigen Sappe  als  Verbindung  zwischen  dem  linken  Flügel  der 
1.  Parallele  und  dem  in  der  verwichenen  Nacht  gemachten 
Einschnitt  vor  gedachter  Schanze)  gleichsam  mit  dem  Spaten 
umgangen  worden.  Die  Judenschanze  wurde  bei  dieser  Ge- 
legenheit, da  man  sie  verlassen  fand,  mit  in  die  Linie  gezogen. 
Man  hat  ferner  daran  gearbeitet,  das  Logement  nach  der 
flüchtigen  Sappe  gegen  die  Jesuiterschanze  zu  vervollständigen 
und  Gelegenheit  genommen,  mittelst  eines  Crochets  (e)  vorzugehen, 
um  darin  3  Piecen  zu  placiren,  vermöge  welcher  der  Wein- 
grund (die  Ortschaft  Weinberg)  mit  Kartätschen  bestrichen 
werden  könnte,  wenn  etwa  der  Feind  nach  Hinwegnahme  der 
Jesuiterschanze  versuchte,  diesen  Grund  heraufzukommen. 

Ebenso  ist  eine  zweite  Batterie  (b)  angelegt,  um  denjenigen 
zu  begegnen,  welche  durch  den  Stolzenberger  Grund  herauf- 
kommen könnten"  ^). 

Das  Feuer  des  Belageres  wird  Tag  und  Nacht  unterhalten, 
das  des  Vertheidigers  zeigt  sich  geschwächt. 

Eine  vor  Pitzkendorf  in  der  Nacht  vorher  aufgeworfene 
Batterie  gegen  den  Zigankenberg  wird  mit  einer  10-pfündigen 
preussischen  Haubitze  und  3  — 10  pfundigen  preussischen  Mör- 
sern bewaffnet*). 


')  Das  Tagebuch  wirft  hier  anscheinend  zwei  Nächte  zusammen,  wie  aus 
dem  Bericht  PuUets  an  den  König  vom  23.  November  (Kr.-Arch.  F.  19)  her- 
vorgeht. Es  heisst  hier:  „Dass,  nachdem  das  Logement  am  19.  vervollständigt, 
noch  das  braun  angelegte  in  der  Nacht  vom  19.  zum  20.  nach  der  flüchtigen 
Sappe  gefertigt  worden  (wobei  wir  die  Judenschanze  verlassen  fanden),  um 
mittelst  eines  Crochets  vorzugehen,  um  .  .  .  ."  (das  folgende  wie  im  Tage- 
bnche).  Das  in  der  beigefügten  Skizze  braun  angelegte  ist  eben  das  Loge- 
ment, so  dass  also  das  Crochet  erst  in  der  folgenden  Nacht  angefertigt 
worden  ist.  Das  stimmt  mit  dem,  was  Campredon  S.  215  sagt,  überein :  ^Les 
Kusses  courounent  la  cr§te  du  ravin  qui  s^pare  leurs  tranch^es  des  batteries 
de  Frioul  et  qui  passe  k  40  toises  environ  de  Tavanc^  et  ä  50  ou  60  de 
Frioul.  A  la  pointe  du  jour  (19.),  on  apergoit  leur  nouveau  travail,  une  es- 
p^ce  de  demi-place  d'armes  en  avant  de  leur  parallele  avec  boyau  de  commnni- 
cation  en  arri^re."  Hier  ist  von  dem  crochet  und  der  Batterie  noch  keine 
Bede.  Damit  übereinstimmend  ist  auch  d  'Artois  S.  406.  Von  der  nächtlichen 
Arbeit  vom  17.  zum  18.  erwähnen  beide  nichts,  die  Eäumung  des  Postens  du 
sergent  (Judenschanze)  setzen  beide  auf  den  19. 

')  Tagebut^h  des  Msgor  Liebe.    Es  kann  den  Behauptungen  des  Apergu 


451 

Ein  durch  den  Obei'st  Turtschaminow  in  der  Nacht  unter-  November, 
nommener  Angriff  auf  die  ßedute  Gudin  kann  nur  als  eine 
Alarmirung  angesehen*)  werden.  Campredon  (215)  und  d'Artois 
(406)  fassen  ihn  als  gewaltsamen  Angriff  auf,  der  zurückge- 
schlagen wurde.  d'Artois  spricht  sogar  von  zurückgelassenen 
Leitern. 

Das  Wetter  ist  beständig. 

Am  20.  Vom  Belagerer  wird  eine  seit  einigen  Tagen  be- 
gonnene Station  für  Raketen  (f )  beendet  *).  Beim  Dorfe  Brösen 
werden  2  — 24  pfundige  Kanonen  placirt,  um  Langgarten  zu 
beschiessen  und  den  General  Rapp  zu  beunruhigen').  Nach 
Campredon  erbaut  der  Belagerer  eine  Batterie  für  2(?)  Piecen 
hinter  dem  Posten  des  Sergeanten  ^).  Die  hart  mitgenommenen 
Batterien  a'  und  b'  werden  in  dieser  Nacht  ausgebessert^)  und 
das  Feuer  der  Batterien  ermässigt,  indem  jeder  12  Pfünder  nur 
30,  der  24  Pfänder  48,  jedes  Wurfgeschütz  12  Wurf  auf  24 
Stunden  erhält,  ausser  den  12 — öVs^gen  Mörsern.  Bis  dahin 
hatte  jedes  Kanon  50  Schuss,  jedes  Wurfgeschütz  48  Wurf, 
jedes  Rikoschettgeschütz  auf  2  Tage  96  Schuss.  Die  Jesniter- 
kirche  wird  von  2  —  7  pfundigen  preussischen  Haubitzen, 
2  —  8  "  gen  Mörsern  und  einigen  24  Pfündern  heftig  beschossen  ^. 

Das  Reduit  der  rechtsgelegenen  Batterie  Frioul  wird,  nach- 


gegentlber  nichts  beweiskräftiger  für  die  £inwirkangen  der  ArtiUerie  des 
Zigankenberges  auf  die  1.  ParaUele  sein,  als  der  Bau  dieser  Batterie,  dessen 
Noth wendigkeit  nach  Eröffnung  des  Feuers  sofort  erkannt  wurde.  Der  Major 
erwfthnt  unterm  24.,  dass  seit  Eröffnung  des  Feuers  der  Verlust  durchschnitt- 
lich tagtäglich  40  Todte  betragen  habe. 

>)  Apercu  364. 

')  Ebenda. 

')  Tagebuch  des  Mcgor  Liebe. 

^)  Es  ist  damit  die  im  Tagebuch  des  Oberstl.  Pullet  oben  näher  be- 
zeichnete Batterie  von  H  Scharten  im  Crochet  gemeint.  Das  Apercu,  welches 
sie  mit  e  bezeichneti  läast  sie  irrthümlich  schon  in  der  Nacht  vom  17.  zum  18. 
erbauen,  setzt  in  dieser  Nacht  auch  die  Verbindung  der  Judenschanze  durch 
einen  Laufgraben  mit  p'  an,  obgleich  die  Schanze  erst  am  19.  vom  Gegner 
geräumt  worden  ist. 

^)  Apercu  365. 

*)  Tagebuch  des  Migors  Liebe. 


462 

dem  die  vorgelegene  Traverse  abgekämmt  ist,  in  Bresche  ge- 
legt.   Man  sncht  diese  durch  Sandsäcke  auszufallen. 

Um  4V2  ühr  nachmittags  fand  ein  Angriff  des  Obei-sten 
Treskin  auf  die  Batterie  Fischer  bei  Aller  Engeln  statt.  Die 
Batterie  war  von  Westfalen  besetzt,  welche  den  Angriff  ab- 
schlugen. Von  den  Russen  blieben  2  Todte  und  1  Verwun- 
deter liegen.  *) 

Am  21.  In  der  Nacht  zum  21.  sind  die  gemachten  Ar- 
beiten (siehe  oben  S.  450)  vervollkommnet  und  die  beiden  Batterien 
beendigt  worden*).  Nach  Campredon  ist  die  Halbparallele  erst 
in  dieser  Nacht  nach  beiden  Seiten,  rechts  bis  zu  den  Schotten- 
hänsem,  links  bis  zum  alten  Posten  des  Sergeanten  verlängert 
worden,  so  dass  sie  sich  bis  auf  80  und  100  Meter  der  Schlucht 
Weinberg  nähert.  Von  hier  führt  der  Belagerer  einen  Lauf- 
graben zur  Batterie  (p')  aus,  um  die  Verbindung  mit  der 
1.  Parallele  herzustellen^).  Nach  der  Beobachtung  Carapredon's 
sind  von  selten  des  Belagerers  140  Geschütze  in  Thätigkeit 
und  zwar  70— 24Pfünder,  30— 12Pfünder,  40  Mörser  und 
Haubitzen*).     Er    hat    am  Morgen    zwei    neue  Scharten   der 


')  Campredon  216.  v.  Düriug  134.  Das  Apercu  nimmt  den  Umstand, 
dass  die  Batterie  mit  Westfalen  besetzt  war,  als  Veranlassung  za  der  Be- 
hauptung, dass  die  fremden  Tmppen  bis  auf  den  letzten  Tag  im  äussern 
Dienst  verwendet  worden  sind.  Wie  wir  indessen  gesehen  haben,  wurden 
die  Westfalen  am  24.  vom  äussern  Dienst  entbunden.  Das  Apercu  verlegt 
diesen  Angriff  S.  367  in  die  Nacht  vom  22.  zum  23.  und  lässt  ihn  durch 
100  Jäger  ausführen. 

')  Tagebuch  der  Ingeuienrarbeiten  und  Bericht  Pullet's  an  den  König 
vom  23.  November.    Kr.-Archiv. 

')  Campredon  217.  Es  kann  daher  nur  ein  Irrthum  sein,  wenn  das 
Apercu  den  Laufgraben  von  e  nach  p'  bereits  in  der  Nacht  17/18  ausführen 
lässt.  Campredon  drückt  sich  217  hierüber  wie  folgt  aus:  De  lä  (gegenüber 
Weinberg)  iis  dirigent  un  boyau  allant  aboutir  ä  Textr^it^  droite  de  leur 
batteries  de  six  pi^es  (p'  vom  aper^u  genannt],  la  plus  rapprochte  des  batteries 
Frioul.  De  mani^re  que  la  batterie  que  Ton  avait  d^couverte  la  veUle  (e), 
se  trouve  enclav6e  dans  cette  nouvelle  tranch^e. 

*)  Campredon  217.  Die  Zahlen  sind  natürlich  nicht  richtig,  die  Mit- 
theilung ist  jedoch  dadurch  von  Interesse,  dass  sie  zeigt,  wie  von  der  Festung 
ans  beobachtet  wurde.  Nach  dem  Tagebuche  von  Pullet  haben  aus  der 
1.  Parallele  131  Geschütze  gefeuert,  excl.  der  übrigen. 


453 


Batterie  am  Ausgange  von  Stolzenberg  entdeckt.  Der  Posten 
bei  Weinberg  muss  aufgegeben  werden. 

Der  Guverneur  versammelte  an  diesem  Tage  den  Kriegs- 
rath,  um  auf  die  gefährliche  Lage  der  Werke  auf  der  Jesuiter- 
höhe aufmerksam  zu  machen.  Die  Besatzung  konnte  bei  der 
Nähe  der  feindlichen  Tranchee  leicht  aufgehoben  werden, 
namentlich  da  die  Reserve,  welche  sich  für  gewöhnlich  in  Wein- 
berg befand  und  füglich  nicht  weiter  entfernt  aufgestellt  werden 
konnte,  einem  gleichzeitigen  Angriff  ausgesetzt  war.  Der  Kriegs- 
rath  beschloss,  die  Besatzung  zurückzuziehen  und  Schottland 
zu  räumen,  da  seine  Besetzung  keinen  Sinn  mehr  gehabt  hätte. 
Die  Räumung  erfolgte  abends  8  ühr  ^).  Schottland  wurde  ver- 
brannt, wozu  alles  vorbereitet  war.  Den  grössten  Einftuss  auf 
den  Entschluss  der  Räumung  übte  die  Unzuverlässigkeit  der 
fremdländischen  Truppentheile  aus,  die  ausserhalb  der  Festung 
nicht  mehr  verwendet  werden  konnten^). 

Das  Wetter  war  mild,  aber  nebelig. 

Am  22.  Der  Belagerer  besetzt  die  3  Werke  auf  der 
Jesuiterhöhe  noch  während  der  Nacht*)  und  verbindet  die 
Batterien  Frioul  durch  eine  Tranchee  mit  dem  Posten  des 
Sergeanten,  welcher  erweitert  und  zu  einer  Redute  umgeformt 
wird.  Es  wird  darin  die  Batterie  g  zu  3  Geschützen  ange- 
legt*) und  zwischen  ihr  und  der  Batterie  Frioul  noch  zwei 
andere  1  und  m,  erstere  für  6  — 24Pfünder  und  2  —  12-Pfünder, 
m  für  6  —  24-Pf ünder  erbaut.    Ausserdem  wurden  in  der  Bat- 


>)  Campredon  222,  d'Artois  413.  Apercu  365  führt  die  Bänmang  vou 
Schottland  zum  zweiten  male  an,  irrt  sich  aber  um  einen  Tag,  indem  er  sie 
in  die  Nacht  vom  20.  znm  21.  setzt,  üeberhaupt  ist  das  Apercu  seit  dem 
11.  hinsichtlich  der  Chronologie  nicht  in  Ordnung. 

«)  d'Artois  410. 

')  Nach  dem  Tagebuch  der  Ingenieurarbeiten  bemerkte  der  russische 
Ingenieurhauptmann  Sawitsch,  welcher  an  den  Arbeiten  der  Judenschanze  be- 
schäftigt war,  eine  ungewöhnliche  StiUe  in  der  Jesuiterschanze,  liess  sie 
rekognosciren  und  fand  sie  verlassen. 

*)  Der  Verfasser  des  Apercu  lässt  diese  Batterie  S.  365  in  der  Nacht 
vom  20.  zum  21.  nach  Besetzung  der  Batterien  Frioul  beginnen.  Nach  dem 
Tagebnehe  des  Major  Liebe  ist  der  Bau  dieser,  wie  der  folgenden  Batterien 
erst  in  der  Nacht  zum  24.  begonnen  worden,  was  mit  den  Beobachtungen 
Campredon's  (S.  228)  übereinstimmen  wtlrde. 


454 

November,  terie  Frioul  die  Batterien  i  und  k  tracirt,  erstere  fttr  6  Mörser, 
letztere  f llr  2—24  Pflinder.  Die  Batterien  sollten  das  Peters- 
hagener  Thor  und  Bastion  Gertrud  beschiessen,  während  g,  1 
und  ni  gegen  Bastion  Salvator  des  Bischofsberges  bestimmt 
waren  ^).  Die  avanc6e  Frioul  wurde  durch  einen  Laufgraben 
mit  der  Halbparallele  verbunden. 

Die  Beobachtungen  Campredons')  aber  diese  Batterie- 
anlagen konnten  nur  ungenau  sein,  da  sie  am  Morgen  noch 
nicht  genügend  vorgeschritten  waren,  so  dass  ich  sie  fiber- 
gehe. 

Der  Belagerte  behielt  ausserhalb  des  Bischofsberges  nur 
noch  den  Posten  im  krenelirten  Hause  des  Judenkirchhofes 
besetzt  und  hatte  einige  Mann  längs  der  Erete  des  Stolzen- 
berger  Grundes  und  in  Stolzenberg  aufgestellt.  Die  Artillerie 
des  Bischofsberges  war  nicht  frühzeitig  genug  von  der  Bäumung 
der  Werke  auf  der  Jesuiterhöhe  benachrichtigt  worden,  so  dass 
sie  die  Nacht  über  nicht  gegen  die  Arbeiten  des  Feindes 
schoss^).  Am  Morgen  wurde  jedoch  ein  lebhaftes  Feuer  da- 
gegen eröflnet,  so  dass  an  diesem  Tage  aus  der  Festung  4000 
Schuss  fielen^).  Namentlich  nahmen  Bastion  Salvator  mit  2— 
24 Pfändern,  das  Bastion  Mittel,  die  Lünette  Leclerc  und  die 
Batterien  des  Legethors  daran  Theil. 

Das  Petershagener  Thor  wurde  mit  den  aus  den  Reduten 
geräumten  6  Geschützen  armirt. 

Das  Wetter  war  gelinde,  es  fiel  ein  wenig  Regen. 

Gegen  Mittag  langt  ein  Parlamentair  des  Herzogs  an  Rapp 
an,  der  einen  Brief,  begleitet  von.  einem  Kasten  gehackten 
Bleies,  überbringt.  Das  Blei  ist  von  den  Aerzten  aus  den 
Wunden  der  von  der  Freikompagnic  blessirten  Leute  gezogen 


»)  AperQu  366. 
*)  Campredon  221. 


')  Ebenda.  Nach  d^Artois  413  wurden  jedoch  10  kleine  Mörser  im  ge- 
deckten Wege  aufgestellt.  Nach  Campredon,  der  sie  erst  am  Morgen  erwähnt, 
hatten  sie  6  Vi  Zoll  Kaliber.  Campredon  erwähnt  auch  noch  2  —  6Pfünder 
aus  dem  Blockhanse  zur  linken. 

*)  Eine  ehrenvolle  Leistung,  da  die  Beschiessnng  dnrch  sämmtliche 
Batterien  des  Belagerers  fortdauerte.  Sie  kommt  nur  nocb  einmal^  am  1.  No- 
vember, vor, 


456 

worden.  Der  Herzog  erklärt  in  dem  Schreiben,  dass  er  den  November. 
Hauptmann  Chambure,  wenn  er  seiner  habhaft  würde,  im  An- 
gesicht der  Stadt  aufhängen  lassen  würde.  Dasselbe  Schicksal 
würden  auch  die  Soldaten  haben,  bei  welchen  gehacktes  Blei 
gefunden  würde.  Eapp  antwortete  mit  einem  nichtssagenden 
Schreiben,  worin  er  für  die  Ehrenhaftigkeit  des  Hauptmann 
Chambure  eintrat,  der  ein  ganz  verrückter  Mensch  war  und 
später  zu  den  Russen  desertirt  ist.  Er  übersendete  abgeplattete 
Bleikugeln,  die  von  den  Aerzten  namentlich  in  der  Kopfwunde 
des  Generals  Breissan  gefunden  worden  waren,  woi'über  er 
längst  Mittheilung  hätte  machen  wollen.  Dergleichen  Ab- 
plattungen waren  beim  Anschlagen  afi  den  harten  Schädel  jedoch 
nichts  auifälliges  ^), 

Am  23.  In  der  Nacht  zum  23.  erschienen  einige  armirte 
Fahrzeuge  auf  der  Mottlau  und  beschossen  die  russischen  Ar- 
beiter, konnten  aber  den  Bau  der  Batterien  i  und  k  nicht 
hindern,  der  noch  in  der  Nacht  beendet  wurde.  Russische 
Fahrzeuge  zwangen  die  französischen  zum  Rückzüge^).  Die 
Beschiessung  aus  sämmtlichen  Batterien  des  Belagerers  wurde 
fortgesetzt,  namentlich  wurden  die  Lünetten  Kirgener  und 
Istrien  heftig  beschossen^).  Das  Feuer  des  Bischofsberges 
wurde  schwächer*).  Die  Aussenposten  der  Besatzung,  welche 
bisher  noch  den  Raum  zwischen  der  Lünette  Cafarelli  und  dem 
Retranchement  Zigankenberg  besetzt  hielten,  werden  zurück- 
gezogen ^). 

Nach  der  Räumung  der  Werke  der  Jesuiterhöhe  wurde 
die  Sicherung  der  Verbindung  der  Lünette  Lasalle  und  der 
avancee  Legethor  mit  dem  Platz  erforderlich.    Der  Belagerte 


»)  AperQu  348. 

')  Ebenda  366.  Die  französischen  Berichte  (Campredon  223,  d^Artois 
416)  erwähnen  bei  dieser  Gelegenheit  dreier  Batterien,  welche  die  Bussen  zar 
Bekämpfung  jener  Fahrzeuge  seit  einigen  Tagen  errichtet  hätten,  die  eine 
auf  dem  Ohraer  Niederfeld,  eine  zweite  auf  dem  Radaune-,  eine  dritte  auf 
dem  Mottlaudamm.  Die  Batterien  sind  schon  altem  Ursprungs.  L^aper^u 
erwähnt  nur  die  eine  bei  h". 

«)  Campredon  223. 

*)  Apergu  366. 

^)  Ebenda  367.  Nach  d'Artois  422  blieben  einige  Häuser  im  abge- 
brannten Tbeil  vom  Dorfe  Stolzenberg  bis  zum  24.  besetzt. 


456^ 

November,  führte  daher  vom  Ravelin  vor  dem  Legethor  einen  Laufgraben, 
dessen  Erde  nach  den  Höhen  hin  geworfen  wurde,  nach  der 
avanc6e  und  setzte  ihn  von  hier  aus  durch  einen  Zickzack  zur 
rechten  bis  in  die  Nähe  von  Lasalle,  an  dem  Punkte,  wo  die 
Einschiffung  erfolgte,  fort*). 

Der  Herzog  von  Wfirtemberg  sendete  durch  einen  Parla- 
mentair einen  Brief  an  den  General  Rapp,  worin  er  die  Ueber- 
gabe  von  Modlin  mittheilt  und  ihn  ersucht,  einen  General  mit 
Vollmacht  zum  unterhandeln  nach  Langfuhr  zu  senden*). 

Das  Wetter  ist  milde,  es  regnet  ein  wenig. 

Am  24.  In  der  Nacht  zum  24.  werden  die  Batterien  o  gegen 
Bastion  Maidloch  und  p  gegen  Bastion  Salvator  und  Gertrud  be- 
gonnen. Erstere  soll  4--24Pfünder  und  4  Mörser,  letztere  4 
Haubitzen  erhalten.  Die  Batterie  o  liegt  hart  an  der  Krete  des 
Berges  zwischen  den  Batterien  und  der  avancee  Pi-ioul  und  ist 
mit  letzterer  durch  einen  Laufgraben  verbunden,  der  längs  der 
Krete  des  Berges  hinläuft  ^),  Eine  andere  gedeckte  Verbindung 
zu  ihr  war  von  der  Jesuiterkirche  her,  von  der  ein  gedeckter 
Gang  zu  den  Batterien  Frioul  führte*).  Die  Batterie  p  liegt 
in  der  Nähe  der  Radaune. 

Das  Feuer  des  Belagerers  ist  sehr  lebhaft.  Die  Lünetten 
Kirgener  und  Istrien  werden  hart  mitgenommen  und  müssen 
fortwährend  ausbessern,  die  Lünette  Leclerc  ist  ganz  zum 
Schweigen  gebracht.  Das  Bastion  Salvator  feuert  nur  noch 
sehr  schwach.  Die  zahlreichen  Bomben,  welche  geworfen 
werden,  thun  auf  dem  Bischofsberge  im  allgemeinen  wenig 
Schaden,  dagegen  werden  die  Blendungen  des  gedeckten  Weges 
stark  beschädigt*). 

Der  General  Rapp  benachrichtigt  den  Herzog,  dass  der 
General  Heudelet  und  der  Oberst  Richemont  sich  den  folgen- 
den Tag  nach  Langfuhr  begeben  werden.  Um  3  Uhr  nach- 
mittags trifft  ein  neues  Schreiben  des  Herzogs  ein,  welches  die 


»)  Campredau  223. 
•)  Campredon  224. 
«)  Apergu  368. 
*)  Campredon  224. 
*)  Ebenda.    Apercu. 


457 

Uebergabe  von  Erfurt  und   den  Sieg  des  Fürsten  Wrede  bei    November. 
Hanau  über  Napoleon  anzeigt^). 

Das  Wetter  wie  den  Tag  zuvor. 

In  diese  Zeit  fällt  die  Bitte  der  fremdherrlichen  Offiziere, 
nicht  mehr  ausserhalb  der  Festung  verwendet  zu  werden^). 
Selbst  die  polnischen  Offiziere  schliessen  sich  dem  an^).  Die 
wenigen  Truppen,  die  noch  disponibel  blieben,  Franzosen  und 
Neapolitaner,  mussten  bald  den  Beschwerden  des  Dienstes  unter- 
liegen. Alle  Mittel  des  Widerstandes  waren  erschöpft.  Lebens- 
mittel waren  nur  noch  für  den  December  vorhanden.  Diese 
Verhaltnisse,  und  nicht  die  Fortschritte  des  Belagerers,  der 
noch  600  Meter  von  den  Werken  entfernt  war,  drängten  zur 
Entscheidung*).  Merkwürdigerweise  suchte  der  Herzog  diese 
nicht  im  Vorpussiren  der  Sappen^),  sondern  durch  Anhäufung 
von  Batterien  und  durch  Anknüpfung  von  Unterhandlungen 
herbeizuführen,  was  sehr  unzuverlässig  war. 

Das  Wetter  wie  die  Tage  zuvor. 

Am  25.  Das  Feuer  wird  fortgesetzt.  Es  sind  auf  seiten 
des  Belagerers  150  Geschütze  in  Thätigkeit.  die  von  Langfuhr 
nicht  inbegriffen  ^).    Nach  dem  Apercu  370  sind  alle  Geschütze 


»)  Campredon  224. 

«)  Plümicke  198.  d'Artois  424.  Nach  d'Artois  412  hat  der  Kommau- 
dear  des  bairischen  Regiments  schon  am  11.  November  dämm  gebeten.  Aber 
erst  die  Nachricht  von  der  Schlacht  von  Hanau  scheint  den  Ausschlag  ge- 
geben zu  haben. 

»)  d'Artois  412,  413. 

*)  Campredon  225. 

^)  Plotho  behauptet  2,  537,  538  mit  Unrecht,  dass  die  Beiagerungs- 
arbeiten  soweit  vorgerückt  waren,  dass  bald  zum  Sturm  geschritten  werden 
konnte. 

®)  d'Artois  417.  L'apercju  370  Note.  Ueber  den  Zustand,  in  welchem  sich 
der  Bischofsberg  befand,  drücken  sich  mehrere  Augenzeugen  aus.  v.  Düring 
sagt  S.  136 :  (Der  Bischofsberg)  „ward  auch  nachher  so  äusserst  mitgenommen 
befanden,  dass  sich  darin  alles  drunter  und  drüber  befand.  Haubitzen  lagen 
umgekehrt  in  die  Scharten  geworfen  durch  Bomben,  welche,  indem  sie  ihre 
Bettnngen  durchschlagen  hatten,  unter  ihnen  krepirt  waren.  Sogar  hatten 
die  feindlichen  ArtUieristen ,  wie  man  gehört,  nicht  mehr  dahin  gebracht 
werden  können,  die  Geschütze  zu  bedienen.  Die  holländischen  sollen  noch 
am  längsten  ausgehalten  haben.  Nachdem  aber  endlich  auch  diese  sich  nicht 
mehr  zum  Dienste  auf  dem  Bisobofsberge  hergaben  wollen,  so  ist  derselbe  nach 


458 

November,  des  Biscliofsberges  zum  Schweigen  gebracht.  Diejenigen  von 
den  Bastionen  Gertinid  und  Maidloch  erwidern,  von  den  Batte- 
rien 0  und  p  beschossen,  nur  noch  schwach.  Nach  Campredon 
S.  229  feuert  der  Belagerte  nur  noch  des  Nachts.  Von  der 
Inundation  und  den  LUnetten  Kirgener  und  Istrien  wird  der 
Belagerer  jedoch  nocli  mit  Erfolg  bekämpft  0- 

An  diesem  Tage  schlug  der  Belagerte  eine  Brücke  über 
den  Stadtgraben  am  Fuss  der  verdeckten  Kommunikation  nach 
dem  Bischofsberge*). 

Der  Posten  von  Brösen  bemächtigte  sich  eines  Blockhauses 
vor  dem  Rotranchement  Neufahrwasser. 

Am  26.  Das  Feuer  des  Belagerers  ist  so  heftig,  dass  die 
Arbeiten  in  der  Festung  eingestellt  werden  müssen.  Die  In- 
genieuroffiziere waren  selbst  verhindert,  nach  den  Werken  zu 
gelangen,  um  die  Arbeiter  mit  Anweisungen  zu  versehen*). 
Viele  Palisaden  waren  zerschossen,  konnten  jedoch  in  der  Nacht 
noch  ersetzt  werden,  auch  wurde  das  Feuer  des  Platzes  in  der 
Nacht  noch  lebhaft  unterhalten.  Neue  Werke  wurden  von  der 
Festung  aus  nicht  bemerkt*),  jedoch  täuschte  man  sich  darin 
insofern,  als  der  Belagerte  den  Bau  der  Batterien  t  und  a 
begann,  die  jede  für  4  —  24Pfünder  bestimmt  waren  und  das 
Petershagener  Thor,  sowie  die  Redute  Lasalle  beschiessen 
sollten  *). 

Das  Wetter  war  sehr  nebelig. 

Der  Herzog  antwortete  auf  das  Schreiben  Rapp's,  dass  er 
die  Herren  um  11  Uhr  in  Langfuhr  erwarten  werde. 

Die  Instruktionen,   welche  der  General  Heudelet  und   der 


26  Tagen  o£fener  Trancbee  einem  Batteriefeuer  ans  131  Geschützen,  nnd 
schliesslich  einem  Batteriefener  von  7  Tagen  ans  150  Geschützen,  die  Ant- 
wort schuldig  geblieben.''  Aebnlich  drückt  sich  Blech  nnd  M***^  aus,  ebenso 
d'Artois  417. 

»)  Campredon  229. 

«)  Ebenda. 

»)  d'Artois  418. 

*)  Campredon  229. 

^)  Apercu  376.  Auch  ein  Laufgraben  zur  Verbindung  dieser  Batterien 
wurde  hergestellt,  lieber  die  Bewaffnung  dieser  Batterien  gehen  die  Nach- 
richten sehr  auseinander,  und  es  ist  überhaupt  fraglich,  ob  sie  noch  zustande 
gekommen  sind,    Campredon  (S.  229)  weiss  nichts  davon.    V^l.  Anhang;  lY. 


459 

Oberst  Richemont  erhielten,  waren  am  23.  durch  den  Kriegs-   November, 
rath,   den  Rapp   nach   dem  Reglement   um   sich  versammelte, 
festgestellt  worden. 

Der  General  Rapp  hatte  darin  den  Zustand  der  Besatzung 
dargelegt  und  die  Vorschläge  des  Herzogs  von  Würtemberg,  in 
Unterhandlungen  zu  treten,  sowie  die  Aussichten,  die  sich  nach 
den  bisherigen  Konferenzen  für  ein  Uebereinkommen  entnehmen 
liessen,  mitgetheilt.  Er  glaubte  als  Resultat  auf  einen  Vertrag 
rechnen  zu  dürfen,  welcher  der  Besatzung  den  Platz  so  lange 
sicherte,  als  die  noch  vorhandenen  Lebensmittel  ausreichten. 
Der  Kriegsrath  hatte  nach  eingehender  Prüfung  einstimmig 
sein  Einvernehmen  erklärt,  dass  auf  dieser  Grundlage  unter- 
handelt würde,  vorausgesetzt,  dass  der  Platz  innerhalb  dieser 
Zeit  nicht  entsetzt  oder  mit  Lebensmitteln  versehen  werden, 
oder  dass  der  Kaiser  Napoleon  darüber  nicht  in  andrer  Weise 
verfügen  würde*). 

