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I
Geschichte
der Festungen
Danzig und Weichselmünde
bis zum Jahre 1814
in YerMndiiDg mit der Kriegsgeschichte
der freien Stadt Danzig
von
5
Generalmajor z. D.
Ritter des eisernen Kreuzes I. u. II. Kl. und des rothen Adlerordens IL Kl. mit Eichenlaub,
Mitglied des Gelehrten-Ausscliusses vom germanischen Natlonal-Museum zu Nürnberg.
Zweiter Theil
von 1734 bis 1814,
Die Bclagerangon Danzigs
von 1734, 1807 und 1813.
V
Mit 6 Skizzen und Plänen,
wovon 4 in Lichtdruck.
Breslau.
Verlag von Wilhelm Koebner.
(Inhaber : M. ft H. Marcus.)
1893.
^ 6f^j^. /z
HARVARH f^Oü.Fnp LIBRARY
JUN 201904
HOHE.NZOLLERN r(.)LL' i: i lUN
•' ' T O'- A. C/. C )v.'i i'wr.
Inhalts -Verzeiehniss.
Seite
III. Danzig uRter polnischer Sobutzherrsohaft (Fortsetzung).
G. Die Belagerung Danzigs 1734.
Quellen. Yeranlassang der Belagerung. Vorbereitungen der Stadt.
Die Bussen vor Danzig bis zur Ankunft des Grafen Münnich 1
1. Ankunft des Grafen Münnich. Einscbliessung der Stadt.
Bau einer Kontravallation 13
2. Bombardement der Stadt. Vorbereitungen zum Empfang
der Franzosen 26
3. Sturm auf den Hagelsberg 30
4. Ankunft der französischen Flotte. Landung. Gefecht vom
27. Mai 34
5. Ankunft der russischen Verstärkungen und der Sachsen . 40
6. Ankunft der russischen Flotte 45
7. Förmlicher Angriff gegen Weichselmttnde 45
8. Kapitulation der Franzosen 47
9. Uebergabe von Weichselmünde 50
10. Flucht des Königs Stanislaus. Kapitulation von Danzig 52
11. RttckbUck 57
H. Ende der polnischen Schutzherrschaft 61
IV. Danzig unter preussisoher Herrschaft 1793—1807 64
Die Belagerung Danzigs 1807.
Quellen 67
a. Uebersicht des Standes der Festungswerke Danzigs und Weichsel-
münde^s und deren bauliche Beschaffenheit ende des Jahres
1806 69
b. Armirung von Danzig und Weichselmünde vom 1. November
1806 bis zur Einscbliessung am 11. März 1807.
1. Die fortifikatorische Armirung 75
I. gegen den gewaltsamen Angriff 78
JJ. gegen den förmlicjien An^ff ,,.,,,., 92
IV
Seite
2. Die artilleristische Armirung 110
c. Die Besatzung 113
d. Kriegslage 119
e. Das Belagerungskorps 121
Die Belagerung.
f. Von der Einschliessang bis zur Eröffnung der 1. Parallele vom
H. März bis 1. April 127
g. Von Eröffnung der 1. Parallele bis zur Vollendung der 3.
Parallele vom 1. April bis 1. Mai 145
h. Von der Beendigung der 3. Parallele bis zur Kapitulation . 169
Rückblick 211
Vergleich mit der Belagerung von 1734 217
V. Danzig als Freistaat 1807—1814 222
A. Die Befestigungsbauten von 1811 und 1812 230
B. Zustand der Werke am Ende des Jahres 1812 233
Die Blockade und Belagerung Danzigs 1813 237
1. Die Besatzung Danzigs und das Blockadekoqis .... 239
2. Quellen für die Belagerung und Vertheidigung Danzigs . 243
3. Die Blockade und die Vertheidigung Danzigs von Mitte
Januar bis 1. Mai 253
Angriff der Russen am 5. März 266
4. Die Blockade und die Vertheidigung Danzigs vom 1. Mai
bis zum Waffenstillstände 289
Der Ausfall vom 9. Juni 299
5. Der Waffenstillstand 308
6. Die Belagerung und Vertheidigung Danzigs Vom Waffen-
stillstände bis zur Kapitulation 336
a. Der Belagerer 336
b. Die Besatzung 344
c. Die Belagerung.
1. Einleitung der Belagerung vom 24. August bis
17, September 348
Das Gefecht vom 29. August 350
Die Einnahme von Langfuhr am 2. September 355
2. Der Scheinangriff vom 17. September bis 10. Oktober 374
Die Erstürmung der Schotteuhäuser 384
3. Die Beschiessung vom 10. Oktober bis 2. November 392
4. Der förmliche Angriff vom 2. bis 29. November . 419
d. Die Kapitulation 460
e. Rückfall an Preussen 472
C. Rückblick 476
1. Die Vertheidigung 478
2. Der Angriff 492
3. Bemerkungen zum Apercu 496
4. Schlussbetrachtung 504
Seite
Anhang.
I. Aus der Korrespondenz des Grafen Dohna mit dem Megor
V. Hake 509
II. Schreiben des Herzogs von Würtemberg an den Obersten
V. Schulmann und Oberstlientenaut t. Pnllet .... 511
III. Nachweisung der Batterien vom 23. Oktober .... 613
IV. Auszug aus dem Tagebuch des Majors Liebe . . . . 515
V. Verzeichniss der Batterien bei eingetretener Kapitulation 523
VI. Procfes-verbal du Oonseil de defense 528
m
.1
t.
r
\ IIL Danzig unter der Schatzherrschaft Polens.
2) (Fortsetzung).
G. Die Belagerung von Danzig i. J. 1734').
Tafel I.
Wiederum war es eine Königswahl, welche zu einer Be-
lagerung Danzigs fährte. König August II von Polen war am
1. Februar ITr.rj gestorben. Trotz der Begünstigung der Ost-
mächte, namentlich Russlands, welche den Kurfürsten August
') Die sehr zahlreichen Quellen ttber diese Belagerang hat Hoburg in
seiner Darstellung derselben (Nene Prenss. Provinzialblätter 3. Folge Bd. 2.
Königsberg 1858 S. 84 und in einein Nachtrage dazu Bd. 8. 1861 S. 78) zu-
sammengestellt. Ich greife dayon nur die wichtigsten heraus.
An handschriftlichen Quellen sind vorhanden:
1. Danziger Rathschlüsse vom 9. Februar 1733 bis 17. December 1734.
Sie enthalten alles, was auf die Vertheidigung der Stadt Bezug hat, den
Schriftwechsel mit verschiedenen auswärtigen Regierungen und deren Ge-
sandten, sowie mit den Befehlshabern der Belagerungstruppen.
2. Becess von den russischen Troubles vom 17. Febr. 1734 bis 22. Hai
1736. Es ist ein amtliches, auf Befehl der Stadt geführtes Tagebuch in
Bezug auf die Belagerung und was damit in Verbindung steht.
3. Bemerkungen von drei im Dienst dei Stadt angestellten frans(toi8chen
Officieren ttber die äussern Werke der Stadt und deren Vertheidigung vom
16. bis 23. Februar 1734; ein in Weichselmünde geführtes Jumal über die
dortigen Ereignisse vom 6. Februar bis 16. Aug. 1734; Untersuchungsacten
Aber den M%jor Trinckins etc.
Vorstehende Äctenstücke befinden sich im Archiv der Stadt Danzig
nebst einigen Piecen unter der Rubrik Militaria.
4. Handschriftliche Bemerkungen zu „ Accurate Nachricht von der rnssischr
Kö tal er, Geschichte der Festungen Danzig und Weicbselmttnde. II. l
von Sachsen zum Nachfolger ausersehn hatten, ging am 12. Sep-
tember die Walil Stanislaus Leszynski's unter dem Einfluss des
Primas von Polen, Theodor Potocki, Erzbischofs von Gnesen,
sächsischen Belagerung der Stadt Danzig." Danziger Stadtbibliothek XV.
40. 9. Es sind hierin die Ausgaben angeführt, welche der Stadt durch die
Belagerung erwuchsen.
5. Nachricht von einigen bei der Münde und voniehmlich bei der Er-
oberung der Sommerschanze von den Bussen vorgefallenen Begebenheiten
1784. Von Karl Friedrich Runger. Ms. boruss. Fol. 280 der Königlichen
Bibliothek zu Berlin. Eine Vertheidigungsschrift des Verf., eines Danziger
Of ficiers, Über sein Verhalten bei der Eroberung der Sommerschanze. In dem-
selben Vol. finden sich noch einige Notizen über die Belagerung und eine
Angabe der Stärke des russischen Belagerungskorps.
6. Zwei Briefe des Feldmarschalls Grafen Müunich an den König Friedr.
Wilhelm I von Preussen vom 26. März (5. Apr.) und vom 20. Juni (1. Juli)
1734, sowie ein Plan von Danzig und zwei Pläne von Weichselmünde mit
den von den Russen ausgeführten Belagerungsarbeiten. Diese Pläne sind
wahrscheinlich vpm Lieutenant von Reinhard von Platen Dragonern, wie Ho-
burg dos weiteren ausführt. Briefe w^ie Pläne befinden sich im Königl. ge-
heimen Staatsarchiv zu Berlin. Erstere sind in dem Nachtrage des Major
Hoburg über die Belagerung in Band 8. der Neuen Preuss. Provinzialblätter
3. Folge abgedruckt.
Von Druckschriften sind folgende die wichtigsten:
1. Accurate Nachricht von der russisch-sächsischen Belagerung und Bom-
bardirung von Danzig. Nebst Anhang. Von unparteiischer Feder entworfen.
Köln 1736.
2. Kurzer Auszug alter und neuer polnisch-preussischer Kriegsgeschichte.
Als ein anderer Theil der accuraten Nachricht. Von unparteiischer Feder
entworfen. Köln 1738.
3. Ordentliches Tagesregister von den Unternehmungen derer Russen
und Sachsen bei der Belagerung der Stadt Danzig. Von luipartciischer Feder
entworfen. Köln 1737. Beigegeben sind: Inquisitionsakten, die Entfernung
einer hohen Person (König Stanislaus) betreifend.
4. Thomische Begebenheiten, welche zu gleicher Zeit der Danziger Be-
lagerung 1733 und 1734 sich merkwürdigst zugetragen. Von unparteiischer
Feder entworfen. Köln 1737.
5. Elbingische Begebenheiten, desgleichen. Köln 1738. Nebst Plan
von Elbing.
Diese 5 Nummern, nebst „Anhang des kurzen Auszugs alter und neuer
polnisch-preussischer Kriegsgeschichten, von unparteiischer Feder gesammelt.
Köln 1740", bilden ein Werk, dessen Verf. Sejler und Schultz sind. Eine
zweite Auflage von 1741 ist in 2 Bänden. 4^ Von allen diesen Ist das
„ordentliche Tagesregister '^ die bei weitem wichtigste Quelle und macht theil-
3
und des französischen Gesandten Marquis de Monti durch. Doch
schon waren die Russen unter dem General von Lascy im An-
marsch, um die Wahl des Kurfürsten von Sachsen zu erzwingen.
weise durchaus den Eindruck eines amtlichen Berichts. Es ist dabei mit
einem guten Plan versehen.
Von andern Drucksachen ist nur noch zu erwähnen:
6. Das vollständige Jurnal was vor, in und nach der Belagerung
der Stadt Danzig wie auch in den russischen Tranch^en merkwürdiges vor-
gegangen ist. Entworfen von Friedlieb Warmund 1735. Es enthält neben
manchen Unrichtigkeiten auch vieles Brauchbare. Hat einen Plan.
7. Journal historique de la campagne de Dautzik. Par M*, alors officier
dans le r^giment de Blaisois. Amsterdam & Paris 1761.
8. von Manstein. Beitrag zur Geschichte Eusslands von 1727 bis 1744.
Narh der französischen Handschrift übersetzt. Leipzig 1771. Manstein trat
erst 1736 in russische Dienste, war also nicht Augenzeuge. Seine QueUe ist
die „accurate Nachricht'' und das „ordentliche Tagesregister.'' Er zeichnet
sich neben einigen IrrthÜmern durch eine lichtvolle Darstellung aus.
9. Massuet. Histoire de la guerre präsente. Amsterdam 1736.
10. Kurtze geographische Nachricht von der Stadt Danzig und ihrem
District nebst dienlichen Anleitungen die Topographische Delineation der
Dantziger Gegend in eynem beigefügten Landkärtchen zu erläutern mit einem
Anbange von der Danziger Belagerung. Nürnberg 1734.
11. Die entlarvte Partheylichkeit der sogenannten unpartheiischen Nach-
richt von der Belagerung der Stadt Danzig in kleinen Anmerkungen gezeigt
von einem wirklich Unparthey Ischen. Frankfurt a. M. 1735.
Hierzu kommen die verschiedenen Lebensbeschreibungen von Sta-
nislans Leszyuski, des Grafen Münnich u. a. m.
Von neueren Darstellungen ist nur die vom Major Hoburg von Werth,
da er das Archiv der Stadt Danzig benutzt hat. Sie zeichnet sich weder durch
VoUständigkeit. die er behauptet angestrebt zu haben, noch durch Klarheit
aus. Es fehlt ihm selbst an dem nöthigen Verständniss und namentlich an
kritischem Sinn. Seinem Plan liegt zwar der des „ordentlichen Tagesregisters**
zugrunde, doch hat er die Belagerungsarbeiten gerade nicht zum Vortheil
besseren Verständnisses abgeändert. Ganz unbegreiflich ist es, dass er für
den Plan den Danziger Maasstab (Kulmisches Maas) gewählt hat, während
das Tagesregister ausserdem auch das rheinländische Maas hat. Die Reduc-
tion des Danziger Maasses wird dadurch so erschwert, dass die Buthe 15 Fuss
hat, so dass das Verhältniss der rheinl. Buthe zur Danziger nahezu wie 11 : 9
(genauer 1100 : 906) ist, während 12 Danziger Fusse 11 rheinländischen Füssen
entsprechen.
Die vom Hauptmann Fritz Honig 1S86 herausgegebene Geschichte der
Festung Weichselmünde von einem Ungenannten enthält zwar auch eine
Darstellung der Belagerung, die Danzig mit umfasst, doch hat der Verf. das
Stanislaus sah sich genöthigt, am 22. September Warschau za
verlassen und kam am 2. Oktober unvermuthet in Danzig au
in der Absicht, hier vorläufig seine Residenz aufzuschlagen.
Bei ihm befanden sich der französische Gesandte, der Primas
und mehrere polnische Magnaten, wie der Kronschatzmeister
von Polen Ossolinski, der Graf von Poniatowski, der Fürst Czar-
toryski, der Graf Dönhoff, der Bischoff von Plock, der Woiewode
von Marienburg u. a. m. ^). Die Stadt war sich ihrer schwie-
rigen Lage völlig bewusst, zögerte aber keinen Augenblick,
ihre Existenz für den König, den sie anerkannt hatte, einzu-
setzen, obgleich am 5. Oktober unter dem Druck der russischen
Armee der Kurfürst von Sachsen als August III zum Könige
von Polen erwählt wurde. Stanislaus wurde mit allen üblichen
Ehrenbezeugungen aufgenommen. In der Nacht vom 23. zum
24. Oktober langte von dem städtischen Agenten in Warschau
die Nachricht an, dass 36000 Russen auf dem Wege nach Dan-
zig wären. Wenn sich dies auch nicht bestätigte, so säumte
die Stadt doch nicht länger, die Armirung der Werke eintreten
zu lassen. Sie hoffte übrigens auf einen kräftigen Beistand
Ludwigs XV von Frankreich, dem Schwiegersohn Stanislaus
Leszynski's.
Die Theile der Befestigung, welche bloss aus einem Erd-
wall bestanden, wie die Niederfront der Stadt, der Bischofs-
und Hagelsberg mit ihren Anschlusslinien, die Ost- und West-
schanze von Weichselmttnde, die Holm- und andere ausserhalb
gelegenen Schanzen wurden mit einer starken Palisadirung ver-
sehn. Die Spitze des hohen Kavalier- oder Dreckberges in dem
Danz. Archiv nicht benutzt. Ausserdem gebort die Abfassung einer Zeit an
(1825), wo es mit der Kritik der Thatsachen nicht genau genommen wurde,
so dass selbst die benutzten Quellen vielfach entstellt werden und der Phan-
tasie ein grosser Spielrauui gelassen ist. Die Irrthttmer sind so zahlreich,
dass von deren Berichtigung hat Abstand genommen werden müssen. Dage-
gen wird die allgemeine Auffassung des Ganges der Belageiiiug von selten
des Verfassers in den diesseitigen Schlussbemerkungen (Rilckblick) besonders
besprochen werden.
') Eiu vollständiges Verzeichniss der polnischen Begleiter des Königs
findet sich im „ordentl. Tagesregist^^r'' S. 629 gelegentlich ihrer Anerkennung
König August's III. v. 29. Juni 1734.
Bastion St. Jakob wurde abgetragen, um schwere Geschütze
(laraaf placiren zu können. Merkwürdigerweise nahm man sich
aber an den Vorgängen der Jahre 1655 und 1656 kein Beispiel,
indem kein einziges provisorisches Werk auf den wichtigen
Punkten der nächsten Umgebung, wie dem Stolzenberg, Ziganken-
berg, Wunderberg pp., erbaut wurde. Selbst die Judenschanze
in der Nähe der heutigen Jesuiterschanze, welche im Besitz des
Feindes eine Beschiessung der Stadt und der Speicherinsel ge-
stattete, blieb unvollendet liegen. Erst nach vollzogener Ein-
schliessung durch die Russen wurden die Grandschanze auf dem
Looseberge bei Schidlitz (Nr. 9) und eine Schanze am Gans-
kruge (f) serbaut *). Am Danziger Haupt, dessen Befestigung
sich im schwedischen Kriege so wichtig erwiesen hatte und
dessen Besitz zum Schutz der Nehrung nothwendig war, ge-
schah nichts. Von der Bedeutung der Nehrung scheint man
überhaupt keine Vorstellung gehabt zu haben. Namentlich
hatte man die Planirung der Reduten zur Verbindung des
Holms mit Weichselmtindc im Lauf der Belagerung zu beklagen.
Sie war, wie wir gesehen haben. 1701 und 1705 erfolgt. Der
sehr gelinde Winter, der durchweg herrschte, hätte vor allem
den Bau eines Werkes am grossen Holländer begünstigt, das
der General Percewal so sehr empfohlen hatte. Wenn man
nicht die übrigen bedeutenden Anstrengungen, welche die Stadt
machte, berücksichtigte, müsste man glauben, dass sie sich in
der Hoffnung wiegte, es würde überhaupt nicht zum äussersten
kommen. Aber die Waffenvorräthe wurden vermehrt, Pulver
angekauft ^), die nöthigen Summen für die Verproviantirung aus-
geworfen'). Das Holz, welches ausserhalb der Wälle lagerte,
^) Ausserdem wurden zwei Batterien am linken Weichselufer, die eine
am Stanguetengrabeu (e'), die eiudere bei Milchpeter (d') gegenüber der Laak-
schanze angelegt, um den Feind fem von der Weichsel zu halten (Ordn.-Rec.
V. Mitte März. Hoburg. Geschichte der Festungswerke Danzig's S. 115). Un-
begreiflicherweise legte man bei Ohra eioe Verschanzung (II Taf . I. 2) an, ohne
die anliegenden Berge hineinzuziehen.
') Wenn Hobnrg nur von 60 Centnern spricht, so mnss das wohl ein
Irrthum sein, die Stadt müsste denn einen grossen Bestand gehabt haben.
Weichselmünde hatte bei der Uebergabe allein 415 Zentner Pulver.
^ £s wurden dafür später 100 Last Boggen angekauft, die als ein
wurde in die Stadt geschafft und die Besatzung zunächst auf
3000 Mann verstärkt. Auch wurden 18000 Sandsäcke und 1800
spanische Reiter angefertigt. Nach Annäherung der Russen
wurde das Lege- und Jakobsthor geschlossen und jedes mit
einer Bttrgerkompagnie besetzt. Die Kompagnie am Legethor
hatte ausserdem die Steinschleuse zu bewachen. Die Söldner
besetzten den Bischofs- und Hagelsberg, so wie die andern
Aussenwerke.
Der König überliess der Stadt einige tausend Mann seiner
stehenden polnischen Truppen (Kron-Garde) aus Dragonern und
Infanterie bestehend und der französische Gesandte errichtete
auf seine Kosten ein Dragoner-Regiment. Erstere traten förm-
lich in den Dienst der Stadt über und schwuren dem Rath.
Ferner schickte der französische Gesandte in Stockholm, Graf
Casteja. 130 Freiwillige, grösstentheils Offleiere, die er mit Be-
willigung der schwedischen Regierung angeworben hatte. Sie
langten am 8. Januar 1734 in Weichselmfinde an. Unter ihnen
befand sich der Baron von Stackeiberg, von dem noch mehr-
fach die Rede sein wird. Ausserdem wurden noch einige andre
renomirte fremdländische Officiere in Dienst genommen, wie
ein Oberst Harang und der Major Salamon Ennebergh ^). Auf
Empfehlung des französischen Gesandten wurde noch der schwe-
dische Oberstlieutenant Palmstinick und zwei französische Ar-
tillerieofflciere, ein Oberstlieutenant und ein Kapitain eugagirt.
Drei französische Ingenieurofficiere waren per Post übersendet
worden und gingen dem städtischen Ingenieur, Hauptmann
Charpentier, eifrig zur Hand.
Kommandant der Garnison war seit 1731 der Generalmajor
Johann Wilhelm von Viettinghoff, Kommandant von Weichsel-
münde der Hauptmann Patzer, der 9 Officiere und 400 Mann
Vorrath dienen sollten. Für den eigenen Unterhalt hatten die Bewohner
selbst zu sorgen.
») Wir erfahren durch Rathschl. vom 2. Octbr. 1733 (Hoburg S. 89) ge-
legentlich eines Avancementsvorschlages noch die Anwesenheit von folgenden
Officieren: Oberst von Troschke, Oberst von Bothmer und von der Groben;
die Oberstlieutenants von Diepenbrock, von Puttkamerj von Lehssen und
Grämlich; die Majors von Rauter und Schultz. Der Oberst erhielt 6000, der
Oberstlieut^nant 3000 und d^r Major 1800 Gulden Gehalt.
unter sich hatte. Den Bischofs- und Hagelsberg befetiligte der
Oberstlieutenant Palmstruck.
Die städtische Miliz war in 4 Regimenter zu je 12 Kom-
pagnien getheilt. Dazu trat ein Regiment aus den Vorstädten.
Während der Belagerung wurden zum täglichen Dienst 8, später
9 Kompagnien herangezogen. Jeder Einwohner musste sich mit
einem guten Gewehr, Degen und Patronentasche, 3 Pfund Pulver
und 6 Pfund Kugeln versehen. Auch das Landgebiet war mili-
tairisch organisirt und besetzte nach Beginn der Einschli essung
die Vorstadt Kneipab *).
Ausserdem erliess der Rath eine Aufforderung an die jungen
Leute, unter Waffen zu treten. Es wurden daraus mehrere
besondere Korps, das der Handlungsdiener und das der Gesellen
gebildet. Es wurden ferner am 24. Febr. 1734 freiwillige
Schützen engagirt^), die ein Handgeld von 5 Thalern, eine ge-
zogene Büchse und eine Pistole erhielten. Sie wurden Frei-
schützen, im Volksmunde auch Schnapphähne genannt und
') lieber die Stärke der Landmiliz liegen für das Jahr 1734 keine Nach-
richten vor. I. J. 1704 konnte dm Dauziger Landgebiet 1589 Mann stellen
und zwar der Werder 711, Nehrung nnd Scharpau 558, die Höhe 220 und das
Bauamt (der Theil des Werders an der Boswieke) 100 Mann. Hoburg S. 92.
') Hoburg berechnet S. 95 znmtheil nach amtlichen Nachrichten die
Stärke der Besatzungstmppen wie folgt:
Die von der Stadt gehaltene Garnison 8000 Mann.
5 Bürger-Regimenter gegen 7800 „
Handlungsdiener in 3 Komp 540 „
Die Gesellen der verschiedenen Gewerke 1279
Die Fleischer, welche zu Pferde dienten, mit Einschlnss
von 63 Meistern 176 „
Freischützen 700 „
Polnische Truppen 2150 „
Schweden gegen 200 „
Franzosen 2400
7!
in Summa 23,245 Mann.
Die Fleischer wurden, da sie beritten waren, zum Patrouillendienst, die
Barbiere, die bei den Gewerken nicht eingerechnet sind (gegen 50), in den
Lazarethen verwendet. Die Zahl der Gesellen und Fleischer ist amtlich fest-
gestellt (Notiz vom Februar 1734). Die Angabe der accurateu Nachricht von
1200 Gesellen ist daher wohl ein Schreibfehler. Um sich gegenseitig zu
erkennen, trugen die Besatzungstruppen einen Strohwisch am Hut.
9
zum Vorpostendienst sowie zu Streifzfigen benutzt. Was sie
au Beute gewannen, sollte ihr Eigenthnm sein.
An Artillerie besass die Stadt 347 Kanonen, von denen
sich 130 in den Aussenwerken , die ttbrigen auf der Stadtuni -
Wallung befanden^). Weichselmftnde hatte ausserden seine be-
sondere Artillerie'). Die Bedienung wurde auf 123 Artilleristen
Die Stärke der Soldtrappen von 8000 Mann ist nach der accuraten Nach-
richt angegeben, da sich officielle Daten nicht vorfanden. Man wird sie auf
die Hälfte, vielleicht noch auf weniger reduciren können, da ihr Sold monat-
lich 80000 fl. betrog.
*) Hobarg S. 94. Er giebt jedoch seine Quelle nicht an. Es ist sehr
wahrscheinlich, dass die Geschütze von Weichselmünde in der Zahl von 817
mit enthalten sind, da die Zahl ziemlich genau deijenigen von 1807 entspricht,
wo im Ganzen 349 Geschütze, allerdings incl. der Wurfgeschütze, vorhanden
waren. Näheres über die Kaliber ist nicht bekannt. Nach erfolgter Ein-
schliessung worden rechts vom Olivaer Thor 4— 12 pfundige and 16 pfundige
Kanonen aufgestellt und der Bischofsberg mit 4-30 pfüudigen Mörsern
verstärkt.
*) Bei der Uebergabe des Forts Weichselmünde am 24. Juni waren
vorhanden :
5 metallene 4-Pfdr.
3
»
3
8
4
eiserne
12
9
2
»
9
9
17
9
6
9
16
^ 9
6
9
2
0
4
9
2
9
3
9
Summa 103 Kanonen.
Ferner 2 metallene 48 pfundige Mörser
3 Handmörser
8 Doppelhaken
50 Feuerröhre
200 Bomben.
An Kugeln: 2052— 12 pfundige, 18— 9pfde., 3429— 6pfde., 1028-5 pfde.,
212— 4pfde., 480— 3 pfde.
An Kartätschen; 227— 12 pfundige, 235— 9pfde., 203— 6pfde., 340— öpfde.,
254— 4 pfde., 44-3 pfde.
An Kartuschen: 24— 12 pfundige, 25— 9 pfde., 137— 6 pfde., 101— öpfde.,
189— 4 pfde., 100-3 pfde.
Ausserdem noch Kartuschen in 4 Fässern.
An Pulver waren noch 451 V< Ctr. oder 1130 Pack vorbanden. Ferner
_9
und 30 Handlanger vermehrt nnd 80 geeignete Infanteristen
zur Aushilfe gegeben. Die Stadt besass ausserdem seit 1710
eine Kompagnie Bürgerkauoniere von 300 Mann mit einem
Rathsherm als Befehlshaber.
Die gesammte Militairmacht der Stadt stand unter dem
Kriegsrath, dessen Zusammensetzung und Befugnisse wir be-
reits aus der Befestigungsgeschichte kennen-^).
Die Ausfuhr von Lebensmitteln und Furage wurde ver-
boten. Der Mannschaft wurde ausser ihrem Solde täglich für
2 Groschen Brod bewilligt. Die Geldmittel zur regelmässigen
Bezahlung der Besatzung wurden durch Anleihen aufgebracht.
Ausserdem erstattete der König der Stadt 30000 Thaler zurück,
die er 1707 als Darlehn erhalten hatte. Die Bitte der Stadt
um einen Vorschuss von 70000 Gulden wurde vom Könige je-
doch abschläglich beschieden.
Zur Verständigung der Stadt mit Weichselmündc wurden
Raketen verwendet. Als Beobachtungsposten diente der Kirch-
thurm von St. Marien, wo permanent ein Offleier kommandirt
war, der am Fuss des Thurms eine reitende Ordonanz zur Dis-
position hatte.
Die Belagerung von Danzig i. J. 1734 durch die Russen
hat dadurch einen eigenthttmlichen Reiz, dass sie uns den
Standpunkt, welchen die russische Armee zu dieser Zeit im
an Blei 160 Ctr. oder 875 Pack in grossen Stücken, an Schwefel nnd Salpeter
14 Vs Ctr., an metallenen Handgranaten 99. Ausserdem einiger Vorrath an
Waffen nnd Feuerwerkskörpern, sowie Materialien für das Laboratoriam.
Accnrate Nachr. Anhang S. 309.
Die Ausrüstung entspricht ziemlich genau der von 1697, wo die West-
schanze 19, die Ostschanze 87 Geschütze incl. 5 Mörser hatte.
Nach dem Ordn.-Rec. vom 20. und Rathschl. vom 29. März 1734 (Ho-
burg S. 129) erhielt der Kriegsrath das Recht, dass alle von ihm beschlossenen
auf die Vertheidignng bezüglichen Massregeln ohne weitere Anfrage sofort
zur Ausführung gelangen konnten. Seine eigenthümliche Zusammensetzung
aus allen Ordnungen mit einem der Bürgermeister als Präsidenten, entsprach
jedoch wenig dem Bedürfniss einer einheitlichen Leitung, Der Oberbefehls-
haber spielte darin nur eine untergeordnete RoUe, der Ingenieur wurde nur
ausnahmsweise hinzugezogen und vou ^iuem Artillerieofficier des Platzes ist
Überhaupt keine Rede.
*) Oben 1, 404 Note 1,
10
Belagerungskriege einnahm, recht klar zur Auschauung bringt.
Für das 17. Jahrhundert wird derselbe durch die Belagerung
von Smolensk 1632 illustrirt, wo eine Armee von über 100000
Mann sich vergebens beinahe 8 Monate abmühte, die nur. durch
Mauern befestigte Stadt, welche durch den Polen Stenzel
Woyedwodzki vertheidigt wurde, einzunehmen und so dem
Könige Wladislaw die Zeit gewährte, zum Entsatz heranzu-
kommen. Ueber ihre Belagerung von Riga 1656, der der Czar
persönlich beiwohnte, drückt sich der schwedische Bericht *) wie
folgt aus: Ihr Angriff war ohne Ordnung und Plan, die Ap-
prochen wurden ungeschickt geleitet, die Batterien confusement
placirt, jeder Befehlshaber machte seinen Angriff, wie ihm gut
schien. Die Kanonen spielten bald auf die Thürme, bald auf
die Wälle, bald gegen die Stadt und thaten grossen Schaden
an Kirchen und Häusern, aber wenig an den Vertheidigungs-
werken. Auf das Gerücht, dass der König (von Schweden)
zum Entsatz anrückte, zogen sie am 6. Oktober 1656 nach
6wöchentlicher Belagerung mit einem Verlust von 14000 Mann
wieder ab, wie Carlson hinzufügt, „den Eindruck einer grossen
aber noch barbarischen, vom Geiste der Civilisation nicht durch-
drungenen Macht hinterlassend." Auch die Belagerung von
1734 war keine normale Die russischen Kräfte waren an-
fänglich nicht ausreichend, um eine förmliche Belagerung zu
führen. Ein Bombardement liess erwarten, auf den Geist der
Bürgerschaft zu wirken. Es scheint in Petersburg beschlossen
worden zu sein, bevor sich Lascy gegen die Stadt in Bewegung
setzte. Den Maasstab einer wissenschaftlichen Kritik kann
man bei den unzulänglichen Nachrichten nicht gut anlegen.
Es kamen manche abnorme Sachen vor : Blockade, Beschiessung,
gewaltsamer Angriff ohne Vorbereitung durch Artillerie und
Sappen, dann wieder alle Merkmale einer förmlichen Belage-
rung, ohne dass es jedoch dazu kam, gehen nebeneinander her.
Soviel ergiebt sich aber, dass der neue Kommandirende, Feld-
marschall Graf Münnich, wusste, was er wollte, und eine ausser-
ordentliche Thätigkeit entwickelte. Ein andrer Punkt ist es,
der unser Interesse erregt. Ganz überraschend sind die Ver-
*) Carlson, Gesch. von Schweden. S. 171.
11
änderungen, welche seit dem 17. Jahrhundert mit dem russi-
schen Fussvolk vorgegangen sind. Es entwickelte im Lauf
der Belagerung alle die Eigenschaften, die ihm in der späteren
glorreichsten Zeit eigenthümlich sind. Die Artillerie wird von
Manstein als vorzüglich bezeichnet.
Nachdem der Kurfürst von Sachsen am 17. Januar 1734
zum Könige gekrönt worden war, ohne dass dieses Ereigniss
Dänzig in seinem Vorsatze, den von ihm anerkannten König
Stanislaus zu schützen, wankend gemacht hätte, brach der
russische General Lascy mit etwa 12000 Mann^) am 25. Ja-
nuar von Thorn auf und rückte am 5. Februar in der Gegend
von Dirschau in das Danziger Gebiet. Am 16. verlegte er sein
Hauptquartier nach Weslinke und beschied zum 22. alle
Schulzen des Werders dahin, um das Erforderliche wegen der
Lieferungen mit ihnen zu vereinbaren. Zigankendorf wurde
am 20. mit einer starken Abtheilung russischer Truppen besetzt,
die bis Langfuhr streiften. An demselben Tage erliess der
General an Danzig die Aufforderung, den König Stanislaus zu
entfernen und August III anzuerkennen. Als dies ohne Erfolg
blieb*), wurde in der Nacht vom 24. zum 26. die Radaune
von den Russen abgeleitet und dadurch die grosse Mühle,
welche die Bedürfnisse der Stadt an Mehl allein bestritt, ausser
Thätigkeit gesetzt. Man musste sich seitdem mit Handmtthleu
und einem Gange der Mühle an der Steinschleuse behelfen.
Auch wurde eine Wassermühle im Bauamte und eine im Bürger-
wald — der Theil des Werders zunächst der Stadt — zu
Mehlmühlen eingerichtet (Hoburg S. 96.) Kurz nach der Ab-
leitung der Radaune stachen die Russen auch den Tempelhof er
Teich aus, worauf das Wasser mit solcher Gewalt auf Neu-
garten stürzte, dass es die Fische bis dahin mitschwemmte, die
*) Accnrate Nachricht. Tagesregister. Nach dem weniger zuverlässigen
gVoUständigen Jurnal^ bestand die russische Armee aus 10 Begimeuteru zu
Fnss und 6 zu Pferde, nebst 1500 Kosacken, im ganzen 16000 Mann. Die
Avantgarde führte der Generallieutnant v. Sagraiski, die Arrieregarde der
Generalmcgor v. Biron.
*) Die Stadt wendete sich unterm 23. Febr. in einem Schreiben direct
an die niss. Kaiserin Anna und legte ihre Handlungsweise demüthig mit der
Bitte dar^ die Truppen zurückziehn zu wollen.
12
mit Händen aufgegriffen wurden *). Als Erwiderung setzte die
Stadt den Werder mittelst der Steinschleuse unter Wasser. Am
28. hob der Hauptmann von Schmeling, welcher die kleine
Kalkschauze ^) besetzt hielt, mit 150 Mann eine russische
Bäckerei bei Schellmühl auf*).
Am 8. März bezog das russische Gros bei Praust und mit
den Vortruppen bei St. Albrecht ein Lager, das mit einer Ver-
schanzung umgeben wurde. Am 9. begann man die Anfertigung
von Faschinen. Demgegenüber legten die Danziger bei Ohra
auf dem rechten Radauneufer eine Verschanzung an, die mit
einer Besatzung von 400 Mann und 8 Kanonen versehen wurde.
Die nahe an das linke Eadauneufer tretenden Berge wurden
nicht besetzt, dagegen da, wo der Weg von Kowal nach Danzig
die Radaune überschreitet, an den Schottenhäusern (h), eine
Reserve von 200 Mann aufgestellt. 100 Mann wurden ferner
in der Nähe der Jesuiterkirche in Schottland aufgestellt. Das
Kommando in Ohra führte der Oberstlieutenant Mazeppa.
Der General Lascy unternahm merkwürdigerweise nichts
gegen diesen stark gefährdeten Posten. Seine Unthätigkeit
lässt sich nur dadurch erklären, dass er von den polnischen
Insurgenten sehr in Anspruch genommen wurde. Fast sämmt-
liche Magnaten und der grösste Theil des polnischen niederen
Adels hielten es mit Stanislaus. Lascy hatte schon auf seinem
Wege von Thorn nach Danzig Kämpfe mit den Insurgenten
zu bestehen gehabt. Noch am 1 7. Februar musste der General
3000 Mann detachiren, um den Grafen Tarlo, Woiewodon von
Lublin, zurückzuwerfen. Am 25. Februar schwärmten die
^) Accurate Nachricht. S. 22.
*) Dass die kleine Kalkschanze, die hier gemeint ist, auch Kanonen ent-
hielt, geht ans dem „kurzen Auszug" S. 423 hervor. Hoburg erwähnt sie
mit keinem Wort, obgleich sie durch ihre Lage sehr wichtig war und „die
accurate Nachricht'' S. 74 ausdrücklich sagt, dass sie den Feinden viel Schaden
gethan hat.
^) Hobnrg S. 124. Es geht daraus hervor, dass die Stadt bis auf die
Nehrung auf allen Seiten eingeschlossen war. Ein Versuch, sich des Holms
zu bemächtigen, schlag fehl. Uebrigens kann die Einschliessung nur durch
Kosacken bewerkstelligt worden sein, da die Armee, wie wir sehen werden,
bei Praust zusammengehalten wurde. Es wird von täglichen Gefechten mit den
Kosacken berichtet.
13
Polen um Praust und legten den Kosacken einen Hinterhalt,
der diesen 100 Mann kostete. Am 12. März, griff der Woie-
wode von Kiew, Potocki, das russische Lager mit 10000 Mann
an und am 15. hatte der Hauptmann von Lascy, ein Sohn des
Generals, ein hartnäckiges Gefecht mit den Insurgenten zu
bestehen*). Es ist auffallend, dass die Stadt die Lage der
Russen nicht besser benutzte. Ein Versuch durch einen Aus-
fall von 250 Manu mit 2 Kanonen unter dem Major Trinckius
ein russisches Detachement in Gr. Plönendorf, eine Meile ober-
halb Danzigs an der Weichsel, am 10. März zu vertreiben,
scheiterte an der Unentschlossenheit des Majors, welcher des-
halb zur Rechenschaft gezogen wurde.
L Einschliessnng der Stadt, Ban einer KontraTallationsUnie.
Mit der Ankunft des direkt von Petersburg kommenden
Feldmarschalls, Grafen von Münnich, der am 16.^) unter
einer preussischen Eskorte im Lager eintraf, trat eine grössere
Thätigkeit ein'). Nachdem er am 17. von Praust aus den
Rath der Stadt aufgefordert hatte, eine Deputation an ihn zu
schicken, um ihr die Antwort der Kaiserin auf das Gesuch
vom 17. Februar mitzutheilen , darauf jedoch nicht sofort
*) VoUständiges Jumal. Das Jurnal hat bider keine Paginirong.
') Das ordentliche Tagesregister verlegt die Ankauft des Grafen Münnich
auf den 9. März, was auch Manustein acceptirt hat. Indessen datirt das
Manifest, welches er zwei Tage nach seiner Ankunft an die Stadt erliess,
vuiu 7/18 März (Accurate Nachricht. Anhang S. 286). .
*) Bernhard Christoph von Münnich ist am 9. Mai 1683 zu Neuenhiutorf
im Oldenburgschen geboren und bildete sich während des spanischen Erbfolge-
kriege« unterm Prinzen Eugen zu einem tüchtigen Tmppenführer aus. Nach
dem Kriege trat er in den Dienst Kßnig August's II. von Polen und wurde
1717 zum Generalmigor befördert. 1721 in russische Dienste übergetreten, wurde
er wegen seiner ausserordentlichen Leistungen 1728 in den Grafenstand er-
hoben und 1732 zum Generalfeldmarschall ernannt. Die ihm feindliche Partei
am Hofe, welche seinen Einfluss auf die Kaiserin Anna fürchtete, entfernte
ihn durch das Kommando gegen Danzig vom Hofe. In Bezug auf sein
ferneres Schicksal verweise ich auf Halem, Lebensbeschreibung des kais. russ.
Generalf eldm. , Grafen t. M. 1803. Friedrich d. G. nennt ihn den Prinzen
Eugen des Nordens und die Kaiserin Katharina zählt ihn, wenn auch nicht
zn den SOhneu, so doch zu den Vätern Busslands. Er hat das Alter von
81 Jahren erreicht.
14
Antwort erhielt, erliess er am 18. ein Manifest an die Stadt,
worin er sie aufforderte, die Schlüssel der Thore binnen 24
Stunden zu Übersenden und sich ihrem rechtmässigen Könige
zu unterwerfen, widrigenfalls er von keiner Kapitulation mehr
hören und die Stadt nach Kriegsusance angreifen werde. Die
Stadt erwiderte, von der dem Könige Stanislaus gelobten Treue
nicht abgehen zu können.
Der Graf Hess hierauf in der Nacht vom 18. zum 19. März
den Zigankenberg (Nr. 1) befestigen und warf in der
folgenden Nacht das Danziger Kommando mit erheblichem Ver-
lust aus Ohra, indem er es von den Bergen her in Flanken
und Rücken angreifen Hess, während eine starke Abtheilung
in der Front vorging. Der Oberstlieutenant Mazeppa schlug sich
mit Verlust von 4 Kanonen nach Danzig durch. Auf russischer
Seite war der Verlust bedeutend *). Die eroberten Danziger
Kanonen Hess Münnich mit 2 — 9-Pftindern in der Schanze auf
dem Zigankenberg aufpflanzen. Am 21. abends eröffneten sie das
Feuer*). Die Höhen von Ohra Hess der Graf verechanzen
(Nr. 3). In der Nacht zum 24. grifif er mit 2000 Mann die
Redute, welche die Danziger auf dem Looseberge bei SchidHtz
auf werfen Hessen , an. Die noch nicht vollendete Redute
(Grandschanze Nr. 9) war mit einem Lieutenant und 40 Mann
besetzt, welche 100 Arbeiter, die die Schanze vollenden sollten,
zu schützen hatten. Die Schanze wurde nach */4 stündigem
Gefecht genommen, wobei die Danziger 30, die Angreifer 24
Mann verloren').
In derselben Nacht war das Danziger Haupt von
einigen hundert Dragonern und Kosacken unter dem Major
R othe in Besitz genommen worden. Der Kömmandant, Haupt-
mann Hube recht, welcher die Instruktion hatte, vor über-
legenen Kräften den Rückzug anzutreten, hielt sich so wörtlich
daran, dass er das Fort ohne Gefecht räumte, wodurch die
») Hoburg S. 128.
^) Es werden auch 15- und 18 pfundige Haubitzen genannt, womit die
Stadt beschossen wurde. Vollstd. Jurnal und ordtl. Tagesregister.
») Hoburg S. 130.
15
Nehrung geöffnet und die Verbindung zwischen Danzig und
Weichselmtinde bedroht wurde*).
Nachdem die Verschanzung bei Ohra genügend vorge-
schritten war, verlegte der Graf Münnich am 26. sein Haupt-
quartier in diesen Ort.
Das energische Vorgehen Münnichs verfehlte seinen Ein-
druck in der Stadt nicht. Ein grosser Theil der Bürgerschaft
war dafür, sich unter den Schutz des Königs von Preussen zu
stellen, doch gelang es der Beredsamkeit des preussischen Ge-
sandten und der polnischen Kommission^), welche im Namen
des Königs mit der Stadt verhandelte, sie davon zurück zu
bringen. Sie schilderten die Mittel der Russen zur Belagerung
für unzureichend, besonders, da die preussische Regierung ver-
sprochen habe, den russischen Belagerungspark nicht durch
Preussen marschiren zu lassen und wiesen auf die Gefahr hin,
die Freiheit der Stadt einzubüssen, wenn sie sich unter den
Schutz des Königs von Preussen stellte. Ausserdem betheuerte
der französische Gesandte die nahe bevorstehende Ankunft der
französischen Hilfe, sowie dass Ludwig XV allen Schaden er-
setzen werde.
Ende März Hess der Graf Münnich auf der Höhe vor dem
Olivaer Thor die Jerusalemer Schanze^) (Nr. 7) aufwerfen
und pussirte von hier aus mit Approchen in die Ebene vor
dem Olivaer Thor vor. Am 28. Hess er von der Nehrung her
einen Angriff auf die Sommerschanze am Einfluss der Bot-
mannslake in die Weichsel ausführen. Die Russen fanden je-
doch in dem Kommandanten der Schanze, einem Hauptmann
Lealand. einen wachsamen Gegner, der sie mit einem heftigen
Feuer empfing. Auch die anderen Holmschanzen beschossen
die Russen und ein Prahmen brachte von Weichselmünde eine
üntersttttÄung von 20 Mann und Munition, woran Mangel ein-
^) Ebenda.
') Die Kommission bestand aus dem Bischof von Plock, dem Woiewoden
von Marienburg, Przebendowski, und dem Ünterkanzler von Littauen, Fürsten
Czartorysky.
") Die Jerusalemer Scbanze hat wie das gleichnamige Bastion des Hagels-
berges ihren Namen von einer Kapelle Jerusalem vor dem Olivaer Thore.
Siehe Taf. I unter q.
_ 16
getreten war, so dass die Rassen zatn Aufgeben des Angriffs
gezwungen wurden. Die Stadt Hess infolgedessen einen mit
Kanonen bewaffneten Prahmen zum Schutz des Holms her-
richten, der an der Sommerschanze stationirt wurde.
Die Russen entwickelten im Schanzenbau eine ausser-
ordentliche Thätigkeit, gingen von Ohra aus die Höhen ftber
Schottland entlang mit Approchen gegen den Bischofsberg vor ^),
breiteten sich vom Zigankenberge aus mit Verschanzungen
gegen Schidlitz aus, verbanden die Jerusalemer Schanze durch
Laufgräben mit dem Zigankenberge und setzten sich bei Aller-
engelii fest, das sie ebenfalls durch Laufgräben mit den Ar-
beiten vor dem Olivaer Thor verbanden. Hiergegen machte
in der Nacht 29. /30. der Hauptmann von Schmeling einen
Ausfall*) aus dem Olivaer Thor mit 200 Mann. Er musste
sich jedoch nach anfänglichem Erfolge mit einem Verlust von
9 Mann wieder zurückziehn.
Wenn der Graf Münnicli aber geglaubt hatte, mit den
Laufgräben vor dem Olivaer Thor sich der Weichsel zu nähern,
seinen linken Flügel daran anzulehnen und die Verbindung der
Stadt mit Weichselmünde auf dem linken Ufer aufzuheben, so
hatte er sich geirrt. Die Laufgräben wurden vom Holzraum ')
aus flankirt, von der kleinen Ealkschanze im Rücken beschossen
und vom hohen Kavalierberge im Jakobsbastion eingesehn und
beschossen. Trotzdem wurde mit äusserster Hartnäckigkeit hier
*) Wenn Hoburg S. 130 behauptet, die Russen hätten sich in dieser Zeit
(Ende März) auch auf dem Stulzenberge verschanzt, so ist das ein Irrthnin.
*) Das Faktum wird von mehreren Seiten bestätigt, den Hauptmann
von Schmeling nennt aber aUein Hoburg S. 182. Das vollständige Jnrnal
fuhrt unterm 28. einen Ausfall mit 500 Mann gegen die Zigankenberger
Schanze an, der zu einem heftigen Gefecht führte. Es wäre möglich, selbst
wahrscheinlich, dass er startgehabt hat, er wird aber in andern Quellen-
schriften nicht bestätigt. Ein Ausfall mit 130 Mann am 29. gegen den Jnden-
kirchhof Nr. 5, dessen Zaun, hinter welchem sich die Russen verbargen, nieder-
geworfen wurde, ergiebt sich aus dem Recesse vom 29. und 30. März. (Hoburg
S. 138.) Auch wird mehrseitig berichtet, dass Schottland in dieser Zeit (Ende
Man) von Danzig aus iu Brand gesteckt wurde, weU die Russen die Häuser
von Ohra aus durchbrachen, um eine gedeckte Kommunication herzustellen.
^) Der Holzraum (x) ist das heutige bastionirte Werk Holsraum zwischen
dem Bastion am Rhäm und der Weichsel, südlich der ehemaligen Kalkschanze.
Siehe oben 1, 441 seine Befestigung mit einer Batterie.
17
fortgearbeitet*), indem man sich der vollen Sappe bediente.
Um den Zweck der Sperrung des Wegs auf dem linken
Weichselufer dennoch zu erreichen, Hess der Graf Mttnnich in April,
der Nacht zum 1. April eine Redute (Nr. 12) am mittleren
Legan unterhalb Schellraühl an der Striess von 700 Arbeitern
und 200 Mann Bedeckung auf werfen*). Der Bau wurde von
den Danzigern nicht gleich bemerkt. Am nächsten Tage
richteten aber die zunächst gelegenen Schanzen, die Kalk-,
Jungfern- und Gevatterschanze, sowie der bewaffnete Prahmen
ihr Feuer dahin. Die Kedute war indessen mit 250 Mann und
4 Kanonen besetzt worden und wehrte sich so erfolgreich, dass
der Prahmen mit dem Verlust von 2 Verwundeten sich zurück-
ziehen musste. Dagegen wurden am 5. zwei Kanonen der
Schanze demontirt.
Während die Russen sich auf diese Weise auf dem linken
Ufer der Weichsel festsetzten, erhielt der Oberst von Leslie,
welcher auf der Nehrung kommandirte, den Befehl, auch das
rechte Weichselufer in seine Gewalt zu bringen. Er hielt
Weich selmttn de auf dieser Seite eingeschlossen und liess einen
Theil seiner Truppen bei Heu bu de ein Lager (Nr. 18) auf-
schlagen, von wo aus er mehrere Batterien vorschob (Nr. 20),
die am 4. April das Feuer eröffneten. Gleichzeitig setzten sich die
Russen auch bei Rttckfort auf dem linken Ufer der Weichsel (Nr. 19)
fest ') und sperrten dadurch den Steindamm, den Zugang zum
Werder. Zwei Prahme vermittelten die Verbindung beider
Flussnfer. Am 5. befahl der Graf Münnich dem russischen
Gen.-Quartiermeister von Stoffel, einen Posten an der Boot-
mannslake zu etabliren, um die Kommunikation der Stadt mit
Weichselmttnde auch hier zu verlegen. Es wurde daselbst eine
Rednte (Nr. 16) angelegt. Schon den Tag vorher war die
Winterschanze, welche nur eine geringe Besatzung hatte,
von den Russen ohne Gefecht besetzt worden, so dass sie im
*) Als nach Ankunft der Sachsen ihnen dieser Theil der ContravaUation
zufiel, haben sie die Stellung bald aufgegeben und sich weiter rückwärts
etablirt (Vollständiges Jumal).
•) Ordentl. Tagesregister S. 5863. . ..
') Ebenda S. 564. Ein Ort Rückfort ist nicht vorhanden, wohl aber
ein Rttckforter Krug.
Köhler, Goacbiclita der Festungen Danzig und Weichselmiinde. II. 2
18
wesentlichen in den Besitz des untern Holms kamen. Weichsel-
mtinde war schon früher zur XJebergabe aufgefordert worden.
Der Graf Münnich wiederholte jetzt die Aufforderung mit der
Drohung, den Kommandanten im Weigerungsfall als Rebell zu
behandeln, liess aber zugleich „die Recompense von einigen
Tausenden" durchblicken, wenn er das Fort sogleich übergeben
würde ^). Patzer verbat sich dergleichen Anträge. Alle obige
Arbeiten hatten nur den Zweck, die Stadt vollständig einzu-
schliessen und sind daher als Kontravallation aufzufassen.
Wahrscheinlich durch den französischen Gesandten veran-
lasst, hatte der König Stanislaus den von ihm zum Obersten
und Generaladjutanten ernannten Baron von Stackeiberg mit
Einwilligung des Danziger Raths unter dem Vorwande nach
Weichselmünde geschickt, Vorbereitungen zum Empfang und
zur Unterbringung der Franzosen zu treffen. Offenbar han-
delte es sich jedoch darum, einen Einfluss auf die Vertheidigungs-
massregeln zu gewinnen. Der Rath machte indessen den Haupt-
mann Patzer allein dafür verantwortlich und befahl ihm, nur
von der Stadt Befehle anzunehmen^).
Da die Einwirkung der Batterien bei Milchpeter und am
Stangnetengraben gegen die russische Attacke von Heubude nur
schwach war, liess die Stadt eine Redute am Ganskruge (f)
anlegen'). Ein Ausfall von hier aus am 6. April gegen die
Rückforter Schanze wurde von dem dort kommandirenden Major
Lambsdorf nachdrücklich zurückgewiesen. Zur Rückeroberung
der Winterschanze und Zerstörung der russischen Redute an
der Bootmannslake wurde kein Versuch gemacht.
Dem Hagelsberge gegenüber war von den Russen fleissig
fortgearbeitet worden. Am 4. nahmen sie einen altern Posten
daselbst, wahrscheinlich die Reste der ehemaligen Schanze Vice-
Admiral in Besitz*) und bauten sie zu einer Redute (Nr. 6)
*) Rec. vom 7. April. Hobnrg S. 135.
•) Rec. vom 1. und 2. April. Ebenda.
*) Nach Hoburg S. 136 wurde die Schanze auf Anweisung des Majors
Ennabergh erbaut und mit 50 Mann und 3 Kanonen besetzt.
*) Ordentliches Tagesregister S. 5G4. Mit Unrecht verlegt Hoburg den
19
aus, welche durch eine Kommunikation von 400 Schritt Länge
mit der Zigankenschanze verbunden wurde. Die ßedute wurde
nach dem sächsischen General Rutowski, der sich mit dem
Obersten Rexin am 27. März im russischen Hauptquartier ein-
gefunden hatte, benannt. Am 6. April traf sächsischerseits
auch der geheime Kriegsrath Uhle ein, um die nöthigen An-
ordnungen für den Unterhalt der sächsischen Truppen zu trefifen,
deren Ankunft bevorstand.
Die Russen hatten mit dem Mangel an Artillerie zu
kämpfen, da vorläufig nur die Feldartiilerie zur Disposition
stand. Die Ankunft eines Belagerungsparks war zwar in Aus-
sicht gestellt, aber noch im weiten Felde, da Preussen den
Durchmarsch durch sein Gebiet verweigerte. Es wollte nur
für den Fall darauf eingehn, dass beiden Theilen der Durch-
zug gestattet würde. Der Graf MUnnich nahm es auf sich,
die Einwilligung der Kaiserin hierzu herbeizuführen und bat
unterm 25. März (5. April) den König von Preussen, dem
Ueberbringer des Schreibens, Oberstlieutenaut Ritter, die Ein-
willigung, die Artillerie passiren zu lassen, zu übergeben *),
was auch erfolgt zu sein scheint.
Der Graf Münnich hatte unterm 30. März ein Kommando
von 500 Dragonern und 400 Mann Infanterie nach Elbing ge-
schickt, um die Stadt und ein daselbst stehendes polnisches
Regiment für den König August in Pflicht zu nehmen. Dem
Kommando war der Major Schurz von der Artillerie beigegeben ^),
um zu ermitteln, was daselbst an Geschütz vorhanden sei und
diese event. nach Ohra zu senden. Am 9. April kamen in der
Tliat 9 Elbinger Geschütze, 18- und 24-Pfünder mit Munition, im
russischen Lager an und wurden sogleich nach dem Ziganken-
Bau dieser Redate S. 133 noch in den März, obgleich er auch darüber keine
andre Quelle hat, als das ord. Tageregister, nach welchem die Besitznahme
des Postens am 4. April stattfand.
») Der betr. Brief ist in den Neuen Preuss. Provinzialblättem 3. Folge
Bd. 8 S. 74 abgedruckt.
') Der M^jor St^.hurz wird im vollständigen Jamal genannt und da-
selbst auch die Zahl der Geschiltze angegeben.
20
benre geschickt, um die Sudt mit gifihendeii Engehi zu If-
An deiDKflben Tage hob man an der Bednte Ton Sobt^^K-
niabl ein Betranehement von 130 Schritt längs der Weichsel
an« i'Xr 13;. da« noch dnrch eine kleine Rednte gedeckt ward -
An den Lanfgräben gegen die Anssenwerke war ohnt-
Unterbrechnng weiter gearbeitet worden, was bei den nahm
Entfernungen und dem lebhaften Feuer von den Werken dtr
Stallt nicht ohne Verlnste abging. Am 11. zahlten die Ra»eTi
allein 10 Todte und 40 Verwundete. Die Ankunft einer s^chwc-
di)^:hen Brigantine am 12. mit Gewehren. Pulver und 40 Mann
gab der Stadt einige Erleichterung').
Am 13. fassten die Russen Meubude gegenüber auf dem
linken Weichselnfer festen Fuss (24) und etablirten hier zwei
Prahmen sowohl zur Verbindung mit dem rechten Ufer als um
feindlichen Fahrzeugen die Passage der Weichsel zu verlegren.
In der Nacht zum 14. erreichten die Küssen von Ohra ans mit
den Approchen die alte Jndenschanze und erbauten tags darauf
daselbst eine Kedute (Nr. 5) *j. In der Zigankenschanze wurden
zwei Geschütze demontirt 'j.
Am 14. besichtigte der Graf Münnich die Arbeiten bei
Heubnde und auf dem Holm. Auf letzterem hatte er schon
früher die Anlegung von zwei Reduten angeordnet, wahrschein-
lich um die Sommerschanze zu isoliren*). Er begab sich so-
') Nach dem vollständigen Jurnal verursachten die glühenden Kugeln
in der Stadt viel Schaden.
*j Ordentl. Tagesreg. S. 566. Hobnrg glaubt mit Unrei-ht darin da.s
weiter unterhalb gelegene Retranchement (No. 26) zu erkennen, das jedoch
erat vom 18. Mai angelegt wurde.
•) Jurnal auH der Münde. Hoburg S. 136. Der Oberst von Leslie be-
zeichnete sie in einer Meldung vom 12. irrtbümlich als französische Fregatte.
Ord. Tagesreg. S. 567. Das Jurnal muss darüber offenbar besser unter-
richtet «ein. Auch muss die Brigantine die russischen Werke glücklich
passirt haben, da sie spftter oberhalb derselben auftritt.
*) Die Schanze wird auch Jesuiterschanze genannt, weil das Jesuiter-
kolleginm in der Nftlie lag.
*) Ordentl. Tagesreg. S. 568.
•) Da« ordentl. Tagesreg. sagt darüber S. 567 „(auch besuchte der Ge-
neral) die beyden Redouten, welche zwinchtm dem Kanal (der Laake) und der
1-C
0,
■
■
)
21
dann vor Weichselmiiade und befahl, in dem nahe gelegenen
Walde Faschinen zu fertigen, uin die ausgeführten Reduten und
Batterien mehr zu schützen. Die Laake Hess er an zwei Stellen
für den Verkehr abschliessen. Am folgenden Tage (15.) begab
er sich sodann nach dem Danziger Haupt, um einen geeigneten
Ort zur AusschiflFung der über Pillau erwarteten Artillerie aus-
, findig zu machen. Zum Empfang schickte er den Lieutenant
j Junger nach Pillau.
j Von der Judenschanze aus nach dem Stolzenberg hin um-
zog man den Bischofsberg mit einer Eontravallationslinie,
die bei ihrer Nähe von den feindliclien Werken grösstentheils mit
der vollen Sappe ausgeführt werden musste, so dass viel Zeit zu
ihrer Aushebung erforderlich war ^). Am 18. wurde die Sappe
auf 90 Schritt fortgeführt^). Gleichzeitig waren die Kommu-
nikationen vom Zigankenberg nach der Rutowski-Bedute und
nach der Grandschanze beendet worden. Letztere wurde
am 19. zu einer ßedute umgebaut und mit Geschützen armirt*).
Auch die Kommunikation der Redute Nr. 12 nach Schellmühl
wurde beendet und das Retranchement längs der Weichsel da-
selbst verlängert. Es hatte den Zweck, die Schiflffahrt auf der
Weichsel zu hindern.
Von Putzig langten am 18. 2—10 pfundige Kanonen an.
Die Russen schössen am 19. April 210 Kanonenschüsse, wäh-
rend die Stadt allein an Bomben 122, theils gegen den Zigan-
kenberg, theils gegen die Schellmühlredute (Nr. 12) warf*).
In Schottland war gegen die Stadt ein Abschnitt angelegt
Weichäel mitten unter den feindlichen Werken angelegt waren und fand die-
^selben in gntem Stande. '^ Nach der „accuraten Nachricht' waren sie aus Holz
gebaut und durch Laufgräben verbunden, Jedoch alles über sich, weil der
Boden purer Morast und Sumpf war.^
^) Man langte erst am 14. Mai auf dem Stolzenberge an. Ordentliches
Tagesregister.
*) Ordentl. Tagesreg. S. 569.
^) Sie war dadurch besonders wichtig, dass man von hier die Verlän-
gerung des langen Marktes aufnehmen und diesen beschiessen konnte. Accu-
rate Nachr. S. 30.
*) Ordentl. Tagesreg. S. 570. Am 14. waren 128 und am 18. 184 Bom-
ben allein gegen die Zigaoken^chauze geworfen worden. Ebenda 568, am 17.
im ganzen 230.
22
worden, den man am 19. mit zwei Kanonen besetzte. Die Kon-
travallation gegen den Bischofsberg rückte an diesem Tage um
60, am 20. um 50 Schritt vor. Die Linie Zigankenberg-Grand-
schanze wurde am 19. um 74 Scliritt quer durch Schidlitz ver-
längert. Die Laufgräben vor dem Olivaerthor, welche durch
die Triangel-Redute (Nr. 28) verstärkt worden waren, wurden
am 20. um 84 Schritt verlängert.
Am 21. wurde bei Schidlitz eine neue Batterie (Nr. 11)
angelegt und der Laufgraben an der Grandschanze mit 3 Tra-
versen versehen. In der folgenden Nacht wurde an der Ru-
towski-Redute eine Batterie für zwei Mörser erbaut. Gleich-
zeitig wurde auf dem rechten Weichselufer, wahrscheinlich
zwischen der Winter- und Sommerschanze, eine neue Redute
erbaut.
Die Verbindung der Stadt mit Weichselmünde, welche auf
die Weichsel beschränkt war. blieb trotz aller Chicane der
Russen noch offen. Fast täglich gingen kleine Holzschuten
hin und zurück. Am 24. kamen 4 dergleichen glücklich durch,
obgleich 61 Kanonen- und 4611 Musketenschüsse darauf ge-
schehen waren. Die Russen beschossen die Stadt an diesem
und den folgenden Tagen nur aus 6 Kanonen.
Der Graf Münnich hatte gleich nach seiner Ankunft den
Antrag gestellt, dass ihm Verstärkungen zugeschickt würden.
Unzweifelhaft muss dies Erfolg gehabt haben, doch haben wir
nur ganz vage Nachrichten darüber: So berichtet die accurate
Nachricht S. 42 und 74, dass fortwährend der russischen Armee
Verstärkungen zugingen, und nach dem „ord. Tagesreg." S. 567
traf am 10. April im Hauptquartier die Nachricht ein, dass der
General Lubras von der Kaiserin den Befehl erhalten habe,
mit den Truppen von Warschau zur Armee vor Danzig zu
stossen ^). lieber die eigentliche Stärke der Armee herrscht
für den Monat April völlige Dunkelheit*). Jedenfalls war sie
*) Nach Maustein S. 120 hätte der General Lnbras so lange mit seinem
Abmarsch gezi)gert, bis der Graf Münnich Ihn habe in Arrest stecken lassen.
*) Eine genauere Nachricht über die Stärke der russischen Armee ist
erst am Schluss der Belagerang vorhanden, wo sie 33,342 Mann betrug (Ho-
bur^ S. 214 nach ein^r handschriftlicheu Nachricht). Rechnet mau von dieser
23
unzureichend, was sich um so drückender fühlbar machte, als
die Polen sich wieder zu regen begannen. Der Graf Männich
hatte Anfang des Monats den General Sagraiski und den
Gen.-Maj. Biron mit 2000 Dragonern und 1000 Kosacken nach
der mittlem Weichsel senden müssen, wo sich der Kastellan
von Czersk und der Woiewode von Lublin, Graf Tarlo, jeder
mit einigen 1000 Mann eingefunden hatten *). Die Truppen des
Kastellans waren zwar am 5. in der Gegend von Seh wetz zer-
sprengt worden, bald darauf erschien aber der Woiewode von
Lublin in der Gegend von Tuchel und Konitz, um von Westen
her gegen Danzig vorzudringen. Der Graf Müunich sah sich
genöthigt, am 17. den General von Lascy mit Grenadieren und
einiger Infanterie zur Verstärkung des Generals Sagraisky ab-
zuschicken. Die Vereinigung erfolgte bei Behrendt. Es waren
jetzt 2300 Mann reguläre Truppen und 600 Kosacken beisammen.
Mit diesen geringen Kräften zeistreute Lascy das gegen 8000
Mann starke polnische Korps am 20. bei Wyszerzin süd-
westlich Neustadt an der pommerschen Grenze völlig. Lascy
war schon am 25. wieder in Olira zurück. Sagraisky blieb
noch einige Zeit abkommandirt.. Ebenso wurde der Oberst
Boy in Elbing festgehalten, da sich polnische Truppen im
Bisthum Ermeland zeigten. Noch am 26. trafen von ihm Ge-
fangene vom Korps des Grafen Schlieben im russischen Haupt-
quartier ein.
Inzwischen bereitete man alles zur Aufnahme der erwar-
teten Artillerie vor. Die Kommunikationen wurden erweitert,
die Kontravallation fortgeführt, die seit dem 21. im Bau be-
gritfeuen Batterien wurden beendet und neue angefangen. Am
Summe die uotorischen Verstärkungen ab, welche der Armee im Mai und
Juni zugingen, nämlich 7300 Mann von Warschau und 2500 Mann, welche
mit der Flotte ankamen, so bleiben für den April eijiige 20000 Mann. Das
gVoUstd. Jurnal" erzählt zwar, dass im Mai ausserdem noch 9000 M. Ver-
stärkung in Aussicht gestellt wurden, aber nicht, dass sie angekommen wäreu.
Wahrscheinlich sind die Sachsen damit gemeint.
*) ('rdentl. Tagesreg. S. 557. Um dieselbe Zeit operirte der Woiwode
Ton Kiew mit 12000 Mann gegen Krakau, das er iu der Nacht vom 3. zum
4. Apiil überfiel, aber vom sächsischen General von Löweudal zurückgewiesen
wurde.
24
24. wurde die Kontravallation bei Schidlitz um 113, die des
Bischofsberges um 40 Schritt verlängert, am 26. die letztere
um 60, die bei aller Engeln um 107 Schritt.
Seit dem 25. wurde die Stadt wieder mit 9 Kanonen be-
schossen. Die Unterbrechung der Kommunikation mit Weichsel-
münde durch Geschützfeuer wollte nicht gelingen. Am 24.
kamen 4 Fischerkähne, am 25. eine Schaluppe, am 26. zwei
Boote und eine Brigantine*) durch. Dagegen wurde am 29.
von zwei Booten, die von Weichselmüude zurückkehrten, eins
in den Grund geschossen. Von den 13 Mann Besatzung wur-
den 5 getödtet, zwei gefährlich verwundet, die übrigen gefangen.
Am 26. wurde eine Batterie zu drei Mörsern bei Aller
Engeln (Nr. 10) und am 27. eine solche zu 3 Kanonen (Nr. 11)
rechts der Rutowskiredute, sowie eine zweite Mörserbatterie
zu 2 Möi*s6rn links der Redute angefangen. Links der Redute
von Schellmühl, also wahrscheinlich auf dem linken Ufer der
Striess, wurde eine Batterie zu 8 Kanonen erbaut.
Man erwartete auch die sächsische Artillerie. Am 26.
wurde ihr, da die Gegend immer noch unsicher war, ein starkes
Kommando entgegengeschickt. Am 28. traf die Nachricht ein *),
dass die russischen Geschütze von Riga und Reval endlich am
Danziger Haupt bei Käsmark eingetroffen waren. Der Graf
Münnich Hess nunmehr die Stadt unter Androhung des Bom-
') In den Relationen ist mehrfach von einer Fregatte, die sogar als
französische bezeichnet wird, die Kede, welche auf der Weichsel ober- und
unterhalb der Stadt Danzig sich durch Geschützfeuer den Belagerern sehr
lästig machte. Es ist wohl darunter die am 12. April angekommene
schwedische Brigantine zu verstehen, welche auch hier gemeint sein mag.
') Ordentl. Tagesreg. S. 574. Hobnrg lässt (S. 134) den russ. Belagenings-
park am 28. schon vor Danzig eintreffen und begeht femer den groben Irr-
thum, die vom „vollständigen JumaP genauer angegebene Artillerie, welche
später die russ. Flotte mitbrachte, auf diese erste Seudung zu beziehen. Die
Zahl der Geschütze der letztem ist nicht bekannt. Einen ungefähren Anhalt
giebt dasselbe Jurnal, indem es sagt, dass am 12. Juni, al^ am Tage der
Ankunft der russischen Flotte, 7 Kanonenbatterieu mit 29 Kanonen und 6
Morserbatterien in Thätigkeit gegen die Stadt waren. Auch das ordentliche
Tagesregister giebt für diese Zeit eine ähnliche Notiz, nur dass es nicht 6
Mörserbatterien, sondern 6 Mörser erwähnt. Pen ei^ntlichen Bela^erongs-
park brachte erst die Flotte im Juni.
25
bardemente von neuem zur Uebergabe auflfordern. Die fremden
Kaufleute liess er anweisen, die Stadt zu verlassen, was ihnen
jedoch vom Magistrat nicht gestattet wurde.
In Danzig hatte man die Ankunft des russischen Belage-
rnngsparks am Haupt ebenfalls am 28. durch zwei Fleischer-
gesellen erfahren, die von Bohnsack kamen und daselbst die
Requisition von 1200 Pferden für den Transport der Geschütze
erfahren hatten ^). Am 29. meldete auch der Kommandant von
Weichselmünde ihre Ankunft am Hatipt *). Die Stadt liess sich
dadurch indessen nicht schrecken und verweigerte die Ueber-
gabe. Vergebens waren auch die Bemühungen des preussischen
Etatsraths von Brand'), der am 20. April mit neuen Instruk-
tionen im russischen Hauptquartier eingetroffen war. Nach den
von ihm mitgebrachten Vermittelungsvorschlägen sollte die
Stadt den König Stanislaus und seinen Anhang entfernen, eine
feierliche Deputation an die Kaiserin Anna und an König
August III schicken, um Abbitte zu leisten, und eine zu be-
stimmende Geldsumme als Entschädigung zahlen. Am 5. Mai,
nachdem das Bombardement eröffnet worden, wandte sich die
Stadt an den Herrn von Brand wegen Vermittelung eines Waffen-
stillstandes. Der Graf Münnich liess sich jedoch auf nichts
ein, forderte vorab unbedingte Unterwerfung, Einräumung eines
Stadtthors innerhalb 24 Stunden und Uebergabe von Weichsel-
münde.
Am 28. (29 ?) erfolgte aus der Stadt ein grösserer Ausfall
gegen die Judenschanze (Nr. 5). Das Gefecht dauerte andert-
halb Stunden. Die Russen erlitten bedeutende Verluste, doch
trieben die herbeieilenden Reserven den Ausfall wieder zurück*).
') Accurate Nachricht S. 53.
«) Rec. vom 29. April. Hoburg S. 137.
^) Rec. vom 24. iind 28. April.
*) Ord. Tagesreg. S. 576. Karzer Auszug S. 411. Nach letzterem hatte
der Ausfall^ der mit 200 Mann und ÖO Arbeitern geschah, den Zweck, die
Werke der Rnssen zu zerstören. Der Punkt war in der That wegen des be-
vorstehenden Bombardements sehr günstig gelegen, Hoburg erwähnt diesen
Aasfall gar nicl^t,
26
2. Das Bombardement und die Anstalten zxun Empfang der
Franzosen.
Inzwischen traf am 29. die sächsische Artillerie ein *), so-
dass am 30. Abends S Uhr die ersten Bomben in die Stadt ge-
worfen werden konnten, von denen eine den Rathliausthnrni
traf. In den folgenden Tagen langte nach und nach die rus-
Mai. sische Artillerie an. Von ihr wurden am 1. Mai ebenfalls
abends 8 Uhr die ersten Bomben geworfen. Die gegen Weichsel-
münde bestimmte Artillerie scheint von einer russischen Fre-
gatte direkt dahin gebracht worden zu sein, denn das „vollst.
JurnaP giebt an, dass am 3. Mai daselbst 4 Mörser und 9 Ka-
nonen, 600 Bomben, 24 Tonnen Pulver und 150 Kanoniere aus-
geschiflft worden sind. Gegen die Stadt waren am 3. Mai erst
5 Mörser und 9 Kanonen in Thätigkeit.
Da die Nachricht eingetroffen war*), dass einige französi-
sche Fregatten und ein Linienschiff bei Kopenhagen angekommen
waren, verfügte sich der Graf Münnich am 3. Mai nach Heu-
bude, um Vorsorge zu treffen, die Franzosen am Marsch nach
Danzig zu hindern. Zu dem Zweck ordnete er auch ein
Retranchement zwischen Neu -Schottland und Schellmühl an
(Nr. 25)^), und liess die Approchen von Schellmühl zur Redute
Nr. 12 an der Weichsel zur Vertheidigung gegen einen von
Weichselmünde kommenden Gegner einrichten (N. 14), Nächstdem
^) Die Mähr, dass zwei sächsische Mörser zur Post über Berlin als an-
gebliches Gepäck des Herzogs vou Weissenf eis trausportirt worden seien, die
selbst vom Geu. von Maustein wiederholt wird, hat nicht den geringsten
Grad von Wahrscheinlichkeit für sich, .abgesehen von dem bedeutenden Ge-
wicht der Mörser selbst, ist auch das noch grössere der zugehörigen Munition
inbetracht zu ziehen. Das „vollst. JumaP erwähnt nicht« davon und sagt,
dass ausser zwei Mörsern auch 12 schwere 18- und 24pfÜQdige Kanonen an-
gelangt sind. Das ord. Tagesreg. S. 576 behauptet, es wären nur 2 Bomben
mitgekommen, indessen sind am ersten Abend aliein 6 geworfen worden (Accu-
rate Nachricht. Anhang S. 318, Bombentabelle).
•) Die erste Nachricht brachte eine schwedische Yacht, welche Pulver
und Flinten aus Frankreich brachte. Accurate Nachricht S. 44.
') Ordentl. Tagesreg. S. 577. Hoburg bezieht dieses Retranchement nicht
auf die Franzosen, die über Brösen hierher hätten gelangen können, sondern
auf die Stadt, fasst es also nicht als Circumvallation, sondern als Coutra-
vallatiou auf!
27
liess er gegenftber der Winterschanze auf dem linken Weichselufer
eine Batterie von 3 schweren Kanonen (Nr. 17) erbauen, um
die Sommerschanze, die unter diesen Umständen von be-
sonderer Wichtigkeit wurde, zu beschiessen. Die Batterie
wurde schon am 4. nachmittags mit den ersten drei von Käs-
mark angekommenen Kanonen armirt *). Der Graf Münnich be-
gab sich zur Eröffnung des Feuers persönlich dahin. Das Feuer
wurde 7 Uhr abends eröffnet, und schon nach dem 9. Schuss
war der mit Kanonen bewaffnete Prahmen, welcher an der Schanze
lag, so beschädigt, dass er nur mit Mühe nach Weichselmüude
entkam. In der Schanze kommandirte zur Zeit ein Hauptmann
Fischer, da Lealand am 2. Mai erkrankt war. Er wurde vom
Grafen Münnich mit der Bemerkung zur Uebergabe aufgefordert,
dass ihm Ehre genug widerfahren sei, durch schwere Geschütze
beschossen worden zu sein. Auf seine ablehnende Antwort
wurde das Feuer fortgesetzt und dauerte den 6. hindurch, so
dass bei der nahen Entfernung die Palisadirung sehr litt. Es
fehlte der Besatzung an dem nöthigen Ausbesserungsmaterial,
das man in Weichselmtinde vergeblich requirirte. Im übrigen
litt die Schanze weder Mangel an Lebensmitteln noch an Muni-
tion. Sie war mit 130 Mann und 3 eisernen Kanonen, sowie
einem kleinen Mörser besetzt. Zum Angriff der Schanze, der
am 6. abends 10 Uhr erfolgen sollte , war der Oberst Leslie mit
450 Mann, worunter 100 Grenadiere mit je 4 Handgranaten aus-
gerüstet und 50 Kosacken, kommandirt. Er stellte 50 Grena-
diere an der Weichsel auf, um einer etwaigen Unterstützung
der Schanze von Weichselmünde aus entgegenzutreten, be-
stimmte 150 Mann in 3 Abtheilungen zum Angriff der aus-
springenden Winkel der Redute und liess ebensoviel mit Beilen
versehene Mann zum Fällen der Palisaden folgen. Die Kosacken,
welche ohne Pferde waren, hatten von der Kontreskarpe aus
die Brustwehrkrone unter Feuer zu halten. Die obigen Mann-
schaften überschritten am grossen Holländer in grösster Stille
die Laake. Ihnen folgte der Rest als Reserve. Ausserdem
blieb die übrige Mannschaft im Lager unter Gewehr. Die Be-
satzung war gerade mit Ausladen der endlich von Weichsel-
») Ebenda 8. 578,
26
münde eingetroffenen requirirten Gegenstände beschäftigt, haupt-
sächlich Sandsäcke und spanische Reiter, die auf zwei Booten
angekommen waren, und wurde durch den Angriff völlig über-
rascht. Die Russen erstiegen ohne Verlust die Brustwehr, so
dass erst im Innern der Schanze ein heftiger Kampf begann.
Der Hauptmann Fischer entzog sich dem heimlich und fuhr
gleich zu anfang nach Weichselmünde ab. Das Auffliegen eines
Pulvermagazins veimehrte die Verwirrung. Auch der 2. Officier,
ein Lieutenant Runger, fuhr mit einiger Mannschaft auf den
Booten ab. Der Rest der Besatzung wurde theils gctödtet, theils
gefangen. Die Russen hatten nur 29 Verwundete^).
Weichselmünde war bereits durch einen mit Reduten ver-
sehenen Laufgraben (Nr. 29), vor dem ein Verhau angebracht
war, von der Nehrung her eingeschlossen. Die Russen ver-
banden diese Kontravallationslinie jetzt mit der Sommerschanze
(Nr. 30). Eine Beschiessung der Schanze, von Weichselmünde
und der Herrenschanze her, blieb ohne Erfolg. Einen Versuch,
die Schanze wiederzunehroen, haben die Danziger nicht gemacht.
Er würde auch in dem sumpfigen Terrain und bei den ange-
legten Verschanzungen der Russen auf dem Holm seine Schwie-
rigkeit gehabt haben. Die Verbindung der Stadt mit Weichsel-
münde zu Lande war jetzt völlig abgeschnitten. Auch hatte
der Kommandant des letztern nicht das Vertrauen der Bürger-
schaft, welche deshalb schon am 30. April seinen Ersatz durch
einen andern Offizier beantragt hatte. Der Rath war jedoch
nicht darauf eingegangen. Den Hauptmann Fischer Hess er
aber seines üblen Verhaltens wegen verhaften*).
Der Verlust der Sommerschanze wurde in der Stadt tief
empfunden. Das Bombardement hatte inzwischen an Aus-
dehnung gewonnen. Seit dem 3. Mai fielen täglich über 100
Bomben in die Stadt. Nur während der Verhandlungen mit
dem preussischen Staatsrath von Brand war es etwas gemässigt
worden. Der König Stanislaus hatte sich sogleich nach Lang-
garten zurückgezogen, auch die reichern Bürger folgten dahin ^).
») Ordentl. Tagesreg. S. 580.
») Rec. vom 7. und 25. Mai. Hoburg S. 189.
') Wahr^cbeinlicl) veranlasst 4urch die Aohäufuttg der Bewohner iu
29
Der bürgerliche Verkehr hörte in der Stadt allmählich auf, die
am meisten ausgesetzten Häuser wurden verlassen, die Ver-
kaufsläden geschlossen, es zog sich alles in die Eellerräume
zurück. Auch die Verhandlungen der städtischen Obrigkeit
fanden in den untern Oewölben des Rathhauses statt, bis sie
schliesslich ebenfalls nach Langgarten verlegt wurden. Doch
hatte es seine Schwierigkeit, eine Versammlung zusammenzu-
bringen. Der französische Gesandte wurde nunmehr an sein
Versprechen erinnert, den Schaden zu ersetzen. Er zeigte sich
zwar gereizt darüber, deponirte aber 30000 Dukaten*).
Das Feuer von den Werken wurde inzwischen fortgesetzt
und Vorkehrungen getroffen, entstehende Feuersbrtinste sogleich
zu löschen.
Die Arbeiten in den russischen Laufgräben waren indessen
ununterbrochen fortgegangen. Die Kontravallation gegen den
Bischofsberg war vom 1. bis 3. Mai um 250 Schritt nach dem
Stolzenberg hin fortgeschritten. Noch am 7, arbeitete man
daran. Die Circumvallation bei Neuschottland, wovon täglich
gegen 200 Schritt ausgehoben wurden, kam bis zum 8. bis
Langfuhr zustande. Auch auf der Seite vor dem Olivaer Thor
wuinie rüstig gearbeitet. Am letztern Punkt wurde am 6. ein neues
Boyau von 130 Schritt Länge angesetzt und am 7. um 100 Schritt
weitei^eführt. Wie es scheint, beabsichtigte man von Schidlitz
aus dais Neugarten-Thor durch Laufgräben zu umschliessen, um
Ausfälle aus demselben zu verhindern. Am 4. näherte man
sich demselben um 90 Schritt, am 7. um 64 Schritt.
Die Batterien waren fertiggestellt, aber mit der Ankunft
der Geschütze ging es sehr langsam. Am 7. kamen erst
wiederum zwei Mörser an, die sogleich in die Batterien ein-
geführt wurden. Die Circumvallation bei Neu-Schottland wurde
um 300 Schritt verlängert*). Auch armirte man an diesem
Langgarten and in der Niederstadt Hess der Graf Münnicb, der stets sehr
gat über die Verhältnisse in Danzig unterrichtet war, einen gewaltsamen An-
griff aof die Vorstadt Kneipab machen, der jedoch abgeschlagen wurde.
Accurate Nachricht S. 58.
^) Becess vom 30. April und 5. Mai.
') Ordentliches Tagearegister S. 581. Es ist hier ausdrttcklich ausge-
30
Tage die neue Batterie rechts der Rutowski-Redute mit den
3 schwersten Kanonen der Zigankenschanze *),
3. Der Sturm auf den Eagelsberg.
Am 7., wo der Graf Mtinnich, der der Erstürmung der
Sommerschanze beigewohnt hatte, wieder nach Ohra zurück-
gekehrt war und hier über die Bestimmung neu angekommener
Geschütze disponirt hatte, langte eine durch Herrn v. Gallowin
überbrachte Depesche von der Kaiserin an, die dem Grafen
befahl, einen gewaltsamen Angriff auf den Hagelsberg zu ver-
suchen *).
Um mit der nöthigen Vorsicht zuwerke zu gehen, be-
willigte der Feldmarschall der Stadt einen 48 stündigen Watfen-
stillstand^) bis zum 9. Mai mittags, um Zeit zu gewinnen, die
Beschaffenheit der Werke sorgfältig zu rekognosciren. Er
that dies am 8. mit den Generalen Lascy und Biron. Der
officielle Bericht sagt über das Resultat dieser Rekognoscirung :
„Der Hagelsberg ist in seiner rechten Flanke gegen das Oli-
vische Thor eskarpiret und nicht anzukommen. Die Tete ist ein
reguläres Hornwerk mit einem Ravelin und Kontreskarpe*),
welche den Hauptwall und das Ravelin bis an die Brustwehr
deckt, stark verpalisadiert, mit einer starken Artillerie bespickt
und die Brustwehren mit Sturmbalken überall belegt, und weil
man bis dato keine schwere Artillerie noch genügsame
Mannschaft gehabt, die Attake bis auf die lyontreskarpe zu
führen und Bresche zu legen, die Festungswerke ganz unbeschädigt
in vollem Defensionsstande, und wie man sagt, unterminirt, so dass
da dem Hagelsberge von diesen beiden Seiten nicht anzukommen.
sprochen, dass das Retranchement von Neu-Schottland gegen die Franzosen
bestimmt war.
») Ebenda.
*) Ebenda S. 582. GaHowin hatte die Entfernung von Petersburg in
7 Tagen zurückgelegt.
*) Eec. vom 7. Mai. Hobnrg S. 190. Die russischen Berichte erwähnen
von diesem Wa£fenstillsiande nichts, sagen indessen, dass den 8. zu Ehren des
Krönungsfestes der Armee Ruhe gegeben wurde.
*) Ordentl. Tagesregister S. 586. Unter Kontrescanie ist in dem Bericht
gedeckter Weg zu verstehen.
31
denselben in der linken Flanke von der Seite der Schidlitz zu
attakiren. Es stossen allda an dem Hagelsberge die Aussen-
vverke, welche die Kommunikation mit dem Bischofsberge
machen. Das nächste Werk so an den Hagelsberg anhänget,
hat keinen bedeckten Weg, sondern einen trocknen Graben,
und die darin gesetzte Palisaden *) und das natürliche Terrain
machen die Kontreskarpe. Der Wall ist von Erde und nicht
revetirt und die Berme mit einer dicken lebendigen Hecke
besetzt; der trockene Graben ist aus unsern in der Schidlitz
geführten Approchen ganz enfilirt^) und kommandirt, und war
daher von den Feinden, sowohl als ein auf dem Neben-Saillant
gelegenes Bonett (vor Bastion Neubaur)^) schon einige Tage
abandonirt. Es wurde demnach resolvirt, die Attake auf
dieses Werk (das Ravelin Neubaur — Notzkenberg) zu führen
und von da aus den Hagelsberg in der (linken) Flanke zu
stüiTOen'*.
Der Graf Münnich befehligte zur Leitung des Sturms,
welcher am 9. abends stattfinden sollte, den General lieutenant
Knäs Beratinski und den Generalmajor von Biron mit 8000
Mann. Die Truppen sollten sich um 7 Uhr abends hinter dem
Zigankenberge sammeln, daselbst das Gepäck ablegen und nach
Eintheilung in 3 Kolonnen und Eintritt der Dunkelheit den
Laufgraben nach Schidlitz bis zur Mörserbatterie (Nr. 10)
hinabsteigen, hier durch Abräumung der Brustwehr drei be-
queme Passagen herstellen, sich sodann ordnen und mit einem
Zwischenraum von 30 bis 40 Schritten zwischen den Kolonnen
in gleicher Höhe und langsamen Schritts, um nicht auseinander
zu kommen, antreten. An der Spitze jeder Kolonne sollten
sich 200 Grenadiere, jeder mit 4 Granaten und 800 Musketiere,
jeder mit 24 Patronen versehen, befinden. Die übrige Mann-
schaft sollte zum Tragen der Faschinen, Stunnleitem, Beile,
^) Die Palisaden standen demnach am Fuss der Kontreskarpe.
*) nämlich die Gräben vor den rechten Facen des Bastions und Bavelins
Neabaur. Letzterer war vom Looseberg ans auch durch Geschützfener zu be-
streichen.
*) Das Bastion Neubaur wird in den gleichzeitigen Berichten „an dem
Kessel beim Majoren -Thor" bezeichnet, woraus später Bastion Kessel geworden
ist. Der Name Neubaur wurde nur fttr das Ravelin beibehalten.
32
Spaten etc. verwendet resp. als Reserve bestimmt werden.
Jeder Kolonne waren 3 Ingenieurofficiere zugetheilt. An den
Palisaden angekommen, sollten die Faschinen niedergelegt und
die Palisaden weggeräumt werden. Käme eine Kolonne früher
damit zustande als die andere, so könnten zwei Kolonnen
durch dieselbe Lücke gehn, die dann erweitert werden sollte.
Nach dem üeberschreiten des Grabens sollten die Leitern an
den Wall gelegt und derselbe ei-stiegen werden, wobei die
Dornhecke der Berme auszureissen wäre.
1500 Mann waren ausserdem zu drei ScheinangrilBen gegen
den Bischofsberg und gegen die Front des Hagelsbergs be-
stimmt.
Die Disposition für die Sturmkolonne wurde richtig aus-
geführt. Eine heftige Beschiessung des Hagelsberges vom Mittag
des 9. ab diente zur Vorbereitung des Sturms, um die Palisaden
zu zei-stören und den Wall ersteiglich zu machen. Die Ko-
lonnen traten um 10 Uhr abends an. Die Besatzung hatte die
Annäherung frühzeitig genug entdeckt ^), um zum Empfang der
Kolonnen bereit zu sein. Geschütz- und Gewehrfeuer empfingen
die vorgehenden Bussen, die indessen gegen Mitternacht an dem
am weitesten vorspringenden Ravelin Neubaur anlangten, die
Palisaden niederlegten, den Graben trotz des verheerenden Feuei-s
von den anliegenden Bastionen überschritten, auf Leitern die
Eskarpe erstiegen, die Hecke auf der Berme wegräumten und
nach grossen Verlusten, welche die auf sie herabrollenden Sturra-
balken in den Reihen rissen, das mit sieben Kanonen besetzte
Ravelin erstiegen. Aber sämmtliche Stabsofflciere, die Ingenieure
und die meisten Offleiere waren gefallen*), so dass die 3 Ko-
lonnen auf dem beschränkten Raum untereinander kamen und
jede Leitung aufhörte. Sie hätten von dem Ravelin auf einer
schmalen Rampe wieder in den Graben steigen und den Haupt-
wall erklimmen müssen. Ein heftiges Gewehrfeuer von der
^) Der Scheinangriif gegen den Hagelsberg war etwas zu früh erfolgt
und daranf von aHen Werken Leuchtkugeln geworfen worden. Officieller
Bericht.
') Es muss dies schon beim Anmarsch geschehen sein, da sonst alle 3
Kolonnen unmr»glich auf das kleine Ravelin hätten dlrigirt werden können.
33
gegenüberliegenden Kurtine decimirte die in Verwirrung ge-
rathene Masse, die trotzdem aushielt, aber auch nicht vorwärts
kam.
Die gegenüberstehenden Danziger hatten bald ihre Munition
verschossen, doch die Sturmglocken hatten die gesammto Mann-
schaft zusammengerufen, neue Munition wurde herbeigeschafft,
die ermüdete Mannschaft abgelöst. Der Kampf im Feuergefecht
dauerte drei Stunden fort. Die noch übrig gebliebenen Russen
wurden bei Anbruch des Tages vom Grafen Münnich zurück-
berufen, da sie alle Offensivkraft verloren hatten. Aber es
hatte seine Schwierigkeit, die Leute zurückzubringen. Sie wollten
lieber sterben als den Platz verlassen. Der General Lascy,
welcher wie die übrigen Generäle sich im vordersten Lauf-
graben aufhielt, musste voreilen und persönlich eingreifen, um
sie in Bewegung zu setzen. Bei dem Rückzuge über das Feld
erlitten sie noch durch das Kartätschfeuer der anliegenden
Werke grosse Verluste. 120 Offleiere und 4000 Todte und
Verwundete blieben liegen. Die Zahl der Todten, welche die
Danziger am folgenden Tage im „russischen Grabe", wie es
noch heut genannt wird, beerdigten, beti'ug 692. Die Belagerten
hatten 42 Todte und 50 Verwundete.
Die Danziger haben es nicht verstanden, den Sieg zu be-
nutzen. Die Niedergeschlagenheit war im russischen Lager der-
artig, dass sie bei einem gut geleiteten Ausfall grosse Vor-
tlieile hätten erreichen können. Um sich nicht grossen Ver-
lusten bei einem frontalen Angriff der gut bewahrten Höhen
auszusetzen, hätte man wenigstens einen Angriff im Rücken
der Belagerer von Weichselmünde machen können Der Schrecken
war hier ebenso gross wie vor der Stadt. Wahrscheinlich
hätte man das scliwache Belagerungskorps mit Leichtigkeit
überwältigt und Weichselmünde befreit. Die Erinnerung an
das Jahr 1577 hätte die grossen Vortheile, in denen man sich
einem Einschliessungskorps von Weichselmünde gegenüber befand,
ins Licht stellen müssen. Aber der Moment ging ungenutzt
vorüber. Die Danziger überliessen sich ausschliesslich der
Freude und dachten nur daran, einen neuen Sturm abzuschlagen.
Der Rath bewarb sich selbst um einen neuen Waffenstillstand.
Köbler, Gesdilobte der Festungen Danzig und Welchselmüudo. II. 3
34
1 Anbmft einer französischen Flotte.
Es bandelte sich zunächst darum, die Todten zu begraben
und die Gefangenen auszuwechseln. Doch war es dem Ratli
auch darum zu tbun, Zeit zu gewinnen, weil die Ankunft der
Franzosen nahe bevorstand. Der Graf Münnich gestattete zwar
die Begrabung der Todten und willigte endlich auch in die Aus-
wechslung der Gefangenen, die am 14. stattfand*), liess sich
aber sonst auf nichts ein. Mit der grössten Energie suchte er die
erhaltene Schlappe zu verwischen. Er hatte sofort die ausserhalb
stehenden Detachements eingezogen % sowie nach Warschau zur
Beschleunigung der Ankunft der verheisseuen Truppen geschickt,
und als er die Ankunft der Franzosen, welche am 10. auf der
Danziger Rhede anlangten, erfuhr, befahl er, alle Dörfer am
Strande einzuäschern, um ihnen eine Unterkunft zu benehmen.
Er liess Seile über die Weichsel spannen, um die Kommunika-
tion mit der Stadt völlig abzuschneiden. Die Sommei^chanze
wurde durch eine Brücke über die Laake mit dem russischen
Retranchement verbunden und umgebaut. Der Eingang, der
bisher nach der Seite von Weichselmünde lag, wurde auf die
entgegengesetzte Seite verlegt. Das Retranchement selbst wurde
verstärkt, am Strande mit zwei hohen, starken Reduten (Nr. 31)
versehen, auch eine Kommunikation von Heubude mit dem Re-
tranchement durch dMi zwischenliegenden Sumpf hergestellt.
Dabei ruhte man gegen die Stadt nicht. Am 14. erreichte die
gegen den Bischofsberg ausgehobene Kontravallation in ihrem
allmählichen Vorschreiten gegen Schidlitz zum Anschluss an die-
jenige des Hagelsberges die Höhe des Stolzenberges*), wo-
durch man sich eines vortheilhaften Postens bemächtigte.
Die Franzosen, welche am 11. gelandet waren*) und in
') Der Austaasch fand bei der Kapelle Jerusalem (q) statt. Die Stadt
übergab 45 Gefangene, die mit neuer Kleidung, Geld und Brot versehen waren.
Die gefangenen städtischen Soldaten wurden dagegen in einem elenden Zu-
stande ttberliefert.
') Der General Sagraiski traf mit seinen Dragoner -Regimentern und
Kosacken bereits am 10. ein.
■) Ordentl. Tagesreg. S. 589.
*) Hoburg lässt S. 194 die Franzosen erst am 12. auf der Rhede ein-
treffen, obgleich er ein Schreiben des Grafen Münnich von diesem Tage an-
35
Weichselmünde Unterkunft suchten, fanden hier nur den Raum
zwischen dem äussern und innern Graben disponibel und zogen
es vor, auf der Westerplatte ein Lager aufzuschlagen. Sie be-
standen aus den beiden Regimentern Perigord und Blaisois, zu-
sammen gegen 1500 Mann stark, unter dem Befehl des Generals
de la Motte Perouse. Ein drittes Regiment, de la Marche,
wurde noch erwartet. Da der General bei seiner Schwäche
es aufgab, nach Danzig durchzudringen, zog er es vor, nach
Kopenhagen zurückzufahren, um das dritte Regiment zu er-
warten und sich reichlicher mit Lebensmitteln zu versehen. Er
schiflFte sich dalier am 14. wieder ein ^).
Der Unwille darüber in Danzig war gross, da man die
nähern Umstände nicht kannte. Das Bombardement hatte die
Bürger nach und nach doch mürbe gemacht, häufige Feuers-
brünste Hessen sie nicht zur Ruhe kommen und der Preis der
Lebensmittel wai* um das sechsfache gestiegen. Auch kamen
die aus ihrem Besitzthum vertriebenen Bewohner der Nehrung
zu tausenden vor dem Langgartener Thor an und baten um
Lebensmittel und Obdach. Dabei war die Kommunikation mit
Weichselmünde nun wirklich abgeschnitten. Ein Prahmen der
Stadt kam am 12. nur bis zur Winterschanze und ein anderer
wurde am folgenden Tage schon bei Schellmühl zurückgewiesen.
Ein Ausfall am 16. mit 200 bis 300 Mann gegen den neuen
russischen Posten bei Stolzenberg blieb ohne Erfolg.
Der Graf Münnich hatte sich am 15. nach der Nehrung
begehen, um die Arbeiten zu besichtigen, und fand sie genü-
gend vorgeschritten, um gegen jeden Angritf gesichert zu sein ^).
Bei Heubude war eine Sperrung der Weichsel beabsichtigt, zu
welchem Zweck alle Säcke auf dem Werder eingezogen worden
waren. Er verordnete die Anlage einer neuen Redute auf dem
linken Weichselufer der Winterschanze gegenüber (Nr. 27),
welche den 18. begonnen wurde. Einige Tage darauf wurde
führt, wonach er auf eine Vorstellung der Stadt, mit den Zerstörungen der
Dörfer auf der Nebmng einzuhalten, dies von der Bedingung abhängig macht,
das.s sich die Franzosen wieder einschiffen.
'-) Ordentl. Tagesreg. S 589. Hoburg lässt ihn S. 194 am 16. wieder
abgehn, wobei er sich auf einen Ordn.-Rec. vom 13. (!) beruft.
*) Es war also auch hier eine Koutravanationslinie geschaffen.
3*
36
ein Retranchement von hier nach dem neuen Graben am Sasper-
see gezogen und mit einer zweiten Redute (Nr. 26) verstärkt^),
so dass der Raum zwischen der Weichsel und dem Saspersee
gegen Weichselmünde hin gesperrt war. In Schidlitz und Aller
Engeln schritten die Arbeiten weiter vor. Die Einwohner von
Stolzenberg wurden am 18. angewiesen, ihre Häuser zu ver-
lassen. Die Russen legten hier eine Batterie (Sandbatterie)
von 4 Kanonen (Nr. 21) sowie noch 2 Reduten an. Eine Kom-
munikation mit der Attacke von Schidlitz wurde vorläufig durch
spanische Reiter hergestellt, ein neuer Ausfall der Danziger
am 3. Juli mit einem Verlust von 8 Todten zurückgeschlagen *).
Der Graf Münnich erliess unter diesen Umständen eine
neue Aufforderung an die Stadt. Der Rath nahm die Gelegen-
heit wahr, einen Waffenstillstand zu beantragen, weil, wie er
sagte, die Ordnungen, deren Zustimmung er bedurfte, bei dem
fortdauernden Bombardement nicht zusammen zu bringen wären.
Die Unterhandlungen darüber gingen mehrere Tage fort, bis
es dem Herrn von Brand, welcher seit dem 18. wieder im
russischen Hauptquartier verweilte, gelang, einen 48 stündigen
Waffenstillstand vom 22. bis zum 24. herbeizuführen. Er be-
gab sich mit dem Herrn von Grumbkow, der mit ihm angekommen
war, nach Danzig und theilte dem Rathe mit, dass sie nur ge-
kommen wären, um der Stadt günstige Kapitulationsbedingungen
zu verschaffen und machte auf die nachtheiligen Folgen eines
längern Widerstandes aufmerksam. Die Aufhebung des Ver-
botes inbetreff der Passage der russischen Artillerie habe
preussischerseits schliesslich stattfinden müssen, um nicht Feind-
seligkeiten herbeizuführen. Auch sei den Polen gleiche Frei-
heit bewilligt worden, jedenfalls habe die Stadt gegen 4 Wochen
^) Ordentl. Tagesreg. S. 592. Das Retranchement wird ganz richtig
Circumvallation genannt. Hobarg bezieht diese Arbeiten nur auf Redute 27.
») Ord. Tagesreg. S. 589. Hoburg hat die Bedeutung der Festsetzung
der Rassen auf dem Stolzenberge, und dass die russische Kontravallation da-
mit geschlossen wurde, gar nicht erkannt und erwähnt S. 196 nur ganz neben-
bei einige Ausfölle gegen den Stolzenberg. Auch von der Batterie, welche
die Sandbatterie genannt wurde, wohl weil sie dem Bastion Sandgrube gegen-
über lag, weiss er nichts. Das Datum des zweiten Ausfalles giebt der „kurze
Auszug" an. Die Russen sollen dabei 100 Todte gehabt haben.
37
Aufschub dadurch gewonnen. Die Danziger konnten sich jedoch
nicht entschliessen, den König Stanislaus fortzuschicken. Die
Bürgerschaft stand durch Bestechungen und Versprechungen aller
Art zu sehr unter dem Einäuss des französischen Gesandten.
Die preussischen Abgeordneten hatten auch eine Audienz beim
Könige Stanislaus, dem sie ganz unverblümt vorhielten, dass
er die Stadt nicht in seinem, sondern in französischem Interesse
ruinire, da seine Sache doch hoffnungslos verloren sei. Sie
riethen ihm, die Stadt zu verlassen. Die preussischen Beamten
verliessen endlich die Stadt, ohne zu einem Resultat gekommen
zu sein, und das Bombardement begann am Abend des 24. von
neuem ^).
Der General de la Motte war am 19. in Kopenhagen ein-
getroffen, wo er das Regiment de la Marche mit 3 Schiffen
vorfand. Die 3 Regimenter zählten zusammen 2400 Mann.
Der französische Gesandte am dänischen Hof, Graf Plelo, be-
trieb sehr eifrig die Rückkehr der Truppen nach Danzig und
schloss sich ihnen persönlich an. Sie langten am 23. nach-
mittags auf der Rhode von Danzig an und bezogen trotz des
Waffenstillstandes ein Zeltlager auf der Westerplatte, das sie
stark verschanzten.
Der Graf Münnich hatte nicht sobald Nachricht von der
Ankunft der Franzosen erhalten, als er einen Expressen an
den Herzog von Weissenfeis schickte , der am 24. in Schöneck,
einen Tagemarsch von Danzig, eingetroffen war und daselbst
den 25. einen Ruhetag halten wollte, damit er schleunigst her-
beieilte. Der General Knäs Urussow, welcher bis dahin in dem
für die Sachsen bestimmten Langfuhr mit 3 Dragoner-Regi-
mentern lag, wurde noch am 24. nach Heubude gesendet.
Am 25. war ein kleines Fahrzeug mit Depeschen des fran-
zösischen Gesandten de Monti^) glücklich nach Weichselmünde
gelangt *) und brachte für den General de la Motte den Befehl,
*) Hoburg S. 195.
*) Die Stftdt war durch Raketen vou der Ankunft der Franzosen be-
nachrichtigt worden.
') Ein Fischer schwamm dem Fahnseuge voraus und hieb das ausge-
spannte Seil durch. Er erhielt dafür vom Könige einige Dukaten. Accorate
Nachricht S. 73.
38
am 27. die Russen vor Weichselmlinde anzugreifen und sich
nach Danzig durchzuschlagen. Von der Stadt aus würden ihm
Truppen entgegenkommen.
In der That erhielt der Graf Mönnich an diesem Tage schon
um 8 Uhr morgens die Nachricht, dass die Franzosen durch
Weichselmünde debuchiren. Der Graf war noch am 26. auf
der Nehrung gewesen und konnte über einen Angriff des Feindes
völlig beruhigt sein. Er sendete den Befehl an Urussow, mit
seinen 3 Regimentern nach dem Lager bei Weichselmünde zu
marschiren und gab dem Generaladjutanten Stoffel den Auftrag,
die russischen Reduten an der Laake und das Lager bei Heu-
bude gegen einen Anfall der Danziger Garnison zu sichern.
Die Franzosen waren um 7 Uhr durch Weichselmünde
gerückt und sendeten eine Abtheilung von 250 Mann, 'worunter
die 100 Schweden der Besatzung, zu einem Scheinangriff gegen
den rechten russischen Flügel voraus. Ihnen folgte das Re-
giment P6rigord als Avantgarde, das Regiment Blaisois als
Gros, und das de la Marche als Arrieregarde.
Die Franzosen hatten das Terrain und die feindlichen Ver-
schanzungen nicht rekognoscirt. Sie ttberliessen sich der Füh-
rung des Obersten von Stackeiberg, der das vor den nissischen
Verschanzungen liegende sumpfige Terrain als passirbar be-
zeichnete. Dies war jedoch infolge eines Naclitregens durch-
aus nicht der Fall. Der Sumpf, welcher sich nach dem Plane
von Puffendorf vom Jahre 1656 als eine zusammenhängende
Fläche darstellt, bestand zur Zeit der Belagerung von 1734 aus
zwei von Norden parallel mit einander laufenden Sumpfstrecken,
die an das Glacis von Weichselmünde an dessen Südweststrecke
herantraten und hier mit einander verbunden waren. Doch
führten an dieser Stelle Brücken hinüber. Die Franzosen ge-
langten mit Hilfe derselben in den Raum zwischen beiden
Sümpfen und gingen direkt auf das Retranchement los.
Hinter dem linken Flügel desselben am Ende des west-
lichen Sumpfes hatten das Twersche und Permsche Dragoner-
Regiment zu 5 Eskdr. und das Bielowsche Infanterie-Regiment
zu 2 Bataillonen Stellung genommen. Zwischen den beiden
Sümpfen stand das Welikoluksche und Smolenskische Infanterie-
Regiment, hinter dem rechten Fliigel das Tobolsche und Peters-
39
burgische Dragoner- Regiment, jenes 5, dieses 2 Eskdr. stark,
am Strande das Olonitsche Dragoner - Regiment zu 5 Eskdr.
und 120 Kosacken ').
Da die Franzosen infolge der Sümpfe sich nicht ausbreiten
konnten, waren sie dem umfassenden Artilleriefeuer der Russen
ausgesetzt. Trotzdem drangen sie mit grosser Todesverachtung
vor, stiessen nun aber vor der russischen Verschanzung auf
einen dichten Verhau. Ein Wegräumen desselben erwies sich
im feindlichen Feuer unmöglich, sie überstiegen ihn daher, wo-
bei sie indessen in Unordnung geriethen. Sie waren bisher
nur von Geschützen beschossen worden. Die Infanterie und
die abgesessenen Dragoner hielten ihr Feuer an sich. Die Fran-
zosen machten unter den gegebenen Umständen von ihrem Feuer
gar keinen Gebrauch. Nur die Kanonen von Weichselmünde
blieben in Thätigkeit. Als nun aber auf 15 Schritt Enfernung
von den Schanzen das Massenfeuer der russischen Infanterie
begann, war kein Halten mehr. Die Franzosen stürzten den-
selben Weg, den sie gekommen, unaufhaltsam zurück. Die
Regimenter Blaisois und de la Marche. welche hinter Perigord
folgten, wurden mit fortgerissen. Dem Feuer der Russen aus-
gesetzt, war der Verlust auf der Flucht grösser als b.eim Vor-
marsch. Derselbe wird auf 300 bis 500 Mann angegeben.
160 Todte blieben auf dem Platze, unter ihnen der Graf Plelo.
Er soll von einem französischen Offizier auf dem Rückzuge
todtgeschossen worden sein, dem er im Gefecht Feigheit vor-
geworfen hatte *). Die Russen verloren 1 Offlz. 7 Gemeine todt,
die Obersten von Leslie und Gripanow, 1 Lieutenant und 12
Gemeine verwundet.
700 Mann der Danziger Garnison, welche die Russen im
Rücken angreifen sollten und zu dem Zweck in der Nacht zum
') Ordeutl. Tagesreg. Plan desselben. Uebereinstiramend damit der Be-
richt des Lieutenants v. Reinhard vom Regiment Platen Dragoner im König!,
geheimen Staatsarchiv. Hoburg, neue preuss. Provinzial-Blätter. 3. Folge.
Bd. 8, S. 73.
^ Eine andre Version, dass Graf Plelo mit 15 Wunden bedeckt gewesen
sei, widerlegt das „vollst. Jumal^, das sie bringt, am Schluss selbst. Trotz-
dem hat sie Hoburg aufgenommen. Ein Handgemenge hat aber gar nicht
stattgehabt.
^
27. uacli dem Holm übergeschifit worden waren, fanden in dem
aufgeweichten Terrain so viele Schwierigkeiten, dass sie nicht
vorwärts kamen. Eine Unzahl Gräben veisperrte ausserdem
den Weg, so dass sie nicht zum Aufmarsch gelangten. Dabei
wurden sie von den russischen Schanzen unaufhörlich beschossen.
Es genügte die Annäherung des Generals Urussow, der gegen
sie geschickt wurde, um sie zur Umkehr zu bestimmen.
5. Anlraxift der Sachsen und der mssischen Verstärkungen.
Der misslungene Angriff vom 27. war um so entscheidender
für den weiteren Verlauf der Dinge, als am 25. und 26. die
Sachsen und schon vorher die von Warschau erwarteten rus-
sischen Verstärkungen unter Gen. Lubrasch angelangt waren.
Die Stärke der Sachsen unter dem Herzoge Johann Adolf
von Sachsen- Weissenf eis wird auf 8 Bataillone, 20 Eskadr.,
gegen 8000 Mann, angegeben ^), so dass man die alliirte Armee
Ende Mai auf 40000 Mann veranschlagen kann. Die russische
Infanterie war auf 27 Weichselkähneu befördert worden, wäh-
rend die Kavallerie den Landweg einschlug. Ausserdem stand
die Ankunft einer russischen Flotte bevor, die auch eine Ver-
stärkung an Geschützen mit sich führen sollte. Der Graf Mün-
lüch sendete daher den Flügeladjutanten Jakaschkin nach Pillau,
um die nöthigeu Vorbereitungen zur Ausschiffung derselben zu
treffen, und Hess den Weg von Käsmark nach Ohra ausbessern.
Der Herzog von Weissenfeis nahm sein Hauptquartier in
Langfuhr und erhielt mit seinen Truppen die Fortführung des
Angriffs gegen das Olivaer Thor und den Hagelsberg, sowie
die Besetzung des linken Weichselufers zur Aufgabe. Die
Russen sollten den Angriff gegen den Bischofsberg und von
^) Nach dem voUätändigen Jamal waren es 10 BataiUone, 21 Eskadrons.
Dasselbe giebt die Stärke der Russen anf 6000 au, von denen 2000 nach
Weichselmünde gesendet wurden, lässt dann, wie bereits bemerkt, am 29. die
Nachricht eintreffen, dass noch weitere 9000 anlangen würden. Die Ankunft
der erstem setzt es auf den 18., während das ordentl. Tagesreg. sich nicht
genau darüber ausspricht. Ueber einen zweiten Transport spricht sich letzteres
zwar nicht aus, sagt aber untenn 15. Juni (S. 610), dass der Herzog von
Weissenfeis gelegentlich seiner Anwesenheit in Ohra die rass. Regimenter be-
sichtigt hätte, welche unlängst von Warschau angekommen wären.
41
Heabude gegen die Stadt weiterführen nnd das rechte Weichsel-
ufer besetzen. In der Nacht zum 29. lösten 900 sächsische
Musketiere die Bussen in den zugewiesenen Rayons ab.
Die Arbeiten auf den 4 Attacken, wie man sie nannte,
gegen das Olivaerthor, gegen den Hagelsberg, den Bischofsberg
und von Heubnde') waren inzwischen unausgesetzt fortgetzt
worden und das Bombardement unaufhörlich im Werke.
Es waren 7 Batterien mit 28 Kanonen und 2 Kessel mit 2
sächsischen und 4 russischen schweren Mörsern in Thätigkeit').
Die Attacke auf dem rechten Weichselufer war dein Ganskruge
gegenüber ende Mai so weit vorgeschritten, dass man hoffen durfte,
von hier ans Langgarten nnd die Speicher beschiessen zu können.
Zu gleichem Zweck wurde von Schottland aus eine Batterie
gegen die Mottlau vorgeschoben und daselbst eine Redute erbaut.
Die Geschütze (8 eiserne Kanonen) sollen aus Elbing gekommen
sein und wurden von Sachsen bedient'). Die Entfernung war
jedoch immer noch über 2000 Schritt. Die Bewerfung von
Langgarten mit Mörsern hatte mau aufgeben müssen, weil die
Bulben bei der grossen Entfernung alle in der Luft krepirten *).
') Die Änkanf t der rassischen Verstärkungen und der Sachsen, sowie die
iu naher Aussicht stehende Ankunft des rassischen Beiagerangstrains aus
PUIau drängten dazu, zum förmlichen Angriff überzugehen; doch scheint ein
von Petersburg eingegangener Befehl, die Stadt nicht länger zu schonen, den
Grafen Münnich bestimmt zu haben, das Bombardement vorzuziehen. Ord.
Tagesreg. S. 600. Da indessen Mangel an Munition eintrat, wurden seit an-
fang Juni die Arbeiten auf allen Attacken mehr vorgetrieben, „um'', wie sich
da« ordentl. Tagesreg S. 606 ausdrückt, „nach Ankunft einiger Kanonen und
Mörser, welche die rassische Flotte zu Pillau ausgeladen, den Belagerten zu
Wasser und zu Lande desto nachdrücklicher zuzusetzen.'' Es war also auch
hier das Bombardement, was man vor Augen hatte. Man woUte die Batterien
nur näher an die Stadt bringen.
>) Ord. Tagesreg. S. 606. Etwas später (12. Juni) giebt das vollständige
Jurnal, wie bereits angeführt, ziemlich dieselbe Zahl an, statt der 6 Mörser
aber 6 Mörserbatterien.
*) Ordentl. Tagesreg. S. 603. Die Batterie ist auf dem Plan desselben
nicht eingezeichnet.
'*) Vollständiges Jnraal unterm 19. Mai. Der Graf Münnich plante in
dieser Zeit ein stärkeres Bombardement gegen die Niederstadt und erliess
eine neue Anfforderang an die in Danzig befindlichen fremden Kaufleute und
Faktors, die Stadt zu verlassen und ihre Effekten zu retten. Ordentliches
Tajgesreg. S. 600,
42
Die Sachsen arbeiteten vornehmlich au Verstärkung der
Circumvallation von der Weichsel ^) bis Neu- Schottland und ver-
längerten dieselbe bis zum Dorfe Striess. Die sehr ausge-
setzten Laufgräben vor dem Olivaer Thor wurden bis auf 12
Fuss vertieft.
Eine grosse Sorge beschäftigte die Führer der alliirten Armee,
nämlich die Herstellung einer Brücke über die Weichsel zur
Verbindung der durch diesen Strom getrennten Heeresabthei-
lungen. Die Notliwendigkeit davon war vsclion längst anerkannt
worden, hatte aber bei den geringen Kräften, über die der Graf
Münnich bisher verfügte, hinausgeschoben werden müssen. Das
Unternehmen blieb auch jetzt sehr schwierig. Wo man die Brücke
oberhalb Weichselmünde auch hinlegen mochte, sie befand sich stets
unterm feindlichen Feuer, indem die Entfernung von der Herrn-
schanze bis Weichselmünde nur 3000 Schritt betrug. Da die
Herrn-, Vorder- und kleine Kalkschanze jedoch nur mit kleinen
Kalibern ausgerüstet waren, entschloss man sich, die Brücke
der Winterschanze gegenüber anzulegen und ging sofort an die
Arbeit*). Die Boote dazu waren bald herangeschafft, indem
man 24 dergleichen am Seestrande bis Koliepken hin auftrieb.
Die Schwierigkeit lag in den Zugängen, da auf beiden Seiten
der Weichsel sich ausgedehnte Sumpfstrecken ausbreiteten, über
welche Dämme geführt werden mussten. Man arbeitete den
ganzen Monat Juni daran und als man endlich damit fertig
war, erlaubte die Uebergabe von Weichselmünde, die Brücke in
der Nähe des Forts zu erbauen, wozu man alsbald überging.
Das Retranchement gegenüber der Winterschanze war mit einer
Batterie (Nr. 32) von 4 Kanonen zum Schutz des Baues ver-
sehn worden^).
Der Herzog von Weissenfcls entwickelte eine ausserordent-
liche Thätigkeit. Am Tage rekognoscirte er die Umgegend zu
Pferde, in der Nacht war er bis 12 Uhr in den Laufgräben zu
finden. Am 31. \vurde die Herstellung eines Retranchements
*) Gegenüber der Winterschaiize wurde am 29. die neue Redute fertig-
gestellt und das Epaulement daneben verlängert.
«) Ordentl. Tagesreg. 8. 602.
») Ebenda S. 603. 31. Mai.
43
zwischen dem Saspersee und dem Strand (N. 33) beschlossen
und alsbald in Angriff genommen. Alle disponiblen nicht auf Arbeit
oder Wache befindlichen Mannschaften, selbst die der Kavallerie,
wurden zur Anfertigung von Faschinen und Schanzkörben ver-
wendet.
Zuweilen gelang es einem Danziger Schiff, nach Weichsel-
münde durchzudringen. Auch zu Lande gelang es einzelnen Per-
sonen, die Stadt zu erreichen, so zur grossen Freude des Königs
Stanislaus dem General Steinpflicht.
Die Franzosen waren durch den Echec vom 27. Mai völlig
eingeschüchtert. Sie lagerten auf der Westerplatte und ver-
schanzten sich hier. Eine Aufforderung des Marquis de Monti,
auf der Weichsel Danzig zu erreichen, blieb völlig unberück-
sichtigt. Der General de la Motte dachte nur noch an die
Einschiffung, wozu der Mangel an allen Bedürfnissen und die
grosse Zahl von Verwundeten, zu deren Wartung nicht mehr
wie alles fehlte, allerdings aufforderten. Er stellte dies am
3. Juni dem Könige Stanislaus in einem Schreiben vor, das in
einem von 1 Offizier und 30 Mann besetzten Boote glücklich
nach Danzig durchdrang. Er forderte darin den König auf,
die Stadt zu verlassen und auf den französischen Schiffen nach
Frankreich zurückzukehren. Der Marquis antwortete im Namen
des Königs, dass sich der General mit seinen Truppen nach
Danzig zu begeben habe und drohte mit starker Strafe, wenn
er sich ohne Erlaubniss entfernen würde').
Inzwischen arbeiteten die Russen und Sachsen immer noch
an den Attacken von Heubude, gegen den Bischofs- und Ha-
gelsberg und gegen das Olivaer Thor. Die Russen bemächtigten
sich eines vortheilhaften Postens in der Nähe des Bischofs-
') Hoburg (S. 199), dem ich das in der Voraussetznng entnehme, dass
er eine archivalische Quelle benutzt hat, scheint damit eine Mittheilung der
^accuraten Nachricht'' kombiuirt zu haben, wonach die mehrerwähntc Dan-
ziger Schute^ welche am 29. Mai, obgleich stark beschossen, noch einmal
Weichselmünde erreicht und auf dem Rückwege 1 Ingenieurofficier und 30
franz. Artilleristen mitgeführt hat. Accurate Nachricht S. 86. Noch in der
Nacht vom 11. zum 12. Juli kam ein kleines Schiff von Danzig nach Weichsel-
münde durch, während andre am 7. und 10. Juli hatten umkehren müssen.
Ordeutl. Tagesreg. S. 607,
44
berges. Die Kontravallation gegen den Bischofsberg war in den
Tagen vom 25. bis zum 31 . Mai um 600 Schritt nach Norden ver-
längert worden, sodass der Anschluss an die gegen den Hagelsberg
erreicht war*). Da die Russen sich am Kloster der barmher-
zigen Bruder festzusetzen suchten, steckten es die Danziger in
Brand. Die Mottlauische Gasse, welche dahin führte, war
schon vorher abgebrannt worden. Die Sachsen näherten sich
Juni, mit ihren Laufgräben dem Hagelsberge. Am 7. Juni langte die
russische Flotte in Pillau an und brachte auf 4 Transport-
schiffen gegen 30 ganze Karthaunen und 15 Mörser grossen
Kalibers mit *), die sofort nach Käsmark weiterbefördert wurden.
Die Flotte selbst hielt sich in Pillau nicht auf und machte
Jagd auf die französischen Schiffe, welche die Rhede von Dan-
zig unter Zurttcklassung einer Fregatte, welche im Hafen Schutz
suchte, verlassen hatten. Am 6. Juni langte ein in Stockholm
auf Kosten Danzigs erbauter und ausgerüsteter Hucker in
Weichselmünde an, der durch seine flache Bauart ein Befahren
der Weichsel gestattete. Er war mit 8 Geschützen ausgerüstet
und mit einer soliden Schanzbekleidung versehn, so dass man
hoffte, sich durch ihn in den Besitz der Sommerschanze und des
Holms zu setzen*). Wie es scheint, armirten die Danziger
zur Begünstigung des Augriffs auch die Herrnschanze stärker,
wenigstens wurde von dieser und der kleinen Kalkschanze das
sächsische Lager bei Langfuhr stark beschossen, so dass es in
der Nacht vom 11. zum 12. weiter zurück verlegt werden
musste. Eine Beschiessuug der Sommerschanze durch den
Hucker am 12. blieb ohne Erfolg, da er zu weit abblieb und
bald wieder zurückging. Die Russen schlössen infolge dessen
die Weichsel mit Ketten und starken Bäumen, so dass die
Verbindung mit Weichselmünde völlig aufgehoben war.
>) Ordeutl. Tagesreg. S. 603.
«) Nachdem vollständigen Jamal waren es 20-24 pfändige, 20-18 pfdg.
broncene Kanonen, 2— 360pfdg., 12-200pfdg., l0-6pfdg. broncene Mörser,
10,615— 24 pfdg., 9706— 18 pfdg. Kugeln, 500— 24 pfdg., 509— 18 pfdg. Kar-
tätschen, 1000- 360 pfundige, 3600— 200 pfundige Bomben, 100 Karkaaseu,
10,865— 6 pfdg. Granaten, 10,000— 3 pfdg. Handgranaten, 3496 Ctr. Pulver.
») Hoburg S. 199,
45
6« Anbinft der rnsflisolien Flotte.
An demselben Tage langte die russische Flotte^) auf
der Danziger Rliede au. Die russische Generalität begab sich
am 13. auf das Admiralschilf und wurde vom Admiral Gordon
mit den üblichen 17 Kanonenschüssen feierlich empfangen. Die
französische Fregatte erleichterte ihre Ladung und ging die
Weichsel höher hinauf.
Die Beschiessung des französischen Lagers durch die Flotte,
welche geplant war, musste am 14. wegen hoher See unter-
bleiben. In der Nacht zum 15. wurden die Franzosen jedoch
durch zwei Bombenwürfe allaimirt und hielten dies für ein ver-
abredetes Zeichen zu einem allgemeinen Angriff. Sie blieben
daher die ganze Nacht unter Waffen. Kaum hatten sie sich
bei Anbruch des Tages zur Euhe begeben, als ein furchtbares
Beschiessetf seitens der Flotte, woran auch die Sachsen mit
4 Kanonen vom Betranchement (Nr. 33) theilnahmen, begann,
das den ganzen Tag über anhielt. Die Franzosen benutzten
die Geschütze des üuckers, um sie auf den Dünen zu placiren
und legten in der Nacht zum 16. einige Vei-schanzungen längs
des Strandes an, sowie ein geschlossenes Werk an der Nord-
seite der Westerplatte. Am 16. wurde das Bombardement der
Flotte fortgesetzt, am Nachmittage ging die Flotte jedoch
wieder unter Segel, wahrscheinlich infolge einer Nachricht über
die Annäherung der französischen Schiffe, die sich jedoch nicht
bestätigte. 500 Bomben und 800 Kanonenkugeln waren ins
Lager gefallen, ohne jedoch einen wesentlichen Schaden zu
thun.
7. Der fönnliolie Angriff anf Weiohsehnünde.
Inzwischen war der Transport der Geschütze von Käs-
mark in vollem Gange ^). Schon am 13. hatte die Stadt da-
^) Die Flotte bestand aus 14 Linienschiifen, 8 Fregatten, 2 Bombardier-
Oalioten und 1 Brander. Das vollst Jumal giebt die Namen der einzelnen
Schiffe an.
*) Hobnrg sagt merkwürdigerweise S. 200, die Geschütze seien am 14.
von der Flotte ausgeladen worden.
46
ranter zu leiden. Das Bombardement, welches seit ende Mai *)
wegen Mangel an Munition nur SL»hr schwach gewesen war
und seit dem S.Juni fast ganz geschwiegen hatte, belebte sich
wieder. Am 15. flog ein Pulvermagazin in der Nähe des
Bastions Elisabeth, wo sich das Laboratorium befand, in die
Luft und verbreitete nicht geringen Schrecken, doch wurde der
Ausbreitung des Feuers gesteuert*). Jedoch niclit gegen die
Stadt sollte der Hauptstoss ausgeführt werden. Um die Gegen-
wart der Flotte völlig auszunutzen, erschien es am zweck-
mässigsten, die Hauptkräfte auf Weichselmünde zu kon-
centriren. Es wurde daher der förmliche Angriff gegen
dasselbe auf beiden Seiten der Weichsel beschlossen und mit
Ausnahme des Bombardements die weitern Massregeln
gegen die Stadt ganz fallen gelassen'). Die Sachsen
erhielten am 16. zum Angriff der Westschanze^ eine Ver-
stärkung von 1300 Russen*). Der Graf Mtinnich begab sich
am 17. bis auf weiteres nach Heubude, um die Vorbereitungen
zu beendigen und in der Nähe der Arbeiten zu sein. Die
Dämme zur beabsichtigten Brücke waren zu dieser Zeit ziem-
lich beendigt, das Retranchement der Sachsen zwischen dem
Saspersee und dem Strande, welches schon am 9. aus dem
rohen herausgearbeitet war, war in der Nacht vom 15. zum 16.
völlig zu Stande gekommen^).
') Nach der BombentabeUe im Anhange der acciiraten Nachricht war
das Bombardement vom 6. bis 20. Mai am stärksten. Es fielen täglich 100
bis 150 Bomben in die Stadt, vorherrschend in der Nacht. Am 9. Mai wurden
79 am Tage und 135 in der Nacht in die Stadt geworfen.
*) An demselben Tage abends 9 Uhr flog auch in Weichselmünde infolge
des Bombardements der Flotte ein Magazin mit 50 bis 60 Handgranaten in
die Luft, ohne jedoch Schaden zu thun.
') Wir erfahren das durch eine ganz beilänfige Bemerkung im „ordent-
lichen Tagesregister " S. 623, wonach die Trancheearbeiten vor der Stadt,
welche während der Belagerung von Weichselmtinde aufgehört
hatten, in der Nacht vom 27. zum 28. wieder aufgenommen wurden. Vgl.
auch „accurate Nachricht'' S. 123.
*) Ord. Tagesr. S. 611. Wie es scheint, waren diese eben von Warschau
eingetroffen und sind wohl dieselben, die der Herzog von Weissenfeis in Ohra
besichtigt hatte.
*) Ebenda.
47
Am 17. abends 10 Uhr wurde von ihnen in der Ent-
fernung von nur 200 Schritt eine Parallele gegen die West-
schanze mit 1000 Mann Arbeitern ausgehoben *). Obgleich die
Arbeit entdeckt wurde, zählte man nur 6 Verwundete. Die
Kommunikation der Parallele nach rückwärts wurde den folgen-
den Tag hergestellt.
Am 18. abends wurde auch die Parallele gegen
Weichselmünde auf dem rechten Weichselufer in
der Nähe vom Glacis eröffnet. Die Franzosen, welche einen
Ausfall dagegen versuchten, wurden zurückgewiesen. Die
Sachsen nahmen in dieser Nacht Besitz vom Ballastkruge
(Nr. 35), den die Franzosen vergeblich in Brand zu stecken
suchten.
Nachdem die russische Flotte am 19. zurückgekehrt war,
forderte der Graf Münnich die Franzosen zum Niederlegen der
Waflfen auf. Die Lage derselben war völlig unhaltbar geworden.
Auf eine öde Sandscholle verpflanzt, von allen Seiten eng ein-
geschlossen und beschossen, waren auch die letzten Ressourcen
zu ihrer Unterhaltung ausgegangen. Der General de la Motte
bat am 20. um Einstellung der Feindseligkeiten, um zwei
Ofliciere an den König Stanislaus zu schicken. Der Graf
Münnich hatte nichts dagegen und bewilligte einen dreitägigen
Waffenstillstand zu dem Zweck, behielt sich aber die Fort-
führung der Belagerungsarbeiten während desselben vor.
Weichselmünde wurde in den Waffenstillstand eingeschlossen*).
8. Eapitnlation der Franzosen.
Am 21. wurde vor dem Könige Stanislaus in Gegenwart
des französischen Gesandten mit den abgeordneten Officieren
über die zu nehmenden Massregeln lebhaft dcbattirt. Der
Marquis drang darauf, dass der Versuch gemacht würde, nach
Danzig zu kommen, und obgleich die beiden Ofßciere das Zweck-
lose dieses Unternehmens beredt darstellten, blieb er dabei und
machte den General de la Motte für alle Folgen verantwort-
*) Ebenda S. 612.
*) Ebenda.
48
lieh. Der König hatte nichts als Thränen*). Nach Rückkehr
der Officiere verhandelte der General de la Motte am 23. durch
3 an den Grafen Münnich gesendete Officiere wegen einer
Kapitulation, die am folgenden Tage zustande kam. Die
Franzosen sollten mit allen militairischen Ehren aus dem Lager
ziehen, kompagnieweise an den Bord der russischen Flotte ge-
bracht werden, wo ihnen die Waffen bis zu ihrer Entlassung
abgenommen werden sollten. Der Ort, wo diese geschehen sollte,
war in der Kapitulation nicht ausgesprochen, der Graf Münnich
verwies sie in dieser Beziehung an den Admiral. Sie hofften
nach Kopenhagen übergeführt zu werden und von hier auf
französischen Schiffen nach Frankreich zurückzukehren. Ihre
Einschiffung erfolgte am 27. Juni *). Sie waren noch von einer
Stärke von 150 Offlcicren, 102 Unterofflcieren und 1684 Ge-
meinen, Während des Waffenstillstandes vom 19. bis 22. waren
die Angriffsarbeiten der Russen gegen Weichselmünde und der
Sachsen gegen die Westschanze ununterbrochen weiter geführt
worden. Letztere hatten die Parallele bis an den Ballastkrug
verlängert und daselbst eine Redute erbaut. Auch nach rechts
hin war die Parallele verlängert und mit einer Redute ver-
sehen worden. Ebenso wurden die Approchen nach rückwärts
ausgebaut. Der Ballastkrug wurde nach Abtragung des oberen
Stockwerks zu einem Blockhaus (Kaponiero in den Berichten
genannt) umgeformt und eine Batterie zu 8 Kanonen eirichtet *).
Auf bitten des Hauptmanns Patzer, der noch keine Antwort
von der Stadt hatte, wurde der Waffenstillstand um 48 Stunden
verlängert. Die Sachsen benutzten sofort die Gelegenheit, mit
einem Boyau von 400 Schritt Länge vom rechten Flügel der
Parallele bis zur Weichsel vorzugehen. In gleicher Weise
») Hoburg S. 202.
*) Anstatt nach Kopenhagen wurden sie nach Kronstadt Ubergeschifft,
weil, wie ein Manifest der Kaiserin Anna vom 5. Juli erklärte, die f raneösische
Flotte ohne Kriegserklftmng am 30. Mai eine russische Fregatte und 3 andre
Schiffe genommen hatte. Bevor dieselben niclit ziirückgeliefert würden, sollten
die Franzosen als Gefangene betrachtet werden. Sie wurden von Kronstadt
nach Livland Übergeführt, von wo sie erst am 5. December nach Zurücker-
stattung der Fregatte durch französische Transportschiffe abgeholt wurden.
3) Ordentl. Ti\gesrüg. S. 612.
49
hatten sich die Russen gegen Weicbselmünde verhalten und
sich auf dem Glacis festgesetzt.
Der Oberst von Stackeiberg hatte sich nach der
Kapitulation der Franzosen mit der Bitte an den Grafen
Munnich gewendet, für sich und die in Weichselmünde befind-
lichen Schweden gleich den Franzosen freien Abzug und die
nöthigen Pässe zur Ueberfahrt nach Schweden zu erhalten. Es
wurde ohne weiteres gewährt.
In der Stadt und in Weichselmtinde war indessen die Lage
verzweifelt geworden. In der Stadt war namentlich das Geld
ausgegangen, nm die Garnison zu bezahlen. ' Diese nahm
monatlich 80000 Gulden in Anspruch. Der in Schweden er-
baute Hucker hatte allein 40000 Gulden gekostet. Der Eath
wandte sich an den französischen Gesandten, der aber auch
von allen Mitteln entblösst war. Er hatte monatlich 16000
Dukaten für Wachgelder und zur Unterstützung der im Dienst
befindlichen jungen Mannschaft der Gewerke ausgegeben.
Schliesslich übernahm er jedoch die Kosten für den Hucker.
Dazu hatte sich die Stellung des Raths zur Gemeinde sehr
übel gestaltet. Die grosse Menge war durch französisches
Geld für die Fortsetzung der Vertheidigung gewonnen worden,
während der Rath und alle einsichtigen Bürger den Frieden
herbeiwünschten. Es herrschte daher das grösste Misstrauen
zwischen Rath und den Bürgern, derartig, dass letztere durch
eine besondere Bürgerwache von 10 Mann die Aus- und Ein-
gehenden am Langgartenthor (der Graf Münnich befand sich
zu Heubude) beobachten Hessen. Dabei wurden, wie schon im
ganzen Verlauf der Belagerung, vom französischen Gesandten
die wunderbarsten Gerüchte verbreitet und von der Menge
geglaubt. Die Besorgnisse wegen Weichselmünde, mit dem man
die Verbindung verloren hatte, steigerte die Spannung. Als
dann ein Offizier der dortigen Garnison mit den beiden franzö-
sischen Offizieren, welche an den König Stanislaus abgesendet
waren, anlangte und den Zustand dort in den schwärzesten
Farben malte, wurde die Niedergeschlagenheit allgemein.
Er^) erzählte, wie der Hauptmann Patzer weder die Achtung
*) Es war der Danziger Fähnrich GaUentin, dem noch ein schwedischer
Comet beigegeben war.
KölUer, Ge^ichiclite der Fodtuugen Danzig und Weichsolmündc. II. 4
60
der Franzosen noch der eigenen Garnison besitze. Die geringen
Vorräthe mttssten mit den Franzosen getheilt werden, obgleich
diese die Besatzung in keiner Weise unterstützten und nur
von ihrem Abzüge sprächen. Die Disciplin wäre gänzlich
untergraben *).
9. Uebergabe von Weiohaelxnfinde.
Die Garnison von Weichselmttnde war 412 Mann stark
gewesen, von denen jedoch täglich eine Anzahl desertirten.
Die Besatzung der Werke erforderte täglich 270 Mann, so dass
die Leute nicht mehr aus den Kleidern herauskamen. Die
Missstimmung der Garnison steigerte sich bei der Nachricht
von den Unterhandlungen der Franzosen wegen einer Kapi-
tulation und ging in offenen Aufruhr über. Die Mannschaft
weigerte sich, ohne die Franzosen noch Dienste zu thuu. Und
als dann deren Kapitulation abgeschlossen war und auch die
noch gegen 50 Mann starken Schweden Reisepässe erhielten*),
gingen die Soldaten zur offenen Widersetzlichkeit über, be-
gingen Ausschreitungen aller Art, warfen die Gewehre weg
und insultirten die Offleiere. Der Hauptmann Patzer ging da-
her auf den Vorschlag des Oberstlieutenants v. Rechenberg,
den der Herzog von Weissenfeis an ihn geschickt hatte, ein
und sendete den 23. den Hauptmann Harmens und 2 Offiziere
an den Grafen Münnich. Patzer selbst begab sich zum Herzog
von Weissenfeis. Die Kapitulation wurde noch am 24. ab-
geschlossen. Die Besatzung erhielt freien Abzug mit allen
kriegerischen Ehren und unter Mitführung von 2 Kanonen.
Sie huldigte dem Könige August III und wurde in die Heimath
entlassen. Nach Danzig durfte sie natürlich nicht, der Stadt
») Hoburg S. 204 flf.
>) Gralath erzählt HI 445, dass der livländische Woiewode Morstyn nach
der Eapitalation von Weichselmünde einen Danziger Kathsherm im Vorzimmer
des Königs Stanisians in Gegenwart anderer Polen gefragt habe, was die
Garnison der Münde veranlasst hätte, so plötzlich zu kapituliren. Der Raths-
herr antwortete ganz gelassen : laboravit morbo gallico, worauf der Woiewode
lächelnd erwiderte: Proh dolor! nos omues eodem laboramus.
5i
sollte selbst keine Abschrift der Kapitulation gesendet werden *).
Weichselmfinde erhielt eine sächsische Besatzung ^).
Die Uebergabe von Weichselmünde brachte die Danziger
Burgerschaft endlich zur Vernunft, sie war einem Friedens-
schluss nicht länger abgeneigt. Der Eath nahm daher keinen
Anstand, auch gegen den Wunsch des Königs Stanislaus die
Vermittelung des preussischen Staatsraths von Brand und des
sächsischen Ministers von Btilow zu einem Stägigen Waffen-
stillstand in Anspruch zu nehmen. Der Beschluss wurde am
24. gefasst und sofort ausgeführt und schon am 25. gingen vom
Grafen Münnich, der sich noch in Heubude befand, die Pässe
für die Deputirten ein, die mit der Führung der Unterhand-
lungen beauftragt wurden und die sich am 27. in Ohra ein-
finden sollten. Den Waffenstillstand bewilligte er jedoch nicht.
Der Graf gab als Grund dafür an, dass die Danziger den zu-
letzt bewilligten Waffenstillstand gemissbraucht hätten, indem
sie während desselben fortgearbeitet und selbst geschossen
hätten. Auch seien die französischen Truppen in dieser Zeit
gelandet. Das Schiessen sollte nur während der Zeit, wo die
Abgeordneten sich in Ohra befänden, eingestellt werden. In
der Nacht zum 28. wurden selbst die Arbeiten auf allen
Attacken gegen die Stadt wieder aufgenommen*), und
') Hobnrg S. 204 ff. Der Hauptmann Patzer starb 1748 als Komman-
dant von Weichselmünde. Es scheint demnach, dass ihn wenigstens in den
Augen des Raths kein Vorwurf traf. Nach Familiennachrichten soU er so-
gar vom Bath den geheimen Befehl erhalten haben, zu kapituliren. Nach
einer andern Version hatten die Ordnungen bereits den Hauptmann Lealand
zum Kommandanten ernannt, waren aber nicht in der Lage, den Beschluss
nach Weichselmttnde zu kommuniciren. Gallentin und der schwedische Komet
hatten dem Grafen Münnich ihr Ehrenwort geben müssen, nichts aus der
Stadt mitzunehmen, was sie nicht vorzuzeigen bereit wären. Die Thatsach^,
dass Patzer später noch Kommandant war, widerlegt diese Version liin-
reichend.
') Die Bussen hatten nach Abschluss der Kapitulation das Thor von
Weicfaselmünde besetzt, räumten es aber noch denselben Abend den Sachsen ein.
*) Ord. Tagesreg. S. 623. Accurate Nachricht S. 123. Danach hätten
die Bässen nach der Flucht des Königs Stanislaus „von der Heubude jenseits
der Weichsel einen neuen Graben gezogen und Batterien bis nach dem Block-
haas zu aufgeworfen, um Langgarten zu beschiessen".
&^
das iBombardement war seit dem 24. heftiger als je*). Am
27. flog auf dem Hagelsberge ein Pulvermagazin in die Luft.
Der Rath von Danzig wählte aus seiner Mitte Johann
Wahl und Gottfried Ferber zu Abgeordneten und gab ihnen
eine besondere Instruktion, wonach sie ausser der Wahrung
aller Rechte und Freiheiten der Stadt auch den freien Abzug
der in Danzig befindlichen hohen Personen und der polnischen
Regimenter fordern sollten. Der Graf Münnich bestand dage-
gen auf Auslieferung der hohen Personen und wollte nur einen
Waffenstillstand, den die Abgeordneten von neuem forderten,
bewilligen, wenn ihm die Ausseuwerke oder eins der äussern
Thore eingeräumt würde.
Auf Bitten des Herzogs von Sachsen -Weissenf eis , an den
die Stadt noch in der Nacht einen Tambur geschickt und das
Gesuch um einen Stägigen Waffenstillstand mit der Erklärung
wiederholt hatte, dass sie Seine Majestät König August III als
rechtmässigen König anerkenne, bewilligte der Graf Münnich
am 28. einen 3tägigen Waffenstillstand unter der Bedingung,
dass mit den Arbeiten fortgefahren würde. Der Waffenstill-
stand wurde indess sofort wieder aufgehoben, als der Graf in
Erfahrung brachte, dass die Stadt den General v. Vietinghof
angewiesen habe, die Wachen dahin zu instruiren, dass sie,
wenn die Russen mit der Arbeit fortfahren sollten, einen Unter-
officier mit Tambur an sie schickten, um sie aufzufordern, mit
der Arbeit einzuhalten, widrigenfalls Feuer gegeben werden
sollte^). Das Bombardement wurde daher wieder aufge-
nommen *).
10. Flucht des Zönlgs Stanislaas und Zapitulation von Danzig.
Da trat ein Ereigniss ein, welches die unglückliche Lage
') Es wurden am 24. am Tage 68, in der Nacht 200 Bomben in die
Stadt geworfen. Bombentafel.
') Ebenda S. 624, wo die Anweisung des Kaths wörtlich wiedergegeben ist.
®) Ebenda. Darauf bezieht sich wohl auch die Stelle der „accuraten
Nachricht" S. 123, wonach um 3 Uhr morgens die Bomben wieder angestiegen
kamen und zwar von sonderlicher Grösse .... So kanonirten und bom-
bardirten die Bussen auch von der Heubude nach den englischen und hol-
ländischen Schiffen, welche sich in der Mottlau befanden.
63
der Stadt noch verschärfte. In der Nacht vom 27. zum 28.
war der König Stanislaus entflohen*). Der Rath erhielt die
KenntniKs davon erst am 28. nachmittags 4 Uhr und machte
am 29. Mittheilung davon an den Herzog von Weissenfeis und
an den Grafen Miinnich. Letzterer erhielt die Nachricht zu-
erst vom Herzoge und liess sogleich alle Wege auf einige
Meilen Entfernung jedoch ohne Erfolg absuchen, das Bom-
bardement aber steigern, obgleich in dem Schreiben des Raths
an ihn dieser seine Schuldlosigkeit an der Flucht betheuerte,
dem Briefe auch ein Attest des Marquis de Mouti beilegte,
worin dieser auf Ehre und Gewissen erklärte, dass die Stadt
ohne alle Betheiligung an der Flucht des Königs sei.
Der Grund für eine längere Verzögerung der Uebergabe
der Stadt war mit der Flucht des Königs hinfällig geworden.
Die Stadt räumte daher am 30. den Sachsen das Neugarten-
Thor ein^}, worauf die Feindseligkeiten eingestellt wurden.
*) Stanislaus war nach einem Plan des Marquis de Monti durch die
lunndation geflohn, indem er in der Kleidung eines Bauern an der linken
Flanke des Bastions Roggen den Wall überstieg und mit seinem Begleiter,
dem General Steenflicht, geleitet von einem Officier der Garnison auf zwei
kleineu Booten über den Stadtgraben und den Vorgraben fuhr. Der Posten
auf der Flanke liess die drei Personen mit Rücksicht auf den Officier passiren.
Jenseit des Grabens wurden sie jedoch von einem Unterofficier angehalten,
der aber dadurch beschwichtigt wurde, dass der Officier kein Hehl daraus
machte, dass es der König sei, den der Unterofficier dann auch erkannte und
passiren liess. Weder vom Posten noch vom Unterofficier sind Meldungen
von dem Vorfall an ihre Vorgesetzten abgestattet worden.
Bei der Inuudation angekommen, entliess der König den Officier der
Garnison und bestieg mit dem General Steenflicht ein bereit gehaltenes, von 2 Frei-
schützen besetztes Boot. Erst am 2. Juli gelangte der König bei Käsmark
über die Weichsel und erreichte am 3. Marien werder, von wo er am 10. in
Königsberg ankam. Von dort ist er erst im Mai 1736 nach Frankreich ab-
gereist. (Extract i.us den Inquisitionsakten im Anhange des ord. Tagesregisters
S. 651. Relation d'un voyage de Daotzick h Marienwerder. Hist. de Stanislaus
par D. 0. S. 144. Hoburg S. 210).
') Hoburg S. 211. Die gedruckten Quellen erwähnen nichts von Ein-
ränmnng des Nengarten-Thors am 30. Juni. Da jedoch der Graf Münnich in
einem Schreiben an den Rath von diesem Tage (abgedr. im ordentl. Tages-
register S. 631) ausdrücklich erklärt, dass er die Abgeordneten der Stadt
pur dann empfanden werde, wenn den Sachsen ein Thor eingeräumt würde.
54
Abends 6 Uhr fiel der letzte Schuss*). Die Abgeordneten be-
gaben sich am folgenden Tage ins russische Hauptquartier, wo
nach längern Verhandlungen erst am 7. Juli die Kapitulation
zu Stande kam und in 21 Haupt- und einem Separatartikel ab-
geschlossen wurde. Sie wurde am 8. von beiden Seiten unter-
schrieben. Die Hauptpunkte derselben sind folgende:
Die Stadt erkannte August III als rechtmässigen König von
Polen an, wogegen dieser ihre Rechte und Privilegien bestätigen
sollte.
Die Sommer- und Winterschanze sollten nach Abzug der
polnischen Truppen, welche zu Kriegsgefangenen erklärt wur-
den*), sogleich eingeräumt werden, Weichselmunde jedoch erst
nach Ankunft des Königs.
Gleichzeitig sollte das Olivaer Thor den sächsischen Truppen
zur Besetzung mit 200 Mann übergeben werden, bis König
August die Besetzung desselben durch städtische Truppen
wieder gestatten würde.
Die Stadt sollte binnen einem Jahre in 3 Terminen zahlen:
eine Million Thaler an Russland und eine andre Million für den
Fall, dass die Untersuchung ihre Mitschuld bei der Flucht des
Königs Stanislaus darthun würde. 30000 Dukaten sollten an
die russische Generalität, die Artillerie- und das Ingenieurkorps
ausgezahlt werden, weil die Stadt gegen den Kriegsgebrauch
das Geläute der Glocken beibehalten habe (es war erst am
4. Mai eingestellt worden).
und da femer das Bombardement wirklich am Abend aufhörte, mnss die Ein-
räomuDg des Thors jedenfalls vorangegangen sein. Hoburg giebt seine Quelle
nicht au.
') Der Graf Münuich hatte alles vorbereitet, dass die Stadt in 48 Stunden
so viele Bomben und Kugeln erhalten sollte, wie während der ganzen Be-
lagerung. Bloss „auf der Heubude ^ befanden sich in den neuen Batterien
400 Stück 500 pfundige Bomben, „so aber Gott sei Dank'' nicht abgeschossen
wurden. Accnrate Nachricht S. 125. Am 29., wo die Nachricht von der
Flncht des Königs eintraf, wurden am Tage 122, in der folgenden Nacht
126 Bomben in die Stadt geworfen und am 30. bis 6 Uhr abends 127.
(Bomben tafel.)
^ Sie bestanden noch aus 600 Dragonern und 1200 Mann Infanterie
(Krongarde), 400 Mann des Primas und einigen hundert Mann Ozartoryski's,
Ord.-Tagesreg. 8. 633.
65
Zar Abbitte bei der russischen Kaiserin soll die Stadt eine
Deputation aus der Mitte aller drei Ordnungen nach Peters-
burg schicken ^).
Nicht aufgenommen im Friedensvertrag war die Zahlung
von 80000 Gulden, welche die Stadt an den König August zu
zahlen sich verstehen musste.
Den 7. schon war das Wasser der Radaune von den
Russen wieder in die Stadt geleitet worden. Am 9. um 5 Uhr
nachmittags marschirten die beiden polnischen Regimenter,
Krongarde und Dragoner, 1200 Mann Infanterie und 600 Pferde,
sowie die Leibgarden des Primas und des Fürsten Czartoryski,
crstere 400 Mann stark, mit klingendem Spiel aus dem Peters-
hagener Thor und streckten das Gewehr. Gleich darauf be-
setzten die Sachsen das Olivaer Thor. Die städtischen Soldaten
zogen sich nach dem neuen Werke (Steenboks- Brille) zui^ück.
Die Posten wurden durch spanische Reiter getrennt. Am
10. Juli wurde August III in der Stadt als König von Polen
proklamirt, und am 11. in allen Kirchen Gottesdienst abge-
halten, dem auch der Herzog von Weissenfeis und Feldmarschall
Graf Münnich in der Pfarrkirche zu St. Marien beiwohnten.
Der Primas und die polnischen Magnaten waren schon
während der Friedensunterhandlungen ins russische Haupt-
quartier übergeführt worden. Die Magnaten erkannten den
König August III an und wurden entlassen. Der Primas, der
sich nicht dazu verstehn konnte, wurde in Haft genommen.
Der französische Gesandte, welcher aus seiner Mitwirkung bei
der Flucht des Königs kein Hehl machte, wurde ebenfalls fest-
gesetzt.
*) Das über die Heise geführte Jiimal befindet sich in der Stadtbibiiothek
von Dauzig (XV. F. 61) und ist vom Dr. Löschin in seinen »Beiträgen zur
Geschichte der Stadt Danzig^ 1. Heft Danzig 1837 mitgetheilt. Die Deputation
hatte einen Aufenthalt von 8 Monaten in Petersburg und hatte trotzdem von
den 16000 Gulden, die ihr zur Bestreitung der Beisekosteu bewilligt waren,
nur 6000 ausgegeben. Die 10000 ^vurden ihr zum Geschenk gemacht, da es
ihr gelungen war, die Zahlung der zweiten Million für die Flucht des Königs
Stanislaus von der Stadt abzuwenden. Die Deputation bestand aus den Baths-
herm Wahl und Ehler, den Schoppen Reyger und Bonhorst und aus der
'i. Ordnung den Herrp Martens, Schendel mit dem Sekretair Jantssen.
56
Die Sommer- und Winterschanze wurden am 13. geräumt.
Gleichzeitig verliesseu die Russen die Nehrung und bezogen ein
Lager bei Wonneberg.
König August kam am 19. Juli in Oliva an, besichtigte
am 21. Weichselmünde und die russischen AngriflFsarbeitcn und
nahm am 22. eine Parade über die vereinigte Armee ab. Nach
Danzig ist der König nicht gekommen, empfing aber am 25. in
Oliva eine Deputation des Danziger Raths. Nachdem am 27.
das Olivaer Thor den Danzigern wieder eingeräumt worden
war, reiste der König am 31. nach Sachsen ab. Die Huldigung
erfolgte am 2. August. Den König vertrat der Bischof von
Krakau, Fürst Lipsky. Der Graf Münnich trat am 10. August
seine Rückreise nach Petersburg an, die Armee folgte am 19.
und in den folgenden Tagen. Bis zur Berichtigung aller
Summen blieb ein russisches und sächsisches Exekutions- Kom-
mando, das russische unter dem Oberst Uexcüll, zurück. Erst
nach Ablösung aller Geldverpflichtungen wurde Weichselmünde
am 22. Mai 1736 der Stadt zurückgegeben.
Die Ausgaben der Stadt während des Krieges V^i'^^^l^w^t
eine handschriftliche Notiz zur „accuraten Nachricht" (Stadt-
bibliothek XV 9—40) auf 1,086,912 Gulden 11 gr.
Die Abfindungen infolge des Friedenstractats beliefen sich
auf 4,885,327 Gulden 10 gr.
Der Sold der ständigen Garnison kam auf 260,046
Gulden 20 gr. 3 Pfennige, der der neu angeworbenen Truppen
auf 359,010 Gulden 6 Pfennige zu stehen, wobei die Frei-
schützen und die Bürgerwache nicht eingerechnet sind.
Die Belagerung hatte seit Ankunft des General Lascy 145,
seit der Eröffnung des Bombardements 62 Tage gedauert. Es
wurden 4430 Bomben in die Stadt geworfen, ohne die nach den
Aussenwerken mitzurechnen. Es wurden dadurch 1800 Häuser
zum Theil bedeutend beschädigt und 1500 Einwohner getödtet
oder verwundet.
Die Russen verloren während der Belagerung gegen 200
Officiere und über 8000 Mann ').
*) Hoburg S. 212-214.
57
11. Bückblick.
Es war keine geringe Aufgabe, die der Graf Miinnicli bei
seiner Ankunft am 16. März übernahm, mit 12000 Mann, die
sich im Lauf des April nur sehr allmählich auf 20000 Mann
verstärkten, die Stadt Danzig mit ihren weitläuftigen Befesti-
gungsanlagen zur Uebergabe zu zwingen. Sein Vorgänger, der
General Lascy, hatte sich 5 Wochen lang den Kopf zerbrochen,
wie das anzufangen sei, ohne zu einem andern Eesultat zu ge-
langen, als das Land auf dem linken Ufer der Weichel im Um-
kreise von Danzig durch Streifparteien zu beunruhigen und
auszufuragiren. Der Graf Mlinnich fasste den grossartigen
Plan, Danzig von allen Seiten eng einzuschliessen und die auf
diese Weise verzettelten Truppen durch eine Kontravallations-
linie zu schützen. Es müssen natürlich von selten der Ver-
theidigung grosse Fehler begangen worden sein, um das zu er-
möglichen. Dazu gehört, dass Danzig das Haupt (die Haupt-
schanze) veiTiachlässigt hatte, von dessen Behauptung der Besitz
der Nehrung abhängig war, dass es ferner den Holm nach
der Nehrung hin nicht durch eine Schanze am grossen Holländer
gesichert hatte. Im Besitz der Nehrung wäre Danzig vor
Mangel geschützt worden und nur durch die Behauptung des
Holms war die Verbindung mit Weichselmünde aufrecht zu er-
halten. Dass sich die Russen trotz ihrer Schwäche in so grosser
Nähe festsetzen konnten, zeigt, dass der Besatzung alle Fähig-
keit zur Offensive abging. Die 5 Regimenter Bärgerwehr
waren gesetzlich nur zur Besetzung der Stadtbefestigung ver-
pflichtet, die Handwerksgesellen und Freischützen (Schnapphähne)
waren in geschlossenen Massen nicht zu verwenden. Es blieb
also nur ein Theil der Söldner, so weit sie bei Besetzung der
Aussenwerke zu entbehren waren, und die polnische Kron-
garde. Letztere ist jedoch bei jeder Gelegenheit davon gelaufen,
so bei dem Ausfall gegen Plönendorf am 10. März, in dem Ge-
fecht bei Ohra am 19. März und bei dem Ausfall zu gunsten
der Franzosen am 9. Juni. Ein grösserer Ausfall von einigen
tausend Mann war daher von vornherein ausgeschlossen. Es
fehlte ausserdem jede Einheit des Kommandos. Jedermann
weiss jetzt, dass in einer belagerten Festung nur ein Wille
58
herrschen darf. Hier bildete aber die oberste Behörde ein
Kollegium, der Senat, von welchem wiederum ein andres
Kollegium, der Kriegsrath, aus allen Ordnungen zusammen-
gesetzt, abhängig war und in welchem der Kommandant als
Mitglied nur eine untergeordnete Stellung einnahm. Der ganze
Einfluss der Stellung des Kommandanten beschränkte sich darauf,
auf nothwendige Massregeln aufmerksam zu machen. Eine
Verantwortlichkeit trug er nur in bezug auf die Disciplin der
Soldtruppen und auch nur auf die der Stadt. Weichselmünde
hatte seinen eignen Kommandanten.
Diese Thatsachen vermindern jedoch nicht das Verdienst
des Grafen Münnich, darauf seinen Plan gebaut zu haben. Der
Blockade durch die Kontravallation schloss sich das Bombarde-
ment an, das ebenfalls auf die eigenthiimlichen Verhältnisse
der Stadt berechnet war und auf die niedern Volksklassen
wirken sollte.
Einen förmlichen Angriff auf die Stadt hat der Graf
von Münnich nicht ausgeführt. Wenn in den gleichzeitigen
Relationen über die Belagerung von Attacken vor dem Olivaer
Thor, gegen den Hagels- und Bischofsberg, sowie von Heubude
gesprochen wird, so bezieht sich das nur auf das Bombardement.
Es liegt nicht das geringste Anzeichen vor, dass eine Bresche-
legung auf einer dieser Fronten beabsichtigt gewesen wäre.
Wenn der Graf einen förmlichen Angriif beabsichtigt hätte, so
hätte er sich für eine dieser 4 Attacken als Hauptattacke ent-
scheiden müssen, die andern wären dann Scheinattacken ge-
wesen. Davon ist jedoch nicht die Rede. Die gedeckten An-
näherungen an das Olivaer- und Neugartener Thor hatten nur
den Zweck, die Ausfälle zu erschweren-« Der Sturm auf den
Hagelsberg war ganz unvorbereitet und unabhängig vom Angriffs-
plan des Grafen. Er wurde auf besondern Befehl der Kaiserin
unternommen.
Seit dem Bekanntwerden der Annäherung einer fran-
zösischen B^lotte mit Entsatztruppen erfolgten von seiten des
Grafen von Münnich Defensiv-Massregeln, um sich einem Vor-
dringen derselben gegen die Stadt zu widersetzen. Die Lan-
dung selbst konnte nicht verhindert werden. Es wurde eine
Kontravallationslinie gegen Weichselmünde «luf der Seite der
59
Nehrung ausgeführt, die vom Strande ausging und sich nach
Eroberung der Sommerschanze am 6. Mai an diese anschloss.
Sie bildete zugleich für Danzig eine Circumvallation und
wurde auf dem linken Weichselufer über Schellmlihl und
Neu-Schottland auf Striess weiter geführt. Eine Verän-
derung des Angriffsplans liegt darin nicht. Die Offensive auf
Danzig wurde fortgesetzt, beschränkte sich aber auf ein Bombar-
dement und einige dasselbe begünstigende Bauten im Terrain,
Laufgräben behufs gedeckter Kommunikationen, neue Batterie-
anlagen pp. Eine Aenderung darin trat erst ein, als die An-
kunft der russischen Flotte auf der Danziger Rhede die
Idee nahe legte, sie zu einem gemeinschaftlichen Angriff auf
Weichselmände auszunutzen. Dieses wurde nunmehr zu beiden
Seiten der Weichsel förmlich angegriffen und damit die Haupt-
thätigkeit hierher verlegt. Das Bombardement gegen Danzig
wurde jedoch fortgesetzt.
Es ist für die Beurtheilung der Angriffsarbeiten der Russen
sehr wichtig, diesen Ideengang des Grafen von Münnich richtig
aufzufassen. Die Darstellung der Belagerung in der „Geschichte
der Festung Weichselmünde" zeichnet sich dadurch sehr vor-
theilhaft vor der von Hoburg aus, dass der ungenannte Ver-
fasser die allgemeinen Verhältnisse nie aus den Augen verliert,
doch ist es ihm nicht gelungen, den Faden aufzufinden, der die
einzelnen Momente der Angriffsweise des Grafen von Münnich
verbindet. Er fasst die Kontravallationslinie gegen Danzig
als Parallele auf ^), und hält sie für den Ausgangspunkt eines
förmlichen Angriffs % während Münnich nie etwas Anderes be-
^) Der Verfasser hat «ganz übersehen, dass seine yermeintliche ParaUele
nur stückweise durch die Sappe hergestellt worden ist, so dass zu der des
Bischof sberges aUein 26 Tage (vom 18. April bis 14. Mai) gebraucht wurden.
Eine erste Parallele des fömlichen Ang;rifPs pflegt man dagegen in einer Nacht
anfzawerfen. Verf. scheint die Blockade und das Bombardement gar nicht
als besondere Angriffsformen zu betrachten.
*) Ebenda S. 40 : „Bischofs- und Hagelsberg wurden mit einer ParaUele
umzogen." S. 43: „Vom Bischofsberge an bis Aller Engeln wurden die Ar-
beiten vorwärts getrieben. '^
S. 58 : „Belagerer und Belagerte waren nach 70 Tagen offener Tranchee
(Ende Mai) sowohl über die Zweckmässigkeit des Ausgeführten als über die
^iothwendigkeit des i;oc]| Auszufül^reiiden, um beiderseits 4&s gesteckt^ Ziel
eo
absichtigt bat, als die Blockade und ein Bombardement der
Stadt; er findet ferner in den Defensivmassregeln gegen die
französische Flotte eine Veränderung des ganzen Plans, indem
er schon zu dieser Zeit (anfang Mai) das Hauptziel des Grafen
auf Weichselmünde gerichtet annimmt^); im Widerspruch damit
legt er dem Grafen seit dem 1. Juni die Absicht unter, einen
vierten Angriff auf Danzig (auf die Niederstadt) geplant zu
haben*), während dieser Angriff von Heubude aus von vorn-
herein im Gange war und nichts anderes als ein Bombardement
beabsichtigt hat; ja er lässt diesen Angriff auf dem linken
Ufer der Weichsel bis zum Kneipab vorschreiten und spricht
von Batterien, welche dem Blockhause (polnisclien Haken) gegen-
über, am Ausfluss der Laake, angelegt worden seien*), wovon
nirgends die Rede ist. Die Veränderung im Plane der Bela-
gerungsarbeiten mit dem Hauptziel auf Weichselmttnde tritt
erst mit der Ankunft der russischen Flotte ein und führt zum
förmlichen Angriff von Weichselmünde auf beiden Seiten der
Weichsel*).
zu erreichen, in grosser Verlegenheit . . . Die Trancheearheit brachte die Be-
lagerer in ein Labyrinth, aus welchem drei Attacken gegen Bischofsberg,
llagelsberg uud Olivaer Thor unmöglich führen konnten.'* Ferner S. (>0, siehe
unter Note 5. Danach wäre der Graf v. Münnich gan^s planlos vorgegangen.
^) Ebenda S. 47 : „Im Monat Mai änderte sich der Gang der Belagerung . .
von jetzt an wurde das Hauptaugenmerk auf Weichselmünde gerichtet.*
*) Ebenda 59 : „Er (Münnich) fasste den 1. Juni den Entschhiss, noch
einen vierten, ganz abgesonderten Angriff gegen die niedere Seite der Stadt
zu eröffnen, um durch Verbrennen der Speicher und der Schiffe auf der Mott-
lau Nachgiebigkeit zu erzwingen." . . . Den 24. Juni war alles bereit. Offen-
bar entnimmt das Vf. aus der „accuraten Nachricht'^ S. 123 und 125, wonach
diese Massregeln jedoch erst nach der Flucht des Königs Stanislaus am 28.
Juni beabsichtigt wurden, aber nicht auf dem linken Ufer der Weichsel, son-
dern auf dem rechten, von wo aus die Niederstadt und selbst die Mottlau
noch dui'ch Geschosse zu erreichen waren. Das durchwässerte tief liegende
Terrain macht ausserdem einen Angriff von dieser Seite ganz unmöglich, der
auch mit der Weichsel im Rücken ein abenteuerliches Unternehmen ge-
wesen wäre.
^) Ebenda (Im Anschluss). „Diese Tranchecattacke kam auf dem linken
Ufer der Weichsel bis zum Kneipab völlig zu Stande ; auf dem rechten wurden
Batterien am Blockhaus gegenüber, am Ausfluss der Laake, gebaut.
*) Der Verfasser drückt sich hierüber S. 60 etwas unbestimmt aus, hx-
61
Bei so verschiedenen Auffassungen ist es erklärlich, dass
die Erfahrungen der Belagerung von 1734 ohne Einfluss auf
die Massnahmen des Vertheidigers und Angreifers in den Jahren
1807 und 1813 geblieben sind. Von Seiten des Vertheidigers ist
1807 nicht einmal die Schanze am grossen Holländer, deren Mangel
1734 so schwer gebttsst wurde, erbaut worden. Die Franzosen
führten hier später das Fort Napoleon (gegenwärtig Kronprinz)
auf. Der General Graf Kaikreuth fand, als er die Guverneur-
stelle von Danzig übernahm, keine Relation der Belagerung von
1734 im Festungsarchiv vor, die ihn über die Wechselbeziehungen
der verschiedenen Terrainabschnitte der Umgegend von Danzig
hätte Orientiren können. Er erzählt das selbst.
H. Das Ende der polnischen Schutzherrschaft.
Die Zeit von 1734 bis zur ersten Tlieilung Polens 1772
bietet für unsern Gegenstand wenig Interesse. Die Zumuthung
Fermor's 1758 an Danzig. eine russische Besatzung aufzunehmen^),
wurde durch geschickte Unterhandlungen der an ihn gesendeten
Kathsherrn Gralath und Weickhmann und durch einige Geld-
spenden glücklich abgewendet. Die Stadt ermannte sich selbst,
späteren Anforderungen Trotz zu bieten, nahm den Generalmajor
Eggers mit 12000 fl. jährlichen Gehalts in Dienst und verstärkte
die Garnison. Dabei verstand sie es auch, die Geldforderungen
des Königs von Polen, August's III, auf ein Minimum zurück-
zuführen*). Der Hubertsburger Frieden gab der Stadt einige
Jahre Ruhe. Seit 1765 begannen dann die Misshelligkeiten mit
dem er sagt: „Die Trancheearbeiten gegeu die hohe Seite und das Olivaer
Thor büeben (nach dem Eintreffen der nissischen Flotte), obgleich neue an-
gerangen waren (der förmliche Angriff auf Weichselmtinde), nicht zurück;
doch scheint die Ansicht, durchaus über die Berge den Eingang in die Festung
suchen zu müssen, durch die Erfahrung herichtigt worden zu sein ; man war
jetzt wohl nur bemüht, hier das Erreichte zu sichern und durch Werfen von
Kugeln und Bomben Danzig moralisch zu erschüttern. Dennoch blieh dieser
Schauplatz so lebhaft wie früher.''
1) liöschin 2, 218.
') Ebenda 2, 266.
62
Preussen wegen der flüchtigen Kantonisten, die 1770 zur preus-
sischen Besetzung des Werders durch den General von Ingers-
leben führten ^).
Die Festungsbauten bescliränkten sich in dieser Zeit aufs
äusserste, da die für das „Wallgebäude" bestimmten Einkünfte
nach der Belagerung von 1734 zur Deckung der Kriegskontri-
butionen herangezogen werden mussten. Erst unterm 24. März
1746 beantragte der Rath, das Scharwerksgeld wieder dem
Wallgebäude zuzuwenden ^). Die ständige Garnison wurde 1750
auf 800 Mann Fussvolk herabgesetzt '). I. J. 1757 wurden von den
Ordnungen 4000 fl. bewilligt, um eine gemauerte Poteme in der
Kurtine Salvator-Mittel zu erbauen. Eine gleiche wurde 1761
in der Kurtine Schütz -Jerusalem auf dem Hagelsberge herge-
stellt*). In diese Zeit fällt auch die Befestigung des Holz-
raums zwischen dem Bastion am Rhära und der Weichsel^),
unter Leitung des Generalmajors Eggers, wahrscheinlich auch
die Erbauung der Möwenschanze, eines Erdwerks am rechten
Weichselufer am Strande von Weichselmünde. Es wurde durch
Anschlusslinien mit diesem verbunden.
Zur Regulirung der Inundation im Bauamt wurde 1758
die Rückforter Schleuse ausgebaut und mit einer Redute
versehen*). In den Jahren 1767 und 1768 mussten die gänz-
lich zerfallenen Batardeaus beim Ausfluss der Mottlau aus der
Stadt durch neue ersetzt werden').
Eine traurige Epoche begann mit der ersten Theilung
Polens 1772. Die Eifersucht der Mächte hatte es verhindert,
dass Danzig nicht mit Pommerellen an Preussen fiel, wie es
der Wunsch Friedrichs des Grossen gewesen war. Der Besitz
>) Ebenda 2, 32.
>) Hobarg. Geschichte der Festungswerke S. 115.
') Ebenda.
*) Ebenda S. 116.
") y. Duisburg. Versuch einer historisch -topographischen Beschreibung
der freien Stadt Danzig. Danzig 1809 S. 369. Dieser Holzranm hiess zum
Unterschied von dem Jungstädtischen der Pockenhftuser.
•) Hoburg S. 115.
^ Ebenda S. 116. Ordnungs-Recess vom 22. April und 1. Juni 1767
und 8. Februar 1768.
6a
Pommerellens brachte aber, da die geistlichen Güter in der
Umgegend von Danzig St. Albrecht, Schottland, Stolzenberg und
Schidlitz damit in preussische Hände fielen und der König auch
auf den Holm Ansprüche erhob und ihn besetzen Hess ^), das
preussische Gebiet auf 3 Seiten bis auf Gewehrschussweite an
die Wälle Danzigs heran, so dass dieses fortdauernd ausgesetzt
war, fiberfallen zu werden. An einem Vorwande dazu würde
es nicht gefehlt haben, da der Pöbel sich vielfach in Aus-
schreitungen gegen Preussen erging. Der Handel Danzigs wurde
durch die Besetzung von Neufahnvasser und der Westerplatte,
die preussischerseits als zu Oliva gehörig betrachtet wurden,
nahezu vernichtet. Preussen erhob jetzt den Zoll von den aus-
und einlaufenden Schiffen und da Danzig das Recht dazu nicht
anerkannte, erhob es den Zoll am Blockhause (polnischen Haken)
noch einmal, so dass die fremden Schüfe den Hafen mieden.
Friedrich II forderte aber auch den bisherigen Privilegien
Danzigs zuwider die freie Schifffahrt und den freien Handel
für seine Unterthanen auf der Weichsel und erhob bei
Fordon von allen aus Polen kommenden Waren einen hohen
Zoll, und als Danzig Repressalien nahm und am Blockhaus
(des polnischen Hakens) ebenfalls einen Zoll erhob, liess
Friedrich die Stadt 1783 durch den General von Egloffstein
blockiren. Durch Vermittlung Russlands wurde die Blockade
1784 aufgehoben und ein Vergleich geschlossen, der die Stadt
jedoch nicht befriedigen konnte, so dass die Spannung fort-
dauerte. Bei der zweiten Theilung Polens 1793 wurde Danzig
zu Preussen geschlagen. Der Rath und alle einsichtigen Bürger
erkannten darin das einzige Mittel für die Stadt, wieder zum
Wohlstande zu gelangen und gaben sich in ihr Schicksal, der
Pöbel blieb jedoch aufsätzig, so dass es bei der Besetzung der
Anssenwerke am 28. März zu blutigen Händeln kam, woran
sich auch der gemeine Mann der Besatzung eigenmächtig be-
theiligte. Die Besetzung der Stadt konnte erst am 4. April
1793 erfolgen. Am 7. Mai fand die Huldigung statt.
') Die Besetzaug des Holms fand am 22. August 1783 statt Damus.
