Google
This is a digital copy of a book that was preserved for generations on library shelves before it was carefully scanned by Google as part of a project
to make the world’s books discoverable online.
It has survived long enough for the copyright to expire and the book to enter the public domain. A public domain book is one that was never subject
to copyright or whose legal copyright term has expired. Whether a book is in the public domain may vary country to country. Public domain books
are our gateways to {he past, representing a wealth of history, culture and knowledge that’s often difficult to discover.
Marks, notations and other marginalia present in the original volume will appear in this file - a reminder of this book’s long journey from the
publisher to a library and finally to you.
Usage guidelines
Google is proud to partner with libraries to digitize public domain materials and make them widely accessible. Public domain books belong to the
public and we are merely their custodians. Nevertheless, this work is expensive, so in order to keep providing this resource, we have taken steps to
prevent abuse by commercial parties, including placing technical restrictions on automated querying.
‘We also ask that you:
+ Make non-commercial use of the files We designed Google Book Search for use by individual
personal, non-commercial purposes.
and we request that you use these files for
+ Refrain from automated querying Do not send automated queries of any sort to Google’s system: If you are conducting research on machine
translation, optical character recognition or other areas where access to a large amount of text is helpful, please contact us. We encourage the
use of public domain materials for these purposes and may be able to help.
+ Maintain attribution The Google “watermark” you see on each file is essential for informing people about this project and helping them find
additional materials through Google Book Search. Please do not remove it.
+ Keep it legal Whatever your use, remember that you are responsible for ensuring that what you are doing is legal. Do not assume that just
because we believe a book is in the public domain for users in the United States, that the work is also in the public domain for users in other
countries. Whether a book is still in copyright varies from country to country, and we can’t offer guidance on whether any specific use of
any specific book is allowed. Please do not assume that a book’s appearance in Google Book Search means it can be used in any manner
anywhere in the world. Copyright infringement liability can be quite severe.
About Google Book Search
Google’s mission is to organize the world’s information and to make it universally accessible and useful. Google Book Search helps readers
discover the world’s books while helping authors and publishers reach new audiences. You can search through the full text of this book on the web
alkttp: /7sooks. google. com/]
Daran Google
By
1, Google
8
Daun, Google
8
Daun, Google
8
Gerfäiht 3—
der
p Hi Io f o p X e
D. Bilfehm Gottlieb Tennemann
srbentlicdhen Profeffor der Philoſopbie auf der Univerfitde in
Marburg, imeitem Bibliothekar, der Balerſchen Akadenie
"ber Wiſſenſchaften correfpondirendem, der änhemie der
Wiſſenſchalten su Erfurt, der Inteinifhen und: minera⸗
Iosifhen Societat in Jena Ehrenmitellede.
Eilfter Band
x
R RK Leipzig, 1819
bei Johann Ambroſius Barıp.
\ \ J
..Borrebe,.,
¶Dieſer Band follte die ganze Schule des Locke
und Seibnig, nach allen ihren verſchiedenen Ent-
widelungen und Mobificationen, fo weit fie ſich
auf die fpeculative Philofophie beziehen, bis auf .
Kant darſtellen. Allein, die Neichhaltigkeit und
der Umfang, den fie durch die vielen ausgezeich⸗
neten Denker, durch ihre gehaltreichen Schriften, .
durch die Probleme, die zug Sprache kamen, die
verſchiedenen Anfihten und Verfuhe, die Strei⸗ u
tigfeiten, bie dadurch entſtanden find, erhalten:
mußte, hat mich genöthigt, um diefem Bande nicht‘
eine unverhältnißmäßige Ausdehnung zu geben, ben
Faden gerade hier, bei dem Schluffe der Geſchichte
ber empirifchen Schule in England, abzureißen.
Der folgende Band wird nun den weiteren Erfolg,
av Borrede.
«namentlich die Entwickelungen ber deutſchen Phi⸗
loſophie, ſowohl in ‚der Schule des Rationalis-
mus, als des. Empirismus, und bie Verhältniffe,
®peiche ſich zwiſchen beiden ergeben. haben, bis auf
Kant, und dann in dee zweiten, Abtheilung bie
verſchiedenen Verſuche in’ der Moralphilofephie,
von Cartefins Zeiten bis auf Kant, enthalten. -
Das: Gange wird alfo, mie ich ‚hoffe, durch die |
zwei folgenden. Bände vollendet. ſeyn, und ein .
voollſtaͤndiges Regiſter über das ganze Werk den.
Beſchluß machen
Siebentes Hand⸗nua Erſtte Adedeilun
Dritter Abſqhuitt, Seastion gegen bie Care
teſſſche Pbilofophie. ur Rue:
. Einleitung ° Br
Johann Locke 6
Lode’s Unterfugungen Aber den, erfand u
Ausbreitung ver Philoſophie des Locke65
Lockes Philsfoppie : m. ze
Vierter Asranttt. Seiönigens Bol ;
Philoſophie des Newion - - , 76:
Lin J 8
Leißnigens Ppilofophie zu 9
Gleichzeitige Verſuche zur Reſorm der Phi⸗
loſophte von Ehreuſtied Walter von
STcochchirnhauſen J 205
Tſchiruhauſens Willenfaftslehre - 27
Chriſtian Thomafins i 2229
\ Pierre Daniel Hurt 2446
° Wierre Baple ” 251
Bayle Stimme N 268
1
" Allgemeine Ueberſicht S. 290.
Erienne Bonnot de Eondillae 289
Charles Bönnet . . 302
Bonnets Philofopbie \ 303
Diderot, di Alembert, die Eucuflopfbie . 313
Syſtem der Natur R 319
‚La Mettrie - B J 351
Enwiriſche Schule in Frautreich 359
Empiriſche Schule in England ” 3.
Philofophie in England . ' 363
Sammel Clare 375
Theodicee des King 339
I Phyſikotheologle 397
Colller und Berkeeee 399
Colliet s Zoeaileciue bo
Berkeley: ET Dgog
Berkeleys Sdeellmu⸗ J 407
David Hume EEE EN? 74
Humes Philofopbie. - J 425
Humes Gegner: I 27.1468
Reid TE
> James Beattiie 2.1480
Thomas Dewald 435
Prieſtley 436
\ —
David Hartley or "496
Prieſtley mn 502
Priee 3.316
‚Inpatt.
Bänfter Asfgätte. Die empiriſche und ra⸗
tiupnale Schule. Folgen derſelben.
Reſultat ‚518
Siebentes darotkaa u
ehe abtheiluns Br
Dritter adrgnie
Reaction -gegen die Carteſiſche
Philoſophie J
Die Schale des Eorrefins ‚hatte, in dem Daten den.
Grund des Wiſſens geſucht, und. durch Vorausſetzung
angeborner Ideen ein Syſtem des Ueberſinnlichen zu
Stande zu bringen geſtrebt, in welchem Feine Voraus⸗
fegung mehr angenommen, fondern alles demonſtrirt wäre,
Durch, Spinoza wurde diefes Syſtem in feiner größten
Schärfe entwickelt, indem. er nicht argebörne: Foeen
"überhaupt, fondern nur eine Idee vorausfegte, vurch
weiche aller Inhalt der Erkenntuiß gegeben fey, weiche
alles Seyn. und alles Wiſſen mit. abfoluter Vollſtaͤn⸗
digkeit in fich fehlöffe, und aus weicher alles mit apos
diktiſcher Gewißgeit durch ſtreuge Demonſttation ges
funden werden koͤnnte. Das Wahre in 'diefer:Anfiche
ÄR, daß es Erkennmiffe aus reiner Vernauft gibt, und
daß die Vernunft ven letzten Grund’ bes: BWiffens in
ſich felbft finder; allein fie führte durch das Hypothe⸗
tiſche und Unbeftinimte ‘und den. Mangel: der: Begrene
sung, al& ‚halbe und. einfeitige Selbſterkenntuiß der
Bernunft auf; das entgegengeichte Extrem, —* *
Tenuem. Geſch. d. Vbiloſ. Xl.Th. u
2 Siebentes Hauptfi; Erſte Abth. Drittet Abſchn.
feine reine Erkenntniß gebe⸗ daß vie Vernunft nichts
" Wahres in ſich finde, ſondern alle Data der Erkennt⸗
uiß durch die Sinne erhalte. und deren Form durch
Reflexion allein beſtimme. Es geſchah jetzt daſſelbe
wieder, was zu Plato's und Ariſtoteles Zeiten geſchah ⸗
nur auf andere Art. Es wurde ber empirifche, Ur⸗
fprung der menſchlichen Erfenntniß nicht Los hopo⸗
rhetiſch angenommen oder blos behauptet, fondern aus,
Gründen hergeleitet, und da auch) gleichzeitig ſich ein j
großer Denter fant.,. ber die raiynale Geite der Er⸗
tennmiß mit gruͤndlichem Scharffinn vertheidigte, und -
jene empiriſche Anßcht beſtritt; ſo wurde dadurch ein
Sorfchungsgeift gewedt, weicher einen. Hauptpunct der
“ Philofpppie nach dem andein allmaͤhlig In das Licht:
feßte, und ‚weit wichtigere, olgen ı und gediegenere Res
fultate hervorbringen mußte, als in frühern Zeiten der
Begenpay der: Wasenifchen. und- Ariſtoteliſchen Pilofo-
phie. - Die Werft erhab ſich durch dieſe Unter
sungen, awelche die Frauzoſen uud. Engländer ange,
faugen die Deutſchen in größerer ‚Thefe aufgefaßt uud.
fortgefühttichaben, zu einer reinern und vollftänbigerie
” , Beibfierlennmiß, nnd gewann eiwe immer klaͤtere Gin
Fiht. in. die Guinde, des philoſophiſchen Wiſſens. „Dies
{eg Refultar: trat orſt im der ‚folgenden Periode mit
größerer Befiimmtheit hervor; aber. dad Forſchen und
Sterben: nech Def. Biele. Hin. begann eben jetzt.
" Qu gleicher Zeit vette fh. das Streben nach
eine nolftämbigern ſyſtenatiſchen Bertnüpfung der ꝓhi⸗ ö
Iofophifigen: Exlenntniffe, „Das Weduͤtfuiß einer fen
ſtimmtaren Apfonberuug unh Voerbindung ber einzelnen _
Fhltofophifdyen Wiſſenſchaften haste Baco zuerſt vents
Hicher ausgeſprochen und feine noch nicht durch tiefer
geſchoͤpfte Principien geleiteten Gedanlen daruber ıregs
ten den diſchuagcaen — Das wie Pioblan;
weich
.
“Einleitung > 5
" weldes die Grundlage, des’ phüsfophifcyen Wiſſens im
Allgemeinen betraf, wurde eben fo fehr auch in. Ber
sichung auf einzelne Wiſſenſchaften gefaßt; und dadurch
die Unterſuchung über hen Inhalt, die Form, den Une
terſchled und die Verhindung verfefhen untereinander -
immer mehr angeregt. Diefe propädentifchen Zorfcpuns -
gen wurden Immer gediegener, und‘.fie führten zuletzt
auf einen ſyſtematiſcheren Gliederbau der Philofophie,
Auch darin haben die Denker untezi ben; Deutfchen,
nachdem die Engländer und. Granzofen:verangegangen :
waren, das Meiſte geleiftet. Fe B j
Wenn auch die Gariefonifipe Bhllofophie in Air
ſehung der Tiefe uud Gruͤndlichkeit der Forſchung nur. -
wenig deu Foderungen entſprach; jo hatte ſie doch ‘den -
Forſchungsgeiſt aufgeregt: Es war. der. Wernunft die
Tore der Philofophie deutlicher geworden, und fie fing
‚am, ihre Würde: und Ihr-Mecht: in. dem Reiche: ber
Wahrheit zu erkennen And. zu behaupten, wenn auch
noch nicht immer ig den gehoͤrigen Schranken. Dies
ſes zeigte ſich vornehmlich in dem Verhauniß zur Tpeos
logie. Daß die Vernunft in der Religionswiffenſthaft
die erſte Stimme habe, daß fie durch die Vernunftma⸗
Bigfeit ‚einen, obgleich wegafiven, Grundiag “für wie
voͤttliche Offenbarungslehre auffigge -— das war eine
Foderung, welche lauter ald fa dNtend gemacht wur⸗
de,.obgleich fie auch häufig de ſtritten wurde / und. zum
Theil mit Grund beftritten werden fonnte, wenn die
Earteſiſche Schule ihre KHppothefen der pofitisen Three
logie als Vernunftprincipe aufdringen wollte. Aber
umgekehrt machten die Theologen auch noch zuweilen
Verſuche, die aus dem Zeitalter. der. GScholaſtik fortger
erbte Oberherrſchaft de Theologie über alle Vernunft⸗
wiſſenſchaften it Unsübung zu dringen, und ihtem Fo⸗
sum ſelbſt die Veartheilung der Phild ſophie unterzus
W2 -<rbnen
% Siebentes Hauytſt. Erſte Abth. Dritter Abſchn.
orbyen. "Diefed. geſchah nicht allein in den Laͤndern,
>» wo die Hierarchie noch beſtand, ſondern auch in’ des
nen, wo ber Geiſt des; Protchantismud dem Namen -
mach berrfchend geworden war. Selbſt in Holland, wo
die Denkfreiheit, wie es ſchien, ihren Sig’ aufgeſchla⸗
gen hatte, gab es ein protefantifches Ynquifitiondges
“richt, worüber bie gemäßigten und aufgeflärten Theos
logen nicht. genug Hagen konnten"). - Demungeachtet
zeigte ſich doch Immer ein Uebergewicht auf Seiten der
WBernunft, und es war Feiner auch noch fo mächtigen
Partey möglich, die Anfprüche des vernünftigen Geis
ſtes zu. zernichten. Wenn auch zuweilen noch Verfol⸗
gungen :gögen dieſes ober jenes Syſtem erfolgten, fo
waren fie nicht. gegen Philofophie uͤberhaupt, -fondern ,
- gegen befondere Syſteme ihrem. Juhalte oder. ihrer Form
nach’ gerichtet. und . dienten dazu, die Aufmerkfankeit
anf die Mängel und Fehler derſelben zu fchärfen. So
lange die Greuzbeſtinumung der menfchlichen Erkennt⸗
niß noch nicht aus Principien beſtimmt war — eine
Unterſuchung, deren Wichtigkeit theilweiſe eingeſehen
"und welche von Weitem eingeleitet wurde — diente
der Gegenſatz der Theologie und Philoſophie dazu, den
Gedanken an dieſe Grengen in Wirkfamkeit zu erhal⸗
ten und den Außfchweifungen der Gpeculation einen
—E— — Damm tgegen zu ſetzen.
Dieſen Gang nehmen auch alle ſteyt lhen Rai⸗
ſonnements dieſer Zeit. Sie beleuchten überhaupt die,
Schwaͤche der Vernunft durch die Widerſprüche und
Uneinigkeit der Philoſophen und durch Aufdeckung der
Schwierigkeiten in denjenigen’ Gegenſtaͤnden, welche die
weft vorzüglich intereſſiren, dergleichen alle Reli—
j , 5 gionde
2,0 Man sehe darüber mehrere Stellen in den Vrier _
fen. des Locke und Limburg in den oeuvres divorr
ses de Mr. Locke a Tom. 320. 335. 347.
“Einleitung -:, 65
glonswahrheften, vorzůglich @ottes Daſeyn, Mefen, Eis :
genfhaften, die Unfterblichkeit der Seele, ‚die Zreiheit -
des Willens, und die Vereinbarkeit des Boͤſen in der
Welt mit Gottes Welsheit und Güte waren. Wenn
fie auch im Allgemeinen ‘einige Grumfäge: des Wahren
annahmen und anerkannten, fo Tegteh fie ihnen doch
nur einen negativen Werth bey, zur Eutdeckung des
Falſchen, behaupteten dad Unvermoͤgen der Vernunft“
zur poſitiven Erkenntniß des: Wahren zu gelangen, und -
iefen fie an die Offenbarung. Anfaͤuglich waren
Be Daher eis in dem Geiſte der alten Skeptiker, mit
befonderer: Anwendung auf die neuere Geſtalt den Phi⸗
loſophie; endlich über wurde aus dem Staudpuncte
des Empirismus eine eigenthamliche Anficht entwik⸗
lelt, wege aller Specriatlen den Stab brechen ſolte.
Der Athoismuẽ nit unglaude, welcher aus ſeht ver⸗
ſchledenen Gruͤnden und in mannigfaltigen Geſtalten ſeine
Vertheidiger fand, und durch den Mangel des wahren Ge⸗
haltes und Grundes des menſchlichen Wiffens, durch den
immer mehr fich ausbreitenden empiriſchen Gefichtspunct,
durch die Erweiterung der Naturwiſſenſchaft ſcheinbar be⸗
günftiget wurde, veranlaßte einen. Verſuch, durch Idea-
lismus die Religlon zu retten, der bey allem Scharf⸗
finn, dennoch die Vernunft nicht befriedigen Tonnte,
fondern fie in noch größere Schwierigkeiten verwidelte,
' Wir werden num dieſe verſchiebenen Richtungen
nach einander darftellen, indem. wir von Rode auöges
ben: denn dieſer fehte fich beim Carteſtanismus entges
gen und geb dem Philofophiren eine eigne Geſtait;
Leibnitz aber fehte fich diefer Art des Philoſophirens
ehtgegen, und. an biefe beiden Männer ſchließen fich
alle die verfchiedenen philoſophiſchen Verſuche an, wel⸗
te den Inhalt Bieter Beitperiode ansmachen, und nach
und
u:
6 Ciesentes Hair - Ei an. "Drittes dibſchn.
.
amd Pr eine große Rerbiatien⸗ in dene Deutſoſtem
———— baben. ie ee
Johatun Lode war im Auguſt 1032 zu Wrings
tor, ‚einige Meilen von Briſtol geboren. Nachdem en -
den Elementaruuterricht in der. Schule zu Weſtminſter
u erhalten hatte, kam er 1651 in das Chriſt⸗ Church⸗
Eollegium zu, Oxfort. Die Atiſtoteliſch-ſcholaſtiſche
Philoſophiewelche damals auf Unlverſitaͤten Miehrt
wurde, Aoypte than nicht gefallen, . Die unverſtaͤndliche
i Terminologie und die. Menge von autzloſen Unterſu⸗
chungen, mit welchen ſie angefuͤlt war, verleidetr ihn
das ganze Studium der Philoſophte und ſchlug ſeinen
Muth nieder, indem er feinem befcränkten Verftande
bie Schuld des Nichtverſtehens beimaß, wiewahl er
von den Studenten ar Bor : fäblafe, ‚Kopf. unter ihnen‘.
ſehr geihägt wurbe, A den Öffentlichen Dispu⸗
. tationen, welche nach ns jener Zeit fehr ger
wöhnli waren, nahm. er feinen heil, weil er ſie
"für untauglich hielt, die Wahrheit ju eutdecken, und
‚dur Zankſucht und Eitefleit das. Triebwerk derfelben
fen. Er beflagte daher’gar fehr das Ungluͤck, daß er
keine zwedmäßigen Lehranſtalten befuchen konnte, und
keinen Lehrer gefunden hatte, ber durch feinen: hellen
Verftand feinen Geift auf eine zwedinfäßige Weife bes
ſchaͤftigte. Die Folge davon war, daß er · ſich wenig
um Philoſophie bekuͤmmerte, ſoudern ſich mit einigen
Freunden zu einem unterhaltenden Briefwechſel „über
allerley Gegenſtaͤnde vereinigte, Wohlthaͤtig war es
fuͤr ihn, daß er die Schriften des Carteſius zu leſen
bekam. Hierdurch fühlte ſich fein Geiſt wieder etwas
gehoben, denn er fand hier einen Denker, der ſeine
Sedanten wit Klarheit auszudruͤcken wußte und dadurch
— ihm
x
—— Sote. Bee 7
im. auch verſtaͤndlich wurde. & ſchloß daraus, Daß .
es die Schuld der Verfafter und wicht feines. Verſtan⸗
des gewefen, wenn- ibm saubere philoſophiſche Werke,
unverftändlich geblieben. Diefe Klarheit ‚gefiel ihm.
an diefer Philofopha ſehr, ſo wenig er. auch ‘fonf als:
len Sätzen derſelben beiftinmpte, Er gewann dadurch
wieder einigen Geſchmack an Philoſophie, wählte.-
jedoch die Mediein zu ſeinem ſtudium, woriner,
es weit brachte, wiewobi er: feiner ſchwaͤchlichen Ge⸗
ſundheit wegen, - nie praftifcher Arzt werden wolite.
Am J. 1665 wunde er Vaccalaureus und 168 Mas,
x
She der Künſſfſe. ———
gach einer Reife nach: Deutſchloud im, Ps ion,
ee: er als Secretair das mgkifchen Gefendten an:
den Ar denhurgiſchen Hof machte, aber nur: ein. Jahr,
dauerte, zuuirbe er mit, dem · Lord Anton Aſhley, nach ⸗
berigem Srafen von haftesbury und Graßkanzlar Tue,
ter Karl V. belannt, uud, Es entſtand Durch. gegenfels:
tige. Achtung eine Freundſchact, meihe: nur: Der Ted:
tree bonutt. Einen großen Thell feines Lebens
brachte Locke, feine Reiſen ausgenommen, in dem
Hauſe: dieſes Staatsmanns pon großen, Einſichten, J
Verdienſten und edlem · Charalter zu. Trey yvnn allen,
Sorgen, im Umgange mit ben, ausgezeichnetſten Man⸗
nern, konnte er feinen · Verſtand I ausbilben,. :
Die eintvägliche Stelle, die ihm fein: Gönner. verfchaffs
te, feſſelte ihn an das öffentliche Leben, möhrend, fein
denlender Geiſt in. das JImwere der Wiffenfchaft einzu⸗
dringen ſtrebte. Jene Verbindung mit der Welt war
mohlthätig, daß. er nicht die Vorurtheile der Schule
einſog, daß er die Pebanterel,, vie falſche Subtilitaͤt
und die Sucht, durch Unverſtaͤndlichteit den Ruhm. ei⸗
mes Tiefdenkers zu erlangen haßte, daß er ſich zu eis
mer frelern und: ricptigern ‚Unficht: in ———
j 8 Cirsentes Haupt; Erſte Abth. Dritter Abſchn.