Am  27.  Die  begonnenen  Arbeiten  des  Belagerers  wurden 
noch  in  der  Nacht  zum  27.  fertiggestellt,  so  dass  die  Batterien 
t  und  u  am  27.  noch  feuern  konnten  (?)  ^).  Das  Feuer  sämmtlicher 
Batterien  war  an  diesem  Tage  so  lebhaft  wie  je  ^).  Auf  Seiten 
des  Belagerten  notirt  der  General  Campredon  in  seinem  Tage- 
buch dieselben  Arbeiten  und  dasselbe  Feuer,  wie  den  Tag 
zuvor  *). 

Der  General  Heudelet  und  der  Oberst  Richemont  unter- 
handelten mit  dem  Herzog  von  Würtemberg  bis  zur  Dunkelheit 
und  kamen  fast  über  alle  Punkte  des  bedingungsweisen  Ver- 
trages der  üebergabe  des  Platzes  überein. 

Das  Feuer  wurde  abends  auf  beiden  Seiten   eingestellt*). 

Am  Abend  schneit  es. 

Am  28.  um  1  ühr  nachmittags  fanden  sich  die  Generäle 


^)  Campredon  229. 

*)  Wird  andrerseits  nicht  bestätigt.  Dagegen  wird  in  der  Nacht  zum 
27.  noch  eine  Batterie  von  Haubitzen  und  Mörsern  auf  dem  änssersten  rechten 
Flügel  erbaut  (Liebe.  Kr.-Arch.). 

«)  L'aperQU  376. 

*)  Campredon  237. 

^)  Ebenda  S38,  Danach  fand  es  um  8  Uhr,  nach  dem  Apercu  376  um 
9  Uhr  statt. 


460 


Borosdyn  und  Wilyaminow,  die  Obersten  von  Pullet  und  Man- 
fredi  in  Danzig  ein,  um  die  Redaction  des  Vertrages  mit  dem 
General  Heudelet  und  dem  Obersten  Richemont  endgültig  fest- 
zustellen. Die  Verhandlungen  dauerten  bis  10  Uhr  abends, 
gelangten  aber,  die  Einwilligung  des  Herzogs  vorbehaltend, 
zum  Abschluss. 

Am  29.  erfolgte  die  Fortsetzung  der  Verhandlungen  beim 
General  Rapp  und  endigte  mit  der  Unterzeichnung  der  Bevoll- 
mächtigten. Die  Auswechselung  der  beiderseitigen  Ratifikationen 
geschah  am  30.  Unmittelbar  darauf  wurde  den  Russen  das 
Retranchement  Zigankenberg,  das  Retranchement  Neufahrwasser, 
die  Westerplatte,  die  Möweuschanze  und  das  Fort  Montebello 
(Westschanze)  übergeben  *). 

d.    Die  Kapitulation^). 

Artikel  I. 
Die  Truppen,  welche  die  Besatzung  von  Danzig,  den  Forts 
und  zugehörigen  Werken  bilden,  werden  den  1.  Januar  1814 
(20.  Dec.  1813  a.  St.)  morgens  10  Uhr  mit  Waffen  und  Bagage 
durch  das  Olivaer  Thor  aus  der  Stadt  ziehen  und  werden  die 
Waffen  an  der  Batterie  Aller  Gottes  Engeln  niederlegen,  wenn 
die  Besatzung  nicht  bis  zu  jener  Zeit  durch  ein  dem  Belage- 
rungskorps an  Stärke  gleichkommendes  Korps  entsetzt  wird, 
oder  wenn  nicht  ein  durch  die  kriegführenden  Mächte  abge- 
schlossener Vertrag  bis  zu  jener  Zeit  über  das  Loos  der  Stadt 
Danzig  entscheiden  sollte.  Die  Herren  Offiziere  behalten  ihre 
Degen.  Aus  besonderer  Achtung  für  die  tapfere  Vertheidigung 
und  das  ausgezeichnete  Benehmen  der  Besatzung  werden  das 
Peloton  der  Kaisergarde  und  ein  Bataillon  von  600  Manu  ihre 
Waffen  behalten;  sie  werden  zwei  6 pfundige  Kanonen  nebst 
den  zugehörigen  Munitionswagen  mit  sich  führen.  25  Reiter 
werden  ebenfalls  ihre  Pferde  und  Waffen  behalten. 


*)  Campredon  239.  Dazu  das  Fort  Lacoste,  welches  jedoch  erst  am  1.  De- 
ceraber  übergeben  wurde. 

*)  Der  französische  Text  nach  dem  Original  befindet  sich  bei  d'Artois 
436—443,  Campredon  (Auriol)  239-247,  im  aper^u  877—382;  deutsch  bei 
Blech  und  Friccius  301  ff. 


461 


Artikel  II. 
Die  Forts  von  Weichselmünde,  der  Holm  und  die  zwischen 
ihnen    liegenden  WKJi:e ,    sowie    die  Schlüssel   des    äussersten 
Olivaer  Thors  werden  der  alliirten  Armee  den  24.  (12.)  December 
in  der  Frühe  übergeben  werden. 

Artikel  III. 
Sogleich  nach  Unterzeichnung  der  gegenwärtigen  Kapitu- 
lation wird  das  Fort  Lacoste,  das  Fort  von  Neufahrwasser  mit 
seinen  Nebenwerken  und  das  linke  Ufer  der  Weichsel  bis  zur 
Höhe  der  Redute  Gudin  und  von  diesem  letzteren  Werke  an 
die  ganze  Linie  der  Schanzen,  die  sich  auf  dem  Zigankenberge 
finden,  sowie  auch  die  Mövenschanze  in  ihrem  gegenwärtigen 
Zustande  ohne  irgend  eine  Beschädigung  dem  Belagerungskorps 
übergeben  werden,  die  Brücke,  welche  gegenwärtig  den 
Brückenkopf  von  Fahrwasser  mit  dem  Fort  Weichselmünde 
verbindet,  soll  weiter  abwärts  an  der  Mündung  der  Weichsel 
zwischen  Fahrwasser  und  der  Möwenschanze  geschlagen  werden. 

Artikel  IV. 
Die  Besatzung  von  Danzig  ist  kriegsgefangen  und  wird 
nach  Frankreich  abgeführt  werden.  Der  Herr  Guverneur, 
Graf  Kapp,  macht  sich  in  aller  Form  verbindlich,  dass  weder 
die  Offiziere  noch  die  Soldaten  gegen  irgend  eine  gegen  Frank- 
reich kriegführende  Macht  bis  zu  ihrer  völligen  Auswechselung 
Dienst  thun  sollen.  Es  wird  ein  genaues,  namentliches  Ver- 
zeichniss  der  sämmtlichen  Herren  Generäle,  Offiziere,  sowie  von 
allen  Unteroffizieren  und  Soldaten  ohne  irgend  eine  Ausnahme, 
welche  die  Besatzung  von  Danzig  bilden,  doppelt  ausgefertigt 
werden.  Jeder  der  Herren  Generäle  und  Offiziere  wird  das 
Versprechen  abgeben  und  schriftlich  ausstellen,  sowie  sein 
Ehrenwort  geben,  weder  gegen  Russland  noch  dessen  Verbündete 
bis  zur  völligen  Auswechselung  zu  dienen.  Es  wird  ebenfalls 
ein  genaues  Verzeichniss  der  dienstthuenden  Mannschaft,  sowie 
der  Kranken  und  Verwundeten  angefertigt. 

Artikel  V. 
Der  Herr  Guverneur,  Graf  Rapp,  macht  sich  verbindlich, 
die  Auswechselung  der  Individuen,  welche  die  Besatzung  von 
Danzig  bilden,  Grad  für  Grad,  gegen  eine  gleiche  Anzahl  der 


462 

den  verbfindeten  Mächten  gehörigen  Kriegsgefangenen  soviel 
als  möglich  zu  beschleunigen.  Wenn  aber  gegen  alle  Er- 
wartung diese  Auswechsehing  aus  Mangel /^n  russischen,  öster- 
reichischen, preussischen  oder  anderen  gegen  Frankreich  ver- 
bfindeten Höfen  angehörigen  Kriegsgefangenen  nicht  statthaben 
könnte,  oder  wenn  jene  Höfe  ein  Hinderniss  machten,  so  wären 
alsdann  nach  Verlauf  eines  Jahres  und  eines  Tages  vom  1.  Ja- 
nuar (n.  St.)  1814  die  Individuen,  welche  die  Besatzung  von 
Danzig  ausmachen,  der  förmlichen,  im  4.  Artikel  der  gegen- 
wärtigen Kapitulation  eingegangenen  Verbindlichkeit  entledigt 
und  können  von  neuem  durch  ihre  Regierung  zum  Dienste  ver- 
wendet werden. 

Artikel  VI. 

Es  soll  den  polnischen  und  andern  Truppen,  welche  zur 
Besatzung  von  Danzig  gehören,  völlig  freistehen,  der  französi- 
schen Armee  zu  folgen  und  sie  sollen  in  diesem  Fall  ebenso 
behandelt  werden,  ausgenommen  jene,  deren  Fürsten  mit  den 
gegen  Seine  Majestät  den  Kaiser  Napoleon  verbfindeten  Mächten 
sich  vereinigt  hätten,  welche  alsdann  den  Weg  nach  ihren 
Staaten  oder  den  Armeen  ihrer  Ffirsten  einschlagen  werden, 
und  welche  sie  gleich  nach  Unterzeichnung  der  gegenwärtigen 
Kapitulation  durch  abzuschickende  Offiziere  oder  Kuriere 
einzuholen  haben.  Die  polnischen  Herren  Offiziere  und  andere 
werden  jeder  schriftlich  ihr  Ehrenwort  geben,  nicht  eher  gegen 
die  verbfindeten  Mächte,  als  bis  zu  ihrer  vollständigen  Aus- 
wechselung Dienste  zu  thun,  gemäss  der  im  5.  Artikel  gegebenen 
Erläuterung. 

Artikel  VII. 

Alle  Kriegsgefangenen,  welcher  Nation  sie  auch  angehören 
mögen,  der  gegen  Frankreich  Krieg  ffihrenden  Mächte,  welche 
sich  gegenwärtig  in  Danzig  befinden,  werden  ohne  Auswechselung 
in  Freiheit  gesetzt  und  den  24.  December  (a.  St.)  morgens  durch 
das  Petershagener  Thor  zu  den  russischen  Vorposten  gesendet 
werden. 

Artikel  VIII. 

Die  Kranken  und  Verwundeten  der  Besatzung  werden  auf 
dieselbe  Weise  und  mit  der  nämlichen  Pflege  behandelt  werden, 
wie  jene  der  verbfindeten  Mächte,  sie  werden  nach  ihrer  völligen 


463 


Wiederherstellung  unter  den  nämlichen  Bedingungen,  wie  die 
übrige  Besatzung  nach  Frankreich  geschickt  werden;  ein 
Kriegskommissair  und  Aerzte  werden  zurückbleiben,  um  diese 
Kranken  zu  pflegen  und  ihren  Transport  nachzusuchen. 

Artikel  IX. 

Sobald  eine  gewisse  Anzahl  Individuen,  welche  den  ver- 
bündeten Mächten  angehören,  gegen  eine  gleiche  Anzahl  der 
Danziger  Besatzung  ausgewechselt  sein  wird,  so  können  sich 
diese  letzteren  als  ganz  frei  von  der  im  4.  Artikel  der  gegen- 
wärtigen Kapitulation  förmlich  eingegangenen  Verbindlichkeit 
ansehen. 

Artikel  X. 

Die  Truppen  der  Besatzung  von  Danzig  (ausgenommen 
jene,  welche  durch  Artikel  6  Befehle  von  ihren  Fürsten  erhalten 
werden)  werden  etappenweise  in  4  Kolonnen  in  Zwischenräumen 
von  zwei  Tagen  eine  von  der  andern  nach  beiliegender  Marsch- 
rute bis  an  die  französischen  Vorposten  geleitet  werden.  Die 
Lieferungen  für  die  Besatzung  von  Danzig  werden  während 
des  Marsches  nach  beiliegendem  Verzeichniss  gemacht  werden. 
Die  erste  Kolonne  wird  sich  am  2.  Januar  1814  (n.  St.)  in 
Marsch  setzen,  die  zweite  am  4.  u.  s.  f. 

Artikel  XI. 
Allen  nicht  Waffen  führenden  Franzosen,  die  nicht  im 
Militairdienst  sind,  steht  es  frei,  den  Truppen  zu  folgen,  sie 
können  aber  nicht  auf  die  für  die  Soldaten  bestimmten  Stationen 
Anspruch  machen,  im  übrigen  können  sie  über  das  Eigenthum 
verfügen,  welches  als  ihnen  angehörig  anerkannt  ist. 

Artikel  XII. 
Den  24.  December  (n.  St.)  werden  dem  durch  das  Belage- 
rungskorps ernannten  Kommissar  alle  Kanonen,  Mörser  etc., 
Waffen,  Munition,  Pläne,  Zeichnungen,  Bauanschläge,  die 
Militairkassen,  alle  Magazine,  von  welcher  Art  sie  sein  mögen, 
die  Pontons,  alle  Gegenstände,  welche  der  Fortiflkation,  der 
Marine,  zur  Artillerie  und  zum  Fuhrwesen  gehören,  ohne  irgend 
eine  Ausnahme  übergeben  werden,  es  wird  ein  doppeltes  Ver- 
zeichniss angefertigt,  welches  dem  Chef  des  Generalstabes  der 
verbündeten  Armee  zugestellt  werden  wird. 


464 


Artikel  XIH. 
Die    Herren    Generäle,    Offiziere    vom  Generalstabe    und 
andere,  werden  ihre  Pferde,  welche  ihnen  durch  das  franzosische 
Reglement    bestimmt    sind,    beibehalten    und    werden    danach 
während  des  Marsches  ihre  Furage  erhalten. 

Artikel  XIV. 

Alle   auf  den  Vorspaim   bezüglichen  Details,    es   sei  für 

Kranke  oder  Verwundete,  für  die  Korps  und  Offiziere,  werden 

durch     die    resp.    beiden    Chefs    des    Generalstabes    geordnet 

werden. 

Artikel  XV. 

Es  bleibt  dem  Senat  von  Danzig  vorbehalten,  bei  Seiner 
Majestät  dem  Kaiser  Napoleon  alle  seine  Rechte  auf  Zurfick- 
erstattung  der  Schulden,  die  zwischen  beiden  Theilen  etwa  vor- 
handen sein  sollten,  geltend  zu  machen  und  Seine  Excellenz 
der  Herr  General-Guverneur  verpflichtet  sich,  allen  denjenigen, 
welche  derartige  Schuldforderungen  haben,  Scheine  ausstellen 
zu  lassen,  welche  die  Gültigkeit  ihrer  Forderungen  anerkennen, 
unter  keinem  Vorwande  aber  dürfen  Geiseln  für  diese  Schuld- 
forderungen  zurückbehalten  werden. 

Artikel  XVI. 
Alle  Feindseligkeiten,   von   welcher  Art   sie   sein   mögen, 
hören  vom  Tage  der  Unterzeichnung  des  gegenwärtigen  Ver- 
trages von  beiden  Seiten  auf. 

Artikel  XVH. 
Ein  jeder  Artikel,   welcher    einigen  Zweifel   hinterlassen 
könnte,  soll  stets  zugunsten  der  Besatzung  ausgelegt  werden. 

Artikel  XVIII. 
Es  sollen   vier  genaue  Abschriften  dieser  gegenwärtigen 
Kapitulation   gemacht  werden,    wovon  zwei  in  russischer  und 
zwei  in  französischer  Sprache,  die  in  doppelter  Ausfertigung 
den  beiden  Generalen  en  chef  übergeben  werden. 

Artikel  XIX. 
Nach  Unterzeichnung  dieser  offiziellen  Akte  steht  es  dem 
General- Guvenieur,  Grafen  Rapp,  frei,  einen  Kurier  an  seine 


465 

Begierung  abznscbicken.     Er  wird  bis  za  den   französischen 
Vorposten  durch  einen  rassischen  Offizier  begleitet  werden." 
(geschehen  und  abgeschlossen  zu  Langfuhr 
den  29.  (17.  a.  St.)  November  1813. 
Unterzeichnet:    Der  Divisionsgeneral  Graf  Heudelet. 

Der  General  von  H6ricourt. 
Der  Oberst  Richemont. 
Der  Generallieutenant,  Ritter  Borozdyn. 
Der  Generalmajor  Welyamminow,  als  Chef  des 

Generalstabes. 
Der  Oberst  vom  Ingenieurkorps,  Manfredi. 
Der  Oberst  vom  Ingenieurkorps,  Pullet. 
Gesehen  und  bewilligt:    Der  Graf  Rapp. 

Der  General  der  Kavallerie  Alexander 
von  Würtemberg,  General  en  chef 
der  alliirten  Truppen  vor  Danzig. 

Als  der  Hauptdepotplatz  während  des  grossen  Krieges  von 
1812  barg  Danzig  unermessliche  Vorräthe  an  Waffen  und  Beklei- 
dungsgegenständen aller  Art.  Da  die  Kapitulation  die  Möglichkeit 
eines  Friedensschlusses  oder  einer  Versorgung  des  Platzes  mit  Le- 
bensmitteln in  Betracht  gezogen  hatte,  konnte  die  Uebernahrae  der 
Bestände  erst  nach  dem  Ausrücken  der  Besatzung  stattfinden,  aber 
es  ist  selbstverständlich,  dass  die  Bestände  zur  Festung  gehörten 
und  mit  ihr  in  die  Hände  des  Siegers  fielen,  wie  es  Artikel  XII 
der  Kapitulation  ausdrücklich  aussprach.  Wie  es  auch  bei 
Dresden  der  Fall  gewesen  war,  kehrten  sich  die  Franzosen 
jedoch  nicht  daran  und  zerstörten  den  grössten  Theil  der  Be- 
stände nicht  bloss  an  Waffen,  sondern  auch  an  Bekleidungs- 
gegenständen und  andern  Vorräthen,  die  zum  Theil  verkauft 
wurden.  Dieser  Bruch  der  Kapitulation  blieb  dem  Herzoge  von 
Würtemberg  bei  seinen  Verbindungen  in  der  Stadt  nicht  ver- 
borgen, er  wurde  am  1 3.  December  selbst  vom  russischen  Konsul 
in  Elbing  davon  benachrichtigt  ^),  aber  er  konnte  nichts  dagegen 
thun,  ohne  seine  Agenten  in  der  Stadt  oder  angesehene  Bürger 
blosszustellen,  auch  war  zu  befürchten,  dass  die  Franzosen  in 


^)  Apercu  429. 
Köhler,  Oeschichte  der  Festungon  Danzig  und  Weichselmilude.    ll.  80 


466 

diesem  Fall  die  Vernichtung  auf  sämmtlicbe  Vorräthe  aus- 
dehnen würden^).  Aber  er  hat  nach  üebergabe  des  Platzes 
durch  zahlreiche  Zeugen,  namentlich  durch  die  Handwerker, 
welche  bei  dem  Geschäft  der  Zerstörung  thätig  gewesen  sind, 
die  Thatsachen  feststellen  lassen.  Danach  sind  mehr  als 
120000  Gewehre,  40000  Bajonette,  8000  Säbel  etc.  zerbrochen 
worden.  Kanonen  und  Munition  wurden  in  die  Weichsel  ge- 
worfen*). Dass  die  Franzosen  ihr  Unrecht  einsahen,  geht 
daraus  hervor,  dass  die  Vernichtung  der  Gegenstände  in  der 
Nacht  ausgeführt  wurde.  Auch  ist  es  eine  Unwahrheit,  wenn 
d'Artois  S.  602  behauptet,  sie  sei  noch  vor  Abschluss  der 
Kapitulation  in  der  Zeit  der  Unterhandlungen  erfolgt^). 

Nach  dem  Zeugenverhör  ist  bis  gegen  Ende  des  December 
damit  fortgefahren  worden*). 

Der  Stadt  widerfuhr  die  Freude,  dass  auf  Antrag  Rapp's, 
der  jedoch  dabei  nur  sich  im  Auge  hatte,  das  Wasser  der 
Radaune  wieder  in  den  Platz  geleitet  wurde  ^).  Auch  bewilligte 
der  Herzog  auf  Antrag  des  Senats  einen  Markt  vor  dem  Olivaer 
Thor«). 

Am  12.  rückten  die  Baiern,  am  13.  die  Truppen  des 
Rheinbundes  in  ihre  Heimath  ab.  Die  Westfalen  und  Polen 
mussten  noch  bleiben.  Die  Krüppel  und  Verstümmelten  wurdeu 
am  23.  und  an  den  folgenden  Tagen  auf  Wagen,  welche  der 
Herzog  stellte,  abgeschickt.  Wegen  Mangel  an  Fahrzeugen 
mussten  5  Transporte  gebildet  werden.  Die  gefangenen  Russen, 
800  bis  900  Mann,  wurden  am  18.  ausgeliefert.  So  standen 
die  Sachen,  als  am  24.  ein  Schreiben  des  Herzogs,  datirt  vom 


>)  Ebenda  431. 

*)  Ebenda  434.    Der  Verfasser  führt  die  wichtigsten  Zeugen  an. 

")  Die  Berufung  auf  das  Zeugniss  von  Düring  mindert  das  noch  keines- 
wegs, da  er  besser  unterrichtet  sein  musste.  üeberhaupt  entwickelt  d  'Artois 
bei  dieser  Gelegenheit  ganz  eigenthümliclie  Ansichten.  Er  sagt  S.  504 :  ^quel 
droit  avaient  donc  les  Russes  sur  les  magasins  avant  qu'ils  en  fussent  les 
maitres?  aucun",  und  ebenda:  „Je  chercbe  envin  un  article  qui  empfiche  les 
assi6g6s  de  toucher  k  leurs  magasins  d^aucune  espöce  apr^s  la  signature  du 
traitfe". 

*)  Aperfju  439. 

*)  Campredon  248.    Der  Antrag  ist  vom  7.  December. 

*)  Aper<ju  446. 


46? 

23.  11  Uhr  abends,  einging,  wonach  die  verbündeten  Suveraine 
die  Kapitulation  bis  auf  den  Punkt,  welcher  die  Rückkehr  der 
Besatzung  nach  Frankreich  aussprach,  genehmigt  haben.  Die 
Besatzung  sollte  statt  dessen  nach  Russland  abgeführt  werden, 
auch  sollte  den  Polen  nicht  freigestellt  werden,  nach  Frankreich 
zu  gehen,  sie  sollten  in  ihre  Heimath  geschickt  werden.  In 
demselben  Schreiben  fügte  der  Herzog  hinzu,  dass  er  die  ein- 
geräumten Werke  wieder  verlassen  werde  mit  Ausnahme  von 
Neufahrwasser,  das  erst  übergeben  werden  sollte,  wenn  die 
Westfalen  nach  ihrer  Heimath  entlassen  worden  wären  ^). 

Der  General  Rapp  antwortete  noch  an  demselben  Tage:*) 

Monseigneur ! 

Ich  habe  mit  Eurer  Königlichen  Hoheit  eine  Kapitulation 
abgeschlossen.  Am  heutigen  Tage  erhalte  ich  von  Ihnen  die 
Anzeige,  dass  der  Kaiser  Alexander,  ohne  Rücksicht  darauf  zu 
nehmen,  befiehlt,  dass  die  Besatzung  von  Danzig  kriegsgefangen 
nach  Russland  abgeführt  werden  solle,  anstatt  nach  Frankreich. 
Das  10.  Armeekorps  überlässt  es  Europa,  der  Geschichte  und 
der  Nachwelt,  über  einen  so  fremdartigen  Bruch  der  Verträge 
zu  urtheilen,  gegen  welchen  ich  in  aller  Form  protestire  ^). 


^)  Das  Verfahren  hatte  in  der  Kapitulation  von  Dresden  einen  Präcedenz- 
fall,  indem  der  Fürst  Schwarzenberg  die  vom  F.  M.  L.  Weiden  bewilligte 
Bückkehr  der  Besatzung  nach  Frankreich  ebenfalls  nicht  genehmigte,  obgleich 
der  General  Gouvion  St.  Cyr  schon  bis  Altenburg  gekommen  war.  Auch  mit 
der  Garnison  von  Thom  hatte  sich  ähnliches  ereignet. 

*)  Campredon  252  ff. 

^)  In  ähnlichen  Tiraden  ergeht  sich  d'Artois  S.  510.  Am  weitesten 
geht  darin  der  Oberst,  spätere  General  Richemont.  Der  General  war  1841, 
als  er  sich  darüber  ausliess  (Himly  S.  28),  offenbar  krank.  Das  Schreiben, 
welches  er  von  Frankfurt  a.  M.  aus  am  16.  December  1813  an  den  Fürsten 
Wolkonski  —  nicht  an  den  Kaiser,  wie  er  sagt  —  sendete  und  das  uns  seit- 
dem durch  Auriol  (S.  252)  bekannt  gemacht  worden  ist,  enthält  nichts  von 
dem,  was  er  1841  behauptet  geschrieben  zu  haben.  Das  Schreiben  des  Herzogs 
von  Würtemberg  an  Bapp  vom  10.  November  (nicht  15,  wie  er  sagt)  —  ist 
von  ihm  ganz  falsch  aufgefasst  worden.  Der  darin  abschriftlich  mitgetheilte 
Erlass  des  Kaisers  i^t  eine  Instruktion  für  den  Herzog,  aber  keine  Vollmacht. 
In  der  alliirten  Armee  wurde  es  als  selbstverständlich  angesehen,  dass  die 
verbündeten  Monarchen  die  Kapitulation  zu  bestätigen  hatten.  Der  Graf 
Dohna  bittet  unter  dem  30.  November  den  General  von  Knesebeck,  die  An- 
nahme der  Kapitulation  bei  den  Monarchen  zu  befürworten.    Fanten. 

80* 


468 

Infolge  dieser  geheiligten  Grundsätze  habe  ich  die  Ehre, 
Eurer  Königlichen  Hoheit  anzuzeigen,  dass  ich  mich  strikte  an 
den  Wortlaut  einer  Kapitulation  halten  werde,  die  ich  nicht 
als  vernichtet  ansehen  kann,  weil  sie  gebrochen  worden  ist, 
dass  ich  sie  vielmehr  pünktlich  ausführen  werde  und  bereit 
bin,  heute  den  Truppen  Eurer  Hoheit  die  Forts  Weichselmünde, 
Napol6on  und  den  Holm  zu  übergeben,  ebenso  alle  Magazine 
und  dass  ich  am  1.  Januar  aus  dem  Platze  abziehen  werde. 

Die  üebermacht  und  der  Missbrauch  der  Gewalt  können 
uns  nach  Russland,  nach  Sibirien  schleppen,  tiberall  hin,  wo 
man  will;  wir  werden  dulden,  selbst  sterben,  wenn  es  noth- 
wendig  ist,  als  Opfer  unseres  Vertrauens  auf  einen  feierlichen 
Vertrag.  Napoleon  und  Frankreich  sind  mächtig  genug,  um 
uns  früher  oder  später  zu  rächen. 

Unter  diesen  Umständen  steht  es  mir  nicht  zu,  mit  Euer 
Königlichen  Hoheit  über  ein  Einvernehmen  zu  unterhandeln, 
sondern  mich  ausschliesslich  an  die  Kapitulation  vom  29.  No- 
vember zu  halten,  die  man,  wie  gesagt,  verletzen,  aber  nicht  ver- 
nichten kann,  gez.:  Graf  Rapp. 

Der  Adjutant  Rapp's,  welcher  diesen  Brief  überbrachte, 
kehrte  um  10  Uhr  abends  mit  einem  Briefe  des  Herzogs  zurück, 
worin  dieser  erklärte,  alle  Verhältnisse  auf  den  Fuss  zurück- 
zuführen, wie  sie  vorher  gewesen  sind.  Die  verbündeten  Truppen 
verliessen  die  besetzten  Werke.  Rapp  antwortete  darauf.  Der 
Herzog  Hess  durch  den  Adjutanten,  welcher  um  5  Uhr  zurück- 
kam, sagen,  er  würde  morgen  antworten.  Wie  der  Adjutant 
mittheilte,  scheine  der  Herzog  geneigt  auf  ein  neues  Ueberein- 
kommen  einzugehen.  Der  Oberst  Manfredi  überbrachte  am 
26.  die  Antwort,  worin  sich  der  Herzog  in  diesem  Sinne  aus- 
sprach und  zu  diesem  Zwecke  ersuchte,  einen  General  zu  ihm 
zu  schicken.  Rapp  ging  darauf  ein  und  schickte  am  27.  die 
Generäle  Campredon  und  Bachelu  zum  Herzog,  die  eine  zwei- 
stündige Konferenz  mit  ihm  hatten.  Um  11  abends  kamen 
die  4  bekannten  Bevollmächtigten  zum  General  Rapp  und 
brachten  das  Ultimatum  des  Herzogs,  wonach  er  die  Feind- 
seligkeiten am  29.  mittags  wieder  eröffnen  werde,  wenn  die 
Kapitulation,  die  er  mitsendete,  bis  dahin  nicht  unterzeichnet 
wäre. 


469 


Der  General  Rapp  versammelte  am  28.  December  den 
Kriegsrath.  Man  einigte  sich  bei  dem  gänzlichen  Mangel  an 
Lebensmitteln  ^)  einstimmig,  das  Ultimatum  des  Herzogs  anzu- 
nehmen. Um  10  Uhr  abends  begaben  sich  die  Generäle  Cam- 
predon  und  Bachelu  nach  Pelonken,  dem  Hauptquartier  des 
Herzogs,  um  noch  einige  Abänderungen  zu  erlangen,  auf  die 
derselbe  auch  einging.  Am  Morgen  des  folgenden  Tages  wurde 
der  Vertrag  unterzeichnet. 