Die Stadt Danzig gegenüber der Politik Friedrichs des Grossen und Friedrich
Wilhelms n S. 110. (Zeitschr. des westpr. Gesch.-Ver. Heft XX 1887.)
■*» »»^ »»
lY. Danzig unter prenssischer Herrschaft 1793
bis 1807.
Danzig hatte mit seiner Einverleibung in Preussen alle
Freiheiten zurückerhalten, welche die preassischen Gesetze zu-
liessen, und erholte sich von Jahr zu Jahr. Die Festungswerke
mit allen ihren Beständen waren an den Staat übergegangen.
Aber so dringend nothwendig eine gründliche Wiederherstellung
der Befestigungswerke gewesen wäre, da die lange Vernach-
lässigung derselben ihren Verfall herbeizuführen drohte, so ge-
schah preussischerseits zunächst nichts. Der geringe etats-
massige Reparaturfonds reichte kaum aus, um die zur Festung
gehörigen Gebäude, Brücken und Schleussen nothwendig imstande
zu erhalten. Es wurde selbst die Frage angeregt, ob die Stadt-
befestigung nicht überhaupt zu rasiren sei. Nur auf die Hafen-
befestigung legte man Werth und es wurden dafür i. J. 1803
infolge Verwickelungen mit England ziemlich bedeutende Summen
ausgeworfen. Es wurde damals beschlossen, die Enveloppe von
Weichselmünde — die frühere Ostschanze — wieder herzustellen
und Neufahrwasser mit einem Gürtel von Erdbefestigungen zu
umgeben, sowie die Befestigung der Westerplatte zu vervoll-
ständigen. Der Neubau der Enveloppe war bis zum Ausbruch
des Krieges von 1806 zu zwei Dritteln beendet und nur der
obere Anschluss des Forts an die Weichsel lag noch offen. Von
Neufahrwasser war nur das Hauptwerk auf dem Dünenzuge
zwischen dem Saspersee und dem Strande vollendet. Es be-
stand aus einem tenaillirten Werke, welches den schmalen Zu-
65
grang nach Neufahrwasser deckte, und aus zwei dasselbe flau-
kirenden Reduten. Auf der Westerplatte befanden sich vier ge-
schlossene Eeduten I bis IV, die schon 1788 — 1790 angelegt
worden waren.
köbler, (beschichte der Gestängen Danzlg and Weichselmände. II. 8
A. Die Belagerung yod Danzig 1807.
a. Uebersieht des Standes der Festungswerke
Danzig's und Weiehselmünde's und deren bauliche
Beschaffenheit am Ende des Jahres 1806.
Es wird zweckmässig sein, an dieser Stelle eine Rekapitu-
lation fiber den Standpunkt und den baulichen Zustand der
Befestigungen Danzigs Ende 1806 eintreten zu lassen, um im
Verein mit dem Plan II Taf. II ein Gesammtbild derselben, so-
wie eine Ergänzung des geschichtlichen Theils, zu geben. Ich
benutze hierzu die meisterhafte Darstellung des Generals
V. Brese, der als Augenzeuge spricht*): Der Hauptwall von
Dauzig mit seinen 19 Bastionen^), von denen 14 auf der Süd-,
Ost- und Nordseite der Festung, einen grossen Halbkreis
bildend, der Niederung und der Weichsel zugewendet, die
übrigen 5 aber auf der Westseite der Festung in einer geraden
Front unterhalb des Bischofs- und Hagelsberges belegen sind,
ist ringsum mit einem durchschnittlich 15 Ruthen breiten und
sehr tiefen Wassergraben umgeben, der die nöthige Sicherheit
gegen einen gewaltsamen Angriflf gewährt. Auf der ganzen
Niederungsseite erhebt sich das Profil des Hauptwalles zu
keiner bedeutenden Höhe; derselbe ist jedoch Tangs seiner Es-
carpe mit einer schmalen Faussebraye umgeben, und am Fuss
der den Hauptgraben umschliessenden Enveloppe befindet sich
noch ein breiter Vorgraben. — Das vorliegende Niederungs-
terrain kann auf der ganzen Fläche zwischen dem Deiche des
*) Die AnniruDg der Befestigungen Danzigs während des Winters
1806—1807 im Archiv für die Officiere der kgl. Preuss. Artill. u. Ingen.
Korps. IL Bd. S. 20 ff.
*) Das kleine Bastion Katz ist hierbei nicht eingerechnet.
70
linken Weichselufers und dem westlichen hohen Thalrande
unter Wasser gesetzt werden, sobald die die Niederung durch-
fliessende Mottlau mittelst der zu dem Behufe vorhandenen
Schleusenwerke aufgestaut wird. -- Diese Bewässerung steht mit
dem Hauptgraben der Festung in unmittelbarer Verbindung und
vermehrt dessen Tiefe um die Höhe der Aufstauung. Unter
solchen Verhältnissen ist auch ein regelmässiger Angriff gegen
diese Seite der Festung nicht denkbar, da selbst in dem Falle,
dass einem belagernden Feinde die theilweise Ablassung der
Inundation mittelst Durchstechung des Weichseldammes gelingen
sollte, das Niederungs- Terrain doch zu vielfach mit tiefen
Gräben durchschnitten ist und dann auch zu durchwässert sein
würde, als dass es zum Approchiren mit einigem Erfolge sollte
benutzt werden können. Die westliche, dem nahe vorliegenden
Höhenrande zugewendete und daher dem wahrscheinlichen An-
griffe mehr ausgesetzte Front des Hauptwalles ist in ihren
5 Bastionen und den zwischenliegenden Curtinen nach einem in
der That imposanten Profil aufgeführt, hinsichtlich der inneren
Deckung der Linien musterhaft konstruirt und dabei in den
Kavalieren hoch genug herauf genommen , um die nahe vor-
liegenden Abhänge der Höhen und den innern Raum des sich
darüber hinziehenden Retranchements vollständig übersehen zu
können. Nach einem gleich hohen Profile sind auch noch die
dieser Front sich rechts und links anschliessenden und zum
Theil schon der Niederungsseite angehörenden beiden Polygone
erbaut worden, welche daher gewissermasscn die zurückgenom-
menen Flügel der westlichen Front bilden und zur wirksameren
Verthcidigung der beiden Eckbastione wesentlich beitragen. Die
Escarpe dieser 7 Polygone ist mit einem niedrigen, den Wasser-
spiegel des breiten Grabens durchschnittlich um 12 Fuss über-
ragenden Revetement versehen, welches vor den Kurtineu und
den zurückgezogenen Flanken der Bastione die Foim frei-
stehender krenelirter Mauern erhalten hat *). — Die Kontres-
^) Das handschriftliche Werk PaUets sagt nach der skizzirten Geschichte
der Belagerung von Danzig lvS07 S. 2 darüber Folgendes: „Vorlängs der Eur-
tine ist eine gemauerte Faussebraye 4 Fuss stark, 9—10 Fuss hoch, am Fuss
des Walles, mit Gewehrscharten versehen. Die Flanken sind etwa 3 Buthen
lang und werden von der Fs^ussebra^e gebildet. Hinter ihnen ist unter dei^
71
carpe ist sehr hoch, aber nur iu Erde aufgesetzt, ein bedeckter
Weg nicht vorhanden. Das vor der westlichen Front des
Hauptwalles belegene Retranchement krönt mit seinen beiden
Haupttheilen die Höhen des Bischofs- und Hagelsberges,
schliesst sich links unterhalb des Bischofsberges durch die Linien
des Petershagencr Thores dem Hauptwallo an, überschreitet
mit der Befestigung des Neugarten Thores das tief einge-
schnittene Thal zwischen beiden Höhen, und schliesst sich rechts
unterhalb des Hagelsberges durch die Befestigungen des Olivaer
Thores und des Holzraumes dem linken Ufer der Weichsel an.
Dies ausgedehnte Retranchement bildet eine zusammenhängende,
thcils bastionirte, theils tenaillirte Linie, welche nur mit Erd-
böschungen versehen, und zwar auf den genannten beiden
Höhen bei trocknen Gräben mit einem Relief von 60 bis 70
Fuss über der Grabensohle, dagegen in den Thälern und
Niederungen bei nassen Gräben mit minder bedeutenden und
zum Theil selbst nur niedrigen Profilen ausgeführt ist. Die
Befestigungen des Bischofs- und Hagelsberges bilden vermöge
ihrer dominirenden Lage und der Gestaltung ihrer Werke zwei
selbstständige Punkte im Retranchement, dessen ganze Situation
gegen die vor- und nebenliegenden Höhenzüge hinsichtlich der
inneren gegenseitigen Deckung der Linien jedoch zu ungünstig
ist, als dass die scharfsinnigste Wahl der Richtungen und die
Vervielfältigung der den Raum ohnedies sehr beengenden Seiten-
und Rückenwehren diesem Zwecke überall ganz vollständig
hätte entsprechen können, vielmehr sind einige Wall-Linien,
namentlich auf der Strecke vom Hagelsberge bis zur Weichsel,
dem Enfilade- und Rückenfeuer nicht ganz zu entziehen gewesen,
was im Jahre 1807 auch selbst bei den Hauptwerken des
Hagelsberges, als der Angriff mit umfassender Front gegen das
Retranchement vorging, sehr fühlbar wurde. — Diesen Mängeln
ist späterhin durch Vervollständigung des Defilements, zum
Kavalieren ein Gewölbe befindlich, aus welchem die Kanonen 3 bis 4 Ruthen
breit ä ciel onvert an- die Flanke heran gebracht werden müssen, so oft eui
Schoss geschehen soll. Ans diesem Bilde des Hauptwalls ergiebt sich, dass
die Grabenbestreichong nicht von Bedeutung sein kann, da sie nur auf so
kurze Flanken zu erhalten steht. Vom obem Wall ist der Graben kaum zu
sehen^ geschweige denn zu bestreichen,'
72
Thcil auch durch Anlage neuer Aussenwerke noch möglichst
abgeholfen worden. In der Kehle des Bischofsberges, welche
damals aus unregelmässigen, aber grösstentheils sehr steilen
Abstürzen des hohen Lehmberges bestand, lag auf einem Vor-
sprunge die sogenannte Schwedenschanze, eine Erdlünette von
gutem Profil, welche den ganzen inneren Baum der vorliegen-
den Befestigung des Bischofsberges rein übersah und das
ßeduit desselben bildete. Auf der Stelle dieses Werkes liegt
jetzt die grosse Defensions-Kaserne des Bischofsberges. — Der
Hagelsberg besass zu jener Zeit noch kein Reduit, war aber
schon in ähnlicher Art wie jetzt durch zwei Wall-Linien,
welche resp. gegen die Niederung des Neugarten- und Olivaer-
Thores Front machten, der dahinterliegenden Eontrescarpe des
Hauptwallgrabens angeschlossen, so dass die beiden hochliegen-
den Bastione Jerusalem und Schütz gewissermassen ein mit der
Hauptwall-Enceinte verbundenes für sich bestehendes Horn-
werk bildeten.
Dicht vor der Befestigung des Holzraumes und hait am
linken Weichselufer lag die alte Kalkschanze (von der im
Jahre 1807 nur noch einige Linien der Wassergräben sichtbar
waren) und noch weiter stromabwärts die kleine Kalk-
schanze, eine unbedeutende Fleschc, die zu jener Zeit eben-
falls bis auf wenige Reste der Brustwehrmassen eingeebnet war.
Auf der Holminsel, welche nahe unterhalb Dauzig durch
eine starke Krümmung der Weichsel und durch einen auf der
Sehne dieser Krümmung angelegten Schifffahrts - Kanal , die
Schutenlake (auch Bootmannslake genannt), gebildet wird,
hatten sich in früheren Zeiten niemals permanente Befestigungen
befunden, indem die Lage dieser Insel durch die sie umgeben-
den tiefen Gewässer hinreichend gesichert schien, und auch in
den älteren Vertheidigungen der Festung hier nur nach Mass-
gabe des Bedürfnisses provisorische Verschanzungen und ein-
zelne Batterien zur Bestreichung des umliegenden Terrains oder zur
Flankirung der auf den jenseitigen Ufern vorhandenen Werke
angelegt worden waren.
Zur Verbindung der Holminsel mit Weichselmünde lagen
ehemals zwischen der untern Spitze dieser Insel und der Münde
auf dem rechten Weichselufer unweit des Schutendammes einige
73
Beduten, welche während der Belagerung im Jahre 1734 noch
zur Vertheidigung benutzt *), späterhin aber, ihrer fortiflkatori-
schen Wichtigkeit ungeachtet, eingeebnet und mit Häusern be-
baut worden waren, so dass um das Jahr 1806 sich kaum noch
einige Spuren davon vorfanden.
Die Befestigung von Weichselmttnde, auf dem rechten
Weichselufer belegen, bestand damals wie jetzt aus einem sehr
kleinen viereckigen bastionirten Fort von kaum 40 Ruthen
Polygonseite, jedoch mit hohem Revetcment und breitem Wasser-
graben versehen. Ausserhalb dieses sturmfreien Werkes und
rings um dasselbe befand sich eine theils bastionirte, theils
tenaillirte Enveloppe nur in Erde konstruirt, welche zwischen
sich und dem Fort eine gegen aussen gedeckte Esplanade von
durchschnittlich 30 Ruthen Breite umfasste.
Dem Fort Weichselmünde gegenüber lag hart am linken
Stromufer ein Brückenkopf, und westlich vor diesem der
Flecken Neufahrwasser mit seinen Verschanzungen, welche theils
in einzelnen geschlossenen Reduten, theils in Strandbatterien
und oflfenen Lünetten bestand. — Die Lage von Neufahrwasser
erleichtert seine Vertheidigung ungemein, indem dasselbe östlich
und nördlich von der Weichsel und der See, auf der Südwest-
seite aber durch ein undurchwatbares Bruchland, den sogenannten
Saspersee, gegen feindliche Angriffe gedeckt wird, so dass eigent-
lich nur zwei schmale Zugänge bestehen, nämlich der eine
südlich auf dem schmalen Damm des linken Weichselufers, der
andere westlich längs des sich vom Dorfe Broesen heranziehen-
den flachen Dünenzuges. Beide Zugänge sind durch Verschan-
zangen abgesperrt.
Ueber den derzeitigen baulichen Zustand der Werke lässt
sich der General wie folgt aus:
Die Kreten und Ränder der Brustwehren und Wallgänge
waren in der Länge der Zeit und infolge der Benutzungsart
der Wallgräsereien verfallen und abgeinindet, so dass die Feuer-
linien in ihrer richtigen Höhe nicht mehr vorhanden und die
^) Hierin irrt sich Brese, da diese Beduteu schon 170d abgetragen
worden sind. Ich habe die SteUe stehen gelassen, nm zu zeigen, wie selbst
er über die Belagerung von 1734 nicht orientirt war. Kh.
74
Faussebraie-Brustwehren auf den Niederlingsfronten nur noch
an einer wenig regelmässigen Erderhöhung zu erkennen waren.
Nur die westliche hohe Front des Hauptwalles bot bei ihrem
gut erhaltenen Profil, ihrer Mauerbekleidiing und ihrem tief
eingeschnittenen breiten Wassergraben einen mehr beruhigenden
Anblick dar, wogegen wiederum die Werke des vorliegenden
ßetranchements fast durchgängig in einer ganz ungenügenden
Verfassung sich befanden. Die Böschungen haben hier, be-
sonders auf dem Hagelsberge, der Höhe des Profils und des
leichten Sandbodens wegen eine sehr flache Anlage erhalten,
so dass infolge des überdies eingetretenen Verfalles der
Graben und der Wall an den meisten Stellen ganz bequem
passirt werden konnte.
Die Glaciskrete und der bedeckte Weg waren fast ver-
schwunden, und auf den Linien vom Olivaerthore bis zur Weich-
sel hatte früherhin ein zusammenhängender bedeckter Weg nie-
mals bestanden.
Zu Weichselmünde und Neufahrwasser war zwar infolge des
dortigen Baubetriebes ein nicht unbedeutendes Utensilement und
auch ein für den Zweck der Armirung theilweise anwendbarer
Materialienvorrath vorhanden; in den Depots von Danzig fehlte
es dagegen an allen Werkzeugen zu umfassenderen Arbeiten,
und nicht eine Palisade, nicht ein Stamm Bauholz, nicht eine
Faschine befand sich im Besitz der Fortifikation ; alles musste
erst herbeigeschafft werden. Rechnet man diesen Mängeln noch
hinzu, dass zu Ende des Oktober - Monats 1806 von den zu
Danzig vorhandenen, für den Kriegsgebrauch noch geeigneten
293 Geschützen ^) sich noch keines auf dem Wall befand, dass
noch keine Munition gefertigt war, dass es selbst an Bettungs-
hölzern und. an Munitionsbehältnissen in den Werken gänzlich
fehlte, und dass ferner die Besatzung dieses ausgedehnten
Platzes damals nur aus 2900 Mann Infanterie, 100 Mann Ar-
tillerie und 16 Mann Kavallerie bestand, und endlich der Masse
zu befriedigender kostspieliger Bedürfnisse gegenüber die kö-
*) Das ist ein Irrthum von Brese. In der Arrairuugstabeüe im Anhange
giebt er selbst die Zahl anf 349 au. Rechnet man davon die Armirung von
Weichselmttude und l^eufahrwasser ab, so bloib^n für Danzig 261. E^h,
75
niglicheu Kassen zu Danzig kaum eine Summe von 5000 Rthlrn.
aufbringen konnten, — so lässt sich nicht in Abrede stellen,
dass die Festung sich in einer in der That höchst bedenklichen
Lage befand, bei welcher es in den damaligen Verhältnissen,
bei dem Mangel aller Vorbereitung und Erfahrung und bei der
täglich zunehmenden allgemeinen Bestürzung, mindestens sehr
zweifelhaft werden mochte, welches Mittel zuerst zu ergreifen
und welche Richtung überhaupt bei allen noch zu treffenden
Vertheidigungsvorkehrungen einzuschlagen war, um zunächst
nur dem Vei-suche eines gewaltsamen Angriffs, der bei einem
in reissendem Siegeslaufe vordringenden unternehmenden Feinde
schon nach wenigen Wochen zu befürchten stand, mit Erfolg
entgegentreten zu können.
b. Armirung von Danzig
und Weiehselmünde vom 1. November 1806 bis zur
Einsehliessung am 11. März 1807.
1. Die forüfikatorlsche Armirung.
Am 1. November 1806, 16 Tage nach dem Verlust der
Schlachten bei Jena und Auerstädt, wurde der Platz-Ingenieur
seitens des Guvernements beauftragt, Danzig, Weichselmlinde
und Neufahrwasser in Vertheidigungsstand zu setzen.
Ein im Voraus bearbeiteter Plan für die fortifikatorische
Kriegs-Armirung der ganzen Festung, welche nunmehr ohne
Weiteres zur Anleitung hätte dienen können, war nicht vor-
handen, und es mussten daher sogleich die nöthigen Berathungen
unter Vorsitz des Guverneurs gepflogen werden, um die über
diesen Gegenstand abgegebenen Gutachten prüfen und ein über-
einstimmendes Zusammenwirken der verschiedenen Lokalbehörden
herbeiführen zu können. Man einigte sich alsbald darüber,
dass zuvörderst der Hauptwall gegen einen gewaltsamen An-
griff sichergestellt werden müsse, dass sodann mit der Instand-
setzung und Palisadiiamg des Retranchements des ßischofs-
und Hagelsberges und der dazu gehörigen Verbindungslinien vom
Petei'shagener Thore bis zur Weichsel vorzugehen, dass endlich,
wenn der Feind dazu noch Zeit lassen sollte, die Verstärkung
4ieser ausgedehnten Aussen-Enceinte durch Herstellung und
76
Armirung des bedeckten Weges zu bewirken sei. — Auf die
von dem Platz-Ingenieur vorgeschlagene Anlage von 9 deta-
chirten blockhausartigen Posten auf den Höhen einige
hundert Schritte vorwärts des ßetranchements und von zwei
grösseren derartigen Werken auf den bis gegen 800 und
1000 Schritt vor dem Bischofs- und Hagelsberge belegenen
dominirendsten Terrainpunkten — glaubte man ihres anzuer-
kennenden Nutzens ungeachtet, vor der Hand sich nicht einlassen
zu dürfen, da die oben erwähnten die Armirung der Haupt-
werke betreflfenden Arbeiten, welche jedenfalls vorweg beseitigt
werden mussten, schon einen so ansehnlichen Kraft- und Zeit-
aufwand in Anspruch nehmen würden, dass man deren voll-
ständige Ausführung bis zur Ankunft des Feindes kaum zu-
stande zu bringen hofifen konnte.
Die Ausführung der Arbeiten wurde im allgemeinen so
angeordnet, dass die dringendsten Sicherheits Vorkehrungen gegen
den gewaltsamen Angriff den Vorzug erhielten, und dass sodann
mit den zur mehreren Verstärkung der Werke dienenden Ar-
beiten nur nach und nach in dem Masse vorgeschritten werden
sollte, als die früher begonnenen sich ihrer Vollendung naheten
oder doch mit den dabei irgend anwendbaren Kräften in Betrieb
gesetzt waren, damit man nicht besorgen durfte, die Festung
bei noch geöffneten Werken und aufgewühltem Terrain vom
Feinde überrascht zu sehen. Um die ganze Arbeit mit einer
ihrem enormen Umfange entsprechenden Kraft angreifen zu
können, wurden unverzüglich bei der damals noch bestehenden
Dienstpflichtigkeit der Unterthanen 4000 Civilarbeiter, 300 Wa-
gen mit Gespann und 500 Zimmerleute requirirt. Ausserdem
sollte die Garnison so viel an Arbeitern gesteilen, als sich bei
dem nothwendigen Wacht- und Felddienst erübrigen liess, und
zugleich wurde der Platz-Ingenieur auf seinen Antrag von dem
Guvernement autorisirt, das zur Armirung erforderliche Holz
gegen Ertheilung von Quittungen wegzunehmen, wo es sich
dem Bedürfnisse entsprechend vorfand. — Letztere Massregel
war um so nothwendiger, als es der Festung an allem Material
gebrach, fürerst auch keine Geldmittel vorhanden waren, um
kostbare Holzankäufe zu bestreiten, und bei dem gesunkenen
Vertrauen sich anfangs Niemand zur vorschussweisen Lieferung
Verstehen wollte. Als bald nachher die Kassen in zahlungs-
fähigen Zustand gesetzt wurden, fanden sieh viele Unternehmer,
die durch Lieferung zugerichteter Hölzer dem rascheren Fort-
gange der Armirung sehr zu Hilfe kamen. — So hart jene
Massregel der Wegnahme der Hölzer auch scheinen mochte,
so war sie unter den obwaltenden Umständen doch unerlässlich,
da ohne sie die ganze Palisadirung als Hauptsicherung der
Werke ins Stocken gerathen wäre und späterhin die Folgen
des Zeitverlustes wohl schwerlich durch einen vorübergehenden
Mangel an Geldmitteln einen hinreichenden Rechtfertigungsgrund
gefunden haben würden. — Ueberdies hatte der Verbrauch der
der Kaufmannschaft gehörigen Balkenhölzer, welche in unge-
heuren Vorräthen auf den Wassergräben der Festung lagen,
den wesentlichen Nutzen, dass die Gräben von dieser fast
durchgängigen Ueberbrückung befreit und bei ihrer Breite und
Tiefe wiedeioim als das vorzüglichste Schutzmittel des Haupt-
walles in Wirksamkeit treten konnten.
Am 2. November begann bereits die Armirungsarbeit und
wurde von diesem Tage ab mit zunehmender Kraft und in
folgerechter Ordnung ununterbrochen fortgesetzt, so dass der
Winterwitterung ungeachtet mit Ausgang des Monats Decem-
ber 1806 schon die nöthigsten Sicherungsvorkehrungen getroffen
waren und die zu Anfang November noch wehrlose Festung
der feindlichen Annäherung nun ohne Besorgniss entgegensehen
konnte. — Die ganze fortifikatorische Armirung, um deren
nähere Erörterung es sich hier nur handelt, umfasste nach-
stehende Arbeiten*):
^) Die folgende Darstellung der Armirung ist aus den während der
Vertheidigong i. J. 1807 bei dem Gnvernement zu Danzig gesammelten und
späterhin zum Generalstabs- Archiv abgegebenen Original-Berichten und Tages-
Bapporten entnommen worden. — Da der Verfasser (Brese) selbst Augen-
zeuge der Armirung und Vertheidigung war, so konnte er (besonders in Be-
ziehung auf die Armirung) aus der Erinnerung manches ergänzen, was jene
an Ort und Stelle erstatteten Berichte wegen vorausgesetzter Bekanntschaft
mit der Lokalität nur sehr kurz berührt oder auch ganz unerwähnt gelassen
haben. Von Höpfner theilt diesen Aufsatz ebenfalls seinem ganzen Umfange
nach mit. Eh.
^8
1. Hinsichtlich der Sicherstellung gegen den gewalt-
samen Angriff.
1. Die schleunige Instandsetzung der Zugbrücken, wo sich
dieselbe noch nöthig zeigte; die Ergänzung der Thorverschi lisse
und der Gatterthore auf den Brücken und die Reparatur der
Schleusenwerke.
Alle diese Arbeiten, bei denen man eine angemessene An-
zahl Handwerker und Handarbeiter in Thätigkeit setzte, waren
in kurzer Zeit beseitigt und dadurch der eigentliche Stadthaupt-
wall, vermöge des ihn rings umgebenden tiefen Wassergrabens
als gesichert gegen einen Handstreich anzusehen, so lange nicht
etwa harter Frost die Gräben gangbar machte und so einen
Ueberfall von der Niederungsseite her gegen den dort nicht
revetirten niedrigen Erdwall besorgen liess. — Eine versuchs-
weise Schliessung der Schleusen fand am 26. November statt,
und da sich schon nach 3 Tagen das Niederungsterrain zwischen
dem Hühenrande und dem Weichseldamm auf mehrere hundert
Schritte vor den Festungswerken ganz mit Wasser bedeckt
zeigte, so konnte bei der Sicherheit eines so raschen Erfolges
die eigentliche Schliessung und Verdammung der Schleusen bis
zur wirklich erfolgenden Annäherung des Feindes und womöglich
bis nach dem Abgange des Hochwassers ausgesetzt bleiben.
Die Verdammung hinter den geschlossenen Portalen oder zwischen
den Versatzhölzern wurde späterhin durch Einwerfung von
Sandsäcken bewirkt, welche sich im nassen Zustande unter
Wasser so ineinander fügen, dass sie dicht schliessen, bei wieder
erfolgender Aufräumung der Verdammung aber ohne grosse
Schwierigkeit mittelst Haken einzeln herausgehoben werden
können. Diese Verdammungen geschahen zuerst bei der Stein-
und Pockenhäuser, dann bei der Kneipaber und Rück-
fort er Schleuse *). Die Zugvorrichtungen der Festungsbrücken
^) Die Schliessung der Steinschleuse setzt das Terrain zwischen der
Mottlan und dem Steindamm unter V^asser, lässt jedoch den Festungsgräben
die erforderliche Wassertiefe, die durch Batardeaus am Ausfluss der Mottlau
aus der Festung erhalten wird. Zur Ueberschwemmung der Niederung
zwischen dem Mottlaudamm und den Ortschaften Altschottland, Stadtgebiet
und Ohra dienen 3 Schleusen der Mottlau. Die Pocken- (Poggen)häuser-
?9 _
Waren in der fiblichen alten Art vorhanden und bestanden in
freistehenden hölzernen Portalen mit darüber liegenden Wipp-
bäumen. Sie waren im ganzen in gebrauchsfähigem Zustande
erhalten worden, und nur die Werdersche Brücke in der Vor-
stadt Kneipab vor dem Langgarten Thore musste, um die
Sicherstellung des Zuganges von dieser Seite zu verwehren,
mit einem neu einzurichtenden Aufzuge versehen werden.
2. Die Abstechung der verfallenen inneren Brustwehr-
böschungen des Hauptwalles, in Verbindung mit der Wieder-
herstellung der Brustwehrkrete in der richtigen Höhe und mit
der Bildung des Banketts, wodurch die Walllinien durchgängig
wiederum besetzungsfällig eingerichtet wurden.
Diese sonst mit raschem Erfolge zu beseitigenden Arbeiten
nahmen zu Danzig bedeutende Kräfte in Anspruch, da die Reguli-
rnug der Brustwehren bei ihrem versackten Zustande fast überall
mit Aufhöhungen bis zur richtigen Höhe der Feuerlinie und mit
Bonnetirungen, und wo letztere nicht ausreichten, mit der An-
lage von Seiten- und Rttckenwehren in Verbindung gebracht
werden musste.
Auf eine regelrechte Formirung der Böschungen war aller-
dings der Beschleunigung und der Winterwitterung wegen
nicht zu rechnen; vielmehr konnte die Herstellung der Brust-
wehren und der Bankette mehrentheils nur durch satz weises
Feststampfen und Anschlagen des gefronien Bodens bewirkt
werden. Zur Bekleidung der Traversen bediente man sich der
Schanzkörbe oder der Faschinen.
3. Die soeben unter Nr. 2 erwähnte Arbeit wurde auch
bei dem ganzen äusseren Eetranchement des Bischofs- und
Hagelsberges und bei den zwischen und neben liegenden Linien
in gang gesetzt, und da die allmählich zunehmende Anzahl der
Civilarbeiter und die eintreffenden Verstärkungen der Besatzung
eine hinreichend rasche Betreibung dieser Arbeiten gestatteten.
Schleuse dient zur Bewässerung der Gräben der Olivaerfront und des Holz-
raums. Die Kneipaber Schleuse verhindert den Abfluss der Inundation in
den Stangnetengraben und die Weichsel, indem sie den Hauptentwässerungs-
graben des Werders sperrt. Die Rttckf orter Schleuse staut die obere Boss-
wicke. Die Inundation verbreitet sich bis über eine Meile von den Werken. Kh.
_ 8Ö _
so dass ihre baldige und rechtzeitige Beendigung sich über-
sehen liess, auch überdies noch eine grosse Anzahl Arbeiter
verfügbar blieb, so wurde gleichzeitig, zumal der Hauptwall
von Danzig als bereits gesichert gegen den gewaltsamen An-
griff angesehen werden konnte:
4. Ohne Verzug mit der Palisadirung des äusseren Re-
tranchements vorgegangen, was um so dringender schien, als
diese Aussen - Enceinte ohne Revetcment und mit trocknen
Gräben dem ersten Angriflf ausgesetzt liegt und ihre Behaup-
tung bei der dominirenden Lage des Bischofs- und Hagelsberges
für eine dauernde Vertheidigung der Festung unerlässlich zu
erachten ist. — Auf dem ganzen Umzüge des Hauptwalles
dieses Retranchements vom Petershagener Thor bis zur Weichsel
wurde die Palisadirung auf allen Bauposten gleichzeitig be-
gonnen, und zwar erhielt die Palisadirung bei den Werken
mit trocknen Gräben, also auf dem Bischofs- und Hagelsberge
und auf dem Tractus zunächst unterhalb des Hagelsberges bis
zum Olivaer Thore, ihre Stellung auf der Grabensohle, längs
des Fusses der Escai-pe und nur etwa 3 bis 4 Fuss von dieser
entfernt; — bei den Werken mit nassen Gräben, links des
Petershagener- und zu beiden Seiten des Neugartenthores, auf
der tiefliegenden Berme der Escarpe und bei den Linien vom
Olivaerthore bis zur W^eichsel, — welche ebenfalls nasse
Gräben haben und damals auf der Berme der Escarpe mit
einer ziemlich dichten lebendigen Hecke versehen waren, —
vorlängs des Fusses der Kontrescarpe, hart am Wasserspiegel
des Grabens. — Die Palisaden waren 11 bis 12 Fuss lang,
wurden 4 Fuss tief eingegraben und behielten 7 bis 8 Fuss
Höhe über der Erde. Sie bestanden aus 10- bis 12zölligen
Rundhölzern, oder auch aus gespaltenen Halbhölzern, wenn die
Stämme über 12 Zoll Stärke hatten. Im letzteren Falle wurde
die flache Seite der Palisaden der Escarpe zugewendet. Eine
Verriegelung fand nicht statt. — Das Setzen der Palisaden
geschah mit etwa 2 Zoll Zwischenraum und nicht nach der
Schnur, sondern aus freier Hand in möglichst gerader Richtung
nach bezeichneten Alignements. — Auch ist ein schnurgerechtes
Setzen bei nicht ganz regelmässig zugespitzten Rundhölzern
oder bei gespaltenen Palisaden der oft windschiefen Flächen
81
wegen mit Erfolg nicht anwendbar. — Um die Arbeit mehr zu
beschleunigen, wurden die Gräben für die Palisadenlinien gleich
im Zusammenhange vor ganzen Fronten ausgehoben, was hier
dicht am Fusse der sehr hohen äusseren Wallböschungen nur
während des Winters bei gefrorenem Boden zulässig war, da
zu andrer Zeit leicht ein Nachsinken des Wallfusses hätte be-
sorgt werden können.
Im Allgemeinen ist hier noch zu erwähnen, dass Sturm-
pfähle (fraises) bei Armirung der Danziger Werke nach der
übereinstimmenden Ansicht der leitenden Ingenieure nirgends
zur Anwendung gekommen sind, einestheils, weil die zu Pali-
sadirungen erforderlichen stärkeren Hölzer überall zur Hand
waren, — anderntheils aber weil Sturmpfähle, längs der oberen
Grabenränder verlegt, gegen aussen in der Regel minder gedeckt
sind, als tiefstehende Palisadirungen, weil sie dem Ricochet-
nnd Enfilirschuss zu viel Fläche bieten und mithin auch bei
einem förmlichen Angriff und der damit verbundenen dauernden
Beschiessung der Werke zu vielfachen Zerstörungen ausgesetzt
sind, während dann ihre tägliche Herstellung, sowohl des
grösseren Aufraumes als ihrer Höhenlage wegen, ungleich
beschwerlicher ist als bei der Palisade auf der Graben-
sohle.
5. Ausserhalb vorlängs der vorgedachten Palisadirung,
und zwar zwischen derselben und dem Fusse der Kontreskarpe,
oder wo die Palisade auf der Berme stand, auf dem Abhänge
der Berme bis zum Wasserspiegel, wurde, je nachdem der
Raum es gestattete, eine 9 bis 12 Fuss breite Verpfählung
von dicht neben einander eingetriebenen und oben scharf zu-
gespitzten Pfählen geschlagen. Diese Pfähle hatten etwa die
Starke der Faschinenpfähle und 2*/« bis 3 Fuss Länge.
Sieben bis acht Stück wurden auf einen Quadratfuss, mithin
etwa 1000 auf eine Quadratruthe gerechnet. Nach geschehener
Eintreibung ragten sie in dicht wechselnder ungleicher Höhe
15 bis 18 Zoll über dem Erdboden hervor. Aus angestellten
Versuchen ergab sich, dass eine solche Verpfählung ohne be-
sondere Vorkehrung durch Truppen nicht zu überschreiten, dass
ein Herausziehen mit der Hand wegen des durch die vielen
Köüler, QeBcMühte der Festangen Danzig and Weicliselmünde. II. 6
8S
Pfähle sehr gedichteten Bodens unthunlich *) und ein Weghauen
derselben mit den Handbeilen überaus zeitraubend war.
Auch das Einschlagen feindlicher Hohlgeschosse in die
Verpfählungen hat sich späterhin für den Zweck dieses Hinder-
nissmittels wenig nachtheilig gezeigt, da bei einer Breite von
12 Fuss, stellenweiser Zerstörung ungeachtet, immer noch ein
hinreichender Theil stehen blieb, um die Linie geschlossen halten
und selbst einzelne Lücken in der hinterstehenden Palisadirung
gegen den Versuch feindlichen Eindringens decken zu können.
6. Um die Hindernissmittel gegen einen gewaltsamen An-
griff noch zugleich auf eine dem Feinde imponirende gefahr-
drohende Weise zu versuchen, wurden diejenigen Theile des
äusseren Retranchements , welche keinen nassen Graben vor
sich haben, nämlich die Linien rechts am Petershagenerthore,
der Hauptwall des Bischofs- und Hagelsberges, die Walllinien,
welche sich zwischen beiden gegen das Neugartenthor, und die,
welche sich rechts des Hagelsberges bis zum Olivaerthore
herunterziehen, dicht unter der Krete der äusseren hohen Wall-
böschungen mit einer dreifachen Reihe runder Sturmbalken
von mindestens 1 Fuss Stärke und 18 bis 24 Puss Länge ver-
sehen. Diese Rundhölzer hingen in horizontaler Richtung je
drei dicht unter einander. Die sie haltenden Taue waren über
die Krone der Brustwehr hinweggezogen und am Fusse der
inneren Brustwehrböschungeu an drei nahe bei einander ein-
getriebenen 4 Fuss langen Pfählen mit gut geschürzten
Schleifen befestigt. Jeder der drei Balken bei?ass sein eigenes
Tau, so dass jeder einzeln (der unterste zuei-st) losgelassen
werden konnte. — Zu dem Behufe hatte man an der inneren
Brustwehrböschung unter den hier befestigten Tauen drei
Bretter angebracht und mit den Nummern L IL IIL bezeichnet,
woraus sich die Reihenfolge ergab, in der die drei Sturmbalken
mittelst Durchhauung der Taue nach einander in den Graben
hinabzustürzen waren. Um das Tau werk vor rascher Fäulniss
zu bewahren, wurde dasselbe durch untergesetzte Pfählchen an
der äusseren und inneren Brustwehrkrete schwebend über der
Brustwehrkrone erhalten *).
*) Das bat sieb jedocb nicht bestätiget. Kh.
») Vergl. n Taf . III Fig. 4.
83
Man machte den Versuch, eine solche Balkenkoppel durch
Axthiebe zu lösen, um deren Wirkung zu beobachten. Die
Gewalt, mit welcher die schweren Rundhölzer, nachdem sie auf
den hohen Böschungsflächen eine beschleunigte Bewegung ge-
wonnen hatten, bis zur Grabensohle hinunterstürzten, war ausser-
ordentlich. Das eine derselben schlug gegen die Palisadenlinie
im Graben und bog etwa 20 Stück dieser starken 4 Fuss im
Lehmboden stehenden und fest eingestampften Palisaden der-
gestalt aus ihrer Richtung, dass sämmtliche Spitzen fast um
2 Fuss aus dem Loth hingen. Es lässt sich hieraus abnehmen,
welche furchtbare Wirkung solche Balken auf Tnippenmassen
äussern würden, die sich stürmend auf dem Talus der Werke
oder im Graben befönden. Der Holzaufwand, den die Behän-
gung des hohen Retranchements mit Sturmbalken erforderte,
war, wie sich aus einem nur oberflächlichen Ueberschlage
des Materials entnehmen lässt, sehr bedeutend, und es konnte
diese Massregel neben den übrigen Armirungsarbeiten auch nur
zur Ausführung kommen, da die bei dem ausgedehnten Holz-
handel der Stadt Danzig damals dort aufgehäuften grossen
Holzvorräthe eine fast unbeschränkte Verwendung gestatteten.
— Wäre irgend Mangel an Material gewesen, dergestalt, dass
es zur Frage kommen konnte, ob die Palisadirung oder die
Behängung mit Sturmbalken den Vorzug verdienen, so musste
die letztere unbedenklich nachstehen, da die Palisadirung ein
unter allen Umständen zuverlässiges Hindernissmittel ist, bei
den Sturmbalken aber die gehoifte Wirkung ausschliesslich von
dem richtigen Moment des Loslassens, mithin von sehr vielen
Zufälligkeiten abhängig bleibt. Uebrigens war die Hinauf-
scbafFnng der schweren Balken auf die hohen Wälle und deren
Befestigung an dem oberen Rande der äusseren Böschungen bei
Schnee- und Frostwetter eine sehr beschwerliche und selbst
gefährliche Arbeit, die sich späterhin während der Vertheidigung
bei den Werken des Hagelsberges häufig wiederholte, da die
am Tage durch feindliche Geschützkugeln losgerissenen und in
den Graben hinabgerollten Balken zur Nachtzeit immer wieder
heranfgeschafft und befestigt werden mussten. Indessen war
auch diese Arbeit für die Dauer nicht mehr durchzuführen, und
man musste sie namentlich bei den beiden Bastionsfacen der
6*
64
angegriffenen Front Jerusalem -Schütz, wo täglich die Mehr-
zahl der Sturmbalken heruntergeschossen wurde, zuletzt ganz
aufgeben.
Der Ingenieur-Major Bousmard sagte in seinen amtlichen
Gutachten vom 20. April 1807 über die Anwendung der Sturm-
balken: „Je crois ce moyen excellent tont le temps, qu'on ne
s'en sera peu ou point seiTi. C'est T^pee de Damokl^s, tou-
jours suspendue sur la tete de notre temeraire assaillant. laquelle
l'empeche de se livrer k Tappetit de la victoire. Cette ep6e,
une foi tombee, le reste des convives n'a plus d'inqui6tude et se
livrera a la plus dfevorante voracitfe. Je m'explique. Des
jeunes gens ou tetes chaudes, qui leur ressemblent, croiront ne
pouvoir faire assez tot partir nos enormes rouleaux. A peine
Tennemi sera dans le chemin couvert, qu'il le croiront dans le
foss6, et sur le champ la liache jouera sur No. 1., et sans inter-
ruption sur No. 2. et 3. Si No. 1. fait bon effet, il faut se
garder de faire partir les deux autres. L'ennemi effraye les
craindra d^avantage suspendus que descendus et aura raison.
Quand il les verra tous tombes, il les möprisera, s'ils ne lui
ont pas fait de mal, et s'ils en ont fait, il s'en vengera n'en
craignant plus rien. II ne faut donc les lächer, qu'ä propos,
ä quelque intervalle les uns des autres, et garder le plus
longteraps possible le dernier (No. 3) comme l'ancre de raiseri-
corde". —
Die Sturmbalken waren verschieden eingerichtet, theils so,
dass sie längs des äusseren Talus unmittelbar hinter die Pali-
sade fielen und diese dann allerdings beschädigten, theils so,
dass sie mittelst Unterlagen, welche zwischen der äusseren
Wallböschung und der Spitze der Palisadenlinie in steil ab-
fallender Richtung angebracht waren, über die Palisaden hin-
weggeleitet wurden und demnach jenseits derselben in den
Graben stürzten. Den letzteren wurde der Vorzug eingeräumt.
Ein einziger derselben, sagte Bousmard, wird durch seinen
niederschmetternden Fall einen Schrecken erregen, geeignet, den
Kühnsten zurückzuscheuchen , während die anderen, hinter die
Palisadirung fallend, diese zerstören und so dem stürmenden
Feinde Gelegenheit gegeben werde, von den entstandenen Oeff-
nungen Vortheil zu ziehen.
85
Während man nun zur Siclicrung der Aussenenceinte von
Dauzig gegen den gewaltsamen Augriff mit den vorerwähnten
Massregeln eifrig beschäftigt war, trat ein scharfer Frost ein,
welcher die Gewässer sogleich mit Eis belegte. Wie weit es
möglich sein würde, bei dem vielleicht noch strengeren Froste
neben den fortzusetzenden übrigen Armiruugsarbeiten die sämmt-
liehen nassen Gräben durch Eisung offen zu halten, darüber
mangelte alle Erfahrung, und andererseits bestand das ganze
Vertheidigungsvermögen des Erdwalles auf den ausgedehnten
NiederuDgsfronten fast ausschliesslich in den breiten und tiefen
Wassergräben. Da der Feind zu jener Zeit schon die Weichsel
bei Warschau fiberschritten hatte und von dort aus seine
Richtung auf Königsberg nahm, so konnte bei dessen weiterem
Vordringen der Versuch, sich der Festung Danzig unter Be-
nutzung der Eisdecken der Weichsel und der Gräben von der
Ost- und Südseite her zu bemächtigen, wohl mit einiger Wahr-
sckeinlichkeit besorgt werden. —
Um daher die Sicherstellung des eigentlichen Hauptkörpers
der Festung nicht aus den Augen zu verlieren, kam man zu
dem Entscliluss:
7. Nunmehr auch den Hauptwall der Stadtbefestigung, so-
weit er nicht mit einer Mauerbekleiduug versehen war, mithin
auf sämmtlicheu Niederungsfronten von der Steinschleuse bis
zum Bastion Jakob mit einer 8 Fuss hohen Palisadirung und
einer davorgesetzten Verpfählung zu umgeben. Die Palisade
erhielt ihre Stellung am Fusse der Eskarpe im inneren Räume
der alten Faussebraie, und die 12 Fuss breite Verpfählung zu-
nächst vor der Palisadirung und auf der Krone der verfallenen,
nicht mehr besetzungsfähigen Brustwehr der Faussebraie. —
Ausser diesen Linien des Hauptwalles erhielten auch die Ra-
veline vor dem Jakobs- und vor dem Legethor, sowie der
Waffenplatz vor dem Langgarten-Thor mit dem die Thorpassage
umfassenden Theile des bedeckten Weges und endlich auch die
Enveloppe, welche dem Umzüge der Kontreskarpe des Haupt-
giabens rechts vom Legethore bis zu den Linien des Peters-
hagenerthores folgt, eine starke Palisadirung. Gleichzeitig
wurden
8. Alle Anstalten getroffen, welche zu einer fortgesetzten
8ö_
Aufeisung und Offenhaltung der Gräben erforderlich waren.
Man schaffte zu dem Behufe 48 Boot« ffir die in ebenso viele Sta-
tionen getheilte Wassergräben an und vei*sah diese Boote ihres
eigentlichen Gebrauches und der besseren Ausdauer wegen ausser-
halb mit einem Beschlag von Eisenblech. Nachdem die Eisfläche
des Hauptgrabens längs der Mitte desselben 30 Fuss breit und
die der Vorgräben 18 Fuss breit einmal geöffnet worden, wurden
jedem der 48 Boote 4 Mann zugetheilt und diese in der Art
angewendet, dass 2 Mann längs der Eisränder gehend das Boot
in schräger Richtung an Tauen langsam fortzogen, während die
beiden anderen Leute im Boote das neu ansetzende Eis durch
schaukelnde Bewegung des Bootes zerbrachen und die Eis-
Stückchen mittelst leichter käscherartiger Schaufeln auf die
Eisränder warfen. Da die Kälte sich auch späterhin nicht sehr
anhaltend und strenge zeigte, so gelang es durch diese imganzen
geringen Mittel vollkommen, die Wassergräben den Winter hin-
durch offen zu erhalten. *
9. Durch die unter Nr. 7 und 8 erwähnten Arbeiten wurden
die verfügbaren Arbeitskräfte vielfach vertheilt, so dass die
inzwischen fortgesetzte Palisadirung des äusseren Retranchements
nicht mehr so raschen Fortgang nehmen konnte, als anfangs,
wo sie mit ungetheilten Kräften betrieben wurde. — Indessen
brachte man sie, der kurzen Tage und der immer rauher
werdenden Winterwitterung ungeachtet, doch in einigen Wochen
zustande und schritt nun ungesäumt zur Palisadirung der
Raveline und Kontregarden des Bischofsberges und der Raveline
des Hagelsberges, wobei die Palisadenlinien ebenso wie bei
dem Hauptwalle längs des Fusses der Eskarpe gesetzt und
mittelst einer ausserhalb derselben angebrachten 12 Fuss breiten
Verpfählung gegen unmittelbaren Andrang gesichert wurden.
Bei den Ravelinen führte man an den Schulterpunkten die Pa-
lisadirung bis zur Sohle des Hauptgrabens hinunter und zog
sie dann im Graben längs der Kehlböschung der Raveline, so
dass diese Werke durch eine Palisadirung rings umschlossen
waren. Quer über den Hauptgraben wurden von den Kurtinen-
Poternen nach den Kehlen der Raveline offene Koffer angelegt,
und diese innerhalb zu beiden Seiten mit einer Palisadirung ver-
sehen, welche die Verbindung sicherte i|nd von der Eskarpeu-
87
Palisade vor der Kurtino bis zur Kehlpalisade der Raveline
und zu den in den Reversböschungen daselbst angebrachten
Treppen sich erstreckte. — Die Anfertigung dieser zum Theil
sehr hohen Treppen erfolgte in der Regel in der Art, dass die
Treppenstufen in gehöriger Breite in den Boden eingeschnitten,
die vertikalen Seiten der Stufen mit dicht angelegten, durch
vorgeschlagene Pfähle festgehaltenen 2 zölligen Brettern be-
kleidet, die horizontalen Flächen aber gut abgeebnet und fest-
gestampft wurden. Die Brettbekleidung der Stufen hindert bei
frequenter Passage die baldige Abtretung dei-selben, und die
ganze Arbeit ist so einfach und leicht begreiflich, dass sie durch
gewöhnliche Arbeiter bei einiger Anleitung mit raschem Erfolge
verrichtet werden kann.
Innerhalb des Retranchements errichtete man zum noth-
dürftigen Schutze der Wachtmanuschaften gegen die rauhe
Witterung hölzerne mit Brettern gedeckte Piketbuden in
Form von Schleppschuppen, auch wurde eine Anzahl von Ab-
tritten angelegt, um die allgemeine Verunreinigung der Werke
zu verhüten.
10. Um die Befestigung des Holzraumes, mit welcher
der rechte Flügel des Retranchements sich der Weichsel an-
schliesst, in der rechten Flanke und Kehle gegen einen Coup
de main mehr zu sichern, wurde die Palisadirung dieser Be-
festigung noch stromaufwärts längs des linken Weichselufers
in gebrochenen Linien auf 450 Schritt Länge fortgesetzt, mit
Brustpalisaden, Gewehrscharten und einem Banket versehen,
und am äussersten Ende rechts durch eine vorgi-eifende, die
ganze Uferlinie ausserhalb der Palisadirung flankirende Erd-
flesche geschlossen, welche man vor den Facen und in der
Kehle palisadirte und mit einer Verpfählung rings umgab.
11. Es blieb noch erforderlich, vor dem Langgartenthore,
wo sich der Weichseldamm auf einem schmalen, zwischen dem
Stromufer und der Inundation belegenen Terrainstreifen den
Befestigungslinien anschliesst, einige Sicherheitsvorkehrungen
zu treffen, und zwar
a. die in dem Damme etwa ^U Meile vor dem Thore be-
legene Rückforter Schleuse, welche den Hauptabzugsgraben der
NiedeiTing schliesst und jetzt wegen Aufstauung der Mottlau
88
und zur Haltuug der die Niederung bedeckenden Inuudation
verdämmt war, gegen einen Handstreich des Feindes sicher
zu stellen, und
b. den Punkt am Ganskruge, wo die aus der Nehrung nach
dem Langgartenthore führende Landstrasse die Weichsel über-
schreitet, mit einer der defensiven Deckung dieses Uebergangs-
punktes entsprechenden Befestigung zu versehen. Zu dem
Behufe wurde auf einem günstigen Punkte noch 300 Schritt
jenseits der Rtickforter Schleuse eine Schanze zu 4 Geschützen
und 100 Mann in Form einer abgestumpften Flesche angelegt,
dergestalt, dass die mittere Hauptlinie des Werkes quer über
den Damm lag und denselben aufwärts wirksam bestreichen
konnte. Der Bau dieser Schanze erforderte viel Zeit und
Arbeit, da der Damm nicht durchstochen, überhaupt ein Graben
nicht ausgehoben werden durfte, mithin das ganze Profil, wel-
ches den Damm noch um mehrere Fuss überragen musste, nur
mittelst des bis auf 800 Schritt Entfernung heranzuschaffenden
und bei der tiefen Lage des Terrains mühsam abzuschälenden
Bodens aufzuschütten war. Dabei wurde dies Werk ringsum
palisadirt und seiner entfernten und üeberfällen ausgesetzten
Lage wegen mit einem bombenfesten Blockhause zur Unterkunft
der Besatzung versehen.
Vor dem Ganskruge längs des Weichselufers warf mau
eine sich selbst flankireude Verschanzungsliuie auf und schloss
dieselbe in der Richtung stromaufwärts dem Weichseldamm an,
auf welchen hier einige hundert Schritt diesseits der Rückforter
Schleuse noch ein kleiner Abschnittsposten und zur Unterstützung
des letzteren seitwärts desselben nahe am Weichselufer ein
redutenartig geschlossenes Werk, seinem Umfange nach auf
3 Geschütze und 50 Mann berechnet, angelegt wurde. Da am
Stromufer viel vorräthiges Balkenholz der Arbeit im Wege lag,
dessen Hinwegschaffung Versäumniss veranlasst haben würde,
so liess der Platz-Ingenieur die innere Brustwehrböschung dieser
Verschanzungen grösstentheils von Balkenholz aufsetzen*).
Endlich benutzte man noch den durch die Vorstadt Kneipab
und durch den Weichseldamm führenden Niederungskanal,
^) Das Werk wnrcle danach die Balkenschauze genannt. El).
89
in welchem sich die Kneipaber Schleuse befindet, um hier we-
nige hundert Schritte vor dem Langgarten Thore eine dritte
Vertheidigungslinie gegen das längs des Stromes gangbare
Terrain zu bilden. Es wurde zu dem Behuf e auf dem linken
der Festung zugewendeten Kanalufer eine Brustwehr aufge-
worfen, welcher der vorliegende Kanal zum Graben diente und
die über den letzteren führende Werdersche Brücke mit einem
Aufzuge und einem Gatterthore versehen. Zwei kleine Lünetten
jenseits der Brücke deckten den Uebergang und sicherten zugleich
die verdammte Kneipaber Schleuse gegen unmittelbare feindliche
Annäherung.
12. Während zu Danzig die eben erwähnten Arbeiten in
vollem Betriebe waren, verwendete man zu Weichselmünde alle
beizubringenden Kräfte, um die infolge des unterbrochenen
Friedensbaues noch geöffnet gebliebene Enveloppe des Forts
unter Benutzung des vorräthigen Materials so gut als möglich
zum Schluss zu bringen. Man suchte dies in der Art zu be-
wirken, dass die roh aufgeschütteten, jedoch für die Bildung
eines Walles noch unzulänglichen Erdmassen aus der projek-
tirten Linie des Enveloppenwalles etwas mehr zurück gegen
die südliche Fronte des revetirten Forts und hier in die Form
eines vom Walle des Forts aus rein zu bestreichenden palisa-
dirten bedeckten Weges gebracht wurde. Das Glacis dieses be-
deckten Weges dehnte sich bis gegen den vorliegenden alten
£nveloppengi*aben aus, längs dessen Eskarpe noch eine niedrige,
ebenfalls palisadirte Brustwehr aufgeworfen und links dem Pro-
file des fertigen Enveloppenwalles, rechts dem Weichselufer
angeschlossen wurde. Eine kleine Lünette auf der Kontres-
karpe des nassen Grabens diente als Brückenkopf. Auch die
sogenannte Möwen schanze, eine flache Dünen- und Strand-
batterie, welche sich von der Nordfront des Forts Weichsel -
münde bis gegen die östliche Mole der Weichselmündung er-
streckt, erhielt in ihrer ganzen Ausdehnung und in der Kehle
längs des rechten Weichselufers eine Palisadirung. — Auf der
Seite von Neufahrwasser wurden die vier Reduten der Wester-
platte palisadirt, desgleichen die beiden Reduten Nr. 5 und 6
nebst dem vorliegenden tenaillirten Werke.
Letztere 3 Werke verband man unter sich durch flankirte
90
Palisadenlinien und schloss die ganze Position links dem Sas-
persee, rechts dem tiefen Fahrwasser au. Hart am Weichsel-
ufer, dem oberen Anschluss des Forts Weichselmünde gegen-
über, an der Stelle, wo ein den Saspersee mit der Weichsel
verbindender Kanal einmündet und der Landweg von Danzig
(der sogenannte neue Weg) nach Neufahrwasser diesen Kanal
passirt, wurde eine geräumige Schanze angelegt und diese mit
der vorerwähnten Redute Nr. 6 durch eine Palisadirung in
Verbindung gebracht, so dass die Hafenstadt Neufahrwasser
ringsum mit Bcfestigungslinien umschlossen war. Etwa 200
Schritte vor der Kanalbrücke etablirte man auf dem neuen
Wege noch einen kleinen Posten, welcher den Uebergang über
die Kanalbrücke sicherte.
Alle hier vorstehend unter I, 1 bis 12 aufgeführten Ar-
beiten hatten, wie schon erwähnt, hauptsächlich nur den Zweck,
die Danziger Befestigung unter allen Witterungskonjunkturen
gegen einen bald zu erwartenden gewaltsamen Angriff des
Feindes sicher zu stellen, und so umfassend diese Armirnng
auch war, so sehr es anfangs an allen Mitteln, mit Ausnahme
des Holzes, dazu gebrach, und so mannigfache Behinderungen
dabei die zunehmende Kürze der Tage, sowie Frost und Schnee
in den Weg legten, so gelang es doch, alle dahin gehörigen
Arbeiten in den beiden Monaten November und Dezem-
ber so weit zu fördern, dass das Wesentlichere als geschehen
zu betrachten war und nunmehr auf eine weitere Vervollstän-
digung der Werke, namentlich derjenigen, welche mit Wahr-
scheinlichkeit dem regelmässigen Angriff ausgesetzt waren, Be-
dacht genommen werden konnte.
Die Kommunikation zwischen Danzig und Weichselmünde
hielt man im ganzen für nicht gefährdet, da die Holminsel und
die Nehrung von starken Truppenabtheilungen besetzt gehalten
wurden und die Behauptung dieser mit tiefen Gewässern um-
schlossenen Terraintheile keinem Bedenken zu unterliegen schien,
üeberdies war der Besitz der Nehrung, von welchem die mili-
tärische Verbindung zwischen Königsberg und Danzig abhing,
91
für die Operationen des verbündeten Heeres von hoher Wichtig-
keit, und man mochte daher wohl auf eine Unterstiitznng seitens
des letzteren für den Fall gerechnet haben, dass es sich um
eine ernstliche Bedrohung der Nehrung handeln sollte. Auch
konnte die Anwesenheit vieler Kriegsfahrzeuge befreundeter
Seemächte, welche die Nehrung strandwärts deckten und den
militairischen Uebergangspunkt bei Pillau sicher stellten, einer
solchen unterstützenden Diversion zugunsten der Festung nur
förderlich sein, und es scheint unter allen diesen Verhältnissen
wenigstens erklärlich, wenn mau sich zu Danzig in Beziehung
auf jene Verbindungen keinen zu lebhaften Besorgnissen hingab
und demnach die Errichtung von Vertheidigungswerken auf der
Nehrung und auf dem Holm vielleicht minder dringend erach-
tete, als die unausgesetzte Betreibung der noch bei weitem
nicht vollendeten Arrairungsarbeiten an den Hauptwerken von
Danzig selbst. Welche Umstände oder Voraussetzungen aber
auch Veranlassung gewesen sein mögen, dass man die Anlage
oder Herstellung einiger starker Reduten auf der Holminsel
und auf dem Terrain zwischen dieser und Weichselmünde ent-
weder wirklich nicht zustande bringen konnte oder für nicht
erforderlich hielt, so hat das Unterbleiben dieser Massregel,
wie sich späterhin zeigte, auf die Dauer der Vertheidigung
doch sehr nachtheilig eingewirkt, da die Nehrung, der Schuten-
damm und der Holm nacheinander durch glücklich ausgeführte
Ueberfälle in Feindes Hände geriethen und infolgedessen der
Verlust der Festung wahrscheinlich früher herbeigeführt wurde,
als dies bei dem noch unberührt gebliebenen Zustande des
Hauptwalles und bei offen gehaltener Verbindung mit der See,
wegen der dann zulässigen Ergänzung der erschöpften Streit-
mittel der Festung der Fall gewesen sein würde.
Da zu anfang Januar des Jahres 1807 die feindlichen
Bewegungen sich immer noch nicht gegen Danzig richteten
und man noch einige Wochen Zeit zu gewinnen hoffen konnte,
so wurde in der Vervollständigung der Armirung unausgesetzt
fortgeschritten und nunmehr auf die Ausfühning derjenigen
Massregeln Bedacht genommen, welche
92
IL die Erlangung der Vertheidigungsfähigkeit
gegen den förmlichen Angriff zum Zwecke hatten.
Hierhin war zu rechnen:
1) die Herstellung und Verstärkung des bedeckten Weges
vor den Linien des äusseren Rctranchements;
2) die Vermehrung, Verbesserung oder Sicherstellung
der Kommunikationen sowohl zwischen den einzelnen
Werken, als zwischen den vor einander liegenden
Enceinten ;
3) die Beschaffung von Unterkunftsräumen für Truppen
und Munition in den dem förmlichen Angriff ausgesetzten
Werken ;
4) die Anlage vorgeschobener Werke.
Hinsichtlich des Details dieser wichtigen Arbeiten findet
sich Folgendes anzuführen:
1. üeber die Herstellung und Verstärkung des bedeckten
Weges vor den Linien des äusseren Rctranchements.
Diese umfassende Arbeit erforderte über zwei volle Monate
an Zeit und war mit allen dazu gehörigen Einrichtungen noch
nicht ganz vollendet, als der Feind zu ^nfang März vor der
Festung erschien. — Indessen hatte man doch die Glacisbrust-
wehr ringsum zum Schluss gebracht und in gewöhnlicher x\rt
auf dem Banket mit einer Palisade versehen, und es konnte
diese Herstellung des bedeckten Weges um so mehr als die
wichtigste und bemerkenswertheste Arbeit der ganzen Armirung
angesehen werden, als sie unstreitig die Grundlage zu der
nachherigen erfolgreichen Vertheidigung bildete, welche sowohl
durch die Originalität der dazu getroffenen Einrichtungen als
durch umsichtige Benutzung dieser letzteren dem Fortschreiten
des regelmässigen Angriffs so unerwartete und schwer zu be-
seitigende Hindernisse in den Weg legte. —
Es wurde zuvörderst in Erwägung gezogen, welche Theile
des ganzen Retrancheraents vorzugsweise, und je nachdem die-
selben dem Angriffe mehr oder weniger ausgesetzt wären, mit
einem vollständigen bedeckten Wege zu versehen sein würden,
welche Frage hier bei der Ungewissheit über die noch ver-
fügbare Zeit um so erheblicher schien, als der ausserordent-
liche Umfang der beabsichtigten Arbeit bei der Schwierigkeit
_Ö3
des Defilements und bei dem geringen Vorschub, den die kaum
noch sichtbaren Reste des ehemaligen Glacis gewähren konnten,
jedenfalls Besorgnisse erregen und wenigstens auf den Versuch
jeder irgend zulässigen Beschränkung hinleiten musste. —
Indessen waren die Ansichten der Sachverständigen über
den wahrscheinlichen Angriffspunkt sehr verschieden; die Er-
fahrung aus früheren Zeiten sprach für den Hagelsberg; es
wurden aber auch sehr triftige Gründe, theils aus der Terrain-
gestaltung, theils aus der Beschaffenheit der Werke, entwickelt,
welche einen Angriff gegen den linken Flügel des Bischofs-
berges oder gegen die schwach profilirten und mangelhaft ge-
deckten Linien rechts und links des Olivaer Thores wahr-
scheinlich genug erscheinen Hessen, so dass man diese Fronten
keineswegs ausser Acht lassen konnte, zumal die ausschliess-
liche Verstärkung eines Theiles des Retranchements, z. B. des
Hagelsberges, den feindlichen Angriff um so eher auf einen
der anderen Pun'kte hingewiesen haben würde. — Unter diesen
Umständen, und um die Vertheidigungsfähigkeit der verschie-
denen einem Angriff überhaupt zugänglichen Fronten des Re-
tranchements in einem gewissen Gleichgewicht zu erhalten,
blieb nichts übrig, als sich zur Anlage des bedeckten Weges
sowohl vor dem Bischofs- und Hagelsberge, als vor den Linien
rechts unterhalb des Hagelsberges bis zur Weichsel zu ent-
schliessen und ohne Verzug Hand ans Werk zu legen. —
Es würde hier zu weit führen, alle Gründe und Ansichten
aufzuzählen und zu beleuchten, welche den eben erwähnten
Entschlnss zur Reife brachten, und es sei nur vergönnt, noch
anzuführen, dass die nächstfolgenden und späteren Begeben-
heiten die Richtigkeit der genommenen Massregeln bestätigt
haben, denn wenngleich die Franzosen wirklich damals das auf
einem Abhänge des Zigankenberges belegene Bastion Jerusalem
des Hagelsberges zum eigentlichen Angriffspunkt wählten, so
lässt sich aus der diesfälligen Darstellung ihres Chef- In-
genieurs, des Generals Kirgener, doch entnehmen, dass ur-
spi*ünglich die Absicht vorgewaltet hat, die Werke rechts unter-
halb des Hagelsberges anzugreifen, weshalb gleich nach der Ein-
schliessung die Posten von Alier-Engel, der Ziegelei und der
kleinen Kalkschanze genommen wurden, und dass man diese
_J4
Absicht nur aufgegeben zu haben scheint, weil die Kalkschan^e
von der Besatzung ohne Verzug wieder erobert und verstärkt
hergestellt, hierdurch aber einem gegen das Olivaer Thor ge-
richteten feindlichen Angriff die sichere Anlehnung des linken
Flügels genommen wurde. (Man vergleiche Kirgener Pr6cis
du siege de Danzig Seite 40 und 41.)
Im Jahre 1813 endlich ist der regelmässige Angriif gegen
den Bischofsberg geführt worden. Der bedeckte Weg wurde
demnach vor folgenden Werken hergestellt:
a) vor den Linien des Petershagener Thores, rechts bis
an den Eehlpunkt des Bastion Salvator;
b) vor den beiden Polygonen des Bischofsberges Salvator-
Mittel und Mittel-Scharfenort ;
c) rechts unterhalb des Bischofsberges, vor dem Ravelin
Vigilance und vor dem Saillant Hans Mantel;
d) vor dem Neugarten-Thore und vor der linken Face des
Bastions Kessel;
e) vor den beiden Polygonen des Hagelsberges Kessel-
Notzenberg und Schütz- Jerusalem ;
f) vor den tenaillirten Linien von Bastion Jerusalem bis
zum Olivaer Thore;
g) vor den Werken vom Olivaer Thore bis zur Weichsel,
nämlich vor dem Stiftswinkel und vor der Befestigung
des Holzraumes, wo früher ein bedeckter Weg gar
nicht bestanden hatte und also jetzt mit dem vorlie-
genden Glacis erst vollständig formirt werden musste.
üeber das Specielle der Anordnung und Ausführung findet
sich Folgendes zu bemerken:
Vor mehreren Linien des Retranchements konnte ein be-
■
deckter Weg wegen der Ueberhöhung des nahe vor oder an-
liegenden Terrains und wegen der darausfolgenden Unmöglichkeit
einer gehörigen Seiten- und Rückendeckung gar nicht zur An-
wendung kommen, wie z. B. vor den beiden Anschlussbranchen
des Bischofsberges, vor beiden Facen des Bastions Sandgrube
und vor der rechten Face des Stiftswinkels.
Noch mehrere Linien fanden sich, die zwar ebenfalls der
Enfilade nicht ganz entzogen oder selbst durch Traversen nicht
genügend gedeckt werden konnten, die aber doch als frontal-
95
geschlitzte Kommunikationen zwischen vorhandenen Werken
längs der Kontreskarpe nicht füglich zu entbehren waren. Bei
diesen half man sich in der Art, dass — zur Vermeidung einer
Besetzung dei*selben durch Truppen — das Banket ganz foH-
gelassen und dicht unterhalb der 7 Fuss hohen inneren Glacis-
böschung die Palisade gesetzt wurde. — Nur in den von solchen
Linien gebildeten Saillants brachte man auf 2 bis 3 Ruthen
Länge von der Spitze Bankets an, soweit nämlich die hier
aufgestellte Mannschaft durch die wechselseitige Deckung der
zusammenstossenden Linien einen noch hinreichend gesicherten
Standpunkt erhielt.
Bei der Höhe der Kontreskarpe vor den Bastionen des
Bischofs- und des Hagelsberges konnte der bedeckte Weg ohne
Nachtheil um 1 bis 2 Fuss eingeschnitten werden, wodurch
man an Deckung gewann und den nöthigen Boden zur Schfittung
des Glacis und Herstellung der Glaciskrete in einer angemessenen,
dem Defilement möglichst entsprechenden Höhe gleich auf der
Stelle erhielt, so dass die Arbeit mehrentheils durch Spatenwurf
geleistet und der Karrentransport nur selten erforderlich wurde,
üeberall konnte allerdings nicht eine vollkommene Rasante oder
auch nur ein stetiger Abfall des Glacis zustande gebracht
werden, da es hierzu an Zeit und Mitteln fehlte, und es war
dies namentlich auch vor der Spitze des Bastions Jerusalem der
Fall, wo das Glacis bei der stark gehobenen Krete nur eine
kapirte brustwehrartige Form erhalten konnte. Späterhin war
dies bei der Anlage des Kuronnements ein den feindlichen
Sapear allerdings sehr begünstigender Umstand. Vor den
Werken rechts des Olivaer Thores bis zur Weichsel lag die
Kontreskarpe des Wassergrabens so niedrig, dass hier das Ein-
schneiden eines gedeckten Weges nicht zulässig gewesen wäre.
üeberdies erforderten die links seitwärts auf Kernschuss-
weite gelegenen Höhen eine zum Theil sehr bedeutende Hebung
des Glacis, wodurch der Bedarf an Schüttungsboden , welcher
hier nur mittelst Wagen aus der Ferne herangeschafft werden
konnte, ausserordentlich vermehrt wurde. Der möglichst ge-
häuften Arbeitskräfte ungeachtet währte daher die Glacis-For-
mation auf diesem Posten am längsten und kam mit der auf
dem Banket der Glacis-Brustwehr stehenden Palisadirung erst
_ Ö6
am lö. März mit dem Beginn der feindlichen Blockade zunl
Schluss. üeberhaupt unterlag hier die Tracirung und Profili-
rung des bedeckten Weges wegen der schon erwähnten un-
günstigen Terraingestaltung grossen Schwierigkeiten, welche
jedoch der diesen Bau leitende, späterhin bei der Vertheidigung
am 5. Mai 1807 gebliebene Ingenieur - Major Bousmard voll-
ständig zu beseitigen wusste, dergestalt, dass zur inneren Deckung
des bedeckten Weges auch nicht eine Traverse erforderlich
wurde. — Dies erlangte man dadurch, dass die in die Höhen
alignirenden Linien nicht parallel mit der Kontreskarpe gelegt,
sondern mit der rechten Schulter so weit vorgenommen wurden,
dass ihre Verlängerung in die hohen Werke des Hagelsbcrges
traf, wobei man zwar die gewöhnliche regelmässige Trace der
Waflfenplätze und Saillants nicht ganz beibehalten, dagegen eine
vollkommene innere Deckung derselben herbeiführen konnte. —
Nur auf der langen Linie vor der rechten Face des Stiftswinkels
hätte dies Mittel nicht ausgereicht, weshalb man sich hier zur
Anlage einer 44 Ruthen langen unterirdischen Kontreskarpen-
Gallerie cntschloss, um zwischen dem bedeckten Wege des Oli-
vaer Thores und dem der Holzraumwerke eine ungestörte, des
nassen Grabens wegen auf andere Weise nicht leicht herzu-
stellende Verbindung erhalten zu können.
Diese Gallerie bestand aus Rahmen von Kreuzholz, im
Lichten 4 Fuss breit, 6 Fuss hoch, die von Mitte zu Mitte
3V2 Fuss weitgesetzt, zu beiden Seiten mit zweizölligen Bohlen
oben mit vierzölligen Bohlen belegt und hiernächst ganz mit
Boden überschüttet wurden, so dass die Stärke der Erddecke
über der Gallerie 4 bis 5 Fuss betragen mochte. Die Fugen
der Bohlendecke wurden mit Schaalbrettern belegt und die
lothrcchte Stellung und gegenseitige Spannung der Rahmen
durch zwischengekeilte Bohlenenden festgehalten.
Das ganze äussere Retranchement der Festung war nun zwar
durch die schon unter I. erwähnten Massregeln gegen einen gewalt-
samen Angriif ziemlich gesichert zu erachten, dennoch aber der
feindliche Versuch, sich desselben bei seiner Ausdehnung und
Lage durch einen Handstreich zu bemächtigen, immer noch sehr
zu besorgen. Besonders aber war ein Ueberfall zur Nachtzeit
zu betlirchten, da die Besatzung zu jener Zeit bei ihrer Unzu-
97
länglichkeit, bei dem Mangel an Erfahrung im Festungskriege
und bei der ünzuverlässigkeit der vielen Ausländer die geeig-
neten Mittel zu einem gegen Ueberrumpeluug sichernden Vor-
postendienst, oder zu der bis dahin üblichen Art, den bedeckten
Weg als äusserstes Festungswerk stehenden Fusses mit blanker
Wafte zu vertheidigen, nicht in hinreichendem Masse darbieten
könnte.
Diese Umstände brachten den Platz-Ingenieur auf den Ge-
danken, dem bedeckten Wege eine mehr selbstständige Ein-
richtung zu geben und es dem Feinde unmöglich zu machen,
sich desselben und der Kontreskarpe im Wege des gewaltsamen
Angriffs zu bemächtigen. — Es wurden zu dem Behufe Block-
häuser angelegt, welche in den eingehenden Waffenplätzen ihre
Stellen erhielten, dergestalt, dass sie vermöge ihrer Einsenkung
bis zur Schartensohle durch die vorliegende Glacisbrustwehr
gegen direktes Geschützfeuer von Aussen ganz gedeckt waren,
durch ihr eigenes flach streichendes Gewehrfeuer aber die an-
liegenden langen Linien des bedeckten Weges rein und sehr
wirksam bestreichen konnten^). — Die Kehle der Blockhäuser
wurde durch Tambur - Palisaden mit den hinterliegenden im
Graben befindlichen Palisadirungen in Verbindung gebracht
und dadurch gegen Ueberfall sicher gestellt. Diese Blockhäuser
bildeten demnach die sturmfreien Reduits des bedeckten Weges,
in deren Feuer der Feind verweilen musste, so oft er versuchte,
in den bedeckten Weg hinabzusteigen, um sich dort festzusetzen
oder um die Kontreskarpe zu überschreiten. Die Erfahrung
bestätigte die von ihrer Einwirkung gehegten Erwartungen voll-
kommen, so wie auch die gewählte Konstruktion derselben sich
in jeder Beziehung bewährte. Die Bombenbalkendecke zeigte
sich hinreichend widerstandsfähig gegen den Bombenschlag und
der Pulverdampf im inneren Räume verzog sich so schnell, dass
die Besatzung selbst bei dem lebhaftesten Gewehrfeuer dadurch
nicht belästigt wurde ^).
») Vergl. n Taf ; III Fig. 2.
') Während des gewaltsameu Angriifs auf den gedeckten Weg in der
Nacht vom 9. zum 10. Mai verschoss die 50 Mann starke Besatzung des
Blockhauses rechts des Bavelins Hagel üher 60 Patronen in Zeit von zwei
Köhler, aeschichte der Festungen Danzig und Weichselmüude. II. 7
Q8
Es wurden angelegt:
a) Vor der Front des Bischofsberges in den 4 Waffen-
plätzen der eingehenden Winkel des bedeckten Weges rechts
und links der beiden Raveline 4 Blockhäuser von 80 bis 90
Fuss Länge.
b) Rechts unterhalb des Bischofsberges vor dem Saillant
Hans Mantel ein flescheuförmiges Blockhaus. Ein bedeckter
Vertheidigungsraum war hier nothwendig, da die an dieser
Stelle belegene kleine Kontregarde mit offenen Brustwehrlinien
von den nahe vorliegenden Höhen völlig eingesehen war.
c) Vor den Werken des Hagelsberges im bedeckten Wege
6 Blockhäuser von 40 bis 60 Fuss Länge, und zwar eins der-
selben in dem Waffenplatze vor der linken Face des Bastions
Kessel, zwei in den Waffenplätzen zu beiden Seiten des Ravelins
Kessel, zwei in dem Waffenplatze links und eins in dem Waffen-
platze rechts des Ravelins Hagel.
d) Rechts unterhalb des Hagelsberges vor der Walllinie bis
zum Olivaer Thore zwei Blockhäuser in den beiden Waffen -
platzen der eingehenden Winkel.
e) Vor der Befestigung des Holzraumes in zwei Waffen-
plätzen des bedeckten Weges, und zwar vor dem sogenannten
Triangel, und in der Nähe des Anschlusses an die Weichsel zwei
grössere fleschen förmige Blockhäuser.
Der bedeckte Weg wurde im iibrigen, da der Angriffs-
punkt aus den oben erwähnten Gründen mit Gewissheit nicht
vorherzusehen war, auf dem ganzen Umzüge des Retranchements
in der gewöhnlichen Art unmittelbar hinter der Glacisbnistwehr
mit einer Palisadirung versehen. Die Palisaden bestanden
aus Halbholz, nämlich aus einmal durch die Säge getrennten
10- bis 12 zölligen Rundhölzern. Sie waren einschliesslich der
Spitze 9 Fuss lang, ragten 5^2 Fuss über dem Banket her-
vor, wurden IV2 Fuss unter der Spitze auf der nach Innen ge-
wendeten flachen Seite verriegelt und auf den Spitzen wie in
den Zwischenräumen auf der Riegellatte (zur Verhinderung des
Stunden und dennoch sammelte sich der Piilverdampf \m innern Raum nicht
in dem Masse an^ dass die ThHtigkeit der Besatzung dadurch nur einen
Augenblick gehemmt worden wäre.
__^9
Auftretens und üebersteigens) rait starken und scharfen eiser-
nen Nägeln besetzt. — Die sonst gewöhnlichen Erdtraversen
des bedeckten Weges Hess man weg, theils weil man — wie
erwähnt — nicht beabsichtigen konnte, denselben mit Truppen-
massen unmittelbar zu vertheidigen , theils weil die mittelbare
Vertheidigung und Behauptung vermöge des Feuers aus den
Blockhäusern durch jene Erdtraversen offenbar behindert oder
ganz unthunlich geworden wäre. Die Zweckmässigkeit dieser
Weglassung wird durch den französischen General Kirgener selbst
gewissermassen bestätigt, wenn er in seinem Werke über die
Belagerung von Danzig Pag. 27 sagt: on a fait un d6bouch6
blinde pour entrer dans le chemin couvert, qui n'ayant point
de traverses, n'offrait aucun moyen de se defiler.
Ausser der Herstellung oder Neuanlage des bedeckten
Weges vor dem äusseren Retranchement unternahm man auch
die Instandsetzung eines Theiles des bedeckten Weges vor dem
Hauptwalle selbst und zwar vor den Bastionen Jacob, Fuchs
und Luchs. Es geschah dies in der Besorgniss, dass der Feind
die Werke unterhalb des Hagelsberges angreifen und nach deren
Wegnahme seine Approchen gegen das Bastion Jacob richten
könnte. Demgemäss wurde
a) die Glacisbrustwehr vor den genannten Bastionen, so
wie der Wall der kleinen Fleschen in den eingehenden Winkeln
hergestellt und palisadirt;
b) die kleine Ltinette vor der Spitze des Bastions Jacob
(der sogenannte Jacobs halbe Mond) retablirt und
c) links neben dem Ravelin vor dem Jacobsthore zur
Deckung der Ravelingrabenbrlicke ein palisadirter Waffenplatz
angelegt.
2. üeber die Vermehrung, Verbesserung oder Sicherstellung,
der Kommunikationen sowohl in den einzelnen Werken, als
zwischen den voreinanderliegenden Enceinten.
Um die Verbindung zwischen den Haupttheilen des äusseren
Eetranchements und der hinterliegenden hohen Front des Haupt-
walles zu vervollständigen und auf näherem Wege als durch
die beiden Hauptthore des letzteren nach dem Hagels- und
Bischofsberge gelangen zu können, wurden durch die Fausse-
braiemauer der Kurtine Elisabeth — heilige Leichnam, unweit
7*
löo
der Flanken, zwei Pforten gebrochen und vor denselben quer
über den Hauptgraben zwei Prahinfahrten und in ähnlicher Art
hinter dem Bischofsberge, rechts links des kleinen Hauptwall-
bastions Katz drei solcher Prahm-Kommunikationen eingerichtet.
Die Prahme wurden durch die übersetzende Mannschaft selbst
fortbewegt und zwar an Tauen, welche quer über den Graben
gespannt auf beiden Ufem befestigt waren und an einem Längen-
bord der Prahme in Rollen liefen. Um demnächst die weitere
direkte Verbindung von der Kontreskarpe des Hauptgrabons
nach dem Hagelsberge sicher zu stellen, palisadirte man die
beiden Anschlusslinien, welche von den Bastionen Jerusalem
und Schütz bis zum Hauptgraben herunter führen, und in ähn-
licher Absicht schloss man auch den rechten Flügel des Bischofs-
berges, welcher mit dem kleinen Bastion Vigilance endet, durch
eine starke Palisadirung dem Hauptgraben vor Bastion Karren
an, während der linke Flügel des Bischofsberges durch die
Walllinie am Petershagener Thore mit den Hauptwerken bereits
in Verbindung stand. — Ausserdem wurden die dem Hauptwall
zugewendeten hochliegenden Kehlen des Bischofs- und Hagels-
berges mit einer Palisadirung umschlossen, so dass nach allen
diesen Vorkehrungen beide dominirenden Hauptwerke des äusse-
ren Retrauchements als selbstständige, auch in ihrer Verbindung
mit dem Hauptwall gesicherte Befestigungen zu betrachten
waren, von denen aus die Vertheidigung und Behauptung des
ganzen Retrauchements immer noch erfolgen konnte, selbst
wenn es dem Feinde gelungen wäre, sich durch Ueberfall in
Besitz einzelner Theile desselben, z. E. der Werke am Olivaer
oder Neugarten thore zu setzen. — Ferner wurden zur Unter-
haltung militairischer Verbindungen am Ganskruge zwei
Fähren zur Ueberfahrt nach der Nehrung und hinter dem rech-
ten Flügel der Holzraumbefestigung vier Fähren zur
Kommunikation mit dem Holm in Gang gesetzt. — In dem
äusseren Retranchement fehlte es an Poternen und gesicherten
Verbindungen mit den Werken der Kontreskarpe. Um diesem
Mangel abzuhelfen, wurde
a) auf dem Bischofsberge:
Vor der zum Graben führenden gemauerten Poterne der
Kurtine Salvator - Mittel* eine in die Grabensohle eingesenkte
101
100 Fuss lange bedeckte hölzerne Kommiuiikationsgallerie bis
zur Kehle des Eavelins Mittel, sodann in dem Kurtineuwall Mittel-
Scharfenort eine zum Graben führende 96 Fuss lange, 7 Fuss
breite, 7 Fuss hohe Poterne in Holz durch den Mineur augefertigt
uud ausserhalb vor dieser Poterne quer durch den Graben eine
unterirdische 100 Fuss lange Verbindungsgallerie nach der
Kehle des ßavelins Scharfenort angelegt, diese letzte Gallerie
aber zu Tage gearbeitet und demnächst überschüttet.
b) Auf dem Hagelsberge
wurde die Verbindung über den Graben nach den Ravelinen
durch die schon oben beschriebenen offenen, zu beiden Seiten
palisadirten Koffres gebildet. Massive Poternen waren vor-
handen.
c) In der tenaillirten Befestigung, rechts unterhalb des
Hagelsberges, wurden in den beiden Rentrants zwei gallerieartige
Poternen 72 Fuss lang, 4 Fuss breit, 6 Fuss hoch, durch den
Wall getrieben und ausserhalb vor diesen Poternen zwei be-
deckte und krenelirte hölzerne Gallerien quer durch den Graben
angelegt, die Kontreskarpe hinaufgeführt und mit den im be-
deckten Wege hier errichteten Blockhäusern in unmittelbare
Verbindung gebracht.
d) In der linken Anschlusslinie der Holzraumbefestigung
wurde eine 40 Fuss lange Poterne, 7 Fuss breit und ebenso
hoch, in Holz zu Tage gearbeitet und überschüttet und ausser-
halb vor dieser Poterne zur unmittelbaren Kommunikation mit
dem vorliegenden Blockhause und Waffenplatz eine schwim-
mende Brücke über den Wassergraben angebracht, welche so
eingerichtet war, dass, wenn man sie auf der Seite der Kon-
treskarpe loshakte, sie durch den Strom des Grabens sogleich
an die Eskarpe geschwenkt wurde und hier angelehnt liegen
blieb. — Vom Halbbastion Triangel gelangte man durch eine
Prahmüberfahrt nach dem Holzraum.
Nächst allen vorerwähnten Vorrichtungen wurde es noch
erforderlich, mehrere dem Enfilade- oder Rückenfeuer ausge-
setzten Walllinien und Wallkommunikationen durch Traversen
und Parados zu decken, wie z. E. die rechte Face des Stifts-
winkels rechts des Olivaer Thores, die rechte Face des Halb-
bastions Triangel, die rechten Hälften der kleinen Holzraum-
102
bastione, die Faceu der Bastione Schütz und Jerusalem des
Hagelsberges, die hohen Flauken derselben und späterhin nach
dem Beginn des Enfiladefeuers vom Stolzenberge her noch das
ganze innere Plateau des Hagelsberges, zu welchem Zwecke
daselbst in der Eile drei grosse 9 bis 10 Fuss hohe Traversen
errichtet werden mussten.
3. Die Beschaffung von Unterkunftsräuraen für Truppen
und Munition in den dem förmlichen Angriff ausgesetzten Werken.
Durch die im bedeckten Wege des äusseren Rctranchements
errichteten Blockhäuser, sowie durch die Vermehrung der Po-
ternen und durch die Anlage bedeckter Kommunikationen war
schon einigermassen für Unterkunft von Mannschaften, beson-
ders in den Aussenwerken des Retranchements Sorge getragen
worden. — Innerhalb des Hauptwalles des Retranchements
fehlte es aber ebenfalls ganz und gar an bombensicheren Räu-
men, und man hatte fürerst nur, wie schon oben erwähnt worden
(I. 9.), hölzerne Wachtbuden errichtet, um den Truppen, bei
denen infolge des angestrengten Dienstes und der rauhen Jahres-
zeit die Krankheitsfälle auf eine beunruhigende Weise zunah-
men, wenigstens ein Obdach gegen die Witterung zu geben. —
Nunmehr wurde auch der Bau bombenfester mit Kochvorrich-
tungen versehener Baracken begonnen, in welchen die Truppen
der Wallbesatzung ein auch gegen Hohlgeschosse geschütztes
Unterkommen finden konnten, was um so nothwendiger schien,
als während der Vertheidigung noch auf bedeutenden Abgang
zu rechnen war und dann die Besatzung, wie sich vorausselien
Hess, nicht mehr stark genug bleiben würde, um eine regel-
mässige Ablösung der Wallwache eintreten lassen zu können.
Dergleichen bombenfeste Blockgebäude, bis auf die Feue-
rungsanlagen ganz in Holz konstruirt, mit 12 zölligen Balken
gedeckt und darüber 4 bis 5 Fuss hoch mit Erde beschüttet *),
wurden an folgenden Stellen errichtet:
a) auf dem Bischofsberge hinter beiden Kurtinen, an den
Wallgang angelehnt, zwei Baracken von resp. 16 und 18 Ruthen
Länge und 12 Fuss Tiefe;
») Vergl. II Taf. III Fig. 3.
103
b) unweit des Neugarten-Thores im Bastion Sandgrube^)
zwei Baracken und zwar eine grössere innerhalb des Abschnittes
an der Wallgangsböschung, eine kleinere ausserhalb des Ab-
schnittes im Hofe des Saillants freistehend von resp. 13 und
6 Ruthen Länge;
c) auf dem Hagelsberge im Innern des Bastions Kessel eine
Baracke, freistehend, von 8 Ruthen Länge, und hinter der Kur-
tiue Schütz-Jerusalem an die Reversböschung des Wallganges
angelehnt drei Baracken von resp. 8, 6 und 10 Ruthen Länge.
Ausserdem wiude
d) das alte Wachthaus auf dem Holzraum, welches massive
Umfassungswände hatte, mit einer Balken- und Erddecke
belegt.
Diese neuen bombensicheren Localien konnten, für jeden
Kopf 18 Quadratfuss Raum gerechnet, etwa 720 Mann auf-
nehmen. In den oben gedachten 16 Blockhäusern des bedeckten
Weges fanden nach der getroffenen Disposition zur Besetzung
derselben etwa 750 Mann Unterkommen, so dass, wenn ausser-
dem noch auf Gallerien und Poternen gerücksichtigt wird, inner-
halb des ganzen Retranchements ein bombensicherer Raum für
mindestens 1600 Mann vorhanden war, d. h. für zwei Dritt-
theile der wirklich zur täglichen Besetzung des Retranchements
bestimmten Mannschaf t, da diese, exclusive einer in den Quartieren
verbleibenden Bereitschaft von 1200 Mann, 2300 Mann betrug.
In Beziehung auf den oben erwähnten Barackenbau könnte
noch in Frage gestellt werden, ob es nicht den Vorzug ver-
dient haben möchte, statt der an die Kurtinenwallgänge ge-
lehnten Baracken, welche ausschliesslich den Zweck der bomben-
sicheren Unterkunft eines Theiles der Wallbesetzung haben
konnte — freistehende vertheidigungsfähige Blockgebäude in
den Kehlen des Bischofs- und Hagelsberges etwa an den Stellen
zu errichten, wo sich jetzt die permanenten Reduits dieser
Werke befinden? Im rein fortifikatorischen Sinne möchte man
geneigt sein, diese Frage ohne weiteres zu bejahen, und zwar
im vorliegenden Falle um so mehr, als dergleichen Reduitposten
*) Nach der skizzirten Geschichte S. 25 wurde vor Hansmantel der sog.
Hut gänzlich haugardirt, weil der vorliegende Stolzv^nberg das Werk einsah. Kh.
104
bei der grossen Ausdelmung des äusseren Retranchements zu
Danzig der Vertheidigung desselben mehr Sicherheit und Hal-
tung und eben daher auch mehr Befähigung beigelegt haben
würden, die Behauptung des angegriffenen Thciles bis auf das
äusserste fortsetzen und jedenfalls den Sturm abwarten zu
können, ohne wegen der Folgen und namentlich wegen Deckung
des Rückzuges der Besatzung in die liinterliegende Haupt-
befestigung zu bedenkliche Zweifel hegen zu dürfen, welche
letzteren nicht selten zur voreiligen Räumung angegriffener
Aussenwerke Veranlassung gegeben haben. — Wenn anderer-
seits aber erwogen wird, ob mit Rücksicht auf die Lage der
damaligen Verhältnisse und auf die ungewisse Dauer der ver-
fügbaren Zeit die Unternehmungen eines solchen Reduitbaues
auch rathsam und zulässig gewesen wären, so dürfte diese Frage
bestimmt verneint werden müssen, da selbst die wirklich aus-
geführten sehr einfachen Baracken erst nach Beginn der Feind-
seligkeiten belegbar hergestellt werden konnten — die zu mehr-
seitigen Rcduits zusammenzustellenden grossen Blockhäuser aber
unstreitig eine weit complicirtere Konstruktion, dabei noch be-
sondere Vorrichtungen wegen ihrer Verbindung mit den hinter-
liegenden Werken und ausserdem so bedeutende Aufraums-
arbeiten erfordert haben würden, dass ihre rechtzeitige Voll-
endung gar nicht abzusehen gewesen wäre. — Auf diese Weise
hätte es sich dann ereignen können, dass die Besatzung, selbst
für die letzte und wichtigste Periode der Vertheidigung sowohl
ohne bombensicheres Unterkommen, als ohne Reduit geblieben
wäre, wobei besonders der Mangel des crsteren wegen zu nam-
haften Verlustes an der schon sehr geschwächten Besatzung
auf die Dauer und Energie des Widerstandes leicht sehr nach-
theilig hätte einwirken können.
Bei dem grossen Flächen räum der Stadt Danzig selbst
glaubte man auf Einrichtungen znr gesicherten Unterkunft von
Mannschaften und Lebensmitteln im Innern derselben nicht
weiter Bedacht nehmen zu dürfen, da vorausgesetzt wurde, dass
ein grossser Theil der Stadt, namentlich die Speicherinsel und
Langgarten, durch Bombardement nicht zu erreichen
sein würden, was im Verlaufe der damaligen Vertheidigung
sich auch bestätigte.
105
Zur bombensicheren Unterbringung der Munition benutzte
man mehrere auf der Niederungsseite des Hauptwalles ausser
dem feindlichen Geschützbereich belegene alte Pulver-Magazine
und einige der geräumigeren Gewölbe in den Bastionen der
hohen westlichen Front des Hauptwalles, und es wurden dem-
gemäss 5 vorhandene gemauerte Friedenspulvermagazine durch
Aufbringung von Balken- und Erddecken zu bombenfesten
Kriegsmagazinen und das grosse Suterrain unter Bastion
Wieben von 120 Fuss Länge und 9 Fuss Breite, nebst 2 an-
liegenden kleinen Gewölben durch Einbauung von Repositorien
zu Haupt-Munitions-Depots eingerichtet.
Um aber einen grossen Theil der fertigen Munition gleich
in den Werken gehörig vertheilt und sicher untergebracht bei
der Hand zu haben, errichtete man innerhalb des Retranchements
und im Umzüge des Hauptwalles 62 kleine Munitionsbehältnisse,
jedes durchschnittlich 12 Fuss laug, 6 Fuss breit und 6 Fuss
unter den Rahmen hoch, und ausserdem noch 7 etwas geräu-
migere Behältnisse. Die Anlage dieser Verbrauchs - Magazine
erfolgte mehrentheils in der Rückseite hoher Wallgänge, oder
unter Traversen und WuUprofilen, insofern deren Lage eine
angemessene Sicherung der Eingänge zuliess. — Sie wurden zu
Tage gearbeitet und nach einer möglichst einfachen Konstruk-
tion angefertigt, indem man sich hölzerner Rahmen von 9 Zoll
Stärke bediente, welche von 4 zu 4 Fuss gesetzt, auf den ver-
tikalen Seiten mit 6 zölligen Halbhölzern hinterlegt, oben nach
der Länge des Raumes mit 9 bis lOzölligen Balken bedeckt,
hierauf rings mit Boden umschüttet und über den Balken-
decken mit einer mindestens 5 Fuss hohen Erddecke versehen
wurden. — Der Fussboden erhielt eine Dielung und der Ein-
gang einen doppelten Thürverschluss. Im ganzen hat die ge-
wählte Konstruktion genügt ; wenigstens ist während der ganzen
Dauer der Belagerung keines dieser Pulverbehältnisse durch
feindliche Projectile zerstört oder aufgesprengt worden.
4. Die Anlage neuer Aussen- und detaschirter Werke.
Zu diesen Anlagen sind folgende zu rechnen:
a) Die Schanze an der Rückf orter Schleuse mit ihrem
Blockhanse, die Verschanzungen am Ganskruge vorlängs des
Weichseldammes und an der Wer der sehen Brücke, welcher
106
Werke scliou weiter oben wegen ihrer Beziehung zu den Inun-
dations-Au lagen ausführlich gedacht worden, und welche hier
der vollständigen Uebersicht wegen nur nochmals ei'wähut
werden.
b) Das Retranchement längs des Stolzenberger Grundes
vor der Front Salvator-Mittel des Bischofsberges.
Dies Werk bestand eigentlich nur in einer Brustwehr,
welche der vorhandenen Terraingestaltung folgend mit ein- und
ausgehenden Winkeln hart an dem diesseitigen dominirenden
Rande des steil und tief eingeschnittenen Stolzenberger Grundes
gebildet wurde, um diesen vom Bischofsberge her nirgends be-
strichenen und mithin der Festung sehr nachtheiligen Grund
ganz in der Nähe übersehen und wirksam vertheidigen zu
können. Auf dem linken Flügel schloss sich dies Retranchement
dem bedeckten Wege vor Bastion Salvator an, auf dem rechten
Flügel wurde dasselbe durch eine in Holz construirte krenelirte
28 Ruthen lange Gallerie, welche man bis zur Schartensohle
einsenkte und mit einer Balken- und Erddecke versah, mit
dem bedeckten Wege vor der linken Face des Bastions Mittel
in Verbindung gebracht und zugleich durch diese Gallerie die
sonst durch kein Terrain-Hinderniss geschützte rechte Schulter
dieses vorgeschobenen Retranchements sowohl gegen Einsicht
als gegen gewaltsamen Angriff möglichst sichergestellt. — Die
Gallerie gewährte überdies einen zweckmässigen Untcrkunfts-
rauni für einen Theil dei* Besatzung. — Zur niederen Bestrei-
chung des unteren Einganges des Stolzenberger Grundes wurde
auch die vor dem Legenthore im Bereich der Inundation bele-
gene und für einen gewaltsamen Angriff unzugängliche B arm-
herz ige-Brüder- Schanze besetzungsfähig hergestellt.
c) Die detaschirte Lünette dicht vor dem Olivaer Thore.
- Da dieses Thor gegen das äussere Terrain sehr exponirt
liegt, dasselbe damals nur durch einen kleinen, mittelst einer
palisadirten Erdflesche verstärkten Waffenplatz gedeckt und gleich
wohl seiner Lage nach für die Offensivbewegung der Besatzung vor-
zugsweise bestimmt war, so schien es nöthig, den äusseren Zu-
gang zum Thore noch durch eine Lünette zu sichern, welche
so weit vorgeschoben wurde, dass die vor- und zurückgehenden
Truppen sich hinter der Kehle derselben ohne Behinderung
107
durchziehen, und dass ihre Faceii von den anliegenden Befes-
tigungslinien noch hinreichend ilankirt werden konnten. — Man
begann dies Werk erst in der Nacht vom 3. zum 4. April, nach-
dem der Feind die Traucheen vor dem Hagelsberge schon er-
öffnet hatte, so dass es unter dem feindlichen Feuer vollendet
werden musste. — Es erhielt einen nur etwa 6 Fuss tiefen
trocknen Graben, welcher längs der Kontreskarpe mit einem
dichten Verhau versehen wurde. Der Anschluss an die hinter-
liegende Glaciskrete erfolgte ebenfalls auf beiden Flügeln der
Lünette durch einen mit den Stammenden eingegrabenen Ver-
hau. — Die innere Deckung des Werkes und namentlich der
rechten Face gegen die links anliegenden Höhen war schwierig
und konnte nur durch starke Bonnetirung und durch Zuhälfe-
uahme von Traversen bewirkt werden.
d) Die kleine Kalkschanze am linken Weichselufer,
ungefähr 700 Schritt vor der Befestigung des Holzraumes.
Dies Werk wurde auf der Stelle einer alten völlig einge-
ebneten Redute angelegt, von welcher nur noch ein schmaler
und nicht hinreichend tiefer Wassergraben vorhanden war. —
Es sollte zur Verstärkung und Flankirung des rechten An-
schlusses des äusseren Retranchcments zwischen dem Olivaer
Thore und der Weichsel dienen, und zugleich dem Feinde die
Festsetzung an der Weichsel und sein Vorgehen gegen das Oli-
vaer Thor erschweren. Um diesen Posten vom Holm und vom
Holzraum aus einsehen und beheiTschen zu können, wurde er
in den Grenzen der alten Gräben nur in Form einer offenen
Flesche hergestellt und mit 50 Mann besetzt. — Die Palisa-
dirung war noch nicht zustande gebracht, als der Feind in
der Nacht vom 2. zum 3. April sich des Werkes bemächtigte
und es sogleich zu einer geschlossenen Redute umzufonnen
begann. Am 3. April morgens wurde dasselbe wieder genommen,
an demselben Tage und in der folgenden Nacht die Palisadirung
geschlossen und rückwärts eine gedeckte Kommunikation mit
dem Holzraum zustande gebracht. Demnächst beschäftigte
man sich mit der Erhöhung und Verstärkung des Profils dieses
Werkes, da es täglich dem Geschützfeuer der umliegenden Bat-
terien ausgesetzt war. —
e) Die sogenannte Blockbausscbauze auf einer schmalen
108
Landzunge an der Einmündung der Mottlau in die Weichsel,
der oberen Holnispitze und der Einmündung der Scliutenlake
gegenüber. — Sie wurde auf der Stelle eines baufälligen, zu-
vor zu demolirenden alten Blockhauses, welches zur Zeit der
preussischeu Besitznahme von Danzig im Jahre 1793 schon vor-
handen war, errichtet und erhielt daher den Namen Blockhaus-
schanze. Der Mangel an Raum und an Boden machte es noth-
wendig, den 12 Fnss starken, durchschnittlich 13 bis 14 Fuss
hohen Wall des Werkes innerhalb und ausserhalb mit einer
senkrechten — Holzbekleidung zu verseilen, die Bankete und
Geschützbänke aber durch solide, aus Balkenholz gezimmerte
und mit 3 zölligen Bohlen belegte Rüstungen zu bilden. —
Die Wallbekleidungen sowohl, als Rüstungen waren in sich Iiin-
reichend stark verankert, um dem Erddruck und der Erschüt-
terung des Geschtttzfeuei-s zu widerstehen. - Die der Festung
zugewendete Seite der Schanze bestand nur in einer 3 zöl-
ligen Bohlenwand, um nöthigenfalls von den hinterliegenden
Fronten aus geöffnet werden zu können. — Im Inneren der-
selben befand sich eine bombenfeste Baracke und ein Munitions-
behältniss. — Im ganzen wurde diese Schanze so sorgfältig
und regelmässig erbaut, dass sie hinsichtlich ihrer Konstruktion
einem im tiefsten Frieden und bei günstiger Jahreszeit errich-
teten Werke völlig gleich erachtet werden konnte; indessen war,
wie ei-wähnt, der Mangel an Erdreich und die weite Heranschaffung
des Materials dem Bau sehr hinderlich, und es lag hierin auch
die Veranlassung, dass derselbe erst gegen den Schluss der
Vertheidigung ganz beendet wurde. — Von der Blockhausschanze
rückwärts nach Strohdeich warf man späterhin längs der Mott-
lau eine trancheeartige Verbindungslinie auf, um nach dem Ver-
lust des Holmes gedeckt von der Festung nach diesem Posten
gelangen zu können.
f) Die kleine Verschanzung an der rothcn Brücke vor
dem Legethore links neben der Barmhcrzigen-Brüderschanze.
Dies Werk diente als Aussenpostcn des oben genannten Thores
und zur Bestreichung des durch das überschwemmte Niederungs-
terrain nach Alt-Schottland führenden Dammes.
g) Ein detaschirtes Werk auf der Jesuiterhöhe, 900
Schritt vor der Front Salvator-Mittel des Bischofsber^es, etwa
lOÖ
auf derselben Stelle, wo die Franzosen während der Verthei-
dignng im Jahre 1813 eine Verschanzung angelegt hatten.
Dasselbe bestand in einer bastionsförmigen Lünette, ihrem um-
fange nach auf 200 Mann und 4 Geschütze berechnet, welche,
wenn die Zeit es noch erlaubt hätte^ mit einem Blockhause im
Innern versehen worden wäre.
Am 8. März begann mau diese Arbeit und die Brustwehr
fing bereits an, sich zu bilden, als der Feind am 10. März nach-
mittags alle Truppen der Besatzung, welche sich auf dieser
Seite der Festung noch ausserhalb der Werke befanden, bis an
das <31acis zurückwarf und auch die Arbeiter von der begonnenen
Schanze vertrieb. Er wurde zwar sogleich wieder delogirt, da
indessen diese Angriffe in den nachfolgenden Tagen sich wieder-
holten und keine Hoffnung vorhanden war, das Werk seiner
weit vorgeschobenen Lage entsprechend noch in einen hinreichend
wehrhaften Stand setzen zu können, so wurde die Arbeit an
demselben aufgegeben. — Ebenso wurde, wie wohl man sich
gegen einen regelmässigen Angriff viele Vortheile davon ver-
sprechen konnte, die Anlage eines vorgeschobenen selbststandigen
Werkes auf den Zigankenbergen gar nicht begonnen; denn
die Ai-mirung der Hauptwerke nahm alle nur aufzubringenden
Kräfte fortgesetzt dergestalt in Anspruch, dass es nicht mög-
lich war. sich noch mit der Schöpfung weit detaschirter Aussen-
post^n einzulassen, die keinenfalls mehr ganz vollendet oder
auch nur insoweit haltbar gemacht werden konnten, um nicht
alsbald mit Tiiippen und Geschütz ein Opfer des Feindes zu
werden.
h) Die Deckungslinien und Batterien auf der Holminsel.
Diese bestanden eigentlich nur in einem zusammenhängenden,
trancheeaitigen Aufwurfe, welcher dem ümriss der Holminsel,
und zwar den Dämmen sowohl längs des Weichselufers als
längs der Sdintenlake, folgte , um diese üferlinie gegen das
feindliche Feuer gedeckt besetzen und beobachten zu können.
Dabei wurden die Reste einiger alten Schanzen benutzt, um
darauf Batterien zur Bestreichung der Dämme des gegenüber-
liegenden linken Weichselufers *) und zur Flankirung der Ealk-
*) Nach fler skizzirten Oeftchichte S. 62 wurde gegenüber Schellmühl
110
schanze anzulegen. — Bei diesen im ganzen nicht unbedeu-
tenden Erdarbeiten hatte man. wie oben erwähnt, hauptsächlich
nur den Zweck der Deckung der aufgestellten Mannschaften
und Geschütze vor Augen, während besondere Sicherungsmass-
regeln gegen einen gewaltsamen Angriff nicht zur Anwendung
kamen.
2. Die artUleristische Armirting.
Ueber die artilleristische Armirung erfahren wir durch
Brese^) die Aufstellung der Geschütze gegen den gewaltsamen
Angriff, welche für die Stadt mit ihren Aussenwerken ohne
Weichselmünde 249 Geschütze in Anspruch nahm, wovon auf das
Retranchement 151, auf die Stadtumwallung 93, auf die Block-
hausschanze 2, die Schanze vor der Rückforter Schleuse 3 Ge-
schütze kamen. Zur Disposition gegen den förmlichen Angriff
blieben nur 12 Geschütze. In Weichselmünde und Neufahr-
wasser waren 68 aufgestellt. Dazu trat die Ausfallbatterie.
Dem Kaliber und der Gattung nach zerfielen die 349 Ge-
schütze ohne die Ausfallbatterie in
46— 3 pfundige, 120— 6 pfundige, 122— 12 pfundige,
15 — 20pfündige Kanonen *),
eine Schanze für 4 Kanonen und weiter abwärts eine zweite aufgeworfen,
um den Weg von Laushof zu bestreichen.
*) Archiv S. 74. Beilage I. Die skizzirte Geschichte (Plümicke) S. 46
stimmt in der Gesammtzahl der Geschütze darin überein, weicht aber in der
Vertheilung davon ab. Da anzunehmen ist, dass deren Angabe dem PnUet-
sehen Manuskript entnommen ist, so mag obige Berechnung dem Armirungs-
plan angehören, die Pnlletsche Angabe dagegen der spätem Verwendung ent-
sprechen, da die Reserve darin zur Aufstellung gelangt ist. Die Aufstellung
war danach folgende: Auf dem Hauptwalle der Stadtbefestigung befanden
sich in allen 80 Stück, auf dem Retranchement vom Petershagener Thor bis
incl. Holzraum 141, in der Rückforter Schanze 5, am Ganskruge 8, im Block-
haus 5, au der Werderschen Brücke 2, an der rothen Brücke 2, in der barm-
herzigen Brüderschanze 3 und auf dem Holm 15. In Wefchselmünde und
Neufahrwasser 88 Geschütze.
*) Es sind dieselben Kaliber, welche die Stadt nach dem schwedischen
Kriege 1626—1629 eingeführt hatte und die wir oben Bd. I S. 478 haben ent-
stehen sehen. Die Uebereiustimmung in der Zahl mit den Geschützen, mit
welchen die Stadt 1734 ausgerüstet war, .scheint zu ergeben, dass ein Zu-
wachs seitdem nicht eingetreten war. Sie waren mit der Stadt 1793 an
Prenssen übergegangen und von diesem nicht vermehrt worden.
111
9 — 7 pfundige, 11 — lOpfündige Haubitzen,
15 — SOpftindige, 11 — öOpfiindige Mörser.
Die Aufstellung war ganz den bekannten Grundsätzen ent-
sprechend, wonach die 3- und 6 pfundigen Kanonen als Flanken-
geschütze, die 12 pfundigen Kanonen und, wo das Terrain es
erforderte, Haubitzen zur Bestreichung des Vorterrains auf den
Facen oder ausspringenden Winkeln, die Mörser zur Beleuch-
tung des Vorterrains auf den Kurtinen oder in den Spitzen der
Bastione aufgestellt waren. Auch ist eine Bevorzugung des
Bischofs- und Hagelsberges oder gar, dass dieselben von vorn-
herein gegen den förmlichen Angriff bewaffnet waren, nicht zu
erkennen. Um so auffallender ist die geringe Zalil der Reserve-
geschütze, die gegen den förmlichen Angriff disponibel gehalten
wurden, was aber noch mehr ist, sie gelangten gar nicht zu
dieser Verwendung, weil das sich bald herausstellende Bedürfniss,
die Weichsel in ihrem untern Lauf zu beherrschen, und später
die Besorgniss, den Holm zu verlieren, dahin führten, dass sie
sämmtlich wenigstens der Zahl nach dahin detachirt wurden.
Diese Reserve von 12 Geschützen gegen den förmlichen Angriff
bestand aus 5 — 12pftindigen und 4 — 20pfündigen Kanonen,
2 — 10 pfundigen Haubitzen und einem Flankengeschtitz.
Die sehr schwerfälligen 20 pfundigen Kanonen wurden zum
gi'üssten Theil auf der hohen Front (Bastion Gertrud, Wieben,
KaiTcn, Elisabeth und Jakob) vei-wendet, wo sie den ganzen
Verlauf der Belagerung stehen bleiben und dabei das Terrain
vor dem Petershagener und Olivaer Thor bestreichen konnten.
Vermöge des tief eingeschnittenen Schidlitzthals konnten sie
auch gegen einen förmlichen Angriff auf den Bischofs- oder
Hagelsberg hinwirken. Auf dem Retranchement selbst sind nur
2 zur Verwendung gelangt'). Auffallend erscheint, dass die
schwache Olivaer Front nur mit 20, der Anschluss zwischen
dem Bischofs- und Hagelsberg, der ziemlich dieselbe Ausdeh-
') Wenigstens bei der AnfsteUnng gegen den gewaltsamen Angriff.
Da jedoch 5— 20pfündige Kanonen im Lauf der Belagenmg auf der Angriffs-
front demontin worden sind (Brese Archiv Bd. 11. S. 62 Note), so müssen
gegen den förmlichen Angriff noch mindestens 3 aus der Reserve auf den
Hr.gelsberg geschafft worden sein.
112
nung hat, dagegen mit 45 Geschützen besetzt worden sind.
Das Verhältniss findet seine Erklärung jedoch darin, dass der
Anschhiss wegen der zahlreichen ausspringenden Winkel seines
tenaillirten Tracees eine grössere Zahl von Flankengeschützen
erforderlich machte (23 gegen 9) und eine grössere Zahl von
Wurfgeschützen zur Beleuchtung der vorliegenden Schluchten
bedurfte (7 gegen 2).
Aus allem geht hervor, dass die Ausrüstung des Platzes
mit Geschützen eine zu geringe war. Noch viel grösser war
indessen die Kargheit in der Ausrüstung der Festung mit
Pulver.
Nach dem Originalbericht des Artillerie-Offiziers vom Platze,
Majors von Oppen, vom 12. März 1S04 *) befanden sich:
ctr. Pfd.
1. Im Haupt-Depot (in den Gewölben des Bastions
Wieben) zu Munition verarbeitet 1091—35
2. In den Pulvermagazinen auf der Niederungs-
seite der Festung in losem Pulver in FäSvSern 618—55
3. In den Verbrauchs-Pulvermagazinen der Werke
in Kartuschen, Bomben, Granaten, Leucht-
kugeln etc 393—77
und an losem Pulver in Fässern ..... 8—55
4. An Gewehr- und Karabinerpatronen 808272 304—37
Ausserdem an Pulver, theils von Privatleuten
angekauft, theils aus Pillau erhalten^) ... 142 —
In Summa zu Danzig 2558—39.
Den Befestigungen von Weichselmünde und Neu-
fahrwasser waren zugetheilt worden 345 —
Summa des ganzen Bestandes
bei erfolgender Einschliessung 2903—39.
*) V. Brese S. 96. 96. Das Pulver aus Pillau pp. ist erst am 6. April
angelangt, daher das „ausserdem". Es geht daraus hervor, dass der Graf
Kalkrenth sich sogleich nach seiner Ankunft den Pnlverrapport vorlegen
Hess.
•) Die von Pillau erhaltenen 125 Ctr. Pulver waren infolge Requisition
des Guvemements um Vennehrung der Bestände von 500 Ctm. übersendet
worden. Auf weitere 300 Ctr. gab der Kr>nig unterm 26. April eine wieder-
holte Anweisung an das 1. Departement des OberkriegskoUegiums , wie es
Nach der skizzirten Geschichte der Belagerung sind nach
der Berennung noch 600 Centner Pulver von Danziger Kauf-
leuten aufgekauft worden, die jedoch nur zur Füllung von
Bomben etc. zu verwenden waren*).
Als Haupt-Laboratorium wurden die Gewölbe des Bastions
Elisabeth, speciell der in der Erdschüttung desselben gelegene
alte Eandelersthurm benutzt.
G. Die Besatzung.
Der Guverneur Graf Kaikreuth, welcher am 11. März,
dem Tage Ae% Berennung, in Dauzig eintraf, war bereits ein
70er. Aus der Schule Friedrichs des Grossen hervorgegangen,
hatte er sich in den Revolutionskriegen vielfach ausgezeichnet,
war ein gewandter Taktiker und verstand es, seine Untergebenen
zu inspiriren. Auch mit dem Festungskriege war er vertraut.
Dabei war er ein wissenschaftlich gebildeter, vor allem aber
ein humaner Mann, der das Vertrauen der Bürgerschaft in
hohem Grade genoss und sie zu grosser Opferwilligkeit fort-
riss. Er soll nach Boyen (Erinnerungen 1, 264) ungern nach
Danzig gegangen sein. Boyen schildert ihn als eingefleischten
Egoisten und wirft ihm den Verlust der Schlacht von Auer-
schdnt anf Drängen des Guyenieurs (Belagerung von Danzig 1807. Aas
den Originalpapieren pp. Posen und Leipzig 1809 S. 183). Graf Kalk-
renth drückt sich hierüber in einem Schreiben vom 6. Mai an den Major
Y. Oppen (S. 184) wie folgt aus: „Ew. pp. wissen, dass wir nur 500 Ctr.
Pnlver gefordert haben, davon sind 125 Ctr. bereits hier, fKX) wahrscheinlich
schon in Nenfahrwasser, wenn wir aber auch diese hereinbekommen, das
doch wohl zwischen hier und 8 Tagen geschehen muss, so würden diese doch
nnr auf 4 Tage reichen. Wie kömmt es, dass nicht gleich mehr gefordert
worden? and wäre deshalb etwas versehn, so wäre es noch Zeit, eiligst die
benöthigte Quantität nachzufordern". Am folgenden Tage ging jedoch der
Holm verloren und diese 300 Ctr. sind nicht nach Danzig gelangt. 200 da-
Yon gfingen mit dem Dauntless verloren. Wie aus dem Schreiben des Grafen
Kalkreath hervorgeht, trifft das Guvernement die Schuld, nicht mehr und
nicht frühzeitig genug gefordert zu haben. Vorzugsweise wird dadurch je-
doch das 1. Departement kompromittirt. Von den Zeitgenossen wurde die
Entlassung des Guvemeurs von Königsbnrg v. Rüchel nach dem Kriege mit
der verspäteten Sendung der 300 Ctr. in Verbindung gebracht.
*) Höpfner bringt diese 345 Ctr. irrthümlich von dem Bestände an
Pulver in Danzig in Abzug und erwähnt auch die 600 nachträglich von den
Kaufleuten beschafften Centner nicht
Kdhler, Geschicbte der Festangen Danzig und Weichsel mUnde. IL 8
114
stedt vor (Erinnerungen 1, 197). Gneisenan urtheilt noch i-flck-
sichtsloser über ihn; der Prinz August von Preussen, der 1806
in Thüringen unter ihm stand, beschuldigt ihn auf dem Rück-
zuge nach der Schlacht von Auerstedt sein Koit)s verlassen zu
haben. Kriegsgeschichtliche Einzelheiten I 2. Heft.
Der ihn während der Armirungszeit der Festung vertretende
Viceguverneur v. Maust ein besass keine der geselligen Eigen-
schaften Kaikreuths und hatte sich den Hass seiner Untergebenen
und der Bürgerschaft durch seine Pedanterie und Strenge im
höchsten Grade zugezogen. Er ist von den Zeitgenossen hart ver-
urtheilt worden. Namentlich machte man ihm den Vorwurf, 2000 bis
3000 Mann der Besatzung in unnützen Gefechten in der Umgegend
verloren zu haben ^), die zur Ausführung der Armirungsarbeiten
höchst nothwendig in der Festung gewesen wären und späterhin
bei der Vertheidigung vortreffliche Dienste geleistet hätten.
Kommandant war der General von Hamberger, kein
Jüngling mehr, aber, wie sich der Verfasser der „Preussen in
Danzig" ausdrückt, an Geisteskräften ein Jüngling von uner-
müdlicher Thätigkeit und Umsicht.
Der Ingenieur vom Platz, v. PuMet. war zwar noch
Lieutenant, aber nach dem Zeugniss eines kompetenten Augen-
zeugen „vielleicht einzig geeignet, eine Befestigung wie die von
*) Dieser Vorwurf ist nnr zum Theil begründet und der Verlust von
2000 bis 3000 Mann übertrieben. Es war dem General von Manstein gelungen,
die pohlischen Insurgenten , welche seit December 1806 Westpreusseu beun-
ruhigten, in Zaum zu halten, dagegen überstieg es seine Kräfte Dirschau be-
haupten zu wollen, nachdem der General Menard mit den Badenern und der
Nordlegion, zusammen gegen 5000 Mann, von Stettin kommend, am 18. Febr.
bei Stargardt eingetroffen war und sich mit den Polen vereinigt hatte. Man-
stein beauftragte am 20. den Major Both, mit 600 Mann und zwei leichten
Geschützen (!) Dirschau zu besetzen und so in Vertheidigungszustand zu
setzen, dass er es 24 Stunden halten könne, wo er durch den Major Wostrowski
der mit 800 Mann Fussvolk, 300 Reitern und 4 Geschützen bei Mühlbauz
im Danziger Werder stand, entsetzt werden würde. Der General Menard
Hess Dirschau am 28. angreifen und verlegte dem Major Wostrowski den
Weg. Die Stadt wurde nach hartnäckigem Widerstand erstürmt. Nur 277
Mann der Besatzung entkamen nach Danzig. Ebenso fehlerhaft war es vom
General Manstein, dass er auf der Danziger Nehrung nicht einige Schanzen
aufwerfen Hess, da die zur Vertheidigung der Nehrung aufgestellte Mann-
schaft vr)]lig unzureichend dazu war.
115
jDanzig zu fiberselin und gegen einen hartnäckigen Angriff so
lange zu erhalten, wie es geschah." Ihm zur Seite stand der
Major Bousmard, ausgezeichnet durch seine Geschicklichkeit
als Ingenieur und seine theoretischen Kenntnisse, wie durch
seinen Charakter. Er war nach Auflösung der Ingenieuraka-
demie, wo er Lehrer gewesen war, nach Danzig gegangen, um
sich nützlich zu machen, und übernahm hier die schwierigsten
Bauausführungen, sowohl während der Armirung wie später bei
der Vertheidigang. Er bewies sich dem Lieutenant Pullet
gegenüber so ohne allen Egoismus, dass er, wie der Verfasser
des „belagerten Danzig" erzählt, bei versammeltem Kriegsrath
den Lieutenant Pullet bei der Hand fassend ausrief: „Ich sehe,
dass Sie das gute wollen, wie ich es ebenfalls aufrichtig will,
ich werde daher Ihr Adjutant sein, das soll uns künftig zur
Eichtschnur dienen." Als Ingenieur -Brigadier war der Major
Euhfuss kommandirt. Ende April traf noch der Ingenieur-General
Laurens vom Ingenieur-Departement des Oberkriegskollegiums
ein, den sich der Graf Kaikreuth bei seinem Abgange von Memel
speciell vom Könige ausgebeten hatte. Seine Wirksamkeit ist
nicht über die Beiwohnung des Kriegsraths hinausgegangen.
Der Artillerieofficier vom Platz, Major von Oppen, wurde
während der ganzen Belagerung vom Guverneur infolge der
guten Dienste der Artillerie auf Händen getragen. Er hatte
vortreffliche Stützen an den Hauptleuten von Fiebig, der jedoch
gleich in den ersten Tagen nach der Einschliessung schwer ver-
wundet wurde und starb, von Holtzendorf, Kommandeur der
Ausfallbatterie und später der Artillerie des Hagelsberges, von
Studnitz, anfangs Kommandeur der Artillerie des Hagelberges,
später des Bischofsberges, und Wilke, Kommandeur der Artillerie
der Olivaer Front. Von den Kommandeuren der Infanterie wird
vor allem der Major v. H o r n vom Regiment Courbiere gerühmt.
Er war Kommandant des Hagelsberges ^) und von einer rast-
losen Thätigkeit. Seiner Wachtsamkeit ist zum grossen Theil
^) So wird Hörn für gewöhnlich hezeichnet. Kommandant des Hagels-
berges war jedoch während der Belagemng von Danzig der General v. Harn-
berger. Hom war Stabsoffizier du joar auf demselben nnd wechselte in
dieser Fanktion mit dem Kapitain v. Natzmer. Skizzirte Geschichte S. 181
and das ^belagerte Danzig'' S. 34.
8*
116
die Erhaltang des Hagelsberges zuzuschreiben. Er revidirte
in der Nacht mehrentheils jede Schildwache und jeden wichtigen
Posten wiederholentlich und das in einer Zeit von 8 Wochen,
wo niemand mehr aus den Kleidern gekommen ist. Höchst
thätig waren ferner der Major von Brauchitsch, Kommandant
des Bischofsberges, Major von Kamptz am Olivaer Thor und
von Wostrowski auf dem Holzraura.
Als Kommandant von Weichselmttnde fungirte der Oberst
von Schaper, in Neufahrwasser der Oberst Schuler von
Senden. Auf den erstem war die Bürgerechaft von Danzig
nicht gut zu sprechen. Die Geschichte weiss sonst nichts von
ihm zu erzählen.
Die Stärke der Garnison, welche bei Eröffnung des Feld-
zuges im Oktober 1806 aus einem Infanterie-Regiment, einigen
dritten Musketierbataillonen und 5 Invalidenkompagnien, zu-
sammen aus 2900 Mann Infanterie, 100 Mann Artillerie und
16 Reitern bestand 0, hatte am 12. März 1807 die Höhe von
12 273 M. Inf. mit 296 Offz., 1613 M. Kav. mit 40 OflFz., 1380
M. Art. mit 23 Offz., und 21 M. vom Ingenieurkorps mit 11
Offz., zusammen 15287 mit 370 Offz. erreicht. Sie war aus den
verschiedensten Elementen, zum Theil sehr unzuverlässigen, zu-
sammengesetzt. Zu letztern gehörten namentlich die Polen,
welche in dem zur Zeit insurgirten Südpreussen ausgehoben
worden waren ^).
^) Nach Höpfner S. 377 setzte sich die Garnison aus folgenden Truppen-
theilen zusammen:
a. an Infanterie.
das neuformirte Grenadier-BataiHon Schmeling 746 Mann
„ Grenadier-BataiUon Rrauchitseh 725 „
„ Infanterie-Regiment Hamherger 1247 „ .
„ „ „ Courbiere 1195 ,
» » » Diericke 1344 ,
die 3. Musketierbataillone von Courbiere, Diericke, Kaikreuth,
Besser, Treskow, Kaufberg und Kropf 4635 „
Reste der Füsclierbataillone Pelet und Rühle 429 „
das Fttselierbataillon Rembow 518 „
die Jägerkompagnie Werner 141 ,,
die Füselierdepots von Rembow, Wackenitz, Bergen, Stutterheim,
Bülow, 8chachtmeier, Greifenberg 279 „
das Reservebataillon Man st ein 269 „
117
Davon befanden »ich in der Stadt 216 Oflfz. 8265 M. Inf.,
1459 M. Kav., 12Q0 M. Artillerie und 19 M. des Ingenieurkorps;
das Krockowsche Freikorps 700 Manu
die 2. westpreussische Invalideiikompaguie (die übrigeu wareu
aufgelöst worden) 45
zusammen 12273 Mauu
b. an KavaUerie.
Das 1. Bataillon von Königin Dragoner, 329 Manu
die Reste des Regiments Rouquette Dragoner, 380 „
ein Kommando von König von Baiern Dragoner, 60 „
Depot des Regiments Reitzeustein Kürassiere 141 „
9 n a BaUiodz Kürassiere 54 „
8 Reserve-Schwadronen und Detachements verschiedener Regi-
menter 549
die Krockowsche reitende Jäger-Schwadron 100 ,
zusammen 1613 Manu
c. an ArtiUerie.
Feldartillerie unter Major von Oppen 432 Mann
FestnngsartiUeiie unter Major Arent 109 „
provisorische Artillerie aus Rauzionirten 572 „
Hülfsmannschaft, zusammengestellt ans den Füselierdepots von
Hinrichs, Knorr, Borel, Oswald und Kloch 267 „
zusammen 1380 Mann
d. an Ingenieuren: 11 Offiziere, 21 Mann
Dazu kamen ende März und aufang April zwei pommersche
und ein neumärkisches Reserve-Bataillon 1582 Mann
drei Bataillone russische Infanterie 3736 „
drei PoUcs Kosacken 1063 „
in Summa 21 668 Mann.
Eine andere Stärkenachweisung der Besatzung theilt von Duisburg
S. 313 mit, ohne jedoch seine Quelle zu nennen. Da er in Danzig anwesend
war, mag er sie sich damals verschafft haben. Sie trägt kein Datum und
weicht im einzelnen ab, stimmt jedoch in der Totalsumme im wesentlichen
überein. Ich habe daraus die Stärke der drei Reserve-Bataillone und der Russen
entnommen. Höpfner erwähnt auffallenderweise von dem ueumärkischen Re-
serve-Bataillon, das zuletzt eintraf, nichts, ausser einmal ganz beiläufig, wo
er von zwei Kompagnien des Bataillons spricht.
Der früher im BlÜcherschen Husaren-Regiment gestandene, als Ritt-
meister verabschiedete Graf Krockow auf Gr.-Pnist in Hinterpommern war
unterm 27. December auf sein Ansuchen als Kommandeur eines Freikorps
bestätigt worden, das er durch Unterstützung der pommerschen Stände auf-
zubringen versprach. Das Nähere über ihn bei Höpfner S. 341 und Friccius.
118
als Besatzang des Holms 2 Offz., 269 M. Inf. und einige Ar-
tilleristen (fttr die Bataillons-Eanonen).
In Weichselmfinde 8 Officiere, 309 Mann Infanterie, 60 Artilleris-
ten und 1 Mineur, zusammen 12 Offleiere 370 Mann.
In Neufahrwasser 46 Officiere, 2222 Kombattanten, wovon etwa
120 Mann Artillerie, 1 Mineur und 2 rtd. 3-Pfdr.
Auf der Nehrung unter dem General Ronquette 1448 Kombat-
tanten, worunter 54 Kürassiere von Balliodz nebst einer
halben reitenden Batterie Stieler*).
Die Besatzung hätte allenfalls genftgt, wenn es sich bloss
um die Besatzung der Stadt mit ihren Aussenwerken und von
Weichselmttnde und Neufahrwasser gehandelt hätte. Durch
den Hinzutritt des Holms und der Nehrung wurde sie jedoch
ungenügend. Die nächste Folge war die zu schwache Be-
setzung dieser beiden Terrainabschnitte und deren Wegnahme
durch den Feind. Es wurde dahin abgegeben, nicht was er-
forderlich gewesen wäre, sondern was man nach der regle-
mentsmässigen Besetzung der Stadt etc. glaubte entbehren zu
können. Aber auch nach der Wegnahme der Nehrung und
nach der Verstärkung durch 3 Reserve-Bataillone und die
Russen, die leider erst nach dem Verlust der Nehrung ein-
trafen, trat eine sehr schnelle Abnutzung der Besatzung durch
die Furcht eines gewaltsamen AngriiFs von selten des Belagerers
ein, welche durch die Möglichkeit des Gelingens desselben, so-
weit das Retranchement in Betracht kam, hauptsächlich aber
durch allerhand Gerüchte genährt wurde. Infolgedessen trat
die vom Ingenieur des Platzes ausgearbeitete Disposition der
Besetzung der Werke, wonach etwa die Hälfte der Garnison
einen Tag um den andern eine völlige Ruhe genossen hätte'),
^) Höpfner giebt S. 379 auch die Trnppentheile dieser einzelnen Kate-
gorien an. Bei Duisburg finden sich dieselben für Neufahrwasser und Weichsel-
mttnde auch für die spätere Periode.
*) Pittmicke theilt in der skizzirten Geschichte der Belagerung S. 42
nach dem handschriftlichen Werke Pnllets über die Vertbeidigung von Danzig
die Zahlen der Disposition in Bezug auf die Stadt und deren Aussenwerke
mit (siehe auch Höpfner S. 380). Danach hätte eine Besatzung von 8300 Mann
für die Stadt genügt, um der Hälfte derselben einen Tag um den andern
Völlige Ruhe zu ^eben, indem nur ein Sechstel zv\x immittelbaren Besetzung
119
nicht ein, souderu die gesammte Garuisou war jede Nacht auf
* den Beinen, und die Kleider wurden seit dem Tage der Be-
rennung nicht abgelegt. Dazu kamen die massenhafte Desertion
und die Verluste durch Krankheit und Gefechte, infolge des
offensiven Charakters, den die Vertheidigung seit dem Ein-
treffen des Guverneurs, Grafen Kaikreuth, annahm.
An Lebensmitteln hat es während der ganzen Dauer der
Belagerung nicht gefehlt^), und ist deren Preis bei den guten
Anordnungen des Guverneurs auch nicht zu sehr in die Höhe
getrieben worden. Ftir*Aerzte war ausreichend gesorgt und
an Lokalen für die Lazarethe und deren Ausrüstung konnte es in
einer Stadt von dem Umfange wie Danzig und dem Geiste
seiner Bevölkerung, soweit diese hier in Betracht kommt ^),
nicht fehlen.
d. Die Kriegslage.
Der Zeitgewinn von vollen zwei Monaten, welchen die Ar-
mirungsarbeiten von Danzig erhielten, war den Bussen zu
danken. Gegen sie hatte sich Napoleon zunächst wenden müssen,
und dazu waren alle seine disponiblen Kräfte erforderlich ge-
wesen. Leider hatte ein unmotivirter Rückzug Bennigsens die
grosse Barriere der Weichsel in französische Hände gegeben.
Sein Sieg von Pultusk am 26. December hatte darin nichts
ändern können, er hatte nur die Bedeutung eines glücklichen
Rückzugsgefechts. Napoleon breitete sich auf dem rechten
Weichselufer bis zum frischen Haflf aus und verlegte seine der
Ruhe bedürftige Armee in die Winterquartiere, die Passarge,
die Alle und den Amuleff bis zur Narew vor der Front. In
der Regelung dieser Winterquartiere, die anfang Januar 1807
eintrat, drückt sich zuerst seine Absicht auf Danzig aus ^). Sie
der Werke als Wache erforderlich geweseu wäre, ein auder Sechstel als
Piket für die Dauer der Dunkellieit diente und ein drittes Sedistel sich an-
gekleidet im Quartier hefaud.
*) Den nähern Nachweis giebt Höpfuer S. 381.
•) Danzig hatte zur Zeit 44,511 Einwohner, wovon 43,267 Lutheraner,
485 Anabaptisten und 786 Juden. Nibuatnias S. 20.
*) Befehl an den General Victor vom 4. Januar 1807. M. Dumas T. XVni
S. 300 : . . . vous agirez ensemble devant Dantzick pour f ormer le blocus de
120
sollten die Belagerung von Danzig und Graudenz, der alleinigen
Bollwerke der Weichsel, decken. Vor Einnahme des ersteren
war eine Fortsetzung der Operationen nicht möglich. Später
wurde ein neu zu errichtendes Armeekorps, das 10. unter, dem
Marschall Lefebvre, zu dem Zweck errichtet, Danzig zu
blockiren *).
Wenn dennoch zwei neue Monate vorüber gingen, bevor
an die Ausffihrung der Belagerung gegangen werden konnte,
so lag dies in dem erneuerten Vorgehu Bennigsens, diesmal
auf preussischem Boden, wodurch die Bildung des Belagerungs-
korps, das, soweit es bereits vorhanden war, zur Bekämpfung
der Russen herangezogen wurde und bis Osterode vorging,
verzögert wurde. Erst am 17. Februar, 9 Tage nach der
Schlacht bei Pr.-Eilau, erhielt Lefebvre*) den Befehl, über
Thorn zurückzugehn, die im Anmarsch begriffenen Sachsen und
Badener an sich zu ziehen und auf Danzig zu marschiren.
Napoleon empfahl ihm, sich sogleich der Nehrung zu bemächtigen
und bei Dirschau eine Brücke zu schlagen.
Es war nicht das erste Mal, dass Danzig als befestigter
Platz in die strategischen Kombinationen eines grossen Krieges
gezogen wurde.
In dem schwedisch-polnischen Erbfolgekriege des 17. Jahr-
hunderts hatte es für Polen dieselbe Wichtigkeit gehabt, wie
jetzt für Preussea. Gustav Adolf hatte jedoch nicht die Mittel
besessen, sich des grossen starken Platzes zu bemächtigen.
Karl Gustav hatte es jedoch veratanden, die Stadt zu paralisiren,
cette place . . . Le roar^chal Bernadotte qui se troiiyera sous pea h Elbing,
coavrira tos denx si6ges.
0 Befehl an Lefebvre vom 23. Januar. M. Dumas S. 330.
*) Der Befehl an den General Chasseloup, alle Mittel zur Belagerung
von Danzig vorzubereiten, ist schon v. 13 Febr. von Eilau aus. (M. Dumas
S. 418.) Es heisst darin: „mon Intention est de pousser vigoureusement le
sifege de Dantzick .... Donnez fegalement Tordre au gfenferal de Tartillerie
de pr^parer tous les moyens en materiel et en personnel pour pousser vigou-
reusement le 8i6ge de Dantzick, mon intention 6tant de placer mon ann6e
de maniöre ä prot6ger le si6ge de cctte place qu'il est instant de prendre
avant tout". Der Befehl, auch aus Schlesien Geschütze heranzuziehen, ist
erst vom 11. März (Dumas S. 537^.
121
indem er sich 1656 des Danziger Hauptes bemächtigte und
es mit einer weitläuftigen Befestigung umgab, worin er eine
starke Besatzung unterhielt. Der Besitz der Nehrung, der
damit gegeben war, und die fortwährende Bedrohung der Ver-
bindung Danzigs mit der See hatte dieses damals matt gelegt ^).
Für Napoleon hatte Danzig mit seiner grossen Garnison die
Bedeutung, dass es seine Verbindungen bedrohte. Er musste
sich desselben bemächtigen, bevor er an die Fortsetzung seiner
Operationen denken konnte. Das ist leider von den AUiirten
nicht frühzeitig genug erkannt worden. Für sie wäre es vor
allem darauf angekommen, das Danziger Haupt, das durch die
Einverleibung des Danziger Gebiets in den preussischen Staat
eine grössere Bedeutung erhalten hatte, weil es sich noch um die
Äufrechterhaltung der Verbindung mit Königsberg handelte,
wieder zu befestigen. Mit Truppen allein war weder die Ver-
bindung mit Königsberg noch die mit der See aufrecht zu er-
halten, weil der Gegner immer eine grössere Zahl dagegen
aufstellen konnte.
Der Marschall Lefebvre traf am 25. Februar, zwei Tage
nach der Erstürmung, in Dirschau ein. Er liess in den ersten
Tagen des März den grossen Werder besetzen und dehnte sich
am 6. bis in den Danziger Werder aus. Am 9. verlegte er
sein Hauptquartier nach Rosenberg. Am 10. erschienen die
ersten Franzosen vor der Stadt.
Der Kommandant Hamberger — der Viceguverneur von
Manstein hatte am 24. Februar ein Bein gebrochen — liess
die Vorstädte bis auf die reglementsmässige Entfernung von
800 Schritt von den Werken abbrennen und am 11. den Damm
bei Quadendorf, beschützt durch 7 Kompagnien, durchstechen,
um die schon vorher bewirkte Anstauung der Mottlau mittelst
der Steinschleuse zu vervollständigen. An demselben Tage traf
der Guverneur Graf Kaikreuth ein.
e. Das Belagerungskorps.
Das zur Belagerung von Danzig bestimmte 10. Korps unter
*) Auch Gustav Adolf war im Besitz des Danziger Hauptes und hatte
es befestigt. Bei seineu geringen Kräften hatte dasselbe jedoch mehr einen
defensiven Zweck^ sicherte ihm aber stets deu Zutritt zur Nehrung.
122
dem Marschall Lefebvre erreichte erst gegen Ende der Be-
lagerung seine volle Stärke von:
20740 Mann Infanterie,
2506 „ Kavallerie,
2917 „ Artaierie,
zusammen 26163 Mann
ohne die Genietruppen, welche nach Kirgener 11 Kompagnien,
nach M. Dumas 90 Mineurs, 86 Sappeurs stark waren 0-
1980 Mann
2148 „
432 „
416
937
415
n
1»
n
n
ff
*) Die Zusammensetzimg des frz. 10. Armeecorps nach dem Eintreffen
der frz. Trappen war nach HOpfner S. 382 folgende:
1. Division Michand
12. leichtes Infanterie-Regiment 2 Bat.
1. Nordlegion 3 „
Sächsisches Grenadier-Bataillon 1 „
1 BataiUon des Infanterie-Regiments Prinz Anton . . 1 „
Infanterie-Regiment y. Sänger 2 ,
1 BataiUon des Infanterie-Regiments Bevilaqua. . . 1 „
10 Bat.
2. Division Erbprinz von Baden
19. Linien-Infanterie-Regiment 2 Bat.
Badisches Leibregiment 2 „
Regiment des Erbprinzen 2 ,
Regiment des Markgrafen Lndwig 2 „
Regiment Harrandt 2 „
Jäger zu Fuss — ,.
10 Bat.
3. Division Gielgud
1 BataiUon des 2. leichten Infanterie-Regiments . . 1 Bat.
44. Linien-Regiment 2 „
Regiment von Paris 2 „
2. leichtes polnisches Regiment 1 ,
3'» s g 2„
8 Bat.
4. Division Gardanne
2. Bataillon 2. leichten Infanterie-Regiments ... 1 Bat.
Sächsisches Grenadier-Bataillon 1 ,
1 Bataillon Regiments Pr. Maximilian 1 „
2. BataiUon Regiments Pr. Anton 1 „
1 Bataillon 2. polnischen Infanterie-Regiments ... 1 „
4. polnisches Infanterie-Regiment 2 „
6328 Mann
1352 Mann
796 ,
660
695
570
60
4133 Manu
1010 Mann
950
967
374
946
n
n
n
4247 Mann
774 Mann
353 ,
499 ,
482 „
646
1275
7 Bat. 3974 Mann
123
Um die Mitte März war es gegen 1 2 000 Manu stark ^). Es
fehlte namentlich der grössere Theil der französischen Regi-
menter. Der Marschall beklagte sich über die schlechte Be-
schaffenheit einzelner Trappen.
Dazu das frz. 72. Linien-Infanterie-Regiment, das sehr
spät eintraf 2 Bat. 2058 Mann
37 Bat. 20740 Mann
Kayallerie-Division des General Polenz
19. Chassear-Begiment 4 Esk. 303 Mann
23. n » 4 „ 512 „
Badiscbe Husaren 1 „ 136 „
Dragoner 2 „ 288 „
Sächsische Kürassiere 3 „ 588 „
g Cbeyauxlegers 1 „ 156 „
2. polnisches Eayallerie-Begiment 3 „ 215 ,
Polnische KayaUerie der Edellente (Towarczys) . . . 2 „ 121 „
20 Esk. 2506 Manu
Artillerie
1. Kompagnie 5. Fnss-Regimeuts
8. und 14. Kompagnie 6. Fuss-Begiments
5. Kompagnie des 5. Begiments reitender Artillerie
12. Kompagnie der Handwerks-Artillerie
Dazu sächsische, badische und polnische Artillerie
in Summa 2917 Mann
Genietruppen
3. und 8. Minenr-Kompagnie
1. Kompagnie des 2. Sappeur-Bataillons
2., 3., 4., 5., 6. und 8. Kompagnie des 4. Sappeur-BataiUons
6. und 9. Kompagnie des 5. Sappeur-Bataillons.
*) In einem Schreiben des Kaisers an Lefebvre v. 16. März schätzt er
das Korps auf 20000 Mann. In einem Parolbefehl des Grafen Kaikreuth
y. 28. März heisst es: „der Feind giebt sich selbst auf 18000 Mann an,
soyiel seme Excellenz wissen, sind es 11 bis 12000 Mann^ Die Dislokations-
liste bei Duisburg giebt das Korps auf 14180 Mann, woyon 1600 Mann
Kavallerie; Matth. Dumas giebt es S. 138 nur auf 9000 Mann an und sagt
S. 144, dass es während der ganzen Belagerung nicht stärker als 16000 Mann
gewesen sei. Die Angabe bei Duisburg scheint das richtige zu treffen,
wenigstens für den 24. März. Höpfner veranschlagt S. 385 die Stärke der
Franzosen zu dieser Zeit viel zu hoch auf 18000 Mann. Nach Grolman
9, 69 war die Stärke c^nfang April 16740 Mann,
124
Der Kaiser antwortete ihm, dass sie immer noch besser
als die wären, die er vor sich hätte. Die Nordlegion war aus
den Deserteuren der preussischen Armee hervorgegangen, die
Desertion derselben blieb auch unterm französischen Adler
sehr stark.
Der Marschall Lefebvre war ein geborener Elsasser,
befand sich schon vor Ausbruch der Revolution in der franzö-
sischen Armee und gelangte bereits 1797 zum Kommando der Maas-
und Sambre-Armee. Er war 1804 Marschall und kommandirte
bei Jena die Infanterie der Garde. Im Jahre 1807 zählte er
52 Jahre.
Als sein Chef des Generalstabes fungirte der Divisions-
general Drouet. Die Artillerie kommandirte der Divisions-
general Lariboisiere, unter ihm die Brigade-Generale An-
thouard und Lamartiniere. An Ingenieurofficieren theilte Napoleon
dem Marschall das beste zu, was er hatte, seinen eignen Chef
des Ingenieurcorps, den Divisionsgeneral Chasseloup-Laubat,
der jedoch erst am 19. April eintraf. Bis dahin leitete die
Angriffsarbeiten der Brigade - General Kirgener, von dem
Napoleon in einem Schreiben vom 16. März an den Marschall
sagt: officier de g6nie propre ä tout^). Er gab ihm ferner
seinen eigenen Adjutanten, den Genieobersten Lacoste, als
Kommandeur der Hauptattacke. In der letzten Zeit wohnte
der General Bertrand, ebenfalls Adjutant des Kaisei-s und vom
Ingenieurkorps, der Belagerung bei, nachdem er schon vorher,
wie Savary, ein anderer Adjutant, häufiger vom Kaiser zum
Belagerungskorps geschickt worden war.
Den Belagerungspark hatte der Major Guillaumin unter
sich. Als Tranchcemajore fungirten die Bataillons-Chefs Sabatier
und Rogniat, die Attacke an der unteren Weichsel (linkes
Ufer) dirigirte der Bat.-Chef Boissonnet von der kaiserlichen
Garde, die Arbeiten auf dem Holm der Bat.-Chef Lesecq. Von
den Ingenieur-Hauptleuten führte Blanc bis zum 19. April
die Hauptattacke, CoUet die Attacke auf dem Stolzeuberg.
Die Transporte der Belagerungsartillerie waren noch weit
im Rückstände. Zur Sicherung der Kommunikationslinien für
*) M. Dumas S. öö4.
125
dieselben organisirte der Kaiser auf den Strassen von Stettin
nach Danzig und für den Wasserweg von Küstrin nach Brom-
berg und weiter den Netzekanal fort eigne Etappen-Kom-
mandos*). Die Transporte auf der Weichsel hatten das von
Preussen besetzte Graudenz zu passiren. Doch ist es durch-
weg gelungen, sie des Nachts ohne Verlust bei der Festung
vorbeizufahren.
Zur Verbindung des Belagerungskorps mit der Armee
wurden üebergänge über die Weichsel und Nogat bei Dirschau
und Marienburg hergestellt.
Das 10. Korps hatte am 12. März folgende Stellung inne:
Die Vorpostenkette, welche sich von Schellmtthl und Neu-
Schottland über die Höhen westlich Zigankcnberg durch Tempel-
burg nach Altdorf und Altschottland fortzog, wurde gebildet
von:
Bat. der Nordlegion in Langfuhr,
„ Badener im Bivuak bei Dreilinden,
„ „ „ „ „ Wonneberg,
„ Polen y, n n Schönfeld,
" T^ > in Ohra und Stadtgebiet.
„ Franzosen j
Ein polnisches Bataillon stand auf der S&dostseite der
Festung in Quadendorf und Plönendorf. Von der Kavallerie
standen die polnischen Lanciers in Langfuhr und an der See,
die badische Kavallerie in Pietzkendorf, Polen bei Wonneberg,
die sächsichen Chevauxlegers in St. Albrecht und Praust.
Dahinter kantonirten das 23. Chasseur-Regiment in Schüd-
delkau, das 19. in Borgfeld, die sächsischen Kürassiere in Gisch-
kau.
Die badensche Infanterie kantonirte in Pietzkendorf, Müg-
gau, Nenkau, Schfiddelkau und Wonneberg;
die polnische Infanterie in Schönfeld, Zankenczin und
Kowal;
die sächsische Infanterie in St. Albrecht, Matschkau, Borg-
feld, Jenkau, Tiefensee, Kemlade und Praust*).
^) Damas. Befehle vom 16. und 18. März S. 552 und 562.
>) H5pfner S. 385. Matth. Dumas S. 132. Nibuatnias S. 33. Duisbar^
Anhang. Nach letzterem war die Dislokation am 24. März wie folg;t:
m
Das Hauptquartier des Marschalls Lefebvre befand sich in
Praust, der Hauptpark der Artillerie inLangenau an der
grossen Strasse nach Dirschau.
Die Hauptmacht hielt daher die Höhen besetzt und hatte
Infanterie
General Menard.
Gen. Pacihnd
polniflche Legion.
4. Bat 850 M.]Ungrahr
3. „ iiöO „ Innd Neu-
2. 200 , I schott-
9
1.
General Klosmann
Badener.
2.Bat.Mkg.Loai8 260 M.^
land.
1.
2.
l.
2.
1.
2.
Jäger
n
n . 250 „
Harrandt . 800 ^
ff . 300 „
Erbgrherz. 300 „
9 300 „
Leibrgnit. 300 „
300 ,
90 «
General Gielgad
Polen.
o
2. Bat. Rgmt. 3
1. 9
2. . „2
1. „ Dombr.
2. 9 9 1
1. •
660 H.)
650 ,
700 ,
[700 ,
650 ,
650 , J
o
CD *
S OD
o:
0
General Polenz
Sachsen.
2.Bat.PrinzAntoii 3ö0 M.
a^ OD
3 9
> höSg
^ CD
g s
Nehmng.
!• w 9 n 350 „
2. „ Rgmt. Sänger 300 „
1' » 9 9 *^ 9
1-9 9 Bevi-
laqua .... 300 „
1. „ Prinz Maxim. 300 „
1. j, Grend. SQss-
milch .... 300 „
General Schramm
Franzosen.
2. Bat. Chasseur-
Regiment 2 800 M. Nehrnug.
1. Bat. Chassear-
Regiment . . 800M. Stadtgebiet.
Graf Poninski
Polen.
2. Bat. Regiment 4700 M. Nehning.
1. , , 4700 M. Werder.
Samma 12580 M.
Kavallerie
General Sokolnicki. Polen.
1 Esk. Woyw. Gnesen 200 Pf. \ander
1 „ „ Mlawa 150
1 „ Towarczys. . . 100
2 „ Masnren .... 200
Badener.
Dragoner 50
Hasaren 50
Gen. Kruschinsky. Polen.
2E8k.Narado8ti8 ... 200 Pf.lWonne-
1 , M. Moraschewski 100 » jbcrg.
/ See !
} Lang-
fuhr
\ Pietz-
j kendorf .
Sachsen.
4 Esk. Leibkürass. 200 Pf. 1
Polenz Drag. 100 ,
Franzosen.
ChassearsNo. 19
250 ,
Pranst.
auf der
Nehrung u.
d.Werder.
Summa 1600 Pf.
12?
zn beiden Seiten Detachements gegen das linke Weichselufer
vorgeschoben. Das rechte Weichselufer blieb noch der Be-
satzung von Danzig, die somit die Verbindung zur See und
über Pillau nach Königsberg offen hatte.
f. Von der Einsehliessung der Festung
bis zur Eröffnung der 1. Parallele.
11. März bis 1. April.
Die Einnahme obiger Stellung war im Laufe des 11. März
erfolgt. Noch am Abend wurden die drei Schanzen zwischen
Neufahrwasser und dem Saspersee, die zur Zeit nur von drei
Kompagnien des Regiments Kropf besetzt waren, angegriffen.
Der Feind wurde mit einem Verlust von 8 bis 10 Mann zu-
rückgewiesen. Der Guverneur, welcher überzeugt war, dass
Nenfahrwasser zunächst das Hauptaugenmerk des Belagerers
sein werde, sendete am 12. zwei Kompagnien des Bats. von
Treskow und das ganze Krockowsche Freikorps dahin *). Ausser-
^) Die folgenden Details Bind ans den Berichten des GiiYernenrs an
den König in: Belagerung von Danzig i. J. 1807, Posen und Leipzig 1809
entnommen. Dieses wichtige Werk, welches in den bisherigen DarsteUnngen
der Belagerung fast gänzlich tibersehen worden ist, enthält auch die übrige
Korrespondenz des Grafen von Kaikreuth, worin ein ungemein reiches
Material niedergelegt ist. Höpfner hat sich in seiner Darstellung der
Belagerung (der Krieg von 1806 und 1807, 3. Band, Berlin 1851) fast aus-
schliesslich an das officielle Jumal der Vertheidigung von Danzig i. J. 1807
und an das handschriftliche Werk des Ingenieurs vom Platz, PuUet, über die
Vertheidigung von Danzig 1807 gehalten, das bereits vom Beg^eruugsrath
Flfimicke in seiner „Skizzirten Geschichte der Belagerung von Danzig 1807 '',
Berlin 1817, benutzt worden ist. Da sich das Jumal und das handschrift-
liche Werk Pullets nur auf die Ingenieurarbeiten beschränkt, Höpfner sich
im übrigen begnügt hat, die „Skizzirte Geschichte", welche sich auffallender-
weise auch mit der Korrespondenz Kaikreuths nicht bef asst hat, zu benutzen,
80 ist ihm manches entgangen, was der Erwähnung werth ist. Auch die
Parolebefehle Kaikreuths (Zeitschrift für Kunst, Wissenschaft und Geschichte
des Krieges Jahrgänge 1848 und 1844) bieten manches Interessante. Die
1^6
dem detachirte er an diesem Tage das Res. -Bat. v. Manstein
mit 2 Geschützen nach der Holminsel, die bisher unbesetzt ge-
blieben war. Im übrigen hatte er bei seiner Ankunft die Vor-
officiellen Akten Über die Veriheidigung tob Danzig 1807 liegen in diesen
Werken und indem, wasBrese darüber veröif entlieht hat (seiner Armirang
im 11. Bande des Archivs schliesst sich S. 60 S. noch der Kampf nm das
Blockhaus im gedeckten Wege an, der ausserdem noch von ihm in seinen
Vorlesungen „über das Entstehu und das Wesen der neueren Befestigungs-
methode'' behandelt worden ist), ziemlich vollständig vor. Von geringerer
Bedeutung, doch von grossem Interesse durch die Unmittelbarkeit der An-
schauung sind die Berichte zweier Augenzeugen, weJche in den Broschüren:
„Die Prenssen in Danzig* und das „Belagerte Danzig, ein Nachtrag zu der
Schrift die Preussen in Danzig'^, beide Berlin nnd Leipzig 1808, erschienen
sind. Als der Verfasser der erstem wird ebenfalls Brese genannt, der der
andern ist jedenfalls Pullet. — Von lokalem Interesse ist femer für die Be-
lagerung von 1807 die „Geschichte der Belagerungen und Blokaden Dauzigs
von der frühesten bis auf die gegenwärtige Zeif von Gottl. von Duis-
burg, Danzig 1808. Unbedeutender, doch immerhin lesenswerth, sind die
Schriften: „Belagerang und Einnahme von Danzig'^ 1807, Leipzig 1808 und
„Danzig während der Belagerang i. J. 1807, in Briefen von einem Augen-
zeugen', Hamburg 1808.
Dieses reiche Qnellenmaterial wird französischerseits vervollständigt
durch das: „Pr^cis du si^e de Dantzick'' des Generals Kirgener, Paris
1807. Kirgener war bis zum Eintreffen Chasseloups, des commandant en
chef du gtoie, Vertreter desselben nnd dann (seit dem 19. April) Direktor
der Angriffsarbeiten. Er beschränkt sich indessen nur auf die Ingenieur-
arbeiten. Pullet macht ihm in seinem handschriftlichen Werke zum Vorwurf,
dass er in seinem Plan der Angriffsarbeiten Werke aufgeführt hat, die erst
nach der Uebcrgabe des Platzes in Erwartung der Ankunft Napoleons erbant
worden sind. Höpfner giebt dieselben nach den Vorlagen Pullets auf Plan
XXnb. in punktirten Linien an. Im diesseitigen Plan der Belagerung
(II Taf. H) sind die Laufgräben zwar nach Kirgener eingetragen, aber die
nachträglich ausgeführten sind punktirt. Vervollständigt wird das Werk von
Kirgener durch Nibuatnias (St. Aubin): Si^ de Dantzick en 1807 r6dig6
sur le Journal da siöge de Mr. le mar^chal duc de Dantzick. Paris 1818
Endlich hat Matth. Dumas die Belagerang in seinem „Pr^cis des ^v^nements
militaires'', Tome XVIII. Paris 1826, gegen seine Gewohnheit mit grosser
Umständlichkeit behandelt. Es ist jedoch nur eine Wiedergabe von Nibuat-
nias. Eine sehr interessante Zugabe giebt ein Bericht des Obersten im
Ing.-Korps Blanc im Juniheft des Spectateur miiitaire v. J. 1841 über
einige Unternehmungen während der Belagerung von Danzig 1807 (deutsch
129
trappen der Besatzung noch im Besitz der Weichsel und der
Dörfer Zigankendorf und Stolzenberg gefunden. Sie wurden
am 12. zwar vor dem Bisehofsberg und dem Olivaerthor an-
gegriffen und in die wirksame Kanonenschussweite zurückge-
drängt, doch behielt der Feind nur die auf der Jesuiterhöhe
im Bau begriffene Schanze besetzt, die vom Guvemeur aufge-
geben wurde, weil ihre Vollendung zu viel Blut gekostet haben
würde. Der Hauptgrund lag wohl darin, dass die Schanze
ohne die Besetzung von Schottland nicht zu halten war, dieses
aber in Asche lag.
Der Belagerer leitete an diesem Tage die Badanne ab,
wodurch die grosse Mühle in Unthätigkeit gesetzt wurde.
Glücklicherweise war der Fall vorgesehn, indem die Stein-
schleuse zu 4 Mehlgängen eingerichtet war, die nunmehr in
Thätigkeit gesetzt wurden. Ausserdem etablirte man 4 Ross-
mühlen, so dass der tägliche Bedarf an Mehl fjlr die Stadt und
Garnison gedeckt wurde.
Der Graf Kaikreuth regelte den Vorpostendienst, nament-
lich inbetreff der Kavallerie, der noch nicht gehörig organisirt
war. Bei Aller Engeln wurde die grosse Feldwache der Ka-
vallerie aufgestellt und die ehemalige Kalkschanze sowie die
kleine Kalkschanze nebst Ziegelei mit Infanterie besetzt, da
der Feind sich von Schellmühl aus bis auf das linke Weichsel-
ufer ausgebreitet hatte. Das Kommando über die Vorposten
erhielt der Kommandeur von Rouquette Dragoner, Oberst von
Massenbach.
In der Nacht zum 13. wurden die Schanzen von Neufahr-
wasser von neuem allarmirt, so dass der Guvemeur am 13.
noch eine Komp. von Kropf und eine von Treskow dahin schickte
im Archiv für Art. und Ing. Officiere Band 13 S. 147 ff.). Blanc wohnte
der Belagemng als Hauptmann und Kommandant der Hauptattacke hei. Dazu
ist neuerdings das vom Herrn v. d. Wengen herausgegebene Tagebuch des
Hauptmanns t. Grolman „ttber den Feldzug des Erbgrossherzogs Karl von
Baden 1806 und 1807, Freiburg i. B. 1887 '^ getreten, das manchen neuen
Aufschluss gewährt.
Köhler, Oeschichte der Festungen Danzig and Weicbselmünde. 11. 9
130
und zwischen den Schanzen Nr. 5 und 6 noch eine anlegen
liess. Zwei Grenad. - Kompagnien des Bats. von Schmeling
wurden am grossen Holländer als eine allgemeine Reserve auf-
gestellt. Von der reitenden Batterie Holzendorf, deren Orga-
nisation beendet war, kamen 2 Geschütze am Olivaerthor auf
Piket.
Ein neuer Angriff auf Neufahrwasser am 13., von welchem
die Aufmerksamkeit durch lebhafte Scharmützel bei Stolzen-
berg seitens des Belagerers abgeleitet werden sollte, blieb ohne
Erfolg. Der Hauptmann Graf Dohna, welcher die Feldwache
bei Aller Engeln kommandirte, erhielt die nachgesuchte Er-
laubniss, dem Feinde in die Flanke zu gehn. Durch Pikets
vom Major von Wostrowski unterstützt, brachte er dem Feinde
einige Verluste bei. Preussischerseits wurden 3 Mann leicht
verwundet und 2 Pferde todtgeschossen. Schon hier zeigte
sich das Leiden der Garnison, das sich immer mehr Steiger te^
die Desertion, indem bei diesen Scharmützeln 3 Schützen von
Courbiere und 2 Mann von Kropf aus der Schanze von Neu-
fahrwasser, sowie 2 Kavalleristen der Feldwache verschwanden.
In der Stadt herrschte der beste Geist. Die Kaufmann«
Schaft schoss für die in Friedenszeiten hier garnisonirenden
Regimenter 9000 Thaler Unterstützung für die Wittwen zu-
sammen, von denen 4000 Thaler den Lazarethen zugute kamen.
Die Zahl der Kranken belief sich am 13. auf 734 Mann.
Ein lediger Bording (Weichselkahn), welcher am 14. nach
Neufahrwasser wollte, blieb beim 2. Legan auf einer Sandbank
sitzen. Sogleich waren gegen 50 Mann des Feindes zur Stelle
und besetzten ihn. Der Major von Krockow eilte indessen von
Neufahrwasser herbei. Gleichzeitig wurde vom Holm mit Kar-
tätschen dagegen geschossen, so dass der Gegner mit Hinter-
lassung von 5 Todten davon eilte. Infolge dieser Vorgänge
wurde auf dem Holm zur Bestreichung der Weichsel und des
Weges nach Schellmühl eine Schanze für 4 Geschütze angelegt
und bald auch eine zweite weiter unterhalb begonnen..
Die Franzosen arbeiteten auf der Jesuiterhöhe an der
Vollendung der Schanze, was ihnen am Tage zwar gelegt wurde,
doch war es in der Nacht nicht zu hindern. Ausser dieser
131
Schanze Nr. 1 wurden noch andere Nr. 2, 3, 4 und 5 als einfe
Alt Kontravallation aufgeworfen, ohne dass man es in der
Festung sogleich bemerkt hätte ^).
Die täglichen Scharmützel mit dem Feinde nahmen die
Kräfte der Garnison derartig in Anspruch, dass es nicht möglich
war, gleichzeitig die nothwendigen Erdarbeiten pp. zu bestreiten.
Der Graf Kaikreuth wandte sich daher direkt an den General
von Bennigsen mit der Bitte, ihm eine Verstärkung an Infan-
terie zu senden. Wegen Ueberlassung einiger Pulks Kosacken
hatte er sich schon vor seiner Abreise an den General gewendet.
Die Zahl der täglichen Deserteure belief sich im Durch-
schnitt auf 6 Mann.
Am 15. herrschte wegen hässlichen Wetters auf beiden
Seiten Ruhe.
Dagegen brach der Belagerer am 16. mit 3000 bis 4000
Mann gegen Stolzenberg und Neugarten vor und warf die Vor-
truppen des Belagerten bis an die Palisaden des Bischofsberges
und des Neugarten-Thors zurück. Auch bei Zigankendorf und
Neufahrwasser wurde gefochten. Von der Stadt aus verstärkt,
gingen die Vorposten zwar wieder gegen Stolzenberg vor, wur-
den aber von den feindlichen Sutiens von neuem geworfen.
So dauerte das Gefecht den ganzen Tag fort und gab den
Ingenieuroffizieren des Belagerers Gelegenheit, das Terrain und
die Werke zu rekognosciren. Der Verlust der Belagerten belief
sich auf 6 Todte und gegen 20 Verwundete. Zigankendorf
blieb einige Tage von beiden Seiten unbesetzt, bis sich die Be-
lagerten wieder hineinlegten. Aus dem westlichen Theil von
Stolzenberg wurden die Franzosen erst am 18. vertrieben.
Der Mangel an Furage machte sich bereits sehr geltend,
namentlich fehlte Stroh. Der Guverneur sendete daher am
17. über 200 unbrauchbare Pferde mit den vorhandenen Ge-
fangeneU; Arrestanten und 100 Eanzionirten nach Pillau. An
diesem Tage trafen die ersten Kosacken ein. Der Best folgte in
den nächsten Tagen. Ein Pulk wurde nach Neufahrwasser, ein
*) Der Gavernear berichtet erst unterm 25. von der Entdeckung, dass
der Feind bei Wonneberg an einer Schanze arbeitet (S. 64). Es ist die
Schanze Nr. 2 gemeint.
9*
13^
zweiter nach Danzig verlegt, ein dritter dem Gen. von Rou-
quette zur Disposition gestellt, der ihn jedoch nach Weichsel-
münde schickte.
Die Desertion nahm bedenkliche Dimensionen an. In der
Nacht zum 16. waren 11 Mann entwichen, in der folgenden
gingen allein von den 80 Mann der Besatzung der Rtickforter
Schanze l Unteroffz. und 21 Gem., vorherrschend Polen, davon.
Ein starker Frost machte das Eis der Inundation tragfähig,
doch trat am 18. wieder Tauwetter ein.
Nach einer Meldung des Majors von Kamptz vom Korps
Rouquette an den Guverneur hatte sich der Feind am 16. am
Eukukskruge ^) gesammelt und daselbst Kähne und Schlitten
zusammengeführt. Der Guverneur machte daher am 17. den
Gen. Rouquette darauf aufmerksam und stellte ihm die beiden
Grenad.-Komp. von Schmeling am grossen Holländer zur Dis-
position.
Am 18. entspann sich gegen Abend bei Neufahrwasser
ein kleines Gefecht wegen eines Schiffes, das hereingebracht
werden sollte. Das Schiff musste wieder umkehren, doch verlor
der Gegner dabei 5 Todte und Verwundete. Preussischerseits
hatte man einen Todten und einen Verwundeten.
Die beiden Batterien auf dem Holm zu je 4 Geschützen
wurden in der Nacht zum 19. armirt. Die Weichsel wurde
oberhalb und unterhalb von Danzig durch Schwimmbäume ab-
gesperrt. Am 20. wurde die Balkenschanze*) und das neue
Retranchement am Ganskruge angefangen und hinter der Ver-
schanzung bei letzterem 4 Geschütze aufgestellt, um den Holm
war, wie wir gesehen haben, rings herum eine Tranchee zur
Verbindung der Battericanlagen und Aufstellung von Schützen
zur Bestreichung der Weichsel und der Bootraannslake in An-
griff genommen worden. Sie wurde am heutigen Tage vollendet.
Von einem selbständigen geschlossenen Werke auf dem Holm
ist jedoch keine Rede.
Gegen Mittag des 20. traf wie ein Donnerschlag aus hei-
terem Himmel die Meldung vom General von Rouquette ein.
») Siehe üebersichtsplan Tafel XI.
=0 Vergl. oben S. 84.
133
dass der Feind beim Dauziger Haupt übergesetzt sei und das
Korps gesprengt habe. Er sei im Bäckzuge auf Danzig be-
griffen und bitte dringend um Hilfe.
Der General von Rouquette hatte seine schwierige Aufgabe
bei den geringen Kräften, über die er verfügte, dadurch zu
lösen gesucht, dass er nur die wichtigsten Punkte besetzt hielt,
um sie desto nachdrücklicher vertheidigeu zu können. Als
solche sah er an: das Danziger Haupt, Schönbaum, Kukuks-
krng und Stutthof '). Die beiden letztern hielt er weniger
gefährdet, so dass er seine Aufmerksamkeit hauptsächlich auf
die ersteren verwendete.
Am Danziger Haupt wurde eine Komp. Diericke unter dem
Hanptm. von Lagerström und an der in der Nähe befindlichen Sied-
lersfähre 30 Mann, bei Schönbaum 2 Komp. Diericke aufgestellt.
Der Weichselarm nach Danzig hin war zwischen Heubude und
dem Danziger Haupt von einer Komp. Courbiere und einer Komp.
des 6renad.-Bats. Schmeling besetzt, der Elbinger Arm zwischen
Schönbaum und Stntthof mit 4 V2 Komp. und 29 Kürassieren ^).
Als Reserve für letztere standen bei Pasewark eine halbe
Komp. Courbiere nebst 7 Kürassieren und für das Danziger
Haupt bei Nickelswalde 1 Komp. Courbiere, eine halbe reitende
Batterie und 7 Kürassiere. 14 Kürassiere standen als Brief-
relais zwischen Danzig und Pillau.
Es lassen sich gegen diese Besetzung noch mancherlei
andre Einwendungen erheben, das drückt sich aber ganz be-
') HOpfner S. 394. Höpfuer hat diese nnd die nachfolgenden Details
der Eroberung der Nehrung durch die Franzosen, den Untersuchnngsakten
entnommen, in denen die Aussagen sämmtlicher Officiere niedergelegt sind,
die unter dem General von Rouquette gestanden haben. Die Untersuchung
fand nach dem Tilsiter Frieden durch eine speciell zu dem Zweck kom-
mandirte Kommission statt. lieber die Lage der Ortschaften siehe Taf. XI.
') Höpfner S. 394. Davon stand in Prenzlaff eine Komp. Diericke, in
Freyenhuben eine Komp. Füseliere, in Stengen Vs Komp. Courbiere nebst 22
Riirass. mit Posten längs der Schadlaake, in Stutthoff 2 Comp, von Courbiere
nebst 7 Kürassieren. Das ganze Detachement Rouquette bestand wie bereits
bemerkt aus 1430 Mann Inf., 54 Kür. Balliodz und */i rtd. Batt. Mit Aus-
nahme der Komp. des Füselier-Bat. Rembow, welche sehr tüchtig war, be-
stand die übrige Infanterie theils ans Halbinvaliden, theils aus Rekruten,
grösstentheils Polen.
134
stimmt aus, dass ohne Befestigungsanlagen mit dieser verzet-
telten Aufstellung der kleinen Macht nichts anzufangen war.
Da der Feind oberhalb des Danziger Haupts in der Weichsel
ungesehn vom Veitheidiger eine beliebige Anzahl von Kähnen
versammeln konnte, so war hier der gefährdetste Punkt, der
durchaus befestigt werden musste. Schon seine vorspringende
Lage forderte dazu auf Eine Landung vom frischen Haff her
war nicht zu fürchten, da sich hier nur sehr kleine Kähne dem
Strande der Nehrung nähern können.
Die Verantwortlichkeit für die Katastrophe, welche das
Rouquettesche Korps ereilte, trifft, wie die Verhältnisse bei
seiner Ankunft nun einmal lagen, ausschliesslich den Grafen
Kaikreuth. Wie sein Bericht vom 9. März aus Pillau an den
König bei seiner Reise nach Danzig beweist, war er völlig von
der Noth wendigkeit durchdrungen, die Nehrung zu behaupten.
„Wird die Nehrung erst vom Feinde besetzt", schreibt er, „so
ist gar keine Hoffnung mehr, Verstärkungen nach Danzig zu
bringen^)." Er hätte noch hinzufügen können, dann ist auch die
Verbindung von Weichselmünde nach Danzig verloren. Dadurch
dass er feiner bei seiner Weiterreise nach Danzig sich über
die Situation des Detachemeiits von Rouquette genau orientiren
konnte, eine Befestigung aber nicht befahl, nahm er die Verant-
wortlichkeit für diese Unterlassung auf sich. Er hat nach dem
Avertissement, das er durch den Major vom Kamptz über die
Vorkehrungen des Feindes zum üebergang erhielt, sich nicht
einmal bewogen gefunden, eine geeignete Truppenzahl der Dan-
ziger Besatzung bereit zu stellen, um im Nothfall Hilfe zu
bringen.
Rouquette hatte erst seit dem 8. März, nachdem der Dan-
ziger Werder vom Gegner besetzt worden war, obige Aufstel-
lung genommen. Die Besatzung des Haupts durch den Hauptm.
V. Lagerström war am Tage des Ueberf alles folgende: Eine
') Die Belagerung von Danzig i. J. 1807. S. 7. So schreibt er auch
am 17. März an den Major v. Kamptz (ebenda S. 33), dass die Erhaltung der
Kommunikation auf der Nehrung mit das wichtigste der Defension von Dan-
zig sei, und in einem Schreiben an den Major Stemenfels vom 22. (ebenda
S. 62) erklärt er ausdrücklich, „dass die Nehrung gegen Uebermacht nicht zu
halten war''.
135
Feldwache von 1 Offz. und 33 Mann hielt die Spitze des Haupts
besetzt. 1500 Schritt dahinter stand der Hauptm. selbst mit
40 Mann. Der Ort war ihm genau vorgeschrieben, am Gehöft
des Wirths Boschke, 500 Schritt vom vorliegenden Damm, der
an der Sehne des vorspringenden Bogens hinlief. Ein Piket
von 15 Mann, zu dem noch ebensoviel Mann von der andern
Komp. des Bat. Diericke stossen sollten, hielt die Verbindung
mit der vorgeschobenen Feldwache und diente zur Aufnahme
derselben.