Gegenftännen erhob; ' aber-”fie- Wirte doch auch wies:
verun flörend ein, -indent fie ihnꝰ in zu viele Dinge;
verflocht zerſtreute und eben dadurch dad tiefere Cru .'
faſſen und“ das. Erfhöpfen der Gegenftände verhinder⸗
te. Huch müßten die Relen, welche Lode nach Fränk⸗
reich machte, und Nachher. fein Aufenthalt in Holland,
da er, nachdem der Grgf van Shaftesbuty in Ungtias-
de gefallen· war, deuſelben 1082 in fen freiwilliges
Exit beleitete, der mgaug mit "Gelehrten von andern
Anſichten md. Geſichtspuncten, mit Aerzten, Theolo⸗
gen--und-Staatömännern, ebenfalls. von wohlthaͤtigen
Solgen für feinen Geift ſeyn. Die Aerzte Quece⸗
Ion, Beten, die Theologen Limborgh und fe &lerc
wären. diejenlgen, init: welchen Loife in den freuuds
ſchaftlichſten Werhälsniffen lebte. Nach mehreren Uns’
- "anmehmikhbeiten, weiche. ihm die falfchen Seßhuldie
gungen, der Höfpartei zuzogen, nachdem er. felbft eitlis
ge Fadıs‘ Hindurch. feinen Anfenchalt zu verbergen ges
noͤthlget war/ aus Furcht, als Theilnehmer des Grafen
Monmouth verhaftet zu werden, genoß er endlich das
Giuͤck, wieder in Sicherheit und Zreiheit zu leben,
und: kehrte felbit nach der. Staatsumwaͤlzung im, F.
1688 in fein. Waterfand zuruͤck im J. 1689. Den größe "
ten Theil feines Lebens’ brachte er auf einem Lande
haufe des Hen. Masham, der die Tochter des berähes
ehelranher Hatte, zu, weil die ſchwind⸗
‚ fächtige Beſc -feines Leibes die Stadtluft nicht
verttagen: :fonnte, Nur zuweilen, wenn die Gefchäfte
feines" Amtes, als Mitgliedes bes Collegiums des Han⸗
dels und der Eolonieen, es erfoderten, ging er auf eis
nige Zeit: nach Kondom. Da aber feine Kräfte abnatz⸗
men, legte er diefe einträgliche Stelle freiwillig nieder,
ungeachtet: et ‘die Einkünfte ohne die geringfte, Arbeit.
haͤrte behalten koͤnnen. Er ftarb den 28. October 1704 an
der er Lungenſchwindſucht, zu weicher ſchon in feiner Allem
end
Seele... > 9
m
Sagend ſich der Reim gebildet Hatte, in völligen Ber
wußtſeyn, mit. chriftlicher Ergebung, . nachdem ver die , \
teten Jahre ſich einzig wit, der "Segtüre der Vibel in
ſchaftigt Hatte ?).,
Locke war ein Mann von einem ſehr edlen PR
rakter. Er achtete Wahrbeit, Tugend und Recht uͤber
alles, nahm ‚darin alles viel genauer, als es gewöhne,
lich geſchieht, und liebte die Menfchen uneigennikig;
er war entfernt: von allem Neide, und dienfifertig, ge,
fällig, mildthaͤtig gegen die Armen, hoͤflich und einnebs
end in, den geſellſchaftlichen Unterhaltungen und.
wahrhaft fromm. Die Wahrheit ſachte er aufrichtig,
ohne Eittldeit. und Mechthaberei; er ſprach germ mit
ailen, ut ſuchte in den Geſprächen mit Perfonen: vyn
verſchiedenen Staͤnden, mit Gelehrten, Kuͤnſtlern, Pros,
feſſioniſten Ameueruns —* Keuntniſſe. Darum ber,
gegnete⸗
Die Haup quelle fr das "Beben. dieſes Philoſopheu
it das Eloge histgrique, welches Jean le Clerc
-in: dem 6. Bande feiner'Biblioihöque chaisie geger:
ben hät. : @&6 gränder ſich daſſelbe auf die Kenne j
“ niffe, welche 'Elere. von.:und durch Locke feloft, waͤd⸗
>. zend feines. Aufenthalts in Amferdam, und auf die,
"Nachrichten, welche derfelde von dem Grafen „von
‚Spaftesbury und der Frau Masham erhal -
sen hatte. Diefes Eloge ti dann and in dem crr
. fen Bande der oeuvres diverses des Locke wieder
abgedruckt, auch dem Attitel in dem. Dictionmaire:
des „Chaufapie.zum Grunde gelegt werden. ‚Eine,
deutſche Ucberfegung davon .findet ſich in dem dien
Stucke der Actorum Philosophorum, ‚Leben.
and Schriften des Enaländers Zube Los
@e, Kalle 1720. 1755: 3. iſt wahrſcheinlich ebens
- falls eine Ueberfegung derfelben Schrift. Ob bie
von Pierre Eofte der zweiten Auflage feiner Ue⸗
besfegung des Lockiſchen Haustwertes beigefügte Les
bensbefgreibung eine eigne ‚Arbeit fey, und worin
Beh kann ich nicht augeben.
10 Siebentes Hauptft: Eiſte Abth. Dritter Abſchn.
Er chatte er der Matt nicht ſowehl ein vorzig⸗
gegnete. ei Jedermann mit Mhtnng;; miht.bios ans.
Ktugheit, ſondern · aus-pfliiht,- und weil er ſo frei von
Aiwandelung des Dtotzes War, daß er ſich keines ber
uches · Talent zum Ergrnven und Erforſchen, als viel⸗
»ein reges Reflexisnsvermoͤgen erhalten, uud dieſelben
miete „chen heilen Berftend, Heineh‘ ſcharfen Blick und
die Welt, durch gie Lectüre forgfäftig ausgebil⸗
ver. Sein. ſititzcher Sinn, fein. reines Jutereſſe für -
die. Wahrheit , fein ruhiges , m Affecten ind Leidens
"fünften nicht heherrſchtes Gemüth, die Mäzime, nicht
won. der Herrſchaft "der Mode und ber Auctorisät ab»
Yängig zu fen, fondern · die Wahrheit ſelbſt zu erfor⸗
ſchen / und das Fuͤrwahrhalten nur vurch die. ſelbſt ge⸗
worinene Einſicht zw. befttinmen, fo mie endlich der eige
ne freie Stand, daß.er Fein actived Mitglieb, einer
Lehranflakt war, und bei einem regen · Imereſſe für die
Philoſophie, ald Wiſſenſchaft, vor feinem Vorurtheil und
vorgefaßter Anſicht in dem Forſchen und Urtheilen bes
{hränft wurde, waren von vdrtheilhaftem Einfluß auf.
Stseben, und ſicherten den Era
{ein wiſſcuſchaftliches ä
foig deſſelben, wenn ed. auch durch den Grad ſeiner
BEE SE SEE ge GE x gzeiſtigen
Wean fehe die Schiderung in le‘ Clerc Eloge p.
SLXXXVIL "Das Epitaphium iſt am Ende deſſel⸗
ben..zu leſen. “ nn
nn E Loden > _ Rene}:
geiſtigen Kraft, in Anſehang des Un und u
Tiefe unvolllonmen blieb.
Sein Geiſt hatte aber durch die Sefipaffenheit vu ,
damaligen Studirmerhode hauptſächlich die Richtung
auf” das Nuͤtzliche, der Menſchheie Erſptießliche genome
men. Denn nur darum war elt entſchiedener Wider⸗
mwille gegen die ſcholaſtiſche Philoſophie ir in ihm entſtanden,
weil er fi. überzeugt hielt, daß ſie aus leeren Begriffen
beſtehe, und auf · nutzloſe Streitigkeiten führe, welhe
für die Wiſſeuſchaft, und foiglich auch fuͤr die Menſch-
deit, Keinen Gewinn bringen. Darum verachtete ‘er alle
„fireitfüchtige Gelehrte, bloße Kritiker und Philoiogen,
welche uͤber einzelne, Worte und Medensarten viel Zeit
verſchwenden. Die Müdfiht auf das Gemeinbeſte
- wurde daher die: Hauptidee, werche feine. geiſtige · Thaͤ⸗
tigkeit beftimmte, und fie ntacht bie Haupttendenz als
ler feiner Schriften aus, ‘durch welchs ſich dieſer Den⸗
ker ein ewls uennde rinal geſtiftet hat ©). Aber
beſon⸗
9 Die Hauptſchriften dee Rode, mit Aebergthung meh⸗
rerer "Heiner Abhandlungen, z. B. uͤber die Toles
ran, feines Buches über.die Vernunftmaͤßigkeit des
Chriſten ihumo, und ige: politiſchen Schriften, find
Die beiden Werke, . über den menfhligen Vers
Rand. uud, die Erzichung. Das erſte erſchien
unter dem Tel: An essay, soncerning human un-
derstanding in. four books, zuerſt in London 1690
. in Folio. , Mehrere Yuflagen, welche davon. während -
des. Lebens und nach dem’ Tode des Werfaffers in
Ooetav gemadt wurden (169%. 1697. 1700, 1705;
die zehnte Auflage in zwei Dctaubänden it nom J.
- 1931) und die vielen Weberfegungen in andere Spras
- w beweifen den ‚großen Veifoll „. mit welchem dies
Wert aufgenon men. worden. Die frangöjifche
" ‚Ueberfegung: "Essay Philosophique concernant IP’
entendement kumain, olı l'on montre, quelle est
Yetendue de .nos eonnoistanges, ceriaines et la
ma-
2 B . ' \
“u B B b
| 12 Sister Haupt. Ste Abth. Dritter Abſchn.
beſonders wichtig war fein Werk. Äber den inenſchlichen
Verſtand, indem er durch eine Erforſchung ber Gründe
J unſes "
maniere, dont nous y parvenons; traduit de VAn-
sglois, de Mr. Locke, par Mr. Coste syr la qua-
trieme edition revue, corrigee et angmentee par
Y’auteur. Amsterdanı 3700. 4; hat durch die‘ Mits
“wirkung des Verfaſſers im - Anſehung der Klacheit.
und Beſtimmtheit des Ausdrucke felbft Worzüge vor.
‚dem Driginale, ‚Die zweite Ausgabe vom 'S.: 1729
iſt noch mehr .gefeile, nach den kritiſchen Bemerkun⸗
gen des Barbehrac verbefleri und durch mande wich⸗
tige Zufäge des Verfaſſers, welche ſich erft nach feis.
= nem Tode fanden, beteikhert worden. Die fünfte
7 Auflage erſchien ſchon bavon im: J. 1750. ‚Die las
teiniſche Ueberfegung von Bursidge Job; Lockü
. „armigeri libri IV Ae intellectu ‚humana, London
. ızoı fol. Leipzig 1709. 8. Amfierdam 1729, iſt von
geringem Werihe, beſſer aber die von Gotthelf
SHeinrid Thiele zu Being 1731. 8. veranftals :
tete. Ins Deutſche iſt dieſes Wert von H. Engel
> hard Poley mit Anmerkungen, Altenburg 1787.
4. von Glo. A. Tittel, Mannheim i791. 8, und
Tennemann keipjig 1795 — 97 3 Thle. 8. übers
ſetzt worden. ine Hollandiſche Uebeefetzung, nach
‚bee. Franzoͤſiſchen des Coſte, etſchien zu Amſterdam
1736. 4. 2 Thle. Wynne, Bifhof von Bath,
+7 machte einen englifhen Auszug aus dem Werke, wels
‚her den Beifali des Werfaflers. enhielt und mehrs
mals aufgelegt, aud ins Franzoͤſiſche: abrögs de 1’
essai de Mr. Lpcke sor Dentendement humain,
-tradait de l’Anglois par Mr, Bosset. Londres
ı 2720. 8.. Überfogt ware, — Treffliche Ideen über
die Erziehung enthalten feine Thoughts am educa--
‚ion. London 1693. Diefes Wert wurde bald nach
feineni Erſcheinen 1694. 1698, und mit Zufäge nach
tem Tode, des‘ Wertaffers wieder "aufgelegt. Cine
neue Ausgabe wurde im 3. 1732 gedruckt. Toſte übers
ſetzte es ind Franzoͤſiſche, wovon die Abdrüde eben⸗
falls oft, als 1705. 1708. 1721 zu Amfterdam und
J zu
— Ad . “ .
Soden “ 48
AP
res Borflelend. den Untfang unferer Eekeantuig zu PR
fimmen. und alle nichtige, vergebliche Specufation abs
zuſchneiden fuchte. Durch diefe Unterfuchung, deren
Neuheit die. Driginalität feines denkenden Geiſtes ber
urkundet, hoffte er dem menfchlichen Gefchlecht einen
weſentlichen Dienft zu leiſten. Darin hat- er fih auch
- nicht geirret. Denn jene Unterſuchuig war ber Anfang ,
einer ueuen Anſicht und Methode, welche in der Folge
ſehr einflußreich geworden iſt.
Die Geſchichte der Entſtehung dieſes Werkes, wie
fie Locke ſelbſt in der Vorrede erzaͤhlt, iſt lehrreich und
- wichtig “für die: Veurtheilung deſſeiben nach ſeiner
deſqaſcyhen und ſeinen Beisen. Fünf bis ſechs ſei⸗
ner·
zu Paris erneuert wurden. Wir haben davon eine
deutfche Ueberjegung, von €. 8. G. Rudolphi,'
Vraunfchweig 1788. 8. und eine andere: Hannover
1792. 8., wovon die grftere in da Tampeſche Re⸗
vifioneiwerf aufgenommen wurde. In den postus
mous Werks of J.. Locke, welche zu. London 1706.
erfhienen, und zum Theil in franzoſiſcher Ueberſez⸗
ung von Jean le Clerc zu Rotterdam unter dem
itel! Oeuvres ‘diverses de Mr. Locke 1710 und ı°
Amſterdam 1732. 5. 2 Bde, herausgegeben worden,
finden fid) mehrere philoſophiſche Abhandlungen,
i. B. der Brief aber die Toleranz, die Abhandlung“
" Über. die Latung des Verſtandes Prüfung der Mas
lebrancheſchen Behauptung, daß wir alles in Gore
fehen, Briefe zwiſchen Lode und Limborgh über die °
Freiheit. Die fämmilihen Werke des Lore erſchie⸗
‘nen. zu Eondon 1714 in drei Zoliobänden, woron
die dritte Auflage 1727 herauskam. In dieſer
Sammlımg find aber die Nuffäge, welche unter dem
Zitel: Collection of several ‚pieces of J. Locke
London 1720. 8. zufammen gedruckt worden, nicht
mit begriffen. Es befinden. ſich ‚darin noch Bemer⸗
‚tungen über Norris Scheiften, der die Anſicht deo
Walebranche von- det Erkenntniß verthennczie und
Vinndſate der Naturphiloſophie.
277 Siebentes Haupt PAR Abth. Dritter Stan.
niet Freunde” verfarmnelten 673 bei · ihm im 3. 1670
und ſprachen über einen von den Unterſuchungen die⸗
ſes Werkes weit entfernten Gegenſtand. Durch Schwies
tigfeiten fanden ſie fich bald fo in die Enge getrieben,
ru; fie nicht weiter kounten. In dieſer augenblidtis
chen Verlegenheit, nach vielem vergeblichen Bemuůhun⸗
gen, die Zweifel aufzulöfen, kam Locke auf den Geban⸗
ken, daß man ſich auf einem unrechten Wege
befinde; es fey vor allem nöthig, che man -
ſich in irgend eine Unterſuchung der Art
einlaffe, den Umfang. unferes. Erkenntuniße
Vermögens zu unterfuhen, und zu erfor
fhen, mit welchen Gegenfländen fih unfer .
Berftand beſchaͤftigen kaun, und welche ihm
unangemeffen find »). Dieſe Bemerkung fand
bei dir Berſammlung allgemeinen Beifall, und man
"Fam überein, darauf die nächftfofgenden Unterfuchuns
gen zu richten. Einige, noch rohe Gedanken über dies
fen Gegenftand, über den er noch nie nachgedacht hatz
te, brachte et eilig zu Papier, fo wie fie ihm einfie-
len, um fie feinen Freunden bei der nächften Zuſam⸗
menkunft zu zeigen; er feßte fie von Zeit zu Zeit nach
" manchen Unterbrechungen in abgeriſſenen Theilen fort,
und brachte fie in- Mußeflunden in Orbnung. Er ‚gab
dent Wunſch feiner .Greunde nach, und gab fie fo, wie ,
fie befchaffen waren, heraus, weil er glaubte, daß fie
dem Publicum nützlich ſeyn wuͤrden.
Diefes
J 6) Prefage de Mr. Locke, Après nous ötre fatiguds
quelque .tems sam nous trouver plus en stat de
" . resoudre fes doutes qui nous embarrassoient, il
me vint dans, l’esprit gue nous preions un
mauvgis chemin; et qwavant. que. de mous en-
'gager dans ces sortes de vecherchtn, il etoit
necessaine d’examiner notre propre capacit⸗ et
de voir, avec quels objets motre entendemient
Peut.ou ne peut avoir & Faire .
: ode. Aintefußungen, liber den ni Verfiond, a
Diefes Bent entſprach dutchaus dem Vegriff von”
vn Wefen der Philoſophie, welcher fich in ihm gebu⸗
det hatte. So wie ef Klarheit:und Deutlichkeir fuͤr
eine weſentliche Eigenſchaft des wahren Philoſophie er "
Härte, und in der Dunkeiheit und Verworreuheit durch
den Gebrauch leerer, unverſtaͤndlicher Worte. nur die
Spuren der Eitelkeit und Schlupfwinkel der Unwiſſen.
heit fand, weiche den Schein des Willens erringen
wii, dücdy welche falfcpe'Wege die Philofophie, °.
die nichts anderes iſt, als wahre Erkenutniß der
Dinge, and’ den Kreife gebifveter Menfchen verbarmt
worden ;. ſo war fein Hauptſtreben, in diefem Werke
eine klare uud verftändliche Yuficht von dem Urfprane
ge, dern Wefen und Umfange der menſchlichen Erkennt⸗
niß zw geben, und die Blendwerke “der fophiftiichen .
Kunft und der ſelbſtgeniachten Syſteme · ber‘ Philofos
wie zu zerflösen. Die wahre Phiioſophie haͤtte weit
groͤßere Fortſchritte gemacht, wenn die geiſtvollen Maͤn⸗
zer vom reger⸗Thaͤtigkeit, die ihre Beſtrebungen derſel⸗
ben widmeten, nicht burch ben. gelehrten, aber frivolen ,
Gebrauch barbarifcher, affectirtet und unverftändlicher -
Worte,’ die man in die Wiſſenſchaft eingeführt und
woraus man’ eine Kunft gemacht hätte, wären verwir⸗
det worden. Es gibt‘ einen. falichen. Gebrauch der
.. Worte, durch "welchen man fich und andere taͤuſcht,
und es ift ein Gewinn für die Wiſſenſchaft, diefes.
Heiligtum der Eitelkeit und Unwiſſenheit zu zerſtoͤren.
und den Boden ber Wiſſenſchaſt durch Wegſchafung
ber Brabfeine zu fäubern ©),
Bao
9 Prefaen. C'est un assez grand honneur. que ©
tere employ€ en qualit6 de simple. ourtier ä
nettöyer ün pen.le'terrain et d-ecarter une part
- ie des vieilles ruines qui se rencontr&nt dens le
ehsınin de la sonnoimance, qui sans doute au-
N... rolf
— u
16 Giebentes Hauptft. Erſte Abth. Dritter Abſchn.
Voato hatte ſchon dielelbe Anficht von deni wiſfen-⸗
ſchaftlichen Erkennen gehabt. Er beſchränkte daſſelbe
auf das‘ Nützliche und Brauchbare, uud ſuchte durch
Verbannung des Nichtigen, Inhaltsleeren das Gebiet
deſſelben zu reinigen, Ein beſtimmter Begriff von Phi⸗
loſophie, als Vernunftwiflenfhaft, war ihm bei feinem,
Denten“nicht gegenwärtig, und er. Tieß: den Urſprung
ber Vorſtellungen und EHenntnifie dabei noch: unente
schieden, wenn er gleich für den. empirifchen. Urfprung
geneigt war, Auch Locke hatte nur ‚einen unbeſtimm⸗
sen Begriff von Philoſophie. Daß fie wahre Erkennt
niß der Dinge ſey, war zu: ein wahres, aber doch
noch
roit fait de plus grands ‚progrös, dans le monde,
‚si les recherches. de bien des gens pleins d’.
‘ esprit et lahorieux n’eussent &16 embarrassees
run sayant, mais friyole usage de termes har-
res, affectez et initelliib bien, qu’on a im
troduit dans. les ‘sciences, et qu'on & reduit en
'ast, de sorte que la philosophie; qui'n'mt autre
chose que la verisable commoissauce des choses,
adıs jugee indigne on incapable ‚d’&tre admise
dans les conversations des gens polis et bien ele-
vez. ya si long temps que Vabus ün lan-
gage et certäines facons de parler. vapues et de
nul sens pasbent pour des mystöres.de geience,
ot que de grands mots ou des termes.mal ap-
pliquez signifient fort peu de chHose, ou qui
ne Fa "absolument rien, se sont acquis,
par prescription, un tel droit de passer fausse- ö
ment pour le’ savoir Is plus profönd’et le. plus -
abstrus, qwil ne sera pas facile de persuader &
ceux qui parlent ce language, ou qui benten-
dent parler, que ce ‚n'est autre chose qu’un mo»
yen de couvrir ‚Pignorance et d’arröter le „pro-
gr&s de la vraye connoissance. Ainsi je: m’ima-
‚gine äue ce cera rendre service a l’entendement
humain, de faise quelque bröche .& ce sanctuai-
vo dignorance et de venitd.