Danach  sollte  die  Besatzung  am  2.  Januar  1814  10  Uhr 
morgens  mit  allen  militairischen  Ehren  aus  dem  Olivaer  Thor 
ausmarschiren  und  die  Waffen  auf  dem  Glacis  strecken.  Die 
Besatzung  bleibt  bis  zu  ihrer  gänzlichen  Auswechselung  kriegs- 
gefangen und  wird  nach  Russland  abgeführt,  jedoch  nicht  in 
entfernte  Gegenden.  Den  Tag  nach  der  Unterzeichnung  der 
Kapitulation  um  11  Uhr  morgens  wurden  Weichselmünde,  der 
Hohn  und  die  Zwischenwerke,  sowie  die  3  Thore,  das  Olivaer, 
Neugartener  und  Petershagener  Thor,  übergeben.  An  dem- 
selben Tage  sollen  die  Deutscheu,  die  sich  noch  in  Danzig  be- 
finden, nach  ihrer  Heimath  abrücken,  am  31.  die  Kriegs- 
gefangenen, darunter  400  Spanier.  Die  Polen  sollen  24  Stunden 
vor  dem  Auszuge  der  Besatzung  durch  das  Petershagener  Thor 
abziehen  und  unter  dem  Versprechen,  nicht  gegen  Russland 
oder  seine  Verbündeten  zu  dienen,  nach  ihrer  Heimath  abgehen. 
Der  Abmarsch  der  Franzosen  und  Neapolitaner,  erstere  noch 
6500,  letztere  1600  Mann  stark,  von  denen  1500  Mann  krank 
in  Danzig  zurückblieben,  sollte  in  4  Kolonnen  in  der  Zeitfolge 
von  je  2  Tagemärschen  von  einander  erfolgen,  die  erste  Kolonne 
am  3.  Januar  abmarschiren.  Die  Nichtkombattanten,  soweit  sie 
dem  Militair  angehören,  bleiben  bei  demselben  und  geniessen  die 
gleichen  Vortheile  wie  dieses.  Denjenigen,  welche  nicht  dem 
Militair  angehören,  ist  freigestellt,  in  Danzig  zu  bleiben.  Wenn 
sie  den  Truppen  folgen,  haben  sie  keinen  Anspruch  auf  die 
Kompetenzen  derselben.  Die  übrigen  Artikel  blieben  in  der 
Fassung  der  1.  Kapitulation^). 


*)  Seit  dem  18.  December  hatte  sogar  die  Liefening  von  Pferdefleisch 
aufgehört,  das  nur  noch  den  Lazarethen  verabreicht  wurde.     Campredon  250. 

*)  Das  Vorstehende  nach  Campredon,  der  auch  den  Worthut  der  2.  Ka- 
pitulation giebt  (S.  265). 


470 

Dem  Wunsche  Rapp's,  nach  Kiew  abgeführt  zu  werden, 
wurde  nachgegeben.  Die  Mannschaft  ist  bald  nach  ihrer  An- 
kunft daselbst  ausgewechselt  worden.  Die  Neai)olitaner  wurden 
schon  von  Thorn  aus  nach  Hause  gesendet. 

Der  Ausmarsch  aus  Danzig  am  2.  Januar  erfolgte  ohne 
alle  Störung.  Der  Herzog  hatte  16000  Mann  des  Belagerungs- 
korps Aufstellung  nehmen  lassen,  worunter  auch  die  ostpreussi- 
sche  Landwehr,  die  jedoch  angeblich  wegen  ihrer  schlichten 
Tracht  ins  2.  Treflen  gestellt  wurde.  Den  vorbeidcfilirendeu 
Truppen,  Rapp  an  der  Spitze,  wurden  die  militairischen  Ehren 
erwiesen  und  nach  Niederlegung  der  Waffen  wurden  sie  in  Kauton- 
nements  verlegt.  An  Ehrenzeichen  wurden  3  Adler  und  5  Fahnen 
tibergeben.  Den  Baiern  waren  ihre  zwei  Fahnen  überlassen 
worden  *). 

Der  Herzog  hielt  darauf  seinen  Einzug  in  Danzig,  wo  er 
freudig  empfangen  wurde.  Die  ostpreussische  Landwehr  war 
dabei  durch  die  beiden  Bataillone  Nr.  9  und  10,  weil  sie  noch 
am  besten  bekleidet  waren,  vertreten*).  Die  Truppen  zogen 
durch  das  Neugartener  Thor  wieder  ab,  um  der  Stadt  die  Zeit 
zu  geben,  die  Ordnung  wieder  herzustellen.  Nur  der  Herzog 
blieb  mit  den  nöthigen  Wachmannschaften  in  der  Stadt.  Das 
Neugartener  Thor  wurde  von  Preussen  besetzt.  Nach  einigen 
Tagen  erhielt  die  Stadt  eine  russische  Besatzung'). 

In  der  Festung  und  den  Aussenwerken  wurden  536  Kanonen, 
Mörser  und  Haubitzen,  30000  Gewehre,  6000  Paar  Pistolen, 
5000  Säbel,  342  Pfund  Pulver  und  265000  Kugeln  u.  s.  w., 
sowie  Montirungsstticke  für  27000  Mann,  jedoch  unvollständig, 
vorgefunden. 

Der  Belagerte  hatte,  wie  Blech  versichert,  nach  sorg- 
fältig geführten  Tabellen*),  in  der  Zeit  vom  29.  August  bis 
27.  November  95552  Schuss  gethan  und  zwar  von  deu  äusseren 
Schanzen  27000,  vom  Hagelsberge  12000,  vom  Bischofsberge 
30000,   wozu  430000  Pfund  Pulver  verbraucht  worden  waren. 


»)  AperQu  462. 
«)  Friccius  321. 
')  Ebenda. 
*)  Blech  2,  288. 


471 


Vom  Belagerer  waren  80000  Scliuss  gefallen.  Der  Verlust  des  Be- 
lagerten ergiebt  sich  aus  der  von  d'Artois  im  Anhange  mit- 
getheilten  Tabelle.  Danach  waren  von  der  Ende  Januar  1813 
vorhandenen,  35934  Mann  starken  Besatzung  am  Tage  der 
Kapitulation  vom  29.  November  noch  übrig  8859  Franzosen 
iiicl.  der  Mannschaft  der  anektirten  Länder,  3626  Polen, 
2371  Deutsche  und  Spanier,  1676  Neapolitaner,  in  Summa 
16532  Mann,  wovon  1206  in  Lazarethen  lagen.  Der  Verlust 
betrug  daher  19402  Mann,  wovon  15736  in  den  Lazarethen 
gestorben,  1996  geblieben  und  1017  desertirt  waren.  643 
waren  gefangen  worden.  Nur  die  Nationalfranzosen  wurden 
in  die  russische  Gefangenschaft  in  der  Stärke  von  5200  Manu 
abgeführt. 

Der  Verlust  der  Russen  wird  nach  dem  apergu  Tabelle  III 
des  Anhanges  wie  folgt  angegeben :  an  Todten  2  Stabsofficiere, 
40  Subaltern  und  61  Unterofficiere,  8  Spielleute  und  1177 
Gemeine;  an  Verwundeten  1  General,  18  Stabs-,  110  Subaltern- 
und  177  Unterofficiere,  54  Spielleute,  2742  Gemeine;  an  Ge- 
fangenen 9  Subaltern-  und  20  Unterofficiere,  3  Spielleute,  475 
Gemeine  ^).  Der  preussische  Verlust  betrug  nach  derselben  Ta- 
belle 459.  Die  Zahl  der  in  den  Lazarethen  Gestorbenen  mag 
etwa  das  dreifache  betragen  haben  ^). 

Danzig  war  eine  auf  Jahrzehende  zugrunde  gerichtete  Stadt. 
Sie  hatte  in  den  Jahren  1807  bis  1813  40  Millionen  Gulden 
für  die  Franzosen  aufbringen  müssen,  eine  Summe,  die  weit 
darüber  hinausgeht,  was  andere  Städte  haben  leisten  müssen'). 
Das  gesammte  Privateigenthum  war  ausserdem  so  gut  wie  ver- 


*)  Der  Verlust  der  zur  grossen  Armee  abgegebenen  Truppentheile  ist 
dabei  nicht  eingerechnet.  Er  betrag  nach  derselben  Tabelle  im  ganzen  277 
Mann  und  55  Gefangene. 

•)  Na<!h  einem  Rapport  des  Grafen  Dohna  vom  1.  December  1813  wird 
die  Stärke  des  preussischen  Korps  (Friccius  S.  311)  auf  152  Officiere,  365 
Unterofficiere,  öl  Spielleute  und  3880  Gemeine  angegeben,  während  sie,  wie 
wir  oben  S.  337  gesehen  haben,  am  24.  August  sich  auf  192  Officiere,  207 
Unterofficiere,  128  Spielleute  und  5515  Gemeine  belief.  Der  Abgang  an  Ge- 
meinen betrug  daher  1635  Mann. 

^  Blech  giebt  im  Anhange  seines  2.  Bandes  einen  genauen  Ausweis 
darüber. 


472 


nichtet,  das  unbewegliche  zerstört,  der  Handel  zugrunde  ge- 
richtet^). 112  Gebäude  und  das  Dominikanerkloster,  sowie  197 
Speicher  lagen  in  Asche,  1115  Häuser  waren  durch  das  Bombarde- 
ment mehr  oder  weniger  zerfallen.  Von  den  Einwohnern  waren  60 
getödtet,  etwa  ebensoviele  verwundet,  90  aus  Mangel  an  Nahrung 
gestorben,  5592  infolge  ansteckender  Krankheiten  erlegen^). 

e.    Bttckfall  an  Preussen. 

Die  Rückkehr  Danzigs  unter  die  preussische  Herrschaft 
vollzog  sich  nicht  in  so  einfacher  Weise,  wie  die  bestehenden 
Verträge')  es  erwarten  Hessen. 

Der  König  Friedrich  Wilhelm  III  hatte  infolge  des  Ver- 
trages von  Reichenbach  im  Einverständniss  mit  dem  Kaiser 
Alexander  bestimmt,  dass  Danzig  eine  preussische  Besatzung 
erhalten  solle,  und  kommandirte  als  solche  die  Bataillone  der 
ostpreussischen  Landwehr  und  das  5.  Kavallerie  -  Regiment, 
welche  sich  vor  Danzig  befanden.  Zum  Guverneur  ernannte 
er  den  General  von  Massenbach  und  zum  Kommandanten  den 
Grafen  Ludwig  von  Dohna.  Der  König  theilte  dies  dem  Herzog 
von  Würtemberg  mit  dem  ausdrücklichen  Vermerk  mit,  dass 
die  getroffenen  Anordnungen  im  Einverständniss  mit  dem  Kaiser 
Alexander  erfolgt  seien.  Das  betreffende  Schreiben  langte  in 
der  Nacht  vom  31.  December  zum  1.  Januar  1814  beim  Heraog 
von  Würtemberg  an.  Einen  direkten  Befehl  vom  Kaiser  hatte 
der  Herzog  nicht  erhalten  und  dieses  sowohl,  als  das  bestimmte 
Auftreten  der  Herzogs  den  preussischen  Befehlshabern  gegen- 
über weist  darauf  hin,  dass  der  Herzog  andere  Weisungen  vom 
Hauptquartier  empfangen  hat,  die  allerdings  schon  altern  ür- 


*)  Blech  S.  313. 

»)  Ebenda  289. 

8)  Der  Vertrag  von  Breslau— Kai isch  vom  26./27.  Februar  1813  ga- 
rantirte  Preussen  im  künftigen  Frieden  die  volle  Macht  von  1806  und  sicherte 
ihm  die  damaligen  Besitzungen,  namentlich  Altpreussen  und  ein  Territorium 
zu,  das  dies  geographisch  und  militairisch  mit  Schlesien  verbände.  In  dem 
am  27.  Juni  zu  Reichenbach  zwischen  Russland,  Oesterreich  und  Preussen 
geschlossenen  Bunde  wird  für  letzteres  der  Wiederbesitz  von  Danzig  aus- 
drücklich ausgemacht.  Vgl.  Panten,  Danzigs  Bückkehr  unter  preussische 
Herrschaft.  Zeitschrift  des  west{)reus8ischen  Geschichtsvereins,  Heft  Xm^  S.  99, 


473 


Sprungs  gewesen  sein  mögen.  Die  Rücksichtslosigkeit,  die  er 
den  Anordnungen  des  Königs  von  Preussen  gegenüber  bewies, 
findet  nur  darin  eine  Erklärung. 

Die  Absichten  Kusslands  auf  Ostproussen  und  Danzig  hatten 
sich  schon  frühzeitig  ausgedrückt.  Wie  wir  oben  gesehen  haben, 
hatte  es  Pet«r  der  Grosse  bereits  auf  Danzig  abgesehen.  Im  7  jäh- 
rigen Kriege  wurde  kein  Geheimniss  daraus  gemacht.  Die 
Provinz  Ostpreussen  musste  der  Kaiserin  von  Bussland  huldigen. 
Seit  dem  Jahre  1812,  wo  sich  Alexander  in  dem  Vertrage  mit 
Schweden  zu  Abo  am  30.  August  die  Provinz  Preussen  garan- 
tiren  Hess,  bildete  die  Erwerbung  desselben  und  Danzigs  einen 
Theil  des  russischen  Programms*). 

Als  der  Oberst  Graf  Dohna  sich  nach  dem  Einzüge  in 
Danzig  beim  Herzog  als  Kommandant  von  Danzig  meldete  — 
der  General  von  Massenbach  traf  erst  am  4.  Januar  ein  — 
bedeutete  ihm  der  Herzog,  dass  das  Schicksal  von  Danzig  mit 
dem  Polens  in  Verbindung  stehe,  darüber  aber  noch  nichts  ent- 
schieden sei.  Er  könne  also  von  den  Anordnungen  des  Königs 
von  Preussen  keine  Notiz  nehmen  und  habe  den  Fürsten  Wol- 
konsky  zum  Guverneur  und  den  Generalmajor  Rachmanow  zum 
Kommandanten  eiiiannt.  Die  Stadt  werde  eine  russische  Be- 
satzung erhalten.  Dohna  war  ausser  sich  und  fand  darin  eine 
Beleidigung  seines  Königs.  Es  kam  zu  einem  heftigen  Wort- 
wechsel, worin  der  Herzog  den  Grafen  mit  Arrest  bedrohte*). 

Nach  der  Ankunft  Massenbachs  trat  eine  gewisse  Milderung 
des  Verhältnisses  ein,  indem  der  Herzog  erklärte,  ohne  dessen 
Mitwissen  keine  Einrichtungen  in  der  Stadt  zu  trefien,  aber 
von  dem  Schreiben  des  Königs  könne  er  vor  Eintreffen  der 
Befehle  seines  Kaisers  keine  Notiz  nehmen.    Massenbach  und 


*)  Vgl.  Fanten  S.  98fr.,  der  das  desweitern  ausführt. 

*)  Der  Bruder  des  Grafen  Ludwig,  der  frühere  Minister  und  damalige 
Präsident  der  einberufenen  Landstände,  Alexander,  schrieb  am  6.  Januar  1814 
an  Schön:  „Ludwig  läuft  Gefahr,  sich  ein  Gallenfieber  mit  dem  unsinnigen 
Herzog  an  den  Hals  zu  ärgern.  Täglich  hat  mein  Bruder  mündlich  und 
schriftlich  gewaltige  Aufzüge  mit  ihm;  mein  Bruder  hat  zuerst  dem  Herzoge 
erklärt,  dass  er  nicht  mit  gewaffneter  Hand  gegen  Allürte  agiren  kOnne,  dass 
er  aber  durchaus  weiter  keine  Befehle  you  ihm  annehme.^  Scbön's  Papiere 
m  6,  178.    Fanten  S,  J08. 


474 


Dohna  suchten  ihre  Stellung  zu  behaupten  und  erliessen  Befehle 
an  den  Senat  von  Danzig,   die  sich  mit  denen   des   russischen 
Guverneurs  kreuzten.     Doch  gab  Massenbach    insoweit  nach, 
dass  er  sich  auf  die  Angelegenheiten  der  preussischen  Truppen 
besclnänken  wolle.    Er  stattete  am  7.  Januar  dem  Könige  einen 
Bericht  über  die  Verhältnisse  ab.    Ein  Erfolg  war  davon  kaum 
zu  erwarten,  da  der  König  unerschütterlich   im  Vertrauen  zum 
Kaiser  Alexander  war   und  am   wenigsten    ihn   reizen   wollte. 
Der  Graf  Dohna  und  seine  nähern  Freunde,   der  Graf  Euleu- 
burg,   Brünneck,   Brockhausen   und  Hülsen  mochten   das  wohl 
fühlen  und  entschlossen  sich,  aus  ihrer  Mitte  einen  mit  dem  Be- 
richt Massenbachs  an  den  König  nach  Basel,  wo  sich  das  grosse 
Hauptquartier  befand,  zu  senden  *),  um  durch  mündliche  Vor- 
stellungen über  die  Lage  der  Dinge  Aufschluss  zu  geben.    Die 
Wahl  fiel   auf  Brünneck,   den  Kommandeur  des  5.  Landwehr- 
Kavallerie-Regiments.    Dieser  fand  in  der  That  keinen  günstigen 
Empfang.    Der  König  beschuldigte  den  Grafen  Dohna  und  seine 
Freunde  der  Unverträglichkeit  und  des  unbegründeten  Verdachts. 
Ausserdem  hatte  der  Herzog  den  General  Gerebzow  ins  Haupt- 
quartier gesendet,    um  den   preussischen  Einflüssen  entgegen- 
zuwirken.   Glücklicherweise  fand  Brünneck  in  den  Generalad- 
jutanten des  Königs,   dem  General  von  Knesebeck  und  Oberst 
von  Thiele,  eifrige  und  einflussreichc  Anwälte,  denen  es  gelang, 
den  Befehl  des  Kaisers  an  den  Herzog  von  Würtemberg  aus- 
zuwirken,  Danzig  an   Preussen   zu  übergeben.    Der  russische 
Oberst  von  Bötticher,  Adjutant  des  Herzogs  von  Würtemberg, 
welcher  die  Meldung  von  der  2.  Kapitulation  Danzigs  ins  Haupt- 
quartier überbracht  hatte,  reiste,   wie  es  scheint,  am   17.  mit 
diesem  Befehle  des  Kaisers  nach  Danzig  ab  und   erhielt  vom 
Könige  Friedrich  Wilhelm  III  einige  vom  15.  datirte  Depeschen, 
unter  anderm  die  Ernennung  des  Grafen  Dohna  und  des  Obersten 


*)  Der  Graf  Dohna  nahm  die  Gelegenheit  wahr,  dass  der  Herzog  zur 
Aufklärung  von  Reihungen  mit  den  ('ivilbehörden  dem  Könige  ein  Memoire 
zu  übersenden  beabsichtigte,  wozu  er  den  Major  v.  Hake  ausersebeu  hatte, 
um  dem  Herzog  vorzustellen,  dass  ein  Mann  wie  der  Major  von  Brünneck  als 
ürossgrimdbesitzer  mehr  geeignet  sein  dürfte,  dem  Könige  die  erforderlichen 
Erläuterungen  zum  Memoire  zu  geben  und  erlangte  die  Einwilligung^  d.^sa 
BrtUmeck  der  Ueberbringer  sein  sollte,    v.  Hake, 


475 


Pullet  zu  Generalmajors,  sowie  zahlreiche  Ordensverleihungen 
an  das  Belagerungskorps,  mit  auf  den  Weg.  Brfinneck  folgte 
in  der  Nacht  vom  20.  zum  21.  und  überholte  den  Oberst  von 
Bötticher  am  28.  in  Berlin,  von  dem  er  die  preussischen  De- 
peschen übernahm  und  die  freudige  Nachricht  überbringen  konnte, 
dass  Danzig  preussisch  bleiben  sollte.  Bötticher  langte  erst 
am  1.  Februar  in  Danzig  an.  Am  2.  Februar  erhielt  Massen- 
bach und  am  3.  der  Senat  der  Sjtadt  vom  Herzoge  die  Mitthei- 
lung, dass  er  den  Befehl  erhalten  habe,  Danzig  an  Preussen  zu 
übergeben.  Er  Hess,  als  er  am  9.  abreiste,  Danzig  nach  dem 
ürtheile  der  preussischen  Ingenieur-  und  Artillerieofficiere  in 
völlig  wehrlosem  Zustande  zurück,  indem  er  85  Feldgeschütze  *) 
als  russisches  Eigenthum  erklärte  und  damit  die  Festung  ihrer 
Flankengeschütze  beraubte,  auch  die  Gewehrmunition,  5  Mil- 
lionen Patronen,  auf  150  Wagen  entzog.  Ausserdem  führte  er 
30000  Gewehre  und  fast  sämmtliche  Bekleidungsgegenstände 
mit  sich.  Den  grossen  Festungsplan  erklärte  er  ebenfalls  als 
russisches  Eigenthum,  liess  jedoch  zu,  dass  er  kopirt  wurde. 
Es. scheint,  dass  er  immer  noch  die  Hoffnung  hatte,  der  Kaiser 
werde  sich  anders  besinnen,  wie  es  auch  in  preussischen  Kreisen 
befürchtet  wurde  ^). 

Dem  Oberst  Grafen  von  Dohna  ist  es  nicht  vergönnt  ge- 
wesen, die  Rückkehr  des  Majors  Brünneck  zu  erleben.  Er  war 
schon  am  19.  Januar,  erst  37  Jahr  alt,  der  heimtückischen 
Krankheit  erlegen,  die  der  Stadt  so  viele  Opfer  abverlangt  hat. 

Die  feierliche  Wiedervereinigung  Danzigs  mit  Preussen  fand 
am  19.  Februar  1814  unter  Leitung  des  Chefpräsidenten  des 
Marienwerderer  Ober-Landesgerichts  Oelrichs  statt. 

Der  Senat  hatte  schon  am  4.  Februar  im  Namen  und  Auf- 
trage der  Stadt  ein  Schreiben  an  den  König  gerichtet,  worin 


^)  Nach  einem  Schreiben  des  Major  Liebe  an  die  General-Inspektion  der 
Artillerie  vom  26.  April  1814  waren  es  87,  darunter  auch  12Pfilnder.  Es 
gelang  jedoch  dem  Major  Liebe ,  von  37  Geschützen  nachzuweisen ,  dass  sie 
preussischen  Ursprungs  waren,  so  dass  nur  50  den  Bussen  blieben.  Kr. -Archiv 
Nr.  12,  S,  143. 

*)  Schreiben  eines  hervorragenden,  in  die  Verhältnisse  eingeweihten 
Mannes  vom  11.  Februar  1814  an  den  General  v.  Knesebeck  und  den  Oberst 
V.  TWele.    Panten  S.  106^ 


476 


er  dem  Gefühle  lauten  Jubels,  inniger  Freude,  reinster  Dankbar- 
keit für  die  Wiedervereinigung  mit  Preussen  Ausdruck  gab  .  .  . 
und  um  die  bis  1807  genossene  Huld  und  Gnade  bat*). 


C.    Rückblick. 

Die  Belagerung  Danzigs  im  Jahre  1813,  wenn  wir  damit 
die  gesammten  Operationen  gegen  dasselbe  bezeichnen,  hat 
manchen  Zug  mit  der  Belagerung  von  Sebastopol  geraein ;  grösser 
jedoch  sind  die  Verschiedenheiten,  die  daraus  entsprangen,  dass 
Sebastopol  der  Preis  war,  um  den  die  gesammten  Kräfte  der 
mächtigsten  Staaten  Europa^s  rangen,  während  Danzig  1813 
ein  für  die  grosse  Entscheidung  gleichgültiges  Objekt  bildete, 
dessen  Bewältigung  Milizen  übertragen  werden  konnte.  Völlig 
isolirt  und  von  der  Aussenwelt  abgeschnitten,  war  die  Be- 
satzung, welche  Danzig  dem  Imperator  erhalten  sollte,  nur 
durch  die  Zuvei'sicht  auf  das  Genie  desselben  geistig  und 
moralisch  getragen.  Da  die  Rettung  durch  ihn  ausblieb,  konnte 
der  Ausgang  des  Kampfes  nur  in  dem  allmählichen  Versiegen 
der  Kräfte  liegen,  dem  die  Besatzung  entgegenging,  ohne 
Antheil  an  der  Entscheidung  zu  nehmen,  welche  die  Kuhc 
Europas  herbeiführen  sollte.  Bei  der  Belagerung  von  Sebasto- 
pol handelte  es  sich  dagegen  um  das  Abmessen  der  Kräfte 
beider  Gegner  im  offenen  Kampfe,  von  dessen  Ausgang  der 
Besitz  der  Festung  und  damit,  wie  die  Verhältnisse  lagen, 
die  Entscheidung  über  den  ganzen  Krieg  abhing.  Deshalb  ist 
die  Vertheidigung  von  Danzig  aber  nicht  minder  rühmlich  als 
diejenige  Sebastopols  und  das  Verhalten  der  Besatzung  durch 
die  Leiden  der  Epidemie  und  des  Hungers  höher  anzuschlagen, 
zumal  da  bei  Sebastopol  die  Verbindung  mit  der  Aussenwelt 
nie  unterbrochen  war. 

Der  Vertheidiger  von  Danzig  ist  dem  Vorwurf  aus- 
gesetzt, das  Leben  so  vieler  Menschen  unnütz  aufs  Spiel 
gesetzt  zu  haben,  nachdem  jede  Aussicht  geschwunden  war, 
dem  eignen  Vaterlande  damit  noch  irgend  einen  Dienst 
zu  erweisen,   wie   das   seit  der  Schlacht  von  Leipzig  der  Fall 

^)  Das  Vorstehende  nach  Fanten  a.  a.  0.  und  die  Handschriften  de9 
nachmaligen  Generals  von  Hake  im  Kriegs- Archiv, 


477 


war.  Aber  wie  Rapp  auf  die  desfallsigen  Vorstellungen  des 
Herzogs  Alexander  erwiderte,  hat  der  Soldat  danach  nicht  zu 
fragen.  Wer  kann  das  bestreiten,  ohne  die  Pflichten  ausser 
Acht  zu  lassen,  die  dem  Soldaten  das  heiligste  sein  müssen? 
Das  Weltgericht  mag  anders  darüber  entscheiden.  Es  ist  der 
Konflikt,  in  welchen  der  Krieg  überhaupt  mit  den  Gesetzen 
der  Moral  tritt.  Mit  demselben  Recht  könnte  man  Napoleon 
verurtheilen,  1814  den  Krieg  fortgesetzt,  wenigstens  die  Friedens- 
unterhandlungen abgebrochen  zu  haben. 

Noch  eine  andre  Frage  kommt  hier  zur  Sprache.  Waren 
die  deutschen  Officiere  im  Recht,  den  Aufforderungen  des  Herzogs 
von  Wfirtemberg,  den  französischen  Dienst  zu  verlassen,  nach- 
dem ihre  Suveraine  von  Napoleon  abgefallen  waren,  nicht  Folge 
zu  leisten?  Sie  bestanden  darauf,  die  Befehle  derselben  abzu- 
warten, die  jedoch  nicht  eintrafen.  Auch  das  ist  militairisch. 
Wer  trägt  hier  die  Schuld?  Rapp  dispensirte  sie  vom  äussern 
Dienst  und  kam  so  ihren  Wünschen  entgegen.  Einfacher  war 
die  Lage  der  westfälischen  Officiere,  die  den  Guverneur  baten, 
sie  vom  Dienst  zu  entbinden.  Einen  Befehl  des  Suverains  hatten 
sie  nicht  zu  erwarten. 

An  Fragen,  zu  welchen  die  Belagerung  Danzigs  im  Jahre 
1813  Veranlassung  giebt,  drängen  sich  noch  zwei  auf: 
erstens,  war  es  französischerseits  nicht  angezeigt,  die  ITestung 
Danzig  zu  räumen  und  ihre  Werke  und  WafFenvorräthe  zu 
zerstören,  um  die  zahlreiche  Besatzung  für  die  Feldarmee  dis- 
ponibel zu  machen?  zweitens,  ist  den  Russen  ein  Vorwurf  zu 
machen,  dass  sie  Danzig,  welches  noch  nicht  armirt,  zum  Theil 
sogar  offen  war,  nicht  sogleich  gestürmt  haben? 

Die  erstere  Frage  soll  auf  dem  Ruckzuge  im  Hauptquartier 
Königsberg  wirklich  diskutirt  worden  sein^).  Napoleon  hätte 
nie  seine  Einwilligung  dazu  gegeben.  Er  legte  den  grössten 
Werth  auf  Danzig.  Der  Moniteur  vom  26.  Januar  (No.  27)  1813 
erklärte:  „Danzig  est  anjourd'hui  une  place  inexpugnable;  plus 
de  30000  hommes  de  braves  troupes  y  sont  röunies,  de  bons 
G6neraux  les  commandent,  et  le  gouverneur  de  la  ville  est  le 
general  Rapp,  brave  et  intrepide  Soldat;  bon  nombre  d'officiers 


»)  M.  de  M**»,  le  siöge  de  Dantzig  en  1813  S.  3. 


478 

de  g6nie  et  d'artillerie  s'y  trouvcnt;  la  place  est  approvisionn6e 
de  tout  pour  deux  ans"  (?).•  Wenn  die  Bussen  zu  dieser  Zeit  auch 
Danzig  und  Thorn  bereits  eingeschlossen  hatten,  so  traute  er 
ihnen  jedoch  nicht  zu,  dass  sie  vor  Eroberung  dieser  Plätze 
weiter  vordringen  würden.  Er  hoflfte,  sie  mit  seiner  neu  ge- 
schaffenen Armee  noch  an  diesen  Punkten  anzutreffen.  Dass 
sie  auch  die  Oder  fiberschreiten  und  deren  Festungen  hinter 
sich  lassen  würden,  lag  ausser  aller  Berechnung.  Auch  war 
zu  der  Zeit,  wo  das  .  10.  Eoi^ps ,  welches  die  Besatzung  von 
Danzig  bilden  sollte,  auf  seinem  RQckzuge  daselbst  eintraf 
(mitte  Januar),  ein  Entkommen  desselben  kaum  noch  möglich, 
da  es  von  den  Russen  hart  gedrängt  wurde.  Die  Frage  erledigt 
sich  daher  von  selbst. 

Die  2.  Frage  ist,  wenn  man  sich  die  Lage  der  Dinge  ver- 
gegenwärtigt, ebenso  bestimmt  zu  vei-neinen.  Bis  anfang  Fe- 
bruar war  Danzig  nur  durch  Kosacken  eingeschlossen  und  auch 
seitdem  war  das  Blockadekorps  so  schwach,  dass  es  nur  zur 
Beobachtung  der  Festung  ausreichte.  Es  hätte  daher  zum 
Zweck  des  Sturms  eine  Detachirung  des  Wittgensteinschen 
Korps,  das  bis  zum  13.  Februar  in  der  Gegend  von  Stargardt 
verweilte,  eintreten  mftssen ,  die  nur  vom  Oberkommando  aus- 
gehen konnte,  das  zu  energischen  Schritten  jedoch  keine  Nei- 
gung hatte.  Am  allerwenigsten  wollte  man  sich  einem  Echec 
aussetzen,  der  bei  dem  Stande  der  Verhandlungen  mit  Prenssen 
sehr  hinderlich  werden  konnte.  Die  neuern  Grundsätze  würden 
den  gewaltsamen  Angriff  unter  allen  Umständen  gefordert  haben. 