Erst nachdem das Eistreiben auf der Weichsel am 19. auf-
hörte, war der Marschall Lefebvre imstande, den wiederholten
Weisungen Napoleons, sich der Nehrung zu bemächtigen, nach-
zukommen. Alle Vorbereitungen dazu waren getroffen. Zu
dem Unternehmen war der General von Schramm mit angeblich
2000 Mann und 6 Geschützen bestimmt. Er hatte die nöthlge
Zahl Kähne auf Schlitten zu beiden Seiten des Haupts an der
rothen Bude bei Fürstenwerder und bei Siedlersfähre hinter
dem Weichseldamm zusammenfahren lassen. Die Kähne sollten
auf ein verabredetes Zeichen gleichzeitig über den Weichsel-
damm getragen und in den Fluss gelassen werden. Der Ge-
neral von Schramm theilte sein Detachement in 3 Theile*)
unter den Obersten Vogel, Brayer und Montmarie. Der An-
griff sollte, das Haupt umfassend, gleichzeitig von allen 3 Theilen
ausgeführt werden, indem die mittlere Abtheilung an der Spitze,
die beiden andern östlich und westlich davon landeten. Nach
Besitznahme des Haupts sollte die mittlere Abtheilung gegen
Nickelswalde vordringen, die beiden andern längs der Weichsel
^) Nach dem Bericht Kalkrenths hestand das Schrammsche Detachement
aus einem Bat. vom 2. Chasseurregmt, 2 Bat. Sachsen und 2 Bat. Polen nebst
einer Eskadron Chasseurs zu Pferde. Höpfuer giebt (S. 409) 2 Bat. Fran-
zosen und noch 1 Eskdr. polnischer Ulanen an. Zieht man die oben mit-
getheilte Dislocationsliste vom 24. März zurathe, wonach an diesem Tage
sich nur ein BataiUon Sachsen, eins Franzosen und ein drittes Polen auf
der Nehrung befanden (zusammen 1800 M., ausser der Kayallerie), so ist an-
zunehmen, dass der General Schramm auch das Bat. v. 2. Chasseur-Regiment,
welches ausserdem unter seinen Befehlen stand, herangezogen haben wird,
so dass er 2600 Mann stark an Inf. war. Polnische KayaUerie stand nicht
in der Nähe.
136
zu beiden Seiten vorgehn. Gleichzeitig sollte der Oberst Tho-
loz6 mit 50 GLasseurs und einer Kanone auf den jenseitigen
Damm des nach Danzig gehenden Weichselarmes abwärts mar-
schiren, um die nach Danzig zurückgehenden Preussen zu be-
schiessen ^). Der Gen. von Schramm hielt sich bei der linken
Abtheilnng (Obst. Montmarie) auf, welche bei Siedlers Fähre
fibergehn sollte.
Die Disposition wurde pünktlich ausgeführt. Das Geräusch
des Eis treibenden Stroms verhinderte die frühzeitige Entdeckung
der Unternehmung^), erst die Schüsse der landenden Franzosen
allarmirten die Vorposten. Der Lieutenant von Lavergne vom
2. Ghasseur - Regiment landete zuerst und überrumpelte die
Feldwache. Er fiel zwar, aber die Landung der mittleren
Abtheilung unter dem Obersten Brayer war dadurch gesichert.
Der Hauptmann von Lagerström hatte kaum die Zeit, der Feld-
wache zu Hilfe zu eilen, als er schon von der linken Seite her
von überlegenen Kräften angefallen wurde. Gleich anfangs ver-
wundet, zog er sich mit grossem Verlust nach der Westecke
des Dammes, welcher das Haupt abschliesst, zurück, wo ein
Theil des Detachements von der Siedlers Fähre unter dem Lieu-
tenant von Barner zu ihm stiess. Der Versuch, den Damm in
seiner ganzen Breite zu besetzen, wurde durch den bei Fürsten-
werder übergesetzten Feind verhindert. Gleichzeitig in der
>) M. Dnmas S. 134.
*) Wie vortheilhaft hätten die Kosacken verwendet werden können, die
der Gen. Bonqoette tags zuvor nach Weichselmünde entlassen hatte, nm die
Verbindung der Feldwache nach rückwärts zu unterhalten und die Weichsel
zu beobachten! Der Graf Kaikreuth gab am 22. März in Danzig folgenden
für seine Art charakteristischen Parolebefehl aus : „Wenn ein Junker 8 Tage
Soldat ist, 30 weiss er, dass die Vorposten eine Stunde vor Tage unterm Ge-
wehr, die Feldwachen aufgesessen und die Pikets parat sein müssen, bis die
PatrouiUen zurück sind, und man sehn kann, dass kein Feind anrückt. Da-
mit solches geschehe, müssen die Herrn Stabsofüciere um diese Zeit in grösster
Thädgkeit sein. Wenn S. Exe. mm nach diesem ganz einfachen Grundsatz
des Dienstes den Vorfall auf der Nehrung beurtheilen, wo der Posten bei
Schönbaum, ohne einen Schuss zu thun, genommen, alle Quartiere hinterwärts
ebenso überfaUen, so können Sie sich nur innigst betrüben, dass aller Feld-
dienst aus der Armee heraus ist und man es als Hauptsache hält, dass Vor*
posten sich bloss mit Präsentiren abgeben müssen*'.
137
Front von der mittlem Abtheilang des Feindes angegriffen, zog
er sich wiederum nördlich ab, wurde nun aber von der von
Siedlers Fähre vordringenden Abtheiluug angefallen, von allen
Seiten umringt, durch 3 Schüsse abermals verwundet und mit
dem Rest seiner Kompagnie gefangen.
Der Major von Sternenfels war inzwischen mit den beiden
andern Komp. Diericke von Schönbaum herbeigeeilt, fand aber
den Damm bereits von den Franzosen besetzt und die Komp.
Lagerström verschwunden. Nach einem vergeblichen Versuch,
den Feind zurückzuwerfen, trat er den Rückzug nach Nickels-
walde an. Ihm schloss sich unterwegs die 4. Komp. des Bats.,
welche von Prenzlaff herbeigeeilt war, und der Hauptmann Ro-
chella mit einigen 50 Fiiselieren von Freyhuben an. Letzterer
hatte den Rest seiner Füseliere unter dem Lieut. von Löbel
am Kttkukskruge mit dem Auftrage zurückgelassen, im Noth-
fall sich auf den Major von Kamptz nach Stutthoff zurückzu-
ziehen.
Bei dem Rückzüge nach Nickelswalde löste sich das Bat.
Diericke infolge zahlreicher Ueberläufer fast auf. Ein Feld-
webel der Komp. aus Prenzlaff ging in voller Ordnung mit 40
Mann zum Feinde über und schoss auf seine alten Waffenge-
fährten.
In Nickelswalde fand der Major Stemenfels den General
von Roaquette vor dem Ort aufmarschirt. Auch war hier be-
reits ein Theil der Schmelingschen Grenadfere, die vom Obersten
Montmarie aus Einlage vertrieben worden waren, angelangt.
Der General hatte Sogleich vom Vorgefallenen Meldung an den
Gavemeur gemacht und um Unterstützung gebeten. Der Lieu-
tenant von Stieler warf einige Granaten auf den Feind, da der
Tag bereits eingetreten war. Nach den Verlusten im Gefecht
und durch Ueberläufer bestand die ganze versammelte Macht
nur noch aus 600 Mann. Der Gen. beschloss daher, sich ohne
Verzug nach Danzig zurüekzuziohn, um nicht abgeschnitten zu
werden, und den Major von Kamptz seinem Schicksal zu über-
lassen. Er setzte den Major davon in Kenntniss und befahl
ihm die einzelnen Posten zu versammeln und nach Pillau aus-
zuweichen.
Per Rückzug erfolgte in ;swei Kolonnen, die eine auf den
138
Dünen gedeckt durch Schützen und durch Artillerie, die andre
am Strande. Die Franzosen, die sich selbst erst sammeln
mussten, folgten nur langsam.
Gegen SV« Uhr konnte sich der General bei Neufehr vor
dem Münder Walde von neuem aufstellen, indem er in Kompag-
nien und Zügen auseinander gezogen den ganzen Raum zwischen
der Weichsel und dem Strande ausfüllte. Die Abtheilungen aus
Krakau und Neufehr hatten sich ihm angeschlossen, so dass er
gegen 700 Mann Infanterie, 4 reitende Geschütze und einige
Kavalleristen stark war.
Hier traf ein Schreiben des Grafen Kaikreuth ein, wonach
der General sofort den Feind angreifen, ihn aus der Nehrung
werfen und die Verbindung mit Pillan wieder herstellen sollte.
Er werde zu diesem Zweck durch einen Pulk Kosacken ver-
stärkt werden. Rouquette antwortete, er werde sich bemühen,
dem Befehl nachzukommen, doch bedürfe er, um den Feind
zurückzuwerfen, anderer Hilfe als Kosacken.
Die Franzosen machten zunächst keine Anstalten zum An-
griff, da sie vorläufig nur ein Geschütz hatten und dem Oberst
Vogel die Zeit gelassen werden musste, sich nach Pillau hin
zu sichern. Sie legten eine Verschanzung auf der Düne an.
Gegen 4 Uhr nachmittags traf ein Pulk Kosacken unter
dem Obersten Malachow von Danzig her ein. Mit Mühe gelang
es dem Oberst, sie zu einem Angriff gegen etwa 60 feindliche
Reiter zu bewegen, welche am Strande hielten. Der General
V. Rouquette musste sich selbst an die Spitze stellen. Da die
Franzosen Kehrt machten, wuchs den Kosacken der Muth. aber
auf den ersten feindlichen Kanonenschuss stutzten sie und
machten sich davon, obgleich sie durch die Batterie Stieler und
durch Schützen unterstützt wurden. Der General nahm die
preussischen Offiziere zusammen und sprach ihnen seine Absicht
aus, den Feind mit der Infanterie anzugreifen. Diese waren
für ihre Person gern bereit zu folgen, machten jedoch darauf
aufmerksam, dass die Polen bestimmt zum Feinde übei*gehn
würden. Der General sah sich daher genöthigt, den weiteren
Rückzug anzutreten. Die Grenadiere und die Artillerie wurden
gegen 5 Uhr nach der Fähre am Ganskruge, die übrige In-
fanterie nach Weichselmünde dirigirt.
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Als die Artillerie bereits über die Weichsel gesetzt war,
traf eiu neuer Befehl des Guverneurs ein, die Franzosen
zurückzuwerfen, zu welchem Zweck der General durch das
Krockowsche Freikorps unterstüzt werden sollte. Der Befehl
blieb ohne weitere Folgen. Das 800 Mann starke Krockowsche
ITreikorps ging zwar gegen 7 Uhr abends mit den beiden an-
dern Kosackenpulks von Weichselmünde aus vor, musste jedoch
bald wieder umkehren. Die Infanterie des Generals von Ron-
quette ging, nachdem die Besatzung von Weichselmünde auf
300 Mann gebracht worden war, am folgenden Tage nach
Danzig zurück.
Der Marschall Lefebvre schickte sofort den General
Eirgener nach der Nehrung, um die nöthigen Schanzen zur
Festhaltnng derselben gegen Danzig, Weichselmünde undPillau
anfwerfen zu lassen').
Der Major von Kamptz hatte die verschiedenen Posten
des linken Flügels glücklich an sich gezogen und führte sie,
350 Mann Infanterie und 42 Kürassiere stark, nach Pillau, wo
in den nächsten Tagen die russische Verstärkung unter dem
Fürsten Tscherbatow eintraf, die nunmehr den Weg auf der
Nehrung versperrt fand. Die Vorbereitungen zu ihrem Trans-
port auf der See nahmen einige Tage in Anspruch. Für alle
Fälle wurde Pillau zur Beherrschung des Tiefs nach der
Wasserseite zu stark armirt und auf der Nehrungsspitze gegen-
über die vorhandene alte Verschanzung hergestellt und mit
Mannschaft und Geschütz besetzt*).
0 Matth. Damas S. 138.
*) Höpfner S. 402. Die uach dem Tilsiter Frieden eingesetzte Unter-
sachnngs-Kommission sprach den Gen. v. Bouqnettc von der Anschnldigung
der VersäumniBS seiner Pflicht nnd der Unentschlossenheit frei und erklärte,
dass die Nehrung bei den geringen und unzuverlässigen Kräften des Generals
hätte verloren gehen müssen. Sie wies die aUeinige Schuld zu: 1) dem frü-
hem Guvemenr von Danzig (v. Manstein), der es verabsäumt hat, die Ver-
thddignngsmittel durch fortifikatorisöhe Anlagen zu verstärken. 2) Dem
Oberbefehlshaber der verbündeten Armee (v. Bennigsen). weil er die Wichtig-
keit der Nehrung nicht gewürdigt und ein entsprechendes Truppenkorps da-
bin detachirt hat. 3) Dem Guv. Grafen Kaikreuth, weil er nicht statt eines
Pulks Kosacken den Gen. v. Rouquette durch einige Bataillone Infanterie und
eine angemessene Linien-Kavallerie verstärkt hat Das TJrtheil erfolgte auf
140
Am 21. wurde Neufahrwasser von neuem angegriffen. Der
Graf Krockow und Oberst Popow, Kommandeur des im Ort
stehenden Kosackenpulks, erst an demselben Morgen wieder
zurück, verfolgten den abgewiesenen Feind bis Langfubr und
Oliva. Der Guverneur Graf Kaikreuth hatte auf die Nachricht
des Angriffs auf Neufahrwasser sogleich einen Ausfall nach
Wonneberg durch die Obersten von Massenbach und Malachow
machen lassen. Die Kosacken steckten das Hüttenlager eines
badischen Battaillons in Brand und brachten mehr als 100
Gefangene ein. Der Feind soll mehr als 40 Todte gehabt
haben.
Bei Zigankendorf wurde die Vorpostenlinie um 500 Schritt
mehr vorgeschoben. Infolgedessen entwickelte sich am
22. wiederum ein Gefecht, worin die Belagerten ihre Linie
behaupteten und die Franzosen auch dem Bischofsberge gegen-
über etwas zurückgingen.
Der Mangel an Furage in Weichselmünde veranlasste den
Guverneur, die 100 Reiter des Krockow'schen Freikorps
und die beiden Kosackenpulks aus Weichselmünde und Neu-
fahrwasser, welche unter dem Obersten Popow vereinigt wurden,
nach Danzig zu ziehn. Die Kosacken wurden nach dem
Kneipab und nach dem Ganskruge verlegt. Der Oberst Ma-
lachow lagerte mit seinem Pulk im Schiessgarten vor dem
hohen Thor.
Der General von Schramm verschanzte sich bei Krakau
unterhalb Neufahrwasser und Hess daselbst eine Brücke über
die Weichsel schlagen^).
den Bericht des Eeferenten Obersten y. Bülow (des spätem Grafen von Denne-
witz), der mit der Lokalität vertraut war. Das Referat wird von HOpfuer
S. 403 ausführlich mitgetheilt. Höpfner theilt S. 409 in einer Note die
Aeusserung von Officieren mit, welche den General v. Kaikreuth näher ge-
konnt haben. Danach soll er den General von Rouquette nicht unterstüzt
haben, weil derselbe in dem zu seiner Zeit viel besprocheneu Streit Über den
Vorzug der Wendung zu Dreien oder zu Vieren bei der Kavallerie sein
Gegner gewesen sei. Jedenfalls ist das Benehmen des Grafen aus seinen
selbst über die Wichtigkeit der Nehrung ausgesprochenen Ansichten nicht zu
erklären, so dass es gerechtfertigt erscheint, es auf persöuliche Motive zurück-
zuführen.
^) Schreiben des Guverneurs an den Obersten von BUlow in PiUau vom
141
Zur Beherrschung der Weichsel und der Küste liess der
Guverneur einige Fahrzeuge herrichten, wovon zwei, das eine
zu 4, das andre zu 2 Geschtttzen, bereits an diesem Tage
bereit waren.
Den 23., 24. und 25. herrschte bei den Vorposten Ruhe.
Die Franzosen arbeiteten an ihrer Kontravallation (Fleschen
1—5) fort. Vier Wurf vom Bischofsberge jagten die feind-
lichen Arbeiter an der Redute auf der Jesuiterhöhe am 25.
auseinander, so dass die Arbeit nur in der Nacht fortgesetzt
werden konnte.
Der Guverneur liess auf den zwei höchsten Thürmen der
Stadt Teleskope zur Beobachtung des Feindes aufstellen. In
der Nacht wurden die Feldwebel dazu verwendet. An den
Annirungsarbeiten wurde angestrengt fortgearbeitet.
Von Pillau lief die Nachricht ein, dass die Verstärkung
der Russen am 22., 23. und 24. daselbst eintreffen würde.
Am 26. liess der Guverneur um 6 ühr morgens einen
grössern Ausfall machen. Er berichtet darüber unterm 27. an-
den König, wie folgt: „Der Ausfall ward früh mit ungefähr
3000 Mann, wovon '/s Kavallerie, in 6 Kolonnen*) unter An-
führung des Obersten von Massenbach gemacht, gerieth sehr
gut; es wurden sogleich 5 Offiziere 171 Mann gefangen, die
Windmühle und das Müllerhaus bei der feindlichen Schanze
(Nr. 1) auf dem Judenkirchhofe abgebrannt.
20. April, wonach Höpfner zu berichtigen, der S. 410 sagt, dass die Lage der
Brücke nicht genau zu ermitteln wäre. Seine Erkundigungen an Ort und
Stelle bestätigen jedoch obige Nachricht des Guvemeurs (Belag, y. 1807
S. 129).
*) Nach Friccins, Gesch. der Befestigungen und Belagerungen Danzigs.
Berlin 1854 S. 86 erhielten diese 6 Kolonnen folgende Direktionen : die 1. und
2. debuchirten ans dem Petershagener Thor und gingen, die 1. gegen Stolzenberg,
die 2. gegen den Judenberg vor; die 3. und 4. Kolonne, letztere als Reserve, diri-
girten sich durch das Neugarten-Thor auf Schidlitz. Die 5. und 6. Kolonne
gingen durch das Olivaer Thor vor, erstere nach dem Zigankenberg, letztere
gegen Langfuhr. Diese Richtungen sprechen dafür, dass es auf die 5 Schanzen
der Kontravallation abgesehen war, wie dies auch französischerseits ausge-
sprochen ist. Damit Hesse sich der Bericht Kaikreuths wohl vereinigen. Die
1. Kolonne ist als die Hanptkolonne anzusehen, deren Spitze nach dem Bericht
bis gegen Wonneberg vorgegangen ist. Sie wurde vom Oberstlieutenant
V. Schmeling geftUirt.
142 _
Die Tete der Hauptkolonne war bis gegen Wonneberg
vorgegangen und zog sich zu rechter Zeit zurUck. Auf dem
Rttckzuge hielten sich einige Infanteriekolonnen etwas mit zu
pünktlichem Manöveriren*) auf, wodurch zuletzt vorm
*) In einem Schreiben des Guverneurs vom 27. an den Major v. Wos-
trowski erklärt er sich über das „zu pünktliche Manövriren'' näher, indem
er einem Kapitain, wie es scheint von Kykbusch, den Vorwarf macht, dass er
en 6chiqnier zurückgegangen ist, während er ohne alle Gefahr en front de
baniere zurückgehn konnte. (S. 72.) Der Guverneur sagt hierbei die sehr
praktischen Worte „von allen Evolutionen ist der Ausfall die schwerste, weil
schnell vor, schnell ausgerückt, ungesäumt doch in Ordnung zurück, das Ele-
ment davon sind pp.'' Ich habe absichtlich den Wortlaut des Berichts au
den König wiedergegeben, weil Höpfner S. 411, der „skizzirt«n Geschichte^
S. 72 folgend, den Ausfall anders darstellt. Danach sollten die Franzosen
aus Stolzenburg geworfen, der Ort jedoch beim Vordringen nicht gehörig ab-
gesucht worden sein, so dass eine bedeutende Zahl feindlicher Infanterie sich
in den Häusern verstecktet und beim Rückzuge heftig auf die Preussen schoss.
üöpfner tritt damit jedoch mit seinen eignen Angaben in Widerspruch, in-
dem er S. 391 sagt, dass der Feind am 18. aus dem äussersten Ende von
Stolzenberg delogirt wurde und am 22. seine Vorposten noch weiter zurück-
genommen hätte (S. 41). Stolzenberg war also gar nicht vom Feinde be-
setzt, weder der Bericht an den König noch alle andern gleichzeitigen Nach-
richten wissen etwas davon. Auch irrt Höpfner darin, dass er den Berg, auf
welchem Schanze 2 lag, den Windmühlenberg nennt. Der Berg, worauf die
Windmühle und das MiUlerhaus lag, befand sich nach dem Bericht des
Guverneurs auf dem Judenberge. Er findet ferner die Veranlassung zu dem
Ausfalle darin, dass die Schanze 2 so weit vollendet war, dass sie armirt
werden sollte und die Truppen bei Wonneberg 600 Mann nach der Nehrung
detachirt haben sollten und ein Unternehmen auf Neufahrwasser beabsichtigt
war, um sich der Landung der Russen zu widersetzen. Von alledem wird
in dem Bericht des Guverneurs nichts erwähnt, doch mag die Entdeckung
der Arbeit an Schanze 2 die Hauptveranlassung zum Ausfall gewesen sein.
Der Guverneur äusserte, als er nach dem Gefecht bei der Börse vorbeiritt,
zu einigen befreundeten Kaufleuten: „Meine Herrn, der Feind hatte sich
vorgenommen, uns einen grünen Donnerstag zu machen; ich hielt es für ge-
rathen ihm zuvorzukommen und ich kann Ihnen sagen, dass alles gut gegangen
ist". (Duisburg S. 222.) In derselben Weise spricht sich das Zeitungsbnlletin
des Guverneurs vom 27. aus. Der grüne Donnerstag (26.) war nämlich für
Danzig ein ominöser Tag, und allerhand Gerüchte waren im Umlauf, darunter
möglicherweise auch ein Unternehmen des Feindes auf Fahrwasser. Man darf
sich durch die Aeussemngen Kaikreuths hinsichtlich des Erfolges nicht blenden
lassen, der ganze Ausfall war ein verfehltes Manöver; nicht eine der fünf
Schanzen ist genommen worden.
143
Bischofsberge und Neugartenthor ein blutiges Oefecht entstand,
so wie hiernächst bei Zigankenberg und Langfuhr. Gegen
12 ühr war alles vorbei und die Vorposten blieben iYi der
alten Position, unser Verlust ist : Blessirte 5 Offiziere, 6 Unter-
offiziere, 97 Gemeine; Todte 15 Gemeine; Vermisste oder Ge-
fangene 2 Offiziere, 2 Unteroffiziere, 1 Tambur, 136 Gemeine.
14 blessirte Pferde und 2 Gefangene von der Kavallerie. Von
den Kosacken 1 Offizier, 4 Kosacken und 3 Pferde todt; 1 Unter-
offizier, 16 Kosacken und 20 Pferde blessirt, IKosack gefangen.
Die Truppen hielten sich sehr gut, namentlich die Kosacken,
welche die meisten Gefangenen einbrachten".
In einem Zeitungsbulletin vom 27. erwähnt" der Gu^erneur
noch, dass sich bei dem Ausfall vom 26. besonders ausgezeichnet
hätten: Die Fuss Jäger, die Schützen namentlich von Courbiere
unterm Lieutenant von Lyncker, der 3 Blessuren erhalten hat,
nach der ersten sich verbinden Hess und wieder ins Feuer
ging; die Schützen von Schmeling Grenadiere und ein Theil
des Regiments von Rouquette unter Anführung des braven
Majors von Mutius, ebenso wie der Oberst von Massenbacb,
die Kosackenobersten von Popow und von Malachow, der Oberst
von Schäfer und Schuler von Senden, der Oberstlieutenant
von Schmeling u. a. m.
Der Bericht fährt dann fort: Der Major Graf Krockow
hatte den Befehl, während des Ausfalls die Aufmerksamkeit des
Feindes von der Seite von Langfuhr auf sich zu ziehn, ging
abor längs dem Strande auf Oliva zu, um dort mit Wagen zu
furagiren, wurde mit Uebermacht bei Brösen abgeschnitten,
das Korps musste sich durchschlagen, wobei Major Graf
Krockow nebst noch 1 Offizier und 60 Mann theils blieben,
theils gefangen und ein Offizier und mehr denn 30 Mann
blessirt wurden ^).
Das Zeitungsbulletin setzt noch hinzu, dass durch die Ver-
rätherei eines Knechts, der vorsätzlich umwarf, ein reitendes
Kanon vom Krockowschen Korps verloren ging.
>) Nach Matth. Dnmas S. 139 war es eine Eskadron des 19. französischen
Chasseor-Begimeuts und ein polnisches Ulanen-Regiment^ welche den Grafen
Krockow gefangen nahmen.
144
Während des Gefechts kamen die beiden ersten russischen
Kompagnien zur See an und zogen noch in der Nacht in Dan- .
zig ^n. Mit ihnen der General Laurens.
Am 27. langte wiederum eine Kompagnie Russen an. Die
vierte des 1. Bats. wurde durch einen feigen Schiffer auf der
See zui*fickgehalten.
Am 28. rückte der Gen. v. Schramm mit seinem Korps
bis Heubude vor^). Eine Abtheilung Franzosen drang bis zu
den dem Ganskruge gegenüberliegenden Häusern von Kreil vor,
wurde aber von übergesetzten preussischen Jägern, Kosacken
und russ. Infanterie wieder zurückgetrieben. Die Häuser von
Kreil sowie der grosse und kleine Holländer wurden abgebrannt.
Leider versäumte man auch das Dorf Weichselmünde abzu-
brennen, was sich in der Folge sehr nachtheilig erwies.
In der folgenden Nacht wurde die Balkenschanze an der
Weichsel beendet und am Ganskruge fortgebaut.
Am 29. kam der Fürst Tscherbatow mit dem 2. und 3.
Bataillon an, mit ihm der Major von Kamptz mit seiner Mann-
schaft.
Es wurden zwei neue armirte Schiffe zum Auslaufen bei-eit
gestellt. Der Befehl über das kleine Geschwader wurde dem
Lootsenkommandeur Husen anvertraut.
Die Bttrgerkompagnien erboten sich, im innern Dienst der
Stadt Hilfe zu leisten und Wachen zu stellen, was dankbar
angenommen wurde.
Nach Ankunft der russischen Infanterie konnte der Gu-
verneur die Besatzungen von Weichselmünde und Neufahr-
wasser verstärken. Nach letzterem wurde das Füsilierbataillon
Pelet unter dem Obersten Schuler von Senden verlegt, dem
zugleich interimistisch die Kommandantenstelle für den Obersten
von Winterfeld übertragen wurde.
Am 30. besetzte ein russisches Bataillon den Holm, wäh-
rend ein zweites nach Kneipab, dem Ganskrug und der Rück-
forter Schleuse verlegt wurde. Das 3. wurde in Langgarten
') Die Schanzen, die hier »ogleich in Angriff genommen werden, sind
auf n Taf. in 1 eingetragen.
145
untergebracht. Die noch fehlende Komp. des 1. Bats. langtö
am 1. April an.
Im übrigen herrschte seit dem 27. (dem Charfreitage)
wegen der Osterfeiertage ziemliche Ruhe. Nur die beidersei-
tigen Arbeiten wurden eifrig fortgesetzt.
Am 31. März wurde seitens der Franzosen gegen Abend
die Schanze an der Rtickforter Schleuse mit einer Haubitze
und zwei Kanonen beschossen und am 1. April ein Angriff
darauf gemacht. Die russische Besatzung vertheidigte sich
hartnäckig, verlor aber 1 Offz. und mehrere Mann; 15 Russen
wurden verwundet. Der preussische Artillerieoffizier in der
Schanze, Hauptmann v. Fiebig, verlor ein Bein und starb an
der Amputation.
Das Eintreffen der Generäle Michaud, Dufour und von
d. Velde mit ihren Abtheilungen in den letzten Tagen des
März gestattete dem Marschall Lefebvre endlich den Beginn
der förmlichen Belagerung^). Vom Belagerungstrain war in-
dessen nur ein kleiner Theil eingetroffen, doch sah man der
Ankunft weiterer Transporte binnen kurzem entgegen.
g. Von der Eröffnung der 1. Parallele bis zur
Vollendung der 3., oder vom 1. April bis 1. Mai.
Am 1. April Hess der Marschall Lefebvre die Vorposten ^P"l-
aus Stolzenberg, Schidlitz, Zigankenberg und Aller Engeln zu-
rückwerfen. Vom Zigankenberg wurde der Belagerer zweimal
zurückgewiesen. Mittags befahl der Graf Kaikreuth jedoch, das
Feuer einzustellen, so dass der Belagerer nach grossen Ver-
lusten im Besitz des streitigen Terrains blieb. Der Lieutenant
von Barnikow I hatte mit einem Kommando des schwarzen
Husaren-Regiments in ein Bataillon badenscher Infanterie einge-
hauen ^ und 1 Offz. und 40 Mann gefangen genommen. Es
») Matth. Dumas S. 140. Nach ihm wäre, wie bereit» bemerkt, das
französische Belagerangskorps bis dahin nnr 9000 Mann stark gewesen?
') Nach Grolman S. 75 waren es 2 Kompagnien des 1. BataiUons vom
Regiment Erbgrossherzog, die auf einer Höhe links des Zigankenberges
standen. Die badischen Truppen verloren 142 Mann an Todten, Verwundeten
und Gefangenen. Drei Officiere wurden schwer, vier leicht verwundet. Der
Hauptmann Fein starb an seinen Wunden.
Köbler, Oenchichte der Festangen Danzig and Weichselmände. IL lo
146
wurden überhaupt 89 Gefangene gemacht. Das Gefecht hatte
6 Stunden gedauert. Der Belagerte zählte 75 Verwundete.
In der folgenden Nacht wurde vom Belagerer unter Be-
günstigung eines lebhaften Angriffs auf Aller Engeln, den der
General Puthod durch den Fürsten Radziwill ausführen Hess,
die erste Parallele gegen den Hagelsberg eröflfhet, nachdem
durch einen desfallsigen Kriegsrath festgestellt worden war,
dass der Hauptangriflf gegen diesen geführt werden sollte. Er
sollte durch zwei Scheinangriffe, den einen gegen Weichsel-
münde durch den General von Schramm, den zweiten gegen
den Bischofsberg begünstigt werden. Zwei andere sekundäre
Angriffe gegen das Olivaer Thor und die untere Weichsel
sollten auf dem linken W^eichselufer geführt werden^). Der
General v. Schramm erhielt ausserdem den Befehl, die Verbin-
dung von Weichselmüude mit Danzig aufzuheben und den
Wasserweg zu sperren.
Die Eröffnung der ersten Parallele bestand zunächst nur
in der Krönung des Zigankenberges in der Ausdehnung von
400 Metern. Die Dominirung desselben über den Hagelsberg
hatte vorzugsweise die Wahl dieses Angriffspunktes bestimmt,
obgleich man zunächst wegen Mangel an Artillerie keinen Vor-
theil davon ziehen konnte. Ein weiterer Grund lag wohl darin,
dass man beim Angriff auf den Hagelsberg die kantonirenden
Truppen vortheilhafter gruppiren konnte, sowohl um gegen
Landungen bei Neufahrwasser bereit zu stehen, als eine nähere
Verbindung mit den Truppen auf der Nehrung zu erzielen, die
nur über die Holminsel, deren Wegnahme die Vorbedingung da-
zu war, ermöglicht werden konnte. Eine direkte Verbindung mit
der Nehrung östlich von Danzig war wegen der Inundation nicht
herzustellen. Durch den Angriff auf den Hagelsberg gab man
allerdings die bequemere Verbindung mit den Hauptparks, welche
wegen der Weichseltransporte an der Hauptstrasse nach Dir-
schau liegen mussten, auf, aber bei einem Angriff auf den
Bischofsberg, der eine leichtere Verbindung mit denselben ge-
stattet hätte und auch sonst noch Vortheile bot*), hätte man
^) Mattd. Dumas S. 144.
*) Der General Kirgener macht in dieser Beziehung geltend, dass der
147
die ffir den Angriff des Hagelsberges sprechenden schwer wie-
genden Vortheile aufgeben müssen^). Die Einwirkung des
Bischofsberges und der Hohninsel als entferntere Kollatoral-
werke auf den Angriff gegen den Hagelsbeig würde heut be-
stimmend gegen denselben sprechen, war aber bei dem dama-
ligen Zustand der Artillerie ohne Bedeutung. Die Verlegung
des Hauptangriffs gegen die Front am Olivaer Thor hätte die
vorherige Wegnahme des Holms noth wendig gemacht, was gleich
bei Beginn der Belagerung, wo man auf beiden Ufern der
Weichsel noch nicht genügend basirt dazu war, ein sehr zweifel-
haftes Unternehmen gewesen wäre, worauf sich kein Plan be-
gründen Hess. Ausser der Wegnahme der Ealkschanze *) hätte
auch die Festsetzung an der Bootmannslake von der Nehrung
aus zu den Vorbereitungen gehört. Ein Angriff auf Neufahr-
wasser, den der Guverneur mit Recht am meisten fürchtete,
hätte nur für den Fall zur Diskussion kommen können, dass
man sich entschloss, die dortigen Verschanzungen durch gewalt-
samen Angriff zu nehmen. Davor schreckte man jedoch zurück
und liess es nur bei Versuchen bewenden % Zu einem förmlichen
Angriff fehlten vorläufig die Mittel, die Zeit bis zu deren Ein-
Besitz von Stolzenberg und des Stolzenberger Grandes am Fnss des Glacis
g^estattet hätte, die 1. Parallele in grosser Nähe vom Platze zu erbauen.
Wegen zu geringer Stärke des Belagerangskorps hätten die Belagerten jedoch
nicht daraus vertrieben werden können.
*) Der General Pullet macht in seinem von der skizzirten Geschichte
benutzten handschriftlichen Werke noch besonders für den Angriff des Hagels-
berges geltend, dass die hinter dem Bischofsberge befindliche Front des
Hauptwalles der Stadt bedeutend stärker war als die hinter dem Hagelsherge
liegende. Skizz. Gesch. S. 220.
*) Der General Kirgener giebt die Wiedereroberang der kleinen Kalk-
schanze durch den Belagerten als Veranlassung an, dass von einem Angriff
der Olivaer Front, den er für den vortheilhaf testen hielt, Abstand genommen
wurde. Pr6cis S. 41. Die Schanze wurde jedoch erst am 8. zurttckerobeit,
nachdem die Parallele gegen den Hagelsberg schon in der Naoht zum 2. er-
öffnet worden war!
') Der General Kirgener hielt einen gewaltsamen Angriff auf Neufalm-
wasser ohne Vorbereitung durch Artillerie behufs Zerstörung der sehr staiüluNi
Palisaden nicht ausführbar.
10*
148
treflfen musste aber benutzt werden, da Napoleon unaufhörlich
auf Beginn der Arbeiten drang ').
Die Kenntniss der genauen Vertheilung der Truppen des
Belagerungskorps in dieser Zeit wäre in allen diesen Beziehungen
von Interesse, doch lässt sie sich nicht genau feststellen *). Als
die 4 Hauptstationspunkte ergeben sich Langfuhr, Pietzkendorf,
Wonneberg und St. Älbrecht. Hier werden daher die 4 Divi-
sionsstäbe gewesen sein. Die Divisonen bildeten in sich ihre
Reserven. Von jeder Division waren 2 Bataillone zum Detache-
ment des General v. Schramm auf der Nehrung abkonimandirt.
Wahrscheinlich war auch gegen Neufahrwasser ein gemischtes
Kommando aufgestellt. Im Werder stand vor wie nach ein
Bataillon Polen.
Der Bau der 1. Parallele war von der Festung nicht be-
merkt worden, da die Entfernung zu gross war. Das am Mor-
gen des 2. dahin dirigirte Feuer von den Werken blieb ohne
Wirkung, so dass der Belagerer am Tage die Arbeit vervoll-
ständigen und in der folgenden mit Zickzacks vom rechten Flügel
daraus vorgehen konnte. Er bemächtigte sich ausserdem in der
Nacht der kleinen Kalkschanze, welche verfallen und planirt wor-
den war und nur durch 50 Mann als ein vorgeschobener Posten
besetzt war. Von 3 Kompagnien der Nordlegion angegriffen,
räumte die Besatzung den Posten ohne Widerstand.
Auf Seiten des Vertheidigers wurde der Bau einer Flesche
vor dem Olivaer Thor begonnen.
Der Guverneur Graf Kaikreuth Hess am 3. um 11 Uhr
^) Dieser Umstand und namentlich der Mangel an Artillerie mag auf
die Wahl der AngriflFsfront bestimmend gewesen sein, da bei der Beschaffen-
heit des Vorterrains vom Hagelsberg die wenigsten Verluste zu erwarten
waren. Er erklärt zugleich, dass die 1. Parallele ungewöhnlich weit vom
Platz (1000 Schritt) erbaut worden ist.
*) Nach dem Tagebuch von Grolman S. 79 waren die 4 Divisionen
des 10. Korps, welche erst ende März gebildet werden konnten, vom linken
nach dem rechten Flttgel wie folgt aufgestellt: Michaud. Erbgrossherzog von
Baden, der erst am 2. April eintraf, Gielgnd und Gardanne. Bis zum Ein-
treffen des Erbgrossherzogs hatte der General Menard die Badener geführt,
obgleich er nur Brigadegeneral war, der General v. Klossmann aber General-
lieutenant.
149
morgens einen Ausfall von 40 Jägern, unterstützt von einem
Bataillon Bussen unter dem Oberstlieutenant Dumaschew, auf
die Ealkschanze machen, der ausserdem den Zweck hatte, durch
ein zweites Detachement die Ziegelei und Aller Engeln, wo sich
der Feind eingenistet hatte, zu verbrennen. Der Oberstlieu-
tenant ging aus der Sortie des Pockenhäuser Holzraumes vor
und wurde durch das Feuer der Batterie auf dem Holm unter-
stfitzt. Nach einem kurzen einleitenden Gefecht der Jäger gingen
die Russen mit dem Bajonett drauf. Die Besatzung der in-
zwischen mit einer Brustwehr in der Kehle versehenen Schanze
wartete den Angriff nicht ab, sondern zog sich nach der Zie-
gelei und, gefolgt von den Russen, nach Aller Engeln ab. Die
Russen liessen sich verleiten, heftig nach Langfuhr und in der
Richtung auf Pietzkendorf zu verfolgen, wurden aber bald von
herbeieilenden feindlichen Reserven bedrängt und mussten sich
zurückziehen, wobei sie vom Schmidt'schen Garten*) her nicht
unbedeutenden Verlust erlitten. Das Bataillon v. Brauchitsch, das
mit Kosacken und einiger preussischer Kavallerie auf der Chaussee
vorgegangen war, hatte sich inzwischen der Aufgabe erledigt.
Aller Engeln und die Ziegelei in Brand zu stecken und deckte
mit gi'osser Ruhe den Rückzug. Der Feind folgte bis an das
Olivaer Thor, wo einige Unordnung entstand und die Russen
über die Palisaden kletterten. Die Grenadiere von Brauchitsch
retteten jedoch das Thor, indem sie, quer über die Olivaer
Chaussee aufgestellt, den Feind mit dem Bajonett empfingen.
Sie wichen nicht eher, bis der letzte Mann in Sicherheit war,
worauf sie sich in die begonnene Schanze vor dem Thor zu-
rückzogen und die Artillerie von den Wällen den Feind bald
vertrieb*). Die kleine Kalkschanze wurde behauptet und mit
') Der Schmidtsche Garteu spielt auch bei der Belagerung von 1813
eine Rolle und lag etwas vorwärts von Aller Engeln, aber links von der
AUee.
*) Der Verfasser der „Preussen in Danzig", wahrscheinlich Brese, und
y. Duisburg geben eine sehr anschauliche Darstellung des Gefechts. Siehe auch
den Bericht des (luverneurs S. 80 und 89. Nach Brese waren es nicht Jäger,
welche dem Ausfall beigegeben waren, sondern Filseliere, die die Nacht zuvor
die Schanze geräumt hatten und freiwillig sich am Ausfalle betheiligteu, doch
ist das ein Irrthum.
150
200 Mann besetzt. Noch an demselben Tage wurde sie durch
einen Aufwurf mit dem Holzraum in Verbindung gesetzt ^).
Es wurden 1 Hauptmann und 25 Gemeine der Nordlegion
gefangen. Der Verlust des Belagerten betrug gegen 100 Ver-
wundete, hauptsächlich Russen, darunter der Oberstlieutenant
Malachow und zwei andere Offiziere.
Von selten der Artillerie des Belagerten wurde ein lang-
sames Feuer gegen die Sappenteten unterhalten. Für die Nacht
waren auf Bastion Jerusalem, Ravelin Hagel und Bastion Schütz
je ein Geschütz bestimmt, abwechselnd einen Kartätschschuss
gegen die feindlichen Arbeiten abzugeben*). Entdeckte man
aber durch die von Zeit zu Zeit geworfenen Leuchtkugeln
grössere Ansammlungen feindlicher Arbeiter, so wurden sie all-
seitig lebhaft mit Kartätschen beschossen. Die um 100 Manu
verstärkte Besatzung des gedeckten Weges vom Hagelsberg
unterhielt die ganze Nacht hindurch Kleingewehrfeuer im hohen
Bogen. Der Ingenieur vom Platz etablirte sich nunmehr be-
ständig auf dem Hagelsberg. Die Arbeiten auf dem Bischofs-
berg leitete der von der aufgelösten Ingenieur-Akademie nach
Danzig kommandirte Hauptmann Rohde^).
Im Lauf des 3. langten auf der Rhede die beiden pom-
merschen Reservebataillone unter dem Major von Gneisenau an,
konnten aber wegen stürmischen Wettei-s nicht ausschiffen.
Von Pillau aus wurde an diesem Tage ein Detachemeut
auf der frischen Nehrung gegen Kahlberg vorgesendet, welches
^) Nach dem „belagerten Danzig" war es der lugeuieiireleve Brese, der
spätere Chef des lugenienrkorps, welcher deu Aufwurf ausführen Hess.
') Nach der skizzirten Geschichte S. 90 soUtc alle Viertelstunden ein
Kartätschschuss erfolgen.
Es wird nicht erwähnt, dass eine Vermehrung der Artillerie des Hagels-
berges stattgefunden hat. Auch sagt Grolmann S. 81, dass ihr Feuer ohne
Bedeutung war. Später zeigen sich die beiden Facen der Angriffsfront mit
je 6 Kanonen bewaffnet, so dass bei dem beengten Raum kein Banket für
Infanterie übrig blieb. Die beiden Bastione waren ausserdem mit je 2 Mörsern
versehen. Ein Mörser befand sich im Ravel in-Hagel und einer in SaiUant I.
Skizzirte Geschichte.
») Höpfner S. 419. Skizzirte Geschichte S. 80. Nach derselben befand
sich Pullet bis dahin auf dem Bischofsberge und der General Laurens auf
(|em Hagelsberge.
IBl
die hier stehenden französischen Vorposten vertrieb. Der Ge-
neral V. Schramm sendete eine Komp. unter dem Hauptmann
Mangarnau, unterstützt von einem Bataillon Sachsen, dagegen vor,
welcher das Pillauer Detachement wieder zurückwarf.
In der Nacht zum 4. wurde die kleine Kalkschanze aus-
gebaut und mit einer Palisadirung versehn. Zu ihrer Verthei-
digung wurde auf dem Holm eine Batterie von drei 12-Pfündern
angelegt. An der Flesche vor dem Olivaer Thor und den an-
deren Armirungsarbeitcn wurde fleissig fortgearbeitet.
Der Belagerer stand von der Wiedereroberung der Kalk-
schanze ab und gab damit den beabsichtigten Angi'iif auf die
Olivaer Front auf. Er verlängerte dafür die 1. Parallele nach
links hin und legte einige Reduten darin an ^). Kirgener recht-
fertigt die sonst ungewöhnliche Anlage von Reduten in der
Parallele durch die Schwäche des Belagerungskorps. Auf dem
rechten Flügel wurde mit Zickzacks weiter vorgegangen.
Die Arbeiten schritten wegen Mangel an Mannschaften nur
sehr langsam vor. Man war genöthigt, Landvolk zu den Ar-
beiten heranzuziehen. Auch die Artillerie hatte auf den schlech-
ten Wegen grosse Schwierigkeiten zu überwinden, so dass sich
ihre Ankunft verzögerte.
Der Stadt wurde durch Ableitung des Tempelburger See's
auch das letzte Trinkwasser entzogen, so dass sie in dieser Be-
ziehung auf die schmutzige Mottlau und die Festungsgräben
angewiesen war.
Am Abend des 4. marschii-te der Major von Gneisenau mit
den beiden pommerschen Reserve-Bataillonen in Danzig ein.
Am 5. erhielt die Festung aus Pillau 125 Ctr. Pulver auf
Konto der geforderten 500 Ctr. und 108 Ctr. Heu, woran es
sehr fehlte, da die Pferde der Kosacken daran gewöhnt waren.
Die folgenden Tage wurden von beiden Theilen auf Fort-
ftihiung der begonnenen Arbeiten verwendet.
In der Nacht zum 9. eröffnete der Belagerer in der Ent-
fernung von 600 Schritt eine Parallele gegen den Bischofs-
berg. Der linke Flügel derselben wurde bis auf den Abhang
') Matth. Dumas S. 147 und Kirgener. Höpfner lässt, entschieden mit
Unrecht, diese Arbeiten schon in der Nacht zum 3. ausführen. (S. 421.)
152
des Stolzenbergs nach dem äussern Neugarten geführt, um da-
selbst Enfilir- und Reversbatterien gegen den Hagelsberg zu
erbauen.
Von Seiten des Vertheidigers wurde in dieser Nacht die
Flesche vor dem Olivaer Thor beendigt und nun ungesäumt au
die Ausführung eines Projekts gegangen, das schon früher vom
General Laurens und dem Major Bousmard in Anregung ge-
bracht, vom Ingenieur vom Platz aber bekämpft worden war.
Dieser sah sich schliesslich überstimmt. Es handelte sich näm-
lich um Anlage eines geschlossenen Werks auf dem sogenann-
ten Grantberge, 500 Schritt vor dem Scheunenwinkel, das als
Kontreapproche dienen sollte. Das Werk wurde in der Nacht
vom 9. zum 10. unter den Augen der feindlichen Schildwachen
in Angriff genommen ^) und den ganzen folgenden Tag daran
fortgearbeitet, so dass es des Abends mit 250 Grenadieren unter
dem Hauptmann von Gerskow vom Bataillon Brauchitsch besetzt
werden konnte. In der folgenden Nacht sollten zwei gedeckte
Kommunikationslinien nach dem Olivaer Tlior geführt werden.
. Um 10 Uhr abends warf sich eine Abtheilung von 500
Mann des Belagerers unter Anführung des Bataillonschefs Ro-
gniat, die zwischenliegende Schlucht überschreitend, auf das
Werk und nahm es im ersten Anlauf. Nach obei^flächlicher
Zerstörung desselben entfernten sich die Franzosen wieder und
die Arbeit wurde preussischerseits von neuem aufgenommen.
Um ein Uhr wurde die Schanze von den Franzosen wieder
genommen und behauptet, obgleich der Major von Kamptz mit
200 Mann vom Olivaer Thor zu Hilfe kam. Der Verlust des
Belagerten belief sich auf 80 Mann.
Die Franzosen zerstörten die Arbeit unter dem Feuer von
den Wällen und räumten das Werk erst mit Anbruch des
Tages, wo es sogleich wieder von den Belagerten besetzt wurde.
Die Arbeit wurde wiederum aufgenommen, die Schluchten an
der Schanze mit spanischen Reitern geschlossen und die Kom-
munikation nach rückwärts hergestellt.
*) Am Morgen des 10. faud man, dass das Werk nicht gut profilirt
war, so dass der Guvemeur den General Laurens beauftragte, sicli persönlich
davon zu überzeugen. Man half sich so gut es anging. Schreiben des
^uvemeurs an den General S. 103.
153
Am 12. begab sich der Ingenieur vom Platz selbst in die
Bousmardschanze, wie sie genannt wurde, um den Bau der-
selben zu beenden, was nur mit grossem Verlust ausgeführt
werden konnte. Doch gelang es, den grössten Theil der Brust-
wehr und die Kehle mit Palisaden zu versehen, sowie an der
letztern drei Barrieren anzulegen. Gegen Abend tibernahm der
Ingenieurlieutenant von Borcke die Leitung der Arbeit. Gegen
11 Uhr abends erfolgte ein neuer heftiger Angriff des Be-
lagerers auf die Schanze. Der General Puthod drang an der
Spitze eines Battaillons Sachsen und einiger Elitekompagnien
unter Leitung des Bataillonschefs Rogniat in der Front und
rechten Flanke in die Schanze ein. Der Major Kamptz eilte
jedoch mit 200 Mann vom Olivaer Thor zu Hilfe und nahm
die Schanze von neuem, wurde aber wieder herausgeworfen.
Auf diese Weise wurde das Werk dreimal von den Sachsen
genommen ^), bis sie sich schliesslich darin behaupteten. Der
Verlust war auf beiden Seiten sehr bedeutend und mag sich
preussischerseits auf 200 Todte, Verwundete und Vermisste
belaufen haben. Der Lieutenant von Betzdorf vom Regiment
Courbiere wurde verwundet, 2 Offiziere wurden gefangen.
Da der Guverneur die Ueberzeugung gewonnen hatte, dass
die Bousmard-Schauze nicht zu behaupten war, beschloss er,
sie aufzugeben, jedoch nicht ohne sie zuvor noch einmal ein-
genommen zu haben, um sie zu zerstören. Er beauftragte da-
mit den Oberstlieutenant von Schmeling.
Am 13. morgens 8 Uhr drang dieser mit seinem Grenadier-
bataillon, vorangeschritten von 150 Füselieren von Rembow-
und in der rechten Flanke gedeckt von einem russischen
Bataillon, gegen die Schanze vor, die zuvor von den Wällen
aus heftig beschossen worden war. Die sächsische Besatzung
wurde mit Heftigkeit angegriffen und mit einem Verlust von
3 Offizieren und 40 Mann Gefangenen aus dem Werke ge-
^) Hierbei zeichneten sich franzüsischerseits die Obersten Bernard nnd
Uartitzch (?), der Hauptmann Schönfeld nnd der Lieutenant von Obemitz
ans, ferner der Schütze Kempel und vor aUem der Tambur Zworn, der als
Held des Tages bezeichnet wird. Nibuatnias S, 6ß. Der franz. Lieutenant
Pemecourt wurde tödtUch verwundet.
154
Würfen; die Sieger drangen bis in die zweite Parallele nach.
Hierbei zeichneten sich namentlich die Lieutenants von Hohen-
dorf, von Karlowitz und von Förster aus. Jetzt eilten aber
von allen Seiten Truppen herbei. Der Marschall Lefebvre
selbst, begleitet von den Generälen Michaud, Puthod und Dufour,
warf die Grenadiere an der Spitze eines Bataillons des 44.
Linienregiments aus der Trancheo und Hess es sich nicht
nehmen, den Angriff bis in die Schanze fortzusetzen ^), die de-
finitiv in die Hände des Belagerers fiel. Der preussische Ver-
lust betrug 30 Mann'^). Der Lieutenant Raal genannt von
Thülen vom Fiiselierbataillon Rembow wurde tödtlich ver-
wundet. Der Verlust des Belagerers war viel bedeutender.
Kr hatte 8 Offiziere 68 Mann todt, darunter den Oberst Piriac
und den Major Kaiserling, 15 Offiziere 131 Mann verwundet.
Der sächsische Hauptmann von Dallwitz starb noch als Ge-
fangener in der Wachtbude, wohin man ihn schwer verwundet
gebracht hatte. Im Lauf des Tages besetzten die Belagerer
das Werk wegen des Feuers von den Wällen nicht, in der
Nacht zum 14. aber wurde die Tranchee (2. Parallele) bis zur
Bousmardschanze geführt und das Werk umgebaut. Ein anderes
Werk (b), das vom Belagerten aufgeworfen und ebenfalls auf-
gegeben worden war, wurde vom Belagerer eingeebnet. Viel-
leicht um einen neuen Ausfall zu verhindern, unterhielt der-
selbe in der Nacht ein lebhaftes Kleingewehrfeuer gegen das
Olivaerthor und den Hagelsberg.
Im allgemeinen hatte der Ingenieur vom Platz in betreif
*) Nach Höpfner S. 425, der wiederum der „skizzirten Geschichte*
S. 87 folgt, Avurde hierbei die Bousmardschanze von Aller Engeln her dnrch
ein feindliches Bataillon umgangen. Kalkreuth, Kirgener und Matth. Dumas
erwähnen nichts davon, auch hätten die Russen, die speciell zur Sicherung
der rechten Flanke aufgestellt waren, ihren Dienst schlecht versehn. Eine
entfernte Bestätigung liegt in der Mittheilung (Belagening und Einnahme
der Stadt Danzig 1807. Leipzig 1808 S. 88), dass die Grenadiere von Schmeling
sich über die Bussen beklagt haben, dass sie nicht stich gehalten hätten.
Nach Grolman S. 83 wären die Russen zuerst davon gelaufen. Auch Nibu-
atnias S. 72 spricht davon.
■) Nach dem Rapport der Lazareth-Kommission befanden sich infolge
der Gefechte vom 12. und 13. 56 verwundete Preusseu und 8 Russen in den
Lazarethen.
155
seiner Meinung über die Anlage dieses Werkes Recht behalten.
Es war ein verfehltes Unternehmen, dennoch möchte man es
in dem Kranze der preussischen Thaten dieser Belagerung
nicht missen.
Der Belagerer hatte sich dadurch in seinen Arbeiten wenig
stören lassen. Er hatte in der Nacht vom 11. zum 12. den
rechten Flügel der 2. Parallele gegen 600 Schritt vom Glacis
des Hagelsberges mit der flüchtigen Sappe ausgehoben und
hatte sie in den folgenden Nächten nach links hin verlängert ^),
wie wir gesehen haben bis zur Bousmardschanze.
Am 12. waren von ihm die Reduten der Kontravallatiou
mit Geschützen armirt worden. Die Redute 1 und 4 wurde
mit je 2, die Redute 5 mit 3 12-Pfündern bewaffnet. Die
Armirung der Reduten 2 und 3 musste noch unterbleiben, weil
die Wege zu sehr aufgeweicht waren. Ausserdem wurden im
letzten Boyau auf dem rechten Flügel 2 Haubitzen placirt, um
das Innere der Stadt zu bewerfen. Zur Beherrschung der
Weichsel wurden am linken Ufer derselben Posten bei Legan
etablirt und 2 — 6-Pfünder aufgestellt. Um die Schifffahrt auch
in der Nacht zu stören, nistete sich der Hauptmann Tardivelle
in einem Hause an der Mündung der Striess ein und hielt sich
daselbst trotz des Feuers von 7 Geschützen vom Holm, bis er
schliesslich verwundet wurde.
Auf Seiten des Vertheidigers nahm der Kampf um die
Bousmardschanze das ausschliessliche Interesse in Anspruch.
Seit dem 10. betheiligten sich junge Danziger Kaufleute frei-
willig an den Schanzarbeiten. Es wurde ihnen der Bau der
Flesche (Kaikreuth nennt sie Kontregarde) vor Bastion Jakob
übertragen.
Bei dem Kampfe um die Bousmardschanze am 13. war die
Zahl der verlorenen Kugeln, die unter ihnen einschlug, so be-
deutend, dass sie die Arbeit einstellen mussten.
Von Weichselmünde wird nur berichtet, dass der Lieutenant
von Taubenheim, welcher alle Morgen Patruillen im Münder
') Den Franzosen kam dabei za statten, dass sie infolge der zahlreichen
Schluchten, welche die Annäherung erleichterten, keine Laufgräben zur Ver-
bindung mit der 1. Parallele bedurften.
156
Walde ausführte, am 10. in einen Hinterhalt fiel und getödtet
wurde. Ein Mann der Patruille wurde vermisst, 6 Mann
kehrten verwundet zurück.
Am Abend des 13. kamen drei englische Kriegsschiffe auf
der Rhede an, eins von 18 und zwei von 16 Kanonen. Sie
waren zur Deckung der Kauffarteischiffe in der Ostsee bestimmt,
nahmen jedoch Aufstellung zur Vertheidigung von Neufahr-
wasser. Die eigene Flotille hatte sich auf 6 Fahrzeuge ver-
mehrt.
Am 14. verhielten sich beide Theile ruhig. In der folgen-
den Nacht vervollständigte der Belagerer seine Arbeiten an
der 2. Parallele und baute namentlich an 2 in der Nacht zum
14. begonnene Reduten zur Sicherung derselben auf beiden
Flügeln. Auch wurden Batterien in der Parallele erbaut.
Wie aus einem Schreiben des Guverneurs vom 15. an den
Obersten Schuler von Senden in Neufahrwasser hervorgeht^),
hatten sich die Franzosen in den Häusern des Dorfes Weichsel-
münde eingenistet. Der Guverneur befahl ihm und dem Obersten
von Schaper in Weichselmünde das Dorf zu zei'stören, zu
welchem Zweck die beiden Kompagnien von Treskow, welche
infolge der endlichen Ankunft des neumärkischen Reserve-
bataillons nach der Stadt beordert waren, noch in Weichsel-
mündc zurückbehalten wurden. Auch von (Jer Stadt aus sollten
Mannschaften hinausgeschickt werden.
Leider kam das alles zu spät. In der Nacht zum 16. Hess
der General Gardanne, welcher seit dem 7. für den erkrankten
General von Schramm die Truppen auf der Nehrung komman-
dirte, zwei Schanzen No. 9 und 10 (Fig. 1, Tafel III) am Einfluss der
Bootmannslake in die Weichsel auf deren rechtem Ufer erbauen ^)
und hob damit die Landverbindung zwischen Weichselmünde
und Danzig auf. Die Arbeit wurde vom Battaillons-Chef vom
Ingenieurcorps Sabatier unter Bedeckung eines Bataillons vom
») S. 113.
') Nibuatniaä S. 71. Die Schanze No. 9 lag auf dem Schuteudainni
westlich vou No. 10. Der General Bertrand, A(^'utaiit des Kaisers, hatte be-
reits früher auf die Wichtigkeit, die nördliche Landzunge der Holminsel zu
befestigen, hingewiesen, aber die beiden Bataillone, die er dazu forderte,
waren noch nicht zu entbehren gewesen. Nibnataias S. 63,
157
2. leichten Infanterie-Regiment und eines Bataillons vom 2.
polnischen Inf anterie - Regiment der Division Gardanne mit
grosser Umsicht ausgeführt.
Der russische Major auf dem Holm, von ütken, hatte die
Arbeit frühzeitig entdeckt und sie mit Geschütz und Klein-
gewehr beschiessen lassen. Er war dann selbst mit 50 Mann
über die Laake gesetzt, wurde aber mit lebhaftem Gewehr-
feuer empfangen und abgewiesen. Der Guvenieur, welcher die
Meldung davon erhielt, erkannt^ sogleich die ganze Wichtig-
keit der Situation und sendete den Major von Kamptz, der in
der Gegend gut orientirt war, mit dem 2. Bataillon Diericke
hinaus. Von Weichselmünde aus sollten die beiden Kompagnien
von Treskow, unterstützt vom neumärkischen Reservebataillon,
mitwirken. Diese delogirten auch den Feind aus dem Dorfe
Weichselmünde und brannten das Dorf nieder. Ein weiterer
Erfolg wurde von dieser Seite jedoch nicht erzielt. Der Platz-
major von Weichselmünde, von Rahn, fand dabei seinen Tod.
Auf der andern Seite war der Major von ütken ohne die An-
kunft des Majors von Kamptz abzuwarten mit 2 Kompagnien
über die Laake gesetzt. Er wurde, nachdem er die Schanze
genommen, von den Reserven der Franzosen wieder hinaus-
geworfen und erlitt auf dem engen Schutendamme starke Ver-
luste. Als dann der Major von Kamptz, welcher am Gans-
kruge über die Weichsel gesetzt war, anlangte, ging er seiner-
seits zum Angrifl* der Schanze vor. Das Terrain war sehr
durchschnitten und gestattete nur das Vorgehn je einer Kom-
pagnie. Dennoch wurde die Schanze genommen, jedoch wieder
verloren ^).
Das Gefecht kam zum stehn und wurde sieben Stunden
lang fortgeführt, ohne dass es gelang, sich dauernd in den
Besitz der Schanze zu setzen. Der Verlust der Garnison war
') Die skizzirte Geschichte S. 89 und nach ihr Höpfner (8, 428) setzen
irrthümlich die Unternehmung des englischen Eapitains Chatam am 16. an,
als ob er den Angriff auf die Schanze hätte unterstützen wollen. Sie fand
jedoch erst am 17. statt, wie Höpfner sie an diesem Tage auch noch einmal
wiederholt, die skizzirte Geschichte aber verschweigt, was deutlich den Irrthum
erkennen lässt. t. d. Wengen (Grolman) S. 85.
158
bedeutend *). Es wurden 82 Verwundete nach den Lazarethen
gebracht, worunter 20 Russen. Ein Offizier und 30 Mann
wurden getödtet, 1 Offizier 12 Mann verinisst. Das Bataillon
Diericke hatte 8 Offiziere (von 12) verwundet, worunter der
Führer des Bataillons von Grumbkow und der Hauptmann von
Lüptow. Dem Adjutanten, Lieutenant von Lindheim, wurde
der Arm zerschossen. Der Hauptmann de la Ohevalerie starb
an seinen Wunden ^). Auf französischer Seite zeichneten sich
beim Kampf um die Schanze der Bataillons-Chef vom Ingenieur-
korps Lesecq und der Sappeurhauptmann Queru aus. Auch der
General Schramm, obgleich krank, war herbeigeeilt und wird
lobend erwähnt. Die Franzosen verloren 150 Mann^).
Eine an diesem Tage auf der Höhe hinter der Schanze
Bousmard aufgesteckte weisse Flagge sollte den General Gar-
danue wahrscheinlich avertiren, dass Verstärkungen im Anmarsch
waren*). Ihre Uebersendung erwähnt auch Dumas (S. 153),
doch scheinen sie nach dem Gefecht wieder zurückgezogen
worden zu sein^).
Die Verbindung Danzigs mit Weichselmünde und Neufahr-
wasser war jetzt nur noch verstohlencrweise auf der Weichsel
offen. Der Graf Kaikreuth war durch das Gefecht so einge-
schüchtert, dass er von einem neuen Versuch, die Franzosen
zu vertreiben, abstand und es ruhig geschehn Hess, dass die
Franzosen nach dem Gefecht eine grössere Redute ^) auf 50
Toisen (140 Schritt) vom rechten Weichselufer erbauten und
') Nach Grolman S. 84 giii^ auch ein Geschütz verloren. Die skizzirte
Geschichte sagt S. 89 (Note) sogar, dass die reitende Artillerie hierbei fast
gänzUch verloren gegangen sei.
') Bericht des Guvemeurs.
Die Preussen in Danzig.
8) Nibuatnias S. 73.
*) Nach dem Tagebuch von Grolman, herausgegeben von v. d. Wengeu,
S. 84 fand seitens der Badener ein Scheinangriff mit 50 Schützen auf die
kleine Kalkschanze statt.
^) Nach einem Schreiben des Guverneurs an den Obersten von Bülow
vom 20. (S. 129) waren die Franzosen auf der Nehrung 3600 Manu stark und
standen mit ihrem Gros in Heubude. Das bei Neufeh r angelegte Lager
mit Brücke stand leer, sollte aber gegen Pillau hin eine Palisadirung erhalten.
«) Taf. nr Fig. 1 Nr. 10. Nibuatnias S. 73.
15Ö
sie mit dem riickliegenden Barackenlager durch eine auf beiden
Seiten mit einer Brustwehr versehenen Kommunikation von 300
Toisen (840 Schritt) Länge verbanden. Durch diese Redute
und eine am 17. auf dem linken Weichselufer begonnene (Nr. 6)
wurde auch die Verbindung auf der Weichsel so gut wie abge-
schnitten.
In der Nacht vom 16. zum 17. krönte der Belagerer auf
der Hauptattacke das Plateau, welches sich vor dem rechten
Flügel der 2. Parallele befand, mit der flüchtigen Sappe und
richtete es zu einem Waffenplatze (Halbparallele) ein. Die Ver-
bindung mit der 2. Parallele wurde theilweis durch eine Wtirfel-
sappe hergestellt.
Da in den letzten Tagen mehrere Transporte mit Artillerie
und Munition eingetroffen waren, begann in dieser Nacht auch
die Armirung der fertiggestellten Batterien. Doch verbot der
Marschall Lefebvre streng, daraus zu schiessen, bevor nicht
sämmtliche Batterien armirt waren ^). Um die Sappenarbeiten
gegen das ungeschwächte Artilleriefeuer des Vertheidigers zu
schützen, befahl er, Wolfsgräben vor den Parallelen anzulegen,
um daraus durch Schützen die Scharten der feindlichen Artillerie
zu beschiessen, was auch Erfolg hatte.
Eine englische Korvette (Kapitain Chatam), welche am 17.,
von 2 Schaluppen gezogen, die Weichsel gegen 5 Uhr abends
hinauffuhr, um die Franzosen zu beschiessen, kehrte bald wieder
zni*ück ^).
In der Nacht vom 17. zum 18. ging man auch auf der
linken Seite der 2. Parallele mit 3 Zickzacks auf der Kapitale
des Bastions Jerusalem vor und stellte eine Halbparallele her.
Die Entfernung derselben vom gedeckten Wege (Palisadirüng)
betrug 60 Toisen (170 Schritt)»).
') Nor 3 Probeschttsse aus Mörsern nach der Stadt gaben einen Vor-
gescbmack von dem zn erwartenden Bombardement. Skizzirte Gesch. S. 89.
^ Sie unterhielt nach Grolmann S. 85 von 5\'i Uhr nachmittags bis
9 Uhr abends von der Holmspitze aus ein lebhaftes Feuer, aber ohne allen
Erfolg und mit starker eigner Einbusse.
*) Nibuatnias S. 77. M. Diunas S. 156. Höpfher verlegt nach den Be-
obachtungen vom Platz (S. 430) die Anlage von 3 Zickzacks auf den 19. und
160
Gleichzeitig Hess der General Lariboissiere auf der Attacke
auf dem Stolzenberge eine grössere Batterie beginnen, die nur
80 Toisen (215 Schritt) vom Bischofsberge entfernt war.
Am 18. bemerkte man von der Festung aus, dass der Be-
lagerer während der Nacht seine Arbeiten gegen Bastion Notz-
kenberg fortgesetzt und vor seiner 2. Parallele eine Flesche
für Schützen angelegt hatte.
Die Zahl der Kranken und Verwundeten in der Festung
belief sich in dieser Zeit auf 1169 Preussen und 375 Russen.
Es desertirten täglich 6 bis 10 Mann, vergleichsweise weniger
wie vor Ankunft der Kosacken, welche vor dem Retranchement
vorgeschoben waren und dort auch vom Feinde geduldet wurden.
Am 19., 20. und 21. trat ein solches Schnee- und Regen-
wetter ein, dass die Laufgräben im Wasser standen und die
Arbeit des Belagerers sich hauptsächlich auf die Reinigung der-
selben beschränkte. Doch wurde in der Nacht zum 21. vor
dem rechten Flügel der 2. Parallele noch eine weitere Halb-
parallele angelegt*).
Der Major von Gneisenau, welcher durch Kabinetsordre
vom 11. zum Kommandanten von Kolberg ernannt worden war,
reiste auf einem der armirten Fahrzeuge dahin ab.
Am 22. trat wieder Frost ein. so dass in der Nacht zum
23. aus der rechten Halbparallele mit Zickzacks vorgegangen
werden konnte. Da das Feuer des Vertheidigers , begünstigt
durch hellen Mondenschein, jedoch sehr heftig war, musste n)an
sich der vollen Sappe bedienen, und selbst hierbei stürzten die
Sappenkörbe, so wie sie gesetzt waren, wieder nieder*).
Infolge des günstigem Wetters konnten von Seiten des
der Halbparallele vor Jerusalem auf den 20. Die Berichte des Belagerers
haben jedoch den Vorzug.
^) Kirgener S. 8. Höpfher verlegt das nach den Beobachtungen vom
Platz (skizzirte Gesch. nach der Hdschr. Pullets) erst auf die Nacht vom 22.
zum 23., wo die Arbeit erst schärfer hervortreten mochte.
') Die Instruction für das Schiessen der Infanterie aus dem gedeckten
Wege vom 19. Apr. (abgedr. im Archiv Bd. US. 100) wurde am 21. aus-
gegeben. Parolebefehl von diesem Tage. Die Artillerie sollte mit Pausen
schiessen, woraus die Garnison erkennen könne, dass kein feindlicher Angriff
geschieht.
161
Belagerers auch die Arbeiten an der unteren Weichsel wieder
aufgenommen werden. Die Redute Nr. 6, welche vom Batail-
lonschef Boissonnet erbaut wurde, wurde nahezu vollendet und
in den folgenden Tagen der Damm des nach Neufahrwasser
führenden neuen Weges in einer Länge von 600 Schritt ku-
ronirt und am Ende mit einer Kupüre versehen. Nach rück-
wärts wurde der Damm mit der Redute 6 verbunden *). Auf dem
rechten Weichselufer wurde in der Redute Nr. 10 ein hölzernes
Blockhaus erbaut und die Redute mit 4 Kanonen bewaffnet.
Am 23. wurden mehrere Emplacements für Haubitzen vor-
bereitet^. Mit der Sappe konnte man am Tage wiederum nicht
arbeiten. Es wurden mehrere Sappeure der Teten erschossen.
Ein Boyau, der in der Nacht fehlerhaft tracirt worden war
und vom Bastion Kessel aus bestrichen wurde, konnte den gan-
zen Tag über nicht betreten werden, obgleich nur ein 12-Pfünder
dagegen thätig war.
Die Armirung der Batterien der 1. und 2. Parallele war
so weit vorgeschritten, dass das Feuer eröffnet werden konnte
Es wurde dazu die Nacht vom 23. zum 24. bestimmt. Den
Abend zuvor hielt der Marschall eine Revue der Truppen ab, um
sie anzuspornen. In den Batterien standen bereit:
18 24 pfundige i
28 12 „ / ^*"^^^^^
9, grösstentheils 50 pfundige, Mörser,
8 Haubitzen,
zusammen 63 . Geschütze.
Ausserdem waren sechs 6-Pfünder und drei 3-Pfüüder auf den
Flügeln der Parallele zum Schutz gegen Ausfälle aufgestellt').
') M. Dumas S. 157. Höpfner verlegt das S. 432 auf den 33.
') Dnrch Parolebefehl vom 28. wurde die SpeciaUnstrnction, wie die
Palisaden und Werke zu vertheidigen sind, ausgegeben (gedr. Archiv Bd. 11 S. 97
als Beilage II des Aufsatzes v. Brese Über die Armirung Danzigs 1807).
*) Nibuatnias S. 80. Nach einem auf der Bibliothek des grossen General-
stabs befindlichen Plan, der aus der Bibliothek von Metz stammt und wahr-
scheinlich einen Original-Bericht an den Kaiser vom 23. April vorstellt, be-
fanden sich zu dieser Zeit in der 1. Parallele 5 Batterien Kanonen, 2 Haubitzen,
2 Mörser, in der 2. Parallele 3 Batterien Kanonen und eine MOrserbatterie,
auf dem Kräbenberge 2 Batterien zu 4 Kanonen.
Kdliler, Oesehichte der Festangen Danzig und Welchselmiiiide. II. 11
162
Die Wurfgeschütze eröffneten das Feuer um 1 Uhr nachts
mit einem Bombardement auf die Stadt. Mit Tagesanbruch
gegen 3 Uhr morgens wurden auch die Kanonenbatterien de-
maskirt, und es erfolgte durch letztere ein Geschtitzkampf mit
dem Gegner, den der Vertheidiger mit der grössten Lebhaftig-
keit und mit Erfolg beantwortete ^). Allmählich liess das Feuer
des Vertheidigers nach, der seine Geschütze zurückzog und die
Scharten blendete^).
Es wurden vom Belagerer in den ersten 13 Stunden (bis
mittags 1 Uhr, wo das Feuer nachliess) gegen 1200 Hohlge-
schosse in die Stadt geworfen und gegen 600 Passkugeln ver-
feuert. Namentlich wurde die Alt- und Rechtstadt hart mit-
genommen. Zweimal brach Feuer aus, wurde aber bald gelöscht.
Von der Garnison wurden 2 Musketiere und 2 Kosacken unterm
Gewehr erschossen, von den Einwohnern mehr. Einige Laza-
rethe wurden stark beschädigt, am meisten das des Regiments
Hamberger, wo 40 Kranke lagen.
Das Feuer des Belagerers wurde von den Artilleriegeneralen
Anthouard und Lamartiniere geleitet. Die Sappen schritten
unter Begünstigung desselben in der Nacht um 95 Toisen vor,
wodurch man auf beiden Seiten der Festung um 20 Toisen (56
Schritt) näher kam. Ein kleiner Ausfall in der Nacht vom
23. zum 24., der den Belagerten zwei Verwundete kostete, hin-
derte die Thätigkeit der Sappeure nur auf kurze Zeit').
In der Nacht vom 24. zum 25. wurde auf dem Stolzen-
berge eine zweite Batterie erbaut, und, wie die erste, am
Nachmittage des 25. mit 3 — 24-Pfünden>, später mit 4
ai'mirt.
Auf der Hauptattacke wurde das Feuer gegen die Stadt
auch in der Nacht fortgesetzt. Mit den Sappen näherte man
sich links bis 35 Toisen (100 *) von den Palisaden und begann
') Es wurdeu 4 franz. Kanoniere getödtet, zwei Kanonen demontirt, ein
Mörser und zwei Mörserlaifeten unbrauchbar gemacht. Nibnatnias S. 81.
*) Der General Kirgener schreibt dies der vorzüglichen Wirkung der
französischen Artillerie zu, doch war es einfach eine damals geltende Regel.
Die Angriff sfront und die Kollateral werke konnten den 6.S französischen Ge-
schützen in allem nur 30 gegenüberstellen. Skiz. Gesch. 97.
") Kirgener S. 9. Skizzirte Gesch. S. 91.
163
■
die 3. Parallele. Ein Ausfall störte die Arbeiter auf kurze
Zeit. Hierbei wurde der mehrfach erwähnte franz. Sappeur-
Sergeant Thomas schwer verwundet.
Am 25. war das Feuer des Belagerers bis 3 ühr nach-
mittags sehr lebhaft. Er concentrirte eine Zeit lang das Feuer
gegen den Bischofsberg (Vigilance- Scharf enort), der den Bat-
terien sehr unbequem war. Vorzugsweise wurden jedoch die
Werke des Hagelsberges stark mitgenommen, wenn auch die
Zahl der demontirten Geschütze nur unbedeutend war.
uro 2 Uhr nachmittags erfolgte von selten des Marschalls
Lefebvre eine Aufforderung zur üebergabe des Platzes, die je-
doch vom Guverneur entschieden zurückgewiesen wurde ^).
Um 6 Uhr abends wurde durch den Hauptmann von Stud-
nitz ein Pulvermagazin auf dem Stolzenberge in die Luft ge-
sprengt, wobei nach Aussage der Gefangenen ein badensischer
Oberst und ein Major umgekommen sein sollten').
Es wurden in den letzten 40 Stunden gegen 1000 Schüsse
gezählt. Der Vertheidiger erlitt einen Verlust von 40 Mann
todt und verwundet.
Für den Belagerer langte ein neuer Transport Artillerie
(7 Kanonen) von Warschau an.
In der Nacht vom 25. zum 26. wurden auf der rechten
Seite 5 kurze Schläge vorgetrieben, so dass man auch hier an
den Bau der 3. Parallele gehen konnte, an der links fortgear-
beitet wurde. Der Graf Kaikreuth entschloss sich infolgedessen
zu einem grösseren Ausfall. Das Kommando erhielt der Major
von Wostrowski mit 300 Grenadieren und 260 Arbeitern. Der
Ausfall erfolgte um 9 Uhr abends, führte aber zu keinem Re-
sultat, da durch ein Missverständniss alles wieder nach dem
gedeckten Wege zurücklief*). 10 Mann wurden verwundet.
Der Vertheidiger verwendete die Nacht zur Herstellung
^) Nibuatnias S. 83 und 8ö ond skizzirte Gesch. S. 103 theilen die beider-
seitigen Schreiben mit.
*) Nach Nibuatnias S. 87 war es ein Mnnitionsbehältniss für Granaten,
deren yerschlossene Kisten dnrch die Verwegenheit des Hauptmanns Lorge und
zweier Kanoniere, welche in die brennende Baracke drangen, noch glücklich
hinaasgeschafft wurden. Die Aussage der Gefangenen ist jedenfalls ungenau,
da Grolman nichts davon erwähnt.
*) In den französischen Berichten wird der Ausfall gar nicht erwähnt,
11*
164
der Werke und zur Ergänzung des Materials. Der Belagerer setzte
das Bombardement gegen die Stadt lebhaft fort, wodurch an
zwei Orten Feuer entstand und eine Arbeitsstelle von Fach-
werk im Bastion Elisabeth, in w^elchem sich das Laboratorium be-
fand, entzündet wurde. Grlticklicherweise war kein Pulver vor-
handen, so dass sich das Feuer nicht weiter verbreitete.
Am 26. war das Feuer auf beiden Seiten wieder sehr leb-
haft. Die Franzosen verschossen 1319 Kugeln. Der Hagels-
berg litt sehr durch das Feuer vom Stolzenberge , das wieder
im vollen Gange war*). Die beiden Batterien bestrichen den
innern Raum desselben, die Kurtine und die rechte Face vom
Bastion Schütz. Da die 3. Parallele im weiteren Fortschreiten
begriffen war und das Feuer von den Werken zu plongirend
wurde, entschloss sich der Guvcmeur zu einem neuen Ausfall.
Das Kommando erhielt wiederum der Major von Wostrowski
mit 300 Musketieren von Besser und 150 Füselieren von Rembow,
nebst Arbeitern von allen Infanterie- und Kavallerie-Regimentern.
Zur Deckung der linken Flanke folgte das Bataillon Schmeling.
Unvorsichtigerweise hatte man das Feuer um 7 Uhr plötzlich ver-
stummen lassen, so dass sich der Belagerer zum Empfang des
Ausfalls in Bereitschaft setzen konnte. Der Oberst vom In-
genieurkorps und Adjutant des Kaisers Lacoste, welcher die
Hauptattacke kommandirte, einigte sich mit dem Kommandanten
der Trancheewache, General Menard, rechts und links Deta-
chements in den Trancheen zu etabliren, die dem Feinde in die
Flanken gehen sollten. Es gelang den ausfallenden Truppen,
einen Theil der 3. Parallele zu zerstören und 14 Gefangene
(12 Badener *) und 2 Franzosen) zu machen. Doch nun stürzte
scheint daher gar nicht bemerkt worden zu sein. Das Mlssverständniss war
daraus entsprangen, dass , zurück, zurück" genifen wurde.
*) Schreiben des Guy. von diesem Tage an den Major von Oppen S. 146.
Der Guvemeur befiehlt, dass alles auf der Niedenmgsseite befindliche Wurf-
geschütz nach dem Bischofsberg gebracht werden solle, auch eine Haubitze
vom Holm, um die Batterie auf dem Stolzenberge zum schweigen zu bringen.
Von Seiten des Belagerers wurden die Batterien der Reduten Nr. 1 und 2
der Kontravallation angewiesen, das Feuer des Bischofsberges, welches die
Batterien auf dem Stolzenberge sehr belästigte, niederzuhalten (Nibuatnias S. 86).
') Nach Grolman verloren die Badener 6 Todte, 21 Verwundete und
13 Gefangene. S. 89.
165
sich der Bats.-Clief Koguiat mit der Trancheewache in der Front
mit dem Bajonet auf sie, und die Seitendetachements drohten
ihnen den Eückzug abzuschneiden. Die Ausfalltruppen erlitten
einen Verlust von 10 Offz. und 100 Mann an Todten und Ver-
wundeten*). Der Fähnrich von Reizenstein vom 1. pommerschen
Reserve-Bataillon starb an seinen Wunden. Auch der Verlust der
Franzosen war bedeutend. Der Sergeantmajor Vernon von den
Sappeuren erhielt 3 Bajonetstiche und der Sergeant GeoflFroy
wurde schwer verwundet.
Die Knrtine der Hagelsberger Front wurde in der folgen-
den Nacht mit 3 Traversen versehen, und auch dahinter zum
Schutz der Kommunication nach den Baracken wurden 3 Tra-
versen aufgeführt. Die Traversen des Bastions Schütz \^nirden
erhöht und auf der ganzen Front die Scharten ausgebessert.
Da es anfing, an Faschinen und Schanzkörben zu fehlen, wurden
in der Stadt Tragkörbe requirirt und selbst Linden- und Easta-
nienzweige wurden zur Anfertigung des Baumaterials benutzt.
Am 27. April wurden vom Belagerer 1930 Geschosse gegen
die Festung abgegeben. Auch der Vertheidiger regte sich wieder
und überraschte die Gegner, die ihn schon abgethan glaubten,
mit einem lebhaften Feuer. Es galt von dem zu diesem Zweck
neu armirten Bischofsberge aus die Batterien auf dem Stolzen-
berge und die dem Bischofsberge sehr unbequemen Geschütze
der beiden Reduten 1 und 2 niederzuhalten. Am Nachmittag
kam ein zweistündiger Waffenstillstand zum Begraben der
Todten zu stände. Der Belagerer benutzte dies, um die Oert-
lichkeit in betreif der Anlage einiger beabsichtigter Rikoschett-
batterien, deren Nothwendigkeit sich aufdrängte, zu besichtigen
und über einen dahin zu dirigirenden Laufgraben schlüssig zu
werden*). Ausserdem wurde der linke Flügel der beiden Batterien
auf dem Stolzenberge durch einen Laufgraben mit den Ar-
beiten gegen den Bischofsberg verbunden und die Halbparallele
*) Nach Nibuatnias S. 89 wäre die ganze ansfaUende Trappe —
600 Grenadiere — gefangen genommen worden!
') Ebd. S. 90. Die Steile ist allem Anschein nach dnrch den Plan von
Kirgener (vgl. oben S. 128 Note) veranlasst, da in Wirklichkeit keine Riko-
schettbatt^rie erbaut worden ist.
166
zwischen der 2. und 3. Parallele mit Mörsern und Haubitzen,
sowie mit drei 12-PfUndem bewaffnet.
An der unteren Weichsel wurde fortgearbeitet *).
In der Nacht zum 28. erfolgte ein Ausfall von 300 Mann
gegen die Batterien des Stolzenberges, der jedoch ohne Erfolg
blieb '). Eine AUarmirung der feindlichen Arbeiter vor Bastion
Schütz durch den Lieutenant v. Trabenfeld mit 20 Mann, der den
Verlust von 1 Todten und 3 Verwundeten herbeiführte, störte
nur vorfibergehend.
Am 28. arbeitete der Belagerer daran, die 3. Parallele nach
rechts hin zu verlängern und die Kommunikation zu erweitem.
Einer der Schläge der Halbparallele wurde nach rechts hin bis
zu dem Ort verlängert, den man tags zuvor zur Anlage einer
Rikoschettbatterie geeignet gefunden hatte'). Der Artillerie-
kämpf gegen den Bischofsberg dauerte fort.
Der Kampf um die 3. Parallele wurde auch an diesem
Tage fortgesetzt, indem der Guverneur einen neuen Ausfall
gegen dieselbe unternehmen Hess. Infolge eines Kriegsrathes
wurden dazu 3 Bataillone bestimmt, welche nach einer Dispo-
sition des General Laurens gegen die beiden FlUgel und das
^) Nach Nibuatnias S. 91, dem auch M. Dumas folgt (S. 161), Hess der
Bato.-Chef vom Ingenieur-Korps Sabatier am 27. mit der Sappe auf dem
Scbntendamme arbeiten und bemächtigte sich der Landzunge des Holms, wo
früher die Sommerschanze gelegen hatte. Er etablirte sich daselbst, indem
er die Landzunge durch eine Kupüre abschnitt und auf der Laake eine
Brttcke herstellte. Die Franzosen hätten demnach schon an diesem Tage auf
dem Holm festen Fuss gefasst. Die Massregel erscheint höchst ingeniös und
wird auch von der skizzirten Geschieh te S. 121 Note bestätigt, jedoch wird
sie von Höpfner S. 438 mit Recht bestritten.
') Skizzirte Geschichte S. 105. Der Bericht des Guvemeurs vom 5. Mai
erwähnt diesen Ausfall nicht, sagt aber, dass die am 27. vom Belagerer an-
gelegte Batterie am 28. zum Schweigen gebracht und eine andere niedriger
angelegte Batterie erbaut worden sei. Französischerseits wird der Ausfall
ebenfalls nicht erwähnt.
*) Nibuatnias S. 91. Dumas S. 162. Kirgener erwähnt hiervon nichts, die
Stelle scheint daher nur durch den gefälschten Plan desselben veranlasst wor-
den zu sein. Wie es scheint, arbeitete der Feind selbst am Tage. Die Scharten-
Bohlen waren bei dem hohen Belief der Werke des Hagelsberges nicht tief
genug geneigt, um das nahe vorliegende Terrain zu bestreichen. (Höpfner
g, 439. Skizzirte Gesch. S. 101.)
167
Centram der 3. Parallele dirigirt wurden. Die 3 Abtheilungen
in der Gesammtstärke von 600 Mann wurden von den Majors
Wostrowski, von Eamptz und dem Oberstlieutenant von Schme-
ling geführt. Der Ausfall, abends 10 Uhr unternommen, war
im ganzen zwar günstig, doch hätte er mehr leisten müssen,
wenn mehr Einklang geherrscht hätte. Die Abtheilung des
rechten Flügels kam früher als die andern an den Feind und
wurde von 2 Kompagnien des französischen 19. Linien-Regiments
unter dem Bataillons-Chef vom IngenieurkoiT)s Rogniat zurück-
geworfen und bis an die Palisaden des gedeckten Weges ver-
folgt. Einige verwegene Sappeure sprangen selbst über die
Palisaden weg und wurden gefangen. Die mittlere Abtheilung
befand sich zu der Zeit noch mit 100 Arbeitern im gedeckten
Wege und Hess sich auf ein stehendes Peuergefecht ein, ohne
weiter vorzugehen. Die Abtheihmg des linken Flügels über-
raschte dagegen die feindlichen Arbeiter, warf die Tranchee-
wache zurück, und der Hauptmann von Hanstein vom Füselier-
Regiment Rembow vernagelte 3 Kanonen. Ein Offizier und 48
Mann der Trancheewache wurden gefangen. Der mit den Re-
serven herbeieilende General Michaud vertrieb die Abtheilung
wieder. Der preussische Verlust betrug 20 Todte, 65 Ver-
wundete und 80 Vermisste^). Zwei Offiziere des Regiments
Hamberger blieben, der Hauptmann von Hosius desselben Re-
günents starb an seinen Wunden. Unter den gefangenen Fran-
zosen befand sich ein Ingenieurlieutenant Brenne, ein Korporal
und 2 Sappeure. Der Hauptmann Sauveterre und der Lieute-
nant Fray vom 19. Infanterie-Regiment fielen. —
In der Nacht zum 29. wurde die 3. Parallele nach rechts
und links hin verlängert und die Annäherungen dahin beendet.
Am 29. richtete das Feuer des Belagerers an den Basti-
onen des Hagelsberges bedeutende Zerstörungen an, weil die
Schäden des vorhergehenden Tages nicht hatten ausgebessert
*) Nach Grolmau mnsa der preussische Verlust viel bedeutender ge-
wesen sein. Der Erbgrossberzog von Baden will am 29. auf dem Glacis
gegen dO Todte gesehen haben. Ohne die Deserteure sind 103 Gefangene
eingebracht worden. Die Verlustliste des Belagerers weist 40 Todte, 40
Verwundete und 28 Gefangene auf, darunter von den Badeuem 7 Todte,
5 Verwundete und 18 Vennisste.
168
werden können. Die Brustwehren waren grösstentheils abge-
kämmt, die Traversen durch die Batterie des Stolzenberges zer-
stört, 14 Sturmbalken heruntergeschossen.
Auf Seiten des Belagerers traf ein neuer Artillerie-Trans-
port aus Warschau ein.
In der Nacht zum 30. wurde das letzte Blockhaus im ge-
deckten Wege links von Kavelin Hagel fertiggestellt.
Von selten des Belagerei*s wurde der flache Bogen vor
dem Saillant des Ravelin Hagel begonnen, indem der Sappeur
an zwei Punkten aus der 3. Parallele debuchirte ^). Anfäng-
lich geschah es jedoch ohne Erfolg'). Die 3. Parallele wurde
infolgedessen mit Sandsackscharten versehen und Baukets her-
gestellt. Zur Deckung der Batterien auf dem Stolzenberge wurde
die Tranchee nach rechts hin verlängert. Die Stadt wurde
heftig beschossen und brannte an mehreren Stellen.
Am 30. wurden zwei neue Batterien vom Belagerer angelegt,
die eine in der 2. Parallele, die andere etwas weiter vor '), um
die Brauchen des gedeckten Weges und die Blockhäuser in den
eingehenden Waffenplätzen zu bestreichen.
Um Mittag nach der Parole, als der General Laurens mit
den Guvemements- Adjutanten von Plateu und von Arnim in
eine der Baracken an der Eurtine des Hagelsberges trat,
durchschlug eine feindliche Bombe die Decke. Alle 3 Offleiere
wurden von einem losgerissenen Balken niedergeworfen und der
General nebst dem Lieutenant von Platen so stark verletzt,
dass sie an den Wunden starben.
Der Artilleriekampf war auf der ganzen Front sehr heftig.
Der Hauptmann von Studiiitz setzte der Redute Nr. 1 auf
dem Jesuiterberge, die der Stadt sehr schädlich war, hart zu ^).
Die Besatzung des gedeckten Wegs unterhielt ein ununter-
brochenes Feuer auf die Belageiiingsarbeiten. In der Nacht
') Eirgener S. 14. Nibaatnias S. 94.
') Skizzirte (lesch. S. 111. Es wurden in den Bastionen Schütz and
Jerusalem je 4 Jäger dagegen aufgestellt.
^) Nach Grolman lagen die Batterien auf den äussersten Flügehi der
beiden HalbparaUelen.
^) Nach Dumas hat der Belagerte das Feuer von mehr als 20 Geschüts^u
darauf concentrirt.
169
klärten vom Wall geworfene Feuertöpfe (pots ä feu) das
Terrain an den Sappen teten auf, so dass der Fortschritt der
Sappe nur äusserst langsam war.
h. Von der Beendigung der 3. Parallele bis zur
Kapitulation des Platzes«
Die Fortschritte der Sappe waren auch am 1. und 2. Mai Mai.
äusserst langsam. Der Vertheidiger warf die Körbe durch seine
Artillerie um, so wie sie gesetzt waren. Nur vor Bastion Schätz
war es nicht zu verhindern, weil die Scharten des Bastions
Jerusalem nicht die nöthige Inklination gestatteten.
An der Niederweichsel wurde die Kedute Nr. 6 beendet
nnd armirt.
Seit dem 1. Mai richtete der Belagerer das Feuer hauptsäch-
lich auf den Hagelsberg, der furchtbar mitgenommen wurde. Der
Artillerie des Vertheidigers gelang es endlich, die Redute Nr. 1
auf der Jesuiterhöhe zum Schweigen zu bringen *). Dagegen
zeigten sich die späteren Anstrengungen der Artillerie des Ver-
theidigers vom Bischofsberge gegen die feindlichen Batterien auf
dem Stolzenberge unzureichend^).
In dem Saillant des gedeckten Wegs vor Ravelin Hagel
wurde von seiten des Belagerten ein 15 Fuss tiefer Minen-
brunnen ausgehoben.
In der Nacht vom 3. und 4. gelang es dem Belagerer end-
lich, die beiden Sappenteten des flachen Bogens (demi-cercle) vor
dem ausspringenden Winkel des Ravelins Hagel zu vereinigen.
Auf der äussersten Linken der 3. Parallele ging er mit der
traversirten Sappe gegen den Saillant vor Bastion Jerusalem
') Der Guvemeur richtete am 3. Mai ein uehr verbindlicheB Schreiben
an den Major von Oppen wegen der Erfolge der ArtiUerie. S. 166.
*) Schreiben des Gavemeors an den Kommandanten Gen. v. Hamberger
▼. 4. Mai. S. 167. Ein von Dnmas in der Nacht zum 3. erwähnter AusfaU
TOB aOOO Mann gegen die 3. ParaUele und gleichzeitig gegen den Stolzenberg
(S. 165) wird in den Berichten des Vertheidigers nicht erwähnt. Kirgener
sagt nur, dass der Sappeur-Kapitain Boisaubert erschossen worden sei. Nach
Nibuatnias S. 97 erfolgte dies bei einem AusfaU von 200 Mann gegen den
Stolzenberg, so dass die 2000 Mann bei Dumas nur ein Schreibfehler sind.
170
vor. Nach rechts hin warde die 3. Parallele bis in das Thal
von Sciudlitz verlängert*).
Das Feuer des Belagerers gegen den Hagelsbei-g war am
3. so heftig gewesen, dass die Besatzung innerhalb 24 Stunden
40 Todte und Verwundete verlor. Vom Civil waren bis jetzt
4 Personen getödtet, 22 verwundet.
Am 4., da der Belagerer aus dem flachen Bogen auf der
Kapitale des Ravelins mit der doppelten Sappe vorzugehen ver-
suchte, wurde vom Vertheidiger ein lebhaftes Feuer auf die
Sappenteten gerichtet, so dass die Arbeit aufhören musste.
Die Batterien der 2. Parallele richteten daher ihr Feuer gegen die
betreflfenden Geschütze des Vertheidigers und demontirten einige
Kanonen und Scharten. Der Vertheidiger bediente sich nunmehr
vorherrschend der Mörser, von denen er 4, später 5 auf der
Angriffsfront aufstellte und die einzelnen Sappen der Länge
nach zu fassen suchte, da ein direktes Bewerfen ohne Resultat
blieb, indem die Bomben ins Feld fielen.
In dem Bericht des Guverneurs an den König vom 5. wird
der Füselier Schultz vom Bataillon von Kloch mit Auszeichnung
erwähnt, welcher den brennenden Zünder einer feindlichen
Bombe ausurinirte.
Die Erfolge der Artillerie des Vertheidigers waren auch
in den folgenden Tagen ausserordentlich, so dass der Belagerer
sich fast ausschliesslich mit Ausbesserung der Schäden beschäf-
tigen musste*). Erst in der Nacht zum 7. gelangte er bis auf
*) Dumas S. 165. Nibuatnias S. 98. Kirgener erwähnt hiervon nichts.
Wie es scheint, ist diese Angabe, sowie die oben S. 165, 166 ci*wahnten durch
den Plan von Kirgener hervorgerufen worden, da auch die skizzirte Ge-
schichte darüber schweigt.
') Der Guvemeur war so entzückt von den Erfolgen der Artillerie,
dass er am 6. von neuem an den Major von Oppen schrieb: „bin Ew. und
der Artillerie unendlich verbunden, dass sie den Feind in seiner Arbeit fest-
zuhalten so kräftig wirkt''. Der General Kirgener schreibt die Misserfolge
der französischen Artillerie dem Mangel an Munition und dem Umstand zu,
dass das Terrain keine Rikoschettbatterien gestattete. Letzteres lässt sich
mit einigem Grunde doch nur von der linken Face des Bastions Jerusalem
sagen, und auch hier hätte man Mörser in Verlängerung derselben verwenden
können. Weit nachtheiliger war, dass mau die ersten 8~ 10 Tage sämmtUche
171
6 Toisen (etwas über 15 Schritt) vom ausspringenden Winkel
des Ravelins Hagel, während die Sappe vor Bastion Jerusalem
täglich nur 2 Rntimi vorschritt.
Die Besatzung erlitt am 5. dnrcli d«ii Tod des Majors Bous-
mard einen unersetzlichen Verlust, indem er des Morgens halb
6 Uhr, als er mit dem Platzingenieur die Fortschritte des Bela-
gerers während der Nacht rekognoscirte, von einer Gewehr-
kugel getroffen wurde und nach wenigen Minuten starb. Am 6.
starb auch der General Laurens an seiner am 30. April er-
haltenen Wunde.
Die Arbeiten des preussischen Mineurs gingen ihren Weg
fort. Er hatte in der Nacht zum 7. bereits die Palisadenlinie
um IVs Fuss hinter sich. Ausfällein dieser und der vorherge-
henden Nacht waren zwar projektirt worden, unterblieben aber,
weil sich die Erschöpfung der Truppen schon in hohem Grade
geltend machte.
Diese Nacht (zum 7.) wurde für die Festung, wie sich der
Guverneur in seinem Bericht an den König ausdrückte, eine
der unglücklichsten. Der Holm fiel in die Hände des Feindes.
Schon gegen 6 Uhr abends war man in der Festung auf
die Absichten des Feindes aufmerksam geworden, indem man
15 Wagen mit Kähnen und Brettern von Zigankendorf nach
Schellmühl fahren sah. Der Guverneur machte der Besatzung
des Holms sofort Anzeige davon und sendete den Fürsten Tscher-
batow nach dem Holm, welcher noch vom Major von Utken
mit 9 Kompagnien (1050 Mann) besetzt war. Ausserdem befand sich
daselbst ein preussisches Artillerie-Kommando unter dem Lieute-
nant von Stieler mit 14 Geschützen, wovon eine Haubitze und ein
SOpfundiger Mörser. Der Fürst ertheilte ausführliche Befehle für
den Fall eines Angriffs und Hess 400 Mann Verstärkung zurück.
Obgleich der Guverneur um 9 Uhr noch einmal hinausschickte,
Wurfgeschütze zum Bombardement der Stadt benutzte, was sich als vöUig
unnatz erwies. Der tiefere Orund lag aber noch darin^ dass die französischen
ArtiUerieoffiziere von den Erfolgen im Felde berauscht, alle guten Grundsätze
für den Gebranch der Artillerie im Belageningskriege vergessen hatten und in
gedankenloser Weise flüchtig über alles hinweggingen. Es drückt sich dies
nicht nur bei Danzig aus, sondern war in der Zeit ganz allgemein. Die
spanischen Belagerungen liefern ein reiches Material dafür.
172
wurde die Besatzung des Holms und der kleinen Kalkschanze
von der Unternehmung des Feindes doch völlig überrascht*).
Der Marschall Lefebvre war zu dem Unternehmen auf den
Holm durch den General Chasseloup, welcher seit dem 19. April
die Direktion der Belagerungsarbeiten übernommen hatte, gedrängt
worden, da man vom Holm aus die Angriifsfront im Rücken fassen
konnte. Der Marschall ging um so eher darauf ein, als ihm der Be-
sitz des Holms zur Verbindung mit der Nehrung durchaus noth wen-
dig war und er die Brücke über die Weichsel bei Legan, die
zu diesem Zwecke von der grössten Wichtigkeit war, noch nicht
hatte ausführen können, ihm auch der bevorstehende Entsatz-
versuch über Neufahrwasser nicht unbekannt sein konnte, da
ihm von der Ansammlung der feindlichen Truppen um Pillau
gewiss Meldungen zugekommen waren. Er befahl dem General
Gardanne, in der Nacht zum 7. von der Nehrung aus die Laake
zu überschreiten, und beauftragte seinen Chef des Generalstabs,
den Divisionsgeneral Drouet, vom linken Weichselufer aus einen
Landungsversuch auf dem Holm zu machen und sich der kleinen
Kalkschanze zu bemächtigen.
Nach dem Tagebuche von Grolman S. 93 ^) war der Verlauf
folgender: Es wurden zu dem Uebergange 600 Mann auserlesener
Truppen bestimmt, nämlich 400 Franzosen vom 44. Linien-,
2. und 12. leichten Regiment, sowie von den beiden B^eldba-
taillonen der Pariser Stadtgarde, ferner 100 Badener und 100
polnische Insurrektionstruppen. Ausserdem blieben in Reserve
300 Mann Sachsen und Polen der Nordlegion'), um nach der
Eroberung des Holms sich der Kalkschanze zu bemächtigen.
Dieses kombinirte Detachement versammelte sich abends unter
*) Der Major von Pogwisch, welcher mit Depeschen vom Könige zurück-
kam und den liolm in der Naclit zwischen 12 und 1 Uhr passirte, fand die
Bussen noch munter.
*) Ein preussischer oder russischer offizieller Bericht über die Vorgänge
auf dem Holm in der Nacht vom 6. zum 7. existirt nicht. Die französischen
Berichte sind sehr oberflächlich. Dumas erwähnt nichts von der Wegnahme
der Kalkschanze und Kirgener nichts von einem Uebergange der Franzosen
vom linken Weichselufer, beide nichts von den Vorgängen an der Laake.
Am besten sind noch die Berichte von Nibuatnias S. 101 ff. und Grolman.
') Nach Nibuatnias unter Befehl des Bataillonschefs Romnette.
173
Fuhrung des General-Adjutanten Ai.ne und des Bataillonschefs
Arnaud (nach Nibuatnias Armand) im Thale von Langfuhr.
Zum Uebergange über die Weichsel hatte man keine anderen
Hilfsmittel als 6 Pontons (nach Nibuatnias 12), von denen jedes
nicht über 30 Mann (nach Nibuatnias 25) fasste, welche auf
einem grossen Umwege nach der Weichsel gebracht werden
mnssten.
Gegentiber der Schanze, welche die Franzosen am Schuten-
damme erbaut hatten, und um deren Besitz am 16. April ge-
kämpft worden war, lag die grösste Redute des Holms mit 7
Geschützen an der (untern) Spitze des Holms (die Winter-
schanze). Weiter aufwärts befand sich eine zweite grosse Re-
dnte (die Jungfernschanze) mit 5 Geschützen. Mit dieser bei-
nahe in gleicher Höhe lagen auf dem linken Weichselufer
Schellmühl und verschiedene andere Gebäulichkeiten (Legan).
Hinter Schellmühl wurden die Pontons abends abgeladen und
durch die Striess in die Weichsel geführt. Zuerst setzten 200
(300) Franzosen über den Strom, landeten unbemerkt unterhalb
der 2. Redute und schlichen dann gegen die Redute an der
(untern) Holmspitze (Winterschanze) vor *). Die Pontons fuhren
ebenso unbemerkt zurück, um die Badencr und Polen überzu-
setzen. Die Fahrzeuge waren mit den letzteren Truppen bis in
die Mitte des Stroms gekommen, als aus der 2. Redute des
Holms ein Kartätschenschuss fiel und über sie hinwegging.
Auch feuerte ein Wachtposten und tödtete einen Mann. Noch
herwärts vom Ufer sprangen die Leute aus den SchilBfen in das
hier einige Fuss tiefe Wasser, stürzten sich auf die Schanze
und waren innerhalb weniger Minuten in derselben. Im näm-
lichen Augenblicke erstürmten die Franzosen die Redute auf der
Holmspitze. In der ersten Hitze wurde alles niedergemacht,
was man bewaffnet fand; doch retteten die Badener vielen,
*) Nach Nibnatnias S. 102 mit Ausnahme der Pariser Garde, welche
unter Ptthrung des Adjutanten Avy des Generals Drouet die 2. Redute
(Jongfemschanze) erstürmte. Die DarsteUung bei Grolman ist damit nicht
in Einklang zu bringen. Auch widerlegt letztere, indem sie die Winterschanzc
noch im Besitz der Besatzung des Hohns bezeichnet, die Behauptung des
Nibuatnias, dass die untere Holmspitze seit dem 27. April im Besitz der
¥rauz<>scn gewesen nnd befestigt worden sei.
174
welche um Pardon baten, das Leben. Ein Haus im Innern der
2. Redute fand man mit Soldaten angefüllt, welche im Schlafe
überrascht wurden. Als man sie befragte, warum sie nicht
nach den Schüssen aufgesprungen wären, sagten sie, dass sie
schon zu sehr an das Schiessen der Schanze gewöhnt gewesen
seien und dadurch sich nicht mehr hätten stören lassen.
Während die letzten 200 (?) Franzosen noch über die
Weichsel kamen *), verfolgten die Eroberer den fliehenden
Feind, der sich wegen des sumpfigen Bodens im Innern des
Holms meistentheils durch die Laufgräben (die Dämme) zu
retten suchte und, von Bestürzung übermeistert, sich beinahe ohne
Widerstand niederstechen Hess. Die übrigen 3 Rednten wurden
nacheinander ebenfalls genommen. Ein kleiner Theil der Russen
war so glücklich, vermittelst einer grossen Weichselfähre, die
bei der obern Holmspitze an einem Seile ging, zu entkommen.
(Es sind die Fähren am Holzraum gemeint.) Trotz des heftigen
Gewehr- und Kartätschfeuers aus der Festung (vom Holz-
raum) stieg ein badischer Soldat am rechten Weichselufer hin-
unter und hieb das Seil der Fähre durch, um die Ueberschiffung
preussischer Truppen zu erschweren*).
') Nach Nibnatnias fanden nur 2 Ueberfahrten statt.
*) Anch von anderer Seite werden einieelue Heldenthaten angeführt.
Kirgener erwähnt S. 17, dass der Mineur Jacquenot der 8. Kompagnie im
feindlichen Gewehrfeuer die Kette au der Fähre durchgefeilt habe. Matthien
Dumas rühmt die That eines Chasseurs vom 12. leichten Infanterie-Regiment,
welcher, nnter einen feindlichen Haufen verirrt, wahrnahm, dass sich eine
Abiheilung seiner Kameraden näherte. Die Russen schrien entgegen, sie
sollten nicht schiessen, sie wären Franzosen, er aber rief den Seinen mit Ein-
setasung seines Lebens zu, ja zu schiessen, es wären Russen. Die Anekdote
wird auch von Danzig ans bis auf den Namen des Chasseurs, Fortnnas, bestätigt
(Duisburg 8. 274).
Auch preussischerseits werden Heldenthaten gemeiner Soldaten berichtet.
Der Guvemeur Graf KaUcreuth lobt in einem Schreiben an den Major
von Wostrowski, der auf dem Holzraum kommandirte, die edle Thai zweier
Pommern vom Reserve -Bataillon, über welche der Major berichtet hatte.
Das Zeitungs-Bulletin vom 14. erzählt den Vorfall. Ein Russe hatte sich
anter einer alten Brücke der Laake versteckt und wurde von den beiden
Pommern unter dem feindlichen Gewehrfeuer mit einem Kahn nach dem
Unken Weichselufer gerettet. Einige Tage später wird ein anderer Fall
offiziell berichtet. Ein Küra.s.«(ier vom Regiment Balliodz, welcher zu der
175 _
Sobald die Insel erobert war, griffen die am linken Ufer
in Reserve verbliebenen Sachsen und Polen die Kalkschanze
(welche von 150 Mann Diericke unter dem Hauptmann Stach
von Glotzheim besetzt war, v. Höpfner) an und bemeisterten
sich derselben bald mit nur unbedeutendem Verluste, obwohl
die preussische Besatzung durch das Gefecht auf der Insel alert
sein musste. Drei Offiziere und 160 (?) Mann wurden gefan-
gen und zwei Kanonen (3-Pfünder) erbeutet*).
Im ganzen fielen in die Hände der Sieger 17 (?) Kanonen
und Haubitzen, sowie 548 Gefangene, worunter 1 1 Offiziere und
89 Verwundete. Gegen 400 Russen waren auf der Stelle ge-
blieben. Die Belagerer hatten insgesammt 9 Todte und 39 Ver-
wundete, und zwar zum Theil durch das Feuer der Festung,
welches mit Tagesanbruch von der gegenüberliegenden Schanze
des Holzraumes und von dem weiter rückwärts gelegenen
Bastion Jakob ungemein stark wurde und die Gebäude ober-
halb des Holms in Brand steckte.
Von der Nehrung wurde sogleich eine Brücke über die
Laake geschlagen, um die Division Gardanne durch den Holm
mit dem Belagerungskorps, von welchem sie bisher getrennt
war, in Verbindung zu bringen. Ferner wurden in den nächsten
Tagen die eroberten Schanzen den Zwecken des Belagerers
entsprechend umgebaut.
Das badische Detachement hatte sich sehr ausgezeichnet.
Die Unteroffiziere, Schützen und Gemeinen waren beinahe durch-
gängig Freiwillige. Die 3 Offiziere — Hauptmann Brückner
und die Lieutenants Schönfeld und St. Ange — wurden vom
ArtUlerie kommandirt war, wurde in demselben Bulletin belobt, weil er nach
dem Holm übergesetzt war und 8 von den Franzosen besetzte Häuser in
Brand gesteckt hatte, die sich dem Holzraum sehr lästig gemacht hatten.
Die Betreffenden wurden durch Parolebefehl vom 9. Mai namentlich gemacht
und belobt. Die beiden Pommern hiessen Feierhandt und Maier, der Kürassier
Schulz und der Musketier, der ihn übergesetzt hatte, Stein.
') Die Thatsachen werden im allgemeinen von Nibuatnias in derselben
Weise vorgetragen, jedoch sehr confus, so dass man den Hergang nicht erkennen
kann. Nach seiner Darstellung mUsste man glauben, dass die kleine Kalk-
Bchanse auf dem Holm gelegen hätte Als Zeit der 1. Ueberfahrt giebt er
ein Uhr des Morgens an.
176
Erbgrossherzog mit Rücksicht auf ihre bisherige Bravur aus-
gewählt und hatten sich auch hier grosses Lob erworben.
Dennoch erhielt infolge von Kabalen im Hauptquartier nur der
jüngste jener 3 Offiziere das Kreuz der Ehrenlegion.
Die Franzosen führten sofort von der kleinen Kalkschanze
eine Tranchee zur Verbindung mit ihren Laufgräben nach den
Bergen, begannen bei Legan den Bau einer Schiffbrücke nach
dem Holm, richteten sich auf dem Holm selbst ein und wendeten
die vorhand'enen Schanzen nach der Stadt hin. Durch die Ein-
wirkung von hier aus auf die Angriffsfront hätte der Besitz
des Holms von ungemeiner Wichtigkeit werden können. Glück-
licherweise für den Vertheidiger scheint der Belagerer jedoch
keine schweren Geschütze, die wegen der Entfernung allein von
Wichtigkeit gewesen wären, mehr übrig gehabt zu haben oder
doch bei ihrem Transport nach dem Holm auf Schwierigkeiten
gestossen zu sein. Denn unterm 10. war, wie aus einem Schreiben
des Guverneurs an den Hauptmann Wilke, welcher die Artillerie
auf der Olivaer Front kommandirte, hervorgeht, vom Holm aus
noch nicht geschossen worden*). Nur die kleine Kalkschanze
feuerte und inkommodirte sehr stark. Von hier aus geschah
auch am 20. der Schuss, welcher mit einemmale 12 Mann von
Diericke hinter der Brustwehr tödtete, oder schwer verwundete *).
Nach Dumas soll auch die Schanze Nr. 6, welche am 7. ihr
Feuer eröffnete, gegen Danzig gefeuert haben. Wenn ihre Lage
zur Angriffsfront auch sehr günstig war, so betrug die Entfer-
nung jedoch gegen 3000 Schritt.
Der Guverneur forderte am Morgen des 7. telegraphisch
*) Dass der Feind indessen an zwei Batterien auf dem Holm baate,
entdeckte man nach Duisburg S. 279 am 9. Mai von dem Thurme aus.
*) Bulletin an den König. Es wird nicht gesagt hinter welcher Brust-
wehr. Die Schanze liegt in der Entfernung von 1000 Schritt ziemlich genau
in der Verlängerung der rechten Face von Jerusalem, so dass diese wohl ge-
meint ist. Ich mache bei dieser Qelegenheit darauf aufmerksam, dass der
Massstab der Pläne von Danzig bei Brese (Archiv 11. Bd.) und HOpfner
(Uebersichtsplan des 3. Bandes No. XTII) falsch ist. Beide Pläne haben den-
selben Massstab von 1 : 12000, während sie in Wirklichkeit den von 1 : 15000
haben. Die Uebereinstimmung ist merkwürdig, und da sie beide die officiellen
i^ellen benutzen , scheint es die gemeinsame Benutzung eines denselben bei-
liegenden Plans anzudeuten.
J77
den Oberst Schuler von Senden auf, 1600 Mann aus Neufahr-
wasser und Weichselmünde auf den auf der Rhede liegenden
englischen Kriegsschiffen einzuschiffen und den Holm, der mit
1200 Mann besetzt sei, anzugreifen. Der Oberst antwortete
indessen, dass ein solches Unternehmen ganz unthunlich sei, da
die Schiffe auf beiden Seiten und vom Holm aus beschossen
werden würden. Dabei blieb es denn auch *).
Der auf dem Holzraum kommandirende Major von Wostrowski
hatte sofort selbständig geeignete Massregeln ergriffen, sich
gegen den Holm zu schätzen, indem er hinter der Palisadirung
längs der Weichsel eine Erdbrustwehr bis zum Blockhause am
polnischen Haken aufwerfen liess und die Linien des Holzraums
mit Traversen versah. Er bat den Guverneur nur um zeit-
weilige Ueberlassung eines Ingenieurofflciers, der das auch dem
Lieutenant Pullet zur Berücksichtigung zuschrieb. Der Haupt-
mann Wilke, dessen Artillerie nach der skizzirtcn Geschichte
S. 124 einen bedeutenden Zuwachs erhalten hatte, erhielt den
Befehl, den Gegner so zu beschäftigen, dass er nicht gegen die
Angriflfsfront feuern könnte. Der Guverneur gestattete ihm daher
ausnahmsweise mit dem Pulver nicht zu sparen, was sonst nur
noch dem Hauptmann von Studnitz in betreff des Stolzenberges
gestattet war^).
Die Gewinnung des Holms seheint den Marschall Lefebvre
etwas übermüthig gemacht zu haben. Er befahl am 7. die ge-
waltsame Wegnahme des gedeckten Wegs und die Ausführung
des Kuronnements mit der flüchtigen Sappe. Der Oberst La-
coste und Rogniat wurden mit der Ausführung betraut. Chef
der zugetheilten Ingenieurbrigade war der Hauptmann Blanc,
von Kirgener S. 19 rühmlichst erwähnt. Der Angriff gelang in-
.soweit, dass der Angreifer in den gedeckten Weg des Rave-
lins Hagel eindrang, einen hier ziemlich vorgeschrittenen Minen-
brnnnen zerstörte, wobei 3 Mineure und 9 Handlanger in seine
Gewalt fielen, und selbst bis in den Graben drang, um die
Palisadirung und die vorliegende Verpfählung niederzulegen.
»j Höpfner S. 367.
*) Auf den fibrigen Fronten durfte nur mit V« der gewöhnlichen Ladung
gefeuert werden. (Die Preussen in Danzig und das belagerte Danzlg.)
Köhler, Gescbiclite der Festangen Danz ig und Welcbselmände. II. 12
178
Hiervon hielt ihn jedoch das mörderische Feuer von den Wällen
ab, und er musste sich begnligen, nach mehrstündigem Besitz
des Glacis ein Euronnement auf dem Saillant des Ravelins zu-
stande gebracht zu haben. Wegen Mangel an Mannschaften
hatte man dem Euronnement keine grössere Ausdehnung geben
können. Von einem Besitz des gedeckten Wegs war, da das
Blockhaus im eingehenden Winkel unangetastet blieb, keine
Rede.
Der Verlust der Franzosen wird von ihnen selbst auf 100
Mann angegeben. Der Ingenieurkapitain Beaulieu und der Lieu-
tenant Bartheiemi wurden schwer verwundet*).
') Wir haben über diese Nacht die Dai-steUung eines an hervorragender
SteUe Mitwirkenden, des Hauptmanns Blanc, der sich darüber im Spect. mil.
V. 1841 (Uebersetzung im Archiv für Ing. d. Art.-Offiz. 13. Band S. 147)
wie folgt anslässt: ^dem Fortgange der doppelten Sappe , welche gegen den
aasspringenden Winkel des Ravelins Hagel geführt ward, stellten sich grosse
Schwierigkeiten entgegen. Der Feind hatte einen Theil seiner Geschütze in
Thätigkeit erhalten und zerstörte durch diese alle Augenblicke die Sappentete;
auch wurden jede Nacht oder eine Nacht um die andere AusfäUe gemacht,
wodurch unsere Sappeure ausser Gefecht gesetzt oder zur Flucht genöthigt,
und die während des Tages mühsam gemachten Arbeiten zerstört wurden.
Es war auffallend, dass der Feind jetzt noch, nachdem die Tranchee
schon seit 28 Tagen eröffnet war, Geschütze auf dem Walle erhalten hatte.
Indessen erklärte sich dies dadurch, dass die linke Face des rechten Flügel-
bastions (Jerusalem) der Angriffsfront ihrer Lage nach nicht rikoschettirt
werden konnte, weshalb unsere Wirkung gegen seine Artillerie auf Demontir-
schüsse und Bombenwürfe beschränkt werden musste. Bomben aber waren
im Belagerungsdepot nur wenige vorhanden, und man ging mit denselben um
so sparsamer um, als die Angriffsfronten so hoch über den Horizont der hinter-
liegenden Stadt liegen, dass man weder ihre Wirkung beurtheilen, noch ihre
Flugbahn gehörig einrichten konnte. Demontirschüsse dagegen wurden uusern
Artilleristen dadurch erschwert, dass der Feind, um sie zu täuschen und vom
fernem Schiessen abzuhalten, seine Schiessscharten sämmtlich mit gefüllten
Batteriekörben so aussetzte, als wären sie schon unbrauchbar geworden, in
der Nähe aber, geschützt durch die Brustwehr des Walles, seine Geschütze
aufstellte, diese von Zeit zu Zeit hinter dem Schanzkorbe in Bereitschaft
stellte, diesen plötzUch wegnahm, 2 oder 3 Schuss auf die Sappentete gab
und dann die Scharte wieder blendete.
Diesen Schwierigkeiten ungeachtet rückten die Trancheearbeiton vorwärts
und man war am 7. bis auf 12 Meter vom ausspriugenden Winkel des
Ravelins gekommen, als der Marschall Lefebvre den Befehl gab, die Glacis-
krete gewaltsam zu krönen. Erfahrungsmässig gehört dieses Manöver zu
17Ö _
Am 8. erreichte der Belagerer mit der Sappe den Saillant
vor Bastion Jerusalem.
Der Marschall Lefebvre, von Napoleon wiederholentlich zur
Beschleunigung des Angriffs gedrängt, hatte sich zur gewalt-
den gefährlichsten des Belagernngskrieges, and, wenn nicht vorher alles Feaer
des Feindes gedämpft ist, wovon man hier noch weit entfernt war, verliert
man dahei viele Leute. Den Marschall konnte demnach nur folgender wichtiger
Beweggrund dazu bestimmen: der Feind war nämlich unterirdisch ans eiueoi
llinenschacht , welchen er im gedeckten Wege vor dem gedachten Ravelin
abgetäuft hatte, mit einer Gegenmine unter unsere Trancheearbeiten gegangen,
unsere Mineure behaupteten sogar, dass er sich schon mit der Ladung seiner
Mine beschäftigte. Der Marschall besorgte daher mit Recht, dass eine Ex-
plosion dieser Gegenmine bei unsem Soldaten die Furcht erzeugen könnte,
alle Theile des Glacis seien unterminirt, und dass dies auf ihre Haltung nach-
theilig einwirken könnte.
Die Ausführung der gewaltsamen Krönung kommandirte Oberst Lacoste,
Adjutant des Kaisers. Ich stand unter ihm mit dem Hauptmann Beaulieu
und dem Lieutenant Barthelemy. Dreihundert auserwählte Leute, jeder mit
einem Schanzkorb und einem Spaten versehen, sollten mit einbrechender Nacht
aus der doppelten Sappe vorbrechen, welche längs der Kapitallinie des Ravelins
Hagel vorgetrieben wurde, und die beiden Seitenäste des gedeckten Wegs
schnell mit ihren Schanzkörben einfassen. Man hatte ihnen nur Spaten ge-
geben, weil der schon ursprünglich sandige Boden, aus weichem das Glacis
bestand, erst vor kurzem aufgeschüttet war, indem der Feind dieses Glacis
erst während der ersten Tage der Einschliessung gebildet hatte. Zwei De-
tachements, ein jedes 10 Mann stark, sollten sich auf die eingehenden Waffen-
plätze werfen, um den Feind aus denselben zu vertreiben, und der Sergeant
vom Genie Choppot mit 2 Sappeuren, denen Aexte und Sägen mitgegeben
wurden, sollte in den gedeckten Weg dringen, sich gegen die Minenschächte
wenden und in dieselben hinabsteigen, um die Mine zu entdecken und ihre
Gallerie zu zerstören.
Am 7. Mai bei Einbruch der Nacht brachen die Arbeiter aus der doppelten
Sappe vor; sie hatten jedoch noch nicht obige 12 Meter von der Sappen-
tete bis zum gedeckten Wege zurückgelegt, als 30 oder 40 von ihnen durch
Kartätschschüsse ausser Gefecht gesetzt wurden, welche der Feind von der
Spitze des Ravelins und von den beiden Bastionsfacen der Angriffsfront gegen
sie abgab. Der Genie-Hauptmann Beaulieu war unter dieser Zahl und erhielt
einen Schuss in das Bein. Aus der Festung wurden Feuertöpfe geworfen,
welche hinter uns auf das Glacis fielen und uns dem Feinde so deutlich
wie am hellen Tage zeigten. Wir blieben die ganze Nacht hindurch diesem
Kartätsch- und ausserdem noch einem lebhaften Kleingewehrfeuer ausgesetzt,
und nur wenige von uns wurden davon verschont. Wir schützten uns, so gut
wir konnten, selbst durch die Körper unserer gefallenen Kameraden. Das
_180
Samen Wegnahme des Hagelsberges entschlossen. Alle Vor-
bereitungen wurden dazu getroffen, das Feuer der Artillerie
wurde verdoppelt. Am 9. wurden bereits die Debuchees in
den gedeckten Weg hergestellt, und in der Nacht zum 10. wurde
der gewaltsame Angriff auf den gedeckten Weg des Bastions
Jerusalem und Ravelins Hagel wiederholt, wobei mit grosser
Bravur und Beharrlichkeit gegen den eingehenden Waffenplatz
zwischen beiden vorgestürmt wurde. Nach zweistündigem ver-
geblichen Bemühen musste man die Versuche, das Blockhaus zu
nehmen, aufgeben und sich mit bedeutendem Verlust zurück-
ziehen. Die Fortsetzung des Kuronnements musste in regelmässiger
Weise durch die Sappe *) erfolgen. Von Seiten der Besatzung
zeichneten sich in der Nacht zum 10. der Major von Hörn und
Lieutenant von Lindheim, welcher letztere leicht verwundet wurde,
sowie der Lieutenant von Hauck aus. Auch zwei Musketiere,
Friedrich und Zwaszkowitz, wurden öffentlich belobt. Der Verlust
Blutbad war so ^oss, dass der Oberst Lacoste mir znricf : „Denken wir
daran, um dergleichen nicht mehr zn unternehmen'^.
Mit Tagesanbruch hatte man sich auf der geringen Ausdehnung gedeckt,
welche die übrig bleibenden Arbeiter mit Schanzkörben besetzen konnten.
Dessenungeachtet wurde der Lieutenant Barthelemy, welcher gross von Wuchs
war und sich einen Augenblick biosgegeben hatte, durch ein Wallgewehr
schwer verwundet. Der Sergeant Choppot kam um 10 oder 11 Uhr mit 3 ge-
fangenen feindlichen Mineuren an*'.
Die Motivirung des Befehls der gewaltsamen Krönung des bedeckten
Wegs, die Blanc in den Fortschritten des feindlichen Mineurs sucht, dürfte
wohl nur subjectiv sein, da, wie wir sehen werden, der Angriff in einer der
folgenden Nächte wiederholt wurde, nachdem der Minen brnnnen des Ver-
theidigers zerstört war. Ein Vordringen bis zu den Palisaden des Grabens
Yom Ravelin Hagel erwähnt Blanc nicht. Meine Quelle ist Brese Archiv
11. Bd. S. 63.
^) Eirgener stellt diesen zweiten Angriff S. 21 nur als eine Re-
kognoscirung durch 2 Sappeurdetachements gedeckt durch eine Infanterie-
abtheilung dar. Höpfner folgt ihm darin. Der bedeutende Verlust auf beiden
Seiten spricht dagegen; auch Brese stellt den Angriff als eine Wiederholung
des ersten mit einigen Bataillonen dar, und der Guvemeur gratnlirt am 10.
dem General von Hamberger und der Besatzung des Hagelsberges in einem
besonderen Schreiben ,zu dem neuen Ruhm, den dieselben durch den in
voriger Nacht abermals abgeschlagenen Angriff der Palisaden erworben haben '^.
Siehe auch Skizzirte Geschichte S. 129.
181
betrug 1 Bombardier, 13 Todte und 19 Verwundete. Den Ver-
lust des Feindes schätzte der Guvenieur auf 200 bis 300 Mann.
6 Todtc lagen diesseits der Palisaden.
An eine Benutzung der erreichten Vortheile durch einen
Ausfall war nicht mehr zu denken, da die Besatzung dazu
nicht mehr fähig war.
Dem Angreifer blieb nichts übrig, als zur Mine zu schreiten,
um sich des Blockhauses zu bemächtigen, da es durch Geschütze
nicht zu fassen war. Zu dem Zweck musste man zunächst
durch die Sappe in möglichster Nähe des Blockhauses einLoge-
ment bilden. Auch machte man den Versuch, eine Haubitze
im Kuronnement vor Bastion Jerusalem zu etabliren, um von
hier aus das Blockhaus zu fassen.
Der Marschall sah sich demnach genöthigt, vom Sturm
vorläufig abzustehen. Auch das Feuer der Artillerie wurde be-
deutend gemässigt. Man ging auf allen 3 Saillants gleich-
massig mit der Sappe vor. Die Verlängerung des Kuronne-
ments vor der rechten Face des Ravelins wurde jedoch durch
Kanonenfeuer verhindert und selbst der fertige Theil zerstört.
Auch am 11. warf der Vertheidiger so viel Bomben, dass
mindestens 6 Toisen der Sappentete zerstört wurden. Etwas
besser schritt die Sappe vor dem Bastion Jerusalem vor, weil
wegen des eigenthümlichen Terrains die Bombenwürfe nicht
beobachtet werden konnten^).
Am 12. gelang es trotz aller Schwierigkeiten die beiden
Sappen des Kuronnements zu vereinigen^). Ein weiteres Vor-
') Am wirksamsten hiergegen zeigte sich noch ein Mörser im Saillant I
unterhalb des Bastions Jerusalem nach dem Olivaer Thore hin. Skizzirte
Geschichte S. 130, 131. Die Mörser in Bastion Schütz wurden schlecht be-
dient.
^) Der Oberst Blanc erzählt S. 151 des Archivs, wie gefährdet die Her-
stellung des Kuronnements fortwährend durch den Umstand war, dass der ge-
deckte Weg durch kein Geschoss des Belagerers getroffen werden konnte:
gDer Feind schlich sich mit Körben heran, die mit Handgranaten gefüllt
waren, die er gegen die Sappen tete schleuderte. Zuweilen suchte er auch
mittelst des Sappenbakens den Bollkorb und selbst die Sappeure hinüberzu-
ziehen. Eines Tages, als der Capitain OoUet den Dienst hatte, gab es einen
hartnäckigen Kampf zwischen den Belagerern und unsem Sappeuren, indem
der Feind einen davon gefasst hatte und es viel Mühe kostete, das Hinüber-
182
gehen in den gedeckten Weg wurde aber am 13. durch Klein-
gewehrfeuer, Bomben und Steinwürfe verhindert. Man war
daher zur Ueberdeckung eines grossen Theils der Laufgräben
genöthigt*). Der Ingenieur Kapitain Paporet, Adjutant des
Generals Bertrand, wurde getödtet.
In der folgenden Nacht gelang es endlich dem Belagerer,
auf dem Saillant des eingehenden Waffeuplatzes zu debuchiren
und bis 3' an die Palisaden vorzudringen.
Auf Seiten des Vertheidigers liörte man am 13. im Block-
hause den feindlichen Mineur arbeiten. Unverzüglich wurden
im Innern des Blockhauses zwei Minenschachte von 9' Tiefe
angelegt. Tafel HI Figur 2.
Am 13. wurde ferner die Artillerie der Schanze Nr. 1
(Judenschanze) wieder lebendig. Der Hauptmann von Studnitz
erhielt den Befehl, dagegen zu feuern.
Auf Seiten des Belagerers kam das Logement für eine
Haubitze im ausspringeuden Winkel vor Bastion Jerusalem zu-
stande. Sie wäre ausreichend gewesen, das Blockhaus zu zer-
stören. Es gingen daher am. 14. um 2 Uhr morgens 30 Mann
der Blockhauswache unter dem Lieutenant von Tiedewitz längs
des gedeckten Weges gegen den Haubitzstaud vor. jagten die
Besatzung heraus und vernagelten die Haubitze. Der Unter-
offizier Hennig vom Bataillon Rembow wollte die Haubitze
durchaus aus der Sappe ziehen, blieb aber hierbei. Das De-
tachement hatte überhaupt 6 Todte und 4 Verwundete. Vom
Feinde zählte man 30 Todte auf dem Platz.
ziehn desselben nach der Festung zu verhindern". Die „Skizzirte Geschichte*
erwähnt den Vorfall ebenfalls (S. 132). Er fand am 12. nachmittags statt
Der Rollkorb wurde wirklich in den gedeckten Weg gezogen. Der Lieute-
nant von Tiedewitz befehligte die Mannschaft, welche vom Regiment Diericke
war. Auch dass sich der Gegner« um sich der Handgranaten zu erwehren,
grosser Granaten bediente, die ihm mehr schadeten als den Vertheidigern im
bedeckten Wege, wird von der akizzirteu Geschichte erzählt. Schon aus der
obigen Stelle Blanc's geht hervor, dass kein Trancheckavalier vorhanden war.
Dumas sagt dies S. 171 ausdrilcklich und zwar, weil das Terrain die An-
legung desselben nicht erlaubt habe. Merkwürdigerweise wird er in den Be-
richten des Vertheidigers erwähnt, jedoch nur vermuthungsweise (Skizzirte
Geschichte S. 120).
^) Brese S. 64.
183
Die Judenschanze wurde am 14. wieder zum Schweigen
gebracht.
Im Blockhause war aus dem Minenschacht rechts, um dem
feindlichen Mineur von der Seite beizukommen, ein Rameau
rechts der Kapitale des Blockhauses vorgetrieben worden.
Der Belagerer legte zum bessern Schutz des Haubitz-
etablissemeuts ein Crochet am Kuronnement an.
Wir müssen hier die Belagerungsarbeiten auf einen Tag
verlassen, um unsere Aufmerksamkeit dem Entsatzversuch zu-
zuwenden, der am 15. in Wirksamkeit trat.
Zuvor sei bemerkt, dass die Stadt Danzig während des
ganzen Verlaufs der Belagerung sich höchst loyal benahm.
Schon am 26. April hatte König Friedrich Wilhelm in dies
aus Bartenstein in einem besonderen Kabinetsschreiben aner-
kannt, das am 11. Mai in Danzig publicirt wurde (Duisburg
Seite 283). Der Inhalt lautete:
„Seine Kgl. Maj. pp. haben aus mehreren Berichten des
Gnvernements zu Danzig mit lebhaftem Wohlgefallen ersehen,
wie sehr die gute und treue Bürgerschaft daselbst sich beeifert,
ihren Patriotismus auf eine thätigo Weise bei jeder Gelegen-
heit zu Tage zu legen. — Es gereicht dies Allerhöchst Ihnen
zur angenehmsten Genugthuung, um so mehr, als sich die gute
Burgerschaft, ob sie gleich erst später mit Allerhöchst Ihren
Staaten vereinigt worden ist, vor den Einwohnern so vieler
altem Städte des Staats so sehr zu ihrem Vortheile ausge-
zeichnet. Bei diesen guten Gesinnungen und bei den guten
Anordnungen, welche das Guvernement zur Vertheidigung ge-
troffen hat, sind Seine Majestät für das Schicksal der dortigen
Vestung unbesorgt, und indem sie die gute Bürgerschaft zur
Standhaftigkeit in den jetzigen bedrängten Zeiten ermuntern,
versichern Sie derselben, dass Sie ihr die jetzt bewiesene Treue
und Anhänglichkeit gewiss nicht vergessen werden."
Fr. W.
Namentlich erwies sich die Kaufmannschaft höchst auf-
opfernd. Einer Aufforderung des Gnvernements vom 9. Mai
zu einer Anleihe von 150000 Thaleni war bereitwillig entgegen-
gekommen worden. Am 16. sah sich der Guvemeur von neuem
184
in die Nothwendigkeit versetzt, eine Anleihe von 200000 Thalern
aufzunehmen.
Mitte April hatte der Fürst Tscherbatow in Danzig ein
Schreiben des Höchstkomraandirenden, des General v. Bennigsen,
vom 10. erhalten, worin er den nahe bevorstehenden Entsatz
von Danzig in Aussicht stellte. Die Freude in Danzig war
gross. Um dieselbe Zeit wurde auf der frischen Nehrung ein
Detachement unter dem Obersten von Bülow, dem späteren
Grafen von Dennewitz. aufgestellt, zunächst nur aus 1 Bataillon,
2 Eskadrons und 2 reitenden 3 pfundigen Kanonen bestehend,
welches die Fühlung mit den Franzosen halten und die Weg-
nahme der auf der Nehrung Pillau gegenüberliegenden Schanze
durch dieselben verhindern sollte. BiUow setzte sich sofort
schriftlich mit dem Guverneur von Danzig in Verbindung, der
ihm unterm 20. April nähere Auskunft über die Situation der
Franzosen auf der Nehrung mittheilte.
Durch den Besitz der Schanze gegenüber Pillau, welche
mit 250 Mann und zwei 12-Pftindern besetzt war, die unter
das Kommando Bülows gestellt wurden, behielt man den freien
Zutritt zur Nehrung. Das frische Haff beherrschte man durch
eine kleine Flotille, die am 13. April einen Bording am Aus-
gange des Elbinger Hafens versenkt hatte und am 24. einen
zweiten hinzufügte, so dass den Franzosen der Zutritt zum
Haff gesperrt wurde und einem auf der Nehrung vorgehenden
Entsatzheer Lebensmittel zugeführt werden konnten.
Französischerseits standen die Vorposten des Schramm-
schen Korps auf der frischen Nehrung bei Kahlberg, das Korps
selbst, nach Schätzung des Guverneurs 3600 Mann stark, bei
Heubude. Elbing und der grosse Werder war von der Oudinot-
schen Grenadierdivision mit dem Hauptquartier in Marienburg
besetzt. An Oudinot reihte sich das Lannes'sche Korps. Ein
auf der Nehrung vorgehendes Entsatzkorps von Danzig würde
sich daher in seiner linken Flanke bedroht gefunden haben.
Ein erfolgreicher Entsatz von Danzig war unter diesen
Umständen nur durch eine Offensive der russischen Hauptarmee
möglich. Napoleon musste auf das linke Ufer der Weichsel
185
zurückgewiesen werden; das war auch die Ansicht Bennigsens.
Dazu war aber das Eintreffen von Verstärkungen abzuwarten
und ein geordnetes Verpflegungssyistem einzuführen.
Als sich anfangs Mai für Danzig der Zeitpunkt näherte,
wo es sich aus eigner Hilfe nicht länger erhalten konnte, waren
bei der grossen Armee an Verstärkungen nur die 1. Division
unter dem Grossfürsten Konstantin eingetroffen, die andern in
Aussicht stehenden Verstärkungen kamen nicht mehr in be-
tracht, weil sie zu spät angekommen wären. Eine Offensive
mit der ganzen Armee war unter diesen Umständen ohne Aus-
sicht auf Erfolg. Der Kaiser Alexander, welcher sich selbst
bei der Armee befand, drängte dazu, einen Entschluss zu
fassen. Bennigsen willigte schliesslich in einen Entsatz zur
See, obgleich er sich auch davon nichts versprach. Aber ge-
schehn musste etwas.
Das Kommando des Entsatzkorps, das sich ende April in
Königsberg sammelte, wurde dem General Kaminskoi, dem
Sohne des Feldmarschalls, übertragen. Er sollte sich anfangs
Mai in Pillau zur Einschiffung nach Neufahrwasser bereit
halten. Die dazu bestimmten Truppen hatten die Stärke von
5300 Russen, worunter 320 Kosacken und 1300 Preussen, in
Summa von 6600 Mann. Der Oberst von Bülow, auf 2500
Mann Infanterie, 280 Pferde und 4 Geschütze gebracht, sollte
auf der Nehrung vorgehen.
Ein so geringes Korps war allenfalls imstande, solange
die Verbindung Danzigs mit der See noch offen war, der
Festung Lebensmittel, Pulver und Verstärkungen zuzuführen.
An einen Entsatz derselben war indessen nicht zu denken, und
selbst das erstere war nur möglich, wenn die mssische Haupt-
armee dafür sorgte, dass dem Belagerungskorps keine Ver-
stärkungen zugingen. Wie wollte man das aber verhüten, ohne
die ganze Armee zu engagiren? Bennigsen war nicht gewillt,
sie auf diese Weise aufs Spiel zu setzen, alles, was er that,
war nur Schein, um die Stimmen zum Schweigen zu bringen,
die sich gegen ihn erhoben hatten. Als die russische Armee
sich bei Heilsberg und Btirgerswalde zusammenzog, fertigte
Napoleon, der durch den Marschall Lefebvre von der Ansammlung
von Truppen bei Pillau unterrichtet worden war, bereits die
186
Befehle aus. wonach die Grenadierdivision Oudinot vorläufig
den General Albert mit einem Bataillon nach Fürstenwerder,
dem Haupt gegenüber, abschicken sollte, uro daselbst eine
Schiffbrücke zu schlagen und einen Brückenkopf anzulegen.
Die Dragoner-Brigade Beauraont sollte die Elbinger Weichsel
beobachten. Am 12. befahl Napoleon, dass Oudinot nach
Danzig aufbreche und der Marschall Victor eben dahin die
Division Dupas abrücken lasse, welche zwischen Danzig und
Kolberg stand. Die Bewegungen Bennigsens haben Napoleon
nicht veranlasst, seine Befehle zurückzunehmen. Auch Hess
Bennigsen bereits am 14., wo die letzten Truppen des Expe-
ditionskorps erst in Neufahrwasser anlangten, die Armee schon
wieder in die alten Quartiere zurückkehren. Das Unter-
nehmen war daher bereits an diesem Tage als verfehlt anzu-
sehn, bevor das Korps noch mit dem Feinde in Berührung
gekommen war.
Die Expedition zur See, zu der man sich entschlossen
hatte, war, wenn sie auch nicht die Gefahr einer Katastrophe
bot, wie ein Vorgehen auf der Nehrung, jedoch alle den Chicanen
ausgesetzt, die zur Zeit der ausschliesslichen Segelschiffe mit
dem Transport von Truppen verbunden waren. Die Ein-
schiffung war bereits am 8. erfolgt, aber der Wind blieb aus.
um die Transportflotte in Bewegung zu setzen. Man ging end-
lich am 10. abends und am 11. trotz ungünstigen Windes in
See. Die guten Segler waren schon am 11., andere am 12.,
noch andere am 13. in Neufahrwasser, ein schwedisches Linien-
schiff, welches 1300 Mann aufgenommen hatte, langte sogar
erst am 14. an. Der Guverneur erhielt am 10. durch Ver-
mittlung englischer Kriegsschiffe, von denen sich einige auf der
Rhode befanden, das Telegramm von Neufahrwasser, dass die
russische Avantgarde unterwegs wäre ^). Er tröstete damit die
^) Eiu BatAÜlou des Archangelgorodschen Musketierregimeuts unter dem
Hauptmann Rhebek war schon am 7. von Pillau abgegangen. Die Trans-
portflotte für das Gros bestand aus 2 englischen Fregatten von 16 und 24
Kanonen, 1 engl. Brigg von 16 Kanonen, 2 engl. Kuttern von 10 und 8 Ka-
nonen. Gleichzeitig laugten auf der Rhede von Danzig 3 englische Kriegs-
schiffe flacher Bauart au von je 20 Kanonen und ein schwed. Kutter von
12 Kanonen, so dass mit dem erwähnten schwedischen Linienschiff von 74
187
Besatzung und die Einwohner von Danzig hinsichtlich des am
7. erfolgten Verlustes der Holminsel. Der Kommandant von
Neufahrwasser, Oberst Schuler von Senden, fasste die Sache
schärfer auf, indem er am 9. an den König berichtete, dass
nach dem Verlust des Holms die Stärke der Kaminskoischen
Truppen unzureichend sei. Zu thun war indessen nichts mehr.
Vielleicht hätte man gut gethan, das Bülowsche Detache-
ment noch zur See nachzuschicken. Wenn er noch am 15. in
Neufahrwasser eingetroffen wäre, hätte er das Gefecht zu
gunsten Kaminskoi's entscheiden können. Aber über sein Ein-
greifen von der Nehrung her war man nicht zur Klarheit ge-
kommen, so sehr es sich auch aufdrängen musste, dass der
Feind die Elbinger Weichsel überschreiten könnte und dann
ein Vorgehen Bülows über Stutthof hinaus nicht möglich war.
Schon am 13. langte der Marschall Lannes mit der Division
Oudinot bei Danzig an, da Oudinot sich auf Ersuchen Lefebvres
schon vor dem Eintreffen des kaiserlichen Befehls in Bewegung
gesetzt hatte.
Der General Kaminskoi war auf der englischen Fregatte
Falcon am 12. in Neufahrwasser eingetroffen. Es wurde tele-
graphisch eine Disposition zum Angriff des Feindes auf den 14. mit
dem Guverneur vereinbart. Der Angriff sollte auf dem linken Ufer
der Weichsel statthaben, musste aber um 24 Stunden hinaus-
geschoben werden, weil noch 1600 Mann (1300 auf dem Linien-
schiff und 300 Preussen auf Transportschiffen) fehlten. Sie
landeten am Morgen des 14. Da inzwischen die ganze Oudinot-
sche Division bei Danzig angekommen war, erschien dem
Guverneur ein Angriff auf dem linken Weichselufer nicht mehr
angängig. Er schlug telegraphisch einen Angriff auf die Nehr-
ung und den Holm vor, den er mit 1000 Mann unterstützen
wollte. Kaminskoi ging, wenn auch mit Widerstreben, darauf
ein.
In der Nacht zum 15. wurden die Truppen von Neufahr-
wasser nach Weichselmünde übergesetzt. Da man verabsäumt
hatte, eine Brücke zu schlagen, zu der das Material vorhanden
Kanonen sich 10 Kriegsschiffe auf der Rhede hefaudeu, Per engl. Kapitain
Saunde^ hatte das Kommando.
188
war, so gab es viel Aufenthalt, und der Angriff konnte nicht
um 3 Uhr, sondern erst um 4 Uhr morgens bei hellem Tage
stattfinden.
Der Marschall hatte am 12. den General von Schramm
durch das Regiment von Paris, 2 Bataillone der Nordlegion
und einer Eskadron des 19. Chasseur- Regiments verstärkt
und die Division Oudiuot am folgenden Tage über die Berge
nach Schellmühl dirigirt. Der General Schramm hatte die
Lisiere des Münder Waldes, die 400 bis 500 Schritt von
Weichselmünde ablag*), besetzt, verschanzt und verhauen und
stand durch die Schanzen 10, 11 mit dem Holm in Verbindung.
Zur Beobachtung der Fähre am Ganskruge stand der General
Gardanne bei Heubude.
Durch ein wunderbares Verhängniss sahen sich die Re-
präsentanten zweier so fern auseinander liegenden Nationen
nach 73 Jahren wiederum ziemlich genau in derselben Situation
aber mit gewechselten Rollen einander gegenüber gestellt. Wie
im Jahre 1734 die Franzosen, waren jetzt die Russen der nach
Weichselmttnde verschlagene Theil, ebenso von vornherein un-
fähig, ihre Aufgabe zu erfüllen, und dennoch bereit, in der
hoffnungslosesten Lage der militairischen Ehre jedes Opfer zu
bringen. Auf demselben Terrain wie damals sollte am 15. die
Entscheidung erfolgen. Die Russen waren insofern besser
daran, als sie eine befreundete Flotte zu ihrer Aufnahme
hatten, wenn der Kampf unglücklich ausschlug, während die
Franzosen damals auch auf der Seeseite eingeschlossen waren
und eine Kapitulation eingehen mussten.
Das eigentliche Angriffsobjekt musste für den Graf Ka-
rainskoi der Holm sein, weil nur durch dessen Besitz die Ver-
bindung mit Dauzig hergestellt werden konnte. Um jedoch
dahin zu gelangen, mussten die Franzosen zunächst aus dem
Münder Walde geworfen werden. Der General theilte daher
sein Korps in 3 Angriffskolonnen und eine Reserve. Die erste
*) Da der Wald zur Festhaltung des Dünensandes sehr uothwendig war,
hatte man seine Abholzung bis auf die Entfernung you 800 Schritt von der
Festung noch immer hinausgeschoben.
189
Kolonne unter dem General Arseniew *) sollte am Strande vor-
dringen, den Wald in der rechten Flanke angreifen, den B^eind
aufrollen und auf Heubude vordringen. Eine zweite Kolonne
unter dem General Laptiew-) sollte den Wald in der Front
angreifen, die an der Waldspitze liegende Redute im Rücken
nehmen und Verbindung mit der 1. Kolonne halten.
Eine dritte Kolonne unter dem General Leontiew *) erhielt
den Hauptangriff auf dem Holm und sollte links Verbindung
mit der 2. Kolonne halten. Um die Bootmanslake überschreiten
zu können, folgten ihr auf der Weichsel einige mit langen
Brettern beladene Prahmen. Hauptsächlich zu ihrer Unter-
stützung war die Reserve unter dem preussischen General
von Rembow*) bestimmt, sollte zunächst aber bei Weichsel-
münde zurückbleiben.
Als Generalstabsofficier war dem General Kaminskoi der
preussische Major von Rauch beigegeben. Ausserdem hatte
jede Kolonne und die Reserve einen der Gegend kundigen
preussischen Officier als Führer zugetheilt erhalten. Die Gar-
nison von Weichselmünde und Neufahrwasser sollte mit einigen
100 Mann einen Ausfall auf dem neuen Wege längs des linken
Weichselufers machen und sich der Kupüre bemächtigen^).
Der Holm sollte gleichzeitig von Danzig aus angegriffen
werden. Zur Begünstigung des Angriffs sollten die 3 flach-
') Die 1. Kolonne bestand ans dem Novaginskischen Musketier-Regiment,
2 BataiUonen des Tobolskiachen Mnsketier-Kegiments , ans 1 Eskadron pr.
Königin Dragoner, 200 Kosacken nnd 4 Kanonen.
') Die 2. Kolonne hatte an ihrer Tete den Lieutenant Schenk mit 60
Schützen der Garnison Weichselmünde und bestand aus 1 Bataillon russischer
Schützen kommandirt vom Major Graf Balmen, aus dem 21. Jäger-Regiment
und einem Bataillon vom Polotzkischen Musketier-Regunent.
Das preussische Füselierbataillon Schachtmeier sollte die Flanken beider
Kolonnen decken und die Verbindung zwischen ihnen halten.
") Die 3. Kolonne bestand aus dem Mobile wschen Musketier-Regiment,
aus 2 Bataillonen des Polotzkischen Musketier-Regiments, 120 Kosacken und
4 Kanonen.
*) Die Reserve bestand aus dem Archangelgorodschen Musketier-Regi-
ment, 1 Bataillon von Besser und 6 Kanonen.
V. Plotho Tagebuch. . Berlin 1811 S. 263. Die Beilage N. 14 giebt einen
Auszug des officiellen russischen Berichts über das Gefecht bei Weichselmünde.
^ Vergl. oben S. 161.
190
gehenden englischen Kriegsschiffe mitwirken und namentlich den
Uehergang des Feindes über die Weichsel hindern.
Französischerseits standen auf dem rechten Flügel am
Strande das 2. leichte Infanterie -Regiment, im Centrum drei
sächsische Bataillone, auf dem linken Flügel zwischen dem Walde
und der Laake polnische Infanterie *) , bei Heubude das Regi-
ment von Paris. Die polnische Reiterei und 4 Kompagnien
der Nordlegion hielten die Verbindung zwischen Heubude und
dem General Schramm*). Der Marschall Lefebvre hielt hinter
den Laufgräben eine Reserve bereit, um sich nach Lage der
Dinge aufs Angriffsfeld zu begeben.
Die 1. und 2. Kolonne rückten gleichzeitig gegen die
Lisiere des Waldes vor und wurden mit einem lebhaft unter-
haltenen Feuer empfangen, was bei dem schwierigen durch
Löcher und sumpfige Stellen kupirten Terrain bedeutende Ver-
luste herbeiführte.
Nachdem die durch künstliche Mittel verstärkte Lisiere
nach hartnäckigem Gefecht genommen war, drang die 1. Ko-
lonne bis zum Wege nach Heubude vor ^) und die 2., gefolgt von
der 3., welche sich wegen des heftigen feindlichen Feuers vom
linken Weichselufer etwas von der Weichsel entfernt hatte, der
Disposition gemäss, gegen die Kehle der Redute 11 (b bei Höpf-
ner). Da die 3. Kolonne lebhaft in das Gefecht der 2. ver-
wickelt worden war, wurden 2 Kompagnien Besser aus der
Reserve gegen die Batterie am Schutendamme No. 10 vorgesendet.
0 Höpfuer 483.
*) Nach Nibuatnias S. 123 hätten 4 Kompagnien des 12. leichten Xu-
fanterie-Reglnients hinter dem Centnim eine Reserve gebildet nnd eine Kom-
pagnie desselben Regiments hätte mit einer Eskadron des 19. Jäger-Regimen t<<
zn Pferde am Strande gestanden. Offenbar liegt hier eine Verwechselung
mit dem 2. leichten Infanterie-Regiment vor. Das 12. stand nach dem Tage-
buch von Grolman auf dem linken Ufer der Weichsel bei Schellmühl. Auf
der andern Seite scheint es ein Irrthum von Höpfuer, das ganze 2. leichte
Infanterie-Regiment am Strande aufzustellen. Bei der Division Schramm
(Gardanne) stand nur ein Bataillon dieses Regiments.
') Es kann damit nur der sogenannte Wiukelweg gemeint sein, der von
Henbude an den Strand führt. Nach dem Bulletin des Guverneurs vom 19.
(S. 228) ging das Kleingewehrfeuer in dem Walde bei Heubude bis an den
Rand der Weichselseite vor.
_ J91
Inzwischen war vom linken Ufer der Weichsel das 12.
leichte französische Infanterie-Regiment und 200 Sachsen tiber-
geschifft *) worden und warfen die 2. Kolonne ^) (zuvor wohl auch
die beiden Kompagnien Besser) mit bedeutendem Verlust zurück.
Durch das Grenadier-Bataillon des Archangelgorodschen Regi-
ments aus der Reserve aufgenommen und von den beiden
anderen Kompagnien des Bataillons Besser unterstützt, wurde
der Feind seinerseits geworfen und lebhaft verfolgt. Die Ver-
schanzung am Ausgange des Waldes fiel hierbei den Russen
in die Hände und wurde bis auf 1 Offizier 9 Mann nieder-
gemacht und 8 Kanonen erobert. Das Gefecht kam indessen
zum stehen*). Vergebens wartete man auf ein Lebenszeichen
der Danziger Garnison, während fortdauernde Verstärkungen
des Feindes (Division Oudinot) anlangten, an deren Spitze sich
der Marschall Lannes in Person gesetzt hatte. Dem General
Oudinot wurde ein Pferd unterm Leibe erschossen *).
Da die Munition ausging*) und die Engländer wegen
widrigen Windes nicht erschienen, trat der General Kaminskoi
den Rückzug nach 6 stündigem Gefecht nach Weichselmünde
an, der in der grössten Ordnung ausgeführt wurde. Das preus-
sische Bataillon Schachtmeier wurde vorausgeschickt, um die
Garnison von Neufahrwasser, für das man fürchtete, zu ver-
stärken. Die übrigen Truppen zogen sich allmählich unter die
*) Höpfner lässt das Regiment über die Brücke gehen, die jedoch erst
am 16. fertig wurde. Tagebuch des Hauptmanns von Grolman und Nibnatnias.
') Von der 3. Kolonne ist in dem officiellen Bericht nicht weiter die
Rede.
*) Nach Nibnatnias trafen um diese Zeit 2 Kompagnien der Pariser
Garde von Heubude ein.
*) Die französischen Berichte schreiben dem Eingreifen dieser Truppen
den Rückzug Kaminskoi's zu. Nach Grolman S. 99 führten diese Generale
nur ein Bataillon heran.
^) Nach Höpfner S. 485 hatten sich die Russen gänzlich verschossen.
Er führt diesen wichtigen Umstand erst später ganz beiläufig an und schreibt
die Veranlassung zum Rückzuge der Niederlage des linken Flügels zu. Plotho
erwähnt nichts davon. Da das Bataillon Schachtmeier zuerst zurückgeschickt
wurde und diesem Flügel angehörte, erscheint eine Niederlage des linken
Flügels wenig begründet. Nach dem Bulletin des Guvemeurs vom 19. wäre
das Feuer sowohl von Kanonen als Kleingewehr schon um 6 Uhr morgens
schwächer geworden und Iiätte um ^all Uhr ganz aufgehört.
192
Kanonen von Weichselmfinde und in der Nacht nach Nenfahr-
wasser zurQck. Das Bataillon Besser blieb zur Verstärkung
der Garnison von Weichselmtinde zurück. Der Verlust der
Russen betrug 14 Offiziere 422 Mann todt, 41 Offiziere 895
Mann verwundet, der der Preussen 2 Offiziere 42 Mann todt,
4 Offiziere 116 Mann verwundet, zusammen
61 Offiziere 1469 Mann,
der vierte Theil des ganzen Korps. Die Franzosen gaben
225 Mann Verlust an und schätzten den der Aliirten auf 2000.
Das Gefecht konnte nur gelingen, wenn die anfänglich
gegenüberstehenden Truppen zurückgeworfen wurden , bevor
neue Kräfte anlangten. Man hielt sich aber zu lange mit
Schiessen auf. Freilich ohne Unterstützung von Danzig her
wäre man auch so zu keinem Resultat gelangt. Der Gnverneur
hatte am Ganskrug die gesammte Reiterei, 2 Bataillone Russen,
das Grenadier-Bataillon Schraeling und die reitende Batterie
Holtzendorf versammelt und hatte die Absicht, die Weichsel
zu passiren, sobald die feindlichen Vorposten dem Ganskrug
gegenüber zurückgezogen, d. h. also durch Kaminskoi vertrieben
sein würden. Da der üebergang auf einer Fähre stattfinden
musste, wäre er dann wohl zu spät gekommen. Der Gnverneur
musste den Angriff auf Heubude, durch dessen Wegnahme er
sich erst die Verbindung mit Kaminskoi eröffnete, gleichzeitig
mit dem Angriff des letzteren auf den Wald ausführen. Frei-
lich ohne Brückenkopf war eine solche Operation schwierig
und hier liegt der eigentliche Haken. Warum war aber ein
Brückenkopf, dessen Nothwendigkeit sich schon am 20. März
aufgedrängt haben musste, nicht vorhanden? Merkwürdig ist
der Bericht des Guverneurs, er habe nur eine Attacke des
Generals Kaminskoi im Walde bemerkt, welche verunglückte
und verunglücken musste, und ohne die mögliche Hoffnung
eines Entsatzes hätte er wegen Schwäche der Besatzung keinen
Ausfall unternehmen können ').
») Höpfner S. 487. In der „Belagerung von Danzig i. J. 1807» ist das
Schreiben des Guverneurs an den König vom 25. Mai ohne den mit gesperrten
Lettern gedruckten Satz mitgetheilt. Nach der skizzirten Geschichte hatte
der Gnverneur denselben Grund, wegen Schwäche der Besatzung die Wieder-
_iöä
Der Oberst von Bülow hatte nichts beitragen können,
dem Gefechte Kaininskois eine bessere Wendung zu geben. Er
war am 9. auf Polski vorgegangen, musste hier aber bis zum
12. warten, bis das Detaehement versammelt war. An diesem
Tage traf erst das Füselierbataillon Bülow ein. Bis zum 14.
verpflegt, rückte er am 13. mit dem Gros bis Kahlberg vor,
das der Feind geräumt hatte, die Kavallerieposten bis V« Meile
diesseits Bodenwinkel vorgeschoben. So blieb er am 14. stehen,
um Lebensmittel zu empfangen, die den Nachmittag aus Pillau
eintrafen und Furage auf einen Tag, Brot auf drei Tage
brachten. Vom Feinde hörte man, dass er bei Schönbaum an
einer Brücke baue und daselbst von bedeutender Stärke stehe.
Seine Vortruppen standen bei Steegen. Bis dahin raai-schirte
Bülow am 15. und konnte während des Marsches deutlich den
Angriff des Generals Kaminskoi verfolgen, aber auch, dass das
Gefecht um Mittag zurückging. Er schickte daher mittags
das Grenadier-Bataillon Braun mit der Artillerie nach Boden-
winkel zurück und echellonirte die Infanterie zwischen Steegen
und Stutthof. Die Vorposten der Kavallerie unter dem Ritt-
meister von Möllendorf standen vor Pasewark, mit Patruillen
über Nikclswalde auf Danzig sowie auf Schönbaum. Von
ihnen ging die Meldung ein, dass die Brücke gegen Abend
fertig war. Noch war es möglich, dass der General Kaminskoi
den andern Tag den Angi'iff eraeuerte. Ohne einen Erfolg
dort war ein weiteres Vorgehen ßülows nicht möglich. Da
dieser unterblieb, war nichts mehr zu thun.
Die Belagerungsarbeiten waren inzwischen keinen Augenblick
unterbrochen worden. Wir haben S. 182 gesehen, dass im Innern
des Blockhauses unweit der Spitze zwei Minenschachte angelegt
worden waren. Aus dem Schacht rechts wurde ein Rameau,
rechts der Kapitale des Blockhauses, vorgetrieben ^). Nach dem
eroberuDg des Holms nicht unteniehmen zu können, wenn ein Entsatz nicht
anf das bestimmteste einträte, schon damals angegeben.
^) Das nachfolgende inbezug auf die Ingenienrarbeiten vorherrschend
nach Brese.
Kdbler, Geschichte der Festungen Danzig und Welchselmttnde. II. IS
194
ungleichen Schalle des Klopfens glaubte man am 15. ^) auf zwei
feindliche Qallerien schliessen zu können und setzte den an-
gefangenen Gang, der Richtung des stärkeren Schalles folgend,
bis auf 20' Länge in stark fallender Neigung fort*). Vor Ort
war nun das Näherkommen des feindlichen Mineurs deutlich zu
vernehmen. Es wurde daher ein Kamouflet von 90 Pfund
Pulver eingesetzt'), noch einige Stunden gelauert und am 16.
nachmittags um 3 Uhr, als man die jenseitige Arbeit auf einige
Fuss nahe glaubte, Feuer gegeben. Der Dampf stieg aus dem
Kuronnement auf, woraus sich schliessen liess, dass die feind-
liche Gallerie zwar getroffen und geöffnet worden, zum theil
aber auch stehen geblieben war. Nach kurzer Zeit hörte man
in der 2. Angiiffsgallerie arbeiten, dann trat Stille ein; man
konnte annehmen, dass der feindliche Mineur seine Ladung ein-
brachte.
Während man in dem zweiten Miuenschacht des Blockhauses
eben beschäftigt war, eine Gallerie aufzuhauen, um dem zweiten
Angriffs-Rameau entgegenzugehen, sprang die feindliche Mine*)
am Abend desselben Tages um 8V2 Uhr. Sie war mit 400
Pfund geladen. Die Schlittung ihres Trichters erreichte bei-
nahe das Blockhaus. Der Waffenplatz mit seiner Palisadirung
war bis zur halben Facenlänge ganz zerstört, das Blockhaus
selbst in der Spitze stark erschüttert, so dass die Wandbe-
kleidung desselben klaffte, die Ständerung und die Decke ver-
schoben waren. An dem Schacht im Innern des Blockhauses
und an der soeben begonnenen Kontregallerie zeigte sich keine
wesentliche Beschädigung, und die Arbeit konnte hier ohne
Verzug fortgesetzt werden, um damit in die Nähe des feind-
lichen Minentrichters zu gelangen. Aus dem Blockhause und
dem anliegenden Palisadentambur feuerte man lebhaft in den
vorliegenden zerstörten Waffenplatz, da man einen Angriff ver-
muthete, zugleich aber auch die Krönung des nahen Trichters
zu verhindern beabsiclitigte.
*) Nach Kirgener wurde der französische Mineur am 15. nberhanpt erst
angesetzt, was nach der skizzirt^n Geschichte S. 135 wahrscheinlicli erscheint.
«) Fig. 2. Taf. m.
•) Fig. 2 a. Taf. IH.
*) Fig. 2 b. Taf. in.
_195
Im Innern des Blockhauses wurden «och in der Nacht, da
die Spitze bereits geöffnet war, quer durch dasselbe zwei Pali-
sadenabschnitte m und n angelegt, um den unversehrt geblie-
benen Theil noch ferner schrittweise vertheidigen und die Kontre-
minirung sicherstellen zu können.
Ein heftiges Kartätsch- und Borabenfeuer, welches der Ver-
theidiger während der ganzen Nacht, verstärkt noch durch Klein-
gewehrfeuer, unterhielt, konnte nicht verhindern, dass der Be-
lagerer den Trichter kuronnirte ^) und den Mineur auf der Ka-
pitale des Blockhauses ansetzte, indem er den Theil des Ku-
ronnements vor dem eingehenden Waffenplatz und in der Mitte
vor der linken Face des Bastions Jerusalem mit der doppelten
bedeckten Sappe ausführte. Am letztern Punkt durchschnitt
er die Glaciskrete und die Palisadirung und schritt in der Länge
einer Ruthe im gedeckten Wege vor. Er schob dabei statt
des Rollkorbes die durch Ausgrabung gewonnene Erde im hohen
Hänfen gegen den Grabenrand hin.
Durch das fortwährende Geschützfeuer des Belagerers waren
^) Blanc giebt hiervon folgende Schilderung: „Ich übernahm an diesem
Tage (16. abends) den Dienst und fand bei meiner Ankunft in der 2. Parallele
den Hauptmann Lebrun, welcher die Miuenarbeit geleitet hatte, vor, um die
Wirkung der MinenzHndnng, die soeben statt^^efunden , abzuwarten. Die
Explosion erfolgte und bei dem Anblick mehrerer Uolzstücke, welche iu die
Lnft geschlendert wurden, zweifelte Lebrun nicht an der Auf Sprengung des
Blockhauses und ging ab, um die Nachricht davon in das Hauptquartier zu
bringen.
Ich warf mich sogleich mit den Officieren meiner Brigade und den im
Dienst befindlichen Sappeuren in den Minentrichter, jedoch waren wir er-
staunt, als wir die Erde von der Seite des Blockhauses abschälten, dieses
vöUig unversehrt zu finden. Wir wurden noch mehr überrascht, als wir
aus den Scharten des nun frei gewordenen Blockhauses und aus den Spalten,
welche zwischen den durch die Minenwirkung aus ihrer Lage gebrachten
Wandhölzern klafften, Gewehrschüsse erhielten. Einige Sappeure wurden
verwundet, der Qeniecapitain Migneron wurde getödtet, und wir mussten für
den Augenblick den Minentrichter räumen. Eine Stunde später kamen wir
jedoch mit Bohlen zurück, welche die Sappeure so trugen, dass sie den
Körper dadurch deckten und dann gegen die Schiessscharten und Spalten des
Blockhauses lehnten. Mit Anbruch des Tages war der Minentrichter gekrönt,
jedoch von dem gegenüberliegenden Bastion eingesehen und wir mussten uns
desshalb tiefer graben. Archiv 13. Bd. S. 150.
13*
_ 196 _
die Brustwehren der Angriffsfront völlig durchwtthlt und die
ehemalige Gestalt der äussern Böschung vernichtet, so dass
man auf seiten des Vertheidigers anfing wegen der Er-
steigbarkeit des Hagelsberges besorgt zu werden. Der In-
genieur vom Platz benutzte die finstere, nebliche Nacht, um sich
von der Praktikabilität der äussern Böschung zu überzeugen,
fand aber, dass gerade die ausserordentliche Verwüstung der
Plackage und namentlich die auf der Mitte der Böschung ent-
standenen vielen Bombentrichter, die Ersteigung der 70' hohen
Bastione Schütz und Jerusalem sehr beschwerlich und unterm
Feuer fast unmöglich machten^).
Da die ungemeine Höhe des Bastions Jerusalem gegen den
vorliegenden gedeckten Weg, sowie die nachtheilige Stellung der
senkrecht auf die Kurtine stehenden Flanke des Bastions Schütz
die Arbeiten des Belagerers nicht gehörig mit Geschützen be-
schiessen Hess, auch das Bombenfeuer keine hinreichende Wir-
kung gestattete, so genehmigte der Guverneur die vom Platzinge-
nieur eingereichte Disposition zu einem Ausfall, obgleich bei
der allgemein eingetretenen Abspannung die Abneigung gegen
dergleichen Unternehmungen bereits sehr entschieden hervor-
trat. Am 17. um 5 Uhr nachmittags begann ein durch 6 Mörser
aus den Bastionen Jerusalem und Schütz, dem Ravelin Hagel
und dem Saillant 1 unterhalb des Hagelsbergcs verstärktes
Bombardement gegen das Kuronuement, um den Ausfall vor-
zubereiten. Von 5V« Uhr an unterhielten 100 Jäger, welche
längs der ganzen Front des Hagelsberges vertheilt waren, ein
wohlgezieltes Feuer gegen die feindlichen Arbeiten. Von 6 Uhr
ab richtete sich das Bombardement gegen die 3. Parallele, um
deren Besatzung zu vertreiben. Um 10 Uhr abends erfolgte
der Ausfall. Drei Abtheilungen Infanterie, jede aus 1 Officier,
20 Mann und 30 Arbeitern mit Handgranaten versehen, gingen
gleichzeitig vor. Die erste unter dem Lieutenant von Lehwald
vom Regiment Diericke brach aus dem Wafi'enplatz rechts des
Bastions Jerusalem gegen den wieder hergestellten Haubitzstand
vor, vernagelte das Geschütz und demolirte die Brustwehr mit
der Scharte. Die zweite unter dem Lieutenant von Tiedewitz
') Höpfner S. 491. 492.
197
zog sich aus dem Palisadentambur hinter dem angegriflfenen
Blockhause rechts heraus, vertrieb die feindlichen Sappeure aus
dem bedeckten Wege vor Bastion Jerusalem und zerstörte das
dortige Debuchement. Die dritte Abtheilung unter dem Lieu-
tenant von Losch ging links des Blockhauses gegen den ku-
ronnirten Minentrichter vor, nahm ihn, verfehlte aber ihren
Zweck, da der sie führende Officier in der Finsterniss in den
feindlichen Minenbrunnen stürzte und das Genick brach, die
Truppen aber über das Bestreben, den Officier zu retten, die
Zeit verloren und bald zurückgeworfen wurden. Man zählte in
Summa 8 Todte und 14 Verwundete. Der Hauptmann von
Kamecke, der den Ausfall vom Walle aus überwachte, wurde
erschossen .
Lizwischen war die Minenarbeit im Blockhause seit dem 26.
abends fleissig fortgesetzt, und es war aus dem Schachte links
mit einem engen, nur mit Bohlenstücken ausgekleideten Rameau
etwa 20 Fuss weit vorgegangen worden. Man wendete sich
aus diesem ßameau mit einem 6 ' langen Gange rechts, so dass
man sich gerade unter den Kuronnement des feindlichen Trichters
befand^), lud mit 100 Pfund und zündete abends 11 Uhr, etwa
eine Stunde nach dem Ausfalle. Das Kuronnement und der
feindliche Minengang wurden grösstentheils zerstört. Am Morgen
sah man indessen den Feind an einem neuen Logement inner-
halb des WaiTenplatzes arbeiten, auch hatten die Sappeure am
18. des Morgens dem Blockhause sich so weit genähert, dass sie
mittelst Haken die lockere Wandbekleidung in der Spitze los-
rissen und die schon vorhandene Oeffnung erweiterten. Das
Buchsenfeuer von 6 hinter dem innern Palisadenabschnitt des
Blockhauses aufgestellten Jägern vertrieb jedoch die Sappeure
und nöthigte sie, die Arbeit einzustellen und die Sappenspitze
zu blenden. Da man den feindlichen Mineur wiederum arbeiten
hörte, so wurden im Blockhause mehr rückwärts hinter dem
zweiten Palisadenabschnitte zwei neue Schachte abgeteuft, um
von hier aus den Minenkrieg nach Bedürfniss fortsetzen zu
können.
Auch in dem Blockhause links des Ravelins Hagel teufte
») Fig. 2 c. Taf. IH.
198
man einen Brunnen ab. Auf der Kurtine wurde eine Scharte
für einen 3-Pfünder eingeschnitten, um die Spitze der bedeckten
Sappe gegen den eingehenden Waffenplatz direkt beschiesscn
zu können.
Der Belagerer war bemüht, mit der bedeckten Sappe vor
der linken B'ace des Bastions Jerusalem wieder in den gedeckten
Weg zu dringen, was, da der Zweig desselben ohne Traversen
und daher dem Feuer des Blockhauses ausgesetzt war, seine
grossen Schwierigkeiten hatte.
Der Guverneur sagt in einem Bericht an den König *), dass
die Infanterie sichtbar schmilzt, theils durch den täglichen Ver-
lust, theils durch Desertion zum Feinde. In den 8 Tagen vom
11. bis 18. seien 77 Todte und 149 Verwundete, wovon immer
die Hälfte als todt angesehen werden kann, 9 Vermisste und
63 Deserteurs, worunter die Ordonanz des Kommandanten,
die mit Wohlthaten überhäuft worden ist, zu registriren
gewesen. Von den 24 Mann Wache in der barmherzigen
Brüderschanze komplottirten in der Nacht zum 20. 16 Mann
von den Bataillonen Oswald und Bülow. lauter Polen, die zum
Feinde übergehen wollten, sie waren schon im Kahne auf dem
Wasser, hatten aber Gegenwind, so dass ein treuer Schütze und
ein Unterofficier Zeit gewannen, einen niederzuschiesscn und die
andern zu arretiren. Mit mehr Glück desertirten die Nacht
zuvor 1 Unterofficier und 17 Mann vom Regiment Hamberger.
In der Nacht vom 18. zum 19. gelang es dem Feinde, um
Mitternacht Brennmaterialien, gegen die Spitze des Blockhauses
zu werfen und dasselbe in Brand zu stecken*). Wasser zum
Löschen war nicht zur Hand, und die Flammen griffen bei der
Lebendigkeit des Luftzuges im Innern rasch um sich. Nachdem
man aus dem brennenden Blockhause vergeblich auf die schüren-
den Sappeurs gefeuert hatte, ging ein Theil der Wachtmann-
schaft von ihrem Officier ^) geführt hinaus, vertrieb die Sap-
») Die Belag, v. Danzig 1807 S. 232.
*) Hierbei wurde der Lieutenant Tholoz^, Sohn des am 20. März am
Danziger Haupt gebliebeneu franzöjjischen Oberst Tholoz6, erschossen.
') Wahrscheinlich war es der Lieutenant v. Rieben von den Jägeru,
welchen der Guverneur in dem Bericht vom 20. belobt. Siehe auch Skizzirte
Geschichte S. 157. »
199
peure und versuchte durch Aufwerfen von Erde die Flammen
zu dämpfeu, was aber bei der Nähe des Feindes nicht gelingen
konnte, zumal der Brand die Wände und das Bombengebälk
in dem vordem Theil des Blockhauses schon durchweg erfasst
hatte. Um 2 Uhr musste dasselbe verlassen werden und gegen
Tagesanbruch stürzte es ganz zusammen. Noch während des
Brandes errichtete man dicht hinter dem Blockhause einen
starken Palisadenabschnitt, der durch einen Erdaufwurf gegen
das brennende Blockhaus abgeschlossen wurde ^). Dadurch
wurde der Tambur des Waffenplatzes wieder geschlossen, letz-
terer noch ferner behauptet und die niedere Flankirung des
bedeckten Wegs erhalten.