>
x —
Lode'e Unterſuchungen über vi Wetſtand. 17
och unbeſtimmtes und zum Unterſchelden derſelben von
andern ¶Wiſſenſchaften, die doch and) Anſpruch auf
Wahrheit machen, ungareichenbos Merkmal, - Diefer
Unbeftimmiheis.twrgen. ging foln Fotſchen mehr auf Ein |
Benutniß überhaupt, wogu auch Phitofophle gehört; und -
war. insbeſondere. auf· den Umfang der wahren, idutch
Beſtimiming ‚des ‚Umfangs des Wrkenuinißoermoͤgense
Der Gedanke, die Grenze ver meuſchlichen· Etkeuntniß
durch Ausınefung: feines Dernsögenkigucbeftitimen, war
ein’nener und eines originalen Denkers Ardiger-Ges
banke, der,.wenn. er auch nicht wwit"alltr- erfoderlichen
Sruͤudlichkeit ausgeführt wärde, und unmittelbar nicht
den folgenreichen Einfluß hatte,-der, ‚fih erwarten ließ,
doch am ſich und in feinen enfferufern’Anfgen hoc eine
bebeutende Megehenpeis ‚auf; bei Gebiete, der Phliofor
phie dleibt. Es ‚pranıder Wendemiert ned Bogmarids,
- mus und der Aufang · einet u
Verſtand zuerſt. äh it .
ann ER RAin Bo ie
be, che er ſich herausnehme, ber die Oluecte zuiente
ſcheiden. ¶ Diefe: Solbſterlenutniß ·won · dem Ertennen,
den Gruͤndendent Gtade der Urberzengung Miche
diduich gewollnen wind ‚und‘ "sun Dei Nchfänge! des
Erlennenẽ nach ‚Den Meriyögen deb Verliaubeh, ‚niener
dazu, einen Fchrin Gebminch nun, kem SErhmungwigvers
mögen zumachen; anb:bieQibwege der Trägpeley der
Vermeffenheit und des grumbiuftnsäwehfeld HP Yerknein
er al amlancose dieſe
Wy Tocke; "Ambipreyos q . Mi en rnkhant
[7 2000 77 WE Phil. (7 Pe Be M.
\
"48. Giebentes Son. Grein: Site ahicn
dieſe Gedanken von: ser Met hmandigteit der Seibſter⸗
Lenntniß, ‚non den Grenzen der Erkenntniß, von der
Beziehung derſelben auf die Bekimmung des Meufchen
find, fo wichtig’ war auch der pſychelogiſche Seſichta
punct, aus · weichem · die ſer Drake dieſe ——
.. an aufkaßte vnd fartfuͤhrte. Er uahm: fi vor, den
Verftann durch den Werftaudngu'erforfchen,, durd) bloße
Reſiexion auf das Bewußtſeyn, mit Eutftrnung alt
fperufasigen Rädficheen- auf · das· metaphvſiſche Aeſen
der Seele, auf die phyſioiogaiſchen Hypotheſen von: dem
guneien der Merfielmngen ®)L . Dierwenigfien Race
Du -ı folges
dement selon, cette, methods,
‚decouyrir, güelles” sönt, ses principales,
pröptiet6s;; quelle en 'est Tetenduez ce qui‘
est de Mur” sölttpetence y: jucques -& quel dege&
‚elles, puneMt nous aider ;a;tronver: ja verite, et'
*257 —F leur Ba DR ;ApUF mangyer;;
En
‚tette "Actirit Frimoderee: ei
preuils gards avccTpins de’
x \ iron om que ons. wanöns. secoutumid de;
el
ayons port& nos ER g
porn’ ode sin soybns"Lapablei He’
vouloir'Bieh Tgnidter te yue nous"
8) Day; Hua projas:
v possteniPifsickndiexanineria nateriedel’sımie.u-3
"een —— ot inoriev a ava vaint:cei
ne Je Ja Re
im’engageräi!
Far a KR et
! a Er — potx Te’ —S "que ai
presentement en, vde, d’examiner les differentes
kaquliez * ‚gpnagitre, ‚qui se‘ roccontreat · dena
de Php
Sode's Unterſuchungen üb; d. menſchl Berſtand. 29
folger des Lode Haben ſich ſo, wie ·er, inuerhalb der
Grenzen der Reflexion. erhalten tunen. .
Diefe‘ pſychologiſch ⸗ philoſophiſche Vetrachtung des
Erkenutnißvermogeus beſteht aus vier Theilen. Zuerſt
unterſucht Locke den Urſprung der BVorftellune
den; indem er thelis -eine — Vorſtellung davon
beſtreitet, theils den nach ſeiner Unſicht wahren · Ur⸗
ſprung in das Licht fest. ‚Hiermit befchäftigen ſich de
yoei erften Bücher, ı wovon das erfte von den aitgebors
hen Ideen ‚handelt, welche Locke teugnet, das zweite aber
die Entſtehung aller "Worffeilungen aus dem Sinn und
aus ber Reflerion nachweiſet. "Zweitens wird’ die
Sorache und die Verbindung der Worte und
Vorftelfungen betrachtet,“ weil fie in einer; hahen
Aufammenhange shit dem Erkennen fieht, und To viel
- Einfluß auf manche Arten‘ der Erkenntniß ſowohl "an
ſich als deren Wahrheit und Falſchheit
wurde darch die in den beiden erften Bildern’ angefan⸗
genen unterſuchungen erſt aufmerkſam auf
fammenhang/ und ſchob dieſe Wnterfuchu
dritten Buche ein. "Sn dem vierten Buche endtich wird
der Gebrauch, welchen ‘der Verſtand von dtefeh Vor⸗
ſtelluugen macht, die Erfenn tniß, wilde er durch
F 8 2, bie
Yhotamey:e en tant qu’elles agissent sur ‚les: divers
objets qui, sp presentent · a son..esprjt: et.je..crois
gu je n’aurai. pas tout-ä- „fait. ‚perda men temps;
liter sur cette matier ‚ si_en examinant.pig
Ä pie; d'une manier& cläire ea historique töutes
exa fadultez de notre"esprit. je puis fäire voir en
quelque ‘sorte: par quels-'moyens notre” entende-
ment 'vient à se forıner les iddes quil a des:cho--
ses, et que je puisse marquer les bornes. de la
esrtitudg de nos „SOnnoissances, et les fondemens
des opinions qu'on voit zegner. parmi les hom-
a: ö BE a .7
20° Eisbentes Hauptſi. Enke Abit. Oritter abſchn.
die Worftellungen erwirbt, deren Bahrbeit, Ei ,
benz, Umfang und das Fuͤrwahrhalten nach
deſſen Gründen und ‚Graden unterſucht.
Zu dem erſten Buche bereitete ſich Locke feine
Unterſuchung durch Widerlegung der angebornen Ideen
vor. Die augebocnen Ideen hatten bei den Griechen
an Pate einen Verteidiger von „großem, Yufehen ges
funden, und manche Phitofophen“ hätten fi wobl niche
‚ohne Enfluß einer foldyer — dafür erllaͤrt. In
den neuen Zeiten wurde biefe oraugfegung, nai dert
fie durch die Ariftotelifche Philoſophie diemlich ar
Schulen verdrängt worden, wieder. durch Carteſi us Fang
deffen zahlreiche Schule, ſo wie durch einige Andere
verbreitet. Es ‚lag in diefen beiden eutgegengeſetzten
Vopoidelen die Grundidee eined doppelten philoſophi⸗
ſchen Soſtems, deſſen Wahrheit von den Linhaͤngern
uͤnd Gegnern gegenfeitig hehauptet und, beſtritten wur \
de; aber eb war doch keinem Phitofophen, ber in dies
fen Streite. Partei ‚genommen. hatte, gelungen, feine
Behauptung auf, unleugbäre Grundfäge, zurüdzufühs
zen uub aus. der Natur des Erkenninifvermögens abs
zuleiten. „Beide Behauptungen kounten bis hieher nur
als Hypotheſen gelten, welche zur Ertlaͤrung gewiſſer
Erſcheinungen von einer Seite gebraucht wurden, und
die etſie war noch außerdem In ein gewiſſes Dunkel
gehůllt und dem Mißverſtehen nur zu ſehr ausgeſetzt,
dagegen ‘bie andere ſich durch eine gewiſſe naräittiche
Einfalt "anpfahl uud anf geioiffen Erfahrungen zu bes
ruhen feien Es war natürlich, daß. unſer Denker,
der die Klarheit und Deutlichleit über alles ſchaͤtzte,
und alles Dankle, Unverſtaͤndliche, was auf feinen as
ren Begriffen beruhet, als das Haupthinberniß der grös
- Beren‘ Vollkommenheit in den Wiſſenſchaften verwarf⸗
in der kectüre des Garrefianifihen Schriften an der, Lehre
vor
{
2ode's Unterfahungen üb, d. menſchl. Veiſtand. ar
von ungebornen Begriffen, ‚worauf dieſer franzoͤſtſche
Philoſoph fo vieles gebauet harte, ohne ſich über den
Sinn und die Bedeutung diefer Hypotheſe mit feinen Los
fern zu verfläubigen, Anftoß nehmen mußte, und dar⸗
um fie, als ein Hinderniß ſeiner Auſicht, wegzuraͤu⸗
men ſuchte. ‚Much fein Forſchungegeiſt und fein Wider
wille gegen: alled,' was aus bloßer Trägheit und Nach⸗
beterei fihlen entfproffen zu ſeyn, hatte wohl eimen - .'
nicht unbedeutenden Einfluß "auf dieſe Widerlegung.
Hieraus ſowohl, ald aus der Maxime der Lehrer, da
die Prineipe nicht dürfen bezweifelt und unterſucht
- werden, leitete er wirklich diefe Behauptung ab 2),
°
und es macht daher feinem Gefte aus dieſem Geũchts⸗
puncte Ehre, dagegen gekaͤmpft und eben dadurch den
uUnterſuchungsgeiſt aus dem gewoͤhnlichen Schlunmer
gewedt zu haben. Uebrigens aber griff er dieſe Lehre
von’ der Seite an, von welchen fie Leicht über den Hau⸗
fen geworfen werben kann, überging aber dasjenige in
derſeiben, was einen tiefern rund. hat, und wicht fo
leicht widerlegt werden Tann. Es ift merhvärdig, daß
Rode auf bad, was Cudworth von ben angebornen
Sven, beſonders den practiſchen, ‚gefagt hatte, ger.
eine Rücfiht genommen hat, Aber eben: diefe Ark
ver Wiverlegung deckte nicht nur ein Mißverfiäunnig
auf, womit dieſe Lehre behaftet war, fondern u
" di
9) EssaL.1. ch. 3. €. 34. Les hommes ayant
une fols trouv6 .certaines propositions generales,
qu'on.ne sauroit tevoquer en doute, des qu’on
les comprend, je vois bien quo rien n’etoit ‚plus
court et plus aise que de oonclure que cas pro-
positions sont inndes, „Cette conchısion une fois
zegde delivre les paresseuix de la peine de faire
"des. recherches sur tout co qui a &t& deslars in-
ne, et empöche ceux qui doutent, de songer &
"insruire eus= möuch : °
32 Siebentes Häuptfl. Erſte br. Britt Abfhn. j
durch ihre Einſeitigkeit zum Vhderſoruch und zum 2
fern Erſorſchen. wo
Es gibt gewiffe @rundfäge uyb urfprängtice Be
griffe des Verſtandes, gleichſam gewiffe demſelben eins
geprägte, Schriftzuͤge, welche die Seele bei ihrem ers -
fen Dafeyn eı pfänge: und. mit ſich in die Welt bringt.
Die ſpeculat ven und praktiſchen Grundfäge, welche
von allen Menſchen allgemein eingeſtanden werden, ſind
ſolche urſpruͤngliche und unberänderliche Schriftzüge und
Eindrücke, welche ale Menſchen in dem Bewußtſeyn
von dem Anfauge ihres Lebens an haben, und denfels
ben. beiftimmen, — Dieſer Meinung fett Locke zwei
Gruͤnde entgegen. Erftens, die allgemeine Beiftimmung -
beiveife nichts für das Angeborenſeyn diefer Vorſtel⸗
lungen und Grundſaͤtze, wenn man einen andern Weg
aufzeigen kann⸗ wie.die Menſchen zu dieſem allgemeis
nen Fuͤrwahrhaͤten gelangen. Zweitens die allgemeine
Beiſtimmung iſt nicht. allgemein, und es gibt Feis
nen Grundfag, in welchem alle Menfchen allgemein
einftimmig wären, "Denn Kinder, Ungelehrte und Wil⸗
de kennen diefe- Säge gar nicht. und können ihnen folge
lich nicht beiftimmen. Hiermit flveitet aber die Vor⸗
ſtellung/ daß fie angeboren find, Denn es iR ein Wie
berſpruch, oder grenze wenigftend daran, daß eine Wahrs
beit der Seele eingedrüdtt ſey, und daß fie dieſelbe
nicht. appereipire, Eindruͤcken Tann nämlich nichts
anders bedeuten, ald "machen, daß etwas appereipirt
werde, oder im Bewußtſeyn fey. ; Man fucht diefer
" Kolgerung dadurch auszumeichen, daß man fagt: man
ſtimmt diefen Orundfägen bet, fobald man
Gebrauch von feiner Vernunft machen kann.
Allein dieſes kann auf eine doppelte Weiſe verſtanden
werden z.· entiveder. die Menſchen ſtimmen den vorgeb⸗
lich angeborn en Grundfägen bei, Wan he ihrer ker
nun
/
Lodes Unlerfuchungen Kb;d, enſchl Werfiand, 23
nunft wichtig, find; oder der Gebrauch der Bernuift
wacht, daß fier dieſe Grundfäge entdeggen. und erken⸗
nen. Das erſie iſt · unrichtig, denn hei Kindern äußert
ſich die. Vernunft ‚frühe, ohne daß fie ‚irgend einen
Grundfag, z. B. den. des Widerſpruchs, keımen, und
das zweite ſtrejtet mit der Aunahme; denn wenn die
Vernunft, welche das Vermoͤgen if,verborgne Wahrheiten
durch Schluͤſſe ans Grundſaͤtzen abzuleiten, fie entdeckt, ſo
muß fie fchon- Grundſaͤtze haben, und die daraus her⸗
geleiteten Erkenntniſſe find eben :deöiwegen Seine anges
borme, fordere durch den Gebrauch unſerer Kräfte ers .
worbene. Wenn das nicht wäre, .fo müßten alle als ..
geleitete Wahrheiten augeborne fegn 2°), - 2.0.
—— De Auf
10) Essai LiT. ch. 1. 5. 4. Mais, ce qui est bien
pis, la raison qu’on tire ‘da comsentement unie
versel,.-pour -faite vole quil y a des principer
innts,. est, ce me semible, une -preuve demonstra=
. tive quil.a'y a,point de semhlable principe;, parz
ce qwil.n'y,a ‚Saclveme: 7 principe sur,
lequel les hommes #accordent gene:
8. 6. Car greinisrement,, sl est clair. que les en-
faus efles Idiets’n’ont- pin! 14 mieindre idee de
ces priicipes :et' qu'ila n’y: pensent .on’ aucane ,
„„manlexe.. :Ce qui sufht.‚pour delruire ce.cone
.. senterngut universel, que toutes les veritez inndeg-
“ doivent produire, nece: airement, "Car de dire,
quil’y & des vöritez ‚imprimees: dans l’ame qu”
elle nappergoit pourtänt point, c'est, ce me sem-
ble, une veritable conmadicrion, ° ou’ peu e’en fautz
- Tgetion. d’imprismer .ne pouvant marquer autra
chose. (suppose qu'elle signifie quelyue. chose de
reel. en cette zenconire que faire appercevoir,
Certaines“yeritez. Car ‚est, ä mon. sens, bien
diffiele du’ tomprendre, que quölque chose puisse “+
‘öre imprimeo -dans Toms, » sans me. lame Pi
‚pe U. ü
04 Sicbentes Houptſt. Erſte abth. Dritter Ybfän.
Auf dieſe Het“ beleuchtet er die ſpecula tiven
und praktiſchen hier und, da für angeboren ausge⸗
gebyen Grunpfäge nsbefondere „und ſucht theils das
Erſcheinen und Vorkommen derſelben in jedem Bewußt⸗
ſeyn, oder die allgemeine Beiſtimmung durch feine Be⸗
werkungen:zu :widerlegen, ober diefe Merkmale, wor⸗
aus das Angeboreufegn gefolgert worden, aus andern
Sründen - a restiären, fo daß jme golgerung . weg⸗
fällt. ‚Er; behauptet, daß bie theoretiſchen Grund⸗
füge allgemeiner . ‚anerkannt, werden, als. bie, prafs
tifhen; daß die Worftellungen, welche in.jemen ‚rhels
ten find, ‚dufch den äußeren Sinn gegeben werden; daß
die Seele das ‚Bermögen bat, eine Vorſtellung von der
andern zu unterfcheiben, die Identitaͤt und Verſchieden⸗
beit, wahrzunehmen" und in Urtheilen auszufprechen,
daß. hieraus nach und nach aus beſondern Sägen alls
- gemeinere, mer.allgemeinerg entfliehen ; daß alſo
die niedern Br ffe:unp Ustheile früher und allgemeis
"wer bekannt und-gnerfannt werben‘, ald bie allgemeis
mern, und diefednie: für Wenige allgemein auerkanute
Waprheiten find. Gibichwohl iſt es offenbar, daß die
: Gruhbfäge: Mag. 119 das ift, und, 48 iſt ums
woͤglich, daß, eine Sache zugleich fey und
“wicht fep, noch eher für algemein angrlannte Wahre
" beiten. gelten koͤnnen, als irgend ein- praltifcher Sag
and Grundfag. Den jene: find durch ſich ſelbſt eine
Wuchteyd, dieſe aber muͤſſen durch Gründe und Schlüffe
ejwleſen werben, Daher gidt es keinen einzigen Gap,
her. bei. allen Menfchen ohne Ausnahme geltend gefuns
den. wuͤrde, wie die Geſchichte bes. mienfchlichen Ges
ſchlechts bezeuget,” Wirh doch felbft bie Gerechtigkeit
und ‚die Heiligfeit der Verträge war von, vielen Mens
Chen beobachtet, aber doch nicht. yon alien, da Banbir
F
teg,. Straßenräuber,, Diebe fie zwar gegen Ihre .Gefels - " j
wm aber nicht gegen alle übrige Menfcyen erfüllen.
Wären
D
Lode's Unterſuchungen üb. d. menſchl. Werftand, 25
Wären: Wie. angeborne. Foren und Grundfäge, fh
müßten alle Handlungen der Menfchen ihnen entfpres
hen. Es gibt zwar geiniffe angeborne Principe des
Handelns, weiche" einen Immerwährenden Einfluß auf
die Hanylungen haben, und nad) der Veftimmung der
Menſchen fi) bei allen finden, wohin das natärliche
Verlangen vach Gtücfeligkeit und: der natürliche Ab⸗
ſcheu gegen Ciend gehöre. Nach. biefen von der Na⸗
tur eingebrädten Neigungen findet man einige Dinge .
angenehm, ändere unangenehm, begehret jene, "und vers
abfcheuet diefe; daraus läßt: ſich jedoch nichts für das
Daſeyn son angebornen Erkenntnißprincipien beweifen,
welche: als Principe‘ des Handelus unfere Handlungen
wirklich beſtimmen und leiten müßten, Weil es keine
ſolchen gibt, fo müffen alle praktiſche Regeln bewieſen
werden und ihre Wahrheit durch ein höheres Princip
schalten. . Daher finder man fo verſchiedene Autwor⸗
ten,. wenn man nad) den Gründen einer, ſelbſt für "
heilig gehaltenen Pflicht forſcht. Warum ift es Pflicht,
Verträge zu halten? Hierauf gibt der Chriſt, der Ans
haͤnger des Hobbes und ein griechiſcher Philoſoph von
einander ganz abweichende Antworten. Dieſe Verſchie⸗
denheit in den Meinungen uͤher Pflichten und deren -
Gründe iſt ein einleuchtender Grund gegen bie ange⸗
bornen praktiſchen Gruͤnde. Und fo Hua auch mit
- ber Billigung wird Huldigung, welche beit praktiſchen
Wahrheiten gegeben wird. Der wahre Grund. hinferer
Pflichten if Gottes Dofeyn, der Mille und das Geſetz
Gottes, daß er Tugend und Gluͤckſeligkeit in einen uns -
‚gertrennlichen Zuſammenhang gebracht hat und bie
Ausuͤbung der Tugend nothwendig für bie Crhaftung _
bes menfchlichen Geſchlechts und vertheffpaft fir alle
„gute Menfchen gemacht Hat, in Verbindung mit dem
Gehorſam, den wir dem, höchften Weſen ſchuldig find.
Die Anerkennung diefer Regeln, als heiligen; kauu da⸗
5 J on her
6 Cieenis Hauptſt. Erſte Abth. Dritter —
her eben, ſowehi aus innerer Ueberzeugugg als aus
ntereſe entfpringen. ‚Die äußere Zuftimmung in Wors
ten beweifet alfo, nichts ‚für das ‚Ungeborenfepn dieſer
Grundſatze/ ja nicht einmal das. Factuin, daß die Mens -
ſchen diefe Regeln,. ald „beitige Vorſchriften für. ihre
Handlungen, - in ihrem Innern anerkennen. Denn wenn
auch einige Meufchen, durch ihr beſonderes Intereſſe
. und den Wohlſtand beftimmt,, ſich an dieſe Regeln Aus
Gerlich binnen und fie oͤffentlich billigen, ſo laſſen doch,
ihre Handlungen deutlich fehen, daß fie an den Geſetz⸗
geber und ‚an, die Hölle, die zur Strafe der Uebertre⸗
ter befimme it, dur weni penken 32).