1.  Sie  Vertheldignng. 

Der  Herzog  von  Würtemberg  macht  Rapp  den  Vorwurf), 
dass  er  seine  üoberlegenheit  nicht  benutzt  habe,  das  Blockade- 
korps zu  sprengen.  Diese  vermeintliche  üeberlegenheit  war  aber 
keineswegs  vorhanden.  Es  ist  gewiss  nicht  übertrieben,  wenn 
Rapp  in  seinem  Bericht  vom  17.  Juni  sagt*),  dass  er  bei  dem 
Anfall  des  Generals  Löwis  am  5.  März,  wo  er  gewiss  alle  dis- 


^)  AperQU  S.  28.     Der  Herzog  stellt  das  als  sehr  leicht  dar  und  fügt 
hinzu:  mais  la  garnison  ne  snt  pas  en  profiter. 
»)  Auriol  S.  98. 


479 


poniblen  Kräfte  heranzog,  nur  über  5000  Mann  verfligen  konnte, 
wenn  man  berücksichtigt,  dass  die  Besatzung  zu  dieser  Zeit 
18000  Kranke  hatte  und  7000  Mann  bereits  gestorben  waren. 
Auch  nahm  die  Besetzung  der  weitläuftigen  Werke  einen  Theil 
der  Besatzung  in  Anspruch.  Noch  mehr  irrt  der  Herzog,  wenn 
er  sagt  ^).  dass  die  Besatzung  aus  lauter  Elitetruppen  bestanden 
habe,  die  20  Feldzüge  hinter  sich  hatten.  Wie  wir  oben  ge- 
sehen haben,  bestand  der  grösste  Theil  der  Besatzung  aus  Re- 
kruten. Rapp  hatte  alle  Ursache,  seine  Truppen  zu  schonen, 
und  machte  nur  im  äussersten  Nothfalle  von  Ausfällen  Gebrauch, 
um  Lebensmittel  und  Furage  beizutreiben*). 

Im  Widerspruch  mit  seiner  obigen  Behauptung  macht  der 
Herzog  dem  General  Rapp  den  Vorwurf*),  den  Mangel  an  Mann- 
schaft, der  am  Ende  der  Belagerung  eintrat,  durch  seine  grossen 
Ausfälle  vom  9.  Juni  und  29.  August  verschuldet  zu  haben, 
die  vollkommen  unnütz  gewesen  seien. 

Der  Ausfall  vom  9.  Juni  war  dadurch  veranlasst,  dass 
Rapp  das  junge  Getreide  hauen  lassen  wollte,  bevor  sich  der 
Feind  desselben  bemächtigte.  Wenn  er  schon  dadurch  hinlänglich 
motivirt  wird,  so  kam  noch  hinzu,  dass  der  General  durch  die 
täglichen  Gefechte,  welche  der  Herzog  seit  ende  Mai  eintreten 
Hess,  die  Besatzung  infolge  der  fortwährenden  Bereitschaft,  in 
der  sie  sich  halten  musste,  vollständig  mürbe  gemacht  hatte*), 
so  dass  etwas  geschehen  musste.  Das  Gefecht  wurde  nur  da- 
durch unnütz,  dass  am  folgenden  Tage  der  Waffenstillstand  be- 
kannt wurde.  Der  Verlust  war  allerdings  bedeutend;  Döring 
beziffert  ihn  auf  19  Officiere,  637  Mann  an  Todten  und  Ver- 
wundeten, die  französischen  Berichte  geben  nur  400  Mann  zu. 

Das   Gefecht   vom   29.  August    eröffnete    die   Reihe  von 


»)  Apercu  S.  VÜI.    70.  81.  236.  310. 

')  Happ  spricht  sich  in  seinen  Memoiren  selbst  darilber  aus.  £r  sagt 
S.  214:  „Ce  n^etait  plus  qvL'k  la  pointe  de  Tepee  que  nous  ponvions  obtenir 
des  snhsistances ;  mais  quel  que  füt  le  d^vouement  des  troupes:  la  prndence 
ne  permettait  pas  de  les  conduire  ä  Tennemi,  consum^es  quelles  6taient  par  les 
maladies  et  la  misöre.  II  faUut  se  r6äigner  ä  son  6toiIe,  et  attendre  patiem- 
ment  que  la  douce  influeuce  de  la  belle  saison  vint  r6parer  leurs  forces." 

■)  Apercu  S.  411. 

*)  Eapp.    Mfemoires  S.  237.    v.  Düring. 


480 

Offensivschlftgen,  womit  der  Herzog  von  Wfirtemberg  sich  des 
Bodens  bemächtigte,  den  er  zur  Belagerung  bedurfte.  Da  er 
sich  bisher  jeder  grossem  Operation  enthalten  hatte,  ist  es 
natfirlich,  dass  Kapp  sich  überzeugen  wollte,  ob  sein  Gegner 
die  nöthigen  Kräfte  hätte  und  die  erforderliche  Energie  besass, 
seine  Absicht  durchzusetzen.  Aber  auch  ohne  dies  konnte  Bapp 
das  bisher  besetzte  Terrain  nicht  verlassen,  ohne  den  Versuch 
zu  machen,  sich  darin  zu  behaupten.  Sein  Widerstand  ist 
daher  vollkommen  gerechfertigt.  Dass  er  nicht  unnütz  war,  be- 
weist die  Vorsicht,  die  der  Herzog  in  seinen  folgenden  Opera- 
tionen beobachtete  und  der  Verlust  an  Zeit,  den  er  sich  dadurch 
zuzog.  Auf  der  andern  Seite  hatte  das  Qefecht  zur  Folge,  dass 
Eapp  von  jetzt  ab  sehr  sparsam  mit  dem  Blut  seiner  Truppen 
umging.  Ein  Grund  zum  Vorwurf  für  Rapp  lag  in  diesem  Ge- 
fecht daher  nicht.  Sein  Verlust  an  diesem  Tage  betrug  gegen 
400  Mann  an  Todten  und  Verwundeten. 

Der  Herzog  konnte  sehr  gut  wissen,  dass  der  Mangel  an 
Truppen,  an  welchem  die  Besatzung  zuletzt  litt,  nicht  von 
diesen  Gefechten  hergekommen  ist,  sondern  von  der  Desertion 
und  der  angeblichen  Weigerung  der  nicht  französischen  Truppen, 
den  äussern  Dienst  noch  länger  zu  versehen,  doch  bestreitet 
er  auch  das  ^)  und  behauptet,  dass  die  Zahl  der  Deserteure  seit 
Ende  August  nur  400  betragen  habe  und  dass  die  fremden 
Truppen  bis  auf  den  letzten  Tag  im  Dienst  geblieben  seien.  Es 
ist  fiberflüssig,  auf  die  Argumente  näher  einzugehen,  die  er  an- 
führt, es  genügt  auf  die  Rede  hinzuweisen,  die  Rapp  im  Eri^- 
rathe  hielt,  um  über  die  Uebergabe  zu  beschliesen,  worin  er 
den  Abfall  der  fremden  Truppen  als  den  vorzüglichsten  Grund 
für  die  Nothwendigkeit  der  Uebergabe  angiebt"). 

Die  Unzufriedenheit,  die  sich  schliesslich  des  nicht  franzö- 
sischen Theils  der  Besatzung  bemächtigte  und  zu  dessen  angeb- 
licher Weigerung  fühi-te,  noch  länger  vor  dem  Feinde  verwendet 
zu  werden,  war  durch  die  Ereignisse  in  Deutschland,  nament- 
lich seit  der  Schlacht  von  Leipzig,  hervorgerufen  worden,  deren 
Kenntniss  der  Herzog  von  Würtemberg  ihnen  zukommen  Hess. 


0  Aperyn  S.  416. 

')  Campredon.    Anriol  S.  233.    Anhang  VI. 


481 

Bis  dahin  hatten  sich  diese  Truppen  selbst  nach  dem  Zeugniäs 
der  Franzosen  vorzüglich  geführt  und  standen  diesen  in  keiner 
Weise  nach.  Es  hatte  sich  selbst  eine  Waffenbrüderschaft  mit 
ihnen  gebildet.  Dass  dies  so  war,  ist  lediglich  dem  eigenthttm- 
lichen  Talent  Eapp's,  mit  den  Truppen  umzugehn,  zu  verdanken 
gewesen. 

Hierin  liegt  eins  der  Hauptverdienste,  die  sich  Bapp  um 
die  Vertheidigung  der  Festung  erworben  hat^).  Ganz  persön- 
lich ist  ihm  auch  die  Besetzung  des  ausgedehnten  Terrains  am 
Danzig  zuzuschreiben.  Er  spricht  sich  in  seinen  Memoiren 
darüber  aus,  dass  es  ihm  leid  gethan  habe,  die  Vorstädte  nieder- 
zubrennen. Es  ist  indessen  kaum  anzunehmen,  dass  er  erwartet 
habe,  der  Feind  werde  ihn  in  deren  Besitz  lassen.  Beim  noth- 
wendigen  Abzüge  wäre  immer  noch  Zeit  gewesen,  sie  einzu- 
äschern. Nachdem  er  jedoch  den  Anfall  des  Generals  Löwis  am 
5.  März  zurückgeschlagen  hatte,  scheint  seine  Absicht,  sich 
dauernd  in  deren  Besitz  zu  erhalten,  gereift  zu  sein,  denn  er 
Hess  die  Ortschaften  nunmehr  befestigen  *).  Wie  nach  und  nach 
auch  das  anliegende  Terrain  befestigt  worden  ist,  habe  ich 
oben  nachgewiesen,  hier  dürfte  jedoch  der  Ort  sein,  ein  Ge- 
sammtbild  davon  zu  geben  und  das  Terrain  um  Danzig  im 
Ganzen  zu  würdigen,  wobei  auch  Weichselmfinde  und  Neufahr- 
wasser heranzuziehen  sein  wird. 

Danzig  ist  im  Osten  durch  die  Weichsel,  im  Norden  und 
Süden  durch  ausgedehnte,  unzugängliche  Niederungen  geschützt, 
die  nur  im  Norden  zwischen  Langfuhr  und  dem  Olivaer  Thor 
zunächst   der    grossen   Allee    gangbares   Terrain    bieten.      Im 


^)  V.  Düring,  Tagebuch  S.  37:  „Es  herrschte  in  jedem  Korps  bis  zum 
letzten  Soldaten  herab  ein  Wetteifer,  jeden  anderen  an  Mnth  und  Beharrlich- 
keit zu  ttbertrefifen.  Doch  woher  entstand  das?  allein  durch  das  Beispiel, 
durch  den  unerschütterlichen,  sich  immer  gleich  und  fest  bleibenden  Sinn  des 
Guyemeurs!  Alle,  die  unter  Rapp  dienten,  werden  einmüthig  sich  nie  einen 
besseren,  tapferem  und  gerechteren  Chef  wünschen  können;  er  zog  keine 
Truppe  aus  Vorliebe  der  andern  vor,  die  Tapfersten  waren  ihm  die  liebsten, 
er  war  freundlich  gegen  den  gemeinen  Soldaten". 

')  Die  Einrichtung  der  beiden  Häuser  am  Eingange  von  Langfnhr  zu 
Blockhäusern  ist,  wie  aus  dem  Tagebuche  des  Minors  Bauer  hervorgeht,  aus 
dessen  eigner  Initiative  entsprungen  und  fällt  vor  diese  Zeit. 

Köhler,  Qeacülchte  der  Festungen  Danzig  and  Weichselmünde.    II.  31 


482 

Westen  der  Stadt  erhebt  sich  ein  Plateau  von  wenig  über  70 
Meter  oder  200  Fuss  Höhe,  das  schroff  zur  Stadt  abfällt  and 
durch  die  Schlucht  von  Schidlitz  in  zwei  Theile  getheilt  wird. 
Es  werden  dadurch  zwei  Abschnitte  gebildet,  von  denen  der 
nördliche  in  der  Schlucht,  die  von  Zigankendorf  nach  Aller 
Engeln  ausläuft,  seine  Begrenzung  findet.  Der  südliche  Abschnitt 
wird  durch  die  Schlucht  an  den  Schottenhäusern  begrenzt.  Was 
jenseits  dieser  Grenzen  nach  Norden  und  Süden  vorliegt,  ist 
nur  von  nebensächlicher  Bedeutung  für  die  Belagerung  von 
Danzig,  wenigstens  bei  den  damaligen  glatten  Geschützen.  Im 
Jahre  1813  kam  es  jedoch  für  die  Einschliessung  inbetracht, 
solange  Rapp  Langfuhr  besetzt  hielt,  und  solange  er  im  Süden 
mit  den  Vorposten  über  die  Schottenhäuser  hinaus  griff.  Die 
Eontravallation  der  Alliirteu  stützte  sich  daher  im  Norden  auf 
die  tief  eingeschnittene  Schlucht,  welche  über  Dreilinden  und 
Diwelkau  nach  dem  südlichen  Theil  von  Langfuhr  abfällt,  und 
im  Süden  auf  den  von  Schönfeld  durch  Reiersgarten  in  den 
Radaunekanal  fliessenden  Bach,  der  in  einem  tiefen  Einschnitt 
liegt.  Von  Schönfeld  über  Wonneberg  nach  Dreilinden  lief  die 
Eontravallation  durch  ein  wenig  accentuirtes  Gelände,  das  nur 
durch  den  obern  Theil  der  Schidlitzer  Schlucht  bei  Tempelburg 
unterbrochen  war*). 

Der  Bischofs-  und  Hagelsberg  bilden  gleichsam  die 
Vorgebirge  der  beiden  Abschnitte  nach  der  Stadt  hin  und  sehen 
dieselbe  vollständig  ein.  Sie  waren  daher  in  der  Zeit,  wo  die 
Artillerie  durch  Ausbildung  der  Hohlgeschosse  sich  wesentlich 
vervollkommnet  hatte,  Mitte  des  17.  Jahrhunderts,  in  die  Be- 
festigung der  Stadt  gezogen  worden.  Rapp  befestigte  auch  den 
Krähenberg  und  die  Jesuiterhöhe,  zwei  andere  nördlich  und 
südlich  gelegene  Vorgebirge  der  beiden  Abschnitte,  und  versah  sie 
mit  starken  Batterien.  Die  beiden  Abschnitte  enthielten  noch  andre, 
taktisch  wichtige  Höhen,  der  nördliche  den  Zigankenberg,  der 
südliche  den  Stolzenberg,  welche  schon  in  den  früheren  Bela- 
gerungen eine  wichtige  Rolle  gespielt  hatten.    Sie  sind  beide  von 


^)  Die  KontravaUation  war  nur  darch  einzelne  Reduten  und  Lttnetten 
gebildet,  die  nicht  durch  Laufgräben  verbunden  waren. 


483 

gleicher  Höhe  und  dominii  en  den  Hagelsberg,  so  dass  sie  diesem  sehr 
gefährlich  sind.  Der  Stolzenberg  war  bei  der  Vervollständigang 
der  Befestigung  Danzig's  durch  die  Franzosen  durch  die  Lünette 
Cafarelli  gekrönt  und  der  Befestigung  des  Bischofsberges  ein- 
verleibt worden.  Der  Zigankenberg  wurde  von  Rapp  mit  drei 
Lttnetten  versehen,  welche  die  Umgegend  in  günstigster  Weise 
bestrichen.  Der  Berg  bildete  nach  Westen  hin  einen  ange- 
messenen Abschluss  des  nördlichen  Abschnittes.  Für  den  Sttd- 
abschnitt  fehlte  ein  solcher.  Die  bedeutende  Ausdehnung  des 
Plateaus  vom  westlichen  Ausgange  des  Dorfes  Stolzenberg  bis 
zn  den  Schottenhäusern  fand  nur  in  dem  befestigten  Dorfe 
Stolzenberg  und  den  Lünetten  Friaul  auf  der  Jesuiterhöhe  Stütz- 
punkte für  die  Vertheidigung.  Man  begnügte  sich,  zwischen 
beiden  einige  Blockhäuser  (den  Dragonerposten,  auch  das  gelbe 
Haus  oder  das  Haus  am  Teiche  genannt,  den  Posten  am  Juden- 
kirchhofe und  den  in  der  Ortschaft  Weinberg)  anzulegen,  im 
übrigen  aber  es  den  Vorposten  zu  tiberlassen,  sich  durch  Erd- 
aufwürfe gegen  die  Anfälle  der  Kosacken  zu  schätzen.  Sie  er- 
wuchsen mit  der  Zeit  zu  wirklichen  Schanzen,  so  der  Posten 
des  Sergeanten  und  der  Posten  des  Lieutenants.  Für  Schidlitz 
war  wenig  zu  fürchten,  solange  die  zu  beiden  Seiten  des  Dorfes 
liegenden  Anhöhen  im  Besitz  des  Belagerten  blieben.  Das  Dorf 
wurde  an  seinem  Westausgange  durch  eine  Barriere  und  weiter 
rückwärts  durch  eine  Kupüre  nur  so  weit  befestigt,  dass  es  gegen 
Parteien  geschützt  war.  Auch  hier  hatten  die  Vorposten  sich 
selbst  die  nöthige  Sicherheit  zu  beiden  Seiten  zu  verschaflfen 
gesucht.  Es  entstand  so  der  Posten  des  Kommandanten,  in 
dem  sich  der  Vorpostenkommandeur  aufhielt  und  der  Posten 
Pichon,  westlich  des  Dorfes,  der  mit  der  Barriere  desselben  durch 
einen  gedeckten  Weg  verbunden  wurde. 

Das  Plateau  jenseits  des  Südabschnitts  zwischen  den  Schotten- 
häusern und  Reiersgarten  wurde  ebenfalls  von  den  Vorposten 
durch  Schanzen  gesichert.  Es  entstand  so  die  sogenannte  Stern- 
schanze (le  poste  de  TEtoile)  und  der  Posten  des  Eapitains. 
Das  sonst  unbefestigte  Dorf  Ohra  wurde  mit  dem  poste  du 
jardin,  der  obigen  als  Flankendeckung  diente,  versehen. 

Am  Fuss  des  südlichen  Abschnitts  nach  Norden  hin  lagen 
längs  des  Radaunekanals  die  Vorstädte   Alt  Schottland   und 

81* 


_    484^_ 

Stadtgebiet*),  durch  welche  und  durch  Ohra  die  alte  Heer- 
strasse nach  Dirschau  führte.  Es  war  von  der  grössten  Wich- 
tigkeit, sich  so  lange  als  möglich  im  Besitz  dieser  Ortschaften 
zu  halten,  weil  sie  zum  Schutz  der  anliegenden  Höhen  dienten. 
die  eine  Einsicht  in  die  Stadt  gestatteten.  Sie  wurden  daher 
mit  einer  doppelten  Kuptire  versehen,  zu  deren  Herstellung  die 
Oertlichkeiten  sehr  gut  geeignet  waren.  Die  Kupüren  wurden 
bis  zur  Inundation  geführt,  die  bis  an  die  Gärten  der  Vorstädte 
herantrat. 

Mit  der  Besatzung  von  Langfuhr  ging  Rapp  über  die 
Grenzen  des  nördlichen  Abschnitts  hinaus.  Langfuhr  gehörte 
nicht  zu  den  Ortschaften,  die  eingeäschert  werden  mussten,  da 
es  ganz  ausserhalb  der  Schussweite  von  der  Festung  lag.  Aber 
Rapp  hielt  seine  Besatzung  zur  Behauptung  der  freien  Passage 
auf  der  Weichsel  und  längs  des  linken  Weichselufers  nach  Nen- 
fahrwasser  für  nothwendig,  da  der  Besitz  von  Neu-Schottland 
und  Schellmühl  hierzu  nicht  genügte.  Aber  auch  Langfuhr  war 
schwer  zu  vertheidigen.  Am  Fuss  des  Johannisberges  und  der 
weitern  Höhen,  die  sich  nach  Oliva  hin  erstrecken,  gelegen. 
war  es  nicht  in  der  glücklichen  Lage,  wie  Alt-Schottland  und 
Stadtgebiet  von  diesen  Höhen  aus  beschützt  zu  werden,  weil 
diese  bewaldet  waren  und  nur  mit  Aufbietung  bedeutender 
Kräfte  hätten  gehalten  werden  können.  Rapp  hatte  daher  nichts 
als  eine  Vorpostenkette  daselbst  und  ein  Piket  im  Jäschken- 
thal,  so  dass  deren  Zurückwerfung  ganz  im  Belieben  des  Gegners 
stand.  Das  sehr  langgestreckte  Dorf  hätte  auch  nur  von  be- 
deutenden Kräften  gehalten  werden  können.  Seine  .Befestigung 
beschränkte  sich  darauf,  dass  die  Ausgänge  verbarrikadirt 
waren  und  am  Eingange  des  Dorfs  zwei  Häuser  krenelirt  und 
mit  Palisaden  umschlossen  waren.  Die  Anlage  von  Kupüren  im 
Dorfe  selbst  würde  keinen  Sinn  gehabt  haben,  da  sie  von  den 
Bergen  aus  flankirt  wurden.    Die  breite  Strasse  konnte  nicht 


*)  Das  Dorf  Stadtgebiet  gehörte  wie  Ohra  zu  Danzig,  während  Alt- 
Rcbottlaud  dem  Bischof  von  Kujovien  zn  eigen  war.  In  den  französischen 
Berichten  über  die  Belagerung  wird  derjenige  Theil  zwischen  der  1.  im<l 
2.  Knpüre  mit  Stadtgebiet  bezeichnet.  Nach  der  Generalstabskarte  beginnt 
letzteres  erst  an  den  Schottenhäusern.  Zu  den  Vorstädten  wird  auch  noch 
St.  Albrecht  gezählt. 


485 


als  Abschnitt  eingerichtet  werden,  weil  man  dadurch  seine  Rück- 
zugslinie aufgegeben  hätte.  Die  Besatzung  des  Dorfs  war 
ausserdem  ausgesetzt,  von  vornherein  von  Danzig  abgeschnitten 
zu  w^erden,  weil  die  am  Eingange  desselben  auslaufende  Schlucht 
eine  gedeckte  Annäherung  des  Feindes  gestattete. 

Wenn  der  Belagerer  dennoch  die  Franzosen  über  6  Monate 
im  Besitze  des  Dorfes  liess,  so  lag  das  in  seiner  Schwäche  und 
(Uirin,  dass  er  sich  anfang  März  eine  scharfe  Lection  daselbst 
geholt  hatte.  Das  Dorf  war  am  5.  März  zwar  von  den  Russen 
genommen  worden,  doch  wurden  sie  iu  den  folgenden  Tagen 
wieder  herausgeworfen.  Zur  Behauptung  des  Dorfes  richtete 
Rapp  zwischen  demselben  und  der  Stadt  mehrere  Aufnahme- 
stellungen ein  (Kabrnn,  Schmidt'scher  Garten,  Aller  Engeln) 
und  liess  auch  auf  der  Weichsel  mehrere  Kanonenboote  ankern. 
Aber  es  half  ihm  alles  nichts,  er  musste  Langfuhr  aufgeben, 
sobald  der  Gegner  nach  dem  Waffenstillstände  Ernst  zeigte, 
sich  seiner  zu  bemächtigen. 

Die  Tage  vom  29.  August  und  2.  September  haben  ihm 
allein  einen  Verlust  von  800  Mann  an  Todten  und  Verwundeten 
eingebracht. 

Die  Verbindung  Dauzigs  mit  Neufahrwasser  am  linken 
Weichselufer  und  auf  der  Weichsel  selbst  hat  auch  1734  und 
1807  nicht  aufrecht  erhalten  werden  können.  Nur  ein  Brücken- 
kopf am  3.  Legan  hätte  das  möglich  gemacht^). 

Die  Befestigung  der  Mündung  der  Weichsel  ist  für  Danzig 
von  der  grössten  Wichtigkeit,  da,  wenn  sich  der  Feind  daselbst 
festsetzt,  die  Stadt  vom  Meere  ausgeschlossen  ist.  Ebenso 
nothwendig  ist  die  Aufrechterhaltung  der  Verbindung  zwischen 
Danzig  und  der  Münde  mit  ihren  Befestigungen.  Eine  Unter- 
bindung derselben  kommt  dem  Verlust  der  Münde  nahezu  gleich. 
Die  Franzosen  hatten  durch  ihre  eigenthümliche  Holmbefestigung, 
namentlich  durch  den  Bau  des  Forts  Napoleon  und  dessen  An- 


*)  Die  Sicherung  der  Schiiffahrt  auf  der  Weichsel  hatte  schon  früh  die 
Aufmerksamkeit  anf  sich  gezogen.  Wie  wir  gesehen  haben,  hatte  der  General- 
major von  Houwald,  Kommandeur  der  Danziger  Truppen,  schon  1638  die 
Stadt  veranlasst,  die  alte  Kalkschanze  zu  erbauen.  Doch  hatte  er  den  rich- 
tigen Ort  verfehlt.  Die  Schanze  wurde  nach  seinem  Austritt-  aus  dem  Dienst 
der  Stadt  wieder  eingeebnet, 


486^ 

hang,  die  Redute  d'Haupoult,  die  Land  Verbindung  auf  dem 
rechten  Weichselufer  sichergestellt,  was  bis  dahin  vergeblich 
angestrebt  worden  war.  Die  SchifiFfahrt  auf  der  Weichsel  ist 
auch  ihnen  nicht  gelungen  zu  sichern,  daher  die  Anstrengungen 
Rapp's  nach  dieser  Richtung,  die  ihre  volle  Berechtigung  hatten, 
denn  der  Besitz  der  Weichselmündung  wird  erst  werthvoU, 
wenn  die  einlaufenden  Schiffe  ungehindert  bis  Danzig  gelangen 
können.  1813  kam  das  allerdings  weniger  inbetracht,  da  feind- 
liche Flotten  die  Mündung  blockirten.  Aber  sie  konnten  das  in 
der  ungünstigen  Jahreszeit  nicht  fortsetzen,  wo  dann  der  Weg  den 
befreundeten  dänischen  Schiffen  offen  blieb  *).  Unter  allen  Um- 
ständen ist  die  Vervielfältigung  der  Kommunikationen  zwischen 
Danzig  und  der  Münde  von  Wichtigkeit. 

Mit  Recht  macht  daher  der  Verfasser  des  Apergu  dem  Ge- 
neral  Rapp   den    Vorwurf,    gegenüber   dem  Ganskruge   keinen 
Brückenkopf  angelegt  zu  haben.    Der  Vorwurf  trifft  allerdings 
mehr  den  Kaiser  Napoleon,  denn  der  Brückenkopf  hätte  in  dem 
Bauplan  aufgenommen  werden  müssen,   den  der  Kaiser  1811 
bestätigte.     Denn  noch  andre  Gründe  wiesen  darauf  hin.    So 
ist  z.  B.  dem  Vertheidiger  der  Besitz  der  Nehrung,  wenigstens  des 
westlichen  Theils  derselben  bis  Ncufehr,  wo  mit  Leichtigkeit  eine 
Barriere  geschaffen  werden  kann,  dringend  nothwendig.     Wie 
der  Danziger  Rath  dem  General  Percewal  auf  dessen  Verwun- 
derung,  am  grossen  Holländer  das  von  ihm  empfohlene  Werk 
nicht  erbaut  zu  haben,  erwiderte,  dass,  wenn  der  Feind  sich  in 
Besitz  desselben  setzte,  es  ihm  nicht  wieder  abgenommen  werden 
könnte,  so  verhält  es  sich  auch  mit  dem  B^rt  Napoleon,  das  au 
derselben  Stelle  erbaut  ist.   Seine  Eroberung  würde  einem  sich  im 
Besitz  der  Nehrung   befindlichen  Feind    wenig  Mühe  machen. 
Ferner  würde    ein    im    Jahre    1807   vorhandener   Brückenkopf 
gegenüber  dem  Ganskruge  dem  Angriff  der  Russen  am  15.  Mai 
wahrscheinlich  eine  andre  Wendung  gegeben  haben,  da  die  Besat- 
zung von  Danzig  hätte  eingreifen  können.    Aehnlich  beim  Angriff 


*)  Das  war  die  Rücksicht,  die  den  Herzog  von  Würtemberg  bewog,  den 
Versuch  zu  machen,  sich  der  Westerplatte  und  Neufahrwasser  zu  bemächtigen, 
indem  er  sie  durch  die  Flotte  beschiessen  Hess  und  3Iannschaften  bereit  hielt 
l^u  stürmen,  wenn  die  Beschiessung  von  Erfolg  war. 


487 


der  Franzosen  1734.  Dazu  kommt,  dass  die  Stadt  von  dort 
aus  bombardirt  werden  kann,  wenn  der  Raum  daselbst  dem 
Feinde  überlassen  wird.  Es  ist  dies  bei  allen  3  neuern  Be- 
lagerungen Dauzigs  geschehen.  Auch  hat  sich  Rapp  gegen  die 
Vortheile  eines  solchen  Brückenkopfes  nicht  verschlossen  und 
hat  den  Bau  desselben  beginnen  lassen ;  der  Austritt  der  Weichsel 
verhinderte  jedoch  die  Fortsetzung  der  Arbeit,  und  später  war 
die  Besatzung  anderweitig  zu   sehr  in  Anspruch  genommen*). 

Was  die  Festung  Weichselmünde  betriflfl,  so  hat  es  seine 
ursprüngliche  Bedeutung,  die  Mündung  der  Weichsel  zu  schützen, 
verloren,  da  die  Landanspielungen  im  17.  Jahrhundert  den.Lauf 
des  Stroms  verändert  haben  und  die  Mündung  gegenwärtig 
weit  entfernt  davon  liegt.  Immerhin  bildet  es  das  Reduit 
der  Befestigungen  von  Neufahi-wasser  und  der  Westerplatte 
und  dient  ihnen  als  Briickenkopf  nach  der  Nehrung.  Auch 
sichert  es  die  Verbindung  jener  Befestigungen  mit  Danzig, 
wenn  diese  auf  dem  linken  Weichselufer  verloren  gegangen 
ist.  Bei  dieser  Vielseitigkeit  Weichselmttnde's  giebt  es  in  Ver- 
bindung mit  der  Holmbefestigung  und  der  Nehrung  für  den 
Fall,  dass  der  Vertheidiger  die  See  durch  eine  Flotte  beherrscht, 
Veranlassung  zu  den  mannigfaltigsten  Kombinationen,  doch  ist 
es  eine  Ueberschätzung,  wenn  der  ungenannte  Verfasser  der 
Geschichte  von  Weichselmünde  sagt:  „In  beiden  Festungen, 
Danzig  und  Weicliselmünde ,  liegt  eine  nicht  zu  berechnende 
Masse  von  Kraft,  die  einzeln  unnütz  sich  aufzehrt,  in  gemein- 
samer Wirkung  aber  Erfolge  hervorbringen  kann,  welche  unsere 
Zeit  nicht   kennt,  vielleicht  nicht  einmal  für  möglich  hält***). 

Besitzt  der  Angreifer  dagegen  die  Herrschaft  über  die 
See,  wie  es  1813  der  Fall  war,  so  verliert  Weichselmfinde  an 
Bedeutung.  Der  Herzog  von  Würtemberg  hat  sich  um  dasselbe 
nicht  gekümmert,  ihm  kam  es  nur  auf  die  Westerplatte  und 
Neufahrwasser  an,  um  die  Mündung  der  Weichsel  in  seine  Hand 


^)  Der  Verfasser  des  Apergn  bestreitet,  dass  der  Bau  des  Brückenkopfs 
in  Angriff  genommen  worden  ist.  y.  Düring  bestätigt  jedoch  die  Angabe 
d'Artois'  S.  83. 