Der Belagerer liess in der Nacht eine Rekognoscirung in
den Graben ausführen, um die Hindernisse in demselben, die
sich einem Sturm entgegensetzen könnten, zu untersuchen. Es
gelang dem Sappeur -Korporal Gaucia, mit 3 Sappeuren und
6 Mann Infanterie in den Graben des Bavelins zu dringen;
die Palisaden erwiesen sich jedoch zu stark, um umgehauen zu
werden. Ein Versuch, sie durch Pechfaschiuen zu verbrennen,
hatte auch keinen Erfolg, da sie nur theilweise verkohlten.
Auch ein späterer Versuch, sie durch Pulverfässer, die man da-
gegen rollte und anzündete, umzuwerfen, führte zu nichts, sie
wurden nur aus ihrer Lage gebracht, da sie ohne Schwellen
eingesetzt waren*).
Das Logement im bedeckten Wege vor Bastion Jerusalem
ei-weiterte der Feind und begann am 19. mit einem bedeckten
Gange die Kontreskarpe herabzusteigen, nachdem er sich durch
Einschneiden in den oberen Rand derselben eine etwas flachere
Descente gebildet hatte. Die Arbeit rückte unter dein Gewehr-
feuer vom Tambur und von 3 Flankengeschtttzen des Bastious
Schätz nur sehr langsam vor, und die feindlichen Sappeure
blieben mehr mit Herstellung der Schäden beschäftigt, als dass
sie vorwärts kamen. Die steile 27 ' hohe Kontreskarpe nöthigte
auch hier den Feind, sich der Mine zu bedienen und dadurch
Zeit zu verlieren.
») Fig. 2 op. Taf. III.
*) Blanc. Archiv S. 153,
200
An diesem Tage (19.) endigte der letzte Versuch des Ge-
nerals Kaminskoi, etwas zur Erleichterung der Besatzung bei-
zutragen, auf eine höchst missliche Weise. Er hatte am 16.
wegen völliger Erschöpfung der Truppen geruht und am 17.
mit Tagesanbruch eine erfolglose Rekognoscirung auf Saspe
gemacht. Ueberall war er auf einen überlegenen Feind ge-
stossen, der nur durch mehrere hundert Schritte lange Deflleen
zu erreichen war. Dabei wurde er unaufhörlich telegraphisch
vom Guverneur bestürmt, einen Angriff auf den Holm zu
machen. Um etwas zu thun, wurde das am flachsten gehende
englische Kriegsschiff, der „Dauntless" von zweiundzwanzig
24 pfundigen Karonaden mit 200 Centner Pulver beladen und
bereit gehalten, um bei günstigem Winde die Weichsel auf-
wärts zu gehn, die Brücke bei Legan. welche am 16. beendet
worden war, zu durchbrechen und die Festung mit Munition
zu versorgen. Am 19. Hess der General Kaminskoi einen
Kriegsrath zusammentreten, dem alle Generale und Stabsofficiere
seines Korps, der Kommandant von Neufahrwasser und der
englische Kapitain beiwohnten. Der Kriegsrath entschied sich
dahin, dass der Holm von der Wasserseitc nicht zu nehmen
sei. Der Graf Kaikreuth, dem dies Resultat mitgetheilt wurde,
erwiderte, dass er ohne eine Verstärkung von 2000 Mann und
möglichst viel Pulver „die bisherige brillante Vertheidigung
von Danzig" aufgeben müsse.
Die Fortschritte des Belagerers, die in dieser Zeit in
Neufahrwasser bekannt wurden, veranlassten den General
Kaminskoi, noch an demselben Tage einen zweiten Kriegsrath
zu berufen, in welchem er darauf antrug, dass bei dem in-
zwischen eingetretenen günstigen Winde der Dauntless unver-
züglich in die Stadt zu kommen suchen müsse, um wenigstens
Pulver hineinzubringen. Der das Schiff kommandirende Kapitain
Chattam stellte vor, dass bei der Wendung, welche die Weichsel
am Holm mache, der günstige Wind verloren gehn würde; aber
der Graf Kaminskoi ging auf keine Entgegnung ein und liess in
der Hitze das Wort Poltronnerie fallen, das allen weiteren Ver-
handlungen ein Ende setzte. Das Schiff ging um 4 Uhr nach-
mittags unter Segel, nachdem es noch mit 100 Ctrn. englisches
Pulver (ausser den eingenommenen 200) und 500 Scheffel Hafer
201
beladen worden war. Als Besatzung diente 1 Offizier nnd
40 Jäger des Krockowschen Freikorps. Ein Adjutant des
Fürsten Tscherbatow und der preussische Hauptmann Braun,
der vom Könige zurückgekommen war, schiiften sich mit ein.
Als das Schiff der Weichselbiegung folgend den günstigen Wind
immer mehr verlor und es der feindlichen Artillerie gelang,
das Tauwerk auf der rechten Seite abzuschiessen , wodurch
sich alle Segel plötzlich links wendeten, gerieth das Schiff un-
weit des rechten Ufers auf den Grund und konnte nicht wieder
flott gemacht werden. Nach kurzem tapfern Widerstände er-
gab es sich der herbeieilenden französischen Infanterie^). Die
Franzosen schafften sofort das Pulver ans Land , damit das
Schiff nicht von Weichselmünde aus in die Luft gesprengt
wurde. Der Rumpf wurde in den Strom versenkt und das
schmale Fahrwasser damit gefüllt.
Damit war die letzte Hoffnung eines Entsatzes verloren.
Da der Guverneur einen Sturm befürchtete, so ersuchte er
für diesen Fall , der durch Fanale angezeigt werden- würde,
von Neufahrwasser über Saspe vorzugehen, um eine Diversion
zu machen. Der Fall trat jedoch nicht mehr ein, und Ka-
minskoi musste sich begnügen, einen ruhigen Zuschauer ab-
zugeben.
Schon früher war der Oberst von Bülow ausser Thätigkeit
gesetzt worden. Die Brücke bei Schönbaum war nicht sobald
geschlagen, als die französische Dragoner-Brigade Beaumont
und das Grenadierbataillon des Generals Albert sofort über
die Weichsel gingen und den Oberst Bülow, der, wie wir ge-
*) Der Hauptmann Braun wurde mit gefangen, und da der Marschall
Lefebvre dem Grafen Kalkrenth einige Privatbriefe, die sich auf dem Schiffe
gefunden hatten, zuschickte, glaubte dieser bestimmt, dass auch königliche
Depeschen in den Besitz der Franzosen gelangt wären, die dem Feinde die
ganze ungünstige Lage der Festung verratheu könnten. Er beschuldigte den
Hauptmann Braun, diese vermeintlichen Depeschen nicht vernichtet zu haben.
Wie sich jedoch später herausgestellt hat, war der Hauptmann Braun keines-
wegs Träger von Depeschen, hatte auch von dem Postbeatel mit Privatbriefen
keine Kenntniss gehabt. Die Beschuldigung, die noch Höpfner dem Hauptmann
Braun macht, ist also ohne Grund. Friccius, der sie ebenfalls anführt, hätte
m vermeiden können (Siehe Miüt. Wochenblatt. Beiheft 1853 S. 24).
202
sehen haben, mit seiner Infanterie zwischen Steegen und Stutt-
hof echelonnirt war, anfielen. Bülow wurde mit grossem Ver-
lust zurückgeworfen und bis Polski verfolgt. Nur 3 Tage
hatte Napoleon unterm 14. dem General Beaumont zur Ab-
fertigung Bülows gegeben, dann sollte er wieder zurück sein.
Bülow setzte noch in der Nacht zum 17. den Rückzug fort.
Der General Albert ging zur Besetzung der Brücke, Beaumont
nach Marienburg zurück.
Der Verlust Bülows wird französischerseits auf 1100 Mann
und 4 Geschütze angegeben. Preussische Angaben sind da-
rüber nicht vorhanden, doch können nur 3 Geschütze verloren
gegangen sein.
Kehren wir nach Danzig zurück, so waren am 20. gegen
Mittag die Belagerungsarbeiten mit dem förmlichen Graben-
tibergang bis gegen den Fuss der Eskarpe vorgerückt, und der
Feind begann hier die Palisadenlinic zu durchbrechen 0- Um
*] Kirgener S. 30. Höpfner verlegt die Durchbrechnug der Palisaden
irrtbümlich auf den 21. Der Oberst Blanc erzählt diese Episode wie folgt:
, ludessen schickte der Kaiser, dein die Belagerung sich zu lauge hinzog, wieder-
holt seine Adjutauteu zum Marschall Lefebvre und schrieb ihm alle Tage,
es wäre Zeit Danzig mit Sturm zu nehmen. Der MarschaU würdigte mich
eines Tages der Ehre, mich ui der Tranchee über meine Meinung zu fragen.
Ich antwortete ihm, dass man sich zum Sturm erst dann entschliessen könne,
wenn zuvor die Palisaden weggeräumt sein würden. Der Marschall theilte
diese Meinung und drückte sich sehr stark gegen diejenigen aus, welche nach
seiner Meinung dem Kaiser schrieben, dass die Birne zum abschütteln reif
sei. Zwei Tage später am 20. Mai morgens löste ich bei der Graben-
descente den diese Sappeurbrigade kommandireuden Ingenieurofficier ab, der
mir sagte, dass er versucht habe, die Palisaden abhauen zu lassen, dass
die Sappeure es aber nicht zu wege gebracht hätten, und zeigte mir zwei,
die dabei getödtet worden wären. Dabei ist zu bemerken, dass nicht bloss
die spitze Verpfählung den Zugang zu den Palisaden erschwerte, sondern
dass auch der Feind sie durch Geschütze deckte, welche auf der rechten Seite
des linken Flügelbastions (Schütz) aufgestellt wareu, sowie durch Infanterie
die Ruinen des Blockhauses (den Tambur) besetzt hielt und die Palisaden
unmittelbar vor der Mündung der Gewehre im Rücken beschoss.
Ich wusste nicht, was ich machen sollte, als um 8 Uhr morgens General
Bertrand, Adjutant des Kaisers, in der Descente erschien und mir sagte, er
habe den Kaiser sehr niiss vergnügt verlassen, weil noch immer kein Sturm
erfolge, und er hoffe, ich werde Mittel finden, die Palisaden als das einzige
Hindemissmittel gegen denselben zu beseitigen. Nach einigem Nachdenken
203
4 Uhr nachmittags wurde deshalb ein Ausfall unternommen und
zwar gleichzeitig von zwei Abtheilungen. Die eine 100 Mann
stark unter dem Lieutenant von Massow, wovon 50 Mann
Arbeiter unter dem Fähnrich von Schack ging durch den Pali-
sadentambur hinter dem zerstörten Blockhause gerade gegen
die Descente, die zweite, 80 Mann stark unter dem Lieutenant
antwortete ich ihm, dass ich ein Mittel versuchen wolle, es sei aber so
zweifelhaft, dass ich es ihm jetzt nicht sagen wolle, weil er es für unaus-
führbar halten dürfte. Wenn es gelänge, würde ich ihm davon sogleich
Meldung machen.
Ich kehrte in das Kuronnement des gedeckten Wegs zurück, nahm mir
8 Sappeure mit einem Sergeanten, die einige Spaten und Hacken mitnehmen
mussten, und ss^gte ihnen: wir wollen in den Graben niedersteigen, die feind-
lichen Kanoniere können uns nicht sehen, der Pnlverdampf nimmt ihnen bei
ihrem uuaulliörlichen Schiessen die Aussicht. Die Leute im Tambur am
Blockhause sind eingeschlafen; und die Schildwache hat sich gewiss in eine
Ecke gedrückt, um den Gewehrkugeln nicht ausgesetzt zu sein. Bei diesen
Worten sagte ein Soldat vom 12. Infanterie-Regiment, Franz Vall6, der mich hörte,
zu mir: Glauben Sie Capitain, dass es nur unter den Sappeuren brave Leute giebt ?
Wohlan denn, sagte ich ihm, nimm 3 oder 4 gute Leute von eurem Regiment
mit und seid mit dabei. Seine Wahl war bald getroffen, und diese 13 Manu
stiegen mit mir, einer nach dem andern, in den Graben, indem sie sich schon
in der Descente der Länge nach auf die Erde legten und sich so herabgleiten
Hessen, um nicht gesehen zu werden. Als wir an die auf der Grabeusohle
eingesetzten Pfählchen kamen, riss ich einen davon aus, der ohne Schwierigkeit
folgte, und so wurde der Weg bis zu den Palisaden bald frei. Ich liess nun
meine Mannschaft sich rechts und links von mir an die Palisaden drücken, machte
es ihnen begreiflich, dass die GeschUtzkugeln , deren Geräusch wir hörten,
uns nicht treffen könnten, weil die Verlängerung der äussern Palisadenlinie
ausserhalb der Flankeuscharten fiel, und wies sie au, eiueu Graben längs den
Palisaden auszuheben und demnächst die Palisaden eine nach der andern mit
der Hacke zu fassen und in den Graben zu stürzen, wobei sie aber auf-
gefangen werden müssten, um kein Geräusch zu machen.
Die Leute machten sich mit Eifer an die Arbeit und kamen über mein
Erwarten glücklich damit zustande. Dieser Versuch wäre aber nicht geglückt,
weun die Palisaden unter sich oben durch eine Latte verbunden gewesen
wären. Um ein Uhr mittags waren die Palisaden der zu erstürmenden
Bastionsface auf eine solche Länge niedergelegt, dass 2 Sturmkolonnen in
der Front durchgehen konnten, und erst jetzt bemerkte uns eine Schildwache
am Blockhause und rief die Wache ins Gewehr. Es ward ein Ausfall ge-
macht, während unsre Arbeiter die Kontrescarpe wieder zu en'eichen suchten,
wobei zwei verwundet wurden. Ich schrieb sogleich an den General Bertrand,
dass der $turm erfolgen könne''. Archiv 13. ^d. S. 152 f{.
204
von Roggenbiike, aus dem Waflfenplatz rechts des Bastioiis
Jerusalem, beide Abtheilungen mit Handgrauat€n *) versehen, vor.
Der Feind wurde aus dem ganzen Kuronnement des Glacis bis
zur 3. Parallele zurückgeworfen, hiernächst die Descente und
das Logement, zu deren Schutz im gedeckten Wege sowie der
Haubitzstand demolirt, die Haubitze, welclie niemals zum Schuss
gekommen ist, vernagelt und rückwärts von der Bettung ge-
worfen und eine grosse Anzahl von Schanzkörben, Faschinen
und Arbeitsutensilien erbeutet und zurückgebracht. Die Zwecke
des Ausfalls waren vollkommen erreicht. Der Verlust auf
Seiten des Belagerten belief sich auf 70 Todte und Verwun-
dete. Der Lieutenant Roggenbuke und der Fähnrich Schack
blieben. Französischerseits wurden der Oberst. Lafosse vom
44. Linieuregimeut und der Bataillonschef Oudet, welche
die Reserven herbeiführten, schwer verwundet, der Hauptmann
Porcher und der Lieutenant Brule von den Sappeuren wurden
getödtet.
In der Nacht begann der Feind seine Arbeiten an dem
Epaulement des Grabenüberganges von neuem, wobei er sich,
um schneller vorwärts zu kommen, fast nur der Faschinen
bediente. Es gelang ihm, die Descente zu beendigen und den
Grabenübergang bis dicht an die Palisaden am Fuss des Bastions
Jerusalem zu fähren.
Am 21. nachmittags 3 ühr schlichen einige Jäger der Be-
satzung längs der Palisadirung bis an die neue Descente und
steckten sie in Brand. Das Feuer wurde zwar gedämpft, aber
^) Die Handgranaten waren dem Belagerer sehr unbequem, da er ihnen
nichts entgegenzusetzen hatte. „Ich versnchte", erzählt der Oberst Blanc,
^den Handgranaten mit grt^ssern Hanbitzgranaten zu antworten; es fand sich
jedoch nur ein Sappeur, der dazn stark nnd geschickt genug war und doch
brachte er die angezündete Granate nicht einmal ganz über die Brustwehr
imserer Sappe, so dass sie beim Zerplatzen uns ebenso gefährlich wurde als
dem Feinde". Der Vertheidiger wusste die Vortheile, die er von den Hand-
granaten hatte, wohl zu schätzen. „Der ünterofficier Stöhr vom Regiment
Dierecke", sagt der Parolebefehl vom 14. Mai, „hat das Vorurtheil, welches
die Handgranate gänzlich aus der Mode gebracht, durchbrochen und sie mit
grossem Nutzen wieder eingeführt**. Durch Parolebefehl vom 21. Mai werden
5 Musketiere, welche Handgranaten geworfen hatten, — es handelt sich um
den Ausfall vom 20. — belobt.
205
nochmals angezündet, wobei der ganze Faschinenbau vollständig
niederbrannte. Der Belagerer unterhielt während dieser Zeit
ein heftiges Bombardement gegen die Werke, wobei es sich
ereignete, dass drei öOpfündige und zwei 25pfQndige Bomben
in den engen Raum der niederen Flanke von Bastion Schütz
fielen, wo sich ausser der Bedienung der Geschütze noch der
Ingenieur vom Platz und ein Artillerieoffizier befanden. Sämmt-
liche Anwesenden warfen sich auf die Erde und blieben un-
beschädigt, obgleich 4 Bomben krepirten, die 5. jedoch nur
den Zünder ausstiess.
Da der Angriff nunmehr so weit gediehen war, dass man
jeden Augenblick einen allgemeinen Sturm auf die Werke des
Hagelsberges erwarten konnte, so wurde noch in der Nacht
dicht hinter der Eskarpenpalisadirung der Eurtine und der
beiden Flanken eine dreifache Linie von spanischen Reitern
dergestalt in einander gesetzt, dass ein Vordringen des Feindes
in die unbestrichenen Räume der äusseren Eurtinenwinkel und
ein Ersteigen des Walles an diesen Stellen nicht leicht zu be-
sorgen stand.
Da man bemerkt hatte, dass der Belagerer zwei Gallerien
aus dem Kuronnement vorgetrieben hatte, die eine unterm
Ravelin Hagel fort bis nahe zur Appareille in der Kehle des
Werks, die andre unter dem Tambur links jenes Ravelins hin-
weg bis zur Kehle des dortigen eingehenden Waffenplatzes, so
wurden vom Vertheidiger Quetschminen vorbereitet, die- für den
Fall des Sturms gezündet werden sollten, damit der Feind nicht
vermöge der Gallerien sich von der Kehle aus in den Besitz
des Ravelins und des Waffenplatzes setzte.
Der Feind schritt gleichzeitig zur Wiederherstellung der
Schulterwehr seines Grabenüberganges, die er diesmal zur Ver-
meidung eines abermaligen Brandes aus Sandsäcken aufsetzte,
und erreichte mit dieser Arbeit am 22. Mai abends wiederum
den Fuss der Eskarpe, wo er die Oeffnung in der Palisaden-
linie noch zu erweitern im Begriff stand, als gegen 3 Uhr
moi^ens von seiten des Marschalls Lefebvre der Befehl einging,
die Arbeit einzustellen.
Im Laufe des 21. war der Marschall Mortier mit der Divi-
sion Dupas eingetroffen, und der Marschall Lefebvre hatte alles
206
zum Sturm vorbereitet *), der unfehlbar eingetreten wäre, wenn
die wegen der Kapitulation eingeleiteten Verhandlungen zu
keinem Resultat geführt hätten.
Der Ueberbringer der Privatbriefe, welche auf dem Daunt-
*) Blanc fährt iu der Schilderung der letzten Stadien der Belagerang
wie folgt fort, wobei sein Qedächtniss ihn jedoch um einen Tag trügt,
indem die folgenden Ereignisse auf den 21. fallen : „Die Zeit znm Stnrm ward
auf den Abend bei einbrechender Nacht festgestellt, und um 5 Uhr abends
erhielt ich meine Instruktion als Befehlshaber der Ingenieure bei diesem
Sturm. Die Truppen waren in den Laufgräben versammelt, ich lud die
Officiere der Voltigeure, welche die Spitze der Sturmcolonue bilden sollten,
ein, mit mir zur Grabendescente zu kommen, um ihnen den Weg zu zeigen,
den sie nehmen mu<sten, nm den steilen und hohen Abhang der linken
Bastionsface zn ersteigen und um gleichzeitig die Wirkung der runden Lang>
hölzer (Stnrmbalken) zu vermeiden, welche längs der obem Brustwehr lagen
und durch Taue dort gehalten wurden, die nur durchzuhauen waren, nm die
Angriffskolonnen durch ihren Niedersturz zu zerschmettern. Dieselbe Er-
klärung gab ich auch den Unterofficieren, als der Soldat Vall6, der sich beim
Heransnehmen der Palisaden so gut benommen hatte, mir sagte: Oapitain!
ich bemerke, dass diese Sturmbalken die Kameraden beunruhigen, gebt mir ein
Beil, und ich lasse sie in den Graben hinabrollen! Er bekam das Beil, wobei ich
ihm empfahl, nicht früher, als ich es ihm sagen würde, abzugeben, indem ich
besorgte, der Feind könne durch sein frühes Abgehn eher alsesnöthig wäre,
von nnserm Vorhaben unterrichtet werden. Kaum aber hatte ich meine Stelle
verlassen, als Vall6 sich in den Graben stttrzte. Alle Augen waren auf ihn
gerichtet. Wir sahen ihn längs der Brustwehr des Bastions hin laufen und
die Taue mit dem Beile entzweihauen, worauf die Balken mit Krachen in den
Graben niederrollten. Vall6 kam gleichzeitig an, und ich reichte ihm die
Hand, um ihn in die Grabendescente zu ziehen, als er eine ans dem ein-
gehenden Waffenplatzo abgeschossene Gewehrkugel in den Unterleib erhielt.
Einige Augenblicke später hOrte man ein starkes Gewehrfeuer auf unserm
linken Flügel. Es Hess sich vermuthen, dass dies ein falscher Angriff der
Polen gegen die niedere Weichselfront sein werde, und ich sagte dem General
Pttthod, der den Sturm auf das Bastion ausführen sollte, dass ohne Zweifel
dieses Gewehrfeuer die Besatzung unter die Waffen rufen werde, weshalb ich
glaubte, dass man noch vor Einbruch der Nacht zum Sturm schreiten müsse.
Der General theilte diese Meinung und war im Begriff, den Befehl znm
Sturm zu geben, als er nochmals seine Instruction durchlas und darin die
Nachschrift fand, den Sturm nicht eher zn unternehmen, als bis der Marschall
ihm den Befehl dazu durch einen A^'utanten übersenden werde. '^ (Archiv
13. Band S. 154.) Die Tollkühnheit des Valle war auch von den Vertheidigem
bemerkt worden und wird ohne den Namen zn nennen im „belagerten Danzig''
S. 31 berichtet.
207
less gefunden worden, Oberst Lacoste, Adjutant des Kaisers,
wurde vom Grafen Kaikreuth zu Tische zurückbehalten (21.).
Er äusserte beim Abschiede, dass er zwar nicht den geringsten
weitern Auftrag erhalten habe, dass er sich aber glücklich
schätzen würde, das Werkzeug zum guten zu sein.
Da nur noch 325 Centner Pulver vorhanden waren und
die nicht ganz verschossen werden durften, ohne zu unter-
handeln, so erwiderte der Guverneur in scherzendem Ton, der
Oberst möge am nächsten Mittwoch (28.) wieder bei ihm
speisen, so sollte weiter davon die Rede sein. So lange reichte
aber noch das Pulver, und war dann kein Entsatz eingetroffen,
so hätte sich die Garnison auf Diskretion ergeben müssen. Die
Infanterie der Garnison war durch 11 Wochen lange Anstren-
gungen auf */» ihrer frühern Stärke gekommen und ausser-
ordentlich erschöpft, auch fingen die Lebensmittel an auszu-
gehen.
Der Marschall Lefebvre schickte noch denselben Abend 9
Uhr den Oberst Lacoste mit seinem Chef des Qeneralstabs
Drouet nach Danzig zurück, um den Guverneur zu bewegen,
sich bestimmt zu erklären, ob er beabsichtigte, wenn bis zum
27. kein Entsatz käme, die Festung zu übergeben. Der Guver-
neur antwortete, dass das allerdings seine Absicht sei, aber
nur auf die Bedingungen der Kapitulation von Mainz, welche
die Garnison von Danzig wegen ihrer brillanten Vertheidigung
verdiene und ebenso gut verlangen könne, als sie ehemals dem
Marschall Bouflers vom Prinzen Eugen bewilligt wurden.
Um Mitternacht kam der Oberst Lacoste noch einmal zu-
rück und theilte dem Guverneur mit, dass der Marschall auf
eigne Hand keine solche Kapitulation eingehen könne, sich aber
Instnictionen erbitten werde. Vorläufig wolle er das Schiessen
einstellen lassen und überliesse es dem Guverneur, dasselbe zu
thun. Dieser ging darauf ein, und so wurden in der Nacht zum
22. die Feindseligkeiten eingestellt^).
Am 23. lief die Antwort Napoleons ein, wonach er dem
Marschall die erbetene Autorisation gab, die Kapitulation nach
seinem Ermessen abzuschliessen. Infolgedessen erschien mit-
^) HQpfner S. 517. Belagerung von Danzig S. 240.
208
tags 1 ühr der General Drouet mit dem Sohue des Marschalls
Lefebvre, um die Kapitulation abzuschliessen. Doch konnte man
sich nicht einigen *). Der Guverneur schreibt über den Stand
der Unterhandlungen am 24. an den Major von Brauchitsch,
Kommandant des Bischofsberges: „Mit den Franzosen bin ich
noch nicht einig, bis 12 Ulir mittags haben die Abgesandten
wieder hier sein wollen, um mir Bescheid zu bringen, ob der
Marschall Lefebvre mein Ultimatum von dieser Nacht 1 Uhr
annimmt, denn die Kapitulation von Mainz, nämlich der ehren-
volle Abmarsch mit Gewehren, die Kavallerie zu Pferde bis
nach Preussen, ist schon festgesetzt^), dass also die Truppen
in Ansehung des Ruhms völlig gesichert sind, nur besteht man
auf die frühere Uebergabe des Olivaer und Neugartenthoi-s und
des Hagelsberges, die um der Sache näher zu kommen und auch
als ziemlich gleichgültig vom Dienstag nachmittag auf Mittwoch
nachmittag zurückrückt, und Marsehall Lefebvre verlangt sie
schon auf morgen. Ueber diese einzige Basis sind wir also
nur noch uneins. Auch ist die Kapitulation erst entworfen,
nichts discutirt noch geschlossen , deren Beendigung nach den
Herrn Deputirten aber wohl keine Schwierigkeiten finden wird" ').
Noch am 25. morgens telegraphirte der Guverneur nach Neu-
^) Während der Anwesenheit der französischen Abgeordneten schrieb
der Major von Hom im Auftrage des Officiercorps an den Cliiverneur:
„Die schändlichen Bedingungen, welche der Feind von uns verlangt,
haben das ganze Corps der Ofüciere und mich, die wir den Hagelsberg
zu vertheidigen die Ehre haben, bewogen £w. Exe. ganz unterthänigst zu
bitten, uns bei einer Fahne den heiligsten Eid leisten zu lassen, dass wir uns
lieber unter dem Schutz des Hagelsberges begraben lassen, als eine dem
preussischen Officier ehren widrige Kapitulation eingehen zu wollen".
Hagelsberg den 23. Mai 1807. gez. von Hörn.
Das scheint Eindruck gemacht zu haben. Die Verhandlungen wurden
zwar momentan abgebrochen, aber noch spät abends franzOsischerseits wieder
angeknüpft, worauf der Guverneur um 1 Uhr sein Ultimatum stellte. Es
handelte sich nur noch um den Tag der Uebergabe des Hagelsberges und
zweier Thore, die der Marschall schon zum 26. (Montag) verlangte, Kaikreuth
aber erst Mittwoch bewilligen wollte.
') HOpfner irrt daher S. 521, dass der Marschall noch am 24. den freien
Abzug nicht habe zugestehen wollen.
*) Die Belagerung von Danzig. S. 236.
— r
fahr Wasser: „Unterhandlungen von gestern Abend spät franzo-
sischerseits wieder angeknüpft, sind aber noch nicht einig."
Inbetreflf der beiden Forts Neufahrwasser und Weichselmünde
hatte der Guverneur erklärt, dass er sich zu nichts verpflichten
könne, indessen schon am 23. nachmittags 4 Uhi den beiden
Kommandanten telegraphisch zu erkennen gegeben, dass er mög-
licherweise pro forma den Befehl zur Uebergabe scliicken könnte.
Er hatte für diesen Fall ihnen die Antwort darauf freigestellt.
Die beiden Kommandanten hatten sich höhern Orts Verhaltungs-
befehle erbeten *). Der General Kaminskoi war nicht im Zweifel,
was zu thun, und traf alle Vorbereitungen zur Einschiffung.
Weichselmünde war an sich vertheidigungsfähig, hatte aber eine
zu geringe Besatzung (622 Mann), während der Kommandant
1500 Mann für nothwendig erachtete. Durch die Thätigkeit
des Ingenieurlieutenants Jachnik waren die Werke in gutem
Stande, doch glaubte der Kommandant bei der geringen Besat-
zung sich höchstens 14 Tage halten zu können.
Am 25. meldete der Guverneur die abgeschlossene Kapi-
tulation dem Könige.
Als am 25. gegen Abend das Telegramm in Neufahrwasser
eintraf: „ohne Pulver, das mir nicht verschafft worden, Kapi-
tulation abgeschlossen, wenn nicht bis morgen Mittag Entsatz
kommt. Wo nicht, marschire ich Mittwoch mit Ober- und
üntergewehr nebst 2 Geschützen über die Nehrung nach Pillau.
Die Garnison darf ein Jahr nicht dienen," begann der General
Kaminskoi sofort die Einschiffung seiner Truppen. Die beiden
Kommandanten waren nicht dazu zu bewegen, gleiches zu thun.
Sie wollten die Befehle des Königs abwarten. Diese trafen
am 26. Mai mittags 11 Uhr ein. Beide Garnisonen sollten sich
einschiffen. Der Oberst Schuler von Senden hatte alles dazu
vorbereitet und bemühte sich, nur durch Unterhandlungen mit
den verstärkten französischen Truppen Zeit zu gewinnen, um
*) Es war dies auf die telegraphische Nachricht des Ouvemeurs vom 22.
geschehen^ wonach er nach Nenfahrwasser mittheilte, dass, wenn his Mittwoch
(28.) kein Entsatz anlange, er kapituliren werde. Der Guvemenr hatte gleich-
zeitig darum ersncht, an Se. Majestät eiligst zu melden, dass er nur die
Antwort Napoleons abwarte, um seine Bedingungen zu stellen.
Köhler, Geschiclite der Festaogidn Danzig und WeichselmUiide. II. 14
auch noch die metallenen Geschütze einschiffen zo lassen, als
um 5 Uhr nachmittags die Nachricht eintraf, „dass die Gemeinen
der Garnison Weichselmünde zum Feinde übergegangen seien".
Er zog daher die Posten ein, nahm die Officiere und wenige
treu gebliebene Unterofficiere und Gemeine von Weichselmünde
an sich und schiffte sich unter dem Schutze einer englischen
Fregatte ein. Die Franzosen drängten zwar hart nach, wurden
jedoch von den Kartätschen der Fregatte zurückgewiesen, so
dass die Abfahrt erfolgen konnte und die Truppen am 27.
morgens noch gleichzeitig mit denen Eaminskoi's in Pillau an-
langten.
Am Mittag des 26. wurde der Hagelsberg, das Olivaer,
Jakobs- und Neugarten-Thor den Franzosen übergeben, am 27.
morgens 9 Uhr rückte die Garnison von Danzig^) mit Waffen
und Gepäck, fliegenden Fahnen, klingendem Spiele, brennenden
Lunten und 2 bespannten Geschützen nach der Nehrung ab,
begleitet vom General Jarry und dem Obersten Nivet, um alle
Kollisionen mit den französischen Truppen auf der Nehrung zu
vermeiden.
Schon in den letzten Tagen war die Desertion zu hunderten
erfolgt, im Moment des Abmarsches warfen tausende ihre
Gewehre und Patronentaschen weg und liefen fort. Manche
Kompagnien behielten 5—6 Mann. „Wir wollen uns nicht wer
weiss wohin schleppen lassen . . ." riefen sie*).
Gleich nach dem Abmarsch der preussischen Besatzung hielt
der Marschall Lefebvre an der Spitze eines Theiles des 10. Korps
seinen Einzug in Danzig. Der Marschall Lannes und General
Oudinot lehnten es ab, daran Theil zu nehmen. Die Divisionen
') Ihre Stärke war:
60 Officiere 1222 Mann 1144 Pferde der Kavallerie
217 „ 8467 „ der preussischen Infanterie
33 , 1034 „ der Russen
25 „ 1424 , der Artillerie
— 9 301 „ 131 „ der nicht equipirten Kavallerie
zus. 335 Officiere 12448 Manu 1275 Pferde.
Nach Duisburg S. 307 war das abrückende Korps nur noch 7000 Mann
stark, wahrscheinlich nach Abrechnung der Deserteure.
') Belagerung und Einnahme von Danzig 1807. Leipzig 1808.
m
Oudinot und Dupas marscliirten am 28. ab. Der Marschall
Lefebvre wurde zwei Tage nach dem Einzüge zum Herzog von
Danzig ernannt und kehrte nach dem Hauptquartier Napoleons
zurück. Dieser traf am 31. in Oliva ein und besichtigte am
1. Juni die Belagerungsarbeiten, Weichselmünde und Neu-
fahrwasser. Am 2. kehrte er über Marienburg nach Finken-
stein zurück. Zum Guverneur von Danzig wurde der General-
Adjutant Napoleons Rapp, zum Kommandanten der General Ar-
mand und bald darauf der General Menard ernannt. Das 10.
Armeekorps wurde nach Abgabe der Garnison von Danzig, die
aus dem 44. Linien-Regiment und den Badenern bestehen sollte,
aufgelöst, indem die Truppen andern Armeekorps zugewiesen
wurden.
Duisburg berechnet die Zahl der TVährend der Belagerung
von der Garnison gebliebenen Officiere auf 22. Sechzig waren
verwundet worden. An Einwohnern waren 20 getödtet, 44 ver-
wundet worden. Von den Geschützen wurden nach „das belagerte
Danzig" S. 25, 26 demontirt. Nach Brese (Archiv S. 62) waren es
5— 20Pfünder, 16— 12Pfünder, 3— 6Ptünder, 1-30 pfundiger
Mörser und 1 — 10 pfundige Haubitze.
Ich kann nicht umhin, im Anschluss an die Darstellung der
Belagerung die Bemerkungen folgen zu lassen, welche Brese
seiner Abhandlung über die Armirung Dauzigs und der Ueber-
sicht der Belagerung beigegeben hatM. Er sagt:
„Wenn man nun auf die oben dargestellte Ausführung der
fortifikatorischen Armirung der Befestigungen von Danzig zu-
rückblickt und das Resultat dieser umfassenden Arbeit nach
dem soeben vorgetragenen Verlauf des Angriffes und der Ver-
theidigung unpartheiisch zu würdigen sich bemüht, so dürfte
zunächst wohl zugegeben werden, dass die höchst schwierige
Aufgabe, einen Waffenplatz des Umfanges wie Danzig, bei un-
erwarteter Verlegung des Kriegsschauplatzes in seine Nähe
und bei fast unhaltbarem, von allen Mitteln entblösstem Zu-
stande — in 4 Wintermonaten in eine völlig kriegsfertige Ver-
fassung zu setzen, auf eine dem Zweck möglichst entsprechende
*) Archiv für die Officiere des ArtiUerie- und Ingenieur-Korps. Bd. 1 1
S. 70 ff.
61ä
Weise gelöst worden ist. wenigstens so weit, als die obwal-
tenden Umstände dies irgend gestatteten ; denn ein kriegsgefibter,
mit hinreichenden Angriflfskräften versehener Feind brachte 78
Tage (vom 10. März bis zum 26. Mai 1807) vor der Festung
zu und bedurfte 55 Tage offener Tranchee, bevor er in Besitz
des Platzes, und 15 Tage dieser Zeit, bevor er durch den be-
deckten Weg und trocknen Graben bis zur Eskarpe eines nicht
revetirten, nur mit provisorischen Hindernissmitteln versehenen
Retranchementswalles gelangen konnte. — Diese Hinderniss-
mittel und namentlich die starken, gut bestrichenen Palisaden-
linien hatten sich im ganzen trefflich bewährt, denn wiewohl
die von der feindlichen Artillerie mehrere Wochen hindurch ge-
schlagenen Bastionsfacen Schütz und Jerusalem das Bild einer
Bresche darboten und fast alle Sturmbalken heruntergeschossen
waren, so hielt die Palisadirung der Eskarpe, die Zersplitterung
einzelner Hölzer abgerechnet, sich doch in dicht geschlossenen
Linien, und auch die Verpfählungen blieben — vieler darin ein-
geschlagener Hohlgeschosse ungeachtet — immer noch ein schwer
zu überschreitendes Hindernis«. Kriegener in seinem Pr6cis du
si6ge de Danzig (pag. 29) misst den Entschluss, vom gewalt-
samen Angriff abzustehen und alle Details der förmlichen Be-
lagerung durchzumachen, hauptsächlich der Beschaffenheit und
Stellung der Palisadirungen bei, da bei der Tiefe der Gräben
auf die Zerstörung durch Geschütz nicht viel zu rechnen war
und bei der Unthunlichkeit des Abhauens so starker Palisaden
am Ende nichts übrig blieb, als sie auszugraben.
Hiernächst aber muss besonders den Blockhäusern im be-
deckten Wege der wesenthchste Antheil an der Verzögerung
des Angriffs zuerkannt werden, da es nur der geschickten und
sinnreichen Anwendung derselben zugeschrieben werden darf,
wenn alle Versuche des Feindes, sich durch gewaltsamen An-
griff in Besitz des bedeckten Weges zu setzen, scheiterten und
derselbe genöthigt wurde, den langsamen förmlichen Weg des
Euronnirens und Minirens einzuschlagen.
Camot selbst gedenkt in seinem Werke über Vertheidigung
der Festungen (pag. 77) der Danziger Blockhäuser in diesem
Sinne, indem er als ein auffallendes Beispiel unerwarteter Ver-
zögerungen eines Angriffs anführt, dass ein einziges kleines
213
Blockhaus, die Wegnahme des bedeckten Weges um 15 Tage
aufzuhalten, im stände gewesen ist.
Es kann übrigens nicht entgelien, dass die ganze Dauer
der Belagerung noch um einige Wochen verlängert und viel-
leicht selbst ein glücklicher Ausgang herbeigeführt worden
wäre, wenn man die Verbindung der Festung mit Weichsel-
münde, von wo aus ihr nur die nöthige Unterstützung an Mann-
schaften und Streitmitteln zugehen konnte, frei zu erhalten
vermocht hätte, und es knüpft sich hieran nochmals die schon
oben berührte Frage, warum nicht rechtzeitig auf die Anlage
einiger geschlossener Werke auf der Holminsel und am Schuten-
damme Bedacht genommen worden, zumal von den zu Danzig
ausgeführten Arbeiten die eine oder die andere, wie z. E. die
ausgedehnte Palisadirung und Verpfählung des mit einem tiefen
Wassergraben umgebenen Hauptwalles der Stadtbefestigung —
vielleicht ganz hätte unterlassen und die darauf verwendete
Zeit und Kraft zu der so wichtigen Deckung der eben er-
wähnten Verbindung benutzt werden können. Hierauf lässt
sich zunächst erwidern, dass bei dem Beginn der Armirung
mit Gewissheit nicht vorher zu sehen war, ob die Winterwitte-
rung, die in der Regel dort sehr strenge ist, eine ununter-
brochene Offenhaltung der Eisdecke der Wassergräben wirklich
gestatten, ob ferner die Anstauung der Gräben unter allen
Umständen gesichert bleiben und ob die Verstärkung der Be-
satzung alsbald in dem Umfange eintreffen würde, um allen-
falls einige der unternommenen Arbeiten zu gunsten der noch
ausserhalb der Hauptbefestigung anzulegenden Werke unter-
lassen zu können. Sodann tritt aber in Erwägung, dass die
Sicherstellung des Haupttheiles der Festung, nämlich der Stadt-
befestigung mit ihrem Retranchement, doch unstreitig vorzugs-
weise ins Auge gefasst werden musste, dass aber, wie das
Vorstehende erweiset, die Zeit bis zum Erscheinen des Feindes
in der That nicht ausreichte, um alles, was hierzu nothwendig
war, zu Stande zu bringen; dass namentlich die bombensicheren
Baracken des Hagelsberges, die Blockhäuser links des Ravelins
Hagel und im bedeckten Wege vor dem Holzraum, sowie
mehrere der benannten, theils neu angelegten, theils neu reta-
blirten Aussenwerke zu anfang Mai noch unvollendet oder
214
sogar eben erst begonnen waren and mithin unter den Augen
des Feindes und unter dessen Feuer, so weit als thunlich, noch
zu beendigen blieben, woraus sich zugleich mit aller Wahr-
scheinlichkeit ergeben dürfte, dass es wohl In der That an Zeit
gebrach, um mit den durch die Gegenwart eines thätigen Feindes
an sich schon sehr beschränkten Arbeitskräften auf noch aus-
gedehntere Befestigungsanlagen, als für den dringendsten Bedarf
der Armirung der Hauptwerke gerade erforderlich waren, ein-
gehen zu können, wie dies auch schon weiter oben in Be-
ziehung auf die projectirten vorgeschobenen Posten des Bischofs-
und Hagelsberges erwähnt worden ist. 1
Wollte man daher aus dem Verluste des Holms und dos
Schutendammes und aus den allerdings beklagenswerthen Folgen
dieser unerwaiteten Begebenheiten Veranlassung nehmen, die
Militairbehördon zu Danzig einer wesentlichen Unterlassung zu
zeihen, so dürfte ein solcher Vorwurf bei unparteiischer Er-
wägung aller Verhältnisse vor dem Urtheile eines gerechten
und billigen Richters nicht bestehen, mindestens das im ganzen
unleugbare Verdienst der Ingenieure, bei der Armirung von
Danzig unter erschwerenden Umständen, etwas ausserordent-
liches geleistet und hinsichtlich der Ausdauer und Umsicht in der
Durchführung der ganzen umfassenden Massregel ein seltenes
und nachahmungswerthes Beispiel aufgestellt zu haben, in keiner
Art auflieben oder nur schmälern können. Für die angewandte
Befestigungskunst, und zwar für einen ihrer wichtigsten Ab-
schnitte, wird diese Armirung stets ein sehr lehrreiches Ereig-
niss bleiben*).
*) Die nachfolgenden ßemerkungen sind geschrieben, bevor ich die
Aeussernng Gneisenan's über die Vertheidigung Danzigs 1807 kannte. Wenn
ich dieselbe auch ihrem ganzen Umfange nach nicht billigen kann und darin
selbst eine gewisse Gereiztheit herauserkennen möchte, die durch irgend
welche Umstände hervorgerufen sein mag, so bleibt das Urtheil eines solchen
Mannes immerhin von Wichtigkeit, um hier übergangen zn werden. Er sagt
in einem Schreiben vom 19. November 1829 an Stein (Pertz 6, 776): „Ein
würdiges Grab für Hörn dürfte der Danziger Hagelsberg sein. Horn's Ver-
theidigung desselben ist der einzige Glanzpunkt der Belagening dieser
Stadt. Die Blockhäuser im gedeckten Wege ausgenommen, waren fast alle
Ingenieur-Anordnungen entweder ganz ungenügend oder unzweckmässig oder
überflüssig und die Auwendung der Truppen seitens Ks^lkreutb's ungeschickt
215
Brese stellt sicli in diesen Bemerkungen ausschliesslich auf
den Standpunkt des Ingenieurs vom Platz und seiner Gehilfen.
Wenn er auch einen Augenblick die Militairbehördcn zu Danzig
hineinzieht, so geht er doch sogleich wieder auf die Ingenieure
zuräck, wo es sich darum handelt, sie von den Unterlassungs-
sünden, die bei der Armirung begangen worden sind, freizu-
sprechen, ja es hat fast den Anschein, als ob die Rechtfertigung
derselben die Veranlassung zu seiner Arbeit über die Armi-
rung von Danzig gewesen ist. Das ist nicht der Standpunkt,
von dem aus die Dinge angesehen sein wollen. Die Leistungen
der Ingenieure sind ja ausserordentlich gewesen, aber der Um-
stand, dass der Holm bei der Ankunft des Guverneurs am
11. März, wo der Belagerer seine Einschliessung vollzog, gar
nicht einmal besetzt war, deutet darauf hin, dass die all-
gemeinen Verhältnisse, soweit sie über das Glacis der Stadt-
befestigimg mit ihren Aussen werken hinausgingen, gar nicht
in betracht gezogen worden sind^). Niemand hätte die Fran-
zosen am 11. März verhindern können, sich des Holms zu be-
mächtigen, und wenn die Untei-suchungs-Kommission nach dem
und matt. Er selbst hatte sich in 4en letzten 14 Tagen nicht mehr auf den
Wällen des Hageis- nnd Bischofsberges sehen lassen, sondern war in dem
gewölbten Thorweg des Stadtwalles geblieben, während Hörn auf dem Hagels-
berg nicht von der Stelle wich. Der unglückliche Ausgang dieser Ver-
theidjgung hat Hom*s Verdienstlichkeit hierbei nicht in ihr volles Licht
treten lassen, ebensowenig wie das des Majors Bousmard, der. als Pullet's
Bathgeber, vermuthlich diesem die Idee eingegeben hatte, Blockhäuser im
gedeckten Wege anzulegen, da dieser Vorschlag in des letztem Werk „sur
la defense des places fortes'' bereits enthalten war und hier zum ersten
male, seitdem aber von den Franzosen öfters, ausgeführt wurde. Diese
beiden Umstände, Horn's Vertheidigung des Hagelsberges und die beiden
Blockhäuser als verständige Mittel dazu, haben die Ehre der Vertheidigung
von Danzig gerettet, soweit dies möglich ist. Bis zur dritten Parallele kann
ich als Augenzeuge davon sprechen.
*) Wie kleinlich erscheinen die Massregeln des Vertheidigers inbetreff
des Verhältnisses von Weichselmünde zu Danzig in Vergleich mit dem Aus-
spruch des Verfa-ssers der „Geschichte von Weichselmünde", dass in beiden
Festungen eine nicht zu berechnende Masse von Kraft liege, die einzeln un-
nütz sich aufzehrt, in gemeinsamer Wirkung aber Erfolge hervorbringen
kann, welche unsere Zeit nicht kennt, vielleicht nicht einmal für möglich
bält^ (Herausg^abe von Honig, S. 24.)
216
Kriege das frühere Guvernement zu Danzig beschuldigte, es
verabsäurot zu haben, durch fortifikatorische Anlagen auf der
Nehrung die Vertheidigungsraittel zu ergänzen^), um wie viel
mehr trifft dieser Vorwurf das Guvernement (General von Man-
stein) inbetreif der Unterlassung von Befestigungsanlagen zur
Verbindung der Stadt mit Weichselmiinde und auf dem Holm!
Wenn die Initiative zu diesen Befestigungsanlagen auch zunächst
dem Guverneur persönlich zukam, und ich betone dies aus-
drücklich, weil der Platzingenieur mit den Details der forti-
fikatorischen Armirung zu sehr in Anspruch genommen war,
so gehört der letztere doch immerhin zum Guvernement und
ist dessen erster Rathgeber. Er hatte ausserdem am 1. No-
vember 1806 den Auftrag von demselben erhalten, nicht bloss
Danzig, sondern auch Weichselmünde und Neufahrwasser in
Vertheidigungszustand zu setzen^, und dazu gehört denn doch
wohl die Sicherung der Verbindung mit denselben. Brese giebt
uns eine Andeutung über die Ansichten, wie sie zur Zeit
herrschend gewesen sein mögen, indem er sagt'), dass die
Behauptung des Holms und der Nehrung keinen Bedenken
unterlegen habe, weil diese Terrainabschnitte mit tiefen Ge-
wässern umgeben gewesen seien!
Was von Armirungsarbeiten in Danzig zu unterlassen ge-
wesen wäre, und ob nicht durch eine frühzeitige Beantragung
eine Erhöhung des Dienststandes des Ingenieurpersonals und
eine Ergänzung der sonstigen Mittel unter Darlegung des (hän-
genden Bedürfnisses der erwähnten Befestigungsanlagen noch
von Einfluss gewesen wären, lasse ich hier unerörtert. Die
Schwächen des damaligen Guvernements sind ja nach allen
Richtungen zu Tage getreten, wie es sogar erst dem Grafen
Kaikreuth anheimgefallen ist, einen Antrag wegen Vermehrung
der Pulver vorräthe zu stellen.
Es ist gewiss bezeichnend, dass der Ingenieur vom Platz
über die Nothwendigkeit einer Ausdehnung der Befestigungen
des Bischofs- und namentlich des Hagelsberges auf das Vor-
») Höpfner S. 403.
«) Brese. Archiv Band 11 S. 27,
») Ebenda S. 41,
217
terrain sich vollkommen klar war, aber, vom Stolzenberg ab-
gesehen, mit Recht davon Abstand nahm, weil die Kräfte und
Mittel dazu nicht vorhanden waren, dass aber von einer An-
erkennung über die Nothwendigkeit der Ausdehnung der Be-
festigung auf den Holm und den Sehutendamm, die weit
wichtiger und unerlässlich war, sich kaum eine Spur vorfindet ^).
Es beweist das zur genüge, dass daran gar nicht gedacht worden
ist, und dass alles, was nachträglich darüber gesagt worden ist,
nur Vertuschungen sind. Selbst die alten Schanzen des Holms
waren nicht instand gesetzt worden.
Unter allen Umständen bietet die Armirung und die Be-
lagerung von Danzig im Jahre 1807 den Kombinationen und
der Belehrung ein so reiches Feld, wie kaum eine zweite
^) Der trancbeeartige, zusammenhängende Aufwurf längs der Weichsel
und Laake kann als eine Befestigung des Holms nicht angesehen werden.
Er war nur zur Beobachtung geeignet.
In dem „belagerten Danzig*^ heisst es zwar S. 14, dass zur Verbindung
zwischen Weichselmünde und der Holmspit>ze eine Kedute zu 3 bis 400 Mann
mit 4 bis 6 Kanonen in Arbeit genommen worden wäre, es aber bei der ge-
ringen Population von Weichselmünde und Neufahrwasser an Menschenhänden
gefehlt hätte, und es in diesen Orten selbst unendlich yiel zu thun gab, dass
auch die unerwartet schnelle ZurÜckdräugung unserer Truppen von der Neh-
rung die zweckmässige völlige Instandsetzung des Werks verhindert hätte.
Diese Bemerkungen werden inbezug auf eine Stelle in den „Preussen in
Danzig'^ S. 6 gemacht, wo es heisst „vernachlässigt aber war und blieb die
(Befestigung) des Schutendamms, welche die Kommunikation zwischen
Weichselmünde und Danzig erhalten hätte''. In einem anonymen Werke ist
eine solche Bemerkung wie in dem „belagerten Danzig'' leicht hingeworfen,
iu officiellen Kundgebungen findet sich darüber nichts. Brese führt in seiner
Armirung (Archiv Bd. 11) alle Arbeiten ausführlich an und erwähnt selbst
S. 59 die angefangene Befestigung auf der Jesuiterhöhe, aber mit keinem
Wort eine angefangene Befestigung am Schutendamm, wozu er durch seine
Bemerkung in „die Preussen in Danzig'^ und die Entgegnung Pullets im
„belagerten Danzig'^ speciell Veranlassung gehabt hätte. Auch sagt er S. 23
des Archivs ausdrücklich, dass die alten Beduten, die sich früher zur Ver-
bindung der Holmspitze mit Weichselmünde daselbst befunden hätten, ein-
geebnet und mit Häusern bebaut gewesen wären, und S. 60 „dass, wenn nur
2 bis 3 der alten Schanzen des Holms als geschlossene Beduten mit starker
Palisadirung hergestellt worden wären, . . . man die Mittel gewonnen haben
würde, den feindUchen Angriff in der Nacht vom 6. und 7. Mai zurückzu-
weisen". Danach muss man wohl den Beginn des im „belagerten Danzig"
«rwälmten Werks stark in Zweifel i^ieh^n,
218
Unternelimung des modernen Belagerungskrieges. Ein grosses
Interesse hat von jeher der Kampf um den bedeckten Weg
erweckt. Er steht völlig einzig da. Wenn man in erster
Linie auch dem Blockhause des eingehenden Waflfenplatzes den
Preis zuerkennen muss, weil es im Verein mit der Palisadirung
die Grundlage des Kampfes bildete, so haben doch auch alle
Waffengattungen daran theilgenoramen, das Fussvolk durch
kleine Ausfalle und durch das Feuergefecht, die Artillerie durch
Zerstörung des Kuronnements , die Pioniere durch den Minen-
krieg, die Ingenieure durch die Anordnung der Ausfälle etc.
Dass die Artillerie des Platzes in diesem Stadium der Ver-
theidigung noch so Bedeutendes leisten konnte, fällt allerdings
der fehlerhaften Verwendung der Artillerie des Angreifers zur
Last. Wie schon in der ersten Periode des Angriffs*), hat sie
auch hier die grössten Fehler begangen. Das Blockhaus konnte
zerstört sein, bevor die Sappe aus der 3. Parallele hervorbrach,
da der gedeckte Weg vor der rechten Face des Ravelins Hagel
ins Feld schlug und rikoschettirt werden konnte. Auch die
Flanken der Angriffsfront konnten mindestens durch Wurf-
batterien unschädlich gemacht werden. Aber man zog es vor,
diese zu einem erfolglosen Bombardement der Stadt zu ver-
wenden. Man vernachlässigte selbst, Kontrebatterieu gegen die
Flanken zu etabliren, so dass diese bis zum letzten Moment
in Thätigkeit geblieben sind. Um die Kontrebatteiien gegen
Ausfälle zu schützen, wären Trancheekavaliere erforderlich ge-
wesen, um den gedeckten Weg zu beherrschen.
Das Verhalten des Grafen Kaikreuth ist nicht fehlerfrei.
Dass er an dem Verlust der Nehrung und des Holms seineu
Antheil hat, ist bereits ei'wähnt worden. Die Ueberlegenheit
in der Stärke bei Beginn der Belagerung hat er nicht aus-
genutzt. Die frühe Aufgebung der Jesuiterschanze ^ ist
daher nicht gerechtfertigt und der Ausfall vom 26. März ist
ohne Resultat verlaufen, weil über die Truppen schlecht dis-
») Vergl. oben S. 170 Note 2.
*) Die Schanze lag auf der Jesiüterhöhe , wurde vom Vertheidiger je-
doch Judeuschanze genannt, wie 1813 die Battcrieq Friaul auf der Jesuit^r*
böhe.
219
ponirt war. Er hätte mindestens die Jesuiterschanze wieder
einbringen müssen, die unter den Kanonen des Bischofsberges
lag. Aber der ganze Ausfall gleicht mehr einer Allarmirung
des Feindes, als einem AngrilF der feindlichen Kontravallation,
was er allein doch nur bezwecken konnte.
Bei dem Entsatzversuch des Generals Kaminskoi am 15. Mai
rechnete derselbe auf eine wirksame Unterstützung des Guver-
neurs, Grafen Kaikreuth, während dieser, der am Gansknige
bereit stand, auf den Erfolg Kaminskoi's wartete, um die
Weichsel zu überschreiten, und, da er diesen Erfolg für un-
möglich hielt, nichts that. Wie aus den Untersuchungsakten
nach dem Kriege hervorgeht, wurde die Disposition zu dem
Gefecht vom Guverneur so ausgelegt, dass der Ausfall ans
Danzig die Weichsel überschreiten sollte, nachdem der Münder
Wald genommen war *), während die Disposition des Generals
Kaminskoi besagt, dass der Ausfall zu eben der Zeit nach dem
Holm erfolgen soll, wenn er von Weichselmünde her angegriffen
wird*). Bei so entgegengesetzten Ansichten verlief der Ent-
satz ohne Resultat. Wenn das auch von vornherein abzusehen
war, so bot der Versuch immerhin die Jetzte Möglichkeit des
Entsatzes, und nur ein gleichzeitiges Einsetzen aller Kräfte
hätte einen Erfolg geben können. Als Berthier in der ver-
zweifelten Lage Bonaparte's vor der Schlacht von Abukir diesen
hinsichtlich der Angriffs-Disposition fragte, welchen Truppen-
theil er zur Reserve bestimmte, antwortete er: „Sie denken
wohl, ich bin Moreau**.
Die Belagerung Danzigs von 1807 hat viel Gemeinsames
mit der von 1734. Der Graf von Münnich wie der Marschall
Lefeb vre begannen die Belagerungen unter gleichen Verhältnissen,
in derselben Jahreszeit mit unzureichenden Kräften und ohne
Artillerie. Sie sahen sich infolgedessen veranlasst, eine Kontra-
vallation in grosser Nähe von der Festung aufzuwerfen, um
deren Ausdehnung möglichst zu verkürzen. Sie wurde durch
einzelne Reduton hergestellt, die 1734 durch Laufgräben ver-
banden wurden. Die Aufmerksamkeit beider Feldherren war
») Höpfner S. 487.
>) Ebenda S. 483,
220
von vornherein auf die Nehrang gerichtet, and es gelang ihnen,
sich in den Besitz derselben zu setzen, wodurch die Verbindung
von WeichselmUnde mit der Stadt auf dem Landwege auf-
gehoben wurde. Um dies auch auf dem Wasserwege zu er-
reichen, setzten sie sich an der Bootmanslaake und auf dem
linken Weichselufer fest und bemächtigten sich bald der Holm-
insel. Von Seiten der Russen geschah dies nur zum Theil,
weil die Holminsel im Jahre 1734 befestigt war, 1807 aber
nicht. Daher gelang es den Russen auch nicht, sich der kleinen
Ealkschanze zu bemächtigen, die ihnen im ganzen Verlauf der
Belagerung viel zu schaffen machte. Die Operationen beider
Belagerungen stimmen auch darin überein, dass beide Belagerer
durch ein Bombardement auf die Stadt einzuwirken suchten.
Mfinnich ist dazu gezwungen gewesen, weil er nicht geniigende
Kräfte zum förmlichen Angiiff hatte, und als diese ende Mai
vorhanden waren, Munitionsmangel eintrat. Erst Mitte Juni
nach dem Eintreffen der russischen Flotte konnte er dazu
schreiten, verlegte ihn aber nach Weichselmftnde, um die Flotte
auszunutzen. Lefebvre verband dagegen das Bombardement
mit dem förmlichen Angriff, aber zum grossen Nachtheil des
letztern. Im übrigen ist das Bombardement in beiden Fällen
ohne Einfluss auf die Gewinnung des Platzes gewesen.
Die beiden Belagerungen gleichen sich auch darin, dass
beide Feldherren von ihren Herrschern angetrieben wurden, die
Belagerung rasch zu Ende zu fähren. Während Mttnnich jedoch
durch die unverständige Einwirkung von oben gelähmt wurde —
der Stuim auf den Hagelsberg war die Folge davon — war
die Einwirkung Napoleons eine fördernde. Sie zwang den
Marschall Lefebvre^ zum förmlichen Angriff tiberzugehen und
diesen mit grosser Energie zu führen. Die Einwirkung Napo-
leon's zeigte sich auch darin sehr wirksam, dass er gegen den
Entsatzversuch Kaminskoi's so viel Kräfte zur Verfügung de«
Marschalls Lefebvre stellte, dass der Erfolg nicht zweifelhaft
bleiben konnte. Auf der andern Seite erhielt Münnich die sehr
wirksame Unterstützung der Flotte, die er auch sehr vortheil-
haft zu verwerthen verstand.
Was die Vertheidigung betrifft, so ist im Grunde jeder
Vergleich massig. Nur das Gemeinsame besteht, dass die
ä2i
Bfirgerschaft von Danzig die strenge Blockade and das Bom-
bardement mit seinen entsetzlichen Leiden mit grosser Hingebang
ertrug, und dass bei beiden Belagerungen der Entsatz von der
See herkam und scheiterte. Aber was die Thätigkeit der Be-
satzung anbetrifft, so fehlt jeder Anhaltspunkt eines Vergleichs,
weil, wie ich oben näher ausgeführt habe, im Jahre 1734 ein
Kommandant mit voller Machtbefugniss gar nicht existirte und
die Besatzung, obgleich der Zahl nach stark genug, zu keiner
Offensivoperation befähigt war.
V. Danzig als Freistaat 1807-1814.
Napoleon legte der Stadt nach der Besitznahme im Jahre
1807 eine Kontribution von 20 Millionen Franken auf und be-
fahl die sofortige Wiederherstellung der Festungswerke auf
Kosten der Stadt. Dafür erhob er sie im Tilsiter Frieden mit
einem Gebiete von 2 Lieues im Umkreise zu einem Freistaate
unter dem Schutze der Könige vomPreussen und Sachsen und
unter Garantirung ihrer alten Verfassung. Es war das keines-
wegs ein Akt des Wohlwollens gegen die Stadt, sondern nur
eine andere Form der Unterthänigkeit unter Frankreich und
schlimmer wie diese, da sie einen französischen Guverneur erhielt,
der sich alles erlauben konnte. Als solcher war dem Marschall
Lefebvre, der für seine Person 400000 Franken von der Stadt
erpresst hatte, der General Rapp ') gefolgt. Hauptsächlich auf
^) Rapp, der so eng mit dem Schicksal der Stadt verknüpft ist, war
zu dieser Zeit 35 Jahr alt, Divisionsgeneral und Adjutant des Kaisers, dem
er sich, wie es scheint, unentbehrlich zu machen wusste. In der Schlacht
war es Rapp, den der Kaiser von seinen Adjutanten vorzugsweise verwendete,
wo irgend das Gefecht schwankte. Der Kaiser sagte dann, indem er auf
die Gegend hinwies, wo er seine Gegenwart wfinschte, ganz einfach: „Rapp,
voir nn peu" oder nach beendigter Schlacht: „Rapp, poursuis-les un peu.''
Rapp war der einzige von den Adjutanten Napoleon^s, der in den Toilerien
wohnte. Napoleon hat wiederholentlich zu seiner Umgebung geäussert, dass
es schwer sei, mehr gesunden Menschenverstand und Klugheit zu besitzen
als Rapp. Unerschrocken in der Gefahr, verwegen auf dem Schlachtfelde
und von unbeugsamer Energie, hatte er auch die Gabe, sich bei den Soldaten
populär zu machen. Er verstand es, auf ihren Geist zu wirken. Daneben
^2ä
dessen Betrieb und im Verein mit Soult, der noch in Elbing
stand, geschah es, dass der Tilsiter Traktat auf die willkür-
lichste Weise gedeutet wurde, indem die zwei Lieues bei der
Grenzregulirung zu zwei deutschen Meilen erweitert wurden,
was im Elbinger Vertrage vom 6. December 1807 vom preussi-
schen Generalkommissarius auch unterschrieben worden ist.
Die preussische Regierung protestirte allerdings dagegen, doch
musste sie schliesslich nachgeben. Danzig musste für diese
Gebietserweiterung 4 Millionen Franken zahlen, ßapp bedang
sich dabei noch eine Million für sich aus, legte der Stadt aber
Stillschweigen darüber auf, und da dies ohne Mitwissenschaft
des französischen Intendanten Chopin nicht gut durchzuführen
war, musste dieser mit 200000 Franks von der Stadt mundtodt
gemacht werden^). Die Einführung der alten Verfassung von
4 Burgermeistern, 12 Schoppen und den Hundert-Männern war
natürlich bedeutungslos geworden, da der französische Guverneur
der eigentliche Gewaltige war. Auf seine Veranlassung wurde
war er ein grosser Finanzmann, wo es auf seinen Säckel ankam. Sein Cha-
rakter war ohne Tiefe. Er war leidenschaftlich nnd unbeständig, ein-
schmeichelnd und abstossend, je nach seiner Laune, und der Gewaltherrschaft
sehr ergeben. Dagegen war er selbst dem Kaiser gegenüber freimuthig.
Seine Prachtliebe ist den Danzigem theuer zu stehen gekommen. Sie warfen
ihm auch vor, sehr abhängig von seiner Umgebung gewesen zu sein. Nament-
lich scheint der den Danzigem yerhasste General d' H^ricourt grossen Ein-
fldss auf ihn gehabt zu haben.
Bapp ist 1773 von deutschen Eltern in Kolmar geboren. Seine Kennt-
niss der deutschen Sprache hat Napoleon wohl vorzugsweise bestimmt, ihn
zum Guverneur von Danzig zu ernennen. Ursprünglich für den geistlichen
Stand bestimmt, bewog ihn seine Leidenschaft für den Soldatenstand, im Alter
von 15 Jahren bei den Chausseurs zu Pferde einzutreten. Seine militairische
Laufbahn war glänzend. . Den Feldzug in Egypten machte er als Adjutant
des Generals Desaix mit und erwarb sich auf dem Schlachtfelde den Rang
als Chef d^escadron. Noch während des Feldzugs wurde er Oberst. Nach
dem Tode Desaix's in der Schlacht von Marengo machte Napoleon ihn zu
seinem A^utanten und verwendete ihn 1802 auch als Diplomat in der Schweiz.
Die Schlacht bei Austerlitz brachte ihm den Bang als Divisionskommandeur
ein, der Feldzng von 1809 die Ernennung zum Grafen. Im Feldzuge von
1812, wo er sich wiederholentlich auszeichnete, erhielt er seine 22. Wunde.
Er starb 1821 im Alter von 49 Jahren in hohen Stellungen bei Ludwig XVIII.
') Das Folgende ist aus Blech, Geschichte der 7jährigen Leiden Danzigs
von 1807—1814, Danzig 1815, entnommen.
^u
am 24. Augast 1807 eine Zwangsanleibe ausgeschrieben, und
als die Bürgei*scbaft die Zablung verweigerte, wurden die 24
reichsten Bürger verhaftet. Es wurden damit 3V» Millionen Fran-
ken aufgebracht. Sie reichten bei weitem nicht aus. Im März
1808 wurde schon die fünfte, im Oktober die siebente Zwangs-
anleihe aufgelegt. Beschwerden der Stadt und selbst eine Ge-
sandschaft nach Paris und zum General-Intendanten Daru nach
Berlin blieben ohne Erfolg. Die Schuldenlast der Stadt war
Ende 1808 schon auf 30 Millionen Franken gestiegen. Im Jahre
1809 zur Theilnahme an dem Feldzug gegen Oesterreich abbe-
rufen, legte Bapp der Stadt nahe, welchen vortheilhaften Ein-
druck es auf den Kaiser machen niüsste, wenn er als Zeugniss
für die gute Gesinnung der Stadt einen Ehrensäbel von ihr
vorzeigen könnte. Die Stadt gab dafür 8000 Thaler aus und
veranstaltete ein grosses Abschiedsfest. Er machte Hoffnung,
dass er den Kaiser bestimmen werde, die Kriegskontribution
zu ermässigen. Doch kam er 1810 ohne solche Erleichterung
der Stadt zurück, drang ihr vielmehr den Ankauf der Pali-
saden, die er als sein Eigen thum betrachtete, weit über ihren
Werth mit 250000 Franken auf. Schon vorher hatte er die so-
genannten königlichen Gebäude, die durch die Kapitulation an
Frankreich gefallen waren, an die Stadt für 510000 Franken
verkauft, was jedoch nicht hinderte, dass er sie fortbenutzte
und bei der Armirung gegen Russland viele andere, darunter
36 Speicher, hinzunahm. Kaperbriefe, die er an zwei Franzosen
ausgegeben hatte, brachten den Hafen von Danzig in Verruf.
Doch eröffnete er sich auch hieraus eine Einnahmequelle, indem
1810 zahlreiche Schiffe, angeblich mit Ballast beladen, in der
That aber mit Kolonial waaren, gegen eine Abgabe von 7V»
Procent an den Guverneur, in den Hafen einlaufen durften.
Das sehr bedeutende Einkommen, welches die Stadt von der
grossen Mühle hatte, ging ihr verloren, weil die Mühle für die
Besatzung in Beschlag genommen wurde. Alles das geschah
in Friedenszeiten gegen alles Recht. Der drohende Ausbruch
des Krieges mit Russland legte der Stadt noch ganz andere
Lasten auf. Schon am 6. April 1811 erliess Napoleon den Be-
fehl, dass die Stadt nicht nur auf ein Jahr die Verproviantirung
für 16000 Mann und 1000 Pferde beschaffen, sondern auch die
fortlaufende Verpflegung der halben Garnison, die sich 1811
auf 23000 Mann steigerte, übernehmen solle. Eapp und ein
französischer Kaufmann übernahmen die Lieferung und liqui-
dirten allein für die Monate April, Mai und Juni 1811 425000
Franken. Die Stadt erklärte sich unfähig zu diesen Leistungen
und überliess dem Guverneur, Zwangsmassregeln eintreten zu
lassen. Aber die Mittheilung desselben, dass er unterm 11. April
die Ermächtigung erhalten habe, den Belagerungszustand zu
erklären und die demnächstige Arretirung von 4 Regierungsnüt-
gliedern *) und Belegung der übrigen Mitglieder der Ordnungen
mit Einquartirung ^), sowie die Drohung, die ganze Garnison zur
Execution bei dei* Bürgerschaft einquartieren zu lassen, machten
die Stadt gefügig.
Alle möglichen Steuern und Zwangsanleihen waren jedoch
nicht imstande, die Summen zu bestreiten, die fällig wurden.
Schon im Anfange des Jahres 1812 war die Stadt mit einer
Million im Rückstande. Es kam so weit, dass die Kirchen ihrer
goldenen und silbernen Gefässe beraubt und den Lehrern und
Geistlichen das Gehalt verkürzt werden musste. Dazu traten
nun die Durclimärsche nach Russland. Man veranschlagt die
Truppenzahl, welche Danzig passirt hat, auf 80000 Mann, die
verpflegt werden mussten. Napoleon bewilligte dafür monat-
lich 500000 Franken, die jedoch bei weitem nicht ausreichten.
Bei seiner Durchreise durch Danzig 1812 eiwiderte er der De-
putation, die die Beschwerden der Stadt anbrachte: „Ich be-
zahle Alles, das wird sich finden." Rapp nahm er mit sich^).
^) Das GnvernemeDt hatte 4 Begierlingsmitglieder, zwei Senatoreu,
einen Schoppen und den Sprecher der 3. Ordnung direkt aufgefordert, einer
Kommission beizutreten, die unter dem Vorsitz des Generals Bachelu berathen
sollte, wie das geforderte Geld beizutreiben sei. Da sie sich weigerten, der
Kommission beizutreten, weil sie sich nicht gegen ihre Mitbürger gebrauchen
lassen wollten, wurden sie verhaftet und sollten nach Hamburg zum Mar-
schall Davoust deportirt werden. Blech 1, 289.
') Jeder Senator erhielt 12, jeder Schöppe 8, jeder Hundertmann 4 Mann,
denen täglich ein Frühstück, vollständiges Mittag- und Abendessen, eine
Flasche Wein und Vt Thaler gegeben werden musste. Blech 1, 289.
') Napoleon hielt sich vom 7. bis 11. Juni in Danzig auf. Bapp folgte
am 23. , erhielt aber unterwegs in Braunsberg den Befehl zurückzukehren,
weU die Engländer mit einer Landung drohten. Auf weiteren Befehl reiste
Köhler, Geschichte der Festungen Danzig und Weichselmilnde. II. 16
£26
Danzig erhielt bei Ausbrach des Krieges von 1812 eine
ausserordentliche Bedeutung. Schon der Feldzug von 1807 hatte
die Wichtigkeit erkennen lassen, die Danzig durch seine Lage
hat. Der Ausgang des Krieges hatte von seinem Besitz abge-
hangen. Napoleon hatte daher, sobald sich die Verhältnisse mit
Russland zu trüben begannen, i. J. 1811 den Befehl ertheilt,
die Stadt in einer Weise zu befestigen, die ihrer günstigen Lage
entsprach. Er emannte zu dem Zweck eine Kommission, be-
stehend aus den Brigade-Generalen im Ingenieur-Korps Haxo
und Chamberlhac und dem Ingenieur des Platzes, Oberst Bicke-
mont^). Der Danziger Deputation gegenüber äusserte er sich:
„Ich werde Ihre Stadt besetzt behalten, sie enthält die Mün-
dung der Weichsel und bildet den Markt Polens^)". In diesen
Eigenschaften hatte schon Gustav Adolf die Bedeutung Danzigs
aufgefasst und seinen Besitz angestrebt. Mit einer zahlreichen
Besatzung versehen, beherrscht Danzig die untere Weichsel und
zwingt die angreifende Armee, sich in seinen Besitz zu setzen,
bevor sie weitere Schritte thun kann. Für den Fall eines
Bückzugs, wie desjenigen der Franzosen 1812, ist es mit seinen
weitläuftigen Werken einschliesslich Weichselmünde und Neu-
fahrwasser geeignet, eine ganze Armee aufzunehmen und dem
Gegner Halt zu gebieten. Der Zustand der französischen Armee
und die Jahreszeit haben das damals verhindert. Danzig bietet
ausserdem einen vorzüglichen Depotplatz, da es als Handels-
emporium und als volkreiche Stadt ^) viele Hilfsquellen bietet.
Als solches hat es sich bei dem Vormarsch der französischen
Armee 1812 vorzüglich bewährt*).
er dann am 3. August wieder zur grossen Armee nacb, drei Wochen später
erschien eine englische Flotte von Kriegsschiffen auf der Danziger Bhede
und bombardirte ohne Erfolg Weichselmünde.
') d'Artois. Relation de la defense de Danzig en 1813. Paris 1820.
«) Blech 1, 274.
") Danzig hatte 1813 30000 Einwohner. Ebenda. d'Artois giebt S. 3
irrthUmlich 40000 an. Die Zahl der Einwohner war seit 1807 bedeutend
zurückgegangen.
*) Blech giebt uns 1,248 ff. ein lebensvolles Bild davon: „Das Gewühl
in der Stadt wurde immer grösser. Viele tausend arbeitende Hände waren
geschäftig, jeder Handwerker in voller Arbeit, jeder Arbeitsmann in voller
Bewegung, die Strassen voll gehender und kommender belasteter Wagen ....
^-T
Der von der Kommission dem Kaiser vorgelegte Plan der
Befestigung Danzigs wurde von ihm im ganzen Umfange ge-
nehmigt. Die Stadt wurde durch dessen Ausführung zum be-
Wohin man sah, wurde gearbeitet. Das alte Zeughans in der WoUweber-
gasse war eine grosse Gewerkstätte, hier hämmerten und pochten Tag und
Nacht Schmiede, Zimmerleute und andere Holzarbeiter hauptsächlich Laffeten
und andere Dinge, eben das geschah auf dem Wallplatz am Lege-Thor, wo
grosse Schuppen zu Schmieden errichtet wurden, eben dies im Schiessgarten.
Die zahllose Menge des gefertigten wurde dann auf dem freien Platze am
Lege-Thor und im Schiessgarten aufgestellt Ansserdem, mussten noch die
Schmiede eine Menge Spaten und andere Geräthe, die Zimmerleute Karren,
Schaufeln u. s. w. liefern. Die Kirche von S. Oatharinen musste zu Stell-
macherarbeiten eingeräumt werden. Sie wurde ganz aufgeräumt und zu
einer Werkstätte für Schmiede eingerichtet. Bald bedeckte sich der Kirch-
hof und die benachbarten Strassen mit einer unzähligen Menge von Trans-
portwagen. Zu ihrem Vorgespann war eine Menge requirirter Ochsen be-
stimmt, welche in eignen dazu erbauten Ställen im Kneipab gehalten und
von einem ordentlich mit Officieren militairisch eingerichteten Korps von
Ochsentreiberu bedient wurden. Diese holten dann von Zeit zu Zeit die
Wagen ab Wandte sich der Blick auf die Schiffs werfte, so war
auch hier alles in lebendiger Bewegung, um Pontons zu bauen. Auch an
diesen Fahrzeugen wurden viele hundert gefertigt und zu jedem ein eigner
Wagen I der das Boot und zugleich alles dazu nüthige, Dielen zu Brücken,
Anker, Ruder, Schaufeln n. s. w., trug. So, sehr nett gearbeitet, wurden sie
bis zam künftigen Gebrauch, besonders vor dem Lege-Thor, längst der
Mottlau bis Klein-Bürgerwald auf ihren Wagen mit allem Zubehör aufge-
stellt Indess arbeiteten stiller aber in grosser Menge manche andere Ge-
werke. Der schöne Saal im russischen Hause, den wir im vorgehenden glanz-
voU zu den Bällen hergerichtet sahen, war zu einer Kleiderfabrik umge-
ändert; wo sich ehedem lustig die Füsse bewegten, arbeiteten jetzt emsig
fleissige Hände. Der ganze Saal war mit Arbeitenden dieser Klasse besetzt ;
eine Menge Meister schnitten zu und eine noch grossere Menge Gesellen
and Barschen verfertigten Tag und Nacht alle Arten von Soldatenkleidem.
Anf gleiche Weise waren alle Schuster, Sattler u. s. w. aufgeboten und für
sie Plätze ansgemittelt, oder sie arbeiteten in ihren Wohnungen. Alles ver-
fertigte wnrde in ein grosses Magazin abgeliefert, und dazu hatte sich die
Dreifaltigkeits- oder Graumönchenkirche hingeben müssen; von hier aus
wurden die allenthalben requirirten oder auch herbeigeführten Tücher, Zeuge
u. 8. w., die in ungeheuren Massen dort lagen, abgeholt und hierhin 'das
verfertigte wieder abgeliefert. Späterhin, als die Wagenarbeiten in S. Oa-
tharinen ihr Ende erreicht hatten, wurde diese Kirche zu einem gleichen
Magazin gebraucht. Noch auf einer andern Seite gerieth alles in emsige
Thätigkeit £ine grosse Menge des requirirten Getreides wurde nach der
grossen Mühle und den Mühlen ringsumher gefahren und von dort wieder
^20
deutendsten Waffenplatz des Nordens erhoben, aber diese Aus-
flihrang erforderte eine ganze Reihe von Jahren. Obgleich
abgeholt, mehreres Mehl kam schon ans der Feme aus andern Vorräthen.
Eine grosse Bäckerei mit 10 Oefen war am Sack, nnweit des englischen
Dammes angelegt. Schon waren viele Feldbäcker verschrieben nnd Tag und
Nacht worden hier Zwiebäcke verfertigt, die in Fässer verpackt, in mehreren
Speichern für die Zuknnft aufbewahrt wurden, so welchem Zweck auch die
Bötticher nicht genug Hände schaffen konnten, 60000 Fässer zu liefern.
Neben der Bäckerei wurde i. J. 1812 noch eine Schlächterei eingerichtet.
Endlich hatten die Maurer und alle Bauhandwerker unaufhörlich zu thun.
Schon bestehende Gebäude wie die Kirchen und die Speicher mnssten zn
Werkstätten, Verwahrungsplätzen n. s. w. eingerichtet werden; ganz neue
Gebäude erhoben sich, z. B. jene Bäckerei, das Beduit auf dem Hagelsberge,
das massive und einfach schöne Pulvermagazin auf dem Langgartener Wall, die
mit vielem Aufwände von Kunst und Festigkeit errichtete Stückgiesserei im
Stadthofe, wenigstens 6 Rossmühlen u. a. m. Doch gehörten zu diesen Zu-
rüstungen noch mancherlei andere Dinge. Ausser der ungefragten Besitz-
nahme von vielen Speichern und Kirchen und andern öffentlichen Grebäuden
zum Gelass für die Bedürfnisse der Armee, gehört hierher die Ankunft von
einer Menge Pulver, Geschütz, Geld u. s. w. Lange Reihen von Wagen,
von Ck>lberg und Stettin kommend, .... zogen meistens über die
Wälle, lun unter dieselben abgeladen zu werden; zu gleicher Zeit kam Ge-
schütz an und wurde noch mehreres in Jachten und Oderkähnen verladen;
hunderte von Wagen mit Ammunition kamen nnd gingen; eine unzählige
Menge Geräthschaften aller Art langte an, ins Depot gelegt zu werden.
Femer wurde eine Anzahl von Aerzten, Chirurgen, Apothekern für die blei-
benden Hospitäler requirirt, indem alle bei der Armee befindlichen mit dieser
wegziehen mnssten. Endlich gehörte zu diesen Zurüstungen die Requisition
alles Getreides, hauptsächlich aber auch anderer für die Armee brauchbarer
Dinge, wie gewöhnlich für einen selbst bestimmten niedrigen Preis, der auch
nicht bezahlt wurde. Zehntausend Last Weizen und Roggen wurden zur
Ablieferung an die kaiserlichen Magazine ohne weiteres abgefordert und da-
bei nicht einmal die Vorstellung entgegengenommen, dass darunter sich
vieles fremde nur hier niedergelegte Eigenthum befinde. Man nahm, was
man fand, und rühmte sich dabei wunder wie gerecht man dabei verfahren
habe. Damit aber ja nicht von diesen und mehreren nöthigen Waaren zu-
viel versteckt wurde, mnssten die Speicher mit Wachen besetzt und alle Vor-
räthe nachgesehen werden. Galt die Vorstellung der beraubten Kaufleute
nicht, so galt die Vorstellung der Regierung ebensowenig, dass doch un-
möglich alles genommen werden könne, dass doch ja auch die Einwohner
der Stadt zu ihren Bedürfnissen etwas behalten müssten. Doch meinte mau,
hier etwas thun zu müssen, und gab aOOLast frei; eine fast lächerliche Be-
willigung, da bei dem jährlichen Bedarf der Stadt von ungefähr 6000 Lasten,
sie so nur für 5 Wochen erhielt und dann aus den kaiserlichen Magazinen
229
daher in den Jahren 1811 nnd 1812 fleissig gearbeitet^) und
7 bis 8 Millionen darauf verwendet worden waren, befand sich
die Festung im Anfange des Jahres 1813, wo sie in Thätigkeit
trat, noch in einem unförmlichen Zustande. Ein Theil der pro-
jektirten Werke war noch gar nicht angefangen, andere noch
nicht vollendet, die Ausbesserung der alten Befestigung war
kaufen soüte; eine freche Finanzoperation, worauf diese wie viele andere
Unternehmungen hinausliefen. Ebenso wie dem Getreide, ging es später dem
Wein, Branntwein, Tabak u. s. w Die Depots von 48 Begimentem
wurden nach Danzig verlegt, d. h. die Unnützen, die Kranken, die Bekruteu
hatten hier ihren Standort .... Dann wurde die Stadt verurtheilt, im
Rücken der grossen Armee für dieselbe Lazarethe für ungeftthr 8000 Mann
zu halten. Das gehörte zu dem Schrecklichsten, was hier gegen Becht und
Eigentlium ausgeübt wurde. Zum Gelasse waren bestimmt und mussten be-
stimmt werden das Kloster zu Oiiva, das ganze Gymnasiumsgebäude, das
Lfcent, das Dominikanerkloster, das Jesuiterkloster zu Schottland, mehrere soge-
nannte Ambulancen, und diese Gebäude mussten nicht allein eingerichtet, sondern
mit aUen Utensilien, Bettgestellen, Betten und allem Geräthe versehen werden,
welche beim Mangel aller Schonung oft verbraucht, immer von neuem au-
geschafft werden mussten, wobei es an tausendfachen Unterschleifen nicht
fehlte .... Im Mai 1812 erschien eine Aufforderung an das Publikum, an
die Unglücklichen im Lazarethe Hemden, Laken, Mützen, Handtücher u. dgl.
von ihrem Vorrathe aus Milde und Wohl thätigkeit zu liefern; aber nicht
genug, dass eine solche Bitte im Grunde nur ein anders eingekleideter Befehl
war: sondern in demselben Augenblicke ernannte das Guvemement 245 Per-
sonen, die 4000 Hemden und ebensoviel Bettlaken u. dgl. innerhalb drei
Tagen liefern sollten. Vergebens waren bei diesen und tausend andern For-
derungen Weigerungen; sie konnten allenfalls ein paar Tage die Sache ver-
zögern, bisweilen etwas mildem, aber sie aufheben nie''.
d^Artois, der die Leistungsf ähigkeit Danzigs als Depot aus eigner Erfah-
rung kannte, sagt darüber S. 3: „Cette ville eu effet, qui comptait plus de 40000
ämes (?), est le d§p6t de presque toutes les denr6es de la Pologne : eile offre,
par les seuls secours de sa population, de sa Industrie et de son commerce ma-
ritime, des ressources immenses en tout genre pon une arm^e nombreuse.
On peut facilement y faire confectionner tout se qui est n^cessaire ä Tarme-
ment, ä Thabillement et ä T^quipement des troupes. Ses vastes approvi-
sionnements de bois et ses chantiers de construction permettent de se pro-
corer promptement des transports, des barques, des canonni^res, des ^quipages
de pont. Ses arsenanx et ses magazins, augment^s et approvi8ionn6s par
les soins du gouvemement fran^is, 6taient remplis de munitions de guerre
et d'ane artillerie formidable de si^e et de campagne.
') Nach Blech 1, 247 waren 8000 Arbeiter ans den preussischen Ge-
bieten dabei beschäftigt
230
noch gar nicht in Angriff genommen worden*). Der Platz
hätte einem gewaltsamen Angriff nicht widerstehen können. Da
aber die Russen bei ihrer Ankunft vor der Stadt im Januar
1813, wo auch der Zustand der Besatzung, die zugefrorenen
Gräben und die eisbedeckte Inundation zu einem gewaltsamen
Angriff aufgefordert hätten , davon abstanden , so gewann die
Befestigung nach einigen Monaten durch unerhörte Anstrengung
des Ingenieurkorps und der Besatzung eine Stärke, die nicht
bloss einem gewaltsamen, sondern auch einem förmlichen An-
griff gewachsen war.
Die Befestigung von Danzig und Weichselmünde hat da-
mals die Gestalt angenommen, die sie noch Jahrzehnte be-
halten hat.
A. Die Befestigungsbauten der Jahre 1811 und 1812.
Die in den Jahren 1811 und 1812 in Danzig ausgeführten
Arbeiten an der Befestigung haben sich vorherrschend mit der
Verstärkung des Bischofs- und Hagelsberges und mit dem Neu-
bau der Befestigung der Holminsel befasst. Die alte Befesti-
gung des Bischofsberges, wie sie aus dem 17. Jahrhundert
überkommen war, bestand aus einer Anhäufung von Werken
in- und nebeneinander, die eine gegenseitige Vertheidigung nur in
einem beschränkten Masse zuliessen und wiegen geringem Relief
und unbedeutenden Gräben nicht gegen einen gewaltsamen An-
griff schützten, da sie nur in Erde ausgeführt waren. Bei der
Belagerung von 1807 waren sie nur durch die Blockhäuser in
den eingehenden Winkeln des gedeckten Weges und durch eine
starke Palisadirung sturmfrei hergestellt worden. Es war hier
eine ganz neue Anordnung der Werke erforderlich, indem mehrere
Theile ausgeschieden, andere hinzugefügt und dem Terrain an-
gepasst werden mussten. Man erreichte das durch Erweiterung
des Ravelins Mittel - Scharf euort und durch Hereinziehung des
Stolzenberges in die Befestigung durch Erbauung der Lünette
») d'Artois S. 29.
231
Cafarelli (jetzt Knesebek) auf diesem Berge. Die Beherr-
schung des Stolzenbcrger Grundes wurde durch Anlage der
Lünette Leclerc (Htinerbein) sichergestellt. Ein äusserer ge-
deckter Weg sicherte die Verbindung der Limetten mit der
Hauptenceinte des Berges, der ausserdem auf der rechten Seite
isolirt und durch Erweiterung der alten Schwedenschanze mit
einem Reduit versehen wurde. Das letztere Werk wurde mit
Gräben und einem gedeckten Wege versehen.
Der Hagelsberg erhielt durch Erbauung eines gemauerten
Reduits von mehreren Stockwerken und einer bombensicheren
Eindeckung eine wesentliche Verstärkung. Das Gebäude wurde
durch eine bedeckte Kommunikation mit dem Hauptgraben der
Stadtbefestigung verbunden und durch Retrancheraents zur Seite
derselben abgeschlossen. Vor der Spitze des -linken Halbbas-
tions wurde eine Lünette, Senarmont (Borstell), angelegt und
das Ravelin Hagel mit Holz revetirt. Alle diese Werke waren
zu Anfang des Jahres 1813 noch unvollendet. Dies gilt auch
von der Befestigung der Holm ins el, die im grossartigsten Style
angelegt wurde. Der Entwurf dazu macht den französischen
Ingenieuren alle Ehre. Während die bisherigen Versuche, die
Insel zu befestigen, sich auf die Umfassung derselben be-
schränkten, erkannte die französische Kommission die Nothwen-
digkeit, die Insel mit der Stadtbefestigung sowohl als mit
Weichselmünde in die engste Beziehung zu setzen. Es wurden
daher an der Weichsel zu beiden Seiten der Abzweigung der
Laake Brückenköpfe erbaut und dem linken, auf der Holminsel
gelegenen, eine Ausdehnung gegeben, dass er zu einem ver-
schanzten Lager dienen konnte. Dasselbe wurde von mehreren
grossen Lünetten umschlossen, die sich links an die Weichsel
und rechts au die Laake lehnten^). Ein Reduit in Gestalt
eines Kronwerks diente als zweiter Brückenkopf*). Die Ver-
^) Die Lünette des zur Nehrung führenden Brückenkopfs rechts der
Laake erhielt den Namen Yalongue (heut Dohna); die sich auf dem linken
Ufer der Laake anschliessende Lünette hiess Tholoz6 (heut Oppen); die
übrigen der Beihenfolge nach hiessen Thenlli^ (Hake), Sorbier (Thümen),
(vorbineau (Wobeser) und Meunier (Hirschfeld). Zwischen den Lünetten Sor-
bier und Meunier war das come du Holm eingeschoben.
') Gegenwärtig Prinz von Hessen Homburg genannt.
232
bindung mit Weichselmünde wurde durch das Fort Napoleon
(jetzt Kronprinz) gesichert, das in Gestalt einer viereckigen
bastionirten Redute zu beiden Seiten der Laake in der Nähe
der Ausmfindung derselben in die Weichsel, also an der Stelle
erbaut wurde, die bereits vom General Perceval 1649 für ein
grösseres Werk ausersehen war. Der auf dem rechten Ufer
der Laake gelegene Theil bildet einen Brückenkopf zur Neh-
rung und hat eine selbständige dreieckige Form '). Eine dop-
pelte Kaponiere verband das Fort vorwärts mit Weichselmünde
und rückwärts mit dem verschanzten Lager. Erstere wurde
durch die Redute d'Hautpoul (jetzt Hamberger), letztere
durch die Redute St. Hilaire (jetzt Laurens ) geschützt. Der
grösste Theil dieser Werke war zu Anfang des Jahres 1813
noch ohne gedeckten Weg, ohne Verbindungen und ohne ge-
deckte ünterkunftsräume, sowie ohne Pulvermagazine.
Um sich eine Verbindung mit dem Werder offen zu halten,
wurde die zum Schutz der Rückforter Schleuse vorhandene
Schanze zu einem Fort erweitert, das den Namen Lacoste
(jetzt Kaikreuth) erhielt. Es war 1813 bis auf die ünter-
kunftsräume beendet. Die Vorstadt Kneipab wurde mit einer
Umfassung versehen, welche die Gestalt eines Kronwerks er-
hielt, das mit einem Ravelin und zu beiden Seiten mit Lünetten
versehen werden sollte. Doch nur die rechte Lünette war
anfang 1813 nahezu beendet, das Ravelin und die linke Lünette
noch nicht angefangen. Das Kronwerk erhielt den Namen
Desaix (heut Prinz Karl von Mecklenburg) *). Die Ausführung
der Arbeiten in den Jahren 1811 und 1812 leitete der Ingenieur
vom Platz, Oberst Richemont*).
*) Der auf dem linken Ufer der Laake gelegene Theil existirt heut
nicht mehr.
») Das Vorstehende nach d'Artois S. 29 If.
') Der General Campredon, Chef des Ingeuieurkorps von Danzig 1813,
sagt von ihm in seinem „Rapport sur Jes travaux du Gönie" vom 3. Decem-
ber 1813: Ms. le colonel de Richemont, directeur des fortifications, a d^ve-
lopp6 des talcns tres distingu6s, des qualit^s pr^cieuses, et nn z^Ie infatigable,
qui lui ont concili^ Testime et Tattachement de tonte la garnison- Charge,
233
B. Zustand der Werke am Ende des Jahres 1812.
Der Divisions- General und Kommandeur des Ingenieur-
koi*ps in Danzig 1813, Campredon, lässt sich in seinem Rapport
über die Arbeiten des Ingenieurkorps während der Vertheidi-
gung der Stadt 1813 über die Beschaffenheit der Werke, wie er
sie bei seiner Ankunft in Danzig mitte Januar vorfand, *) wie
folgt aus:
„Der Theil der Umfassung der Stadtbefestigung, welcher
den Bergen zugewendet ist (die sogenannte hohe Front), war in
ziemlich gutem Zustande, aber der Rest des Umzuges, soweit
er von der Inundation und der Weichsel umgeben war, befand
sich in einem äusserst schwachen Zustande. Die Brustwehren
und Faussebraien innerhalb dieser Ausdehnung waren formlos
und leicht zugänglich, hatten nur eine einzige Reihe alter Pali-
saden, die an vielen Orten schadhaft waren und das alleinige
Hinderniss gegen einen gewaltsamen Angriff bildeten, da die
Gräben gefroren waren und ein gedeckter Weg auf diesen 14
Fronten nicht vorhanden war. Von den Redans in den einge-
henden Waffenplätzen waren kaum noch Spuren erkennbar, die
bei einem hohen Stande der Inundation gänzlich verschwanden.
Das Fort Desaix, welches das Langgartenthor deckt, war in
brauchbarem Stande, obgleich das Ravelin noch fehlte. Der
grosse und kleine Brttckenkopf auf der Hol min sei war ziemlich
weit vorgeschritten, bedurfte aber noch bedeutender Arbeiten
zur Herstellung gedeckter Räume und Pulvermagazine, von
denen noch kein einziges vorhanden war. Von den 7 vorge-
schobeneu Lflnetten des grossen Brückenkopfs waren 3 ziemlich
beendet, die andern zum Theil nur tracirt.
Das gemauerte Reduit des Hagelsberges war ziemlich
k Dantzig, de la direction des travaux du genie depuis plus de trois ans,
on peut dire, quMl est en quelqne sorte le cr^ateur des ouvrages, qui ont port6
üb un si haut degr6 la force de cette place, laqueUe se trouvait hon d*6tat
de defense au commencement du blocus, ces ouvrages n^ayaut pu encore §tre
achev^s.
^) Auriol; defense de Dantzig eu 1813. Journal du siege, Journal per-
sonnel du g^n^ral de division de Campredon commandant le g^nie du X. Corps.
Paris 1886. 8. 273 ff.
234
fertig, dagegen das Ravclin (Hagel) noch sehr zurück. Der
gedeckte Weg, die Blockhäuser und die gedeckten Verbindun-
gen mit den Aussenwerken waren noch sehr unvollkommen,
so dass das Fort gegen einen Handstreich nicht gesichert war.
Die Front des Olivaer Thors war äusserst schwach,
namentlich befanden sich die Brustwehren und der gedeckte
Weg in sehr schlechter Beschaffenheit. Dasselbe war der Fall
mit der Front am Neugartener Thor, welche den Bischofs-
berg mit dem Hagelsberg verbindet. Hier trat noch die schlechte
Disposition der Werke hinzu, so dass man wegen eines gewalt-
samen Angriffs sehr besorgt sein musste.
Die Wälle des Bischofsberges hatten im allgemeinen
bereits die projektirte Form erhalten, aber die Palisadirungen
waren noch sehr unvollständig, fast alle Blockhäuser des ge-
deckten Weges und die Kommunikationen nach den Aussen-
werken fehlten noch ; der gedeckte Weg war noch sehr unvoll-
kommen und der äussere gedeckte Weg kaum begonnen. Das
ganze Vorterrain war mit Häusern angefüllt, unter denen sich
einzelne bedeutende Gebäude befanden. Man konnte das Fort
kaum gegen einen gewaltsamen Angriff gesichert erachten.
Die Festung Wcichselmünde und ihre bedeutenden Neben-
werke (das Fort Montebello, das Retranchement von Neufahr-
wasser und der Westerplatte) waren bisher gänzlich vernach-
lässigt worden. Die ganze Anlage war im äussersten Grade
schwach. Mit Ausnahme des Fort carre, welches dem Ganzen
als Reduit dient, war alles übrige einem Handstreich ausgesetzt.
Das Fort Napoleon und die Redute d'Hautpoul, die im
Verein mit dem Holm die Verbindung mit Danzig schützten,
waren noch nicht vollendet, es existirten noch keine bomben-
sicheren Räume, sondern nur einige provisorische Baracken.
Das Fort Lacoste war ziemlich vorgeschritten, doch fehl-
ten auch hier bombensicher eingedeckte Räume und Block-
häuser.
Noch sei erwähnt, dass der sogenannte Holzraum, welcher
in Verlängerung der Olivaer Front an der Weichsel lag, äusserst
dürftig befestigt war, so dass man die Befestigung der Olivaer
Front schon früher davon isolirt hatte, indem man vom Bastion
am Rahm ein Retranchement nach dem Bastion Jakob geführt
235
hatte, das hier in einer Lünette endigte*). Der gegenüberlie-
gende, neugeschaffene Brückenkopf auf dem Holm diente durch
die Flankirung der Olivaer Front, die er gestattete, wesentlich
zur Verstärkung dieses Theils."
Von einer artilleristischen Armirung hatte bisher keine
Rede sein können, da die Werke noch nicht vollendet waren.
Bisher hatte die ganze Arbeitskraft auf die Befestigung
verwendet werden müssen. Wie in den Vorwerken befand sich
auch im ganzen Platz kein bombensicher eingedeckter Raum.
Kasernen waren nicht vorhanden. Zwar waren die alten Kloster-
gebäude belegt worden, aber sie langten bei weitem nicht aus,
so dass ein grosser Teil der Besatzung bei den Bürgern ein-
quartiert war. Hospitäler waren nur in geringer Zahl vor-
handen und schlecht eingerichtet. Die anderweitig zu diesem
Zweck eingeräumten Gebäude hatten zu enge Räume. Die Ma-
gazine waren grösstentheils geleert, da sie zur Verpflegung bei
den Durchmärschen nach Russland ihre Vorräthe hatten her-
geben müssen. Es wurden selbst Lebensmittel von Danzig der
grossen Armee nachgeführt. Mehltransporte sind bis nach
Moskau gegangen. Dasselbe gilt von der Munition, von der
ebenfalls ganze Transporte zur Armee abgingen. Auch der
Belagerungstrain für Riga war in Danzig ausgerüstet worden.
Allerdings waren dafür Nachschübe aus den Oderfestungen er-
folgt. Die Furage fehlte fast gänzlich. Getreide war zwar
ausreichend, Hafer dagegen gar nicht vorhanden. An Fleisch
trat bald Mangel ein. Schon 10 Tage nach Eintritt der
Blockade, am 2. Februar, musste die Mundportion auf 4 Loth
Fleisch und die Ration auf 4 Pfund Heu und ebensoviel Stroh
herabgesetzt werden. Andere Lebensmittel, sowie Salz und
Medikamente für die Lazarethe fehlten fast gänzlich.
^) Ausserdem wurde hart an der Weichsel die Lünette Tardiveüe (Zieten)
vorgelegt.
I i—i 1^1 1^1 1
Die BelageroDg Danzigs im Jahre 1813.
1. Die Besatzung.
Als Besatzung hatte bisher die 33. Division, bestehend aus
dem 5., 6. und 7. neapolitanischen Regiment, gedient, von denen
jedoch die Elitekompagnien zum König Murat detachirt waren.
Ausserdem waren zwei Bataillone der 30. Division vorhanden,
sowie einige Sappeur- und Artillerie-Kompagnien*). Schon seit
Ende December 1812 waren zahlreiche einzelne Mannschaften
eingetroffen, die theils verwundet oder krank und mit erfrornen
Gliedern behaftet waren. Es wurden daraus provisorische Re-
gimenter gebildet, die nach Eintreffen der Trümmer der 34. Di-
vision dieser zugetheilt wurden*).
Rapp hatte am 3. December 1812 in Smorgani von Napo-
leon den Befehl erhalten, sich nach Wilna zu begeben, sich dort
4 Tage aufzuhalten und alles aufzubieten, die Armee zu sam-
meln, und sich dann nach Danzig zu begeben, um die Funktion
als Guvemeur zu tibernehmen*). Er langte am 18. December
unerkannt mit erfromer Nase in Danzig an*). Die Wasser-
gräben und die Inundation waren mehrere Fuss stark mit Eis
bedeckt, der Schnee lagerte mannshoch in den Werken. Der
Guvemeur gab zunächst kein Lebenszeichen von sich, nicht
einmal eine Aufforderung an die Bewohner, sich mit Lebens-
mitteln zu versehen, erfolgte. Erst am 31. December erklärte
er die Festung in den Belagerungszustand und sich als den
») d'Artois S. 38.
^ Ebenda.
") Auriol S. 43. M^moires de Kapp.
*) Blech 1, 302.
240
alleinigen Befehlshaber^). In einem Schreiben vom 4. Januar
1813 an den Majorgeneral meldet er*), dass er nur 3000 Mann
im Dienst habe, da 4 Kompagnien zum Transport von Kriegs-
gefangenen und eine Kompagnie nach Dirschau abkommandirt
seien. Er bittet, dass er die 4 Bataillone der Brigade Gault
von der 30. Division, deren Ankunft aus Deutschland bevor-
stand, nicht nach Königsberg, wie befohlen, schicken, sondern
zurückbehalten dürfe*). Am 13. Januar, wo es viel zu spät
war, erliess Rapp an die Landbewohner den Befehl, ihr Vieh
nach Danzig zu treiben*).
Napoleon hatte am 5. December 1812 in Smorgani die
Armee verlassen und das Kommando derselben an den König
von Neapel übergeben. Erst von diesem ging am 9. der Befehl
an Macdonald, der mit dem 10. Korps noch vor Riga stand, ab,
den Rückzug anzutreten. Murat hoffte sich mit diesem noch
intakten Korps und mit Hilfe Schwarzenbergs hinter dem
Memelfluss halten zu können. Die Kapitulation Yorks vereitelte
>) Ebenda 306.
«) Auriol S. 44.
*) Die 80. Divison, Heudelet, aus Ersatzmannschaften bestehend, war
aus Deutschland nacli Danzig herangezogen, aber nach ihrem Eintreffen nach
Königsberg dirigirt worden, wo sie dem 10. Korps (Macdonald) ziigetheilt
wurde, das nach dem Abfall Yorks nur noch aus der 7. Division (Gran^jean)
bestand. Sie nahm zur Aufnahme Macdonalds am 81. December in Wehlau
Stellung (Auriol 13). Der General Gault, Kommandeur der 3. Brigade dieser
Division, meldete unterm 20. December an Rapp, dass von den 6 Bataillonen
seiner Brigade zwei von dem kommandirenden General des 11. Korps in
Spandau zurückgehalten worden seien und die übrigen vier am 3. oder 4. Ja-
nuar in Danzig eintreffen würden. Für seine Person hoffe er am 1. Januar
daselbst zu sein. (Auriol 45.) Die Brigade Gault war demnach noch zurück.
Wir finden den General erst am 16. Januar in Danzig, wo ihn Rapp mit
vier Bataillonen nach der Nehrung entsendete, um die Russen daraus zu ver-
treiben (d'Artois S. 15). Die beiden noch fehlenden Bataillone der Brigade
sind unzweifelhaft diejenigen, welche am 20. Januar aus Spandau in Danzig
eintrafen (Blech 2, 6). Zwei aus Magdeburg waren am 8. in Danzig einge-
troffen. Die Zweifel bei Friccius sind damit erledigt. Siehe auch d'Artois
S. 16, wonach der General Gault den beiden Bataillonen am 20. bis Koliebken
entgegenging. Mit ihnen kamen die vier Kompagnien Neapolitaner zurück,
welche Kriegsgefangene transportirt hatten.
♦) Blech 2, 13.
241
das. Unaufhaltsam ging der Rückzug weiter. Auch die zu-
gefrorene Weichsel setzte der Verfolgung der Russen keine
Schranken. Am 12. Januar 1813 hatte Macdonald Elbing Jannar.
räumen müssen. Er hatte den Befehl erhalten, sein Korps
(ans der 7. und 30. Division bestehend), das zur Besetzung von
Danzig bestimmt war, an Rapp abzugeben und für seine Person
zum Hauptquartier zu stossen. Der Chef des Ingenieurkorps
des 10. Armeekorps, Campredon, wurde zum Kommandeur
der Ingenieure in Danzig bestimmt und traf am 12. daselbst
ein *), wo er den General Haxo ablöste *). Am 13. wurde die
Arrieregarde des 10. Armeekorps, vom General Bachelu geführt,
bei Stüblau von den Russen angegriffen. Bachelu zog sich in
der folgenden Nacht nach Rosenberg zurück, wo am 14. ein
heftiges Gefecht stattfand '). In Danzig hörte man den Kanonen-
donner und sah den Rauch des von den Kosacken in Brand
geschossenen Dorfes. Die Einwohner hofften auf ihre Erlösung,
sollten jedoch bitter enttäuscht werden.
Obgleich es dringend nothwendig gewesen wäre, Praust
und einen Theil des Werders in Besitz zu behalten, um der
Stadt Trinkwasser, Lebensmittel und Furage zuzuführen, sahen
sich die Franzosen doch gezwungen, das Terrain nach und
nach aufzugeben.
Am 16. traf die 34. Division in Danzig ein *), welche eben-
falls zur Besatzung bestimmt war. Es waren nur Trümmer
der Division Loison, später Marchand, die vom Brigadegeneral
Franceschi geführt wurden. Am 21. besetzten die Russen
Oliva, Mattern und Brentau. Damit war die vollständige Ein-
schliessung hergestellt. Drei Kompagnien Artillerie, welche nur
einen Tagemarsch hinter den am 20. angelangten beiden Ba-
taillonen der Brigade Gault marschirten, mussten wieder nach
Stettin umkehren ^). Die Unordnung in der Stadt war anfäng-
«) Auriol s. 50.
«) Blech.
^ Näheres über dieses Gefecht im Beiheft des Mil. Wochenblatts zum
Jahre 1887 S. 114.
*) V. Düring S. 7.
*) d'Artois S. 16.
Kollier» Q^escMchte der Festungen Danzig und Weldiselmände. II. 16
ä42
lieh grenzenlos, doch gelang es den Bemflhungen Rapp's, die
Zucht herzustellen. Am 20. Januar war alles in Ordnung ^).
Die Besatzung von Danzig bestand jetzt aus der
7. Division, Grandjean. Brigade Bachelu: 13. baierischos, 1.
westfälisches, 10. polnisches Regiment. Brigade
Fürst Radziwil, 5. und 11. polnisches Regiment. In
Summa 332 Offiziere 6613 Mann stark.
30. Division, Heudelet. Ersatztruppen von 18 verschiedenen
Regimentern, die in 3 Brigaden, Breissan, Husson
und Gault, getheilt waren. In Summa 360 Offiziere
9881 Mann. Die Division war mit 2 Brigaden nur
bis Wehlau gekommen und hier in den allgemeinen
Rückzug verwickelt worden, ohne ein Gefecht be-
standen zu haben. Die 3. Brigade, Gault, erhielt
am 16. Januar bei Neufehr die Feuertaufe.
33. Division, Detres (d' Estrees), bestand nur aus der Brigade
Graf Pepe mit dem 5., 6. und 7. neapolitanischen
Regiment. Sie war 96 Offiziere 3033 Mann stark.
34. Division, Brigade -General Franceschi, unter ihm der
Generalmajor Devillier. Sie bestand aus den Regi-
mentern Frankfurt und dem 4., 5. und 6. Rhein-
bunds-Regiment ^). Dazu traten vier provisorische
^) Dttring S. 22. Der General Rapp giebt in seinen Memoiren S. 209
folgende Schilderung der Besatzung: La garnison se coraposait d'nn ramal
confus de soldats de tontes armes et de toutes nations: il y ayait des Fran-
gais, des AHemands, des Polonais, des Africains, des Espagnois, des Hoilandais,
des Italiens. La plüpart, epuises, malades, s'^taient jetto k Dantsick faute
de pouToir continuer leur route: ils s'titaient flatt^s d'y trouver qaelqne son-
lagement; roais d^pourvn de medicaments, de viande, de l^imes, sans spi-
rituaux, sans fonrages, j'etais oblige de renyoyer ceux qui n'^taient pas absolu-
ment incapables d'^vacuer la place. N^anmoins il m'eu resta eucore plus de
trente-cinq mille, qui ne foumissaient pas au delä, de huit a dix mille
combattants: eucore ^taieut-ils presque tous des recrues qui n'avaient ni
exp^rience ni discipliue. Cette circoutance k la y6rit6 m^inqui^tais peu;
je connaissais nos soldats; je savais que, ponr bien faire, ils n'ont besoin
quo de Fexemple; j^6tais r^solu de ne pas m'6pargner''.
') Das 4. Regiment war ans Mannschaften der sächsischen Herzog-
thttmer, das 5. aus Lippe und Anhalt, das 6. ans Schwarzburg, Waldeck und
Reuss zusammengesetzt.
243
französische Inf anterie - Regimenter, alles in alleni
199 Offiziere 2316 Mann stark '),
Die Reiterei, Generalmajor Cavaignac, war aus 2 provisorischen
Dragoner-Regimentern, den Resten von 8 Dragoner-
Regimentern und einem provisorischen Regiment, das
Kürassiere, Chasseure, Husaren, Dragoner und pol-
nische Ulanen enthielt, zusammengesetzt. In Summa
72 Offiziere 1730 Mann stark.
Die Artillerie kommandirte der Brigade-General Lepin. Sie
war 99 Offiziere 2255 Mann stark.
Das Genie betrug der Zahl nach: 159 Offiziere 941 Mann.
Die Marinetruppen unter dem Contre-Admiral Dumanoir zählten
47 Offiziere 690 Mann.
Mit Hinzurechnung einiger Administrationszweige betrug
die Gesammtstärke 35934 Mann, wovon 5919 Mann zur Zeit
(Januar) in Lazarethen lagen. Von den übrigen Truppen waren
nur 9 bis 10000 dienstfähig.
Die Zahl der Geschütze betrug bei der üebergabe der-
selben au die Russen noch 536 Stück.
Commandant superieur war der Brigade-General v. Bazan-
court, ('hef des Generalstabs der Brigade -General d'Hericourt,
Ingenieuroffizier vom Platz der Oberst Richemont^.
2. ftnellen.
Es ist eine auffallende Erscheinung, dass die so interessante
Belagerung Danzigs im Jahre 1813 so wenig bekannt ist und
in den Streitschriften der Gegenwart über den Festungskrieg
so gut wie gar nicht erwähnt wird, obgleich sie über wichtige
Punkte, die augenblicklich die militairische Welt beschäftigen,
Aufschluss zu geben imstande ist. Das Studium der Belagerung
*) Die Division war erst im November 1812 unter Loisou aas Königs-
berg ausgerückt und ist nicht ttber Wilna hinausgekommen, wo sie von den
Trum mein der grossen Armee erreicht und mit fortgerissen wurde, so das's
sie schon in Eowno von diesen nicht zu unterscheiden war. Daher die Schwäche
der Division. Das 5. und 6. Regiment, welche in Kowuo zarttckgeblieben
waren, deckten den weitern Rückzug, v. Dilring S. 3.
^ Die genauere Nachweisnng befindet sich im Anhange zu d'Artois und
hieraus entnommen bei Auriol.
244
ist allerdings ausserordentlich erschwert. Abgesehen von der
langen Dauer, die Blockade eingerechnet von einem ganzen
Jahr, die abstossend wirkt, sind es vorherrschend die Quellen,
die vom Studium abhalten. Sie bilden an sich eine ganze Bi-
bliothek, sind aber so zerstreut, dass sie selbst in grossen Mi-
litair-Bibliotheken nicht vereinigt gefunden werden. Sodann
hat sich in den Hauptschriften eine so erbitterte Polemik er-
hoben, dass es einer eingehenden Kritik bedarf, um die weit
auseinandergehenden Ansichten auf einen gesunden Boden zu-
rückzuführen. Diese Kritik ist bisher ausgeblieben. In Nach-
stehendem soll der Versuch gemacht werden, aus dem zahlreichen
Quellenmaterial die Blockade und Belagerung möglichst getreu
zur Darstellung zu bringen. Es ist zu diesem Zweck erforder-
lich, zunächst eine Uebersicht über die Quellen zu gewinnen, da
auch die scheinbar unbedeutendsten nicht zu entbehren sind.
Das trotz der grossen Ereignisse auf den andern Kriegs-
theatern der Belagerung von Danzig zugewendete Interesse der
Zeitgenossen wurde zunächst durch eine kleine Schrift befrie-
digt, welche auf Veranlassung einer Anzahl von Officieren der
30. Division (Heudelet) von einem Herrn v. M. herausge-
geben wurde, der zwar nicht Augenzeuge gewesen war, wie
das aper^u des Herzogs von Würtemberg S. 296 behauptet,
aber, weil er der Feder gewachsen, von jenen Officieren ge-
wählt und mit dem erforderlichen Material versehen worden
war. Die Schrift erschien 1814 zu Paris unter dem Titel: Le
si6ge de Dantzig en 1813 par M. de M******. Da sie keinen
Plan hat und nur den Antheil der 30. Division schüdert, ist sie
gegenwärtig fast verschollen, aber sehr mit Unrecht, weil sie
im Anhange einen Anszug aus dem vom Chef des Generalstabs
der Division geführten Tagebuch enthält, von dem nur zu be-
dauern ist, dass es nur ein Auszug ist. Jedoch sind alle Ge-
fechtstage der Division unverkürzt aufgenommen, wie sie seiner
Zeit dem Guvernement eingereicht worden sind. Das Tage-
buch ist frei von allen Phrasen zur Verherrlichung der grossen
Armee, wie sie der französischen kriegsgeschichtlichen Litera-
tur jener Zeit eigenthümlich sind, und in so präciser Fassung
geschrieben, dass die Berichte als Muster dienen können. Sie
sind durch ihre Zuverlässigkeit daher geeignet, zur Kritik der
245
grösseren Werke, welche die Belagerung später dargestellt haben,
zu dienen, und um so werthvoller, als diese Werke die Kritik
in hohem Masse herausfordern. Es werden dadurch manche
dunkle Punkte aufgeklärt.
Im folgenden Jahr kam das Werk eines Danziger Patrioten
heraus, der die ganze Zeit der französischen Gewaltherrschaft
erlebt hatte nnd sie beschreibt, wobei er auf das Jahr 1813
ganz besonderen Nachdruck gelegt hat. Es ist das bereits er-
w^ähnte Werk des Diakonus an der Kirche von St. Marien und
Professors der Geschichte am Danziger Gymnasium, Blech:
Geschichte der siebenjährigen Leiden Danzigs von 1807—1814.
2 Theile. Danzig 1815. Er beschäftigt sich vorherrschend mit
der Innern Geschichte der Stadt, giebt aber auch über die mi-
litairischen Dinge vielfach Aufschlüsse und ist sehr zuverlässig.
Im Jahr 1817 erschien die „skizzirte Geschichte der
russisch-preussischen Blockade und Belagerung von
Danzig im Jahre 1813 nebst Vertheidigung dieses Platzes," ein
stümperhaftes Werk, das nur dadurch Werth erhält, dass es in
der 3. Abtheilung S. 100—146 einen Originalbericht aus dem
herzoglichen Hauptquartier enthält, der sich durch grosse Ge-
sichtspunkte und Motivirung des Ganges der Belagerung aus-
zeichnet und auf den leitenden Ingenieur als Verfasser hin-
weist *). Befremdend ist nur, dass in der Chronologie mehrfache
Verstösse gerade bei Hauptaktionen vorkommen. Ausserdem ent-
hält die skizzirtc Gescliichte einen Abriss der Militair-Laufbahn
des Herzogs Alexander von Würtemberg und das Tagebuch des
Majors Bauer vom 1. westfälischen Infanterie-Regiment, das
besonders für das Gefecht vom 2. September von Wichtigkeit
ist. Das Beiheft zum Militair -Wochenblatt von 1887 S. 112 ff.
enthält auch Briefe des Majors Bauer an seinen Bruder
aus dieser Zeit.
In demselben Jahr 1817 erschien ferner Plotho's Ge-
schichte des Krieges in Deutschland und Frankreich in
*) Wie ich nachträglich aus den Akten des Kriegs-Archivs des grossen
Generalstabs ersehe, enthält diese Abtheilung ganze Sätze aus dem Tage-
buche der Ingenieur-Arbeiten des Obersten von Pullet mit einigen Zusätzen,
die der Beachtung werth sind. Der Herausgeber der skizzirten Geschichte
ist auch hier der Begierungsrath PliUnicke.
246
den Jahren 1813 und 1814, welche im Anhange des 1. und
2. Bandes eine üebersicht der Blockade und Belagerung von
Danzig giebt, die einige nicht unwichtige Details enthält, im
übrigen aber ohne Werth ist.
Ebenfalls vom Jahr 1817 ist das Tagebuch über die Be-
lagerung der Stadt Danzig vom Jahr 1813 von dem Schaum-
burgisch -Lippischen Hauptmann von Düring. Der Verfasser
war vermöge seiner Anstellung beim Generalstabe, wodurch er
Gelegenheit hatte, die Berichte der Truppentheile einzusehen, so-
wie als Augenzeuge vieler Gefechte in der Lage, zuverlässige
Nachrichten zu geben, die er durch seine persönlichen Ver-
bindungen vervollständigte. Er liefert daher eine durchaus
selbständige Arbeit und ist durch Mittheilung der franzö-
sischen Verluste, die er den Eingaben entnehmen konnte, von
Wichtigkeit.
Alle diese Werke haben indessen einen mehr oder weniger
beschränkten Gesichtskreis und geben von dem innern Zusammen-
hange der Operationen keine richtige Vorstellung, dienen jedoch
zur Kontrolle der grössern Werke. Es gehörte die Müsse der
folgenden Friedeusjahre und die unbeschränkte Benutzung des
urkundlichen Materials dazu, um Werke zu schaffen, welche
den wissenschaftlichen Anforderungen entsprechen konnten, und
diese werden durch d'Artois (Relation de la defense de Danzig
en 1813. Paris 1820) und den Herzog Alexander v. Würtem-
berg (Apercu des Operations des troupes alliees devant Danzig
en 1813 par un officier russe, Frankfurt & Leipzig 1820), je-
doch mit einiger Einschränkung geboten.
Der spätere Divisions-Kommandeur im Ingenieurkorps von
Artois hat die Vcrtheidigung Danzigs als Ingenieurlieuteuant
mitgemacht und war schon bei dem Ausbau der Werke seit
1811 thätig, so dass er vorzüglich geeignet war, die Geschichte
^er Vertheidigung Danzigs zu schreiben. Er hat dazu die Be-
richte und Tagebücher des Generalstabes, der Artillerie und
des Ingenieurkorps benutzt und hat auch werthvolle Mitthei-
lungen aus der Privatkorrespondeuz ßapps erhalten. Sein Werk
ist denn auch als Grundlage für die Geschichte der Blockade,
Belagerung und Vcrtheidigung Danzigs zu betrachten und bildet
eine Zierde der französischen Militairliteratur aus der Zeit Na-
247
poleons I. Er hat jedoch auch die Fehler der Schriftsteller
jener Zeit, namentlich die Tendenz der Verhenlichung der
grossen Armee, er verschweigt manches und verringert die Ver-
luste, welche ihm die Berichte der Truppentheile ergaben. Auch
zeigt er wenig Beruf zur Darstellung taktischer Verhältnisse.
Dazu tritt der Mangel an Eenntniss über die Stärke und die
Operationen des Gegners, 4er ihn zu vielfachen Irrthtimern ver-
leitet. Hierin wird er durch das Werk des russischen Officiers
ergänzt, der wie bemerkt kein anderer ist als der Herzog
Alexander von Wi'irtemberg, Kommandeur des Belagerungskorps,
selbst. Selbstredend standen diesem alle Rapporte, Tagebücher
und Korrespondenzen zu geböte. Aber man kann nicht sagen,
dass er diese Quellen in vorurtheilsfreier Weise benutzt hätte.
Der englische Bevollmächtigte im Hauptquartier des Herzogs,
der Artillerieoberst Campbell, sagte von ihm im vertrautern
Kreise, „dass er den Ton der Wahrheit, ohne erbittert zu werden,
nicht hören könne," und das drückt sich in seinem Werke höchst
charakteristisch aus. Das Werk des Herrn von Artois mag ihn
bei dieser Gemüthsstimmung aufs äusserste gereizt haben, so
dass er sich zu den grössteu Ungerechtigkeiten gegen diesen
Schriftsteller hinreissen lässt. Manche seiner Ausstellungen
sind jedoch begründet. Nicht minder ergeht sich der Herzog
in einer Reihe von Bemängelungen der oberen Leitung der Ver-
tlieidigung und hat kein Wort der Anerkennung für Rapp, sucht
im Gegentheil dessen Leistungen bei jeder Gelegenheit herab-
zuziehen *), die eignen dagegen hervorzuheben. In dieser Be-
ziehung verfehlt er nicht, Aeusserungen der Literatur, wenn sie
ihm günstig sind, anzubringen.
') Zn seinen ungerechtfertigten Behanptnngen gehört unter anderem,
dass der Herzog erklärt, die französische Besatzung habe aus lauter kriegs-
erfahrnen Mannschaften bestanden, die 20jährige Feldzüge hinter sich hatten,
während er grösstentheils nur schlecht bewaffiiete Bauern zur Verfügung gehabt
hätte. Wie wir gesehen haben, bestand nur die Division Grandjean aus Truppen,
die bereits den Feldzng von 1812 mitgemacht hatten, aber auch aus Neufor-
mationen gebildet war. Der übrige Theil der Besatzung bestand mit Aus-
nahme von Versprengten, die sich in Danzig eingefunden hatten, aus unaus-
gebiideten Ersatztruppen. Von einer Ueberlegcnheit in der Zahl, die der
Herzog behauptet, kann gar keine Rede sein, da der grösste Theil der Be-
satzung in den ersten Monaten im Lazareth lag oder sonst dienstunfähig
248
Im übrigen ist das Werk des Herzogs von der grössten
Wichtigkeit und geeignet, den üblen Eindruck seiner Polemik
gegen den Gegner zu verwischen, da es ein genügendes Mate-
rial liefert, ein selbständiges Urtheil über die Belagerung zu
gewinnen. Auch seine Ungenauigkeiten und Lücken der Dar-
stellung sind durch kritische Untersuchungen unter Heranzie-
hung anderer Quellen zu berichtigen resp. auszufüllen. Was aber
seine Leitung betrifft, so hat sich der Herzog seiner Aufgabe,
den General Rapp unschädlich zu machen und die Belagerung
zu einem günstigen Ende zu führen, durchaus gewachsen ge-
zeigt ').
An russischen Quellen für die Belagerung ist ausser dem
Werke des Herzogs noch ein auf Befehl des Chefs der Ingenieure
von der Ingenieur- Abtheilung des Kriegsnünisteriums 1842 heraus-
gegebenes Jurnal für das Ingenieurkorps vorhanden, das im
Archiv für das preussische Artillerie- und Ingenieurkorps Band 20
S. 84 ff. in deutscher Uebersetzung abgedruckt ist. Es schliesst
mit der Wegnahme der Schottenhäuser in der Nacht vom 10.
zum 11. Oktober und giebt von der Belagerung nur noch die
Eintheilung des Belagerungskorps für die Trancheen. Wesent-
lich Neues ist darin nicht enthalten, auch ist es kein Jurnal,
sondern eine Sammlung von Nachrichten, die sich zufällig dar-
boten.
Von grossem Interesse sind dagegen die Briefe eines
preussischen Landwehrofficiers aus der Zeit vom Ausgange des
Waffenstillstandes bis zum Ende der Belagerung. Der Ver-
fasser wird nicht genannt, gehörte aber einer der ersten Fa-
milien Ostpreussens an und seheint nach einzelnen Andeutungen
Adjutant beim Bataillon Hülsen*) gewesen zu sein. Die Briefe
war, 80 dass nur 7000 bis 8000 Mann verwendet werden kounteu. Wenn
die Besatzung im Sommer bis auf 1500Ö und 16000 Dienstfähige stieg, so
war das Belagcrungskorps bis dahin auf 40000 angewachsen.
*) Das Urtheil des englischen Bevollmächtigten über die Leitung der
Operationen der Belagerung seitens des Herzogs ist im höchsten Grade par-
teiisch, wenn er behauptet: „dass kein Platz besser vertheidigt und keiner
schlechter angegriffen worden sei, als Danzig*^.
') Wie ich nachträglich aus einer Vorschlagsliste zu Auszeichnungen
(Kriegs- Archiv des grossen Qeueralstabs F. 15) ersehe, war ein Herr von
249
sind vom Generallieutenaiit z. D. von Wittich der Allgenieinen
Militairzeitung tiberlassen worden und von dieser im Jahrgang
1880 S. 178 ff. veröffentlicht. Unter dem frischen Eindruck
der Ereignisse geschrieben, bilden sie einen interessanten Bei-
trag zur Kenntniss der allgemeinen Verhältnisse und einzelner
Situationen.
Auch die französische Literatur über die Belagerung Danzigs
1813 ist nachträglich noch durch Werke von Augenzeugen be-
reichert worden, zunächst durch ßapp selbst, indem dessen
Familie im Jahre 1823 die „M6moires du general Bapp, aide-de-
camp de Napoleon, ecrits par lui-meme" herausgab. Es ist ein
merkwürdiger Irrthum, der sehr verbreitet ist, dass der General
nicht der Verfasser sein kann, weil er keine Schulbildung gehabt
habe. Doch auch das Leben ist eine Schule, namentlich wenn
es sich unter Verhältnissen wie das seine bewegt hat. Ein
anderer hätte sich unmöglich so in die Verhältnisse hinein-
denken können, um ein ähnliches Werk zu schreiben. Dieses
bezieht sich zwar auf die ganze Dienstzeit Rapps, behandelt
das Jahr 1813 jedoch weitläuftiger, um, wie der General in der
Vorrede bemerkt, die Namen der Tapferu, die unter seinem Ober-
befehl gestanden, aber durch den Lauf der Verhältnisse von
allen Belohnungen ausgeschlossen worden sind, der Nachwelt zu
erhalten. Dieser Gesichtspunkt hat ihn überhaupt zu seinen
Aufzeichnungen veranlasst. Man darf daher in dem Werk, das
an sich nur eine Skizze vorstellt, keine neuen Aufschlüsse
erwarten. Aber seine ganze Auffassung ist sehr anziehend.
Auch geht er näher auf die Motive seiner Handlungen ein.
Im Jahre 1841 erschien eine Broschüre von P. Himly: „Ca-
pitulation de Danzig, avec observations critiques par de Riche-
mont," welche unter dem Verwände, Plotho zu berichtigen, die
Leitung der Ingenieurarbeiten bei der Vertheidigung Danzigs
1813 für den Obersten von Richemont in Anspruch nimmt und
den General von Campredon davon ausschliesst. Die Schrift
hätte besser unterbleiben können. Die Verdienste Richemont's
als Baudirektor in den Jahren 1811 und 1812 und bei der
Brederlow Adjudaut des betreffeudeu Landwehr-Bataillons. Aas den Briefen
sind obige Aeusseruugeu des Obersten Campbell eutuommen.
250
Vertlieidigung 1813 sind von keiner Seite bestritten worden,
aber als Dirigent der Vertheidigungsarbeitcn wird er officiell
nirgends genannt.
Von grossem Wertli sind dagegen die von Charles Auriol
i. J. 1888 herausgegebenen Dokumente des Generallieutenants
von Campredon *). Das Werk hat vor dem Artois' den Vorzug
voraus, dass es ein wirkliches Tagebuch giebt, während Artois
die Form einer fortlaufenden Erzählung gewählt hat und da-
durch das Verständniss erschwert. Auch das aper^u des Her-
zogs von Würtemberg hat die Form des Tagebuchs verschmäht,
die für Darstellungen des Festungskrieges unerlässlich ist. Man
kann sagen, dass eine befriedigende Darstellung der Blockade
und Belagerung Danzigs erst durch die Schriften Campredons er-
möglicht ist. Von grossem Interesse ist auch der Schlussbericht,
den Campredon nach der Kapitulation über die Ingenieurarbeiten
dem Kaiser einreichte, und den Auriol im Anhange mittheilt.
Ausser obigen Quellenschriften existiren noch eiuige Be-
arbeitungen nach denselben, die sich jedoch auf eine Kritik
der Thatsachen in betreff der abweichenden Berichte nicht ein-
lassen oder doch einen sehr parteiischen Standpunkt einnehmen.
Die österreichische militairische Zeitschrift bringt im 3. Bande
des Jahrgangs 1825 eine Geschichte der Belagerung Danzigs
1813 vom Hauptmann Wohlgemuth, die jedoch nur das Werk
von d' Artois und das apergu des Herzogs von Würtemberg be-
nutzt und durchaus parteiisch für letzteren ist. Der General
Auditeur Friccius widmet in seinem Werke „Geschichte der Be-
festigungen und Belagerungen Danzigs mit besonderer Berück-
sichtigung der ostproussischen Landwehr. Berlin 1854" der Be-
lagerung von 1813 eine besondere Aufmerksamkeit, verwirft
aber die Werke von d' Artois und dem Herzoge von Würtem-
berg als Parteischriften und bemüht sich, aus den übrigen Quellen
eine Schilderung der Belagerung zusammenzustellen, die von einem
gänzlichen Mangel historischer Methode zeigt. Das Buch be-
hält jedoch dadurch einigen Werth, dass er bestrebt gewesen
*) Defense de Dautzig en 1813, Jouraal de siege, Journal personnel et
notes du gfen^ral de division de Campredon connnandant le genie du X© corps,
leltres diverse?, auuot^s et publi^s par Charles Auriol Paris 188S.
251
ist, Nacbricbten vou noch lebenden Augenzeugen einzuziehen
und zu verwerthen *). Eine dritte Darstelhmg der Belagerung
Danzigs 1813 hat Charles Auriol mit Bezug auf seine VeröfFent-
licbung der Dokumente Campredons in der Eevue historique
von 1889 gegeben, die jedoch ganz den französischen Standpunkt
vertritt und von dem Werke des Herzogs von Wiirtemberg keine
Notiz nimmt. Das apergu scheint überhaupt in Frankreich
unbekannt geblieben zu sein.
Die Quellenwerke werden vervollständigt durch die werth-
vollen Aktenstücke, welche das Kriegs-Archiv des grossen Ge-
neralstabes enthält, die mir durch die Güte des Chefs des Ge-
neralstabs der Armee, Herrn General der Kavallerie, Grafen
von Schliefen, zur Einsicht vorgelegen haben, wofür ich an
dieser Stelle meinen innigsten Dank ausspreche. Sie enthalten
die Berichte des Obersten von Pullet, des Grafen Dohna, zum
Theil auch des Herzogs von Würtemberg an den König Frie-
drich Wilhelm III. die Tagebücher des Obersten von Pullet
über die Ingenieur-Arbeiten und die des Majors Liebe, Komman-
deurs der preussischen Artillerie, über die Operationen dieser
Waffe, sowie das Tagebuch des Majors von Hake; ferner die
Tagebücher der einzelnen preussischen Truppentheile, die an der
Belagerung theilgenommen haben. Nebenher gehen einzelne Be-
richte an das Militair-Guvernement des Landes von der Weichsel
zur russischen Grenze in Königsberg, Privatbriefe des Grafen
Dohna an den General-Adjutanten v. d. Knesebeck, die Briefjur-
*) Wie ich nachträglich aas den Akten des Kriegs-Archivs ersehe, hat
Friccius das Tagebuch des M.ijors von Hake zur Grundlage seiner Geschichte
der Belagerung Danzigs genommen. Auch was er sonst neues zu erzählen
weiss, scheint er den Mittheilungen des Majors, spätem Obersten von Hake
zu verdanken zu haben, da Keiner wie dieser mit den Innern Verhältnissen
des Hauptquartiers vertraut war. Der Major von Hake war ursprünglich als
Ersatz für den vom Herzog von Würtemberg ins Hauptquartier gezogenen
3Iajor von Liebhaber zum Grafen Dohna als Generalstabs-Officier kommau-
dirt worden. Später wurde er für den Major von Liebhaber, der sich im
Hauptquartier nicht heimisch fühlte, vom Herzog an dessen Stelle komman-
dirt und erwarb sich des&en Vertrauen. Sein Tagebuch beschäftigt sich nur
mit den preussischen Truppen, und da Friccius sich diese vorzugsweise zum
Gegenstande genommen hat, war ihm das Tagebuch von grossem Werth, doch
kann C9 nicht als Grundlage für die Geschichte der Belagerung dienen.
252
naie des Hauptquartiers, soweit sie vom Major von Hake ge-
führt worden sind, eine Korrespondenz desselben mit dem Grafen
Dolina, Korrespondenzen des letztern mit dem Hauptquartier,
nebst andern Mittheilungen untergeordneter Art. Bei diesem
reichen Material war es nothweudig, sich bei Ausnutzung des-
selben möglichst zu beschränken, um nicht zu Unförmlichkeiten
in der Darstellung verleitet zu werden. Es kam darauf an, mit
Hilfe dieses Materials den Thatbestand festzustellen, insoweit
die widersprechenden Nachrichten der russischen und franzö-
sischen Berichte dies erforderlich machten, und die Ver-
schleierung des Thatsächlichen , wie sie sich auch bei sonst
treuen Darstellungen militairischer Ereignisse einschleichen, auf-
zudecken. Soviel dies durch Kandbemerkungen zu erreichen
war, ist Gebrauch davon gemacht worden. Nur in einzelnen
Fällen war es erforderlich, die preussischen Berichte als Grund-
lage der Darstellung zu benutzen.
Pläne.
Das Werk von d'Artois ist mit einem vorzüglichen Plane
im Massstabe von 6 cm = 1000 m (1 : 16655) versehen, der
offenbar dem officielleu Plan abgenommen ist. Auriol giebt
eine Reduction davon, hat jedoch Massstab und Nordlinie weg-
gelassen. Der Plan des aperqu ist ganz unzureichend, in sehr
kleinem Massstabe und ohne Sorgfalt ausgeführt, so dass Be-
zeichnungen im Text nicht auf dem Plane und solche im Plane
nicht im Text aufzufinden sind. Die skizzirte Geschichte giebt
ihrem Charakter gemäss nur eine Planskizze, auf der jedoch
die Angriffsarbeiten nach russischen Quellen ziemlich richtig
eingetragen sind^). Der Plan der österreichischen Zeitschrift
ist ganz brauchbar. Der Plan bei Friccius im Massstabe von
1 : 45000 ist zwar sehr schön, giebt aber nur die Eintragung
des Blockadekorps und einiger Batterien. Die übrigen Werke
sind ohne Pläne.
*) Die Planskizze stimmt mit derjeuigeu überein, welche der Major
Liebe seinem Tagebuch beigefügt hat. Sorgf«ältiger sind die Skizzen, welche
der Oberst von PuUct seinen Berichten an den König hinzugefügt hat imd
die in dem diesseitigen Plane berücksichtigt sind.
253
3. Die Blockade und Armirxmg Danzigs von ICitte Januar
bis 1. Mai 1813.
Die Besatzung von Danzig befand sich nach der Ein-
schliessung in der eigenthümlichen Lage, die Armirung der
weitläuftigen Festungswerke ausführen zu müssen, die sonst der
Eiuschliessung vorausgeht, also gleichzeitig im Innern des Platzes
rastlos zu arbeiten und gegen aussen sich bereit zu halten,
denselben gegen den Versuch eines gewaltsamen Angriffs, wozu
die Beschaffenheit der Werke und die zugefrorenen Gewässer
in hohem Grade aufforderten, zu schützen. Dabei war der
dienstfähige Theil der Besatzung in völlig unzureichender Stärke
und. von vornherein dem Mangel einer auskömmlichen Nahrung
ausgesetzt. Es herrschte ausserdem eine Kälte von 18 bis
20 Grad, die anfang Februar auf 26 Grad stieg. Um sich die
Möglichkeit offen zu halten, die Umgegend auszufuragiren, Hess
der Guverneur die Vorstädte nicht niederbrennen, sondern
dehnte sich im Gegentheil noch über dieselben hinaus aus, wo-
durch seine Kräfte noch mehr zereplittert wurden. Er behielt
Brösen, Saspe, Neu-Schottland, Striess, Langfuhr, Heiligenbrunn,
Schidlitz, Stolzenberg, Schottland, Stadtgebiet und Ohra besetzt.
Auf dem Werder wurden die dem Fort Lacoste zunächst
gelegenen Häuser besetzt, ebenso die in der Inundation gelegenen
Inseln. Auf der Nehrung behielt er Heubude und Neufehr inne
und schob die Vorposten bis in die Nähe von Bohnsak vor.
Es wurden tägliche Furagirungen im Werder und über die
Vorposten hinaus nach Pitzkendorf und Schönfeld gemacht.
Die Beute wurde zwar immer geringer, aber man hoffte auf
die bessere Jahreszeit und behielt die Position besetzt.
Werfen wir einen Blick auf die Russen. Der Graf Platow
hatte mit einem 6000 bis 7000 Mann starken Kosackenheere
am 12. Januar bei Marienburg die Nogat überschritten und,
wie wir gesehen haben, die Franzosen allmählich auf Danzig
zurückgedrängt. Am 21. war die Eiuschliessung vollständig
und die Besatzung von jeder Kommunikation nach aussen ab-
geschnitten. Platow befand sich für seine Person noch am 24.
vor Danzig und bemühte sich, da er mit den Kosacken nicht
stürmen konnte, auf alle mögliche Weise, namentlich durch
Proklamationen, auf den Senat der Stadt, dann auf die Polen
254
und zuletzt auch auf die Deutschen einzuwirken, das Joch der
jammervollen Franzosen, die nur noch Schattenbilder seien,
abzuschütteln. Er bot den Ueberläufern Schätze an, doch
alle diese Versuche, die auch später fortgesetzt wurden, blieben
ohne Erfolg. Rapp verstand es, den Hieb zu pariren. Er Hess
die Proklamationen, die ihm abgeliefert wurden, drucken und
vertheilen und versprach jedem eine Belohnung, der ihm neue
mitthcilte. Anfang Februar langte auch russisches Fussvolk
an*), und das Kosackenkorps wurde aufgelöst, ein Theil dem
Blockadekorps überwiesen, der andere Theil unter Czerniczew,
Dörnberg und Tettenborn der Armee Wittgensteins zugetheilt,
um die von ihm zur Blockade von Danzig abgegebenen Truppen
zu ersetzen. Wittgenstein war nämlich am 14. Januar in
Elbing eingetroffen und hatte hier den Befehl erhalten, das
Blockadekorps zu formiren. Er bestimmte dazu das Armee-
korps von Steinheil und den grössern Theil vom Korps von
Berg, sowie einige Regimenter der andern Abtheilungen *). Da
der General von Steinheil nach Fiuland, dessen Guverneur er
war, zurückbeordert wurde, erhielt der Vertheidiger von Riga,
Generallieutenant Löwis, das Kommando des Blockadekorps.
Bei den geringen Kräften, über die er verfügte, konnte er sich
nur auf eine Beobachtung von Danzig einlassen, auch scheint
sein Auftrag darüber nicht hinausgegangen zu sein. Dagegen
ist es unverständlich, warum Wittgenstein, der auf höhern Befehl
bis zum 2. Februar unthätig in Elbing verweilte und dann in
Stargardt bis zum 13. Februar anhalten musstc, nicht den Be-
*) Nach Dilring S. 26 zeigte sich russische Infanterie znerst am
3. Februar.
*) Nach dem aper^u S. IL hat Wittgenstein die 6., 21. and 25. In-
fanterie-Division, zusammen noch nicht 9000 Mann, ferner 6 Eskdr. Husaren,
8 Eskdr. Dragoner, 4 Eskdr. Ulanen, 8 Regimenter Kosacken und Tataren,
sowie 7 Kompagnien Feld- Artillerie, in Summa 18500 Mann an das ßlockade-
korps abgegeben. Die Berechnung scheint jedoch nicht zutreffend, da das
Jurnal die Stärke des Blockadekorps um die Mitte Februar, nachdem Ver-
stärkungen von Pillau eingetroffen waren, auf nur 10902 Mann angiebt, eine
Zahl, die als officiell zu betrachten ist. Die 0 Eskdrs. Husaren, 1 Regiment
Kosacken und 2 Kompagnien Artillerie, welche inzwischen zur grossen Armee
abmarschirt waren, kOnneu höchstens lOüO Manu stark gewesen sein.
255
fehl erhielt, Danzig zu stttrmeii, da dessen Zustand im russischen
Hauptquartier bekannt sein musste.
Der General Löwis nahm folgende Aufstellung ein. Der
Generalmajor Wiljaminow besetzte mit seiner Reiterei *) die
Linie Oliva, Brentau, Nenkau, Scliiddelkau und Kowal, wo sich
die Truppen des Bergschen Armeekorps unter dem Generalmajor
Alexejew anschlössen. Hinter der Reiterei stand das Fuss-
volk, das in zwei Abtheilungen formirt war. Die linke Ab-
theilung ^) hielt Gluckau, Byssowe, Mattern und Freudenthal,
die rechte ^) unter dem Oberstlieutenant Kusmin die Ortschaften
Kalpin, Ottomin und Nastimpol besetzt. Die zugehörige Ar-
tillerie*) war auf den Flügeln vertheilt. Die Reserve unter
Kommando des Generalmajors Tschernisch^) stand in Zuckau.
Von den Bergschen Truppen waren die Dörfer St. Albrecht
und Praust unter dem Oberst Jachontow mit 2 Regimentern
zu Fuss und einem Kosackenregiment ^) mit zwei Geschützen
der reitenden Batterie Nr. 1 besetzt. Die Reiterei unter dem
Obersten Lotschilin I besetzte die Linie Neuenhuben, Quaden-
dorf ^). Auf der Nehrung befanden sich 2 Sotnien Kosacken in
Bohnsak und ein Bataillon**) mit 2 Geschützen der reitenden
Batterie Nr. 23 in Wordel.
Hinter der Reiterei im Werder befand sich wiederum das
Fussvolk in 2 Abtheilungen, die erste ^) in Müggenhall, Schönau
^) Das Isnmsche Hasaren-, Perekopsche Tataren-Begiment und die Eo-
sai-ken-Begimenter Grekow II und Sutscbilin.
*) Sie bestand aus dem B. und 4. kombinirten Infanterie-Regiment.
') Das 2. Jäger-, 1. See- und Petrowskiscbe Infanterie-Regiment.
*) Die leichte Batterie N. 26 und eine halbe reitende Batterie N. 3 auf
dem linken, die leichte Batterie N. 40, 2 Geschütze der reitenden Batterie
N. 5 und 4 der reitenden N. 24 auf dem rechten Flttgel.
') Sie bestand ans dem Kasanschen Dragoner -Regiment, dem Woro-
newskischen Infanterie-Regiment und der schweren Batterie N. 21.
*) Das Jachontowsche Volontair- und 24. Jäger-Regiment, nebst dem
Kosacken-Regiment Kutainikow.
^ Sie bestand aus dem Kosacken-Regiment Lotschilin, dem kurländischen
Volontair- und einem Kalmücken-Regiment.
^ vom 5. kombinirten Jäger-Regiment.
") Aus dem 3. Jäger- und dem littauischen Infanterie -Regiment mit
4 Geschützen der schweren Batterie N. 5 bestehend.
256 _
und Trutenau, die zweite *) in Hochzeit. Die Reserve^) unter
dem Oberst Erkeln lag in den Dörfern Wozlaw, Eeichenherg,
Weselinken, Klein- und Gross-Zünder.
Das Hauptquartier des Generals Löwis befand sich in Piaust,
das des Generals Alexejew in Gross-Zünder, das des Generals
Weljaminow ist nicht bekannt^).
Nachdem der General Rapp die Besatzung organisirt und
die der Ordnung ganz entwöhnten Truppen einigermassen dis-
ciplinirt hatte, musste es ihm darauf ankommen, sie an das
Gefecht zu gewöhnen. Er bediente sich dazu zunächst der
Division Grandjean, der einzigen, die im Feuer gewesen war,
und von der er sich einen Erfolg versprechen konnte*). Er
stellte dem General die Aufgabe, das vom Feinde besetzte
Dorf Brentau zu rekognosciren. Wie wir gesehen haben,
befand sich hier nur Reiterei. Es war sehr leicht, sie zurück-
zuwerfen, aber d'Artois'^) entwirft davon ein förmliches
Schlachtengemälde, obgleich er eingesteht, dass man es nur mit
300 bis 400 Baschkiren (es waren die Perekopschen Tataren)
zu thun hatte, denen man 3 Gefangene abnahm. Eine Re-
kognoscirung, die der General Husson an demselben Tage, den
*) Ans dem Tinginskischcn lufanterie-Regiinent bestehend.
*) Sie bestand ans dem 5. (?) Bataillon des 5. Jäger-Regiments, dem
2. Bataillon des 1. kombiuirten Jäger - Regiments nnd aus 2 Eskadrons des
M {tauschen und Kasanschen Dragoner-Regiments mit 12 Geschützen der rei-
tenden Batterie N. 23.
') Die vorstehende Dislokation befand sich in den nach der Kapitniation
von Danzig mit Beschlag belegten Papieren der französischen Ingenieur-
officiere und ist dem russischen Jurnal für das Ingen ienrkorps einverleibt
worden. Archiv für die Officiere der ArtiHerie und des Ingenieurkorps Bd. 20
S. 84, 85. Einzelne Ungenauigkeiten mögen sich in der Zusammensetzung
des Blockadekorps finden, im allgemeinen ist sie jedoch richtig und dadurch
von Werth, dass russische Nachrichten aus dieser Zeit fehlen. Das russische
Jurnal giebt bei Mittheilung derselben keinen Kommentar dazu, hält sie also
für richtig.
*) Der General Rapp verband mit dem Ausfall noch die Absicht, den
Russen, welche aussprengen Hessen, dass sie es auf einen gewaltsamen An-
griff abgesehn hätten und zu dem Zweck im Werder eine grosse Anzahl
Leitern auftreiben lie-sseu, zu zeigen, dass die Besatzung noch bei Kräften
sei. M^moires de Rapp S. 216.
*) Relation S. 52.
257
29. Januar, gegen Pitzkendorf, Miggau und Wonneberg aus-
führte, traf nur auf Kosacken mit 2 Geschützen, die zurück-
wichen*^).
Ernstliclier war ein Ausfall am 4. Februar. Augenschein- Februar,
lieh wollte der Guverneur die Neapolitaner im Gefecht beob-
achten, um zu sehen, was er an ihnen habe. Er gab dem
General Detres den Auftrag, Striess wiederzunehmen, das von
den Russen mit 2 Bataillonen besetzt worden war^. Detres
ging um 9 Uhr morgens mit 4 Bataillonen 4 Eskadrons und
3 Geschützen aus Langfuhr gegen das Dorf vor, Hess den
Oberst Farine mit der Reiterei in der Ebene Aufstellung nehmen
und sendete den Oberst Degennaro mit einem Bataillon des
7. Regiments und 150 Voltigeuren des 6., nebst einer Eskadron
des polnischen Ulanen -Regiments gegen Brentau vor. Die
Russen zogen ihre Vorposten ein und gingen darauf zum An-
griff über. Der Oberst Graf Dolon fiel mit den Isumschen
Husaren und Perekopschen Tataren über die Tirailleure her,
die sich zuweit vom Bataillon entfernt hatten und nieder-
gemacht wurden. Der Major Lukwenew folgte mit einem
Bataillon des 4. kombinirten Infanterie-Regiments. Obgleich
der Oberst Farine zu Hilfe eilte und den Oberst Degennaro
entsetzte, glaubte D6trfes, der anscheinend keine Fortschritte
gegen Striess gemacht hatte, den Rückzug antreten zu müssen ^).
Er wurde vom Major Bauer aufgenommen (Beiheft zum Militär-
Wochenblatt 1887 8. 120). Das Dorf blieb von einem Bataillon
Neapolitanern besetzt, das um 3 Uhr nachmittags von den
Russen vertrieben wurde.
Das russische Jurnal schätzt den Verlust der Neapolitaner
auf 400 Mann*).
>) Ebenda S. 53.
') Die Besetzung von Striess rassischerseits wird in den rassischen Be-
richten nicht erwähnt. Nach dem „Apercu'' ist der General D^trös sogar aus
Striess zumAngriff der Russen vorgebrochen. Das ist jedoch ein Irrthuni,
denn das russische Belagernngs - Jurnal (Archiv S. 86) lässt ihn aus Lang-
fahr ausfallen.
*) d'Artois 55.
«) Archiv S. 86. Nach Blech 2, 26 bestand der Verlust aus 100 Todten
and 25 Gefangenen.
Köhler, Oeachicbte der Featungen Danzig und Weichselmiinde. il. 17
258
Die Übrigen Vorposten-Kommandeure waren von dem Vor-
haben der Neapolitaner benachrichtigt worden und hatten den
Auftrag erhalten, den Gegner scharf zu beobachten. Sei es
aus Missverständniss oder einem andern Grund, begnügte sich
der Oberst von Heeringen, der mit rheinbündlerischen Truppen
in Stolzenberg und Schidlitz stand, nicht damit, sondern ging
auf Wonneberg vor, vertrieb hier die Kosacken, gelangte beim
weitem Vorgehen jedoch in ein wenig übersichtliches Gelände
und wurde von allen Seiten angefallen. Die überraschten
Truppen hatten nicht die Zeit, Karr6 zu formiren und wurden
entweder niedergemetzelt oder gefangen. Nur der Frankfurter
Major Horadam, der sich durchschlug, entkam. Der Verlust
betrug nach d' Artois 22 Offiziere 243 Mann ^).
Der Guverneur konnte das reiche Dorf Langfuhr nicht im
Besitze der Russen lassen und unternahm am 6. einen wohl
vorbereiteten Angriff darauf. Er bestimmte den General
Grandjean mit 8 Bataillonen, 4 Geschützen und einigen Es-
kadrons zum Angiiff des Dorfes, während der General Bachelu
mit 4 Bataillonen und zwei Geschützen Pitzkendorf und
der General Husson mit 2 Bataillonen 2 Geschützen Neu-
Schottland angreifen sollte. Der General Cavaignac sollte mit
der Reiterei über Schellmühl eine Umgehung ausführen*). Es
hätte der Aufbietung so bedeutender Kräfte nicht bedurft. Die
Russen hatten die Stellung von Langfuhr und Striess mit 500
Mann Fussvolk und 250 Reitern besetzt und räumten die
Dörfer, die sie mit ihren geringen Kräften auf die Dauer doch
nicht hätten behaupten können. Ein weiteres Vordringen der
Franzosen über Striess hinaus wurde jedoch zurückgewiesen*).
Mühlenhof blieb von den Russen besetzt, deren Vorposten sich
bis Konradshamraer ausdehnten. Die Franzosen richteten Lang-
ftihr zur Vertheidigung ein und krenelirten namentlich die am
^) Relation S. 56. Nach Blech 2, 26 betrug er 22 Officiere 340 Mann
an Gefangenen und 60 Todte. Nach Düriug S. 27 war das Detachement
überhaupt nur 256 Mann stark. Bauer giebt den Verlust auf 2ö0 Mann an.
») d 'Artois S. 56.
') Archiv S. 86. Von einem Angriff, den die Russen darauf noch gegen
Langfuhr gemacht haben sollen, und der vom herbeieilenden General Husson
zurückgewiesen wurde (d 'Artois 57), wissen die nissischen Berichte nichts.
diesseitigen Ausgange gelegenen beiden Häuser, um bei einem
Angriff der Russen der in Aller Engeln stehenden Reserve Zeit
zu geben, heranzukommen^).
Rapp stand von weitern Unternehmungen ab. Der Zustand
der Besatzung war durch den um sich greifenden Typhus sehr
bedenklich geworden. Im Januar waren täglich 50 Mann ge-
storben, im Februar steigerte sich das infolge der ansteckenden
Krankheit, der grossen Strapazen und der geringen Nahrung
auf täglich 130 Mann. Die Zahl der Kranken betrug ende
Februar 15000. Hauptsächlich litten die Nationalfranzosen und
Neapolitaner, deren rege Phantasie sie schwieriger als die
andern Nationen die Anstrenguugeu und die Beunruhigung Über
die Zukunft ertragen liess^). Aber auch die nicht von der
Krankheit angegriffenen Mannschaften schleppten sich aus
Schwäche und Traurigkeit nur mühsam hin. Die Portion wurde
Mitte Februar auf 4 Unzen frisches Fleisch auf 2 Tage und
in der Zwischenzeit auf eine gleiche Menge Pökelfleisch ausser
dem Brod herabgesetzt ^). Der Guverneur sann auf Mittel, den
Major gen6ral von diesem Zustande zu benachrichtigen und
entschloss sich schliesslich, ein kleines Schiff auszurüsten, das
nach Stralsund, wo sich noch eine französische Besatzung be-
fand, fahren sollte. Der Herzog von Ahremberg, Ordonnanz-
Offizier des Kaisers, und der Hauptmann Chichowski vom 5.
polnischen Infanterie - Regiment übernahmen es, die Botschaft
auszurichten. Rapp bat namentlich Pökelfleisch, Salz und
Medikamente auf dem Wasserwege, bevor die Engländer auf
der Danziger Rhede erschienen, zu übersenden. Das Boot
wurde jedoch 25 Lieues von Danzig entfernt von einem heftigen
') Campredon 64. Wie der Major Bauer unterm 7. März an seinen
Bruder schreibt (Beiheft d. M. W. Bl. zu 1887 S. 121) habe er, der seit dem
3. März die Vorposten bei Langfuhr kommandirte, auf eigenen Antrieb die
beiden Häuser zu Blockhäusern einrichten lassen.
*) Dissertation snr le typhus contagieux, qui a r6gn6 6pidemiquement
ä Dantzick pendant le blocus et le si^ge de cette place en 1813, pr^nt^e
ä la Facult^ de M6decine de Paris par J. B. Tort, docteur en M6decine, em-
ploj6 & Dantzick. Paris 1817 p. 15. d'Artois S. 61.
*) d'Artois, Relation S. 63.
260
Sturm erfasst und musste umkehren, um eine bessere Jahres-
zeit abzuwarten *).
Inzwischen waren die Armirungsarbeiten seit Mitte
Januar mit aller Kraft gefördert worden ^. Die Werke mussten
vom Schnee befreit und das Eis der Gräben aufgehauen wei-den.
Es lag darin eine ungeheure Arbeit, die bei 20 Grad Kälte ausge-
führt werden musste. Mau stellte in dem Eise der Gräben eine
Lttnette von 8 bis 10 Meter Breite her und thürrate die daraus
gewonnenen Eisschollen diesseits derselben auf, um daraus einen
unübersteiglichen Wall zu bilden. Bei der grossen Kälte bildete
sich aber immer von neuem eine Eisdecke, trotzdem fort-
während Kähne das Wasser in Bewegung setzten. Schwieriger
noch war die Arbeit auf der Weichsel. Hier begann man an
der Mündung und stellte einen Kanal von 16 bis 17 Meter
Breite her, der in der Mitte des Flusses bis zum Fort Lacoste
(gegen 10000 Meter Entfernung) ausgeführt wurde. Es wurden
Eisstücke von 6 bis 7 Meter im Quadrat mittelst einer beson-
ders dazu konstruirten Axt ausgehauen und abgestossen, dass
sie dem Meere zuflössen. Der Frost steigerte sich aber so, dass
trotz der schnellen Strömung des Flusses der ganze Kanal in
einer einzigen Nacht wieder zufror und die Arbeit von neuem
begonnen werden musste. Es waren täglich 1200 Mann der
Besatzung dazu angestellt, die Tag und Nacht daran arbeiteten.
Dies wiederholte sich noch ein zweites Mal, so dass der Kanal
dreimal aufgeeist werden musste^).
Am Ein- und Ausfluss der Mottlau wurde eine starke Barri-
kade errichtet und davor ein Graben ausgehauen. Davor wurde
eine doppelte Reihe spanischer Reiter aufgestellt. Ebenso
wurde beim Einfluss der Radaune in die Festung verfahren*).
Am schwierigsten war die Aufstellung der Palisaden. Die
Löcher dafür mussten mit der Axt aufgehauen werden, nach-
dem die Erde zuvor durch aufgelegtes und angezündetes Holz
erwärmt worden war. Diese Arbeit wurde an allen Aussen-
^) Ebenda S. 64.
>) Ebenda S. 41.
>) Ebenda S. 42.
*) Ebenda S. 43. Campredon, Aiiriol S. 62.
261
werken ausgeführt aud auch die Kehlen derselben ^ selbst am
Fort Desaix, wurden mit Palisaden geschlossen. Thore, Barri-
eren und Poternen wurden angelegt und die Verbindungen der
Werke gesichert '). In den Kurtinen der Faussebraien derjenigen
Fronten, welche der Inundation zugewendet waren, wurde ein
Tambur von Palisaden erbaut *). Auf dem Hagels- und Bischofs-
berge wurden ausserdem die alten Blockhäuser in den eingehen-
den Winkeln des gedeckten Weges ausgebessert resp. neue
konstruirt und in den gedeckten Wegen eine zweite Reihe Pali-
saden aufgestellt. Alles das wurde in den Monaten Januar
und Februar ausgeführt*).
Grosse Thätigkeit herrschte auch bei der Artillerie. Ende
Januar waren bereits 500 Geschütze aufgestellt. Es wurden
LaiTeten reparirt, die Handfeuerwaffen instandgesetzt, Munition
angefertigt^).
Mehrere Gebäude wurden zu Lazarethen eingerichtet, Medi-
kamente angekauft und, was sonst zur Ausrüstung gehörte, be-
schafft. Sehr zu statten kamen dabei die 13 Millionen Franken,
welche die Kontributionen in Kurland eingebracht hatten. Es
waren dabei 10 Millionen in Münze, die andern 3 Millionen in
Papierrubeln und Anweisungen. Für den Bedarf war das wenig,
wenn man berücksichtigt, dass die Truppen seit mehreren Mo-
naten ohne Sold waren und zahlreiche Civilarbeiter angestellt
werden mussten, ganz abgesehen von den Ankäufen an Lebens-
mitteln, Furage und Medikamenten.
Seit der Mitte des Febmar wurde die Temperatur auffal-
lend günstiger. Anhaltende Regen bedeckten die Eisdecken mit
Wasser. Am 24. Februar begann das Eis sich zu spalten und
auf der W^eichsel sich in Bewegung zu setzen. Der Fluss
konnte nicht mehr überschritten werden. In der Nacht vom
26. zum 27. begann der Eisgang, zugleich aber auch eine
Stopfung des Eises an der Biegung der W^eichsel beim Holm.
Die Mottlau wurde dadurch so aufgestaut, dass sie die Speicher-
^) Ebenda.
*) CampredoD, Auriol.
3) d\4rtois Relation S. 43.
*) Ebenda S. 44.
262
insel und Langgarten überschwemmte. Bald ergoss sich auch
die Weichsel über beide Ufer und brach an mehreren Orten
die Dämme. Die Vorstadt Kneipab und die ganze Gegend bis
auf 1 Vs Lieues aufwärts wurden unter Wasser gesetzt. Mehrere
Posten auf der Nehrung und im Werder, die in der Nacht davon
überrascht worden waren, wurden abgeschnitten und kamen
grösstentheils um *). Die Besatzungen auf dem Holm und vom Fort
Napoleon konnten erst nach 36 Stunden gerettet werden*). Die
in den Kellern der Niederstadt aufbewahrton Lebensmittel der
Einwohner gingen grösstentheils verloren. Der Preis der Le-
bensmittel erreichte eine unerschwingliche Höhe *). Das Wasser
drang in die Werke, schwemmte die Palisaden weg, beschädigte
Schleusen und Brücken, zerstörte sie zum Theil. Das Fort
Napoleon wurde durch eine Fluth, die sich bei Heubude Bahn
gebrochen hatte, stark beschädigt, die Pulverbestände wurden
verdorben. Die Rückfortor Schleuse wurde ganz zerstört und
fortgerissen, der Damm daselbst in einer Ausdehnung von 40
bis 43 Meter durchbrochen, so dass sich die Weichsel in den
Werder ergoss. Seit 1775 hatte man solchen Eisgang nicht
erlebt. Das grösste Unglück sollte aber noch folgen. Der
grosse Batardeau am Bastion Braunross wurde weggeschwemmt
und der gegenüberliegende am Bastion Mottlau stark beschädigt,
durch enorme Anstrengungen jedoch noch gerettet. Es stand
in Aussicht, dass die Ueberschwemmung durch die Festungs-
gräben in die Weichsel abfliessen würde, wodurch der schwächste
Theil der Umfassung der Stadt blossgelegt worden wäre*).
Am 27. Februar wurde die Radaune bei Praust von den
Russen abgeleitet und der Stadt dadurch das Wasser entzogen.
Es mussten mehrere Rossmühlen erbaut werden, um das Getreide
für die Besatzung zu mahlen % Am übelsten stand es mit der
Feuersgefahr, die aus dem Mangel an Wasser entsprang. Man
*) d'Artois, Relation S. 65.
») Blech S. 2, 37.
') Ebenda S. 2, 38.
*) d'Artois, Relation S. 67.
») Ebenda S. 70.
263
half sich schliesslich, indem man aus der Mottlau längs der
langen Brücke Pumpen anlegte*).
Die Russen hatten sich seit dem 6. Februar ruhig ver-
halten. Gegen mitte des Monats erhielten sie nicht unerheb-
liche Verstärkungen, die anscheinend von Pillau kamen, das am
8. Februar kapitulirt hatte. Ein um den 20. gefangener russi-
scher Officier sagte aus, dass er erst vor 5 Tagen vor Danzig
angekommen und mit einer Kolonne von 6 Regimentern Infan-
terie und 2 Kosacken -Regimentern marschirt sei. Ein Vergleich
der obigen Truppendislocirung mit der nachfolgenden vom
17. Februar zeigt, dass eine Vermehrung des Blockadekorps
um 9 Infanterie- und Jägerregimenter, 3 Kosacken- und 2
Ulanen-Regimenter stattgefunden hat. Dagegen war das Isumsche
Husaren-Regiment einige Tage nach dem Gefecht vom 6. Fe-
bruar zur grossen Armee abmarschirt. (Apercu S. 22.) Auch
das Infanterie- Regiment Tinginsk fehlt, das nach Küstrin be-
ordert war. Der neuen Dislocirung liegt eine veränderte Ein-
theilung des Korps zugrunde, die jedenfalls infolge der Ver-
stärkung erforderlich wurde. Das Blockadekorps zerfiel danach
in 4 Abtheilungen und 2 Reserven. Vom linken Flügel abge-
rechnet, hatte die 1. Abtheilung unter dem Generalmajor
Wiljaminow, in der Stärke von 970 Reitern und 2600 Mann
Fussvolk '), den Raum vom Strande bei Konradshammer bis zum
Miggaubach zu decken. Ihre Vorposten standen in Glettkau,
Miihlhof, Pelonken, Silberhammer, Brentau, Zigankendorf , Miggau.
Die 2. Abtheilung, 540 Reiter und 872 Mann Fussvolk
stark ^, war vom Generalmajor Kulnew befehligt und besetzte
den Raum vom Miggaubach bis Schönfeld. Sie hatte Posten
*) Blech 2, 35. Lange Brücke ist der Weg auf dem BoUwerk längs
deä linken Mottlannfers von der Koggenbrücke zum Fischmarkt.
*) Die 1. Abtheilung bestand aus den Kosacken-Regimentem Grekow I,
Grekow V, Grekow XVII, aus dem Perekopschen Tataren-Begiment, dem 1.,
2., 3. und 4. kombinirten Infanterie-Regiment, aus 6 Geschützen der reiten-
den Batterie N. 3 und ans der leichten Batterie N. 10.
') Die 2. Abtheilung bestand ans den Kosacken-Regimentem Tschemo-
snbow Vin und Jagodin, den Petrowschen- und Woroneschkischen Inf anterie-
Begimentem, aus dem 1. und 2. See-Regiment, 6 Geschützen der reitenden
Batterie N. 3.
264
auf den Höhen von Schidlitz, Wonneberg, Zankencziu und
Schönfeld.
Die 3. Abtheilung, 732 Keiter und 1918 Mann Fussvolk
stark*), war vom Oberst Turtschaminow befehligt und be-
setzte den Raum zwischen Schönfeld und der alten Radaune
bei Krampitz mit Vorposten bei Matschkau, St. Albrecht und
Nobel.
Die 4. Abtheilung, 620 Reiter und 1100 Mann Fussvolk
stark*), war vom Generalmajor Grob unzow befehligt und be-
setzte den Raum zwischen der alten Radaune am Eramskruge
bis zur Weichsel. Posten waren auf allen nach Danzig führen-
den Wegen vorgeschoben. Zu dieser Abtheilung gehörte noch
der Oberst Rosen, der mit 500 Mann ') in Bohnsak und Wördel
auf der Nehrung stand und Posten nach Neufehr vorgeschoben
hatte.
Die 1. Reserve stand in und bei Uhlkau, südwestlich von
Rosenberg, und war 975 Mann stark ^). Befehlshaber war der
Generalmajor Rachmanow. Die 2. Reserve w^urde vom General-
major Tschernisch befehligt, war 550 Mann stark*) und
stand in Neustadt*).
Die 4 Abtheilungen zählten, ausser der Reserve und dem
*) Die 3. Abthcilung bestand aus den Kosacken-Regimentern Sutschilin,
Cliaritonow, dem Volontair - Regiment Jaisontow, aus 4 Eskadrons des pol-
nischen Ulanen-Regiments, den Infanterie-Regimentern Tnia und Nowaginsk,
dem 3. Jäger-Regiment, aus 6 Geschützen der reitenden Batterie N. 19 und
der leichten Batterie N. 40.
*) Die 4. Abtheilung bestand aus dem Kosacken- Regiment Ilowaisky
IX, dem Tataren -Regiment Simpheropol, dem Brianskischen Infanterie-
Regiment, dem 44. Jäger-Regiment und aus 6 Geschützen der reitenden Bat-
terie N. 19.
^) Der Oberst Rosen hatte das kombinirte Dragoner -Regiment und das
littauische Infauterie-Regimeut nebst 2 Sotnien Kosacken (200 M.) unter sich.
*) Die 1. Reserve bestand aus dem Nisowschen und Newaschen Infan-
terie-Regiment, aus der leichten Batterie N. 11 und der schweren Batterie N. 6.
^) Bestehend aus dem Kasanschen Dragoner- und Tamburgi sehen Ulanen-
Regiment.
') Das Vorstehende ist dem russischen Belagerungsjurnal entnommen.
Archiv S. 86. 87. Siehe auch Apercu (Herzog v. Würtemberg) S. 22, das
jedoch die Stärke nicht mittheilt.
265
Detachement auf der Nehrung, 2862 Reiter uud6490 Mann Fassvolk,
24 reitende, 24 leichte und 12 schwere Geschütze. Die (ie-
sammtsumme, incl. der Reserven und des Obersten Rosen, betrug
10902 Mann*).
Blech, der sich mehrfach auch in militairischer Beziehung
gut unterrichtet zeigt, sagt, dass der General Wiljaminow in
Oliva, Kulnew in Schiddelkau, Rachmanow (für Turtschaminow)
in Praust, Gorbonizow (Grobunzow) in Wozlaw Quartier hatten.
Das Hauptquartier befand sich nach wie vor in Praust. Er
fügt noch hinzu, dass die Magazine sich in Dirschau und Neu-
stadt befanden und kleinere für die tägliche Ausgabe in Oliva,
Sukau und Praust vorhanden waren. In Mewe war ein grosses
Lazareth etablirt. Ambulanzen befanden sich in Oliva und
Rusowtschin nördlich von Langenau*).
Die Franzosen mussten die russischen Verstärkungen sehr
bald empfinden, indem seit dem 25. Februar das Furagiren über
die Vorposten hinaus nicht länger angängig war^). Ihr Ver-
such, sich am 15. Februar des Dorfes Quadendorf im Werder
zu bemächtigen, misslang. Ein zweiter Versuch am 22. Februar
wurde ebenfalls zurückgewiesen*). Man bemerkte in den rus-
sischen Lagern vielfache Bewegungen, neue Posten wurden vor-
geschoben, andere eingeschaltet. Gegeu Langfuhr fanden Zu-
sammenziehungen statt. Der General Rapp traf daher Vor- März,
bereitungen, einem Angriff zu begegnen. Er Hess am 3. März
den Posten von Langfuhr verstärken-^) und stellte am Olivaer
Thor eine grössere Reserve auf ^).
') Die Siiiumirung ist jedoch uicht genau. Die Totalsuinme würde
1 1 387 Manu betragen.
*) Blech 2, 17.
*) Campredon. Auriol S. 66.
*) Apercu S. 23.
^) Tagebuch des Majors Bauer bei Plümicke (skizzirte Gesch.) S. 190,
wonach der Major, welcher den erkrankten Regimentskommandeur v. Pless-
mann vertrat, mit dem 1. westfälisclien Infauterie-Kegimeut, in der Stärke
von noch 280 3Ianu, am 3. März die Vorposten von Langfuhr, Striess und
Neuschottland besetzte und die daselbst befindlichen Franzosen, bestehend
aus einem Hauptmann, 2 Lieutenants und 70 Mann, zugetheilt erhielt. VgL
auch das Schreiben des Majors vom 4. März.
•) d'Artois S. 74. Derselbe theilt S. 73 in einer Note die Auf-
266
Angriff der Bussen am 6. Harz.
Am 5. März 4Vs Uhr morgens, also bei völliger Dunkelheit,
drangen die Bussen auf allen Punkten auf die französischen
Vorposten ein und warfen sie aus Striess, Neu-Schottland, vom
Zigankenberg, aus Schidlitz, Stolzenberg, Ohra und Stadtgebiet
in Unordnung*) zurück. Die Vorposten bei Langfuhr, die in
der Nacht vom 4. zum 5. von den 70 Franzosen gebildet wurden,
die sich beim Detachement des Majors Bauer befanden und in
Striess und auf dem Wege nach Jäschkenthal standen, waren von
dem Angriff so bestürzt, dass sie, ohne einen Schuss abgegeben
zu haben, der die Westfalen im Dorf hätte aufmerksam machen
können, p61e-mele mit den Russen in Langfuhr anlangten. Die
Besatzung des Dorfes wurde daher noch in den Häusern über-
stellung der Vorposten fraiizösiächerseits mit, die für das Gefecht Tom 5. März
von Wichtigkeit ist.
Fussvolk. Offlzlere. Soldaten.
Ohra, Stadtgebiet und Altschottland ......... 40 534
Bischofsberg 3 159
Stolzenberg 3 99
Schidlitz 3 100
Zigankenberg 4 130
Hagelsberg 8 198
Holzraum 22 405
Langfuhr und Neu-Schottland 11 190
Zu AUer Engeln, Kabrun und Schellmühl als Beserve . . 8 310
Fort Desaix 5 68
„ Lacoste 3 94
Holm 5 121
Fort Napoleon 5 114
Weichselmünde '33 832
Neufahrwasser 53 1138
Kavallerie. Officlere. Soldaten.
Stolzenberg 1 40
Stadtgebiet 1 40
Summa 208 4572
Total 4780.