Wenn die Veen, welche den Inhalt der vorgeb⸗
ii angebornen Grundſatze ausmachen, nicht angeboren
= „find,
) Ess Lit eh. 2. 5. 6. On doit mreeonnoitre
que tus les hommes pbuvent s’accörder A reces
. voie -plasieures regles de morale, d’un consen-
tement universel, sahs coNnoitre ou retevoir la
veritable. fondement de la morale, lequel ne peut
&trg .autre chose que la volont& ou la loy de
Dieu, qui voyant toutes les Actions des hommes,
et penetrant leurs plus secretes. pensdes, tient,
pour ainsi’dire, entre ses mains ‚les peines et les
reco jes, et a ascee de pouvoi⸗ pour fairg
venir, & ‚gomptg- tous. .ceux qui violent insolem«
ment ses-ordres. „Car Dieu ayant mis une liai-
son inseparable entre la vertu et Ia felicit& pu·
blique, era du.la pratique de la rertu
necessaire ld ‚conservation de la societd
-, kumaine, et: —e avantageuse a tous ceux
avac: qui Ing, geus, de bien om ä faire, il ne faut,
pas Yetonner qua chacun veuille non seulement - .
s regles, imais aussi les recommen-
es, Puisguiil' est’ persuadd que s'ils -
* les obserdeit; il: Inf en — a ‚Juiomöme
Reagan’
Lode's Unterſuchungen übe d. menſchl. Werfiand.. 2 u
find, ſo koͤunen es auch nicht die Grundſaͤtze ſelbſt ſeyn
Nun können wir aber nicht. mit Grund annehmen, daß
die Kinder, fo wie fie auf die Weir kommen, piele- ,
Ideen haben, denn einige ſchwache Ideen von Hunger,
Durft, Wärme, Schmerg: ausgenommen, die ſie in dem
Murterfchoße Eönnen empfangen haben, iſt es nicht
wahrſcheinlich, ‘daß fie noch andere Ideen haben, zu
‚mal folde, ‚welche jenen: allgemeinen Saͤtzen · eut ſpre⸗
den, Und da fie dieſelben nach und nach in des
Maße, als fie Erfahrungen machen und fich die Ob—
jecte ibnen darſtellen, erwerben; fo lann man unmöp
lich angeborne Ideen annehmen. Locke zeigt. an meh⸗
teren Begriffen folcher Grundfäge, daß fie nicht anges
horen find, und befonders iſt er weitlaͤufig bei.dem Bes
griff von Gott, und beweifer,. daß er-theild ſich bei
ganzen Völkerfihaften nach dem Zeuguiß ver Reiſebe⸗
ſchreiber gar wicht findet, theils gar.in maucherlei vers
fhievenen und einander widerfpredyenden Geftalten ſich
zeigt, theils da, wo er fi) findet, durd) die Sprache, - .
den Umgang und die Betrachtung det Natur hinlängs :
"Hey begründet werde. Er hielt ſich eben Barum ſo
Tange bei diefem Begriff auf, weil bei Ihm” der: An⸗
fein für Die angenommene Meinung größer: iſt, und
er früher ſchon die von Herbert aufgeftellsen finf
angebornen Grundſaͤtze beleuchtet” hatte, von denen der
eſte ſich auf Gorteh Dafem beziehe,
& satte tote Die angebornen en, "infofern‘
darunter Worftellungen verſtanden werden 7, Welche der
WMenſch mit Bewußtſeyn in fein gegenwärtiges Leben
mitbriagt, ven allen Seiten beleuchtet und gluͤcklich
widerlegt ‚»'und- daderrch dem Voden feiner kaͤnftigen
Unterficherig geebnet. ‚Ale Vorftellungen find einmai
in das Pewußtſeyn getreten und entſtanden. Daß
dieſes dle mmabie Anſicht von fer Erkenptuig fen,
En 77
28 -Siebentes Haupiſt / Eiſte Abth. Dritter Abſchn.
ſoute in dem zweiten Buche deutlich gemacht, und
nicht etwa · dlos als eine beifallswuͤrdige Hypotheſe be⸗
hauptet, ſondern dur unfere Vorftellungen ſelbſt ges -
zeigt and bewieſen werden, daß fie erworhene und ent⸗
ftandene, aus einem gegebenen ‚Stoffe gebith te Vor⸗
fiellungen ſeyen. : Durch biefeg Reſultat tzat ode auf
die Seite des Ariſtoteles; Aber es wär do feine
frembe Behauptung, die er nut nachbetend wiederhöfe ’
te, fondern durch Selbſiforſchen ſein Eigenthum ge⸗
wolden. Sein Verdienft veſtehet eben darin, daß er
ſich von. dem Nachſprechen auf fremde Yuctorität lob⸗
veißend, jeden Gegenſtand der Forſchung durch eignes
Selbſtdenken ergriff und durchfuͤhrte, und daß er jene
“ Behauptung. bed Arifiöteles von dem empirifhen Urs"
ſprunge unſerer Erfennehiß, nicht züftieden mir der”
Berufung auf-einige wenige jmmer unvollſtaͤndige gi
ſpiele, auf einen vollftändigen Beweis zu ſtuͤtzen, eine
Hypotheſe zum phitoſophiſchen Wiſſen w enehen
ſtrebte.
Me unfere Worftellungen, entfpringen ur die
Erfahrung, d. i, entweder. durch die Empfins
‚bung, wenn äußere Gegemftäude die Seele vermittelt
gewiſſer Organe. afficiren,, oder aus ber. Refles
“ zion, d. . von der Aufmerkſamkeit auf pie Thaͤtic⸗
teiten der Seele, welche fie an ‚den durch die Sinm
erheuenen Vorſtellungen arsaut . Bas koͤnnte,
von wie
, m) Etsai L. IL ch. 1. 6.5. Les observationie
: + 'que nous faisons sur es objeis: exterieurs 'et'sen-
sibles, om sur les operations interteureg de notre
Aame, nous apperee voma et: ꝛur koqueliee
nuus re —8ů nous-meme, foyrnisgpnt & Ana»
: Are esprit les ‚materiaux de toutes age ‚Rensöes.
Nos ‚sons font entrer toutes ‘ten Idees dans
ame, par oü Ventens qu'etdht"fräppez” Bir \
Lode's Unterſuchungen üb. d. menſchl. Werfinud. 25
wie Locke beinerkt, die Meflesion ſchicklich den innere
Sinn nennen. Diefes find die beiden urfprimglichen
Quellen aller unferer Vorftellungen nder Zireen, wen
unter Locke elles dasjenige verfteht, was. in dem Druie-
kenden iſt, wenn er drukt, und womit er ſich
daun beſchaͤ 2»), Das Denlen iſt in: dem: weites
sen. Siehe ſoviel als Wahrnehmen (perception)z
in dem. imgern Sinne aber" bios bie Operation? Beh
Berſtandes an den Durch, ten Stan erhaltenen Worſtel⸗
lungen, went der Verſtand mit beſonderer Hufmerke
famteit einen Gegenfiam betrachtat, wohins das Mein
gleihhen, Abſtrahiren, Derbinden und Trennen gehört. .
SI dem Wahrnehmen if. des. Werftgnd arögekırneite
leidend; er pinmt aufy, mas ihn zu Wahlne ymen
oe.
void J
les objeis exteriegsss,
y produit ces surtes
cette ‚grande soui
„que nous avons, ""depetl}- eittierement · du uw
sens, er se comikinique & Vehteudeniiutt:parieu®
moyen. je l’appelle. sensäfion. 3.4. b’aumg 7 iA]
tin
N
R
pense,
30 Ciesentes Haupeik. Erfe Abth. Dritter Abfän.
gegeben wird, bei dem Denken aber thaͤtig :*), "le :
unfere Vorſteilungen · ſtad theils eiufache. theils zuſau⸗
mengeiehtez. die letzten eutfiehen-.Durch die mannigfal⸗
tigen Verbindaugen, in welche der Verſtord die cinfas
.: dyen Bringt; bie. einfachen aber werden enzerber: Dunch
den Sim. oder durch Ale Reflexion: gegeben „und han
dern anenichlichen Geiſte ‚aufgenommen. Es giht folge
Ads keme Vorftelung, welche nieht durch eine on ‚den
beiden Quellen gegeden_ wire ,- und ber Verſtand n be⸗
fchaftiget ſich in dem: Denken einzig mit vente,
wa: aus. venfelben geſchopft iſt.
Die Seele iſt nach Locke urlprüͤnglich ars eine
leere und "unbefchriebene Tafel Ctabula rasa)' zu ben
tegchren. &ie. bringt nichts‘ mit," ald"die Aniche zart
Erkennen, oder ihre Vermögen, Alle Erkeuntniß, als
les was die Seele befigt, was ihre Habe und Fülle
“ausmacht; das hät fie 'erpfängen von Außen, oder ift
durch Verbinduig und Treuaung des Empfaugenen
auſtanden. In Nücficht auf den Inhalt, find alle
Voerſtellungen empfangene oder empiriſche. . Der Ber:
Fand kann zwar. neue‘ Vorſtellungen erzeugen; : allein
durch dee kommt zu dem empiriſchen Inhatt der Vor⸗
ſtel⸗
Fi
‘ "en, ad L II. ch. 9 j 1. La perception est
remiere facult€ de l’ame, qui. est vecupee de
— Aees. ⸗ Quelqu’uns ia designent par le
nom general de penseẽ. "Mais vormnie"ce'der-
. ‚nier mot signifie souvent l’operation de. esprit
“sur öes propres ihdes lordqu'il agit et 'considere
‚une chose avec’ ur degr& d’aitention volontaire,
um il vant mieux eimplöyer 'ici‘le terme de percep-
.n., Kon, qui fait“ mienx comiprendre Sa’ nature -de
ceite' faculi&. Car dans ce qu’on nonimie sim-
1. ‚plement perception, Pesprit est pour’ Nordinaire,
‘purementt passif, ne pouvafit eviter Wappercevoir
se quꝰil appergolt actuellement..
Lodeh-Unterfücpangin ie: d. menflßBerfland, Br
ſtellungen, zu’ dent, was der äußere oder innere: Sinn
Begeben-hat, nichts Neuts Hinzu.is Alle Vorftellungen;
auch: ſelbſt die - Durch: das Denken erzeugten, find in
Rürkfiche “anf. ihren . Inhalt: durch den Sin umd die
Wefterion beſtimmit · ind -gegebens: Dieſch if 26) wa⸗
Rode: zu berdeiſen unternimmt ¶ und SR fuͤhrt den Bes -
weis durch eine Induction, indein drieite Möge von
eimpanhen- Vorſtelnngen, welche theils duerh dern Sinn;
entweder durch · oin ·dder mohrere Organe zuglelch/ cheils
durch ·die Kefterton; sheils durch beide zugleich entſtee
hen · ab: gegeben werbtn⸗.betracheet und «dje zuſam⸗
mengeſetzten in: Beſtandiheile aufloͤſet, welche swiehets
Se a
einguche Borfteii
Yere und: ¶ Die‘ Worftelfüngen‘; wöelcye" wir ‘drd) mehẽ
AB! einen Sinm erhaiten fihd Raum-sder-Yudo eh⸗
müg, welche Locke von der Dichtheit mit Recht
untexſcheidet, und da vonden Kastefianera ange⸗
—— * b
NOMRENE ee Ra Teugnet:
Gepalt,:-Muhe,mnd Bewegung... Durch die Res
1a man. ae u 52° flerion
, u: en re
AS) Bısait.ll: er ec: $. 5. Quelgtte brand Amas
“de "connolssanees 1 y’decoöhvre. Hl vera, ie
xehnPashurd;, "äprdi'y Yavoir bienipehid,.qwil ny a
Wäutee le Annörltesprie:” dus cellesigmi ‘yont
‚&r8 Brüduftesi pu des \dewt'Yoresz: ifieiquie "peut '
re ebniBindes er 'erentimen par! Mentendement,
avee uns variet6:Mmfhie;; Cornrme‘ be vartons
dans Wisultei” ch. 7.’ gi vahta st um ©,
34 Eitenter Heupdt. Eche Abch · Dritter Abſhn.
flexjen entſtehen die Vorſtellungen von dem. Vorſtel⸗
Ten. (perception), dem Denken, Wollen, Einfache
Vorſtelluugen, weiche ſowohl durch die Sinne als durch
die Reflexion der Seele zugeführt werben, ‚find Ver gun⸗
gen oder Ku, Schmerz oder Unluſt, Exifteng,
J Einheit, Kraft, Folge. Wenn wir. Worſtellun⸗
gen haben, fo betrachten wir fie. ats. wirllich in dem
Verftande feyend, and eben ſo die Dinge als wirklich außer
und ſeyend, d. ials wirklichen fick eriflinenn,
Alles was wir als eine Suche, ‘entweder als. ein.uep .
ales Ding, „oder als einfache Worfielung ‚betrachten, _
gibt dem, Berfiande die Idee der Einheit. 29)...
Wenn wir beobachten, daß wir denken und, benz
ken koͤnnen, daß wir gewiſſe ruhende Theile des Kön⸗
pers in Veregüng ſetzen koͤnnen, wenn. wis mollen,
0b ‚wenn hie Wirkungen, welche die Masurkipe,
par.an andern hervorbringen Einen, fich unfern. Sim,
“nen darfielien, fo.erlangen wir auf beiden Yegen die
Idee von Bermögen und Kraft (puissanc®?. Durch,
die Stute, gber noch. mehr durch die Refleripn. erhal
ten wir die Idee der. Tplgs. Dean wenn, wir
uns In Dem machenben. Zuftanbe,. ober, während wig
46) Ess LA ch. 7:
U unitd sont deuk'äutres Idees, "giä Font commuui·
x quöes & Pentanderpens pat ohaqae Det duteriene!
;.e%4 par chagqne id6e que nous appercevons en
mous-m&mes. Lorsque nous avons des idtes
.. dans V’esprit, nous les comsiderogs: cofınıp y
Siant gctuellement- tout ainsi que _nans comside-
. sons les choses, ‚comme .etant ‚actuellement.diors
de nous, ‚c’est-d. dire comme Actugllemiept ;exis-
... rant, en elles-mfmas, . D’autre part, Kgut ae,que
nous Snusiderons epmme une soulg..ohpsg „1 a0lt
qye @ soitun.ötre reel. ou. ane simpla.idge, sug«
gere & uotre, entendement ‚idee, da.l'ynide.s
Boaca Unterfidhungen üb. wenſchl. Verſtand. 58
denken, reflectiten, fo finden wir, daß unſere Ideen
ae Mufterung vor dem‘ Verftande halten, indem
€ Aufbören eine gehet und eine andere kommt )
* + Diefe einfachen Vorſtellungen machen die Grunds
Inge: der menfchlichen. Erkeuntniß aus, und das klare
Bewussieye derielben iſt die hoöchſte Evidenz fr den
Meuſchen. Denn fie werden dem menfihlichen Geiſte
gegeben; cu kann fie weder hervorbtingen, noch, wenn
fie. einmat vorhanden „find, vernichten; er uimmt fie
Dies leidend auf, um. bemweift in Tuſehung derſelben
nut ehe: einfaches Wahrnehmen *). Sie machen
ie dieſer Hiuſicht das Reale unſerer Erlenutniß aus.
. Um dieſes naͤher zu beſtimmen, muß man genau uns
tericheiden in wiefetn (fie Wahrnehmungen des
Geiſtes und in wiefern fie in’ den Körpern Mos
u teationen derMüterie find, welche diefe Wahre
angen in der Seele hervorbringen. Idee iſt alles
—e was der menſchliche Geiſt in ſich wahr
efmmt, jgenn er denkt; Eigenfchaft des Objects
C(q̃̊ueino iſt das Vermoͤgen und. die Kraft deffelben,
eine gewiffe Idee in dem Geifte hervorzubringen. Die
weiße Zarbe, die rände Geſtalt, die Kätte, find Ideen,
infofern fie al Wahrnehinungen oder Empfindungen '
in der Seele find, infofern fie aber in einem Schnee
Baden find, der diefe Ideen in uns hervordringen fann,
find es Eigenfhaften, Diefe Eigenfcaften find
von zweierlei Art, Einige find von dem Körper uns
gertrennlich, in welchem Zuftande er fir ih befinden mag,
auͤnd er behält fie immer, was für Veränderungen e
” = erledet. unſere Sime ſiaden dieſelben in ee
ee.
J DREIER : 2
29). Zaiel 1 bau. 3\
34 Eiebentes Haüptft, Erſte Abth. ‚Dritter Abſchn.
Theile der Materie, wenn er ſo groß iſt, daß er wahr⸗
gendmmen werben kanu, und der Verſtand betrachtet
fie. als unzertrennlich von jedem Theile dee Materie,
ſelbſt wenn er zu klein iſt, um durch die. Sinne wahr⸗
- genommen zu werben, Man theile ein Roggenkorn in
zwei Theile; jeder. hat immer noch Ausdehnung, -
Dicht heit, eine gewiffe Figur, die Zahl und Be—
weglichk eit. So weit: man auch die Theilung treis
ben mag, fo find dieſe Eigenſchaften von der Materie,
auch den nicht uhr wahrnehmbaren Tpeilen derfelben,
ungertrennlich. Dieſe Eigenfehaften find die urs
fpränglichen und erften.. ‚Andere Eigenſchaften
find in den: Körpern, der Wahrheit nad), nur ein Wer;
mögen, gewiſſe Empfindungen in uns, oder gewiſſe
Veraͤuderungen in andern Körpern hervotzubringen ver⸗
mittelſt ihren. urſpruͤnglichen Eigenfchaften , dergleichen
die Farben, die Töne, die Geſchmacksverſchiedenheiten
in uns, die Veränderung der Farbe und der Confiftenz
des Wachfeb durch Das Feuer ſind. Da- fie nur naͤhe⸗
te Beſtimmungen der erſien unfpränglichen Cigenſchaf⸗
ten find, und diefe auch eine andere Beftitumung has
ben können, fo find fie nicht fe unzertrennlich von jes
der Materie als die erften, und heißen daher die zwe i⸗
ten oder abgeleiteten Eigenſchaften 18). Die
on l [ Keen
19) Essai L. U. ch. 8. $. 700g. Lon doil distin- .
guer dans les corps deux sortes de qualit&s. Pte-
mierement, celles qui sont: entierement insepa-
rables du corps, en quelgue &tat giil soit; ‘de
sorte qu’il.les. conserve toujours quelques altera- .
tions et es changemens que le corps vien-
ne a ir: Ces qualitee, dis+je, sont de telle
asture que nos sens les trouvent toujours ‚dans
que partie de’ matiere, qui est assez grosse
pour &tre appergue et P’esprit les’ regarde com-
me iqsepatables de ahaque partie de, matiere,
ET ars
Der
Lode's Unterſuchungen üb. d. menſchl. Berſtand. 35
Ideen der erſten Eigenſchaften entſprechen denſelben,
und dad Original, wovon die Vorſtellung die Copie
iſt, iſt in den Körpern wirklich vorhanden. Was aber
die Vorſtellungen der abgeleiteten Eigenſchaften betrifft,
fo gleichen fie denfelben auf: „feine Weiſe; es iſt in den
Körper: nichts enthalten, , ‚was mit dieſen Ideen übers
-einftimmhte, außer- dem Vermögen, dieſe Vorſtellungen
in uns Hervorzubringen,... Der Ton, ie Farbe, die Waͤr⸗
me und Kälte‘, das Vergnügen und der Schmerz find
Vorftellungen In und, in den Körpern aber nur bie
Größe, Figur, 3ahl, Beroegung feingt Se wodurch
jene Vorſtellungen erzeugt werben 2°). .
Durch die Beflerion erhalten ir einfache Boris .
Langen von gewifien Bermögen der: Serter Dahin 'ges
hört das Vermögen der Wahrnehmung, des Vehaltens
der Voeſtellungen durch die Betrachtung, und durch dad
Gedaͤchtniß, das Vermögen Verſtellungen zu trennen
. u ‚zu wirrſcheden ” derbinden, ” vergleichen ‚und
lors "king qu’elle est Arop p pour que nos
sens 'puissent l’appercevoir. _, » a, en second
lien, des quälitez qui‘ dans les “corßs ne sont‘
- effectivement autre choe qiie la 'puissante de
- produire‘.dfverses seniatiohs en nous par le mor
le leurs ‚premitnes qualitez;: c’em.d dire par,
grossenr, ‚Ägure, contexture ‚et monvement de”
6
— parties insensibles, cpinme sont les cou-
4 :
-leurs, les sonis, les gouts ere.
ir
20) WEssi L. II. ch. 8. 6 15. Les fälen des pre ·
mieres qualitez.. des corps veeaemhlant aà ces
qualitez,. ei les exemplaires de ces iddes existent;
. zeellement dans les 'corps. Les id6es produites'
en nous par les secondes qualitez, ne leurires='
semblent en aucune maniere et il'n’y a rien dans
bes corps m&mes gui ait de la canformije avec
css ideen, Bu ET
N
.
nen Vermögen eifigefi
u ‚gen, hat, Abt er an
. von breifacher Mit aut;
"36 Siebentes Haupiſt. Erſte Abth. Dritter Abſchn. J
zu bezeichnen, als Witz, Urtheilövermögen, Abſira⸗
. ion ). .