*)  Ausgabe  von  Fritz  Honig,  Berlin  1886  S.  24  nach  einer  Handschrift 
des  gössen  Generalstabs, 


488 


zu  bekommen,  und  als  ihm  das  nicht  gelang,  haben  ihm  auch 
diese  Befestigangen  wenig  Sorge  gemacht.  Er  hat  sie  nur  be- 
obachten lassen,  und  damit  war  Rapp  die  Gelegenheit  entzogen, 
sein  militairisches  Genie  auch  hier  zu  erproben.  Als  er  anfing, 
Mangel  an  Mannschaften  zu  leiden,  war  er  nahe  daran,  Weichsel- 
mttnde  aufzugeben,  und  hatte  bereits  alles  zu  seiner  Zerstörung 
vorbereitet.  Jedenfalls  muss  mit  Danzig  auch  Weichselmiinde 
fallen,  wie  es  1807  und  1813  der  Fall  war.  1734  fiel  Weichsel- 
m&nde  zuerst  und  König  Stanislaus  gab  Danzig  auf  und  floh, 
doch  liegt  darin  kein  Beweis,  dass  die  Stadt  sich  nicht  noch 
weiter  hätte  halten  können,  sie  hatte  jedoch  keine  Veran- 
lassung dazu. 

Dem  Verfasser  der  Geschichte  von  Weichselmünde  schwebten 
die  Ereignisse  von  1577  vor,  wo  die  Nehrung  vom  Gegner 
nicht  besetzt  und  die  Verbindung  von  Danzig  mit  Weichsel- 
mftnde  nicht  behindert  war. 

Kehren  wir  nach  diesen  allgemeinen  Betrachtungen  zu 
der  Vertheidigung  von  Danzig  zurück,  so  ei'wies  sich  die  Be- 
satzung der  Vorstädte  als  ungemein  vortheilhaf t ,  da  sie  eine 
Menge  Hilfsmittel  boten  und  während  des  mehrmonatlichen 
Waffenstillstandes  fast  die  ganze  Besatzung  aufnahmen,  die  sich 
dadurch  von  den  Folgen  der  Epidemie  erholen  konnte.  Sie  ge- 
währte ferner  den  Vortheil,  innerhalb  der  besetzten  Linien  das 
neue  Getreide  ernten,  auch  von  den  befestigten,  entfernteren 
Punkten  Furagirungen  und  Ueberfälle  ausführen  zu  können. 
Auch  schützten  die  erbauten  Werke  nachher  die  Stadt  noch 
längere  Zeit  vor  dem  Bombardement.  Welcher  Unterschied 
gegen  1807,  wo  Kaikreuth  die  im  Bau  begriffene  Judenschanze, 
welche  die  Stadt  unmittelbar  bedrohte,  aufgab,  weil  er  die 
Verluste  fürchtete,  die  bei  dem  voraussichtlichen  Kampf  um  die- 
selbe erfolgen  würden! 

Der  Verfasser  des  AperQU,  weit  davon  entfernt,  eine  Aner- 
kennung des  Gegners  auszusprechen,  sucht  die  Vortheile,  welche 
dieser  von  der  vorgeschobenen  Stellung  zog,  abzuschwächen, 
und  wendet  sich  S.  406  namentlich  gegen  die  von  d'Artois  her- 
vorgehobene Thatsache,  die  auch  anderweitig  bestätigt  wird, 
dass  von  den  entferntem,  befestigten  Punkten  mit  Leichtigkeit 
JTura^irungen  vorgetrieben  worden  seien.     Er   behauptet,    ein 


489 


entfernter  Punkt  sei  nur  Langfuhr  gewesen,  die  übrigen  hätten 
alle  unter  dem  Kanonenschuss  der  Festung  gelegen.  Von  Lang- 
fulir  aber  sei  nie  eine  Furagirung  ausgegangen  und  an  den 
übrigen  Punkten  seien  Versuche  dieser  Art  zurückgeschlagen 
worden.  Er  behauptet  ferner,  die  Befestigung  des  Ziganken- 
bergs  sei  ganz  unnütz  gewesen,  und  die  darauf  verwendete  Ar- 
beit hätte  anderwärts  vortheilhafter  verwerthet  werden  können. 
Namentlich  hätte  der  Vertheidiger  den  grossen  Fehler  began- 
gen, die  Höhen  der  Schottenhäuser  nicht  mit  einem  grössern 
Werk  vei-sehen  zu  haben.  Er  habe  nicht  erkannt,  dass  von 
dort  aus  die  Speicherinsel,  wo  die  Magazine  untergebracht 
waren,  zu  erreichen  sei.  Der  Vertheidiger  sei  nur  deshalb  so 
lange  im  Besitz  der  Punkte  im  Vorterrain  gewesen,  als  das 
Blockadekorps  wegen  seiner  Schwäche  unfähig  war,  ihn  daraus 
zu  vertreiben.  Sobald  der  Herzog  es  dagegen  an  der  Zeit  ge- 
funden habe,  sich  in  den  Besitz  eines  jener  Punkte  zu  setzen, 
sei  das  auch  erfolgt. 

In  allen  diesen  Punkten  stehen  sich  die  Ansichten  schroff 
gegenüber,  aber  vollkommen  im  Recht  ist  der  Herzog,  wenn  er 
den  General  Rapp  und  seine  Ingenieure  bespöttelt,  dass  sie  die 
bei  Langfuhr  und  Neu-Schottland  nach  deren  Eroberung  ausge- 
führten Arbeiten  der  Russen  als  eine  in  Ernst  gemeinte  Attacke 
gegen  die  Olivaer  Front  angesehen  und  sich  infolgedessen  auf 
bedeutende  Arbeiten  vor  dieser  Front  ^)  und  auf  dem  Holm 
eingelassen  hätten.  Auriol  bemüht  sich  vergebens,  die  franzö- 
sischen Ingenieure  in  dieser  Beziehung  in  Schutz  zu  nehmen^), 
indem  er  behauptet,  die  nach  dem  Waffenstillstände  ausge- 
führten Arbeiten  hätten  ebensowohl  einen  Angriff  auf  die 
Olivaer  Front,  wie  auf  den  Hagels-  und  Bischofsberg  im  Auge 


*)  Der  Verfasser  des  Apercu  scheint  der  Ansicht  zu  sein,  dass  das  ganze 
Retranchement  Zigankenberg  infolgedessen  erbaut  worden  sei.  Das  ist  jedoch 
ein  Irrthum.  Der  Zigankenberg  und  der  Krähenberg  sind  schon  vor  dem 
Waifenstillstande  befestigt  worden,  und  die  3  Lünetten  zwischen  beiden  wur- 
den den  Ta^  nach  Eröifnung  der  Feindseligkeiten  begonnen,  als  Langfuhr 
noch  im  Besitz  des  Belagerten  war.  Nur  die  Linie  von  Aller  Engeln  bis  zur 
Weichsel  wurde  infolge  der  Scheinattacke  erbaut,  wie  auch  die  beiden 
Batterien  auf  dem  Holm. 

2)  Auriol  S.  129,  146, 


_  j*?9 

gehabt.     Sowohl  d'Artois  wie  Campredon   wissen  davon  nichts, 
sondern  geben  nur  locale  Gründe   für  diese  Arbeiten   an   und 
sprechen,    nachdem    die  russischen  Arbeiten  bei  Langfuhr  und 
Neu-Schottland  sich  mehr  entwickelt  hatten,  die  üeberzeugung 
aus,  dass  der  Belagerer  im  Ernst  den  Angriff  auf  die  Olivaer 
Front    beabsichtigt    hätte*).      Sie    schrieben    den    plötzlichen 
Wechsel,   der   nach   Erstürmung   der  Schottenhäuser   erfolgte, 
dem  Umstände  zu,  dass  sie  (die  Russen)  sich  nach  einem  Monate 
angestrengter  Arbeiten  überzeugt  hätten,  sich  in  eine  Sackgasse 
begeben  zu  haben,   und  nun  die  Sache  wieder  in  die  richtigen 
Wege  leiten  wollten*).     Dass  diese  Ansicht   eine   falsche  ist, 
geht  einfach  daraus  hervor,    dass   die   Absicht,    den  Bischofs- 
berg anzugreifen,  schon  im  Sommer  feststand  und  die  Vorbe- 
reitungen  dazu   getroffen  wurden,    sobald   die   englischen  Ge- 
schütze  eintrafen.     Der  Belagerte   hätte  schon  an  den  Trans- 
porten, die  seit  ende  September  von  Koliebken  nach  Miggau  etc. 
gingen,   und  wie    aus   dem  Tagebuch  Campredon's  hervorgeht, 
von  ihm   bemerkt  wurden,  schliessen  können,   worum   es  sich 
handelte.     Aber  selbst  der  Nachdruck,  den   die  Alliirten  beim 
Sturm  auf  die  Schottenhäuser  entwickelten  und  der  Bau  der 
Batterien  daselbst  hat  die   französischen  Ingenieure  nicht  be- 
lehrt.    Sie   hatten  nur  die   Wirkung,   dass   die   Reduten   von 
Friaul  verstärkt  und  die  2.  Kupüre  erbaut  wurde.     Die  Armi- 
rung  des  Bischofsberges  gegen   den   förmlichen   Angriff  unter- 
blieb und  wurde  erst  nach  Eröffnung  der  1.  Parallele  ausge- 
führt.    Die  avanc6e  Kirgener  wurde  erst  in  Angriff  genommen, 
als  es  zu  spät  war,   und  konnte  nicht  melir  beendigt  werden. 
Der  Verfasser  des  Apercu  wendet  sich  sodann  gegen  die 
Unvorsichtigkeit  des   Vertheidigers,    sämmtliche   Vorräthe  auf 
der  Speicherinsel  angehäuft  zu  haben,  anstatt  sie,  wie  es  1807 
geschehen  sei,  in   der   Stadt  zu  vertheilen.    Er  sagt  S.  399, 
dass  dieser  Umstand  allein  die  Veranlassung  zum  Bombardement 

')  Nnr  der  General  Lepin  sträubte  sich  dagegen,  dass  der  Belagerer  sich 
entschliessen  könnte,  &  entreprendre  des  cheminemens  dans  an  terrain  bas  et 
niar^cageux,  oü  il  anrait  k  essuyer  les  fenx  multiples  d'ouvrages  qui  le 
plongeaient,  le  debordaient  meme,  et  le  prenaient  ä  dos.  (Rapport  de  Tar- 
tillerie.    Auriol  S.  146.) 

«)  Auriol  3.  161, 


491 


gewesen  sei.  Solche  Behauptungen  sind  nachträglicli  leicht  auf- 
zustellen. Die  Beschiessung  der  Altstadt  von  Kabrun  pp.  aus 
beweist  hinlänglich,  dass  das  Bombardement,  w^enn  auch  nicht 
von  der  Höhe  der  Schottenhäuser,  lange  vorher  geplant  war, 
bevor  die  Vorräthe  nach  der  Speicherinsel  geschaift  wurden, 
denn  dies  fand  erst,  zum  Theil  wenigstens,  infolge  der  Be- 
schiessung der  Altstadt  statt.  Auch  hat  der  Belagerer  keinen 
Anstand  genommen,  die  Stadt  zu  beschiessen,  so  dass  er  den 
Protest  des  englischen  Militair-Bevollmächtigen  hervorrief.  Wenn 
er  so  genau  über  den  Ort,  wo  sich  die  Vorräthe  befanden,  unter- 
richtet war,  wie  er  angiebt,  so  wäre  es  nicht  zu  entschuldigen, 
dass  er  den  südlichen  Theil  der  Speicherinsel,  der  das  Privateigen- 
thura  der  Kaufleute  enthielt,  in  Brand  geschossen  hat,  wie  dies 
am  20.  Oktober  geschah. 

Im  übrigen  befanden  sich  die  Vorräthe  der  Besatzung  ausser- 
halb der  Schussweite  der  Batterien  und  des  Belagerers,  und  nur 
dadurch,  dass  sich  infolge  heftigen  Windes  das  Feuer  dahin 
verbreitete,  sind  sie  ein  Kaub  der  Flammen  geworden.  Den 
Vertheidiger  trifft  nur  der  Vorwurf,  die  Magazine  nicht  isolirt 
zu  haben. 

Auch  die  Vorwürfe,  welche  der  Verfasser  des  Apergu  S.  412 
dem  Vertheidiger  macht,  sind  nicht  gerechtfertigt.  Er  greift 
eine  Bemerkung  d'Artois'  (S.  493)  auf,  wonach  der  Vertheidiger, 
nachdem  der  Belagerer  sich  in  der  1.  Parallele  vollständig 
etablirt  hat  und  seine  Batterien  das  üebcrgewicht  über  die  des 
Belagerten  erlangt  haben,  sich  darauf  zu  beschränken  habe,  den 
Naheangriff  durch  kleine  Ausfälle  zu  bekämpfen,  um  die  Arbeiten 
des  Angreifers  zu  zerstören,  und  sucht  zu  beweisen,  dass  Rapp 
nicht  entfernt  nach  diesem  Grundsatz,  den  auch  er  als  richtig 
anerkenne,  gehandelt  habe.  Dagegen  ist  zunächst  zu  bemerken, 
dass  der  Herzog  dem  Vertheidiger  gar  nicht  Gelegenheit  geboten 
hat,  den  Grundsatz  zur  Anwendung  zu  bringen,  weil  er  noch 
am  Tage  der  Kapitulation  über  600  Schritt  vom  Bischofsberg 
entfernt  war,  jene  kleinen  Ausfälle  aber  erst  in  nächster  Nähe 
höchstens  bis  zur  3.  Parallele  (etwa  150  Schritt)  stattfinden 
dürfen,  wenn  sie  überhaupt  von  Erfolg  sein  sollen.  Statt  dessen 
wirft  er  Rapp  vor,  den  Bau  der  1.  Parallele  und  die  Armirung 
derselben  nicht  durcfe  Ausfälle  gestört  zu  haben.    „Haben  die 


492 


Vertheidiger",   ruft  er  aus,    „auch   nur   eine   einzige  Faschine 
ausgerissen  oder  ein^n  einzigen  Schanzkorb  in  den  zahlreichen 
Werken,  welche  die  Russen  um  Danzig  herum  erbaut  haben, 
umgeworfen?"    Man  begreift  es  min.  warum  der  Verfasser  des 
AperQU  die  Zerstörung  der  von  den  Russen  nach  Erobening  der 
avanceen  Friaul  und  Kirgener  erbauten  Kommunikationen  nach 
rückwärts  und  das  in  derselben  Nacht  vom  1.  zum  2.  November 
aufgeworfene  Rctranchement  für  150  Mann  (S.  297)  verschweigt. 
Den  General,  der  letzteres  leitete  und  dabei  scliwer  verwundet 
wurde,  lässt  er  statt  dessen  den  Angriff  auf  avancee  Kirgener 
ausführen.     Den  Ausfall  des  Generals  Husson   am  Morgen  des 
3.  gegen  den  Bau  der  1.  Parallele   leugnet  er,    obgleich  er  in 
allen  Berichten  und  auch  in  dem  Tagebuch  der  Division  Hen- 
delet  S.  138  erwähnt  wird.   Letzteres  giebt  auch  den  Verlust  an. 
Gegen  die  Armirung  der   1.  Parallele^  ist  allerdings  kein  Aus- 
fall gemacht  worden,  obgleich  das  Geräusch  davon  in  der  Stadl 
vernommen  wurde,  aber  zu  dieser  Zeit  (Nacht  vom  16.  zum  17. 
November)  war  der  Geist  der  nicht  französischen  Truppentheile 
schon   zu  bedenklich  unruhig,   um   an   solche  Unternehmungen 
denken  zu  können. 

2.    Der  Angriff. 

Auf  die  unfähige  Leitung  des  Generals  Löwis  ist  bereits 
oben  hingewiesen  worden.  Wenn  die  Schwäche  des  Blockade- 
korps auch  manches  entschuldigt,  so  sind  die  Fehler,  die  er  be- 
ging, doch  zu  auffallend.  Dass  die  Nehrung  bei  Neufehr,  wo 
sie  sich  am  engsten  zusammenzieht,  nicht  befestigt,  der  Oberst 
Rosen  selbst  nicht  mit  Artillerie  versehen  wurde,  während  zwei 
schwere  Batterien  nach  dem  grossen  Werder  zurückgeschickt 
wurden,  damit  sie  sich  daselbst  verpflegten,  dass  auch  in  den 
Stellungen  vor  Danzig  die  Hilfsmittel  der  Befestigung  nicht 
herangezogen  und  die  in  den  Dörfern  um  Danzig  vorhandenen 
Vorräthe  an  Lebensmitteln  und  Furage  nicht  zurückgeschickt 
wurden,  dass  forner  der  General  Löwis  das  Hauptquartier  nach 
Koliebken  verlegte  und  die  Verhältnisse  vor  Danzig  ihrem 
Schlendrian  überliess,  was  denn  auch  dazu  führte,  dass  der 
Ausfall  vom  24.  März  nach  St.  Albrecht  gelingen  konnte,  ohne 
dass  irgend   etwas  geschah,  die  Verbindung  des  Gegners  mit 


493 


Danzig  aufzuheben,  alles  das  sind  Fehler,  dio  nicht  zu  ent- 
schuldigen sind.  Mit  der  Uebernahme  des  Kommandos  durch 
den  Herzog  tritt  ein  belebendes  Element  ein,  das  sich  nach 
allen  Richtungen  hin  Geltung  verschafft.  Man  darf  den  Her- 
zog nicht  nacli  seinem  Buch  beurtheilen.  Sein  ehrgeiziger,  leicht 
gereizter  Charakter  hat  ihn  darin  zu  Urtheilen  hingerissen,  die 
nicht  immer  das  richtige  Mass  halten.  Von  seinen  Massregeln, 
auf  die  ich  in  obiger  Darstellung  (S.  288)  verweise,  erwies  sich 
vornehmlich  die  Harzelierung  des  Gegners  durch  tägliche  kleine 
Detachements  so  wirksam,  dass  sie  den  Gegner  zur  Verzweiflung 
brachten  und  Rapp  zu  dem  Ausfall  vom  9.  Juni  veranlassten, 
der  ihm  schwere  Verluste  beibrachte.  In  dem  daraus  entsprin- 
genden Gefecht  hatte  der  Herzog  Gelegenheit,  seine  hohe  Be- 
gabung als  Feldherr  zu  zeigen.  Auch  seine  Charaktereigen- 
schaften, die  zähe  Natur,  mit  der  er  alle  Schwierigkeiten  über- 
wand und  die  Widersetzlichkeit,  die  in  der  Armee  gegen  eine 
förmliche  Belagerung  herrschte,  in  ihre  Grenzen  zurückwies, 
haben  wesentlich  zu  seinem  schliesslichen  Erfolg  geführt.  Aber 
einen  tiefern  Einblick  in  das  Wesen  der  Artillerie  und  des 
Festungskrieges  muss  ihm  abgesprochen  werden.  Die  damalige 
Artillerie,  wie  er  es  thut,  auf  3000  Schritt  und  mehr  zu  ver- 
wenden, war  Munitionsverschwendung.  Er  hat  die  Batterien 
Schellmühl  und  Kabrun  trotz  ihrer  grossen  Entfernung  von  der 
Stadt,  bis  zuletzt  in  Thätigkeit  erhalten  und  von  den  Höhen 
von  Pitzkendorf  und  dem  grossen  Belvedere  den  Zigankenberg 
bekämpfen  wollen;  er  hat  selbst  2  —  24 Pfänder  nach  Brösen 
gesendet,  um  von  hier  aus  den  General  Rapp  in  seiner  Wohnung 
zu  beunruhigen;  er  hat  die  Steinschleuse  in  der  Nacht  be- 
schiessen  lassen,  obgleich  er  bei  dem  kleinen  Ziel  und  der 
weiten  Entfernung  selbst  am  Tage  auf  keinen  Erfolg  rechnen 
konnte.  Er  rühmt  sich  des  Angriffs  auf  die  Schottenhäuser  und 
der  von  hier  aus  erkämpften  Erfolge,  indem  er  es  so  darstellt, 
als  ob  die  Festsetzung  daselbst  das  Bombardement  bezweckt 
habe,  während  ihm  die  Idee  des  Bombardements  erst  gekommen 
ist,  als  die  Batterien  das  Feuer  gegen  die  Jesuiterschanze,  wo- 
zu sie  bestimmt  waren,  eröffnen  wollten.  Dass  das  Bombar- 
dement Erfolg  hatte,  war  nicht  sein  Verdienst.  Es  lag  ausser- 
halb aller  Berechnung,  dass   die  Speicher  im  nördlichen  Theil 


494 


der  lüsel,  welche  die  Lebensmittel  enthielten,  von  diesseitigen 
Geschossen  erreicht  werden  konnten.  Trotzdem  glaubte  er,  sie 
durch  Wurffeuer  erreichen  zu  können,  und  musste  sich  erst  vom 
Major  Liebe  belehren  lassen,  dass  glühende  Kugeln  aus  Kanonen 
vorzuziehen  seien.  Das  Bombardement  hat  ihn  dann  von  den  be- 
absichtigten Angriffen  auf  den  Zigankenberg  und  die  Jesaiter- 
schanze  abgezogen,  die  dem  Angriff  auf  den  Bischofsberg  voraus- 
gehen mussten.  Sein  Angriff  auf  die  Schanzen  des  Zigankenbergs, 
ausschliesslich  durch  Artillerie,  ist  gänzlich  verunglückt.  Er 
hatte  die  günstigste  Zeit  dazu  während  des  Scheinangriffs  gegen 
die  Olivaer  Front  vorüber  gehen  lassen  und  war  seit  Etablirung 
an  den  Schottenhäusern  ausserstande ,  mit  der  Sappe  gegen 
jene  Schanzen  vorgehen  zu  können.  Der  Verfasser  des  Apercu 
ist  femer  der  Ansicht,  das  Feuer  der  Artillerie  habe  den  Bi- 
schofsberg völlig  unhaltbar  gemacht,  so  dass  Rapp  infolgedessen 
auf  die  Kapitulation  eingegangen  sei.  Der  Vertheidiger  hat 
jedoch,  wie  der  Major  Liebe  bezeugt,  das  Feuer  in  der  Nacht 
bis  zuletzt  fortgesetzt,  und  der  Zustand  der  Werke  des  Bischofs- 
berges hat  gar  keinen  Einfluss  auf  Rapp  ausgeübt.  Wie  sehr 
sich  der  Herzog  hierin  täuschte,  geht  aus  dem  Bericht  PuUet's 
an  den  König  vom  23.  November  hervor.  Er  sagt  darin:  „Im 
Allgemeinen  wird  der  Feind  nunmehr  auf  dem  Bischofsberge 
nicht  nur  in  ein  kreuzendes  Feuer  gesetzt,  sondern  es  dürfte 
sich  leichtlich  ergeben  statt  über  den  Stolzenberger  Grund  zur 
3.  Parallele  zu  gehen,  man  mittelst  der  abgelassenen  Radaune 
mit  Vortheil  gegen  das  Petershagener  Thor  ungleich  leichter  als 
gegen  den  Bischofsberg  selbst  wird  vorschreiten  können.  Es 
kommt  hierbei  bloss  darauf  an,  dass  das  Feuer  unsers  rechten 
Flügels  sich  so  wirksam  zeigt,  als  das  des  linken"  (Kr.-Archiv 
F.  19).  Pullet  sah  in  den  bisherigen  Erfolgen  nur  eine  Staffel 
vorwärts,  von  der  aus  der  eigentliche  Angriff  erst  erfolgen 
sollte. 

Nicht  minder  unklar  oder,  wie  es  scheint,  abhängig  von 
seiner  Umgebung,  zeigte  sich  der  Herzog  inbezug  auf  die  Lü- 
netten  Friaul.  Seine  technischen  Rathgeber,  Pullet  und  Schul- 
mann, drangen  darauf,  sich  ihrer  gewaltsam  zu  bemächtigen, 
gleichzeitig  mit  dem  Angriff  auf  die  Schottenhäuser.  Der  Her- 
zog war  auch  anfänglich  dafür  gewonnen  worden,  aber  andere 


495 

Einflüsse  ^)  brachten  ihn  wieder  davon  zurück,  so  dass  der  Ver- 
theidiger  Zeit  gewann,  die  Werke  zu  verstärken  und  durch  An- 
lage neuer  (avauc6e  Frioul  und  2.  Kupüre)  zu  vermehren.  Der 
Herzog  suchte  sich  nunmehr  der  Werke  durch  die  Sappe  zu 
bemächtigten,  aber  die  hierbei  angestellten  Leiter  (Pullet  war 
nicht  darunter)  kamen  nicht  damit  zustande.  Da  die  Zeit  drängte, 
den  Angriff  gegen  den  Bischofsberg  zu  beginnen,  indem  das 
Material  dazu  seit  dem  25.  Oktober  bereit  stand,  der  Besitz 
der  Werke  auf  der  Jesuiterhöhe  vor  Eröffnung  der  1.  Parallele 
aber  durchaus  nothwendig  erschien,  gab  der  Herzog  nach,  dass 
gleichzeitig  mit  der  Festsetzung  auf  dem  Plateau  Stolzenberg 
ein  Angi'iff  auf  die  avancee  Friaul  und  auf  die  avanc6e  Kirgener 
gemacht  werden  sollte^).  Die  Nacht  vom  1.  zum  2.  November 
wurde  dazu  ausersehen.  Obgleich  die  Angriffe  auf  die  beiden 
avanc6es  gelangen,  mussten  sie  wieder  aufgegeben  werden,  und 
auch  die  Festsetzung  auf  dem  Plateau  Stolzenberg  scheiterte. 
Durch  einen  wunderbaren  Zufall  war  in  derselben  Nacht  die 
Speicherinsel  infolge  des  Bombardements  in  Flammen  aufge- 
gangen, und  die  daselbst  aufgestapelten  Vorräthe  au  Lebens- 
mitteln pp.  waren  verbrannt.  Die  Wirkung  dieser  Verluste  auf 
die  Besatzung  und  deren  Führer  war  geradezu  lähmend.  Die 
avanc6e  Kirgener  und  das  Plateau  Stolzenberg  wurden  in  der 
folgenden  Nacht  ohne  hartnäckigen  Widerstand  zu  finden,  von  den 
Russen  besetzt,  und  es  war  ein  grosser  Fehler  vom  Herzog,  dass  er 
in  dieser  Nacht  nicht  auch  die  avanc6e  Frioul  angreifen  Hess,  die 


^)  Wie  es  der  Schriftwechsel  zwischen  dem  Grafen  Dohua  nnd  dem 
Msgor  v.  Hake  (Anhang  I)  heweist,  ist  es  der  Major  v.  Hake  auf  Veranlassung 
Dohna's  gewesen,  welcher  den  Herzog  vom  Angriff  der  Jesuiterschanze  am 
10.  Oktoher  hat  abstehen  lassen. 

>)  Der  Herzog  bestreitet  das  und  behauptet  (Apercu  S.  294)  der  Sturm 
sei  gegen  seinen  ausdrücklichen  Befehl  erfolgt,  doch  wird  dem  in  dem  Bericht 
des  Grafen  Dobna  vom  2.  November  an  den  König,  in  dem  russischen  Be- 
richt der  skizzirteu  Geschichte  und  in  den  Briefen  des  preussischen  Land- 
wehrofficiers  in  der  Allgem.  Militair-Zeitung  widersprochen.  Bei  dem  Miss- 
trauen,  welches  die  Angaben  des  Apercu  erwecken,  muss  man  sich  auf  ihre 
Seite  stellen.  Der  Herzog  hatte  Grund,  den  Befehl  zu  leugnen,  damit  er 
geltend  machen  konnte,  er  habe  die  baldige  Bänmung  dieser  Werke  voraus- 
gesehen. 


496 


unzweifelhaft  gefallen  wäre  *).  Die  erste  Parallele  konnte  in 
der  Nacht  vom  3.  zum  4.  November,  soweit  sie  zu  Batterie- 
anlagen geeignet  war,  beendet  werden. 

Nachdem  aber  am  17.  das  Feuer  der  Batterien  der  1.  Pa- 
rallele eröffnet  war  und  am  22.   die  Lünetten  Friaul  besetzt 
wurden,   stockte  der  Sappenangriff  von   neuem.     Der  Herzog 
glaubte,  alles  mit  einem  Artillerieangriff  machen  zu  können.  Es 
ist  gar  nicht  abzusehen,  wohin  das  schliesslich  geführt  hätte, 
da  die  bald  darauf  eintretende  Kälte  ein  Sappiren   unmöglich 
gemacht  hatte,  wenn  nicht  der  Abfall  der  Truppen  nicht  fran- 
zösischer Nationalität  den  General  Rapp  gezwungen  hätte,  den 
immer  dringender  werdenden  Aufforderungen  des  Herzogs  nach- 
zugeben  und   eine  Kapitulation  abzuschliessen.     Dass  dies  der 
alleinige  Grund  zum   Abschlüsse    derselben  war,    ergiebt  sich 
ausser  den  Aussagen  Rapp's  in  dem  desfalls  abgehaltenen  Kriegs- 
rath  daraus,   dass  Lebensmittel  noch  bis   zum   1.  Januar  vor- 
handen waren  und  bis  dahin  sich  noch  Chancen,  wie  z.  ß.  ein- 
tretende Kälte,  ergeben  konnten,   die  Belagerung  aufzuheben. 
Jedenfalls   hat  die  Demolirung  der  Werke  des  Bischofsberges 
durch  die  russische  Artillerie,  wie  das  Apercu  glauben  machen 
will,  keinen  Einfluss  auf  den  Entschluss  des  Generals  Rapp  and 
des  Kriegsraths  ausgeübt*). 

3.  Bemerkungen  zum  Apergn  des  Operations  des  tronpes  alliies 

devant  Danzig  en  1813. 

Das  AperQu  des  Herzogs  von  Würtemberg  giebt  noch  zur  Auf- 
werfung anderer  Fragen  Veranlassung,  zunächst  zu  der,  welche 


^)  Die  Zagheit,  die  der  Herzog  hier  bewies,  hat  die  AngrifFsarbeiten 
auf  nahezu  3  Wochen  verzögert,  denn  das  Vorschreiten  der  Sappen  war  ganz 
vom  Besitz  der  Werke  auf  der  Jesuiter-Hühe  abhängig,  da  in  der  Front  der 
1.  Parallele  wegen  des  Feuers  vom  Zigaukenberge  mit  der  Sappe  nicht  vor- 
gegangen werden  konnte.  Pullet  unternahm  es  schliesslich,  persönlich  die 
Lünetten  Friaul  mit  der  Sappe  zu  umgehen,  und  führte  das  in  3  Tagen  (19., 
20.  und  21.  November)  aus,  so  dass  der  Vertheidiger  die  Werke  der  Jesuiter- 
höhe  am  22.  freiwillig  räumte. 