') d'Artois sagt natürlich S. 74: Nos postes aYanc6s furent oblige de
battre en retraite , ils se repliercnt cepcndaut avec ordre et sangf roid, en
faisaut uu feu vigoureux. Der Bericht des Majors Bauer bezeugt für Langfnhr
das Gegentheil, und es wird an den andern Punkten auch nicht viel anders
gewesen sein, da die Stellungen sämmtlich genommen wurden.
267
rascht und musste sich zum Theil aus den Fenstern retten. Be-
günstigt durch die krenelirten Häuser am südlichen Ausgang
des Dorfes, gelang es dem Major Bauer sie wieder zu sammeln.
Er warf die Russen, an der Spitze der Grenadier-Kompagnie
des Hauptmanns von Skraid, mit dem Bajonet wieder aus dem
Dorfe heraus, liess den Hauptmann am äussersten Ausgang des
Dorfs mit den Befehl zurück, sich bis auf den letzten Mann
zu halten, und begab sich zurück, um mit den andem Kompag-
nien die übrigen Ausgänge des Dorfes zu besetzen. Die Vol-
tigeur-Kompagnie liess er hinter dem Dorfe in Reserve. Die
Russen waren inzwischen wieder zum AngriflF übergegangen, so
dass die Lage des Majors sehr bedenklich wurde. Doch hielt
er sich bis zum anbrechenden Tage, wo die Reserve von Aller
Engeln sich endlich einstellte'). Der Major Bauer dirigirte sie
hinter dem Dorfe hinweg, um den Russen den Weg nach
Jäschkenthal zu verlegen, während er in der Front zum Angriff
vorging. Die Russen zogen sich, sobald sie die Reserve be-
merkten, theils nach Jäschkenthal, theils nach Striess zurück.
Der Oberstlieutcnant Clamont ruckte sehr langsam und, wie
sich der Major Bauer ausdrückt, en debandade an, so dass
die Russen ohne grosse Verluste davonkamen*). In den Strassen
des Dorfes blieben von ihnen 16 Todte und 20 Verwundete
liegen. Die zwei Kompagnien des Regiments, welche Neu-
Schottland besetzt hielten, hatten sich auf das polnische Ba-
taillon zurückgezogen, das ihnen als Reserve diente, und kamen
erst später zum Regiment zurück.
Inzwischen hatte der Guverneur die Besatzung von Danzig
alarmirt und sendete das 7. neapolitanische Regiment, 1 Bataillon
Franzosen und 1 Bataillon Polen mit 6 Geschützen unter dem
General Heudelet zur Unterstützung des Generals Breissan, welcher
die Vorposten auf dieser Seite kommandirte, vor. Neu-Schott-
*) Sie bestand uach d'Artois aus 2 Bataillonen des 21. und 28. Re-
giments leichter Infanterie unter dem Bataillonschef Clamont. Bauer nennt
ihn Clement, Campredon Clamou, Rapp Claumont. Bauer wird von Kapp
Blaer genannt (Memoires S. 219).
*) Vgl. damit die memoires S. 219, wonach 800 Bussen hätten in den
Staub beissen müssen!
268
laud und Striess wurden wiedergewonnen und die Russen in den
Wald von Oliva zuiückgeworfen *).
Am hartnäckigsten war das Gefecht in Ühra. wo die
Russen sehr bedeutende Kräfte entwickelten. Der Bataillons-
chef Boulan, der hier kommandirte, machte an der Spitze meh-
rerer Grenadierkompagnien drei Vorstösse gegen die in das Dorf
gedrungenen Russen, musste aber schliesslich ihrer Uebermacht
weichen und selbst Schottland aufgeben. Auch die von den
Generalen Grand jean und Franceschi herbeigeführten Reserven und
das Feuer von zwei Regimentsgeschiitzen konnten keinen Um-
schwung der Verhältnisse herbeiführen. Eine von Stolzenberg
kommende russische Kolonne drohte, dem General Franceschi in
die Flanke zu fallen. Der Guverneur schickte daher das in
Reserve gehaltene 6. neapolitanische Infanterie-Regiment auf
den Judenberg. Der Divisions-Komniandeur Detr^s setzte sich
selbst an die Spitze des Regiments und nahm das Plateau des
Berges in einem Anlauf. Mit einem Bataillon des 4. franzö-
sischen leichten Regiments in Reserve behaupteten sich die Ne-
apolitaner hier bis zum Abend. Aber aus Schottland und Stadt-
gebiet waren die Russen nicht zu vertreiben. Ebenso behaupteten
sie sich in Stolzenberg, Schidlitz und auf dem Zigankenberg.
Da entsandte der General Rapp um 3 Uhr nachmittags den
General Bachelu mit 4 Bataillonen, 150 Pferden und der pol-
nischen reitenden Batterie aus dem Neugartener Thor. Die
*) d'Artoid S. 76. Bericht des Majors Bauer. Nach demselben (PUlmicke
S. 192) war der General Rapp selbst zur Stelle, was die m^moires de Rapp
S. 219 auch bestätigen. Den Angiiif auf Striess führte der Major auf Befehl des
Generals Breissan um 2 Uhr nachmittags aus, wie das Gefecht Überhaupt noch
den ganzen Tag fortdauerte. Der Major Bauer wird in dem Bericht ausge-
zeichnet und erhielt nach dem Gefecht vom General Rapp zum Beweise
seiner Zufriedenheit noch ein zweites franz('>sisches Bataillon von 2ö0 3fann
zugetheilt mit dem Kommando über den französischen Stabsof ficier , was
ganz ungewöhnlich war. Er hütete sich aber, Franzosen künftig wieder auf
Vorposten zu schicken. Ausführlicher noch ist das Schreiben des Majors au
seinen Bnider vom 7. Mäiz (Beiheft z. Mil.-W.-Bl. von 1887 S. 120 if.). In
einem Bericht au Berthier, der im westfälischen Moniteur vom 11. Juli ab-
gedruckt ist (Beiheft S. 121), nennt Rapp den Bataillouschef Bauer einen ofii-
cier tres-distingu^, der bereits in Spanien und bei dem Rückzuge des 10. Korps
(Macdouald) aus Russlaud sich ausgezeichnet hätte.
269
Rossen wurden aus Schidlitz vertrieben und dabei mehrere
hundert Gefangene gemacht. Darauf erstürmte der General den
Zigankenberg, von wo sich die Russen in Unordnung auf Pitz-
kendorf zurückzogen. Auch Stolzenberg wurde geräumt. Die
Russen zogen sich nach Wonneberg ab, wobei ihnen eine
Haubitze abgenommen wurde. Der General Bachelu liess
ein Bataillon und 4 Geschütze unter dem Oberst Kamienski
zur Beobachtung von Pitzkendorf und das 13. baierische Re-
giment mit 4 Geschützen gegen Wonneberg zurück und wandte
sich mit dem Rest seiner Truppen nach den Höhen bei Ohra *).
Gleichzeitig gingen die französischen Truppen in Schottland vor
und warfen die Russen heraus, wobei ihnen der General Ba-
chelu den Rückzug abschnitt und viele Gefangene machte.
Auch auf den entfernteren Punkten fanden Gefechte statt,
da die Russen von allen Seiten zum Angriff vorgegangen waren.
Sie hatten nach dem Eisgange das von den Franzosen ver-
lassene Heubude besetzt und warfen von hier aus die franzö-
sischen Truppen, welche der General Rapp einige Tage vorher
am Strande aufgestellt hatte, unter die Kanonen von Weichsel-
münde zurück. Im Werder wurde ein vom Fort Lacoste vor-
geschobener Posten im Hause Heinrichsdorf überfallen und ein
Officier und 30 Mann zu Gefangenen gemacht. Auf der Seite
von Neufahrwasser vertrieben die Russen die französischen
Posten aus Brösen und Saspe. Andere Posten vom 7. Regi-
ment der Neapolitaner hielten so lange stand, bis sie vom
Major de la Nougarede, der mit 2 Bataillonen aus dem Re-
tranchement von Neufahrwasser ausfiel, entsetzt wurden. Auch
Brösen wurde wieder eingenommen. Saspe blieb jedoch von
*) Der AusfaU des Generals Bacheln wird von d'Artois S. 77, Blech
2y 49, Kapp (m^moires 2^) und Oampredon (Auriol S. 69) ziemlich Überein-
stimmend erzählt. Der letztere ist am präcisesten, indem er sagt: „le g^-
n6ral Bachelu se porte avec une colonne de 4000 hommes snr la hauteur de
Zigankenberg (wozu er vorher nothweudig Schidlitz eingenommen haben
mnsste, vgl. die m6moires de Kapp) et de lä, rabattant son mouvement sur Ohra, il
fait environ 3 ä 4 cents prisonniers k Pennemi et lui enlöve une piöce de ca-
non dans Schidlitz". Die übrigen Details giebt d'Artois. Die Angabe Blechs
ist dadurch wichtig, dass sie die französischen Berichte bestätigt.
270
den Russen besetzt^). Am Abend waren mit Ausnahme von
Heinrichsdorf und Saspe alle Punkte wieder eingenommen, welche
die Franzosen vor dem Gefecht inne hatten. Die Verluste
waren auf beiden Seiten sehr bedeutend. Von 15 Offtcieren
des französischen 29. Linien-Infanterie-Regiments in Ohra wurden
allein 13 getödtet oder verwundet. Im ganzen betrug der
französische Verlust 62 Officire, 604 Unterofficiere und Ge-
meine. Der Brigade-General Devilliers, der Oberst von Egloff-
stein und der Major Horadam wurden verwundet. Den Verlust
der Russen übertreibt d'Artois, dem ich im allgemeinen gefolgt
bin *). Die Russen selbst geben ihn auf 6 Officien«, 840 Mann
an Todten und Verwundeten und 170 an Gefangenen an, über-
treiben aber ihrerseits den der Franzosen*).
Es ist bemerkenswerth , dass der General Campredon*)
sagt, es seien auf selten der Franzosen an diesem Tage 24 be-
spannte Geschütze in Thätigkeit gewesen, namentlich habe
Bachelu mit der Artillerie den Russen beim Rückzuge aus
Ohra grossen Schaden zugefügt. Er erwähnt hierbei speciell
den Chef d'escadron Farjon und den Hauptmann Faury, die mit
ihren Batterien sich ausgezeichnet haben.
Ueber die Motive, die den General Löwis geleitet haben,
den Angriff vom 5. zu unternehmen , gehen die Ansichten sehr
') Nach Düring S. 40 fiel es erst am 19. März, wo die Russen die Nea-
politaner daraus vertrieben) in russische Hände.
•) d'Artois giebt Seite 80 den Verlust der Russen an Todten, Ver-
wundeten lud Gefangenen auf 2093 Mann und ein Geschütz au. Rapp spricht
in seinen Memoiren S. 223 selbst von 2000 Mann und ausserdem von 11 bis
1200 Gefangenen. Er hält diesen Tag für den glänzendsten der ganzen Be-
lagerung.
^ Apercu S. 24. Das russische Belagerungsjumal (Archiv S. 87) ist
hier ganz unzuverlässig. Es spricht von Gefechten am 5., 6. und 7. März
und setzt die Verluste der Franzosen mit ungeheuren Zahlen an, doch mögen
hier Schreibfehler mit untergelaufen sein. Der Herzog von Würtemberg hat
sich nur insoweit davon beeinflussen lassen, dass er (Apercju S. 23) den An-
griif auf den 6. März setzt , also die Mittelzahl herausgreift. Blech stimmt
jedoch mit den französischen Quellen inbetreff des ö. überein. Das Schreiben
des Majors Bauer an seinen Bruder v. 7. (Beiheft S. 72) lässt darüber
keinen Zweifel
*) Auriol S. 69.
271
auseinander. Der Herzog von Würtemberg sagt *) , dass der
General die Stellung der Franzosen ausserhalb der Stadt habe
einschränken wollen. d'Artois behauptet *), dass er den Durch-
marsch eines Truppenkorps, welches zur Blockade von Stettin
bestimmt war, habe benutzen wollen, um den Versuch zu
machen, sich des Bischofs- und Hagelsberges durch üeber-
raschung zu bemächtigen oder wenigstens die Franzosen in den
Platz zu werfen. Blech führt ^) aus, er habe die Besatzung
durch seinen AngriflF veranlassen wollen, aus der Stadt zu
rücken, um den Danzigern Veranlassung zu geben, die Thore
hinter ihr zu schliessen und sich der Franzosen zu entledigen.
Nnr der erste Grund, der des Herzogs von Würtemberg, lässt
sich halten. Es war nach den Verstärkungen, die der General
Löwis erhalten hatte, eine Ehrensache für ihn, die Franzosen
sich nicht so ausbreiten zu lassen und ihnen die Hilfsmittel zu
entziehen, welche die besetzten Ortschaften boten*).
In der Abschätzung der gegenseitigen Stärke gingen die
Ansichten ebenso sehr auseinander. d'Artois veranschlagt die
Russen zu dieser Zeit nach der Aussage der Gefangenen auf
21 300 Mann ^), während sie, wie wir gesehen haben, kaum halb
so stark waren. Von Seiten der Russen wird die Besatzung
nach Aussage der Spione auf 30000 Mann angegeben, doch
glaubt der Herzog, diese Zahl infolge ihrer Verluste im Gefecht
und der Epidemie auf 25000 herabsetzen zu müssen, von denen
einige tausend in den Lazarethen lagen ^). Jedenfalls hält er
sie den Russen gegenüber für selir überlegen und macht dem
General Rapp den Vorwurf, die Belagerer, welche ein immenses
*) Apercu S. 23.
*} Relation S. 80.
') Blech 2, 46. Auch Kapp war der Meinung, dass der General Löwis
die Wirkung seiner ausgestreuten Proklamationen überschätzt und geglaubt
habe, dass die nicht der französischen Nationalität angehörigen Theile der
Besatzung und die Einwohner mit den Franzosen auf gespanntem Fnss ge-
standen, ja sich bekämpft hätten. M6moires 219.
*) Wahrscheinlich hat der Umstand, dass die lufanterie-Begimenter
Tula und Nowoginsk in den nächsten Tagen zur grossen Armee abmarschiren
sollten, auf dei} Entschluss des Generals eingewirkt.
*) Relation S. 81.
") Apercu S. 27.
272
Terrain besetzen mussten und bei dem Hochwasser ohne Ver-
bindung unter einander waren, nicht vernichtet zu haben. Dass
die Besatzung zu dieser Zeit nicht mehr als 10000 Dienst-
fähige hatte, also gewiss nicht stärker war als die Russen,
kann man wohl als nachgewiesen ansehen.
Von grösserem Interesse sind die Lehren, welche das Ge-
fecht vom 5. März in taktischer Beziehung bietet.
Partielle Gefechte lassen sich sowohl vom Belagerer als
vom Belagerten nicht gut ausführen, weil der Angreifer, wenn
er an einem Punkt Erfolg hat, ihn nicht ausbeuten kann, da
er auf beiden Seiten bedroht ist und, ist es der Belagerer, in
das Geschtitzfeuer des Platzes kommt, ist es der Belagerte, sich
der Unterstützung des Feuers der Wälle begiebt. Es müssen daher
immer allgemeine Engagements ins Auge gefasst werden, die
unter Umständen erfolgen, wie sie der Feldkrieg nicht bietet.
Die Fronten sind im Verhältniss zur Truppenzahl selir aus-
gedehnt, und das Breuer von den Wällen legt mancherlei Rück-
sichten auf. Von seiner überlegenen Reiterei wird der Belagerer
selten Vortheil ziehen können. Er wird seinen Angriff auf die
feindlichen Vorposten dahin zu verlegen haben, wo er von den
Kanonen der Festung nichts zu befürchten hat, und der Ver-
theidiger dahin, wo er vom Feuer derselben am besten unter-
stützt wird. Die Disposition des Generals Löwis vom 5. März
trägt diesen Forderungen Rechnung. Die Hauptangriffe auf
Ohra und Langfuhr hatten vom Feuer der Wälle nichts zu
leiden. Auf den übrigen Punkten gewährte die Dunkelheit die
erforderliche Sicherheit gegen das Feuer dei* Wälle. Es wird
daraus auch erklärlich, dass die Angriffe gleichzeitig erfolgten
und der Angriff auf Langfuhr nicht um einige Stunden voraus-
ging, um die feindlichen Kräfte dahin zu locken. Man muss
dem russischen General indessen den Vorwurf machen, dass er
in seinem Centrum, etwa bei Wonneberg, keine Reserve aufge-
stellt hatte. Das Eingreifen Bachelu's würde dann nicht mög-
lich gewesen und die Leitung des Gefechts, die gänzlich ver-
misst wird, wesentlich erleichtert worden sein. Auf der andern
Seite erfolgte der Ausfall des Generals Bachelu da, wo er von
der Artillerie des Platzes vorzüglich unterstützt wurde, und war
auch insofern gut angesetzt, als ein Vorstoss gegen Ohra, wo
a7ä
sich die zahlreichsten Kräfte der Russen befanden, nur von den
Höhen aus Erfolg haben konnte, zu dem Zweck der Feind aber
zuvor aus Stolzenberg vertrieben werden musste, was nur nach
vorangegangener Besitznahme des Zigankenberges möglich war.
Bevor der General Bapp den Ausfall Bachelu's anordnete, hatte
er sich persönlich überzeugt, dass auf dem gefährdetsten, weit
entferntesten Punkt, Langfuhr, keine Gefahr mehr vorhan-
den war.
Wenige Tage nach dem Gefecht, am 9. März, trafen die
Landwehren von Petersburg und Nischninowgorod vor Danzig
ein*) und ersetzten die Verluste. Obgleich 11 Druschinen
an der Zahl, ist ihre Stärke nicht höher als 2000 Mann anzu-
schlagen. Der General Adadurow, der sie gebracht hatte, über-
nahm für den erkrankten General Kulnew dessen Truppenabthei-
lung*). Vom Blockadekorps gingen dagegen die Infanterie-Regi-
menter Tula und Nowoginsk, wie erwähnt, zur grossen Armee ab'),
wie schon Mitte Februar ein Kosacken-Regiment und zwei Artil-
lerie-Kompagnien*). Den 12. März langte eine englische Fregatte
und eine Korvette auf der Danziger Rhede an, infolgedessen
der General Löwis sein Hauptquartier dauernd nach Koliebken
verlegte, um leichtere Verbindung mit den Engländern zu
haben*). Für die Besatzung von Danzig war die Blockade zur
See ein harter Schlag. Noch kurz zuvor hatte ein kleines
dänisches Fahrzeug die Mündung der Weichsel erreicht und der
Besatzung Salz zugeführt'^), woran grosser Mangel war. Man
*) Russisches Jamal, Archiv S. 90.
«) Apercu S. 25.
') Russ. Jnrnal. Archiv S. 90. Das Blockadekorps erreichte dadurch die
Stärke von 13 bis 14000 Mann und seine beabsichtigte Zusammensetzung aus
der 6., 21. und 25. Infanterie-Division, die in Summa nur gegen 9000 Mann
stark waren, da sie seit dem Feldzage von 1812 noch keine Ersatzmann-
schaften erhalten hatten. An Reiterei waren 12 Eskadrons. an Artillerie
7 Batterien vorhanden, dazu traten die Eosacken und Tataren.
*) Apercu S. 22. Die schwere Batterie Nr. 5 und die reitende Nr. 3
können damit nicht gemeint sein, da sie nach dem russischen Jamal erst
am 24. Man abgingen.
") Ebenda S. 25.
•) d'Artois S. 87.
Köhler, Geschichte der Festimgeii Danzig and Weiohselmilnde. II. 18
274
erfuhr vom Kapitain, der am 4. März Kopenhagen verlassen
hatte, dass die Russen am 28. Februar noch nicht in Berlin
eingetroffen waren, und dass die in Frankreich neu organisirten
Streitkräfte bereits den Rhein überschritten. Die Besatzung
gab sich der Illusion hin, dass sie bald entsetzt werden würde.
Die Verlegung des russischen Hauptquartiers nach Koliebken
zeigt, dass der Befehlshaber des Blockadekorps auf alle Offensiv-
operationen verzichtet hatte. Dennoch war die Besatzung unter
dem Eindruck des Gefechts vom 5. März eifrig bemüht, die
vorgeschobenen Stellungen zu befestigen, was bisher wegen der
dringenderen Arbeiten im Platze nicht hatte stattfinden können.
In Stadtgebiet wurde ein in der breiten Dorfstrasse gelegenes Haus
(A) am Ausgange des Thals von Schönfeld, in welchem die so-
genannten Schottenhäuser liegen, krenelirt und durch eine Pali-
sadirung mit einem zweiten Hause (B) verbunden, das auf der
andern Seite der Radaune lag und in seinen drei Stockwerken
ebenfalls krenelirt wurde. Es bildete gleichsam einen Thurm,
der die Palisadirung , womit die Schottenhäuser versehen
wurden, flankirte und die Radaune in ihrem obern Lauf be-
strich*). Auch innerhalb des Dorfes wurden vortheilhaft ge-
legene Häuser zur Vertheidigung eingerichtet, um einem ereten
Angriff zu widerstehen und der Reserve Zeit zu geben, heran-
zukommen.
In ähnlicher Weise wurden die bereits krenelirten Häuser
(b c) am südlichen Ausgange von Langfuhr zur Vertheidigung
eingerichtet und mit starken Palisaden umschlossen. Der Aus-
gang des Thals von Jäschkenthal wurde mit Palisaden gesperrt.
Ebenso wurde Neu-Schottland verbarrikadirt. Die vorgescho-
benen Posten der Feldwachen wurden mit Schützengräben
versehen, die von den Posten selbst hergestellt wurden^).
Das Dorf Stolzenberg, das früher das ganze Plateau des
Berges bis an das Glacis des Bisehofsberges bedeckt hatte,
') Ebenda S. 82. Campredon, Generalbcricht. Auriol S. 283.
') Ebenda S. 83. Die Feldwachen schützten sich ausserdem darch Erd-
anf würfe gegen UeberfäUe der Kosacken. Da sie an bestimmten Punkten
lagen, gewannen diese „Posten*' allmählich an Festigkeit.
275
reichte immer noch bis 300 Meter an die Werke des Bischofs-
berges heran. Es wurde jetzt bis auf 600 Meter von den
Werken abgebrochen und dabei die Kirche und das Kapuziner-
kloster demolirt, in welchen sich die Russen am 5. März fest-
gesetzt hatten. Der westliche Ausgang des Dorfes wurde
befestigt*). Im Bürgerwalde (Werder) wurden die zunächst
gelegenen Meiereien und Häuser, die als Inseln aus der Inun-
dation ragten, befestigt, um sich die Vorräthe derselben zu
sichern. Um den Feind aus einigen entfernteren Inseln zu ver-
treiben, wurde eine kleine Flotille für 400 Mann erbaut ^). Ein
eingefallener Frost, der die Inundation mit einer Eisdecke von
2*/« Zoll Stärke bedeckte, verhinderte eine Zeit lang die Ver-
wendung derselben.
Der General Kapp hatte unterm 8. März, also nur wenige
Tage nach dem Anfall der Russen vom 5. März, eine neue
Dislokation der Truppen angeordnet, die zur Auffassung der
Situation und als Disposition für die Vertheidigung von Wichtig-
keit ist. Da sie auch für die spätere Zeit inkraft blieb, lasse
ich sie unten ^ in ihrem ganzen Umfange folgen, weil ein Aus-
zug daraus unmöglich ist.
Inzwischen nahm der Typhus immer grössere Proportionen an.
1) Ebenda S. 84.
«) d^Artois S. 84.
^ Die Dislokation gehört zu den bei der Uebernahme von Danzig vor-
gefundenen Dokumenten und wird weder von Artois noch von Campredon
mitgetbeilt. Archiv S. 88.
7. Division.
Das 13. baierische und 1. westfälische Regiment besetzen den Ziganken-
berg, Heiiigenbruun, Langfuhr, Neu-Schottland, Scheiimühl, die Fabrik Kabrun,
AUer Engeln und das Hans Otto Schmidts (Schmidts Garten Taf. VI. x). Der
Divisionsgeneral Gran^jean übernimmt die angemessene Besetzung dieser Orte.
Der Posten von Striess wird in der Nacht nach Langfuhr zurückgezogen. Die
Übrigen Regimenter bleiben in Reserve und werden zum innern Dienst der
Festung herangezogen. Bei entstehendem Ailarm sammelt sich das IL pol-
nische Regiment am Olivaer Thor und die Brigade Radziwil vor dem Fort
Hagelsberg mit dem linken Flügel an (Au88en-)Neugart«n.
30. Division.
Die 30. Division besetzt Schottland, das Stadtgebiet und Ohra mit 500
Mann Infanterie. Der General Heudelet bleibt in der Stellung, die er gegen-
276
Eines seiner Opfer war der General Franceschi, einer der
hervorragendsten Taktiker der französischen Armee. Auch die
wärtig isne hat; seine Ablösung kann erst in zwei Wochen geschehen. Die
Division besetzt ferner Schidlitz und Stolzenberg mit 200 Mann. Bei ent-
stehendem Allarm begiebt sich der Divisionskommandear nach diesen Orten.
Die SO. Division besetzt femer das Fort Weichselmitnde mit 700 Mann diemvt-
fähiger Infanterie. Du'e Ablösung wird in der Folge befohlen werden. Die
30. Division schickt morgen 200 Mann nach Heubude zur Ablösung des
dortigen Postens. Die Ablösung dieses Postens wird in Zukunft alle 10 Tage
erfolgen. Das Fort Napoleon wird morgen von der 30. Division an die
33. Division und das Fort Lacoste an die 34. Division übergeben. Die 30. Di-
vision nimmt, soviel es ihre Stärke erlaubt, an dem Innern Dienst der Gar-
nison theil, besetzt das Thor von Neugarten und Petershagen und das Fort
auf dem Bischofsberge. Bei entstehendem Allarm sammelt sie sich am hohen
Thor, so dass der rechte Flügel vor diesem Thor zu stehen kommt.
33. Division.
Die 33. Division besetzt Neufahrwasser mit dem 7. Neapolitanischen
Begiment, welches morgen dahin abgeht und das 5. (neap.) Regiment daselbst
ablöst. Die fernere Ablösung wird in der Folge befohlen werden. Zwei
Kompagnien des 6. (neap.) Regiments, welche sich ebenfalls dort befinden,
werden von zwei andern desselben Regiments abgelöst. Die 33. Division be-
setzt morgen das Fort Napoleon mit 80 Mann, welche alle 10 Tage abgelöst
werden. Sie besetzt femer wie früher den Holzraum. Die übrigen Truppen
dieser Division werden zum Innern Dienst der Festung mit herangezogen.
Bei entstehendem Allarm sammelt sie sich auf dem Platz vor dem Theater
(Dominikplatz).
34. Division.
Die 34. Division besetzt heute das Fort Lacoste mit 80 Mann. Sie
besetzt ferner den Holm und das Fort Desaix, dessen Garnison alle 24 Stunden
abgelöst wird. Bei entstehendem Allarm sammelt sich die Division auf dem
Langenmarkte.
Die Abtheilung des 2. Dragoner-Regiments, welche jetzt in Neufahr-
wasser steht, kehrt morgen in die Festung zurück; in Neufahrwasser bleibt
nur das 1. Dragoner-Regiment, welches wie früher Bröseu und Saspe besetzt.
Die Posten von Langfuhr, Schidlilz und Stadtgebiet werden vom 2. Dra-
goner-Regiment und vom polnischen Ulanen-Regiment besetzt. Das 1. Dra-
goner-Regiment steht unter dem Befehle des Kommandanten von Neufahr-
wasser. Die übrigen KavaUerie-Abtheilungen stehen unter den Komman-
danten der Posten, denen sie zugetheilt sind. Bei entstehendem Allarm
sammelt sich die KavaUerie, welche in der Festung steht, auf dem Platze
vor dem Theater Dominikplatz.
Die Seetruppen und Arbeits-Bataillone sammeln sich bei entstehendem
AUarm auf dem Langenmarkte.
277
Noth in der Stadt steigerte sich von Tag zu Tag. Die Furage
für die Pferde ging zu Ende, das Stroh langte nicht mehr für
die Lazarethe aus. Auch an frischem Fleisch mangelte es, ob-
gleich den Einwohnern alles Vieh weggenommen war. Es musste
etwas geschehen, um dem Maugel abzuhelfen.
Der General Rapp hatte nichts verabsäumt, um auf den
Geist der Truppen einzuwirken, wozu ihm der glückliche Aus-
gang des Gefechts vom 5. März sehr zustatten kam. Er zeigte
sich oft unter ihnen, besonders unter den Polen, die sich an
diesem Tage hervorgethan hatten. Er erschien dabei in der
polnischen Mütze (viereckig und roth) und später in einer völlig
polnischen Kleidung ^). Es war nichts geeigneter die polnischen
Regimenter zu enthusiasmiren. Die günstigen Nachrichten aus
Deutschland wurden übertrieben, um die Hoffnung der Truppen
auf baldigen Entsatz zu beleben. Der General glaubte es unter
diesen Umständen wagen zu dürfen, einen grösseren Ausfall zu
unternehmen, der ihm den Werder erschliessen sollte, wo er
noch bedeutende Vorräthe zu finden hoffte. Er glaubte, mit
Hilfe der Flotille dauernd daselbst Fuss fassen zu können.
Der 24. März wurde zur Ausführung bestimmt. Der General
Heudelet sollte über Ohra einen Verstoss auf die Schweinsköpfe
und Matschkau machen und eine Abtheilung auf Quadendorf ent-
senden. Im Verein mit der Flotille sollte an der Mottlau eine
Schanze errichtet werden. Zum Schutz der Unternehmungen
sollten von den übrigen Truppen Ausfälle gemacht werden, die
sich jedoch darauf beschränken sollten, den Gegner festzuhalten.
Zu dem Zweck erhielt der General Devflliers bei der 34. Di-
vision den Befehl, im Angesicht der feindlichen Stellungen von
Wonneberg und Pitzkendorf die gegenüberliegenden Höhen zu
besetzen. Ihm zur rechten sollte das 11. polnische Regiment,
zur linken der General Husson mit seiner Brigade und der
kaiserlichen Garde ^) Stellung nehmen. Bei Langfuhr komman-
Ebendort sammelt sich die Garde und bleibt in Reserve.
Aus der Dislokation ergiebt sich, dass Heubude und Saspe wieder im
Besitz der Festung waren.
») Blech 2, 51.
') Es sind darunter gegen 400 Mann der Garde zu verstehen, die beim
278
dirte der General Breissan. Er, wie der Kommandant von
Neufahrwasser, sollten einen Scheinangriff ausführen, ohne sich
jedoch auszusetzen *).
Die Truppen des Generals Heudelet sammelten sich am
Petershagener Thor. Die Avantgarde führte der General
Bachelu, der um 6V2 Uhr morgens mit dem 5. polnischen In-
fanterie-Regiment, der Reiterei des Generals Cavaignac und
einer leichten Batterie aus Ohra vorbrach. Eine Abtheilung
von 150 Russen, auf die er zunächst traf, wurde über den
Haufen gerannt und von der Reiterei grösstentheils gefangen.
An den Drei Schweinsköpfen angelangt, wendete sich der General
von der Hauptstrasse ab, über Matschkau auf Borgfeld, das
von 500 Russen besetzt war. Das Dorf wurde in der Front
von einem Bataillon des 5. polnischen Infanterie-Regiments an-
gegriffen und von einem zweiten Bataillon umgangen. Die Be-
satzung räumte den Ort, wurde aber von der Reiterei angefallen
und gänzlich zerstreut. Die Verfolgung ging bis zum Dorfe
Praust. Die Besatzung der Dörfer Drei Schweinsköpfe und
St. Albrecht zog sich infolge der Umgehung des Generals
Bachelu zurück, so dass die Hauptkolonne unter dem General
Gault, welche auf der Hauptstrasse vorging, keinen Widerstand
fand. In St. Albrecht wurde ein Lazareth genommen und eine
Anzahl Gefangener gemacht. Von hier aus wurde das 13.
baierische Infanterie- Regiment, das im Verein mit 60 Westfalen
nur noch ein Bataillon unter dem Major Seiferditz fonniren
konnte ^), auf dem Damme der alten Radaune gegen die Mottlau
vorgesendet, um mit der Flotille in Verbindung zu treten, die
mit 18 Fahrzeugen und 200 Mann Besatzung Danzig um 6 Uhr
morgens, geführt vom Artilleriekapitain Gautier, verlassen hatte.
Die Flotille war durch 300 Russen, welche sich in den Häusern
Bttckzuge ans Russland als Kranke in Danzig zurückgeblieben waren und
jetzt zum Theil wieder Dienst thun konnten.
^) Le siege de Dantzig en 1813 par M. de M**^ giebt S. 106 eine aus-
führliche Disposition zu diesem Ausfall nach dem Tagebuch der Div. Heudelet.
*) Schreiben des Majors Bauer vom 27. März. Beiheft S. 124. Ausser
diesen 60 Mann hatte das westfälische Regiment noch 30 Mann auf Vor-
posten, welche mit jenen zur Zeit die dienstfähige Mannschaft des Regiments
bildeten. Der Major Bauer wohnte daher der Expedition nicht bei.
279
am Kramskruge eingenistet hatten, aufgehalten worden. Bei
Annäherung der Baiern stieg die Besatzung ans Land, und beide
gemeinschaftlich warfen die Russen auf das rechte Ufer der
Mottlau zurück. Letztere zogen sich auf Quadeudorf zurück. Die
Sapeure durchschnitten den Radaune-Damm, um die Verbindung
mit St. Albrecht aufzuheben, und arbeiteten jenseits der Brücke
am Kramskruge an einer Schanze, die als Brückenkopf gegen
den Werder für künftige Furagirungen seitens der Flotille
dienen sollte. Sie wurden jedoch durch Annäherung einer starken
Kolonne aus Quadendorf darin gestört. Die Baiern traten den
Rückzug an, und die Flotille entfernte sich nach dem Abbrennen
der Brücke, um 1000 Meter weiter unterhalb im Mottlaudamm
zwei Kupüren herzustellen und durch eine Palisadirung zu ver-
binden. Die anliegenden Häuser wurden krenelirt. Die Be-
festigung des Punktes wurde in den folgenden Tagen fort-
gesetzt '). ,
Der General Heudelet trat gegen Abend mit der inzwischen
gesammelten Beute den Rückzug nach Danzig an.
Kleine Gefechte hatten auch au den übrigen Punkten der
Einschliessung stattgehabt. Bei Striess fand sich auch der
General Löwis ein und unterhielt mit dem General Breissau,
der hier kommandirte, eine Kanonade. Der General Husson
drang bis Wonneberg vor, ohne einen erheblichen Widerstand
anzutreffen. Es zeigte sich an diesem Tage so recht, wie ver-
kehrt es von Seiten des Generals Löwis gewesen war, das
Hauptquartier nach Koliebkeu zu legen, von wo eine Leitung
seiner langgedehnten Linie im Fall eines Ausfalls nicht mög-
lich war. Vom General Rapp war es ein Fehler, für einen
so weit aussehenden Plan nur einen Tag angesetzt zu haben.
Hätte er die Truppen am Abend bei Matschkau versammelt
und hier bivouakiren lassen, um am andern Morgen die Fu-
ragimng fortsetzen zu können, so wäre das Resultat ein anderes
gewesen. Er hätte es selbst wagen können, zum Angriff über-
zugehen und die ganze Stellung des Blockadekorps aufzurollen.
Er befand sich hierzu am günstigsten Punkte, da er diese
Stellung am wichtigsten Punkte durchstossen hatte.
') Campredon. Auriol S. 71. d'Artois S. 93. Siehe Taf. VI p und q.
280
Der Verlust der Franzosen belief sich an diesem Tage auf
81 Todte, Verwundete und Gefangene*). Unter den letzteren
befand sich der Artillerie-Hauptmann Faucy, der den Eosacken
in die Hände fiel. An Russen wurden 6 Offiziere 350 Mann
gefangen eingebracht, darunter befanden sich Milizen (von den
Druschinen), die noch nicht eingekleidet waren, Greise und
ganz junge Leute. Der General Miliaminow und die Majors
Läpp, Girkowitz und Lukaweniew wurden verwundet.
Der Erfolg der Furagirung entsprach nicht den gehegten
Erwartungen. Man erfuhr nicht einmal von den Gefangenen
die Stärke des Blockadekorps, da diese bei den unaufhörlichen
Ablösungen schwer festzustellen war; auch Nachrichten aus
Deutschland konnten ausser dem, was vom Hauptquartier da-
rüber verbreitet wurde, nicht in Erfahrung gebracht werden.
Der Schulze von Traust, welcher auf Befehl des Guvenieurs
nach Danzig mitgenommen wurde, wusste so wenig wie die
anderen und wurde am folgenden Tage wieder entlassen. An
Beute führte man nur gegen 100 Stück Vieh davon. Der Gu-
verneur sah sich unter diesen Umständen gezwungen, eine
Kommission zu ernennen, welche alles zu untersuchen hatte,
was in der Stadt zur Nahrung von Menschen und Pferden
dienen könne*). Als Vorstand wurde der Divisions-General
Heudelet ernannt. Die Kommission nahm ein Verzeichniss aller
betreffenden Gegenstände auf, vei-siegelte die Keller der Wein-
händler, nachdem der erforderliche Bedarf gegen Bons ent-
nommen war, suchte die Häuser nach dem vorhandenen Vieh
ab, das den Besitzern jedoch vorläufig bleiben sollte. Wie sich
herausstellte, war der Bestand nur gering, so dass die Kommission
dem Guverneur den Vorschlag machte, den Truppen Pferde-
fleisch zu verabreichen. Die Besitzer von Pferden wurden an-
gewiesen, diese auf Erfordern an die Pferdeschlächtereien ab-
zuliefern. Auch die bei den Truppen entbehrlichen Pferde
*) D 'Artois S. 94. Nach DQriDg verloren die Franzosen an Todten und
Verwundeten 3 Officiere 217 Mann.
*) Nach Blech 2, 71 fand die Ernennung dieser commission extraordinaire
d'apprivisonnements de siege am 7. April statt, nach Campredou (Auriol S. 74)
am 17,
281
wurden designirt. Auf die Lazarethe wurde besondere Sorg-
falt vei-wendet. Als Ersatz der Butter, die sehr selten geworden
war, wurden die Gallerte aus den Knochen des geschlachteten
Viehs ausgezogen und verwendet '). Die Kommission legte auf
alle Medicamente und auf die Leinewand, die sich zu Verband-
zeugen eignete, Beschlag. Sie kontroUirte selbst die Verwaltung
der verschiedenen Zweige. Ohne Härte gegen die Einwohner
konnte all das nicht abgehen. Der General Hendelet hiess
nicht anders als der Teufel.
Der Typhus nahm im Monat März immer grössere Pro-
portionen an. In der 2. Hälfte des Monats starben täglich
200 Mann*). Die Lazarethe waren überfüllt. Die Zahl der
bettlägerigen Kranken (gegen 18000) überstieg alle Mittel, die
auf deren Pflege verwendet werden konnten. Auch die Rein-
lichkeit liess unter diesen Umständen zu wünschen übrig. Die
Epidemie verbreitete sich selbst nach Neufahrwasser und
Weichselmünde, die bisher verschont geblieben waren. Auch
die hohem Klassen der Einwohner Danzigs blieben nicht ver-
schont *). Nach dem Bericht von Tort blieben die der Artillerie
und dem Genie zugetheilteu Truppen, durch die Ressurcen,
welche diese Waffen hatten, am meisten von der Krankheit
verschont. Die Generale Lepin und Campredon, die sie kora-
mandirten, verwendeten eine ausserordentliche Sorgfalt auf die
Gesundheit ihrer Leute. Anfang April erreichte die Epidemie
ihren Höhepunkt. Während im März 4000 Mann gestorben
waren, reducirte sich die Zahl im Monat April auf 3000, im
Mai auf 2000. Am 6. April wurde der brave General Gault
nach neunstündigen, unerhörten Leiden liingerafft*).
*) Campredon. Aurioi S. 75. d'Artois S. 97.
*) Das westfälische Regiment, das beim Einmarsch in Danzig noch
46 Offiziere und 888 3fann stark gewesen war, hatte nach dem Tagebuch
des Majors Bauer am ö. März nur noch 280 Mann, am 8. infolge des Ver-
lustes am 5. März nur 117, am 15. nur 85. Es starben davon täglich 5 bis
6 Mann. Nach dem Gefecht vom 24. wurde es mit den Baiem zu einem
Bataillon formirt, das abwechselnd vom Major Bauer und den baierischen
Stabsofficiereu Bollk und Seiferdiz kommandirt wurde. Plümicke S. 193.
*) d 'Artois S. 98. Nach Blech 2, 23 starben schon im Februar wöchent-
lich 200 bis 300 aller Stände.
*) d'Artois S. 101.
282
Die Russen verhielten sich seit dem 24. März ziemlich
ruhig und begnügten sich mit Aufliebung einzelner Vorposten
und dem Ueberfall von Feldwachen. Sie befestigten ihre
Stellungen. Bei Matschkau wurde eine Redute und bei Wonne-
berg ein Retranchement angelegt*). Einige Veränderungen
waren in den Truppentheilen eingetreten. Am 24. März
marschirte auf Befehl des Generals Grafen Wittgenstein die
schwere Batterie Nr. 5 und die reitende Nr. 3 nach Berlin ab.
Am 29. folgte das Kosacken-Regiment Jlowaiski X. Dagegen
langte am 26. die 9. Kompagnie der Petersburger Landwehr
in der Stärke von 248 Mann aus Jurburg an und wurde dem
Woroneschkischen Regiment zugewiesen. Am 11. April stiess
die Reserve - Escadron des Jamburgischen Ulanen -Regiments
zum Blockadekorps. Uebrigens litten auch die Russen Mangel.
Am 25. März wurden 3 Batterien (die schwere Nr. 6 , die
reitende Nr. 1 und die leichte Nr. 11) nach Dirschau geschickt,
um auf dem grossen Werder (Nogatwerder, wie er von deu
Russen genannt wui*de), Unterkommen und Nahrung zu finden ^).
April. Vom Zustand in Danzig war man genügend unterrichtet.
Der Oberst Eigner, welcher wegen einiger Unterhandlungen
nach der Stadt geschickt worden wai', kam am 17. April von
dort zurück und erzählte, dass von der 33000 Mann starken
Besatzung schon 17000 gestorben seien'). Das ist nun zwar
übertrieben, aber 10000 Mann kann man für diese Zeit bestimmt
annehmen und ebensoviele mögen noch in den Lazarethen
gelegen haben, so dass die Zahl der Dienstfähigen etwa 11000
betrug. Wahrscheinlich ist es dieser Offleier, auf den sich das
Schreiben des Generals Rapp an den General Löwis vom
16. April bezieht*), dass er vom 17. April ab keine Parla-
mentäre mehr annehme und den Vorposten den Befehl er-
theilt habe, auf jeden zu schiessen, der sich annähere. Schon
>) Ebenda.
*) Russisches Jumal. Archiv S. 90.
3) Ebenda.
*) d'Artois S. 111. Er hatte die Vorposten, während seine Ankunft
dem Vorposten-Kommandeur gemeldet wurde, verführen woUen, zu desertiren.
Es waren Westfalen.
283
am 7. April hatte er jedem seiner Leute eine Belohnung ver-
heissen, der ihm einen Menschen zuführe, welcher ihn zur De-
sertion habe verleiten wollen *). Der General Rapp konnte
jedoch die Verbreitung lügenhafter Nachrichten seitens der
Bussen nicht hindern, die an der damals stattgehabten lieber-
gäbe von Thom und dem zwischen Preussen und Russland ge-
schlosseneu Bündniss einen Anhalt fanden, aber weit übertrieben
wurden. Den Danzigern gab die Versiegelung des preussischen
Postbureaus am 14. April eine Bestätigung des Bündnisses^).
Rapp verstand es, die entsetzlichen Zustände, welche in
Danzig infolge des Typhus und des Mangels herrschten, und
welche die Truppen zu demoralisiren drohten, durch Betäubung
derselben zu überwinden. Er begünstigte die Lust und das
Vergnügen, wozu ihm die Faschingszeit Gelegenheit gab. Zu
Ostern (18. April) rückte er mit 7000 Mann aus und hielt
zwischen Neu-Schottland und Oliva, auf dem heutigen grossen
Exercierplatze, eine Parade im Angesicht der russischen Vor-
posten ab. Was man auch dagegen gesagt hat, er hat seinen
Zweck, den Geist der Truppen zu heben, damit erreicht. Den
Plackereien der Kosacken suchte er durch gelegentliche AUar-
mirungen der feindlichen Läger zu begegnen. Eine grössere
Unternehmung dieser Art fand am 15. April statt.
Die russische Linie war an den hervorragendsten Punkten
mit Feuer- und Rauchsignalen versehen. Rapp beschloss, durch
einen Ausfall eines derselben anzuzünden und dadurch die ganze
feindliche Linie zu aUarmiren. Das 5. und 10. polnische In-
fanterie-Regiment erhielten Befehl, das Dorf Brentau anzu-
greifen.
Die Kommandeure derselben, Szembeck und Potocki, rückten
um Mitternacht^) aus Langfuhr aus und gelangten, ohne be-
merkt zu werden, auf die Anhöhe, welche das Brentauer Thal
^) Der Tagesbefehl ist vollständig im russischen Jumal (Archiv S. 91)
abgedruckt und gehört wahrscheinlich zu den mit Beschlag belegten Do-
kumenten. Siehe auch d^Artois.
«) Blech 2, 65.
') Campredon (Auriol S. 73). d'Artois S. 103. M6moires de Rapp
S. 299. Da der Ausfall um Mittemacht erfolgte, sagt ersterer den 14.,
letzterer den 15. In den russischen Berichten wird dieser Ausfall gar nicht
284
von der Ebene trennt. Die Vorposten, die hier standen, wurden
verjagt. Potoöki griff darauf das Dorf Brentau an und be-
mächtigte sich desselben. Gegen 40 Mann, die mehrere befestigte
Häuser besetzt hatten, wurden nach einander überwältigt. Man
fand ein Lazareth für 300 Mann, in welchem die vorgefundeneu
Waffen zerschlagen und einige Equipagewagen zertrümmert
wurden. Der Bataillonschef Szembeck zündete das Allarmsignal
auf der Höhe an, worauf alle übrigen Signale antworteten und
die russische Armee in die Waffen trat, auch den ganzen
folgenden Tag darin verblieb. Szembeck drang darauf bis in
die Nähe von Oliva vor und warf einige Granaten aus einer
mitgeführten Haubitze hinein. Der Rückzug nach Langfuhr
wurde ungestört ausgeführt. Man hatte nur den Verlust eines
Mannes zu beklagen, der bei Ei'stürmung der befestigten Häuser
in Brentau gefallen war^).
Am 23. April langte der Herzog Alexander von
Württemberg, Onkel des russischen Kaisers, aus dem grossen
Hauptquartier vor Danzig an, um das Kommando über das
Blockadekorps zu übeniehmen. Wie er dem General Löwis
schon vorher mitgetheilt hatte, lehnte er jede Verantwortlich-
keit ab, bevor er sich nicht genau über die Lage orientirt und
alles persönlich besichtigt hatte. Es war in der That hohe
Zeit, dass die Führung in andere Hände überging, da sich ein
gewisser Schlendrian im russischen Hauptquartier eingeschlichen
hatte. Trotz der Erfahrungen vom 24. März befand sich das-
selbe immer noch in Koliebken, wo der Kommandirende völlig
ausserstande war. einen Einfluss bei eintretenden Wechselfällen
4
auszuüben, der Dienst bei der grossen Entfernung des rechten
Flügels überhaupt sehr erschwert war. Solange die Weichsel
gefroren war, bedurfte es keiner besonderen Verbindung mit
dem auf der Nehrung detachirten Korps. Es wurde aber auch
nach Eintritt des Tauwetters keine hergestellt. Man begnügte
erwähnt, dagegen werden andere angeführt, so vom Jurnal (Archiv S. 91)
am 21. und 22. und im Apercu S. 27 zwischen dem 12. und 24. April.
*) Die französischen Berichte verherrlichen ausserdem die- Thaten des
mar^chal-des-logis Devill, welcher mit einem Dutzend Husaren die russischen
Vorposten bis zum Strande hin in Unruhe versetzte. Den Russen ist das
ganz entgangen, kein Bericht erzählt etwas davon.
286
sich mit einer Fähre, und obgleich der Oberst Rosen dadurch
ganz auf sich angewiesen war, erhielt er nicht einmal die er-
forderliche Artillerie, um ihn einigermassen selbständig zu
machen ^). Dabei waren drei Batterien wegen Mangels an Furage
nach dem giossen Werder zurückgeschickt, die ebensogut auf
der Nehrung hätten verpflegt werden können. Auch wäre es
erforderlich gewesen, zur Sicherung seiner ausgesetzten Lage
ihn in den Stand zu setzen, sich eine verschanzte Stellung vor-
zubereiten, wozu seine Mannschaft bei dem ausgedehnten Vor-
postendienst nicht ausreichte. Es musste einleuchten, von
welcher Wichtigkeit für den Feind eine Abfuragirung der
Nehrung war; trotzdem war nichts geschehen, das Vieh und
die Lebensmittel zu entfernen. Unglücklicherweise hatte sich
der Herzog die Besichtigung der Nehrung bis zuletzt vorbe-
halten und war eben im Begriff, dahin abzugehen*), als Bapp
ihm zuvorkam.
Es ist auffallend, dass Bapp bei seinem grossen Mangel
an Lebensmitteln die Abfuragirung der Nehrung bisher unter-
lassen hatte. Er hat allem Anschein nach selbst Heubude
wieder geräumt. Das russische Jurnal erzählt von einem Ver-
such, den die Belagerten am 11. April gemacht hätten, am
Qanskruge eine Brücke über die Weichsel zu erbauen, was vom
Obersten Rosen verhindert wurde ^). Die Ankunft des Herzogs
von Würtemberg, die schon am 24. in Danzig bekannt war*),
musste den General Rapp dazu drängen, nicht länger zu säumen,
da mit Bestimmtheit vorauszusetzen war, dass dem Herzog die
Mittel bewilligt worden wären, die Belagerung schleunigst in
Angriff zu nehmen. Rapp bestimmte den 27. zur Ausführung
*) Wie gross das Bedürfniss nach Artillerie vorhanden war, ergiebt sich
daraiLs, dass der Oberst sich einige Geschütze aus Holz anfertigen Hess,
welche die Franzosen vorfanden. Blech.
«) Apergu S. 40.
') Archiv S. 90. Die französischen Quellen erwähnen nichts von dem
Versuche, aber in dem Umstände, dass die Franzosen am 27. April nicht am
Qanskruge über die Weichsel gingen, was sie gewiss gethan hätten, wenn sie
im Besitz von Heubude gewesen wären, liegt auch eine gewisse Bestätigung
der Angabe des russischen Jumals.
*) Oampredon. Auriol S. 75.
286
und übertrug dieselbe dem General Bachelu. Um die Russen
zu täuschen, Hess er die Nachricht verbreiten, dass ein grosser
Ausfall gegen Oliva im Werke sei.
Der General Bachelu erhielt 1200 Mann Fussvolk und
350 Reiter unter Kommando des Obersten Farine zugetheilt,
dazu eine polnische und eine französische Batterie. Ausserdem
wurde von Weichselmtinde ein Detachement Fussvolk längs
dem Strande vorgesendet. Der Guverneur folgte mit seinem
Stabe und zwei Bataillonen Fussvolk in einiger Entfeniung.
Der Ausfall erfolgte bei Anbruch des Tages vom Holm aus*).
Jeder Soldat war auf 4 Tage mit Brot versehen. In Heubude
wurde ein russisches Piket angetroffen und gänzlich vernichtet*).
Der Oberst Rosen war 877 Mann stark, wovon 503 Mann
Fussvolk und 374 Reiter, wie bemerkt ohne Artillerie*). Er
hatte an der schmälsten Stelle der Nehrung, bei Neufehr, Auf-
stellung genommen, wich aber bei der feindlichen Ueberlegen-
heit und durch das Detachement von Weichselmünde in der
rechten Flanke bedroht bald zurück und stellte sich bei Wordel
auf. Nach kurzem Gefecht ging er auf Pasewark zurück. Hier
hielt er den Feind so lange auf, bis das Proviant -Magazin,
das in diesem Dorfe vorhanden war, geräumt und das Vieh
weggetrieben war. Er zog sich dann nach Junkeracker zurück,
wo er abends 9 Uhr eintraf, ohne vom Feind verfolgt zu
werden*).
Der General Rapp, welcher bis Wordel gefolgt war, kehrte
auf die Meldung Bachelu's von Pasewark aus, dass der Feind
bis Vogelsang auf der frischen Nehrung geflohen sei^), über
Heubude, wo er die Weichsel passirte, zurück, um die Russen,
welche oberhalb des Forts Lacoste den Weichseldamm besetzt
") d^Artois S. 114. Campredon S. 75. Blech sagt irrthümlich, der üeber-
gang über die Weichsel wäre um Mittemacht am Ganskruge geschehen. (2, 78.)
•) Blech 2,78.
') Die Stärke wird im Apert^u S. 40 auf dcus genaueste nachgewiesen,
um der Uebertreibung d'Artois' entgegenzutreten, der S. 114 die Stärke Rosens
auf 2600 Mann Fussvolk, 600 Dragoner, 300 Kosacken und mehrere Geschütze
angiebt. Die m^moires de Rapp sprechen sogar von 5000 (S. 233).
♦) Jumal. Archiv S. 92.
*) d'Artois S. 115. Woher konnte Bachelu dies so schnell erfahren haben?
287
hielten, zu vertreiben und dadurch die Weichsel für die Trans-
porte der Beute frei zu machen. Drei Schaluppen unter Füh-
rung des Kontreadmirals Dumanoir unterstützten den Guverneur
hierbei*), der nicht unterliess, einen Theil des Werders ab-
zufuragiren.
Der russische Verlust betrug nach dem Jurnal 8 Offiziere
100 Mann. Auch Campredon giebt 100 Mann an. d'Artois
macht daraus jedoch 9 Offiziere 260 Mann. Französischerseits
waren 2 Offiziere 7 Mann todt und 4 Offiziere 33 Mann ver-
wundet*).
Der Herzog von Würtemberg, welcher sein Quartier vor-
läufig hinter dem Zentrum der Armee in Klein-Leesen genommen
hatte, erhielt erst 36 Stunden nach dem erfolgten Angiilf der
Franzosen die Meldung davon, weil die beiden Offiziere, welche
der Oberst Rosen an ihn abgesendet hatte, die Fähre bereits
im Besitz der Franzosen fanden und der eine von ihnen getödtet,
der andere gefangen genommen wurde. Die dritte Meldung
aus seinem Nachtquartier hatte grosse Umwege zu machen*).
Der Herzog sendete sogleich die zu seiner Sicherheit kom-
mandirten beiden Regimenter und 6 reitende Geschütze unter
dem Obersten Peuker nach Gross -Plönendorf, um das linke
Weichselufer zu vertheidigen *).
Der General Bachelu blieb 4 Tage auf der Nehrung, um
dieselbe gründlich abzufuragiren. Die Beute war sehr be-
deutend: 500 Stück Hornvieh, 400 Stuck Kleinvieh, 600 Ctr.
Heu, 400 Ctr. Stroh und 2300 Decalitres Hafer. Das Vieh
wurde auf dem Landwege nach Danzig getrieben, die Furage
auf der Weichsel*) transportirt.
Während der Expedition des Generals Bachelu waren die
Vorposten verdoppelt und der General Husson bei Langfuhr
und Neu-Schottland bereit gestellt worden, doch verhielten sich
die Russen ruhig. Der Oberst Rosen nahm nach dem Abzüge
der Franzosen seine alten Stellungen wieder ein.
') Ebenda S. 116.
«) Ebenda S. 117.
») Aper<ju S. 46.
*) Jurnal. Archiv S. 92.
») d'Artois S. 117.
28d
Rapp verfehlte nicht, die Resultate der Expedition der
Besatzung von Danzig im Sinne Napoleonscher Bulletins mit-
ztttheilcn, um daraus Kapital zur Hebung des Geistes derselben
zu schlagen *). Er ist darin in seinem Recht. Wenn aber die
französischen Berichterstatter d'Artois und Campredon dieselbe
Tonart anschlagen und das Gefecht vom 27. als etwas ausser-
ordentliches hinstellen ^), so tragen sie weder zum Verständniss
*) Das russische JnrDai giebt (Archiv S. 115) folgenden Tagesbefehl Bapps
vom 1. Mai wieder: Der Ausfall, den ein kleiner Theil der Garnison am
27. April anf der Nehrung unternahm, ist vom glänzendsten Erfolge gewesen.
Der Feind wurde fünfmal mit dem Bajonet geworfen und auf 8 und 9 Meilen
verfolgt; wir verwundeten und tödteten ihm viele Menschen, unter den
ersteren zwei Stabsofficiere. Gegen 300 Mann, unter denen 9 Officiere, fielen
uns als Gefangene in die Hände, einen Theil derselben bildeten die Grenadier-
Kompagnien des littauiscben Regiments. Wir brachten für 8 Monate Lebens-
mittel und Furage in die Festung. Unsere Truppen blieben vier Tage auf
dem vom Feinde eroberten Terrain, und der Feind wagte nicht, etwas gegen
sie zu unternehmen. Der General en chef befahl gestern, den 30., dem Ge-
neral Bachelu, der diese glänzende Expediton führte, in die Festung zurück-
zukehren. Wir waren erstaunt zu sehen, dass uns auch nicht ein Mann bei
unserm Rückzug in die Festung folgte. Wir haben nur den Verlust von
13 Verwundeten und 3 Getüdteten zu beklagen. Der General en chef be-
zeugt den Truppen aller Nationen, die diese Expedition begleiteten, seine
volle Zufriedenheit. Besonders angenehm ist es ihm zu sehen, dass die Ver-
bündeten auf Versuche des Feindes, sie zum Abfall zu bewegen, so brav mit
Kanonenkugeln und mit dem Bsgonete zu auworten verstehen. Das ist die
wahre Rache eines tapfem, beleidigten Kriegers. Die Einwohner Danzigs,
welche seit vier Monaten Zeugen der tapfern Ausdauer der Garnison ge-
wesen sind, gewinnen jetzt mehr als jemals die Ueberzeugung, dass die
Truppen Napoleons unüberwindlich sind.
*) d'Artois geht S. 115 so weit zu sagen, dass die russische Artillerie
gar nicht die Zeit gehabt hätte, einen Schuss zu thun, so ungestüm sei der
Angriff der Franzosen gewesen, wo er wissen konnte, dass die Russen ohne
Artillerie waren. Aehnlich Campredon S. 76. Darin mag letzterer aber recht
haben, wenn er S. 77 sagt: „Cettc brillante sortie, qui ent lieu dans un temps
ou les roaladies contagieuses commeugaient ä disparaitre, releva beaucoup
Tesprit de la gamison et Ini inspira uue confiance et une fermite qui ne se
dementit pas un instant pendant le reste de la defense". Der Einfluss des
Ausfalls war namentlich dadurch so bedeutend, dass der Besatzung auf
einige Zeit Lebensmittel zugeführt wurden, die vor allem den Kranken zu-
gute kamen. Düring sagt S. 46 indessen, dass die Gamison gar nichts da-
von gehabt hätte, weil die Beute ausschliesslich den Generälen, Kommissären
und ihren guten Freunden zu Nutz gekommen wäre.
680
der Begebenheiten noch zur Glorie ihrer Nation bei. Die Leis-
tungen der Besatzung und die glorreiche Führung der Ver-
tlieidigung durch ßapp bedürfen solcher Ueberschwenglichkeiten
nicht.
1 Die Blockade vom 1. Hai bis znm Waffensüllotande.
Der Angriff.
Der Kaiser Alexander hatte in seinem Onkel den richtigen Mai.
Mann gefunden, der der Stelle gewachsen war, die er zu be-
kleiden hatte. Von reicher Kriegserfahrung, verband der Her-
zog damit ein seltenes Wissen, das sich auch auf die für den
Belagerungskrieg besonders wichtigen Zweige der Artillerie und
des Ingenieurwesens erstreckte. Namentlich aber hatte er einen
unbeugsamen Charakter und eine starke Willenskraft. Er war
von dem Generallieutenant Borosdin I begleitet und übernahm
am 1- Mai das Kommando *). Zum Chef des Generalstabs wählte
er den General - Major Wiljaminow *), der wieder zur Armee
zurückgekehrt war. Der Herzog fand das Blockadekorps in
einer Stärke von 13000 Mann vor*), die völlig unzureichend
war, die weite Strecke von Brösen am Strande bis Quadendorf,
in der Nähe der obern Weichsel, zu decken, viel weniger noch
Truppen nach der Nehrung zu entsenden. Er hatte indessen
bei seiner Abreise sowohl vom Kaiser Alexander als von
Friedrich Wilhelm III die Zusicherung baldiger Verstärkungen
erhalten. Er nahm nach dem unglücklichen Ausgange des Ge-
fechts vom 27. April die Gelegenheit wahr, um von neuem
darum zu bitten. In der That ging am 6. Mai ein Schreiben
Hardenbergs aus Dresden an das Militair - Guvernement von
Königsberg ab, wonach die ostpreussische Landwehr nach Danzig
abrücken solle. Wenige Tage darauf traf auch ein Schreiben
des Königs an das Guvernement ein, das die Angelegenheit
dringend machte. Die 1. Division der ostpreussischen Landwehr
*) Apertju S. 307.
*) Friccius S. 171. Friccius ist im Irrthum, dass auch der Fürst De-
meter WoU^onski mit dem Herzog gekommen ist.
') Apercu S. 37. Im Anhange desselben befindet sich die Tabelle der
Stärke der einzelnen Regimenter.
Köhler, Gescliiehte der Festongeii Danzig und WeichselmOnde. IL 19
29ö_
unter ihrem Inspekteur, dem Grafen Ludwig von Dohna, erhielt
Befehl, sich marschbereit zu halten. So sehr sich die Eussen
dagegen gesträubt hatten*), preussische Truppen an der Be-
lagerung von Danzig theilnehmen zu lassen^), das Bedürfniss
dazu lag vor und siegte über das in russischen Kreisen längst
gepflegte Verlangen nach der Weichsel und Danzig.
Der erate Befehl des Herzogs betraf die Abführung des
Viehes, Getreides und aller Lebensmittel, welche sich in der
Entfernung von IVa Meilen von Danzig befanden, nach rück-
wärts. Er Hess die Massregel durch besonders dazu komman-
dirte Officiere überwachen. Die zurückbleibenden Bewohner
durften nur für drei Tage Lebensmittel behalten^). Am 3.
Mai wurde die Errichtung von 3 Fuhrparkskolonnen befohlen.
Jede Kolonne bestand aus 160 Gespannen zu 4 Pferden*). Als
Kommandeure derselben wurden OfBciere gesetzt, auf deren Eifer
Verlass war. Die Massregel wurde durch die völlig ausge-
sogene Gegend von Danzig hervorgerufen ; die Kolonnen sollten
Lebensmittel und Furage aus Ostpreussen und Pommern holen.
Das Hauptmagazin wurde in Dirschau eingerichtet, kleinere
in Kalpin, Oliva und St. Albrecht ^). Am 2. Mai befahl der
Herzog, auf der Nehrung bei Neufehr eine Verschanzung auf-
zttwerfen, und schickte einen preussischen Offleier zu dem Zweck
dahin. Sie sollte aus mehreren unter sich gebrochenen Linien
mit Batterien gebildet werden, die von der Weichsel bis zum
Strande gingen. Davor sollten Reduten zur Bestreichung der
Front und Verhaue angelegt werden^). Zwei Weichselkähue
wurden bewaffnet und zum Schutz des linken Flügels bestimmt.
Nach Ankunft der russischen Flotte wurden auch drei Schaluppen
>) Friccius S. 174.
•) Schreiben Kutusows an Wittgenstein vom Februar, worin es heisst:
„Zur Belagerung Danzigs dürfen preussische Truppen nicht verwendet werden''
Danilewski I. Friccius S. 174.
•) Apergu S. 36.
*) Jumal. Archiv S. 116.
») Apercu S. 38.
•5 Jumal. Archiv S. 116.
291
auf der See zum Schutz des rechten Flügels kommandirt *). 2ur
Verbindung mit der Nehrung wurden am rothen Kruge und an
der Siedlersfälire je 2 Fähren, die auch für Kavallerie geeignet
waren, hergestellt. Auf jedem Ufer befand sich eine;. Der
Herzog richtete ferner sein Augenmerk auf bessere Organisation
der Lazarethe und Ambulanzen und suchte alles hervor, um
dem Typhus zu steuern, der sich auch in der russischen Armee
verbreitete. Alle kleinen Detachements bei der Bagage und in
den Depots wurden zu ihren Truppentheilen zurückgeschickt
und die Verwaltungsbeamten bei den Magazinen scharf kon-
trollirt. Die nach dem grossen Werder zurückgeschickten Bat-
terien wurden wieder herangezogen, und für den Ersatz der
Munition wurde gesorgt. Als Depot für dieselbe wurde Graudenz
bestimmt, aber auch für weitern Nachschub aus ßussland ge-
sorgt.
Die beim Blockadekorps befindlichen Milizen (Landwehren)
waren durchweg schlecht bewaffnet; ein Theil hatte noch Piken,
ein anderer schlechte Gewehre von verschiedenem Kaliber. Es
wurde dafür gesorgt, dass bei den Bataillonen ein gleiches Ka-
liber vorhanden war und die Reparaturen durch geschickte
Büchsenmacher ausgeführt wurden. Es wurden ferner die
strengsten Verordnungen erlassen, dass die Bauern des Werders
sich nicht nach der Stadt durchschlichen und Lebensmittel da-
hin führten. Die Einwohner von Plönendorf, Nassenhuben,
Hochzeit, Eeichenberg wurden über die Weichsel zurückge-
sendet. Alle Kähne und Fahrzeuge dieser Dörfer wurden mit
Beschlag belegt^.
Nach und nach trafen auch Verstärkungen ein. Schon am
L Mai langte der Generalmajor Welikopolski mit einem Theil
der Petersburger und Nowgoroder Landwehr in der Stärke von
290fficieren und 599 Untere fficieren und Gemeinen an. Er wurde
vorwärts Schiddelkau in ein Bivuac gelegt und zur allgemeinen
Reserve bestimmt. Zu ihm stiess die schwere Batterie No. 6,
und die nach Gross-Plönendorf entsendete halbe reitende Bat-
*) Apercu S. 47.
') Das Vorstehende nach dem Apercu S. 43 ff. und dem Jamal. Archiv
S. 116.
^9ä
ierie nebst dem 1. und 2. Seeregiment, ferner das Kosacken-
Eegiment Grekow I*). Das Kommando darüber erhielt der
Generalmajor Welikopolski. Die Stärke der Reserve war nicht
über 2800 Mann anzuschlagen. Eine noch kleinere Reserve wui^e
zwischen Praust und Rostau aufgestellt. Das Hauptquartier
wurde nach Schiddelkau und nach dem Eintreffen weiterer Ver-
stärkungen nach Sulmin verlegt*).
Die Aufstellung der Reserven hing mit der neuen Disloka-
tion der Truppen zusammen, die der Herzog anordnete. Der
Oberst Falk vom Jamburgschen Ulanen -Regiment erhielt das
Kommando über ein Detachement von 2600 Mann'), von dem
er die Vorposten vom Strande über Saspe und Mühlenhof bis
Brentau zu stellen hatte. Das Kommando ging später auf den
General Kulibakin über.
Der Oberst Treskin vom Regiment Asow hatte mit einem
Detachement von 1300 Mann aller Waffen das Plateau zwischen
Pitzkendorf und Miggau zu besetzen; der Oberst Peyker vom
2. See-Regiment mit 1500 Mann die Stellung von Wonneberg.
Der General Tschernisch hatte mit 1300 Mann das Kommando
über die Vorposten vorwärts Schönfeld und Matschkau; 1200
Mann unter dem General Adadurow besetzten mit dem Haupt-
quartier in Wozlaw den Raum bis zur AVeichsel längs der Inun-
dation. Der Oberst Rosen, welcher zur 21. Division gehörte,
die demnächst zur grossen Armee abmarschiren sollte, wurde
vom Oberst Ekeln vom 74. Jägerregiment abgelöst, der auf
2200 Mann verstärkt wurde. Die kleine Reserve zwischen
Praust und Rostau, aus 2 Bataillonen und 200 Kosacken, zu-
sammen 700 Mann, bestehend, kommandirte der Major Afro-
simow. Auf der Höhe zwischen Striess und Pelonken wurde am
16. Mai eine starke Redute erbaut und mit 6 Geschützen armirt.
Die Central-Reserve war für den ganzen Raum vom Strande
bis St. Albrecht bestimmt*).
*) Apercu S. 48. Jamal. Archiv S. 92.
") Apercu S. 49.
') Das Detachement wurde später dnrch 3 Bataillone verstärkt (Aperga
S. 61), welche am Ausgange des Thals von Brentau für den FaU eines feind-
lichen Angriffs eine Reserve bildeten.
*) AperQU S. 52.
293
Auf einen Parlanicntair, den der Herzog am 6. Mi^i nach
Danzig schicken wollte, um die Uebernahme des Kommando's dem
General Rapp anzuzeigen, wurde von den französischen Vor-
posten geschossen, so dass der Herzog sich veranlasst sah, am
8. einen Tagesbefehl zu erlassen, damit eine derartige Praxis
nicht auch bei den diesseitigen Vorposten einreisse. Zur Ver-
breitung von Proklamationen an die Besatzung liess der Her-
zog durch Kosacken in der Nacht Piken innerhalb der feind-
lichen Vorposten aufstellen, woran die Proklamationen befestigt
waren. Auch unterhielt er eine Zahl von Spionen in der Stadt.
Um die Schwäche des Blockadekorps zu verbergen und den
Feind in Athem zu erhalten, liess der Herzog tägliche Anfälle
der feindlichen Vorposten durch einige hundert Mann Fussvolk
und ebensoviel Kosacken ausführen, während die Truppen in den
Lägern völlige Ruhe genossen^). Der Monat Mai verging da-
her fast ohne bemerkenswerthe Ereignisse*).
Am 11. Mai stiessen die Reserve-Bataillone der 6., 21. und
25, Division, sowie 2 Eskadrons Dragoner in der Stärke von
187 Oberc^cieren, 706 ünterofficieren und 5119 Gemeinen zum
Blockadekorps und wurden vorläufig der allgemeinen Reserve
bei Schiddelkau zugetheilt, ebenso das 7. Baschkiren-Regiment,
(las am 30. Mai anlangte').
Das Orenburgische Attaman-Regiment, welches gleichzeitig
mit den Baschkiren ankam *), wurde dem Detachement bei Wonne-
berg zugetheilt und aus einigen Bataillonen der 5. und 14. In-
fanterie-Division, welche mit dem Schmidtschen-Korps anlangten,
ein besonderes Detachement gebildet, das die Verbindung der
Generale Adadurow und Tschernisch herstellen sollte. Am 26.
Mai langten aus Pillau auf der Weichsel zwei Kanonenboote
an, die dem Detachement in Neufehr unterstellt wurden*).
>) Ebenda S. 54.
*) Campredon. Auriol S. 80.
') Junial. Archiv S. 117.
*) Die beiden Regimenter zählten 980 Mann, waren aber durch den
weiten Marsch sehr erschöpft. Sie ersetzten jedoch zwei Eosacken-Regimenter,
welche zur Beschleunigung der Transporte aus Ostpreussen und Pommern
abkommandirt waren. Apercu S. 57.
*) Jumal. Archiv S. 117.
294
Ende Mai und anfang Juni stiess die 1. Division ost-
preussischer Landwehr unter dem Major Graf zu Dohna mit
9 Bataillonen *), 6 Eskadrons, in Summe 6022 Mann stark, zum
Blockade-Korps. Davon wurden 7 Bataillone als ReseiTe für
Pitzkendorf vorwärts Nenkau aufgestellt und 2 Bataillone, eine
Eskadron dem Detachement des Generals Tschernisch zwischen
Schönfeld, Matschkau und St. Albrecht zugetheilt ^. Fünf Es^
kädrons Reiterei stiessen zur allgemeinen Reserve bei Sclüd-
delkau.
Am 7. Juni langten 3200 Rekruten der 21. Division an und
marschirten mit der Division den folgenden Tag zur grossen Armee
ab. Die Division war ausser den Rekruten 9 höhere, 72 Sub-
altem-Officiere, 141 ünterofficiere, 72 Spielleute und 2695 Ge-
meine stark; deren Stellung bei Pitzkendorf, Nenkau und Miggau
nahmen jetzt die 7 preussischen Landwehr-Bataillone ein, ver-
stärkt durch die russischen Regimenter Asow und Nizow der
6. Division^.
Am 8. Juni trafen 20 russische Kanonenboote und 8 Traus-
portschiffe mit Munition auf der Danziger Rhede ein*).
Am demselben Tage langte das Tulasche Puss-Kosacken-Re-
giment an und wurde dem General Tschernisch zugetheilt. Da-
gegen wurde das Woroneschkische Infanterie-Regiment dem Ge-
neral entzogen und als besonderes Detachement unter dem
Obersten Naunow bei Rostau aufgestellt*).
') Die Division bestand aus 2 Brigaden, der 4. und ö., eine jede ans
Ö Bataillonen und einem Kavallerie-Regiment gebildet. Ein Bataillon war
jedoch in der Gegend von Graudeuz zur Bewachung der polnischen Grenze
zurückgeblieben. Die zur Division gehörige Batterie langte erst w^ährend des
Waffenstillstandes an. Friccius 193. Die Bataillone trafen einzeln ein,
No. 19 schon am 30. Mai, No. 17 am 31., No. 18 sogar erst am 11. Juni,
die Reiterabtheiiungen am 3. und 7. Juni. Kriegs-Archiv F. 9.
*) Jumal und Apercu S. 56. Von den 7 Bataillonen wurde jedoch eins
(No. 17, Oelrichs) schon am 4. Juni nach der Nehrung abkommandirt. Kriegs-
Archiv F. 9.
^) Apercu S. 57. Das russische Jumal führt diesen Umstand nicht au,
hat im Gegentheil die 21. Division bereits am 14. Mai abmarschiren lassen.
*) Ebenda. Nach dem Jumal befanden sich darauf 10 Mörser, 144 Ka-
nonen und 2278 Mann. Archiv S. 117.
») Jumal. Archiv S. 117.
295
Der Umstand, dass die preussische Landwehr zwei Regi-
menter russischer Infanterie zugewiesen erhielt, während 2 Ba-
taillone Preussen, die mindestens ebenso stark waren, zum Ge-
neral Tschernisch kommandirt wurden, ist wohl darauf zurück-
zuführen, dass die Landwehr noch nicht im Feuer gewesen
war. Eigen thümlich war aber das Verhältniss, dass der Graf
zu Dohna Major war, die Kommandeure der russischen Regi-
menter dagegen Obersten. Es ist nicht ausgesprochen, dass das
Detachement von einem höhern russischen Officier kommandirt
wurde. Wir erfahren im Gegentheil aus der Relation der Schlacht
am 9. Juni, dass der Oberst Treskin vom Asowschen Infan-
terie-Regiment, welcher das Detachement von Pitzkendorf schon
vorher kommandirtc, noch an diesem Tage das Kommando inne
hatte, während der Graf Dohna den Rang eines Divisions-Kom-
mandeurs faktisch besass. Wie Friccius S. 199 behauptet, haben
diese Verhältnisse von vornherein zu einer Entfremdung zwischen
dem Herzoge und dem Grafen Dohna geführt, da letzterer das
preussische Interesse in jeder Beziehung vertrat. Er ist zwar
bald zum Oberstlieutenant befördert worden *), was in Preussen
als ein ausserordentlicher Fall angesehen wurde, inbezug auf
die erwähnten Verhältnisse jedoch ohne Belang war. Wie wir
sehen werden, kamen diese Sachen erst später zum Austrage.
Die Vertheidigung.
Auf die Besatzung übte die bessere Jahreszeit im Verein
mit dem Nachlassen der Epidemie einen sehr guten Einfluss
aus. Die Zahl der Dienstfähigen mehrte sich von Tag zu Tage,
und auch der Geist der Mannschaft hob sich mit dem Wieder-
aufleben der Natur. Die Vegetation sprosste üppig empor.
Die zahlreichen Wiesen rings um die Stadt und die Wälle be-
deckten sich mit einem grünen Teppich und ei*setzten den Mangel
an Furage. Ein Theil der Pferde wurde auf die Weide ge-
schickt, namentlich die, welche als Schlachtvieh verwendet
werden sollten, was für die Mannschaft wiederum von Vortheil
war. Für die übrigen Pferde ersparte mau dadurch seit ende
Mai auf zwei Monate die Furage, so dass die Vorräthe an Ge-
*) Nach Friccius am 9. August.
296
treide in dieser Zeit unberülul blieben. Bis dahin waren die
Pferde statt des Hafers mit Roggeumehl, dem ein Drittel Kleie
beigemischt war, in Form von Kuchen gefüttert worden. Die
Ration betrug 7 Pfund, wozu 2 Pfund Eoggenmehl kamen.
Stroh wurde nur für die Lazarethe verwendet. Die tägliche
Portion für die Mannschaft betrug 2 Unzen Pferdefleisch und 1
Unze Pökelfleisch, für die Kranken in den Lazaretlien ein halbes
Pfund Rind- oder Hammelfleisch. Die Beute, welche durch
häufige Excursionen in den Werder eingebracht wurde, kam nur
den Lazarethen zu gute*).
Immer noch starben im Mai 60 bis 70 Mann täglich. Die
Lazarethe waren mit 8000 Mann angefüllt. Bis zum 1. Mai
hatte die Besatzung 10000 Mann verloren*). Die Zahl der
Dienstfähigen belief sich auf 12000.
Inzwischen war die Zeit herangekommen, wo die 13 Mil-
lionen des Kurländer Raubes zu Ende gingen. Geld war aber zur
Besoldung der Besatzung und zur Ablöhnuug der zahlreichen Ar-
beiter, welche die Fortiflkation und die Artillerie zu Armirungs-
zwecken beschäftigte, nicht zu entbehren. Der General Rapp
schätzte die Summe von 3 Millionen B^anks für erforderlich,
um für die Zukunft sichergestellt zu sein, und ernanute eine
Kommission (11. Mai), bestehend aus dem Divisious-Kommandeur
Heudelet als Präses, dem Kommandeur der Artillerie, General
Lepin, dem ersten Kommandanten General Bazancourt und ei-
nigen höhern Verwaltungsbeamten, um die Summe zu beschaffen.
Er ertheilte ihr die weitgehendste Vollmacht, sowohl über die
Art der Erhebung als über die Mittel der Ausführung'). Die
Form, in der sich Heudelet der Sache entledigte, spottet aller
Beschreibung *). Es gelang, durch Gewaltmassregeln 2 Millionen
^) Campredon (Auriol S. 80) erwähnt solcher Excuräiouen durch die
Flotille unterm 7. und 17. Mai unter dem ArtiUerie- Hauptmann Andrieux.
Auch in Apercu S. 56 werden sie angedeutet.
«) d^Artois S. 122. Auriol S. 82.
") d'Artois.
*) Blech 2, 98. Heudelet liess 28 der angesehensten Bürger in ihren
Quartieren aufgreifen und zu sich füliren. Hier eröffnete er ihnen in Gegen-
wart der ganzen Kommission, dass er 8 Millionen hahen müsse, die jedoch
nur als Anlehen aufzufassen seien, dass er die Herren in Haft behalten werde,
297
aufzutreiben. Dazu kam die Denunciation eines gewissen Re-
dai, der als russischer Spion verhaftet war und am Tage seiner
beabsichtigten Hinrichtung vorgab, wichtige Enthüllungen machen
zu wollen. Die Hinrichtung wurde suspendirt und der Mann
vernommen. Er sagte aus, dass am 22. Mai eine Revolution
ausbrechen sollte, die zum Zweck habe, die Stadt den Russen
zu überliefern. Er gab alle Einzelheiten darüber an und be-
zeichnete den Senior des Schöppengerichts , Pegelau, als den
Anstifter. Der Guverneur Hess Pegelau verhaften und vor ein
Kriegsgericht stellen, das jedoch seine völlige Schuldlosigkeit
erkannte und ihn wieder freigab *). Redai wurde am 16. Mai
gehangen.
Der gute Stand der Saaten gab den Belagerten Veran- juni.
lassung, seit Ende Mai tägliche Furagirungen über die Linie
der feindlichen Vorposten hinaus vorzunehmen, welche auf Seiten
der Russen wiederum Angriffe in einem grössern Umfange wie
bisher hervorriefen, um die Belagerten mehr einzuschränken.
Es fanden täglich Gefechte statt, die von den Berichterstattern
je nach ihrem Standpunkte und ihrer Auffassung verschieden
dargestellt werden, so dass selbst die Tage nicht übereinstimmen.
So giebt d'Artois den 31. Mai, 3. und 8. Juni^), der Herzog
von Würtemberg den 30. Mai, 2. und 6. Juni ') an. Das russi-
sische Jurnal nennt dagegen den 26., 27. und 31. Mai und er-
wähnt von den G-efechten zu anfang Juni bis auf den grössern
Ausfall am 9. gar keine*). Selbst Campredon weicht von
d'Artois ab*). Die Resultate der einzelnen Gefechte kommen
darin überein, dass die Belagerten aus ihren Stellungen zurück-
wenn sie Schwierigkeiten machen würden. Die Bürger erklärten, es sei wohl
möglich, dass sich in der Stadt noch 3 Millionen befänden, dass sie aber
nicht die Hände dazu bieten würden, die betreifenden Bürger bekannt wer-
den zu lassen. Sie wurden darauf verhaftet und während ihrer Abwesenheit
ihre Bücher eingesehen und versiegelt.
») Ebenda 2, 93.
') Relation S. 145. Damit stimmt auch Düriug S. 145 überein.
*) Apercu S. 55.
*) Archiv S. 117. 118. Am meisten Gewicht legt das Jurnal auf den
Ausfall gegen den General Andadurow vom 27. Mai, der anderweitig gar
nicht erwähnt wird.
») Auriol S. 83.
298
geworfen werden, die Belagerer sich aber unter dem Feuer der
Festung nicht zu behaupten vermögen und in ihre alte Stellung
zurückgehen *). Der Belagerte befand sich bei diesen Gefechten
entschieden im Nachtheil, weil der Guverneur sich genöthigt
sah, die Truppen in steter Bereitschaft zu halten. Die Reiterei
hielt stets die Hälfte ihrer Pferde gesattelt, die Artillerie 25
Geschütze mit ihren Munitionswagen bespannt. Das Fort La-
coste erhielt eine stärkere Besatzung, und am Ganskruge wurde
ein neuer Posten angelegt. Die Vedetten der Reiterei wurden
verdoppelt.
Der Herzog von Würtemberg war immer noch tiberzeugt,
dass die Besatzung stärker sei als er, und suchte den Feind
über seine Schwäche zu täuschen, indem er in der Nacht auf
den Höhen grosse Feuer unterhielt und am Tage Bewegungen
ausflihren Hess. In der That schätzten die Belagerten, denen
einzelne Verstärkungen nicht entgangen waren, das Blockade-
korps auf 30000 Mann. Damit seine Truppen dadurch nicht
entmuthigt würden, liess der Guverneur verbreiten, diese Ver-
stärkungen kämen nicht aus Russland, sondern es seien die
Flüchtlinge aus Sachsen, wo Napoleon bedeutende Siege er-
fochten hätte und in Dresden eingerückt sei *). Dunkle Ge-
rüchte über die Schlacht von Lützen waren wirklich bereits an-
gelangt. Indessen hielt Rapp es doch für angezeigt, seine
Stellungen zu befestigen. Der westliche Ausgang von Stolzen-
berg wurde mit einem kleinen Werk versehen. Auch im Innern
des Dorfes wurden einige Häuser krenelirt. ein Haus (K) süd-
lich des Dorfes, an einem kleinen Teich gelegen, das ebenfalls
befestigt war, wurde der Dragonerposten genannt, weil er gewöhn-
lich mit Dragonern besetzt wurde. Ausserdem liess er vor dem
Zigankenberg drei kleine Redans (N. 0. P.) zum Schutze des
Dorfes Zigankendorf erbauen. Die Redans wurden später er-
weitert und erhielten die Namen Batterie Kirgener, Lünette
') Am vollständigsten werden diese Gefechte nach dem Tagebuch der
Division Heudelet, im Anhange zu „Le siege de Dant^ig par M. de M****''
8. 111. 112 gegeben. Danach hätten dergleichen am 3. 5. 6. 7. und 8. Juni
stattgefunden.
*) Danziger Zeitung No. 64. Apercu S. 66.
299
Istrien nnd Batterie Caulaincourt *). Diese Arbeiten wurden am
2. und 3. Juni ausgeführt. Dann wurde links der Allee auf
dem Krähenberge in der Höhe von Aller Engeln eine Batterie
angelegt, welche die Gegend von Schelhntihl und Neu-Schott-
land, sowie den Ausgang von Langfuhr bestrich. Sie wurde
später Batterie Montbrun genannt. Das Haus Kabrun (eine
Aschbude), das schon im April befestigt worden war, sowie ein
Gewächshaus jenseits Aller Engeln, das im Schmidt'schen Garten
links der grossen Allee lag, erhielten Werke vorgelegt*).
Im Archiv des russischen Ministeriums findet sich ein Tages-
befehl des Generals Rapp vom 8. Jnni hinsichtlich des Vor-
postendienstes, der von Interesse ist®). Es heisst darin:
„Von diesem Tage an übernimmt für jede 24 Stunden ein Bri-
gade-General du jour die Vorposten. Unter seinem Befehl
stehen alle Vorposten von Neu-Schottland bis Ohra. Sein Aufent-
halt ist in Schidlitz ; die Ablösung der Vorposten geschieht alle
24 Stunden und zwar um Mittag. Der Brigade-General du jour
trifft bei einem feindlichen Angriff die ersten nöthigen Anord-
nungen und disponirt über eine Reserve von 8000 Manu, die
ihm auf Verlangen gestellt werden wird. Ebenso stehen die
Pikets unter seinem Befehl, die jedesmal ausrücken, wenn bei
den Vorposten Gewehrfeuer gehört wird. Bei vorkommenden
Ereignissen meldet der General du jour unverzüglich dem Ge-
neral en chef und dem Festungs-Kommandanten. Die einzelnen
Befehlshaber reichen ilim und dem Hauptquartier jeden morgen
um 9 Uhr ihre Rapporte ein. Der General du jour inspicirt
alle Vorposten und reicht dem General en chef bei der Ablösung
derselben einen schriftlichen Rapport ein".
Der Ausfall vom 9. Juni.
Das wichtigste Gefecht fand am 9. Juni statt. Die un-
aufhörlichen Anfälle des Feindes, welche eine stete Bereitschaft
erforderten und die Truppen durch fast tägliche Alarmirungen
ermüdeten, hatten die Geduld des Guverneurs erschöpft*). Er
>) d'Artoifl S. 148.
') Campredon. Auriol S. 83.
*) Archiv S. 119. Schon Friccius theilt ihn S. 178 mit.
*) M6moires de Bapp S. 237.
300
entschloss sich am 9. Juni einen allgemeinen Ausfall zu unter-
nehmen und damit eine grosse Furagirung zu verbinden. Der
General Lepin hatte dazu 40 bespannte Geschütze fertigge-
stellt und Kapp setzte seine Hoffnung darauf, dem Feinde da-
mit möglichst grosfcie Verluste beizubringen, um ihn von weitern
Belästigungen abzuhalten.
Die Stärke der französischen Ausfalltruppen wird auf
höchstens 10000 Mann anzuschlagen sein'). Der Herzog von
Würtemberg berechnet im Apercu S. 69 die Stärke des Blockade-
korps auf 16400 Mann*). Davon würden nach Abzug der Laza-
rethkranken und der Truppen auf der Nehrung und im Werder,
die nicht am Gefecht theilnahmen, noch mindestens 6000 Manu
abgehen, so dass die Stärke auf beiden Seiten im allgemeinen
gleich war. Auf selten der Russen kommandirte der General-
major Kulibakin bei Brentau und bis zum Strande, der Oberst
Treskin bei Pitzkendorf und Miggau, der Oberst Peyker bei
Wonneberg, der General Tscher nisch bei Schönfeld und Matsch-
kau, der Generalmajor Adadurow auf dem Werder, der Oberst
Ekelen auf der Nehrung. Die allgemeine Reserve befand sich
bei Schiddelkau, eine kleinere zwischen Praust und Rostau, da-
von abgesondert das Infanterie-Regiment Woronesch bei Rostau.
Der General Rapp beabsichtigte anscheinend bei Schönfeld
und Matschkau die feindliche Stellung zu durchstossen und von hier
aus aufzurollen. Da der Durchbruch jedoch nicht gelang, voll-
zog sich der Angriff in Echelons von Brigaden vom linken Flügel.
^) Eechuet man die Zahl der Gestorbeneu und der seit dem 15. Januar
in Gefechten Umgekommenen auf 18000 Manu und die der Lazarethkranken
auf 7000 Mann, so bleiben von der ursprünglich 35000 Manu starken Besat-
zung noch 15000 dienstfähige, von denen 5000 als Besatzung in Danzig mit
seinen Ausseuwerken , auf dem Holm in Weichselmünde und in dem retrau-
chirten Lager von der Westerplatte und Neufahrwasser zurückgelassen werden
mussten, so dass 10000 Mann zum Ausfall disponibel blieben.
^) Der Herzog von Würtemberg berechnet im Apercu S. 69 die Ver-
stärkungen, welche das Blockadekorps seit seiner Ankunft erhalten hatte, nach
Abrechnung der 21. Division auf 3800 Mann. Mit dieser Berechnung, woraus
sich die Stärke der Armee von 16400 Manu ergiebt, stimmt auch übereiu,
dass der Ausweis der Stärke des Blockadekorps ende August bei Wieder-
eröffnung der Feindseligkeiten über 39000 Mann betrug (s. Anhang zum Apercu),
von denen im Lauf des Juni gegen 15000 Landwehren und gegen 5206 Be-
301
Er theilte seine Armee in einen rechten und linken Flügel.
Zwischen beiden bildete die 34. Division unter dem General
Devilliers in einer Aufstellung bei Dreilinden gewissermassen
das Centrum und scheint speciell den Zweck gehabt zu haben,
die Arbeiter zu decken, welche vorwärts Zigankendorf das Ge-
treide abmähen sollten. Zu dem Zweck waren eine grosse
Menge Wagen mitgeführt worden. Den rechten Flügel bildete
die Division Grandjean mit dem 13. bairischen, 1. westfälischen
und den 5. 10. und 11. polnischen Regiment nebst 4 Geschützen.
Der General hatte die Plateaus von Zigankenberg und Lang-
fuhr zu besetzen, sich aber darauf zu beschränken den Feind
zu beobachten. Den linken Flügel bildete der General Heu-
delet mit der 30. und 33. Division, 4 Eskadrons unter dem
General-Major Cavaignac und 34 Geschützen, hauptsächlich
12Pfündem und Haubitzen. Er war zum AngriflF bestimmt').
Die Truppen benutzten bei ihrem Vormarsch das Terrain
so umsichtig, dass der Anmarsch von den russischen Vorposten
nicht bemerkt wurde und der Alarmschuss im feindlichen Lager
erst gegen 11 Uhr abgegeben wurde, als die französische Ar-
tillerie bereits in Position war. Das Hauen des Getreides wurde
sofort begonnen. Um diese Zeit erhielt der General Rapp durch
einen jüdischen Spion die officielle Mittheilung von den Siegen
bei Gross -Görschen und Bautzen und theilte sie den Truppen
sogleich mit, so dass ein tausendstimmiges vive l'empereur!
kruten eingetroffen waren. Zur grossen Armee waren nur einige Kosacken-
regimenter und eine Eskadron Dragoner abgegangen. Im übrigen sind meh-
rere Regimenter an diesem Tage gar nicht ins Gefecht gekommen und in
ihrem Lager geblieben (Apercu S. 24).
^) Das Tagebuch der Division Heudelet (Anhang zu ,le si^ge de
Dautzig 1813") giebt S. 114 den officieUen Bericht des Divisionskommandeurs
über das Gefecht vom 9. Juni. Nach demselben hätten auf Seiten der AUiirten
3000 Mann Infanterie auf dem rechten Flügel, 4000 im Centrum vorwärts
Wonneberg und 2000 auf dem linken Flügel bei Pitzkendorf gestanden. Die
Heiterei schätzt das Tagebuch auf 1500 Mann, die Artillerie auf 15 Ge-
schütze, wovon 4 —. 12Pfünder. Er fügt hinzu, dass dies das dreifache der
französischen Elräfte gewesen sei! Diese Angabe wäre mit der übrigen nur
dann zu vereinigen, wenn sich das dreifache auf die Beiterei bezöge. Andre
Angaben über die Stärke liegen nicht vor.
2U den Russen hinüberschallte *). Der General Tscheinisch,
welcher schnell in die Waffen treten liess, vertheidigte seine
Stellung zwischen Schönfeld und Ohra so hartnäckig, dass
der General Husson, der ihm gegenüber stand, kein Terrain ge-
winnen konnte *). Auch ein zweiter Verstoss, den die Franzosen
von Ohra her unternahmen, hatte keinen Erfolg '). Der General
Heudelet liess daher die Brigade Breissan zum Angriff von
Wonneberg vorgehen und behielt die Neapolitaner (33. Division)
in Reserve. Der Herzog von Würtemberg hatte jedoch die Re-
serve von Schiddelkau nach Wonneberg herangezogen und stellte
sie auf den Höhen vor dem Dorfe auf, so dass das Gefecht hier
zum Stehen kam*). Ebensowenig war der General Devilliers,
welcher darauf gegen Miggau vorging, im stände, den rechten
Flügel des Detachements vom Obersten Treskin zu verdrängen,
obgleich sich der General Rapp mit einer Verstärkung an Ar-
tillerie persönlich dahin begab. Darauf wurde auch Pitzkendorf,
wahrscheinlich vom General Grandjean, angegriffen. Nach dem
russischen Jurnal (Archiv S. 118) fand dies 3 Uhr nachmittags
statt und führte zum heftigsten Gefeclit des Tages, Nach
d'Artois S. 151 und Rapp (memoires S. 239) ging der Angriff
des rechten französischen Flügels von den Russen aus. Vgl.
auch den Bericht der Division Heudelet S. 116. Die Furagirung
musste hier eingestellt werden^), da sich eine heftige Kanonade
engagirt hatte ^).
Der Herzog hatte an den General Kulibakiu den Befehl
gesendet, die feindlichen Vorposten bei Striess zurückzuwerfen
^) d'Artois S. 150. Memoires de Rapp S. 238.
•) Apergu S. 68.
') Jurnal. Archiv S. 118. Die in6moires de Kapp g^eben irrthümlich
an y der Angriff auf Ohra sei russischerseits gemacht worden. Es fand dies
erst zuletzt statt, wobei das preuss. Landwehrbataillon No. 10 (von Bolschwing),
unterstützt durch die TiraiUeure des Bat. No. 9 (von Hülsen) und die 5. Ka-
vallerie-Abtheilung (von Brünneck), sich auszeichneten (Kriegs- Archiv F. 9).
*) Ein Vordringen der Franzosen Über Wonneberg hinaus, wie d'Artois
behauptet, hat ebensowenig wie bei Schönfeld und Pitzkendorf stattgefunden.
*) d'Artois S. 151.
^) Das russische Jurnal hebt es (Archiv S. 118) als bemerkenswerth
hervor, dass sich 4 Geschütze der reitenden Batterie No. 19 gegen 15 fran-
zösische hielten.
ao3
und nach umständen die Pikets aufzuheben *). Der General
sendete den Major Lantjew mit 200 Jägern*) über Brentau
vor, der, das Thal umgehend, ein Piket von 40 Mann gefangen
nahm.
Während des Gefechtes borabardirte die russische Flotte die
Westerplatte, um die Aufmerksamkeit abzulenken.
Auf allen Seiten zum Stehen gebracht, sah sich der General
Rapp genöthigt, das Gefecht gegen 6 Uhr abzubrechen und den
Rückzug anzutreten, wobei er bis unter die Kanonen der
Festung verfolgt wurde.
Die preussischen Landwehrbataillone, die an diesem Tage
zuerst ins Feuer kamen, hatten sich sowohl im Detachement
Tschernisch, wie bei Miggau vortrefflich geschlagen. Drei Ba-
taillone, welche bei der Verfolgung in Schidlitz eindrangen, konnten
nur durch wiederholte Befehle wieder herausgezogen werden'*).
Nach Plotho (1, 234) haben sich die Bataillone von Bolschwing
und von Hülsen, sowie die Eskadron von Wobeser ausgezeichnet.
Vgl. oben S. 302 Note 3.
Der Verlust der Russen belief sich an Todten und Verwun-
deten auf 10 Officiere 257 Mann, der der Preussen auf 45 Mann.
Allgemein bedauert wurde der Tod des Obersten Uschakow. Die
*) Apercu S. 60. Nach dem Kriegs- Archiv des grossen Generalstabs warde
während des Gefechts das prettss. Landwehr - Bat. No. 19 nach Silberhammer
entsendet, kehrte aber am folgenden Tage ins Lager von Nenkau zurück.
*) Jumal. Archiv S. 118. Nach demselben waren es nur 100 Mann
vom 3. Jäger -Regiment. Das Apercu nennt den Major Lappa und giebt
200 Mann an.
') Der Herzog sagt darüber (Apercu S. 59): „Trois bataillons de la
milice prussienne qui venaient d'arriver et qui n'avaient jamais vu le feu,
se distinguerent beaucoup dans cette affaire et t^moignaient tant d'ardeur,
qu'ils p6netrerent jusqae dans le vallon de Schidlitz, et qu'il fallut les ordres
les plns pr6cis pour les engager ä retirer dans la ligne.'' Die drei Bataillone
Nr. 14, 15 und 16 der 4. Brigade (Graf Eulenburg), welche erst am 7. und
8. eingetroffen waren und im Bivuak bei Nenkau lagen, hatten noch keine
Patronen und geschärfte Steine, hielten aber auf der Höhe von Pitzken-
dorf, wohin sie dirigirt wurden, von einer russischen Batterie unterstützt, das
feindliche Kanonenfeuer ruhig aus. Das zur Brigade gehörige Bataillon
Nr. 7 kam an diesem Tage erst an und wurde auf seine von Praust aus da-
rüber gemachte Meldung nach Matschkau gewiesen, wo es als Reserve des
Generals Tschernisch stehen blieb. Kriegsarchiv F. 9.
304
Franzosen geben ihren Verlust selbst auf 400 Mann an ^), docli
ist er entschieden grösser gewesen, da sie durch die Verfolgung
sehr gelitten haben. Der Herzog von Wnrtembei*g hatt« sich
mit Ruhm bedeckt. „Er fand sich überall vor. wo der Feind
die grössten Anstrengungen machte, und wusste durch seine
weisen Massregeln den Sieg auf die Seite der Russen zu wen-
den" *). Der Bericht von Blech ') bestätigt im wesentlichen die
nissischen Berichte*), denen ich gefolgt bin. Aus den franzö-
sischen Berichten ist, mit Ausnahme des Tagebuchs der Division
Heudelet, nur die Schlachtordnung verwendbar. Sie nehmen
natürlich den Erfolg ihrerseits in Anspruch. Der General
Campredon, welcher dem Gefecht im Gefolge des Generals Rapp
beiwohnte, stellt sich für sein taktisches Urtheil ein schlechtes
Zeugniss aus, wenn er sagt"'): „notre feu fait gi-ande ravage
dans les masses ennemis. On voit partout la confusion dans
ses rangs et plusieurs pieces sont demontees. II est oblige
d'abandonner son camp de Pitzkendorf. II ne peut contenir les
nouvelles recrues qu'en pla^ant un rang de Cosaques derriere
elles." Von den Gefechten bei Schönfeld, Wonneberg und
Miggau weiss er nichts mitzutheilen. Blech erzählt über die
Rückkehr der Besatzung ®) : „Der Abend schied die Kämpfenden
von einander, die Garnison zog in die Stadt und musste ge-
stehen, die Feinde hätten wie die Mauern gestanden . . . .
Fast ein jeder hatte von den erschossenen Pferden etwas für
sich erbeutet, und diese abgehackten und abgerissenen Stücke
brachten sie, mehrere in Säcken, viele auf ihren Bajoneten, wie
Siegeszeichen in die Stadt." In seinem Bericht an den Major-
gfeneral zeichnet der General Rapp den Major Bellancourt und
') d'Artois S. 152. Nach Düriiig 55 sind es 19 Officiere, 637 Maun
geweseo. Nach d 'Artois hätten die Preussen allein 1300 Mann verloren, obgleich
officiell feststeht, dass sie während der ganzen Belagerung nnr 459 Manu
verloren haben (Verlustliste im Anhange des Apercu). Vgl. auch Apercu S. 6.3,
') V. Stengel in seinem Werk über die russischen Milizen 2, 13.
Apercu S. 68.
») Blech 2, 124.
*) AperQU S. 58 ff. und Jurnal (Archiv S. 118).
^) Auriol S. 84.
«) Blech 2, 126.
v
3öä
den Bataillonskommandeur Duprat aus, welche verwundet Wor-
den sind, den General Cavaignac, dem ein Pferd unter dem
Leibe erschossen wurde, die Generäle Husson und Breissan;
die Majors Schneider*), Gleize, Treny und Dauger; den General
Devillier, den Oberst von Egloffstein, den Major Horadam und
den Oberstlieutenant Hoppe. Vom General Lepin sagt er : Dieser
ausgezeichnete Officier hat selbst Anerkennung beim Feinde ge-
funden; vom General Campredon und Oberst Eichemont, dass
sie ihn bei allen Ausfällen begleitet hätten und durch ihre In-
telligenz und Erfahrung bei mehreren Gelegenheiten von grossem
Nutzen gewesen sind. Noch wird der sächsische Artillerie-
Hauptmann Preuthin ^) und der Sergeant Vignaux erwähnt, die
sich durch ihre Unerschrockenheit ausgezeichnet und, obgleich
zweimal verwundet, das Schlaclitfeld nicht verlassen hätten*).
Noch am Abend des 9. trafen die Officiere aus den beiden
grossen Hauptquartieren, welche den Abschluss des Poischwitzer
Waffenstillstandes vom 4. Juni verkündigen sollten, ein. Sie
waren am 5. abgereist. Russischerseits war es der Oberst von
Wolzogen *), f ranzösischerseits der Hauptmann Planat, Adjutant
des Generals Drouet. Letzterer versuchte es jedoch vergebens,
noch in der Nacht in den Platz zu gelangen, da der Befehl
Rapp's, alle Verbindung nach aussen zu verhindern, mit grosser
Strenge beobachtet wurde. Erst am folgenden Tage nachmit-
tags 3 Uhr erhielt der Guverneur ein Schreiben des Hauptmanns
Planat, das seine Ankunft im russischen Hauptquartier anzeigte.
Der Waffenstillstand wurde noch an demselben Tage den Truppen
bekannt gemacht'*).
Unzweifelhaft wird der General Bapp infolgedessen und
bei den geringen Resultaten des Ausfalls ^) bedauert haben, ihn
*) Den Major Schneider erwähnt auch Blech 2, 113. Schneider war 1815
Chef des Generalstahs der Rheinarmee unter Rapp.
') Der Hauptmann Preuthin wird von d'Artois als Kommandeur der
sächsischen Batterie von 6 Geschützen bezeichnet, welche das Gefecht auf
dem linken Flügel eröffnete.
") d'Artois S. 152.
*) Apergu S. 75.
*) d'Artois S. 154.
^) Es waren nur wenige Wagen unreifen Getreides in die Stadt ge-
bracht, einige Wagen vom Belagerer abgeschnitten worden. Blech.
Köhler, GheschicUte der Festungen Oanzig and Welcliselmtlnde. IL 80
306
unternommen zu haben, aber ihm einen Vorwurf zu machen,
wie es geschehen ist, dass er ihn ausgeführt hat, ist nicht zu
rechtfertigen, da die Chancen, Vortheile davon zu haben, sich
mit jedem Tage verringerten und schon wenige Tage nach dem
9. die Landwehren von Jaroslaw, Tula und Kaluga in der
Stärke von 12320 Mann aller Grade beim Blockadekorps ein-
trafen^). Auch musste etwas geschehen, um dem unleidlichen
Zustande, in welchen das System des Herzogs von Wtirtemberg
die Besatzung versetzt hatte, ein Ende zu machen.
Fortsetzung der Ärmirung.
Seit dem Monat März wurden die Armirungsarbeiten durch
gutes Wetter begünstigt und mit verdoppeltem Eifer fortgesetzt.
Der Platz erhielt von Tag zu Tage einen höhern Grad von
Stärke, so dass ende Mai alle Arbeiten auf den Bergen und
diejenigen, welche durch die Beschädigungen der Ueberschwem-
mungen im Februar erforderlich geworden waren, als beendigt
angesehen werden können. Der Platz war mit einem Wort zu
dieser Zeit in einem respektablen Zustande^.
Im speciellen^) waren auf dem Bischofsberge die ver-
schiedenen Blockhäuser, welche die Flankirung bewerkstelligen
sollten und bisher nicht vorhanden waren, sowie diejenigen in
den einspringenden Winkeln des gedeckten Weges beendet.
Ihr Inneres bot gleichzeitig der Besatzung zahlreiche und ge-
sunde Wohnungen. Einige davon, wie die Grabenkaponferen
vor dem Bastion Salvator und im Graben des äusseren gedeckten
Weges, waren selbst für Geschütze eingerichtet. Die Gräben
waren ausserdem mit zwei Reihen Palisaden versehen. Ein Pulver-
magazin, das nach allen Seiten geblendet war, wurde beendet.
Geräumige Rampen in der Kontreskarpe erleichterten die Aus-
fälle und den Transport der Geschütze nach dem gedeckten
») Jumal. Archiv S. 120.
•) Campredon (Auriol S. 81).
*) Die folgenden Nachrichten sind dem Bericht entnommen, welchen der
Hauptmann Planat bei seiner Rtlckkehr ins Hauptquartier dem Major-g^n6ral
Berthier überbrachte (d'Artois S. 164 fif.). Einzelne Zusätze sind ans dem Be-
richte Cr.mpredon^s vom 3. Dezember (Auriol S. 278 fF.).
307
Wege. In diesem waren eine doppelte Palisadenreihe nnd in
den ausspringenden Winkeln Tamburs aus Palisaden hergerichtet
und boten eine völlige Sicherheit gegen den gewaltsamen An-
griff. Eine bedeckte Batterie am äusseren gedeckten Wege be-
strich den Stolzenberger Grund und flankirte den Angriff auf
die Lünetten Leclerc und Cafarelli. Das Vorterrain war voll-
ständig planirt und alle Häuser entfernt.
Auf dem Hagelsberge war die hölzerne Bekleidung des
Ravelins Hagel, eine enorme Arbeit wegen des hohen Profils
dieses Werkes, glücklich zustande gekommen. Unter der
Kontreskarpe von der Lünette S6narmont war eine Haupt-
gallerie mit mehreren Anfängen von Nebengallerien angebracht,
um im Falle eines Angriffs den Minenkrieg zu erleichtern. Die
Palisaden und Tamburs resp. Blockhäuser im gedeckten Wege
waren beendet. An das gemauerte Reduit und die gedeckte
Verbindung desselben mit der Stadtenceinte war die letzte Hand
gelegt worden.
Die Front Neugarten war verstärkt, die am Olivaer
Thore verbessert worden.
Auf dem Holm und am Fort Napoleon waren die grossen
Beschädigungen, welche die üeberschwemmung im Februar an-
gerichtet hatte, ausgebessert. Die gedeckten Wege, welche an
diesen Werken noch gefehlt hatten, waren hergestellt, und man
war noch dabei, Traversen und Rtickenwehren anzubringen und
Pulvermagazine und gedeckte Unterkunftsräume darin zu er-
bauen. Namentlich wurde das Fort Napoleon reichlich mit
Blockhäusern ausgestattet, so dass sowohl die Besatzung als
sämmtliche Vorräthe sicher untergebracht werden konnten^).
Die Redute d'Hautpoul wurde verstärkt und ihre Ver-
bindung mit Weichselmttnde und mit dem Fort Napoleon durch
Palisaden gedeckt.
Die detachirten Reduten von Neufahrwasser und der
Westerplatte wurden völlig in stand gesetzt, die Kontres-
karpe des Forts Mo ntebello wurde mit Sturmpfählen versehen
und der hinter dem Fort führende Weg verbarrikadirt, so dass
*) Campredon. Anriol S. 280.
«0*
308
das Fort vollständig selbständig war. Selbstredend erhielt es
auch hinreichende bedeckte Räume im Innern.
In Weichselmünde waren bedeutende Arbeiten ausge-
führt worden. Das Fort carre wurde instandgesetzt; die Gräben
der Ostschanze wurden zum Theil rektificirt, um sie vollkommen
bestreichen zu können., vorzugsweise wurden aber die Kase-
matten theils bewohnbar gemacht, theils zu Magazinen herge-
richtet, was für Weichselmünde von grosser Wichtigkeit gegen
ein Bombardement von der See war.
An den Forts Lacoste und Desaix nebst der Lünette
Colbert wurden mehrere Verbesserungen angebracht, namentlich
wurden sie reichlich mit bedeckten Räumen versehen.
Die Stadtbefestigung war in gutem Stande. Das grosse
Pulvermagazin in der Niederstadt, das 114000 Kilogramm fassen
konnte, war nahezu beendet. Der Weg dahin und hinter den
Bastionen der Niederstadt hinweg, welcher bei Regenwetter un-
passirbar war, wurde erhöht. Die Tamburs in den eingehenden
Waflfenplätzen des äussern gedeckten Wegs längs der Inundation
waren beendet.
Die Lazarethe und Rossmühlen waren in gutem Stande und
alle Arbeiten, welche zur Erleichterung des innern Dienstes er-
forderlich waren, vollendet.
Die Wälle waren reichlich mit Geschützen versehen, die
Munition war gefertigt und überall genügender Vorrath vorhan-
den \). An den Strandbatterien waren Oe-fen für glühende Ku-
geln erbaut worden.
6. Der Waffenstillstand vom 10. Tnni bis zum 21. Augast.
Der Hauptmann Planat überbrachte dem General Rapp
einen Brief Napoleon's und ein Schreiben des Majorgenerals
Berthier. Als Anerkennung seiner Verdienste erhielt der General
das Grosskreuz des Ordens der Rennion und die Patente für
10 Officiere und 100 Ritter der Ehrenlegion zur Vertheilung
nach seinem Gutachten an die Mannschaft. Er wurde ermäch-
*) In einem Schreiben an Berthier vom 17. Juni drückt Bapp die Be-
sorgniss ans, dass das Pulver nicht ausreichen werde , was sich jedoch nicht
bestätigt hat.
309
tigt, Officiere bis zum Grade eines Hauptmanns zu befördern,
und aufgefordert, Vorscliläge für höhere Stellungen einzu-
reichen. Die Besatzung wurde zu einem eignen Armeekorps,
dem 10., erhoben und Eapp zum Chef desselben ernannt. Er
hatte bisher nur den Earig eines Divisions-Kommandeurs und
wurde dadurch zum kommandirenden General erhoben. Der
Kaiser drückte ihm die Hoifnung aus, dass es zum Frieden
kommen werde, sollte dies jedoch nicht erfolgen, so würde er
ihn entsetzen. Zu seiner Orientirung schickte er ihm den
Moniteur seit dem 1. Januar. Noch machte er ihn darauf auf-
merksam, dass das freundschaftliche Verhältniss zu Dänemark
fortbestehe und der Baron Alquicr noch Gesandter daselbst sei *),
Nach dem Poischwitzer Vertrage sollte das Terrain inner-
halb einer lieue von der Enceinte des Platzes neutral sein.
Ferner sollte der Platz alle 5 Tage je nach der Stärke der
Besatzung durch das Blockadekorps mit Lebensmitteln und
Furage versehen werden. In beiden Beziehungen stellte der
General Rapp Forderungen, die für den Gegner ganz unan-
nehmbar waren ^). Er gab die Stärke der Besatzung auf
30000 Mann und 6000 Pferde an, was, wie der Herzog von
Würtemberg durch seine Kundschafter wusste, viel zu hoch ge-
griffen war^). Die Grenze des neutralen Terrains wollte er
nicht von der Enceinte, sondern von den Aussenwerken bemessen
haben. Aber noch ein anderer Punkt wirkte sehr erschwerend
auf die Abwickehmg des Geschäftsganges. Rapp sprach den
Wunsch aus, die Lebensmittel und Furage durch Unternehmer
selbst zu beschaffen. Der Herzog ging sehr gern darauf ein,
*) Den Brief theilt Campredou mit. Aiiriol S. 88. Er ist vom
5. Juni datirt.
-) Die bezügliche Korrespondenz zwischen dem Herzog und dem General
Rapp ist im Apergu 8. 78—91 mitgetheilt.
') Nachträglich ist die effektive Stärke durch d'Artois S. 161 bekannt
geworden. Sie betrug
20578 Officiere, Unterofficiere und Gemeine,
404 Militair-Beamte,
811 Gefangene
in Summa 21793 Köpfe und 2302 Pferde, wobei jedoch diejenigen des Ge-
neralstabs nicht inbegriffen waren, für welche 713 Rationen, und zwar 352
in natura und 861 in Geld, gefordert wurden.
310
da er die Schwierigkeiten voraussah, welche die Auftreibung
der Proviantirung in dem ausgesogenen Lande bereiten würde.
Er instruirte danach die Verwaltungsbehörden in Ostpreussen
und Pommern. Da zog Kapp den Antrag wiederum zurück*)
und setzte den Herzog dadurch in grosse Verlegenheit, da er
neue Instruktionen erlassen musste und eine bedeutende Ver-
zögerung der ersten Lieferungen eintrat, die ihm bei seiner
Gewissenhaftigkeit sehr unangenehm war, aber auch viel Re-
klamationen seitens der Franzosen zur Folge hatte, da sie ihm
die Verzögerung als Böswilligkeit auslegten.
Die von beiden Seiten eingesetzte Kommission zur Ausein-
andersetzung obiger Verhältnisse, welche französischei'seits aus
dem Kommandeur der Artillerie, General Lepin, und dem
Ingenieur vom Platz, Oberst ßichemont, russischerseits aus dem
General Gerebzow und dem Major von Pullet bestand, einigt«
sich am 16. Juni zu einem Uobereinkommen, das aus 13 Artikeln
bestand.
Ueber den eingangs erwähnten zweiten Punkt kam man zu
keiner definitiven Einigung, da indessen eine Zahl angenommen
werden musste, kam man insoweit überein, dass die Lieferungen
vorläufig für 17000 Mann und 1800 Pferde stattfinden sollten,
von jeder Seite aber zwei Officiere sich zu der Kommission be-
geben sollten, welche die Ausführung des Waffenstillstandsver-
trages zu überwachen hatten, um die Kopfzahl festzustellen,
üeber die Grenzen des Festungsrayons war der Herzog geneigt,
auf den Vorschlag des Generals Rapp einzugehen, dass alles im
statu quo bleiben sollte. Da dies jedoch dem Poischwitzer Ver-
trage nicht entsprach, war auch in dieser Beziehung ein Ein-
verständniss der von den Kronen ernannten Kommission er-
forderlich*). Ueber den dritten Punkt sprach das Uebereinkomnien
') Als Grund für diese Zurückziehung glaubt das Aperen S. 103 Note
annehmen zu müssen, dass der General Rapp bei näherer Ueberlegung zu der
Einsicht gelangt ist, dass er bei der Ueberwachung der Lieferungen durch
den Herzog schwerlich darauf rechnen konnte, auf diesem Wege mehr zu er-
halten, als ihm zukam, und dnss die Lieferungen durch Unternehmer bedeutende
Kosten verursachen würden.
') Eine Entscheidung der Kommission über die Ausführung des Poisch-
witzer Vertrages ist nie erfolgt (d'Artois S. 178), so dass es scheint, als
311
im 9. Artikel noch: die vom General Eapp gewünschte Art der
BeschaflFung der ProViantirung aus, dass es den kommandirenden
Generälen überlassen sei, wie dieselbe erfolgen solle. Erst
darauf hat ßapp seinen Wunsch fallen gelassen*). Der Ar-
tikel 9, den d'Artois in seiner Mittheilung des Uebereinkommens
vom 16. ausgelassen hat, liefert den Beweis für den im Apercu
angegebenen Wunsch des Generals Eapp, die Proviantirung durch
Unternehmer selbst zu beschaffen, der in den Berichten d'Artois'
und Campredon's mit Stillschweigen übergangen wird*). Es
liegt auf der Hand, dass dies nur geschehen ist, um die Schuld
der Verzögerung der Lieferungen auf den Herzog abzuwälzen,
während Rapp allein die Veranlassung dazu war'). Die
erste Lieferung erfolgte am 18^).
Der Herzog von Würtemberg hatte geltend gemacht, dass
während des Waffenstillstandes alle Arbeiten unterbleiben
müssten und weder neue Werke angefangen noch angefangene
fortgesetzt werden dürften^), womit der General Rapp sich
einverstanden erklärte.
Die Officiere. welche aus dem kaiserlichen Hauptquartier
entsendet worden waren, um den blockirten Festungen den
Waffenstillstand zu verkünden, hatten den Auftrag, bei ihrer
ob Bapp sich darein erg;eben hat, das Uebereiukoinmen vom 16. in Bezug auf
die Kopfstarke anzunehmen, und dass Officiere überhaupt nicht abgesendet
worden sind.
») Apercu S. 99.
0 Das Uebereinkommeu vom 16. wird vollständig nur im Apergu S. 92ff.
abgedruckt. d^Artois und nach ihm Aurioi lassen verschiedene Artikel und
namentlich Nr. 9 aus. Der betreffende 9. Artikel lautet : ],La proposition de
laisser a la garuison la facult6 de traiter directemeut k Dauzig pour une
partie des fouruitnres pouvant faciliter les Operations du ravitaillement en
r^servant aux assiegeans le droit de verificatiou et de prendre toutes les
mesures de suret^, eile est soumise ä Tacceptation des deux g^n^raux en chef.''
^) Das hielt den General Rapp jedoch nicht ab, unaufhörliche Rekla-
mationen in dieser Angelegenheit an den Herzog zu richten. Er berichtete
selbst im Geheimen am 1. Juli durch denselben jüdischen Spion, welcher die
Nachricht von den Siegen von Gi'.-Görschen und Bautzen überbracht hatte,
an den Major-g6n6ral, dass der Feind nicht die Hälfte der Lebensmittel liefere,
zu denen er verpflichtet sei. d'Artois S. 178.
*) Apercu S. 101, nach d'Artois S. 177 erst den 19.
4 Ebenda S. 87.
312
Rfickkanft über den Stand der Dinge in den betreifenden
Festungen, sowie über deren Proviantirung. Artillerie und Mu-
nition zu berichten. Sie sollten von den Artillerie- und In-
genieurofficieren der Plätze einen genauen Bericht über das, was
sich zugetragen hatte, mitbringen, sich aber auch aus eigner
Anschauung von allem überzeugen, st) dass sie dem Kaiser dar-
über berichten könnten. Unter dem Vorwande, sich auszu-
ruhen, sollten sie 7 bis 8 Tage in der Festung verweilen '). Der
Hauptmann Planat reiste infolgedessen erst am 18. ab*). Unter
den Papieren, die er mitnahm, ist besondei-s der Bericht Rapp's
vom 17. an den Kaiser von Interesse, den Campredon mit-
theilt'). Er besteht aus zwei Schreiben, von denen das erste
mehr persönlichen Charakters ist. Ich gebe sie wegen ihrer
Wichtigkeit im Original wieder.
Le comte Eapp ä TEmpereur.
Sire,
M. Planat rendra compte k V. M. des chicaues que m'a
faites le duc de Wurtemberg: elles etaient faciles k prevoir.
Ces Messieurs sont de mauvaise humeur de n'avoir jamais pu
rfeussir contre nous. Cependant, Sire, je dois dire ä V. M. que,
si Parmistice durait longtems, notre position serait plus fächeuse
que pendant les hostilit6s et surtout pour les habitans. Car
avant les hostilites, je trouvais toujours moyen de faire entrer
quelque chose dans la place, soit par la force des armes, soit
par adresse; maintemant rien n'arrive et Vennemi nous bloque
plus s6rieusement que jamais, puisqu'il n'a autre chose ä faire
et voulait meme empecher nos pecheurs de sortir tandis qu'il
n'a pu y reussir dans l'etat de guerre. J'ai donne l'ordre de
faire tirer sur les flottes russes et anglaises, si elles inquietent
encore la peche.
II serait bien important que V. M. put avoir la facilite
*) Die Instruktion für diese Officiere wird von Aiiriol S. 87 mitgetheilt.
") Campredon. Auriol S. 96. Die Angabe Rapp's im Schreiben v. 14. an
den Herzog, dass er die 1. Lieferung abwarten sollte, ist nur ein Vorwand,
um seinen langem Aufenthalt zu rechtfertigen. Thats«ächlich ist er früher
abgereist.
») Ebenda S. 92.
313
d'envoyer tous les cinq joiirs, uii officier qui retournerait au
quartier geiieral aprfes avoir re§u mes depeches.
Je joins ä cette lettre la copie du traite passe entre le
duc de Wurtemberg et moi au sujet des articles de Tarmistice
dont l'execntion a souflFert, ici, beaucoup de difficultes.
Je suis avec le plus profond respect
Sire
de Votre Majeste Imperiale et Royale,
le plus obeissant et le plus fidele sujet,
Dantzig, le 17 juin 1813. Signe: Rapp.
Le general comte Rapp ä TEmpereur.
Sire. 17 juin 1813.
M. Planat m'a remis la lettre dont Votre Majeste m'a
honore, c'est un des plus beaux jours de ma vie que celui oü
j'ai re^u, apres cinq mois de blocus et sacliant la ligne de vos
Operations ä ISOlieues de Dantzig, des nouvelles aussi satis-
faisantes de Votre Majeste:
Je n'ai jamais eu d'inquietude, je m'en reposais sur le genie
et sur cette force d'äme dont Votre Majeste a donne des preu-
ves si eclatantes et j'etais certain qu'elle reparerait bientot
tous les desastres de Tlüver pass6.
L'ennemi a souvent cherche ä nous persuader de mauvaises
nouvelles et surtout relativement ä 1' Antriebe, mais je savais
k quoi m'en tenir et les reponses que je lui ai faites en diflffe-
rentes occasions prouveront k Votre Majeste que nous ne croyons
pas facilement aux contes de M. Kotzebue. Votre Majeste lira
avec interet les rapports que j'ais Thonneur de lui adresser,
aussi qu'au Major-general des affaires qui ont eu lieu dans les
environs de Dantzig et eile remarquera sans doute que Tenne-
mi n'a jamais pu me faire abandonner les positions que j'occu-
pais au commencement du blocus, positions dans lesquelles M.
Planat nous a trouves.
Si les affreuses maladies, espece d'epidemie, qui ont regn6
ici et qui m'ont souvent arrache des larmes de sang, n'avaient
pas cause taut de ravages parmi mes troupes, il y avait un
moment ou j'aurais pu aller ä Königsberg et revenir par Thorn,
car Fesprit de cette garnison monte ä un tel point que Ton
peut regarder chaque soldat corame un brave distingu6.
314
A Tafifaire du 5. niars, j'ai battu, avec 5000 horames,
20C00 Eusses, parmi lesquels il n'y avait pas an Iiomme de
milice et je leur ai enleve du canon et fait beaucoup de pri-
sonuiers. J'avais alors 18000 malades, taut aux höpitaux
qu'aux infirnieries et a la chambre, le reste gardait la ville et
les forts exterieurs.
L'aflfaire du 24. inars a eu lieu avec 4000 hommes contre
8O0O Russes. Ce u'est enfm que depuis le 17. avril que la
sante de nos soldats s'est amelioree. II a fallu, pour obtenir
ce rfeultat, beaucoup de patience, beaucoup de soius et mal-
heureusement, ici comme partout ailleurs, on n'a pas ete secon-
de par nos administrations
Pendant raou absence ä Tarmee les magasins ont ete lais-
ses dans Tetat de denüment le plus absolu. On avait con-
sonime en grande partie la viande salee au milieu de Pabon-
dance. Les magazins ä fourage contenaient k mon arrivee
une douzaine de quintaux et, k l'exception du pain, ancun
Service n'etait assur6; les höpitaux, autrefois bien tenus, 6taient
dans un etat affreux. J'avais instruit Ms. le comte Daru de
cet etat de choses, j'avais meme envoyö k cet eflfet le general
Lepin ä Königsberg; mais on nie fit dire qu'il n'y avait aucune
apparence que je fusse assiege, ni bloque
Enfin apr^s le d6bäcle ä Königsberg, on n'a plus pense ä
Pillau, ni k Dantzig et on a envoye l'ordonnateur . . . avec des
ordonnances pour 2400000 francs afiu d'approvisionner ma place,
au lieu de faire vider, pendant le sejour k Königsberg, les
immenses magazins de cette ville et surtout ceux d'Elbing qu'il
6tait facile d'evacuer et qui contenaient des vins, eau-de-vie,
rhum, riz, farines, medicamens et tant d'autres objets precieux,
qui sont tombes entre les mains des Cosaques. J'ai vu depuis
des personnes qui voulaient se charger de ses evacuations, mais
on a perdu le temps k marchander avec eux et, pour une
difference peut-etre de 50000 francs on a laiss6 perdre des
sommes immenses.
Malheureusement le major-göneral etait malade. Son Al-
tesse est la seule personne qui n'avait pas perdu la tete dans cette
retraite et qui a rendu les plus grands Services k Votre Ma-
815
jeste. Je repftte ce que j'ai entendu dire par tous les mili-
taires.
Tout ce que j'ai Thonneur de dire ä Votre Majeste sur
Tadministration est exacte, je ne veux faire de tort, ni de mal
a personne, mais je dois la v6rite ä Votre Majeste, puisque le
sacces de ses Operations en depend.
J'ai distribue les d6corations d'officiers et de Chevaliers
que Votre Majeste a accord6es au 10. corps. Cette faveur a
produit un grand effet, les recompenses se sont donuees avec
la plus scrupuleuse equite. Ne serait-ce pas trop demander ä
Votre Majeste d'accorder encore le meme nombre, tant en croix
d'officiers qu'en legionnaires et dix croix d'officiers ou Chevaliers
de la Beunion? II y a encore bien militaires k r^compenser
et, quoique j'aye eu en general a me plaiudre de l'administration,
je dois dire que quelques-uns d'entr'eux meritent des recom-
penses, et particulierement les officiers de sante, dont le zele
et le devouement ont le plus puissamment contribu^ a sauver
le reste de la garnisou. Au reste je ne distribuerais les nou-
velles decoratious que j'ai demandees k Votre Majeste qu'au
cas oü la paix me paraitrait assuree et, dans le cas coutraire,
je reserverais ces recompenses pour en faire part aux braves
qui se distingueraient le plus. Car, ainsi que Votre Majeste Ta
pense, il serait bien avantageux au bien de son Service, dans
une garnisou composee de tant de nations difFerentes, que celui
qu'elle a honore de sa confiance füt autorise ä recompenser
des hommes animes d'un tel esprit de bravour et devouement.
Ce serait le moyen de doubler mes forces.
J'ai continue ä faire suivre les plans de Votre Majeste,
depuis le moment ou il a ete possible de reprendre les travaux.
, Votre Majeste trouverait la place dans un bei etat de defense.
J'ai fort ä me louer du general de Campredon et du colonel
de Eichemont, dont les talens egalent l'experience.
J'ai eu pendant la saison de glaces, des momens bien in-
quietans, Tennemi ayant souvent menace de chercher k penetrer
dans Dantzig; le froid a dure si longtems cette annee que le
cöte faible de la place nous a fait passer bieu des nuits, dont
les fatigues ont augmente le. nombre de nos malades.
Tous nos efforts pour rompre la glace ne produisant pas
316
grand resultat, ce n'etait qu'avec beaucoup d'hommes qu'on
pouvait arreter Fennemi. Les habitans 6taient si persuades
que les Russes tcuteraient alors uii assaut qu'une grande partie
d'entre eux ont abandoniife la place et quittaient en masse les
quartiers menac^s, qni sont restes tous inhabites jusqu'au
priutems.
Les soldats des 30., 33. et 34. divisions soiiffroient tant
du froid que j'avais peine ä rassembler 1000 honimes de ces
trois divisions. La division du general Grandjean faisait seule
tout mon espoir parce qu'elle soutenait mieux le froid et que
ses homroes etaient bicn plus formes.
Votre Majeste trouvera ici une belle artillerie bien attelee,
une cavalerie bien montee et meprisant souverainement les
Cosaques. II a fallu bien des soins et des sorties aussi heu-
reuses que Celles que nous avons faites pour conserver cette
cavalerie et cette artillerie dans un si bon etat et avec un
pareil esprit.
J'ai etabli depuis deux mois une commissiou d'approvision-
nement de dix-luiit personnes pris parrai les chefs de toutes
les armes dans tous les Services, k la tete de laquelle j'ai place
le gfeneral Heudelet. Cette commission nous a rendu de grands
Services et je me serais fort bien trouve de l'avoir etablie plus
tot. Mais j'ais tarde ä prendre ce parti sachant conibien cela
contrarierait les chefs de Tadministration. J'ai ici 386 hommes
de la garde imperiale qui etaient presque tous geles; 200 sont
parfaitement retablis. La majeure partie est de la vieille garde
et fournira de beaux pelotons. J'en ai un soin particulier et je
les regarde comme une excellente reserve.
Le raajor-general rae parle dans une de ses lettres de
conserver Dantzig jusqu'au mois de mai prochain en cas d'övene- .
mens inattendus. II ne faut pas compter sur une defense aussi
longue. II faudrait nous renforcer de 15000 hommes et avoir
pour un mois de vivres de plus. Sans un secours d'hommes,
la place ne serait plus tenable Thiver prochain, car la garnison
est compose aujourd'hui de 21000 hommes et il n'y en a que
12000 de disponibles. Je perds encore au delä de 1100 hom-
mes chaque mois.
Un emprunt force que j'ai leve sur le commerce d^ Dant-
317
zig nous a ete d^un grand secours; cet empriint est flx6 ä
3 millions dont 1700000 fr. seulement sont rentrfes. Sans ce
moyen, le pay erneut de la solde 6tait arret6 et si Votre Majeste
ne nous assure de nouveaux fonds, nous nous retrouverons dans
le meme embarras avant un mois.
Lcs d6penses ont et6 cependant reduites autant qu'une
6conomie bien entendue Ta permis. Par exeraple, on ne paye
que la solde, deduction faite des masses, et, quant aux diff^rents
Services, on prend les matieres par requisition payable au d6blocus.
On ne paye donc que la main-d'oeuvre.
Je dois beaucoup d'^Ioges au g^neral Bazancourt, eomman-
dant de la Legion d'honneur, auquel j'ai confl6 le commande-
meut sup6rieur de la place. Cet officier g6n6ral a commande
en mon absence pendant les sorties avec une activitfe remar-
quable. Votre Majeste connait cet officier genßral trfes dis-
tingtt6 dont je ne puis dire assez bien.
Je suis etc. etc. Rapp.
In dem Schreiben an Berthier von demselben Datum *) führt
Rapp einzelne Punkte hinsichtlich des Mangels einer ausreichen-
den Besatzung und Verproviantirung, sowie an Geld näher aus.
Inbezug auf die Besatzung sagt er, dass der gegenwärtige
Stand von 20578 Mann am Ende des Waffenstillstandes infolge
der Krankheiten auf 19000 gesunken sein werde, von denen
mindestens 2000 in den Lazarethen liegen werden*); im Mai näch-
sten Jahres ®) würden unter der Annahme, dass der Winter die
Anzahl der Kranken nicht vermehre und nur 1000 Mann monat-
lich sterben, weitere 8000 Mann abgegangen sein, ohne die
Verluste in den Gefechten zu berücksichtigen. Mit 11000 Mann,
^) Mitgetheilt von Campredon (Auriol S. 104). d'Artois giebt das
Schreiben S. 168 im Auszuge wieder, scheint aber das Koncept benutzt zu
haben, das in einzelnen Punkten ausführlicher ist und vieneicbt infolge von
Sehreibfeblem einzelne Zahlen anders hat.
') Es starben im Monat Juni immer noch 30 bis 40 Mann täglich.
d'Artois S. 168.
') Es bezieht sich das auf die Forderung Berthiers, den Platz bis zum
1. Mai zu halten. Thiers ist ofifenbar im Irrthuui, wenn er behauptet, der
Kaiser habe Bapp befohlen, Danzig erst auf ein Schreiben von seiner Hand
zu übergeben. Auriol S. 102.
318
die dann noch bleiben würden, wovon noch gegen 3000 Laza-
rethkranke abzurechnen wären, Hessen sich die weitläiiftigen
Werke Danzigs aber nicht vertheidigen. Ueber den Oktober
hinaus könne er für nichts einstehen. Die Vertreibung eines
Theils der Bewohner, wie sie der Kaiser verlange, würde darin
nichts ändern. Der Kaiser habe vor zwei Jahren der Stadt
jßOOOOO Centner Getreide durch Requisition genommen und nur
20000 Centner gelassen, wovon sich diese bisher unterhalten
habe*). Hinsichtlich des mangehiden Geldes bemerkt Rapp,
dass die monatlichen Ausgaben sich auf 900000 Franken be-
laufen, die Zwangsanleihe aber bisher nur 1700000 Franken
eingetragen habe, was die Ausgaben nur noch auf 2 Monate
decken würde.
Sehr merkwürdig sind die auseinandergehenden Ansichten
über den Einfluss des Waifenstillstandes auf die Dauer der
Vertheidigung. Rapp hält ihn in seinen beiden Schreiben für
nachtheilig, weil er durcli denselben an Mannschaften ge-
schwächt werde ^). Der Herzog von Würtemberg sieht ihn für
die Russen für sehr nachtheilig, für den Vertheidiger sehr vor-
theilhaft an, weil er nach Eintreffen der Verstärkungen, die er
erwartete, und die im Laufe des Juni auch eintrafen, den Feind
aus Langfuhr und Olira hätte vertreiben und den förmlichen
Angriff um einen Monat früher hätte beginnen können*). Ich
komme noch darauf zurück.
Die Bewohner Danzigs befanden sich durch den Waffen-
stillstand in die Lage versetzt, zusehen zu müssen, dass die
Besatzung Nahrungsmittel erhielt, während sie leer ausgingen.
Wie wir gesehen haben, macht Rapp in seinem Schreiben an
den Kaiser vom 17. darauf aufmerksam, dass ein längerer
Waffenstillstand für die Bewohner höchst verderblich werden
müsse. Die Russen verdoppelten ihre Wachsamkeit, dass nichts
in die Stadt gelangte. Die Theurung, die schon vorher gross
gewesen war, nahm in schreckenerregender Weise zu. Das
Pfund Butter kostete ende Juli 2 Thaler, das Pfund Kaffee
») Vgl. oben S. 228 Note.
') Infolge der Krankheiten. Er hätte anch hinzufügen können an Geld.
») Apercju S. 76.
3^
4 Thaler, das Pfund Brod 2 Ggr., die Kanne Milch 6 Ggr. *).
Unter diesen Umständen war der Wucher, den die höheren fran-
zösischen Officiere mit den Lebensmitteln, die ihnen durch den
Raub zugefallen waren, trieben, noch eine wahre Wohlthat,
wenigstens für die Wohlhabenderen. Sie verkauften den ScheflFel
Roggen, der den Kaufleuten vorher ohne Entschädigung abge-
nommen worden war, für 7 Thaler, den geraubten Hammel für
50 Thaler, die Kuh für 200 bis 250 Thaler«). Dabei wurden
die Massregeln zur Eintreibung der Zwangsanleihe fortgesetzt.
Die Zahl der Verhafteten mehrte sich täglich*), und ihre Be-
handlung wurde immer unmenschlicher, Rapp selbst immer ab-
stossender. Eine Deputation der Regierung, welche am 21. Juli
in dringenden Angelegenheiten an ihn gesendet war, Hess er
nicht vor, und als sie zum dritten Mal erschien, wies er sie
schroff zurück*).
Im übrigen verlief der Monat Juni und der Anfang Juli sehr Juli,
ruhig ^). Der General Rapp verlegte fast die ganze Besatzung
auf die Dörfer, um sie dem Leichengenich zu entziehen ®). Die
Heuernte nahm ausserdem die Mannschaft in Anspruch, Aber
») Blech 2, 139 und 2, 160. Nach Dttring kostete ein Pfund
schlechtes Rindfleisch um diese Zeit 20 gute Groschen bis einen Thaler, das
Pfund Butter 4 Thaler, ein Danzigcr Scheffel Roggen 16 Thaler, ein Pfund
Pferdefleisch 9 gute Groschen, eine kleine Zwiebel 4 gute Groschen, 20 Kar-
toffeln einen halben Thaler, ein Pfund Salz einen Thaler.
»j Ebenda S. 167.
8) Ebenda S. 153.
*) Ebenda S. 139. Es ist etwas sehr Schönes um die Humanität im
Kriege, aber sie kann sich nur da ergehen, wo der Dienst nicht daniuter
leidet. Denn der Krieg an sich ist unvereinbar mit der Humanität, ist viel-
mehr der Gegensatz dazu. Rapp hatte den Befehl, Danzig zu halten. Das
Geld musste beschafft werden, um das zu erm(1glichen. Die Zwangsanleihe
w^ar nothwendig. Die Ausführung überliess er der dazu ernannten Kom-
mission. Aber es ist natürlich, dass der Guvemeur von diesem Augenblick
ab die gemüthliche Seite seines Charakters, die ihm allgemein zuerkannt
wurde, nicht mehr zeigen konnte und der Bürgerschaft gegenüber ein schroffes
Wesen annahm. Man hat ihm das als Stdz ausgelegt, auch ist er davon
nicht freizusprechen, er gerirte sich als suverainer Fürst, aber in diesem FaU
ist es nicht Stolz.
*) d'Artois S. 178. Apercu S. 104.
•) Blech 2, 141.
320
auch das grüne Getreide wurde gehauen und den Besitzern ent-
zogen ^). Man konnte seine Reife nicht abwarten, da die Feind-
seligkeiten jeden Augenblick wieder beginnen konnten. Das
grösste Misstrauen herrschte auf beiden Seiten. Da der Herzog
es nicht in der Hand hatte, die Lieferungen regelmässig zu
stellen, weil dies von den Civilbeliörden abhing und mit den
grössten Schwierigkeiten verbunden war, legte man ihm das als
Böswilligkeit aus. Rapp sendete am ersten Juli einen Spion
an Berthier ab mit chiffrirter Depesche, worin er sich bitter
über die mangelhafte Ausführung der Bedingungen des Waffen-
stillstandes seitens der Russen beklagte und aussprach, dass bis-
her nur die Hälfte der fälligen Lebensmittel abgeliefert wor-
den sei^).
Der Herzog Alexander benutzte die Ruhetage, um die
russischen Milizen zu orgauisiren ^). Aus den 15 Druschinen
der Petersburger Landwehr wurden 7 Bataillone gemacht*),
deren Kommando wegen Erkrankung des Senators Bibikow,
der sie befehligte, später auf den General Adadurow überging.
Diese Landwehren, wie auch die preussischen, wurden regel-
mässig einen Tag um den andern gedrillt. Ein Theil derselben,
die schlecht bewaffnet waren, wurden der Artillerie überwiesen
und am Belagerungsgeschütz eingeübt, wo sie später die besten
Dienste leisteten'').
Im Lauf des Juni kamen 5119 Rekruten der 6. und 25.
Division an, die sogleich eingestellt wurden. Ebenfalls noch
im Juni trafen die angesagten Verstärkungen ein : 2 Eskadrous
des Kasan'schen Dragoner-Regiments, zusammen 180 Mann stark,
>) d'Artois S. 180.
*) d 'Artois S. 178. Es war ein russischer Jude Moses Meusel aus Wilna,
der als Doppelspion diente und die Depesche zuvor dem Herzog vorlegte, der
sie entziifem liess und wieder zurückgab. AperQU S. 104.
») Aperiju S. 106.
*) Friccius sagt iiTthtinilich ö, weil er die Errata nicht gelesen hat.
^) Apercu S. 107. Ueberhaupt stellt der Herzog den Landwehren das
beste Zeugniss ans. Er sagt: En g6n6ral, Ics milices tant russes qne prus-
siennes rivaliserent par la suite avec les meilleurs troupes de ligne, quoique
composees enti^rement de paysans, dont la plus grande partie n^avait jamais
vu le feu.
J2i^ __
nebst 60 Dragonern fttr die Reserve-Eskadrons und eine halbe
Kompagnie Reserve- Artillerie, dann die Landwehren von Jaroslaw,
Tula und Kaluga nebst Verstärkungen der Petersburger und
Nowgoroder Landwehr, zusammen gegen 15000 Mann stark 0.
Die erstem waren vom Fürsten Demeter Wolkonski heran-
geführt worden, der mit ihnen die Höhen von Nenkau ein-
nahm *). Die Truppen , die hier gestanden hatten , wurden nach
dem Thal von Brentau und vorwärts Oliva verlegt. Hierauf konn-
ten die Kosacken- Regimenter Grekow I und Ilowaiski IX
nebst einer Dragoner-Eskadron von Pleskow, die auf der Neh-
rung gestanden hatte, zur grossen Armee gesendet werden.
Der Vorpostendienst wurde auch während des Waffenstill-
standes mit grosser Strenge gehandhabt. Auf dem Werder
verhinderten kleine bewaffnete Kähne, dass keine Lebensmittel
nach der Stadt gebracht werden konnten, auf der Weichsel
dienten die bewaffneten Fahrzeuge, welche den linken Flügel
der Verschanzung deckten, zu gleichem Zweck. Ebenso wurde
der Strand scharf bewacht') und den Fischern nicht gestattet,
sich davon zu entfernen. Doch hat es Rapp, indem er sich
auf den Waffeustillstandsvertrag bezog, durchgesetzt, dass bis
auf eine Lieue von der Küste gefischt werden durfte*). Der
Herzog verwendete viel Sorgfalt auf die Parkkolonnen und
Ambulanzen. Er Hess sie wegen Mangel an Pferden zum Theil
mit Pferden der Regimenter bespannen, um die Verpflegung
der Armee zu sichern^). Die Lazarethe wurden in guten Stand
gesetzt, da die Epidemie immer noch nicht erloschen war.
Auf ein Gesuch des Guverneurs fand am 3. Juli eine Zu-
') Davon kamen nach dem Jnrnal (Archiv S. 120) auf die Landwehr
von Jaroslaw, Tula und Kaluga 12320 Mann. Nach Blech 2, 122 sind diese
Landwehren um die Mitte Juni angekommen.
*) Nach dem Jamal (Archiv S. 120) stiessen auch die Linien-Infanterie-
Begimenter Nizow und Koporsk zum Fürsten Wolkonski.
') Die russische Flotille war im Juni ausser zahlreichen Transportschiffen
und 6 Kanonenhooten 19 grössere und kleinere Fahrzeuge stark. Nach dem
Jamal soll allerdings am 18. Juni die russische Flotte mit der Belagerungs-
artUlerie eingetroffen sein, doch ist das offenbar ein Schreibfehler fttr 18. JuU,
wo auch Blech deren Ankunft konstatirt.
*) d'Artois S. 177.
*) Apercu S. 108.
Köhler, Geschicbte der Festangen Danzlg und Weichselmttnde. II. 91
322
sammenkanft der beiden Eommandirenden beiStriess statt. Sie
dauerte gegen 10 Minuten, ohne dass man vom Pferde stieg.
Der General Rapp war mit seinem ganzen Stabe in Oala er-
schienen, der Herzog hatte gar keine Rücksichten genommen.
Man schied sehr kalt voneinander.
In der Nacht zum 13. Juli langte ein Kuriier aus dem
russischen Hauptquartier in Reichenbach an und brachte den
Befehl des Oberet Kommandirenden Barklay de Tolli vom
6. Juli, dass die Lieferungen an die Garnison zu suspendiren
seien, weil die Franzosen durch einen Ueberfall der Freikorps
von Lützow und von Colomb den Waffenstillstand gebrochen
hätten. Feindseligkeiten seien jedoch zu vermeiden^).
« Der Herzog machte sogleich an den General Rapp Mit-
theilung hiervon und fttgte noch hinzu, dass alle übrigen Be-
dingungen des Waffenstillstandes dadurch nicht berührt würden.
Auch der Grund der Massregel war angegeben*). Unglück-
licherweise war jedoch der Offizier, welcher wegen seiner
Eenntniss der französischen Sprache für gewöhnlich zu diesen
Sendungen benutzt wurde, nicht zur Stelle und kam erst gegen
Abend zurück. Er machte sich jedoch sofort auf den Weg,
wurde aber am Olivaer Thor nicht eingelassen, so dass das
Schreiben erst am 14. gegen Mittag in die Hände von Rapp
gelangte. Durch einen Schreibfehler war das Datum des
^) Der Befehl lautet (Apercu S. 123): „Qu'attendn les ^v^nemens, qni
avaient eu lien au corps des volontaires de Lützow et de Colomb, sur lesquels
les FrauQais venaient de faire une attaque k rimproviste, tandis que ees
demiers se rendaient tranquillement d'apres les stipulations de rarmistice,
con^u eutre les puissances bellig^rantes, au lieu de leur destination, et dans
nn moment, oü la tr^ve ne pouvait leur inspirer ancune d^fiance, et ou par
cons^uent ils ne se tenaient point sur leurs gardes, sa M. Tempereur er-
donnait k S. A. de cesser toutes les livraisons de vivres pour la gamison de
Danzig, et toute autre communication avec les assi^g^s, jusqu'4 ce que cette
affaire fnt entiement r^gl^e et jusqu'ä nouvelle ordre, et qu^en cas, que le
gouvemeur de la place demandait la permission pour le quartier-gfn^ral de
rarm6e fran^aise, cette permissiou devait lui etre refus^e en ^vitant toutefois
de recommencer les hostilit^s,
N. 388 Le g^n^ral Barklay de ToUy.
Beichenbach le 24 juin 1813 (a. St.).
*) Das Schreiben findet sich im Apercu S. 112, bei d'Artois S. 182 und
Oampredon (Auriol S. 108).
323
Schreibens nicht korrekt, indem es hiess Vis juillet k 1 henre
da matin. Es wäre ein leichtes ffir Eapp gewesen zu erkennen,
dass nicht der 12. gemeint sein konnte, da der 1. Juli a. St.
zu jener Zeit dem 13. a. St. entspricht, auch nicht der geringste
Grand für den Herzog vorlag, die Mittheilung absichtlich um
2 Tage zu verzögern. Aber die Geduld Rapp's war zu Ende.
Das Misstrauen, was er von vornherein gegen den Herzog hatte,
sah in diesem Falle nur eine neue Chikane. Er antwortete
daher noch an demselben Tage in einem gereizten Tone, be-
klagte sich über Verzögerung der Lieferungen, sowie über die
Verspätung des Schreibens, das die gänzliche Sistirung der
Lieferungen ankttndigt, und erkennt darin einen Bruch des
VSTaflFenstillstandes ; er werde sich in Bereitschaft setzen, die
Feindseligkeiten wieder zu beginnen, und frage nur an, ob die
6 Tage, welche nach dem Waffenstillstandsvertrage von der
Aafkttndigung ab inne gehalten werden sollen, vom 12. um
1 Uhr morgens oder vom 14. mittags zu rechnen seien. Im
Übrigen verlange er noch die rückständigen Lebensmittel ^) und
mache den Herzog für den Bruch des Waffenstillstandes ver-
antwortlich.
Der Herzog übersendete darauf unterm 15. die Abschrift
des Befehls von Barklay*), begleitet von einer längeren Aus-
einandersetzung über das Datum und die Verspätung seiner
^) Das Schreiben wird mitgetheilt von d'Artois S. 183, Campredon
(Anriol S. 109) nnd im Anszuge vom Apergu S. 117.
*) d'Artois übergeht das mit Stillschweigen und sagt, dass dem Schrei-
ben des Herzogs vom 16. eine Konferenz vorausging , die der Herzog bean-
tragt habe, und die zwischen den Generallieutenants Borozdin und Heudelet
stattgefunden haben soll. Weder der Herzog (im Apercu) noch Campredon
wissen etwas davon, auch wäre die Zeit vom 14. zum 15. zu kurz dazu ge-
wesen. Was der Herzog in dem Schreiben vom 15. über Aeusserungen Boroz-
din^s und Grebezow's mittheilt, bezieht sich auf frühere Konferenzen, aber
vielleicht hat d'Artois daraus auf eine Konferenz am 14. oder 15. geschlossen.
Wie d'Artois den Thatbestand zu verdunkeln sucht, geht unter anderm da-
raus hervor, dass er S. 202 behauptet, der Herzog habe den Qrund der
Aufhebung der Lieferungen überhaupt nicht angegeben. Er sieht diese Auf-
hebung nur als eine Caprice des Herzogs au. Er sagt S. 184: Chacun
tronvait la d6claration du duc de W., de ne plus foumir des vivres, Texplication
de la conduite tortueuse et embarass^e qu'il avait tenue jusqu'alors, pour se sous-
traire, autant qu'il etait en son pouvoir, & Tobligation de ravitaiUer la place*.
324
Mittheilnng darüber; er machte darauf aufmerksam, dass nicht
er, sondern der Guverneur die Verantwortung eines Bruchs des
Waffenstillstandes tragen werde, da der General Barklay ihm
ausdrücklich jede Feindseligkeit verbiete. Sollte der Guverneur
dennoch die Feindseligkeiten wieder eröffnen, so werde er seine
braven Russen bereit finden, ihr Blut für die Sache der Fürsten
und Völker zu vergiessen '). In einem Antwortschreiben von
demselben Tage zeigt Rapp an, dass er am 20. die E'eindselig-
keiten wieder eröffnen werde, und setzt hinzu, dass die Phrase
über die Sache aller Fürsten und Völker von einem Fürsten
eigenthümlich klinge, der da weiss, dass der Kaiser Alexander
5 Jahre im Bündniss mit Napoleon gewesen sei, um den Des-
potismus einer Seemacht zu brechen, welche den Kontinent in
Kontribution zu setzen suche, und dass sein erhabener Bruder
der König von Würtemberg seit langer Zeit eine der sichersten
Stützen derselben Sache ist*).
Der Herzog war erstaunt über die Sprache, die sich der
General erlaubte, da es ihm aber darauf ankam, es nicht zum
äussei'sten kommen zu lassen, führte er in einer Erwiderung
vom 17.') noch einmal alle Gründe auf und wies darauf hin,
wie wunderbar es sich ausnehmen würde, wenn sie beide sich
als Macht gegen Macht gerirten und die alleinigen wären,
welche sich bekämpften, da der Waffenstillstand bis zum
6. August währte.
Der General Rapp erörterte in einer Erwiderung noch ein-
mal die Gründe, die ihn nöthigten, den Kriegszustand wieder
aufzunehmen, schlug jedoch als ein Auskunftsmittel vor, von
Feindseligkeiten abzustehen, wenn ihm der Herzog bis zum 20.
») Apercu S. 121. d^Artois S. 186.
•) Apercu S. 126. d'Artois S. 188.
') Apercu S. 128. d'Artois S. 189. Um dem General Rapp anzudeuten,
wie wenig die Bemerkung inbetreff des Königs von Würtemberg am Orte
wäre, scbloss der Herzog das Schreiben mit der Wendung, dass ein russischer
kommandirender General sich keineswegs geringer achte als ein König des
Rheinbundes, und dass es vom Belieben des Kaiserg von Russland abhänge,
ihn (den Herzog) zu dieser Würde zu erheben, dass der Herzog aber die kleine
Bedingung daran knüpfen würde, nicht auf Kosten einer anderen Macht
dazu zu gelangen.
325
die ihm noch zuständigen Lebensmittel liefere^). Der Herzog
lehnte das ab, weil er durch den Befehl des Oberkommando's
gebunden sei.
Der Herzog bereitete sich daher auf die Wiedereröffnung
der Feindseligkeiten vor, untersagte jedoch seinen Truppen
jeden Angriif. Selbst die Arbeiten sollten nur in dem Falle
wieder aufgenommen werden, wenn der Feind damit vorgehe.
Der General Kapp verdoppelte die Vorposten und liess am
16. abends die Arbeiten wieder beginnen^). Die Russen folgten
darin am 18. Der Herzog liess auf der ganzen Front von der
Radaune bis zum Grunde von Divelkau eine Reihe leichter
Werke auf werfen, zunächst zu keinem andern Zweck,
als dem Feinde zu zeigen, dass seine Massregeln die Russen
zwängen, ein Gleiches zu thun^). Zu einer Kontravallation
sind diese Werke erst später erwachsen. Sie wurden in drei
Tagen (18. bis 20.), allerdings mit Aufbietung bedeutender
Kräfte, vollendet. Ausserdem liess der Herzog die Verschanzung
von Neufehr, die noch nicht fertig war, beenden und armirte
sie mit 8 Geschützen.
Am 20. verkündeten 6 Schüsse von jedem der Aussenwerke
französischerseits den Wiederbeginn der Feindseligkeiten, doch
kam es zu keinem Gefecht*); die wenigen scharfen Schüsse,
*) Apercu S. 130. d'Artois S. 190. Wenn der General Rapp in den
vorhei^eheuden Schreiben Phrasen gebraucht, welche dem Herzoge als unge-
hörig erscheinen mussten, so lässt sich zu seiner Entschuldigung anf^ren,
dass er in seiner Eigenschaft als Vertreter Napoleon^s und der französischen
Armee sich nichts vergeben wollte, aber es ist unverständlich, wie wenig
scharf er die Lage des Herzogs auffasste, wenn er wie im vorliegenden Fall
Forderungen aufstellt, die der Herzog nach den Befehlen, die er vom Ober-
kommando hatte, nicht erftUlen konnte. Der Herzog hatte den bestimmten
Befehl, mit allen Lieferungen einzuhalten, und Rapp hatte diesen Befehl in
Händen. Alle Versprechungen, die der Herzog vorher gemacht hatte, und
worauf sich Kapp in dem Schreiben beruft, waren mit dem Befehl Barklay's
gegenstandslos geworden.
') Campredon-Auriol S. 144.
») Apercu S. 137.
*, d'Artois behauptet S. 200, dass die Russen um 10 Uhr abends Con-
grevische Raketen gegen die Werke haben steigen lassen, die jedoch nur bis
auf das Glacis der Aussenwerke gelangt wären, und dass einige Scharmützel
326
die am 21. und 22. fielen, gingen nur von den Franzosen aus,
die Russen haben nach dem Zeugniss Campredon's nicht ge-
schossen*). Die Franzosen begannen am Abend des 20. die
Werke auf der Jesuiterhöhe*). Die Russen feierten am 25. Juli
den Sieg Wellington's bei Vittoria durch Artilleriesalven. Rapp
that dasselbe, weil, wie er bekannt machen liess, dies nur ein
Sieg der Franzosen sein könne').
Am 22. traf von Barklay de Tolli der Befehl ein, die
Lieferungen wieder zu beginnen*). Der Herzog machte sogleich
dem General Rapp Anzeige davon*), doch langte die Mittheilung
erst am 23. nachmittags 3 Uhr an. Rapp sandte sogleich den
General Heudelet in das russische Hauptquartier, um das
Nähere zu verabreden. Der General Borozdin, den der Herzog
damit beauftragte, kam mit Heudelet fiberein, dass die Liefe-
rungen am folgenden Tage, spätestens am 25. morgens, wieder
beginnen sollten^. Doch war es dem Herzog unmöglich, dem
nachzukommen. Es gelang ihm nur dadurch, dass er es den
stattgeftinden hätten. Die Aufgabe Campredon's, dass die Russen sich rohig
verhalten hätten, würde allein schon genügen» dies zu widerlegen. Der Herzog
von Würtemburg weiss aber ausserdem noch, dass Congrevische Raketen zu
dieser Zeit noch gar nicht angekommen waren, und dass die ersten in der
Nacht vom 16. zum 17. August verwendet wurden. Apercu S. 138.
») Auriol S. 114.
*) Ebenda.
•) Blech.
*) Apercu S. 139.
^) d^Artois S. 201. d'Artois erzählt, dass der General Borozdin, der
Heudelet empfangen habe, ihm gesagt hätte, dass der Herzog es allerdings
auf eine Mittheiluug vom Oberkommando, dass die Fortsetzung der Liefeniugen
in Aussicht stände, es auf sich genommen habe, ohne den Befehl abzuwarten,
die rückständigen Lieferungen zu leisten, um während der Friedensunter-
handln ngeu, die in Prag eröffnet waren, jede Feindseligkeit zu vermeiden.
Der Herzog findet im Apergu S. 139 diese Darstellung mit Recht rein lächer-
lich, da dem Hauptmann d 'Artois, als er das schrieb bekannt sein konnte,
dass zur selben Zeit auch die übrigen blockirten Festungen wieder mit Lebens-
mitteln versehen wurden, d 'Artois scheint mit dieser Darstellung seine Auf-
fassung über den Herzog, die wir oben kennen gelernt haben, rechtfertigen
zu woUen, und giebt durch diese nachgewnesene Erfindung seiner Glaub-
würdigkeit eine starke Erschütterung.
•) Campredon, Auriol S, X14,
327
eignen Truppen abbrach, am 26. die erste Lieferung zu verab-
folgen. Die Lebensmittel mussten in dem ausgesogenen Lande
den Bewohnern, die mit dem grössten Unwillen den Franzosen
etwas zukommen liessen, abgenommen werden. Der Verrath
an dem Lützow'schen Freikorps hatte das Land aufgeregt.
Ausserdem waren keine Pferde vorhanden oder gingen unter-
wegs zu gründe ^). Trotz dieser Schwierigkeiten gelang es dem
Herzoge, seinen Verpflichtungen möglichst nachzukommen, und
es ist eine Unwahrheit, wenn d'Artois S. 203 behauptet, es
wären nur zwei Drittel der fälligen Lebensmittel eingeliefert
worden. Auch die rückständigen Quantitäten wurden nach und
nach abgeliefert und würden vollständig dazu gelangt sein,
wenn der Waflfenstillstand nicht vor der Ernte abgelaufen wäre.
Am 2. August brachte ein russischer Offizier aus dem August.
Hauptquartier die Verlängerung des Waffenstillstandes über
den 6. hinaus mindestens bis zum 10., also mit Einschluss der
6 Tage Aufkündigung bis zum 16. Er überbrachte auch fran-
zösische Depeschen, darunter die Ernennung des Generals
Bachelu zum Divisions-Kommandeur, wodurch die 34. Division
auf ihn überging. Farine und d'Hericourt wurden zu Brigade-
Kommandeuren ernannt, Heudelet zum grandofficier der Ehren-
legion, Detres zum Kitter der eisernen Krone und die Generale
Lepin, Husson und Breissan zu Kommandeuren der Ehren-
legion *).
In den Lägern herrschte wieder Ruhe, die Arbeiten waren
auf beiden Seiten eingestellt worden*). Am 27. Juni traf die
Batterie Sommer bei der ostpreussischen Landwehr ein, die
bisher ohne Artillerie gewesen war. Die Mobilmachung der
Batterie hatte viel Zeit in Anspruch genommen, da es an allem
fehlte. Sie erschien in einer Stärke von 2 Offizieren, 12 Unter-
offizieren und 116 Mann mit 8 Geschützen*). Die Batterie
wurde nach Schiddelkau verlegt, in dessen Nähe sich zu dieser
Zeit auch die Landwehr befand und zwar die 4. Brigade (Kom-
») Apercu S. 140.
*) Campredon. Auriol S. 115.
») d'Artois S. 204. Apercu S. 144.
*) Apercu S. 142.
328
mandeur Major Graf Eulenburg) im Lager bei Schönfeld, die
5. Brigade (EommaDdeur v. Hindenburg-Bcnneckendorf) zwischen
Zankenczin und Miggau. Von der Kavallerie stand die 4. Ab*
theilung (Regiment von 3 Eskadrons) unter dem Major von Kn-
rowski bei Schönfeld, die 5. Abtheilung unter dem Major
von Briinneck bei Zankenczin. Der Major Graf Dohna lag in
Schönfeld. Im Juli wurde die Division vom Guverneur des
Landes zwischen Weichsel und der russischen Grenze, General
von Zastrow, besichtigt. Der General spricht in seinem Bericht
vom 15. Juli an den König sich mit grosser Anerkennung über
die Truppe aus; er sagt: sie habe alle seine Erwartungen Über-
treffen, doch fehlen noch tuchene Hosen und Mäntel. Ueber
das Offlzierkorps ist er des Lobes voll, bedauert jedoch, dass
der Rang des Grafen Dohna seiner Stellung nicht entspreche
und er den russischen Offizieren, mit denen er im Gefecht zu-
sammentreffe, in dieser Beziehung nachstehe. Er bittet um
Avancement für denselben. (Kriegs- Archiv F. 8).
Anfang August traf auch der letzte Rest der russischen
Flotte ein. Sie war jetzt 83 Kanonenboote, 6 Galeoten, 2 Fre-
gatten und 2 KoiTetten stark. Kommandeur war der Kontre-
admiral Greigh *). Die Belagerungsgeschütze folgten erst später
auf Transportschiffen aus England im Lauf des August und
September.
Der Herzog von Würtemberg hatte sich durch häufige
Besuche der Lazarethe den Typhus zugezogen und musste am
31. Juli das Kommando an den Fürsten Wolkonski abtreten^).
Auf eine Mittheilung davon an den General Rapp erwiderte
^) Ebenda S. 144. Am 11. August traf noch das Tataren-BegimeDt
von Teptei*sk in der Stärke von 600 Pferden ein, auch gegen 200 Kosackeu
aus den Depots.
') Die Krankheit des Herzogs hatte schon seit aufang Juli ange-
halten. Der General von Zastrow hatte ihn bereits in vollem Delirium an-
getroffen und nur am 11. Gelegenheit gefunden, ihn zu sprechen. Der Ge-
neral sagt in seinem Bericht an den König, dass er sich von der Würde,
der Festigkeit und dem hohen Interesse überzeugt habe, mit welchem Se.
Königliche Hoheit das Kommando führe. Er fügt hinzu, dass er hierbei auch
den Oberstlieutenant v. Pnllet über die bevorstehende Belagerang gesprochen
habe, der alles für die Zukunft vorbereitet habe. (Kriegs-Archiv.)
329
dieser am 5. August, indem er ihn durch seinen Chef des
Stabes d'Hericourt beglückwünschte, dass der Herzog alles
gethan habe, was in seinen Kräften stand, um die Lieferungen
auf dem Laufenden zu erhalten. Der General d'H6ricourt über-
reichte gleichzeitig den Stand der Lieferungen *).
Der General Rapp hatte ende Juli ans den überzähligen
Offizieren und Unteroffizieren das Regiment „König von Rom"
errichtet. Er schrieb am 4. August dem Major general darüber:
„Das Regiment besteht aus 2 Bataillonen in der Stärke von
675 Mann. Jedes Bataillon wird durch einen erfahrenen
Obersten kommandirt und besteht aus 4 Kompagnien, welche
durch ßataillonskommandeure befehligt werden. An die Spitze
des Regiments habe ich den General Bazancourt gestellt, dessen
lan^e und gute Dienste dem Kaiser bekannt sind. Das Regi-
ment soll eine Reserve bilden und im Fall eines Angriffs an
den wichtigsten Punkt verwendet werden*).
Am 17. August traf ein Kurier aus dem grossen Haupt-
quartier ein, welcher die Aufkündigung des Waffenstillstandes
überbrachte. Der Fürst von Wolkonski machte am folgenden
Tage dem General Rapp davon Anzeige, und es wurde verein-
bart, die Feindseligkeiten am 24. zu beginnen*).
Der General Rapp hatte sich doch entschliessen müssen,
dem Befehl Napoleon's nachzukommen und die Einwohner
Danzig's, welche keine Lebensmittel nachweisen konnten, aus-
zuweisen. Er dehnte die Massregel auf alle diejenigen aus,
welche keine Steuern zahlten und nicht bei der Zwangsanleihe
betheiligt waren*). Die Massregel wurde mit aller der Härte
ausgeführt, die irgend möglich war, denn es gab kein ander
Mittel. Das Dekret ist vom Tage nach Aufkündigung des
Waffenstillstandes (19. August). Es ergiebt sich daraus, dass
Rapp mit der entsetzlichen Massregel gezögert hatte, bis alle
Aussicht auf den Frieden geschwunden war. Ausgenommen
») Apercu S. 142.
*) Oampredon. Anriol S. 115.
^ Aper^a S.. 144. Oampredon (Auriol S. 117).
*) Das betreffende Dekret wird von Oampredon (Auriol S. 118) mit-
getheilt.
330
waren die Arbeiter, welche bei der Artillerie und Fortifikation
beschäftigt waren. Sie arbeiteten seit Juli ohne Lohn, nur um
das schlechte Brod, das man ihnen verabfolgte, und hatten sich
darein ergeben *). Die Zahl der Ausgewiesenen wird auf 6000
jeglichen Alters und Geschlechts geschätzt *). Die Russen waren
dadurch in die peinlichste Lage versetzt, aber der Kommandirende
konnte nur nach den Kriegsgesetzen handeln, wonach sie zurück-
zuweisen waren, was streng durchgeführt wurde*).
») d'Artois S. 172. Blech 2, 157.
*) Blech. Apercu S. 153.
') Einer der elementarsten Grundsätze der Kriegfühning ist, dass man
nicht gewähren lassen darf, was dem Gegner Vorteil bringt. Auf der andern
Seite ist es nicht gerechtfertigt, seinen Willen auch da durchsetzen zu wollen,
wo man den Gegner nicht zwingen kann, sich diesem Willen zu beugen, wie
es hier der Fall ist. Der Angreifer hat kein Mittel zur Hand, den Gegner
zur Wiederaufnahme der Ausgewiesenen zu veranlassen. Auf eigne Verant-
wortung darf er sie aber nicht passireu lassen. Will er human handeln, so
kann er die Entscheidimg seiner Regierung überlassen, die ihm jedoch wenig
dankbar dafür sein wird, da sie nicht gegen ihr Interesse handeln kann. Die
Verantwortung, eine grausame Handlung begangen zu haben, fällt ausschliess-
lich dem Vertheidiger zur Last, da er die Initiative dazu ergriffen hat, wenn
er nach den Kriegsgesetzeu auch dazu berechtigt ist. Wie sich die Sache
vor Dauzig gestaltete, ist Grausen erregend. Die Unglücklichen waren von
vornherein ohne Lebensmittel, wurden von den Vorposten der Russen zurück-
gewiesen und von der Besatzung nicht wieder aufgenommen, so dass sie
faktisch dem Hnngertode preisgegeben waren, dem auch eine grosse Zahl
erlegen ist. Die kräftigeren Naturen haben sich durch die Mittel, welche
die günstige Jahreszeit bot, erhalten können. Als dann aber der Frost ein-
trat, war auch für sie keine Rettung, so dass sich Rapp schliesslich ihrer
angenommen hat, was nur anzuerkennen ist. Da ihre Zahl sehr geschwunden
war, hätte eine fernere Zurückweisung seitens der Russen wohl unterbleiben
können. Eine besondere Episode bietet das Schicksal der Waisenkinder. Sie
waren, 148 Köpfe stark, in der Zahl derjenigen begriffen, die ausgewiesen
werden mussten, weil sie die Stadt nicht länger ernähren konnte. Ihr Vor-
stand Gehrt Hess es sich nicht nehmen, mit ihnen zu ziehen und ihr Schicksal
zu theileu, das nur der Hungertod sein konnte. Seinen Bemühungen ist es
schliesslich nach 14 Tagen gelungen, den Befehl des Herzogs zu erwirken,
dass die Vorposten sie passireu Hessen. Vebrigens hätte es Gehrt aUein nicht
durchgesetzt, den Herzog zu bestimmen. Das Verdienst kommt dem General-
lieutenant Löwis zu. Nachdem er sich wiederholentlich für die Waisen ver-
gebens verwendet hatte, ergriff er die Gelegenheit, wo der Herzog ihn infolge
des Todes eines Sohnes sein Beileid bezeugte, und erwiderte: , Geben Sie
331
Fortsetzung der Armirung, Befestigung des
Vorterrains.
Die Armirung gegen den gewaltsamen Angriff war im
wesentlichen bei Beginn des Waffenstillstandes beendet. Als
die Unterbrechung desselben am 16. Juli die Wiederaufnahme
dei* Arbeiten gestattete, konnte der Belagerte seine technischen
Truppen auch bei der Befestigung des Vorterrains verwenden. Es
handelte sich darum, den Angreifer möglichst weit von den Werken
entfernt zu halten, wodurch ein wesentlicher Zeitgewinn er-
reicht und die Stadt gegen ein Bombardement gesichert wurde.
Ueber die Front, welche der Feind zum Angriff wählen würde,
ob den Bischofsberg, den Hagelsberg oder die Olivaer Front,
konnte man nichts wissen, musste sich daher für alle Fälle ein-
richten. Das entsprach auch der Absicht, die allein massgebend
blieb, die bisher innegehabte, ausgedehnte Stellung zu behaup-
ten und noch weiter, als es bisher geschehen war, zu ver-
stärken*). Wenn man daher auch seit dem 20. Juli*) an die
Befestigung der Jesuiterhöhe ging, so hatte man dabei nur
die Sicherung der Dörfer Schottland und Stadtgebiet, die im
Grunde lagen, im Auge. Die Befestigung der Dörfer selbst,
auf die man sich bisher beschränkt hatte, konnte nicht zu
ihrer Behauptung genügen. Die Jesuiterhöhe beherrschte ausser-
dem alle umliegenden Höhen. Auf der Kuppe derselben, da wo
die heutige Jesuiterschanze liegt, wurden zwei Feldwerke er-
baut, die mit einander durch einen Laufgraben verbunden wurden
und eine Art Homwerk bildeten ^). Das eine hatte zum Zweck,
die Radaune, das Dorf Ohra und die anliegenden Höhen zu
mir für den Einen jene 150 Waisen!'' Plümicke bestreitet S. 189 diese An-
gaben Blech 's und behauptet, dass Langeron der Wohlthäter gewesen sei, da
dieser sich aber nicht beim Blockadekorps befand und Plümicke auch keine
Quelle nennt, ist auf seine Behauptung kein Werth zu legen.
^) Die im August unternommenen Arbeiten deuten darauf hin, dass man
nicht auf eine förmliche Belagerung, sondern auf eine Fortdauer der Blockade
rechnete. Da der Belagerer bis zu dieser Zeit noch über keinen Belagerungs-
train gebot, man auch über seine Stärke nicht aufgeklärt war, so ist es be-
greiflich, dass man sich dieser Illusion hingeben konnte.
*) Campredon. Auriol S. 114.
^ Siehe Taf. VI unt^r G,
332
bestreichen, das andre diente dem erstem zur Unterstützung,
sah das Thal von Schönfeld, wo der Weg von den Schotten-
häusern dahin führt, ein und bestrich das Plateau von Stolzen-
berg *). Als Feldwerke hatten sie eine geringe Brustwehrstärke
und Höhe. Ihre Kehle war durch Palisaden geschlossen. Ihre Her-
stellung hat 10 bis 12 Tage erfordert. Sie waren mit 2 starken
Batterien besetzt, und man nannte sie infolgedessen batte-
ries Frioul. Eine gedeckte Verbindung, für Geschütze brauch-
bar, führte vom Petershagener Thor nach den Schanzen. Wenn
die Höhe zur Vertheidigung der Dörfer befestigt werden musste,
so war die Befestigung der Dörfer nicht minder nothwendig
zur Vertheidigung der Höhe. Man begnügte sich daher nicht,
am Eingange des Dorfes Stadtgebiet im Anschluss an die
Schottenhäuser einen Abschnitt (coupure) hergestellt zu haben ^),
der jetzt bis zur Inundation verlängert wurde (C), sondern legte
noch einen zweiten Abschnitt (D) in der Höhe der angelegten
Schanzen Frioul durch das Dorf Schottland an, der ebenfalls
bis zur Inundation reichte und mit Geschützen versehen wurde.