¶ Dieſe eĩnfachen Deltelungen— machen das objeet
und das Mareriale aller Thaͤtigkeiten des Verſtandes
äus. Der Verſtand iſt mit einem ganz finſtern inte
mer zu vergleichen, welches zwer kleine Oefnungen.
oͤder Fenſter hat, wodurch die Vorſtellungen und Bil⸗
der der Außendinge Und die Vorſtellnngen ſeiner eig⸗
ret werben, Er derhaͤlt ſich bei
denſelben leidend; abe HER — er dieſelben empfan⸗
mit Sreiheit Handlungen
verbindet nämlich mehrere
er, oder ee mehrere Vers
einfache Worſtellungen 5
" felungen, ohug. fie zu verbinden, zu einem Ueberblick
zuſammen, oder er tzennt· eine Worfellang von meh -
tera, weiche mit {he du "er ſtenden Dingen vergefells
ſchaftet waren ‚Cabftractien), "Dhdirch entftehen zus
fammengefegte Worflellupgeh reiche auf dtei Riaffen
ſich zurücfähren Taffen,. Lich Votftelfungen von Als
sidenzen oder Beſtimmuſ, en, „Subftänzen r
ud Verpältniffen. Die eiſten find Begriffe, meis
che nichts für ic fich ſeſt Beftehenbed, fondern Abhängiges,
an. Subfranzen Befindliches enthalten, und theils durch
Verbindung einer und berfelben einfachen "Worftellung,
a8 ein Dutzend, ein Schock, oder durd) Verbin⸗
vung verſchiedenartiger einfacher Vorftellungen- entſprin⸗
gen, als Schönheit, Diebſtahl. Jenes find reis
ne, viefes gemiifchte Beftimmungen (modes).
Begriffe von Subftanzen find ſolche Werbindimgen ein⸗
fache: Vorkellungen, welche gebraucht werden, um bee
fondere, fuͤr ſich beſtehende, Dinge vorzuftellen. In
dieſen iſt der vorausgeſetzte oder undeutliche Begriff
- “son
2 Essai L. . ch.9 ⸗ 11.-
odes Untirfucangen üb.d. urenfgl. Veeſtand. 37
vom Subfkang, mie welchem andere einfache Vorftels
Lungen: verbunden werden, ber sornehnite Beſtandtheil.
Die ‚Begriffe von: Subſtanzen find entweder Begriffe
son eingeinen. für. ſich beſicheuden Dingen, oder von
Aggregasen derſeiben. Verhaͤlt niſſe veſtetzen ia
der Betrachtuug web uähngleidjung. € ehr Me
mit u ir
Einige vyn dei Anfaunniengefchten.. —* bar
Locke noch einer befonpern Betrachtuug werth „gehalten,
theils um die Veyanptung,, daß ihre Befianptheile die,
durd) den Sinn, unp hf Reflerion gegebench einfachen,
Vorſteilungen fenen, noch mehr in dag Richt zu ſetzen,
theils weil fie an fü wichtig genug ware, und eine,
Menge intereffauter. errungen darboten. dieber
gehören die Begriffe von Raum, und Zeit, Die Vor⸗
(lung des Raums Lage er dürd das Gefiht und
das Gefühl vgrmittelft der. Bewieripug des Abſtandes
zwiſchen Kö von, werfgpiebeuer Farbe und dem
Feilen euch Riräert „ de, Worfleluung 2er Dauss,
oder der Zeit (Zeit if ihm eine heitinmse, durd) ein.
Zeitmaß gemeſſene Dapet' nd die Prtrichmung der.
Folge 'unferer Vorſtellangen engilehen, _ Ex bäls biefe
Ableitung für, (0 Augeniceintich En Fr ſich beguuͤgt
darauf hiuzuweiſen 2°), Dag may durch die Reflexion,
diefer Sinne denſchauungen auf ‚eine, Borftellung' von
anplrifchen Raum und Zeit toi koͤnge, iſt wohl
nicht zu leugnen; aber es fragt ch au, nad) dem
Grund jener Auſchauuugen der Da “ ihrer Bun
x 5
22) Essai Lu dis $ 15. ch. 22.
5 Estai L. u. ch: 13 & $ ie
5 Pr das 4. und 5. us, * — ai me
a nur behanpiet, aber ihn bewielen worden
ch, 14 I—
wi
- ‚nen Vermögen eitige ühret, we
“ 36 Siebentes Hauptſt. Erſte Abth. Dritter Abſchn. J
zu bezeichnen, als Bis, Unbäläoermigen, * Abſtra⸗
etion ). "
Dieſe einfachen Borfleieigen n machen dad Object
und das Mareriafe aller: Thätigkeiten des Verſtandes
äus. Der Verſtand iſt mit einem gang finftern Zine
mer zu vergleichen, welches zwer kleine Deffnungen,
- „oder Fenſter hat rn wodurch die Vorſtellungen und Site
der, der Augendinge, Ynd Ve Worftelinngen feiner eige
in. Er Hderhaͤlt ſich bei
meh dieſelben empfan⸗
mit Sreiheit Handlungen
denfelben leidend; Aber“ zu
den, hat, übt er an d aufge
von breifacher Ait aus; er verbindei amlich mehrere
einfache Worfieliungen ’gı’eiier, ober ſteltt mehrere Vor⸗
ſteliungen ohne fie zu verbinden, a anem Ueberblick
zuſamwen, oder er tzenni eine "Werftellung von mehe
ser, weiche mit.ihe do eriffteuben. Di
ſchaftet waren ¶Abſtractien Důdurch
fammengefette Worftellupgen, ihelche.
fh zurüctfähren Taffen, nämlich Bst keifam en von His
eidenzen oder Beſtimmu en „Subfänzen ‚
dis Verpättntffen Die eiiten Fb Begriffe, weis
che nichts für ſich ſeidſt Beftchenbed, fondern haͤngiges,
an. Subſtanzen Befindlies enthaiten, und theiis durch
Verbindung einer und berfelben einfachen "Borftelfung,
dis ein Dutzeud, en Schod, oder dutch Verbin ⸗
vung verſchiedenartiget "einfacher Vorſtellungen. entſprin⸗
gen, als Schönheit, Die bſtahl. Jenes find reis
ne vieſes gemiſchte Beſtimmungen (modes).
Begriffe von Subſtanzen find ſolche Verbindungen ein
facher Vorſtellungen, welche gebraucht werden, um be⸗
fendere, fir ſich beſtehende, Dinge vorzuftellen. Ju
dieſen ift der voransgefegte oder undeutliche Begriff
- "son
ar) Essai L. II. ch, 9 - 11. i
odes Unterſuchangen üb. d. wrenfd;l. erfand. 37
von Subflany, mie welchem andere‘ einfache Vorſtel⸗
lungen verbunden werde, ber vornehmiſie Beſtandtheil.
Die ‚Begriffe von Gubflanzen find entweder Begriffe
von eimgelnen..für. fi) beſtehenden Dinge, oder von
Aggregasen derſeiben. - Verhältwifie veſteten im
der Betrachtung und Mergleichung einer · Vorſtellung
mit einer auders ꝰJJ. 2
Braun u 5
Einige von deu zufammengefehten Begriffen bat.
Locke noch einer befonperu Betrachtuug werth gehalten,
tyeild um die Behauptung, daß ihre Beſiandtheile die,
durch den Sinn, und Dig Keflerion gegebenen einfachen,
Vorftellungen ſeven, noch mehr in dag Licht zu ſetzen,
theils weil fie am ſich wichtig genug wareı, und eine,
Menge intereffauter Beobachten darboten. Hieher.
gehören die Begriffe von Raum,uid Zeit, Die Borz
ellung des Raums läßt er durch das Geficht und
das Gefühl vermittelft der Benierjung des Abſtandes
zwiſchen Körpern von verſchiedener Fatbe ‚uud dem:
Tbhellen eines Rörgerd, "die, Vorjlellung der Daues,
oder der Zeit (Zeit if ihm eine heſtimmte, durch ein
Zeitmaß gemeſſene Dayper) durch die Wahrüehmung der -
Zolge unferer Vorftellungen, engitehen, „Er, bäts diefe
Ableitung für. (0 augenſcheiutich „DaB. Fr. fich beguägs,-
darauf biugeneifen 2°). Daf man durch die Keflexion
diefer Ginuchenihauungen auf eine, Borftellung von "
emplrifhem Raum und Zeit Fig inne, ift wohl,
nicht zu leugnen; aber eb fragt ſich nur nad) dem
Grund jener Auſchauuugen der Körper nun Ihrer Theis
. 9 .
23) Es I. U. ch. 1. 5 1517. ch. 32.
23) Essai L. 1 ch: 13 $ 2. Er Seh [3
“ Ir das 4. und 5. Pr wo doch Baer
Bat ri behauptet, aber wicht dewieſen warden
€ % J J
‚58 Sietentes Baupb. Ele Abth. Dritter Abſchn.
le, fo;wie. der.anf einauder folgenden ·¶ Waht nehmuu⸗
gen, in welchen offenbar ſchon die Vorſtellung des Rau⸗
‚ med und ber. Zeit vorkemmt, chne welche id) jine
MWahrmehmnegen’ nicht. als äußere und innere im mein
- Seraugtfegn aufnehmen und haben Eönnte: Locke ſtellt
nur. diejenigen. aͤußeren Bebingangen auf, welche ges
wiſſe Vorftellungen veranlaffen, «ber weht die. mern -
Gründe, durch welche’ der Juhalt einer Vorftellung .
fetdft beſtimmit tft. Sr tönmen wir freifidy nur erft,
nachdem · wir mehrered Rorper im Raume in. Ruhe
oder Bewegnng —— mehrere Wahrneh⸗
mungen nach aud nach in unſer Bewttſeyn aufge⸗
nommen haben; über bleſelben —V—— and den Raum
und Ort der vorgefffiteh Dofeche, ſot wie die Folge:
der Vorſtellungen in‘ det‘ Beivüßtfenn durch. die Refle⸗
xion unterſcheiden "aber ob diefe Vorſtellungen
Raum und jehe! Wahrne Hidkigen ſelbſt i
Juthalte mach gegebn ihb, .ndef son’ etwas anderm a
Hängen, keuchtet durch ‚jene Varachtun ;
und Tann erſt wu eine gerrauere” ‚Nefte "
19fi8 diefer Vorftellihgen "eingeföhen! werben, Auf diefe,
Unterſuchung hat Kane ‚gar. "nicht eiigelaffen, und‘ .
ſie blieb ihm durtfadd' frenid. ’ Er wollte‘ nur zeige
daß: 28 feine "angehören Vorftelligngen in dem beſtimn
ten Sinne gebe, Und darum theilte er die Vorſtellun⸗
¶gen in einfache im —— Mete die letten
aus jenen ab, u —9— die einfachen diirch ben Sinn“
und die Reflexion „gegeben. iverden, ohne die Entfies,
houngswelfe verfbrbät und‘ bie Vedingungen derfelben in’ "
Betrachtung zu ziehen. Daher. fam es, daß er einige
Vorftellungen- für. einfach erHärte; dierfih jedoch in der
Folge als zuſten ngefegte harftellten, ‚und. gachdem
er’viefe, bkr“Jeie Rn tag, aß "emipirifch gegeben
aufgeftellt ‚hatte, hinterher noch marche Eigenthamiich·
keiten an ihnen hervorzog, welche eine ganz. andere
ai ſicht
des Unterfaungen ub: d. menſchl. Verſtand. 80
Anſicht von: deui Urſpruuge darſelben würden ergehen,
haben, wenn feine Reflerion ſich darauf gerichtet, und,
wenn er nicht früher das Urtheil von ihrem empiri⸗
ſchen Urfprunge gefällt haͤtte. Ju dieſer Hidſicht If;
die Vergleichung ber Dauer und der. Ausdehnung, bie,
ſcharfſinnige Bemerkung ,. daß ‚mir. keinen Raum ohne
Thelle, keine, Zeit: ohne Zeittheile ins Unendliche fort.
vorſtellen kuͤnnen, umd daß. bie Theile der Zeit. und, _
Ausdehnung unzertrenniich find. oben fo wahr ala
wichtig, ‚aber er hat dieſe Reßerionen ſelbſt nicht be-
nutzt 24). Dieß iſt auch der Fall mit dem. Begriff:
von Vermoͤgen, Kraft, Ur ſache, Sub ſtanz.
Es kommen; dieſe Begriffe freilich. an Erfahru—
fänden vor, and ſie koͤnnen in ſefern non, deujelben,
abſtrahirt werden; aber ob fie auch durch die Mahn
uchmung gegeben find, oder wie und woher fie ſonſt
eutſtehen, das ift noch nicht unmittelbar einleuchtend
und erfobers eine ganz andere Unterfghung. Was. den
Begriff der Subflanz betrifft, fo bemerft er, daß
die Vorſtellung van :Subftanzen dadurch entſtebe, daß
eirme gewißfe Anzahl von einfachen Vorſtellungen immer
mit einander · vergeſellſchaftet ft, "und wir dieſe in ein
Subject vereinigen. Da wir uns nicht vorſtellen "ns
nen, wie. diefe einfachen Vorſtellungen an ſich ſubſiſti⸗
ren koͤnnen, fo ‚gewöhnen wis und, ein gewiſſes
Subſtrat vorauszuſetzen, in welchem fie beſtehen und
woher fie entfpringen, welches wir nun eine Subſtanz
nennen. Hierbel wird der Begriff der Subftanz, durch
. welchen eben die Noͤthigung, gewiſſe Vorſtellungen in
ein Subſtrat zu vereinigen, entfieht, vorauögefeht und
behaupten, esrfeytdie Subftanz ein dunkler und .relas
tiver Begriff von einen unbekannten Subjecte jener in
der Wahrnchmung zuſammen vorkoumenden Vetzhaf⸗
fen⸗
24) Essei 1. II..on. Ber a TEE No
40 Sir ·ntes Hauprk.Crie unt Drittre eblhn.
ſenheiten :=*), Naum⸗ haͤtte Locke von: dieſem Mes
griffe, der in einem ſehr anſehnlichen / Theile der. zur
fammengefegten · Begriffe einen Hauprbeſtandeheil aus·
macht, .cbeagetls wie von andern die Ertſtehung nach⸗
weiſen, und. zeigeh: muͤſſen/ wie er entweder Durch den
Sinn oder durch die Reflerion gegeben werde. Die⸗
ſeẽ thut er nicht-alein wit, ſoudern erktart auch fe -
fenherzig, daß er aus keiner der beiden· Miellen ent⸗
fanden · fey noch eutſtehen füsme ,. un: Daß.eben daher
dieſer Begriff kein Ularoe fin 25). gZwar behauptet cr,
daß dieſer Begriff feinen Du⸗iecheit wegen non gerin·
ger: VBrauchbarteit / in der Rhiloſophie ſey *7) 5 - aber
gleichwohl kann er des. Begriffs xicht entbehren, und.
Ee ſtelt ſich ſelbſt in dam. gemein Saba au wnente
bebruch Ban.
Die
"in Essai En ch. 38, 6:4: 2, &. Ne ponvant
Imaginer comment der-idees‘ —X ponvernn sub
—A—
& supposer. quelgue chose: qni das mianne, ou.
‚elles. subsistent et d’olı elles resultent, 3 (qui pour
cst effe} on a donne le nom de substance. -
Comme donc toute Tidöe que nous avons de.ce
que nous designons par le terme genersl: de
substance , n'est autre chase quꝰ ua sujet' que
ous ne connoissons Pas, «Tue Haus supposons
&tre le soutien des qualitez dopt nous (lecou»
wrons Pexistence et que nous. ne croyons pas
pauvoir sobsister sine re substante, nous dons
“ ons ä ce sonien le nom de gubstance,
Essai 1.1. ch, 4. 1 10. ‚da veon pueler de:
‚Pidee de la eubstance, que maus n’avaus ni ne
ass avoir par. voye de sensalian au Io ru
J 27) Essai L. IL ch. 13. 8. i9.
8odo6 Unterfinfungen üb. d. menſchi. Werne. 41
Die Aufgabe, weiche zu Iifen ſich Locke vorgefepe.
hatte, zu zeigen, daß alle unfere zufammengefeitgn
Borftellungen aus einfachen entfpringen, welche durch
den Sinn ‚oder durch die Meflerion gegeben werden, ift
alſo "Dur · unvollkommen geloͤſet worden. Einestheils
glaubte er vie Frage wegen . des Urfprungs nuferer
Vorſtellungen durch. die Widerlegung der augeboruen
Ideen fuͤr emſchieden anfehen zu koͤnnen, und--ünfers
ſuchte daher nur elnige ven den bedeuttudern Worſtel⸗
lungen, ſo daß dieſe nur als deſtaͤtigende Veiſpiele der
ſchon erwleſenen Behanptung anzufehen waren. Auf
der andern Seite kounte er durch die gewählte Brttachẽ
tungbiveiſe · nie gatiz · in die Tiefe der Sachrrindrin⸗
gen. Dem da er Vie’ Men einfach duͤntenden Vorftels
Iufgen Feiner weiteren‘ Unterſuchung unterwarf, und fie
dem Verſtande gegeben werden ließ, ohne welter nach⸗
zuforſchen, wie und inwieferır Dlefe® Gegebeiiwerven ‘zu
verftehen ſey, fo mußten ihek viele Anfänge und Grunbe
beoingungen des Worſtellens verborgen bleiben. Die⸗
ſes mußte uin fo eher ver Fa ſeym der ſelbſt · viele
der einfachen Vorſtellungen noch für zuſammengeſetzt
erflärte, und ſie mir darum "für einfach hiett, weil vie
Beſtandtheile einerlei, nicht verſchieden waren: Wie
Temmte er auch zur Gewißheit kommen, alle cihfas
chen Vorſtellungen emtdedt zu haben, fo latige er nicht
aite zuſammengeſetzten biß auf fhre letzten Veſtand⸗
theile zergliedert hatte? Wie iſt Fr dlrfen Gegen
fand eine Ueherzeugung dutch vollſtaͤndie Induction
mbglich? ·Lockes Geiſt war auf dieſe fehie Zergilede ·
sung: der Vorſtellungen nicht gerichtet; er’ gehet immer
ur auf 209 Materielle, nicht aber das Ganımla Die
Brage, wie, nach welchen Innern Gefatee, dar Bere
Waud. Ile Veſtandtheile verbinde und trenme und der
obleiche, nun 0b von dien wicht auch im ken Borken J
„find ,, liegen
feise etwas zu dem Matureten binatomme, faut
ihm nie ein. .
“ " Aber, s anvollſtͤndig und ungerügend, dieſe un⸗
terfüchung. ‚ausgefallen ift, fo "hat ſie doch, dig, tiefere,
Erfarſchung der ineellen Belt, vorbereitet und näher.
gelegt: Zur die empirifche Keuntaiß der Serlenvermdr,
gen .und,.die_ ‚pfodjologifdhe, Anficht des. Vorftellungd
und, Erfengpnißvermi ift ‚in tiefem, Verſuche viel
geleiſtet ‚worden. Die rigptigere Anſi icht von der. Wahr⸗
des Vofrſtellens und Erkenuens hat docke eingelei⸗
tet ‚durch die. ‚Bemerkung, BL Wabrheit in der Ueber:
einfiianpung. der Lorfellyugen wit ihren Objechen "und,
any 3 Worfigfinngen. beftghe, wel he burg. ng eis,
len heſtimmmt und erkannt: werde... Auch die. Sprache,
erhielt „die ihr gebuͤhrende Aufipgrkfamteit,. als das:
Mittel, Borfelungen ‚ynd. befonders Begriffe | und Se,
danken feſtzuhalten, und anpern mitzutheilen. * ‚Die
mehreften Vunkten der Theorie von der Sprache, welche
in ‚per, folgenden, Zeit ausführlicher, unterfucht worden;
hier wenigfens nach, den erſten Grundriſ⸗e
fen vor unß. Beföndere ‚Wichtigkeit, exhielten die orte,
“in Beziehung, auf das Denten und Erkennen, infofern,
"macht worden. Ungeachtet die nunft unabläffig
Locke im Allgemeinen zwar eing, gewiſſe Tpätigfeit ‚der,
Denftraft | im, Vergleichen, Abſtrahiren, Verbinden‘ und
Zrennen bemerkt, aber die, Gefege .diefer Thätigkejt,
noch nicht enthedt | hatte, ſa mußten ‚die. Worte die Eine.
J heit; welche. eigentlich in beim Verſtande zu fuchen. iſt,
einfiweilen übernehmen, w „neundenen Vorſtel⸗
lungen Halt zu geben.
J
Die Erkenntniß, worte Aw. Locke in dem werten:
Buche Seihäftiger‘; mar: ein / eben · ſo wichtiger Alb: its
tereffanitet Segenſtand, der abet nur felten und nicht:
vollſtaͤndig zum Gegenftaude der Unſerfuchung Audr.:ges
bes
‚44 Cieenth Saupr. Ei Wr. Deiter Werde?
eears Unlerſuchungen üb· d. menſchl. Verſtand. 43.
ſtrebt geweſen war, die Erkenutniß zu erweitern‘, und’
ihr vollftändige. Einbeit zu geben, fo war doch die Fra⸗
ge: mas das Erkennen fen, worin es beſtehe und auf: -
welchen Geſetzen es beruhe, im Verhaͤltniß ihrer Wich⸗
tigkeit viel zu wenig zur Sprache · gekommen. Die Mes .
flexion, welche dieſer Denker hierauf-richtere, iſt daher
ſehr verdienſtlich, auch ſelbſt dann, meun fie mod) une⸗
voilkommen blieb und den Gegenftand. nicht von allen
Seiten ufafte- ‚Die: folgenden Denker gingen ven:
den einfeitigen Betrachtungen ‚zu den umfaffenbern. und:
tiefern Forſchunges 7 # weihen — deu Go
gelegt hatte. ot
B Erkenntniß iſt "im Algemeinen ‚can Deuten,
welches ſich auf Vorfelungen als das mächite. Obiect
beziehet, und in der Bahrnfpmun, der ‚Verbin,
\ Sun. und Ueberelüfimmung, oder dei.