•)  Der  Verfasser  des  Apercu  behauptet  (S.  352,  398) ,  dass  die  Artillerie 
des  Bischofsberges  völlig  zum  Schweigen  gebracht  worden  und  die  Demolirung 
der  Werke  desselben  vollständig  gewesen  sei.  Dem  widersprechen  jedoch 
d'Artois  wie  Campredon  und  die  preussischen  Berichte.    Die  Zeugnisse,  welche 


49? 

auch  bei  Eintheilung  des  Stoffs  zur  Darstellung  der  Belagerung 
zur  Sprache  kommt:  wo  endigt  die  Blockade,  wo  beginnt  die 
Belagerung  von  Danzig  im  Jahre  1813? 

D'Artois  geht  S.  454  ziemlich  cavalierement  darüber  hin- 
weg, indem  er  sagt,  die  Blockade  habe  8  Monate,  die  Belagerung 
4  Monate  gedauert.  Er  rechnet  also  die  2V2  monatliche  Zeit 
des  Waffenstillstandes  zur  Blockade  und  den  Monat  December, 
der  in  voller  Ruhe  verlief,  zur  Belagerung.  Der  Beginn  der 
letzera  würde  demnach  der  Monat  September  sein.  Der  Ver- 
fasser des  AperQu  weist  diese  Rechnung  mit  Entrüstung  zurück. 
Er  sieht  den  Tag  der  Eröffnung  der  1.  Parallele  gegen  den 
Bischofsberg,  den  er  am  3.  November  annimmt,  als  Beginn  der 
Belagerung  au,  so  dass  diese  bis  zur  Kapitulation  am  29.  No- 
vember 26  Tage  gedauert  hat.  Auf  die  Blockade  fallen  dem- 
nach 6  Monate  29  Tage  (vom  22.  Januar  bis  3.  November  nach 
Abrechnung  des  Waffenstillstandes).  Aber  auch  diese  Rechnung 
ist  nicht  zutreffend.  Der  Scheinangriff  gegen  die  Olivaer  Front 
gehört  offenbar  mit  zur  Belagerung  und  doch  wohl  auch  die 
Zeit  der  Vorbereitungen  dazu,  die  mit  dem  Wiederbeginn  der 
Feindseligkeiten  am  24.  August  ihren  Anfang  nehmen.  Denn 
dass  die  Blockade  während  dieser  Zeit  unterhalten  werden 
musste,  theilt  sie  mit  der  Periode  offener  Tranchee.  Ausser- 
dem irrt  der  Verfasser  des  Apergu  darin,  dass  er  die  Eröffnung 
der  1.  Parallele  gegen  den  Bischofsberg  auf  den  3.  November 
setzt,  während  sie  am  2.  stattfand,  wie  sie  auch  die  Franzosen 
und  an  einer  Stelle  selbst  der  Herzog  annehmen. 


das  apenjn  dagegen  S.  370,  372,  B73  anführt,  sind  ohne  Belang.  Den  Ver- 
fasser der  defense  de  Danzig  1813,  Herrn  v.  M***,  führt  das  Apercu  dabei 
als  zur  Besatzung  gehörig  auf,  was  nicht  der  Fall  ist.  Die  Behauptung  des 
AperQu  (S.  374  und  415),  dass  die  fremdländischen  Truppen  der  Besatzung 
bis  auf  den  letzten  Tag  im  Dienst  verwendet  worden  sind,  so  dass  er  die 
Stärke  der  Besatzung  am  Tage  der  Kapitulation  noch  auf  17043  Mann  an- 
giebt,  ist  bei  den  mehrfachen  Zeugnissen,  die  dagegen  sprechen,  ganz  uner- 
klärlich. Nach  Campredon  S.  203  war  die  Besatzung  am  9.  November  noch 
12900  Kombattanten,  4097  Kranke  und  600  Beamte  stark,  wovon  8000  Fran- 
zosen. Die  Angabe  d'Artois'  (S.  454),  dass  sie  19392  Mann  verloren  habe 
und  nach  dem  Abfall  der  fremdländischen  Truppen  nur  noch  6000  bis  7000 
Kombattanten  stark  gewesen  sei,  ist  daher  durchaus  wahrscheinlich. 

Köhler,  Oescüichte  der  Festungen  Danzig  and  Weichselmünde.  IL  32 


498 

Ein  anderer  Punkt  betrifft  die  Frage,  ob  der  Waffenstill- 
stand dem  Belagerer  oder  dem  Belagerten  nachtheilig  gewesen 
sei?  Der  Verfasser  des  Apercu  behauptet  S.  418  das  ei-stere 
mit  grosser  Entschiedenheit,  indem  er  geltend  macht,  dass  die 
Besatzung  während  des  WaffenstiUstandes  mit  Lebensmitteln 
versehen  worden  ist,  also  ihre  Vorräthe  nicht  hat  angreifen 
brauchen.  Er  berücksichtigt  dabei  nicht,  dass  die  Besatzung 
während  der  2Vs  Monate  an  Zahl  nicht  unbedeutend  abgenommen 
hat,  da  die  Epidemie  noch  keineswegs  erloschen  war,  und  dass 
sie  auch  ihre  Vorräthe  hat  angreifen  müssen,  da,  wie  der  Ver- 
fasser des  Apercu  S.  140  selbst  zugiebt,  die  Lieferungen  nicht 
vollständig  gemacht  werden  konnten.  Wenn  der  Verfasser  noch^ 
ferner  geltend  macht,  dass  der  Waffenstillstand  dem  Belagerer 
die  kostbarste  Zeit  genommen  habe,  die  er  infolge  seiner  ge- 
wonnenen Ucberlegenheit  hätte  benutzen  können,  den  Belagerten 
aus  den  Vorstädten  zu  vertreiben,  so  will  das  bei  der  That- 
sache,  dass  der  Belagerungstrain  erst  im  September  eintraf  und 
die  Ausschiffung  der  Geschütze  bis  zum  29.  dieses  Monats 
dauerte,  die  Bereitstellung  bis  zur  Belagerung  des  Bischofs- 
berges aber  erst  am  25.  Oktober  beendet  war,  nichts  bedeuten, 
da  die  Belagerung  doch  nicht  früher,  wie  geschehen,  hätte  be- 
ginnen können.  Der  Waffenstillstand  war  daher  dem  Belagerten 
unbedingt  nachtheilig,  während  man  das  beim  Belagerer  nicht 
sagen  kann,  um  so  weniger,  als  die  unglücklichen  Einwohner 
Danzigs  keine  Zufuhren  erhielten  und  einem  traurigen  Schick- 
sal entgegengingen.  Dass  dies  nicht  ohne  Nachtheil  für  die 
Besatzung  war,  geht  einfach  daraus  hervor,  dass  Rapp  die- 
jenigen, welche  ihren  Unterhalt  nicht  nachweisen  konnten, 
aus  Danzig  vertrieb,  der  Herzog  sie  aber  nicht  passiren  Hess, 
in  ihnen  also  eine  Last  für  die  Besatzung  erblickte. 

Bis  zu  welchem  Grade  die  Missgunst  des  Herzogs  gegen 
Rapp  ging,  zeigt  seine  Behauptung  im  Apergu  S.  421,  dass 
Danzig  1813  von  allen  wichtigen  Plätzen  der  erste  gewesen 
sei,  welcher  trotz  seiner  zahlreichen  Besatzung  kapitulirt  habe. 
Nun  ist  bekanntlich  Thorn,  Spandau,  Stettin,  Dresden,  Erfurt 
vor  Danzig  gefallen,  Magdeburg  und  Hamburg  waren  noch  gar 
nicht  eingeschlossen,  und  was  es  mit  der  zahlreichen  Besatzung 
für  eine  Bewandniss  hat,  die  für  die  ausgedehnten  Werke  nie 


499 

ausreichend  war,  haben  wir  gesehen.  Welcher  Grad  der  6e- 
reitztheit  liegt  daher  nicht  in  der  Behauptung! 

Auf  das  grosse  Interesse,  das  die  taktischen  Vorfälle  vor 
Danzig  darbieten,  habe  ich  schon  oben  hingewiesen.  Der  Ver- 
fasser des  AperQu  macht  S.  28  dem  General  Rapp  den  Vor- 
wurf, dass  er  von  dem  grossen  Vortheil,  den  er  vor  dem 
Waffenstillstand  gegenüber  dem  schwachen  Blockadekorps  hatte, 
nicht  verstanden  habe,  Nutzen  zu  ziehen.  Er  geht  hierbei  von 
der  Voraussetzung  aus,  dass  er  doppelt  so  stark  gewesen  sei 
und  lauter  Elitetruppen  gehabt  habe.  Beides  habe  ich  bereits 
oben  als  Irrthura  nachgewiesen.  Der  Verfasser  ist  aber  auch 
(S.  71)  der  Ansicht,  dass  der  Vertheidiger  selbst  bei  geringerer 
Stärke  gegen  das  Blockadekorps  im  Vortheil  sei,  weil  er  in 
Masse  auf  einen  schwachen  Punkt  des  Gegners  fallen  kann, 
der  durch  die  Nothwendigkeit  ein  ausgedehntes  Terrain  beob- 
achten zu  müssen,  zerstreut  und  durch  tausend  Hindemisse  in 
sich  getrennt  sei,  so  dass  ein  einzelnes  Detachement  vernichtet 
werden  kann,  bevor  ihm  Verstärkungen  zugekommen  sind.  Der 
Verfasser  des  Apercu  hat  hier  die  Nehrung  im  Auge,  die  aller- 
dings sehr  ausgesetzt  war,  deren  Besatzung  bei  dem  Ueberfall, 
den  sie  erlitt,  aber  auch  nichts  gethan  hatte,  um  sich  dagegen 
zu  schützen.  Nachdem  sie  sich  gegen  Ueberfällo  gesichert 
hatte,  ist  vom  Vertheidiger  kein  derartiger  Versuch  mehr 
gemacht  worden.  Er  wusste  zu  gut,  dass  bei  einem  starken 
Ausfall  dahin  seine  Stellungen  im  Vorterrain  von  Danzig  im 
höchsten  Grade  gefährdet  waren. 

Der  Verfasser  des  Apergu  glaubt  einen  Irrthum  berichtigen 
zu  müssen,  worin  nach  seiner  Ansicht  Viele  befangen  wären, 
dass  nämlich  das  Blockadekorps  im  Vortheile  sei.  Er  geht 
selbst  so  weit,  zu  behaupten,  dass,  wenn  der  Vertheidiger  gleich 
stark  oder  stärker  ist,  als  das  Blockadekorps,  dem  Kommandeur 
desselben  nichts  übrig  bleibt,  als  sein  Korps  an  einem  vor- 
theilhaften  Punkt  zu  koncentriren  und  die  Beobachtung  des 
Platzes  einer  schwachen  Vorpostenlinie  zu  tiberweisen,  die 
zahlreiche  Patruillen  auszusenden  hat.  Kleine  Detachements 
seien  ausserdem  täglich  gegen  den  Feind  auszuschicken,  um 
ihn  zu  beunruhigen  und  die  Besatzung  des  Platzes  fortwährend 
im  Alarmzustand  zu  halten. 


500 

Der  Verfasser  des  Apercu  schlägt  somit  dasselbe  System 
vor,  das  Kaiser  Friedrich  II  im  Jahre  1247  vor  Parma*)  und 
schon  vorher  die  Kreuzfahrer  vor  Antiochien  1098*)  beob- 
achteten, wovon  indessen  die  neuere  Kriegsgeschichte  kein 
Beispiel  aufzuweisen  hat*).  Er  beruft  sich  S.  391  auf  die 
„Grundsätze  der  Strategie"  (III  165)  des  Erzherzogs  Karl, 
wonach  das  Blockadekorps  unter  Umständen  um  das  sechsfache 
stärker  sein  muss,  als  der  Belagerte,  während  die  Kriegs- 
geschichte lehrt  und  seine  eigene  Erfahrung  vor  Danzig  es 
bestätigt,  dass  eine  schwächere  Armee  imstande  ist,  eine 
stärkere  einzuschliessen,  [schon  deshalb,  weil  der  Vertheidiger 
immer  nur  einen  Theil  seiner  Kräfte  zum  Ausfall  verwenden 
kann.  Nur  muss  sich  der  Blockirende  dem  Kanonenfeuer  der 
Wälle  zu  entziehen  verstehen.  Je  weiter  das  Blockadekorps 
von  den  Wällen  absteht,  desto  günstiger  wird  seine  Lage,  da 
es  bei  seiner  koncentrischen  Stellung  seine  Flankenangriffe 
gegen  den  excentrisch  vorgehenden  Gegner,  ohne  vom  Feuer 
belästigt  zu  werden,  ausführen  kann  und  alle  Aussicht  hat,  ihn 
von  der  Festung  abzuschneiden.  Es  genügt  daher  für  das 
Blockadekorps  nicht,  sich  ausserhalb  der  Schussweite  von  den 
Wällen  aufzustellen,  es  muss,  um  sich  der  vortheilhaftesten  Ge- 
fechtsführung, der  Defensiv-Offensive,  zu  bedienen,  noch  darüber 
hinaus  stehen.  Dem  Belagerten  ist  dagegen  die  Defensiv- Offensive 
versagt,  wenn  er  nicht  im  Terrain  eine  Flügelanlehnung  findet,  wie 
dies  vor  Danzig  der  Fall  war,  wo  sich  seine  Aufstellung  ausserhalb 
der  Festung  links  an  die  Inundation  und  rechts  an  die  Weichsel 
anschloss.  Er  ist  dadurch  imstande,  auf  den  Flügeln  offensiv 
vorzugehn  und  in  der  Mitte  sich  defensiv  zu  verhalten.  Grössere 
Resultate  können  immerhin  daraus  nicht  hervorgehen,  weil 
seine  Offensive    auf  den   Flügeln   nicht   über    einen    gewissen 


^)  Köhler,  Entwickelang  des  Kriegswesens  and  der  Kriegführang  in 
der  Bitterzeit  I,  382. 

«)  Ebenda  HI,  3,  150. 

')  Annähernd  kann  jedoch  das  Verhalten  des  Generals  Ton  Lascy  1734 
vor  Danzig  den  Ansichten  des  Herzogs  von  Würtemberg  entsprechend  ge- 
deutet werden,  der  seine  kleine  Armee  darch  Verschanzungen  bei  Praust  nnd 
St.  Albrecht  sicherte  und  die  Einschliessung  von  Danzig  durch  Kosacken  voll- 
ziehen Hess. 


501 


Punkt  hinausgeben  darf  und  er  unter  allen  Umständen  au  die 
Festung  gebunden  ist.  Dieser  Nacbtbeil  wird  dadurcb  so  er- 
heblich, dass  er  selbst  nach  einem  siegreichen  Gefecht  bei  ein- 
tretender Nacht  gezwungen  ist,  seine  Vortheile  aufzugeben  und 
zurückzugehen. 

Betrachten  wir  nach  diesen  Gesichtspimkten  die  grössern 
Gefechte  vor  Danzig  am  5.  und  24.  März,  am  9.  Juni  und 
29.  August. 

Am  5.  März  fand  der  Angriff  zwar  vonseiten  des  Blockade- 
korps statt,  aber  der  Vertheidiger  ging  zur  Offensive  über,  die 
damit  zu  einem  Ausfall  wurde.  Der  General  Löwis  hatte  mit 
Ausgabe  der  Disposition  seine  Einwirkung  auf  das  Gefecht  ans 
der  Hand  gegeben  und  liess  seine  Truppen  gewähren,  ohne  von 
seiner  koncentrischen  Stellung,  die  zum  Theil  auch  verloren 
gegangen  war,  Vortheile  zu  ziehen.  Er  bildete  nicht  einmal 
eine  Reserve.  Rapp  begnügte  sich  zunächst,  den  Gegner  durch 
fortwährende  kleine  Offensivstösse  hinzuhalten,  bis  er  es  an 
der  Zeit  fand,  mit  der  Reserve,  die  er  dem  General  Bachelu 
anvertraut  hatte,  einzugreifen.  Dieser  versicherte  sich  zunächst 
des  Zigankenberges ,  um  einen  Stützpunkt  für  seine  rechte 
Flanke  gegen  Pitzkendorf  hin  zu  haben,  und  liess  dann  den  in 
der  Front  befindlichen  Gegner  von  dorther  über  Schidlitz  und 
Stolzenberg  bis  Ohra  hin  aufrollen,  wo  er  noch  Gelegenheit 
fand,  den  aus  Schottland  und  Stadtgebiet  vertriebenen  Gegner 
abzufangen  und  ihm  bedeutende  Verluste  beizubringen.  Rapp 
nennt  diesen  Tag  mit  Recht  einen  der  schönsten  der  ganzen  Be- 
lagerung ^). 

Das  Gefecht  bewegte  sich,  nachdem  der  Tag  angebrochen 
war,  zum  grossen  Vortheil  des  Vertheidigers,  innerhalb  der 
Schussweite  der  Festung.  Von  beiden  Seiten  umfasst,  konnte 
der  Vertheidiger  sich  indessen  nicht  der  Defensiv-Offensive 
bedienen,  sondern  setzte  seine  Kräfte  successive  ein,  bis  er  den 
Feind  so  weit  mürbe  gemacht  hatte,  dass  er  seine  Reserve  ein- 
setzen konnte.  Das  erfolgte  in  höchst  genialer  VS'eise.  Er 
wurde  hierbei  wesentlich  dadurch  begünstigt,  dass  der  Gegner 
es  verabsäumt  hatte,  sich  eine  Reserve  zu  bilden. 

^)  H6inoire8  S.  223. 


502 

Wie  in  diesem  Gefecht,  trag  auch  in  dem  vom  24.  März 
die  kopflose  Führung  rnssischerseits  die  Schuld  an  dem  an- 
günstigen  Ausgange.  Der  Angriffspunkt  wurde  auf  französi- 
scher Seite  durch  den  Zweck  des  Ausfalls,  den  Danziger  Werder 
abzufuragiren,  bestimmt. 

Die  Stellung  des  Blockadekorps  wurde  an  der  empfind- 
lichsten Stelle  durchbrochen,  aber  der  Ausfall  stiess,  indem  er 
seine  Flankenanlehnung  an  der  Inundation  beim  weitern  Vor- 
gehn  verlor,  auf  neue  Kräfte,  die  umfassend  auf  ihn  einwirkten, 
so  dass  er  ohne  andern  Erfolg,  als  die  Beute  einer  massigen 
Anzahl  Rindviehes,  in  die  Festung  zurückkehren  musste.  Ein 
Versuch  rnssischerseits,  auf  die  Verbindung  der  ausfallenden 
Truppen  mit  der  Festung  zu  wirken,  war  unterblieben. 

Der  Ausfall  vom  9.  Juni  gab  dem  Herzoge  von  Würtem- 
berg,  der  seit  dem  1.  Mai  das  Kommando  übernommen  hatte, 
Gelegenheit,  das  Vertrauen  seiner  Trappe  zu  erwerben.  Das 
Gefecht,  das  sich  daraus  entspann,  ist  geeignet,  die  schwebende 
Frage,  ob  der  Belagerte  oder  der  Belagerer  bei  gi'össeren  Aus- 
fällen im  Vortheil  sei,  zugunsten  des  letzteren  zu  lösen.  Der 
Ausfall  geschah  unter  den  günstigsten  Verhältnissen.  Die  aus- 
fallende Trappe  konnte  sich  verdeckt  ausserhalb  der  Werke 
sammeln  und  in  völliger  Entwickelung  auf  den  Gegner  fallen, 
der  vollkommen  überrascht  wurde.  Dennoch  war  das  Resultat 
ein  für  den  Belagerten  ungünstiges.  Die  Schuld  lag  zum  Theil 
in  der  mangelhaften  Anordnung.  Die  Absicht,  das  junge  Ge- 
treide zu  hauen  und  nach  der  Stadt  abzuführen,  gab  dem  Gefecht 
von  vornherein  einen  defensiven  Charakter,  indem  die  Truppe 
mehr  zur  Deckung  des  Vorhabens  diente,  als  ihre  Aufgabe 
darin  suchte,  dem  Gegner  durch  eine  entschiedene  Offensive 
empfindliche  Verluste  beizubringen,  wie  es  Rapp  beabsichtigte, 
um  sich  von  den  seit  Ende  Mai  unausgesetzten  Alarmirangen 
ein  für  alle  Mal  zu  befreien  0.    Er  hatte  daher  den  General 


^)  Diese  beiden  Absichten  des  AnsfaHs  spricht  d'Artois  S.  148  ausdrück- 
lich ans,  und  Rapp  bestätigt  sie  in  seinen  Memoiren.  Trotzdem  behauptet 
der  Verfasser  des  Apergu  S.  61,  dass  der  AusfaU  ganz  nnmotiyirt  war  und 
legt  ihm  andere  Beweggründe  unter,  um  diese  wieder  zu  bestreiten.  Die 
Absicht  dabei  ist  nicht  zu  verkennen. 


503 


Heudelct,  welcher  den  linken  Flügel  komniandirte,  dui'cli  die 
Reserve  (33.  Division)  und  die  sehr  zahlreiche  Artillerie  ver* 
stärkt,  ihm  auch  die  Reiterei  zagetheilt.  Heudelet  glaubte 
jedoch,  dass  es  darauf  ankäme,  den  Gegner  auf  sich  zu  ziehen, 
anstatt  den  General  Husson  so  zu  verstärken,  dass  er  den 
rechten  Flügel  des  Blockadekorps  überwältigen  konnte,  um 
dann  dieses  aufzurollen.  Der  Herzog  hütete  sich  jedoch,  sich 
in  den  Schussbereich  der  Wälle  zu  begeben,  und  verhielt  sich 
bei  Wonneberg,  wohin  er  seine  Reserve  vornahm,  defensiv,  zog 
auch  den  rechten  Flügel  unter  General  Tschernisch  nach  Schönfeld 
heran,  benutzte  dagegen  seinen  linken  Flügel,  der  dem  Feuer 
der  Wälle  nicht  ausgesetzt  war,  um  den  General  Grandjean, 
der  sich  vom  Zigankenberg  bis  Langfuhr  ausdehnte,  und  dem 
die  strengste  Defensive  anbefohlen  war,  anzugreifen.  Obgleich 
sich  Rapp  mit  4  Geschützen  selbst  dahin  begab,  gelang  es  ihm 
nicht,  Erfolge  zu  erreichen.  Der  Abend  kam  heran  und  zwang 
den  Belagerten,  den  Rückzug  anzutreten,  der  nach  den  russi- 
schen Berichten  in  Unordnung  erfolgte.  Seine  Verluste  waren 
grösser  als  die  des  Gegners. 

Gleich  überzeugend  von  dem  Vortheil,  den  das  Blockade- 
korps über  den  Vertheidiger  hat,  wenn  er  sich  zu  einem  grossen 
Ausfall  verleiten  lässt,  ist  das  Gefecht  vom  29.  August.  Der 
Herzog  von  Würtemberg  fühlte  sich  nach  der  Wiedereröfl&iung 
der  Feindseligkeiten  stark  genug,  seine  Eontravallation  auf 
dem  linken  Flügel  bis  zur  Weichsel  zu  verlängern,  was  jedoch 
ohne  Gewaltmassregeln  nicht  zu  erreichen  war,  da  der  Gegner 
aus  Langfuhr,  Neu-Schottland  und  Schellmühl  vertrieben  werden 
musste.  Er  ging  dabei  mit  äusserster  Vorsicht  zuwerke  und 
suchte  seit  dem  24.  August  den  Gegner  durch  Scheinangriffe 
auf  Schidlitz,  Stolzenberg  und  Ohra  zu  täuschen.  Auch  am 
29.  August  hatte  er  nur  die  Absicht,  sich  zunächt  in  den 
Besitz  der  Höhen  zu  setzen,  die  Langfuhr  beherrschten.  Der 
General  Rapp,  der  nichts  anders  denken  konnte,  als  dass  es 
sich  um  Langfuhr  handele,  hatte  die  Besatzung  von  Danzig 
alarmirt  und  führte  den  grossem  Theil  derselben  auf  die 
Höhen  des  Zigankenberges.  Er  ging  dann  gegen  Mittag  zum 
Angriff  auf  Pitzkendorf  und  den  Johannisberg  vor.  Das  Gefecht 
dauerte  bis  gegen  Abend.    Bei  der  grössern  Gewandtheit  der 


504 

Franzosen  verlief  es  auch  im  allgemeinen  g&nstig  für  die- 
selben, bis  eine  Abtheilang  des  Blockadekorps  in  der  Starke 
von  3  preussischen  Bataillonen,  4  Eskadrons  nnd  4  Geschützen 
von  Wonneberg  ans  Über  Tempelburg  in  die  linke  Flanke  des 
Feindes  vorging  nnd  ihn  zum  RUckznge  zwang.  Die  Pointe 
liegt  anch  hier  in  der  günstigen  Stellung  des  Blockadekorps, 
die  eine  Umfassung  des  Gegners  gestattete.  Inwiefern  die  Di- 
vision Heudelet  imstande  gewesen  wäre,  den  Vorstoss  aus  Wonne- 
berg zu  verhindern,  wie  es  in  ihrer  Aufgabe  gelegen  hätte, 
muss  dahin  gestellt  werden.  Die  Division  scheint  vollständig 
durch  einen  Angriff  des  Generals  Tschernisch  auf  Ohra  in  An- 
spruch genommen  worden  zu  sein.  Die  in  Schidlitz  aufgestellten 
Truppen  dieser  Division  waren  zu  schwach,  die  Umgehung  zu 
hindern. 

1.    SohlnsBbetraohtting. 

Die  strategische  Bedeutung  einer  Festung  ist  ein  sehr 
relativer  Begriff.  Man  ist  wohl  imstande,  die  strategischen  Vor- 
und  Nachtheile  einer  Festung  im  allgemeinen  aufzuführen,  so- 
wie man  damit  aber  an  eine  bestimmte  Kriegslage  herantritt, 
ergeben  sich  so  viele  „wenn  und  aber^,  dass  mit  den  aufge- 
stellten allgemeinen  Gesichtspunkten  nichts  anzufangen  ist. 

Danzig  ist  bei  seinen  reichen  Hilfsmitteln  als  Depotplatz 
von  grosser  Bedeutung  und  hat  sich  als  solcher  bewährt;  es 
liegt  an  der  Mündung  eines  grossen  Stromes  und  beherrscht  da- 
mit die  Handelsverhältnisse  des  ganzen  Stromgebietes,  verbindet 
die  Vortheile  der  Lage  an  der  Strombarriere  mit  den  maritimen 
Yortheilen  eines  Hafens,  kann  dabei  von  der  See  ans  nicht 
bombardirt  werden.  Es  bildet  den  Sperrpunkt  einer  Eisenbahn 
und  hat  eine  durch  die  Natur  ausserordentlich  begünstigte  Lage. 
Aber  diese  Vortheile  können  aufgewogen  werden  durch  einen 
überlegenen  und  geschickten  Gegner,  der  die  Terrainverhältuisse 
zu  benutzen  versteht,  durch  die  Jahreszeit,  welche  den  Strom 
und  die  Gräben  mit  Eis  bedeckt,  durch  eintretenden  Mangel 
verschiedenster  Art,  durch  eine  schlecht  disciplinirte  Besatzung 
und  durch  tausend  Zufälligkeiten.  Nur  der  konkrete  Fall  kann 
über  die  strategische  Bedeutung  der  Festung  entscheiden.  Ist 
Danzig  nicht  durch  eine  Flotte  geschützt,  so  sinkt  sein  Werth 
nm  ein  bedeutendes  herab,  besitzt  es  keine  starke  Besatzung, 


505 


so  kann  es  die  grossen  Vortheile,  welche  ihm  die  Weichsel,  die 
Inundation  und  Weichselmimde  pp.  gewähren,  nicht  ausnutzen, 
die  Verbindung  mit  letzteren  und  die  SchiflFfahrt  auf  der  Weichsel 
nicht  aufrecht  erhalten,  und  muss  dem  Feinde  von  vornherein 
grosse  Vortheile  einräumen.  Eine  grosse  Besatzung  schwächt 
aber  wiederum  die  Feldarmee.  Ist  die  Besatzung  zu  gering, 
und  gelingt  es  nicht,  den  Platz  zu  entsetzen,  so  dass  sich  der 
Gegner  in  den  Besitz  desselben  setzt,  so  ist  der  Verlust  un- 
übersehbar. 

Der  Fall  von  Danzig  1807  brachte  Napoleon  unberechenbare 
Vortheile,  nicht  bloss  fiir  die  augenblickliche  Kriegslage,  sondern 
namentlich  für  den  Feldzug  von  1812,  wo  es  sein  Hauptdepot- 
platz war  und  den  Schutz  seiner  Verbindungen  gegen  England 
übernahm. 

Wie  gross  wären  erst  die  Vortheile  gewesen,  wenn  bei 
dem  Rückzuge  aus  Russland  nicht  der  Winter  den  Weichsel- 
strom mit  Eis  bedeckt  hätte!  Napoleon  hätte  statt  der  Elbe 
die  Weichsel  halten  und  seine  Neuformationen  dahin  führen 
können.  Eine  Koalition  der  Mächte  wäre  unmöglich  geworden, 
und  das  isolirte  Russland  wäre  gern  auf  den  Frieden  einge- 
gangen, wenn  es  Napoleon  gefallen  hätte,  ihn  diesen  zu  ge- 
währen. 

Danzig  muss  in  einem  Defensivkriege  mit  Russland  den 
Pivotpunkt  abgeben  und  muss,  wenn  es  in  Gefahr  kommt,  zeit- 
gerecht eine  starke  Besatzung  erhalten:  Die  deutsche  Flotte 
aber  muss  das  Uebergewicht  in  der  Ostsee  behaupten  können, 
was  auch  ganz  abgesehen  von  Danzig  in  jeder  Beziehung  ge- 
boten ist. 

Es  lassen  sich  Verhältnisse  denken,  wie  in  jenem  grossen 

*  

supponirten  Kriege  mit  zwei  Fronten,  dass  die  Hauptkräfte 
Deutschlands  in  Frankreich  beschäftigt  sind  und  einer  verhält- 
nissmässig  kleinen  Armee  die  Behauptung  des  Ostens  zufällt. 
An  eine  Behauptung  Ostpreussens  würde  in  diesem  Falle  nicht 
zu  denken  sein.  Man  wird  sich  begnügen  müssen,  Königsborg 
und  Pillau  festzuhalten.  Die  Absicht  die  Weichsel  direkt  zu 
vertheidigen,  würde  zur  Zersplitterung  führen.  Dagegen  ist 
alles  Land  westlich  der  Weichsel  vom  Delta  derselben  aus  zu 
schützen.    Im  Besitz  der  Nehrung  und  des  grossen  oder  Ma- 


606 


rienburger  Werders  mit  Brttckenköpfen  von  Marienburg  und 
Dirschau  *),  auf  der  einen  Seite  von  Königsberg  und  Pillau,  auf 
der  andern  Seite  von  Danzig  und  Weichselmftnde  mit  Neufahr- 
wasser und  der  Westerplatte  geschützt,  kann  der  Feind  an  ein 
Ueberschreiten  der  Weichsel  nicht  denken,  er  müsste  sich  denn 
theilen  und  sich  damit  der  Gefahr  aussetzen,  einzeln  geschlagen 
zu  werden.  Wollte  er  es  mit  der  ganzen  Armee  thun,  so  wurde 
er  seine  Verbindungen  preisgeben.  Eine  Armee  von  50000 
Mann  und  eine  angemessene  Anzahl  Landwehren  in  den  festen 
Plätzen  wäre  imstande,  einen  Bewegungskrieg  unter  den  güns- 
tigsten Bedingungen  zu  führen,  vorausgesetzt,  dass  wir  die  See 
behen-schen. 