Diese Arbeit hat lange Zeit in Anspruch genommen, da Häuser
krenelirt, Brustwehren mit Gräben aufgeworfen und Palisaden
gesetzt werden mussten. Da, wo der Abschnitt den obern Rand
des Berges erreichte, legte man später eine starke Redute an,
die „avanc6e de Frioul" (E) genannt wurde und ebenfalls
mit Geschützen versehen war').
Merkwürdigerweise versäumte man es, die Befestigung des
Berges bis an den Abhang zu den Schottenhäusern fortzusetzen
und daselbst ein Werk anzulegen. Es waren hier jedoch ein-
zelne feste Posten entstanden, welche die Feldwachen angelegt
hatten, um sich gegen Ueberfälle der Kosacken zu sichern*).
Als Schanzen kann man sie nicht ansehen, weil sie nicht mit
») d'Artüis S. 197.
•) Vergl. oben S. 332.
^) Der Zeitpunkt, wo die Anlage des II. Abächuitts und der avaucee
de Frioul erfolgte, wird seiner Zeit im Tagebuch der Belagemng ange-
geben werden. Die Anlage fand erst nach der Besitznahme der Schot-
tenhäuser durch die Küssen statt. Des Zusammenhangs wegen musste hier
vorgegriffen werden.
*) d'Artois S. 211.
333
Geschütz besetzt waren, wie sie denn auch bei den vielfachen
Kämpfen, die um ihren Besitz später geführt wurden, stets im
ersten Anlauf genommen wurden. Von Wichtigkeit wurde
namentlich die Sternschanze (le poste de l'Etoile) (m) auf
dem Plateau zwischen den Schottenhäusern und Reiersgarten
und der links rückwärts davon am Rande des Abhanges ge-
legene Hauptmannsposten (le poste du capitaine) (h), der
zur Unterstützung des erstem diente. Ein Lieutenantsposten
(g) befand sich am Nordabhange der Schottenhäuser und ein
Sergeantenposten rechts der Batterien FriauP) (H).
Das südlich (jenseits der Schottenhäuser) vorgelegene Dorf
Ohra, wie es die französischen Berichte nennen, denn eigentlich
ist es Stadtgebiet, wurde zwar besetzt, aber nicht befestigt, doch
hatten die Vorposten sich durch den poste du jardin gesichert.
Bei der Befestigung der Jesuiterhöhe hat keineswegs die
Rücksicht, die Stadt vor einem Bombardement zu sichern, mit-
gespielt. Man war noch wie 1807 der Meinung, dass die Ge-
schütze von hier aus nicht zur Speicherinsel reichten*), was
sich ja damals bestätigt fand. Aber man kannte nicht die Trag-
weite der englischen Geschütze.
Die weit vorspringende Lage von Langfuhr, das der Gu-
verneur so lange wie möglich festhalten wollte, führte noch zu
andern Anlagen. Die bereits befestigten Punkte Kabrun und
Aller Engeln konnten nicht genügen, die Verbindung der Festung
mit dem Dorfe sicher zu stellen, doch legte man während der
Unterbrechung des Waffenstillstandes eine Art Redute vor dem
Hanse Kabrun an, so dass letzteres ein Reduit dazu abgab').
Zwar hatte man zu derselben Zeit durch Anlage einer starken
Batterie auf dem Berge links der grossen Allee in der Höhe
von Aller Engeln eine vorzügliche Stütze gewonnen *), aber die
Basis des ganzen Systems erschien nicht breit genug. Es lag
nahe, die Schanzen, welche man noch vor dem Waffenstillstände
diesseits Zigankendorf aufgeworfen hatte, und die während der
Unterbrechung des Waffenstillstandes verstärkt worden waren,
') Ebenda S. 210.
^ Ebenda.
») d'Artoifl S. 195.
*) Ebenda. Der Berg wird auf älteren Plänen der Krähenberg genannt.
334
mit jener Batterie durch eine angemessene Zahl von Zwischen-
werken zu verbinden. Die Schanzen bei Zigankendorf hatten
ursprünglich nur den Zweck gehabt, die vorgeschobenen Vor-
posten aufzunehmen. Auch die neuen Werke, welche unmittel-
bar nach Aufhebung des Waffenstillstandes begonnen wurden,
sollten zunächst nur diesem Zwecke dienen und bestanden nur
aus Erdaufwürfen. Sie erfüllten aber auch den wichtigen Zweck,
die zahlreichen Schluchten, welche zur Allee ausliefen, und die
dem Feinde ebensoviele Sammelpunkte abgaben, um die Ver-
bindung mit Langfuhr mit dem Olivaer Thor zu gefährden, unter
Feuer zu nehmen, und wurden deshalb für Geschütze eingerichtet.
Es waren ihrer drei, so dass sich nunmehr von der Batterie
Kirgener ab, die den linken Flügel einnahm, sieben Werke er-
hoben: Kirgener,Istrien, Caulaincourt, Romoeuf (Q), Grabowski (R),
Deroy (S) und Montbrun (T). Mit letzterem Namen wurde die
Batterie links der Allee bezeichnet*). Die Werke gewannen
später, veranlasst durch das Vorgehen der Russen von Neu-
Schottland aus, eine Festigkeit, die urspiünglich nicht beabsich-
tigt war, und bildeten ein vollständiges Retranchement, das durch
Anlage zweier neuen Werke, der Batterie Fischer (U) an der
Allee und der Batterie Gudin (V), bis zur Weichsel fortgeführt
wurde. Das letztere Werk, welches an der Altstädtischen
Ziegelscheune erbaut wurde, hiess nach derselben auch batterie
de la briqueterie.
Das Tracee der einzelnen Werke w^ar nach dem Gelände,
das sie einnahmen oder vertheidigen sollten, sehr verschieden.
Zum Theil waren es nur Redans. Hinter den Batterien Kir-
gener und Montbrun wurde später ein Barackenlager einge-
richtet, ersteres für 400 Mann, letzteres für 150 Mann. Alles
^) Ebenda S. 208. Schon am 26. August konnten einzelne dieser Werke
mit Geschützen armirt werden, so dass sie an dem Gefecht vom 29. Augast
theilnahmen. Es waren folgende: zus.
Kirgener erhielt 2 — 12Pfünder und eine Haubitze von 6 ZoH 4 Linien, 3
Caulaincourt 2-12 , ,, „ ,6„4„ 3
Montbrun 4— 8 , „ „ „ „ 6 „ 4 „ 5
Kabrun 2-- 6 „ — — — — 2
Istrien 2 — 12Pfünder und eine Haubitze von 6 ZoU 4 Linien,
dazu 2 russische Einhörner 5
d'Artois S. 254.
335
das entstand nach und nach. Als die Russen von Langfuhr
und Neu-Schottland vorgingen, war nur ein Theil dieser Werke
fertig.
Zu den weitern Armirungsarbeiten , die nach Aufhebung
des WaflFenstillstandes eintraten, gehörte die vollständige Pla-
nirung des Geländes vor dem Bischofsberge. Von dem ehemals
grossen Dorfe Stolzenberg blieb nur der westliche Theil stehen.
Zwei vortheilhaft gelegene Häuser wurden krenelirt und mit Pali-
saden umgeben, eins am Westausgange des Dorfes, das andere (K)
sfidlich desselben. Ein drittes derartiges Haus (u) befand sich
auf dem Judenkirchhofe, ein viertes (t) am obern Ausgange
von Weinberg ^). Vor dem Neugarter Thor wurden die Häuser
bis zum Looseberge und tief in Schidlitz hinein demolirt und
zwischen der Ltinette Cafarelli und dem Bastion Sandgrube
eine kleine Lttnette Delsons (L), die heutige Kftmmelschanze, er-
baut, um das Neugarter Thor zu bestreichen.
Auch vor dem Retranchement Neufahrwasser und dem Port
Lacoste wurden die Häuser, welche die Annäherung des Feindes
begünstigten, abgetragen. Der Wald der Nehrung gegenüber
Weichselmünde wurde bis auf 600 Meter von Glacis gefällt*).
Die Weichsel wurde unterhalb der Westerplatte verbarri-
kadirt, damit kein feindliches Schiff einlaufen konnte.
Der innere Dienst in der Stadt wurde geregelt, wobei das
auf 3 Bataillone verstärkte Regiment Roi de Rome vortreff-
liche Dienste leistete. Es hatte die Magazine für Lebensmittel
und andere Vorräthe zu bewachen und wurde dabei von einem
ans Beamten gebildeten Bataillon unterstüzt. Die Lebensmittel
waren auf der Speicherinsel in den grossartigen Magazinen
dieses Stadtheils und zwar in dem nördlichen Theil derselben,
der durch seine Entfernung dem Bombardement am wenigsten
ausgesetzt war, untergebracht. Die Insel erhielt einen beson-
deren Kommandeur. Der Guverneur Hess durch ein Arrete be-
kannt machen, dass jedes Individuum, welches daselbst beim
Versuch zu stehlen ertappt würde, der Todesstrafe verfiel').
^) Weinberg heisst die Gruppe yon Häusern in der Schlacht südlich des
Stolzenberger Grundes.
«) d'Artols S. 212.
^ d'Artois S. 214.
836
6. Sie Belagerung Sansig'e vom 21. Angut bis
29. November.
Bevor ich den Lauf der Begebenheiten wieder auftiehrae,
ist es erforderlich, einen Bück auf den Zustand beider Gegner
bei Beginn der Feindseligkeiten nach dem Watl'enstiilstande zu
werfen.
a. Der Belagerer.
Nach dem Abmarsch der 21. Division bestand das Blockade-
korps, wie oben bemerkt, aus der 6. und 25. Division. Eine
jede derselben bestand aus 4 Linien- und 2 Jäger-Regimentern *)
in der Stärke von je 4800 Kombattanten, von denen der grösste
Theil jedoch Rekruten waren. Den Rest des Korps bildeten
Milizen. Die Regimenter hatten 2 Bataillone mit Ausnahme
des 3. Jägerregiments, welches drei hatte.
An Milizen befanden sich im Korps diejenigen von St.
Petersburg, Nowgorod, Tula, Jaroslaw und Kaluga*).
Die Feldartillerie bestand aus 3 leichten Batterien (No 10,
11. und 40), einer schweren (No. 6) und einer reitenden (No. 19).
Dazu kam eine halbe reitende der Miliz von Tula und eine
halbe reitende der Reserve^). Eine russische leichte Batterie
bestand aus 8 — 6 pfundigen Kanonen und 4 Haubitzen, die
schwere nur aus 12 Pf lindern.
An Reiterei hatte das Blockadekorps 2 Linien-Regimenter,
die Dragoner von Kasan (6 Eskadrons) und die Ulanen von
Jamburg (4 Eskadrons). Dazu kamen 3 Reserve - Eskadrons :
Moskau, Kargopol und Ingermannland *).
An Kosackenregimenter waren vorhanden : Das von Grekow V.
*) Zar 6. Division gehörten die Linienregimenter Asow, Nizow, Bransk
nnd ein kombinirtes Regiment (Swodnj); das Jflgerregiment No. 3 und ein
Bataillon von No. 34 und eins von No. 18,
zur 25. Division : die Linienregimenter No. t und 2 der Marine, die von
Woronesch nnd Koporsk, sowie die Jägerregimenter No. 31 und 47.
') Die Stärke der Milizen betrug:
601 Offiziere, 1490 Unteroffiziere, 14941 Gemeine.
s) Die Stätke der Feldartillerie betrug:
36 Offiziere, 103 Unteroffiziere, 1140 Gemeine.
*) Die Stärke der Linienreiterei betrag:
41 Offiziere, 83 Unteroffiziere, 924 Gemeine.
33?
Grekow XVII, Charitonow, Sutschilin II, Tschcrnosubow und
das des Attaman von Ohrenburg; an Tataren: die Regimenter
von Teptersk, Perekop und Sinferopol, dazu ein Baschkiren-
Regiment. Die Regimenter waren durchschnittlich 260—280
Mann stark.
Noch waren vorhanden ein Regiment Reiterei der Miliz
von Tula in der Stärke von 260 Mann; die Freiwilligen des
Korps von Schmidt gegen 100 Mann und 30 Mann der Frei-
willigen von Naroth, welche zu Ordonnanzdiensten benutzt
wurden *).
Die preussische Landwehr bestand aus 9 Bataillonen, 6 Es-
kadrons und einer Batterie*).
Die Gesammtstärke des Blockadekorps belief sich auf nahe-
zu 40000 Mann.
Für den Dienst war das Blockadekorps in 5 Detachements
getheilt :
1. Auf der Nehrung der Oberst Ekeln mit 1 Regiment
Kosacken, 3 Eskdr. Dragonern, 2 Druschinen und 1 preu-
ssischen Landwehrbat., 4 Haubitzen und 8 — 6 Pf lindern.
2. Der General Dedulin besetzte die Inundation von der
Radaune bis zur Weichsel mit 1 Regiment Kosacken und
den Volon tairs von Schmidt, 2 Regimentern Miliz und
*) Die leichte Reiterei betrag:
142 Offiziere, 200 Unteroffiziere, 4064 Gemeine.
') Die Stärke der preussischen Landwehr betrug: an Fasavolk: 159
Offiziere, 127 Unteroffiziere 5123 Gemeine; an Reiterei: 31 Offiziere, 59
Unteroffiziere, 404 Gemeine; an Artillerie: 2 Offiziere, 21 Unteroffiziere,
116 Gemeine.
Das FuBSVolk war in 2 Brigaden zu je 5 Bataillonen getheilt, von denen
jedoch das Bataillon No. 13 (von Rautter) in Graudenz abkommandirt war.
Ein anderes Bataillon (No. 17. Oelrichs) befand sich auf der Nehrung.
Die 4. Brigade bestand aus den Bataillonen : No. 9 (von Hülsen), No. 10 (von
Bolschwing), No. 18 (Graf Dohna Reichertswalde), No. 19 (von Bequignolles) ;
die 5. Brigade aus den BataiUonen No. 7 (von Aschenbach), No. 14 (von
Meyer), No. 15 (von Spiess), No. 16 (von Brockhausen). Die 4. Kavallerie-
Abtheilnng zählte die Eskadrons: von Below, von Kotze, von Hejking I.;
die 5. die Eskadrons: Schach von Wittenau, Schimmelpfennig von der Oye
und von Wobeser. (von Hake, Tagebuch. Kriegs- Archiv E. 202. Friccius 194.)
Köhler, Geschichte der Festungen Danzig und Weichselmtlnde. II. 82
338
1 Linienbataillon. Letzteres mit einigen Kosackeu stand
in Rostau, um die Verbindung mit dem nächsten Korps
zu unterhalten.
3. Der Generallieutenant Löwis besetzte den Raum von
der Radaune bis vorwärts Tempelburg mit 3 Linien-
Regimentern, 3 Druschinen, 6 Bataillonen Preussen, einem
Regiment Kosacken und 6 Eskadrons Preussen, dazu 6
schwere und 8 reitende Geschütze. Den rechten Flügel
des Detachements führte der General Tschernisch. Er
stand hinter Reiers Garten*).
4. Der Oberst Treskin stand auf den Höhen von Miggau
und Pitzkendorf mit 2 Regimentern Kosacken, der Rei-
terei der Miliz von Tula und 2 Eskadrons Dragoner,
2 Linienregimentern, 1 Jägerbataillon und 4 Druschinen.
5. Der General Kulibakin (später Turtschaminow) im
Thal von Brentau und in der Gegend von Striess und
Mühlenhof mit 6 Bataillonen Linien - Inf anterie und
Jägern, 2 Druschinen und einem preussischen Bataillon
nebst 8 Geschützen.
Zu letzterem Detachement gehörte eine Abtheilung von 3 Ba-
taillonen, einem Kosackenregiment und 2 Geschützen, die anfangs
vom Adjutanten des Herzogs, Oberst Petersen, später vom
Major Girkowitz kommandirt wurde. Sie stand in Brösen.
Eine Reserve war bei Wonneberg, eine zweite zwischen
Pelonken und Mühlenhof aufgestellt. Erstere kommandirte der
General Kulniew, später der General Jurlow. Sie bestand
aus 2 Eskadrons Tataren, 3 Eskadrons Dragoner, 2 Druschinen,
und 1 Bataillon Preussen, mit 8 leichten und 10 reitenden Ge-
schützen.
Die zweite Reserve kommandirte der General Rochmanow.
Sie bestand aus einem Tatarenregiment, 3 Eskadrons Ulanen und
4 Bataillonen Milizen, nebst 4 leichten und 4 reitenden Geschützen
der Miliz von Tula. 6 Geschütze davon wurden später zum
General Dedulin kommandirt. Zu ihr gehörten die Detachements
*) Keiers Garten liegt südlich des von Scbönfeld kommenden Bachs bei
seiner Ausmttndnng in die Radaune und spielt während der Belagerung eine
wichtige Rolle. Er wird auch als Wäldchen von Ohra bezeichnet
339
!SUr Bewachung der Kttste und der Magazine von Glettkaa und
Koliebken in d^r Stärke von 3 Eskadrons Eosacken und einigen
kleinern Abtheilungen. «
Die Linie, welche vom Blockadekorps eingenommen wurde,
ist im allgemeinen durch die am 18. und 19. Juli ausgeführten
Erdaufwürfe gegeben (siehe Taf. VI). Sie sollten zu einer Kon-
travallation ausgearbeitet werden, nachdem Langfuhr in Besitz
genommen war, und gingen daher vorläufig nur von der Eadaune
am Niederfelde von Ohra bis auf die Höhen gegenüber Divel-
kau. Nach der Eroberung von Langfuhr am 2. September, das
sogleich befestigt wurde, wurde die Linie durch Erbauung von
3 Eeduten auf der Höhe gegenüber Königsthal vervollständigt
und durch Wegnahme von Schellmühl, Reiershof und Kabrun am
17. September abgeschlossen, worauf auch der Ausbau des
rechten Flügels der Kontravallation erfolgte *). Sie lag im
Durchschnitt 2400 Meter von den feindlichen Werken ab und
bildet in dieser Beziehung einen merkwürdigen Gegensatz zu
der Kontravallation, die der Feldmarschall von Münnich 1734
ausführen liess, die wegen der geringen Stärke des Blockade-
korps nur wenige hundert Meter vom Platze ablag. Auch bildete
diese einen Laufgraben, während die Kontravallation von 1813
aus einer Anzahl von Reduten bestand, die ziemlich weit von
einander entfernt waren.
Die Redute des rechten Flügels war schon am 9. April
erbaut worden ^) und befand sich auf der Höhe zwischen Matsch*
kau und dem Ohraer Niederfelde, 500 Meter vom Ausgange
von Ohra in der Verlängerung der grossen Strasse von Ohra
Stadtgebiet, die sie bestreichen sollte. Etwa 500 Schritt links
davon befand sich eine zweite Redute zur Bestreichung des
Plateau's und des kleinen Gehölzes von Ohra südlich des von
Schönfeld kommenden Bachs. Die 3. Redute, auf einer Höhe
zwischen Schönfeld und Reiersgarten gelegen, bestrich das
Plateau zwischen den Schottenhäusern und Reiersgarten, sowie
den Grund westlich der Schottenhäuser. Die 4. Redute lag
zwischen Schönfeld und Wonneberg auf einem stark ausge-
») Apercu S. 163 ff.
^ d'Artois S. 194. Campredon (Auriol S. 122).
22«
340
sprochenen Berge, den die Franzosen wegen seiner Gestalt den
grossen Zuckerhut, die Alliirten den Kosackenberg nannten. Sie
bestrich die durch die ßchottenhäuser führende Strasse. Zwei
andere Reduten lagen vorwärts Wonneberg gegen 1400 Meter
vom Ausgange des Dorfes Stolzenberg. Jenseits des Schidlitzer
Grundes in der Nähe von Tempelburg lag eine Redute in der
Verlängerung der Hauptstrasse von Schidlitz. Mehr links gegen-
über Dreilinden befanden sich 2 Reduten gegen 1000 Meter
von Zigankendorf und weiterhin 2 andere auf der Höhe gegen-
über Divelkau *). Zwischen diesen und Langfuhr wurden dann
die oben angeführten 3 Reduten aufgeführt.
Als Landungsplatz für die Geschütze war Koliebken aus-
ersehen worden. Der erste Transport des Belagerungsparks
und der Munition traf am 9. September von England ein. Zum
Ausschiffen der schweren Geschütze musste ein Damm von 240
Meter Länge vom Strande in die See aufgeworfen werden,
der von den hochgehenden Wellen dieser Jahreszeit mehrfach
weggeschwemmt wurde. Die Ausschiffung leitete der englische
Major Macdonald*). Wege und Brücken waren schon während
des Waflfenstillstandes hergestellt worden. Die vorhandenen
Brücken waren völlig unbrauchbar.
Beim Blockadekorps befand sich noch bei Wiederausbruch
der Feindseligkeiten nicht eine Kompagnie Pioniere oder Sappeure
^) Die wörtliche Üebereinstiromnng in der Lage der einzelneu Rednten
der Kontra vaHation bei Caropredon und d'Artois beweist, dass diese Angaben
dem officieUen Jamal der Vertheidigung entnommen sind. Der Plan bei
d 'Artois stimmt nicht mit dem Text ttberein, indem die Rednten No. 1 und 4
verschoben sind und die Redute des rechten Flügels mit No. 2 bezeichnet ist.
Im Aper(ju sind die 11 Rednten mit u'" t'" s'" r'" q"' p'" o'" n'" m"' 1'"
k'" und die 3 sich daran anschliessenden auf der Höhe von Königsthal mit
yiu j/^i jj/// |)ezeichnet. Zur Erleichterung des Aufsuchens beim Vergleich
beider Werke habe ich auf Plan Taf. VI die Bezeichnung beider SchriftsteUer
eingetragen und habe daran auch bei den späteren Bauausführungen festge-
halten.
') An englischen Offizieren waren ausserdem noch kommandirt: der
Oberst Campbell und die Hauptleute Macleod und Montaigne. Mit den 0)n-
grevischen Raketen war ein Kommando von 70 englischen Artilleristen unter
Kommando des Lieutenants Gilbert gekommen. Apercu S. 277.
341
und ausser der Feldartillerie nicht eine Artillerie-Kompagnie *).
Wie wir gesehen haben, wurden die schlecht bewaffneten unter
den Milizen durch Officiere der Feldartillerie am Geschütz aus-
gebildet und haben vortreffliche Dienste geleistet. Der Komman-
deur der russischen Artillerie, Oberst Schulmann, hat sich um
ihre Ausbildung grosse Verdienste erworben. Als Officiere wurden
diejenigen aus den Milizen, welche früher in der Artillerie ge-
dient hatten, eingestellt. Als später die russische Flotte infolge
der schlechten Jahreszeit die Danziger Rhede verlassen musste,
beliielt der Herzog von Würtemberg eine Anzahl Marine-Officiere
und Matrosen zur Bedienung der Geschütze zurück.
An Ingenieur - Offizieren waren ausser dem preussischen
Oberstlieutenant von Pullet nur zwei russische vorhanden. Kurz
vor Beginn der eigentlichen Belagerung trafen noch 11 nissische
und 5 preussische Ingenieur-Offiziere ein.
Zum Landtransport der Geschütze und der Munition, sowie
der Lebensmittel, welche seit dem Monat September ebenfalls
zur See ankamen, mussten bei der schlechten Beschaffenheit der
Landpferde Regimentspferde genommen werden. Es wurden
zu dem Zweck ein Baschkiren- und ein Kosackenregiment
komraandirt. Die Landtransporte nahmen trotzdem viel Zeit
in Anspruch und wurden vor Mitte Oktober nicht beendigt*),
der Transport der Faschinen und Schanzkörbe, welche in
Freudenthal zwischen Mattern und Oliva gefertigt wurden.
^) Erst am 1. Oktober traf eine Artillerie- imd eine Pontonier-Kom-
pagnie ein, welche letztere ebenfalls in den Batterien Dienste that (Apercu
S. 251). Noch später fand sich eine halbe preussische Pontonier-Kompagnie
ein. Am 23. October waren prenssischerseits vorhanden: 3 ArtUlerie- Kom-
pagnien in der Stärke von 202 Mann, 1 Kommando von 153 Mann, 1 Hand-
werksdetachement von 24 Mann und 29 Handwerkern, eine Reserve von
74 Manu und 208 Hilfsmannschaften der Infanterie. (Kriegs-Archiv.)
') Nach einem Brief in die Heimath des anonymen Landwehrofficiers
(Al)gem. Mil. -Zeitung, Jahrg. 1880 S. 180), Zankenczin den 29. September,
an welchem Tage die Ausladung der Geschütze in KoUebken beendet wurde,
waren zu dieser Zeit bereits 80 Geschütze im Park (bei Schiddelkau) aufge-
stellt. Der Verfasser sagt, ohne die Engländer könnten wir gar nichts ma-
chen, die alles zur Belagerung bis auf Bleifedem und Aexten, Leitern, Schau-
feln, Pulver, Affutagen, Siehlen, sogar die Schubkarren zum Transport der
Jiunitioii in den Trancheen geliefert hab^i;.
342
dauerte noch länger, so dass die Belagerung nicht vor ende
Oktober begonnen werden konnte.
Nach dem Apercu S. 161 sind aus England 100 — 24pffindige
und 20 — 12pfündige Kanonen, 28 Haubitzen und 66 Mörser
eingetroffen. Doch stimmt das nicht mit einem im Belagerungs-
Jumal (Archiv S. 122) aufgenommenen Verzeichniss aus dem
russischen Staatsarchiv überein, wonach es 59 — 24 pfundige,
40 — 12pffindige Kanonen, 14 Haubitzen und 40 Mörser waren.
Nach demselben stellte Preussen ausserdem noch 23 Geschütze,
und an russischen waren 16 , ferner von der russischen Marine
4 — 1 pudige Einhörner, 4 —'SS pfundige Karonaden und 2 Stein-
mörser vorhanden, in Summa 202 Geschütze, wovon 99 Wurf-
geschütze ^). An Kugeln, Granaten und Bomben zählt dieses
Verzeichniss 203176, an Pulver 24300 Pud auf.
Der Herzog von Würtemberg hatte sich von vornherein
für den Angriff des Bischofsberges entschieden und hatte darin
im Hauptquartier auch keinen Widerspruch gefunden. Die
Front am Olivaer Thor, die früher als die schwächste befunden
worden war, hatte durch die Befestigung des Holms, von wo
aus sie flankirt wurde, eine solche Stärke erhalten, dass ihr
Angriff unmöglich war. Auch der Hagelsberg hatte so an
Stärke gewonnen, dass sein Angriff ausser Frage stand. Das
gemauerte Reduit desselben hätte ausserdem einen zweiten An-
griff erforderlich gemacht. Der Angriff des Bischofsberges ge-
währte den grossen Vortheil, dass die Speicherinsel, welche
ganz ungeschützt dalag, von den Höhen über Schottland
und Stadtgebiet in Brand geschossen werden konnte'). Der
^) Jedoch auch dieses Verzeichniss ist nnr annähernd richtig. Nach
einem Bericht des kommandirenden prcussischen ArtiHerie-Officiers, Major
Liehe, vom 23. Oktoher an den Piinzen August, Chef der prcussischen Ar-
tillerie, waren an englischen Geschützen vorhanden: 50 — 24 pfundige,
10 — 12 pf findige eiserne Kanonen; 4 — 10 ''ge und 8 — 6"ge metallene Hau-
hitzen, 2 — 13"ge, 16 — 10"ge, 10 — 8 "ge eiserne und 12 — 5V«"ge metallene
Mörser. Dazu kommen an prcussischen Geschützen 12 — 24pfÜndige, 18—
12 pfundige metallene Kanonen, 5 metallene 10 pfundige Hauhitzen, 10—10
pftlndige eiserne, 2 desgl. Steinmörser und 8 —50 pfundige metallene Mörser,
demuach 90 Kanonen, 17 Hauhitzen, 60 Mörser, in Summa 167 Geschütze.
Russische Geschütze waren zur Zeit noch nicht vorhanden (Kriegs-Archiv F. 9).
•) Aperen 256. Wenn der Herzog von Würtemherg die Motive für deli
343
Herzog war durch seine Agenten in der Stadt genau orientirt,
dass sich neben andern Vorräthen hier die Lebensmittel be-
fanden. Die Entfernung lag noch ausserhalb der Schussweite,
da der General ßapp die Lebensmittel am nördlichen Theil der
lusel untergebracht hatte, aber er hatte es versäumt, diesen
Theil zu isoliren, so dass sich der Brand dahin fortpflanzen
konnte. Auch waren, wie der Oberstlieutenant von Pullet wissen
konnte, einzelne Geschosse im Jahre 1807 bis nach den Matten-
buden gelangt. Der Besitz jener Höhen, der allerdings zunächst
erkämpft werden musste, erleichterte ausserdem sehr wesentlich
die Eröffnung der Tranchee auf dem Stolzenberger Plateau.
Wenn der Verfasser des Apergu geltend macht (S. 255),
dass das Terrain zwischen dem Schidlitzer Grunde und den
Schottenhäusern mit Schhichten erfüllt ist, welche die An-
näherung erleichtern, so kann er das nur auf die Schluchten
von Altdorf beziehen, die jedoch auch den Nachtheil haben,
den Angriff auf den Bischofsberg sehr einzuengen.
Bei dem Entschluss, den Bischofsberg anzugreifen, konnte
die Lage der Depots schon anfang September, wo die Trans-
porte begannen, bestimmt werden. Der Geschützpark sollte
nach Schiddelkau, das grosse Pulvermagazin hinter Nenkau
und das Materialien -Depot in der Gegend von Matschkau
zu liegen kommen. Diese Festsetzung bereits um die Mitte
September ^) beweist am schlagendsten, dass die Ansicht d'Artois'
und Campredon's, der Herzog habe anfänglich die Absicht gehabt,
Angriff des Bischof sberges auf die Leichtigkeit eines Bombardements von den
Höhen über Schottland zurückführt, so lässt sich dagegen nichts einwenden,
da er ursprünglich die Absicht hatte, sich der „batteries de FriouP auf gewalt-
samen Wege zu bemächtigen, es entspricht aber nicht der Wirklichkeit, wenn
er in seinem Haisonneraent die Hoben der Schottenhäuser hineinzieht, da er
sich ihrer, wie wir sehen werden, nur bemächtigt hat, um den Sturm auf die
batterics de Frioul vorzubereiten, nicht aber um ein Bombardement auf die
Speicherinsel zu er^^ffnen. Diese Absicht trat erst später hinzu.
^) Als der Kommandeur der preussischen Artillerie, Major Liebe, am
14. Oktober beim Belagerungskorps eintraf, fand er den Artilleriepark, die
Pulvermagazine und die Artillerie - Werkstätte bereits grösstentheils einge-
richtet. Sein Stellvertreter der Hauptmann Pittscher hatte das mit vieler
Umsicht besorgt. Auch fernerhin fiel der preussischen Artillerie dieser wich-
tige Dienstzweig anbeim, wie sie auch den Transport der Munition nach den
Batterien zu besorgen hatte. (Bericht des Major Liebe. Krie^Archiv F. 9.)
das Olivaer Thor und die anliegende Front anzugreifen, und sei
nur durch die Schwierigkeiten, auf die er stiess, davon zurück-
gekommen, durchaus verfehlt ist. Der Herzog musste, bevor er an
die Wegnahme der Höhen an den Schottenhäusem ging, noth-
wendig den linken Flttgel seiner Kontravallationslinie bis Schell-
mtthl ausdehnen und sich hier solide etabliren, was zu dem
obigen Irrthum der französischen Ingenieure Veranlassung ge-
geben hat. Ueber Eabrun hinaus ist er gegen das Olivaer
Thor nicht vorgegangen, aber er hat den Umstand, dass der
Transport der Geschütze und Materialien nach den entfernt
gelegenen Depots so lange andauerte, trefflich benutzt, um
durch ein lebhaftes und wohl unterhaltenes Feuer die Auf-
merksamkeit des Belagerten von Ohra abzuziehen, was ihm so
vollständig gelungen ist, dass die Belagerten von der Fest-
setzung daselbst und von dem Angriff auf den Bischofsberg
vollständig überrascht wurden.
Im übrigen befolgte der Herzog nach Wiederaufnahme
der Feindseligkeiten dasselbe System, welches ihm vor dem
Waffenstillstände so gute Früchte getragen hatte, den Gegner
unaufhörlich zu beunruhigen. Täglich wurden 4 Kompagnien
Fussvolk, 3 Eskadrons Kosackeu und 2 Geschütze kommandirt,
Anfälle auf die feindlichen Vorposten zu machen ^). Vorzüglich
wurden die Angriffe auf Ohra gemacht, anfänglich um die Auf-
merksamkeit des Feindes von Langfuhr abzuziehen, das er in Be-
sitz nehmen wollte, später um ihn an diese Angriffe zu gewöhnen
und so den Hauptangriff auf den Bischofsberg vorzubereiten,
indem er seine Aufmerksamkeit von hier ableitete.
b. Die Besatzung.
Die Besatzung hatte zur Zeit des Wiederbeginns der Feind-
seligkeiten durch das allmähliche Erlöschen der Epidemie und
die Ruhe und reichlichere Nahrung während des Waffenstill-
standes, den höchsten Stand an Zalil der Dienstfähigen und den
kräftigsten Gesundheitszustand erreicht. Die Mannschaft hatte
sich akklimatisirt und hatte an Kriegserfahrung gewonnen. Sie
stellte jetzt 12 bis 15000 Kombattanten, während sie zwei
Monate früher nur 7 bis 8000 aufbringen konnte'). Am
») Apercu S. 184.
>) Campredon sagt in seinem Tagebnehe nuter dem 24. Angnst (Anriol
345
16. Augast war die letzte russische Lieferung eingetroffen.
Es hatte nichts erspart werden können, da die Russen hinter
ihren Verpflichtungen zurückgeblieben waren. Man hatte selbst
während des Waffenstillstandes die eignen Vorräthe angreifen
müssen. Dennoch war der Maugel nicht so gross, als d'Artois
glauben machen will. Nur das Fleisch ging allmählich aus ^).
An Getreide war dagegen kein Mangel. Nach einer Berechnung
der Lebensmittel am Ende des Waffenstillstandes zählte man
noch 6 Millionen Portionen Getreide, Mehl, Zwieback, den
Bedarf an Getreide für den Branntwein eingesqhlossen, von dem
ausserdem noch für 42 Tage vorhanden war. Das entsprach
einem Vorrath auf 6 Monate, da täglich 25000 Portionen er-
forderlich w^aren. Mit dem Pökelfleisch abwechselnd mit
massigen Portionen Pferdefleisch, glaubte man noch 4 Monate
auskommen zu können, ebenso lange mit Salz. Die übrigen
Bedürfnisse waren allerdings nur in geringem Masse vorhanden *).
Nach einer Aufnahme vom 14. Oktober war bei einer täg-
lichen Ausgabe von 31000 Portionen von 24 Unzen Brod noch
an Getreide, Grütze, Branntwein, Salz ein Vorrath für 132 Tage
vorhanden, aber für die noch vorhandene geringe Anzahl von
Pferden nur noch auf 88 Tage Furage *). Eine grosse Hilfe
S. 120): „Lor8 de la cessatiou des hostilit6s la gamison 6tait daus Tetat le
plus florissant. Elle avait consid^rablement dimma6 en nombre par les mala-
dies terribles qui ' ravaient desolee depuis son entr6e k Dantzig jusqu'ä la
fin d'Avril, mais ce qui restait se trouvait compos^ d'hommes aguerris et
acclimatis^s et eile pouvait mettre environ 12 ou 15 iniUe baionnettes en
ligne. Denx mois auparavant on ponvait k peine reunir 1 k S mille com*
battans. Le repos que lui doima rarmistice mit fin k toiites les maladies
et donna le temps de faire une ample r6colte de fourages sur la grande
^tendue de terrain dont on avait conserv6 la possessiou depais le commence-
ment dn blocus.''
^) d'Artois S. 387. „On en 6tait r^dait aux derni^res extr6mit6s, snr-
tout par rapport k la viande dont on manquait totalement/ Die Znnabme
der Kombattanten lässt sich namentlich im Tagebuch des Majors Bauer ver-
folgen. Am 15. März war das Kegiment Westfalen nur noch 85 Mann stark
und musste am 24. April mit den Baiern in ein Bataillon vereinigt werden.
Am 9. Juni fochten die Westfalen schon wieder abg6Son4ert, und ani 29. August
waren sie bereits 280 Mann stark. PlUmi^^e.
») Blech 2, 192.
>) Ebenda S. 258,
846
war der Fischfang. Der General Campreäon erzählt, dass er
nur von Pferdefleisch und Fisch gelebt habe*). Die Ueber-
schwemmung der Weichsel zu anfang September brachte einen
reichlichen Fischvorrath. Der Kommandant Bazancourt konnte
noch am 10. Oktober ein Diner von 50 Gedecken geben. Das
Bombardement hat das alles zerstört.
Der Geist der Besatzung war ein vorzüglicher. Alle
Nationen wetteiferten mit einander, und selbst die ersten Nach-
richten von den französischen Niederlagen brachten darin keine
Veränderung her.vor. Erst als die Gerüchte von der Schlacht
bei Leipzig nach Danzig gelangten, begann die Desertion, zu-
erst bei den Thüringern, später auch bei den andern. Am
24. November musste der Major Bauer den Guverneur bitten,
ihn nicht mehr auf Vorposten zu schicken, was dieser auch
bewilligte. „Wir hatten erst jetzf", sagt der Major in seinem
Tagebuch, „sichere Nachrichten, wie es in nnserm Vaterlande
aussah" ■).
In der Stadt sah es traurig aus. Blech bezeichnet die
Zeit des Wiederausbruchs der Feindseligkeiten *) „als den
Gipfel des Elends, wo der Mensch nichts mehr fürchtete, aber
auch nichts mehr hoffte." Die Preise der Lebensmittel steigerten
sich von Tag zu Tage. Ende August wurde das Pfund Rind-
fleisch zu einem Thaler, das Pfund Butter zu 5 Thalern, der
Scheffel Roggen zu 20 Thalern, ein schlechtes ^oldatenbrod zw
einem Thaler 6 Ggr. bezahlt*). Bald hörte der Verkauf aber
überhaupt auf. Ende September schlössen die Bäcker*), am
4. Oktober die Fleischer^) ihre Läden. Selbst Pferdefleisch
war nicht mehr zu haben. Um sich Salz zu verschaffen, wurde
es aus den leeren Heringstonnen ausgelaugt. Die leere Tonne
wurde mit 8 Thalern bezahlt. In Neufahrwasser wurde das
ehemalige königlich preussische Salzmagaziu in dieser W^eise
von der Besatzung ausgenutzt, indem die Soldaten die Salz-
0 Auriol S. 157.
«) Plttraicke S. 198.
3) Blech 2, 201.
*) Ebenda 193.
*) Campredon (Auriol S. 255).
•) Bbendft.
347
kruste von den Dielen schabten^). Immer neue Ausweisungen
erfolgten. Die Stadt sank auf 16000 Bewohner herab. Dabei
starben täglich 50 bis 60, was man, da die Epidemie aufgehört
hatte, dem Hunger zuschrieb. Zwei Weiber kamen in Verdacht,
Menschenfleisch verkauft zu haben. Dabei gingen die Requi-
sitionen an Holz, Hemden, wollenen Decken u. s. w. fort und
wurden mit der grössten Härte eingetrieben. Da die 3 Mil-
lionen der Zwangsanleihe noch nicht voll waren, wurden immer
neue Kreise hineingezogen. Dazu traten bald die Schrecken
des Bombardements, das den Bewohnern selbst den Aufenthalt
in ihren Wohnungen verleidete und in die Keller trieb. Doch
war das noch nicht das schrecklichste. Die Mannschaften der
Besatzung benutzten jeden Brand, um zu stehlen, indem sie
vorgaben, retten zu wollen, und da man ihnen das nachsah,
fielen sie auch ohne Brandgefahr in die Häuser und nahmen,
was sich vorfand^).
In der Eintheilung der Besatzung änderte sich nichts, als
dass infolge von Todesfällen Personenwechsel eintraten. Der
General Devilliers fibergab nach Beförderung des Generals
Bachelu zum Divisions- Kommandeur die 34, Division, die er
seit dem Tode des Generals Franceschi geführt hatte, an diesen
und erhielt das Kommando der Brigade Bachelu's. Die Truppen
waren nach Wiedereröffnung der Feindseligkeiten in folgender
Weise vertheilt*). Die 30. Division (Heudelet) besetzte Ohra,
die Schottenhäuser, die verschiedenen Posten auf dem Plateau
des Stolzenberges und Schidlitz*). Die Vorposten waren 200
Toisen vorgeschoben.
Die 7. Division (Grandjean) hatte Zigankendorf und das
Plateau dahinter, die Höhen des Königsthals, die Dörfer Lang-
fuhr, Striess, Neu-Schottland und Schellraühl besetzt und unter-
>) Blech 2, 193 Note.
«) Blech a. a. 0.
») d'Artois S. 199. Campredou (Auriol S. 121).
*) Nach dem Tagehuch der Division Heudelet S. 117 war Ohra, Stadt-
gebiet und Schottland dauernd von einem Major und 600 Mann, Stolzenberg
und Schidlitz von einem Bataillonschef und 200 Mann besetzt. Ausserdem
steUte die Division noch die Besatzungen von Heubude (103 Mann), Fort
Napoleon (82 Mann) und Weichs^lmünde (387 Manp) in Summa 572 Mann.
348
hielt die Verbindung mit Neufahrwasser. Die beiden andern
Divisionen waren in den Werken der Stadt, des Holms und
der unteren Weichsel vertheilt. Im Werder waren die Posten
auf den Mottlaudämmen so weit vorgeschoben, dass der Bürger-
wald im Besitz der Besatzung blieb.
Der General Rapp war entschlossen, den Besitz der Vor-
städte so lange als möglich zu behaupten. Die denkwürdigen
Kämpfe, die sich daran knüpften, sind taktisch von grossem
Interesse und werden im ganzen Umfange zur Darstellung
kommen.
c. Die Blockade.
Die Zeit von Wiedereröffnung der Feindseligkeiten bis zur
Kapitulation des Platzes zerfällt in vier ziemlich gleichlange
Perioden:
1. Vom 24. August bis 17. September, dem Schluss der
Kontravallation durch ihre Ausdehnung bis zur Weichsel.
2. Vom 17. September bis 10. Oktober ScheinangriflF auf
die Olivaer Front.
3. Vom 10. Oktober bis 3. November, Bombardement.
4. Vom 3. November bis zur Kapitulation des Platzes am
29. November. Förmliche Belagerung.
Die lange Dauer des Scheinangriifs und des Bombardements
sind dui-ch den Umstand hervorgerufen worden, dass die Bereit-
stellung des Materials für den förmlichen Angriif sehr viel
Zeit erforderte. Dagegen ist der förmliche Angriff durch die
Erfolge des Bombardements sehr bedeutend abgekürzt worden.
I. Einleitung der Beiagerung vom 24. August bie 17. September.
Am 24. August mittags erfolgte auf jeder Seite eine An-
zahl Kanonenschüsse zum Zeichen, dass der Kriegszustand ein-
getreten sei; der Belagerte feuerte von jedem Aussenwerk 6 ^),
der Belagerer bei jedem der 5 Detachements 4 Kanonenschüsse *)
ab. Wenige Tage zuvor war von letzterem der Schidlitzer
Bach abgeleitet worden, welcher den Graben vor dem Neugarter
Thor bewässerte^).
») d' Artois S. 219.
») AperQu S. 180.
') Ebenda, d 'Artois S, 192,
340
Der Belagerte vollendete in den folgenden Nächten die August,
während der Unterbrechung der Waffenruhe begonnenen Werke
und armirte sie in der Nacht zum 26. Es waren die „batteries
de Frioul" auf der Jesuiterhöhe, die Eedute vor dem Hause
Kabrun, die grosse Batterie links der Allee (Montbrun) bei Aller
Engeln und die 3 Lünetten vor dem Zigankenberg. An dem
Abschnitt Ohra-Stadtgebiet und den Schottenhäusern wurde
emsig fortgearbeitet ^).
Der Herzog von Wtirtemberg war wieder hergestellt und
liess die bekannten Anfälle auf die feindlichen Vorposten be-
ginnen. In der Nacht zum 25. wurde das französische Piket,
das sich Brösen gegenüber befand, aufgehoben *), in der folgen-
den Nacht Schidlitz alarmirt und von liier aus das Neugarter
Thor mit Congrevischen Raketen beschossen. Auch Langfnhr
hatte durch die Raketen zu leiden*). Zur Unterstützung der
Angriffe auf Ohra wurde in der folgenden Nacht die Redute
Nr. 2 der Kontravallation armirt*). Am 28. morgens erfolgte
ein Anfall auf Ohra. Die Vorposten des Belagerten wurden
aus dem Wäldchen von Reiersgarten und aus dem Dorfe
Ohra-Niederfeld vertrieben. Erst an dem Abschnitt Stadt-
gebiet A wurde den Nachsetzenden Halt geboten. Preussischer-
seits waren nur die Tirailleurs vom Bataillon Nr. 18 und die
Eskadron Heyking zur Stelle. Da der Zweck erreicht war,
befahl der Graf Dohna, welcher anwesend war, den Rückzug.
Die Franzosen besetzten das Wäldchen wieder, doch wurden
ihre Vedetten eingeschränkt, um nicht wie bisher Einsicht in
das Lager von Schönfeld zu haben. Das Gefecht zog sich von
morgens 10 bis mittags 4 Uhr hin*). Es war ein Vorspiel des
folgenden Tages.
^) Campredon. Auriol S. 130.
•) AperQU 8. 187.
') Campredon. Auriol S. 130.
*) Ebenda 131, womit auch Blech 2,194 übereinstimmt. Wie derMiyor
von Hake in seinem Tagebuche (Kriegs -Archiv E. 202) mittheilt, wurde die
Schanze 1 mit einem Kanon, die Schanze 3 mit einer Haubitze der Batterie
Sommer besetzt.
') Dohna, Bericht an den König vom 7. September. Kriegs- Archiv F. 8.
Campredon, Auriol S. 131. d'Artois S. 223. Nach dem Apercu wäre es nur
das gewohnliche, täglich kommandirte Detachement gewesen, welches den
350
Das Gefecht vom 29. August.
Bevor der Herzog sich au Langfuhr machte, dessen Besitz
sein nächstes Objekt sein musste, um die Kontravallation, die
bisher nur bis Divelkau ging, auf dem linken Flügel zum Ab-
schluss zu bringen, glaubte er, sich zunächst der anliegenden
Höhen bemächtigen zu müssen, um sich eine günstige Gefechts-
lage zu vei'schaffen, denn es war vorauszusehen, dass der Kampf
um Langfuhr ein hartnäckiger sein werde. Er beauftragte da-
her den Oberst Treskin, sich in der Nacht zum 29. in den
Besitz des Waldes von Jäschkenthal und des Johannisberges zu
setzen, welcher letzteie nalio an Langfuhr herantritt. Der
General Eulibakin sollte ihn dabei von Striess aus unterstützen.
Der Oberst Treskin bestimmte 4 Bataillone zum Angriff und
Hess eine Reserve von 2 Bataillonen und einem Kosackenregi-
ment folgen. Offenbar hat er auch einige Geschütze mitgeführt,
die später auch genannt werden. Der Angriff gelang ohne
Schwierigkeiten, da die Höhen in der Nacht nur durch Vor-
posten besetzt waren. Gleiches war bei Striess der Fall, wo
der General Kulibakin mit 3 Bataillonen einrückte und von hier
aus 2 Jägerkompagnien auf Langfuhr schickte, die bis in die
Mitte des Dorfes, da wo der Weg nach Jäschkenthal abführt,
vordrangen^). Hier wurden sie jedoch vom Hauptmann Enita
des 11. polnischen Regiments zurückgeworfen. Inzwischen hatte
der General Fürst Radziwil die Reserven von Kabrun und Aller
Ausfall ausgeführt hätte. Da der Herzog aher die Absicht damit verknüpfte,
die Aufmerksamkeit des Feindes von Langfuhr abzulenken, gegen das er
demnächst vorgehen wollte, ist es wahrscheinlich, dass das Detachemeut ver-
stärkt worden ist. Die Russen erlitten einen Verlust von 7 Todten und 11
Verwundeten (Apercu S. 187), die Preussen 1 Todten und 4 Verwundete.
Nach d'Artois (225) wären allein 30 Todte aufgefunden worden. Den eignen
Verlust setzt er auf 6 Todte und 1 Offizier, 2 Mann Verwundete an. Die
2 Mann sind offenbar ein Schreibfehler. Das Tagebuch der Division Heudelet
giebt 6 Todte, 1 Offizier und 22 Mann Verwundete an. Nach demselben
wurden die Franzosen vom M^or Legros kommandirt. (S. 118.) Die Russen
giebt das Tagebuch 1600 Mann stark an.
') AperQU S. 189. In den französischen Berichten herrscht die Auffas-
sung, die Russen hätten es auf Langfuhr abgesehen gehabt. Daher lässt
d'Artois S. 225 diese bis an die Blockhäuser am südlichen Ausgange des
Dorfes vorrücken, aber vergebliche Anstrengungen machen, sich derselben
zu bemächtigen!
351
Engeln vorgeführt und ging gegen 7 Uhr morgens zum Angriff
der Höhen über, konnte aber gegen die vortlieilhafte Position
des Gegners, der jetzt mit 2 Geschützen versehen war, keine
Fortschritte machen. Zu dieser Zeit traf der General Rapp
ein und sendete den Bataillonschef Szembek mit den Yoltigeuren
des 11. Regiments gegen das grosse Belvedere (d) in die rechte
Flanke des Feindes. Es gelang diesem auch, sich dieses Punktes
zu bemächtigten, doch wurde er von anrückenden Verstärkungen
der Russen wieder zurückgetrieben. Der Rest des Detachements
vom Obei-st Treskin hatte sich auf den Höhen von Pitzkendorf
und Divelkau entwickelt.
Der General Rapp zog das 10. polnische Regiment unter
dem Oberst Kamienski zur Unterstüzung des 11. nach Lang-
fuhr heran, befahl ihm jedoch, sich vorläufig ruhig zu verhalten
und auf das Zeichen zum Angriff zu warten. Er begab sich
in Person nach dem Zigankenberg, wohin er den grössten Theil
der Besatzung von Danzig dirigirt hatte. Der General Lepin
stellte hier 32 Geschütze^) in zwei grossen Batterien auf und
begann eine lebhafte Kanonade gegen die auf den Höhen von
Pitzkendorf stehenden Russen. Der Rest der Division Grand-
jean hielt sich rechts der Batterien in den anliegenden Gründen
versteckt, zur Linken der Batterien stellte sich die 34. Division
und die Reiterei auf. Zur Rechten gegen Langfuhr hin nahm
die 33. Division Stellung. Die 30. Division (Heudelet) besetzte
die Stellung Schidlitz, Stolzenberg, Ohra.
Nach einer längern Kanonade sendete der General Rapp
den Bataillonschef Czembek mit einem Bataillon des 11. pol-
nischen. Regiments, gefolgt von einem zweiten unter dem Major
Krazin, gegen Divelkau vor und bestimmte das 13. baierische
und 1. westfälische Regiment als Reserve. Gleichzeitig ging
der General Farine mit dem 1. Treffen der Reiterei, aus 250
Husaren, reitenden Jägern und Ulanen bestehend, gegen Pitz-
kendorf vor^). Die 4 Erdaufwürfe, welche von den Russen
^) Nach Campredon S. 132 sind es 84 gewesen.
*) d ' Artois S. 229. L'aper^u bemerkt S. 196, dass Czembek die Schlucht
von DiveUcan unter dem Feuer der rassischen ArtiUerie mit grosser Bravur
überschritt und sich des Dorfes bemächtigte. Auch sonst lässt dasselbe den
Trappen des Gegners alle Gerechtigkeit widerfahren und erwähnt beiläufigi
^52
auf den Höhen vorwärts Pitzkendorf und Divelkau hergestellt
worden waren, wurden von ihnen geräumt^).
Noch war aber der Johannisberg von den Russen besetzt,
von wo aus sich 5 Geschütze sehr unbequem machten. Der
General Rapp entnahm daher der rechten Flfigelbatterie auf
dem Zigankenberge 5 Geschütze und stellte sie auf den Höhen
südlich von Königsthal auf, von wo sie das Thal und die Ab-
hänge des Johannisberges unter Feuer nahmen, die auch als-
bald von den russischen Truppen geräumt wurden. Der Gu-
verneur Hess darauf ein Bataillon des 11. polnischen Regiments
zum Angriif der Höhen vorgehen und die 33. Division zur
Unterstützung folgen. Das war für den Obersten Kamienski
das Zeichen, auch seinerseits von Langfuhr aus anzugreifen.
Die beiden Kolonnen kamen gleichzeitig auf der Höhe an, die von
den Russen nach hartnäckigem Widerstände geräumt wurde*).
Das Wetter war den ganzen Tag über regnerisch. Die
französischen Berichte nehmen daraus die Veranlassung, dass
der General Rapp seine Vortheile nicht weiter verfolgte, son-
dern gegen Abend den Rückzug anbefahl. In Wahrheit wurde
dieser jedoch durch das Vorgehen von 3 Bataillonen, 4 Eska-
drons und 4 Geschützen unter dem Fürsten Wolkowski von
Wonneberg her ^) herbeigeführt, welche die linke Flanke Rapp's
dass die gegen Miggau und Pitzkendorf vorgesendeten Truppen mit grossem
Mnth und in guter Ordnung vorgingen, bis sie von Wonneberg in ihrer
linken Flanke bedroht wurden. Es scheint dies die 34. Division und die
Keiterei des Generals Cavaignac gewesen zu sein.
*) Apergu S. 191. d'Artois gesteht S. 229 zwar ein, dass sie noch nicht
mit Artillerie besetzt waren, schildert sie aber als geschlossene Werke, in
denen ein grosses Blutbad angerichtet wurde. Es sind die Bedans 9, 10, 11, 12
(n'", m"', 1"', k"0 gemeint.
') d'Artois S. 331. L'aper^u verschweigt diesen Angriff, doch erwähnt
der Verfasser desselben S. 196 beiläufig, dass der Oberst Kamienski bei dem
Angriff auf das Thal von Jäschkendorf viel Muth und Eifer gezeigt hat.
Nach Campredon haben die Bussen die Stellung von selbst geräumt.
") AperQU S. 192. Bericht Dohna's an den König vom 7. September
Kr.-Arch. F. 8. Es waren die Bat. 10, 18 und 19 der Brigade Hindenburg —
Beneckendorf und die Kavallerie* Abtheilung des Majors von Brünneck. Nur
die Tirailleure sind ins Gefecht gekommen, wurden aber vortrefflich durch
die Hauptleute Boerdanz, Miroschewski und Pröck geführt. Der Herzog
spricht in seinem Bericht an den Kaiser Alexander mit ausserordentlicher
35S
bedrohten und die Ricbtung auf Dreilindeu innehielten. Der
darauf folgende Rückzug der Besatzung wurde durch die nach-
setzenden Russen sehr belielligt. Der Oberst Kamienski musste
einem neuen Angriff der Russen weichen und zog sich nach
Langfuhr zurück. Der Johannisberg und Jäschkenthal blieben in
den Händen der Russen. Auch Striess wurde vom General
Kulibakin behauptet^).
Der Herzog hatte, um die Aufmerksamkeit des Feindes
abzuziehen, auch nächtliche Angriffe auf Schidlitz und Ohra an-
geordnet. Bei Schidlitz kam es bei Tagesanbruch zu einem
leichten Gefecht. Von grösserer Ausdehnung war das von
Ohra, wo der General Tschernisch das Kommando hatte. Wie
am Tage zuvor warfen die Russen den Gegner aus dem kleinen
Gehölz und dem südlichen Ausgang von Ohra, wurden aber an dem
Abschnitt in der Höhe der Schottenhäuser aufgehalten und von
den anrückenden feindlichen Reserven wieder zurückgetrieben *).
Das wiederholte sich. Doch behauptete sich der General
Tschernisch schliesslich an dem Abschnitt, räumte aber gegen
Abend das Dorf wieder, da sein Zweck, die Aufmerksamkeit
des Feindes hierher zu lenken, erfüllt war ^). Wie das Apercu
S. 193 bemerkt, hätte es zunächst nicht im Interesse der Russen
gelegen, das Dorf Ohra bis zu jenem Abschnitt im Besitz zu
AnerkeDnung von den 3 Bataillonen und theilt eine Abschrift davon dem
Könige mit, worin er den Grafen Dohna und Pullet zu Obersten vorschlägt
(Kriegs-Archiv F. 8).
*) Nach den französischen Berichten sind die Russen dreimal in Lang-
fuhr eingedrungen, aber stets mit grossen Verlusten zurückgeworfen worden.
Campredon, Anriol S. 132.
-) Nach d'Artois S. 234 ist hierbei eine russische Abtheiluug, welche
durch die Gärten längs der Inundation vorging, abgeschnitten und grössten-
theils niedergemacht worden? Das Tagebuch der Division Heudelet weiss
nichts davon. Nach demselben kommandirte an diesem Tage der Major
Schneider die französischen Vorposten, der General Husson die Reserve. S. 119.
") Preussischerseits fochten hier die Tirailleurs der BataiUone No. 7
und 16 unter dem Major von Brockhusen. Sie drangen auf die Höhe vor,
die Russen im Dorfe. Die Franzosen räumten die Sternschanze, hielten sich
aber im Hauptmannsposten. Beim Rückzuge drang der Feind übereilt vor
und gerieth in ein Kreuzfeuer, das ihm erhebliche Verluste zuzog. (Dohna,
Bericht an den König.)
Köhler, Geschichte der Fostangen Danzig und Weicbselmünde. II. 83
35^ _
behalten, weil sie dadurch den Gegner veranlasst hätten, die
wichtige Hohe an den Schottenhäusern zu befestigen, was ihre
spätere Besitznahme sehr erschwert liätte. Durch die täglichen
Harzelirungen erreichten sie, dass der Gegner diesem Theil
nicht die Aufmerksamkeit schenkte, die er verdiente.
Die französischen Bericlite schreiben dem Belagerten den
Sieg des Tages zu, weil er sich im Besitz von Langfuhr be-
hauptete. Mit mehr Recht fiel er den Russen zu, weil sie ihre
Absicht erreicht hatten. Der Verlust war auf beiden Seiten sehr
bedeutend. Nach dem Apercu S. 195 betrug er auf seiten der
Russen 10 Officiere 136 Mann todt, 32 Officiere 550 Mann ver-
wundet und 70 Mann gefangen. d'Artois giebt S. 234 die
Zahl der gefangenen Russen auf 2 Officiere 180 Mann an und
schätzt den Verlust derselben an Todten und Verwundeten un-
endlich höher als den eignen, den er für Ohra auf 1 Haupt-
mann und 5 Mann todt, 5 Officiere 27 Mann verwundet und
bei Langfuhr und Pitzkendorf auf 341 Mann todt und verwundet
angiebt*). Nach Blech (2,198) waren es jedoch 1000 und das
russische Jurnal giebt sogar 1500 bis 1600 Mann an. Jeden-
falls durfte sich der General Rapp nicht noch einmal solchen
Verlusten aussetzen. Er machte daher keinen Versuch mehr,
die Russen vom Johannisberg zu vertreiben, und beschränkte
sich auf die Defensive. In der Nacht zum 31. Hess er auf den
dem Johannisberg gegenüberliegenden Höhen des Königsthals
Brustwehren für Artillerie aufwerfen und am folgenden Tage
Rampen in die dahinter liegende Schlucht herstellen^). Am
September. 1. September wurde die Stellung Kabrun-Schellmühl bis zum
Legan befestigt, um für den Fall, dass sich der Gegner des
Dorfes Langfuhr bemächtigte, die Verbindung mit Neufahr-
wasser auf dem linken Weicliselufer noch zu behaupten. In
der folgenden Nacht (zum 2.) wurde zu dem Zweck an zwei
Werken zwischen Kabrun und der Weichsel gearbeitet*).
*) d'Artois 234. Nach Düring S. 72 betrug der Verlust der Franzosen
gegen 500 Manu, worunter 57 Officiere. Das 10. polnische Begiment verlor
allein 23 Officiere. Das Tagebuch der Division Heudelet S. 120 sagt inbezng
auf Ohra 1 Hauptmann und 7 Mann todt, 4 Officiere, 54 Mann verwundet.
') Campredon. Auriol S. 133.
') Ebenda S. 134. Sie sind jedoch nicht mehr zustande gekommen.
355
Die Einnahme von Langfuhr am 2. September;
Der Herzog Alexander bereitete sich mit äusserster Vor-
sicht zum Angriff auf Langfuhr vor. Er Hess den Belagerten
jede Nacht durch kleinere Detachements beunruhigen, so dass
dieser sich daran gewöhnte, am Tage in der Ruhe nicht gestört
zu werden, der Herzog aber diesmal gerade am Tage angreifen
wollte*). Die Posten auf dem grossen und kleinen Belvedere
des Johannisberges wurden mit einer Brustwehr umgeben, als
ob der Herzog sich fürchtete, angegriffen zu werden*). Die
Verbindung des Dorfes Langfuhr mit Danzig wurde fast aufge-
hoben, indem sie durch Kanonen bestrichen wurde. Die Flotte
erhielt Befehl, die Westerplatte zu bombardiren, um die Auf-
merksamkeit des Feindes auf sich zu ziehen. Der 2. September
war zum Angriff von Langfuhr bestimmt. Schon am 1. Sep-
tember entfalteten sich 60 Kanonenboote der Westerplatte
gegenüber, wie es scheint, um sich einzuschiessen^). Am 2. um
9 Va Uhr morgens rückten sie von neuem in Schlachtlinie an. Man
zählte 2 Korvetten und 40 Kanonenboote. 27 andere standen
bereit, die ersteren abzulösen*). Der Admiral Greigh hatte in
der Nacht die einzunehmende Linie durch Flaggen bezeichnen
lassen. Der auf der Westerplatte stationirte französische Fre-
gatten-Kapitain Eoutheau Hess sie am Morgen trotz der Nähe
der feindlichen Flotte entfernen, was wenigstens bei dreien ge-
langt). Um IOV2 Uhr wurde das Feuer eröffnet. Die Strand-
batterien erwiderten es lebhaft. Das ganze Resultat war, dass
ein Pulvermagazin der Westerplatte in die Luft gesprengt
wurde, wobei zwei Mann umkamen und mehrere verwundet
wurden. Dagegen wurden 4 Kanonenboote beschädigt. Nach
mehrstündiger Kanonade ging die Flotte zurück, kam aber
nachmittags wieder^) und beschoss auch Weichselmünde.
Das Feuer wurde 3 Stunden fortgesetzt, doch ohne allen
») Apercu S. 198.
») d^Artois S. 237. Campredon. Düring S. 78.
^ Campredon.
*) d'Artois S. 238.
*) Ebenda.
^) Nach dein Aperen S. 206 \\m 3 Uhr, nach d'Artois um 5 Uhr.
23*
356
Erfolg. Dieser Scheinaugriff war noch mit einem anderen
verbunden, den der General Löwis auf Ohra um 1 Uhr mittags
ausführen sollte. Der General Tschernisch, welcher die Truppen
führte, warf den Gegner aus dem kleinen Gehölz bei Reiei-s-
garten, bemächtigte sich des Dorfes Ohra-Niederfeld bis zum
Abschnitt an den Schottenhäusern und behauptete diese Punkte
auch. Dagegen blieben die Sternschanze und die Hauptmanns-
schanze im Besitz des Belagerten, der dadurch das Plateau
zwischen den Schottenhäusern und Reiersgarten beherrschte^).
In seinem Angriff auf Langfuhr verstand es der Herzog,
den Gegner vollständig zu überraschen. Nach seiner Disposition
sollte der Angriff in 3 Kolonnen ausgeführt werden.
Die 1. Kolonne befehligte der Oberst Fürst Bolotuk, ein
Tatar, der jedoch das volle Vertrauen des Herzogs besass. Die
Kolonne bestand aus 2 Tataren-Regimentern, 200 Kosacken und
2 Bataillonen Fussvolk, Jäger und Linie, welche beim Anmarsch
zum Gefechtsfelde auf den Kruppen der Tatarenpferde trans-
portirt wurden. Sie waren besonders dazu eingeübt worden.
Das Rendez-vous der Kolonne war links der Stellung von Pitz-
kendorf um 4 Uhr nachmittags. Von hier sollte sie mit
Schnelligkeit das Thal von Diwelkau entlang marschiren, an
dessen AusmUndung das Fussvolk absitzen lassen und sich rechts
wenden, um Aller Engeln und die Batterie Montbrun, sowie den
Weg nach Danzig zu beobachten und jeden Versuch eines Vor-
marsches gegen Langfuhr zu verhindern. Das Jägerbataillon sollte
Langfuhr von Süden her angreifen, das Linienbataillon zwischen
>) d'Artois S. 244. Es wird dies auch durch spätere Ereignisse be-
stätigt. Der russische Bericht (aperen S, $?06) ist dagegen nicht genau, wenn
er angiebt, dass die Abschnitte in Ohra und Stadtgebiet von den Russen
genommen und zerstört worden und die Höhen jenseits von Reiersgarten im
Besitz der Russen geblieben seien. Der Abschnitt im Stadtgebiet wurde nicht
genommen und zerstört, sondern nur das Dorf Ohra-Niederfeld, das keinen
Abschnitt hatte. Solange ferner die Sternschanze (poste de TEtoile) im Be-
sitz des Belagerten blieb, kann vom Besitz der Höhen jenseits Reiersgarten
nur in beschränktem Masse die Rede sein, denn diese Schanze, welche den
Russen später noch viel zu schaifen gemacht hat, lag mitten auf diesen
Höhen. Vgl. auch den Bericht des Tagebuchs der Div. Hendelet S. 121.
357
Eönigsthal und Langfuhr Stellung nehmen, um das Jägerbataillon
nötliigenfalls zu unterstützen^).
Die 2. Kolonne wurde vom General Kulibakin kommandirt
und bestand aus 6 Bataillonen, einigen Kosacken und 4 Hau-
bitzen. Sie liatte ihren Sammelplatz in Brentau und sollte von
Jäschkenthal aus um 5 Uhr Langfuhr angreifen. Sie hatte
durch je ein Bataillon mit der 1. und 3. Kolonne Fühlung zu
nehmen.
Die 3. Kolonne kommandirte der Oberst Turtschaminow.
Sie sollte um 4 Uhr vorwärts Polanken stehen und Neu-Schott-
land und Schellmühl nehmen. Die Kolonne bestand aus einem
Regiment Kosacken, 4 Eskadrons Ulanen, 2 Eskadrons Dra-
gonern, 5 Bataillonen Fussvolk und 8 reitenden Geschützen. Nach
der Einnahme von Neu -Schottland sollte der Oberst 200 Ko-
sacken, 4 Eskadrons, eiu Jägerbataillon und 4 Geschütze gegen
Schellmühl und Kabruu schicken, um den Feind abzuhalten,
Verstärkungen nach Langfuhr zu senden. Der übrige Theil der
Kolonne sollte links von Neu-Schottland Stellung nehmen, um
den Gegner, der etwa von Danzig gegen Langfuhr vorrücken
sollte, anzugreifen.
Der Oberst Treskin sollte von Pitzkendorf zwei Bataillone
gegen Zigankendorf vorsenden, die hier bis zur Nacht bleiben
sollten. Dem Detachement waren 200 Kosacken beigegeben.
Mit dem Rest seiner Truppen sollte der Oberst bei Dreilinden
eine Aufnahmestellung nehmen.
Der Oberst Peyker, der vorwärts Wonneberg stand, sollte
gegen Schidlitz und Stolzenberg demonstriren, sobald Langfuhr
angegriffen würde.
Der Oberst Petersen sollte mit seinem bei Brösen stehen-
den Detachement das Retranchement von Neufahrwasser be-
obachten und mit dem Oberst Turtschaminow Verbindung halten.
Die bei Polanken lagernde Reserve sollte sich vorwärts
des Waldes von Mühlhof aufstellen, um erforderlichenfalls den
Angriff auf Langfuhr und Neu-Schottland zu unterstützen.
800 Milizen mit Spaten und Beilen sollten bei Brentau
») L'aper$u S. 201.
358
stehen, um nach Besitznahme von Langfuhr das Dorf zu ver-
schanzen ^).
Die Disposition wurde auf allen Punkten mit grösster
Präcision ausgeführt*). Der Oberst Turtschaminow hatte von
Klein-Hammer aus ein Bataillon gegen Langfuhr abgezweigt,
das gleichzeitig mit der 2. Kolonne eintraf, so dass das Dorf
von allen Seiten — von Süden durch die 1. Kolonne — um-
geben war. Die Besatzung desselben war vollkommen über-
rascht worden und wurde, insoweit sie sich nicht in die beiden
Blockhäuser rettete, niedergemacht oder gefangen genommen.
Der Oberst Turtschaminow warf den Feind auf Neu-
Schottland und sendete das bezeichnete Detachement nach
Schellmühl, welches sich des Orts bemächtigte und ihn in Brand
steckte. Der Versuch, sich auch des Hauses Kabrun zu be-
mächtigen, das wie Langfuhr von Baiern und Westfalen besetzt
war, schlug jedoch fehl, da die Redute mit 2 Geschützen aus-
gerüstet war. Der Oberst hatte inzwischen vorwärts Neu-
Schottland Stellung genommen*).
Die Besatzung der beiden Blockhäuser in Langfuhr ver-
theidigte sich mit ausserordentlicher Tapferkeit.
Der General Rapp befand sich beim Diner, als der Ba-
taillonschef Czembek die Nachricht brachte, dass zahlreiche
feindliche Reiterei ein Hurrah auf Aller Engeln mache*). Er
Hess sogleich Generalmarsch schlagen und begab sich hinaus.
Nachdem die Truppen vor dem Olivaer Thor angekommen waren,
*) Ebenda S. 206. Nach dem Bericht Dohua's an den König vom 7. Sep-
tember befanden sich darunter auch 400 Mann preussischer Landwehr unter
dem Hauptmann v. Grävenitz vom Bataillon Nr. 10.
*) Der Hauptmann v. Düring sagt S. 79 darüber: Gegen 4 Uhr Nach-
mittags überfiel der Feind förmlich die Posten Striess, Langfuhr, Neu-Schott-
land und Schellmühl. Selten wohl wurde ein so ausgedehnter Ueberfall mit
mehr Genauigkeit ausgeführt. Alle genannten Posten wurden zu gleicher
Zeit angegriffen und zurückgeworfen. L'aper(;u S. 214.
^) In dem Bericht des Herzogs an den Kaiser heisst es: Das preussische
Bataillon v. Spiess (Nr. 15), welches dem Oberst Turtschaminow zugetheilt
war, hat sich sehr ausgezeichnet. (Kriegs-Arch. F. 8.) Das Bataillon befand
sich seit dem 19. August in Oliva (Tagebuch F. 9).
*) Es ist der Ausdruck Campredon's, der sich bei dem Diner befand,
Auriol S. 135.
359
formirte er zwei Kolonneu und schickte die eine nach Schell-
niühl, die andere gegen Langfuhr. Die Russen wurden aus
Schellmfthl vertrieben und das Feuer gelöscht^). Der Angriff
auf Langfulir gelang jedoch nicht. Nur die Spitze, es waren
Neapolitaner, gelangte bis zum Dorf, der Rest der Kolonne
wurde von der russischen Reiterei zurückgeworfen. Die Be-
satzung der Blockhäuser machte bei der Ankunft der Neapoli-
taner einen Ausfall, und beide gemeinsam drängten die Gegner
ins Dorf zurück. Doch erhielten diese bald Verstärkungen.
Die Neapolitaner wurden abgesciniitten und, soweit sie sich
nicht in die Blockhäuser retteten, grösstentheils niedergehauen ^).
Da die Nacht eingetreten Avar und der General Grandjean die
Metdung machte, dass die Blockhäuser sich im Besitz des
Feindes befänden, wurde der Angriff nicht wiederholt. Der
(Teneral zog die Geschütze aus Kabrun und Aller Engeln zurück,
weil sie zu ausgesetzt schienen, und entliess die Truppen in ihre
Quartiere. Schellmühl, das Haus und die Redute Kabrun,
Aller Engeln und die Batterie Montbrun blieben in den Händen
des Vertheidigers. Aber der Bau der beiden angefangenen
Schanzen zwischen Kabrun und der Weichsel musste unter
diesen Umständen unterbleiben.
Die Besatzung der beiden Blockhäuser in Langfuhr sah
sich daher auf sich angewiesen, hielt sich aber wacker. Der
Major Bauer, welcher sich zufällig nach Langfuhr begeben,
hatte sich beim Anmarsch der Russen nur mit Mühe in das
östliche Blockhaus gerettet, wo der baierische Hauptmann
Fahrbek kommandirte. Die Russen hatten bei ihrer Ankunft
die Blockhäuser von allen Seiten umgeben, konnten aber bei
aller Anstrengung nichts ausrichten. Auch ihre Versuche, die
Palisadining durch Pechkränze anzustecken, gelang nicht. Sie
mussten es mit ihrem Leben bezahlen. Der Major Bauer stellt
ihnen das glänzendste Zeugniss ihrer Tapferkeit aus. Sie steckten
darauf die zunächst gelegenen Häuser an, aber der Wind war
*) Campredon, Auriol S. 137. Der Verfasser des Apercu behauptet, dass
die Russen bei einbrechender Nacht nach Neu-Schottland zurückgegangen
wären und ein Piket zurückgelassen hätten. Schellmühl blieb jedoch im Be-
sitz der Franzosen.
«) d'Artois S. 243.
360
ihnen nicht günstig. Doch fasste das Dach Feuer und wurde
nur mit grosser Anstrengung gelöscht, da kein Wasser vorhan-
den war. In der folgenden Nacht hielten sich die Russen
ruhig, aber am andern Morgen brachten sie Geschütze vor, zu-
erst gegen das westliche Blockhaus. Der westfälische Lieute-
nant Tettenborn, der hier kommandirte, sah die Unmöglichkeit
ein, sich länger zu halten, — gleich die erste Granate zündete
— er schickte einen Hornisten hinaus, um die Kapitulation an-
zubieten, die auch angenommen wurde. Als die Besatzung aber
ohne Waffen heraustrat, schössen die Russen auf sie. Ein
Tlieil lief davon und entkam. Der Rest wurde aufs schreck-
lichste behandelt, namentlich die Offleiere. Darauf wurde auch
das östliche Blockhaus beschossen. Es blieb nichts iibrig, als
dasselbe zu räumen^). Die Besatzung suchte sich nach dem
Hause Kabrun durchzuschlagen, wurde aber von feindlichen
Dragonern angefallen und grösstentheils niedergesäbelt. Nur
ein Theil der Braven rettete sich dahin, wobei sie anfänglich
für Feinde gehalten und beschossen wurden. Unter ihnen be-
fand sich der Major Bauer. Der General Rapp bereitete den
Entkommenen eine glänzende Aufnahme^).
*) Die Angabe d'Artois' S. 247, dass hierbei der Adjutant Rapp's Mar-
nier mit einigen Mann thätig gewesen sei, findet in den Mittheilungen des
Majors Bauer keine Bestätigung. Auch Canipredon erwähnt nichts davon.
Dagegen giebt Auriol den Bericht Marnier's.
^) Ich kann es mir nicht versagen, den Bericht des Mt^ors Bauer aas
seinem Tagebuche (Plüuiicke S. 193 ff.), der noch zahlreiche Details enthält,
hier folgen zu lassen: „Den 2. September gegen 4 Uhr nachmittags wurden
die Dörfer Striess und Laugfuhr, nach erfolgter Ablösung der Polen, mit einer
solchen SchneUigkeit und Uebermacht überfallen, dass die bairische und west-
fälische Besatzung dieser Dörfer sich in die beiden Blockhäuser werfen
musste. Ich befand mich in dem Augenblick mit mehreren Ofiicieren an den
äusserst^n Vorposten von Striess, um mich zu überzeugen, ob die Meldungen
von dem Unterofficier in Striess begründet seien, dass sich russische Cavallerie
nach Neu-Schottland zu sehen Hesse. Mit der grüssten Anstrengung erreichte
ich aber kaum die Blockhäuser wieder und kam mit den Russen fast zu-
gleich dort an. Ich flüchtete in das am Eingänge links stehende, wo Capt.
Fahrbeck von den Baiern das Commando hatte. Kaum hatteu wir die Thüreu
verrammelt, so waren auch die Bussen schon an den Palisaden, um solche
auszubrechen und zu ersteigen. Nie hatte ich eine Truppe mit mehrerer
ßravour und Ausdauer fechten sehen. Ihr Verlust war sehr gross und vey-
361
Auch der französische Posten in Heubude auf der Nehrung
mehrte sich von Miuute za Miuate, indem wir beinahe mit dem Bajonett
dnrch die Sehiessscbarten sie au den Palisaden erreichen konnten, und also
auch kein Schusa verloren ging. Demuugeachtet yersnchten sie es auf den
Leichnamen ihrer Kameraden die Palisaden zu erstürmen. Mittlerweile hatte
die Danziger Garnison eineu Ausfall gemacht. Ein neapolitanisches Eegiment
kam auch bis zu den Blockhäusern; wir machten einen Ausfall und, vereint
mit ihnen, drängten wir die Bussen im Dorfe zurück, wurden aber durch
neuankomniende aufs neue von der Festung abgeschnitten und mussten uns
wieder in die Blockhäuser werfen. Hier machte der Feind mehrere Gefangene,
besonders Neapolitaner, die zuweit vorgegangen waren und sich mit dem Re-
giment nicht wieder vereinigen konnten. Die neu Angekommenen versuchten
es aufs neue, die Palisaden zu ersteigen, mussten aber ebenfalls mit be-
deutendem Verlust davon abstehen. Das kreuzende Feuer dieser beiden
Häuser kostete dem Feinde viel Leute ; die ganze Strasse war damit bedeckt,
besonders aber vor den Palisaden. So kam unter beständigem Feuer der Abend
heran und mit ihm einige Kühe. Meine Leute hatten so scbuell gefeuert, dass
sie das Gewehr nicht mehr laden konnten und erst abkühlen mussten. Die
Garnison hatte nochmals einen Ausfall gemacht, ward aber wiederum von den
Russen zurückgedrängt, und somit auch uns alle Hoffnung eines Entsatzes
benommen. Da die Bussen endlich sahen, dass sie auf diese Art nicht Herr
der Blockhäuser würden, zündeten sie die benachbarten Häuser an und
brannten einen grossen Theil des Dorfes Langfuhr ab. Zu imserm Glück
webte der Wind entgegengesetzt, und unserer Aufmerksamkeit hatten wir es
zu verdanken, dass wir nicht mitverbrannten. An jedem Fenster und auf
dem Boden hatten wir Soldaten aufgestellt, die au den abgebrannten Stellen
mit dem Seitengewehr abkratzen mussten, und hierdurch bloss retteten wir
das schon an mehreren Stelleu angebrannte Haus. Die Hitze im Hause selbst
war durch den Brand der benachbarten Häuser so gross, dass ich die Be-
serve-Patronen aus den Stuben auf den Gang setzen lassen umsste. Mehnuals
nahte sich der Feind mit Pechkränzen, um sie aufs Haus oder an die Pali-
saden zu werfen, musste aber jedesmal seine Kühnheit mit dem Leben be-
zahlen. Den übrigen Theil der Nacht war es ziemlich ruhig, und meine Leute
konnten sich etwas ausruhen, litten aber aufs schrecklichste in dieser Hitze
an Durst. Ich hatte mehrere Verwundete. Die Bohlen, womit die Fenster
zugeschlagen waren, waren so düime, dass jede Kugel durchschlug. Mit dem
Tage, wo wir vergeblich auf Succurs aus der Stadt hofften, wurde unsere
Lage noch schrecklicher, denn wir wurden mit Artillerie beschossen. An das
nns gegenüberliegende Haus kam die Beihe zuerst, und nachdem mehrere
Kugeln durch dasselbe geschlagen waren, schickte der Lieutenant v. Tetten-
born von den Westphäiingem einen Hornisten heraus, um zu capituliren.
Die (Kapitulation wurde ihm zugesichert, wenn sie die Gewehre im Hause
Hessen. Kaum waren sie aber ohne Gewehre aus dem Hause, als der Feind
f^nch von allen Seiten Feuer auf sie gab. Ein Theil davon lief der Festung
362
wurde in der Nacht zum 3. vom Bataillon No. 17 (Oelrichs) au-
zu und rettete sich ; die übrigen wurden theiis niedergemacht, tbeils gefangen.
Die Lieutenants von Tetteuborn und Otto, ingleichen ein aide-Major Stöpler
von den Westpfalen, wurden als Gefangene aufs schrecklichste misshaudelt.
Dies alles geschah unter unsem Augen, ohne die geringste Hilfe leisten zu
können; und kaum war es geschehen, als auch wir beschossen wurden. Sieben
Kanonenkugeln und 3 Haubitzen (Granaten), die durch unser Haus flogen,
richteten eine gi'osse Verwüstung in den vollgepfropften Stuben an Ich be-
fand mich auf der obem Etage und Oapit. Fahrbeck in der untersten. Jetzt
kam ein Sergeant von meinen Voltigeuren und meldete mir, dass schon durch die
erste Haubitze das Haus in Brand gesteckt sei und das ganze Dach schon
brenne. Ich überzeugte mich selbst davon, und da ich es wirklich so fand,
beratschlagt« ich mit dem Oapitain, dass wir versuchen wollten, uns durch-
zuschlagen, indem doch an keine Rettung weiter zu denken war. Das aber
wurde uns sehr schwer gemacht. Die Thttr in den Palisaden war so schmal, dass
nur ein Mann durch konnte; auch selbst die vielen Todteu vor dem Hause
hinderten unser Herauskommen. Wir hatten ungefähr 600 Schritt bis zu
einer unserer Verschanzungen (Haus Kabrun), die ebenfalls von Baiem und
Westpfalen besetzt waren. Kaum aber waren wir aus dem Hanse, als wir
auch schon von allen Seiten beschossen wurden. Die russischen Dragoner,
die hinter den Häusern versteckt gestanden hatten, waren in einem Augen-
blick zwischen uns und hauten einen Theil von uns nieder. Die Besatzung
der Verschanzung, sowie die Artillerie auf den Wällen, die in der Meinung
standen, dass die Russen einen Sturm auf die Verschanznngen machen wollten,
feuerten fleissig unter uns und tödteten so Freund als Feind — bis endlich
ein Grenadier von meinem Regiment mich erkannte und den komraaudirenden
Capitain v. Stirnberg darauf aufmerksam machte, wo denn dieser das Feuer
der Schanze einstellen liess. So kam ich glücklich, nachdem ich von allen
Seiten mit grossem und kleinem Geschütz von Freund und Feind beschossen
worden war, ohne die kleinste Blessur, nur ganz entkräftet und ermattet, bei
der Verschanzung an. Diese beiden Tage hatten dem Rogiinent 4 gefangene
und 3 blessirte Offiziere, 76 Unteroffiziere und Geraeine, theils todt, theils bles-
sirt, theils gefangen, gekostet. Sechs Blessirte brachte ich noch mit. Der An-
blick war der schrecklichste für mich, die armen Blessirten im Blockhause,
die so treu mit uns ausgehalten hatten^ in den Flammen zurücklassen zn
müssen.
Dass General Rapp uns ganz unserm Schicksal überlassen hatte, lag
daran, dass der Divisions- General Granc^ean ihm die Meldung gemacht hatte,
die Blockhäuser wären abgebrannt und die Besatzung darin von den Russen
niedergemacht. Man hatte allgemein geglaubt, dass bei dem grossen Brande
auch diese beiden Häuser mit niedergebrannt und die Recognaissance, die man
geschickt hatte, hatte die Russen, die todt vor den Häusern lagen, für
Baiem und Westpfalen gehalten, weil sie die nämlichen Mäntel hatten, wie wir.
Um in etwas dies wieder gut zu machen, befahl er mir, alle blessirten Baiern
363
gegriflfen. Der Hauptmann Carre, der hier konamandirte, wusste
und Westpfalcn iu seiu Haus zu schicken. Er üess das Gartenhaus hinter
dem Guyerueineutsgebäude (der General Kapp wohnte iu dem heutigen Gu-
vernementsgebäude in Langgarten. Anm. d. Vf.) für sie zurecht machen, gab
ihnen alle ärztliche Hilfe und Pflege, die nur möglich war, und behielt sie
so lauge dort bis sie wieder in ihre Compagnien eintreten konnten. Er ver-
sicherte mir mehrmals, das.s ich dies als einen kleinen Beweis ansehen möchte,
wie gern er das wieder gut machen wollte, was ohne seinen Fehler geschehen
sei. Die ganze gesunde Besatzung der beiden Blockhäuser wurde vom Com-
mandanten und von mehreren Obersten der Festung zum Essen geladen. '^
Ausführlicher noch ist das Schreiben des Majors Bauer an seinen Bruder vom
4. September (Beiheft z. M.-W. 1887 S. 126).
Der General Campredon beschreibt das Gefecht vom 2. September sehr
anschaulich vom französischen Standpunkte , so dass ich dessen Bericht, da er
auch speciell auf das Verhalten der Besatzung in den Blockhäusern eingeht
(Auriol S. 135), hier folgeu lasse: ,,J'etais ä diuer chez le Gouverneur quand
le chef de bataillon Szembeck vint annoncer la nouvelie que Tennemi faisait
un hourra consid^rable de ca Valerie vers Aller-Engeln sur les all6es d'Oliva.
Vers ö henres du soir, Tennemi se porte par un mouvememt tr^ rapide k
Tentr^e de Langfuhr, k la gorge de Touvrage de Kabrun et Scheilmühl. Une
ttombreuse cavalerie couvre la piaine et conronne les hauteurs en avant du
camp retrauche du Zigankenberg et s'avance jusqu'au pied de notre batterie
ä gauche de Tallte. Bientöt Tattaque devient g6n6rale et on fait uu feu
tres vif sur tonte la ligne depuis Scheilmühl jusqu'ä Ohra. L'artillerie, placke
dans Touvrage de Kabrun, Tempecha d'etre pris. L'ennemi, apr^s avoir atta-
qne en vein les raaisons cr^nel^cs de Laugfuhr, mit le feu aux maisons les
plus voisines, esp6rant quMl se communiquerait ä ces demieres, mais ces braves
troupes qui y 6taient reuferm^es tinrent ferme quoique la chaleur y füt ex-
cessive et que le feu eüt d^jä pris k la toiture. Quelques instans apr^s, le
feu se manifeste egalement ä Scheilmühl, au Zigankenberg et ä la tete du
village d'Ohra. Des que nos troupes furent r6unies, on forma deux colonnes,
dont Tune se porta sur Scheilmühl et Tautre sur Langfuhr. La premiere
reprit Scheilmühl, 6teignit Tincendie et fit main basse sur 400 incendiaires.
La seconde, dirig^e sur Langfuhr, ne put commencer son mouvement que
lorsque le jour §tait sur son d^clin, et trouva des forces si consid6rables
taut dans la vallee de Köuigsthai qu'ä la tete de Neu-Schottland , qu'elle ne
put s'avaucer jusqu'aux maisons cr^nelees pour d^gager les troupes qui y
^toient renferm^es. Dans cette attaque, un d§tachement de Napolitaius, qui
6tait parvenu jusqu'aux portes des maisons crenel^es, fut coup6 par une
Charge de cavalerie, de la coloune dont il faisait partie, et n'eut d'autres
moyens pour se sauver que de s'enfertner avec les troupes qu'il venait d61ivrer.
Plnsienrs rapports assuraut que les maisons cr^nel^es ne tiraient plus et que
la gamison en avait ^t^ massacree, on ne fit pas de nouvelles tentatives et
les troupes se tinrent toute la nuit sous les armes en ^vant de TAUer-Engel,
364
sich jedoch den sehr überlegenen Kräften des Feindes zu ent-
ziehen *) und gelangte glücklich nach dem Huhn^).
Die Demonstrationen des Obersten Peyker von Wonneberg
aus gegen Schidlitz und Stoltenberg wurden nach anfänglichem
Erfolge von den Kanonen des Bischofsberges zurückgewiesen.
Der Oberst setzte seine Angriffe jedoch in der folgenden Nacht
fort und beschoss die Stadt mit Congrevischen Raketen^).
Zigankendorf wurde, nachdem es um 10 Uhr abends von
den Küssen geräumt war, wieder von den Franzosen besetzt.
afiii d'etre a portee de seconrir l'ouvraj^e de Kabrun, eii cas d'une nouveUe
attaqiic .... Le leiidemiu vers 8 heiires du luatiu, ou tut tres etonnc de
vüir reveuir les Bavarais, les Westphalieiis et les Napolitaiiis reufermes daus
les niaiduns creneles. (-es braves avaieut defendu leurs postes tant qui'Is
avaicut eu des munitions et etaient parveun a faire leur retraite cn se fai-
saut jour i\ la baionuette, apres avoir perdu le tiers de leur moude."'
Nach d'Artüis S. 244 ist bei Aller Engeln nur eine Reserve zurückge-
blieben ..puur soutenir Kabnm dont ou jug:ea conveuable, vu la proximit6 de
rennenn, de retirer rartillerie.'' Von letzterem erwähnt Tampredou nichts.
Auch bei Aller Engeln fand dies statt, jedoch nur während der Nacht.
Die Abweichung des französischen von dem russischen Bericht inbetreff
Schellniührs ist sehr auffallend. Ich gebe dem französischen den Vorzug, da
SchellniiUil bis zum 17. im Besitz der Franzosen blieb und Kapp einen grossen
Werth auf seine Behauptung legte, um die Verbindung mit Weichselmünde
auf dem linken Weichsel uf er zu sichern, die auf dem rechten Ufer sehr unbequem
war. Auch wird in dem ofliziellen Bericht Rapp's (d'Artois Ö. 249) der Haupt-
mann Ostrowski, Kommandeur der polnischen reitenden Batterie, besonders aus-
gezeichnet, dessen Verhalten wesentlich dazu beitrug, den Rückzug der Russen
aus Schellmühl zu bewirken. Ferner sagt das Aper<,'u S. 240, dass SchellmUhl
am 17. von dem General Turtschaminow den Franzosen abgenommen worden
sei. Die Zuverlässigkeit des Apercu wird dadurch, sowie durch die irrigen
Angaben über Ohra an demselben Tage, nicht wenig beeinträchtigt.
^) Campredon, Auriol S. 130. d'Artois S. 255. Tagebuch des Bataillons
No. 17 und des Majors von Hake. Kriegsarchiv.
'^) von Düring S. 83. Es erbcheint das sehr wahrscheinlich, da die
Weichsel bereits sehr hoch ging, doch sprechen die französischen Berichter-
statter (d'Artois S. 256 und Campredon S. 140) nur von den Schwierigkeiten,
welche der Uebergang über die AVeichsel auf der Fähre bot. Es wurde in-
folgedessen ein Brückenkopf am Ganskrug geplant, aber die Ueberschwem-
roung, welche einige Tage darauf stattfand, verhinderte seine Ausfühnmg.
Es ist auffallend, dass man nicht vorher daran gedacht hattQ.
«) Apercu S. 221.
365
Es hatte hier den ganzen Tag über ein lebhaftes Gewehrfeuer
mit den Lunetten vor dem Zigankenberge geherrscht.
Ein Ausfall der Besatzung von Neufahrwasser gegen Schell-
inuhl wurde vom Obersten Petersen zurückgewiesen ^).
Der Belagerte liob noch in der Nacht zum 3. auf der Allee
bei Aller Engeln einen Abschnitt (Kupi'ire) aus, der mit einigen
Geschützen besetzt wurde und später die Batterie Fischer hiess.
Die Batterie Montbrun hatte während des Gefechts lebhaft ge-
feuert.
Von Seiten der Russen wurden in der Nacht zum 3. bei
Neu-Schottland zwei Reduten (c'" und d'") erbaut und durch einen
Laufgraben verbunden, auch zwei Batterien e'", f " abgesteckt.
Zugleich wurde Langfuhr verbarrikadirt und ein Laufgraben von
hier nach Neu-Schottland ausgehoben. Die Arbeit war- trotz
eines lebhaften Feuers vom Holm und der Batterie Montbrun so
gefördert worden, dass sie am andern Morgen Deckung gewährte^).
Die Russen verloren am 2. September alles in allem ge-
rechnet 6 Officiere. 102 Mann todt und 9 Officiere, 388 Mann
verwundet. Sie nahmen in Langfuhr allein 9 Officiere, 250 Mann
gefangen, ohne die in Ohra zu rechnen ^). Der Verlust der
Franzosen wird von d'Artois*) 2 Officiere, 80 Mann todt, 102
*) Ebenda S. 213. Der Oberst Petersen hatte sich, um die Bewegung
des Obersten Tnrtscbaminow nach Nen-Schottland zu beg^ünstigen , mit dem
prenssischen LandwehrbataiUon , einigen Kosacken nnd 2 Geschützen nach
Lanenthal begeben. Der Rest seines Detachement^ blieb bei Brösen zor Be-
obachtung des Retranchements zurück. Das preussische LandwehrbataiUon war
wahrscheinlich das von Hülsen (Nr. 9), welches am 1. September mit Tagesan-
bruch nach Koliebken abmarschirt war.
*) Ebenda S. 221. Tagebuch des OberstUentenants v. Pullet. Kriegs-
Archiv F. 9. Hiemach führte der General v. Borosdin das Kommando der
ganzen Expedition, und Pullet war ihm dabei attachirt. Inbezng auf die
ausgeführten Arbeiten fügt Pullet noch hinzu, dass der Schrötter^sche Garten
und Klein-Hammer zur Postenvertheidigung eingerichtet und eine zweite
Tranchee- Verbindung von Kloinhammer nach Langfuhr geführt wurde. Auch
wurden die beiden Blockhäuser am Eingange von Langfuhr wieder verthei-
digungsfähig hergestellt. In Langfuhr wurden dreifache Kupüren quer durch
die Strasse gelegt.
*) Ebenda S. 214.
*) d'Artois S. 248. d'Artois muss über diese Angaben selbst beschämt
gewesen sein, denn er giebt sie nicht im Text, sondern in einer Note.
366
verwundet und 50 Mann (?) gefangen, angegeben. Von anderer
Seite wird er auf 1000 Mann geschätzt^).
Die Obersten Turtschaminow, Fürst Bolotuk und Treskin,
welclie sich ausgezeichnet hatten, avancirten einige Zeit darauf
zu Generalen. Besondere hervorgehoben werden die Leistungen
der Generale Borozdin, Kulibakin und Gerebzow^).
Der General Rapp konnte nicht daran denken, die Russen
aus der am 2. gewonnenen und in der folgenden Nacht be-
festigten Stellung vertreiben zu wollen. Er hatte alle Veran-
lassung, das Blut seiner Mannschaft zu schonen. Seine Mass-
regeln beschränkten sich daher auf die strengste Defensive.
Die Ingenieurarbeiten wurden mit dem grössten Eifer fortge-
setzt. Es blieb hier noch viel zu thun. Die Steinschleuse und
die daran liegende Mühle mussten geblendet werden, die Front
am Neugarter Thor, an der bisher noch gar nichts gethan war,
korrigirt, der Abschnitt von Ohra-Stadtgebiet vollendet, das
Zigankenberger Retranchement, wie man die Lünetten von Bat-
terie Kirgener bis Batterie Montbrun nannte, ausgebaut werden.
Die Batterie Fischer an der Allee, die dazu geschlagen wurde,
war eben erst angefangen. Alle diese Werke waren in Arbeit
genommen. Noch hoffte man die Verbindung mit Weichselmünde
auf dem linken Weichselufer behaupten zu können. Ein Haus
zwischen Schellmühl und Neufahrwasser (a) wurde zu einem
Blockhaus hergerichtet und links vom Fort Montebello (Wester-
schanze) am Abzugsgraben des Sasper-Sees ein kleines Werk,
die Lünette Cr6tin (z), erbaut'). In der Nacht vom 4. zum 5.
war Schellmühl vorübergehend von Kosacken eingenommen worden.
Der General Rapp kommandirte daher einige Fahrzeuge, die in
der Höhe von Schellmühl ankerten und derartige Versuche für
die Zukunft verhindern sollten. Das bedeutendste von ihnen,
war das Schiflf „la Nymphe de la Vistule*).
Sehr störend wurden diese Arbeiten von einer neuen Ueber-
») Blech 2, 211.
*). Apercu S. 213.
") d^Artois S. 253. Die Lünette wurde erst am 27. September be*
gönnen. Apergu.
*) Ebenda S. 256.
367
schwemmung der Weichsel unterbrochen. Schon seit dem 2.
September war sie im Steigen begriflfeu. Sie stieg am 4. um 3
Fuss 7 Zoll und brach bei Neufehr durch einen von den Russen
früher hergestellten Durchstich des Dammes in den Werder.
Am 5. stieg sie auf 5' 4" über den gewöhnlichen Wasserstand,
am 6. auf 6 Fuss 11 Zoll, am 7. auf 7 Fuss 8 Zoll und be-
hielt diese Höhe auch am 8., 9. und 10. bei*). Erst am 11.
fing sie wieder an zu fallen. Der Schaden, den sie verursachte,
war ausserordentlich. Das Wasser stürzte mit grosser Gewalt
durch die Festungsgräben und überfluthete den Batardeau am
Bastion Braunross, der erst zur Hälfte fertig war*). Er wurde
am 5. weggeschwemmt, ebenso der Batardeau der ßoswike. Der
Batardeau am Bastion Mottlau war im höchsten Grade bedroht
und konnte nur durch die grössten Anstrengungen erhalten
werden.
Die Faussebraie mehrerer Bastione der Niederstadt wurde
fortgespült ^) und die Schleusenthüren am Kneipab wegge-
schwemmt. Die Mottlau war zum Strom von reissender Schnellig-
keit geworden, so dass sie mehrere Stadttheile überschwemmte
und Holzvorräthe und Gebäude fortriss. Die Langgartenbrücke
(am Milchkannenthurm) wurde dadurch so beschädigt, dass sie
jeden Augenblick einzustürzen drohte und es nur gelang, sie durch
grosse Lasten, die man darauf brachte, zu erhalten. Für den
zum Fort Lacoste führenden Weichseldamm war die grösste
Gefahr vorhanden. Man eiTcichte es, durch vorgelegte Bretter-
gerüste, welche die Wellen brachen, ihn zu schützen. Vor dem
Batardeau am Bastion Mottlau wurden Erde, Mist und Blätter
geworfen und dadurch die durchgesickerten Löcher verstopft.
Der Holm war mehrere Tage überschwemmt, wodurch an den
Werken viel Schaden angerichtet und grosse Quantitäten Pulver
verdorben wurden*). Die Ueberschwemmung wurde auch die
Veranlassung, dass der Bau eines Brückenkopfes gegenüber
dem Ganskinge, der soeben begonnen war, nicht fortgesetzt
*) Campredon. Auriol S. 141—145.
«) d'Artois.
') d^Artoia S. 265.
^) Ebenda S. 263. Campredon.
_368 _
werden konnte, was sich später sehr fühlbar machte, da die
Vorstädte Kneipab und Langgarten von hier aus bombardirt
wurden.
Der Herzog von Würtemberg hatte am 3. und 4. die
Westerplatte und Weichselmünde durch die Flotte von neuem
bombardiren lassen, jedoch ohne sonderlichen Erfolg. Die
Jahreszeit war bereits zu ungünstig für Operationen der Flotte,
da heftige Winde die Schiffe in schaukelnde Bewegung setzten
und ein Zielen unmöglich machten*). Gleichzeitig wurden zu
Lande die täglichen Beunruhigungen der Belagerten durch
kleine kommandirte Detachements fortgesetzt"). Die Arbeiten
bei Langfuhr und Neu-Schottland nahmen täglich an Umfang
zu. Die Laufgräben wurden in der Nacht zum 6. nach beiden
Seiten verlängert und lehnten sich rechts an den südlich von
Königsthal gelegenen Höhenzug, links an ein östlich Neu-
Schottland gelegenes Vorwerk. Die begonnenen Reduten von
Neu-Schottland und 2 Batterien wurden vorläufig mit Feld-
geschützen (4 — r2Pfündern und 4 Haubitzen) armirt, da die
Stürme die Ausschiffung der englischen Geschütze sehr be-
hinderten *). Am 7. wurde eine neue Batterie (g'") links des
Blockhauses von Langfuhr begonnen*). An demselben Tage
*) Apercu S. 223. Nach dem Tagebach des Oberstlientenants von Pnllet
(Kriegs-Archiv F. 9) lag die Schuld aber auch danm, dass der rechte Flügel
der Schiffslinie 2500 Schritt, der linke noch mehr von den Schanzen entfernt
war und nur das Centrum etwas näher lag. Pnllet hatte sich persönlich
ans Land begeben und fand die Schanzen nicht im mindesten beschädigt, ob-
gleich 130 Geschütze, von denen ISpfilndige das geringste Kaliber waren,
6 Stunden lang dagegen thätig gewesen waren. Die beabsichtigte Landung
musste unterbleiben.
') Am 4. fand bei Schidlitz ein Gefecht statt, wobei das preuss. Land-
wehr-Bataillon No. 18 als Sutien einer russischen Abtheilung diente und einen
Todten und mehrere Verwundete verlor, von Hake Tagebuch. Das Tage-
buch der Division Heudelet gicbt S. 123 eine ausführliche Schildening des
Gefechts. In der Nacht machte der Belagerte einen Ausfall gegen die Ar-
beiten bei Langfuhr, wobei das preuss. Landwehr-Bataillon No. 10, welches
am 3. nach Langfuhr kommandirt worden war, einige Verwundete verlor.
Beide Gefechte werden in dem Bericht Dohna's an den König vom 7. erwähnt.
») Ebenda.
*) Ebenda. Pnllet Tagebuch.
369 _
abends alarmirte der Oberst Turtschaminow das Haus Kabrun ^), September
nachdem er einige Granaten hineingeworfen hatte, zog sich aber,
weil er von der Batterie Montbrun heftig beschossen wurde,
wieder zurück. Der im Hause kommandirende französische Offizier
hatte die Instruktion, dasselbe bei dringender Gefahr anzu-
stecken und zu verlassen, zu welchem Zweck das Haus mit
brennbaren Stoffen angefüllt war. Der Offizier that dies vor-
eilig und zog ab. Als er seinen Irrthum erkannt hatte, schoss
er sich eine Kugel vor den Kopf. Die Schanze wurde wieder
vom Belagerten besetzt*).
In der Nacht zum 8. wurde seitens dos Belagerers der
Bau dreier Reduten am Nordrande des Thals von Diwelkau
begonnen, welche die Kontravallation von Langfuhr schlössen').
Die Batterie (g'") am Blockhause bei Langfuhr wurde in der
Nacht zum 9. mit 2 Feld-12 Pfündern armirt. Erst am 14.
konnten die Feldgeschütze obiger Batterien durch englische
Belagerungsgeschütze ausgetauscht werden, und zwar erhielten
die 4 zuerst erbauten Batterien in Summa 4 — 24Pfünder, 2 —
12Pfünder und 2 Haubitzen*).
') Ebenda.
•) d'Artois S. 258. Campredon. Auriol S. 144.
«) Apercu S. 229. Im zugehörigeu Plan sind die Batterien mit h"', i'"
nnd y"' eingetragen, h"' jedoch irrthümHch auf dem kleinen Belvedere (f)
des Johannisberges. Sie lag auf dem grossen Belvedere. Nach Campredon
S. 147 lag die eine dieser Reduten auf dem grossen Belvedere, die zweite
zwischen diesem und Pitzkendorf , die dritte etwas rechts von diesem Dorfe
(von Danzig aus gesehen), d'Artois sagt irrthttmlich (S. 267) etwas links.
Campredon stimmt vollständig mit dem aper^u Überein, wenn unter h''' die
Batterie auf dem grossen Belvedere verstanden wird.
*) Ebenda S. 222. Dagegen behaupten die französischen Berichter-
.statter, dass die Batterien mit je drei Oeschtltzen ausgerüstet waren, was
mit dem russischen Belagerungsjumal übereinstimmen würde, wonach die
bei Nen-Schottland gelegenen Batterien am 14. mit 12 Belagerungsgeschützen
versehen wurden. Archiv S. 122. Im übrigen weichen die Beobachtungen
der französischen Ingenieure in der Zeit nicht unwesentlich von den Angaben
des Apergu ab. Nach ihnen sind in der Nacht vom 7. zum 8. zwei neue
Batterien hinter dem Laufgraben von Neu-Schottland zum Vorwerk und eine
No. 26 auf dem Abhänge der Höhe, an welche sich der rechte Flügel der
Tranchee lehnte, erbaut worden (Campredon, Auriol S. 144). Nach dem
Tagebuch von Pnllet wurde der Bau der Batterie No. 26 am 9. begonnen.
Die Annirung mit 3 Geschützen fand am 11. statt. Das aperen hat von
Köhler, G«9cbicbte der Festungen Danzig und Weichselmüude. II. 24
370
Die französischen Ingenieure wurden durch die Anlagen
der Eussen in nicht geringe Verlegenheit gesetzt. Sic glaubten
anfänglich mit Recht, dass es sich nur um den Ausbau der
Koutravallation handele, aber die bald folgende Ausdehnung
der Werke liess doch kaum einen Zweifel, dass sie die Er-
öffnung der Tranchee und den Bau der 1. Parallele bedeuteten,
obgleich sehr gewichtige Gründe dagegen sprachen. Auf der
andern Seite waren die russischen Werke mit solcher Sorgfalt
ausgeführt, die Batterien bekleidet und sogar palisadirt, dass
die Ansicht sich festsetzte, es sei wirklich die 1. Parallele.
Nur der General Lepin war nicht zu überzeugen und hielt es für
unmöglich, dass der Feind hier vorgehen wolle *). Unter diesen
Umständen schien es geboten, das Ketranchement von Ziganken-
berg bis zur Weichsel fortzusetzen. Am 10. wurde die Alt-
städtische Ziegelei zu einem geschlossenen Werk ausgebaut
und die folgenden Tage mit Eifer zu Ende geführt^). Gleich-
zeitig wurde eine alte Schanze auf dem Holm gegenüber Schell-
mühl zu einer Batterie ausgebaut, welche ihrer Lage nach
vorzüglich geeignet war, die vorrückenden Küssen in Flanke
und Rücken zu fassen. Sie wurde Batterie LiMot (Y) genannt.
Der 12., 13., 14. und 15. wurden von seiten des Belagerers
dazu verwendet, in der gewonnenen Position, wo es erforder-
lich war, aufs beste nachzuhelfen und. was durch den unauf-
hörlichen Granat- und Kugelregen zerstört wurde, auszubessern.
(Pullet, Tagebuch der Ingenieurarbeiten. Kriegsarchiv F. 9.)
Die Ueberschwemmung hatte auf die Russen keinen andern
Einfluss ausgeübt, als dass die Vorposten des Generals Dedulin
nach Rostau, Trutenau, Gross-Zünder und vorwärts Käsmark
zurückgezogen werden mussten*).
Für den 16. bereitete der Herzog von Würtemberg den
letzten Versuch vor, von der Flotte Nutzen zu ziehen. Die
dieser Batterie keine Notiz genommen. Eine Batterie v *** von 6 Geschtltzeu,
die in der Uebersicht der Batterien aufgenommen ist, ist im Plan nicbt
zu finden.
*) Vergl. Bericht desselben, auszüglich bei Anriol S. 146.
•) d'Artois S. 260. Dies Werk erhielt den Namen batterie de Qudin
oder de la briqucterie. Campredon.
») Apercu S. 225.
__371
erfahrensten Seeleute waren der Ansicht, dass die Batterien
auf der Westerplatte zu deinontiren wären, und dass nur die
ungünstige Witterung den Erfolg , bisher beeinträchtigt hätte.
Der Herzog ging um so lieber darauf ein, als die Jahreszeit
die Flotte zwang, die Rhede von Danzig zu verlassen und es
den dänischen Schiffen gelingen könnte, in die Weichsel ein-
zulaufen. Er wusste, dass 10 dänische, mit Lebensmitteln be-
ladene Schiffe in Kopenhagen dazu bereit lagen. Es musste
ihm also darauf ankommen, in den Besitz der Weichselmündung
zu gelangen. Er Hess daher 3 Bataillone mit 150 Mann Arbeitern
einschiffen, um auf der Westerplatte zu landen, sobald die Flotte
die Batterien demontirt hatte. Vier andere Bataillone ') wurden
bei Brösen aufgestellt, um sich der 3 westlichen Reduten des
Retranchements von Neufahrwasser zu bemächtigen, wenn die
Flotte Erfolg hätte. Das Detachement auf der Nehrung sollte
gegen Weichselmtinde demonstriren und der General Löwis das
Dorf Stadtgebiet angreifen.
Um 6 Uhr morgens erschienen 83 Schaluppen, jede mit 3
schweren Kanonen bewaffnet, und einige Kanonenboote, unter-
stützt von 2 russischen und 2 englischen Fregatten, bis auf
400 Toisen vor der Westerplatte und begannen ein heftiges
Feuer gegen die Landbatterien, das bis 6 Uhr abends währte*).
Die See, die schon vorher unruhig war, wurde es während des
Gefechts noch mehr, so dass die Geschütze nicht trafen. Eine
Landung konnte daher nicht unternommen werden. Eine
Schaluppe wurde in die Luft gesprengt und drei andere be-
0 Daiiinter das preussische Landwehrbataillon Hülsen, bei welchem der
Verfasser der Briefe stand, welche in der allgemeinen Militär-Zeitnng abge-
dmekt sind.
') Nach dem Tagebuch des Oberstlieutenauts von Pullet war die Flotte
in zwei Divisionen zu je 60 Kanonen getheilt. Nach d^Artois S. 269 lösten
sich diese alle 3 Stunden ab. Die Zahl der verschossenen Kugeln wird von
ihm auf 20000 angegeben. Die vier vorhergehenden Bombardements hatten
zusammen nur 15000 Kugeln verfeuert. Nach einer Berechnung, die ange-
stellt worden ist, imd deren Resultat d'Artois mittheilt, würden die 5 Bombarde-
ments einen Kostenaufwand von 1 470000 Francs verursacht haben, ohne die Be-
schädigung an den Schiffen zu rechnen. Die Besatzung des Retranchements be-
stand nach Dttring nur ans 3 schwachen BataiUonen, gegen 1100 Mann stark
{ß. 86). Die Zahl der französischen Geschütze wird von Pullet auf 12 angegeben.
372
schädigt. Die Flotte verlor 1 Offizier, 78 Mann todt und
192 verwundet. Der Kapitain und 3 Matrosen von der in die
Luft gesprengten Schaluppe wurden gerettet *). Der Verlust der
Franzosen wird auf 2 Mann todt und 2 verwundet angegeben *).
Der Herzog hatte wiederum den Oberstlieutenant von Pullet
zum Admiral Greigh gesendet, um dem Bombardement beizu-
wohnen und den Zeitpunkt zu bestimmen, wo die Landung auf
der Westerplatte und der Sturm auf der Landseite auf Neu-
fahrwasser stattfinden könnten. Nach den vergeblichen An-
strengungen beauftragte der Admiral den Oberstlieutenant von
Pullet Sr. Königlichen Hoheit zu sagen, dass er schlechtenlings
verzweifle, die feindlichen Geschtitze zum Schweigen zu bringen,
und dass, wenn er das Gefecht fortsetzen solle, die Schaluppen
eine nach der andern in die Luft gehen würden. Um sich
seines Auftrages im ganzen Umfange aus eigner Ueberzeugung
zu entledigen, begab sich Pullet in Begleitung eines Adjutanten
des Herzogs in die Linie der Schaluppen, bestieg zuerst die
rechts des noch schwimmenden Wracks gelegene, sodann die
links davon befindliche und fand nach angestellter Untersuchung
1., dass die Einrichtung der Schaluppen und ihre schwankende
Bewegung die Artilleristen behindern, ein gezieltes Feuer ab-
zugeben, 2., dass die Schaluppen zu niedrig gegen das Vorland
lägen dergestalt, dass die Schüsse nur die Brustwehr im Kamm
berühren, mithin es unmöglich sei, mit solchen die feindlichen
Geschütze in den Schanzen zu demontiren, 3., blieb hierbei die
Bravur dieser braven Seesoldaten zu bewundern, weil sie so
zu sagen auf einem schwimmenden Tisch, worauf Geschütze
stehen, im Kartätschschuss von feststehenden Batterien mit
hoher Ausdauer und Unerschrockenheit fochten').
") Apercu S. 235. Jumal, Archiv S. 122. Nach d'Artois bestand die
Besatzung einer Schaluppe aus 30 Mann. Nach dem Tagebach von Pullet
hatte die in die Luft gesprengte 3 Kanonen und 46 Mann.
«) d'Artois S. 271. Drei KttstenlafPeten wurden beschädigt, gegen 100
Palisaden zerbrochen und der grösste Theil der Häuser von Nenfahrwasser
vernichtet. Oberster Befehlshaber der Forts an der unteren Weichsel war
der Oberst Rousselot, Kommandeur der Artillerie daselbst der Major Fran<jois,
von Seiten des Genies der Bataillouschef im Ingenieurkorps Golt.
*) Tagebuch des Oberstlicntenants von Pullet. Kriegs- Archiv F. 9.
373
Das Gefecht wurde daher eingestellt. Es war die letzte
Aktion der Flotte. Sie verliess am 2. und 3. Oktober die
ßhede von Danzig, die bei dem stürmischen Wetter keine
Sicherheit mehr bot. Drei Kanonenboote wurden noch durch
einen Windstoss gegen die Kfiste getrieben und erlitten be-
deutende Beschädigungen, so dass sie nur mit Mühe wieder
flott gemacht werden konnten. Eine englische Fregatte und
eine Korvette, sowie eine russische Fregatte blieben bei Putzig
zurück, um den Wachtdienst an der Küste zu übernehmen und
die Mündung der Weichsel zu beobachten^).
Der Angriff auf Ohra, der für den 16. befohlen war, hatte
zum Resultat gehabt, dass die Sternschanze, deren schwache
Besatzung bei Annäherung des Generals Löwis davon lief, in
die Hände der Russen fiel. Erst bei eingetretener Finsterniss,
nachdem eine Verstärkung von 200 Mann eingetroflfen war,
gingen die Franzosen zum Angriff der Schanze vor, die jedoch
im Besitz der Russen blieb. Die Truppen des Lagers von
Wonneberg waren infolge des Gefechtes alarmirt worden und
hatten sich vor dem Dorfe aufgestellt, ohne jedoch engagirt zu
werden*). Am folgenden Tage gegen Abend wurde die Stern-
schanze von der Judenschanze ^ stark beschossen und darauf an-
gegriffen. Die Schanze wurde genommen, aber von den Russen
im Hurrah wiedergenommen. Das Gefecht endigte gegen
11 Uhr abends mit dem Verlust der Sternschanze für die Russen.
Es lag nicht in der Absicht des Herzogs, die Sternschanze,
wenn es mit Opfern verbunden sein sollte, besetzt zu behalten.
Sie sollte in diesem Falle demolirt werden, wozu auch 1 Unter-
Offizier, 20 Mann koramandirt waren. Doch war das nur theil-
weise erfolgt. Sie wurde jetzt von den Franzosen bedeutend
verstärkt*).
») Apercu 279.
*) vou Hake, Tagebuch und das der Division üeudelet.
') Ueber die Judenschauze siehe iinteu S. 38ö, 3. Da der Posten des
St:rgeanteu ohne Artillerie war, sind hier wohl die batteries de Frioul ge-
meint.
*) Tagebuch der Division Heudelet 126 und des Hi^ors von Hake (Kriegs-
Archiv F. 9).
374
Am 16. hatten auch die Batterien bei Pitzkendorf Nr. 21 (y'")
und 22 (i'") das Feuer eröffnet*), anscheinend auch die Batterie
am grossen Belvedere (d [Nr. 23, h'"]).
2. Der Soheliiaiigrifr von 17. Septenber bis zun 10. Oktober.
Die Zeit vom 17. September bis zum 10. Oktober hat
keinen ausgesprochenen Charakter. Russischerseits gelangt man
am 17. September durch Wegnahme von Eabrun (Aschbude),
Gross- und Klein-Schellmfihl *) zu einer sicheren Anlehnung des
linken Flügels an die Weichsel und vollendet damit die Kontra-
vallation, welche bis zur oberen Radaune hin ausgebaut wurde.
Der beabsichtigte förmliche Angriff gegen den Bischofsberg
liegt aber noch weit im Felde, da die Ausschiffung des Materials
bei Koliebken sehr langsam von statten geht und der Land-
transport desselben nach den Depotplätzen wegen Mangels an
Fuhren und der schlechten vom Lande gestellten Pferde grosse
Schwierigkeiten bietet.
Auf Seiten des Vertheidigers befestigt sich unter diesen
Umständen die Ansicht, dass der Belagerer die Olivaer
Front anzugreifen beabsichtige, so dass man sich ein-
bildet, die guten Dispositionen, die man getroffen hat, sind es,
welche den Feind auf so grosse Entfernungen zurückhalten und
ihn zwingen, zu einem Bombardement zu greifen'), wunderbar
^) Der Major Liebe sagt in seinem Bericht vom 23. Oktober (Kriegs-
Archiv F. 9): „Am 16. fingen die mit preussischeu Artilleristen besetzten
Batterien bei Pietzkendorf an zu feuern", und nihrt in der Nachweisung
der an diesem Tage thätigen Batterien die eine mit 7, die andere
mit 5— 24Pfttndem bewaffnet au. Nach Campredon war die Batterie 23 (d) schon
am 14., die Batterie 21 und 22 am 15. demaskirt worden. Nach dem aperen
S. 239 sind die Batterien 23 und 21 in der Nacht vom 16. zum 17. mit je
2— ^24PfÜndem armirt worden, dagegen die Batterie 22, sowie die des kleineu
Belvedere (f), die einige Tage später das Feuer eröffnete (nach dem Tagebucbe
des Bataillons 18, das am 17. September das Bataillon 10 in Königsthai ab-
gelöst hatte, am 19.), ohne Geschütze geblieben. Das apergu zeigt sich auch
hier unzuverlässig. Nach Campredon hatte die Batterie 23 6 Scharten.
*) Klein-Schellroühl wird auch Böttchers Haus und Beierahof genannt.
') Der General Campredon spricht sich in seinem Tagebuche unterm
8. Oktober (Auriol S. 160) wie folgt darüber aus: L'ennemi retenn par nos
dispositions ä une tr^ grande distance de la place et oblig^ par cons^quent
^ un d^veloppement de trapch^e beaucoup plu^ consid6rabie pour pouvoir
376
genug, da von einem Bombardement auf diesen Entfernungen
nichts zu erwarten war. Was später in dieser Beziehung von
hier aus geschah, war nur ein Nothbehelf, um die Zeit nicht
unbenutzt verstreichen zu lassen, und vorzüglich um den Feind
zu täuschen '). Damit soll das Verfahren des Angreifers jedoch
nicht gebilligt werden. Die Täuschung wäre auch aufrecht er-
halten worden, wenn in Verbindung mit den Arbeiten in der
Ebene ein Angriff auf den Zigankenberg verbunden worden
wäre *), dessen Werke (die Reduten Kirgener und Istrien) einem
eubrasser les froiits, objets de 8es attaques, voyant sa marcbc retard^e depiüs
plus d'uu mois (!) , parait d^termin^ ä joindre le bombardement ä la marcbe
progressive de ses attaques". Dieser gewiegte Ingenieur-General ist demnach
vollkommen überzeugt, dass der Angieifer den förmlichen Angriff gegen die
OHvaer Front beabsicbtigt, und dass die Dispositionen des Vertbeidigers ihn
gezwungen hätten, den Angi'iff auf so bedeutenden Entfernungen zu eröffnen
und, um umfassen zu können, sich so bedeutend auszudehnen (von Pitzkendorf
bis zur Weichsel). Was die angeblich vom Vertheidiger veranlasste Verzö-
gerung der Arbeiten um einen Monat betrifft, so geht daraus hervor, dass
C. keine Ahnung davon hat, welche Schwierigkeiten der Herzog nach allen
Richtungen zu überwinden hatte.
*) Dass diese Täuschung wirklich beabsichtigt und nicht, wie die fran-
zösischen Schriftsteller angeben, der Angriff gegen die Olivaer Front anfäng-
lich geplant war, geht aus der skizzirten Geschichte des Plümicke S. 109
hervor, die, wie ich gezeigt habe, in dieser 3. Abtheilung dem Hauptquartier
des Herzogs entstammt. Positiver dafür spricht noch die Thatsache, dass
der Geschützpark zum Angriff des Bischofsberges bereits seit Mitte September,
wo def erste preussische Geschütztransport anlangte, eingerichtet und zu sei-
nem Schutz das Lager bei Zankeuczin durch ein Dragoner -Regiment und
zwei preussische Landwehrbataillone (No. 18 und No. 9) verstärkt wurde.
') Dass man sich im Hauptquartier gegen die Wichtigkeit der Werke
auf dem Zigankenberge bei einem Angriff auf den Bischofsberg nicht verschloss,
beweist die starke Bewaffnung der Batterien 21, 22, 23 und f, mit denen in
der Folge der Zigankenberg beschossen wurde. Es sind aber Entfernungen
von 2000 bis 3200 Schritt. Wie hier drückt sich im ganzen Verlauf der
Belagerung die verkehrte Ansicht der Oberleitung aus, dass man mit dem
Beschiessen Dinge erreichen könne, die sonst nur der Sappe und der blanken
Waffe zufaUen, und dass man, wie dies sowohl als die grossen Entfernungen
beweisen, auf denen man schoss, von der Wirkung der Artillerie keine Vor-
stellung hatte. Der Major Liebe sagt in einem Schreiben an die General-
Inspektion der ArtiUerie vom 9. Januar 1814 (Kriegs- Archiv F. 12): Die
Leitung der Belagerungsarbeiteu im Ganzen darf ich nicht berühren, weil
jed^ finde Laufjo^raben und jedes Kanon von Sr. K^\. Hoheit angeordnet
376
Angriff auf den Bischofsberg sehr hinderlich werden mussten.
Es war das um so mehr geboten, als am 7. September der
positive Befehl des Kaisers Alexander eingetroffen war, zum
förmlichen Angriff zu schreiten ^).
warde, wiewohl ich überzeugt zu sein glaube, daüs HOchstdieselbe äicli nur
mit der Leitung de» Ganzen beschäftigte uud jene Details deu Ingenieurs,
dem russischen Obersten Manfredi und dem prensäischcu Obersten von PuHet
überlassen und ihre Vorschläge vertrauensvoll genehmigt hat. Wie es scheint,
besitzen letztere vom Belagerungskriege ganz eigenthümliche Ansichten, welche
wenig Nachahmung finden werden. Gewiss ist, dass die Kräfte der Menschen
und Pferde schon vor der eigentlichen Belagerung dadurch erschöpft wurden,
dass man viele Arbeiten auf zu grosse Entfernungen von der Festung unter-
nahm.
') Dieser Befehl des Kaisers Alexander wird nur im Tagebuch des Ma-
jors von Hake und hier auch nur ganz beiläufig erwähnt (Kriegs - Archiv
F. 9 und Friccius, der irrthünilich den ö. September sagt). £s erscheint da-
her geboten, sich noch nach andern Beweisen dafür umzusehen, uud die liegen
in den Korrespondenzen des Knegs- Archivs vor. Der stellvertretende Komman-
deur der prenssischen Artillerie, Hauptmann Pittscher, — der Major Liebe
traf erst am 14. Oktober ein — wendete sich am 20. September mit 16 An-
fragen an den Director des Geniewesens, Oberstlieutenant von Pullet, darunter
die: „Ist es Sr. Kgl. Hoheit dem Herzog Alexander von Würtemberg auch
vorgestellt worden, wie gefährlich es ist, im Monat Oktober eine förmliche
Belagerung anzufangen, uud weiche Mittel anzuwenden sind, um das Geschütz
aus den Parallelen zu bringen, wenn die Witterung so schlecht werden sollte,
die Belagerung aufzuheben^. Pullet antwortet brm. darauf: „Der Herzog hat
den Befehl zu belagern, ob im Monat Oktober oder November muss uns gleich-
gültig sein, sobald wir nur zum Sappiren kommen'^.
Ein weiterer Beweis liegt in einem geharnischten Schreiben des Herzogs
an das Civil - Guvernemement des Laudes zwischen der Oder und Weichsel
vom 14. Oktober (Kriegs- Archiv F. lö) wegen Nachlässigkeiten in Gestellung
der requirirten Wagen. Es hcisst darin: „Mir ist der Befehl zur Belagerung
worden" .
Als dann, nachdem sich der Beginn der förmlichen Belagerung immer
weiter hinausgeschoben hatte, der Herzog ende Oktober ernstliche Anstalten
traf, damit vorzugehen, und sich im Offiziercorps der Alliirteu ernste Bedenken
dagegen erhoben, machte sich der Graf Dohna, wie er schreibt aus Pflicht-
gefühl gegen seinen Monarchen, zum Dolmetscher der öffentlichen Meinung
und begab sich am 28. Oktober zum Herzoge, um ihm Vorstellungen zu
machen, dass es unmöglich sei in dieser Jahreszeit die Belagerung mit Aus-
sicht auf Erfolg zu unternehmen, die Armee überhaupt zu schwach dazu sei,
antwortete ihm der Herzog: „Dass der bestimmte Befehl Sr. Majestät de^
Kf^isers ihn zur Eröffnung der Belagerung nöthige; sollte es so stark frierei^
_377
Nach diesen allgemeinen Bemerkungen können wir wiederum September.
zum Tagebuch zurückkehren.
Am 17. um 5 Ulir abends wird die „Nymphe de la Vis-
tule** von 4 russischen Geschützen, welche vor Neu-Schottland
aufgefahren waren, beschossen und durch einen Treffer in die
Pulverkammer in die Luft gesprengt *). Der Herzog hatte dem
General Turtschaminow den Befehl ertheilt, das Haus Kabrun
gegen Abend anzugreifen, was dieser mit gutem Erfolge aus-
führte. Das Haus fiel nach lebhaftem Widerstände in seine
Gewalt^). Mit leichter Muhe bemächtigte er sich darauf der
beiden Schellmühl. Die Besatzungen zogen sich theils nach
dem Abschnitt bei Aller Engeln, theils nach dem befestigten
Posten am 2. Legan an der Weichsel zurück ^). Inzwischen hatte
der Herzog 1500 Milizen des Landesaufgebots von St. Peters-
burg unter dem Obersten Alalikin herangezogen, welche bei
eintretender Dunkelheit die Schanzarbeit begannen und die
Palisadirung der Kehle der Schanze von Kabrun durch Erde
bedeckten, sowie gedeckte Verbindungen obiger Oertlichkeiten
unter einander und mit den rückwärtigen Werken herstellten^).
dass nicht mehr gegraben werden könne, welches in wenigen Tagen zu er-
warten sei, so mttsste die Arbeit mit Sandsäcken oder Schncesäcken fortge-
setzt werden, welches der Oberst von Pullet auszuführen übernommen habe;
die Truppen würden zwai' durch Krankheiten aufgerieben werden, anch hätten
Se. Kgl. Hoheit dies angezeigt und erwarteten eine Verstärkung von 6000
Mann. Auch die Erschöpfung des Landes und den Ruin der Stadt könne
8e. Kgl. Hoheit nicht berücksichtigen, und wenn aUe Versuche vergebens
wären , so würden sie ihre Truppen und das Geschütz wieder in die erste
Parallele zorückzieheu und diese als Kontravallationslinie betrachten''. (Be-
richt Dohna's an den König vom 29. Oktober. Kriegs-Archiv F. 19.)
*) AperQU 239. Danach hatte die Nymphe 10 Kanonen, womit sie auf
das wirksamste die SteHung Klein - Schellmühl - Kabrun flankirte. Die Zeit
ö Uhr, welche für die folgenden Ereignisse von Wichtigkeit ist, wird von
Campredon (Auriol 149) und dem Tagebuch des Majors von Hake ttberein-
.stimmend augegeben. Oflfenbar stand die Batterie in Beziehung zu dem An-
griff des Obersten Turtschaminow. Nach Dttring 87 bestand die Besatzung
der Nymphe aus 23 Mann, d'Artois giebt ihr S. 278 nur 13 Mann, weil der
Kapitaiu mit der übrigen Mannschaft am Lande gewesen sei.
») Apercu 240.
') Campredon 149.
*) Apercu 240.
378
September. In der Nacht wurde der Bau einer Batterie von 2 — 24 Pfundern
(b'", 28) zwischen Schellmühl und Neu-Schottland mit der Front
gegen Fort Napoleon begonnen, welche ausser Bekämpfung dieses
Forts noch den Zweck hatte, die Weichsel abwärts zu be-
streichen'). Die Arbeit schritt trotz der Bekämpfung von 30
Kanonen und 30 Mörsern von den Batterien Montbrun, Gra-
bowski, vom Hagelsberge und vom Holm *) so vor, dass am
andern Morgen ein Angriff des Belagerten abgeschlagen werden
konnte ').
Am 18. wurde an der Allee vor Langfuhr in der Höhe von
Kabrun ein Durchstich (Abschnitt) hergestellt, der mit 150 Mann
besetzt wurde. Die Verbindung von Neu-Schottland mit Klein-
Schellmühl wurde beendet*), und alle begonnenen Arbeiten wuixlen
eifrig fortgesetzt. Nach Carapredon wurden von den Küssen
zwei Haubitzen auf der Höhe des Galgenberges, welcher die
Batterie Montbrun überhöht, aufgestellt, stellten jedoch ihr
Feuer bald ein, weil sie vom Holm aus flankirt wurden*).
Am 19. wurde das befestigte Haus am 2. Legan, da es sehr
ausgesetzt war und nicht mehr genügte, die Verbindung mit
Neufahrwasser aufrecht zu erhalten, geräumt und verbrannt^).
Der Belagerte arbeitete mit erhöhter Thätigkeit an Vollendung
der Batterien Gudin und Liedot, der Belagerer an Fortsetzung des
Batteriebaues und der Erweiterung der Tranchee. Preussischer-
seits wurde in der folgenden Nacht ein Flesche mit Laufgräben
am Ohraer Wäldchen aufgeworfen').
Am 20. In der Nacht zum 20. wurde seitwärts, hart vor
Schellmühl, eine geschlossene und palisadirte Batterie (b", 29)
zu 5 — 24Pfündern in Arbeit genommen*) und der Durchstich
*) Tagebuch PuUet's. Kriegs-Archiv F. 9.
2) d'Artois 278.
«) Campredou 149. Blech 2, 328.
*) Apercu 241.
*) Auriol 150.
^ Ebenda. Der Posten bestand aus einer daselbst gelegenen Scheune,
die roit Palisaden umgeben war.
^) Tagebuch des Majors von Hake. Kriegs-Archiv F. 9.
^ Tagebuch des Oberstlieutenants von Pullet, Kriegs-Archiv F. 9. Das
Apercu lässt bereits in der Nacht zum 18. den Bau aller 4 Batterien, die
379
an der x\llee bis zu den Bergen nnd links bis zu dem Hause September.
Kabrun verlängert, so dass eine Art zweiter Parallele entstand.
Ferner wurde die gedeckte Verbindung nach der neuen Batterie
hergestellt und die vom Hause Kabrun nach Schellmühl be-
endet ^).
Am Tage beschossen die Batterien am Belvedere und bei
Pitzkendorf die Batterien des Zigankenberges. Auch eine
Batterie auf dem Johannisberge (f ), die bei dieser Gelegenheit
zuerst erwähnt wird, nimmt Theil daran ^).
Am 21. Die Batterie bei Schellmühl wird beendet. Das
Feuer der betreflfenden Batterien gegen das ßetranchement
Zigankenberg wird fortgesetzt. Der Belagerte versieht die
Batterie Fischer an der Allee mit Flanken^).
Am 22. Fortsetzung der Arbeiten und der Beschiessung
des Zigankenberger Ketranchcments. Die Batterie (a" 27) bei
Klein-Schellmühl wird begonnen. Sie ist, wie b", für 5 — 24
Pfänder bestimmt. Während letztere gegen die obere Weichsel
und den Holm bestimmt ist, soll a" die Ebene nach der Ziegel-
scheune und Aller Engeln bestreichen^). Der Belagerte beginnt
auf dem Holm eine neue Batterie, die nach der in der Nähe
befindlichen Mühle die Batterie du Moulin genannt wird^).
Am 23. In der Nacht zum 23. erfolgt seitens der Russen
wieder eine Alarmirung von Ohra und der Sternschanze, jedoch
ohne Erfolg. Der Angriff wird am folgenden Nachmittage
später in der Linie Kabrau-Schellmühl augelegt wurden, beginnen. Wie aus
Anhang I hervorgeht, suchte der Herzog als Grundsatz festzuhalten, dass
der Batteriebau gleichzeitig mit dem Bau der Tranchee, also in der ersten
Nacht, erfolgte, und da dies nicht ausführbar war, sucht er es in seiner Dar-
stellung der Belagemngsarbeiteu als wirklich ausgeführt hinzustellen, um
jeden Vorwurf, der aus der Nichtbefolgnng des damals geltenden Grundsatzes
erhoben werden könnte, von sich abzuweisen. Dies Verfahren ist zur Beur-
theilung des aperen höchst charakteristisch.
*) Campredon 150.
*) Ebenda. Nach dem Tagebuch des preussischen Landwehr-Bataillons
No. 18, welches seit dem 17. das BataiUon No. 10 in Langfuhr abgelöst
hatte, hat die Batterie schon am 19. das Feuer eröffnet.
») Ebenda.
*) Punet. Tagebuch.
*; Campredon 151.
380
September, ebenso fruchtlos wiederholt^). Fortsetzung der Arbeiten Gudin-
Fischer und der Batterie Klein-Schellmühl *).
Am 24. In der Nacht zum 24. wird die Batterie Klein-
Schellmühl beendet. Von selten des Belagerten werden die
Bäume der Allee bei Aller Engeln gefällt. Fortsetzung der
Arbeiten^).
Am 25. In der Nacht zum 25. werden die Batterien bei
Gross- und Klein-Schellmühl mit 12 — 24Pfündern und 2 Hau-
bitzen armirt*). Von seiten des Belagerten wird die Batterie
Liedot bewaffnet. Am Tage Eröffnung des Feuers. Die Werke
des Retranchements Zigankenberg werden auf 18 Fuss Brust-
wehrstärke gebracht %
Am 26. Wegen Ausbesserung der Batterien schweigt das
Feuer. Hinter den Batterien Kirgener und Montbrun werden
Baracken für das Retranchement erbaut^).
Am 27. Liinette Cretin am Fort Montebello begonnen.
Am Tage beginnt ein heftiger (jesehützkampf, der 5 Stunden
währt, und woran auch die Werke von Neu-Schottland theil-
nehmen, die durch 4 Mörser und 4 Haubitzen vorstärkt worden
sind^). Die Bomben erreichen das Bastion St. Jakob.
220 preussische Artilleristen kamen mit 16 Mörsern und
5 Haubitzen aus Graudenz an ®). Es ist der letzte der preussi-
schen Transporte.
Am 28. Die Batterie Delzons wird beendet, ebenso die
Hohlräume des Retranchements Zigankenberg. Die Batterien
Gudin und Fischer werden mit Palisaden verstärkt^). Auf
Seiten des Angreifers wird an dem Ausbau der Werke der
^) Tagebuch des Majors Hake (Kriegä- Archiv) und diejenige der Division
Heudelet 126.
2) Camprcdou 152. d'Artois 285. Apercu 246.
3) Campredou 152. d'Artois 282.
*) Aper<;ii 247. Campredou 152. d'Artois 282.
») d'Artois 281.
ö) Campredon 153.
') Apercu 247.
») Ebenda.
^) Campredou 154.
381
Kontravallation gearbeitet, die bisher nur aus Aufwürfen be-
standen ').
Am 29. wird die Ausschiffung der Geschütze bei Koliebken
beendet. Die Russen vernieliren die Zahl ihrer Barken auf der
Inundation. Der Kapitain-Lieutenant Kaarulow der Marine er-
hält den Befehl darüber 2).
Am 30. zeigt sich der Belagerte mit 4 bewaffneten Fahr-
zeugen auf der Inundation, wird aber vertrieben'*). Gleiches
behauptet d'Artois zu gunsten der Franzosen*).
Der Herzog verlegt am 1. Oktober sein Hauptquartier Oktober.
nach Pelonken.
Der Stand der Besatzung ohne Beamte betrug am 1. Ok-
tober nur noch 19 (XK) Mann*').
In der Nacht fand der erste Frost statt. Nach dem AperQu
251 soll an diesem Tage eine heftige Beschiessung stattgefunden
haben ®).
Am 2. Oktober fallen nur w-enige Schüsse gegen die Ar-
beiter. Nur die Beschiessung des ßctranchements von Ziganken-
berg durch die Batterien vom Belvedere, Pitzkendorf und Johannis-
berg wird fortgesetzt.
Eine Kompagnie Festungs-Artillerie kommt aus Riga an,
auch eine Pontonier-Kompagnie ').
Ein Kabinetsschreiben langt an mit 19 eisernen Kreuzen
und dem Avancement der Majors Graf Dohna und Pullet zu
Oberstlieutenants *).
*) Apercu 250. Campretion (157) bemerkt noch unter dem 3. Oktober,
class er die nenen Arbeiten des Angreifer» vom Zigankenberg und den Höhen
von Schidlitz aus rekognuscirt habe, am 6. gemeinschaftlich mit Rapp die
vor dem Bischofsberg.
*) Ebenda. Nach Campredon S. 154 steUte der Belagerer an diesem
Tage eine Kommunikation von Striesshof nach Lauenthal her.
') Ebenda 251.
*) d'Artois 285.
*) Campredon 156. Nach Düring 95 war die Besatzung nur noch 17000
Mann stark, also halb so stark wie im Januar.
•) Das ist jedenfalls ein Irrthum. Nach den französischen Berichten
ist seit dem 27. und bis in den Oktober hinein nur wenig geschossen worden.
^) Apcrqu 251.
") Tagebuch des Majors von Hake. Der Major, bisher Generalstabsofficier
beim Grafen Dohna, wird zum Herzoge kommandirt.
382
Oktober. PuIlet drückt sich über die Thätigkeit des Belageren in
dieser Zeit, wie folgt, aus '). „Vom 1. bis 9. Oktober sind ausser
einer geschlossenen Batterie im Garten von Aschbude (Kabrun) ^),
um die Stadt zu haubitziren, fortwährend die Vorbereitungen
zur Eröffnung der Parallele (gegen den Bischofsberg) mit aller
Anstrengung betrieben, auch die durch das feindliche Geschütz
häufig in den Palisadirungen und Scharten ruinirten Batterien
in gehörigem Zustande gehalten — und endlich eine völlig
durch boyeaux gedeckte Kommunikation von Neu -Schottland
nach Reiershof gefertigt worden". Wie Carapredon unterm
2. Oktober berichtet'), war auch der Belagerte hauptsächlich
mit Arbeiten beschäftigt und, wie seine Arbeiten zur Ver-
stärkung des Retranchements und der Batterien Gudin und
Fischer sowie derjenigen auf dem Holm (Liedot und du Moulin)
beweisen, immer in dem Glauben befangen, dass die Olivaer
Front angegriffen werden würde.
Am 4. Oktober erscheinen bei Ohra auf der Mottlau 12
bewaffnete Fahrzeuge der Russen, wovon 5 mit Kanonen aus-
gerüstet sind.
Am 6. Oktober führen die Russen eine Tranchee gegen
den Zigankenberg aus, daran schliesst sich der Bau einer Re-
dute Nr. 16 (k")*) an dem Wege zwischen Dreilinden und Pitzken-
dorf. Die Batterien Kirgener, Istrien und Caulincourt be-
schiessen diese Arbeiten.
*) Tagebuch Pullets über die Ingenieur- Arbeiten. Kriegs- Archiv F. 9.
•) Der Bau der Batterie wurde vom Belagerten zuerst am 5. Oktober
entdeckt. Campredon 158. d'Artois 293. Diese übereinstimmenden Nach-
richten setzen die Unzuverlässigkeit des aper^u, die sich auch inbezug auf
die Batterien von Schellmühl ausdrückt, deren Bau es schon in der Nacht
vom 17. zum 18. September beginnen lässt, in das richtige Licht. Nach dem-
selben ist der Bau der Batterie schon am 26. beendet worden, so dass sie
schon an der Beschiessung vom 27. theilgenommen hat.
') Campredon 156.
*) Ebenda 159. d'Artois (S. 293) lässt sogar eine Verbindung dieser
Arbeiten über den Galgenberg nach den Laufgräben vor Laogfuhr herstellen.
Nach dem aper^u erfolgte der Ausbau dieser Redate (No. 16), welche schon
während des Waifenstil Island es flüchtig aufgeworfen worden sein soll, erst
am 26. Oktober, was auch Düring (S. 211) zu bestätigen scheint.
383
Am 7. Oktober. Die Beschiessung des Retranchements Oktober.
Zigankenberg hält noch immer an.
Am 8. eröffnet die Batterie Asciibude, welche mit 4 Mörsern
ausgerüstet ist, wozu später noch 2 — 8zöllige Haubitzen kamen,
das Feuer ^).
Am 9. um 10 Uhr morgens wird aus allen Batterien des
Belagerers sehr lebhaft geschossen. Das Feuer dauert jedoch
nur eine Stunde. Der General Rapp lässt infolgedessen die
in der Altstadt befindlichen Militair- Etablissements räumen,
namentlich das Pulvermagazin im alten Thorgebäude des
Bastions St. Jakob, das Lazareth im Pockenhaus, die Be-
kleidungs-Niederlagen in den Kirchen u. s. w. Die Vorräthe
werden theils nach der Speicherinsel theils nach der Vorstadt
gebracht. Die Kasernen im Holzraum werden geräumt*).
Der Frost lässt wieder nach, und es tritt Regenwetter
ein ').
Am 10. machen die Belagerten auf Booten einen Ausfall
gegen Plönendorf, bemächtigen sich daselbst einer Windmühle,
die sie zerlegen und nach der Stadt führen.
Um 7 Uhr abends beginnt ein heftiges Bombardement
gegen die Altstadt, um die Aufmerksamkeit der Besatzung ab-
zuziehen, da der Herzog einen Angriff auf die Schottenhäuser
beabsichtigt. Es hat auch den Erfolg, dass um 8Va Uhr im
Dominikaner - Kloster Feuer ausbricht. Das Klostergebäude
diente als Lazareth für 150 kriegsgefangene Russen, von denen
25 verbrannten. Glücklicherweise gelang es der Besatzung, ein
weiteres Umsichgreifen des Feuers zu verhindern. Die Ein-
wohner verhielten sich dabei sehr indolent*).
>) Nach dem Bericht des Majors Liebe (Kriegs-Archiv F. No. 9) ist die
Batterie zuuächst nur mit 2 — SzöUigen Haubitzen ansgerttstet und beginnt
erst am 10. das Feuer, was jedoch ein Irrthum sein mag, da Campredon 160
und d'Artois 294 übereinstimmen, dass die Batterie am 8. das Fener eröff-
net hat.
*) d*Artois 294. Campredon. von Düring 98, der auch noch das hei-
lige Leichnams-Hospital erwähnt, das geräumt wurde.
*) Campredon 161.
<) Ebenda 162. d'Artois 296. Blech 2, 2.38.
384
Die Erstürmung der Scliottenhäuser Hohen am
10. Oktober.
Die Quellen über das Gefecht vom 10. Oktober sind sehr
zahlreich, darunter viele von Augenzeugen. Zuverlässig sind
jedoch nur die Originalberichte. Alle späteren Darstellungen,
selbst von Augenzeugen, unterliegen den Einflüssen mensch-
lisclier Schwäche. So ist die Darstellung im Apercu gerade-
zu gefälscht, weil sie die ausgegebene Disposition falsch wieder-
giebt, um danach den Thatbestand zu verdunkeln.
Sie erwähnt mit keinem Wort, dass die Kolonne des
Majors Julius unter dem Befehle des Grafen Dohna stand, und
weist ihr in der Disposition den Auftrag zu, sich der beiden
Schanzen rechts der Scliottenhäuser *) zu bemächtigen, während
sie nach der ursprünglichen Disposition die Special-Reserve für
die 1. Kolonne bildete und erst in Thätigkeit trat, als der
Ausfall der Besatzung in 2 Kolonnen stattfand*). Die Ein-
nahme der beiden Schanzen fiel der 1. Kolonne zu und wurde
vom Major. von Me3'er mit dem 14. Landwehr-Bataillon prompt
ausgeführt. Ich halte mich daher in Folgendem strikte an
den Bericht des Grafen Dohna vom 12. Oktober an den König*).
.... Die 1. Kolonne bestand aus dem russischen Bataillon
Grenkowitz, 200 Arbeitern, dem 16., 9. und 14. Bataillon preu-
ssischer Landwehr, der 1. russischen Druschine der Petersburger
Landwehr und annoch 50 Arbeitern. Zu dieser Kolonne ge-
hörten 4 Wagen mit Brettern und 4 Wagen mit Sturmleitern,
Brecheisen und andern zum Sturm nöthigen Dingen. Die 2.
Kolonne bestand aus 2 Bataillonen des Regiments Briansk, 2
Eskadrons des Kasan'schen Dragoner-Regiments, einer Eskadron
von der 5. Landwehr-Abtheilung und einer russischen Batterie
^) Es sind die Stern- und die Hauptraanns-Schanze gemeint.
*) In der Eingabe des Herzogs über Anszeicknnngen für das Gefecht
V. 10. heisst es beim Major JuUus: „Führt« die 2. Kolonne und rückte mit
selbiger vor, als der Feind mit 2 Kolonnen einen AusfaU machte''. Das ist
ganz übereinstimmend mit dem Bericht des Grafen Dohna an den König,
aber im vollen Gegensatz zur Darstellung im Apergu.
") Kriegs-Archiv F. 8. Ganz übereinstimmend damit ist der Bericht
der 4. Land weh rbrigade und namentlich dadurch wichtig, dass er die Dispo-
sition des Herzogs wörtlich wiedergiebt. Kr.-Arch. F. 9. S. 7 ff.
385
von Grebel. Diese 2. Kolonne stand unmittelbar unter dem
Befehle des russischen Majors Julius, beide Kolonnen aber an-
mittelbar unter mir, da mir die Expedition übertragen war.
Die 3. Kolonne, welche die Reserve bildete, bestand aus 3 Es-
kadrons von der 4. Kavallerie-Abthoilung der Landwehr, einer
Eskadron der 5. Abtheilung, 4 Eskadrons des Kasan'schen Dra-
goner-Regiments, 1 Bataillon preussischer Landwehr, 1 Bataillon
Druschinen. 1 Bataillon vom 4. Jägerregiment, einer 6 pfundigen
Batterie Sommer, 1 — 6 pfundigen russischen Batterie, 2 Ba-
taillonen Druschinen und 1 Bataillon vom 1. See-Regiment. Diese
Kolonne stand unter dem russischen General Kulibakin.
Man hatte die Absicht, auf der Höhe zwischen den Schotten-
häusem und Ohra einen Laufgraben anzulegen, und es kam da-
her bei dieser Expedition darauf an, sich eines Blockhauses
von sehr erheblicher Stärke*) (es ist ein altes sehr massives
Gebäude), ferner einer Schanze^) auf der Höhe links von den
SchottenhäuseiTi , die unter dem Kartätschfeuer der Juden-
schanze ') lag, einer Batterie von 3 Kanonen, die refusirt in
der Vorstadt stand,, und zweier Reduten rechts von den Schotten-
häusern zwischen da und Ohra zu bemächtigen. Zu diesem
Zweck sollte die 1. Kolonne so verdeckt als möglich an die
Schottenhäuser herangehen. Der russische Major Grenkowitz
sollte mit seinem Bataillon (die Spitze haben und) dergestalt
vorrficken, dass er das Blockhaus umging, die Radaune passirte
>) Plan Taf. VI. B.
*) Die Lientenantsschanze.
') unter Jadenschanze kann hier mir die Jesniterschanze gemeint sein.
Zwar kommt in andern Berichten neben der Jesniterschanze, wie die „batteries
Frionl" genannt werden, auch die Judenschanze vor, aber als Bezeichnung
für den Posten des Sergeanten (vgl. oben S. 333). Dieser Posten hat jedoch
nie Geschütz enthalten. Das eigenthümliche Tracee der batteries Frioul, in
dem sie sich ans zwei Lünetten darstellten, hat den Belagerer dazn verleitet,
eine Juden- und eine Jesniterschanze anzunehmen, und da die Truppen
vorzngs weise von der ersteren belästigt wurden, deren linke Face dahin schlug,
so hielt man dafür, dass sie abgesondert anf dem Judenberge lag. Pullet
hat in den Skizzen, die er seinen Berichten an den König beilegte, die Jnden-
scbanze wirklich auf den Judenberg eingetragen, und erst in der Skizze seines
letzten Berichts vom 23. Novbr. wird der Posten des Sergeanten als Jnden-
schanze bezeichnet.
Köhler, Geschichte der Festangen Danzig und Weichselmünde. II. 26
386
und sich mit der Front gegen Danzig, an die üeberscliwemmnng
und an die Kadaune lehnte, wobei er sich eines Dammes in
seiner rechten Flanke zu bemächtigen hatte, welcher zu einem
feindlichen Posten in der Niederung führt. — Der Major von
Hülsen sollte mit 2 Kompagnien des 9. Bataillons die beiden
Schanzen rechts der Schottenhäuser nehmen und mit 2 Kompag-
nien das Blockhaus von seiner Seite einschliessen. — Der
Major von Brockhusen sollte mit dem 16. Bataillon links bei den
Schottenhäusern vorbeigehen, mit einem Theil seines Bataillons
die Radaune auf Brettern passiren und sich dem Major Gren-
kowitz anschliessen, um die Bewegungen des Feindes zu beob-
achten. Mit dem andern Theil seines Bataillons sollte er links
auf die Höhe gehen und die dort liegende Schanze nehmen und
mit dem 3. Theil des Bataillons das Blockhaus beobachten.
Das 14. Bataillon unter dem Major von Meyer sollte als 1. Reserve
dicht bei den Schottenhäusern stehen bleiben. Die 1. Peters-
burger Druschine sollte anfangs als Reserve hinten aufgestellt
werden.
Die 2. Kolonne unter Major Julius sollte en reserve rechts
unter der Batterie am Kosackenberge stehen bleiben und die
eigentliche Reserve unter dem General von Kolubakin ihre Po-
sition zwischen dem Kosackenberge und Wonneberg einnehmen.
Eine halbe Stunde nach Eintritt der Dunkelheit wurde ein
falscher Angriflf auf der Seite von Langfuhr und Pitzkendorf
gemacht^). Eine Stunde nach dem Finsterwerden wurden die
2 ersten Kolonnen, wie es befohlen war, vor Schönfeld ver-
sammelt und zu ihrem Zweck formirt. Die 1. Kolonne ging
links um den Kosackenberg durch Thäler bis an die Schotten-
häuser. Die 2. Kolonne ging rechts von dem Berge weg und
setzte sich unweit dem Eingang des Hauptthaies. Man setzte
sich in aller Stille in Marsch. Als die 1. Kolonne dicht vor
den Schottenhäusern ankam, erhielt sie auf 40 Schritt ein sehr
*) Der Oberst Tnrtschaminow, der ihn auf der Seite von Langfuhr führte,
während der Oberst Treskin von Pitzkendorf gegen Zigankendorf vorging,
entledigte sich seines Auftrags mit vieler Umsicht. Auf der ganzen Front
von der Weichsel bis zu den Bergen wurde ein lebhaftes Tirailleur-Feuer
unterhalten und sämmtliche Kanonen-Batterien waren gegen die Werke des
Vertheidigers in Thätigkeit gesetzt.
387
heftiges Feuer aus den Häuseni und einigen Retranchements.
Der Feind, der von unserer Absicht durch irgend eine Ver-
räthei-ei unterrichtet war, hatte sich völlig vorbereitet und
empfing uns mit allen Vortlieilen, die auf seiner Seite benutzt
werden konnten. Wir fanden auf diesem Fleck, wo sonst eine
Wache von 8 Mann, sowohl tags wie nachts gewesen war, mehr
als ein Bataillon und hinter diesem war alles noch stark be-
setzt. Das russische Bataillon stockte, das 16. preussische
Landwehr-Bataillon, welches unmittelbar folgte, nahm mit dem
Bajonett die Höhen und Retranchements links von den Schotten-
häusern. Die alte Disposition konnte nunmehr nicht mehr be-
folgt werden, da die an der Tete befindlichen Arbeiter zer-
sprengt waren, so dass es an den nöthigen Hilfsmitteln fehlte,
die Radaune zu überschreiten und die Palisaden abzuhauen. Ich
richtete daher den Angriff den nunmehr obwaltenden Verhält-
nissen nach ein, schickte unter dem Befehl des Brigadiers Grafen
Eulenburg sogleich das 16. und 9. Bataillon theils in gerader
Richtung, das Blockhaus rechts lassend, vorwärts, theils links
auf die Höhe. Das 14. Bataillon wurde rechts dicht an den
Schottenhäusern vorbei geschickt, um an stelle des 9. die beiden
Reduten zu nehmen. Das rechte Ufer der Radaune war zu
stark besetzt, und es war daher unmöglich, Brücken über die.Ra-
daune zu schlagen. Man beschränkte sich also darauf, bis an die
Radaune vorzudringen, um den Feind vom linken Ufer zu be-
schiessen. Hierbei that das russische Bataillon Grenkowitz sich
besonders heiTor. Die Majore Brockhusen und Hülsen ver-
trieben den Feind von den Höhen links, und ersterer nahm die
dort befindliche Schanze. Die 1. Druschine Petersburg wurde
ebenfalls nach dieser Seite herangezogen. Das linke Ufer der
Radaune war vom Feinde gereinigt. Der Major von Meyer
nahm die beiden Schanzen rechts mit vieler Entschlossenheit.
Bei allen diesen Bewegungen war das Blockhaus sehr im Wege,
zugleich war das Geschtitzfeuer sowohl von der Judenschanze
als von einer an der üeberschwemmung liegenden Batterie und
der Batterie in Ohra sehr heftig. Ich schickte dem Major Ju-
lius nunmehr den Befehl, mit Ausnahme der Batterie heranzu-
rücken, und liess den Oapitain von Gayette avertiren, dass er die
Schanzarbeiten beginnen könne. Der Major Julius stellte sich
25*
388
dicht bei den Schottenhäusern auf und schickte Kayallerie und
Schützendetachements zur Deckung der linken Flanke vor. Um
12 Uhr wurde die Trancheo eröffnet. Um sich des Blockhauses
zu bemächtigen, wurden zwei Haubitzen der Batterie Sommer
unter Bedeckung einer Eskadron der 5. Kavallerie-Abtheilung
und 2 Haubitzen der Batterie v. Grebel herangezogen, jedoch
konnten sie nichts effektuiren, indem das Blockhaus zu massiv
war und etwas verdeckt stand, so dass die Ecke des Hauses
nicht gefasst werden konnte".
So standen die Sachen, als gegen ein ühr^) der franzö-
sische Ausfall erfolgte. Wir müssen uns daher jetzt den fran-
zösischen Quellen zuwenden, von denen das Tagebuch der Di-
vision Heudelet die zuverlässigste ist.
Der General Rapp hatte ziemlich spät die üeberzeugung
gewonnen, dass die Angriffe von Ijangfuhr und Pitzkendorf her
nur zum Scheine waren. Er nahm darauf, was er in der Stadt
zur Hand hatte — es mochten gegen 2000 Mann sein — zu-
sammen und sendete sie unter dem General Husson gegen Ohra
vor.
Der General disponirte über seine Truppen in folgender
Weise. Der Major Dauger ersteigt mit dem Elitebataillon der
7. Balbbrigade auf dem planirten Wege am Jesuiterkollegium
die Höhe, wirft den daselbst befindlichen Feind zurück und
verjagt ihn aus den Posten des Sergeanten und des Lieutenants.
In 2. Linie folgen ihm zu seiner Unterstützung 400 Polen als
Flankendeckung, und um ihn nöthigenfalls aufzunehmen. Der
Bataillonschef Charton debuchirt an der Spitze von 300 Mann
der 6. Halbbrigade aus der Barriere der Kupttre von Stadt-
gebiet und wendet sich gegen den Hauptmannsposten und darauf
gegen die Sternschanze, welche vom Feinde besetzt sind. Vierzig
Mann nehmen in den Schluchten, welche zu den Reduten Friaul
und den Blockhäusern am Judenkirchhof und in Weinberg
^) üeber die Zeit, wo der Ausfall sich wirksam zeigte, gehen die Nach-
richten sehr auseinander. D^Artois sagt um 11 Uhr abends, das Tagebuch
der Division Heudelet uin Mittemacht, Brederlow (Allgem. Mil.-Zeitung 1880
S. 188) 1 Uhr, womit auch Canipredon S. 163 übereinstimmt, die Berichte
einzelner Truppentheile (Kriegs-Arch. F. 9) 2 Uhr, der Bericht Dohna's sogar
3 Uhr morgens.
389
führeil, Aufstellung zu deren Schutz. Die 300 Manu der 8.
Halbbrigade dienen vorwärts des Petershagener Thores als
Reserve. Die Kupfire und die Blockhäuser am Stadtgebiet
bleiben vom Major Legros besetzt^).
Der Major Dauger und der Bataillonschef Chartou führten
ihre Aufträge prompt und zu gleicher Zeit aus und be-
mächtigten sich der genannten Posten und der Schottenhäuser.
Die Arbeiten am Laufgraben waren seit 9 Uhr jedoch so weit
vorgeschritten, dass sie nur momentan unterbrochen wurden.
Die Geschütze der Reduten Friaul und der Kupüre waren die
ganze Zeit über in Thätigkeit geblieben und hatten ihr Feuer
gegen die feindlichen Reserven gerichtet. Wie es scheint, hatte
sich der Major Dauger jedoch mit der Wiedergewinnung des
Plateaus begnügt und der Bataillonschef Charten war nach der
Besitznahme der Sternschanze gegen das Hölzchen von Ohra
vorgegangen. Der Graf Dohna, unterstützt von 2 Bataillonen
der Reserve, welche der Oberst Bagajewski herbeiführte, be-
nutzte das, um sich wieder in den Besitz der Schottenhäuser
zu setzen ^). Die Arbeiten an den Laufgräben konnten wieder
aufgenommen werden, obgleich sie vom Hauptmanusposten und
der Sternschanze beschossen wurden. Die leitenden Ingenieur-
officiere halfen sich, indem sie Traversen auf warfen und auf
dem rechten Flügel einen Haken bildeten, der gegen 300 Schritt
0 Tagebuch der Division Heudelet S. 129.
*) Die russischen Berichte (das Jurnal im Archiv nnd bei Plotho) sagen
irrthamlich , dass der Hauptmannsposten und die Stemschanze noch in der
Nacht wiedergenommen wurden, und das apercju geht sogar (S. 274) so weit
zu behaupten, dass das Plateau der Stcrnschauze fortwährend im Besitz des
Majors Julius geblieben sei. Der preussische Landwehrofficier von Brederlow,
welcher dem Gefechte beiwohnte, sagt in einem Briefe vom 17. Oktober
(Allgem. Milit.-Zeitung von 1880 S. 188) darüber, dass die Franzosen, nachdem
sie den Grafen Dohna aus den Schotteuhäusem vertrieben, sich an den Häusern
(von Ohra) fortgescb liehen und „von dort ans uns genöthigt hätten, alles zu
verlassen**. Sie wären dann bis ins Ohraer Wäldchen vorgedrungen, was
Dohna benutzt habe, um von neuem anzugreifen. „Wir behaupteten", fährt er
fort, „den Berg rechts der Schottenhäuser, die vordem Häuser bis ans Block-
haus (B) und konnten in derselben Nacht und tags darauf im feindlichen
Feuer die Tranchee anlegen, die seit 2 Tagen (und Nächten) zwei Reduten
(Nr. 33 und 34, oder e" und f") hat"» Das stimmt mit den französischen
Berichten überein.
390
von den feindlicheii I^osten ablag*), möglichist dagegen ge-
schätzt.
Das Gefecht dauerte die ganze Nacht hindurch. Der Ge-
neral Rapp musste sich überzeugen, dass er bei der hartnäckigen
Ausdauer des Feindes eine Auffrischung seiner im Gefecht be-
findlichen Truppen werde eintreten lassen oder die vorgescho-
bene Position werde aufgeben müssen. Da er die Mittel zu
ersterem nicht mehr besass, zog er um 9 Uhr morgens (S. 11)
die Truppen des Generals Husson in die Stadt zurück und über-
liess den Vorpostenkommandeur seinem Schicksale.
Der Verlust war auf selten der AUiirten sehr bedeutend.
Er belief sich auf 3 Officiere, 80 Mann todt und 6 Officiere,
362 Mann verwundet^). Auf französischer Seite giebt Dttring
S. 109 den Verlust auf 5 Officiere, 123 an Todten, Verwundeten
und Gefangenen an. Nach dem Tagebuch der Division Heudelet
S. 131 betrug er allein für die Division, der die Truppen aller-
dings fast ausschliesslich angehörten, 5 Officiere, 15 Mann todt,
8 Officiere, 114 Mann verwundet. Man kann diese Zahlen als
officiell betrachten und danach die blossen Schätzungen beur-
theilen. Das apergu und Blech geben den Verlust der Fran-
zosen auf 700, das russische Jurnal und Plotho sogar auf 1000
Mann an.
Die Russen hatten den Tod des Obersten Bagajewski zu
beklagen, der allgemein bedauert wurde. Preussischerseits blieb
der Graf Kayserlingk. Der Hauptmann von Podewils wurde
scliwer verwundet und starb bald darauf. Von französischen
Officieren wurden der Generallieutenant Campredon und der
General Husson leicht verwundet.
In den russischen Berichten werden rühmend erwähnt der
*) Die Arbeit an der Traucliee wird vom d'Aitois (S. 299) und Cauipredou
(S. 163) bestätigt. „Campredon erklärt ausdrücklieb, dass die Posten von
9 bis 1 Ubr im Besitz der Russen gewesen sind und au der Tranchee fort^je-
arbeitet worden ist.
*) Damit stimmt aucb das russische Jamal im Archiv überein und setzt
ausdrücklich hinzu, dass der preusaische Verlust darin einbegriflfeu ist. Plotho
lässt diese Zahlen jedoch nur für die Russen gelten und giebt den Verlust
der 3 preussischen Landwehrbataillone, die am Gefecht theilnahraen, auf
}0 Officiere, 236 Mann an.
391
Graf Dohna, Pullet, die Majors Julius, Grenkowitz und Bötticher,
sowie der Hauptmann von Korf, Chef der reitenden Batterie
No. 19, in den französischen: Husson und Legros.
Gegen die nördliche Front wurde das Geschlitzfeuer die
ganze Nacht hindurch unterhalten, nur die Raketen und etwas
später die Mörser stellten das Feuer früher ein. Gegen Schidlitz
und Stolzenberg waren Scheinangriffe gemacht worden.
Nach dem Abzüge des Generals Husson gelang es den Alli-
irten leicht, die Franzosen aus den vorgeschobenen Posten zu
vertreiben. Schon um 10 Uhr morgens wurden die Sternschanze
und der Hauptmannsposten geräumt ^). Am längsten hielten sich
die Franzosen in Ohra, das schliesslich von den Russen ver-
brannt wurde, allerdings zu ihrem Nachtheil, da die Franzosen
dadurch von der Eupüre aus, die sie behaupteten, freies Schuss-
feld erhielten. Der Verlust der Franzosen wird an diesem Tage
(dem 11.) nach dem Tagebuche der Division Heudelet auf 10
Todte und 56 Verwundete angegeben.
Die Franzosen rühmen sich, dass der einfache Aufwurf
des „poste de l'etoile'^ die Russen 44 Tage lang (28. August bis
10. Oktober) aufgehalten habe. Was hätten die Russen mit
dem Boden machen sollen, den sie mit soviel Blut getränkt
hätten? Sie hätten unnöthig die Aufmerksamkeit der Franzosen
auf den Punkt gelenkt und die Ueberraschung aufgegeben, die
ihnen am 10. Oktober so vortheilhaft war, dass sie vier Stunden
Zeit gewannen, um sich einzugraben, bevor Rapp den retour
offensif ausführte. Die Zeit für den Angriff am 10. Oktober
war dadurch genau bestimmt, dass sie erst dann die erforder-
liche Anzahl von Geschützen und Material bereit hatten, um
die Jcsuiterschanze pp. bekämpfen zu können. Ihre früheren
Angriffe auf den Posten hatten nur den Zweck geliabt, den Be-
^) Tagebuch der Division Heudelet. Uebereiustimmend damit das Tage-
buch vom Major v. Hake. Kriegs- Archiv F. 9. Nach Campredon trifft das
iinr bei der Stenisehanze zu, der Hauptmannsposten soll sich bis zum Abend
gehalten haben. D'Artois lässt beide bis zum Abend im Besitz der Franzosen,
was von dem Tagebuch Pnllet's über die Ingenieur- Arbeiten (Kriegs-Archiv
d. Gr. Gen.-St.) bestätigt wird. Hiernach hätte der Augriff der Russen erst
nachmittags 4 Uhr begonnen und zwar von Ohra aus. Von den beiden Posten
erwähnt Fallet aUerdmgs nichts, die daher schon früher geräumt sein können.
392
lagerten mürbe zu machen oder in einigen Fällen die Aufmerk-
samkeit desselben von andern Punkten abzulenken, wie am 29.
August und 16. September.
3. Die BeschlessuRfl Danzlg's.
Wie aus den preussischen Quellen liervorgeht, hatte der
Herzog, indem er sich der Höhen der Schottenhäuser bemäch-
tigte, keineswegs die Absicht, wie er es nachträglich infolge
des glücklichen Ausgangs behauptet *), die Stadt von hier ans
zu bombardiren. Es kam ihm vielmehr darauf an, sich eine
Position zu schaffen, die mit Anlehnung an die Inundation für
das Belagerungskorps auf dem rechten Flügel eine ähnliche
Lage herbeiführte, wie sie durch die Stellung von Gross- uud
Klein-Schellmühl mit der Anlehnung an die Weichsel der linke
Flügel besass*). Die Position an den Schottenhäusern gewährte
dabei noch den Vortlieil, bei dem projektirten Angriff auf den
Bischofsberg den rechten Flügel desselben, der sonst ganz in
der Luft geschwebt liätte, zu schützen und die Jesuitei-schanze
zu bekämpfen *), welche eine Flaukirung des Angriffs ausgeübt
hätte. Es schien dies um soniehr gerechtfertigt, als die Mittel
zum Angriff des Bischofsberges noch nicht bereit waren. Aber
täuschte sich der Herzog hierin nicht? Die Ausschiffung der
Artillerie war seit dem 29. September beendet, die sehr an-
sehnliche preussische Artillerie stand zu dieser Zeit bereits im
Park, die Munition für dieselbe war gefertigt*). Wenn man
bedenkt, dass der Marschall Lefebvre 1807 die 1. Parallele er-
öffnen Hess, ohne dass seine Artillerie überhaupt angelangt war,
und dass die Laufgräben bis zur 3. Parallele vorpnssirt wurden,
>) Apercu 280.
•) So steUt es wenigstens PulJet dar, Tagebuch der lugenieurarbeiteu.
Kriegs- Archiv F. 9. Offenbar ist das jedoch eine später gebildete Ansieht.
Den wahren Hergang werden wir weiter unten kennen lenien.
') Tagebuch des Majors Liebe. Ebenda.
*) Schreiben des Majors Liebe an die General-Inspektion der ArtiUerie
vom 2. Januar 1814. Kriegs- Archiv No. 12: „Warum die Belagerung nicht
schon mitte September begonnen, ist mir unbekannt. Die Artillerie war
schon am 14. Oktober auf 24 Tage mit Munition versehen. Vielleicht fehlte
99 fui Faschinen und Schanzkörben''.
393
ohne dass von der Artillerie auch nur ein Schuss gethan wur-
den wäre, so kann man die Bedenklichkeiten des Herzogs nicht
theilen. Die Gründe, die er angiebt, den Angriff des Bischofs-
berges so lange liinaus geschoben zu haben, sind nicht stich-
haltig. Zunächst hielt er sich nicht für stark genug und hatte
6000 Mann Hilfstruppen verlangt; dann sollen die Faschinen
und Schanzkörbe gefehlt haben; in einem Schreiben vom 9. Ok-
tober an den König giebt er an, dass er aus Mangel an Ar-
tilleristen, die erst aus der Landwehr gebildet werden müssten,
nichts Grosses beginnen könne 0. Was die Stärke betrifft, so
giebt er sie in einem Schreiben vom 23. Oktober incl. der
Kranken auf 32000 Mann an, wovon jedoch 3500 Mann auf
Kommando in Pommern und im Herzogthum Warschau waren,
um die nöthigen Bedürfnisse beizutreiben*). Warum ist es,
kann man fragen, mit dieser Mannschaft, die durch Krankheiten
sich noch bedeutend vermindert hatte, später gegangen, nach-
dem sich die Schwierigkeiten durch die schlechte Jahreszeit
noch bedeutend vermehrt hatten? Inbetreff der andern Punkte
kann doch nur eigne Verschuldung vorliegen, da der Waffen-
stillstand Zeit genug geboten hatte, Faschinen und Schanzkörbe
anzufertigen und Artilleristen auszubilden.
Was hinderte nun vollends den Herzog, am 10. Oktober
statt der Schottenhäuscr die Jesuiterschanze anzugreifen*)?
Die Verhältnisse lagen so günstig wie möglich für ein Gelingen
dieses Angriffs. Die beiden Lünetten derselben bestanden zu
dieser Zeit aus einfachen Feldwerken, die nicht sturmfrei waren.
Die üeberraschung wäre ebenso gross gewesen wie beim An-
griff der Schottenhäuser und hätte, bevor der Gegenstoss er-
folgte, mehrere Stunden Zeit gegeben, sich einzugraben. Der
Jesuiterberg wäre dadurch zu einer starken Position geworden,
die Rapp schwerlich hätte bewältigen können, da er alle Ver-
anlassung hatte, mit seinen Kräften haushälterisch umzugehen.
Der Herzog hätte sich ein Beispiel an Müunich nehmen sollen,
*) Kriegs- Archiv F. 15.
*) Ebenda.
') So lag es in seiner Absicht. Wie ans Anhang I hervorgeht, hat
der Major von Hake auf Veranlassung des Grafen Dohna den Herzog um-
gestimmt. Siehe die folgende Note.
394
der 1734 die Danziger Besatzung von Schottland und Stadtge-
biet im Rücken angriff. Am 10. Oktober 1813 wäre die 600
Mann starke Besatzung der Kuptire A mit den Vorposten wahr-
scheinlich abgeschnitten worden, jedenfalls nicht imstande ge-
wesen, angriffsweise vorzugehen. Sie hätte sich bis zur Ankunft
der Verstärkungen überhaupt nicht halten können. Bei einem
ungünstigen Ausfall des Angriffs wäre der Rückzug in keinem
Fall gefährdet gewesen.