N Rihrühereinftimmung , und der Entgegen:,
ſetzung gewiffer. Vorftelluugen
weird in der Erfenntnig ein. Verhältuiß 3
fellungen gear, Ai ufonımengekiee und einz
18 find, oder nicht ferginfüimmen, und zwar In,
Veriehung auf J iitat Oder f&iedenpeit,,
in el Auf, 2 iehung auf, \
oerifteny oder not tnüpfung,.
und" in Beziehung auf reale € en ws Nach
N —— bvieſer
— Essai ——E 1. 5. 2. —E
‘x esprit'n’a point d’autre objer de ses pensees et
* de ses raisonnemens que ses propres idöes qui
>. sont ‚la seule those. qu'il eonteniple nu qu'il
»- puisse eontempler, il ıest rexident: que ce Mest
:.«qup. sur: nos idees--que waulen naitre. connoissan-
ce. A me semble demo:que ıla mmnoissancg m’ '
... est autre.chose que la. perception da.ta ligison
aæt convenaucey: -pu:.de.’oppositiom ‚et discanve-
. nance
\
44 Ciebentes Hauptſt. Exfie Abt. Dritter Abſchn.
diefer Erktärung iſt Erkenutnißz nichts anders als ein
Meflerionsurtheit, ‚wodurch, eine Beziehung zwiſchen
Vorſtellungen, fo wie fie-wahrgenommen worden, aude
gefagt wird, In bem weitern Sinue hat das Wort
Erkenstniß. allerdings dieſe Bedeutung, daß; es für
ein Urtheit überhaupt, in welchem ein Verhältniß,
wenn aud) nur ein logiſches, beftimmt. it, genommen
= wird, Im ſtrengern Giund- gehet Etkenntniß jedoch
mar auf. Berhättniffe,:weldye ohjective allgemeine Guͤl⸗
tigleit haben, und im engiten Sinne auf die Urtheile,
wodurch ein objettides reales Seyn deſtimmt, ein rea⸗
Led Dbject gedacht wird, Dieſes hat Locke nicht zum
Weſen der Erfenntniß überhaupt, fondern nur einer
Art der Erkenutniß gerechnet, "und die Verhaͤliniſſe
nicht blos auf’ objective eingefchränfe, fondern auf alle
ohne Unterſchied, weiche an Vorftellungen wahrgenoms
. ‚men werden moͤgen, ausgedehnt, unter-Diefen aber wie⸗
derum drei befondere’ Merhäftuiffe,” Identitaͤt, Coeris
ſtenz und reafe Eriftenz, ihres merkwürdigen Uuter⸗
fbiedes wegen, ausgezeichnet und in drei Arten der
Erkenntniß unterfehleden. Diefe Allgemeinheit und Uns J
beſtimmtheit des Begriffs der Erkenntuiß hat verur⸗
ſacht, daß die Unterſuchung über das Erkennen nicht
tief genug eingedrungen und mehr bei dem Gemeinen .
und Bekaunten ſtehen geblieben iſt. ——
Die Erkenntniß iſt in Anſehung des Wahrnehmens
der Verbindung und Nichtverbindung entweder unmits
selber oder mittelbar, Des.wird diefes Verhäfte
5 niß
asee eini se trouve entio deux de nos -iddes,
Mais pour voir us peu ‚plus distirctemstt en
quoi consiste cette Oonvenmnce ou disoonvenan-
©, je creis qu'on pent Ja reduire ä oes quatre
aspäuesa identits: on diversite, relation, coexisten-
«0 om connexion necessaire, ewistence reelle
Sode's Unterſachungen üb. t. menſchi. Berſtand. 45,
niß der Vorftellungen. ſogleich ohne Vermittelung wahr⸗
genommen, z. B. Weiß iſt nicht Schwarz, Drei iſt
mehr als Zwei. Dieesifvanfhauende@rkenntniß,
welche für ben, menfchlichen Verſtand die größte Klare,
heit und, Gewißheit bat: "SHier Kann er diefe Werbins
dung: nicht unmirtelbar einfehen, fordern muß ſich der
Vermittriung anderer Vorſteilangen, wodurch ſich die
Verbindung oder Nichtverbindung entdeckt, mit andern
Worten des Raifonnements oder der Beweife. bedienen.
Die Nare- mad deutliche Wahruehmung der Verbin⸗
durig oder Nichtverbindung der Vorſtellungen durch Bes
weife ift Demvnftrasion, indem fie dem Verftande . ,
jenes Verhättniß weiſet, woͤdurch er ficht, daß die
Sache. ſo nad nicht: anders iſt. Die Erkenntniß iſt
sermitteift ber Demouftration "zwar gewiß, aber“ doch
nicht fb klar und einleichtend, als bei der anſchauli—⸗
chen. Bei jener wird zwar aller Zweifel entfernt, ber
aber, ehe das Merhältuiß hurch Die Deweife eingefehen
wurde, vorausging and durd) die Demonſtration yehes
beu: wurde.: Bei der anfchauenden aber findet weder
vor noch nad) der Erkenntniß ein Zweifel Statt. Die
Dersonfiration beruhes auf der anfchauenden; denn fig
muß bie Verbindung zwiſchen mehreren Vorſtellungen
durch Mittelbegriffe affzeigen, wobei die Verbindung
des Mittelbegriffs mit einer Worftelung unmittelbar - "
eingefehen werben muß, und wo das nicht, der Fall iſt,
find neue Mittelbegriffe aufzuſuchen, bis eine m -
ſchauende Erlenntniß folget 29),
Anſchauumg und Demonſtratlon find die beiden
Grade unferer Erkenntniß. Was weder unter die eine
uoch die andere gehört,. da iſt, wenn es auch mit noch
ſo großer Gewißheit angenommen wird, doch nuk
‚ Mei
29) Essai IV. ch. t. 2.
1
46 Siebentet Heupch. € Erfte Abth. Dritter asfe.
Meinung over Gtaube Es gibt aber duch noch
‘eine andere Wahrnehmung, welche mehr als Wahr⸗
ſcheinlichkeit ·iſt, ohne die erwähnten Grade der Gewiß⸗
heit zu erreichen, und daher den Namen der Erkennt⸗
niß erhält. Sie hat die. Eriftenz der endlichen Dinge
“außer und zum Gegenftande. Wenn wir einen äußern
Gegenftand uns vorftellen, fo iſt das Bewußtſeyn, daß
‚eine Vorftellung in unferem Bewußtſeyn ift, Anz
ſchauung; "daß -aber außer dieſer Vorftellung noch
‚etwas im Verftande ift, daß wir von der Vorftellung
auf die Eriftenz eines Dinges außer ung ſchließen,
“welches der Vorſtellung entfpricht, das iſt nicht fo ge:
wiß, obgleich und hierbei eine Evidenz durd die Sin
ne zu Hülfe kommt, wodurch wir den Gefchmad des
Wermuths und den Gerud der Roſe von den, Einbils
dungen unterſcheiden. Diefes iſt ſinnliche Er⸗
kenntniß 20.
Die Erkenntniß hat ihren Umfang. Sie erſtreckt
Fi nur fo weit, als wir Vorſtellungen haben, und
foweit es möglich ift, ihre Zuſammenſtimmung oder das
Gegentheil durch die unmittelbare Anfchauung und Vers
gleichung, durch die Vernunft oder durch die Empfin⸗
bung einzufehen. Daher ift die anfchauende Erkennt
niß eingefchränft, weil dürd) die Nebeneinanderftellung
amd unmittelbare Vergleichung nicht alle Verhältniffe
der Vorfiellungen unterfucht und wahrgenonimen wers
den koͤnnen; fo auch die. rationale, weil fich nicht im-
mer die Mittelbegriffe finden, durch welche ‚die Verbins
dung oder Trennung verſchiedener Borftellungen fich
erkennen läßt. ‚Die finnliche Erkenntniß hat noch en⸗
gere Grenzen, denn fie iſt nur Auf die Exiſtenz der
. amferen Sinnen gehemmärtigen ‚Dinge eingeſchraͤnkt.
Die
'30) Fasai L. IV. ch 2. . . iii.
0
Sndes.Unterfuhengen üb, d. menfä. Wehen. 47
Die menfchliche Erkenutniß hat alfp einem geringern
Umfang als die realen Dinge und unfere Borflelluns
gen; nnd wenn fie gleich unter ben gegenwärtigen Bes -
dingungen unfereö Dafepns md Weſens noch mehr er⸗
weltert werden. kann, fo wird fie doch nie alles das
umfaſſen, wos wir in Anſehung unferer Vorſtellungen
zu. wiffen wuͤnſchen, noch ale Fragen aufläfen und alle
Schwierigkeiten befeitigen: Kanen ?*), Wir haben’ die
BVorftelungen von einem Quadrat, Cirkel und ber
Gleichheit, ohne die Quadratur des Cirkels finden. zw ,
koͤnnen. Ungeachtet wir.die- Begriffe von dem Denken
und. der Materie haben, werben. wir doch nie erkennen,
ob ein bio. materielles Ding denkt, oder nicht. Es iſt
denkbar; daß Gott der ‚Materie außer den materiellen "
Kräften noch die Denkkraft gegeben habe; ob aber die
Allmacht einem dazu organiſirten Spftem-von Matesis
dad. Denkvermoͤgen wirklich ‚gegeben, oder diefe Orga⸗
ufſation mit einer denkenden materiellen Subſtanz ver⸗
einiget Habe, wird durch die bloße Vetrachtung unſe⸗
rer Vorſtellungen ohne Offenbarung nie entfchieden were
ven können >2), Gewiſſe Wohruchmungen, als Ver
31) L. IV..ch. 5. $. 5, L’etendue de notro com
noissance est non senlsment au dessous de la
renlit6 des choses, mais.encore elle ne repond
pas & etendue de nos propres iddes.
32) Essai L. IV. ch. 3.6. 6. Nans avons des
idees de la matidre et de la pensde; mais peut-
&ire ne serons nous jamais capables de comnoi-
tre si un #tre-purement mäteriel pense On, non,
par. le raison -qul nous est impossible de de»
.couyrir par :la contemplation de nos propre⸗
id4es 'sans revelation, ' si Dien n’a point: donn&
à quelgues amas de matlöre disposez eomme il.
be wouve à propos, ia ;puimange. d’appemmvois ,
. er
se Shebontes Houpei. Erſte: Abth. Drietet Abſchn.
gnuͤgen ober Schmerz, konmen mit gleicher Denkbar⸗
Feit ſowohl in gewiſſen, auf eine beſondere Weiſe mo⸗
dificirten und bewegten Koͤrpern, als in einer immate-
riellen Subſtanz zufolge der Vewegung gewiſſer Theile
des Koͤrpers angenommen werben, @in- Körper: kaun,
ſoviel wir wiſſen, war einen Körper in Bewegung ſez⸗
zen, und eine Vewegang nichts anders als Bewegung
hervorbringen. Wenn wir: folglich zugeben, daß der
Wrper Vergnügen oder Schnwerz, oder die Vorſtellung
don delden hervorbeingt ſo find wir genöthiger, unfere
Bermunft gu verfaffen, Aber. unſere Vorſtellungen hin⸗
and zu gehen und dieſe Wirkung einzig deut Belieben
unferes Schöpfer belzumeſſen. Weil wir alſo aner⸗
kennen müſſen, daß Gott der Bewegung Wirkungen
mitgetheilt hat, von’ denen wir nicht begreifen koͤnnen,
daß die Materie fie hervorbringen koͤnne, fo haben wir
auch feinen Grund zu (chließen, Gott habe nicht aus
ordnen Tonnen, daß diefe Wirkungen in einem Subject
$ervorgebracht werden, dem wir die Zaͤhigkeit zu ihrer
" Hervorbringung wicht beilegen Können, oder daß fie in
einem Subjecte erfolgen, auf welches die Materie bes
greiflicherweife nicht einwirken ann. Diefes thut dem
B Glau.·
. wen .
et de penserz vom wi n’a pas uni et jofar & ala
“matiere ainsi Hsposde une substance immateriel-
le, qui penre. Car par rapport & hide mations
Ü ne nous est.pas plus mal aise de concevoir
ge Din peut; vil lui- plait, ajobter. &'notre
„- jde- de In matieze la facult# de penser, que de,
coomprenure Kae y-joigne: une autre subgtauce
‚avet la facpltö de, penser, puisque :naus-igno-
ons em quoi cansiste l& penade,. ‚er'ä ‚qelle‘
* uupece: de swbstances cet ‚dire, tout - palssant
atrouvd a Fe d’accorder cette puisinpce qui
"we sausoit ‚Ötte dans auasım „ätre erafisiwert ver-
. —E— pheilie.at die | Im bantds dar „Creaur.
*
. Rode’s Unterſuchungen üb. d. menſchl. Berfland: 49
. Glauben an Unfterblichkeit keinen Abbruch. Es iſt bier
nicht die Rede von der Wahrfcheinlichkeit, ſondern von
der gewiſſen Erfenutniß. . Die Veſche denheit ſiehet eis
nem Philoſophen feht wohl au, er darf nicht ‚wie ein
. Meifter som Stuhle fprechen, wo eviheute Gründe feh⸗
Im, und es ift überaus nüglich zu willen, wie weit
unſere Erfenntniß in unferem gegenwärtigen Zuftande -
reichen Fann.- Wie können es in Anfehung der Im⸗
materiatität.der. Seele durch unfer Erfenntnißs
vermögen. nicht zur demouſtratlven Erkenntniß. bringen,
und duͤrfen diefes wicht bedenklich finden, da die gro⸗
Gen. Zwecke der Moral und Religion auf ſehr gute. '
Gründe geſtuͤtzt find, ohne ver philofophifchen Beweiſe
für die Immaterialitaͤt der Seele zu bedürfen, Daher
ift Beine. folche Nothwendigkeit vorhanden, in dieſer Gas
che zu entſcheiden, ald einige ‚leidenfchaftliche Denker _
fi) überredet haben. Einige, deren Geift, fo zu fas
gen, zu ſehr in die Materie verfenkt ift, Eönnen ſich
aicht überwinden, einem andern Dinge, ald dem mate⸗
riellen, - bie Exiftenz ‚beizulegen; Andere aber, da fie
nach allem Forſchen / und Prüfen, deſſen fie‘ fähig find,
finden, daß das Denken in den natürlichen Kräften der
Materie nicht eingefchloffen ift, erdteuften ſich, daraus zu
fließen, daß Gott ſelbſt einer ausgedehnten Subſtanz
Leben und Bewußtſeyn zu geben nicht vermöge, Als
Tein wer. die Schwierigkeit überlegt, die Empfindung
mit einer auögedehnten Materie, oder die Exiſtenz mit
einem Wefen, das durchaus nicht ausgedehnt ift, zu
verbinden, der wird geftehen müffen, daß er uoch weit
von der Erfenntniß, wa 8 feine Seele ift, entfernt .
ſey. Sie ift ein Gegenftand, der ſchlechthin unſer Er⸗
Zenntnißvermögen überjteiget. „Weide Hypotheſen ents
halten ber Schwierigkeiten. und des Dunkein joviel,
daß es feine verünftigen Gründe geben kann für oder
gegen die Materialitaͤt der Seele zu entſcheiden. Das
Tennem. Geſch. d. Philoſ. XI Ch. DD. Mus
50 Siebentes Hauptſt. Erſie Abth. Dritter Abſch.
Undegreifliche, welches in der Vorſtellung einer nicht
ausgedehnten Subſtanz, oder einer autgedehnten den⸗
kendcu Materie liegt, treibt leicht von der einen dieſer
enrgegengefetsten Vorftellungsartın auf die andere, und
macht, daß man glaubt,. durch die Schwierigkeiten,
‚welche in ‚der einen eutdeckt worden, fey die Wahrheit
„der andern zureichend beftimmt, weil man unterläßt,
die Schwierigkeiten der andern zu eutwickeln. Niere
aus entſteht eine unvernünftige Methode zu raifonniz
“ zen, welcher jedoch Wiele folgen ??).
Derjenige Theil „unferer Erkenntniß, welcher ſich
auf die. Verbindung oder Nichrverbindung umferer Vor⸗
ſtellungen in Ruͤckſicht auf Identität und Berfchiedens
heit bezieht, hat den größten Umfang. Denu wir koͤn⸗
nen Feine Vorſtellung haben, ohne fogleih und unmits
telbar einzufehen, daß fie ift,. was fie ift, und daß fe‘
von jeder andern verfchieden iſt. Was aber die Coexi⸗
ſtenz' betrifft, welche den größten und wichtigſten Theil
unferer Erkenutniß von den Subſtanzen ausmacht, fo
iſt die Erkenntniß davon fehr eingefchränft und verliere
fi) beinahe In Nichts. Denn die einfachen Vorſtel—
luugen, aus welchen die zufammengefegten Begriffe
von Subftanzen beftehen, haben keine erkeunbare Ver⸗
bindung oder Underträglichleit mit andern, ald welche
nach der Erfahrung verbunden find. Nur. von einigen
urſpruͤnglichen Eigenſchaften eutbeden wir den Zuſam⸗
men⸗
3) Essai L. IV. ch. 3. $. 6. Mais quicongue
considera, combien il nons est difhieile d’allier
la sensation avec une matidre dtendus et l’exis-
tence .avec une chose qui n’ait absolument point
@etendue, confessera qu'il est. fort eloigne de
connoitre Certainement ce que dest que son ame.
. Cest-lä, dis-je, un point qui me semble tout
* fait au dessus de notre connoissance, '
Bode’8 Unterſuchungen üb, d. menfchl. Verſtand hr
menhang, 3.9. von Figur, Ansdehnung, Mittheilung der
Bewegung und Dichtheit; aber wiein diefen urjprünglichen
die abgeleiteten Eigenichaften gegruͤndet feyen, wie die
Karben, Töne, Geruchs⸗ und Geſchmackseigenſchaften
durch die Geſtalt, Groͤße, Bewegung der nicht wahr⸗
nehmbaren Theile beſtimmt werden, iaͤßt ſich nicht er⸗
kennen, folglich auch nicht, welche audere einfache-Bore
ftellungen mit den durch die Sinne gegebenen vertraͤg⸗
Tich oder unvertraͤglich find. Eben das läßt ſich andy auf
die wirffamen Kraͤfte der Körper anwenden + ‚welche
ebenfals auf der Geſtalt, Lage, Verhältnig und Be
wegung ber nicht wahrnehmbaren Theile. beruhen. Solle
te in diefem Puncte unfere Erfenntnig, erweitert were
den, fo würde es durch die Einficht in die Verknüpfung
der Kräfte und Eigeufchaften gefhehen. Und hierin
Tonnen uns nur jorgfältig angeftelte Erfahrungen wirfe
lich weiter bringen... Aber es iſt zu bezweifeln, das
ſeibſ die ſinnteichſte Hypotheſe der Materialiſten eder
Mechaniker die Philoſophie viel weiter bringen wer
be 34), J
Noch weit, umwollkommner iſt unſere Erkenntnitz
von den Kräften, und Wirkungen der Geiſten
Wir haben darüber Feine anderen Ideen, als diejenis
gen, welche wir aus der Idee unfered eignen Geiſtes
ſchoͤpfen, ‚indem wir über die Wirkungen unjerer Sees
Te, ſo weit unfere Selbſtbeobachtungen uns, diefelben
zu erkennen geben.tönnen, reflectiren. Wahrſcheinlich
haben die Geifter, welche unfere Aörper bewohnen, ei⸗
wen fehr niedrigen Bang unter den unzähligen. volle
tommnern Claſſen der Geiſter 25), Bus
Die Erkenntniß der übrigen Verhältniffe unferer
D2 ,
34). Essai L. IV. ch, 3. $. 16.
55) Essai L. IV. ch. & 5. 17.
' x
"80 Siebentes Hauptſt. Erfte Abth. Dritter Afhn.
Vorſtellungen ift das weiteſte geld, deffen Grenzen nicht.
leicht zu beftimmen find, und es laͤßt ſich nicht vor=
‚ausfagen, wo der Scharffinn in der Entdeckung der
„Mittelbegriffe an das aͤußerſte Ziel gelangen werbe.
Die Größentehre, und beſonders die Algebra „gibt ein
glaͤnzendes Beiſpiel, wie weit es der menfchliche Ver⸗
ſtand bringen Tann. - Uebrigens find wohl Zahl und
Größe nicht die einzigen Ideen, welche eine Demon⸗
fttation verſtatten; es gibt noch andere, einen bebeits
tendern Rang in. unferer Erkenntniß .einnehmende, aus
denen fich evidente Erkenntniffe ableiten ließen, wenn
fi nicht Rafter, Leidenſchaft und der Eigennutz dee
Ausführung. eines ſolchen Unternehmens entgegenfehs
ten. Die. Begriffe von dem höchften Weſen, deilen ,
- Madıt, Güte und Weisheit unendfich Ft, yon welchem
unfer Dafeyn 'abhängt, und von und ald denkenden,
vernünftigen :Wefen, müßten, gehörig entwidelt, un—
fere Pflichten und, die Regeln unfered Verhaltens fo
ficher begründen, daß bie. moraliſchen Wiſſenſchaften
eine Stelle unter ben demonſtrativen einnehmen koͤnn⸗
xen. Ohne Zweifel koͤnnen die Grundfäge des Rechts.
aus evidenten Sägen ‚mit derfelben „Strenge, als in
« der Mathematik entwickelt werben, ſo daß zu Ihrer Erz
Zenntniß nicht mehr Aufmerkfamteit und Nachdenken,
aber eben dieſelbe Umbefangenheit als in der Mathes
matik, erforderlich iſt. Die Säge: wo fein Eigene
thum ift, iſt Beine Ungerechtigkeit, ) und: in keinem
Staate befteht abſolute Freiheit (umbefchränftes Belie⸗
Gen), find eben fo gewiß, als eine Demonftration des
Euklids. Nur in zwei Nüdfichten fiehen die Begriffe
der Moral den Begriffen der Größe nach, daß die letz
ten durch finnliche Zeichen, durch die gezeichneten Fis
guren als Coplen der Begriffe, ausgedruͤckt und darger
ſtellt werden Können, welche eine nähere Beziehung auf
die Begriffe haben, und daß die moralifchen Wegriffe
' zu⸗
. Bodes Unterfunhungen üß, d, menſchl. Berftand: 53
zuſammengeſetzter find, als bie tatgematifihen, und und: -
die Worte zu ihrer Bezeichnung daher eine ungewiſſere·
Bedeutung haben. Diefe. Hinderniffe des Willens koͤn⸗
nen aber durch Difinition größtenteils gehoben. wers
den, wenn der Unterſuchungsgeiſt derch feine Leidens,
ſchaft befangen ift >). - ‚
Werfen wir einen allgemeinen Blick auf die‘ duntle
Seite des menſchlichen Geiſtes, oder die Unwiſſenheit,
wodurch die Erkenntniß eingeſchraͤnkt iſt, fo hat dieſe
vorzüglich drei Urſachen, Mangel an Vorſtellun⸗
gen, Mangel an Einfihtiin die Verknüp⸗
fung unferer Borfellungen, "mangelhafte,
Unterſuchung und Entwidßelung ber Borz,
ſtellungen. Bon vielen Dingen erhalten. wir Feine,
Vorfteflungen ,.: vieles iſt wegen der eingefchränften,
Schärfe der Sinne, daurch die Entfernung und Kleins
heit, nicht wahrnehmbar. Wir haben von den, ur⸗
ſpruͤnglichen Gigenfchaften. der Koͤrper nur inf Allges,
meinen Vorſtellungen, erfennen aber nicht die, beftimmte.