Der  Bewegungskrieg,  der  für  die  Defensive  die  einzige 
Rettung  ist,  lässt  sich  nicht  ohne  weiteres  iraprovisiren,  er  be- 
darf eines  vorbereiteten  Kriegstheaters. 


^)  Zur  Sicherung  der  innem  Verbindung  wäre  auch  ein  Brückenkopf  am 
Danziger  Haupt  erforderlich. 


Anhang. 


I. 

Eriegs-ArohiTT  des  grossen  Oeneralstabes  F.  14  8.  61. 

Schönfeld,  den  8.  Oktober  1813. 

Graf  Dohna  an  den  Major  von  Hake. 

(Eigenhändig.) 

Ich  schlage  dem  Herzoge  vor,  die  Operation  (Angriff  auf 
die  Jesuiterschanze)  zu  theilen  und  am  ersten  Tage  nur  die 
Schüttenhäuser  und  einen  Theil  von  Schottland  nehmen  zu  lassen. 
Dann  müsste  eine  Batterie  rechts  von  den  Schottenhäusern  er- 
baut und  dadurch  am  folgenden  Tage  die  Judenschanze  stark 
beworfen  worden.  Dann  könnten  die  Schanzen  auf  dem  Juden- 
berge in  der  Nacht  der  grossen  Expedition  zu  gleicher  Zeit  infolge 
einer  Kanonade  genommen  werden. 

Dadurch  würde  die  grosse  Expedition  (auf  die  Juden-  und 
Jesuiterschanze)  ebenso  gut  glücken  und  noch  weniger  entdeckt 
werden. 

Meine  Gründe  werden  Sie  aus  dem  Briefe  an  den  Herzog 
ersehen,  unterstützen  Sie  sie  nach  Möglichkeit. 

Der  erste  Plan  (auf  die  Jesuiterschanze)  wird  wahrschein- 
lich viel  Menschen  kosten  und  dennoch  nicht  glücken. 

Schönfeld,  den  8.  Oktober  1813. 

Graf  Dohna  an  den  Major  von  Hake. 

(Eigenhändig.) 
Ew.  Hochwohlgeboren  haben  heut  als  ein  treuer  Beschützer 
der  Wahrheit  und  ein  Vertheidiger  der  guten  Sache  gehandelt, 
die  uns  allen  so  wichtig  ist.   Ich  wünschte,  Ihnen  meinen  Dank 


510 

in  Worten  dafür  aasdrficken  zu  können,  fühlte  mich  aber  dazu 
nicht  fähig.  Ihr  eignes  Bewusstsein,  das  Gate  befördert  zu 
haben,  wird  Sie  am  reichsten  belohnen.  Der  Herzog  beweiset 
durch  diese  Nachgiebigkeit  und  Abänderung  eines  Lieblings- 
Plans  eine  Feldhemi- Eigenschaft,  die  nicht  alle  grossen  Herren 
besitzen. 

S.  65.  Anmerkung.    Die  preussische  Landwehr  war  zum  Sturm 

auf  die  Judensclianzen,  geschlossener,  fester  Werke  bestimmt. 
Ich  entgegnete  den  Behauptungen  russischer  Officiere,  bewies 
mit  Gründen  die  nicht  erkannte  Schwierigkeit,  reussirte  und 
rettete  dadurch  viele  Hunderte  der  ünsern,  welche  die  Kar- 
tätschen von  den  feindlichen  Werken  dem  Vaterlande  geraubt 
hätten. 

Hierauf  bezieht  sich  der  Dank  im  vorseitigen  Schreiben. 

V.  Hake. 


IL 

Erwidenmg  des  Herzogs  Alezander  von  Wftrtemberg  an  den 

Obersten  von  Schnlmann  nnd  Oberstlientenant  v.  Pullet.   Zrlegs- 

Arohiv  des  grossen  Oeneralstabs  F.  16.    8.  102. 

Ew.  Hochwohlgeboren  Eingabe  vom  gestrigen  Tage  habe 
Ich  erhalten  and  erwidere: 

1.  In  Betreff  der  Wegnahme  der  Ziganken-  und  Juden- 
schanze beziehe  ich  mich  auf  unsere  mündliche  Verab- 
redung, und  bleibt  es  bei  der  von  mir  schriftlich  er- 
theilten  Instruktion. 

2.  In  Betreff  Verstärkung  meiner  Infanterie  von  Ostpreussen 
darf  ich  nicht  rechnen,  indem  das  Königl.  Gouvernement 
Mir  heut  per  Estafette  den  Abgang  von  2000  Mann 
zur  (grossen)  Armee  und  überhaupt  die  Bestimmung 
Sr.  Majestät  des  Königs  über  die  Ersatzmannschaften 
mitgetheilt  hat. 

3.  Ist  es  zufolge  wiederholter  Erklärung  durchaus  nicht 
möglich,  Parallele  und  Batterien  in  einer  und  derselben 
Nacht  zu  fertigen,  so  mnss  Ich  es  freilich  geschehen 
lassen  nnd  meine  Vortheile  aufopfern,  die  sich  in  ver- 
schiedenen Rücksichten  sehr  bewähren  würden,  kann 
aber  die  Behauptung  nicht  unterdrücken,  dass  nach 
meiner  Ansicht  es  möglich  ist,  wenn  von  den  Ingenieuren 
und  Artilleristen  das  Ihre  geschieht. 

4.  Die  Kavallerie,  d.  i.  Theile  derselben  bewillige  ich  gern 
zur  Heranschaffung  von  Faschinen  und  Piketpfählen  in 
die  Depots,  um  das  Ganze  zu  fördern,  wie  ich  durch 
die  Kugeltransporte  von  derselben  schon  bewiesen  habe, 


512 


zur  Wegebesserung,  Anfertigung  von  Faschinen  und 
Piketpfäblen  darf  sie  hingegen  nicht  gebraucht  werden, 
da  sie  dies  zu  lange  von  ihrem  eigentlichen  Dienst  ent- 
feinen  wfirde  und  zu  diesem  Behuf  die  Landleute  in 
Thätigkeit  gesetzt  werden  m&ssen. 

Polanken,  den  6./18.  Oktober  1813. 

gez.:  Alexander. 


Punkt  1,  auf  den  es  hier  ankommt,  spricht  sich  nicht 
näher  über  die  vom  Herzoge  schriftlich  ertheilte  Instruktion 
aus.  Der  Zusammenhang  mag  folgender  gewesen  sein.  Wie 
die  auf  S.  509  enthaltene  Korrespondenz  des  Grafen  Dohua  mit 
dem  Major  von  Hake  ergiebt,  war  die  gewaltsame  Wegnahme 
der  Jesuiterschanze  (batteries  de  Frioul)  durch  den  Sturm  auf 
die  Schottenhäuser  keineswegs  aufgegeben,  sondern  letzterer 
sollte  nur  die  Einleitung  dazu  sein.  Indem  der  Herzog  sich 
aber  am  15.  zum  Bombardement  entschloss  (vgl.  oben  S.  394 
Note  2)  und  die  gewaltsame  Wegnahme  der  Jesuiterschanze 
wahrscheinlich  infolge  der  Benachrichtigung,  dass  er  auf  eine 
Verstärkung  an  Infanterie  aus  Ostprenssen  nicht  rechnen  dürfe 
(Punkt  2  obigen  Schreibens),  fallen  Hess,  so  kann  sich  die  am 
16.  erlassene  schriftliche  Instruktion  nur  auf  den  Angriff  mit 
der  Sappe  in  Verbindung  mit  dem  Bombardement  bezogen 
haben.  Da  damit  der  bisherige  Plan  der  Operationen  vollständig 
umgeworfen  wurde,  protestirten  Schulmann  und  Pullet  am  17. 
dagegen,  wodurch  obige  Replik  des  Herzogs  vom  18.  erfolgte. 
Damit  stimmt  auch  im  wesentlichen  die  Darstellung  der  skiz- 
zirten  Geschichte  S.  120,  121  überein. 


in. 

Naohweisung  der  Batterien,  welche  am  23.  Oktober  In  Th&tig- 

keit  waren.    Beilage  zn  dem  Bericht  des  Majcrs  Liebe  an  die 

Oeneral-Inspelction  der  Artillerie  von  demselben  Datum. 

Eriegs-Archiv  F.  9  0< 

2  — 24  pfundigen  Kanonen  bei  Scliellmühl 

6-24  ,  r,  n  n 

5  —  24        „  j,  j,    Beiebershof 
2—  S'^gen  Haubitzen  bei  Aschbnde 

6  — 24  pfundigen  Kanonen  auf  dem  Johannisberge 
7-24        .  ,         1 
3-24        ,  .         / 

— 12        „         Kanone 
[6  —  24        „         Kanonen 
4-24         , 

—  12"gen  Haubitzen 

8  , 

— 10  „     Haubitze 

8  j,     Haubitzen 

3  — 10  „     Mörsern 
2-10  „ 

—  6  pfundigen  Kanonen 
Einhorn 

2  Einhörner 


28  (b"0  Batterie  zu 

29  (b'O  ,         , 
27  (a")  „ 

30  (z-)  „ 
23  (h'")  „ 
22  (i'")  , 

21  (y") 

34  (f")  ,         „ 

32  (d")  , 

33  (e")  „         „ 


bei  Pitzkendorf 


31  (c") 


1 
1 


1 

1 


4 

3 
2 


Acht  Batterien 

auf 

der  Höhe  der 

Sebottenhäuser. 


Wir  erfahren  durch  diese  Nachweisung  die  Bewaffnung 
dieser  Batterien,  ferner  dass  diejenigen  von  Langfuhr  und  Neu- 
Schottland  nicht  mehr  in  Thätigkeit  und  die  Batterien  No.  24, 


')  Um  die  Lage  der  Batterie  zu  erkennen,  sind  die  in  den  Plänen  von 
d'Artois  und  des  Apergn  vorhandenen  Bezeichnungen  hinzugefügt 

Köhler,  Geschichte  der  Festungen  Danzig  and  Weichselmünde.    H.  88 


614 

25,  35,  36  noch  nicht  vorhanden  waren.  Der  Bau  von  Nr.  35 
war  zwar  begonnen,  die  Batterie  wurde  jedoch  erst  am  24.  Ok- 
tober bewaffnet.  Die  Batterie  auf  dem  Johannisberge  scheint 
die  vom  grossen  Belvedere  zu  sein.  Es  waren  demnach  in 
Thätigkeit: 

39  — 24 pfundige,  4  — 12pfflndige,  2  — 6pfQndige  Kanonen, 
1  — 10"ge,  6— 8"ge  Haubitzen  und  3  Einhörner, 
6  — 10"ge  Mörser*). 


')  Von  prenssischen  Artilleristen  bedient,  waren 

10  — 24pfttndige  Kanonen,  1  — 10"ge  Haubitjce,  2  — 8"ge  Hau- 
bitzen nnd  5 — 10  "ge  Mörser. 


IV. 


Auszug 

aus  dem  Tagebuch  des  Majors  Liebe,  Zommandeurs  der 

preussisohen  Artillerie.     Monat  November  1813. 

i-Arohiv  F.  9. 


1.  Novbr. 


2.  Novbr. 


3.  4.  Novbr. 
5.  Novbr. 


Gross-Feuer  in  der  Stadt.  In  der  folgenden  Nacht 
stürmen  die  Bussen  einige  Schanzen  in  Schottland 
und  zünden  die  Häuser  bis  zur  Jesuiterkirche  an. 
12  russische  Wagehälse  drangen  in  die  Jesuiter- 
schanze  ein  und  kehrten,  ohne  einen  Mann  verloren 
zu  haben,  in  die  Parallele  zurück. 

Juden-  und  Jesuiterschanze  heftig  beschossen,  weil 
man  sie  in  der  folgenden  Nacht  stürmen  wollte. 
Der  Sturm  unterblieb  jedoch.  Dagegen  Schidlitz  und 
Stolzenberg  überfallen,  kostete  800  Mann. 

In  dieser  Nacht  die  Hälfte  der  1.  Parallele  in 
der  Entfernung  von  1200  bis  1500  Schritt  gegen 
den  Bischofsberg  erbaut.  Die  Ingenieure  geben  die 
Entfernung  nur  zu  800  Schritt  an,  doch  mussten 
wir  für  die  obige  Entfernung  Aufsatz  und  Eleva- 
tion  nehmen. 

Erweiterung  der  1.  Parallele. 

Es  wird  beabsichtigt,  die  Steinschleuse  zu  zer- 
stören, und  wurde  zu  dem  Zweck  das  Wurfgeschütz 
auf  dem  rechten  Flügel  reichlich  mit  Munition  ver- 
sehen. Zu  dem  Zweck  wurden  die  Mörser  auf  die 
Höhe  gebracht.    Das  Feuer  blieb  jedoch  ohne  Er- 

88* 


616 

folg,  weil  das  Schiessen  auf  Befehl  in  der  Nacht 
erfolgte. 

Eine,  bei  Schidlitz  auf  dem  linken  Flügel  ge- 
legene Batterie  (Brese)  mit  1  —  12Pfünder  und 
3  englischen  eisernen  24  pfundigen  Kanonen  armirt, 
um  den  Zigankenberg  zu  beschiessen.  Die  russischen 
Pioniere  geben  den  Scharten  falsche  Direktion. 

6.  Novbr.         In  der  Nacht  zum  7.  eine  links  von  Schidlitz  ge- 

legene Schanze  (avancee  Kirgener)  zerstört. 

7.  Novbr.         Die  Beschiessung  der  Steinschleuse  in  der  Nacht 

ohne  allen  Erfolg  fortgesetzt.  Auch  gelingt  es  nicht, 
die  anliegende  Mühle  in  Brand  zu  stecken,  obgleich 
eine  Belohnung  darauf  gesetzt  war. 
8. — 12.  Nov.  Das  Bombardement  fortgesetzt.  In  der  1.  Pa- 
rallele legt  die  preussische  Artillerie  Bettungen  zu 
5  Batterien  ä»  6  Mörser.  Zwischen  je  2  Mörsern 
Traversen  erbaut,  um  sich  gegen  den  Zigankenberg 
zu  schützen.    Für  jede  Batterie  eine  Pulverkammer. 

In  der  Nacht  vom  11.  zum  12.  Armirung  der 
Batterien  mit  11  —  10  "gen  eisernen  englischen  und 
10  —  8  "gen  dto.  Mörsern,  3  —  50  pfundigen  me- 
tallenen und  6  —  10  pfundigen  eisernen  preussischen 
Mörsern. 

In  der  Stadt  am  11.  heftiger  Brand  an  der  Steiu- 
schleuse  (Theerhof). 

In  der  Gegend  von  Schellmühl  4  —  13  "ge  rus- 
sische Mörser  (2  davon  in  Batterie  Aschbude)  placirt, 
um  mit  200  pfundigen  Bomben  die  Wohnung  Rapp's 
in  Langgarten  zu  beunruhigen.  Neben  und  zwischen 
den  Mörsern  der  I.  Parallele  eine  Batterie  zu  4  und 
2  zu  5  Kanonen  erbaut. 
12. 13.  Nov.      Die  Batterien  mit  Bettungen  versehen.    Das  Holz 

musste  auf  1500  Schritt  aus  dem  Zwischendepot  her- 
angetragen werden. 

Den  13.  durch  den  russischen  Ingenieur- Haupt- 
mann Kool  und  den  preussischen  Lieutenant  Rode 
folgende  Batterien  abgesteckt: 
1.  eine  Batterie  von  2  Haubitzen  und  4  Kanonen, 


617 


erstere  zum  Kikoschettiren  der  rechten  Face 
der  Kontregarde  Scharfenort,  letztere  zum  De- 
montiren  der  linken  Face  desselben: 

2.  zu  6  Haubitzen  zum  Bewerfen  aller  Werke  des 
Bischofsberges.  Beide  Batterien  werden  ausser- 
halb der  Parallele  erbaut,  weil  innerhalb  kleine 
Wasserquellen ; 

3.  zu  4  Kanonen  zum  Demontiren  der  linken  Face 
von  Bastion  Scharfenort. 

In  der  Nacht  vom  13.  zum  14.  werden  die  Batterien 
durch  preussische  Artilleristen  bis  auf  die  Bettungen 
fertiggestellt.  Auf  dem  linken  Flügel  der  Parallele 
werden  10  —  24  pfundige  und  2  —  12  pfundige  Ka- 
nonen in  die  Batterien  geschafft,  wobei  2  —  24  Pfän- 
der in  dem  weichen  Boden  versinken  und  stehen 
bleiben  müssen.    Sie  werden  mit  Faschinen  bedeckt. 

In  der  Stadt  heftige  Brände. 

14.  Novbr.       Major  Liebe  ermittelt  die  nöthigen  Wege  für  die 

weitere  Armirung  und  veranlasst  Durchstiche  durch 
die  Laufgräben. 

In  der  Nacht  zum  15.  Armirung  mit  6  —  24pfün- 
digen  und  8  —  12 pfundigen  Kanonen,  1  —  8 "gen 
englischen  und  3  —  10  pfundigen  preussischen  Hau- 
bitzen und  4  Einhörnern.  Die  6  —  24  Pfänder 
kommen  in  die  Batterien  des  linken  Flügels  gegen 
den  Zigankenberg. 

15.  Novbr.        In   der  Nacht  zum   16.   4  —  24  Pfänder  und  2 

—  12  Pfünder,  welche  versunken  waren,  durch  150 
Mann  in  die  Batterien  geschafft. 

16.  Novbr.        Fortsetzung  der  Armirung.    Das  Legen  der  Bet- 

tungen bei  Tage  ausgeführt.  Die  bereits  zur  Stelle 
befindlichen  Geschütze  standen  dahinter.  Viel  Pferde 
erschossen.  Die  Munition  durch  Mannschaften  trans- 
portirt.  Man  hatte  an  diesem  Tage  für  jedes  Kanon 
50  Schuss,  für  jedes  Wurfgeschütz  48  Wurf,  für 
jedes  Rikoschettgeschütz  96  Schuss  auf  2  Tage. 

Zum  Bewerfen  der  Juden-  und  Jesuiterschanze 
12  —  5V«"ge  Mörser  in  der  Parallele  aufgestellt. 


518 


17.  Novbr. 


18.  Novbr. 


19.  Novbr 


Eröffnung  des  Feuers  um  9  Uhr  vormittags.  Die^ 
Batterien  erlitten,  da  sie  so  zusammengedrängt 
waren,  grosse  Verluste. 

Die  3  Flankenbatterien  gegen  den  Zigankenberg 
wai'en  ohne  alle  Wirkung,  weil  sie  zu  tief  standen 
und  zu  weit  entfernt  waren. 

Durch  eine  10  pfundige  Granate  wird  ein  Pulver- 
magazin in  der  Lünette  Leclerc  in  die  Luft  gesprengt, 
ebenso  die  Fladderminen  der  Jesniterschanze.  Bas- 
tion Scharf enort  wird  hart  mitgenommen. 

Das  Flankenfeuer  vom  Zigankenberge  und  dem 
Hagelsberge,  von  der  Jesuiterschanze  und  den 
schwimmenden  Batterien  bringt  namentlich  den 
russischen  Artilleristen  viel  Verluste  bei. 

Von  den  Zigankenschauzcn  schössen  4  Kanonen 
und  2  Haubitzen;  von  der  Juden-  und  Jesuiter- 
schanze 4  Kanonen  und  1  Haubitze;  von  den 
schwimmenden  Batterien  3  Kanonen  und  2  Hau- 
bitzen.    In  Summa  11  Kanonen  und  5  Haubitzen. 

Die  Verluste  wurden  noch  dadurch  vermehrt, 
dass  die  Brustwehr  der  Parallele  zu  schwach  war, 
so  dass  die  Schüsse  durchgingen. 

Vor  Pietzkendorf  wurde  eine  in  der  Nacht  vor- 
her aufgeworfene  Batterie  gegen  den  Zigankenbei-g 
mit  einer  10  pfundigen  preussischen  Haubitze  und 
3  —  10  pfundigen  preussischen  Mörsern  bewaffnet. 
Obgleich  die  Batterie  grösstentheils  mit  russischen 
Landwehrleuten  bedient  wurde,  schössen  sie  recht 
gut.  Auch  1807  habe  ich  in  Danzig  *)  dieselbe  Er- 
fahrung gemacht,  obgleich  die  GeschQtze  durch 
Kavalleristen  und  Trainkuechte  besetzt  waren  und 
zu  drei  Geschützen  nur  ein  Unterofficier  abgetheilt 
war.  Zu  den  22  preussischen  Geschützen  war  nur 
1  Hauptmann  du  jour,  2  Officiere  als  Komman- 
deure und  per  4  Geschütze  oder  eine  Batterie  1 


0  liebe  kommandirte  1807  als  Lieutenant  die  ArtiUerie  der  Front  am 
Neugarter  Thor.    Höpfner, 


519 


20.  Novbr. 


21.  Novbr. 


Unterofficier,  per  Kanone  2  Artilleristen,  per  Wurf- 
geschütz ein  Bombardier  und  2  Kanoniere  vorhanden. 
Das  übrige  war  Landwehr,  aber  es  ging. 

Das  Feuer  wurde  ermässigt,  jeder  12  Pfänder 
erhielt  nur  30,  der  24Pfünder  48,  jedes  Wurfge- 
schütz  12  Wurf  während  24  Stunden,  ausgenommen 
die  12  —  5V8"gen  Mörser. 

Die  Jesuiterkirche  wurde  am  20.  mit  2  —  7  pfun- 
digen preussischen  Haubitzen,  2  —  8  "  gen  Mörsern 
und  einigen  24Pfündern  beschossen,  um  den  Feind 
daraus  zu  vertreiben.  Zwei  24Pfünder  wurden  nach 
Brösen  gesendet,  um  von  dort  aus  den  General 
Bapp  in  Langgarten  zu  beunruhigen. 

In  der  Nacht  zum  21.  wurde  der  Judenschanze 
(poste  du  sergent)  um  200  Schritt  näher  gerückt. 
Diese  Parallele  hatte  ganz  nahe  vor  sich  ein  langes  20 
Fuss  tiefes  Defilee.  Es  scheint,  dass  dies  Defllee 
schon  an  und  für  sich  hätte  zur  Parallele  dienen  können, 
und  wenn  man  sich  den  Schanzen  nähern  wollte,  so 
musste  die  Parallele  vor  dem  Defilee  geführt  werden. 

Major  Liebe  und  Hauptmann  Sommer  gingen  mit 
einer  7  pfundigen  Haubitze  in  Schottland  bis  250 
Schritt  an  die  Kirche  heran,  um  den  Feind  daraus 
zu  vertreiben.  Sie  fanden  die  Artilleristen  der  Je- 
suiterschanze  (der  Major  nennt  sie  Judenschanze) 
auf  dem  diesseitigen  Abhänge,  um  sich  dem  auf 
die  Schanze  gerichteten  Feuer  zu  entziehen,  und 
vertrieben  sie  durch  einige  Schuss,  beschossen  auch 
die  Kirche  durch  die  Fenster  hindurch,  mussten  dann 
aber  doch  zurück,  da  Tirailleure  gegen  sie  vor- 
gingen. 

In  der  Nacht  wurde  die  Räumung  der  Jesuiter- 
und  Judenschanze  durch  7  Deserteure  bekannt. 

Aus  den  rückwärts  liegenden  Reduten  No.  5  und 
6  (die  Bezeichnung  ist  aus  dem  Uebersichtsplan, 
der  auch  der  skizzirten  Geschichte  beigegeben  ist, 
entnommen.  Im  Apercu  sind  die  Reduten  mit  g" 
(36)  und  i "  (15)  bezeichnet)  beschoss  man  in  einer 


520 


Entfernung  von  1500  Schritt  die  Jndenschanze  (soll 
heissen  Jesaiterschanze)  mit  24 pf findigen  Kanonen, 
ungeachtet  unsere  Belagerungsarbeiten  sich  schon 
der  Schanze  um  3  bis  400  Schritt  genähert  hatten. 
Einige  Engeln,  die  zu  kurz  gingen,  tödteten  mehrere 
preussische  Landwehrmftnner,  welche  die  vordem 
Laufgräben  besetzt  hatten. 

22.  Novbr.       Das  Feuer  von   beiden   Seiten  fortgesetzt.     In 

Langgarten  brennt  es.  In  der  Jesuiterschanze 
werden  die  Bombenkasten  ausgegraben.  Die  Je- 
suiterkirche  ist  ebenfalls  verlassen  worden. 

23.  Novbr.       Das  Feuer  wie  am  22.    Gegen  Abend  werden  vom 

Hauptmann  Kool  und  Lieutenant  Rode  folgende  Bat- 
terien abgesteckt: 

a)  zu  2  Haubitzen  zum  Rikoschettiren  der  rechten 
Face  von  Leclerc; 

b)  zu  6  Kanonen  zum  Demontiren  der  linken  Face 
von  Mittel; 

c)  zu  6  Mörsern  gegen  Bastion  Salvator  und  die 
Stadtbefestigung; 

d)  zu  2  Haubitzen  und  4  Kanonen  gegen  die  barm- 
herzige Brüderschanze  (Lasalle)  und  rothe 
Brücke ; 

e)  zu  4  Mörsern  gegen  die  Bastione  Gertrud  und 
Maidloch ; 

f)  zu  4  Haubitzen. 

24.  Novbr.       Der  Bau  der  Batterien  musste  vorläufig  wegen 

Mangel  an  Arbeitern  unterbleiben.  Das  Feuer  vom 
Hagelsberge  und  Zigankenberge  thut  vielen  Schaden. 
Seitdem  die  Parallele  begonnen,  beträgt  der  Ver- 
lust an  Todten  durchschnittlich  40  Mann  täglich. 
In  der  Nacht  zum  25.  werden  die  3  ersten  Bat- 
terien erbaut.  Von  den  3  letzten,  welche  von 
Preussen  erbaut  werden  sollen,  konnte  nur  die  Bat- 
terie zu  2  Haubitzen  und  4  Kanonen  erbaut  werden, 
weil  600  russische  Landwehrleute  sich  verirrten. 

25.  Novbr.       Das   Feuer   fortgesetzt.     In    den   3  russischen 

Batterien  werden  die  Bettungen  gestreckt.    Für  die 


521 


26.  Novbr. 


27.  Novbr. 


preussisclien  Batterien  bleiben  die  Arbeiter  wieder- 
um aus.    Es  wird  12  Stunden  auf  sie  gewartet. 

Das  Feuer  von  den  schwimmenden  Batterien 
aus  8  Geschützen  ist  immer  noch  sehr  lästig.  Gegen 
Abend  werden  die  3  russischen  Batterien  armirt. 

Es  machen  sich  namentlich  zwei  Uebelstände 
geltend : 

1.  dass  die  1.  Parallele  auf  beiden  Flügeln  in 
Flanke  und  Rücken  beschossen  wird; 

2.  dass  es  an  einem  Schanzkorb-  und  Faschinen- 
depot fehlt  und  beide  vom  Anfertigungspunkt 
herangeschaflft  werden  mussten.  Bei  der 
schlechten  Beschaffenheit  der  Pferde  konnte  ein 
4  spänniger  Wagen  nur  3  Faschinen  und  2 
Schanzkörbe  laden.  Die  Schanzkörbo  waren 
sehr  gross  gemacht,  so  dass  4  bis  5  einen 
Kasten  bildeten. 

Befehl,  Tag  und  Nacht  sehr  lebhaft  zu  schiessen. 

In  der  Nacht  zum  27.  bauten  preussische  Artille- 
risten mit  russischen  Landwehrleuten  eine  Batterie 
von  Haubitzen  und  Mörsern  auf  dem  rechten 
Flügel  der  1.  Parallele.  Trotz  lebhaften  Feuers 
wurde  nur  ein  Mann  verwundet. 

Von  beiden  Seiten  das  lebhafteste  Feuer.  Der 
Hagelsberg  war  unsererseits  unbelästigt  geblieben, 
unerachtet  er  uns  sehi'  beschwerlich  fiel.  Seit 
mehreren  Tagen  starker  Regen,  am  27.  ein  halber 
Fuss  tiefer  Schnee.  Der  Transport  der  Munition 
geschah  auf  beiden  Seiten  mit  Karren  zu  einem 
Pferde. 

Um  8  Uhr  abends  erfolgt  der  Befehl,  das  Feuer 
einzustellen.  Der  Verlust  der  preussischen  Artil- 
lerie incl.  Handlanger  betrug  während  der  ganzen 
Belagerung  8  Todte,  11  Verwundete. 

Es  ist  schliesslich  die  Eintracht  rühmlichst  zu 
erwähnen,  welche  während  der  ganzen  Belagerung 
vorzüglich  zwischen  den  russischen  und  preussischen 
Artilleristen  herrschte, 


522 


Da  ich  vermöge  meines  Standpunktes  nicht  mit 
zu  den  Beschlüssen  gezogen  worden  bin,  kann  ich 
nur  über  den  Erfolg  und  nicht  über  die  Ursache 
urtheilen. 

Schiddelkau,  den  5.  December  1813. 

Liebe. 


V. 

Verzeichniss  der  Batterien,  wie  solche  bei  eingetretener  Kapitulation 

7or  Danzig  plaoirt  gewesen  sind. 

Eriegs-Arohiv  F.  9. 


'       Jetzige 
^»^  :  Bezeichnung 
der  Batterien. 


es 


Zahl  und  Gattung 
der  Geschütze. 


Bestimmung  der  Batterien. 


1 
2 

3 
4 


10 

11 
12 

13 
14 

15 
16 
17 


Schellmtihl 

Beichcrshof 
Aschbude 


5  ,  Johauulsberg 

6  ,'  Ziganken  berg 

7  bei  Schidlitz 

8  ;  Pietzkendorf 

9  dto. 


gegen 
Ziganken  berg 

bei  Bröseu 
bei  Miggau 

links 
2  Einschnitte 

Higgaa  Rodute 
Kool 

Brese 


Sclmiiedeknecht 


1 
5 
2 

O 

2 
2 
2 
o 
3 
2 
1 
2 
1 
l 
2 


engl.  eis.  24-Pfünder 

russ.  13"ge  Möi*ser 
engl.  eis.  24-Pf linder 
engl.  met.  8"ge  Haub. 
russ.  13"ge  Mörser 
engl  eis.  24-Pfünder 


r> 


eis.  lOpfünd.  Mörser j>g 
met.  lOpfd.  Haubitze)  | 
,      10  „    Mörser     )  J» 
engl.  eis.  24-Pfünder 


4  kleine  Einhörner 


[5  engl.  eis.  24-Pfünder 

2      ,        „     12-       , 

2  preuss.  met.  12-Pfünder 

i(l  engl.  eis.  24-Pf linder 

2  preuss.  met.  12-Pfünder 
1       »        »     24-      „ 

4  preuss.  met.  24-PfUncler 


Gegen  die  Stadt. 