Wie die Verhältnisse nach Erstürmung der Schottenhäuser
nun einmal lagen, wäre nichts anderes übrig geblieben, bevor
man zu den Angriftsarbeiten gegen den Bischofsberg schritt,
als sich der Jesuiterschanze und der Lünetten Istrien und
Kirgener des Zigankenberges gewaltsam zu bemächtigen, bevor
sie noch stärker befestigt wurdön. Das war die Ansicht
Pullet's und des Kommandeurs der russischen Artillerie, Schul-
mann. Dazu war der Herzog jedoch nicht zu bewegen ') und
fand in dem Bombardement der Speicherinsel einen Ausweg,
den er mit grossem Eifer ergriff. Der Zeitpunkt, wo er den
Entschluss fasste, ist genau festzustellen. Es war gegen Abend
des 15. Oktober^). Der Herzog hatte durch seine Agenten in
der Stadt erfahren, dass der Guverneur die Lebensmittel auf
der Speicherinsel untergebracht habe. Ein Bombardement hätte
*) Der Herzog war auf die Vorstellungen des Majors von Hake, statt des
Angriffs auf die Jesuiterschanze sich der Stellung an den SchottenhäuscrD
zu bemächtigen, eingegangen, um hier Batterien zu erbauen und den Angriff
auf die Jesuiterschanze wirksam vorzubereiten. Da fasste er am 15. den
Entschluss, die Speicherinsel zu bombardiren, und mit der gewaltsamen Weg-
nahme der Jesuiterschanze war es zu Ende. Vergl. die folgende Note.
*) Der Major Liebe war am 15. Oktober mit den Vorbereitungen zur
Armirung der beiden in der Tranchee auf den Höhen der Schottenhäuser er-
bauten Batterien, welche bestimmt waren, die Juden- und Jesuiterserschanze
zu beschiessen und zu bewerfen, beschäftigt. ,, Inzwischen", erzählt der Major
in seinem Bericht vom 23. Oktober, Kriegs- Archiv F. 9 „schickte gegen Abend
der Herzog den Befehl, die auf der Speicherinsel befindlichen Speicher sollten
durch die preussische Artillerie mit 6 — 50 pftlndigen Mörsern in Brand ge-
steckt werden, weil sich in denselben die Lebensmittel für die Garnison be-
fänden. Hierauf schlug ich vor, dass dieser Zweck durch glühende Kugeln
und Haubitzgrauaten, mit den bestimmten Bomben gemeinschaftlich gebraucht,
sicherer und geschwinder erreicht werden würde. Se. Kgl. Hoheit genehmigte
meinen Vorschlag und überliess mir die Ausführung".
395
daher von den grössten Folgen sein können. Die grosse Ent-
fernung der Insel Hess das Projekt jedocli als sehr problematisch
erscheinen. Die Lebensmittel waren ausserdem im nördlichen
Theil der Insel untergebracht, der ganz ausserhalb der Trag-
weite der damaligen Geschütze lag, was der Herzog nicht ge-
wusst zu haben scheint. Pullet und Schulmann legten daher
auch gar kein Gewicht auf das Bombardement, und da der
Herzog ihren Vorträgen kein Gehör lieh, wendeten sie sich am
17. Oktober schriftlich an ihn, um sich als Leiter der Bela-
gerungsarbeiten jeder spätem Verantwortung zu entziehen. Sie
legten die Nothwendigkeit dar, sich der Jesuiter- und Ziganken-
berger Schanzen auf gewaltsamem Wege zu bemächtigen. Der
Herzog antwortete ihnen am folgenden Tage schriftlich ziemlich
schroff, dass es bei seiner Instruktion sein Bewenden haben müsse*).
Es scheint selbst, dass er sich Pullet gegenüber in den nächsten
Tagen in gereizter Stimmung befand, denn er beauftragte den
eben aus Russland angekommenen Ingenieuroberst Manfredi zur
Weiterführung der Ingenieurarbeiten. Diese bestanden in dem
Vorpussiren der Sappe aus dem Thale der Schottenhäuser gegen
die Jesuiterschanzc. Der Vertheidiger blieb jedoch in dieser
Zeit nicht unthätig und schob sowolil von der Jesuiterschanze
als vom Zigankenberg Werke vor, die den Herzog in nicht ge-
ringe Verlegenheit setzten, weil er sich gezwungen sah, nun
doch zum gewaltsamen Angriif zu schreiten, um zu verhindern,
dass diese Werke (die avancee Frioul und die avancee Kirgener,
wie sie von den Franzosen genannt wurden) nicht eine Festig-
keit erreichten, die ihren Angriif zu sehr erschwerte. Die
Nacht vom 1. zum 2. November wurde zur Ausführung be-
stimmt. Beide Werke wurden erstürmt, mussten aber infolge
eines Gegenangriffs wieder geräumt werden. Doch gelang es,
am folgenden Tage wenigstens die avancee Kirgener ohne grossen
Widerstand wieder einzunehmen. Gleichzeitig wurde das Dorf
Stolzenberg genommen und die 1. Parallele gegen den Bi-
schofsberg eröffnet. Aber die Lünetten des Jesuiter- und
Zigankenbergs befanden sich drohend vor den beiden Flanken
der Parallele. Die Aufgebung der avancee Kirgener und des
*) Kriegs-Arcbiv F. 15. Siehe AuhaDg II.
396
Dorfes Stulzeiiberg von selten des Belagerten war die Folge
eines grossen Brandes, der in der Nacht vom 1. zum 2, No-
vember die Lebensmittel der Besatzung vernichtete und den
Guverneur und die Besatzung aufs tiefste alterirte*). Das
Feuer, durch das Bombardement erzeugt, war nur dadurch an
den Aufbewahrungsort der Lebensmittel gelangt, dass es sich
dahin verbreitet hatte. Geschosse hatten die Gegend nicht er-
reicht. Es war daher ein ganz zufälliges Ereigniss, auf das
der Herzog keinen Grund hatte stolz zu sein, das er aber nicht
verfehlte, als einen grossartigen Erfolg seiner Leitung aufzu-
bauschen.
Zu den Details übergehend, so sind die Ereignisse des
11. Oktober bereits oben im Anschluss an das Gefecht zum 10.
berichtet worden. Wenn Pullet im Tagebuch der Ingenieur-
arbeiten (Kr.-Arch. F. 9) sagt, dass um IV U abends die ganze
Position, deren Eroberung am 10. intentionirt war, sich in
„unsern" Händen befand, so bezieht sich das nur auf den Ge-
winn der beiden Schanzen etoile und capitaine, auf den Besitz
von Ohra und der Hohen der Schottenhäuser, auf denen noch
in der Nacht vom 10. und 11. die Tranchee eröffnet worden
war*). Die 1. Kupüre und das Blockhaus B blieb noch in den
Händen des Feindes^).
^) d^Artuis sagt S. 856 darüber: ^un d^couragemenc geueial semblait
avoir frapp6 les d^fcnseurs de Dantzig, absorbes daiis les id^es les plus
penibles ^.
') Seiiicu Gruudsätzeii getreu, den Batteriebau gleichzeitig luit der Tran-
chee in der ersten Nacht ausführen zu lassen und dies auch, unabhängig
davon, ob es wirklich geschehen ist, in der Darstellung zum Ausdruck zu
bringen, lässt der Herzog im aper^u (S. 280) den Bau der 4 Batterien auf
der Höhe der Schottenhäuser schon in der Nacht vom 10. zum 11. beginnen.
Wie wir gesehen haben, behauptet er auch, dass die beiden Schanzen des
Etoile und capitaine vom Major Julius genommen und die ganze Nacht über
behauptet worden sind, und S. 280, dass aUe 4 Batterien gegen die Speicher-
insel bestimmt waren.
^) Was die Eäumnng der 1. Kupüre und des Blockhauses B durch die
Franzosen betrifft, so gehen die Nachrichten darüber sehr ans einander, und
es bleibt nichts übrig, als die französischen Nachrichten, die alle Wahrschein-
lichkeit für sich haben, als richtig anzuerkennen, wonach sie erst am Bl Ok-
tober aufgegeben worden sind. Nach dem Tagebuch der 4. ostpreussischen
397
Der 12. In der Nacht zum 12. wird die Tranchee nach Oktober,
beiden Seiten verlängert und mit dem Bau von zwei Batterien
zu 5 resp. 7 Geschützen begonnen ^).
Die Besatzung der Kupüre 1 hatte viel zu leiden, da sie
eingesehen wurde. Namentlich sind die Artilleristen und ihre
Pferde, die immer angeschirrt bleiben mussten, sehr ausgesetzt
gewesen.
Der General Kapp besichtigte im Lauf des Tages in Be-
gleitung des Generals Campredon den Jesuiterberg, um die
Punkte zu ermitteln, wo Befestigungen anzubringen waren. Es
wurde beschlossen, in der Höhe der Jesuiterkirche einen Ab-
schnitt (D) durch das Dorf Schottland zu legen, der bis zur
Inundation ging und da, wo er sich rechts an die Höhe lehnte,
eine Lunette (E) auf der Kante des Berges als Stiitzpunkt er-
halten sollte. Die Lünette sollte durch einen Verhau am Ab-
hänge mit dem Abschnitt verbunden werden^).
Von Seiten des Belagerers unterhielten die Batterien von
Kabrun, Neu-Schottland und Schellmlihl seit Mittag ein massiges
Feuer ').
Das Wetter ist regnerisch, aber warm*).
Den 13. Die beim Batteriebau beschäftigten Arbeiter wer-
den von der Jesuiterschanze beschossen und müssen am Tage
die Arbeit einstellen. Um 2 Uhr nachmittags beginnt der Be-
lagerte die Arbeit am neuen Abschnitt in Schottland. Die
Häuser des Dorfs werden, soweit sie maskiren, niedergerissen.
Die beiden Häuser an der Inundation werden zu Blockhäusern
Brigade (Kriegs- Archiv F. 9) ist es schon in der Nacht vom 16. zum 17.
Oktober erfolgt, nach dem apergu am 22. Oktober.
>) Mit Ausnahme des aper^u stimmen darin die übrigen QueUen überein.
Es sind die Batterien des linken Flügels No. 33, 34 (e", f" des apergu).
Schon ihre Lage deutet an, dass sie nicht gegen die Speicherinsel bestimmt
sein konnten, sondern, wie Liebe ausdrücklich ausspricht, gegen die Jesuiter-
schanze.
«) Campredon 165. d'Artois beschreibt S. 307, 308 den Abschnitt von
Alt-Schottland (die 2. Kupüre) näher. Die Gebäude des Jesuiter-Koilegiums
und die Kirche wurden zur Vertheidigung eingerichtet und bildeten einen
änsserst wichtigen Stützpunkt der Stellung.
•) Apercu.
*) Campredim.
_398_ _
Oktober, umgescliaffen. Gleichzeitig wird die Lünette E, vom aper^u v "
genannt, in Angriif genommen. Sie erhält den Namen avancee
Frioul ').
Um 9 Uhr abends machen die Russen einen kurzen Ver-
stoss und erheben ein furchtbares Geschrei, so dass der General
Rapp sich veranlasst sieht. Generalmarsch schlagen zu lassen.
Doch konnte er schon um 10 Uhr die Truppen wieder entlassen,
da sich die Russen wieder zurückzogen^).
Das Wetter war sehr schön.
Den 14, Foitsetzung der beiderseitigen Arbeiten. Das
Wetter ist sehr schlecht. Erst um 10 Uhr morgens hört der
Regen auf.
Den 15. Fortsetzung der Arbeiten. Die von Preussen er-
bauten beiden Batterien (3!^. 34) werden beendet*). Da die
baldige Räumung der Kuptire 1 zu befürchten stand, werden
französischerseits die Arbeiten an Kuptire 2 beschleunigt. Es
wird auch am Tage daran gearbeitet*).
Aus Russland langen 300 Sappeure und Pionieie mit 7 Offi-
cieren an*^).
Es tritt Kälte ein.
Den 16. In der Nacht zum 16. werden die beiden Bat-
terien Nr. 33. 34 armirt ^) und an einem flankirenden Vorsprung
*) Ebenda. d'Artois.
*) Ebenda 166, 167. Nach dem Tagebuch des Majors von Hake (Kriegs-
Archiv 202 E.) sind es im Gegentheil die Franzosen gewesen, welche von der
Radaune her einen Angriif anf die Tranchee gemacht haben, aber zurückge-
schlagen wurden. Dafür spricht auch, dass die Besatzung der SteHnng der
Bussen am folgenden Tage bedeutend verstärkt wurde. Am Ohraer Wäld-
chen werden 2 russische BataiUone aufgesteUt und das ostpreuss. Landwehr-
BataiHon No. 19 dem General Naumief, welcher die Trancheewache befehligt«,
als Reserve beigegeben. Ausserdem wurden am Kosackeuberge 2 halbe Ba-
taillone und ein Kosackenregiment, sowie im Wonneberger Thal 2 Eskadrons
aufgestellt.
■) Tagebuch des Majors Liebe. Kriegs-Archiv.
*) Campredon 167.
'') Apergu 282.
^ Wie es scheint, haben diese Batterien am 16. das Feuer gegen die
Jesuiterschanze eröffnet, wie es nach Campredon S. 169 und Düring S. 102
wahrscheinlich ist. Auch nach dem Tagebuch des Majors Hake ist das Fener
am 16. eröflFnet worden, doch äussert er sich nicht über das Ziel.
des Abhanges zum Dorfe Stadtgebiet, gegen 100 Meter rückwärts Oktober,
der Tranchee, eine Batterie (No. 31 oder c") erbaut, wozu 100
Preussen kommandirt waren. Die Batterie war für eine 10 zöl-
lige und 2 — 8 zöllige Haubitzen bestimmt. Ausserdem wurden
in der Mitte der Tranchee Bettungen für 5 — 10 zöllige Mörser
gelegt ^). Auch scheint die Batterie Nr. 32 (d ") in dieser Nacht
erbaut worden zu sein, welche von den preussischen Quellen
nicht erwähnt wird, weil sie von Russen bedient wurde ^). Die
Batterien 31 und 32 werden am 17. armirt, Nr. 32 schiesst
auch.
Die Brustwehren der Lünetten Friaul, welche ursprünglich
nur 9 Fuss stark waren, werden durch Ansetzen zweier Reihen
Sappenkörbe nach innen auf die Stärke von 15 Fuss gebracht').
In diesen Tagen war auch von den Russen an einer Ku-
püre durch das Dorf Stadtgebiet bis zur Inundation gearbeitet .
worden. Nach dem apergu 283 ging sie von der Batterie c"
(31) aus und wurde am 17. beendet, was auch von Pullet be-
stätigt wird*).
Die täglichen Kommandirungen von 200 Mann wurden
russischerseits fortgesetzt. Ein solches Detachement dringt am
17. in Schidlitz ein und zerstört 2 Barrieren'^).
Das Wetter ist an diesem Tage regnerisch und windig.
Am Morgen des 18. wurde das Feuer gegen die Stadt er-
öffnet ^). Da jedoch kein Brand entstand, verstärkte man gegen
^) Mfgor Liebe, PuUet, von Hake, übereinstimmend mit d^Artois und
Campredon. Das aper^u ist für diese Zeit ganz unzuverlässig. Nach ihm
sind die beiden Batterien e", f " schon in der Nacht zum 14. und die Batte-
rien c" und d" in der Nacht zum 15. armirt worden, die Batterien hätten
demnach schon am 15. und 16. das Feuer eröffnet.
*) d'Artois 315. Campredon 169. Apercu 282 lässt sie schon am 15.
das Feuer eröffnen, was ein Irrthum ist.
') Campredon 170. d'Artois.
*) PuHet. Tagebuch: „Vom 12. bis 17. wurde daran gearbeitet, sich in
der neuen Position auf den Höhen bei den Schottenhäusem quer durch Stadt-
gebiet (bei den Franzosen wird dieser Theil schon zu Ohra gerechnet) bis an
die Inundation so festzusetzen, dass es dem Feinde nicht mehr gelingen
konnte, auch mit dem härtesten Andränge uns wieder zu delogiren". Siehe
Taf. VI.
*) Apercu 283.
®) Nach dem Tagebuch des Majors Liebe wirkten gegen die Stadt 5 — 24
400
Oktober. Abend die Ladungen und vermehrte die Erhöhungen^). Das
Bombardement war mit Werfen von 400 Raketen begleitet, von
denen jedoch keine die Stadt erreichte*).
An dem Bombardement vom 18. haben auch die Batterien
von Neu-Schottland, Kabrun und Schellmühl theilgenommen.
Ihre Gescliosse beunruliigten den nördlichen Stadttheil, die der
Ohraer Batterien den südlichen. Die Langgasse bildet die
Grenze zwischen beiden Wirkungssphären. Haubitzen und
Mörser erreichten die Speicherinsel nicht, die glühenden Kugeln
der mit 4 — 24Pfündern versehenen Batterie 32 hatten dagegen
eine Schussweite von 2600 und 2800 Meter. Einige erreichten
selbst die Kirche von Langgarten (3300 Meter). Sie zünden
an 7 bis 8 Orten, allein in der Langgasse dreimal, doch wird
das Feuer noch immer bald gelöscht. Um Mittag hören die
• Congrevischen Raketen, etwas später auch die Mörser zu feuern
auf. Die Kanonen massigen das Feuer.
Die Arbeiten am Abschnitt in Schottland und in der
avancee Frioul, obgleich von der Batterie 31 heftig beschossen,
werden Tag und Nacht fortgesetzt. Das Feuer vom Bischofs-
berge und der Jesuiterschanze wird sehr lebhaft unterhalten.
Auch die Bastione Gertrud und Maidloch der Stadtbefestigung
nehmen an der Beschiessung der Batterien des Gegnei-s theil.
In einer der Batterien werden 2 Scharten demontirt').
Pfander, 1 — 10"ge und 4 — 8"ge Haubitzen und 6 — 10"ge Mttrser. Es
scheint demnach, dass die Batterien e'' (33) und f" (34) gegen die batteries
Frioul (Jesuiterschanze) schössen.
^) Der Major Liebe sagt darüber: Bei diesen starken Ladungen wur-
den den Artilleristen durch den ans der Mündung kommenden Feuerstrom die
Mäntel verbrannt. Die Mortier-Bettungen wurden durch 6 — 8 Wurf zermalmt,
ohnerachtet sie aus lauter aneinander gelegten 8 ''gen starken Rippen be-
standen Gegen die Haubitzlaffeten war der Rückstoss so gro.s8,
dass die Splintbolzenküpfc absprangen Und dennoch erreichte man
nichts, weil die Entfernungen zu gross waren. Kriegs-Archiv F. 12 S. 7.
*) Liebe sagt darüber ebenda: „Viele krepirten in der Luft und einige
stiegen fast kerzengerade in die Höhe, statt sich vom Standpunkte zu entfernen.
Eine jede Rakete soll 3 Guineen kosten. Weiter als 1500 Schritt mag keine
gegangen sein, auch hielten viele nicht genau Linie, sondern flogen beinahe
ganz seitwärts". Ueber die Zahl 400 kommen Pullet und Liebe überein,
während die Franzosen 15 bis 1600 gezählt haben wollen.
•) Apergu 283.
ioi _
Am 19. wird das Bombardement in der Nacht und am Oktobet.
Tage heftig fortgesetzt^). Auf dem langen Markt werden
mehrere Menschen getödtet. Die Batterien von Ohra haben von
einer auf der Mottlau schwimmenden Batterie zu leiden. Der
Herzog zeigte den grössten Eifer für das Bombardement. Bei
Eröffnung des Feuers am 17. war er persönlich zugegen. An
diesem Tage (19.) befahl er abends 6 Uhr alles aufzubieten,
um ein günstiges Resultat zu erreichen. Um 7 Uhr brannte
es an 12 bis 16 Orten, so dass ein Löschen nicht mehr möglich
war*)- In der Nacht brannte die Speicherinsel in ihrem süd-
lichen Theil bis zur Kuhbrücke nieder. Das Feuer hatte ein
bedeutendes Stroh- und Getreide-Magazin erfasst, und ein be-
beträchtlicher Vorrath von Talg und Oel war ein Raub der
Flammen geworden^). 18, nach d'Artois 22 zu Kasernen ein-
gerichtete Speicher verbrannten. Rapp Hess Generalmarsch
schlagen und bot die ganze Garnison zum Löschen auf. Der
Schaden traf vorzugsweise die Kaufleute, welche einen Verlust
von 9 Millionen Frcs. erlitten haben sollen. Vom Belagerer
sollen an diesem Tage 7000 bis 8000 Schuss gefallen sein*).
Gegen 10 Uhr entstand auf dem Buttermarkt ein neues
Feuer. Drei Häuser brannten nieder, wobei der Senator Eggert,
welcher die Löschanstalten der Stadt unter sich hatte, durch
*) Nach d'Artois 316 waren auf selten des Belagerers in Thätigkeit:
auf der Höhe der Schottenhäuser 5 Mörser, 5 Haubitzen von 6" 4'", 10 — 24
Pfunder; bei Kabrun 2 Mörser ; bei ScheUmühl 7 — 24PfUnder; in den Batterien
bei Langfuhr einige Feldgeschütze; auf dem Johannisberge 3 — 24 Pfünder und
2 Haubitzen, ebensoviel in Pitzkendorf. Zum Vergleich mögen die Angaben
des Majors Liebe iv seinem Bericht vom 23. dienen. Auf der Höhe der Schotten-
häuser in der Batterie No. 31, 1 — 10"ge, 2--8"ge Haubitzen, in No. 32
4 — 24 pfundige Kanonen, in No. 33 3 — 12 pfundige Kanonen und 2 — 8"ge
Haubitzen, in No. 34 1 — 1 2 pfundiges und 6 — 24 pfundige Kanonen, in der
Tranchee zwischen den Batterien 5 — 10 "ge Mörser in 2 Batterien.
Bei Kabrun 2 — 8"ge Haubitzen, bei ScheUmühl 8— 24 pfundige Kano-
nen, bei Reihershof 5 — 24 pfundige Kanonen, bei Kabruu 2 — 8"ge Hau-
bitzen, auf dem Johannisberge 6 — 24 pfundige Kanonen, bei Pitzkendorf
10 — 24 pfundige Kanonen.
*) Tagebuch des Majors Liebe. Kriegs-Archiv.
•) Tagebuch des Oberstlieutenants PuUet. Kriegs-Archiv.
. ") d'Artois 317.
Köhler, Geschichte der Festungen Danzig und Weichselmünde. II. 8d
402
Oktober, einen Bombensplitter verwundet wurde. Eine glühende Kugel
ging bis ins Guvernementsgebäude in Langgarten ^).
Der 20. Das Feuer auf der Speicherinsel liess gegen
Mitternacht nach. Das Bombardement wird lebhaft fortgesetzt *).
Am Wallhofe ^) wird mittags eine Holzniederlage in Brand ge-
setzt, von der aus das Feuer sich verbreitet und das kleine
Zeughaus in Gefahr setzt. Auch das Bastion Wieben wird be-
droht, in dessen Poternen si<'h 200 Centner Pulver befinden.
Es gelingt dem General Lepin, der seine Artilleristen aufge-
boten hat, das Bastion zu isoliren und alle Löcher zu ver-
stopfen. Der Belagerer beschiesst hartnäckig die Brandstätte.
Neue Feuer in der Vorstadt werden rechtzeitig entdeckt und
gelöscht, aber es brennt seit 30 Stunden.
Der Belagerer lässt in der Nacht eine neue Batterie
Nr. 35 zwischen den Thälern von Schönfeld und Wonneberg für
2 — 24Pfünder erbauen und sie durch einen Laufgraben mit den
Batterien bei Ohra verbinden. Es sind 1000 Arbeiter dabei
beschäftigt*). Die Batterie hat den Zweck, den Bischofsberg
zu beschäftigen und die Jesuiterschanze zu beschiessen.
Das Wetter ist schön und ohne Wind.
Der 21. Das Bombardement wird Tag und Nacht fortge-
setzt. Am Morgen stehen mehrere Häuser am Vorstädtischen
Graben in Brand. Das Feuer verbreitet sich nach dem Poggen-
pfuhl und bedroht die Petrikirche, in der sich 1700 Centner
Getreide befinden. Eine Bombe entzündet eine Niederlage von
Theer im Theerhofe. Der Guverneur kommandirt ein comite
de defense unter Vorsitz des Generals Grandjean, zu dem auch
einige Rathsleute der Stadt zugezogen werden. Es soll die
*) Campredon 173.
") Nach dem Tagebuch des Majors Liebe wird ein dritter Glühofen er-
baut, am 23. ein 4. und 5.
•) Wallhof ist die heutige Fortifikation.
*) Apergu 284. Tagebuch des Majors von Hake. Kriegs-Archiv. Vom
Belagerten wird die Batterie am 21. bemerkt. Campredon 175. d'Artoia 325.
J)as aper^u bezeichnet die Batterie irrtlnunlich mit g", die erst später er-
baut worden ist. von Hake, Tagebuch. Nach dem Tagebuch des Majors
Liebe ist die Batterie in der Nacht vom 21. zum 22. erbaut und in der
Nacht vom 24. zum 25. armirt worden.
403 _
geeigneten Massregeln berathen, um der Feuersgefalir zu be- Oktober,
gegnen. Dasselbe beschliesst am folgenden Tage eine Feuer-
wehr (corps de pompiers) von Soldaten zu errichten, deren
Kommando dem Ingenieur -Hauptmann Rep6caud anvertraut
wird ^).
Auf der Mottlau erscheinen zwei schwimmende Batterien,
welche die Batterien von Ohra sehr belästigen ^. Die Batterie
35 wird beendigt und armirt. Die Batterien bei Kabrun und
Schellmühl etc. sind immer noch in Thätigkeit und bewahren
nach dem apergu eine ausgesprochene Ueberlegenheit über
die des Belagerten auf dem Holm und im ßetranchement^).
Der 22. Zum Schutz gegen die schwimmenden Batterien
des Belagerten auf der Mottlau wird der rechte Fitigel der
Batterie c" (No. 31) mit einer Schulterwehr versehen und der
von hier aus am 17. begonnene Abschnitt bis zur Inundation
fortgesetzt *).
Das Feuer im Poggenpfuhl in der Nähe der Petrikirche
und mehrere neue Ausbrüche auf der Speicherinsel werden ge-
löscht. Das Bombardement wird ormässigt. Das Wetter ist
schön aber kalt^).
Der 23. Der Angreifer erbaut auf dem äussersten rechten
Flügel seines Abschnitts im Dorfe Ohra eine Batterie h", die
mit 2 — 12Pfündern und 2 Haubitzen armirt wird®). Das Bom-
») Campredon 175. d'Artois 324—326.
') Apergu 284. Nach dem Tagebuch des Majors von Hake wird eine
französische Batterie der Innudation vernichtet? Nach dem aper<;u sind die
Batterien durch russische Schiffe und durch das Feuer der Batterie 31 (c'')
verjagt worden. Diese schwimmenden Batterien, von denen 3 angefertigt
worden, waren eine jede mit 2—4 Pfündem und 2 Haubitzen armirt. Letz^
tere hatten besondere Laffeten, die eine Erhöhung von 4ö Grad gestatteten.
d'Artois 309 Note 1.
») AperQu 285.
*) Apercu 285. Die Pikets , welche der Belagerte noch im oberen Theil
von Stadtgebiet stehen hatte, wurden am 22. von 200 Jägern bis an die
letzten Häuser des Dorfes zurückgetrieben.
*) Campredon 175.
*) Aperijrt 285. Nach von Hake, Tagebuch, Kr. -Archiv, ist die Batterie
erst am 26./27. erbaut worden, nach dem Tagebuch des Majors Liebe wird sie
am 30. mit 2 englischen eisernen 12 Pf (Indern und zwei schweren prenssischen
26*
404
Oktober, bardement wird fortgesetzt. Die Zahl der bisher geworfenen
Bomben beläuft sich auf mehr als 10000 *)• In dem ara 6. Ok-
tober bei Zigankendorf aufgeworfenen Laufgraben wird am
Morgen des 23. der Bau einer Batterie (No. 24) vom Vertheidiger
entdeckt, und aus der während des Waffenstillstandes erbauten
Redute bei Tempelburg (No. 8 bei d'Artois) fällt der erste Schass
gegen die Barriere von Schidlitz^).
Von selten des Vertheidigei-s wird die avancee Frioul durch
Palisaden geschlossen, und auch der Abschnitt in Schottland (II
Coupure) ist so weit fortgeschritten, dass die Nachtarbeit einge-
stellt werden kann. In der Stadt ist die Feuerwehr in der
Organisation begriffen. Die Stadt wird in 12 Bezirke getheilt.
Das Wetter wie am vorigen Tage *).
Der 24. Das Bombardement wird fortgesetzt, doch sind
seit dem 22. keine neuen Feuersbrünste zu verzeichnen *). Das
Feuer im Poggenpfuhl und am Vorstädtischen Graben brennt
zwar noch, doch ist für die Petrikirche nichts mehr zu fürchten.
Gegen Mittag wird das Feuer gegen den Langenmarkt concen-
trirt, wo um diese Zeit die Befehlsausgabe erfolgte, doch war
10 pfundigen Haubitzen armirt. Nach ihm sind wegen des schwierigen
sumpfigen Bodens 8 Tage auf deren Bau verwendet worden. Das aper<^n ver-
wechselt die Batterie mit einfachen Geschützemplacements, die um diese Zeit
auf dem rechten Flügel hergestellt wurden und zwar nach Liebe eins zu 2 Ein-
hörnern und ein anderes für 2 — GPfünder und 1 Einhorn. Sie hatten vorzugs-
weise die Beschiessnng von Schottland zum Zweck. Die Batterie soUte da-
gegen die schwimmenden Batterien des Feindes abhalten und das Dorf Stadt-
gebiet gegen Angriffe sichern. Von der Festung ans ist die Batterie erst
am 28. bemerkt worden. D'Artois hat ihre Lage nicht feststeUen können,
er verlegt sie irrthümlich auf den Damm der Radaune, Campredon sagt
S. 180 richtiger auf den Damm am Dorfe Ohra.
') Campredon 175.
*) Ebenda. Es ist auffallend, dass beide Punkte vom aperen mit
Stillschweigen übergangen werden. An der Thatsache ist nicht zu zweifeln,
da die Batterie — bei d'Artois No. 24 benannt — auch in der akizzirten
Geschichte, die hauptsächlich russische Quellen benutzt, erwähnt wird. Für
die Beschiessnng von Schidlitz spricht, dass, wie wir sehen werden, in den
folgenden Tagen Vorkehrungen zum Schutz desselben getroffen werden. Auch
das Tagebuch der Division Heudelet (S. 133) spricht davon.
«) Ebenda.
*) d'Artois 327.
406
die Parole an diesem Tage abbestellt. Der General Campredon Oktober,
besichtigt mit dem Obersten Ricbemont infolge der Beschiessuwg
von Schidlitz die dortige Gegend, um den Platz für eine Redute
zum Schutz des Eingangs dieses Dorfes zu ermitteln. Sie ent-
scheiden sich für den Punkt, wo bisher ein Posten, genannt le
poste du Chef de Bataillon (im Plane bei M.), zwischen der
Batterie Kirgener und Schidlitz lag').
Das Wetter ist regnerisch, aber weniger kalt.
Der 25. In der ganzen Nacht zum 25. fällt heftiger Regen,
so dass das Bombardement schweigt. Gegen 11 Uhr morgens
beginnt es mit grosser Heftigkeit wieder. Da der Regen um
2 Uhr nachmittags wieder stärker wird und die ganze folgende
Nacht anhält, wird es nur schwach genährt. Die Arbeiten wer-
den aber trotz des Regens fortgesetzt*). Der Belagerer ver-
längert die Tranchee links nach Wonneberg hin und erbaut am
Ende derselben die Batterie 36 (g")*)- l^ie Batterie wird am
27. armirt. (Tagebuch des Majors Liebe).
Der 26. Der Belagerer erweitert und verstärkt in der
Nacht zum 26. die bereits früher aufgeworfene Redute K" (bei
d'Artois No. 16) und versieht sie mit Palisaden. Sie wurde am
27. beendet und mit 5— 24Pfündern gegen die Lünette Istrien
armirt*). Das Bombardement bleibt wegen des schlechten
Wetters unbedeutend, doch fallen immer noch in 24 Stunden
250 Bomben und 500 andere Geschosse ^). Die Russen benutzen
») Campredon 176, d'Artois 325.
*) Campredon 177.
^) V. Hake, Tagebnch und Liebe. d'Artois 325. Dass links der Schotten-
häuser-Batterien in der Bichtung auf Wouneberg zwei Batterien in dieser
Zeit erbaut wurden und nicht bloss eine, wie das Aper<;u behauptet, bezeugt auch
der Bericht Dohna's an den König vom 29. Okt, (Kr.-Arch. F. 8 S. 17).
*) Apercju 286. Der Vf. nennt sie Redute von Dreilinden, DUring S. 111
und Liebe von Zigankenberg. Die Geschütze scheinen zum Theil von der
Batterie auf dem Johanuisberge entnommen zu sein, denn der Major Liebe
sagt in seinem Tagebuche, dass am 27. von der Bednte auf dem Johanuis-
berge 4 — 24Pfünder nach einer mehr vorwärts gelegenen Bedute gebracht
worden sind. Nach d'Artois S. 340 hatte die Bedutc 16 übrigena nur
4 Scharten, ebenso nach der skizzirten Geschichte.
*) D'Artois 326.
406
Oktober, die Zeit zur Ausbesserung ihrer Batterien, die durch das eigne
Feuer gelitten haben. Gegen 4 Uhr nachmittags wird das
Feuer wieder lebhafter. Der Belagerer vertieft den Laufgraben
bei Zigankendorf und legt darin eine zweite Batterie No. 25 an \).
Von Seiten des Vertheidigers wird das Werk beim Posten
des Bataillonschefs oder, wie d' Artois ihn nennt, poste du comman-
dant, in der Nacht zum 26. in Angriff genommen und erhält
den Namen avanc6e de Kirgencr, im Plane M (u")- Wegen
des schlechten Wetters schreitet die Arbeit jedoch nur langsam
fort und muss um 2 Uhr nachts ganz eingestellt werden. Die
Baracken des Retranchements Zigankenberg sind nahezu voll-
endet. Auf dem Bischofs- und Hagelsberge werden die Truppen
in bedeckten Räumen untergebracht^).
Der 27. In der Nacht zum 27. erbaut der Belagerer eine
Redute für 4 Mörser (i", bei d'Artois Redute No. 15) vorwärts
Wonneberg und verbindet sie mittelst Laufgräben mit der
Batterie g" (No. 36)'). Eine vom Belagerer gegen Schidlitz vor-
gesendete Partei hob daselbst eine französische Feldwache auf*).
Das Dorf Stadtgebiet und die Arbeiten in Schottland werden
von ihm stark beschossen, namentlich leidet das Gebäude des
Jesuiterkollegiums. Ein Civilarbeitcr wird getödtet und eine
Frau schwer verwundet. Auch Feuer entsteht im Dorf, wird
jedoch bald gelöscht.
*) D'Artois 340. Anch diese Batterie ist wie die No. 24 im Plane der
ßkizzirten Geschichte (unter 8 und 9) eingezeichnet. Es kann daher kein
Zweifel sein, dass die Angaben der französischen Ingenieure richtig sind und
das Apercu hier eine Lücke hat.
*) Campredon 177.
') Apergu 286, d'Artois 341. Campredon sagt darüber S. 177: .Dans
la nuit, Teunemi a commence une redoute ä 50 toises de notre postc ie plas
avanc6, k ganche de Stolzenberg. II a bcaucoup avanc^ son ouvrage peudant
la nuit. De Tautre cöt^ du redau, derriöre cette redoute, il a travaill6 k une
tranch^e et une batterie pour soutenir cette redonte cu avant". Diese
Batterie, im Plane der skizzirten Geschichte unter No. 6 aufgenommen und
nach Liebe mit 4--24Pfündern armirt, wird vom aper^u ebeufaUs nicht er-
wähnt.
*) Apercu 286. Auch Campredon hat das Seite 178 angedeutet, indem
er erwähnt, dass die 2. Batterie von Schidlitz (soll wohl heissen 2. Barriere)
angegriffen worden sei, der Feind sich aber nach dem Verbrennen von
2 liäusem wieder zurückgezogen habe.
407
Von Seiten des Vevtlieidigers wird die Arbeit an der avanc6e Oktober.
Kirgeuer beschleunigt und auch am Tage fortgesetzt. Der
Bischofsberg schiesst die ganze Nacht hindurch und auch die
Batterien Kirgener und Istrien sind gegen die in Bau be-
griffenen Batterien des Gegners in Thätigkeit.
Das Wetter ist schön, aber kalt ').
Der 28. Die Redute oder Mörserbatterie i " (No. 15) wird in
der Nacht zum 28. beendet und eine neue Redute 1 ", in der Nähe
von Schidlitz, sowie zwei neue Batterien n'" und m'" auf der
Krete des Ravins von Dreilinden, wie sich das Apercu ausdrückt,
werden begonnen^). In der Nacht um 1 Uhr unternimmt der
Belagerer einen Angriff auf Schidlitz und zu beiden Seiten des
Dorfes, wird jedoch zurückgeschlagen, setzt sich aber rechts des
Dorfes fest»). Die Batterien No. 15 (i"), No. 16 (K") und No. 25
werden in der Nacht armirt und eröffnen am 28. das Feuer ; i "
gegen die Batterien Friaul, K " und No. 25 gegen die Lünetten
Istrien und Kirgener, wobei es sich ereignet, dass eine Kugel
die Mündung eines 12-Pfünders in der Batterie Kirgener trifft
und das Metall eindrückt. Das geladene Geschütz feuert in-
folgedessen von selbst ab, und die Kugel stellt den Schaden
wieder her. Die Batterien an den Schottenhäuseni beschiessen
vorzugsweise die Lünetten Friaul und den Abschnitt von Schott-
land. Nur einige Schuss werden nach der Stadt abgegeben.
Die Lünetten Friaul werden hart mitgenommen und müssen
ausgebessert werden. An der avancee Kirgener ist die Arbeit
durch den Angriff unterbrochen worden. Auch an dem Abschnitt
') Campredon 178.
•) L'aper^u 287. Nach d'Artois 340 sind in dieser Nacht die Batterien
13 und 14 vorwärts Tempelhof zn beiden Seiten desselben begonnen worden.
Es ist sehr wahrscheinlich, dass sie mit den Batterien m''' und u''' identisch
sind nud das aperi^n sich in der Lage geirrt hat, denn von n'" und m'" kann
man nicht nach dem Zigankenberg schiessen.
') Campredon 179 und sehr ausführlich im Tagebuch der Division
Heudelet S. 133. Das Apercu erwähnt von diesem Angriff nichts, offenbar
hängt damit jedoch der Bau der Kedute 1" zusammen. Die Bedute wird in
den französischen Berichten erst später erwähnt und von d'Artois unter No. 19
genannt.
_ 408
Oktober, von Stadtgebiet hat die Arbeit auf einige Zeit eingestellt werden
müssen. In der avancee Kirgener werden am 28. vier Manu
verwundet. Die schwimmenden Batterien des Vertheidigere
sind noch immer in Thätigkeit *)• Drei an den Guvemeur ab-
gesendete Parlamentaire werden von diesem nicht angenommen.
Es ist Frost eingetreten, sonst ist das Wetter schön.
Der 29. In der Nacht zum 29. wird ein Laufgi-aben p"
von der Batterie i'' (No. 15) in den Altdorfer Grund herab-
geftthrt und erhält hier die Richtung auf die Batterien Friaul.
Da, wo er die Krete des Plateaus erreicht, wird ein Redan 9" an-
gelegt und damit Fuss auf dem Plateau gefasst*).
Der Angriflf auf Schidlitz von Seiten des Belagerers wird
in der Nacht wiederholt. Ein Theil des Dorfes bleibt in seinem
Besitz %
Auf Seiten des Belagerten können die Arbeiten an den
Batterien Friaul und an der avancee Kirgener wegen Mangels
an Arbeitern nicht fortgesetzt werden. Es war beabsichtigt
gewesen, die gemauerten Reduits der Reduten Friaul durch
Traversen zu maskiren, weil sie jetzt im Rücken beschossen
wurden. Campredon notirt in seinem Tagebuch, dass die neue
Batterie auf dem Damm bei Ohra die erste Coupure und die
Gebäude des Jesuiterkollegiums beschiesst. Die Coupure war
also noch im Besitz des Belagerten, ein Sappeur wird darin
getödtet. In Bezug auf das Vorgehen des Belagerers gegen
Schidlitz wird beschlossen, ein Werk links von Stolzenberg zu
errichten (von der Stadt aus gesehen).
^) Ebeuda.
«) D'Artois 342. Campredon 180.
») Apercu 287. D'Artois stellt dies S. 340 in Abrede. Nach ihm ist
der Angriff ebenfalls abgeschlagen worden. Campredon spricht sich nicht
darüber aus, sehr ausführlich dagegen das Tagebuch der Division Hendelet
Danach hat der Bataillonschef Carre und der Hauptmann Leclerc aUc Angriffe
zurückgeschlagen. Am Morgen hat Carr6 jedoch die Besatzungen der Posten
vorwärts Stolzenberg eingezogen und sie weiter rückwärts am Blockhaus von
Stolzenberg in der Nähe des gelben Hauses aufgestellt. S. 134. In dem
Gefecht dieser Nacht spielt der Posten gen. Pichon vorwärts Schidlitz
eine Bolle, der nur in dem Tagebuch erwähnt wird. Er war am 13. mit der
Parrie^re von Schidlitz durch einen gedeckten Weg verbunden worden.
_ 409 _^
Das Wetter ist schlecht: Regen und abwechselnd Schnee '). Oktober.
Der 30. Der Belagerer geht aus dem in der vorigen Nacht
erbauten Redan in Zickzacks gegen die Batterien Friaul vor^).
Auf dem linken Flügel stellt er eine Kommunikation zur Re-
dute K" (No. 16) her. Infolge eines neuen Angriffs auf Schid-
litz wird ein Theil des Dorfs vom Belagerer in Besitz genommen,
und der Bau der avancee Kirgener wird eingestellt, doch bleibt
die Stelle noch vom Belagerten besetzt').
Die 3 Reduten auf dem Jesuiterberge (avanc6e und die
Batterien Friaul) werden stark beschossen, wogegen das Bom-
bardement gegen die Stadt nur schwach fortgesetzt wird. Wegen
der dringenden Gefahr wird jedoch die Arbeit an der avancee
Friaul und an dem Abschnitt in Schottland auch bei Tage fort-
gesetzt. Es werden mehrere Arbeiter, daininter auch Civilisten,
getödtet. Das beabsichtigte Werk links von Stolzenberg wird
in Angriff genommen. Campredon notirt, dass der Feind einen
Erdaufwurf gegenüber dem kleinen Posten am Eingange von
Stolzenberg herstellt. Es ist die Redute 1" (No. 19) gemeint.
Der Tag ist schön und nur massig kalt*).
Der 31. In der Nacht zum 31. hat sich der Belagerer mit
den vom Redan vorgetriebenen Zickzacks den Batterien Friaul
bis auf 500 Schritt genähert und erbaut 3 Mörserbatterien r",
s" nnd t". Zugleich wird der Laufgraben p" erweitert, um
die Mörser darin fortschaffen zu können. Es sind 2400 Milizen
und gegen 100 Sappeure und Pioniere dabei angestellt^). Am
31. Hess der Herzog die beiden Posten bei Stolzenberg angreifen
und stellte die Vorposten näher gegen den Bischofsberg auf.
Die Posten wurden genommen und eingeebnet®).
*) Campredon 180.
•) DArtois 342.
») D'Artois 341. Düring 115.
*) Campredon 180-182.
*) Apercu 288. D'Artois bat für diese Batterien in seinem Plan die
Bezeichnung No. 41 und 42. „Hinsichtlich des Laufgrabens p" sei daran
erinnert, dass sich der Geschützpark bei Schiddelkan befand, die Geschütze
daher über Wonneberg transportirt wurden.
*) Ebenda. Unter diesen beiden Posten ist das krenelirte nnd mit
Palisaden umgebene Haus am Eingange von Stolzenberg und das die Nacht
_ 410
Oktober. Fraiizösischerseits wird erwogen, ob es nicht angezeigt
wäre, mit Feldgeschützen, unterstülzt von einiger Infanterie, von
Stolzenberg aus vorzugehen und die vom Redan aus vorgetrie-
benen Laufgräben im Rücken zu fassen. Man steht jedoch da-
von ab, um nicht ein grösseres Gefecht heraufzubeschwören *).
Die avaucee Frioul wird mit 3 kleinen Mörsern vei-sehen *).
Da die Sappen des Belagerers die erste Kupürc zu uberflügelu
drohen, sieht man sich endlich veranlasst, diese zu räumen und
die Truppen hinter den Abschnitt von Schottland zurückzuziehen,
obgleich dieser noch nicht vollständig beendet ist*).
Ein Schiff von 200 Tonneu Ladung von Talg, Sirup und
Leinöl, das von Riga kam und nach Stettin wollte, verirrt«
sich in den Hafen von Neufahrwasser — der Schiffer soll be-
trunken gewesen sein — und wurde vom Schiffskapitain Du-
moutier mit Beschlag belegt*).
Das Feuer gegen die Speicherinsel wird wieder verstärkt ^).
Es tritt Frost ein und fällt Schnee.
Um diese Zeit erbaut der Belagerte am Krahnthor eine
Brücke, weil die Brücken am Kuh- und grünen Thor infolge des
Bombardements zu sehr ausgesetzt sind^). Auch beginnt in
dieser Zeit infolge der Nachrichten über die Schlacht bei Leipzig
die Desertion bei der Besatzung um sich zu greifen').
zuvor in Angriff genommene Werk links (südlich) vom Dorfe zu verstehen.
Die französischen Berichterstatter schweigen darüber mit Ausnahme desjenigen
von M****, le siege de Danzig en 1813 S. 134, Tagebuch der Division Heudelet,
wonach es jedoch schon am 28. geschehen ist.
») Campredon 182, d'Artois 344.
') Campredon 182. D'Artois 344 (S. 346) sagt zwei, lässt aber, was Cam-
predon nicht erwähnt, die Kurtiue zwischen den beiden Batterien Friaul mit
4 kleinen Mörsern bewaffnen.
') Campredon 182, d'Artois 344. Die Angabe des aper^u S. 285, dass
die erste Coupnre schon am 22. geräumt worden ist, kann daher nicht
richtig sein.
*) Apercu 289. d'Artois 349. Campredon notirt das S. 181 schon zum 30.,
womit auch Düring übereinstimmt (S. 113;. Beide stellen das Ereigniss
wesentlich anders dar als das apergu und machen daraus eine Helden that des
p. Dumoutier.
*) Aper<;u 289.
«) Düring 117.
') Ebenda 112.
_411
Der 1. November. In der Nacht zum 1. November werden November,
die Batterien m'" und n"' aniiirt, die letztere mit 2 Mörsern,
die erstere mit 2 Haubitzen und 4 — 24Pftindern. Die Redute
1 " wird beendet *).
Das Feuer gegen die Speicherinsel wird in der Nacht von
allen Batterien, die Einsicht darauf haben, aufgenommen*).
Die Sappen des Belagerers nähern sich den Batterien von Friaul
bis auf 400 Schritt. Er treibt ausserdem Rekognoscirungen gegen
die befestigten Posten auf dem Plateau des Stolzenberges vor,
wird jedoch zurückgewiesen'**). Von Seiten des Belagerten werden
die Batterien von Friaul ausgebessert und Masken (Traversen)
vor den gemauerten Reduits derselben, welche dem direkten
feindlichen Schuss ausgesetzt sind, angelegt*). Das Feuer der
kleinen Mörser in der avancee Frioul zog das des Belagerers
auf sich, so dass diese sowohl als die Batterien Fiiaul binnen
kurzem zum schweigen gebracht wurden. Man erwartete in-
folgedessen in der nächsten Nacht einen Angriff und stellte in
Weingarten eine Reserve auf^).
Das Bombardement gegen die Speicherinsel wurde auch
am Tage mit grosser Heftigkeit fortgesetzt und von der Fes-
tung ebenso erwidert*'). Gegen 6 Uhr abends fiel eine Bombe
in einen mit Hanf gefüllten Speicher in der Nähe der grünen
Brücke, welcher in weniger als 10 Minuten in Flammen stand ^).
Auch in der Nähe des Theerhofs brach Feuer aus. Der Ge-
neral Camprcdon befand sich gei'ade beim Guverneur als die
Meldung eintraf. Bei seiner Ankunft an der Feuerstätte gegen
7 Uhr fand er das Feuer bereits in erschrecklicher Ausdehnung.
Ein heftiger Südostwind trieb es sodann in weniger als zwei
») Apercu 287. Vgl. S. 407 Note 2, wonach unter w'" und n'" die
Batterien bei Tempelburg (13 und 14) gemeint sein mögen.
«) Ebenda 289.
3) Campredon 182.
*) Ebenda 183. Die Ausführung hat der lugenieurhauptmann Dieudonne.
*) Ebenda.
^) Nach d^Artois 365 hat die Artillerie des Platzes am 1. November
und während der Nacht 4000 Schuss gethan. Für gewöhnlich geschahen in
dieser Zeit täglich 1600 Schuss und selbst während des spätem Geschütz-
kampfes am 17. November nur 3500 Schuss.
') Dttring 117.
412
Stunden in der Riclitung auf die Magazine fort, so dass eine
Löschung ganz unmöglich war. Es gelang nur, einige Speicher
zu räumen und die 6 Rossmtthlen zu retten. Gegen Mitternacht
war die ganze Speicherinsel in Brand oder doch unrettbar be-
droht. Der grössere Theil der Soldaten und die untern Volks-
klassen raubten nur noch. Zahlreiche Kammerbestände an Be-
kleidungsstücken, die wichtigsten Lazarethe, die Kasernen und
der grösste Theil der noch vorhandenen Lebensmittel war ein
Raub der Flammen geworden. Wunder barer weise wurde der
in der Nähe befindliche Milchkannenthurm, der voll Munition
war, verschont ^).
Der 2. November. Die Brandstätte wurde die ganze Nacht
hindurch vom 1. zum 2. November vom Belagerer beschossen, aber
die Bestürzung, die sich der ganzen Besatzung bemächtigt hatte,
nur in beschränktem Masse ausgebeutet. Es erfolgten zwar
um 10 Uhr abends Angriffe, aber mit so geringen Kräften, dass
kein Erfolg erzielt wurde. Der Verfasser des apergu (also der
Herzog selbst) sucht das damit zu begründen, dass die Zahl
der Linientruppen nur 4000 Mann betragen habe, wovon noch
der grösste Theil Rekruten gewesen wäre. Die Milizen seien
aber zu schlecht bewaffnet gewesen, um sie zu einem Sturm
auf die feindlichen Werke zu benutzen*). Der Herzog habe
>) Campredou 183. 184, d'Artois 353 ff., Blech 2, 262 ff., Düring 117 ff.
Nacb d'Artois 366 wurden zwei Drittel der Muudvorräthe veruichtet und
zwar 24299 Ctr. Getreide, 108 Ctr. Mehl, 53 Ctr. Reis, 228 Ctr. Salz und
404 880 Portionen Zwieback. Es blieb an Getreide kaum ein Vorrath für
zwei Monate. Auch Blech schätzt (12268) den Mundvorralh auf zwei Drittel
des Bestandes : 800 Last Getreide, 18000 Säcke Reis, Zwieback auf 14 Tage,
ein ganzer Bording mit Salz. Der Werth der verbrannten Gebäude wurde
mindestens auf zwei Millionen Thaler angeschlagen, ebenso hoch belief sich
der Werth der der Bürgerschaft gehörigen Waaren.
^) Apergu 294. Es ist unverständlich, wie der Herzog auf die Zahl von
4000 Mann Linientrnppen kommt, da seine Stärkenach Weisung (Tableau II)
gegen 9000 Linien truppen aufweist, die Rekruten sich auch seit Monaten vor
Danzig befanden, also vollkommen kriegsbrauchbar sein konnten. Au Milizen,
die ostpreussische Landwehr mit eingerechnet, waren gegen 20000 vorhanden,
und wenn auch der 3. Theil davon bei den Russen mit Piken bewaifoet war,
so hat das in der Nacht wenig zu sagen. Dabei führt der Herzog wieder-
holeutlich an, dass die Milizen sich wie Veteranen geschlagen haben, und be*
nutzte die preussische Landwehr vorzugsweise beim Sturm von Werken.
413
daher nur die Absicht gehabt, den Feind die Nacht hindurch
unter Waffen zu halten, ihn auf diese Weise zu entkräften und
die Unordnung zu vermehren ').
^) Hiernach könnte es scheinen, als oh die in der Nacht vom 1. zum
2. Novemher ausgeführten Angriife durch die Feuershninst hervorgenifen
worden wären. Das ist aher durchaus nicht der Fall. Die Angriffe waren
vorher disponirt und hätten stattgefunden, auch wenn keine Feuershninst
ausgehrochen wäre. Auch ist es eine untergeschobene Meinung, welche das
aper<;a S. 294 ausspricht, dass der Angriff auf avanc^e Frionl gegen den
Willen des Herzogs stattgefunden hätte, indem er damit nur eine Demon-
stration beabsichtigt habe, um den Angriff auf avanc6e Kirgener und auf
Stolzenberg zu begünstigen. Da mehrseitig bezeugt wird, dass den Truppen
Arbeiter beigegeben waren, uro das Werk mit den rückwärtigen Laufgräben
zu verbinden, kann nur ein ernstlicher AngrifiF beabsichtigt worden sein.
Das Tagebuch des Majors von Hake (Kr. -Archiv) sagt darüber: „der am
80. Oktober beabsichtigte Angriff auf die kleine Schanze (avanc^e Frioul)
unter dem Qeneral Tschemisch wurde heut ausgeführt. Man nahm die
Schanze ...."' Ebenso deutlich ist der Bericht des Grafen Dohna vom
2. November an den König (Kr.-Archiv F. 19): „Euer Kgl. Majestät melde
ich unterthänigst, dass gestern Abend ein Angriff auf die Verschanzungen
des Feindes in Alt-Schottland, Stolzenberg und der Strasse von Schidlitz ge-
macht wurde. Der General Tschernisch kommandirte auf dem rechten Flügel
und Se. Kgl. Hoheit der Herzog hatte mir befohlen, ihm das 15. Preussische
Landwehrbataillon von Spiess als Reserve zuzutheilen; der Oberst Peikert kom-
mandirte das Centrum, und ihm war auf höhern Befehl das 18. Landwehrbataillon
Graf Dohna zugetheilt. Der General Treskin kommandirte den linken Flügel,
und ihm waren die Bataillone No. 10 von Bohlschwing und No. 14 von
Meyer zugetheilt Anfänglich war der Erfolg glänzend, nachdem aber
der Feind seine Verstärkungen herangezogen, mussten die errungenen Vor-
theile aufgegeben werden. Die Angriffe geschahen ohne Zusammenhang und
wurden nicht unterstützt''.
Vgl. auch die Briefe des Herrn von Brederlow vom 4. November und
den vorher ohne Datum. AUgem. Milit.-Zeitung 1880.
Bezeichnend ist auch, was der Graf Dohna in seinem Bericht vom
2. November an den KOnig hinzufügt : „wahrscheinlich wird heut der Angriff
erneuert werden, da es die Absicht Sr. Königlichen Hoheit des Herzogs ist,
auf der Höhe von Stolzenberg und der Jesuiterschanze die 1. Parallele zu
eröffnen*'. Es mnsste sich jedem militairisch Gebildeten aufdrängen, dass
ohne den Besitz der Jesuiterschanze die 1. Parallele gegen den Bischofsberg
nicht eröffnet werden konnte. Auch scheint die Absicht vorgelegen zu haben,
sich ihrer in der folgenden Nacht zu bemächtigen, denn der Major Liebe
schreibt in seinem Tagebuche unterm 2. November : „die Juden- und Jesuiter-
schanze wurden heftig beschossen, weil man in der folgenden Nacht stürmen
414
Die Vorgänge der Nacht werden wie folgt erzählt. Um
10 Uhr abends erfolgte auf allen Punkten ein Zurückdrängen
der Vorposten des Belagerten. Darauf wurden Altschottland
und der Jesuiterberg, Schidlitz und die Höhen zu beiden Seiten
desselben angegriflfeu. Die Belagerer schienen entschlossen, sagt
Dtiring S. 118, diese Posten, es koste, was es wolle, zu nehmen
und zu behaupten. Trotz unausgesetzter Kartätschschüsse vom
Bischofsberge setzten sie sich in den Besitz der Flesche (avancee)
von Friaul. Die Besatzung bestand nach d'Artois (S. 357) aus
50 Mann unter dem Hauptmann Maugin. Er wurde gleich zu
anfang erschossen. Auch der Lieutenant Boery vom Ingenieur-
korps, der das Kommando übernahm, erhielt zwei Schusswunden.
Die anstürmenden Russen (vom preussischen Land weh rbataillon
unterstützt) drangen in den Graben und rissen die Palisaden
aus. Die Ersteigung der Brustwehr machte keine Schw^ierig-
keiten, da die vordere Böschung durch mehrtägiges Beschiessen
leicht zugänglich war. Die Lünette wurde sofort durch einen
Laufgraben mit den rückwärtigen Trancheen verbunden. Der
Guverneur, davon unterrichtet, schickte dem General Husson,
welcher die Reserve der 30. Division kommandirte, den Befehl
das Werk wiederzunehmen, damit sich der Feind nicht der Batterien
Friaul bemächtigte. Der Angriif fiel einem Bataillon des 5. polni-
wollte, der Sturm unterblieb jedoch.^ Es kann demnach keinem Zweifel
unterliegen, dass auch am 1. Norember die Absicht vorhanden war, nicht
bloss das avancee, sondern auch die batteiies de Frioul zu nehmen, und dass
dies nur an der Ausführung gescheitert ist, weshalb das aper<;u den Hangel
an Erfolg zu verschleiern sucht. Der Graf Dohna, der in dieser Nacht nur
Zuschauer war, macht denn auch in einem Schreiben vom 2. November, das
er gelegentlich des Berichts an den König dem General v. d. Knesebeck zn-
sendete, seinem Herzen Luft, indem er sagt: ,dass die herrschende Unord-
nung mit jedem Tage zunimmt. Bei dem Gefecht der verwichenen Nacht
war der General Tschemisch, der General Sosnin und der Oberst Pullet an-
getrunken und die beiden erstem dermassen, dass sie die schrecklichsten Un-
ordnungen veranlassten. Die Trnppen waren brav, aber ohne Leitung
Jeden Abend sehen wir hier die schrecklichsten Fenersbrünste in der Stadt
und den Vorstädten, die Gegend wird durch nnregelmässige Fouragimngen
und Plünderungen verheert, und während der Zeit giebt der Herzog jeden
Abend Bälle und Concerte". Von solchem Balle waren obige 3 Herren ge-
kommen, wie Brederlow mittheilt, der überhaupt in der Darstellung dieser
Nacht köstlich ist.
415
sehen Infanterie-Regiments unter dem Major Treny und der Frei-
kompagnie des Hauptmanns Chambure zu ^). Nachdem das
Feuer vom Bischofsberge 5 Minuten verstummt war, warfen
sich die Polen von Altschottland her in die Kehle des Werkes,
während Chambure, gedeckt durch den Hohlweg, der vom Wein-
berg aufsteigt, es rechts umging. Die Besatzung wurde nach
den französischen Berichten bis auf 20 Mann und einen Officier,
die gefangen fortgeführt wurden, niedergemetzelt. Dasselbe
behaupten die russischen Berichte bei der Einnahme des Werks.
Die Franzosen planirten den von den Russen aufgeworfenen
Laufgraben.
Inzwischen waren die Russen in Alt -Schottland bis zur
2. Kupüre vorgedrungen und unterhielten hier zwei Stunden hin-
durch ein lebhaftes Kleingewehrfeuer gegen die Besatzung der-
selben, wobei sie gegen den gedeckt stehenden Feind bedeutend
im Nachtheil waren und erhebliche Verluste erlitten, bis sie
schliesslich wieder abzogen. Der General Heudelet konnte
gegen 1 Uhr die Reserve wieder nach der Stadt entlassen.
Um dieselbe Zeit entbrannte das Gefecht um Stolzenberg
und die avancee Kirgener. Die Russen trafen hier bei ihrem
Vorgehen auf keine anderen Kräfte als die gewöhnliche Vor-
postenaufstellung mit ihren Repli's. Schidlitz und Stolzenberg
waren von den Vorposten der 30., die avanc6e, von denen der
7. Division besetzt. Eine gemeinschaftliche Reserve war nicht
vorhanden. Der General Treskin liess die avancee durch die
beiden preussischen Landwehrbataillone , die ihm zugetheilt
waren, angreifen, während der Oberst Peyker das Landwehr-
bataillon als Reserve in Wonneberg zurückliess und mit den
Russen angriff. „Beide Unternehmungen", sagt Pullet in seinem
*) Die Freicompagnie wird hier zam ersten Male erwähnt. Sie war im
Oktober vom Gnvemeur wahrscheinlich nach dem Vorbilde der Danziger Frei-
kompagnien in der Belagerung von 1734 errichtet worden und hatte den Zweck,
den Belagerer in steter Unruhe zu erhalten, was bei dem geringen Stande der
Besatzung durch Linientruppen nicht zu erreichen war. Die Mannschaft war
ausser der Muskete mit Säbeln und Pistolen bewaffnet und bestand aus
70 Manu ausgesuchter Leute. Ihre Leistungen werden von den franz(tsischen
Berichterstattern übertrieben, vom Herzoge zu gering angeschlagen.
416
November. Jnrnal, „hatten einen überaus glücklichen Erfolg, so dass unser
Verlust an Todten und Verwundeten bei dieser ersten Weg-
nahme nur 20 Mann betrug.** Wenn Pullet dann aber fortfährt:
„Viermal wurden in der nämlichen Zeit diese Redute wechsel-
seitig erobert und verloren, dem ungeachtet wurden an solcher
über 800 Schritt Umwandlungsarbeitcn gegen die feindliche
Seite vollbracht**, so kann sich diese Angabe, soweit sie den
Kampf betrifft, wohl nur auf das Gefecht am folgenden Morgen
beziehen ; wie hätte sonst die bedeutende Arbeit von 800 Schritt
Umwandlungsarbeiten ausgeführt werden können! Diese be-
standen in der Herstellung eines Laufgrabens zur Verbindung
der avanc6e u" (20) mit der Redute K" (16). Die schwache
Besatzung von Stolzenberg hatte sich beim Angriff des Obersten
Peyker in Ordnung auf die Lünette Cafarelli zurückgezogen.
Wenn das Tagebuch Pullet's sagt: „Der Angriff auf Stolzen-
berg hatte sich bis 3 Uhr gegen Morgen verspätet**, so wider-
spricht das seiner ersten Angabe, dass Stolzenberg gleichzeitig
mit der avancee genommen wurde, und kann sich daher wohl
nur auf die Arbeiter beziehen, die erst um 3 Uhr anlangten.
„Um die verspätete Zeit nachzuholen**, sagt das Tagebuch
weiter, „begab sich der Direktor des Geniewesens (d. i. Pullet)
mit seinen beiden Adjutanten, dem preussischen Lieutenant
Brese und dem russischen Lieutenant Schmiedeknecht, dahin
und theilte die Arbeit unter Benannte ein. Man brachte es
so weit, dass um halb 6 Uhr morgens ein Logement für 150
Mann 600 Schritt vom bedeckten Wege des äussersten feind-
Werkes mit Kommunikationen nach dem Grunde herunter mit
völliger Deckungshöhe von 4 Fuss breit eingeschnitten war-
Dieser Einschnitt formirte zugleich mit 200 Schritt Front den
förmlichen linken Flügel der 1. Parallele unge-
achtet des die ganze Arbeitszeit durch anhaltenden heftigen
Kartätschfeuers. Die Nähe, in der man uns wahrscheinlich
nicht vermuthete, und der Umstand, dass man den sanften
Hügel, worauf die nachmalige Batterie angeordnet werden sollte,
dicht vor der Front behielt, scheinen die Ursache gewesen zu
sein, dass wir keinen einzigen Todten oder Blessirten hatten."*
Am 2. um 10 Uhr morgens waren beide Positionen, um
welche, be^sonders bei der auf der linken Seite, so heftig ge-
417
stritten worden war, durch die Uebermacht des Feindes be-
wältigt und verloren *).
Der General Heudelet hatte auf die Nachricht, dass Stolzen-
berg habe geräumt werden müssen, den Major Garr6 beauf-
tragt, nur 300 Mann auf dem Bischofsberge zurückzulassen,
andere 100 Mann am Neugarter Thor aufzustellen und mit dem
Rest der 1. Halbbrigade sich zur Rückeroberung von Stolzen-
berg bereit zu stellen. Der General Rapp befahl jedoch, dass
bei der Dunkelheit der Nacht und bei der Unkenntniss über
die Stärke des Feindes der Angriff auf den folgenden Morgen
verschoben werden sollte. Der Kommandeur der 7. Division,
General Grandjean, sollte seinerseits die disponibeln Kräfte zur
Rückeroberung der avanc6e stellen. Der General bestimmte
zur Führung derselben den Brigadegeneral Devilliers, während
die Truppen der 30. Division vom General Breissan geführt
wurden.
Bevor der General Devilliers, dessen Truppen einen weitem
Weg zurückzulegen hatten, noch heran war, griff der General
Breissan die Stellung der Russen in Stolzenberg an, warf sie
aus dem Laufgraben, den sie in der Nacht aufgeworfen hatten,
heraus, ebenso aus den übrigen Posten von Stolzenberg, so dass
das ganze Plateau wieder in den Händen der Franzosen war.
Der General wurde hierbei am Kopfe schwer verwundet, so
dass er einige Wochen darauf starb*).
') lieber das Gefecht selbst lässt sich das Tagebach Pdlet^s nicht aas.
Dass es bis IG Uhr morgens daaerte, erwähnt auch der Graf Dohna in seinem
Bericht vom 2. November an den König. Den Stnrm auf die avanc^e Frionl
verlegt Pullet in dem Tagebuch auf die Nacht vom 28. zum 29. Oktober,
wie es auch in die skizzirte Geschichte übergegangen ist. Offenbar liegt hier
eine Absicht vor. Er trennt auf diese Weise die Thätigkeit des Obersten
Manfredi, der zu dieser Zeit die Leitung der Arbeiten hatte, von der seinigen
und erhielt von diesem Tage ab, wie er sich im Tagebuch ansdrttckt, die
Leitung der Attacke unter dem Oberbefehl Sr. Königlichen Hoheit aus-
schliesslich.
*) Diesen Thatsachen gegenüber, die das Tagebuch der Division Heu-
delet und d*Artois, sowie das Tagebuch des Minors von Hake mittheilen,
leugnet das aperen S. 298, dass am 2. November ein Gefecht bei Stolzenberg
stattgefunden habe, und behauptet, die aufgeworfenen Laufgräben seien aus
Missverständniss von den russischen Trappen verlassen worden, so dass sie
Köhler, Oeschichte d^rFestangenDanzig und Weicbselmtinde. 11. 87
418
Der Angriff des Generals Devilliers erfolgte etwas später.
Die avanc6e Kirgener fiel nach tapferem Widerstände wieder
in die Hände der Franzosen und wurde von ihnen gegen wieder-
holte Angriffe behauptet. Dabei fiel der preussische Major von
Bohlschwing, als er eben sein Landwehrbataillon (Nr. 10) zum
Angriff vorführte. Der Bruder des Lieutenants Brese, noch
Portepefähnrich, wurde von einer Kanonenkugel todtlich ge-
troffen. Das 10. Bataillon wurde vom Hauptmann v. Graeve-
nitz mit vieler Umsicht und Tapferkeit weiter geführt, so dass
ihn der Graf Dohna in seinem Bericht vom 2. November zum
eisernen Kreuze vorschlug. Die aufgeworfenenLaufgräben wurden
von den Franzosen zu beiden Seiten von Schidlitz wieder ein-
geebnet. Der Hauptmann Dieudonn6 war mit französischen
Pionieren und 400 Spaniern den ganzen Tag (2. November) da-
mit beschäftigt.
Der Verlust war in dieser Nacht auf beiden Seiten sehr
bedeutend. Der der Verbündeten wird vom Apercu (S. 299)
auf 2 Offiziere und 320 Mann an Todten und Verwundeten und
auf 25 Gefangene angegeben. Der der Franzosen bestand aus
153 Mann, worunter 11 Offiziere. Die Angabe (nach Düring
S. 119) ei-scheint jedoch zu gering, da das Tagebuch der Division
Heudelet den Verlust der Division allein auf 30 Mann an Todten
und 147 Mann an Verwundeten angiebt. (de M*** si6ge de
Dantzig en 1813 S. 138).
An die vergangene Nacht knüpfte sich eine weitere Span-
nung des Verhältnisses zwischen dem Herzoge und dem Grafen
Dohna, da dieser sich am folgenden Morgen zum Herzoge begab,
um dagegen zu demonstrircn, dass preussische Landwehrbataillone
eine Stunde darauf von den Franzosen besetzt worden sind. Das aperen
lässt sogar den General Breissan die avanc6e Kirgener angreifen und dabei
seine tödtliche Wunde erbalten! Breissan gehörte zur Division Heudelet,
Devilliers zur 7. Division Gran^jean. Vgl. ausserdem das Tagebuch des
preussischen Landwehrbataillons No. 18 (Kr.-Archiv F. 9 S. 39), das dem
General Peikert zugetheilt war, wonach das 2. russische See-Begiment in der
Nacht vom 1. zum 2. November einen bedeutenden Verlust erlitt und aus
! Stolzenberg zurückgedrängt wurde. Das 18. Bataillon musste das See-Regi-
ment unterstützen, wobei der Pr.-Lientenant Haberlandt mit den Tirailleuren
der 1. Kompagnie eine feindliche Redute auf dem Stolzenberg einnahm.
^419
unter russische Generäle gestellt würden, die sich der Truppe
nicht verständlich machen könnten und daher unnöthige Ver-
luste herbeiführten. Er verlangte, dass die preussischen Truppen
als selbständige Division unter seiner Führung formirt würden.
Die nächsten Tage brachten noch weitere Anträge des Grafen,
die den Herzog schliesslich veranlassten, ihn auf den Dienst-
weg zu verweisen, wonach er seine Anträge an den General
Wiliarainow zu richten habe. Aufs äusserste fühlte sich Dohna
aber verletzt, als der Herzog ihm durch den Major von Hake
das Ansinnen zumuthete. seine Berichte an den König durch
ihn gehen zu lassen. Dohna koncentrirte seine ganze Wuth auf
den armen Major, dass er solche Aufträge übernehmen könne,
und hat ihm das für die ganze Folgezeit nachgetragen. Trotz
aller Verdienste und der wiederholten warmen Empfehlungen
von Seiten des Herzogs an den König, hat der Major nicht das
eiserne Kreuz bekommen. Es gehört nicht in unsere Aufgabe,
näher auf diese Verhältnisse einzugehen. Unzweifelhaft befand
sich der Graf im Recht, seine Truppe zu vertreten, doch wird
man die Form, in der es geschah, nicht billigen können.
4. Der formliche AngrilT vom 3. bio 29. November.
Die 26 Tage der förmlichen Belagerung Danzigs bei vor-
gerückter Jahreszeit in dieser nordischen Gegend erfolgten
unter so eigenthümlichen Verhältnissen, dass die Belagerung
nicht als Muster aufgestellt werden kann, was nicht ausschliesst,
dass sie im höchsten Grade lehrreich ist. Der Vertheidiger
war durch die Vernichtung des grössten Theils seiner Lebens-
mittel infolge des Bombardements bereits auf das äusserste
gebracht, aber auch der Dienststand der Besatzung, bei der
Ausdehnung der Werke an und für sich schon unzureichend,
verringerte sich gegen Ende der Belagerung durch die Vor-
kommnisse in Deutschland, welche zu zahlreichen Desertionen
der deutschen Elemente und der Mannschaft der von Napoleon
annektirten Landschaften führten^), in dem Masse, dass er in
>) Der General Hnsson meldete am 21. November dem Gnvemeur, dass
die Mannscliaften des 45. Regiments der 9. Halbbrigade (von der Küste der
Nordsee und Hamburg) haufenweise desertiiten. d'Artois 410.
87*
420
keiner Weise mehr aasreichte. Schliesslich verweigerte der
noch bleibende Rest derselben eine Verwendung nach aussen.
Der Vertheidiger war ausserdem durch den Mangel an Pferden
in die Lage versetzt, seine Armirungsarbeiten, nach dem die
Angrif^front sich ausgesprochen hatte, nicht in dem Umfange
eintreten lassen zu können, welchen die Lage mit sich brachte.
Der Bischofsberg konnte nicht mit der erforderlichen Anzahl
von schweren Geschützen versehen werden, und die Schanzen vor
dem Zigankenberg, welche durch ihre flankirende Lage den
grössten Einfluss hätten aus&ben müssen, waren nur dürftig
mit Geschützen ausgerüstet.
Auch der Angreifer verfügte nicht über eine ausreichende
Mannschaft, um die ausgedehnten Arbeiten bewältigen zu können,
welche der förmliche Angriff erforderlich machte. Die Auf-
rechterhaltung der Blockade auf den nicht angegriffenen Fronten
erheischte bei dem Umfange der Befestigungen Danzigs eine
grosse Anzahl von Trappen, deren Stärke ausserdem durch
Krankheiten, namentlich durch die Dyssenterie, nicht unbe-
deutend verringert wurde'). In den Trancheen des Angriffs
konnten noch keine 8000 Mann verwendet werden, von denen
täglich 2000 Mann auf Arbeit kamen. Hierauf ist es wohl
zurückzuführen, dass der Herzog zum Bau der 1. Parallele
schritt, bevor er sich der einengenden Werke auf dem Ziganken-
berge und der Jesuiterhöhe bemächtigt hatte, was nur durch
einen gewaltsamen Angriff hätte geschehen können. Anstatt
die Angriffsfront zu umfassen, wurde er infolgedessen selbst
umfasst und verhindert, mit der Sappe vorzugehen. Wenn es
ihm dann auch gelang, begünstigt durch eine überwältigende
Geschützzahl, auf dem rechten Flügel vorzuschreiten, was
übrigens nur durch den schwachen Dienststand des Belagerten,
welcher Ausfälle verbot, möglich wurde, so ist er nach Bäumung
der Werke der Jesuiterhöhe und von Schottland von Seiten der
Gegner nicht über die ersteren vorgegangen, so dass er am
Tage der Kapitulation immer noch 600 und mit seiner 1. Pa-
^) Das Bataillon Nr. 19 der ostpreiissischeu Landwehr musste wegen der
zahlreichen Kranken am 27. Oktober nach Graudenz geschickt werden.
Y. Hake. Tagebuch. Es wnrde durch das Bat. Nr. 13 (v. Rantter) ersetzt.
421
rallele auf dem Plateau von Stolzenberg 700 Meter von den
Werken des Bischofsberges entfernt war. Das Geschutzfeuer, auf
das er allein vertraute, kann nur den vorbereitenden Akt aus-
fähren und muss durch den Stoss ergänzt werden. Wenn dies
schon im Feldkriege selbst bei den gegenwärtigen Waffen
der Fall ist, um so vielmehr im Festungskriege, wo der Gegner
hinter Deckungen steht und die Schäden, welche das Geschütz
anrichtet, in der Nacht wieder beseitigen kann. Mit dem Ver-
fahren, das der Herzog einschlug, hätte er noch recht lange
vor Danzig zubringen können, bevor es gefallen wäre. Wie
sehr er seine Lage, die durch den Eintritt der strengen Jahres-
zeit noch verschlimmert wurde, erkannte, geht aus den täg-
lichen Aufforderungen, die er seit dem 22. November unter den
verschiedensten Vorwänden an Rapp richtete, in Unterhandlungen
zu treten, und aus der gUnstigen Kapitulation hervor. Aus
den Ausführungen im aperen liesse sich das freilich nicht er-
kennen*). Erst am 25. ging der General Rapp darauf ein,
nachdem ihm am 24. die Kommandeure der nicht französischen
Truppentheile der Danziger Besatzung erklärt hatten, dass sie
nicht länger im Stande wären, ihre Truppen zu beherrschen.
Schon vor dieser Erklärung hatte Rapp dies, wie aus seiner
Anrede an den Kriegsrath vom 23. hervorgeht *), erkannt. Diese
Anrede, welche zum Zweck hatte, dem Kriegsrath die Nothwen-
digkeit, mit dem Gegner zu paktiren, darzulegen, stellt die Ver-
weigerung des Gehorsams dieser Truppentheile als die Haupt-
veranlassung, an die üebergabe zu denken, hin. Der Mangel
an Lebensmitteln, wovon noch auf 48 Tage vorhanden waren,
folgt erst in zweiter Linie. Von einem Antheil, den der An-
greifer durch die Zertrümmerung der Werke des Bischofsberges
auf den Entschluss, in Unterhandlungen zu treten, ausgeübt hat,
ist mit keinem Worte die Rede.
*) Plümicke (Sklzzirte Geschichte S. 180) giebt eine Anzahl von Gründen,
anscheinend ans offizieller Qnelle an, die den Herzog znr Kapitulation yom
29. NoTember bestimmt haben sollen. Sie sind alle nur untergeordneter Art,
die eigentlichen Grttnde werden verschwiegen, der Verfasser des apergn de-
mentirt sie auch, ob mit Fug und Recht erscheint zweifelhaft.
*) Diese Rede vom 23. November giebt eine so prftcise Darstellung des
Znstandes der Besatzung zur Zeit der Kapitulation, dass ich sie im An-
hange (Nr. VI) aufgenommen habe.
422
Wenden wir uns nach diesem Ueberblick zu den Details.
Der Herzog von Wttrtemberg theilte für den Traucheedienst die
Trappen in 6 Brigaden zu je 3 Bataillonen ^). Sie standen unter
Befehl des Generallieutenants Löwis, der die Generalmajors Ada-
durow und Naumow unter sich hatte. Das Lager der nicht
im Dienst befindlichen lag vorwärts Wonneberg. Hinter den
Trancheen bildeten das Tataren-Regiment Sympheropol und die
Kosacken von Orenburg unter dem Befehl des Prinzen Balatnk
eine Chaine. In Wonneberg lagen 200 Milizen, die als Kranken-
träger dienten. Hinter Wonueberg stand eine Reserve von 3
Bataillonen, 10 Eskadrons und 2 Batterien *) unter dem General-
major Jurlow und zum Schutz des rechten Flügels ein beson-
deres Detachement, das jedoch noch unter Befehl des Ge-
nerals Löwis stand, von 4 Bataillonen unter dem Generalmajor
Tschernisch').
') Die 6 Brigaden waren wie folgt zusammengesetzt:
1. Brigade Oberat Stalipiu:
2 BataiUone des Kegiments Xoporski,
1 Bataillon der Miliz yon St. Petersburg.
2. Brigade, Oberst Peyker:
2 Bataillone des 2. Seeregiments,
1 Bataillon , Regiments Woronesch.
3. Brigade, Oberst Afrosimow:
2 Bataillone des 31. Jägerregiments^
1 Bataillon der Miliz von Jaroslaw.
4. Brigade, Oberst Graf Dobna: (v. Beneckendorf-Hiudenburg)
3 ostpreussische Landwehr-Bataillone.
5. Brigade, Major Julius:
2 BataiUone des Regiments Bransk,
1 Bataillon „ 3. Jägerregiments.
6. Brigade, Der preussische Major Oldenburg? (Graf Eulenbui^),
3 ostpreussische Landwehrbatailloue.
In Summa 18 BataiUone, von deneu 10 der Linie angehörten, in der
Stärke von 7800 Mann, worunter 3800 Milizen.
*) Die Reserve war aus folgenden Triippentheilen zusammengesetzt:
2 Bataillone der Miliz von St. Petersburg,
1 Bataillon ostpreussischer Landwehr,
4 Eskadrons des Dragonerregimeuts Kasan,
6 „ ostpreussischer Landwehr-Kavallerie,
2 Batterien.
•) Das Detachement, welches das Dorf Ohra und die Schottenhäuser zu
besetzen hatte, bestand au9
423
Die Stellungen rechts und links der Trancheen bis zum
Strande waren in der bisherigen Weise besetzt*).
Das Hauptquartier, das während des Waffenstillstandes nach
Jenkau verlegt worden war und sich seit Ausgang desselben
in Polanken befand, wurde seit anfang' Oktober nach Zankenczin
verlegt ^).
Die Direktion der Arbeiten hatte der preussische Oberst
von Pullet. Als seine Adjutanten fungirten die Ingenieurlieu-
tenants Brese und Schmiedeknecht.
Die Leitung der Trancheearbeiten hatte der Oberstlieutenant
von den Sappeuron, Danilow. Trancheemajor war der Haupt-
mann Doering. Als Officiere du jour dienten die Hauptleute
Streckenbach, Ewriemoch und der preussische Ingenieurhaupt-
mann von Gayette.
Die Ingenieur- und Sappeurofficiere wurden in 5 Brigaden
getheilt, deren Chefs die Hauptleute Sawitsch, Datzky, Olderok,
Solowjew und Radeke waren'). Jedem waren 3 bis 5 Lieu-
tenants zugetheilt.
Der Ingenieuroberst Manfredi mit 2 Adjutanten und der
Hauptmann Kool*) befanden sich im Hauptquartier.
Die Sappeure und Pioniere lagerten vorwärts Schönfeld.
Kommandeur der russischen Artillerie war der Oberst
2 Bataillonen des 1. Seeregiments,
1 Bataillon des 18. Jägerregiments,
1 Bataillon der Miliz von St. Petersburg und
2 Geschützen.
^) Das vorstehende nach dem Apercu S. 3 13 ff. Das rassische Bela-
gerungsjnmal (Archiv S. 124) giebt eine andere Eintheilung der Truppen,
die wahrscheinlich davon herrührt, dass von Zeit zu Zeit Ablösungen ein-
traten.
*) So behauptet das aper^u S. 319, während der Major Hake, der dem
Hauptquartier seit dem 2. Oktober angehörte, in seinem Tagebuche ausdrück-
lich anführt, es sei am 1. Oktober nach Polanken verlegt worden, wie auch
das Datum der verschiedenen Briefe des Herzogs bezeugt.
') Die 2. Brigade befand sich zu Langfuhr.
*) Kool war Holländer und stand vor dem Feldznge von 1812 in Danzig,
wo er bei den Bauten beschäftigt war. Er wurde während des Feldzugs zu
den mobilen Truppen versetzt und desertirte zu den Küssen, denen er detail-
Hrte Pläne namentlich über die Befestigung des Bischofsberges zuführte.
Näheres bei d'Artois 374 Note 2.
424
I I I ■ _
Schulmann. Ihm waren der preussische Major Liebe und der
Hauptmann Pitscher zugetheilt ^). Wie bereits oben angeführt
worden ist, befand sich der grosse Geschützpai^k vorwärts
Schiddelkau, das Pulver in einer Tenainmulde hinter Nenkau ; ein
kleineres Pulvermagazin für den täglichen Verbrauch war bei
Wonneberg, der Materialienpark des Ingenieurkorps bei Matsch-
kau, ein kleinerer bei Miggan, die Ambulanzen und das ärzt-
liche Personal in Wonneberg*).
Die Belagerten waren zur Zeit wie folgt vertheilt: Die
30. Division (Heudelet) vom Neugartener Thor bis zum Bastion
Ochs, den Bischofsberg, Schottland und Jesuiterhöhe inbegriffen ^.
Die 34. Division (Bachelu) von Bastion Ochs bis zur Mündung
der Mottlau in die Weichsel.
Das 11. polnische und 1. westfälische Regiment von der
Mündung der Mottlau bis zum Bastion Jacob.
Das 10. polnische und 13. baierische Regiment von der
Lünette Tardivelle vor dem Holzraum bis zum Neugarter Thor,
Hagelsberg und Holm eingerechnet.
Das 5. polnische Regiment hatte das Retranchement Zi-
gankenberg besetzt.
^) Aperen S. 319, 320.
>) Ebenda S. 318, 319.
*) Im Speciellen war die Division Heudelet uach dem Tagebuch derselben
S. 140, 141 uach Aufgebung der Beduten Friaul seit dem 23. wie folgt
aufgestellt:
1 Officier und 25 Mann in der Lünette Lasalc,
1 „ , 25 „ „ « , Delzons.
Zwischen diesen äussersten Posten befand sich eine von 6 Officieren
kommandirte Linie von Posten in der Stärke von 200 Mann, 150 Toisen vom
Bischofsberg vorgeschoben.
1 Offider 30 Mann am Petershagener Thor
1 9 30 9 , Neugarter Thor
1 a 25 „ im Bastion Yigilance
1 « 26 , „ „ Sandgrube
3 Officiere 120 „ als Posten im Innern des Bischofsberges
2 , 40 . in der Lflnette Cafarelli
2 „ 40 „ „ „ „ Ledere
2 „ 50 , im Lager des Betranchements Holm
3 a 100 „ „ Fort Napoleon
15 „ 200 . in Weichseimünde,
425
Im Fort Desaix befanden sich 300, im Fort Lacoste 120
unberittene Reiter und Dragoner; in den Kasernen der Stadt
das 6. und 7. neapolitanische Regiment. Die Reserve war aus
der kaiserlichen Garde, der Marine und den dabei angestellten
Arbeitern, den Mineuren und Sappeuren (in Langgarten) zusam-
mengesetzt. Sie lagen sämmtlich in der Stadt. In Weichsel-
munde und Neufahrwasser befanden sich das 29. Regiment,
zur 34. Division gehörig, Dragoner und eine Kompagnie pol-
nischer Sappeure.
Die Stärke der Besatzung geht aus dem Schreiben heiTor,
welches der General Rapp dem Hauptmann Marnier an den
Kaiser Napoleon mitgab, um ihn nach dem grossen Brande vom
1. November von seiner trostlosen Lage zu unterrichten. Da-
nach bestand das zehnte Armeekorps noch aus 17597 Mann,
wovon 4097 krank waren und 600 aus Gendarmen, Intendantur-
beamten und unbewaffneten Arbeitern bestanden, so dass nur
12900 Kombattanten übrig blieben. Nach den Waffen ver-
theilten sich diese wie folgt: 1600 Mann bei der Artillerie,
320 beim Ingenieurkorps, 250 Mann Garde, 480 bei der Marine,
950 Reiter (unberitten), 9300 Mann Fussvolk. Letzteres bestand
aus 3500 Franzosen, 3300 Polen, 1300 Neapolitanern und 1200
Deutschen ^).
üeber den Zustand der Besatzung sagt der General Cam-
predon in seinem Tagebuche unterm 3. November: „Die Lage
der Besatzung wurde in dieser Zeit äusserst misslich. Die
ausserordentlichen Beschwerden , die Krankheiten , welche
wieder begonnen, hatten die Mannschaft so geschwächt, dass
sie kaum noch zu der gewöhnlichen Besatzung der Wälle aus-
reichte'). Dennoch fiel keiner derselben in die Hände des
Feindes.
») d'Artoia S. 381.
') Rapp war eutBchlossen, Weichselmünde aufzugeben und dessen Be-
satzung nach Danzig zu ziehen , wenn die Mannschaft daselbst nicht mehr
ausreichte. Er hatte zu dem Zweck seit dem 15. September die Werke von
Weichselmünde und Neufahrwasser unterminiren lassen, um sie in die Luft
zu sprengen, wenn der Fall eintrat. Düring 129. d'Artois 421. Kichemont,
der die Unterminirung ebenfalls erzählt, behauptet, er habe das ohne Wissen
4es Quvem^urs ausführen lassen, um gelegentlich der Unterhandlungen beim
426
„Am beunruhigendsten war, dass ein Theil der Besatzung
aufsätzig wurde. Die Deutschen, von dem Unglück unserer
Armee bei Leipzig unterrichtet und von ihren Fürsten abbe-
rufen*), verweigerten den äussern Dienst und Hessen jeden
Augenblick einen Aufstand befürchten trotz ihrer Offleiere,
welche die Gesetze der Ehre mit der Treue, die sie ihren
Fürsten schuldeten, zu vereinigen wussten, und deren Verhalten
bis zum letzten Augenblick des höchsten Lobes voll war. Die
Bayern, deren Tapferkeit und Diensteifer unübertroffen dasteht,
zeigten stets eine Gesinnung, die sie den Franzosen theuer
machten. Die .braven Polen, zahlreicher als die Deutschen,
haben sich während der ganzen Dauer der Belagerung durch
ihre Tapferkeit und bewundernswerthe Hingebung ausgezeichnet,
obgleich sie vom Feinde durch Proklamationen bearbeitet wur-
den, uns zu verlassen. Die Franzosen, denen man unter diesen
Umständen die schwierigsten Posten geben musste, waren von
diesem harten Dienst vollkommen ausgemergelt und erlitten
jeden Tag viel Verluste.
„Der Hunger fing an unleidlich zu werden. Der Soldat
erhielt seit 8 Monaten nur eine geringe Portion von getrock-
Abachloss der Kapitulation auf deu Herzog vou Würtemberg zu wirken.
Himly, capitulation de Danzig. Paris 1841 S. 26. Wohin doch der Ehrgeiz
führen kann!
>) Da» ist ein offenbarer Irrthum von Campredon. Von keinem Fürsten
ist die BUckbemfong der Tmppen eingetroffen. d'Artois erzählt S. 411, dass der
Kommandeur des baierischen Regiments, Oberst Graf Butlar, am 11. November
vor Rapp erschien und ein Schreiben vorzeigte, das er vom Ilorzog von Würtem-
berg erhalten hatte, wonach dieser dem Obersten das Bündniss seines Königs mit
den Alliirten mittheilte und auf sein Ehrenwort versicherte, dass er den Be-
fehl habe, die Baiern als Rebellen zu behandeln, wenn sie künftig noch in
den Reihen der französischen Armee kämpfen würden. Da der Oberst keinen
direkten Befehl von seinem Könige hatte, glaubte er den General Rapp, der
übrigens vom Herzoge auch direkt davon benachrichtigt worden war, nicht ver-
lassen zu dürfen. Da aber andererseits das Bündniss Baiems mit deu Alliirten
nicht zu bezweifeln sei, erklärte er, dass er die Waffen gegen diese Mächte
nicht länger führen könne. Der General entband ihn vom äussern Dienst
Vgl. auch Dttring S. 132. Die Westfahlen hatten noch am 22. die Batterie
Fischer besetzt, als sie von den Russen angegriffen wurde. Wie wir gesehen
haben, bat der Major Bauer erst am 24. den General Rapp darum, das Re-
giment vom äussern Dienst zu entbinden, was der General sofort bewillig.
427
netem Pferdefleisch (denn es wurden nur die Pferde an die
Schläcliterei abgeliefert, welche dienstunfähig waren). Die un-
reinsten Thiere, wenn sie nur geniessbar waren, wurden ver-
schlungen. Das Pökelfleisch war ausgegangen, ebenso das
trockene Gemüse. Der Branntwein und das Salz waren nahe
daran zu schwinden. Der Augenblick kam immer näher, wo
nur noch Getreide vorhanden war, das aber nur mit grossen
Schwierigkeiten gemahlen werden konnte, da die Mühlen
grösstentheils durch das Bombardement zerstört waren und auch
der Best dem gleichen Schicksal entgegenging. Mit einem
Wort, es schien unmöglich, die Kräfte der durch die Strapazen
erschöpften Mannschaft noch länger aufrecht zu erhalten.
„Dazu kam, dass seit 5 Monaten kein Sold mehr bezahlt
worden war, was unter den fremden Truppen eine grosse Un-
zufriedenheit erzeugte.
„Aber mitten unter diesen traurigen Verhältnissen, welche
der beginnende Frost noch steigerte*), weil er den gewalt-
samen Angriff des Feindes in Aussicht stellte, zeigte die Be-
satzung immer noch eine unerschütterliche Festigkeit, und na-
mentlich entwickelten die französischen Truppen in den täglichen
Gefechten, die immer blutiger wurden, einen heroischen Muth*)."
Der Eingang des Schreibens Rapp's an Napoleon, das er dem
Hauptmann Marnier mitgab, lautete: Unsere Lage, Sire, ist die
^) Mau ging dem nicht uuyorbereitet eutgegea. Seit dem Oktober wurde
daran gearbeitet, die 14 Fronten der Inundation mit einer 2. Palisadenreihe
anf der Faussebraie zu versehen. Der grösste Theil der Palisaden bestand
aus runden Stammhölzern, von denen die der ansspringenden Winkel eine
Stärke von 65 bis 70 Centimetem hatten. An den am meisten bedrohten
Punkten wurde selbst eine dritte Beihe und anf der Berme zum Theil eine
vierte gesetzt. Ausserdem wurde für jeden eingehenden Waffenplatz ein so-
genannter Bording beschafft, ein Fahrzeug von 23 Meter Länge und 3 Meter
und dariiber Breite. Die Wände desselben waren mit je 11 Scharten ver-
sehen, einige hatten auf dem Verdeck noch eine Brustwehr aus Strauchwerk
von 2 Meter Höhe. Im Innern waren sie für den Winter eingerichtet und
mit Oefen, Feldbetten, Tischen und Bänken versehen. Ihre Bestimmung war
als Blockhaus für den Waffenplatz zu dienen. Kähne stellten die Verbindung
zwischen den Bordings her und dienten auch als Eisbrecher, um die gefronien
Gräben mit einer offenen Eünette zu versehen. d*Artois S. 347.
*) Oampredon, Auriol S. 189, 190.
428
traurigste; wenn Sie es nicht ermöglichen, uns zu entsetzen,
bleibt der Besatzung, welche sich durch lange und erfolgreiche
Kämpfe unsterblich gemacht hat, nur noch die Aussicht, eine
glorreiche Vertheidigung durch die Gefangenschaft zu be-
endigen ^).
Es war unter diesen Verhältnissen, dass der Herzog von
Wtirtemberg die erste Parallele eröffnen Hess.
Obgleich der Herzog im allgemeinen sehr gut fiber die
Lage der Dinge in Danzig unterrichtet war, konnte er doch nicht
Kenntniss von den Zuständen haben, wie sie aus obigen Mit-
theilungen hervorgehen. Es ist ihm dalier nicht hoch genug
anzurechnen, dass er trotz der vorgerückten Jahreszeit, welche
eine baldige Einstellung der Belagerungsarbeiten in Aussicht
stellte, zur förmlichen Belagerung schritt. Seine ganze Um-
gebung, mit Ausnahme des Obersten von Pullet, stellte ihm die
Unmöglichkeit vor, einen Platz wie Danzig durch Gewalt zu
nehmen, und hielt die Blockade für ausreichend. Letzteres
hätte, wie die Verhältnisse in Danzig lagen, in Wirklichkeit
allerdings zu demselben Resultat geführt, aber niemand im
russischen Lager konnte wissen, dass die Lebensmittel f&r die
Besatzung nur noch bis zum 1. Januar reichen wfirden. Es
zeugt von der grossen Energie des Herzogs, die sich auch
überall sonst zeigte, dass er sich von den Hindernissen, die sich
der förmlichen Belagerung entgegenstellten, nicht abschrecken
Hess *).
Ich nehme hier das Tagebuch wieder auf.
November. 3- November. In der Nacht zum 3. wiederholte der Be-
lagerer die Angriffe der vorhergehenden Nacht auf die Höhen
zu beiden Seiten des Dorfes Schidütz, die augenblicklich ver-
'} d'Artois S. 381.
') Schon der alleinige Umstand, wie es mög^lich sein werde, die aussei^
ordentlich schweren englischen Geschütze hei dem aufgeweichten herbstlichen
Boden in die Batterien zu schaffen, da keine Pferde dazn vorhanden waren,
hätte von dem Gedanken einer Belagerung abschrecken kOnnen. Der Herzog
Hess die Armirang der Batterien durch die Pferde der Baschkiren ausführen.
Es waren drei Nächte dazu erforderlich, und es ging ziemlich laut dabei her.
Campredon hat es in seinem Tagebuche notirt, dass man daraus auf die Ar-
mirung der Batterien schloss.
429
loren gegangen waren, ohne erheblichen Widerstand zu finden. November.
Der Belagerte war nicht mehr im stände, die erforderlichen
Kräfte auf die Behauptung der Stellung zu verwenden, doch
blieb er noch im Besitz der avanc6e Kirgener. Der Oberst
von Pullet, der die Arbeiten stets persönlich leitete, Hess so-
gleich die Redute a' (18) in Angriff nehmen *), welche den linken
Flügel der in der folgenden Nacht zu erbauenden 1. Parallele
gegen die Reduten Kirgener und Istrien decken sollte*). Gleich-
zeitig mit dieser Redute wurde noch eine dritte (p') an der
Stelle erbaut, wo der rechte Flügel der Parallele zu liegen
kommen sollte^).
Das Dorf Schidlitz wurde etwa in der Mitte seiner Länge
von einer Kupüre durchbrochen und auf diese Weise ein Ab-
schnitt hergestellt. Zu diesen Arbeiten waren 2200 Mann an-
gestellt worden. Der Bau der beiden Reduten wurde, be-
günstigt durch einen Nebel, der bis Mittag anhielt, auch am
3. fortgesetzt, so dass sie gegen Abend bis auf die Palisadirungen
fertig wurden. Die Batterien an den Schottenhäusern erhielten
den Befehl, das Feuer zu verdoppeln, um die Aufmerksamkeit
des Feindes abzulenken*).
Auf Seiten des Belagerten fasste man die Arbeiten der
Nacht als Eröffnung der 1. Parallele auf, und der General
Httsson erhielt den Befehl, einen Ausfall darauf zu machen.
Er rückte bei Tagesanbruch bis an die Werke heran, fand
aber so überlegene Kräfte gegen sich, dass er von einem An-
griff abstand^). Die französischen Ingenieure waren durch die
') Apercu 306. Der Verfasser sagt irrthttmlich a' und V.
*) Die Rednte 18 wnrde anch die Batterie Brese, die Redute 19 die
Batterie Eool genannt.
') Der Pnnkt p' (39 bei d ^Artois) ist so gewählt, dass er den ftnssersten
Punkt nach Süden bildete, wo noch eine Batterieanlage möglich war, da von
da ab das Terrain nach Altdorf abf äUt and die Aussicht auf die feindlichen
Werke nimmt.
*) Apergu 323.
^ d'Artois 371. Campredon 187. Der Verfasser des aper^u macht
S. 325 d'Artois den Vorwurf, dass er einen Angriff durch Husson gegen den
Bau der 1. Parallele ausführen lässt, der gar nicht stattgefunden habe. Das
ist jedoch ein Irrthum. D'Artois wie der General Campredon erwähnen diesen
Ausfall am 3., wo nach ihrer Ansicht die 1. ParaUele eröffnet wurde; der
430
November. Bauten des Belagerers für die Reduten aaf der Jesuiterhöhe
besorgt, weil sie von dort im Kücken gefasst werden konnten.
Sie bemühten sich daher, auf dem Judenberg eine Stelle aus-
findig zu machen, die sich zur Anlage eines Werkes eignete.
Die Schwierigkeit lag jedoch darin, dass der Feind einmal im
Besitz der Batterien von Frioul die Verbindung des Juden-
bergs bedrohte. Auch würde das Werk, wenn es etwas nützen
sollte, viel Zeit in Anspruch genommen haben. Man begnügte
sich daher, den Bau der Traversen, welche die Reduits der
Batterien Friaul schützen sollten und bereits in Arbeit waren,
zu beschleunigen. Dasselbe fand an dem Abschnitt in Schott-
land statt, der noch nicht vollkommen beendigt war. Auch der
Verhau vom Jesuiter-Kollegium nach der Avanc6e Frioul war
noch unvollendet. Die Brustwehren der Lfiuetten Cafarelli und
Leclerc wurden verstärkt').
Die Kälte hatte nachgelassen.
4. In der Nacht zum 4. wurde die 1. Parallele in der
Weise vervollständigt, dass die Reduten a' (18) und p' (39)
durch eine Tranchee verbunden wurden. Es waren dabei
2000 Arbeiter thätig, die durch 3 Bataillone gedeckt wurden.
Als Reser\'e waren einige ostpreussische Landwehrbataillone
weiter rückwärts aufgestellt *). Die Arbeit scheint vom Gegner
Verfasser des aper^u spricht aber vom 4., wo die ParaUele in Wirklichkeit
erst ausgeführt wurde, wenigstens nach der Darstellnng des apergu. Es
handelt sich dabei nur nm ein Wortspiel, denn die Tranchee gegen den
Bischofsberg ist jedenfalls schon in dieser Nacht vom 2. zum 3. eröffnet
worden, wie der Verfasser des Apercu S. 421 auch anerkennt, wenn auch
nicht in ihrer ganzen Ausdehnung. Den Ausfall bestätigt auch der Land-
wehrofficier des Bataillons HiUsen v. Brederlow aus eigner Anschauung und
das Tagebuch der Division Heudelet, das den Verlust des Generals Husson
auf einen Hauptmann (Milcent), 2 Officiere und 20 Mann Verwundete und
3 Todte angiebt.
*) Campredon 187. d*Artois 373.
*) Apercu 323, 324. Pullet spricht sich in dem Tagebuch der Ingenieur*
arbeiten (Kr.-Arch. F. 9) wie folgt über die Arbeiten aus: ^Vom 3. zum 4. und
zum 6. war die Arbeit auf dem linken Flügel der 1. Parallele dahin gediehen,
dass solcher nicht nur durch 3 hintereinander liegende Batterien, wovon die
3. und letzte mit Palisaden geschlossen, kräftig unterstützt, sondern auch die
1. Parallele vollkommen zur Hälfte angefertigt und mit der Position auf
den Schottenhäuser Hohen verbunden war, ohne dass der Feind diese Arbeit
431
gar nicht bemerkt worden zu sein, da die Arbeiter und Be- November,
deckungstruppen nicht einen Mann verloren. Campredon be-
merkt in seinem Tagebuch, der Feind rückt nicht über seine
Position hinaus und beschäftigt sich mit den Verbindungen
nach hinten^). Er setzte voraus, dass die 1. Parallele bereits
fertig war.
Der linke Flügel der ersten Parallele war etwas zurück-
gezogen, um von den Reduten des Retranchements Ziganken-
berg nicht enfilirt zu werden *). Nach den russischen Berichten
lag die 1. Parallele 650 Schritt vom Bischofsberge ab, nach
den französischen 700 Meter von den ausspringenden Winkeln
der Lünetten Cafarelli und Ledere und 900 Meter von den
Werken des Forts. Das Terrain spricht für die französische
Angabe *).
Von Seiten des Belagerten räumte man in der Nacht zum
4. das Dorf Schidlitz und die Häusergruppen in den anliegenden
Mulden, brannte sie aber aus. Nur ein Haus in der nach
Zigankendorf führenden Schlucht wurde erhalten und binnen
24 Stunden zu einem Blockhaus umgeformt. Der Bau der
avancee Kirgener wurde sistirt, doch blieb der Posten noch be-
setzt*). Mit aller Anstrengung wurde dagegen an der Ar-
mirung des Bischofsberges gearbeitet. Die französischen Inge-
nieure waren durch die Eröffnung der 1. Parallele, die keinen
Zweifel mehr liess, dass es sich um einen förmlichen Angriff
des Bischofsberges handele, völlig überrascht worden und hatten
bisher nichts zu seiner Armirung gethan. Der Stillstand im
für das zn nehmen scheint, was sie wirklich ist.'' Es ist jedoch zu bemerken,
dass die Batterie b' (Nr. 17) erst in der Nacht zum 6. erbaut worden ist.
^) Campredon 190.
*) Um bei der Ausdrucks weise des aper^u zu bleiben, wonach die 1.
ParaUele zwischen den beiden Beduten 18 (a') und 39 (p') geführt wurde,
bildete die ParaUele nicht eine direkte Verbindung zwischen beiden Beduten,
sondern ging von Bedute 18 im weiten Bogen durch das Dorf Stolzenberg
und mehrfach en cremaill6re zur Bedute p' (39) hin. Die Bedate 17 (b')
existirte noch nicht.
') Der Msgor Liebe ist auch damit nicht zufrieden, sondern behauptet,
er hätte die Erhöhung der Geschütze für 1200 Schritt und mehr nehmen
müssen. Tagebuch. Kr.-Archiv F. 9.
*) Campredon 190. d'Artois.
482
November. Vorgehn bei Langfuhr, die heftige Beschiessang der Werke auf
der Jesaiterhöhe und in letzter Zeit die Anlage mehrerer Bat-
terien in der Gegend von Schidlitz, sowie die Oefechte daselbst
und bei Stolzenberg hätten darauf führen sollen. Aber erst am
3. erkannten sie die Gefahr*).
Es wurden nunmehr alle Punkte der Umfassung und der
Aussenwerke, die Einsicht auf den Angriff hatten, stärker be-
waffnet. Es wurden die Punkte bestimmt, wo Leuchtpfannen
aufzustellen waren. In den Kehlen der Reduten Eirgener and
Istrien wurden Flanken angesetzt, um eine grössere Front nach dem
Angriffsfeld hin zu gewinnen^). Der Abschnitt vor Schottland
und die Werke auf der Jesuiterhöhe wurden, soweit es noch
erforderlich war, palisadirt. Auf dem Bischofsberge wird auf
eine gesicherte Unterkunft der Truppen Bedacht genommen.
Traversen gegen den Rikoschetschuss werden erbaut und das
Ingenieurpersonal bedeutend erhöht. Bisher waren der chef
de bataillon Michaud vom Ingenieurkorps und der Hauptmann
Dieudonnö mit den Lieutenants d'Artois und Lapasque (von
den Mineuren) mit der Ausführung der Arbeiten betraut ge-
wesen. Sie werden durch zwei Hauptlente und 3 Lieutenants
verstärkt. Ebenso wird das Personal und Material der Ar-
tillerie*) vermehrt. Der Stand wird auf 350 Artilleristen und
^) D^ ce moment, sagt der Bericht tlber die Ingenieorarbeiten (Anriol
S. 288), nons pümes juger avec assez de probabilit6 (!) les projets de Tassi^-
geant, qui jusqa^alors ayaient paru douteux, und nacbdem er dies näher aus-
einandergesetzt bat, fährt er fort: Nons dümes croire^ös lors qne Tassi^-geant,
qni, pendant dcnx mois d'attaqne, avait 6t6 tenne k une si grande distance,
roalgr6 nn trös grand d^veloppement de tranch^e, sontenn par le feu, ne
vonlait pas se contenter de brftler la ville par ses bombes, ses obus et ses
bonlets rongcs dont il a lanc6 nne tr^ grande qnantit^, et que son projet
6tait de diriger nne attaqne r^uli^re yers le fort de Bischofeberg.
*) Die Verstärkung der Armimng des Zigankenbergs besduränkte sich
jedoch nnr anf 2 Stücke in Lttnette Istrien. d^Artois 372.
*) Die Zahl und die Gattungen der Geschütze anf dem ßischofsbeige
mit den Anschlusslinien an das Nengarter und Petershagenerthor bestanden
aus: 18— 24Pfündem, 21— 12Pfündem, 13— SPfündem, 17— GPföndem,
1— 4Pfünder, 7— SPfündem,
4 Haubitzen zu 6 Zoll 4 Linien, 5 zu 24 (Pfund?)
9 Mörser zu 10, 13 zu 6 Zoll,
433
500 Aushilfemannschaften anderer Waffen gebracht. Zum Kom- November,
mandeur der Artillerie wird der Kommandant Farjau ernannt
mit dem Hauptmann Aumont als Adjutant. Kommandant des
Forts ist der Oberst Cabrio*). Das Wetter ist schön.
Am 5. In der Nacht zum 5. wurden die Beduten a' (18)
1" (19) und p' (38) mit Palisaden versehen und armirt, die
beiden ersteren mit je 4, die letztere mit 6 — 24 Pfändern.
Die avanc^e Kirgener wurde mit dem Bajonett genommen und
sogleich mit der Bedute k" (16) durch eine Tranchee ver-
bunden ^. Die in der Nacht vom 1. zum 2. ausgeführte Tranchee,
welche den gleichen Zweck hatte, war, wie wir gesehen haben,
vom Belagerten wieder eingeebnet worden. Die avanc^e wurde
vom Belagerer zu einer Redute ausgebaut und erhielt den Namen
Wilhelmsschanze. Sie wurde nach rechts mit der 1. Parallele
verbunden. Doch scheint sie wegen der üeberhöhung durch die
Batterie Kirgener nicht mit Geschützen versehen worden zu
sein. Der Major Liebe erhielt vom Herzog den Befehl, die Stein-
schleuse zu beschiessen ').
Der Hauptmann Chambure schiffte sich in der Nacht zum
5. mit der Freikompagnie in Neufahrwasser ein und landete
hinter dem Retranchement von Neufehr auf der Nehrung. Er
fiberfiel das Hauptquartier des Obersten Ekeln in Bohnsack. Ein
Schuppen, worin sich die Pferde des Obersten und zwei Schmieden
befanden, wurde verbrannt. Inzwischen hatten sich die Russen
seiner zwei Fahrzeuge bemächtigt, so dass er bei seiner Rück-
in Samma 77 Kanonen, 31 Warfgeschtttze = 108.
d'Artois 368.
0 Campredon.
*) Apercu 326. Nach d'Artois 375 nnd Campredon 193 war die Be-
satzung instrnirt im FaH des Angriffs keinen ernstlichen Widerstand entgegen-
zusetzen, was in soweit begründet erscheint,, dass französischerseits kein Versuch
gemacht wurde, sie wieder zu nehmen. Sie muss sich also haben ttberraschen lassen,
da sie niedergemacht wurde. Zu halten war sie nicht länger, da die Beduten
18 und 19 nur 600 Schritt davon ablagen und die russischen Schützen sich
auf halbe Gewehrschussweite davon eingegraben hatten, um jeden aufs Kom
zu nehmen, der den Kopf vorstreckte. Nach d'Artois 373 wurde die Redute
16 auch mit den Batterien 24 und 26 durch eine Tranchee verbunden.
") Tagebuch des M^jor Liebe.
Köhler, Geschichte der Festangen Danzlg and Weiohselmünde. II. 28
43^
Noyember. kehr sich nicht wieder einschiffen konnte. Es gelang ihm jedoch
sich nach Weichselmttnde durcliznschlagen^).
Im übrigen wurden die Armirungsarbeiten auf dem Bischofs-
berge in Schottland und in den Reduteu fortgesetzt. Campredon
bemerkt, dass das Feuer auf dem Bischofsberge schlecht dirigirt
worden sei, wofür auch die geringen Verluste der Russen sprechen.
Sie konnten am Tage an ihren Zickzacks zur Verbindung nach
rückwärts fortarbeiten und eine Arriere-Parallele erbauen*).
Der Tag war schön.
Am 6. Der Belagerer erbaut in der Nacht zum 6.
die Batterie b' (No. 17) gegen das Neugar ter Thor und
das Ketranchement ') und pflanzt von der Nehrung aus
gegenüber dem Ganskruge 8 Haubitzen und eine Anzahl Con-
grevischer Raketen unter dem Schutz von 2 Bataillonen und
einigen Kosacken auf, um Langgarten, namentlich das Guver-
nementsgebäude und die Pulvermühle auf dem englischen Damm,
') Aperga 327. d'Artois 376 und Campredon 194 machen von seinen
Erfolgen viel Aufhebens. Er soll Kanonen vernagelt und 300 Kann getödtet
haben. Die preussischen Berichte wissen davon nichts. Tagebuch des preussi-
schen Landwehr-BataiUons Nr. 17 (Oelrichs), das speciell von dem UeberfaU
betroffen wurde. Kr.-Arch. F. 9.
*) Tagebücher des Majors v. Hake und Pullet's. Letzterer spricht sich
ttber den Zweck der Arriere-Parallele dahin aus: sich zwischen beiden Pa-
rallelen zu schlagen, falls der Feind einen Ausfall auf die 1. Parallele wagen
sollte. Der Oberstlieutenant Pullet glaubte hierdurch mehr im Vortheil zu
bleiben, als wenn man sich mit ungeübten Truppen zwischen der 1. Parallele
und der Festung schlagen müsse.
^ Campredon 194: ;,Nnit du 5. au 6. L^ennemi commence une batterie
sur le mamelon auquel aboutit la gauche de sa parallele. Cette batterie,
ainsi que les deux en arriere sur les mamelons qui couronneut Schidlitz,
paraissent dirig^es sur le front de Neugarten et les derriöres du camp re-
tranch6 du Zigankenberg." Es geht daraus hervor, dass die Batterie b' (17)
bei Eröffnung der 1. Parallele noch nicht vorhanden war und letztere daher
nicht von ihr ausgegangen sein kann, obgleich sie infolge des grossen Bogens,
den die Parallele von Batterie Brese aus nach vorwärts beschrieb, auf dem
linken Flügel derselben lag, d. h. jetzt daselbst erbaut wurde. Wir haben
hier wiederum ein Beispiel der summarischen Darstellungsweise des Verfassers
vom aper^u. Das Tagebuch des Major Liebe damit übereinstimmend erwähnt
noch, dass die nissischen Pioniere den Scharten eine falsche Direktion gegeben
haben.
435 _
zu beschiessen. Eine Holzniederlagc ging infolgedessen in
Flammen auf*).
Von selten des Belagerten werden die Armirungsarbeiten
fortgesetzt und zwischen den Reduten Istrien und Kirgener
Batterieanlagen erbaut ^). Von ihrer Armirung und Verwendung
erfährt man jedoch nichts.
Das Wetter ist regnerisch, die Temperatur gelinde.
Gegen Abend erschien ein Parlamentair des Herzogs von
Würtemberg bei den Vorposten an der grossen Allee und gab
ein Schreiben desselben an den General Bapp ab. Es lautet:
General !
Ich habe vor einigen Tagen einen Parlamentair mit Trom-
peter an Euer Excellenz abgeschickt. Die Vorposten haben
sie sich annähern lassen und dann auf sie geschossen. Ich
bin nicht wenig über diese Verletzung de^ Völkerrechts be-
troffen gewesen, wiederhole jedoch den Versuch, um Sie über
die Kriegslage aufzuklären, wonach Sie nicht die geringste
Aussicht haben entsetzt zu werden. Ich gehe auf Details nicht
ein, da sie Ihnen nur schmerzlich sein würden, gebe Ihnen aber
mein Ehrenwort, dass die grosse französische Armee auf dem
Rßckzuge nach dem Rhein begriffen ist und Dresden sowie Er-
furt geräumt hat. In dem Augenblick, wo ich schreibe, hat
sie wahrscheinlich den Rhein schon überschritten. Im übrigen
bin ich bereit, ihnen die Zeitungen, welche darüber Nachricht
geben, zu übersenden. Es scheint mir danach an der Zeit zu
sein, dass Euer Excellenz Ihre Lage und die der Besatzung in
reifliche üeberlegung ziehen, da es dazu bald nicht mehr Zeit
sein möchte, und dass Sie Sich bemühen, Ihrer Regierung ein
Truppenkorps zu erhalten, was sich durch ein beiderseitiges
ehrenvolles und vortheilhaftes üebereinkommen erreichen Hesse.
Ich bin im Besitz aller Mittel Sie zu zwingen, nicht länger
einen Platz zu vertheidigen, der ohne Aussicht ist, entsetzt oder
mit Lebensmitteln versehen zu werden. Mögen Sie bedenken,
>) Apercu 331. Campredon 195, d'Artois 377.
') Campredon 196.
jtg*
436
dass ich keine andern Beweggrunde habe, als der Stadt das
Elend zu ersparen, unter dem sie seit so langer Zeit leidet.
Mit ausgezeichneter Hocliachtung
gez.: Alexander von Wflrtemberg
General en chef.
Der General Rapp antwortete sofort wie folgt:
Monseigneur!
Ich beeile mich das Schreiben zu beantworten, womit Eure
Konigl. Hoheit mich am heutigen Tage beehrt haben. Der Par-
lamentair, der vor kurzem an mich abgesendet worden ist, würde
angenommen worden sein, wenn nicht in demselben Augenblick
und in naher Entfernung davon der Versuch gemacht worden
wäre, Proklamationen an meine Truppen auszutheilen und wenn
Ihre Batterien nicht das Feuer fortgesetzt hätten. Auch ist
erst auf ihn geschossen worden, nachdem er wiederholentlich
darauf aufmerksam gemacht worden ist, dass man ihn zwingen
werde, sich zu entfernen.
Eure Königl. Hoheit benachrichtigen mich von den traurigen
Ereignissen der französischen Armee und geben Ihr Ehrenwort
für deren Wahrheit ab. Danach ist es mir nicht gestattet,
daran zu zweifeln. Ich erlaube mir jedoch Sie darauf aufmerk-
sam zu machen, dass das Glück unbeständig ist und die Erfolge
im Kriege sich jeden Tag ändern können, so dass Ihre allge-
mein gehaltenen Zusicherungen mich nicht abhalten können
auf irgend eine Unterstützung, sei es durch Waffengewalt oder
durch Unterhandlungen zu hoffen, und dass ich noch mit allem
versehen bin, um mich auf längere Zeit zu vertheidigen. Ich
kann nicht darauf denken in Unterhandlungen zu treten, ohne
die Pflichten, die mir auferlegt sind, zu verletzen. Eure Königl.
Hoheit versichern, dass Sie im Besitz aller Mittel sind mich zu
zwingen, die Vertheidigung des Platzes, der mir anvertraut ist,
aufzugeben. Das ist von Ihrem Standpunkte aus ganz richtig,
aber Sie kennen nicht die Mittel, die mir zu geböte stehen und
erst nach dieser Kenntniss würden Sie die Ihrigen, mich zu
zwingen, abmessen können.
Ich bitte Sie überzeugt zu sein, dass ich auf Ilire Achtung
grosses Gewicht lege, dass ich aber, um sie zu verdienen, in
der Vertheidigung wie bisher fortfahren muss, auch wenn dies
437
nicht schon durch die Pflichten gegen meinen Suverain geboten November.
wäre.
Die Zeitungen werde ich mit Dank annehmen, wenn Sie
die Gewogenheit haben wollten, auch die französischen denen
der alliirteu Mächte beizulegen.
Im übrigen versichere ich Eurer Königl. Hoheit, dass die
Leiden der Bewohner Danzigs mich ebenfalls im hohen Grade
bekümmei*n, dass ich sie aber nicht verschuldet habe.
Was Euer Königl. Hoheit auch über mich beschliessen
werden, so bitte ich Sie überzeugt zu sein, dass dies meine Ge-
fühle gegen Sie nicht alteriren werde.
gez.: Graf Kapp.
Ein Adjutant des Generals gab am 7. das Antwortschreiben
bei den Vorposten in Langfuhr ab *).
Am 7. In der Nacht zum 7. macht die Freikompagnie des
Kapitain Chambure eine Laudung zwischen Brösen und Konrads-
hammer, wird aber von den Kosacken zurückgetrieben*). •
Auf beiden Seiten werden die Arbeiten in der Nacht fort-
gesetzt. Am Morgen eröffnen die beiden Batterien 18 (a') und
19 (1'') das Feuer. Der Belagerte macht infolgedessen das
Neugartener Thor, das beschossen wird, zu^).
Die Bescliiessung der Steinschleuse wird fortgesetzt, jedoch
ohne allen Erfolg. Es gelingt auch nicht, die dabei befindliche
Mühle in Brand zu stecken, obgleich eine Belohnung darauf
gesetzt ist*)
Das Wetter ist feucht und kalt-^).
Am 8. Die Batterien 18 und 19 werden palisadirt % Die
Batterie 17 (b'), auch Schmiedeknecht genannt, eröffnet am
*) Die beiden Schreiben werden von Campredon mitgetheilt. Anriol
S. 195 ff.
*) Aper<ju 339. d'Artois macht (378) aus dieser Expedition Chambure's
eine grosse Heldenthat, lässt das mssische Barackenlager verbrennen, 8 Russen
tödten, 30 Mann verwunden und mehrere Kosackenpferde erbeuten.
») Campredon 197.
*) Tagebuch des Major Liebe. Kr.-Arch. F. 9.
*) Campredon.
•) Apercu 337. Die erste Parallele ist bis zu diesem Tage voHständig
hergestellt. ^On s'occupa jusqu'au 28. October (8. November) ä consolider
tous nos ouvrages.''
438
November. Morgen das Feuer'). Auf seilen des Belagerten wird die rechts
gelegene Batterie Frioul mit fougasses k bombes vei^ehen^.
Der Bischofsberg unterhält ein lebhaftes Feuer auf die feind-
lichen Arbeiten, dagegen thnn die Batterien Eirgener und Is-
trien, wie Gampredon bemerkt, nicht ihre Schuldigkeit. Sie
scheinen ihren Vortheil, die 1. Parallele zu enfiliren und zum
Theil im Rttcken zu fassen, nicht zu verstehen.
Der Tag ist schön und nur massig kalt').
Am 9. Das Bombardement der Batterien an den Schotten-
häusern dauert fort. Der Belagerer vereinigt in der Nacht zum
9. seine Attacke gegen die Jesuiterschanze (batteries de Frioul)
mit den Batterien r" s" t" durch einen Laufgraben mit der
1. Parallele bei p' und verlängert ihn bis zu den Schotten-
häusern*). Die Linie, welche nunmehr den rechten Flügel der
J) Gampredon 201.
*) Die fougasses & bombes bestanden uacb d'Artois in einem Kasten,
der mit 4— 10"gen Bomben und 6 Pfund Pulver geladen war.
') Gampredon.
^) Beriebt PuUets an den König vom 9. November nebst Skiasze sagt:
In Verfolg meines Berichts vom 5. b. melde Ew. KönigL Majestät ich unter-
tbänigst, dass das Stück der 1. Parallele aa in gestriger Nacbt unter meiner
persönlichen Leitung, nachdem es die vorige Nacbt missglückt war, 100 Schritt
vom Feinde (von der Judenschanze) ab, gefertigt worden ist, ohne dass wir
sonderlich vom Feinde gestört worden w&ren. Sämmtlicbe Parallelen sind so
breit, dass zwei Wagen darin vorbeifahren können. Um halb 12 Uhr
in der Nacht begab ich mich, nachdem ich die auszuführenden Arbeiten drei
kaiserlichen Ingenieur-Officieren übergeben hatte, nach der Schanze Ziganken-
dorf gegenüber (Wilhelmsschanze), um die dortigen Arbeiten zu revidiren.
Eine Kanonenkugel riss mir hier meinen 2. Adjutanten, den kaiserlichen
Lieutenant Schmiedeknecbt, von der Seite .... In der nämlichen Schanze
ist der Unterofficier Brese geblieben. Bei meiner Bückkehr nach dem rechten
Flügel fand ich die Tranchee in so gutem Fortgange, dass ich die Arbeiter
nm 4 Ubr entlassen konnte." Diese 3Iclduug steht im Widerspruche mit dem
Tagebuche PuUets (siehe oben S. 430 Note 2), wird aber von d'Artois (S. 375)
und Gampredon (202) bestätigt. Das Tagebuch führt in der Nacht vom 8.
zum 9. nur den Tod des Lieutenants Schmiedeknecht au. Der Irrthum des
Tagebuchs ist auch in die „Skizzirte Geschichte'' (129) übergegangen, wonach
der Hauptmann v. Gayette den Anschluss der 1. Parallele an die Schotten-
häuser in der Nacht vom 4. zum ö. ausgeführt hat. Noch auffallender als
der Irrthum des Tagebuchs ist, dass das Apercu die wichtige Nachricht der
Verlängerung der ersten Parallele mit Stillschweigen übergeht.
439
1. Parallele bildet, geht etwa hundert Meter bei der Juden-
schanze (poste du sergent) vorbei. Sie kommt damit der
Jesuiterschanze sehr nahe, namentlich der avanc6e. Die 1. Pa-
rallele erhält dadurch eine Ausdehnung von 2300 Schritt, wird
aber von der avanc6e Frioul zum Theil enfllirt*), doch schützt
das Terrain dagegen. Auch ist die avanc^e ohne Geschütz,
weil man die Haubitze zurückgezogen hat, die das feindliche
Feuer zu sehr auf sich zog. Der Oberst Ekeln erschien in
dieser Nacht wiederum dem Ganskruge gegenüber und beschoss
Langgarten. Er hat das im Lauf der Belagerung noch mehr-
fach wiederholt*). Am 9. reiste der Hauptmann Marnier mit
Depeschen des Generals Rapp zur See zu Napoleon ab^). Der
General schreibt: „Unsere Lage ist die betrübendste und wenn
Euer Majestät Armeen Sie nicht instand setzen, die Belagerung
baldigst aufzuheben, so bleibt der Besatzung, welche sich durch
lange und unaufhörliche Erfolge unsterblich gemacht hat, nur
die Aussicht, die glorreiche Vertheidigung durch die Gefangen-
schaft abzuschliessen.^
Wir erfahren aus den Depeschen noch, dass die Armee zur
Zeit 17597 Mann zählte und zwar:
in den Lazarethen 1182
Kranke
im Revier . . . 2915 j
Gensdarmerie, Intendantur, Beamte pp. — ,600
Kombattanten 12,900.
. Die Vertheilung auf die einzelnen Waffen und Nationali-
täten siehe d'Artois 381.
Ueber das Verhältniss des Herzogs zu Rapp schreibt Pullet
in dem Bericht vom 9. an den König: „Die Verheerung in
Danzig soll schrecklich sein. Sie hat die Vorräthe des Guverneurs
so mitgenommen, dass er sich seit 3 Tagen wider seine sonstige
Art sehr umgänglich beweist, indem er wieder Parlamentaire
annimmt und vom Herzoge das Anerbieten, ihm authentische
Nachrichten über den gegenwärtigen Zustand in Deutschland
mitzutheilen, angenommen hat." Vgl. S. 436.
') Campredon 202.
*) Apercu 340.
•) Campredon 202. d'Artois 381. Letzterer theilt im Anhange VI,
S. 479 auch den Bericht der abenteuerlichen Reise des Kapitains mit.
440
November. Der Herzog hatte am 8. ein neues Schreiben (datirt Po-
lanken 7.) an Bapp bei den Vorposten abgeben lassen, worin er
gelegentlich der Uebersenduug einiger Zeitungen seine Vor-
stellungen wiederholt und am Schluss die Bitte hinzufügt, dass
der General die bairischen Truppen entlassen möge. Er ver-
pflichtet sich, sie nicht zurückzuhalten und zu verwenden, sondern
nach Hause zu schicken.
Er stellt in Aussicht, diese Bitte auch bald auf die Sachsen
und Polen auszudehnen, da der Friede mit dem Könige von
Sachsen in einigen Tagen abgeschlossen sein wird. Der General
Rapp antwortete darauf am 9. und bemerkt unter anderem : „Die
Aufgabe der Besatzung ist ganz unabhängig von den Begeben-
heiten, sie hat sich bis auf den letzten Mann zu vertheidigen und
ich habe eine viel zu hohe Idee von der Charakterstärke Euer
Königl. Hoheit, um daran zu zweifeln, dass ich mit dieser Auf-
fassung eine höhere Stufe in Ihrer Achtung erwerben werde.
Wenn Sie Sich auf das Elend und die Leiden der Bewohner
Danzigs beziehen, so nehme ich als Mensch — und das wissen
alle — den grössten Antheil daran, als Soldat aber ist es die
letzte Bttcksicht, die ich zu nehmen habe. Wenn Sie die Ueber-
zeugung haben, dass ich nicht mehr entsetzt werden kann und
nur noch auf wenige Wochen Lebensmittel habe, so ist kein
Grund vorhanden, warum Sie das Bombardement nicht einstellen.
Was den Abfall Baiems betrifft, den Sie mir mittheilen, so hat
das für mich keinen officiellen Charakter, da für mich nur .der
Befehl des Kaisers massgebend sein kann. Ich kann daher die
Baiern ohne Befehl des Kaisers nicht entlassen. Da Sie auf
diesen Punkt einen so grossen Werth legen, so gestatten Sie,
dass ich einen Offleier an meinen Suverain sende, dessen Rück-
kehr volle Klarheit in die Situation bringen würde" *).
Am 10. In der Nacht zum 10. beginnt auf Seiten der
AUiirten der Batteriebau in der 1. Parallele*). Die dispo-
*) Campredou nnd anderwärts.
*) Ich folge in Nachstehendem den Angaben des aperen S. 341 und, was die
Zwecke der einzelneu Batterien betrifft, S. 368 desselben, gebe im Anhange V
aber das Tagebuch des Major Liebe fär diese Zeit, worin die Armirungs-
arl^eiten der 1. Parallele von einem andern Gesichtspunkte aus dargestellt
441
niblen Kräfte erlaubten nur successiv damit vorzugehen. Es
wird mit den Batterien des linken Flügels begonnen und werden
deren 4 in Angriff genommen. Der Verfasser des apergu be-
zeichnet sie mit r, m', n', o'; T soll mit 4 — 24 Pffindern be-
waffnet werden und die Lttnette Cafarelli beschiessen, m', mit
4 — 24 Pffittdern bewaffnet, ist gegen die Kontregarde Scharfen-
ort bestimmt, n' soll 12 Mörser erhalten und damit die Bas-
tione Mittel und Scharfenort bewerfen, o ' mit 4 — 12 Pfändern
und 2 Haubitzen bewaffnet, ist gegen Lfinette Leclerc und Bas-
stion Mittel bestimmt^).
Nach dem Tagebuch des Major Liebe werden bei Schell-
rnühl 4— 13'^ge grosse metaUene russische Mörser aufgestellt, um
mit 200 pfundigen Bomben die Wohnung Rapp's in Langgarten
zu beunruhigen. Die Veranlassung lag wohl mehr darin, dass
der Rest von Lebensmitteln der Besatzung nach dem grossen
Brande in Langgarten untergebracht war.
Der Ausbau der Wilhelmsschanze wird vom Belagerer be-
endet und die Schanze mit Palisaden versehen. Das linke
Werk von Batterie Friaul erhält in dieser Nacht ebenfalls
fougasses k bombes. Die Armirungsarbeiten des Bischofsberges
werden fortgesetzt. Der Batteriebau in der 1. Parallele scheint
vom Belagerer nicht wahrgenommen worden zu sein.
In der Nacht war Regen gefallen, der Tag war schön und
mild.
An diesem Tage langte ein drittes Schreiben des Herzogs
an Rapp an, worin er sagt, dass seine Kenntnisse, wonach die
Besatzung nur noch auf 25 Tage mit Lebensmitteln versehen
sei, vom Hauptmann Marnier herrühre, dessen Schiff von einem
englischen Hooker aufgebracht worden sei ^. Femer theilt der
werden und reich an artilleristischen Details sind, deren Anfzählnng für das
allgemeine Tagebnch sich nicht eignen wtlrde.
') Das aperen bringt noch auf derselben Seite die Notiz, dass die Franzosen
Alt-Schottland nnd die Gebäude bis znm Petershagener Thor angesteckt hätten.
Wenn dies der FaU gewesen wäre, hätten sie das Dorf auch räumen müssen,
was indessen erst am 22. erfolgt ist. Dagegen ist von seiten der Bussen
wiederholentlich der Versuch gemacht worden, das Dorf niederzubrennen, ohne
dass es gelangen wäre. Der Major Liebe sucht die Ursache davon darin,
dass die Zimmer leer gewesen wären.
') Wie der Verfasser des aper^u S. 340 eingesteht, h^be der Herzog
442
Herzog den soeben eingetroflfenen Befehl des Kaisers Alexander
mit, wonach die Besatzung, wenn sie sich nicht sofort ergiebt,
nur noch auf eine capitulation k discretion zu rechnen habe.
Es wird dann davon abhängen, ob bei der Uebergabe noch auf
25 Tage Lebensmittel vorhanden sein werden oder nicht. Im
letztern Fall soll die Besatzung als Rebellen betrachtet und
nach Russland abgeführt werden. Die Sendung eines Officiers
an Napoleon wird abgelehnt. Alle ferneren Parlamentaire mit
Ausnahme desjenigen, welcher die Antwort auf das vorliegende
Schreiben bringt, werden abgewiesen werden, wenn sie nicht
mit weisser Flagge erscheinen.
Die Antwort des Generals Rapp geht am folgenden Tage
ein und lautet: Wenn Ew. Königl. Hoheit die üeberzeugung
gewonnen haben, dass die Besatzung nur noch auf 25 Tage
Lebensmittel hat, so beruht das auf Nachrichten, welche weit
entfernt davon sind, genau zu sein und ich weiss nicht, wie
die Gefangennahme des Hauptmanns Marnier damit in Beziehung
stehen soll. Die uebergabe des Platzes, welcher mir anvertraut
ist, liegt noch so fern, dass an Unterhandlungen nicht gedacht
werden kann. Seiner Zeit wird sich mein Parlamentair ein-
stellen. Wenn Ew. Kgl. Hoheit bemerken, dass Sie keinen
ohne weisse Flagge mehr empfangen werden, so mögen Sie
bedenken, dass meine Mannschaft nie einwilligen wird,
Demüthigungen hinzunehmen und ich im äussersten Fall noch
mehr wie einen Gegenstand zu bieten haben werde, der Ew.
Kgl. Hoheit bewegen könnte, als Kompensation zu dienen.
Zum Schluss erlaube ich mir Ew. Kgl. Hoheit mein Bedauern
auszusprechen, dass Sie mir nicht gestattet haben, einen Offizier
an den Kaiser Napoleon zu schicken, da die Anwesenheit des
Kaisers in Paris kein Hinderniss in dieser Beziehung abgeben
kann. Dieses Mittel würde für die Verbündeten ohne Nach-
theil sein, wäre vielmehr das einzige, welches die Angelegen-
heiten Danzigs zum Abschluss bringen könnte. Wenn es mög-
lich wäre, sich hierüber zu einigen, würde ich einen Offizier
sieh hier der List bcdicut. Der Hauptmann Marnier ist glücklich dnrchge^
kommen. Der Verfasser kommt S. 383 nqch einmal darauf zurück,
443
nach Langfuhr »enden, um die Nützlichkeit dieser Massregel November,
für beide Theile noch weiter auseinander zu setzen *).
gez.: Rapp.
Am 11. In der Nacht zum 11. wird hinter der 1. Parallele
südlich p' eine Brustwehr zur Deckung für Reiterei erbaut*).
Langgarten wird von neuem vom jenseitigen Weichselufer aus be-
schossen, doch ohne Erfolg. Dagegen brennt es auf dem Theer-.
hofe^).
In der ersten Parallele legt die preussische Artillerie
Bettungen zu 5 Batterien k 6 Mörsern, zwischen je 2 Mörsern
werden Traversen erbaut, um sich gegen die Zigankenschanze
zu sichern und für jede Batterie eine Pulverkammer. In der
Nacht (10. zum 11.) findet die Armirung der Batterien mit
11 — lOpfündigen eisernen preussischen Mörsern und 10 — 8 "gen
eisernen englischen, 3 — 50 pfundigen preussischen metallenen
und 6 — lOpfündigen preussischen eisernen Mörsern statt*).
Am 11. morgens um 3 Uhr machten die Franzosen einen
Ausfall auf die 1. Parallele, wurden aber mit einem Verlust
von 7 Todten zurückgeschlagen. Der Verlust preussischerseits
betrug 3 Todte und 15 leicht Verwundete*).
Am 12. Das Bombardement und der Batteriebau werden
^) Beide Briefe bei Campredon. Im Auszuge bei d^Artois S. 395 uud
im aperen S. 339.
*) Apercu 342. Der Verfasser führt noch an, dass in dieser Nacht die
arriere Parallele erbaut worden sei, doch ist das wahrscheinlich eine Ver-
wechslung mit dem Bau der arriere Parallele hinter dem rechten Flügel,
den das Tagebuch Pullets in der folgenden Nacht erwähnt.
^) Dies wird auch vom Major Liebe bestätigt, der jedoch die Gegend
der Steinschleuse bezeichnet.
^) Tagebuch des Major Liebe. Kr. -Archiv. Neben und zwischen den
Mörsern wird eine Batterie zu 4 und 2 zu 5 Kanonen erbaut.
^) Tagebuch der Ingenieurarbeiten und Bericht Pullet's an den König
vom 9., ferner Tagebuch der 4. Ostpreussischen Landwehr-Brigade (Kr.-Arch.
F. 9), der das Bataillon Nr. 13 (v. Rautter), welches vom Ausfall betroffen
wurde, angehörte. Obgleich die Thatsache von d^Artois, Campredon S. 208
und durch das Tagebuch der Division Heudelet S. 139 bestätigt wird, leugnet
sie das Aper<;u ab. Es ist wiederum Chambure, der den Ausfall vollführte,
dessen Erfolg, wenn davon überhaupt die Rede sein kann, auf die lächer-
lichste Weise übertrieben wird, d 'Artois verlegt S. 378 den Ausfall irrthüm-
licherweise auf die Nacht vom 11. zum 12. und giebt dadurch dem Verfasser
des Apercu S. 333 eine Handhabe das Faktum zu bestreiten,
444
NoTember. vom Belagerer eifrig fortgesetzt und die Arriere-Parallele
hinter dem rechten Flügel der 1. Parallele erbaut*). Nach
Dttring S. 133 haben die Belagerten an diesem Tage den
Ganskrug und das Dorf Steindamm geräumt und niedergebrannt.
Der General Campredon benrtheilt die Batterieanlagen der
1. Parallele wie folgt: eine Batterie an der Dorfstrasse von
Stolzenberg ist gegen den ausspringenden Winkel der Lnnette
Cafarelli gerichtet, eine andere weiter sfidlich scheint zum
Bikoschettiren der rechten Face derselben bestimmt zu sein.
Dazwischen liegen einige grössere Bauten, wahrscheinlich für
Mörser. Einige Scharten sind gegen das Blockhaus am Teich
(K, la maison jaune) gerichtet*).
Der Tag ist schön, aber kalt
Am 13. In der Nacht zum 13. erfolgen seitens des Be-
lagerten Rekognoscirungen nach Heubude. Sie werden von
Campredon wie vom Verfasser des aperqu erwähnt. Der Be-
lagerer beginnt in dieser Nacht den Bau zweier neuen Batterien.
Die Batterie g' ist für 6 Mörser bestimmt und soll in Verein
mit p', die bereits vorhanden ist, das Bastion Salvator be-
schiessen. Die andere Batterie r', mit 4 Haubitzen armirt, ist
gegen Lfinette Ledere bestimmt.
Hinter der Arriere-Parallele werden Zickzacks zur
gedeckten Annäherung der Geschütze bei der Armirung an-
gelegt »).
Dem General Campredon erscheint am Morgen des 13. das
ganze Plateau in seiner Breitenausdehnung mit Batterien er-
') Tagebuch der Ingenieurarbeitcu.
*) Campredon S. 210. Die Angaben sind zur Beurtheiluug der Angaben
alliirterseits von Interesse.
') Aperen 342. Nach dem Tagebuch der Ingenienrarbeiten hatte PuUet
den Hauptmann Kool, der mit den Linien des Bischofsberges vertraut war,
zum Abstecken der Batterien zur Disposition gestellt Nach Liebe wurde
ihm seitens der Artillerie der Lieutenant Kode zugetheilt. Die Angaben
Liebe's weichen nicht unerheblich von denen des aperqu ab (siehe Anhang V),
sowohl in Bezug auf Zeit der Erbauung, Zahl der Geschütze und Zweck der
Batterien. Wie der Major Liebe anführt, wurden die 5 Mörserbatterien in
einer Nacht begonnen, während das apergu sie nach und nach ausführen
lässt. Als Kontrolle könnten allenfalls die Beobachtungen Campredons dienen,
doch sind sie nicht eingehend genug, um als Richtschnur j^u dienen,
445 _
füllt, zum Theil fttr Kanonen, zum Theil für Mörser, die wegen November,
des Flaukenfeuers vom Zigankenberge en cremailli^re erbaut
sind oder im Rücken Traversen haben *). Die Beschiessung der
Stadt wird fortgesetzt.
Von Seiten der Artillerie wird endlich eine Haubitze nach
avancee Frioul gebracht, um die nnvortheilhaft angelegten
Laufgräben zu enflliren. Nach den französischen Berichten
soll ihre Wirkung ausserordentlich gewesen sein'). Das
Tagebuch der Ingenieurarbeiten von Pullet erwähnt nichts
davon.
Der Herzog von Würtemberg sendet an diesem Tage
einen 4. Brief an den General Rapp, worin er ersucht, einen
General nach Langfuhr zu senden, was der General Rapp
zusagt.
Am 14. In der Nacht zum 14. werden zu den 7 Batterien
der 1. Parallele noch zwei neue u' und v' hinzugefügt, u' wird
für 6 Mörser, v' für 4 — 24-Pfünder eingerichtet. Beide sind
gegen Bastion Salvator bestimmt*).
Der Belagerte setzt seine Armirungsarbeiiten fort. Die
Verstärkung der Brustwehren der Batterie Istrien und Caulain-
court wird beendet, die von Cafarelli und Leclerc ist noch in
der Arbeit, ebenso die Ausbesserung der Batterien und der
avancee Frioul. Die in letzterer aufgestellte Haubitze fährt
fort günstig zu wirken.
Der General Heudelet und der Oberst Richemont begeben sich
auf Befehl des General Rapp nach Langfuhr und haben mit
dem Herzog von Würtemberg eine zweistündige Konferenz.
Das Wetter ist gelinde, aber nebelig*).
Am 15. In der Nacht zum 15. werden von selten des
Belagerers die Batterien w' und x' in Angriff genommen. Die
Batterie w ' ist gegen das Ravelin Mittel-Scharfenort, x ' gegen
Bastion Mittel bestimmt, erstere wird für 4 — 24 Pf linder,
^) Campredon 210.
') d'Artois 376. Campredon 210.
') Apercu 343. An diesem Tage wird vom Verfasser auch des Baues
von Traversen gedacht. Nach Liebe werden in dieser Nacht drei Batterien
für Kanonen und Haubitzen erbaut.
*) Campredon 211.
446 _
November, letztere für 6 Mörser eingerichtet. Die Batterien u' und v'
werden beendigt*).
Der General Campredon macht von der Festung aus
folgende Wahrnehmungen: Es sind im ganzen 28 Scharten
sichtbar, obgleich sie noch nicht vollständig demaskirt sind.
Auch sind noch keine Geschütze in den Batterien zu bemi^rken.
Man unterscheidet zahlreiche, hohe Traversen, um sich nach
beiden Seiten gegen Enfilade zu sichern. Von den andern
Batterien wird lebhaft geschossen ^).
Die avanc6e Frioul wird mit fougasses ä bombes versehen.
Gegen 2 ühr nachmittags wird der 2. Ingenieur vom Platz
Richaud von einer Kanonenkugel getödtet, als er in den
batteries de Frioul eben das Banket bestieg.
Das Wetter ist schön und gelinde.
Am 16. Die Batterie w' und x', sowie die Traversen
werden beendet und die Armirung sämmüicher Batterien wird
fortgesetzt •). Hinter der Parallele werden 3 Verbrauchs-Pulver-
magazine erbaut. Der preussische Hauptmann v. Glasow wird
in der Tranchee von einem Granatsplitter getödtet.
Das Feuer der Batterien Kirgener und Istrien ist sehr
heftig, verursacht jedoch wenig Schaden (?)^). Der General
*) Apercu 344.
*) Campredon 212. Nach dem aperga S. SOG hat die Armirang der
Batterien schon am 14. begonnen, was auch vom Migor Liebe bestätigt wird.
Der General Campredon mnss sich hier also irren.
') Apercu 3Ö0. Die Schwierigkeiten der Armirong^waren ausserordent-
lich. Die schweren eisernen 24Pfünder, grösstenteils englische Defensions-
geschütze, erforderten 40 bis 50 Kosacken- oder Baschkirenpferde zu ihrem
Transport in die Parallele (S. 358). Die Pferde, welche nie Geschirre auf
dem Leibe gehabt hatten und nicht aus Ziehen gewöhnt waren, konnten nur
mit grossem Geräusch zum Ziehen angetrieben werden. Dabei war der Boden
aufgeweicht, so dass mehrere 24PfÜnder stecken blieben, die nur durch Mann-
schaften wieder flott gemacht werden konnten. Um nicht dem feindlichen
Feuer ausgesetzt zu werden, wurden sie während des Tages mit Faschinen
bedeckt. Die Armirung hat unter diesen Umständen 3 Tage in Anspruch
genommen. Vgl. Anhang, Tagebuch des Majors Liebe.
*) Apercu 350. Der Verfasser behauptet S. 343, dass die ArtiUerie
während der ganzen Belagerung nur 40 Todte und 60 Verwundete verloren
habe und dass die Batterien des Zigankenbergs kein einziges Geschütz de-
montirt hätten. Siehe jedoch Anhang V, Tagebuch des Majors Liebe.
447
Campredon notirt in seinem Tagebuclie, dass nach dem Geräusch November.
zu ui-theilen, was man in der Festung höre, die Batterien ar-
mirt werden müssen. Trotzdem hat man auf diesen ent-
scheidenden Akt keinen Ausfall unternommen.
Die Freikompagnie des Chambure machte in der Nacht
einen Ausfall auf die Batterie Kabrun ^).
Nach dem aperQU S. 350 sollen die Batterien an den
Schottenhäusem in dieser Nacht durch 5 Mörser verstärkt ^^orden
sein, welche dahinter in den Kommunikationen aufgestellt
worden sind. Der Major Liebe erwähnt diese 5 Mörser jedoch
schon in seinem Bericht vom 23. Oktober an die General -In-
spektion der Artillerie.
Die Belagerer geben nachmittags 3 Uhr eine Salve von
50 Schuss zur Feier der üebergabe von Stettin.
Das Wetter ist schön, aber kalt.
Am 17. In der Nacht zum 17. wird die Armirung sämmt-
lieber Batterien beendet und am Morgen um 9 Uhr das
Feuer daraus eröffnet*). Nach dem apergu 8. 352 waren
42 Kanonen, 48 Mörser und 6 Haubitzen der 1. Parallele
in Thätigkeit, womit d^Artois ziemlich genau fibereinstimmt ^).
Ausserdem setzten die Batterien von Schellmuhl, Kabrun, die
gegen den Zigankenberg gerichteten Batterien, sowie diejenigen
der Schottenhäuser ihr Feuer fort, so dass 131 Geschütze in
Thätigkeit waren*). Am meisten hatten die Lunetten Cafarelli
') Campredon 212. D'Artois 379. Die französischen Berichterstatter
machen daraus wiederum eine grosse Heldenthat. Nach Campredon hat die
Kompagnie die Besatzung niedergemetzelt, nach d^Artois, der sich am aus-
führlichsten dartiher äussert, hat er 70—80 Mann getödtet und selbst nur
einen Verlust von 2 Todten und 5 Verwundeten gehabt. Der Vf. des aper^
spricht mit Recht S. 345 der Sache alle Bedeutung ab und beruft sich auf
Düring, welcher constatirt, dass die Kompagnie grosse Verluste gehabt hat.
Wie das apergu S. 349 anführt, belaufen sich die Verluste der Russen durch
die ^reicompagnie in allen ihren Expeditionen nur auf 8 Todte und 7 Ver-
wundete. Die preussischen Verluste sind oben angegeben.
*) Apercu S. 350. Pullet sagt im Tagebuch irrtbümlich bei Tages-
anbruch. Siebe Campredon 213, dWrtois 402. Major Liebe.
^) D'Artois sagt S. 402 Note 2 : 41 Mörser, 42 Kanonen, 10 Haubitzen.
^) Die Zahl 131 giebt Pullet in seinem Bericht an den König vom 19.
und in seinem Tagebuch an.
_ 44B
November. Und Leclerc, sowie die avancfee Frioul zn leiden. Letztere
hatte sich in den letzten Tagen dem rechten Fittgel der ersten
Parallele sehr lästig gemacht, daher concentrirten die 10 ''gen
Mörser der Batterien an den Schottenhäasem nnd die b^Wgeu
aas s", V\ u" ihrFeuer dagegen. Sie mnsste infolge dessen zurück-
gezogen werden. Eine Bombe entz&ndete einen der Minen-
kasten (fongasses) der linken Batterie Frioul. Das Feuer
theilte sich auch dem andeiii Kasten der Batterie mit. Die
Batterien selbst wurden zu unförmlichen Haufen zusammen-
geschossen ^).
Trotz des Feuers wurden die Arbeiten fortgesetzt.
Die Traversen der rechten Facen der Lünetten CafareUi
und des Bastions Mittel werden beendet^). Die Posten am
maison jaune und von Weinberg müssen eingezogen werden').
Die krenelirten Häuser der Judenschanze (du sergent) und des
Judenkirchhofes werden in Brand geschossen^). Dagegen sind
die 3 Flankenbatterien (17, 18, 19) gegen den Zigankenberg
ohne alle Wirkung, weil sie zu tief standen und zu weit ent-
fernt waren. Die Batterien der 1. Parallele erlitten dadurch und
weil sie zu gedrängt waren, grosse Verluste*).
Der Tag ist schön, aber kalt.
Am 18. Das Feuer in der Nacht zum 18. wird fortgesetzt.
Die Zahl der SV«" gen Mörser vor den Werken der Jesuiter-
schanze wird auf 12 erhöht und eine Station (f) für Raketen
erbaut. Apercu 363.
In der Lünette Leclerc wird ein Verbrauchspulvermagazin
in die Luft gesprengt und die Minenkasten des rechten Werks
') ,11 est impossible" , sagt d'Artois S. 403, ,de donner nne id6e de la
prodigieuse quantit^ de projectiles qu^Is lancörent snr nos ouvrages. Le fen
ronlant de lenr artiUeiie produisait an fracas comparable k celui da tonnöre.
C'6tait k tel point, qne, pendant cette joum^e, quoiqne nous ripostämes par
3400 conps de canons, notre fen semblait Steint comparativement k celoi des
tranch^es. Les bombes de rennemi ^clataient presque toutes en Tair, et n'en
6taient qae plus dangereuses. Le terrain fkit iabour6 et sillomi^ en tons sens
et le palissadement fortement endommag6 snr plnsieurs points.
*) Campredon 213.
») D'AitoiB 408.
*) Apergn 362.
•) Tagebuch des M^'or Liebe. Kr.-Archiv F. 9.
44Ö
der Jesuiterschanze (batteries de Fripul) werden ebenfalls ent- November,
zündet ^).
In der Nacht (17. zum 18.) wurde ein 400 Schritt langer
Einschnitt a b mit Zickzacks rückwärts nach der flüchtigen
Sappe 200 Schritt von der Jesuiterschanze angefertigt, um den
Truppen ein Logement zu geben, aus welchem sie aus grosser
Nähe über die Jesuiterschanze herfallen können^).
Auf Seiten des Belagerten gelang es auf dem Bischofs-
berge immer noch die Schäden in der Nacht auszubessern,
namentlich die Palisaden zu ersetzen ; bei den Werken auf der
Jesuiterhöhe war das nicht mehr möglich. Es wurden 3000
Schuss aus dem Platz gethan^), das Feuer war daher noch
wenig gedämpft.
Die Obersten Treskin und Turtschaminow erhalten vom
Herzoge den Befehl, in ihrem Bereich den Gegner zu beun-
ruhigen. Gegen 7 Uhr abends erscheint an der Allee von Lang-
fuhr ein russischer Parlamentair mit einem Schreiben an den
General Rapp, wird aber vom General du jour abgewiesen,
weil es nachts ist. Er versichert, den andern Tag wieder
kommen zu wollen, ist aber nicht erschienen. Französischer-
seits wird dies als List angesehen, um auszukundschaften.
Das Wetter ist gut, selbst milde.
Am 19. Das Tagebuch der Ingenieurarbeiten (Pullet) be-
richtet : „In der Nacht zum 19. sind die Jesuiterschanzen (durch
') Campredon 214.
*) Wörtlich nach dem Tagebuch der Ingenieurarbeiten Kr.-Arch. Pnllet
fügt hinzu: „wir haben dabei nur 8 Blessirte und Todte gehabt." L^aper^u
sagt dazu in einer Anmerkung zu S. 362: „Par cea travaux qui furent exe-
cnt^B avec 1500 travailleurs la droite des redoutes Frioul se trouva enti-
örement toum6e et par ce moyen on fut dispens^ de les empörter de vive
force; ce qui aurait occasionn^ aux assi6gements une perte de 400 k 500 bommes
& moins*. Der Vf. irrt sich hieriUi da die Judenschanze in dieser Nacht noch
yom Feinde besetzt war und Niemand voraussetzen konnte, dass sie und die
Jesuiterschanze freiwillig geräumt werden würde. Im Gegentheil geht aus
den Worten PuUets hervor, dass man von der Nothwendigkeit überzeugt war,
sie mit Sturm zu nehmen. „Was nothwendig geschehen muss" , sagt PuUet
noch in seinem Bericht vom 19. Novbr.
') Campredon 214. D*Artois.
Kdüler, 068chich(e der Festungen Danzig und Weicbselmttnde. II. 29
450
einen 700 Schritt langen Tranchee-Einschnitt nach der flüch-
tigen Sappe als Verbindung zwischen dem linken Flügel der
1. Parallele und dem in der verwichenen Nacht gemachten
Einschnitt vor gedachter Schanze) gleichsam mit dem Spaten
umgangen worden. Die Judenschanze wurde bei dieser Ge-
legenheit, da man sie verlassen fand, mit in die Linie gezogen.
Man hat ferner daran gearbeitet, das Logement nach der
flüchtigen Sappe gegen die Jesuiterschanze zu vervollständigen
und Gelegenheit genommen, mittelst eines Crochets (e) vorzugehen,
um darin 3 Piecen zu placiren, vermöge welcher der Wein-
grund (die Ortschaft Weinberg) mit Kartätschen bestrichen
werden könnte, wenn etwa der Feind nach Hinwegnahme der
Jesuiterschanze versuchte, diesen Grund heraufzukommen.
Ebenso ist eine zweite Batterie (b) angelegt, um denjenigen
zu begegnen, welche durch den Stolzenberger Grund herauf-
kommen könnten" ^).
Das Feuer des Belageres wird Tag und Nacht unterhalten,
das des Vertheidigers zeigt sich geschwächt.
Eine vor Pitzkendorf in der Nacht vorher aufgeworfene
Batterie gegen den Zigankenberg wird mit einer 10-pfündigen
preussischen Haubitze und 3 — 10 pfundigen preussischen Mör-
sern bewaffnet*).
') Das Tagebuch wirft hier anscheinend zwei Nächte zusammen, wie aus
dem Bericht PuUets an den König vom 23. November (Kr.-Arch. F. 19) her-
vorgeht. Es heisst hier: „Dass, nachdem das Logement am 19. vervollständigt,
noch das braun angelegte in der Nacht vom 19. zum 20. nach der flüchtigen
Sappe gefertigt worden (wobei wir die Judenschanze verlassen fanden), um
mittelst eines Crochets vorzugehen, um . . . ." (das folgende wie im Tage-
bnche). Das in der beigefügten Skizze braun angelegte ist eben das Loge-
ment, so dass also das Crochet erst in der folgenden Nacht angefertigt
worden ist. Das stimmt mit dem, was Campredon S. 215 sagt, überein : ^Les
Kusses courounent la cr§te du ravin qui s^pare leurs tranch^es des batteries
de Frioul et qui passe k 40 toises environ de Tavanc^ et ä 50 ou 60 de
Frioul. A la pointe du jour (19.), on apergoit leur nouveau travail, une es-
p^ce de demi-place d'armes en avant de leur parallele avec boyau de commnni-
cation en arri^re." Hier ist von dem crochet und der Batterie noch keine
Bede. Damit übereinstimmend ist auch d 'Artois S. 406. Von der nächtlichen
Arbeit vom 17. zum 18. erwähnen beide nichts, die Eäumung des Postens du
sergent (Judenschanze) setzen beide auf den 19.
') Tagebut^h des Msgor Liebe. Es kann den Behauptungen des Apergu
451
Ein durch den Obei'st Turtschaminow in der Nacht unter- November,
nommener Angriff auf die ßedute Gudin kann nur als eine
Alarmirung angesehen*) werden. Campredon (215) und d'Artois
(406) fassen ihn als gewaltsamen Angriff auf, der zurückge-
schlagen wurde. d'Artois spricht sogar von zurückgelassenen
Leitern.
Das Wetter ist beständig.
Am 20. Vom Belagerer wird eine seit einigen Tagen be-
gonnene Station für Raketen (f ) beendet *). Beim Dorfe Brösen
werden 2 — 24 pfundige Kanonen placirt, um Langgarten zu
beschiessen und den General Rapp zu beunruhigen'). Nach
Campredon erbaut der Belagerer eine Batterie für 2(?) Piecen
hinter dem Posten des Sergeanten ^). Die hart mitgenommenen
Batterien a' und b' werden in dieser Nacht ausgebessert^) und
das Feuer der Batterien ermässigt, indem jeder 12 Pfünder nur
30, der 24 Pfänder 48, jedes Wurfgeschütz 12 Wurf auf 24
Stunden erhält, ausser den 12 — öVs^gen Mörsern. Bis dahin
hatte jedes Kanon 50 Schuss, jedes Wurfgeschütz 48 Wurf,
jedes Rikoschettgeschütz auf 2 Tage 96 Schuss. Die Jesniter-
kirche wird von 2 — 7 pfundigen preussischen Haubitzen,
2 — 8 " gen Mörsern und einigen 24 Pfündern heftig beschossen ^.
Das Reduit der rechtsgelegenen Batterie Frioul wird, nach-
gegentlber nichts beweiskräftiger für die £inwirkangen der ArtiUerie des
Zigankenberges auf die 1. ParaUele sein, als der Bau dieser Batterie, dessen
Noth wendigkeit nach Eröffnung des Feuers sofort erkannt wurde. Der Major
erwfthnt unterm 24., dass seit Eröffnung des Feuers der Verlust durchschnitt-
lich tagtäglich 40 Todte betragen habe.
>) Apercu 364.
') Ebenda.
') Tagebuch des Mcgor Liebe.
^) Es ist damit die im Tagebuch des Oberstl. Pullet oben näher be-
zeichnete Batterie von H Scharten im Crochet gemeint. Das Apercu, welches
sie mit e bezeichneti läast sie irrthümlich schon in der Nacht vom 17. zum 18.
erbauen, setzt in dieser Nacht auch die Verbindung der Judenschanze durch
einen Laufgraben mit p' an, obgleich die Schanze erst am 19. vom Gegner
geräumt worden ist.
^) Apercu 365.
*) Tagebuch des Migors Liebe.
462
dem die vorgelegene Traverse abgekämmt ist, in Bresche ge-
legt. Man sncht diese durch Sandsäcke auszufallen.
Um 4V2 ühr nachmittags fand ein Angriff des Obei-sten
Treskin auf die Batterie Fischer bei Aller Engeln statt. Die
Batterie war von Westfalen besetzt, welche den Angriff ab-
schlugen. Von den Russen blieben 2 Todte und 1 Verwun-
deter liegen. *)
Am 21. In der Nacht zum 21. sind die gemachten Ar-
beiten (siehe oben S. 450) vervollkommnet und die beiden Batterien
beendigt worden*). Nach Campredon ist die Halbparallele erst
in dieser Nacht nach beiden Seiten, rechts bis zu den Schotten-
hänsem, links bis zum alten Posten des Sergeanten verlängert
worden, so dass sie sich bis auf 80 und 100 Meter der Schlucht
Weinberg nähert. Von hier führt der Belagerer einen Lauf-
graben zur Batterie (p') aus, um die Verbindung mit der
1. Parallele herzustellen^). Nach der Beobachtung Carapredon's
sind von selten des Belagerers 140 Geschütze in Thätigkeit
und zwar 70— 24Pfünder, 30— 12Pfünder, 40 Mörser und
Haubitzen*). Er hat am Morgen zwei neue Scharten der
') Campredon 216. v. Düriug 134. Das Apercu nimmt den Umstand,
dass die Batterie mit Westfalen besetzt war, als Veranlassung za der Be-
hauptung, dass die fremden Tmppen bis auf den letzten Tag im äussern
Dienst verwendet worden sind. Wie wir indessen gesehen haben, wurden
die Westfalen am 24. vom äussern Dienst entbunden. Das Apercu verlegt
diesen Angriff S. 367 in die Nacht vom 22. zum 23. und lässt ihn durch
100 Jäger ausführen.
') Tagebuch der Ingeuienrarbeiten und Bericht Pullet's an den König
vom 23. November. Kr.-Archiv.
') Campredon 217. Es kann daher nur ein Irrthum sein, wenn das
Apercu den Laufgraben von e nach p' bereits in der Nacht 17/18 ausführen
lässt. Campredon drückt sich 217 hierüber wie folgt aus: De lä (gegenüber
Weinberg) iis dirigent un boyau allant aboutir ä Textr^it^ droite de leur
batteries de six pi^es (p' vom aper^u genannt], la plus rapprochte des batteries
Frioul. De mani^re que la batterie que Ton avait d^couverte la veUle (e),
se trouve enclav6e dans cette nouvelle tranch^e.
*) Campredon 217. Die Zahlen sind natürlich nicht richtig, die Mit-
theilung ist jedoch dadurch von Interesse, dass sie zeigt, wie von der Festung
ans beobachtet wurde. Nach dem Tagebuche von Pullet haben aus der
1. Parallele 131 Geschütze gefeuert, excl. der übrigen.
453
Batterie am Ausgange von Stolzenberg entdeckt. Der Posten
bei Weinberg muss aufgegeben werden.
Der Guverneur versammelte an diesem Tage den Kriegs-
rath, um auf die gefährliche Lage der Werke auf der Jesuiter-
höhe aufmerksam zu machen. Die Besatzung konnte bei der
Nähe der feindlichen Tranchee leicht aufgehoben werden,
namentlich da die Reserve, welche sich für gewöhnlich in Wein-
berg befand und füglich nicht weiter entfernt aufgestellt werden
konnte, einem gleichzeitigen Angriff ausgesetzt war. Der Kriegs-
rath beschloss, die Besatzung zurückzuziehen und Schottland
zu räumen, da seine Besetzung keinen Sinn mehr gehabt hätte.
Die Räumung erfolgte abends 8 ühr ^). Schottland wurde ver-
brannt, wozu alles vorbereitet war. Den grössten Einftuss auf
den Entschluss der Räumung übte die Unzuverlässigkeit der
fremdländischen Truppentheile aus, die ausserhalb der Festung
nicht mehr verwendet werden konnten^).
Das Wetter war mild, aber nebelig.
Am 22. Der Belagerer besetzt die 3 Werke auf der
Jesuiterhöhe noch während der Nacht*) und verbindet die
Batterien Frioul durch eine Tranchee mit dem Posten des
Sergeanten, welcher erweitert und zu einer Redute umgeformt
wird. Es wird darin die Batterie g zu 3 Geschützen ange-
legt*) und zwischen ihr und der Batterie Frioul noch zwei
andere 1 und m, erstere für 6 — 24Pfünder und 2 — 12-Pfünder,
m für 6 — 24-Pf ünder erbaut. Ausserdem wurden in der Bat-
>) Campredon 222, d'Artois 413. Apercu 365 führt die Bänmang vou
Schottland zum zweiten male an, irrt sich aber um einen Tag, indem er sie
in die Nacht vom 20. znm 21. setzt, üeberhaupt ist das Apercu seit dem
11. hinsichtlich der Chronologie nicht in Ordnung.
«) d'Artois 410.
') Nach dem Tagebuch der Ingenieurarbeiten bemerkte der russische
Ingenieurhauptmann Sawitsch, welcher an den Arbeiten der Judenschanze be-
schäftigt war, eine ungewöhnliche StiUe in der Jesuiterschanze, liess sie
rekognosciren und fand sie verlassen.
*) Der Verfasser des Apercu lässt diese Batterie S. 365 in der Nacht
vom 20. zum 21. nach Besetzung der Batterien Frioul beginnen. Nach dem
Tagebnehe des Major Liebe ist der Bau dieser, wie der folgenden Batterien
erst in der Nacht zum 24. begonnen worden, was mit den Beobachtungen
Campredon's (S. 228) übereinstimmen wtlrde.
454
November, terie Frioul die Batterien i und k tracirt, erstere fttr 6 Mörser,
letztere f llr 2—24 Pflinder. Die Batterien sollten das Peters-
hagener Thor und Bastion Gertrud beschiessen, während g, 1
und ni gegen Bastion Salvator des Bischofsberges bestimmt
waren ^). Die avanc6e Frioul wurde durch einen Laufgraben
mit der Halbparallele verbunden.
Die Beobachtungen Campredons') aber diese Batterie-
anlagen konnten nur ungenau sein, da sie am Morgen noch
nicht genügend vorgeschritten waren, so dass ich sie fiber-
gehe.
Der Belagerte behielt ausserhalb des Bischofsberges nur
noch den Posten im krenelirten Hause des Judenkirchhofes
besetzt und hatte einige Mann längs der Erete des Stolzen-
berger Grundes und in Stolzenberg aufgestellt. Die Artillerie
des Bischofsberges war nicht frühzeitig genug von der Bäumung
der Werke auf der Jesuiterhöhe benachrichtigt worden, so dass
sie die Nacht über nicht gegen die Arbeiten des Feindes
schoss^). Am Morgen wurde jedoch ein lebhaftes Feuer da-
gegen eröflnet, so dass an diesem Tage aus der Festung 4000
Schuss fielen^). Namentlich nahmen Bastion Salvator mit 2—
24 Pfändern, das Bastion Mittel, die Lünette Leclerc und die
Batterien des Legethors daran Theil.
Das Petershagener Thor wurde mit den aus den Reduten
geräumten 6 Geschützen armirt.
Das Wetter war gelinde, es fiel ein wenig Regen.
Gegen Mittag langt ein Parlamentair des Herzogs an Rapp
an, der einen Brief, begleitet von. einem Kasten gehackten
Bleies, überbringt. Das Blei ist von den Aerzten aus den
Wunden der von der Freikompagnic blessirten Leute gezogen
») AperQu 366.
*) Campredon 221.
') Ebenda. Nach d^Artois 413 wurden jedoch 10 kleine Mörser im ge-
deckten Wege aufgestellt. Nach Campredon, der sie erst am Morgen erwähnt,
hatten sie 6 Vi Zoll Kaliber. Campredon erwähnt auch noch 2 — 6Pfünder
aus dem Blockhanse zur linken.
*) Eine ehrenvolle Leistung, da die Beschiessnng dnrch sämmtliche
Batterien des Belagerers fortdauerte. Sie kommt nur nocb einmal^ am 1. No-
vember, vor,
456
worden. Der Herzog erklärt in dem Schreiben, dass er den November.
Hauptmann Chambure, wenn er seiner habhaft würde, im An-
gesicht der Stadt aufhängen lassen würde. Dasselbe Schicksal
würden auch die Soldaten haben, bei welchen gehacktes Blei
gefunden würde. Eapp antwortete mit einem nichtssagenden
Schreiben, worin er für die Ehrenhaftigkeit des Hauptmann
Chambure eintrat, der ein ganz verrückter Mensch war und
später zu den Russen desertirt ist. Er übersendete abgeplattete
Bleikugeln, die von den Aerzten namentlich in der Kopfwunde
des Generals Breissan gefunden worden waren, woi'über er
längst Mittheilung hätte machen wollen. Dergleichen Ab-
plattungen waren beim Anschlagen afi den harten Schädel jedoch
nichts auifälliges ^),
Am 23. In der Nacht zum 23. erschienen einige armirte
Fahrzeuge auf der Mottlau und beschossen die russischen Ar-
beiter, konnten aber den Bau der Batterien i und k nicht
hindern, der noch in der Nacht beendet wurde. Russische
Fahrzeuge zwangen die französischen zum Rückzüge^). Die
Beschiessung aus sämmtlichen Batterien des Belagerers wurde
fortgesetzt, namentlich wurden die Lünetten Kirgener und
Istrien heftig beschossen^). Das Feuer des Bischofsberges
wurde schwächer*). Die Aussenposten der Besatzung, welche
bisher noch den Raum zwischen der Lünette Cafarelli und dem
Retranchement Zigankenberg besetzt hielten, werden zurück-
gezogen ^).
Nach der Räumung der Werke der Jesuiterhöhe wurde
die Sicherung der Verbindung der Lünette Lasalle und der
avancee Legethor mit dem Platz erforderlich. Der Belagerte
») AperQu 348.
') Ebenda 366. Die französischen Berichte (Campredon 223, d^Artois
416) erwähnen bei dieser Gelegenheit dreier Batterien, welche die Bussen zar
Bekämpfung jener Fahrzeuge seit einigen Tagen errichtet hätten, die eine
auf dem Ohraer Niederfeld, eine zweite auf dem Radaune-, eine dritte auf
dem Mottlaudamm. Die Batterien sind schon altem Ursprungs. L^aper^u
erwähnt nur die eine bei h".
«) Campredon 223.
*) Apergu 366.
^) Ebenda 367. Nach d'Artois 422 blieben einige Häuser im abge-
brannten Tbeil vom Dorfe Stolzenberg bis zum 24. besetzt.
456^
November, führte daher vom Ravelin vor dem Legethor einen Laufgraben,
dessen Erde nach den Höhen hin geworfen wurde, nach der
avanc6e und setzte ihn von hier aus durch einen Zickzack zur
rechten bis in die Nähe von Lasalle, an dem Punkte, wo die
Einschiffung erfolgte, fort*).
Der Herzog von Wfirtemberg sendete durch einen Parla-
mentair einen Brief an den General Rapp, worin er die Ueber-
gabe von Modlin mittheilt und ihn ersucht, einen General mit
Vollmacht zum unterhandeln nach Langfuhr zu senden*).
Das Wetter ist milde, es regnet ein wenig.
Am 24. In der Nacht zum 24. werden die Batterien o gegen
Bastion Maidloch und p gegen Bastion Salvator und Gertrud be-
gonnen. Erstere soll 4--24Pfünder und 4 Mörser, letztere 4
Haubitzen erhalten. Die Batterie o liegt hart an der Krete des
Berges zwischen den Batterien und der avancee Pi-ioul und ist
mit letzterer durch einen Laufgraben verbunden, der längs der
Krete des Berges hinläuft ^), Eine andere gedeckte Verbindung
zu ihr war von der Jesuiterkirche her, von der ein gedeckter
Gang zu den Batterien Frioul führte*). Die Batterie p liegt
in der Nähe der Radaune.
Das Feuer des Belagerers ist sehr lebhaft. Die Lünetten
Kirgener und Istrien werden hart mitgenommen und müssen
fortwährend ausbessern, die Lünette Leclerc ist ganz zum
Schweigen gebracht. Das Bastion Salvator feuert nur noch
sehr schwach. Die zahlreichen Bomben, welche geworfen
werden, thun auf dem Bischofsberge im allgemeinen wenig
Schaden, dagegen werden die Blendungen des gedeckten Weges
stark beschädigt*).
Der General Rapp benachrichtigt den Herzog, dass der
General Heudelet und der Oberst Richemont sich den folgen-
den Tag nach Langfuhr begeben werden. Um 3 Uhr nach-
mittags trifft ein neues Schreiben des Herzogs ein, welches die
») Campredau 223.
•) Campredon 224.
«) Apergu 368.
*) Campredon 224.
*) Ebenda. Apercu.
457
Uebergabe von Erfurt und den Sieg des Fürsten Wrede bei November.
Hanau über Napoleon anzeigt^).
Das Wetter wie den Tag zuvor.
In diese Zeit fällt die Bitte der fremdherrlichen Offiziere,
nicht mehr ausserhalb der Festung verwendet zu werden^).
Selbst die polnischen Offiziere schliessen sich dem an^). Die
wenigen Truppen, die noch disponibel blieben, Franzosen und
Neapolitaner, mussten bald den Beschwerden des Dienstes unter-
liegen. Alle Mittel des Widerstandes waren erschöpft. Lebens-
mittel waren nur noch für den December vorhanden. Diese
Verhaltnisse, und nicht die Fortschritte des Belagerers, der
noch 600 Meter von den Werken entfernt war, drängten zur
Entscheidung*). Merkwürdigerweise suchte der Herzog diese
nicht im Vorpussiren der Sappen^), sondern durch Anhäufung
von Batterien und durch Anknüpfung von Unterhandlungen
herbeizuführen, was sehr unzuverlässig war.
Das Wetter wie die Tage zuvor.