Größe, Geftals. und Bewegung der nicht wahrnehmbas
ren Theile. Daher unfere Unwiſſenheit in Unfehung:
der Wechfelwirkung der Körper und. ihrer Verhaͤltniſſe
untereinander bid auf bad Wenige, was. durch Verſue
che entdedit wird, bei ‚denen .e&.aber immer ungewiß
bleibt, ob fie, eig andermal- wieder gelingen und dafe. .
felbe Refuttat geben werden. Es gibt keine Wiſſen⸗
ſchaft von Körpern, noch weniger von. ben Geiſtern.
Bei einigen Vorſtellungen find gewiſſe Beziehungen,
Verhaͤltniſſe und Verknüpfungen: -in dem. Wefen der,
Borftellungen ſelbſt enthalten, fo daß fie anf Feine Beife,
von denſelben gtrennt werden koͤnnen, wie die Gleich⸗
heit” der Winkel eines Dreiecks mit zwei rechten.
„Von-,
o6 Essai L. IV. ch 8. 3. 18 -20.
34 Shebentes Hauptſt. Erſte Abth. Drire Adihn.
Bon diefen-ift nur eine allgemeine gewäffe-Erfenntuiß
möglich. Bon vielen Dingen erfahren wir eine beftän-
dige regelmäßige Verknüpfung; - wir Innen aber dies
ſelbe in den Begriffen nicht entvecken, und Bader auch .
wicht erkennen, ſondern tur der willkuͤrlichen Anerde
‘nung des weifen Urhebers der Natur: zuſchrriben, der
die, Dinge fo eingerichtet hat, daß fie auf eine und uns
begreifliche Weiſe, deren Wirklichkeit und die Wahr⸗
nehmung zeigt, auf einander wirken >”).
Der Verſtand erkennet die Dinge nicht unwittel.
bar, ſondern vermittelſt der Vorſteluugen von ihnen.
‚Realität hat die Erkenntniß daher nur iuſofern, als
die Vorftellungen: mit der Realität der ‚Dinge auf ir⸗
gend eine Art übereinftimmen. Allo einfachen, Vorftels
liumgen find Produete-der Dinge, welche auf das Ges
muüuth wirken, aid Feine Dichtungen der Einbildungs-
Kraft.‘ Alle zufammengefegte Begriffe, die von Sub⸗
Ranzen ausgenommen, find freie vom Verftand gebil⸗
dete Begriffe; ſie⸗ haben nichts außer ihnen zu repräs
fentiren, ſondern find ſich ſelbſt Original. Die aus
ihnen erlangte Erkenntuiß hat alſo Realität, d 1. fie
iſt, ohne etwas anderes als Vorftellungen zum Objecte
zu haben, Feine leere Phantafie oder Erdichtung. Hier⸗
anf gründet ſich die-Realirät der mathematifchen uud
mioralifchen Erkenntniß, ohne reale Exiſtenz der Dins
ge, die dadurch vorgeftellt werden. Jaſofern die Ber
griffe von -Subftanzen, welche ihr. Original außer ihs
„nen haben, mit den Dingen übereinftimmen, infofern
iſt die Erkenntuiß von ihnen real, die aber fehr ein⸗
geſchraͤnkt ift, indem das reale Weſen der Dinge, in
welchem ihre. Eigenfchaften und ber Zuſemmenhang der
Erſcheinungen ſgegruͤndet iſt, uns verborgen bleibt. Die
2 Stelle
3) Ess LW. h. 8. 5. 22 sg
Lodev Unterfuchungen üb,d, mesſchl. Berſtand. 56
Stelle :des wahren Weſens vertritt das‘
Wort,
Es gibt allgemeine Erkenntnifle, wenn namuich
die Begriffe, deren Einſtimmung oder Nichteiuſtim⸗
mung wahrgenommen wird, ‚abftracte Begriffe find.
Es gibt aber beine Grundfäge i(principes), wenn
man darunter folde Säge verfteht, welche unmittelbar.
evident und die erſten Gründe anderer Erkenntniffe
find. Gewoͤhnlich fiehet man ven: Sag der Identitaͤt
and ded Wibderſpruchs als ſolche Grundfäge an. Als
lein die unmittelbare. Evidenz ift diefen Sägen nicht.
allein eigen, fonbern erſtreckt ſich auf das ganze Gebiet
unſerer Vorſtellungen in Beziehung auf Joentitäe und
Verſchiedenheit; denn die erfte Handlung des Verſtan⸗
des, ohne weiche gar Feine Erkeuntniß möglich ift, bes
ſtehet darin, daß man fich jeder Vorfiellung und jedes
Begriffs für fih bewußt wird und fie von andern uns
terſcheidet. Daß weiß weiß und nicht ſhwarz,
ein Menſch Menfch um kein Pferd iſt, iſt das
ber eben fg gewiß, als der Satz: was iſt, das iſt;
und: unmoͤs lich kann ein und daſſelbe Ding
ſeyn and nicht feyn. Jene Grundfäge find auch nicht
die erſten Wahrkeiten, welche dem Verftand bekannt
werben, fonderh vielmehr die fpätern nnd letzten, ins
dem die Erkenntuiß vom dern Einzelnen zu dem Allgee -
meinen fortgehet; auch nicht dad Princip und das Funs
dament aller unferer- Erkenntniß. Denn ed gibt une
zählige Urtheile, in welchen Identitaͤt und Verſchieden⸗
Seit unmittelbar, unabhängig von einem andern Satze
erlannt wird, weil: die Evidenz in alten gleich if.
Bedarf ed eines Grundes für die Wahrheit des Gays
zes, daß eind und zwei gleich drei iſt? Gruͤndet ſich diefe.
Gewißheit auf den Grundſatz, daß dad Gahze allen
feinen Selten zufammengenoinmen gleich iſt? Diele
. - Mens
J
J
Menſchen denken nicht an dleſen Grumdſatz, und wiſ⸗
fen‘ doch um jenes Verhaͤltniß von ‚Eins, Zwei und
Drei. Allen Säten, wo eine Vorſtellung von ip ſelbſt
bejahet, oder zwei völlig verſchiedene von einander vers '
neinet werden, muß der Verſtand, ſobald als er fie
verſtehet, ohne Auſtand, ohne Weweisfoderung, ohne
Ruͤckblick auf allgemeinere Urtheile ader Grundfäge, als
untruglich wahren nothwendig Beifall gehen. Dieſe
Grundfäge koͤnnen alſo nicht dazu dienen, weniger all⸗
gemeine, ‚aber durch fich ſelbſt einleuchtende Saͤtze zu
beweiſen, noch die Grundlage einer: Wiſſenſchaft abge⸗
ben, noch den Meuſchen zut Erweiterung der Wiſſen⸗
ſchaften und zur Entdeckung unbekannter: Wahrheiten
verhelfen. < Sie tönen und auch Feine Gewißheit von-
dem geben, was außer dem menſchlichen Gemuͤthe iſt
und, vorgehet, denn fie find nur eine Mare, deutliche
und ungeräuderliche Erkenntniß unferer allgemeinen Bes
griffe; und was die Eriftenz des Wirklichen betrifft,
fo Zönnen uns nur. die- Sinne darüber Belehrung ges
ben. Dagegen haben jene Grundfäge Nuten in dem
Vortrage ber Wiſſenſchaften nach ihrem "gegenwärtigen
Zuftande, und in der geröhnlichen Methode, und im
Disputiren, um hartnddige Streiter zum Stillfchtveis
gen und gelehrte Zwiſtigkeiten zum Ende zu bringen:
Bei: deutlichen ‚Begriffen find fie entbehrlich‘ und bei
zuſammengeſetzten Begriffen, z. B. Subſtanzen, wenn :
fie undeutlich find, gefährlich, Inden durch ihre Auwen-
dung leicht Falfchheit: für offenbare Wahrheit, und Uns
, gewißheit für Demonſtration angenommen und behaup⸗
tet, ja, indem Worte mit Dingen verwechfelt werden, -
auch widerſprechende Säge durch fie ſcheinbat bewie⸗
ſen werden koͤnnen ’s), > e⸗
36) Essai L W. ch. 7. $. 14. Jai fait cette re °
" marque pour“montrer aux hommes, que tes ma-
ximes,
56 Siebentes Hauptft. Erſte Abth. Dritter Abſchn.
v
Bodtes Untetfugungen üb; menfbl. Werfand. 57 -
J
Ss gibt allo allgemeine. Säge, welche zwar uns
mittelbar gewiß ſiud, aber doch dem Verſtande Fein
Licht geben, „noch: zur Erweiterung. ber Erkenntniß et⸗
was beitragen. Man Turm fie ſpieleude (frivoles)
Saͤtze nennen. Dahin «gehören. 1) bie blos ident i⸗
ſchen, 3. B. ein Geſetz iſt ein Geſetz; Recht
iſt Rest, Ungeachtet. ſolche Saͤtze unmittelbar eins
leuchtend ſind, sum» ‚bie: Möglichkeit aller unferer Er⸗
Tenntniferanf dem Vermögen. beruht, wahrzuischmen,
daß dieſelbe Vorſtelluag dieſelbe ift, und fie von allen,
die verſchleden find, zu unterfcheiven; fe. iſt doch ber.
Gebrauch, den mam von foldhen identiſchen Saͤtzen zur
Erwelterung der. Erbenntaiß zu machen gedenkt, eine
bloße Spiedenei'?®).. 2).Diejenigen Säge, in wel⸗
ximes, quelque fort qu’on les ezalte comme les
Brands’ boulevards de la verit6, ne les mettrone
pas à converte de lerreur. s’ils employent les
mots dans 'un.sens. vague et indeterminp.: 6. 25.
Mais quielleg ayant tel. ysage qu’om ‚voudra dans
- des.propositigns- perbales, elles ne sanroient nous‘
faire yoir gu nous prouyer la moindre connois-
sance qui appartienne à lä nature des substan-
- ces’ telles quelles se trouvent, et qu’elles existent,
hors · de-uaus, au dela de ce que l’experience .
= ınons.enseigne,
“ positions sont veritables et evidentes par ‚elles-
mömes, Je comviens de_plus que le fondement
de’ tonteg nos connoisances depend de la.facuh&
que. nous avons d’appercevoir que:la me&me idee -
-eit Ja möme;... ‚et -de la. discerner de celles qui
sont:differentess: Mais je ne vois pas comment
“eela 'empöche que I’naaga, qu’on pretendroit fai-
re-des propositions. jdentiquea pour l'avancement
de ;la connoisanog ne seit justement ;trait6 de
frivole. P
59) Essai L. IV. ch. 8. $. 3. Pavoue aussi libre-
„ment que qui que ce soit, que tontes ces pro-
sb · Shebented:aupit, Erle Mh. Dritter Abfnı
chen ein Theil eines zuſammengeſetzten Begriff ‚oder
Definition von dem Worte des Ganzen, oder dem zu
erklaͤrenden Worte, auögefagt wird, 3 B. das Blei
if ein, Metall. Diefe. Ustheile dienen nur dazu,
die Bedeutung und den Gebrauch der Worte bekanut
zu machen: Dieſen find. beiehsende Säge entgegeuge⸗
ſetzt, welche, indem fie etwas, das eine nothwendige
Folge des Begriffs von dem Dinge, aber miht in dem⸗
felben enthalten ift, ‚von einem Dinge: behaupten, :
reale Wahrheit. und , Erfeantniß enthalten;
3. B. in: jedem. Dreied:ift- der äußere Winkel größer,
als einen von den entgegengefegten innen; Rad Weſen,
in dem Empfindung, Bewegung, Vernunft und Lachen
vereiniget ſind, hat, einen Begriff: von Gott 4°). Dies
ſes find reale, jenes uur Wortfäge, Fre
. En
Alle allgemeine Säge bezichen fih aur auf abſtra⸗
cte Vorftellungen, welche in ‚unferm Verſtande find, -
aber auf keine reale Exiſtenz. Won unferer eignen
Eriftenz haben wir eine unmittelbare ans
(Gauende, von Gottes Eriftenz eine demons
frasive und von der Exiſtenz anderer Diuge
eine Erkenutniß durd die Empfindung. ‚Die
Demonfirarion von dem Daſeyn — eſſen Begriff
rn AUG
Pr Essai L. IV. ch. 8. $. 8: Non popvons con-
noitre la veritö et par ce moyen dere certains
des propositions qui affrment. quelgue chose d’
une aufre qui est une consequenoe hectssaire
de son id6e complexe, ‚mais ‘qui n’y est pas zen-
.„fermöe ‘comme — — — ‚Car comme ce rap-
‚port de ‚Fangle exterieur & Tan des angles änte-
iewts'opposds ne fait point: partie de bidse com-
‘qui est signifide ‚par le mot de triangle _
@est'lä une veritö reelle gai emporte une con-
noissance reelle et instructive. “
Loders Unterſuchungen üb. d. menſchi. Werſiand. 69
aus einfachen Vorſtellungen der Weflerton durch Er⸗
weiterung entſtanden iſt **), gründet ſich auf richti⸗
ge Folgerungen aus evidenten Erkenmtriffen. Der
Menfc) weiß, daß er ift, und daß er etwas if, Nichts
Tann kein reales Ding hervorbriugen. Wenn. daher
etwas Reales eriftirt, fo muß Erwas von
Ewigkeit exiſtirt haben. Deun was nicht
ewig:ift,; Hat einen Unfang, und was einch
Anfang hat, muß durd ein anderes Ding
hernosgebradt worden feyn. Alles, was
den Aufang feines Seyns durch ein Aude—⸗
res hat, das hat von diefem auch alles, was
ihm-angehört, Folglich alle feine Vermös
gen und. Kräfte Die cawige Quelle aller. realen
Dinge muß folgli) auch die Quelle und. das Princip
aller Vermögen und Kräfte, es muß allmaͤchtig
ſern. Der Menſch findet aber in ſich auch Worftellung
und Erkeuntniß. Entweder iſt num eine Zeit geweſen,
wo lein vorſtellendes / Weſen exiſtirte, und die Erkennt⸗
niß anfing zu ſeyn, oder es hat ein vorſtellendes We
ſen von Ewigkeit gegeben. Wenn das ewige Bein
alles Vorſtellens beraubt war, fo konnte unmoͤglich zu
irgend einer" Zeit Erkenntniß entſtehen. Denn es iſt
eben ſo unmoͤglich, daß ein blind, ohne alle Vorſtel⸗
lung wirkendes Weſen ein erkennendes Weſen hervor⸗
dringe, als daß ein Dreieck ſich felbft-drei zwei rech⸗
‚sen Winkeln gleiche Dreiecke gebe. Es cxiſtirt alſo
«in ewiges allmaͤchtiges allvorſtellendes
Weſen, Gott, oder wie man es ſouſt nennen
mag 2).
Die
4t) Essai L. II. ch. 23. $. 33.
48) Zssai L. IV. ch. 10. 9. 1-6. Bode erklärt
es für bedenklich, eine fo wichtige Wahrheit, als die
Exiſtenz Gottrs iſt, welche mit unferer- —
re:
60” Siebentes Hauptſt. Eifte Sp. Dritter abſchm.
Die, Erlenntniß. von dem Dafeyn anderer Dinge
ift mur allein durch die Empfindung möglich. Denn,
das, Daſeyn Gottes auögenommen, gibt es Feine nothe
wendige Verknüpfung ‚zwifchen dem realen Seyn eines
Weſens und einem menſchlichen Begriffe, oder dem.
Daſeyn eines einzelnen Menfchen. Da das. bloße Das
ſeyn der Vorftellung von einem Dinge in dem Bewußt⸗
feon nichts für die veale Exiſtenz deſſelben beweifet,
"fo kann das Dafeyn eines andern Weſens anfer uns
nur ‚dadurch erfannt werden, daß es auf uns ‚wirkt
und fich durch das Empfangen einer Vorſtellung von
Angen wahrnehmen läßt. Dieſe Ueberzeugung kommt
zwar nicht ber Gewißheit der anſchauenden und des -
monftrativen Erkenntniß gleich, verdient. aber doch Er⸗
keuntniß genannt zu werben, meil ſie unſerer Faͤhig⸗
keit und unſerem Beduͤrfniß augemeſſen iſt. Gott har
und von dem Daſeyn der. Dinge außer -und hinrei⸗
. ende Gewißheit gegeben, indem wir nad) Verſchleden⸗
heit der Richtung und Einwirkung diefer Dinge die:
Empfindung son Luft und Unluſt erzeugen koͤnnen,
worauf. dad Intereſſe für unſeren gegenwärtigen Zus
fand mit beruhet. Die hoͤchſte Ueberzeugung davvn
gruͤndet ſich auf das Zutrauen zu unſeren Vermögen:
und zu unferen Sinnen, daß fie nicht irreu; fie-wird. -
aber noch durch andere Nebengründe unterſtuͤtzt, daß⸗
nämlich gewiſſe Vorſtellungen durch gewiſſe Organe
und eine ſie afficirende Urſache hervorgebracht werden,
daß wir die Entſtehung dieſer Vorſtellungen nicht hin⸗
dern koͤnnen, daß mehrere dieſer Vorſtellungen mit ‚eis‘
ner Empfindung von Luft und Unluſt vergefellfchaftan
find, und bei der Erneuerung diefer Vorſtelungen dieſe
Ep
in ſo engem Zuſammenhange. ſtetzt, auf den. einzigen
‚Begriff des volllommenſten Belend;, den nichi alle
Menſchen Haben, zu gruͤnden. \
. vo, . or
Bode Unterſuchungen üb, d. menſchl. Berſtand. 6ꝛ
Empfindungen nicht mit erfolgen, daß ein Sinn oft,
das Zeugniß eines andern beſtaͤtiget. Diefe Erkennte
niß erſtrecket ſich nicht- weiter als unfere Empfindung,
und daher gibt ed Feine gewiſſe Erkenntniß von den
Geiſtern, fondern nur einen Glauben. *2).
Nachdem Rode, noch einige audere Betrachtungen
über die Erkenntniß, über die Wahrſcheinl ichkeit
‚und dad Meinen. angeftelt. hat, betrachtet er noch
Vernunft und. Glauben an ſich und im Verhaͤltniß zu
einander. Unter Wernumft verfichet Locke das Verne
gen; wodurch fich der Menfch von den. Thieren unters
ſcheidet, weiches fich durch Scharffinn in der Auffu-
hung ‚der Mittelbegriffe, und durch das Schließen oder
Folgern und Ableiten, in der Verbindung der Vorſtel⸗
‚langen nach ihrem Zufsmmenhange äußert, ımd. alfo
durch die demouſtrative Erkenntniß, die eingefchränkte
Erkenntniß durch die Sinne und die Anfchauung ers
weitert,, auch die Grünpe für die Wahrfcheinlichkeit
findet +2) Der Syllogismus ift aber nicht dad eins .
: ige
43) Eisal L. IV. ch. zı: -
43) Essai L.IV. ch. 17. $.2. Dans ces deux cas, la
facult& qui trouve et applique comme il faut les
; moyens necessaires pour decouvrir la certitude
‘dans P’un et la probabilite dans P’autre, c’est ce
que nons 'appelons raison. Cer comme la fai-
=... son appergolt. Ja connexion necessaire et indubi«
“ table que toutes les id6es On preuves ont Pune
avec Fautre dans chaque degr& d’une demon-
ätration qui produit la connoissance; elle ap-
coit aussi la connexion 'probable que toutes
jes idees on -preuves ‚ont une avec. bautre dans
- chague degre d’un disconrs anquel, elle juge qu
on. doit.donner son assentiment; ce qui est le
Plus bas au de ce qui ‚peut ötre veritable-
ment appelld räison, ö
"8a, „Gicheöten Haupiſt. Eiſte Abth. Dritter Abſchd.
ige und Hefte Mittel für dieſe Function der Vernunfs.
. Man Eonnte vor Ariftoteles, der denſelben, feine .Zors
men und Mobificationen fand, denken, und Kann, eö
‚auch noch, umb.oft beffer, ohne dieſe KFormen, welche
nur in dem Schulgezaͤnk einigen. Nuten haben, und
. ſelbſt zu Irrthuͤmern verleiten koͤnnen “)
. De Glaube und. bie Vernunft koͤnnen generic)
nicht antgegeſetzt ſeyn. Denn weng der Glaube in eis
sem unwandelbaren Fuͤrwabrhalten beſteht, ' welches
durch Regeln beſtimmt if, fo kann man Feines Sache
‚ Beifoll gehen, ais nad tüchtigen Gründen, welcher
folglich Ber Weraunft nicht entgegengefegt ſeyn kaun.
Doch zuweilen’ verſteht man unter Glauben den Bei⸗
. fa, den man einer nicht auf Gründe der Vernuuft
Durch den natürlichen. Gebrauch der Erkenutnißkraͤfte,
fondern quf das Anſehen geftügten Sache gibt, indem
Einer ihn’ als ‚von Gott durch eine außerordentliche
Mittheilung oder Offenbarung kommend darſtellt.