Gegen  Zigankeuberg  durch  preussische 
Artilleristen  besetzt. 


Gegen  die  Stadt  mit  glühenden  Kugeln. 

Rikoschettiren     die     Zigankenberger 
Schanzen. 

)  Dcmontiren  die  Zigankenberger  Schan- 
\      zen. 

I  Gegen     die    Zigankenschanzen     und 
\      Schidlitz. 

Gegen     die    Zigankenschanzen    und 
Schidlitz. 

Gegen     die    Zigankenschanzen     und 
Neugarter  Thor. 


524 


Jetzige 

Bezeichnung 

der  Batterieu. 


Zahl  und  Gattung 
der  Geschütze. 


Bestimmung  der  Batterieu. 


19 
20 
21, 

22 

23 

24  i; 

25  |i 

26  , 

27 

28 

29 

30 
31 

32 

33 

34 
35  : 

36 
37 

38 


0. 

N. 

M. 
L. 

K. 

I. 

H. 
G. 
F. 

E. 
D. 

0. 
B. 


2  engl.  eis.  24-Pninder 

2  preuss.  met.  24-Pfünder 
4  preuss.  met.  12-Pfünder 

3  engl.  eis.  8"ge  Mörser 
'^3  preuss.  met.  50 pfundige 

Mörser 
6  engl.  eis.  8''ge  Mörser 

2  engl.  met.  8''ge  Uaub. 

4  kleine  Einhörner 

6  preuss.  eis.  lOpfOndige 

Mörser 
j3  engl.  eis.  24-Pfander 
(2  preuss.  met  12-Pfttnder 

3  engl.  eis.  24-Pfttnder 

I  2  preuss.  met.  12-Pfünder 

(1  engl.  eis.  8"ger  Mörser 
(5  engl.  eis.  10"ge  Mörser 

2  preuss.  lOpftind.  Haub. 

4  russ.  met.  12-Pfünder 
Raketenbatterie 
2  engl.  met.  8''ge  Haub. 
6  engl.  eis.  24-Pfünder 


2  engl.  met.  8"ge  Haub. 
2  engl.  eis.  24-Pfünder 
4  engl.  eis.  10"ge  Mörser 
4  grosse  Einhörner 
2  engl.  met.  8''ge  Haub. 

1  »         ,    10"ge      „ 
^2  engl.  eis.  12-Pfünder 

2  preuss.  met.  lOpftindig. 
Haubitzen. 


•'! 


Dcmontirbatterie  gegen  Cafarelli, 

gegen  Scharfenort, 

gegen   Cafarelli    und   Kontreganie 
Scharf  enort, 

gegen  Scharfenort  und  BareliD, 
)      gegen  Cafarelli,  Scharfenort,  Lä- 
nette  Ledere,  Ravelin  und  Sal- 
vator, 


( 


i      gegen  Leclerc  u.  Bast.  Mittel. 


gegen  die  Blockhäuser, 
Rikoschettbatt^rie  gegen  Scharfeuort 
und  Cafarelli, 

gegen  Salvator  und  Mittel, 

gegen  Salvator  und  Ravelin, 
gegen    Kontregarde    Salvator  und 
Ravelin, 

gegen  B. 
Demontirbatterie  der  linken  Face  von 
Bastion  Mittel, 

gegen  das  Blockhaus  links  von  Sal- 
vator, 
gegen  die  barmherz.  Brüderscbauze, 
gegen  die  rothe  Brücke, 

gegen  Bastion  Gertrud  und  Maidloch, 

gegen  Bastion  Salvator, 

Wasserbatterie    gegen    die   schwim- 
menden Batterien. 


SchüddelkaU;  5.  Dezember  1813. 


Liebe, 


525 


Vorstehende  Liste  giebt  Gelegenheit,  einige  Differenzen  auf- 
zuklären, die  sich  in  den  Quellen  bei  einzelnen  Batterien  vor- 
finden. Wir  haben  bereits  im  Lauf  der  Darstellung  gesehen, 
dass  das  Apercu  weder  in  der  Zahl  der  Batterien,  noch  in  der 
Bewaffnung  derselben  zuverlässig  ist,  und  dass  es  namentlich 
in  der  Zeit  des  Baues  der  Batterien  absichtliche  Fälschungen 
vorgenommen  hat.  Diesen  Punkt  habe  ich  bereits  oben  kritisch 
erörtert  und  auch  die  Batterien  erwähnt,  die  es  verschwiegen 
hat.  Es  sind  nach  d'Artois  die  Batterien  No.  8,  13,  14,  15, 
24,  25,  35. 

In  Bezug  auf  die  Bewaffnung  der  Batterien  haben  wir  noch 
ein  andres  Verzeichniss  auf  dem  Plan  der  skizzirten  Geschichte 
(Plümicke),  und  da  dasselbe  wie  der  Plan  officiellen  Ursprungs 
ist,  sind  wir  in  der  Lage,  zum  Vergleich  drei  Verzeichnisse, 
die  mehr  oder  weniger  authentisch  sind,  zu  benutzen.  Der  Ver- 
gleich wird  jedoch  dadurch  ausserordentlich  erschwert,  dass  das 
AperQU  sich  für  die  Bezeichnung  der  Batterien  anderer  Buch- 
staben bedient,  «als  die  beiden  andern  Verzeichnisse,  die  we- 
nigstens in  der  Bezeichnung  der  Batterien  der  1 .  Parallele  über- 
einstimmen und,  wie  es  seheint,  sich  der  zur  Zeit  fiblichen  Be- 
zeichnung bedienen.  Ich  habe  den  Versuch  gemacht,  die  korres- 
pondirenden  Buchstaben  zu  ermitteln,  und  habe  sie  auf  Taf.  VI  des 
2.  Bandes  eingetragen,  wobei  die  oberhalb  der  Parallele  stehenden 
die  des  obigen  Verzeichnisses  und  der  skizzirten  Geschichte,  die 
unterhalb  stehenden  die  des  Aperi^u  sind.  Wesentlich  abweichend 
ist  nur  Batterie  g  (G),  welche  der  Batterie  o'  des  Apergu  entspricht. 
Während  letztere  mit  4  —  24  Pfandern  und  3  Haubitzen  an- 
gesetzt ist,  hat  g  nur  2  Haubitzen  und  G  3  Kanonen.  Wahr- 
scheinlich sind  bei  g  die  Kanonen  und  bei  G  die  2  Haubitzen 
irrthämlich  ausgelassen.  Anders  ist  das  Verhältniss  bei  den 
korrespondirenden  Batterien  p'  des  Apergu,  welche  mit  6  Ka- 
nonen und  c  (G),  welche  mit  2  Haubitzen  und  4  Kanonen  be- 
waffnet sind.  Die  Lage  der  Batterie  und  die  Bezeichnung  als 
Rikoschettbatterie  sprechen  dafür,  dass  die  letztere  Bewaffnung 
die  richtige  ist.  Die  übrigen  Abweichungen  sind  unbedeutend. 
Wenn  im  Apercu  die  Batterie  w'  mit  4  Kanonen,  die  korres- 
pondirenden Batterien  der  skizzirten  Geschichte  f  dagegen  mit 
3  und  F  mit  nur  2  Kanonen  bewaffnet  sind,  so  ist  zu  berück- 


526 

sichtigen,  dass  in  dem  obigen  Verzeichniss  des  Majors  Liebe  die 
Zahl  der  Geschütze  am  30.  November  aufgenommen,  im  Apercu 
dagegen  die  ursprüngliche  Zahl  augegeben  ist.  Im  Apercu  ist 
ferner  die  Batterie  n'  mit  12  Mörsern  angesetzt,  dem  die  Bat- 
terien m  (M)  und  1  (L)  mit  je  6  Mörsern  entsprechen. 

Bei  den  zweiten  Batterien,  welche  nach  Räumung  der  Je- 
suiterschanze  erbaut  sind,  entsprechen  die  Batterien  des  Apergu 
g,  1,  m,  i,  k,  p,  e  den  Batterien  der  skizzirten  Geschichte  p, 
q,  r,  s,  t,  tt,  X  und  stimmen  in  der  Zahl  und  Gattung  der  Ge- 
schütze ttberein.  Ferner  scheint  o  des  Apergu  der  Batterie  j- 
der  skizzirten  Geschichte  zu  entsprechen,  hat  jedoch  4  —  24  pfun- 
dige Kanonen  und  4  Mörser;  Batterie  y  dagegen  2  Haubitzen 
und  4  Mörser.  Das  richtige  mag  4  Haubitzen  (Einhörner)  und 
4  Möi-ser  sein,  wie  die  laufende  Nummer  36  des  obigen  Ver- 
zeichnisses hat.  Die  Batterien  des  Apercu  u,  v,  t  mit  je  4 
Kanonen  sind  weder  im  Verzeichniss  der  skizzirten  Geschichte 
noch  im  obigen  des  Majors  Liebe  vertreten,  ebenso  wenig  im 
Tagebuch  des  letztern,  und  daher  wohl  zu  streichen.  Der  Mangel 
der  üebereinstimmung  des  obigen  Verzeichnisses  vom  Major  Liebe 
mit  den  Verzeichnissen  des  Apercu  und  der  skizzirten  Geschichte 
ist,  wie  bereits  angeführt,  wahrscheinlich  darauf  zurückzuführen, 
dass  die  beiden  letztern  die  ursprünglich  beabsichtigte  Zahl  von 
Geschützen  aufgenommen  haben,  während  ersteres  nur  die  Zahl 
angiebt,  soweit  sie  bei  Abschluss  der  Kapitulation  vorhanden  war, 
indem  mehrere  Batterien  wegen  Mangel  an  Arbeitern  noch  nicht 
beendigt  waren.  So  fehlt  in  dem  Verzeichniss  die  Batterie  von  6 
Mörsern,  obgleich  sie  im  Tagebuch  des  Majors  aufgeführt  ist.  Die 
Verzeichnisse  des  Apergu  und  der  skizzirten  Geschichte  haben  die 
Batterie  dagegen  aufgenommen.  Sie  gehörte  zu  den  Batterien 
des  linken  Flügels  jener  6  im  Tagebuch  des  Majors  aufge- 
führten, welche  preussischerseits  erbaut  werden  sollten*),  aber 
zum  Theil  unvollendet  blieben. 

Am  wenigsten  in  Üebereinstimmung  zu  bringen  sind  die 
zur  Bekämpfung  der  Zigankenberger  Schanzen  bestimmten  Bat- 


^)  Wie  die  in  obigem  Verzeichniss  eingetragenen  Nummern  1 — 6,  welche 
den  im  Tagebuch  des  Majors  Liebe  angeführten  Buchstaben  a  bis  f  entsprechen, 
andeuten,  indem  sie  unten  mit  1  beginnen,  hatten  die  Preussen  die  Batterien 
a,  b,  c  des  Tagebuchs,  also  die  des  rechten  Flügels,  zu  erbauen. 


527 

terien.  Allen  Quellen  gemeinsam  sind  nur  die  Batterie  Zigan- 
kenberg  (mit  der  laufenden  Nummer  6  obigen  Verzeichnisses), 
wie  die  Redute  k  "  des  Apergu  (No.  7  der  skizzirten  Geschichte, 
No.  16  bei  d'Artois)  genannt  wird  und  die  Batterien  Schmiede- 
knecht, Brese  und  Kool.  Die  Batterien  8  und  9  der  skizzirten 
Geschichte  (No.  24,  25  bei  d'Artois)  fehlen  sowohl  im  Apergu, 
wie  in  unserm  Verzeichniss.  Dagegen  ist  in  letzterem  die  Bat- 
terie mit  der  laufenden  Nummer  10  aufgeführt,  welche  in  ihrer 
Bewaffnung  mit  1  Haubitze  und  3  Mörsern  der  Bewaffnung  der 
Batterien  8  (24)  und  9  (25)  mit  je  2  Haubitzen  ziemlich  nahe  kommt 
und  sonst  mit  keiner  Batterie  in  Einklang  zu  bringen  ist.  In  der 
Zeit  ihrer  Erbauung  geht  sie  allerdings  mit  den  Angaben  der 
französischen  Quellen  über  die  Erbauung  der  Batterien  No.  24 
und  25  völlig  auseinander.  Ganz  unvereinbar  mit  allen  sonstigen 
Angaben  sind  die  Batterien  m"'  und  n'"  des  Apercu,  können  aber 
fflglich  nichts  anderes  vorstellen  als  die  Batterien  No.  13  und 
14  bei  d'Artois.  Ebenso  sind  die  Geschützeinschnitte  bei  Miggau 
und  die  Redute  von  Miggau  (No.  12,  13,  14  unsers  Verzeich- 
nisses) nicht  anders  zu  verstehen  als  in  ihrer  Uebereinstimmung 
mit  No.  13  und  14  bei  d'Artois.  Die  Redute  bei  Schidlitz  mit 
der  laufenden  Nummer  7  unsers  Verzeichnisses  korrespondirt 
mit  No.  10  der  skizzirten  Geschichte  und  mit  No.  8  bei  d'Artois 
sowohl  in  der  Lage  als  in  der  Bewaffnung.  Das  Apercu  hat 
zwar  die  Redute  eingezeichnet,  leugnet  aber  ihre  Bewaffnung 
mit  Artillerie. 


VI. 

Proces-verbal 

du 

Conseil  de  defense. 

Cejourd'hui,    vingt-trois  novembre    mil    huit    cent  treize, 
Son   Excellence  Monsieur   le  Gouverneur  G6n6ral   a  assemble 
un  conseil  de  defense  compos6  de: 
Messieurs 

Le  g^n^ral  de  division,  baron  Grandjean,  commandant  la 
7me  division; 

Le  g^n^ral  de  division,  comte  Heudclet,  commandant  la 
30ine  division; 

Le  gen^ral  de  division  du  g^nie  de  Campredon,  commandant 
en  chef  celui  du  corps  d'armöe; 

Le  general  de  division,  baron  Bachelu,  commandant  la 
34 me  division; 

Le  lieutenant  g^n^ral  Detr^s,  commandant  la  33.  division; 

Le  contre-admiral  Dumanoir,  commandant  la  marine; 

Le  general  de  brigade  Cavaignac,  commandant  la  cavalerie; 

Le  general  de  brigade  Bazancourt,  commandant  sup6rieur 
de  la  place; 

Le  g6n6ral  de  brigade  Lepin,  commandant  Tartillerie  du 
10™®  Corps;  • 

Le  g6n6ral  de  brigade,  prince  Radziwil; 

Le  g6n6ral  de  brigade  d'H6ricourt,  chef  d'6tat-major  g6n6ral ; 

Le  colonel  du  gfenie  de  Ricliemont,  directeur  des  fortifications ; 

Le  colonel  d'artillerie  Cliapelle,  clief  d'6tat-major  de  cette 
arme: 


68<> 

Le  sotts-inspecteur  anx  revües  Reybaud,  faisant  foiiction 
d'inspecteur  du  10™®  corps; 

Le  eommissaire-ordoBnatear  Barthomeaf,  faisant  fonctioa 
d'ordonnateur  en  chef. 

Lecture  faite  des  lettres  patentes  de  Monsienr  le  Gouvernenr 
G6neral  et  du  chapitre  4  du  d6cret  imperial  du  24  D^cembre  1811, 
Son  Excellence  a  dit: 
„Messieurs, 

„Depuis  le  commencement  du  blocus,  la  garnison  de  Dantzig 
a  donn6  les  preuves  les  plus  signal^s  de  son  d^voueraeBt;  e)le 
a  SU,  par  sa  bravoure,  par  sa  r^signation  aux  fatigues  et  aux 
privations,  par  le  bon  esprit  qui  Tanime  et  qiri,  de  tant  de 
troupes  diverses,  n^a  fait  longtems  qu'une  seule  famille,  eile  a 
SU,  dis*je,  eommander  l'admiration  des  armöes  ennemies.  6tonner 
les  habitans  au  milieu  desquels  le  sort  des  armes  Ta  placke,  et 
se  couvi'ir  de  gloire  par  des  faits  innambrables  de  valeur. 
C^est  ä  ce  bon  esprit,  k  la  bonne  volonte  de  chacun,  qne  Ton 
a  du  la  cohstrnction  et  le  perfectionnement  de  taut  de  travaux 
n^eessaires  k  la  defense  de  la  place  et  contre  lesquels  viennent 
encore  6chouer  les  efforts  de  l'ennemi;  cette  exactitude  dans  k 
Service ,  qui  a  dejou6  tant  de  f ois  ses  entreprises ;  ces  r^sultats 
heureux  d'exp6ditions ,  qui  ont  servi  aux  ravitaillement  de  la 
place  et  prolongö  ses  ressonrces.  Mais  des  circonstances  inat- 
tendues  ont  chang6  ces  dispositions  dans  une  partie  de  k 
garnison,  et  d6jä  la  d^fection  de  plusienrs  auxiliaires  qui  en 
fönt  partie,  fait  craindre  de  plus  grandes  pertes  dont  on  doit 
peut*6tre  prövoir  les  eflfets. 

„La  d^sertion  nombreuse,  les  murmures  dans  les  travavx 
et  dans  le  Service,  les  propos  tenus  par  les  soldats,  par  les 
offlciers  meme  des  troupes  allemandes,  tout  concourt  h  faire 
nattre  Fopinion  que,  bien  loin  de  se  confier  k  ces  troupes,  fl 
faut    d^somais    les  surveiller  autant    que  Pennemi  exterieur. 

„Les  Polonais,  qui  forment  une  portion  nombreuse  de  la 
garnison,  sont  dans  une  position  teile  que  des  6v6nemens  d^jk 
annoncös  hautement  k  ces  troupes  ainsi  qu'ä  moi,  et  qui  peuvent 
arriver  d'un  jour  k  Tautre,  nous  priveraient  absolument  de  leur 
secours  et  mettraient  la  garnison  tout  k  fait  hoi*s  d'6tat  de 
d^fendre  la  place. 

Köhler,  Oescbiuhte  der  Festangen  Oanzig  und  VVeicbselmttnde.    II.  84 


530 

^Dans  cette  6tat  de  choses,  les  Francis  eux-m§mes  ne 
peuvent  se  d^fendre  d'une  inqui6tude  qui,  en  en  ajoutant  les 
peines  morales  anx  fatigues  physiques,  d^truit  jusqu'ä  Tartifice 
de  nos  forces.  Les  plas  mod6r6s  pensent  qu^ä  chaque  instant 
un  abandon  peut  les  mettre  ä  la  merci  de  Tennemi;  les  autres 
plus  exag6r6s  ench^rissent  encore  sur  ces  sinistres  idees. 

^Qaant  aux  Bavarois,  anx  Westphaliens  et  anx  corps  de  la 
Conf  6d6ration,  les  chef  s  de  ces  troupes  qui  allaient  aux  avant-postes 
OQt  manifeste  le  d^ir  qu'elles  n'y  fussent  plus  enyoy6es,  et 
d^  lors,  on  ne  doit  plus  compter  sur  elles  ponr  la  defense  de 
la  place.  Mais  une  circonstauce  plus  alarmante  ou  du  moins  plus 
penible  i  mettre  au  jour,  c'est  que  des  fractions  de  corps 
frangais  partagent  le  mauvais  esprit  des  alli^s  :  les  bataillons 
des  45"®,  54™®  et  94™®  rögimens  sont  en  grande  partie  compos6s 
de  sujets  r6unis  en  demier  lieu  k  la  France;  chaque  jour, 
la  d6sertion  augmente;  les  soldats  de  ces  corps  ne  vont  aux 
travaux  que  par  force,  montrent  la  plus  mauvaise  volonte  dans 
le  Service  et  professent  les  memes  principes  que  les  ^trangers  en 
mati^re  de  d6fection.  II  n'est  donc  plus  permis  de  se  reposer 
avec  s6curit6  que  sur  une  faible  portion  de  la  garnison;  on  peut 
encore  espörer  quelques  eiforts,   mais  non  pas  des  prodiges. 

„L'incendie  qui  a  consum^  la  majeure  partie  de  nos  maga* 
sins  a  r^duit  nos  approvisionnemens  en  grains  k  une  consom- 
mation  de  quarante-liuit  jours;  mais  il  fant  observer  que  nous 
n^avons  aucun  approvisionnement  en  farines,  que  les  moyens 
de  mouture  que  nous  employons  sont  tr^s  pr^caires  et  insuffisans, 
ce  qui  oblige  ä  des  vanations  continuelles  dans  la  fixation  de 
la  ration. 

„Les  autres  denr^es  sont  loin  d'etre  dans  la  m&me  Pro- 
portion que  les  grains  :  il  ne  reste  donc, dans  la  place  qu^en- 
viron  sept  cents  chevaux,  sur  lesquels  il  faut  en  conseiTer 
trois  Cents  k  Fartillerie  pour  le  transport  de  ses  munitions  sur 
les  vastes  fronts  que  nous  avons  k  döfendre,  cinquante  au  g^nie 
pour  les  transports  de  la  f ortification ,  et  trois  cents  k  Vad- 
ministration  pour  le  transport  des  grains  et  pour  les  moutures 
qui  ne  peuvent  se  faire,  en  grande  partie,  que  par  le  moyen 
des  moulins  k  manage;  d'oü  il  suit  qu^il  ne  resterait  pour  la 
consommation  qu'une  cinquantaine  de  chevaux,  k  moins  de  dto- 


63j 

organiser  et  an^antir  des  Services  indispensables  et  sur  lesquels 
repose  la  defense.  II  faudrait  donc  suppiger  au  d6faut  de  vi- 
ande  par  une  augmentiou  de  grnau,  ce  qai  diminuerait  d'autant 
les  ressources  en  pain. 

„II    ne    reste  d'eau-de-vie  que  pour  qaarante-deox  jours. 

„Je  ne  parlerai  pas  de  la  possibilit6  de  prolonger  ces 
ressources  par  des  rMactions  daus  la  composition  de  la  ratiou :  on 
sait  trop  k  combien  de  murmures  Celles  qui  ont  6t6  operSes  ont 
donn6  liea  et  quelles  ont  et6  le  pr^texte  d^une  d6sertion  nom- 
brease.  H  n^y  a  d'ailleurs  dans  les  magasins  aucan  des  alimens 
que  Ton  rassemble  pour  les  tems  de  si^e  afin  de  varier  la 
nourriture  du  soldat;  les  malades  mSmes  ne  peuvent  gtre  mieux 
trait6s  que  les  hommes  en  sant6,  par  suite  du  d^nuement  absolu 
des  alimens  qu^on  leur  accorde  ordinairement. 

„Vous  (^onnaissez,  Messieurs,  le  fächeux  6tat  de  nos  höpi- 
taux  :  le  plus  considerable  a  6t6  ruing  par  le  bombardement, 
et  rincendie  de  trois  autres  a  achev6  de  d6truire  le  peu  de 
ressources  qui  nous  restaient. 

„La  solde  a  et6  acquitt^e  anssi  longtems  qu'il  a  6t6  possible; 
cependant;  il  est  du  cinq  mois  i,  la  troupe  et  quatre  aux 
officiers.  Je  sais  tout  ce  qu'ils  souffrent  de  cette  p6nurie  pair 
la  chert6  excessive  de  toutes  choses ;  mais  cette  privation,  quel- 
que  sensible  qu'elle  soit,  est  la  moindre  de  toutes  les  con- 
sid6rations;  eile  n^en  est  une  pour  nous  que  par  räpport  aux 
6trangers. 

„L'artillerie  et  la  fortiflcation  sont,  en  gfenöral,  en  bon 
6tat,  les  deux  armes  n'ont  rien  n6glig6  de  ce  qüe  les  moyens 
mis  ä  leur  disposition  ont  permis.  Je  n'enum^rerai  pas  les  travaux 
que  nous  avons  ex6cut6s  ou  perfectionn^s  depuis  le  blocus  :  le 
Journal  du  si^ge  et  ceux  du  g6nie  les  fönt  connaitre  :  ils  sont 
immenses.  La  construction  et  les  r6parations  de  ces  ouvrages 
ont  tellement  fatign6  les  soldats,  que  ce  n'est  qu^avec  les  plus 
grandes  peines  que  Ton  parvient  ä  faire  ex6cuter  ceux  que  la 
marche  de  l'ennemi  rend  indispensables;  et  cela  se  con^oit  fa- 
cilement,  si  Ton  r6fl6chit  que  les  troupes  faisant  le  Service  mon- 
tent  et  decendent  continnellement,  et  que  dans  Tintervalle  elles 
sont  command6es  pour  les  travaux. 

„Le  moment  des  glaces  approche,  et  Ton  ne  peüt  se  dissi- 

84* 


582 


muler  qa'alors  la  n^cessitö  des  travanx  les  plus  darspar  lear 
natnre  et  par  le  tems  de  lenr  ex^cntion,  leur  coutinaitä  et  lear 
imraensitä,  ne  soit  en  disproportion  totale  avec  le  nombre  et  la 
force  de  nos  soldats.  Si  Ton  ajoute  ä.  cet  6tat  de  choses  la 
n6cessit6  de  garder  cet  immense  d^veloppement  de  fronts  inon- 
d^s  qui,  JQsqa'ä  ce  jour,  n'a  exig6  que  la  survelliance  de  quel- 
ques   factionnaires,    on    ne    Toit    quMnsnffisance    et    malhear. 

„Depuis  pr6s  de  trois  mois,  j^ai  repouss^  constammeat 
toutes  les  aommations  de  Tennemi.  Je  le  devais.  Anjourd^hni, 
messieux,  loin  de  nous  Tid^e  de  rien  faire  qui  soit  indigne  de 
nos  devoirs  et  des  int^röts  de  sa  Majestä;  oiais  quelques-uns 
d'entre  vous  m'oirt  fait  consid6rer  de  plus  pr^s,  d^une  part,  toat 
ce  que  notre  Situation  a  d'effrayant,  et  de  Fautre,  Favautage 
qu^il  y  aurait  d'affermir  les  Polonais  et  de  les  rassurer,  eB 
leur  donnant  la  certitude  positive  que  nous  ne  les  abandonnerons 
pas  comrae  on  le  leur  a  insiuu6;  enfln  que  Tenuemi,  qui  nous 
croit  eucore  dans  une  Situation  beaucoup  moins  critique,  parait 
dispos^  ä  faire  un  traite  conditionnel.  Je  vous  prie  dexaminer 
s'il  eonvient  de  faire  ce  traitö,  dans  la  snpposition  que  Ton 
pvisse  obtenir  de  conseiTer  la  place  jusqu'ä  F^poque  ou  nous 
savoDs  que  nos  vivres  nous  mineront,  et  si  notre  honneur  ou  les 
intir§ts  de  Sa  Majest^  n'en  souffriront  pas. 

J'ai  besoin  de  votre  avis  sur  cette  question  important.^ 


Druckfehler. 


Text. 

Seite 

15  Zeile 

9 

von 

oben: 

französisch  für  prenssisch. 

n 

17 

9 

1 

9 

9 

flüchtige. 

n 

21 

» 

12 

9 

9 

9 

7) 

112 

» 

13 

9 

9 

1807. 

1» 

260 

9 

8 

9 

9 

Künette. 

7) 

273 

» 

6 

9 

9 

weil. 

n 

280 

Jt 

7 

9 

9 

Williaminoff. 

9 

323 

1) 

4 

9 

9 

nenen  Styls. 

n 

348 

n 

10 

9 

9 

Belagerung. 

i> 

352 

» 

2 

JI 

nnten 

Wolkonski. 

i> 

402 

» 

13 

9 

9 

4  —  24  Pfünder. 

n 

408 

» 

10 

9 

oben: 

q". 

» 

443 

» 

10 

9 

9 

fehlt  daß  Wort  „an". 

» 

462 

9 

7 

9 

anten 

:  neuen  Styls. 

j) 

463 

» 

13 

9 

9 

Rationen. 

n 

524 

9 

13 

9 

» 

(laufende  Nr.  31):    für   B.    muss   es   heissen: 
Bikoschettbatterie  gegen   die  rechte  Face 
von  Leclerc. 

0 

532 

» 

6 

9 

9 

k  für  ä. 

Noten. 

Seite 

69  Zeile 

2 

von 

nnten 

II.  Band. 

jt 

133 

n 

7 

9 

9 

Steegen. 

n 

158 

» 

1 

9 

9 

No.  1 1  für  No.  10. 

0 

378 
391 

» 
n 

3 
2 

9 
9 

9 

oben : 

1  E  202  für  F.  9. 

» 

400 

s 

2 

9 

9 

Es  geht  daraus  hervor  statt  „es  scheint  da- 
raus hervorzugehen". 

440 

■1 

3 

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nnten 

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oben: 

assi6geans. 

Bemerkung:  Die  Ueberschrift  von  Taf.  II  des  1.  Bandes  ist  insofern  nicht 
ganz  zutreffend,  als  in  der  Befestigung  der  Rechtstadi  Bauten  anf- 
genommen  sind ,  die  erst  in  der  2.  Hälfte  des  15.  Jahrhunderts  aus- 
geführt wurden,  wie  das  Fischer-  und  äussere  Hausthor. 

Auf  Taf.  XII  muss  es  unten  links  für  Taf.  X  und  XI  heissen: 
Taf.  Xm  und  2.  Band  Taf.  I. 


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Yerzeiclmiss  Her  Karteo  il  Pläne  ies  E  Banles. 


Taf.        I.     Plan  der  Belagerung  von  Danzig  1734  nebst  Weichselmünde. 
Taf.      n.     Plan  zur  Belagerung  von  Danzig  1807. 
Taf.    III.    Fig.  1.    Angriff  der  unteren  Weichsel  1807. 

Die  zu  Danzig  in  den  Wintermonaten  1806/7  ans^e- 
ftthrten  Arinirungsarbeiten. 
„     2.     Blockhaus  im  gedeckten  Wege. 
„     8.     Bombensichere  Baracke. 
„     4.     Sturmbalkeu. 
Taf.     IV.    Plan  zur  Belagerung  Danzigs  1807. 

Fig.  1.     Profile  der  linken  Face  des  Bastions  Jerusalem  nach  A.  B. 
y,     2.    Profil  der  rechten  Face  des  Ravclins  Hagel. 
„     3.     Grabendesceute. 
Taf.      V.     Plan  zur  Belagerung  Danzigs  im  Monat  Mai  1807. 
Taf.     VI.     Plan  zur  Blockade  und  Behigerung  Danzigs  1813. 


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