Am 25. Das Feuer wird fortgesetzt. Es sind auf seiten
des Belagerers 150 Geschütze in Thätigkeit. die von Langfuhr
nicht inbegriffen ^). Nach dem Apercu 370 sind alle Geschütze
») Campredon 224.
«) Plümicke 198. d'Artois 424. Nach d'Artois 412 hat der Kommau-
dear des bairischen Regiments schon am 11. November dämm gebeten. Aber
erst die Nachricht von der Schlacht von Hanau scheint den Ausschlag ge-
geben zu haben.
») d'Artois 412, 413.
*) Campredon 225.
^) Plotho behauptet 2, 537, 538 mit Unrecht, dass die Beiagerungs-
arbeiten soweit vorgerückt waren, dass bald zum Sturm geschritten werden
konnte.
®) d'Artois 417. L'apercju 370 Note. Ueber den Zustand, in welchem sich
der Bischofsberg befand, drücken sich mehrere Augenzeugen aus. v. Düring
sagt S. 136 : (Der Bischofsberg) „ward auch nachher so äusserst mitgenommen
befanden, dass sich darin alles drunter und drüber befand. Haubitzen lagen
umgekehrt in die Scharten geworfen durch Bomben, welche, indem sie ihre
Bettnngen durchschlagen hatten, unter ihnen krepirt waren. Sogar hatten
die feindlichen ArtUieristen , wie man gehört, nicht mehr dahin gebracht
werden können, die Geschütze zu bedienen. Die holländischen sollen noch
am längsten ausgehalten haben. Nachdem aber endlich auch diese sich nicht
mehr zum Dienste auf dem Bisobofsberge hergaben wollen, so ist derselbe nach
458
November, des Biscliofsberges zum Schweigen gebracht. Diejenigen von
den Bastionen Gertinid und Maidloch erwidern, von den Batte-
rien 0 und p beschossen, nur noch schwach. Nach Campredon
S. 229 feuert der Belagerte nur noch des Nachts. Von der
Inundation und den LUnetten Kirgener und Istrien wird der
Belagerer jedoch nocli mit Erfolg bekämpft 0-
An diesem Tage schlug der Belagerte eine Brücke über
den Stadtgraben am Fuss der verdeckten Kommunikation nach
dem Bischofsberge*).
Der Posten von Brösen bemächtigte sich eines Blockhauses
vor dem Rotranchement Neufahrwasser.
Am 26. Das Feuer des Belagerers ist so heftig, dass die
Arbeiten in der Festung eingestellt werden müssen. Die In-
genieuroffiziere waren selbst verhindert, nach den Werken zu
gelangen, um die Arbeiter mit Anweisungen zu versehen*).
Viele Palisaden waren zerschossen, konnten jedoch in der Nacht
noch ersetzt werden, auch wurde das Feuer des Platzes in der
Nacht noch lebhaft unterhalten. Neue Werke wurden von der
Festung aus nicht bemerkt*), jedoch täuschte man sich darin
insofern, als der Belagerte den Bau der Batterien t und a
begann, die jede für 4 — 24Pfünder bestimmt waren und das
Petershagener Thor, sowie die Redute Lasalle beschiessen
sollten *).
Das Wetter war sehr nebelig.
Der Herzog antwortete auf das Schreiben Rapp's, dass er
die Herren um 11 Uhr in Langfuhr erwarten werde.
Die Instruktionen, welche der General Heudelet und der
26 Tagen o£fener Trancbee einem Batteriefeuer ans 131 Geschützen, nnd
schliesslich einem Batteriefener von 7 Tagen ans 150 Geschützen, die Ant-
wort schuldig geblieben.'' Aebnlich drückt sich Blech nnd M***^ aus, ebenso
d'Artois 417.
») Campredon 229.
«) Ebenda.
») d'Artois 418.
*) Campredon 229.
^) Apercu 376. Auch ein Laufgraben zur Verbindung dieser Batterien
wurde hergestellt, lieber die Bewaffnung dieser Batterien gehen die Nach-
richten sehr auseinander, und es ist überhaupt fraglich, ob sie noch zustande
gekommen sind, Campredon (S. 229) weiss nichts davon. V^l. Anhang; lY.
459
Oberst Richemont erhielten, waren am 23. durch den Kriegs- November,
rath, den Rapp nach dem Reglement um sich versammelte,
festgestellt worden.
Der General Rapp hatte darin den Zustand der Besatzung
dargelegt und die Vorschläge des Herzogs von Würtemberg, in
Unterhandlungen zu treten, sowie die Aussichten, die sich nach
den bisherigen Konferenzen für ein Uebereinkommen entnehmen
liessen, mitgetheilt. Er glaubte als Resultat auf einen Vertrag
rechnen zu dürfen, welcher der Besatzung den Platz so lange
sicherte, als die noch vorhandenen Lebensmittel ausreichten.
Der Kriegsrath hatte nach eingehender Prüfung einstimmig
sein Einvernehmen erklärt, dass auf dieser Grundlage unter-
handelt würde, vorausgesetzt, dass der Platz innerhalb dieser
Zeit nicht entsetzt oder mit Lebensmitteln versehen werden,
oder dass der Kaiser Napoleon darüber nicht in andrer Weise
verfügen würde*).
Am 27. Die begonnenen Arbeiten des Belagerers wurden
noch in der Nacht zum 27. fertiggestellt, so dass die Batterien
t und u am 27. noch feuern konnten (?) ^). Das Feuer sämmtlicher
Batterien war an diesem Tage so lebhaft wie je ^). Auf Seiten
des Belagerten notirt der General Campredon in seinem Tage-
buch dieselben Arbeiten und dasselbe Feuer, wie den Tag
zuvor *).
Der General Heudelet und der Oberst Richemont unter-
handelten mit dem Herzog von Würtemberg bis zur Dunkelheit
und kamen fast über alle Punkte des bedingungsweisen Ver-
trages der üebergabe des Platzes überein.
Das Feuer wurde abends auf beiden Seiten eingestellt*).
Am Abend schneit es.
Am 28. um 1 ühr nachmittags fanden sich die Generäle
^) Campredon 229.
*) Wird andrerseits nicht bestätigt. Dagegen wird in der Nacht zum
27. noch eine Batterie von Haubitzen und Mörsern auf dem änssersten rechten
Flügel erbaut (Liebe. Kr.-Arch.).
«) L'aperQU 376.
*) Campredon 237.
^) Ebenda S38, Danach fand es um 8 Uhr, nach dem Apercu 376 um
9 Uhr statt.
460
Borosdyn und Wilyaminow, die Obersten von Pullet und Man-
fredi in Danzig ein, um die Redaction des Vertrages mit dem
General Heudelet und dem Obersten Richemont endgültig fest-
zustellen. Die Verhandlungen dauerten bis 10 Uhr abends,
gelangten aber, die Einwilligung des Herzogs vorbehaltend,
zum Abschluss.
Am 29. erfolgte die Fortsetzung der Verhandlungen beim
General Rapp und endigte mit der Unterzeichnung der Bevoll-
mächtigten. Die Auswechselung der beiderseitigen Ratifikationen
geschah am 30. Unmittelbar darauf wurde den Russen das
Retranchement Zigankenberg, das Retranchement Neufahrwasser,
die Westerplatte, die Möweuschanze und das Fort Montebello
(Westschanze) übergeben *).
d. Die Kapitulation^).
Artikel I.
Die Truppen, welche die Besatzung von Danzig, den Forts
und zugehörigen Werken bilden, werden den 1. Januar 1814
(20. Dec. 1813 a. St.) morgens 10 Uhr mit Waffen und Bagage
durch das Olivaer Thor aus der Stadt ziehen und werden die
Waffen an der Batterie Aller Gottes Engeln niederlegen, wenn
die Besatzung nicht bis zu jener Zeit durch ein dem Belage-
rungskorps an Stärke gleichkommendes Korps entsetzt wird,
oder wenn nicht ein durch die kriegführenden Mächte abge-
schlossener Vertrag bis zu jener Zeit über das Loos der Stadt
Danzig entscheiden sollte. Die Herren Offiziere behalten ihre
Degen. Aus besonderer Achtung für die tapfere Vertheidigung
und das ausgezeichnete Benehmen der Besatzung werden das
Peloton der Kaisergarde und ein Bataillon von 600 Manu ihre
Waffen behalten; sie werden zwei 6 pfundige Kanonen nebst
den zugehörigen Munitionswagen mit sich führen. 25 Reiter
werden ebenfalls ihre Pferde und Waffen behalten.
*) Campredon 239. Dazu das Fort Lacoste, welches jedoch erst am 1. De-
ceraber übergeben wurde.
*) Der französische Text nach dem Original befindet sich bei d'Artois
436—443, Campredon (Auriol) 239-247, im aper^u 877—382; deutsch bei
Blech und Friccius 301 ff.
461
Artikel II.
Die Forts von Weichselmünde, der Holm und die zwischen
ihnen liegenden WKJi:e , sowie die Schlüssel des äussersten
Olivaer Thors werden der alliirten Armee den 24. (12.) December
in der Frühe übergeben werden.
Artikel III.
Sogleich nach Unterzeichnung der gegenwärtigen Kapitu-
lation wird das Fort Lacoste, das Fort von Neufahrwasser mit
seinen Nebenwerken und das linke Ufer der Weichsel bis zur
Höhe der Redute Gudin und von diesem letzteren Werke an
die ganze Linie der Schanzen, die sich auf dem Zigankenberge
finden, sowie auch die Mövenschanze in ihrem gegenwärtigen
Zustande ohne irgend eine Beschädigung dem Belagerungskorps
übergeben werden, die Brücke, welche gegenwärtig den
Brückenkopf von Fahrwasser mit dem Fort Weichselmünde
verbindet, soll weiter abwärts an der Mündung der Weichsel
zwischen Fahrwasser und der Möwenschanze geschlagen werden.
Artikel IV.
Die Besatzung von Danzig ist kriegsgefangen und wird
nach Frankreich abgeführt werden. Der Herr Guverneur,
Graf Kapp, macht sich in aller Form verbindlich, dass weder
die Offiziere noch die Soldaten gegen irgend eine gegen Frank-
reich kriegführende Macht bis zu ihrer völligen Auswechselung
Dienst thun sollen. Es wird ein genaues, namentliches Ver-
zeichniss der sämmtlichen Herren Generäle, Offiziere, sowie von
allen Unteroffizieren und Soldaten ohne irgend eine Ausnahme,
welche die Besatzung von Danzig bilden, doppelt ausgefertigt
werden. Jeder der Herren Generäle und Offiziere wird das
Versprechen abgeben und schriftlich ausstellen, sowie sein
Ehrenwort geben, weder gegen Russland noch dessen Verbündete
bis zur völligen Auswechselung zu dienen. Es wird ebenfalls
ein genaues Verzeichniss der dienstthuenden Mannschaft, sowie
der Kranken und Verwundeten angefertigt.
Artikel V.
Der Herr Guverneur, Graf Rapp, macht sich verbindlich,
die Auswechselung der Individuen, welche die Besatzung von
Danzig bilden, Grad für Grad, gegen eine gleiche Anzahl der
462
den verbfindeten Mächten gehörigen Kriegsgefangenen soviel
als möglich zu beschleunigen. Wenn aber gegen alle Er-
wartung diese Auswechsehing aus Mangel /^n russischen, öster-
reichischen, preussischen oder anderen gegen Frankreich ver-
bfindeten Höfen angehörigen Kriegsgefangenen nicht statthaben
könnte, oder wenn jene Höfe ein Hinderniss machten, so wären
alsdann nach Verlauf eines Jahres und eines Tages vom 1. Ja-
nuar (n. St.) 1814 die Individuen, welche die Besatzung von
Danzig ausmachen, der förmlichen, im 4. Artikel der gegen-
wärtigen Kapitulation eingegangenen Verbindlichkeit entledigt
und können von neuem durch ihre Regierung zum Dienste ver-
wendet werden.
Artikel VI.
Es soll den polnischen und andern Truppen, welche zur
Besatzung von Danzig gehören, völlig freistehen, der französi-
schen Armee zu folgen und sie sollen in diesem Fall ebenso
behandelt werden, ausgenommen jene, deren Fürsten mit den
gegen Seine Majestät den Kaiser Napoleon verbfindeten Mächten
sich vereinigt hätten, welche alsdann den Weg nach ihren
Staaten oder den Armeen ihrer Ffirsten einschlagen werden,
und welche sie gleich nach Unterzeichnung der gegenwärtigen
Kapitulation durch abzuschickende Offiziere oder Kuriere
einzuholen haben. Die polnischen Herren Offiziere und andere
werden jeder schriftlich ihr Ehrenwort geben, nicht eher gegen
die verbfindeten Mächte, als bis zu ihrer vollständigen Aus-
wechselung Dienste zu thun, gemäss der im 5. Artikel gegebenen
Erläuterung.
Artikel VII.
Alle Kriegsgefangenen, welcher Nation sie auch angehören
mögen, der gegen Frankreich Krieg ffihrenden Mächte, welche
sich gegenwärtig in Danzig befinden, werden ohne Auswechselung
in Freiheit gesetzt und den 24. December (a. St.) morgens durch
das Petershagener Thor zu den russischen Vorposten gesendet
werden.
Artikel VIII.
Die Kranken und Verwundeten der Besatzung werden auf
dieselbe Weise und mit der nämlichen Pflege behandelt werden,
wie jene der verbfindeten Mächte, sie werden nach ihrer völligen
463
Wiederherstellung unter den nämlichen Bedingungen, wie die
übrige Besatzung nach Frankreich geschickt werden; ein
Kriegskommissair und Aerzte werden zurückbleiben, um diese
Kranken zu pflegen und ihren Transport nachzusuchen.
Artikel IX.
Sobald eine gewisse Anzahl Individuen, welche den ver-
bündeten Mächten angehören, gegen eine gleiche Anzahl der
Danziger Besatzung ausgewechselt sein wird, so können sich
diese letzteren als ganz frei von der im 4. Artikel der gegen-
wärtigen Kapitulation förmlich eingegangenen Verbindlichkeit
ansehen.
Artikel X.
Die Truppen der Besatzung von Danzig (ausgenommen
jene, welche durch Artikel 6 Befehle von ihren Fürsten erhalten
werden) werden etappenweise in 4 Kolonnen in Zwischenräumen
von zwei Tagen eine von der andern nach beiliegender Marsch-
rute bis an die französischen Vorposten geleitet werden. Die
Lieferungen für die Besatzung von Danzig werden während
des Marsches nach beiliegendem Verzeichniss gemacht werden.
Die erste Kolonne wird sich am 2. Januar 1814 (n. St.) in
Marsch setzen, die zweite am 4. u. s. f.
Artikel XI.
Allen nicht Waffen führenden Franzosen, die nicht im
Militairdienst sind, steht es frei, den Truppen zu folgen, sie
können aber nicht auf die für die Soldaten bestimmten Stationen
Anspruch machen, im übrigen können sie über das Eigenthum
verfügen, welches als ihnen angehörig anerkannt ist.
Artikel XII.
Den 24. December (n. St.) werden dem durch das Belage-
rungskorps ernannten Kommissar alle Kanonen, Mörser etc.,
Waffen, Munition, Pläne, Zeichnungen, Bauanschläge, die
Militairkassen, alle Magazine, von welcher Art sie sein mögen,
die Pontons, alle Gegenstände, welche der Fortiflkation, der
Marine, zur Artillerie und zum Fuhrwesen gehören, ohne irgend
eine Ausnahme übergeben werden, es wird ein doppeltes Ver-
zeichniss angefertigt, welches dem Chef des Generalstabes der
verbündeten Armee zugestellt werden wird.
464
Artikel XIH.
Die Herren Generäle, Offiziere vom Generalstabe und
andere, werden ihre Pferde, welche ihnen durch das franzosische
Reglement bestimmt sind, beibehalten und werden danach
während des Marsches ihre Furage erhalten.
Artikel XIV.
Alle auf den Vorspaim bezüglichen Details, es sei für
Kranke oder Verwundete, für die Korps und Offiziere, werden
durch die resp. beiden Chefs des Generalstabes geordnet
werden.
Artikel XV.
Es bleibt dem Senat von Danzig vorbehalten, bei Seiner
Majestät dem Kaiser Napoleon alle seine Rechte auf Zurfick-
erstattung der Schulden, die zwischen beiden Theilen etwa vor-
handen sein sollten, geltend zu machen und Seine Excellenz
der Herr General-Guverneur verpflichtet sich, allen denjenigen,
welche derartige Schuldforderungen haben, Scheine ausstellen
zu lassen, welche die Gültigkeit ihrer Forderungen anerkennen,
unter keinem Vorwande aber dürfen Geiseln für diese Schuld-
forderungen zurückbehalten werden.
Artikel XVI.
Alle Feindseligkeiten, von welcher Art sie sein mögen,
hören vom Tage der Unterzeichnung des gegenwärtigen Ver-
trages von beiden Seiten auf.
Artikel XVH.
Ein jeder Artikel, welcher einigen Zweifel hinterlassen
könnte, soll stets zugunsten der Besatzung ausgelegt werden.
Artikel XVIII.
Es sollen vier genaue Abschriften dieser gegenwärtigen
Kapitulation gemacht werden, wovon zwei in russischer und
zwei in französischer Sprache, die in doppelter Ausfertigung
den beiden Generalen en chef übergeben werden.
Artikel XIX.
Nach Unterzeichnung dieser offiziellen Akte steht es dem
General- Guvenieur, Grafen Rapp, frei, einen Kurier an seine
465
Begierung abznscbicken. Er wird bis za den französischen
Vorposten durch einen rassischen Offizier begleitet werden."
(geschehen und abgeschlossen zu Langfuhr
den 29. (17. a. St.) November 1813.
Unterzeichnet: Der Divisionsgeneral Graf Heudelet.
Der General von H6ricourt.
Der Oberst Richemont.
Der Generallieutenant, Ritter Borozdyn.
Der Generalmajor Welyamminow, als Chef des
Generalstabes.
Der Oberst vom Ingenieurkorps, Manfredi.
Der Oberst vom Ingenieurkorps, Pullet.
Gesehen und bewilligt: Der Graf Rapp.
Der General der Kavallerie Alexander
von Würtemberg, General en chef
der alliirten Truppen vor Danzig.
Als der Hauptdepotplatz während des grossen Krieges von
1812 barg Danzig unermessliche Vorräthe an Waffen und Beklei-
dungsgegenständen aller Art. Da die Kapitulation die Möglichkeit
eines Friedensschlusses oder einer Versorgung des Platzes mit Le-
bensmitteln in Betracht gezogen hatte, konnte die Uebernahrae der
Bestände erst nach dem Ausrücken der Besatzung stattfinden, aber
es ist selbstverständlich, dass die Bestände zur Festung gehörten
und mit ihr in die Hände des Siegers fielen, wie es Artikel XII
der Kapitulation ausdrücklich aussprach. Wie es auch bei
Dresden der Fall gewesen war, kehrten sich die Franzosen
jedoch nicht daran und zerstörten den grössten Theil der Be-
stände nicht bloss an Waffen, sondern auch an Bekleidungs-
gegenständen und andern Vorräthen, die zum Theil verkauft
wurden. Dieser Bruch der Kapitulation blieb dem Herzoge von
Würtemberg bei seinen Verbindungen in der Stadt nicht ver-
borgen, er wurde am 1 3. December selbst vom russischen Konsul
in Elbing davon benachrichtigt ^), aber er konnte nichts dagegen
thun, ohne seine Agenten in der Stadt oder angesehene Bürger
blosszustellen, auch war zu befürchten, dass die Franzosen in
^) Apercu 429.
Köhler, Oeschichte der Festungon Danzig und Weichselmilude. ll. 80
466
diesem Fall die Vernichtung auf sämmtlicbe Vorräthe aus-
dehnen würden^). Aber er hat nach üebergabe des Platzes
durch zahlreiche Zeugen, namentlich durch die Handwerker,
welche bei dem Geschäft der Zerstörung thätig gewesen sind,
die Thatsachen feststellen lassen. Danach sind mehr als
120000 Gewehre, 40000 Bajonette, 8000 Säbel etc. zerbrochen
worden. Kanonen und Munition wurden in die Weichsel ge-
worfen*). Dass die Franzosen ihr Unrecht einsahen, geht
daraus hervor, dass die Vernichtung der Gegenstände in der
Nacht ausgeführt wurde. Auch ist es eine Unwahrheit, wenn
d'Artois S. 602 behauptet, sie sei noch vor Abschluss der
Kapitulation in der Zeit der Unterhandlungen erfolgt^).
Nach dem Zeugenverhör ist bis gegen Ende des December
damit fortgefahren worden*).
Der Stadt widerfuhr die Freude, dass auf Antrag Rapp's,
der jedoch dabei nur sich im Auge hatte, das Wasser der
Radaune wieder in den Platz geleitet wurde ^). Auch bewilligte
der Herzog auf Antrag des Senats einen Markt vor dem Olivaer
Thor«).
Am 12. rückten die Baiern, am 13. die Truppen des
Rheinbundes in ihre Heimath ab. Die Westfalen und Polen
mussten noch bleiben. Die Krüppel und Verstümmelten wurdeu
am 23. und an den folgenden Tagen auf Wagen, welche der
Herzog stellte, abgeschickt. Wegen Mangel an Fahrzeugen
mussten 5 Transporte gebildet werden. Die gefangenen Russen,
800 bis 900 Mann, wurden am 18. ausgeliefert. So standen
die Sachen, als am 24. ein Schreiben des Herzogs, datirt vom
>) Ebenda 431.
*) Ebenda 434. Der Verfasser führt die wichtigsten Zeugen an.
") Die Berufung auf das Zeugniss von Düring mindert das noch keines-
wegs, da er besser unterrichtet sein musste. üeberhaupt entwickelt d 'Artois
bei dieser Gelegenheit ganz eigenthümliclie Ansichten. Er sagt S. 504 : ^quel
droit avaient donc les Russes sur les magasins avant qu'ils en fussent les
maitres? aucun", und ebenda: „Je chercbe envin un article qui empfiche les
assi6g6s de toucher k leurs magasins d^aucune espöce apr^s la signature du
traitfe".
*) Aperfju 439.
*) Campredon 248. Der Antrag ist vom 7. December.
*) Aper<ju 446.
46?
23. 11 Uhr abends, einging, wonach die verbündeten Suveraine
die Kapitulation bis auf den Punkt, welcher die Rückkehr der
Besatzung nach Frankreich aussprach, genehmigt haben. Die
Besatzung sollte statt dessen nach Russland abgeführt werden,
auch sollte den Polen nicht freigestellt werden, nach Frankreich
zu gehen, sie sollten in ihre Heimath geschickt werden. In
demselben Schreiben fügte der Herzog hinzu, dass er die ein-
geräumten Werke wieder verlassen werde mit Ausnahme von
Neufahrwasser, das erst übergeben werden sollte, wenn die
Westfalen nach ihrer Heimath entlassen worden wären ^).
Der General Rapp antwortete noch an demselben Tage:*)
Monseigneur !
Ich habe mit Eurer Königlichen Hoheit eine Kapitulation
abgeschlossen. Am heutigen Tage erhalte ich von Ihnen die
Anzeige, dass der Kaiser Alexander, ohne Rücksicht darauf zu
nehmen, befiehlt, dass die Besatzung von Danzig kriegsgefangen
nach Russland abgeführt werden solle, anstatt nach Frankreich.
Das 10. Armeekorps überlässt es Europa, der Geschichte und
der Nachwelt, über einen so fremdartigen Bruch der Verträge
zu urtheilen, gegen welchen ich in aller Form protestire ^).
^) Das Verfahren hatte in der Kapitulation von Dresden einen Präcedenz-
fall, indem der Fürst Schwarzenberg die vom F. M. L. Weiden bewilligte
Bückkehr der Besatzung nach Frankreich ebenfalls nicht genehmigte, obgleich
der General Gouvion St. Cyr schon bis Altenburg gekommen war. Auch mit
der Garnison von Thom hatte sich ähnliches ereignet.
*) Campredon 252 ff.
^) In ähnlichen Tiraden ergeht sich d'Artois S. 510. Am weitesten
geht darin der Oberst, spätere General Richemont. Der General war 1841,
als er sich darüber ausliess (Himly S. 28), offenbar krank. Das Schreiben,
welches er von Frankfurt a. M. aus am 16. December 1813 an den Fürsten
Wolkonski — nicht an den Kaiser, wie er sagt — sendete und das uns seit-
dem durch Auriol (S. 252) bekannt gemacht worden ist, enthält nichts von
dem, was er 1841 behauptet geschrieben zu haben. Das Schreiben des Herzogs
von Würtemberg an Bapp vom 10. November (nicht 15, wie er sagt) — ist
von ihm ganz falsch aufgefasst worden. Der darin abschriftlich mitgetheilte
Erlass des Kaisers i^t eine Instruktion für den Herzog, aber keine Vollmacht.
In der alliirten Armee wurde es als selbstverständlich angesehen, dass die
verbündeten Monarchen die Kapitulation zu bestätigen hatten. Der Graf
Dohna bittet unter dem 30. November den General von Knesebeck, die An-
nahme der Kapitulation bei den Monarchen zu befürworten. Fanten.
80*
468
Infolge dieser geheiligten Grundsätze habe ich die Ehre,
Eurer Königlichen Hoheit anzuzeigen, dass ich mich strikte an
den Wortlaut einer Kapitulation halten werde, die ich nicht
als vernichtet ansehen kann, weil sie gebrochen worden ist,
dass ich sie vielmehr pünktlich ausführen werde und bereit
bin, heute den Truppen Eurer Hoheit die Forts Weichselmünde,
Napol6on und den Holm zu übergeben, ebenso alle Magazine
und dass ich am 1. Januar aus dem Platze abziehen werde.
Die üebermacht und der Missbrauch der Gewalt können
uns nach Russland, nach Sibirien schleppen, tiberall hin, wo
man will; wir werden dulden, selbst sterben, wenn es noth-
wendig ist, als Opfer unseres Vertrauens auf einen feierlichen
Vertrag. Napoleon und Frankreich sind mächtig genug, um
uns früher oder später zu rächen.
Unter diesen Umständen steht es mir nicht zu, mit Euer
Königlichen Hoheit über ein Einvernehmen zu unterhandeln,
sondern mich ausschliesslich an die Kapitulation vom 29. No-
vember zu halten, die man, wie gesagt, verletzen, aber nicht ver-
nichten kann, gez.: Graf Rapp.
Der Adjutant Rapp's, welcher diesen Brief überbrachte,
kehrte um 10 Uhr abends mit einem Briefe des Herzogs zurück,
worin dieser erklärte, alle Verhältnisse auf den Fuss zurück-
zuführen, wie sie vorher gewesen sind. Die verbündeten Truppen
verliessen die besetzten Werke. Rapp antwortete darauf. Der
Herzog Hess durch den Adjutanten, welcher um 5 Uhr zurück-
kam, sagen, er würde morgen antworten. Wie der Adjutant
mittheilte, scheine der Herzog geneigt auf ein neues Ueberein-
kommen einzugehen. Der Oberst Manfredi überbrachte am
26. die Antwort, worin sich der Herzog in diesem Sinne aus-
sprach und zu diesem Zwecke ersuchte, einen General zu ihm
zu schicken. Rapp ging darauf ein und schickte am 27. die
Generäle Campredon und Bachelu zum Herzog, die eine zwei-
stündige Konferenz mit ihm hatten. Um 11 abends kamen
die 4 bekannten Bevollmächtigten zum General Rapp und
brachten das Ultimatum des Herzogs, wonach er die Feind-
seligkeiten am 29. mittags wieder eröffnen werde, wenn die
Kapitulation, die er mitsendete, bis dahin nicht unterzeichnet
wäre.
469
Der General Rapp versammelte am 28. December den
Kriegsrath. Man einigte sich bei dem gänzlichen Mangel an
Lebensmitteln ^) einstimmig, das Ultimatum des Herzogs anzu-
nehmen. Um 10 Uhr abends begaben sich die Generäle Cam-
predon und Bachelu nach Pelonken, dem Hauptquartier des
Herzogs, um noch einige Abänderungen zu erlangen, auf die
derselbe auch einging. Am Morgen des folgenden Tages wurde
der Vertrag unterzeichnet.
Danach sollte die Besatzung am 2. Januar 1814 10 Uhr
morgens mit allen militairischen Ehren aus dem Olivaer Thor
ausmarschiren und die Waffen auf dem Glacis strecken. Die
Besatzung bleibt bis zu ihrer gänzlichen Auswechselung kriegs-
gefangen und wird nach Russland abgeführt, jedoch nicht in
entfernte Gegenden. Den Tag nach der Unterzeichnung der
Kapitulation um 11 Uhr morgens wurden Weichselmünde, der
Hohn und die Zwischenwerke, sowie die 3 Thore, das Olivaer,
Neugartener und Petershagener Thor, übergeben. An dem-
selben Tage sollen die Deutscheu, die sich noch in Danzig be-
finden, nach ihrer Heimath abrücken, am 31. die Kriegs-
gefangenen, darunter 400 Spanier. Die Polen sollen 24 Stunden
vor dem Auszuge der Besatzung durch das Petershagener Thor
abziehen und unter dem Versprechen, nicht gegen Russland
oder seine Verbündeten zu dienen, nach ihrer Heimath abgehen.
Der Abmarsch der Franzosen und Neapolitaner, erstere noch
6500, letztere 1600 Mann stark, von denen 1500 Mann krank
in Danzig zurückblieben, sollte in 4 Kolonnen in der Zeitfolge
von je 2 Tagemärschen von einander erfolgen, die erste Kolonne
am 3. Januar abmarschiren. Die Nichtkombattanten, soweit sie
dem Militair angehören, bleiben bei demselben und geniessen die
gleichen Vortheile wie dieses. Denjenigen, welche nicht dem
Militair angehören, ist freigestellt, in Danzig zu bleiben. Wenn
sie den Truppen folgen, haben sie keinen Anspruch auf die
Kompetenzen derselben. Die übrigen Artikel blieben in der
Fassung der 1. Kapitulation^).
*) Seit dem 18. December hatte sogar die Liefening von Pferdefleisch
aufgehört, das nur noch den Lazarethen verabreicht wurde. Campredon 250.
*) Das Vorstehende nach Campredon, der auch den Worthut der 2. Ka-
pitulation giebt (S. 265).
470
Dem Wunsche Rapp's, nach Kiew abgeführt zu werden,
wurde nachgegeben. Die Mannschaft ist bald nach ihrer An-
kunft daselbst ausgewechselt worden. Die Neai)olitaner wurden
schon von Thorn aus nach Hause gesendet.
Der Ausmarsch aus Danzig am 2. Januar erfolgte ohne
alle Störung. Der Herzog hatte 16000 Mann des Belagerungs-
korps Aufstellung nehmen lassen, worunter auch die ostpreussi-
sche Landwehr, die jedoch angeblich wegen ihrer schlichten
Tracht ins 2. Treflen gestellt wurde. Den vorbeidcfilirendeu
Truppen, Rapp an der Spitze, wurden die militairischen Ehren
erwiesen und nach Niederlegung der Waffen wurden sie in Kauton-
nements verlegt. An Ehrenzeichen wurden 3 Adler und 5 Fahnen
tibergeben. Den Baiern waren ihre zwei Fahnen überlassen
worden *).
Der Herzog hielt darauf seinen Einzug in Danzig, wo er
freudig empfangen wurde. Die ostpreussische Landwehr war
dabei durch die beiden Bataillone Nr. 9 und 10, weil sie noch
am besten bekleidet waren, vertreten*). Die Truppen zogen
durch das Neugartener Thor wieder ab, um der Stadt die Zeit
zu geben, die Ordnung wieder herzustellen. Nur der Herzog
blieb mit den nöthigen Wachmannschaften in der Stadt. Das
Neugartener Thor wurde von Preussen besetzt. Nach einigen
Tagen erhielt die Stadt eine russische Besatzung').
In der Festung und den Aussenwerken wurden 536 Kanonen,
Mörser und Haubitzen, 30000 Gewehre, 6000 Paar Pistolen,
5000 Säbel, 342 Pfund Pulver und 265000 Kugeln u. s. w.,
sowie Montirungsstticke für 27000 Mann, jedoch unvollständig,
vorgefunden.
Der Belagerte hatte, wie Blech versichert, nach sorg-
fältig geführten Tabellen*), in der Zeit vom 29. August bis
27. November 95552 Schuss gethan und zwar von deu äusseren
Schanzen 27000, vom Hagelsberge 12000, vom Bischofsberge
30000, wozu 430000 Pfund Pulver verbraucht worden waren.
») AperQu 462.
«) Friccius 321.
') Ebenda.
*) Blech 2, 288.
471
Vom Belagerer waren 80000 Scliuss gefallen. Der Verlust des Be-
lagerten ergiebt sich aus der von d'Artois im Anhange mit-
getheilten Tabelle. Danach waren von der Ende Januar 1813
vorhandenen, 35934 Mann starken Besatzung am Tage der
Kapitulation vom 29. November noch übrig 8859 Franzosen
iiicl. der Mannschaft der anektirten Länder, 3626 Polen,
2371 Deutsche und Spanier, 1676 Neapolitaner, in Summa
16532 Mann, wovon 1206 in Lazarethen lagen. Der Verlust
betrug daher 19402 Mann, wovon 15736 in den Lazarethen
gestorben, 1996 geblieben und 1017 desertirt waren. 643
waren gefangen worden. Nur die Nationalfranzosen wurden
in die russische Gefangenschaft in der Stärke von 5200 Manu
abgeführt.
Der Verlust der Russen wird nach dem apergu Tabelle III
des Anhanges wie folgt angegeben : an Todten 2 Stabsofficiere,
40 Subaltern und 61 Unterofficiere, 8 Spielleute und 1177
Gemeine; an Verwundeten 1 General, 18 Stabs-, 110 Subaltern-
und 177 Unterofficiere, 54 Spielleute, 2742 Gemeine; an Ge-
fangenen 9 Subaltern- und 20 Unterofficiere, 3 Spielleute, 475
Gemeine ^). Der preussische Verlust betrug nach derselben Ta-
belle 459. Die Zahl der in den Lazarethen Gestorbenen mag
etwa das dreifache betragen haben ^).
Danzig war eine auf Jahrzehende zugrunde gerichtete Stadt.
Sie hatte in den Jahren 1807 bis 1813 40 Millionen Gulden
für die Franzosen aufbringen müssen, eine Summe, die weit
darüber hinausgeht, was andere Städte haben leisten müssen').
Das gesammte Privateigenthum war ausserdem so gut wie ver-
*) Der Verlust der zur grossen Armee abgegebenen Truppentheile ist
dabei nicht eingerechnet. Er betrag nach derselben Tabelle im ganzen 277
Mann und 55 Gefangene.
•) Na<!h einem Rapport des Grafen Dohna vom 1. December 1813 wird
die Stärke des preussischen Korps (Friccius S. 311) auf 152 Officiere, 365
Unterofficiere, öl Spielleute und 3880 Gemeine angegeben, während sie, wie
wir oben S. 337 gesehen haben, am 24. August sich auf 192 Officiere, 207
Unterofficiere, 128 Spielleute und 5515 Gemeine belief. Der Abgang an Ge-
meinen betrug daher 1635 Mann.
^ Blech giebt im Anhange seines 2. Bandes einen genauen Ausweis
darüber.
472
nichtet, das unbewegliche zerstört, der Handel zugrunde ge-
richtet^). 112 Gebäude und das Dominikanerkloster, sowie 197
Speicher lagen in Asche, 1115 Häuser waren durch das Bombarde-
ment mehr oder weniger zerfallen. Von den Einwohnern waren 60
getödtet, etwa ebensoviele verwundet, 90 aus Mangel an Nahrung
gestorben, 5592 infolge ansteckender Krankheiten erlegen^).
e. Bttckfall an Preussen.
Die Rückkehr Danzigs unter die preussische Herrschaft
vollzog sich nicht in so einfacher Weise, wie die bestehenden
Verträge') es erwarten Hessen.
Der König Friedrich Wilhelm III hatte infolge des Ver-
trages von Reichenbach im Einverständniss mit dem Kaiser
Alexander bestimmt, dass Danzig eine preussische Besatzung
erhalten solle, und kommandirte als solche die Bataillone der
ostpreussischen Landwehr und das 5. Kavallerie - Regiment,
welche sich vor Danzig befanden. Zum Guverneur ernannte
er den General von Massenbach und zum Kommandanten den
Grafen Ludwig von Dohna. Der König theilte dies dem Herzog
von Würtemberg mit dem ausdrücklichen Vermerk mit, dass
die getroffenen Anordnungen im Einverständniss mit dem Kaiser
Alexander erfolgt seien. Das betreffende Schreiben langte in
der Nacht vom 31. December zum 1. Januar 1814 beim Heraog
von Würtemberg an. Einen direkten Befehl vom Kaiser hatte
der Herzog nicht erhalten und dieses sowohl, als das bestimmte
Auftreten der Herzogs den preussischen Befehlshabern gegen-
über weist darauf hin, dass der Herzog andere Weisungen vom
Hauptquartier empfangen hat, die allerdings schon altern ür-
*) Blech S. 313.
») Ebenda 289.
8) Der Vertrag von Breslau— Kai isch vom 26./27. Februar 1813 ga-
rantirte Preussen im künftigen Frieden die volle Macht von 1806 und sicherte
ihm die damaligen Besitzungen, namentlich Altpreussen und ein Territorium
zu, das dies geographisch und militairisch mit Schlesien verbände. In dem
am 27. Juni zu Reichenbach zwischen Russland, Oesterreich und Preussen
geschlossenen Bunde wird für letzteres der Wiederbesitz von Danzig aus-
drücklich ausgemacht. Vgl. Panten, Danzigs Bückkehr unter preussische
Herrschaft. Zeitschrift des west{)reus8ischen Geschichtsvereins, Heft Xm^ S. 99,
473
Sprungs gewesen sein mögen. Die Rücksichtslosigkeit, die er
den Anordnungen des Königs von Preussen gegenüber bewies,
findet nur darin eine Erklärung.
Die Absichten Kusslands auf Ostproussen und Danzig hatten
sich schon frühzeitig ausgedrückt. Wie wir oben gesehen haben,
hatte es Pet«r der Grosse bereits auf Danzig abgesehen. Im 7 jäh-
rigen Kriege wurde kein Geheimniss daraus gemacht. Die
Provinz Ostpreussen musste der Kaiserin von Bussland huldigen.
Seit dem Jahre 1812, wo sich Alexander in dem Vertrage mit
Schweden zu Abo am 30. August die Provinz Preussen garan-
tiren Hess, bildete die Erwerbung desselben und Danzigs einen
Theil des russischen Programms*).
Als der Oberst Graf Dohna sich nach dem Einzüge in
Danzig beim Herzog als Kommandant von Danzig meldete —
der General von Massenbach traf erst am 4. Januar ein —
bedeutete ihm der Herzog, dass das Schicksal von Danzig mit
dem Polens in Verbindung stehe, darüber aber noch nichts ent-
schieden sei. Er könne also von den Anordnungen des Königs
von Preussen keine Notiz nehmen und habe den Fürsten Wol-
konsky zum Guverneur und den Generalmajor Rachmanow zum
Kommandanten eiiiannt. Die Stadt werde eine russische Be-
satzung erhalten. Dohna war ausser sich und fand darin eine
Beleidigung seines Königs. Es kam zu einem heftigen Wort-
wechsel, worin der Herzog den Grafen mit Arrest bedrohte*).
Nach der Ankunft Massenbachs trat eine gewisse Milderung
des Verhältnisses ein, indem der Herzog erklärte, ohne dessen
Mitwissen keine Einrichtungen in der Stadt zu trefien, aber
von dem Schreiben des Königs könne er vor Eintreffen der
Befehle seines Kaisers keine Notiz nehmen. Massenbach und
*) Vgl. Fanten S. 98fr., der das desweitern ausführt.
*) Der Bruder des Grafen Ludwig, der frühere Minister und damalige
Präsident der einberufenen Landstände, Alexander, schrieb am 6. Januar 1814
an Schön: „Ludwig läuft Gefahr, sich ein Gallenfieber mit dem unsinnigen
Herzog an den Hals zu ärgern. Täglich hat mein Bruder mündlich und
schriftlich gewaltige Aufzüge mit ihm; mein Bruder hat zuerst dem Herzoge
erklärt, dass er nicht mit gewaffneter Hand gegen Allürte agiren kOnne, dass
er aber durchaus weiter keine Befehle you ihm annehme.^ Scbön's Papiere
m 6, 178. Fanten S, J08.
474
Dohna suchten ihre Stellung zu behaupten und erliessen Befehle
an den Senat von Danzig, die sich mit denen des russischen
Guverneurs kreuzten. Doch gab Massenbach insoweit nach,
dass er sich auf die Angelegenheiten der preussischen Truppen
besclnänken wolle. Er stattete am 7. Januar dem Könige einen
Bericht über die Verhältnisse ab. Ein Erfolg war davon kaum
zu erwarten, da der König unerschütterlich im Vertrauen zum
Kaiser Alexander war und am wenigsten ihn reizen wollte.
Der Graf Dohna und seine nähern Freunde, der Graf Euleu-
burg, Brünneck, Brockhausen und Hülsen mochten das wohl
fühlen und entschlossen sich, aus ihrer Mitte einen mit dem Be-
richt Massenbachs an den König nach Basel, wo sich das grosse
Hauptquartier befand, zu senden *), um durch mündliche Vor-
stellungen über die Lage der Dinge Aufschluss zu geben. Die
Wahl fiel auf Brünneck, den Kommandeur des 5. Landwehr-
Kavallerie-Regiments. Dieser fand in der That keinen günstigen
Empfang. Der König beschuldigte den Grafen Dohna und seine
Freunde der Unverträglichkeit und des unbegründeten Verdachts.
Ausserdem hatte der Herzog den General Gerebzow ins Haupt-
quartier gesendet, um den preussischen Einflüssen entgegen-
zuwirken. Glücklicherweise fand Brünneck in den Generalad-
jutanten des Königs, dem General von Knesebeck und Oberst
von Thiele, eifrige und einflussreichc Anwälte, denen es gelang,
den Befehl des Kaisers an den Herzog von Würtemberg aus-
zuwirken, Danzig an Preussen zu übergeben. Der russische
Oberst von Bötticher, Adjutant des Herzogs von Würtemberg,
welcher die Meldung von der 2. Kapitulation Danzigs ins Haupt-
quartier überbracht hatte, reiste, wie es scheint, am 17. mit
diesem Befehle des Kaisers nach Danzig ab und erhielt vom
Könige Friedrich Wilhelm III einige vom 15. datirte Depeschen,
unter anderm die Ernennung des Grafen Dohna und des Obersten
*) Der Graf Dohna nahm die Gelegenheit wahr, dass der Herzog zur
Aufklärung von Reihungen mit den ('ivilbehörden dem Könige ein Memoire
zu übersenden beabsichtigte, wozu er den Major v. Hake ausersebeu hatte,
um dem Herzog vorzustellen, dass ein Mann wie der Major von Brünneck als
ürossgrimdbesitzer mehr geeignet sein dürfte, dem Könige die erforderlichen
Erläuterungen zum Memoire zu geben und erlangte die Einwilligung^ d.^sa
BrtUmeck der Ueberbringer sein sollte, v. Hake,
475
Pullet zu Generalmajors, sowie zahlreiche Ordensverleihungen
an das Belagerungskorps, mit auf den Weg. Brfinneck folgte
in der Nacht vom 20. zum 21. und überholte den Oberst von
Bötticher am 28. in Berlin, von dem er die preussischen De-
peschen übernahm und die freudige Nachricht überbringen konnte,
dass Danzig preussisch bleiben sollte. Bötticher langte erst
am 1. Februar in Danzig an. Am 2. Februar erhielt Massen-
bach und am 3. der Senat der Sjtadt vom Herzoge die Mitthei-
lung, dass er den Befehl erhalten habe, Danzig an Preussen zu
übergeben. Er Hess, als er am 9. abreiste, Danzig nach dem
ürtheile der preussischen Ingenieur- und Artillerieofficiere in
völlig wehrlosem Zustande zurück, indem er 85 Feldgeschütze *)
als russisches Eigenthum erklärte und damit die Festung ihrer
Flankengeschütze beraubte, auch die Gewehrmunition, 5 Mil-
lionen Patronen, auf 150 Wagen entzog. Ausserdem führte er
30000 Gewehre und fast sämmtliche Bekleidungsgegenstände
mit sich. Den grossen Festungsplan erklärte er ebenfalls als
russisches Eigenthum, liess jedoch zu, dass er kopirt wurde.
Es. scheint, dass er immer noch die Hoffnung hatte, der Kaiser
werde sich anders besinnen, wie es auch in preussischen Kreisen
befürchtet wurde ^).
Dem Oberst Grafen von Dohna ist es nicht vergönnt ge-
wesen, die Rückkehr des Majors Brünneck zu erleben. Er war
schon am 19. Januar, erst 37 Jahr alt, der heimtückischen
Krankheit erlegen, die der Stadt so viele Opfer abverlangt hat.
Die feierliche Wiedervereinigung Danzigs mit Preussen fand
am 19. Februar 1814 unter Leitung des Chefpräsidenten des
Marienwerderer Ober-Landesgerichts Oelrichs statt.
Der Senat hatte schon am 4. Februar im Namen und Auf-
trage der Stadt ein Schreiben an den König gerichtet, worin
^) Nach einem Schreiben des Major Liebe an die General-Inspektion der
Artillerie vom 26. April 1814 waren es 87, darunter auch 12Pfilnder. Es
gelang jedoch dem Major Liebe , von 37 Geschützen nachzuweisen , dass sie
preussischen Ursprungs waren, so dass nur 50 den Bussen blieben. Kr. -Archiv
Nr. 12, S, 143.
*) Schreiben eines hervorragenden, in die Verhältnisse eingeweihten
Mannes vom 11. Februar 1814 an den General v. Knesebeck und den Oberst
V. TWele. Panten S. 106^
476
er dem Gefühle lauten Jubels, inniger Freude, reinster Dankbar-
keit für die Wiedervereinigung mit Preussen Ausdruck gab . . .
und um die bis 1807 genossene Huld und Gnade bat*).
C. Rückblick.
Die Belagerung Danzigs im Jahre 1813, wenn wir damit
die gesammten Operationen gegen dasselbe bezeichnen, hat
manchen Zug mit der Belagerung von Sebastopol geraein ; grösser
jedoch sind die Verschiedenheiten, die daraus entsprangen, dass
Sebastopol der Preis war, um den die gesammten Kräfte der
mächtigsten Staaten Europa^s rangen, während Danzig 1813
ein für die grosse Entscheidung gleichgültiges Objekt bildete,
dessen Bewältigung Milizen übertragen werden konnte. Völlig
isolirt und von der Aussenwelt abgeschnitten, war die Be-
satzung, welche Danzig dem Imperator erhalten sollte, nur
durch die Zuvei'sicht auf das Genie desselben geistig und
moralisch getragen. Da die Rettung durch ihn ausblieb, konnte
der Ausgang des Kampfes nur in dem allmählichen Versiegen
der Kräfte liegen, dem die Besatzung entgegenging, ohne
Antheil an der Entscheidung zu nehmen, welche die Kuhc
Europas herbeiführen sollte. Bei der Belagerung von Sebasto-
pol handelte es sich dagegen um das Abmessen der Kräfte
beider Gegner im offenen Kampfe, von dessen Ausgang der
Besitz der Festung und damit, wie die Verhältnisse lagen,
die Entscheidung über den ganzen Krieg abhing. Deshalb ist
die Vertheidigung von Danzig aber nicht minder rühmlich als
diejenige Sebastopols und das Verhalten der Besatzung durch
die Leiden der Epidemie und des Hungers höher anzuschlagen,
zumal da bei Sebastopol die Verbindung mit der Aussenwelt
nie unterbrochen war.
Der Vertheidiger von Danzig ist dem Vorwurf aus-
gesetzt, das Leben so vieler Menschen unnütz aufs Spiel
gesetzt zu haben, nachdem jede Aussicht geschwunden war,
dem eignen Vaterlande damit noch irgend einen Dienst
zu erweisen, wie das seit der Schlacht von Leipzig der Fall
^) Das Vorstehende nach Fanten a. a. 0. und die Handschriften de9
nachmaligen Generals von Hake im Kriegs- Archiv,
477
war. Aber wie Rapp auf die desfallsigen Vorstellungen des
Herzogs Alexander erwiderte, hat der Soldat danach nicht zu
fragen. Wer kann das bestreiten, ohne die Pflichten ausser
Acht zu lassen, die dem Soldaten das heiligste sein müssen?
Das Weltgericht mag anders darüber entscheiden. Es ist der
Konflikt, in welchen der Krieg überhaupt mit den Gesetzen
der Moral tritt. Mit demselben Recht könnte man Napoleon
verurtheilen, 1814 den Krieg fortgesetzt, wenigstens die Friedens-
unterhandlungen abgebrochen zu haben.
Noch eine andre Frage kommt hier zur Sprache. Waren
die deutschen Officiere im Recht, den Aufforderungen des Herzogs
von Wfirtemberg, den französischen Dienst zu verlassen, nach-
dem ihre Suveraine von Napoleon abgefallen waren, nicht Folge
zu leisten? Sie bestanden darauf, die Befehle derselben abzu-
warten, die jedoch nicht eintrafen. Auch das ist militairisch.
Wer trägt hier die Schuld? Rapp dispensirte sie vom äussern
Dienst und kam so ihren Wünschen entgegen. Einfacher war
die Lage der westfälischen Officiere, die den Guverneur baten,
sie vom Dienst zu entbinden. Einen Befehl des Suverains hatten
sie nicht zu erwarten.
An Fragen, zu welchen die Belagerung Danzigs im Jahre
1813 Veranlassung giebt, drängen sich noch zwei auf:
erstens, war es französischerseits nicht angezeigt, die ITestung
Danzig zu räumen und ihre Werke und WafFenvorräthe zu
zerstören, um die zahlreiche Besatzung für die Feldarmee dis-
ponibel zu machen? zweitens, ist den Russen ein Vorwurf zu
machen, dass sie Danzig, welches noch nicht armirt, zum Theil
sogar offen war, nicht sogleich gestürmt haben?
Die erstere Frage soll auf dem Ruckzuge im Hauptquartier
Königsberg wirklich diskutirt worden sein^). Napoleon hätte
nie seine Einwilligung dazu gegeben. Er legte den grössten
Werth auf Danzig. Der Moniteur vom 26. Januar (No. 27) 1813
erklärte: „Danzig est anjourd'hui une place inexpugnable; plus
de 30000 hommes de braves troupes y sont röunies, de bons
G6neraux les commandent, et le gouverneur de la ville est le
general Rapp, brave et intrepide Soldat; bon nombre d'officiers
») M. de M**», le siöge de Dantzig en 1813 S. 3.
478
de g6nie et d'artillerie s'y trouvcnt; la place est approvisionn6e
de tout pour deux ans" (?).• Wenn die Bussen zu dieser Zeit auch
Danzig und Thorn bereits eingeschlossen hatten, so traute er
ihnen jedoch nicht zu, dass sie vor Eroberung dieser Plätze
weiter vordringen würden. Er hoflfte, sie mit seiner neu ge-
schaffenen Armee noch an diesen Punkten anzutreffen. Dass
sie auch die Oder fiberschreiten und deren Festungen hinter
sich lassen würden, lag ausser aller Berechnung. Auch war
zu der Zeit, wo das . 10. Eoi^ps , welches die Besatzung von
Danzig bilden sollte, auf seinem RQckzuge daselbst eintraf
(mitte Januar), ein Entkommen desselben kaum noch möglich,
da es von den Russen hart gedrängt wurde. Die Frage erledigt
sich daher von selbst.
Die 2. Frage ist, wenn man sich die Lage der Dinge ver-
gegenwärtigt, ebenso bestimmt zu vei-neinen. Bis anfang Fe-
bruar war Danzig nur durch Kosacken eingeschlossen und auch
seitdem war das Blockadekorps so schwach, dass es nur zur
Beobachtung der Festung ausreichte. Es hätte daher zum
Zweck des Sturms eine Detachirung des Wittgensteinschen
Korps, das bis zum 13. Februar in der Gegend von Stargardt
verweilte, eintreten mftssen , die nur vom Oberkommando aus-
gehen konnte, das zu energischen Schritten jedoch keine Nei-
gung hatte. Am allerwenigsten wollte man sich einem Echec
aussetzen, der bei dem Stande der Verhandlungen mit Prenssen
sehr hinderlich werden konnte. Die neuern Grundsätze würden
den gewaltsamen Angriff unter allen Umständen gefordert haben.
1. Sie Vertheldignng.
Der Herzog von Würtemberg macht Rapp den Vorwurf),
dass er seine üoberlegenheit nicht benutzt habe, das Blockade-
korps zu sprengen. Diese vermeintliche üeberlegenheit war aber
keineswegs vorhanden. Es ist gewiss nicht übertrieben, wenn
Rapp in seinem Bericht vom 17. Juni sagt*), dass er bei dem
Anfall des Generals Löwis am 5. März, wo er gewiss alle dis-
^) AperQU S. 28. Der Herzog stellt das als sehr leicht dar und fügt
hinzu: mais la garnison ne snt pas en profiter.
») Auriol S. 98.
479
poniblen Kräfte heranzog, nur über 5000 Mann verfligen konnte,
wenn man berücksichtigt, dass die Besatzung zu dieser Zeit
18000 Kranke hatte und 7000 Mann bereits gestorben waren.
Auch nahm die Besetzung der weitläuftigen Werke einen Theil
der Besatzung in Anspruch. Noch mehr irrt der Herzog, wenn
er sagt ^). dass die Besatzung aus lauter Elitetruppen bestanden
habe, die 20 Feldzüge hinter sich hatten. Wie wir oben ge-
sehen haben, bestand der grösste Theil der Besatzung aus Re-
kruten. Rapp hatte alle Ursache, seine Truppen zu schonen,
und machte nur im äussersten Nothfalle von Ausfällen Gebrauch,
um Lebensmittel und Furage beizutreiben*).
Im Widerspruch mit seiner obigen Behauptung macht der
Herzog dem General Rapp den Vorwurf*), den Mangel an Mann-
schaft, der am Ende der Belagerung eintrat, durch seine grossen
Ausfälle vom 9. Juni und 29. August verschuldet zu haben,
die vollkommen unnütz gewesen seien.
Der Ausfall vom 9. Juni war dadurch veranlasst, dass
Rapp das junge Getreide hauen lassen wollte, bevor sich der
Feind desselben bemächtigte. Wenn er schon dadurch hinlänglich
motivirt wird, so kam noch hinzu, dass der General durch die
täglichen Gefechte, welche der Herzog seit ende Mai eintreten
Hess, die Besatzung infolge der fortwährenden Bereitschaft, in
der sie sich halten musste, vollständig mürbe gemacht hatte*),
so dass etwas geschehen musste. Das Gefecht wurde nur da-
durch unnütz, dass am folgenden Tage der Waffenstillstand be-
kannt wurde. Der Verlust war allerdings bedeutend; Döring
beziffert ihn auf 19 Officiere, 637 Mann an Todten und Ver-
wundeten, die französischen Berichte geben nur 400 Mann zu.
Das Gefecht vom 29. August eröffnete die Reihe von
») Apercu S. VÜI. 70. 81. 236. 310.
') Happ spricht sich in seinen Memoiren selbst darilber aus. £r sagt
S. 214: „Ce n^etait plus qvL'k la pointe de Tepee que nous ponvions obtenir
des snhsistances ; mais quel que füt le d^vouement des troupes: la prndence
ne permettait pas de les conduire ä Tennemi, consum^es quelles 6taient par les
maladies et la misöre. II faUut se r6äigner ä son 6toiIe, et attendre patiem-
ment que la douce influeuce de la belle saison vint r6parer leurs forces."
■) Apercu S. 411.
*) Eapp. Mfemoires S. 237. v. Düring.
480
Offensivschlftgen, womit der Herzog von Wfirtemberg sich des
Bodens bemächtigte, den er zur Belagerung bedurfte. Da er
sich bisher jeder grossem Operation enthalten hatte, ist es
natfirlich, dass Kapp sich überzeugen wollte, ob sein Gegner
die nöthigen Kräfte hätte und die erforderliche Energie besass,
seine Absicht durchzusetzen. Aber auch ohne dies konnte Bapp
das bisher besetzte Terrain nicht verlassen, ohne den Versuch
zu machen, sich darin zu behaupten. Sein Widerstand ist
daher vollkommen gerechfertigt. Dass er nicht unnütz war, be-
weist die Vorsicht, die der Herzog in seinen folgenden Opera-
tionen beobachtete und der Verlust an Zeit, den er sich dadurch
zuzog. Auf der andern Seite hatte das Qefecht zur Folge, dass
Eapp von jetzt ab sehr sparsam mit dem Blut seiner Truppen
umging. Ein Grund zum Vorwurf für Rapp lag in diesem Ge-
fecht daher nicht. Sein Verlust an diesem Tage betrug gegen
400 Mann an Todten und Verwundeten.
Der Herzog konnte sehr gut wissen, dass der Mangel an
Truppen, an welchem die Besatzung zuletzt litt, nicht von
diesen Gefechten hergekommen ist, sondern von der Desertion
und der angeblichen Weigerung der nicht französischen Truppen,
den äussern Dienst noch länger zu versehen, doch bestreitet
er auch das ^) und behauptet, dass die Zahl der Deserteure seit
Ende August nur 400 betragen habe und dass die fremden
Truppen bis auf den letzten Tag im Dienst geblieben seien. Es
ist fiberflüssig, auf die Argumente näher einzugehen, die er an-
führt, es genügt auf die Rede hinzuweisen, die Rapp im Eri^-
rathe hielt, um über die Uebergabe zu beschliesen, worin er
den Abfall der fremden Truppen als den vorzüglichsten Grund
für die Nothwendigkeit der Uebergabe angiebt").
Die Unzufriedenheit, die sich schliesslich des nicht franzö-
sischen Theils der Besatzung bemächtigte und zu dessen angeb-
licher Weigerung fühi-te, noch länger vor dem Feinde verwendet
zu werden, war durch die Ereignisse in Deutschland, nament-
lich seit der Schlacht von Leipzig, hervorgerufen worden, deren
Kenntniss der Herzog von Würtemberg ihnen zukommen Hess.
0 Aperyn S. 416.
') Campredon. Anriol S. 233. Anhang VI.
481
Bis dahin hatten sich diese Truppen selbst nach dem Zeugniäs
der Franzosen vorzüglich geführt und standen diesen in keiner
Weise nach. Es hatte sich selbst eine Waffenbrüderschaft mit
ihnen gebildet. Dass dies so war, ist lediglich dem eigenthttm-
lichen Talent Eapp's, mit den Truppen umzugehn, zu verdanken
gewesen.
Hierin liegt eins der Hauptverdienste, die sich Bapp um
die Vertheidigung der Festung erworben hat^). Ganz persön-
lich ist ihm auch die Besetzung des ausgedehnten Terrains am
Danzig zuzuschreiben. Er spricht sich in seinen Memoiren
darüber aus, dass es ihm leid gethan habe, die Vorstädte nieder-
zubrennen. Es ist indessen kaum anzunehmen, dass er erwartet
habe, der Feind werde ihn in deren Besitz lassen. Beim noth-
wendigen Abzüge wäre immer noch Zeit gewesen, sie einzu-
äschern. Nachdem er jedoch den Anfall des Generals Löwis am
5. März zurückgeschlagen hatte, scheint seine Absicht, sich
dauernd in deren Besitz zu erhalten, gereift zu sein, denn er
Hess die Ortschaften nunmehr befestigen *). Wie nach und nach
auch das anliegende Terrain befestigt worden ist, habe ich
oben nachgewiesen, hier dürfte jedoch der Ort sein, ein Ge-
sammtbild davon zu geben und das Terrain um Danzig im
Ganzen zu würdigen, wobei auch Weichselmfinde und Neufahr-
wasser heranzuziehen sein wird.
Danzig ist im Osten durch die Weichsel, im Norden und
Süden durch ausgedehnte, unzugängliche Niederungen geschützt,
die nur im Norden zwischen Langfuhr und dem Olivaer Thor
zunächst der grossen Allee gangbares Terrain bieten. Im
^) V. Düring, Tagebuch S. 37: „Es herrschte in jedem Korps bis zum
letzten Soldaten herab ein Wetteifer, jeden anderen an Mnth und Beharrlich-
keit zu ttbertrefifen. Doch woher entstand das? allein durch das Beispiel,
durch den unerschütterlichen, sich immer gleich und fest bleibenden Sinn des
Guyemeurs! Alle, die unter Rapp dienten, werden einmüthig sich nie einen
besseren, tapferem und gerechteren Chef wünschen können; er zog keine
Truppe aus Vorliebe der andern vor, die Tapfersten waren ihm die liebsten,
er war freundlich gegen den gemeinen Soldaten".
') Die Einrichtung der beiden Häuser am Eingange von Langfnhr zu
Blockhäusern ist, wie aus dem Tagebuche des Minors Bauer hervorgeht, aus
dessen eigner Initiative entsprungen und fällt vor diese Zeit.
Köhler, Qeacülchte der Festungen Danzig and Weichselmünde. II. 31
482
Westen der Stadt erhebt sich ein Plateau von wenig über 70
Meter oder 200 Fuss Höhe, das schroff zur Stadt abfällt and
durch die Schlucht von Schidlitz in zwei Theile getheilt wird.
Es werden dadurch zwei Abschnitte gebildet, von denen der
nördliche in der Schlucht, die von Zigankendorf nach Aller
Engeln ausläuft, seine Begrenzung findet. Der südliche Abschnitt
wird durch die Schlucht an den Schottenhäusern begrenzt. Was
jenseits dieser Grenzen nach Norden und Süden vorliegt, ist
nur von nebensächlicher Bedeutung für die Belagerung von
Danzig, wenigstens bei den damaligen glatten Geschützen. Im
Jahre 1813 kam es jedoch für die Einschliessung inbetracht,
solange Rapp Langfuhr besetzt hielt, und solange er im Süden
mit den Vorposten über die Schottenhäuser hinaus griff. Die
Eontravallation der Alliirteu stützte sich daher im Norden auf
die tief eingeschnittene Schlucht, welche über Dreilinden und
Diwelkau nach dem südlichen Theil von Langfuhr abfällt, und
im Süden auf den von Schönfeld durch Reiersgarten in den
Radaunekanal fliessenden Bach, der in einem tiefen Einschnitt
liegt. Von Schönfeld über Wonneberg nach Dreilinden lief die
Eontravallation durch ein wenig accentuirtes Gelände, das nur
durch den obern Theil der Schidlitzer Schlucht bei Tempelburg
unterbrochen war*).
Der Bischofs- und Hagelsberg bilden gleichsam die
Vorgebirge der beiden Abschnitte nach der Stadt hin und sehen
dieselbe vollständig ein. Sie waren daher in der Zeit, wo die
Artillerie durch Ausbildung der Hohlgeschosse sich wesentlich
vervollkommnet hatte, Mitte des 17. Jahrhunderts, in die Be-
festigung der Stadt gezogen worden. Rapp befestigte auch den
Krähenberg und die Jesuiterhöhe, zwei andere nördlich und
südlich gelegene Vorgebirge der beiden Abschnitte, und versah sie
mit starken Batterien. Die beiden Abschnitte enthielten noch andre,
taktisch wichtige Höhen, der nördliche den Zigankenberg, der
südliche den Stolzenberg, welche schon in den früheren Bela-
gerungen eine wichtige Rolle gespielt hatten. Sie sind beide von
^) Die KontravaUation war nur darch einzelne Reduten und Lttnetten
gebildet, die nicht durch Laufgräben verbunden waren.
483
gleicher Höhe und dominii en den Hagelsberg, so dass sie diesem sehr
gefährlich sind. Der Stolzenberg war bei der Vervollständigang
der Befestigung Danzig's durch die Franzosen durch die Lünette
Cafarelli gekrönt und der Befestigung des Bischofsberges ein-
verleibt worden. Der Zigankenberg wurde von Rapp mit drei
Lttnetten versehen, welche die Umgegend in günstigster Weise
bestrichen. Der Berg bildete nach Westen hin einen ange-
messenen Abschluss des nördlichen Abschnittes. Für den Sttd-
abschnitt fehlte ein solcher. Die bedeutende Ausdehnung des
Plateaus vom westlichen Ausgange des Dorfes Stolzenberg bis
zn den Schottenhäusern fand nur in dem befestigten Dorfe
Stolzenberg und den Lünetten Friaul auf der Jesuiterhöhe Stütz-
punkte für die Vertheidigung. Man begnügte sich, zwischen
beiden einige Blockhäuser (den Dragonerposten, auch das gelbe
Haus oder das Haus am Teiche genannt, den Posten am Juden-
kirchhofe und den in der Ortschaft Weinberg) anzulegen, im
übrigen aber es den Vorposten zu tiberlassen, sich durch Erd-
aufwürfe gegen die Anfälle der Kosacken zu schätzen. Sie er-
wuchsen mit der Zeit zu wirklichen Schanzen, so der Posten
des Sergeanten und der Posten des Lieutenants. Für Schidlitz
war wenig zu fürchten, solange die zu beiden Seiten des Dorfes
liegenden Anhöhen im Besitz des Belagerten blieben. Das Dorf
wurde an seinem Westausgange durch eine Barriere und weiter
rückwärts durch eine Kupüre nur so weit befestigt, dass es gegen
Parteien geschützt war. Auch hier hatten die Vorposten sich
selbst die nöthige Sicherheit zu beiden Seiten zu verschaflfen
gesucht. Es entstand so der Posten des Kommandanten, in
dem sich der Vorpostenkommandeur aufhielt und der Posten
Pichon, westlich des Dorfes, der mit der Barriere desselben durch
einen gedeckten Weg verbunden wurde.
Das Plateau jenseits des Südabschnitts zwischen den Schotten-
häusern und Reiersgarten wurde ebenfalls von den Vorposten
durch Schanzen gesichert. Es entstand so die sogenannte Stern-
schanze (le poste de TEtoile) und der Posten des Eapitains.
Das sonst unbefestigte Dorf Ohra wurde mit dem poste du
jardin, der obigen als Flankendeckung diente, versehen.
Am Fuss des südlichen Abschnitts nach Norden hin lagen
längs des Radaunekanals die Vorstädte Alt Schottland und
81*
_ 484^_
Stadtgebiet*), durch welche und durch Ohra die alte Heer-
strasse nach Dirschau führte. Es war von der grössten Wich-
tigkeit, sich so lange als möglich im Besitz dieser Ortschaften
zu halten, weil sie zum Schutz der anliegenden Höhen dienten.
die eine Einsicht in die Stadt gestatteten. Sie wurden daher
mit einer doppelten Kuptire versehen, zu deren Herstellung die
Oertlichkeiten sehr gut geeignet waren. Die Kupüren wurden
bis zur Inundation geführt, die bis an die Gärten der Vorstädte
herantrat.
Mit der Besatzung von Langfuhr ging Rapp über die
Grenzen des nördlichen Abschnitts hinaus. Langfuhr gehörte
nicht zu den Ortschaften, die eingeäschert werden mussten, da
es ganz ausserhalb der Schussweite von der Festung lag. Aber
Rapp hielt seine Besatzung zur Behauptung der freien Passage
auf der Weichsel und längs des linken Weichselufers nach Nen-
fahrwasser für nothwendig, da der Besitz von Neu-Schottland
und Schellmühl hierzu nicht genügte. Aber auch Langfuhr war
schwer zu vertheidigen. Am Fuss des Johannisberges und der
weitern Höhen, die sich nach Oliva hin erstrecken, gelegen.
war es nicht in der glücklichen Lage, wie Alt-Schottland und
Stadtgebiet von diesen Höhen aus beschützt zu werden, weil
diese bewaldet waren und nur mit Aufbietung bedeutender
Kräfte hätten gehalten werden können. Rapp hatte daher nichts
als eine Vorpostenkette daselbst und ein Piket im Jäschken-
thal, so dass deren Zurückwerfung ganz im Belieben des Gegners
stand. Das sehr langgestreckte Dorf hätte auch nur von be-
deutenden Kräften gehalten werden können. Seine .Befestigung
beschränkte sich darauf, dass die Ausgänge verbarrikadirt
waren und am Eingange des Dorfs zwei Häuser krenelirt und
mit Palisaden umschlossen waren. Die Anlage von Kupüren im
Dorfe selbst würde keinen Sinn gehabt haben, da sie von den
Bergen aus flankirt wurden. Die breite Strasse konnte nicht
*) Das Dorf Stadtgebiet gehörte wie Ohra zu Danzig, während Alt-
Rcbottlaud dem Bischof von Kujovien zn eigen war. In den französischen
Berichten über die Belagerung wird derjenige Theil zwischen der 1. im<l
2. Knpüre mit Stadtgebiet bezeichnet. Nach der Generalstabskarte beginnt
letzteres erst an den Schottenhäusern. Zu den Vorstädten wird auch noch
St. Albrecht gezählt.
485
als Abschnitt eingerichtet werden, weil man dadurch seine Rück-
zugslinie aufgegeben hätte. Die Besatzung des Dorfs war
ausserdem ausgesetzt, von vornherein von Danzig abgeschnitten
zu w^erden, weil die am Eingange desselben auslaufende Schlucht
eine gedeckte Annäherung des Feindes gestattete.
Wenn der Belagerer dennoch die Franzosen über 6 Monate
im Besitze des Dorfes liess, so lag das in seiner Schwäche und
(Uirin, dass er sich anfang März eine scharfe Lection daselbst
geholt hatte. Das Dorf war am 5. März zwar von den Russen
genommen worden, doch wurden sie iu den folgenden Tagen
wieder herausgeworfen. Zur Behauptung des Dorfes richtete
Rapp zwischen demselben und der Stadt mehrere Aufnahme-
stellungen ein (Kabrnn, Schmidt'scher Garten, Aller Engeln)
und liess auch auf der Weichsel mehrere Kanonenboote ankern.
Aber es half ihm alles nichts, er musste Langfuhr aufgeben,
sobald der Gegner nach dem Waffenstillstände Ernst zeigte,
sich seiner zu bemächtigen.
Die Tage vom 29. August und 2. September haben ihm
allein einen Verlust von 800 Mann an Todten und Verwundeten
eingebracht.
Die Verbindung Dauzigs mit Neufahrwasser am linken
Weichselufer und auf der Weichsel selbst hat auch 1734 und
1807 nicht aufrecht erhalten werden können. Nur ein Brücken-
kopf am 3. Legan hätte das möglich gemacht^).
Die Befestigung der Mündung der Weichsel ist für Danzig
von der grössten Wichtigkeit, da, wenn sich der Feind daselbst
festsetzt, die Stadt vom Meere ausgeschlossen ist. Ebenso
nothwendig ist die Aufrechterhaltung der Verbindung zwischen
Danzig und der Münde mit ihren Befestigungen. Eine Unter-
bindung derselben kommt dem Verlust der Münde nahezu gleich.
Die Franzosen hatten durch ihre eigenthümliche Holmbefestigung,
namentlich durch den Bau des Forts Napoleon und dessen An-
*) Die Sicherung der Schiiffahrt auf der Weichsel hatte schon früh die
Aufmerksamkeit anf sich gezogen. Wie wir gesehen haben, hatte der General-
major von Houwald, Kommandeur der Danziger Truppen, schon 1638 die
Stadt veranlasst, die alte Kalkschanze zu erbauen. Doch hatte er den rich-
tigen Ort verfehlt. Die Schanze wurde nach seinem Austritt- aus dem Dienst
der Stadt wieder eingeebnet,
486^
hang, die Redute d'Haupoult, die Land Verbindung auf dem
rechten Weichselufer sichergestellt, was bis dahin vergeblich
angestrebt worden war. Die SchifiFfahrt auf der Weichsel ist
auch ihnen nicht gelungen zu sichern, daher die Anstrengungen
Rapp's nach dieser Richtung, die ihre volle Berechtigung hatten,
denn der Besitz der Weichselmündung wird erst werthvoU,
wenn die einlaufenden Schiffe ungehindert bis Danzig gelangen
können. 1813 kam das allerdings weniger inbetracht, da feind-
liche Flotten die Mündung blockirten. Aber sie konnten das in
der ungünstigen Jahreszeit nicht fortsetzen, wo dann der Weg den
befreundeten dänischen Schiffen offen blieb *). Unter allen Um-
ständen ist die Vervielfältigung der Kommunikationen zwischen
Danzig und der Münde von Wichtigkeit.
Mit Recht macht daher der Verfasser des Apergu dem Ge-
neral Rapp den Vorwurf, gegenüber dem Ganskruge keinen
Brückenkopf angelegt zu haben. Der Vorwurf trifft allerdings
mehr den Kaiser Napoleon, denn der Brückenkopf hätte in dem
Bauplan aufgenommen werden müssen, den der Kaiser 1811
bestätigte. Denn noch andre Gründe wiesen darauf hin. So
ist z. B. dem Vertheidiger der Besitz der Nehrung, wenigstens des
westlichen Theils derselben bis Ncufehr, wo mit Leichtigkeit eine
Barriere geschaffen werden kann, dringend nothwendig. Wie
der Danziger Rath dem General Percewal auf dessen Verwun-
derung, am grossen Holländer das von ihm empfohlene Werk
nicht erbaut zu haben, erwiderte, dass, wenn der Feind sich in
Besitz desselben setzte, es ihm nicht wieder abgenommen werden
könnte, so verhält es sich auch mit dem B^rt Napoleon, das au
derselben Stelle erbaut ist. Seine Eroberung würde einem sich im
Besitz der Nehrung befindlichen Feind wenig Mühe machen.
Ferner würde ein im Jahre 1807 vorhandener Brückenkopf
gegenüber dem Ganskruge dem Angriff der Russen am 15. Mai
wahrscheinlich eine andre Wendung gegeben haben, da die Besat-
zung von Danzig hätte eingreifen können. Aehnlich beim Angriff
*) Das war die Rücksicht, die den Herzog von Würtemberg bewog, den
Versuch zu machen, sich der Westerplatte und Neufahrwasser zu bemächtigen,
indem er sie durch die Flotte beschiessen Hess und 3Iannschaften bereit hielt
l^u stürmen, wenn die Beschiessung von Erfolg war.
487
der Franzosen 1734. Dazu kommt, dass die Stadt von dort
aus bombardirt werden kann, wenn der Raum daselbst dem
Feinde überlassen wird. Es ist dies bei allen 3 neuern Be-
lagerungen Dauzigs geschehen. Auch hat sich Rapp gegen die
Vortheile eines solchen Brückenkopfes nicht verschlossen und
hat den Bau desselben beginnen lassen ; der Austritt der Weichsel
verhinderte jedoch die Fortsetzung der Arbeit, und später war
die Besatzung anderweitig zu sehr in Anspruch genommen*).
Was die Festung Weichselmünde betriflfl, so hat es seine
ursprüngliche Bedeutung, die Mündung der Weichsel zu schützen,
verloren, da die Landanspielungen im 17. Jahrhundert den.Lauf
des Stroms verändert haben und die Mündung gegenwärtig
weit entfernt davon liegt. Immerhin bildet es das Reduit
der Befestigungen von Neufahi-wasser und der Westerplatte
und dient ihnen als Briickenkopf nach der Nehrung. Auch
sichert es die Verbindung jener Befestigungen mit Danzig,
wenn diese auf dem linken Weichselufer verloren gegangen
ist. Bei dieser Vielseitigkeit Weichselmttnde's giebt es in Ver-
bindung mit der Holmbefestigung und der Nehrung für den
Fall, dass der Vertheidiger die See durch eine Flotte beherrscht,
Veranlassung zu den mannigfaltigsten Kombinationen, doch ist
es eine Ueberschätzung, wenn der ungenannte Verfasser der
Geschichte von Weichselmünde sagt: „In beiden Festungen,
Danzig und Weicliselmünde , liegt eine nicht zu berechnende
Masse von Kraft, die einzeln unnütz sich aufzehrt, in gemein-
samer Wirkung aber Erfolge hervorbringen kann, welche unsere
Zeit nicht kennt, vielleicht nicht einmal für möglich hält***).
Besitzt der Angreifer dagegen die Herrschaft über die
See, wie es 1813 der Fall war, so verliert Weichselmfinde an
Bedeutung. Der Herzog von Würtemberg hat sich um dasselbe
nicht gekümmert, ihm kam es nur auf die Westerplatte und
Neufahrwasser an, um die Mündung der Weichsel in seine Hand
^) Der Verfasser des Apergn bestreitet, dass der Bau des Brückenkopfs
in Angriff genommen worden ist. y. Düring bestätigt jedoch die Angabe
d'Artois' S. 83.
*) Ausgabe von Fritz Honig, Berlin 1886 S. 24 nach einer Handschrift
des gössen Generalstabs,
488
zu bekommen, und als ihm das nicht gelang, haben ihm auch
diese Befestigangen wenig Sorge gemacht. Er hat sie nur be-
obachten lassen, und damit war Rapp die Gelegenheit entzogen,
sein militairisches Genie auch hier zu erproben. Als er anfing,
Mangel an Mannschaften zu leiden, war er nahe daran, Weichsel-
mttnde aufzugeben, und hatte bereits alles zu seiner Zerstörung
vorbereitet. Jedenfalls muss mit Danzig auch Weichselmiinde
fallen, wie es 1807 und 1813 der Fall war. 1734 fiel Weichsel-
m&nde zuerst und König Stanislaus gab Danzig auf und floh,
doch liegt darin kein Beweis, dass die Stadt sich nicht noch
weiter hätte halten können, sie hatte jedoch keine Veran-
lassung dazu.
Dem Verfasser der Geschichte von Weichselmünde schwebten
die Ereignisse von 1577 vor, wo die Nehrung vom Gegner
nicht besetzt und die Verbindung von Danzig mit Weichsel-
mftnde nicht behindert war.
Kehren wir nach diesen allgemeinen Betrachtungen zu
der Vertheidigung von Danzig zurück, so ei'wies sich die Be-
satzung der Vorstädte als ungemein vortheilhaf t , da sie eine
Menge Hilfsmittel boten und während des mehrmonatlichen
Waffenstillstandes fast die ganze Besatzung aufnahmen, die sich
dadurch von den Folgen der Epidemie erholen konnte. Sie ge-
währte ferner den Vortheil, innerhalb der besetzten Linien das
neue Getreide ernten, auch von den befestigten, entfernteren
Punkten Furagirungen und Ueberfälle ausführen zu können.
Auch schützten die erbauten Werke nachher die Stadt noch
längere Zeit vor dem Bombardement. Welcher Unterschied
gegen 1807, wo Kaikreuth die im Bau begriffene Judenschanze,
welche die Stadt unmittelbar bedrohte, aufgab, weil er die
Verluste fürchtete, die bei dem voraussichtlichen Kampf um die-
selbe erfolgen würden!
Der Verfasser des AperQU, weit davon entfernt, eine Aner-
kennung des Gegners auszusprechen, sucht die Vortheile, welche
dieser von der vorgeschobenen Stellung zog, abzuschwächen,
und wendet sich S. 406 namentlich gegen die von d'Artois her-
vorgehobene Thatsache, die auch anderweitig bestätigt wird,
dass von den entferntem, befestigten Punkten mit Leichtigkeit
JTura^irungen vorgetrieben worden seien. Er behauptet, ein
489
entfernter Punkt sei nur Langfuhr gewesen, die übrigen hätten
alle unter dem Kanonenschuss der Festung gelegen. Von Lang-
fulir aber sei nie eine Furagirung ausgegangen und an den
übrigen Punkten seien Versuche dieser Art zurückgeschlagen
worden. Er behauptet ferner, die Befestigung des Ziganken-
bergs sei ganz unnütz gewesen, und die darauf verwendete Ar-
beit hätte anderwärts vortheilhafter verwerthet werden können.
Namentlich hätte der Vertheidiger den grossen Fehler began-
gen, die Höhen der Schottenhäuser nicht mit einem grössern
Werk vei-sehen zu haben. Er habe nicht erkannt, dass von
dort aus die Speicherinsel, wo die Magazine untergebracht
waren, zu erreichen sei. Der Vertheidiger sei nur deshalb so
lange im Besitz der Punkte im Vorterrain gewesen, als das
Blockadekorps wegen seiner Schwäche unfähig war, ihn daraus
zu vertreiben. Sobald der Herzog es dagegen an der Zeit ge-
funden habe, sich in den Besitz eines jener Punkte zu setzen,
sei das auch erfolgt.
In allen diesen Punkten stehen sich die Ansichten schroff
gegenüber, aber vollkommen im Recht ist der Herzog, wenn er
den General Rapp und seine Ingenieure bespöttelt, dass sie die
bei Langfuhr und Neu-Schottland nach deren Eroberung ausge-
führten Arbeiten der Russen als eine in Ernst gemeinte Attacke
gegen die Olivaer Front angesehen und sich infolgedessen auf
bedeutende Arbeiten vor dieser Front ^) und auf dem Holm
eingelassen hätten. Auriol bemüht sich vergebens, die franzö-
sischen Ingenieure in dieser Beziehung in Schutz zu nehmen^),
indem er behauptet, die nach dem Waffenstillstände ausge-
führten Arbeiten hätten ebensowohl einen Angriff auf die
Olivaer Front, wie auf den Hagels- und Bischofsberg im Auge
*) Der Verfasser des Apercu scheint der Ansicht zu sein, dass das ganze
Retranchement Zigankenberg infolgedessen erbaut worden sei. Das ist jedoch
ein Irrthum. Der Zigankenberg und der Krähenberg sind schon vor dem
Waifenstillstande befestigt worden, und die 3 Lünetten zwischen beiden wur-
den den Ta^ nach Eröifnung der Feindseligkeiten begonnen, als Langfuhr
noch im Besitz des Belagerten war. Nur die Linie von Aller Engeln bis zur
Weichsel wurde infolge der Scheinattacke erbaut, wie auch die beiden
Batterien auf dem Holm.
2) Auriol S. 129, 146,
_ j*?9
gehabt. Sowohl d'Artois wie Campredon wissen davon nichts,
sondern geben nur locale Gründe für diese Arbeiten an und
sprechen, nachdem die russischen Arbeiten bei Langfuhr und
Neu-Schottland sich mehr entwickelt hatten, die üeberzeugung
aus, dass der Belagerer im Ernst den Angriff auf die Olivaer
Front beabsichtigt hätte*). Sie schrieben den plötzlichen
Wechsel, der nach Erstürmung der Schottenhäuser erfolgte,
dem Umstände zu, dass sie (die Russen) sich nach einem Monate
angestrengter Arbeiten überzeugt hätten, sich in eine Sackgasse
begeben zu haben, und nun die Sache wieder in die richtigen
Wege leiten wollten*). Dass diese Ansicht eine falsche ist,
geht einfach daraus hervor, dass die Absicht, den Bischofs-
berg anzugreifen, schon im Sommer feststand und die Vorbe-
reitungen dazu getroffen wurden, sobald die englischen Ge-
schütze eintrafen. Der Belagerte hätte schon an den Trans-
porten, die seit ende September von Koliebken nach Miggau etc.
gingen, und wie aus dem Tagebuch Campredon's hervorgeht,
von ihm bemerkt wurden, schliessen können, worum es sich
handelte. Aber selbst der Nachdruck, den die Alliirten beim
Sturm auf die Schottenhäuser entwickelten und der Bau der
Batterien daselbst hat die französischen Ingenieure nicht be-
lehrt. Sie hatten nur die Wirkung, dass die Reduten von
Friaul verstärkt und die 2. Kupüre erbaut wurde. Die Armi-
rung des Bischofsberges gegen den förmlichen Angriff unter-
blieb und wurde erst nach Eröffnung der 1. Parallele ausge-
führt. Die avanc6e Kirgener wurde erst in Angriff genommen,
als es zu spät war, und konnte nicht melir beendigt werden.
Der Verfasser des Apercu wendet sich sodann gegen die
Unvorsichtigkeit des Vertheidigers, sämmtliche Vorräthe auf
der Speicherinsel angehäuft zu haben, anstatt sie, wie es 1807
geschehen sei, in der Stadt zu vertheilen. Er sagt S. 399,
dass dieser Umstand allein die Veranlassung zum Bombardement
') Nnr der General Lepin sträubte sich dagegen, dass der Belagerer sich
entschliessen könnte, & entreprendre des cheminemens dans an terrain bas et
niar^cageux, oü il anrait k essuyer les fenx multiples d'ouvrages qui le
plongeaient, le debordaient meme, et le prenaient ä dos. (Rapport de Tar-
tillerie. Auriol S. 146.)
«) Auriol 3. 161,
491
gewesen sei. Solche Behauptungen sind nachträglicli leicht auf-
zustellen. Die Beschiessung der Altstadt von Kabrun pp. aus
beweist hinlänglich, dass das Bombardement, w^enn auch nicht
von der Höhe der Schottenhäuser, lange vorher geplant war,
bevor die Vorräthe nach der Speicherinsel geschaift wurden,
denn dies fand erst, zum Theil wenigstens, infolge der Be-
schiessung der Altstadt statt. Auch hat der Belagerer keinen
Anstand genommen, die Stadt zu beschiessen, so dass er den
Protest des englischen Militair-Bevollmächtigen hervorrief. Wenn
er so genau über den Ort, wo sich die Vorräthe befanden, unter-
richtet war, wie er angiebt, so wäre es nicht zu entschuldigen,
dass er den südlichen Theil der Speicherinsel, der das Privateigen-
thura der Kaufleute enthielt, in Brand geschossen hat, wie dies
am 20. Oktober geschah.
Im übrigen befanden sich die Vorräthe der Besatzung ausser-
halb der Schussweite der Batterien und des Belagerers, und nur
dadurch, dass sich infolge heftigen Windes das Feuer dahin
verbreitete, sind sie ein Kaub der Flammen geworden. Den
Vertheidiger trifft nur der Vorwurf, die Magazine nicht isolirt
zu haben.
Auch die Vorwürfe, welche der Verfasser des Apergu S. 412
dem Vertheidiger macht, sind nicht gerechtfertigt. Er greift
eine Bemerkung d'Artois' (S. 493) auf, wonach der Vertheidiger,
nachdem der Belagerer sich in der 1. Parallele vollständig
etablirt hat und seine Batterien das üebcrgewicht über die des
Belagerten erlangt haben, sich darauf zu beschränken habe, den
Naheangriff durch kleine Ausfälle zu bekämpfen, um die Arbeiten
des Angreifers zu zerstören, und sucht zu beweisen, dass Rapp
nicht entfernt nach diesem Grundsatz, den auch er als richtig
anerkenne, gehandelt habe. Dagegen ist zunächst zu bemerken,
dass der Herzog dem Vertheidiger gar nicht Gelegenheit geboten
hat, den Grundsatz zur Anwendung zu bringen, weil er noch
am Tage der Kapitulation über 600 Schritt vom Bischofsberg
entfernt war, jene kleinen Ausfälle aber erst in nächster Nähe
höchstens bis zur 3. Parallele (etwa 150 Schritt) stattfinden
dürfen, wenn sie überhaupt von Erfolg sein sollen. Statt dessen
wirft er Rapp vor, den Bau der 1. Parallele und die Armirung
derselben nicht durcfe Ausfälle gestört zu haben. „Haben die
492
Vertheidiger", ruft er aus, „auch nur eine einzige Faschine
ausgerissen oder ein^n einzigen Schanzkorb in den zahlreichen
Werken, welche die Russen um Danzig herum erbaut haben,
umgeworfen?" Man begreift es min. warum der Verfasser des
AperQU die Zerstörung der von den Russen nach Erobening der
avanceen Friaul und Kirgener erbauten Kommunikationen nach
rückwärts und das in derselben Nacht vom 1. zum 2. November
aufgeworfene Rctranchement für 150 Mann (S. 297) verschweigt.
Den General, der letzteres leitete und dabei scliwer verwundet
wurde, lässt er statt dessen den Angriff auf avancee Kirgener
ausführen. Den Ausfall des Generals Husson am Morgen des
3. gegen den Bau der 1. Parallele leugnet er, obgleich er in
allen Berichten und auch in dem Tagebuch der Division Hen-
delet S. 138 erwähnt wird. Letzteres giebt auch den Verlust an.
Gegen die Armirung der 1. Parallele^ ist allerdings kein Aus-
fall gemacht worden, obgleich das Geräusch davon in der Stadl
vernommen wurde, aber zu dieser Zeit (Nacht vom 16. zum 17.
November) war der Geist der nicht französischen Truppentheile
schon zu bedenklich unruhig, um an solche Unternehmungen
denken zu können.
2. Der Angriff.
Auf die unfähige Leitung des Generals Löwis ist bereits
oben hingewiesen worden. Wenn die Schwäche des Blockade-
korps auch manches entschuldigt, so sind die Fehler, die er be-
ging, doch zu auffallend. Dass die Nehrung bei Neufehr, wo
sie sich am engsten zusammenzieht, nicht befestigt, der Oberst
Rosen selbst nicht mit Artillerie versehen wurde, während zwei
schwere Batterien nach dem grossen Werder zurückgeschickt
wurden, damit sie sich daselbst verpflegten, dass auch in den
Stellungen vor Danzig die Hilfsmittel der Befestigung nicht
herangezogen und die in den Dörfern um Danzig vorhandenen
Vorräthe an Lebensmitteln und Furage nicht zurückgeschickt
wurden, dass forner der General Löwis das Hauptquartier nach
Koliebken verlegte und die Verhältnisse vor Danzig ihrem
Schlendrian überliess, was denn auch dazu führte, dass der
Ausfall vom 24. März nach St. Albrecht gelingen konnte, ohne
dass irgend etwas geschah, die Verbindung des Gegners mit
493
Danzig aufzuheben, alles das sind Fehler, dio nicht zu ent-
schuldigen sind. Mit der Uebernahme des Kommandos durch
den Herzog tritt ein belebendes Element ein, das sich nach
allen Richtungen hin Geltung verschafft. Man darf den Her-
zog nicht nacli seinem Buch beurtheilen. Sein ehrgeiziger, leicht
gereizter Charakter hat ihn darin zu Urtheilen hingerissen, die
nicht immer das richtige Mass halten. Von seinen Massregeln,
auf die ich in obiger Darstellung (S. 288) verweise, erwies sich
vornehmlich die Harzelierung des Gegners durch tägliche kleine
Detachements so wirksam, dass sie den Gegner zur Verzweiflung
brachten und Rapp zu dem Ausfall vom 9. Juni veranlassten,
der ihm schwere Verluste beibrachte. In dem daraus entsprin-
genden Gefecht hatte der Herzog Gelegenheit, seine hohe Be-
gabung als Feldherr zu zeigen. Auch seine Charaktereigen-
schaften, die zähe Natur, mit der er alle Schwierigkeiten über-
wand und die Widersetzlichkeit, die in der Armee gegen eine
förmliche Belagerung herrschte, in ihre Grenzen zurückwies,
haben wesentlich zu seinem schliesslichen Erfolg geführt. Aber
einen tiefern Einblick in das Wesen der Artillerie und des
Festungskrieges muss ihm abgesprochen werden. Die damalige
Artillerie, wie er es thut, auf 3000 Schritt und mehr zu ver-
wenden, war Munitionsverschwendung. Er hat die Batterien
Schellmühl und Kabrun trotz ihrer grossen Entfernung von der
Stadt, bis zuletzt in Thätigkeit erhalten und von den Höhen
von Pitzkendorf und dem grossen Belvedere den Zigankenberg
bekämpfen wollen; er hat selbst 2 — 24 Pfänder nach Brösen
gesendet, um von hier aus den General Rapp in seiner Wohnung
zu beunruhigen; er hat die Steinschleuse in der Nacht be-
schiessen lassen, obgleich er bei dem kleinen Ziel und der
weiten Entfernung selbst am Tage auf keinen Erfolg rechnen
konnte. Er rühmt sich des Angriffs auf die Schottenhäuser und
der von hier aus erkämpften Erfolge, indem er es so darstellt,
als ob die Festsetzung daselbst das Bombardement bezweckt
habe, während ihm die Idee des Bombardements erst gekommen
ist, als die Batterien das Feuer gegen die Jesuiterschanze, wo-
zu sie bestimmt waren, eröffnen wollten. Dass das Bombar-
dement Erfolg hatte, war nicht sein Verdienst. Es lag ausser-
halb aller Berechnung, dass die Speicher im nördlichen Theil
494
der lüsel, welche die Lebensmittel enthielten, von diesseitigen
Geschossen erreicht werden konnten. Trotzdem glaubte er, sie
durch Wurffeuer erreichen zu können, und musste sich erst vom
Major Liebe belehren lassen, dass glühende Kugeln aus Kanonen
vorzuziehen seien. Das Bombardement hat ihn dann von den be-
absichtigten Angriffen auf den Zigankenberg und die Jesaiter-
schanze abgezogen, die dem Angriff auf den Bischofsberg voraus-
gehen mussten. Sein Angriff auf die Schanzen des Zigankenbergs,
ausschliesslich durch Artillerie, ist gänzlich verunglückt. Er
hatte die günstigste Zeit dazu während des Scheinangriffs gegen
die Olivaer Front vorüber gehen lassen und war seit Etablirung
an den Schottenhäusern ausserstande , mit der Sappe gegen
jene Schanzen vorgehen zu können. Der Verfasser des Apercu
ist femer der Ansicht, das Feuer der Artillerie habe den Bi-
schofsberg völlig unhaltbar gemacht, so dass Rapp infolgedessen
auf die Kapitulation eingegangen sei. Der Vertheidiger hat
jedoch, wie der Major Liebe bezeugt, das Feuer in der Nacht
bis zuletzt fortgesetzt, und der Zustand der Werke des Bischofs-
berges hat gar keinen Einfluss auf Rapp ausgeübt. Wie sehr
sich der Herzog hierin täuschte, geht aus dem Bericht PuUet's
an den König vom 23. November hervor. Er sagt darin: „Im
Allgemeinen wird der Feind nunmehr auf dem Bischofsberge
nicht nur in ein kreuzendes Feuer gesetzt, sondern es dürfte
sich leichtlich ergeben statt über den Stolzenberger Grund zur
3. Parallele zu gehen, man mittelst der abgelassenen Radaune
mit Vortheil gegen das Petershagener Thor ungleich leichter als
gegen den Bischofsberg selbst wird vorschreiten können. Es
kommt hierbei bloss darauf an, dass das Feuer unsers rechten
Flügels sich so wirksam zeigt, als das des linken" (Kr.-Archiv
F. 19). Pullet sah in den bisherigen Erfolgen nur eine Staffel
vorwärts, von der aus der eigentliche Angriff erst erfolgen
sollte.
Nicht minder unklar oder, wie es scheint, abhängig von
seiner Umgebung, zeigte sich der Herzog inbezug auf die Lü-
netten Friaul. Seine technischen Rathgeber, Pullet und Schul-
mann, drangen darauf, sich ihrer gewaltsam zu bemächtigen,
gleichzeitig mit dem Angriff auf die Schottenhäuser. Der Her-
zog war auch anfänglich dafür gewonnen worden, aber andere
495
Einflüsse ^) brachten ihn wieder davon zurück, so dass der Ver-
theidiger Zeit gewann, die Werke zu verstärken und durch An-
lage neuer (avauc6e Frioul und 2. Kupüre) zu vermehren. Der
Herzog suchte sich nunmehr der Werke durch die Sappe zu
bemächtigten, aber die hierbei angestellten Leiter (Pullet war
nicht darunter) kamen nicht damit zustande. Da die Zeit drängte,
den Angriff gegen den Bischofsberg zu beginnen, indem das
Material dazu seit dem 25. Oktober bereit stand, der Besitz
der Werke auf der Jesuiterhöhe vor Eröffnung der 1. Parallele
aber durchaus nothwendig erschien, gab der Herzog nach, dass
gleichzeitig mit der Festsetzung auf dem Plateau Stolzenberg
ein Angi'iff auf die avancee Friaul und auf die avanc6e Kirgener
gemacht werden sollte^). Die Nacht vom 1. zum 2. November
wurde dazu ausersehen. Obgleich die Angriffe auf die beiden
avanc6es gelangen, mussten sie wieder aufgegeben werden, und
auch die Festsetzung auf dem Plateau Stolzenberg scheiterte.
Durch einen wunderbaren Zufall war in derselben Nacht die
Speicherinsel infolge des Bombardements in Flammen aufge-
gangen, und die daselbst aufgestapelten Vorräthe au Lebens-
mitteln pp. waren verbrannt. Die Wirkung dieser Verluste auf
die Besatzung und deren Führer war geradezu lähmend. Die
avanc6e Kirgener und das Plateau Stolzenberg wurden in der
folgenden Nacht ohne hartnäckigen Widerstand zu finden, von den
Russen besetzt, und es war ein grosser Fehler vom Herzog, dass er
in dieser Nacht nicht auch die avanc6e Frioul angreifen Hess, die
^) Wie es der Schriftwechsel zwischen dem Grafen Dohua nnd dem
Msgor v. Hake (Anhang I) heweist, ist es der Major v. Hake auf Veranlassung
Dohna's gewesen, welcher den Herzog vom Angriff der Jesuiterschanze am
10. Oktoher hat abstehen lassen.
>) Der Herzog bestreitet das und behauptet (Apercu S. 294) der Sturm
sei gegen seinen ausdrücklichen Befehl erfolgt, doch wird dem in dem Bericht
des Grafen Dobna vom 2. November an den König, in dem russischen Be-
richt der skizzirteu Geschichte und in den Briefen des preussischen Land-
wehrofficiers in der Allgem. Militair-Zeitung widersprochen. Bei dem Miss-
trauen, welches die Angaben des Apercu erwecken, muss man sich auf ihre
Seite stellen. Der Herzog hatte Grund, den Befehl zu leugnen, damit er
geltend machen konnte, er habe die baldige Bänmung dieser Werke voraus-
gesehen.
496
unzweifelhaft gefallen wäre *). Die erste Parallele konnte in
der Nacht vom 3. zum 4. November, soweit sie zu Batterie-
anlagen geeignet war, beendet werden.
Nachdem aber am 17. das Feuer der Batterien der 1. Pa-
rallele eröffnet war und am 22. die Lünetten Friaul besetzt
wurden, stockte der Sappenangriff von neuem. Der Herzog
glaubte, alles mit einem Artillerieangriff machen zu können. Es
ist gar nicht abzusehen, wohin das schliesslich geführt hätte,
da die bald darauf eintretende Kälte ein Sappiren unmöglich
gemacht hatte, wenn nicht der Abfall der Truppen nicht fran-
zösischer Nationalität den General Rapp gezwungen hätte, den
immer dringender werdenden Aufforderungen des Herzogs nach-
zugeben und eine Kapitulation abzuschliessen. Dass dies der
alleinige Grund zum Abschlüsse derselben war, ergiebt sich
ausser den Aussagen Rapp's in dem desfalls abgehaltenen Kriegs-
rath daraus, dass Lebensmittel noch bis zum 1. Januar vor-
handen waren und bis dahin sich noch Chancen, wie z. ß. ein-
tretende Kälte, ergeben konnten, die Belagerung aufzuheben.
Jedenfalls hat die Demolirung der Werke des Bischofsberges
durch die russische Artillerie, wie das Apercu glauben machen
will, keinen Einfluss auf den Entschluss des Generals Rapp and
des Kriegsraths ausgeübt*).
3. Bemerkungen zum Apergn des Operations des tronpes alliies
devant Danzig en 1813.
Das AperQu des Herzogs von Würtemberg giebt noch zur Auf-
werfung anderer Fragen Veranlassung, zunächst zu der, welche
^) Die Zagheit, die der Herzog hier bewies, hat die AngrifFsarbeiten
auf nahezu 3 Wochen verzögert, denn das Vorschreiten der Sappen war ganz
vom Besitz der Werke auf der Jesuiter-Hühe abhängig, da in der Front der
1. Parallele wegen des Feuers vom Zigaukenberge mit der Sappe nicht vor-
gegangen werden konnte. Pullet unternahm es schliesslich, persönlich die
Lünetten Friaul mit der Sappe zu umgehen, und führte das in 3 Tagen (19.,
20. und 21. November) aus, so dass der Vertheidiger die Werke der Jesuiter-
höhe am 22. freiwillig räumte.
•) Der Verfasser des Apercu behauptet (S. 352, 398) , dass die Artillerie
des Bischofsberges völlig zum Schweigen gebracht worden und die Demolirung
der Werke desselben vollständig gewesen sei. Dem widersprechen jedoch
d'Artois wie Campredon und die preussischen Berichte. Die Zeugnisse, welche
49?
auch bei Eintheilung des Stoffs zur Darstellung der Belagerung
zur Sprache kommt: wo endigt die Blockade, wo beginnt die
Belagerung von Danzig im Jahre 1813?
D'Artois geht S. 454 ziemlich cavalierement darüber hin-
weg, indem er sagt, die Blockade habe 8 Monate, die Belagerung
4 Monate gedauert. Er rechnet also die 2V2 monatliche Zeit
des Waffenstillstandes zur Blockade und den Monat December,
der in voller Ruhe verlief, zur Belagerung. Der Beginn der
letzera würde demnach der Monat September sein. Der Ver-
fasser des AperQu weist diese Rechnung mit Entrüstung zurück.
Er sieht den Tag der Eröffnung der 1. Parallele gegen den
Bischofsberg, den er am 3. November annimmt, als Beginn der
Belagerung au, so dass diese bis zur Kapitulation am 29. No-
vember 26 Tage gedauert hat. Auf die Blockade fallen dem-
nach 6 Monate 29 Tage (vom 22. Januar bis 3. November nach
Abrechnung des Waffenstillstandes). Aber auch diese Rechnung
ist nicht zutreffend. Der Scheinangriff gegen die Olivaer Front
gehört offenbar mit zur Belagerung und doch wohl auch die
Zeit der Vorbereitungen dazu, die mit dem Wiederbeginn der
Feindseligkeiten am 24. August ihren Anfang nehmen. Denn
dass die Blockade während dieser Zeit unterhalten werden
musste, theilt sie mit der Periode offener Tranchee. Ausser-
dem irrt der Verfasser des Apergu darin, dass er die Eröffnung
der 1. Parallele gegen den Bischofsberg auf den 3. November
setzt, während sie am 2. stattfand, wie sie auch die Franzosen
und an einer Stelle selbst der Herzog annehmen.
das apenjn dagegen S. 370, 372, B73 anführt, sind ohne Belang. Den Ver-
fasser der defense de Danzig 1813, Herrn v. M***, führt das Apercu dabei
als zur Besatzung gehörig auf, was nicht der Fall ist. Die Behauptung des
AperQu (S. 374 und 415), dass die fremdländischen Truppen der Besatzung
bis auf den letzten Tag im Dienst verwendet worden sind, so dass er die
Stärke der Besatzung am Tage der Kapitulation noch auf 17043 Mann an-
giebt, ist bei den mehrfachen Zeugnissen, die dagegen sprechen, ganz uner-
klärlich. Nach Campredon S. 203 war die Besatzung am 9. November noch
12900 Kombattanten, 4097 Kranke und 600 Beamte stark, wovon 8000 Fran-
zosen. Die Angabe d'Artois' (S. 454), dass sie 19392 Mann verloren habe
und nach dem Abfall der fremdländischen Truppen nur noch 6000 bis 7000
Kombattanten stark gewesen sei, ist daher durchaus wahrscheinlich.
Köhler, Oescüichte der Festungen Danzig and Weichselmünde. IL 32
498
Ein anderer Punkt betrifft die Frage, ob der Waffenstill-
stand dem Belagerer oder dem Belagerten nachtheilig gewesen
sei? Der Verfasser des Apercu behauptet S. 418 das ei-stere
mit grosser Entschiedenheit, indem er geltend macht, dass die
Besatzung während des WaffenstiUstandes mit Lebensmitteln
versehen worden ist, also ihre Vorräthe nicht hat angreifen
brauchen. Er berücksichtigt dabei nicht, dass die Besatzung
während der 2Vs Monate an Zahl nicht unbedeutend abgenommen
hat, da die Epidemie noch keineswegs erloschen war, und dass
sie auch ihre Vorräthe hat angreifen müssen, da, wie der Ver-
fasser des Apercu S. 140 selbst zugiebt, die Lieferungen nicht
vollständig gemacht werden konnten. Wenn der Verfasser noch^
ferner geltend macht, dass der Waffenstillstand dem Belagerer
die kostbarste Zeit genommen habe, die er infolge seiner ge-
wonnenen Ucberlegenheit hätte benutzen können, den Belagerten
aus den Vorstädten zu vertreiben, so will das bei der That-
sache, dass der Belagerungstrain erst im September eintraf und
die Ausschiffung der Geschütze bis zum 29. dieses Monats
dauerte, die Bereitstellung bis zur Belagerung des Bischofs-
berges aber erst am 25. Oktober beendet war, nichts bedeuten,
da die Belagerung doch nicht früher, wie geschehen, hätte be-
ginnen können. Der Waffenstillstand war daher dem Belagerten
unbedingt nachtheilig, während man das beim Belagerer nicht
sagen kann, um so weniger, als die unglücklichen Einwohner
Danzigs keine Zufuhren erhielten und einem traurigen Schick-
sal entgegengingen. Dass dies nicht ohne Nachtheil für die
Besatzung war, geht einfach daraus hervor, dass Rapp die-
jenigen, welche ihren Unterhalt nicht nachweisen konnten,
aus Danzig vertrieb, der Herzog sie aber nicht passiren Hess,
in ihnen also eine Last für die Besatzung erblickte.
Bis zu welchem Grade die Missgunst des Herzogs gegen
Rapp ging, zeigt seine Behauptung im Apergu S. 421, dass
Danzig 1813 von allen wichtigen Plätzen der erste gewesen
sei, welcher trotz seiner zahlreichen Besatzung kapitulirt habe.
Nun ist bekanntlich Thorn, Spandau, Stettin, Dresden, Erfurt
vor Danzig gefallen, Magdeburg und Hamburg waren noch gar
nicht eingeschlossen, und was es mit der zahlreichen Besatzung
für eine Bewandniss hat, die für die ausgedehnten Werke nie
499
ausreichend war, haben wir gesehen. Welcher Grad der 6e-
reitztheit liegt daher nicht in der Behauptung!
Auf das grosse Interesse, das die taktischen Vorfälle vor
Danzig darbieten, habe ich schon oben hingewiesen. Der Ver-
fasser des AperQu macht S. 28 dem General Rapp den Vor-
wurf, dass er von dem grossen Vortheil, den er vor dem
Waffenstillstand gegenüber dem schwachen Blockadekorps hatte,
nicht verstanden habe, Nutzen zu ziehen. Er geht hierbei von
der Voraussetzung aus, dass er doppelt so stark gewesen sei
und lauter Elitetruppen gehabt habe. Beides habe ich bereits
oben als Irrthura nachgewiesen. Der Verfasser ist aber auch
(S. 71) der Ansicht, dass der Vertheidiger selbst bei geringerer
Stärke gegen das Blockadekorps im Vortheil sei, weil er in
Masse auf einen schwachen Punkt des Gegners fallen kann,
der durch die Nothwendigkeit ein ausgedehntes Terrain beob-
achten zu müssen, zerstreut und durch tausend Hindemisse in
sich getrennt sei, so dass ein einzelnes Detachement vernichtet
werden kann, bevor ihm Verstärkungen zugekommen sind. Der
Verfasser des Apercu hat hier die Nehrung im Auge, die aller-
dings sehr ausgesetzt war, deren Besatzung bei dem Ueberfall,
den sie erlitt, aber auch nichts gethan hatte, um sich dagegen
zu schützen. Nachdem sie sich gegen Ueberfällo gesichert
hatte, ist vom Vertheidiger kein derartiger Versuch mehr
gemacht worden. Er wusste zu gut, dass bei einem starken
Ausfall dahin seine Stellungen im Vorterrain von Danzig im
höchsten Grade gefährdet waren.
Der Verfasser des Apergu glaubt einen Irrthum berichtigen
zu müssen, worin nach seiner Ansicht Viele befangen wären,
dass nämlich das Blockadekorps im Vortheile sei. Er geht
selbst so weit, zu behaupten, dass, wenn der Vertheidiger gleich
stark oder stärker ist, als das Blockadekorps, dem Kommandeur
desselben nichts übrig bleibt, als sein Korps an einem vor-
theilhaften Punkt zu koncentriren und die Beobachtung des
Platzes einer schwachen Vorpostenlinie zu tiberweisen, die
zahlreiche Patruillen auszusenden hat. Kleine Detachements
seien ausserdem täglich gegen den Feind auszuschicken, um
ihn zu beunruhigen und die Besatzung des Platzes fortwährend
im Alarmzustand zu halten.
500
Der Verfasser des Apercu schlägt somit dasselbe System
vor, das Kaiser Friedrich II im Jahre 1247 vor Parma*) und
schon vorher die Kreuzfahrer vor Antiochien 1098*) beob-
achteten, wovon indessen die neuere Kriegsgeschichte kein
Beispiel aufzuweisen hat*). Er beruft sich S. 391 auf die
„Grundsätze der Strategie" (III 165) des Erzherzogs Karl,
wonach das Blockadekorps unter Umständen um das sechsfache
stärker sein muss, als der Belagerte, während die Kriegs-
geschichte lehrt und seine eigene Erfahrung vor Danzig es
bestätigt, dass eine schwächere Armee imstande ist, eine
stärkere einzuschliessen, [schon deshalb, weil der Vertheidiger
immer nur einen Theil seiner Kräfte zum Ausfall verwenden
kann. Nur muss sich der Blockirende dem Kanonenfeuer der
Wälle zu entziehen verstehen. Je weiter das Blockadekorps
von den Wällen absteht, desto günstiger wird seine Lage, da
es bei seiner koncentrischen Stellung seine Flankenangriffe
gegen den excentrisch vorgehenden Gegner, ohne vom Feuer
belästigt zu werden, ausführen kann und alle Aussicht hat, ihn
von der Festung abzuschneiden. Es genügt daher für das
Blockadekorps nicht, sich ausserhalb der Schussweite von den
Wällen aufzustellen, es muss, um sich der vortheilhaftesten Ge-
fechtsführung, der Defensiv-Offensive, zu bedienen, noch darüber
hinaus stehen. Dem Belagerten ist dagegen die Defensiv- Offensive
versagt, wenn er nicht im Terrain eine Flügelanlehnung findet, wie
dies vor Danzig der Fall war, wo sich seine Aufstellung ausserhalb
der Festung links an die Inundation und rechts an die Weichsel
anschloss. Er ist dadurch imstande, auf den Flügeln offensiv
vorzugehn und in der Mitte sich defensiv zu verhalten. Grössere
Resultate können immerhin daraus nicht hervorgehen, weil
seine Offensive auf den Flügeln nicht über einen gewissen
^) Köhler, Entwickelang des Kriegswesens and der Kriegführang in
der Bitterzeit I, 382.
«) Ebenda HI, 3, 150.
') Annähernd kann jedoch das Verhalten des Generals Ton Lascy 1734
vor Danzig den Ansichten des Herzogs von Würtemberg entsprechend ge-
deutet werden, der seine kleine Armee darch Verschanzungen bei Praust nnd
St. Albrecht sicherte und die Einschliessung von Danzig durch Kosacken voll-
ziehen Hess.
501
Punkt hinausgeben darf und er unter allen Umständen au die
Festung gebunden ist. Dieser Nacbtbeil wird dadurcb so er-
heblich, dass er selbst nach einem siegreichen Gefecht bei ein-
tretender Nacht gezwungen ist, seine Vortheile aufzugeben und
zurückzugehen.
Betrachten wir nach diesen Gesichtspimkten die grössern
Gefechte vor Danzig am 5. und 24. März, am 9. Juni und
29. August.
Am 5. März fand der Angriff zwar vonseiten des Blockade-
korps statt, aber der Vertheidiger ging zur Offensive über, die
damit zu einem Ausfall wurde. Der General Löwis hatte mit
Ausgabe der Disposition seine Einwirkung auf das Gefecht ans
der Hand gegeben und liess seine Truppen gewähren, ohne von
seiner koncentrischen Stellung, die zum Theil auch verloren
gegangen war, Vortheile zu ziehen. Er bildete nicht einmal
eine Reserve. Rapp begnügte sich zunächst, den Gegner durch
fortwährende kleine Offensivstösse hinzuhalten, bis er es an
der Zeit fand, mit der Reserve, die er dem General Bachelu
anvertraut hatte, einzugreifen. Dieser versicherte sich zunächst
des Zigankenberges , um einen Stützpunkt für seine rechte
Flanke gegen Pitzkendorf hin zu haben, und liess dann den in
der Front befindlichen Gegner von dorther über Schidlitz und
Stolzenberg bis Ohra hin aufrollen, wo er noch Gelegenheit
fand, den aus Schottland und Stadtgebiet vertriebenen Gegner
abzufangen und ihm bedeutende Verluste beizubringen. Rapp
nennt diesen Tag mit Recht einen der schönsten der ganzen Be-
lagerung ^).
Das Gefecht bewegte sich, nachdem der Tag angebrochen
war, zum grossen Vortheil des Vertheidigers, innerhalb der
Schussweite der Festung. Von beiden Seiten umfasst, konnte
der Vertheidiger sich indessen nicht der Defensiv-Offensive
bedienen, sondern setzte seine Kräfte successive ein, bis er den
Feind so weit mürbe gemacht hatte, dass er seine Reserve ein-
setzen konnte. Das erfolgte in höchst genialer VS'eise. Er
wurde hierbei wesentlich dadurch begünstigt, dass der Gegner
es verabsäumt hatte, sich eine Reserve zu bilden.
^) H6inoire8 S. 223.
502
Wie in diesem Gefecht, trag auch in dem vom 24. März
die kopflose Führung rnssischerseits die Schuld an dem an-
günstigen Ausgange. Der Angriffspunkt wurde auf französi-
scher Seite durch den Zweck des Ausfalls, den Danziger Werder
abzufuragiren, bestimmt.
Die Stellung des Blockadekorps wurde an der empfind-
lichsten Stelle durchbrochen, aber der Ausfall stiess, indem er
seine Flankenanlehnung an der Inundation beim weitern Vor-
gehn verlor, auf neue Kräfte, die umfassend auf ihn einwirkten,
so dass er ohne andern Erfolg, als die Beute einer massigen
Anzahl Rindviehes, in die Festung zurückkehren musste. Ein
Versuch rnssischerseits, auf die Verbindung der ausfallenden
Truppen mit der Festung zu wirken, war unterblieben.
Der Ausfall vom 9. Juni gab dem Herzoge von Würtem-
berg, der seit dem 1. Mai das Kommando übernommen hatte,
Gelegenheit, das Vertrauen seiner Trappe zu erwerben. Das
Gefecht, das sich daraus entspann, ist geeignet, die schwebende
Frage, ob der Belagerte oder der Belagerer bei gi'össeren Aus-
fällen im Vortheil sei, zugunsten des letzteren zu lösen. Der
Ausfall geschah unter den günstigsten Verhältnissen. Die aus-
fallende Trappe konnte sich verdeckt ausserhalb der Werke
sammeln und in völliger Entwickelung auf den Gegner fallen,
der vollkommen überrascht wurde. Dennoch war das Resultat
ein für den Belagerten ungünstiges. Die Schuld lag zum Theil
in der mangelhaften Anordnung. Die Absicht, das junge Ge-
treide zu hauen und nach der Stadt abzuführen, gab dem Gefecht
von vornherein einen defensiven Charakter, indem die Truppe
mehr zur Deckung des Vorhabens diente, als ihre Aufgabe
darin suchte, dem Gegner durch eine entschiedene Offensive
empfindliche Verluste beizubringen, wie es Rapp beabsichtigte,
um sich von den seit Ende Mai unausgesetzten Alarmirangen
ein für alle Mal zu befreien 0. Er hatte daher den General
^) Diese beiden Absichten des AnsfaHs spricht d'Artois S. 148 ausdrück-
lich ans, und Rapp bestätigt sie in seinen Memoiren. Trotzdem behauptet
der Verfasser des Apergu S. 61, dass der AusfaU ganz nnmotiyirt war und
legt ihm andere Beweggründe unter, um diese wieder zu bestreiten. Die
Absicht dabei ist nicht zu verkennen.
503
Heudelct, welcher den linken Flügel komniandirte, dui'cli die
Reserve (33. Division) und die sehr zahlreiche Artillerie ver*
stärkt, ihm auch die Reiterei zagetheilt. Heudelet glaubte
jedoch, dass es darauf ankäme, den Gegner auf sich zu ziehen,
anstatt den General Husson so zu verstärken, dass er den
rechten Flügel des Blockadekorps überwältigen konnte, um
dann dieses aufzurollen. Der Herzog hütete sich jedoch, sich
in den Schussbereich der Wälle zu begeben, und verhielt sich
bei Wonneberg, wohin er seine Reserve vornahm, defensiv, zog
auch den rechten Flügel unter General Tschernisch nach Schönfeld
heran, benutzte dagegen seinen linken Flügel, der dem Feuer
der Wälle nicht ausgesetzt war, um den General Grandjean,
der sich vom Zigankenberg bis Langfuhr ausdehnte, und dem
die strengste Defensive anbefohlen war, anzugreifen. Obgleich
sich Rapp mit 4 Geschützen selbst dahin begab, gelang es ihm
nicht, Erfolge zu erreichen. Der Abend kam heran und zwang
den Belagerten, den Rückzug anzutreten, der nach den russi-
schen Berichten in Unordnung erfolgte. Seine Verluste waren
grösser als die des Gegners.
Gleich überzeugend von dem Vortheil, den das Blockade-
korps über den Vertheidiger hat, wenn er sich zu einem grossen
Ausfall verleiten lässt, ist das Gefecht vom 29. August. Der
Herzog von Würtemberg fühlte sich nach der Wiedereröfl&iung
der Feindseligkeiten stark genug, seine Eontravallation auf
dem linken Flügel bis zur Weichsel zu verlängern, was jedoch
ohne Gewaltmassregeln nicht zu erreichen war, da der Gegner
aus Langfuhr, Neu-Schottland und Schellmühl vertrieben werden
musste. Er ging dabei mit äusserster Vorsicht zuwerke und
suchte seit dem 24. August den Gegner durch Scheinangriffe
auf Schidlitz, Stolzenberg und Ohra zu täuschen. Auch am
29. August hatte er nur die Absicht, sich zunächt in den
Besitz der Höhen zu setzen, die Langfuhr beherrschten. Der
General Rapp, der nichts anders denken konnte, als dass es
sich um Langfuhr handele, hatte die Besatzung von Danzig
alarmirt und führte den grossem Theil derselben auf die
Höhen des Zigankenberges. Er ging dann gegen Mittag zum
Angriff auf Pitzkendorf und den Johannisberg vor. Das Gefecht
dauerte bis gegen Abend. Bei der grössern Gewandtheit der
504
Franzosen verlief es auch im allgemeinen g&nstig für die-
selben, bis eine Abtheilang des Blockadekorps in der Starke
von 3 preussischen Bataillonen, 4 Eskadrons nnd 4 Geschützen
von Wonneberg ans Über Tempelburg in die linke Flanke des
Feindes vorging nnd ihn zum RUckznge zwang. Die Pointe
liegt anch hier in der günstigen Stellung des Blockadekorps,
die eine Umfassung des Gegners gestattete. Inwiefern die Di-
vision Heudelet imstande gewesen wäre, den Vorstoss aus Wonne-
berg zu verhindern, wie es in ihrer Aufgabe gelegen hätte,
muss dahin gestellt werden. Die Division scheint vollständig
durch einen Angriff des Generals Tschernisch auf Ohra in An-
spruch genommen worden zu sein. Die in Schidlitz aufgestellten
Truppen dieser Division waren zu schwach, die Umgehung zu
hindern.
1. SohlnsBbetraohtting.
Die strategische Bedeutung einer Festung ist ein sehr
relativer Begriff. Man ist wohl imstande, die strategischen Vor-
und Nachtheile einer Festung im allgemeinen aufzuführen, so-
wie man damit aber an eine bestimmte Kriegslage herantritt,
ergeben sich so viele „wenn und aber^, dass mit den aufge-
stellten allgemeinen Gesichtspunkten nichts anzufangen ist.
Danzig ist bei seinen reichen Hilfsmitteln als Depotplatz
von grosser Bedeutung und hat sich als solcher bewährt; es
liegt an der Mündung eines grossen Stromes und beherrscht da-
mit die Handelsverhältnisse des ganzen Stromgebietes, verbindet
die Vortheile der Lage an der Strombarriere mit den maritimen
Yortheilen eines Hafens, kann dabei von der See ans nicht
bombardirt werden. Es bildet den Sperrpunkt einer Eisenbahn
und hat eine durch die Natur ausserordentlich begünstigte Lage.
Aber diese Vortheile können aufgewogen werden durch einen
überlegenen und geschickten Gegner, der die Terrainverhältuisse
zu benutzen versteht, durch die Jahreszeit, welche den Strom
und die Gräben mit Eis bedeckt, durch eintretenden Mangel
verschiedenster Art, durch eine schlecht disciplinirte Besatzung
und durch tausend Zufälligkeiten. Nur der konkrete Fall kann
über die strategische Bedeutung der Festung entscheiden. Ist
Danzig nicht durch eine Flotte geschützt, so sinkt sein Werth
nm ein bedeutendes herab, besitzt es keine starke Besatzung,
505
so kann es die grossen Vortheile, welche ihm die Weichsel, die
Inundation und Weichselmimde pp. gewähren, nicht ausnutzen,
die Verbindung mit letzteren und die SchiflFfahrt auf der Weichsel
nicht aufrecht erhalten, und muss dem Feinde von vornherein
grosse Vortheile einräumen. Eine grosse Besatzung schwächt
aber wiederum die Feldarmee. Ist die Besatzung zu gering,
und gelingt es nicht, den Platz zu entsetzen, so dass sich der
Gegner in den Besitz desselben setzt, so ist der Verlust un-
übersehbar.
Der Fall von Danzig 1807 brachte Napoleon unberechenbare
Vortheile, nicht bloss fiir die augenblickliche Kriegslage, sondern
namentlich für den Feldzug von 1812, wo es sein Hauptdepot-
platz war und den Schutz seiner Verbindungen gegen England
übernahm.
Wie gross wären erst die Vortheile gewesen, wenn bei
dem Rückzuge aus Russland nicht der Winter den Weichsel-
strom mit Eis bedeckt hätte! Napoleon hätte statt der Elbe
die Weichsel halten und seine Neuformationen dahin führen
können. Eine Koalition der Mächte wäre unmöglich geworden,
und das isolirte Russland wäre gern auf den Frieden einge-
gangen, wenn es Napoleon gefallen hätte, ihn diesen zu ge-
währen.
Danzig muss in einem Defensivkriege mit Russland den
Pivotpunkt abgeben und muss, wenn es in Gefahr kommt, zeit-
gerecht eine starke Besatzung erhalten: Die deutsche Flotte
aber muss das Uebergewicht in der Ostsee behaupten können,
was auch ganz abgesehen von Danzig in jeder Beziehung ge-
boten ist.
Es lassen sich Verhältnisse denken, wie in jenem grossen
*
supponirten Kriege mit zwei Fronten, dass die Hauptkräfte
Deutschlands in Frankreich beschäftigt sind und einer verhält-
nissmässig kleinen Armee die Behauptung des Ostens zufällt.
An eine Behauptung Ostpreussens würde in diesem Falle nicht
zu denken sein. Man wird sich begnügen müssen, Königsborg
und Pillau festzuhalten. Die Absicht die Weichsel direkt zu
vertheidigen, würde zur Zersplitterung führen. Dagegen ist
alles Land westlich der Weichsel vom Delta derselben aus zu
schützen. Im Besitz der Nehrung und des grossen oder Ma-
606
rienburger Werders mit Brttckenköpfen von Marienburg und
Dirschau *), auf der einen Seite von Königsberg und Pillau, auf
der andern Seite von Danzig und Weichselmftnde mit Neufahr-
wasser und der Westerplatte geschützt, kann der Feind an ein
Ueberschreiten der Weichsel nicht denken, er müsste sich denn
theilen und sich damit der Gefahr aussetzen, einzeln geschlagen
zu werden. Wollte er es mit der ganzen Armee thun, so wurde
er seine Verbindungen preisgeben. Eine Armee von 50000
Mann und eine angemessene Anzahl Landwehren in den festen
Plätzen wäre imstande, einen Bewegungskrieg unter den güns-
tigsten Bedingungen zu führen, vorausgesetzt, dass wir die See
behen-schen.
Der Bewegungskrieg, der für die Defensive die einzige
Rettung ist, lässt sich nicht ohne weiteres iraprovisiren, er be-
darf eines vorbereiteten Kriegstheaters.
^) Zur Sicherung der innem Verbindung wäre auch ein Brückenkopf am
Danziger Haupt erforderlich.
Anhang.
I.
Eriegs-ArohiTT des grossen Oeneralstabes F. 14 8. 61.
Schönfeld, den 8. Oktober 1813.
Graf Dohna an den Major von Hake.
(Eigenhändig.)
Ich schlage dem Herzoge vor, die Operation (Angriff auf
die Jesuiterschanze) zu theilen und am ersten Tage nur die
Schüttenhäuser und einen Theil von Schottland nehmen zu lassen.
Dann müsste eine Batterie rechts von den Schottenhäusern er-
baut und dadurch am folgenden Tage die Judenschanze stark
beworfen worden. Dann könnten die Schanzen auf dem Juden-
berge in der Nacht der grossen Expedition zu gleicher Zeit infolge
einer Kanonade genommen werden.
Dadurch würde die grosse Expedition (auf die Juden- und
Jesuiterschanze) ebenso gut glücken und noch weniger entdeckt
werden.
Meine Gründe werden Sie aus dem Briefe an den Herzog
ersehen, unterstützen Sie sie nach Möglichkeit.
Der erste Plan (auf die Jesuiterschanze) wird wahrschein-
lich viel Menschen kosten und dennoch nicht glücken.
Schönfeld, den 8. Oktober 1813.
Graf Dohna an den Major von Hake.
(Eigenhändig.)
Ew. Hochwohlgeboren haben heut als ein treuer Beschützer
der Wahrheit und ein Vertheidiger der guten Sache gehandelt,
die uns allen so wichtig ist. Ich wünschte, Ihnen meinen Dank
510
in Worten dafür aasdrficken zu können, fühlte mich aber dazu
nicht fähig. Ihr eignes Bewusstsein, das Gate befördert zu
haben, wird Sie am reichsten belohnen. Der Herzog beweiset
durch diese Nachgiebigkeit und Abänderung eines Lieblings-
Plans eine Feldhemi- Eigenschaft, die nicht alle grossen Herren
besitzen.
S. 65. Anmerkung. Die preussische Landwehr war zum Sturm
auf die Judensclianzen, geschlossener, fester Werke bestimmt.
Ich entgegnete den Behauptungen russischer Officiere, bewies
mit Gründen die nicht erkannte Schwierigkeit, reussirte und
rettete dadurch viele Hunderte der ünsern, welche die Kar-
tätschen von den feindlichen Werken dem Vaterlande geraubt
hätten.
Hierauf bezieht sich der Dank im vorseitigen Schreiben.
V. Hake.
IL
Erwidenmg des Herzogs Alezander von Wftrtemberg an den
Obersten von Schnlmann nnd Oberstlientenant v. Pullet. Zrlegs-
Arohiv des grossen Oeneralstabs F. 16. 8. 102.
Ew. Hochwohlgeboren Eingabe vom gestrigen Tage habe
Ich erhalten and erwidere:
1. In Betreff der Wegnahme der Ziganken- und Juden-
schanze beziehe ich mich auf unsere mündliche Verab-
redung, und bleibt es bei der von mir schriftlich er-
theilten Instruktion.
2. In Betreff Verstärkung meiner Infanterie von Ostpreussen
darf ich nicht rechnen, indem das Königl. Gouvernement
Mir heut per Estafette den Abgang von 2000 Mann
zur (grossen) Armee und überhaupt die Bestimmung
Sr. Majestät des Königs über die Ersatzmannschaften
mitgetheilt hat.
3. Ist es zufolge wiederholter Erklärung durchaus nicht
möglich, Parallele und Batterien in einer und derselben
Nacht zu fertigen, so mnss Ich es freilich geschehen
lassen nnd meine Vortheile aufopfern, die sich in ver-
schiedenen Rücksichten sehr bewähren würden, kann
aber die Behauptung nicht unterdrücken, dass nach
meiner Ansicht es möglich ist, wenn von den Ingenieuren
und Artilleristen das Ihre geschieht.
4. Die Kavallerie, d. i. Theile derselben bewillige ich gern
zur Heranschaffung von Faschinen und Piketpfählen in
die Depots, um das Ganze zu fördern, wie ich durch
die Kugeltransporte von derselben schon bewiesen habe,
512
zur Wegebesserung, Anfertigung von Faschinen und
Piketpfäblen darf sie hingegen nicht gebraucht werden,
da sie dies zu lange von ihrem eigentlichen Dienst ent-
feinen wfirde und zu diesem Behuf die Landleute in
Thätigkeit gesetzt werden m&ssen.
Polanken, den 6./18. Oktober 1813.
gez.: Alexander.
Punkt 1, auf den es hier ankommt, spricht sich nicht
näher über die vom Herzoge schriftlich ertheilte Instruktion
aus. Der Zusammenhang mag folgender gewesen sein. Wie
die auf S. 509 enthaltene Korrespondenz des Grafen Dohua mit
dem Major von Hake ergiebt, war die gewaltsame Wegnahme
der Jesuiterschanze (batteries de Frioul) durch den Sturm auf
die Schottenhäuser keineswegs aufgegeben, sondern letzterer
sollte nur die Einleitung dazu sein. Indem der Herzog sich
aber am 15. zum Bombardement entschloss (vgl. oben S. 394
Note 2) und die gewaltsame Wegnahme der Jesuiterschanze
wahrscheinlich infolge der Benachrichtigung, dass er auf eine
Verstärkung an Infanterie aus Ostprenssen nicht rechnen dürfe
(Punkt 2 obigen Schreibens), fallen Hess, so kann sich die am
16. erlassene schriftliche Instruktion nur auf den Angriff mit
der Sappe in Verbindung mit dem Bombardement bezogen
haben. Da damit der bisherige Plan der Operationen vollständig
umgeworfen wurde, protestirten Schulmann und Pullet am 17.
dagegen, wodurch obige Replik des Herzogs vom 18. erfolgte.
Damit stimmt auch im wesentlichen die Darstellung der skiz-
zirten Geschichte S. 120, 121 überein.
in.
Naohweisung der Batterien, welche am 23. Oktober In Th&tig-
keit waren. Beilage zn dem Bericht des Majcrs Liebe an die
Oeneral-Inspelction der Artillerie von demselben Datum.
Eriegs-Archiv F. 9 0<
2 — 24 pfundigen Kanonen bei Scliellmühl
6-24 , r, n n
5 — 24 „ j, j, Beiebershof
2— S'^gen Haubitzen bei Aschbnde
6 — 24 pfundigen Kanonen auf dem Johannisberge
7-24 . , 1
3-24 , . /
— 12 „ Kanone
[6 — 24 „ Kanonen
4-24 ,
— 12"gen Haubitzen
8 ,
— 10 „ Haubitze
8 j, Haubitzen
3 — 10 „ Mörsern
2-10 „
— 6 pfundigen Kanonen
Einhorn
2 Einhörner
28 (b"0 Batterie zu
29 (b'O , ,
27 (a") „
30 (z-) „
23 (h'") „
22 (i'") ,
21 (y")
34 (f") , „
32 (d") ,
33 (e") „ „
bei Pitzkendorf
31 (c")
1
1
1
1
4
3
2
Acht Batterien
auf
der Höhe der
Sebottenhäuser.
Wir erfahren durch diese Nachweisung die Bewaffnung
dieser Batterien, ferner dass diejenigen von Langfuhr und Neu-
Schottland nicht mehr in Thätigkeit und die Batterien No. 24,
') Um die Lage der Batterie zu erkennen, sind die in den Plänen von
d'Artois und des Apergn vorhandenen Bezeichnungen hinzugefügt
Köhler, Geschichte der Festungen Danzig and Weichselmünde. H. 88
614
25, 35, 36 noch nicht vorhanden waren. Der Bau von Nr. 35
war zwar begonnen, die Batterie wurde jedoch erst am 24. Ok-
tober bewaffnet. Die Batterie auf dem Johannisberge scheint
die vom grossen Belvedere zu sein. Es waren demnach in
Thätigkeit:
39 — 24 pfundige, 4 — 12pfflndige, 2 — 6pfQndige Kanonen,
1 — 10"ge, 6— 8"ge Haubitzen und 3 Einhörner,
6 — 10"ge Mörser*).
') Von prenssischen Artilleristen bedient, waren
10 — 24pfttndige Kanonen, 1 — 10"ge Haubitjce, 2 — 8"ge Hau-
bitzen nnd 5 — 10 "ge Mörser.
IV.
Auszug
aus dem Tagebuch des Majors Liebe, Zommandeurs der
preussisohen Artillerie. Monat November 1813.
i-Arohiv F. 9.
1. Novbr.
2. Novbr.
3. 4. Novbr.
5. Novbr.
Gross-Feuer in der Stadt. In der folgenden Nacht
stürmen die Bussen einige Schanzen in Schottland
und zünden die Häuser bis zur Jesuiterkirche an.
12 russische Wagehälse drangen in die Jesuiter-
schanze ein und kehrten, ohne einen Mann verloren
zu haben, in die Parallele zurück.
Juden- und Jesuiterschanze heftig beschossen, weil
man sie in der folgenden Nacht stürmen wollte.
Der Sturm unterblieb jedoch. Dagegen Schidlitz und
Stolzenberg überfallen, kostete 800 Mann.
In dieser Nacht die Hälfte der 1. Parallele in
der Entfernung von 1200 bis 1500 Schritt gegen
den Bischofsberg erbaut. Die Ingenieure geben die
Entfernung nur zu 800 Schritt an, doch mussten
wir für die obige Entfernung Aufsatz und Eleva-
tion nehmen.
Erweiterung der 1. Parallele.
Es wird beabsichtigt, die Steinschleuse zu zer-
stören, und wurde zu dem Zweck das Wurfgeschütz
auf dem rechten Flügel reichlich mit Munition ver-
sehen. Zu dem Zweck wurden die Mörser auf die
Höhe gebracht. Das Feuer blieb jedoch ohne Er-
88*
616
folg, weil das Schiessen auf Befehl in der Nacht
erfolgte.
Eine, bei Schidlitz auf dem linken Flügel ge-
legene Batterie (Brese) mit 1 — 12Pfünder und
3 englischen eisernen 24 pfundigen Kanonen armirt,
um den Zigankenberg zu beschiessen. Die russischen
Pioniere geben den Scharten falsche Direktion.
6. Novbr. In der Nacht zum 7. eine links von Schidlitz ge-
legene Schanze (avancee Kirgener) zerstört.
7. Novbr. Die Beschiessung der Steinschleuse in der Nacht
ohne allen Erfolg fortgesetzt. Auch gelingt es nicht,
die anliegende Mühle in Brand zu stecken, obgleich
eine Belohnung darauf gesetzt war.
8. — 12. Nov. Das Bombardement fortgesetzt. In der 1. Pa-
rallele legt die preussische Artillerie Bettungen zu
5 Batterien ä» 6 Mörser. Zwischen je 2 Mörsern
Traversen erbaut, um sich gegen den Zigankenberg
zu schützen. Für jede Batterie eine Pulverkammer.
In der Nacht vom 11. zum 12. Armirung der
Batterien mit 11 — 10 "gen eisernen englischen und
10 — 8 "gen dto. Mörsern, 3 — 50 pfundigen me-
tallenen und 6 — 10 pfundigen eisernen preussischen
Mörsern.
In der Stadt am 11. heftiger Brand an der Steiu-
schleuse (Theerhof).
In der Gegend von Schellmühl 4 — 13 "ge rus-
sische Mörser (2 davon in Batterie Aschbude) placirt,
um mit 200 pfundigen Bomben die Wohnung Rapp's
in Langgarten zu beunruhigen. Neben und zwischen
den Mörsern der I. Parallele eine Batterie zu 4 und
2 zu 5 Kanonen erbaut.
12. 13. Nov. Die Batterien mit Bettungen versehen. Das Holz
musste auf 1500 Schritt aus dem Zwischendepot her-
angetragen werden.
Den 13. durch den russischen Ingenieur- Haupt-
mann Kool und den preussischen Lieutenant Rode
folgende Batterien abgesteckt:
1. eine Batterie von 2 Haubitzen und 4 Kanonen,
617
erstere zum Kikoschettiren der rechten Face
der Kontregarde Scharfenort, letztere zum De-
montiren der linken Face desselben:
2. zu 6 Haubitzen zum Bewerfen aller Werke des
Bischofsberges. Beide Batterien werden ausser-
halb der Parallele erbaut, weil innerhalb kleine
Wasserquellen ;
3. zu 4 Kanonen zum Demontiren der linken Face
von Bastion Scharfenort.
In der Nacht vom 13. zum 14. werden die Batterien
durch preussische Artilleristen bis auf die Bettungen
fertiggestellt. Auf dem linken Flügel der Parallele
werden 10 — 24 pfundige und 2 — 12 pfundige Ka-
nonen in die Batterien geschafft, wobei 2 — 24 Pfän-
der in dem weichen Boden versinken und stehen
bleiben müssen. Sie werden mit Faschinen bedeckt.
In der Stadt heftige Brände.
14. Novbr. Major Liebe ermittelt die nöthigen Wege für die
weitere Armirung und veranlasst Durchstiche durch
die Laufgräben.
In der Nacht zum 15. Armirung mit 6 — 24pfün-
digen und 8 — 12 pfundigen Kanonen, 1 — 8 "gen
englischen und 3 — 10 pfundigen preussischen Hau-
bitzen und 4 Einhörnern. Die 6 — 24 Pfänder
kommen in die Batterien des linken Flügels gegen
den Zigankenberg.
15. Novbr. In der Nacht zum 16. 4 — 24 Pfänder und 2
— 12 Pfünder, welche versunken waren, durch 150
Mann in die Batterien geschafft.
16. Novbr. Fortsetzung der Armirung. Das Legen der Bet-
tungen bei Tage ausgeführt. Die bereits zur Stelle
befindlichen Geschütze standen dahinter. Viel Pferde
erschossen. Die Munition durch Mannschaften trans-
portirt. Man hatte an diesem Tage für jedes Kanon
50 Schuss, für jedes Wurfgeschütz 48 Wurf, für
jedes Rikoschettgeschütz 96 Schuss auf 2 Tage.
Zum Bewerfen der Juden- und Jesuiterschanze
12 — 5V«"ge Mörser in der Parallele aufgestellt.
518
17. Novbr.
18. Novbr.
19. Novbr
Eröffnung des Feuers um 9 Uhr vormittags. Die^
Batterien erlitten, da sie so zusammengedrängt
waren, grosse Verluste.
Die 3 Flankenbatterien gegen den Zigankenberg
wai'en ohne alle Wirkung, weil sie zu tief standen
und zu weit entfernt waren.
Durch eine 10 pfundige Granate wird ein Pulver-
magazin in der Lünette Leclerc in die Luft gesprengt,
ebenso die Fladderminen der Jesniterschanze. Bas-
tion Scharf enort wird hart mitgenommen.
Das Flankenfeuer vom Zigankenberge und dem
Hagelsberge, von der Jesuiterschanze und den
schwimmenden Batterien bringt namentlich den
russischen Artilleristen viel Verluste bei.
Von den Zigankenschauzcn schössen 4 Kanonen
und 2 Haubitzen; von der Juden- und Jesuiter-
schanze 4 Kanonen und 1 Haubitze; von den
schwimmenden Batterien 3 Kanonen und 2 Hau-
bitzen. In Summa 11 Kanonen und 5 Haubitzen.
Die Verluste wurden noch dadurch vermehrt,
dass die Brustwehr der Parallele zu schwach war,
so dass die Schüsse durchgingen.
Vor Pietzkendorf wurde eine in der Nacht vor-
her aufgeworfene Batterie gegen den Zigankenbei-g
mit einer 10 pfundigen preussischen Haubitze und
3 — 10 pfundigen preussischen Mörsern bewaffnet.
Obgleich die Batterie grösstentheils mit russischen
Landwehrleuten bedient wurde, schössen sie recht
gut. Auch 1807 habe ich in Danzig *) dieselbe Er-
fahrung gemacht, obgleich die GeschQtze durch
Kavalleristen und Trainkuechte besetzt waren und
zu drei Geschützen nur ein Unterofficier abgetheilt
war. Zu den 22 preussischen Geschützen war nur
1 Hauptmann du jour, 2 Officiere als Komman-
deure und per 4 Geschütze oder eine Batterie 1
0 liebe kommandirte 1807 als Lieutenant die ArtiUerie der Front am
Neugarter Thor. Höpfner,
519
20. Novbr.
21. Novbr.
Unterofficier, per Kanone 2 Artilleristen, per Wurf-
geschütz ein Bombardier und 2 Kanoniere vorhanden.
Das übrige war Landwehr, aber es ging.
Das Feuer wurde ermässigt, jeder 12 Pfänder
erhielt nur 30, der 24Pfünder 48, jedes Wurfge-
schütz 12 Wurf während 24 Stunden, ausgenommen
die 12 — 5V8"gen Mörser.
Die Jesuiterkirche wurde am 20. mit 2 — 7 pfun-
digen preussischen Haubitzen, 2 — 8 " gen Mörsern
und einigen 24Pfündern beschossen, um den Feind
daraus zu vertreiben. Zwei 24Pfünder wurden nach
Brösen gesendet, um von dort aus den General
Bapp in Langgarten zu beunruhigen.
In der Nacht zum 21. wurde der Judenschanze
(poste du sergent) um 200 Schritt näher gerückt.
Diese Parallele hatte ganz nahe vor sich ein langes 20
Fuss tiefes Defilee. Es scheint, dass dies Defllee
schon an und für sich hätte zur Parallele dienen können,
und wenn man sich den Schanzen nähern wollte, so
musste die Parallele vor dem Defilee geführt werden.
Major Liebe und Hauptmann Sommer gingen mit
einer 7 pfundigen Haubitze in Schottland bis 250
Schritt an die Kirche heran, um den Feind daraus
zu vertreiben. Sie fanden die Artilleristen der Je-
suiterschanze (der Major nennt sie Judenschanze)
auf dem diesseitigen Abhänge, um sich dem auf
die Schanze gerichteten Feuer zu entziehen, und
vertrieben sie durch einige Schuss, beschossen auch
die Kirche durch die Fenster hindurch, mussten dann
aber doch zurück, da Tirailleure gegen sie vor-
gingen.
In der Nacht wurde die Räumung der Jesuiter-
und Judenschanze durch 7 Deserteure bekannt.
Aus den rückwärts liegenden Reduten No. 5 und
6 (die Bezeichnung ist aus dem Uebersichtsplan,
der auch der skizzirten Geschichte beigegeben ist,
entnommen. Im Apercu sind die Reduten mit g"
(36) und i " (15) bezeichnet) beschoss man in einer
520
Entfernung von 1500 Schritt die Jndenschanze (soll
heissen Jesaiterschanze) mit 24 pf findigen Kanonen,
ungeachtet unsere Belagerungsarbeiten sich schon
der Schanze um 3 bis 400 Schritt genähert hatten.
Einige Engeln, die zu kurz gingen, tödteten mehrere
preussische Landwehrmftnner, welche die vordem
Laufgräben besetzt hatten.
22. Novbr. Das Feuer von beiden Seiten fortgesetzt. In
Langgarten brennt es. In der Jesuiterschanze
werden die Bombenkasten ausgegraben. Die Je-
suiterkirche ist ebenfalls verlassen worden.
23. Novbr. Das Feuer wie am 22. Gegen Abend werden vom
Hauptmann Kool und Lieutenant Rode folgende Bat-
terien abgesteckt:
a) zu 2 Haubitzen zum Rikoschettiren der rechten
Face von Leclerc;
b) zu 6 Kanonen zum Demontiren der linken Face
von Mittel;
c) zu 6 Mörsern gegen Bastion Salvator und die
Stadtbefestigung;
d) zu 2 Haubitzen und 4 Kanonen gegen die barm-
herzige Brüderschanze (Lasalle) und rothe
Brücke ;
e) zu 4 Mörsern gegen die Bastione Gertrud und
Maidloch ;
f) zu 4 Haubitzen.
24. Novbr. Der Bau der Batterien musste vorläufig wegen
Mangel an Arbeitern unterbleiben. Das Feuer vom
Hagelsberge und Zigankenberge thut vielen Schaden.
Seitdem die Parallele begonnen, beträgt der Ver-
lust an Todten durchschnittlich 40 Mann täglich.
In der Nacht zum 25. werden die 3 ersten Bat-
terien erbaut. Von den 3 letzten, welche von
Preussen erbaut werden sollen, konnte nur die Bat-
terie zu 2 Haubitzen und 4 Kanonen erbaut werden,
weil 600 russische Landwehrleute sich verirrten.
25. Novbr. Das Feuer fortgesetzt. In den 3 russischen
Batterien werden die Bettungen gestreckt. Für die
521
26. Novbr.
27. Novbr.
preussisclien Batterien bleiben die Arbeiter wieder-
um aus. Es wird 12 Stunden auf sie gewartet.
Das Feuer von den schwimmenden Batterien
aus 8 Geschützen ist immer noch sehr lästig. Gegen
Abend werden die 3 russischen Batterien armirt.
Es machen sich namentlich zwei Uebelstände
geltend :
1. dass die 1. Parallele auf beiden Flügeln in
Flanke und Rücken beschossen wird;
2. dass es an einem Schanzkorb- und Faschinen-
depot fehlt und beide vom Anfertigungspunkt
herangeschaflft werden mussten. Bei der
schlechten Beschaffenheit der Pferde konnte ein
4 spänniger Wagen nur 3 Faschinen und 2
Schanzkörbe laden. Die Schanzkörbo waren
sehr gross gemacht, so dass 4 bis 5 einen
Kasten bildeten.
Befehl, Tag und Nacht sehr lebhaft zu schiessen.
In der Nacht zum 27. bauten preussische Artille-
risten mit russischen Landwehrleuten eine Batterie
von Haubitzen und Mörsern auf dem rechten
Flügel der 1. Parallele. Trotz lebhaften Feuers
wurde nur ein Mann verwundet.
Von beiden Seiten das lebhafteste Feuer. Der
Hagelsberg war unsererseits unbelästigt geblieben,
unerachtet er uns sehi' beschwerlich fiel. Seit
mehreren Tagen starker Regen, am 27. ein halber
Fuss tiefer Schnee. Der Transport der Munition
geschah auf beiden Seiten mit Karren zu einem
Pferde.
Um 8 Uhr abends erfolgt der Befehl, das Feuer
einzustellen. Der Verlust der preussischen Artil-
lerie incl. Handlanger betrug während der ganzen
Belagerung 8 Todte, 11 Verwundete.
Es ist schliesslich die Eintracht rühmlichst zu
erwähnen, welche während der ganzen Belagerung
vorzüglich zwischen den russischen und preussischen
Artilleristen herrschte,
522
Da ich vermöge meines Standpunktes nicht mit
zu den Beschlüssen gezogen worden bin, kann ich
nur über den Erfolg und nicht über die Ursache
urtheilen.
Schiddelkau, den 5. December 1813.
Liebe.
V.
Verzeichniss der Batterien, wie solche bei eingetretener Kapitulation
7or Danzig plaoirt gewesen sind.
Eriegs-Arohiv F. 9.
' Jetzige
^»^ : Bezeichnung
der Batterien.
es
Zahl und Gattung
der Geschütze.
Bestimmung der Batterien.
1
2
3
4
10
11
12
13
14
15
16
17
Schellmtihl
Beichcrshof
Aschbude
5 , Johauulsberg
6 ,' Ziganken berg
7 bei Schidlitz
8 ; Pietzkendorf
9 dto.
gegen
Ziganken berg
bei Bröseu
bei Miggau
links
2 Einschnitte
Higgaa Rodute
Kool
Brese
Sclmiiedeknecht
1
5
2
O
2
2
2
o
3
2
1
2
1
l
2
engl. eis. 24-Pfünder
russ. 13"ge Möi*ser
engl. eis. 24-Pf linder
engl. met. 8"ge Haub.
russ. 13"ge Mörser
engl eis. 24-Pfünder
r>
eis. lOpfünd. Mörser j>g
met. lOpfd. Haubitze) |
, 10 „ Mörser ) J»
engl. eis. 24-Pfünder
4 kleine Einhörner
[5 engl. eis. 24-Pfünder
2 , „ 12- ,
2 preuss. met. 12-Pfünder
i(l engl. eis. 24-Pf linder
2 preuss. met. 12-Pfünder
1 » » 24- „
4 preuss. met. 24-PfUncler
Gegen die Stadt.
Gegen Zigankeuberg durch preussische
Artilleristen besetzt.
Gegen die Stadt mit glühenden Kugeln.
Rikoschettiren die Zigankenberger
Schanzen.
) Dcmontiren die Zigankenberger Schan-
\ zen.
I Gegen die Zigankenschanzen und
\ Schidlitz.
Gegen die Zigankenschanzen und
Schidlitz.
Gegen die Zigankenschanzen und
Neugarter Thor.
524
Jetzige
Bezeichnung
der Batterieu.
Zahl und Gattung
der Geschütze.
Bestimmung der Batterieu.
19
20
21,
22
23
24 i;
25 |i
26 ,
27
28
29
30
31
32
33
34
35 :
36
37
38
0.
N.
M.
L.
K.
I.
H.
G.
F.
E.
D.
0.
B.
2 engl. eis. 24-Pninder
2 preuss. met. 24-Pfünder
4 preuss. met. 12-Pfünder
3 engl. eis. 8"ge Mörser
'^3 preuss. met. 50 pfundige
Mörser
6 engl. eis. 8''ge Mörser
2 engl. met. 8''ge Uaub.
4 kleine Einhörner
6 preuss. eis. lOpfOndige
Mörser
j3 engl. eis. 24-Pfander
(2 preuss. met 12-Pfttnder
3 engl. eis. 24-Pfttnder
I 2 preuss. met. 12-Pfünder
(1 engl. eis. 8"ger Mörser
(5 engl. eis. 10"ge Mörser
2 preuss. lOpftind. Haub.
4 russ. met. 12-Pfünder
Raketenbatterie
2 engl. met. 8''ge Haub.
6 engl. eis. 24-Pfünder
2 engl. met. 8"ge Haub.
2 engl. eis. 24-Pfünder
4 engl. eis. 10"ge Mörser
4 grosse Einhörner
2 engl. met. 8''ge Haub.
1 » , 10"ge „
^2 engl. eis. 12-Pfünder
2 preuss. met. lOpftindig.
Haubitzen.
•'!
Dcmontirbatterie gegen Cafarelli,
gegen Scharfenort,
gegen Cafarelli und Kontreganie
Scharf enort,
gegen Scharfenort und BareliD,
) gegen Cafarelli, Scharfenort, Lä-
nette Ledere, Ravelin und Sal-
vator,
(
i gegen Leclerc u. Bast. Mittel.
gegen die Blockhäuser,
Rikoschettbatt^rie gegen Scharfeuort
und Cafarelli,
gegen Salvator und Mittel,
gegen Salvator und Ravelin,
gegen Kontregarde Salvator und
Ravelin,
gegen B.
Demontirbatterie der linken Face von
Bastion Mittel,
gegen das Blockhaus links von Sal-
vator,
gegen die barmherz. Brüderscbauze,
gegen die rothe Brücke,
gegen Bastion Gertrud und Maidloch,
gegen Bastion Salvator,
Wasserbatterie gegen die schwim-
menden Batterien.
SchüddelkaU; 5. Dezember 1813.
Liebe,
525
Vorstehende Liste giebt Gelegenheit, einige Differenzen auf-
zuklären, die sich in den Quellen bei einzelnen Batterien vor-
finden. Wir haben bereits im Lauf der Darstellung gesehen,
dass das Apercu weder in der Zahl der Batterien, noch in der
Bewaffnung derselben zuverlässig ist, und dass es namentlich
in der Zeit des Baues der Batterien absichtliche Fälschungen
vorgenommen hat. Diesen Punkt habe ich bereits oben kritisch
erörtert und auch die Batterien erwähnt, die es verschwiegen
hat. Es sind nach d'Artois die Batterien No. 8, 13, 14, 15,
24, 25, 35.
In Bezug auf die Bewaffnung der Batterien haben wir noch
ein andres Verzeichniss auf dem Plan der skizzirten Geschichte
(Plümicke), und da dasselbe wie der Plan officiellen Ursprungs
ist, sind wir in der Lage, zum Vergleich drei Verzeichnisse,
die mehr oder weniger authentisch sind, zu benutzen. Der Ver-
gleich wird jedoch dadurch ausserordentlich erschwert, dass das
AperQU sich für die Bezeichnung der Batterien anderer Buch-
staben bedient, «als die beiden andern Verzeichnisse, die we-
nigstens in der Bezeichnung der Batterien der 1 . Parallele über-
einstimmen und, wie es seheint, sich der zur Zeit fiblichen Be-
zeichnung bedienen. Ich habe den Versuch gemacht, die korres-
pondirenden Buchstaben zu ermitteln, und habe sie auf Taf. VI des
2. Bandes eingetragen, wobei die oberhalb der Parallele stehenden
die des obigen Verzeichnisses und der skizzirten Geschichte, die
unterhalb stehenden die des Aperi^u sind. Wesentlich abweichend
ist nur Batterie g (G), welche der Batterie o' des Apergu entspricht.
Während letztere mit 4 — 24 Pfandern und 3 Haubitzen an-
gesetzt ist, hat g nur 2 Haubitzen und G 3 Kanonen. Wahr-
scheinlich sind bei g die Kanonen und bei G die 2 Haubitzen
irrthämlich ausgelassen. Anders ist das Verhältniss bei den
korrespondirenden Batterien p' des Apergu, welche mit 6 Ka-
nonen und c (G), welche mit 2 Haubitzen und 4 Kanonen be-
waffnet sind. Die Lage der Batterie und die Bezeichnung als
Rikoschettbatterie sprechen dafür, dass die letztere Bewaffnung
die richtige ist. Die übrigen Abweichungen sind unbedeutend.
Wenn im Apercu die Batterie w' mit 4 Kanonen, die korres-
pondirenden Batterien der skizzirten Geschichte f dagegen mit
3 und F mit nur 2 Kanonen bewaffnet sind, so ist zu berück-
526
sichtigen, dass in dem obigen Verzeichniss des Majors Liebe die
Zahl der Geschütze am 30. November aufgenommen, im Apercu
dagegen die ursprüngliche Zahl augegeben ist. Im Apercu ist
ferner die Batterie n' mit 12 Mörsern angesetzt, dem die Bat-
terien m (M) und 1 (L) mit je 6 Mörsern entsprechen.
Bei den zweiten Batterien, welche nach Räumung der Je-
suiterschanze erbaut sind, entsprechen die Batterien des Apergu
g, 1, m, i, k, p, e den Batterien der skizzirten Geschichte p,
q, r, s, t, tt, X und stimmen in der Zahl und Gattung der Ge-
schütze ttberein. Ferner scheint o des Apergu der Batterie j-
der skizzirten Geschichte zu entsprechen, hat jedoch 4 — 24 pfun-
dige Kanonen und 4 Mörser; Batterie y dagegen 2 Haubitzen
und 4 Mörser. Das richtige mag 4 Haubitzen (Einhörner) und
4 Möi-ser sein, wie die laufende Nummer 36 des obigen Ver-
zeichnisses hat. Die Batterien des Apercu u, v, t mit je 4
Kanonen sind weder im Verzeichniss der skizzirten Geschichte
noch im obigen des Majors Liebe vertreten, ebenso wenig im
Tagebuch des letztern, und daher wohl zu streichen. Der Mangel
der üebereinstimmung des obigen Verzeichnisses vom Major Liebe
mit den Verzeichnissen des Apercu und der skizzirten Geschichte
ist, wie bereits angeführt, wahrscheinlich darauf zurückzuführen,
dass die beiden letztern die ursprünglich beabsichtigte Zahl von
Geschützen aufgenommen haben, während ersteres nur die Zahl
angiebt, soweit sie bei Abschluss der Kapitulation vorhanden war,
indem mehrere Batterien wegen Mangel an Arbeitern noch nicht
beendigt waren. So fehlt in dem Verzeichniss die Batterie von 6
Mörsern, obgleich sie im Tagebuch des Majors aufgeführt ist. Die
Verzeichnisse des Apergu und der skizzirten Geschichte haben die
Batterie dagegen aufgenommen. Sie gehörte zu den Batterien
des linken Flügels jener 6 im Tagebuch des Majors aufge-
führten, welche preussischerseits erbaut werden sollten*), aber
zum Theil unvollendet blieben.
Am wenigsten in Üebereinstimmung zu bringen sind die
zur Bekämpfung der Zigankenberger Schanzen bestimmten Bat-
^) Wie die in obigem Verzeichniss eingetragenen Nummern 1 — 6, welche
den im Tagebuch des Majors Liebe angeführten Buchstaben a bis f entsprechen,
andeuten, indem sie unten mit 1 beginnen, hatten die Preussen die Batterien
a, b, c des Tagebuchs, also die des rechten Flügels, zu erbauen.
527
terien. Allen Quellen gemeinsam sind nur die Batterie Zigan-
kenberg (mit der laufenden Nummer 6 obigen Verzeichnisses),
wie die Redute k " des Apergu (No. 7 der skizzirten Geschichte,
No. 16 bei d'Artois) genannt wird und die Batterien Schmiede-
knecht, Brese und Kool. Die Batterien 8 und 9 der skizzirten
Geschichte (No. 24, 25 bei d'Artois) fehlen sowohl im Apergu,
wie in unserm Verzeichniss. Dagegen ist in letzterem die Bat-
terie mit der laufenden Nummer 10 aufgeführt, welche in ihrer
Bewaffnung mit 1 Haubitze und 3 Mörsern der Bewaffnung der
Batterien 8 (24) und 9 (25) mit je 2 Haubitzen ziemlich nahe kommt
und sonst mit keiner Batterie in Einklang zu bringen ist. In der
Zeit ihrer Erbauung geht sie allerdings mit den Angaben der
französischen Quellen über die Erbauung der Batterien No. 24
und 25 völlig auseinander. Ganz unvereinbar mit allen sonstigen
Angaben sind die Batterien m"' und n'" des Apercu, können aber
fflglich nichts anderes vorstellen als die Batterien No. 13 und
14 bei d'Artois. Ebenso sind die Geschützeinschnitte bei Miggau
und die Redute von Miggau (No. 12, 13, 14 unsers Verzeich-
nisses) nicht anders zu verstehen als in ihrer Uebereinstimmung
mit No. 13 und 14 bei d'Artois. Die Redute bei Schidlitz mit
der laufenden Nummer 7 unsers Verzeichnisses korrespondirt
mit No. 10 der skizzirten Geschichte und mit No. 8 bei d'Artois
sowohl in der Lage als in der Bewaffnung. Das Apercu hat
zwar die Redute eingezeichnet, leugnet aber ihre Bewaffnung
mit Artillerie.
VI.
Proces-verbal
du
Conseil de defense.
Cejourd'hui, vingt-trois novembre mil huit cent treize,
Son Excellence Monsieur le Gouverneur G6n6ral a assemble
un conseil de defense compos6 de:
Messieurs
Le g^n^ral de division, baron Grandjean, commandant la
7me division;
Le g^n^ral de division, comte Heudclet, commandant la
30ine division;
Le gen^ral de division du g^nie de Campredon, commandant
en chef celui du corps d'armöe;
Le general de division, baron Bachelu, commandant la
34 me division;
Le lieutenant g^n^ral Detr^s, commandant la 33. division;
Le contre-admiral Dumanoir, commandant la marine;
Le general de brigade Cavaignac, commandant la cavalerie;
Le general de brigade Bazancourt, commandant sup6rieur
de la place;
Le g6n6ral de brigade Lepin, commandant Tartillerie du
10™® Corps; •
Le g6n6ral de brigade, prince Radziwil;
Le g6n6ral de brigade d'H6ricourt, chef d'6tat-major g6n6ral ;
Le colonel du gfenie de Ricliemont, directeur des fortifications ;
Le colonel d'artillerie Cliapelle, clief d'6tat-major de cette
arme:
68<>
Le sotts-inspecteur anx revües Reybaud, faisant foiiction
d'inspecteur du 10™® corps;
Le eommissaire-ordoBnatear Barthomeaf, faisant fonctioa
d'ordonnateur en chef.
Lecture faite des lettres patentes de Monsienr le Gouvernenr
G6neral et du chapitre 4 du d6cret imperial du 24 D^cembre 1811,
Son Excellence a dit:
„Messieurs,
„Depuis le commencement du blocus, la garnison de Dantzig
a donn6 les preuves les plus signal^s de son d^voueraeBt; e)le
a SU, par sa bravoure, par sa r^signation aux fatigues et aux
privations, par le bon esprit qui Tanime et qiri, de tant de
troupes diverses, n^a fait longtems qu'une seule famille, eile a
SU, dis*je, eommander l'admiration des armöes ennemies. 6tonner
les habitans au milieu desquels le sort des armes Ta placke, et
se couvi'ir de gloire par des faits innambrables de valeur.
C^est ä ce bon esprit, k la bonne volonte de chacun, qne Ton
a du la cohstrnction et le perfectionnement de taut de travaux
n^eessaires k la defense de la place et contre lesquels viennent
encore 6chouer les efforts de l'ennemi; cette exactitude dans k
Service , qui a dejou6 tant de f ois ses entreprises ; ces r^sultats
heureux d'exp6ditions , qui ont servi aux ravitaillement de la
place et prolongö ses ressonrces. Mais des circonstances inat-
tendues ont chang6 ces dispositions dans une partie de k
garnison, et d6jä la d^fection de plusienrs auxiliaires qui en
fönt partie, fait craindre de plus grandes pertes dont on doit
peut*6tre prövoir les eflfets.
„La d^sertion nombreuse, les murmures dans les travavx
et dans le Service, les propos tenus par les soldats, par les
offlciers meme des troupes allemandes, tout concourt h faire
nattre Fopinion que, bien loin de se confier k ces troupes, fl
faut d^somais les surveiller autant que Pennemi exterieur.
„Les Polonais, qui forment une portion nombreuse de la
garnison, sont dans une position teile que des 6v6nemens d^jk
annoncös hautement k ces troupes ainsi qu'ä moi, et qui peuvent
arriver d'un jour k Tautre, nous priveraient absolument de leur
secours et mettraient la garnison tout k fait hoi*s d'6tat de
d^fendre la place.
Köhler, Oescbiuhte der Festangen Oanzig und VVeicbselmttnde. II. 84
530
^Dans cette 6tat de choses, les Francis eux-m§mes ne
peuvent se d^fendre d'une inqui6tude qui, en en ajoutant les
peines morales anx fatigues physiques, d^truit jusqu'ä Tartifice
de nos forces. Les plas mod6r6s pensent qu^ä chaque instant
un abandon peut les mettre ä la merci de Tennemi; les autres
plus exag6r6s ench^rissent encore sur ces sinistres idees.
^Qaant aux Bavarois, anx Westphaliens et anx corps de la
Conf 6d6ration, les chef s de ces troupes qui allaient aux avant-postes
OQt manifeste le d^ir qu'elles n'y fussent plus enyoy6es, et
d^ lors, on ne doit plus compter sur elles ponr la defense de
la place. Mais une circonstauce plus alarmante ou du moins plus
penible i mettre au jour, c'est que des fractions de corps
frangais partagent le mauvais esprit des alli^s : les bataillons
des 45"®, 54™® et 94™® rögimens sont en grande partie compos6s
de sujets r6unis en demier lieu k la France; chaque jour,
la d6sertion augmente; les soldats de ces corps ne vont aux
travaux que par force, montrent la plus mauvaise volonte dans
le Service et professent les memes principes que les ^trangers en
mati^re de d6fection. II n'est donc plus permis de se reposer
avec s6curit6 que sur une faible portion de la garnison; on peut
encore espörer quelques eiforts, mais non pas des prodiges.
„L'incendie qui a consum^ la majeure partie de nos maga*
sins a r^duit nos approvisionnemens en grains k une consom-
mation de quarante-liuit jours; mais il fant observer que nous
n^avons aucun approvisionnement en farines, que les moyens
de mouture que nous employons sont tr^s pr^caires et insuffisans,
ce qui oblige ä des vanations continuelles dans la fixation de
la ration.
„Les autres denr^es sont loin d'etre dans la m&me Pro-
portion que les grains : il ne reste donc, dans la place qu^en-
viron sept cents chevaux, sur lesquels il faut en conseiTer
trois Cents k Fartillerie pour le transport de ses munitions sur
les vastes fronts que nous avons k döfendre, cinquante au g^nie
pour les transports de la f ortification , et trois cents k Vad-
ministration pour le transport des grains et pour les moutures
qui ne peuvent se faire, en grande partie, que par le moyen
des moulins k manage; d'oü il suit qu^il ne resterait pour la
consommation qu'une cinquantaine de chevaux, k moins de dto-
63j
organiser et an^antir des Services indispensables et sur lesquels
repose la defense. II faudrait donc suppiger au d6faut de vi-
ande par une augmentiou de grnau, ce qai diminuerait d'autant
les ressources en pain.
„II ne reste d'eau-de-vie que pour qaarante-deox jours.
„Je ne parlerai pas de la possibilit6 de prolonger ces
ressources par des rMactions daus la composition de la ratiou : on
sait trop k combien de murmures Celles qui ont 6t6 operSes ont
donn6 liea et quelles ont et6 le pr^texte d^une d6sertion nom-
brease. H n^y a d'ailleurs dans les magasins aucan des alimens
que Ton rassemble pour les tems de si^e afin de varier la
nourriture du soldat; les malades mSmes ne peuvent gtre mieux
trait6s que les hommes en sant6, par suite du d^nuement absolu
des alimens qu^on leur accorde ordinairement.
„Vous (^onnaissez, Messieurs, le fächeux 6tat de nos höpi-
taux : le plus considerable a 6t6 ruing par le bombardement,
et rincendie de trois autres a achev6 de d6truire le peu de
ressources qui nous restaient.
„La solde a et6 acquitt^e anssi longtems qu'il a 6t6 possible;
cependant; il est du cinq mois i, la troupe et quatre aux
officiers. Je sais tout ce qu'ils souffrent de cette p6nurie pair
la chert6 excessive de toutes choses ; mais cette privation, quel-
que sensible qu'elle soit, est la moindre de toutes les con-
sid6rations; eile n^en est une pour nous que par räpport aux
6trangers.
„L'artillerie et la fortiflcation sont, en gfenöral, en bon
6tat, les deux armes n'ont rien n6glig6 de ce qüe les moyens
mis ä leur disposition ont permis. Je n'enum^rerai pas les travaux
que nous avons ex6cut6s ou perfectionn^s depuis le blocus : le
Journal du si^ge et ceux du g6nie les fönt connaitre : ils sont
immenses. La construction et les r6parations de ces ouvrages
ont tellement fatign6 les soldats, que ce n'est qu^avec les plus
grandes peines que Ton parvient ä faire ex6cuter ceux que la
marche de l'ennemi rend indispensables; et cela se con^oit fa-
cilement, si Ton r6fl6chit que les troupes faisant le Service mon-
tent et decendent continnellement, et que dans Tintervalle elles
sont command6es pour les travaux.
„Le moment des glaces approche, et Ton ne peüt se dissi-
84*
582
muler qa'alors la n^cessitö des travanx les plus darspar lear
natnre et par le tems de lenr ex^cntion, leur coutinaitä et lear
imraensitä, ne soit en disproportion totale avec le nombre et la
force de nos soldats. Si Ton ajoute ä. cet 6tat de choses la
n6cessit6 de garder cet immense d^veloppement de fronts inon-
d^s qui, JQsqa'ä ce jour, n'a exig6 que la survelliance de quel-
ques factionnaires, on ne Toit quMnsnffisance et malhear.
„Depuis pr6s de trois mois, j^ai repouss^ constammeat
toutes les aommations de Tennemi. Je le devais. Anjourd^hni,
messieux, loin de nous Tid^e de rien faire qui soit indigne de
nos devoirs et des int^röts de sa Majestä; oiais quelques-uns
d'entre vous m'oirt fait consid6rer de plus pr^s, d^une part, toat
ce que notre Situation a d'effrayant, et de Fautre, Favautage
qu^il y aurait d'affermir les Polonais et de les rassurer, eB
leur donnant la certitude positive que nous ne les abandonnerons
pas comrae on le leur a insiuu6; enfln que Tenuemi, qui nous
croit eucore dans une Situation beaucoup moins critique, parait
dispos^ ä faire un traite conditionnel. Je vous prie dexaminer
s'il eonvient de faire ce traitö, dans la snpposition que Ton
pvisse obtenir de conseiTer la place jusqu'ä F^poque ou nous
savoDs que nos vivres nous mineront, et si notre honneur ou les
intir§ts de Sa Majest^ n'en souffriront pas.
J'ai besoin de votre avis sur cette question important.^
Druckfehler.
Text.
Seite
15 Zeile
9
von
oben:
französisch für prenssisch.
n
17
9
1
9
9
flüchtige.
n
21
»
12
9
9
9
7)
112
»
13
9
9
1807.
1»
260
9
8
9
9
Künette.
7)
273
»
6
9
9
weil.
n
280
Jt
7
9
9
Williaminoff.
9
323
1)
4
9
9
nenen Styls.
n
348
n
10
9
9
Belagerung.
i>
352
»
2
JI
nnten
Wolkonski.
i>
402
»
13
9
9
4 — 24 Pfünder.
n
408
»
10
9
oben:
q".
»
443
»
10
9
9
fehlt daß Wort „an".
»
462
9
7
9
anten
: neuen Styls.
j)
463
»
13
9
9
Rationen.
n
524
9
13
9
»
(laufende Nr. 31): für B. muss es heissen:
Bikoschettbatterie gegen die rechte Face
von Leclerc.
0
532
»
6
9
9
k für ä.
Noten.
Seite
69 Zeile
2
von
nnten
II. Band.
jt
133
n
7
9
9
Steegen.
n
158
»
1
9
9
No. 1 1 für No. 10.
0
378
391
»
n
3
2
9
9
9
oben :
1 E 202 für F. 9.
»
400
s
2
9
9
Es geht daraus hervor statt „es scheint da-
raus hervorzugehen".
440
■1
3
■1
nnten
1 IV statt V.
446
1
JJ
9
9
»
449
9
7
9
oben:
assi6geans.
Bemerkung: Die Ueberschrift von Taf. II des 1. Bandes ist insofern nicht
ganz zutreffend, als in der Befestigung der Rechtstadi Bauten anf-
genommen sind , die erst in der 2. Hälfte des 15. Jahrhunderts aus-
geführt wurden, wie das Fischer- und äussere Hausthor.
Auf Taf. XII muss es unten links für Taf. X und XI heissen:
Taf. Xm und 2. Band Taf. I.
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Yerzeiclmiss Her Karteo il Pläne ies E Banles.
Taf. I. Plan der Belagerung von Danzig 1734 nebst Weichselmünde.
Taf. n. Plan zur Belagerung von Danzig 1807.
Taf. III. Fig. 1. Angriff der unteren Weichsel 1807.
Die zu Danzig in den Wintermonaten 1806/7 ans^e-
ftthrten Arinirungsarbeiten.
„ 2. Blockhaus im gedeckten Wege.
„ 8. Bombensichere Baracke.
„ 4. Sturmbalkeu.
Taf. IV. Plan zur Belagerung Danzigs 1807.
Fig. 1. Profile der linken Face des Bastions Jerusalem nach A. B.
y, 2. Profil der rechten Face des Ravclins Hagel.
„ 3. Grabendesceute.
Taf. V. Plan zur Belagerung Danzigs im Monat Mai 1807.
Taf. VI. Plan zur Blockade und Behigerung Danzigs 1813.
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