Es iſt einleuchtend, daß durch Feine Offenharung eine
nene eiufache Vorſtellung, die nicht vorher auf dem
Wege der Sinne oder der Reflexion erworben iſt, mit⸗
getheilt werden kann. Was durch die Bernunft ent⸗
deckt werden kann, kann auch durch die Offenbarung,
aber nicht mit demſelben Grade der Gewißheit gege⸗
ben werden. Die Offenbarung darf keiner wahren und
videnten Vernuaftwahrheit wideriprechen. Denn die
MWeberzeugung , . daß erwas göttliche Dffenbarung if,
"und daß wir fie richtig verftehen, ann nie. der Evi⸗
denz der Anfchauung und. der Demonftration gleich
. kommen. Etwas, was diefen widerjpricht, als wahr‘
anzunehmen, wuͤrde alle Gründe und Grundiäe der “
Erxlenntuiß umſtoßen, welche doch aud von Gott find. \
' —— In
J 44) Essai L. IV. ch. 17. 5. 4
u.
.Lode'5 Unterfigüngen üb. d: menfcht. Berftimd. :63 ° ;
In allem, was: erfeonbar if, muß die Wernunift ats
befugte Michterim betrachtet. werden; ihre abs
fprüche koͤnnen durch eine Offenbarung wohl beftätt
‚get, aber. nicht aufgehoben werden. Es bleibt
als eigenthümlicher. Gegenſtand des Glaubens nur das⸗
jenige übrig, wad über der Vernunft if. Ohne
dieſe Grenzbeftimmung: zwifchen Vernunft und Glan⸗
ben Hört aller Vernunftgebrauch auf, und, die Religion
in der Schwaͤrmerei bios gegeben .
Unter das Sedier des menſchlichen Verſtandes ge⸗
hiet 1) die Natur der Dinge, wie fiean ſich find,
ihre Berhältniffe und Wirfungsarten; 2) dasjenige, wa 8
der Wenſch als vernünftiges freigpandelg:
des Wefen zur. Erreidjung eines Zwecks, vorzüglich
der Grüdfeligkeit, thun folt; 3) die Mitten
und Wege, wodurch die Erkenntnip der erften und
‚zweiten Gegenftände erlangt und. mirgerheilt werden J
Eonn. Hieraus entſpringen die Arten von Wiſſen⸗
ſchaft, naͤmlich die Phyfil der. Körper und Gele -
fer, die praktiſche Wiſſenſchaft, deren wide -
tigfter Theil die Ethik if, und die Semiorif, j
oder Lehre von den Zeichen, welde auch), da dje
gewoͤhnlichen Zeichen die Worte find, welche der Were
fland anwendet, um die Dinge zu verftehen und dje
Erkenntniß davon andern mitzutheifen, Logik genanht
werden Tann *°), ' - J
Nach
7
45) Essai L. IV.'ch. 18, Die Behauptung, welche
ein Schotte noch mit größerer. Strenge ausfährse,
beſtriit Poiret in: Fides et ratio collatae ac sw
utraque logo redditae aduersus principia. Ioannis
Lockii. Amstelodami 1707. B ,
46) Essäi L. IV. ch. zı,
6 Sichentee bauptn Pe aAbch. ‚Dritter etisn
Nach dieſem gKiheren Werke Gileb "ode neh
eine in die Sammfung: feiner. vermiſchten Schriften
aufgenommene Abhandlung. über die. zweckmaͤßige Ans
wendung und Cultivirung des menſchlichen Werftandes,
Sie enthält in Feiner firengen Ordnung eine Reihe von
trefflichen Betrachtungen über diefen Gegenftand, eine
Art von angewandter Logik, und follte die unvollſtaͤn⸗
digen Belehrungen darüber in dem größern Werke vers
volftändigen, und die unbrauchbare Schullogik, über
welche er igımer feinen ernſten QTadel ausſpricht, vere-
"drängen, Da er hier für den wiffenfchaftlichen Ders
fandesgebrauch nicht ausſchließlich, fondern für den
tichtigen Verftandeögebrauch überhaupt in der Erfennts,
niß des Wahren-Regeln und Anweifung gibt, wie die -
denſelben entgegenftehenven Hinderniſſe entfernt wer⸗
den müffen, fo dringt er auch hier nicht tief ein; aber
feine Betrachtungen haben doch praktiſche „Wahrheit
und zeigen son einem hellen, gefunden Verftande. Die
Urfache der Irrthuͤmer fucht er. größtentheils in der
‚Eingefhränftheit und Einfeitigfeit des
Verſtandes, welcher die Dinge nicht von allen, ſon⸗
dern nur von einer Seite betrachtet und daher Folge⸗
zungen ziehet, die nur zum Theil mahr find. Daher
iſt in: allen Spitemen "Wahrheit und Faiſchheit ges
miſcht. Eine aufgeklaͤrte, von feinem Vorhrs
theil beſtochene und. von Feiner Leidenfhaft
geblendete Vernunft ift der Probierftein der
Wahrheit, dem jeder. bei ſich führt. Eine wahre
Aufklärung Tann Jeder fi) verfchaffen, denn er weiß
feine Pflichten und was man von ihm fodert und ers.
wartet. Auch befit jeder Menfch ein gleiches natürs
liches Talent. Aber zur Volllommenheit: in dem Geis
-figen gelangt man nur durch Uebung und Fertigkeit.
Hierin liegt die Quelle der Ungleichheit. Ein großer
Thei der Jrrthuͤmer Auen] au⸗ den allgemeinen
Grund⸗
2 ,
‘a
Eode’s Unterfuhungen üb. v. menſchl. Werſtand. 65
Grundfägen, welche diẽ Menſchen ungepruͤft für ihre
geiftigen : Angelegenheiten auffaſſen. Wenige Mens
ſchen gewoͤhnen ſich von Ihrer Jugend an richtig zu
folgern, wnd:durd eine fange Reihe von Folgefägen-
bis, auf die eriten Principe‘ zuruͤck zugehen/ von welchen
“die Wahrheit abhaͤngt. Zum richtigen Vernuuftgebrauch
muß matt fh mit ehren Wörräch von abſtracten und
moraliſchen Ideen, die'man felbftthätig bildet, und
welche nicht die Sinne afficiren, verichen. Man: muß
aber bet diefen Ideen vorzüglidy darauf fehen, daß fie
feinen Widerſpruch enthalten, und, wo man-fie voraus⸗
fer, eine reale Exiſtenz haben und keine Chimäs
> ren find: ” ..
Das Hauptwerk des Lade wurbe gleich anfangs
mit großem Veifalle aufgenommen‘, indem das wichtis -
ge Problem, womit es ſich beſchaͤftigte, die Wahrs
heitsliebe, die Have Anſicht und ungekuͤnſtelte deutliche
Darftellung anzog. Die mehrmaligen Auflagen und
Ueberfegungen in andere Sprachen bemeifen, daß es
nicht allein “in den: Vaterlande, fondern auch in dem.
Auslande eine günftige Aufnahme fand. Dieſes popus
läre Syſtem der Philofophie, welches alle Erkenntniß
auf den innern und dußerr Sinn gründete, und dem
Verftande Leinen andern Antheil ließ, als jene einfas
hen und unmittelbaren VBorftellungen auf mannigfals
tige Weife nach den DVerhältniffen und Beziehungen,
die fie unter einander haben, ‚zu verbinden, welches
dem mienfchlichen Verfiand auf dem Boden der Erfahs
rung ein Gebiet zuficherte, und Auf die Grenzen des
Wiffens, welches nur fo weit reicht, als die Wahrneh⸗
mung und die Vergleihung der Vorftelungen reicht,
aufmerkfam machte; ohne tiefere Erforfhung des Er⸗
kenutnißvermoͤgens und der Bedingungen der Erfahs
rung ‚nur durch Zergliederung der Erfahrungsvorfiels
Tennem. Oeſch. d. Phi. XI.CH. €. Tun
66 Eiebentes Hauptſt. Erſte Libth. Dritter Abfhn. -
Lungen ihrem Jahalte nach, durch das Einfache und "
die mögliche und wirkliche Verbindung defjelben der Ers
kenntniß eine fefte Grundlage zu geben fuchte; über
das Eutfichen der Vorftellungen felbjt fein Wiffen ſich
anmaßte, fondera nur die. Hppothefe der Corpuscular⸗
philoſophie als wahrſcheinlich aunahm; ven Werfland
zum Theil, aber weis weniger die Vernunft befriedig⸗
te — ein ſolches Syfiem enthielt auch in diefer Bes
ſchraͤnkung fo viel, Neues, Wahres und Anziehendes,
daß ed gleich anfangs‘ gut - aufgengmmen. wurde, und
dann immer mehr, doch nicht allenthalben, allgemeis
uere Zuftimmung erhielt. Der Nationalcharakter und
die eben herrichende Richtung des Geiftes zeigte auch
"in diefen Urtheilen und Stimmungen feinen Einfluß.
In England fand die. Philefophie. des Lade die guͤn⸗
figfte Aufnahme, als einlaͤndiſches Geiftesproduct, als
‚eine Fortfegung der großen Reform, welche Baco ans
gefangen hatte, ale Philofophie, die mit Verwerfung
- der in den Schulen üblichen, ſich nur auf. VBeobache
sung und Reflexion gründer, als eine wahre, den Vers
fand zur Eutdedung des Wahren in allen Willens
haften anführende Logik. Die meiften Gelehrten,
welche unbefangen waren, urtheilten auf das Günftige -
ſte von dieſem Werke und dem Urheber deſſelben *7),
' Ganz
47) Williams Molyneux Treatiss of.. Dioptrics,
Epistle Dedieatory. Il n’y a personne, a qui
nons ayons’plus d’obligation pour la perfection
de cette partie..de la philosophie (la Logique)- ,
. qua l’incomparable Mr. Locke, qui, dans son
essai concernant l’entendement humaiu, a recti-
66 plus d’erreurs recles, developpe plus de
verites profondes, fondees sur V’experience et les
observations, pour la condnite de l’esprit dans
la recherche de la veritö (et c'est propfenient
ce qui selon moi peut s’appeller logique) qw
. \ on on
\ Ausbreitung der. Philofophie des kode.. 67
Ganz anders mußte jedoch das Urtheil der Univerfitaͤten
ſeyn, auf welchen noch die cholaſtiſche Phitofophie herrſch⸗
se, welcher Locke deu. Untergang bereitete, wenn er
Eingang fand. Zu; Orfort- ehtfland darüber ein gro⸗
Ger Laͤrm, es entſtanden lebhafte Debatten, und man
wollte anfänglich das Werk: durch: eine oͤffentliche Cen⸗
für verbieten; endlich aber beghlgte man ſich mit dem
Beſchluſſe, daß alte Vorgeſetzte der Collegien fushen
ſollten, ihre Umtergebenen von der Lectuͤre dieſes Bits
ches abzuhalten. - Uber ungeachtet diefes Widerſtandes
einer ganzen Corporation, 'an- welchem alle diejenigen,
die auf derielben ihre Bildung erhalten hatten ‚ ebene
falls Teil nahmen, ungeachtet ber Widerlegungen und
Streit ſchriften, welche von einzelnen Gelehrten erfchies
nen *®), und ungeächter des firemgern Urtheild, wels
“ ET. 2 Eg' ches
*
on nen trouye dans, ſous les livres des Aneien⸗,
Ua clairement dissip6 ces Visions metaphysiques,
- qui brouilloient la cervelle‘ aux gens, et leur
comimuriquoient comme in grain de folie em _
faisarit du bruit par des sons, qui n’avoient aucum '
sens <lair mt: distinet. Chawfepie Locke p· 103.
48) Gegenfäriften find unter andern von Henry Less
“ L’Anti: Scepricistne on Hemarques 'sur Chaque
ehapitre de — de Mr. Locke. Londres 1703
fol. und von John Norris in ſ. Essai dune iheo-
tie du monde ıdeal om intellectuel. Londres
1704, 8. Morris behauptete mit Malebranche, daß
wir alle Dinge in Gott ſchauen, welche Hypotheſe
Locke in ſeinen vermiſchten Schriften einer ausfůhr/
Uchen Pruͤfung unterworfen hatte. Mehrere Ber
hauptungen Lockes erregten Streitigkeilen; je B.
baß Perſon und Subſtanz nicht verſchieden fey, bes
ffritt Stillingfleet in Beziehung auf die kirchliche
Trinitdtslehre. Auch das Werk, weldes den Titel
führe: The Procadure, - Extent and Limits of
human Understanding.: 1738. i737. 8. Ve⸗
. eracht⸗
"68 ‚Siebentee Haupli. Erf tg, Dee fon.
x * der ‚Berühmte Shaftetburh faute, iſt doch das
uUrtheil von dem Werthe dieſer Philoſophie immer
allgemeiner und einſtimmiger geworden, und fie hat
" Rilnmer mehr Einfluß auf den Gang des Philofophirens
An’ England gewonnen. Baco, Newton und Locke
- Find als eminent Gelfter die Führer der folgenden
Zeiten geworden, und befonderd hat der erfte, ‚noch
mehr ber dritte, die’ Richtung des Hhllofophirenden
Geiſtes und die Methode: der Philofoppie beſtimmt.
Die Pſychologie als Grundlage der Philoſophie, und
insbeſondere die Moral und Aeſthetik Haben durch dieſe
NRichtung einen Reichthum von vielen trefflichen Be⸗
fierfungen gewonnen. ,
In den Niederlanden, wo der Einfluß der 1 Garten
Kanifchen Philoſophle am ausgebreitetften war, kounte
eben darum war ein entgegengeſetztes Syſtem weniger
Eingang finden, denn die beiden Hauptſäatze der Locki—
ſchen Phllofophie, daß es Feine angeborne Ideen gebe,
‘und daß dad Weſen der Seele nicht blos in dem Den—
‚ten beftehe, konnte den Cartefianern' nicht gefallen.
Aber es gab immer eine Partei von Denkern, die nicht
ſclaviſch an das Syſtem des Cartefius ſich banden,
ober gar gegen daſſelbe ſich erftärt hatten, und ins
ter diefen erfiete Locke's Philofophie viele Freun⸗
ö ve
tracht-⸗ u. Anmerfungen über die in den‘
" gelehrten Zeitungen mitgetheilte Recens
fion des Werts vom menfhliden Vers
. ftande, weldes dem Dr. Brown, Bifhoff zu
York zugeſchrieben, und wider: Loßs
tens Wert vom menſchlichen Verſtande
gerichtet zu feyn befunden wird. Den
Selchrten zur Prüfung übergeben von
\ marhanael Brontong® Leipzig u. Butalgen
..ı733.8
Ausbreitung der Wiilefophie, ne. Bode. 69
nes), Unter diefen zeichnete ſich Johaun Cleri cus auf, .
der mit Auswahl die Hauptiäge der. Lockiſchen Philolopbie
feinem Spftem der theoretiſchen Phiĩoſophie in feinen
philoſophiſchen Werken zum Grunde ‚gelegt bat, ; ‚Ohng
originalen ‚pbilofophifchen Geiſt beſaß er die Faͤhigkeit,
fremde Ideen deutlich zu machen und foftemartig zu
verbinden, und eben dadurch leiſtete er, der Lockiſchen
Phils ſophie den großen Dienſt, daß nach den Grund⸗
fägen derfelben, wenn auch nicht ausſchließlich, ein
Syſtem der Kogik, der Ontologie und Pneumatologie
dargeftellt.. wurde °°). , Nicht weniger trug Orawe
fande.burd) feimEompedium der ‚Logik und Metaphy⸗
ſik zur Verbreitung diefer Philoſophie bei; aa
In Deutfchland hatte bieher immer. eine Abhän: J
gigkeit des Philoſophirens von. dem Syſtem des Ari—
fioteleö die Aufmerkſamkeit und die Tpeimahme an neyen
Anſichten ‚in der Philoſophie gehindert; ein felbſtſtaͤm
diger Geiſt der Forſchung war nur felten. zum Vorſchein
gelommen. Seht aber nahm ’jene Einfeitigfeit mächtig
ab, das Intereſſe. für die beſtehende Schulphitsfoppig .
x
wurde ſchwaͤcher/ ein mehr unrybiges ( Streben des For⸗
fungögeifles äußerte ſich mit einer „größeren Freiheit
der Richtuug, in welcher der eigentliche Chargkter den
deutfchen Zorfchungsgeiftes, Univerfafität und Tiefe;
keimte, ſich aber, vord erfte groͤßtentheils nur durch eig
ne Auswahl ‚bed Beſſern, eing, offenere Empfaͤuglichy
keit für fremde Verjuche und ein unbefangeneres Ur
theil offenbarte. Ju mehreren Lehrbüchern wurde Ruͤck⸗
ſicht auf des brittiſchen Philoſophen Behauptungen zer
noms
49) Lettres de Mr. Locke & ae Mr. de LinBorgh
Oeuvres diverses: de Locke T. L. p. 323.
50) Ioannis. Clerici_ opera. philosophica Amptelo-
dami 1697. 8. 2 Bde. Ate Ausg. 1710,
70 Ciesentes Haupifl. Erfte . Dritter abſchn.
nommen, und Leibnitz, der "große Geiſt, der mit als
Ten damals lebenden Denkern werteifern konnte und
fie zum Theil verdunkelte, imterwarf das Hauptwerk
deſſelben einer firengern Präftng *),welche eine.
Zeitlang wohl mit ein Hinderniß für die weitere Aus⸗
'-Breitung diefer Philoſophie in Deutſchlaud war, bis . ,
bie Denkart fich ſelbſt derfelben naͤherte, ohne jedoch
" ‚gu ausſchließenden Herrſchaft gelangen gu koͤnnen.
In Ftankreich dagegen gelangte dieſe Phitofophie
bald zu einer folchen Agernembelt, vaß auch ſelbſt
nicht einmal ein Verſuch gemacht murbe, dieſelbe nach
ihrem Grundprincip und in ihrer Tauglichkeit für Mile
ſenſchaft einer freien Prüfung zu unterwerfen. Sie
führte Hier nar immer abwaͤrts zu Folgerungen und
zu Hopotheſen, /welche die Stelle der Gründe vertra⸗
"ten, und brachte Daher fir die Wiſſenſchaft "weniger
BGewinn, well der menſchliche Geiſt ſich in die Neußers
Uchkeit verlbren und gerſtreutt hätte, und daher auch
‚alles nur in Bezichung af’ das Aeußere auffaßte.
Seit Tarieſius und Malebrauche Hatte das’ wiſſen⸗
ſchaftliche Streben in diefeni Lande offendar abgenom⸗
„men, und wegen’ bet‘ Beweglichteit undoe ebhaftigkeit
des Geiſtes, der Neigung zum Witz und gefälliger
Form immer mehr den inmetn, wahren. Gehalt der Er⸗
kenntniß aus dem Gefichtößreife verloren. Zwar fuchte
Eondillae auf dem breiten Veden der Empirie ein Sy⸗
ſtem
8 Recnai da ain⸗em·· piooe· sur —* philosophie, la
. religion naturelle — par Mr. Leibnitz, Clarke,
Newton. 11. Ed« Amsterdam 1740. T..I. Pref,
+ p. XCH. Seide Philofopben , Locke und Leibnig,
achteten einander gegenfeitig; - aber jeder. urtheilte
fſeht geringfügig von des Andern Philofophie, weil
fie in den Srundprincipien ‚ginander entgegengefege,
waren.
- Ausbreitung der Phitofophie des Lode. 74
ſtem von Wiſſenſchaft aufzuführen, das in dem Schei⸗
ne äußerer Form ſelbſt der Mathematik nichts nach,
geben ſollte, ‚und hatte in diefer Hinficht,. nach dem '
Urtheile mehrerer Franzoſen, den brittiſchen Philofos-
phen gemeiftert; allein dieſes wat doch nur ein Blende .
werk, das nur diejenigen taͤuſchen konnte, welche nicht
auf den Grund der Dinge ſchquen. '
Das Gluͤck, welches Locke's Philoſophie machte,
iſt aus dem regen Eifer für. Philoſophie, aus dem Zus
ſtande der wiſſenſchaftlichen Cultur und aus dem Gei⸗
ſte dieſer Phiiloſophie begreiflich. Denn dieſe enthielt
nicht blos eine Wiederholung des alten Gedankens der
Peripatetiſchen Philoſophle, daß. nichts in dem
Verſtande ik, was hicht dur die Sinne in
denfelben gekommen, fondern einen ſcheiabaren
Beweis deſſelben, eine Beſtimmung der Greuzen des‘
Verſtandes, eine Zuruͤckfaͤtrung aller philoſophiſchen
Probleme auf Wahrnehmungen und Schluͤſſe daraus,
eine Verbannung aller dunklen, unverflänblichen orte
and Formeln, dunkler Fragen, haltungslofer Hypothe⸗
fen. Der Sinn für Klarheit, Deutlichkeit und Gründs
uchteit, welchen Daco und Gartefind geweckt hatten,
fand .in der für die Wiſſenſchaft und die Philoſophie
geebneten Baſis der Erfahrang feine Rechnung, und
ine reiche Quelle zur Erweiterung realer, nicht aus
y gegräffener Erkemtnifle. Die Aufmerkfamkeit
- ur die Grenzen und die Beſchraͤukung des menfchlis
en Erkenmend, die Wärbiguug: der analytifchen Ers
tennteiß und: die Ausftellung des Mißbrauchs mit den
fogenaunten Priucipien der Schulphilofophie waren neue
Arnſichten, weiche gu weiteren Forſchungen einladen
tomten. i
Gleichwohl war biefer Verſuch einer Grengbeftints
mung und Ormdicsung zur ern an ſich ges
nom⸗
72 Siehentes Hauptſt. Erfie Abth, Dritter Abſchn.
nommen, noch ſehr unhollkommen und mangelhaft.
"Denn die Unterſughung ging nur auf bie materialen
Bebinguggen, der Erkenmniß, inſofern ſie durch den
‚äußern und innern Siun gegeben werden, in Unfehung
deren ſich der. wienſchliche Geift, blos leidend in ‚dem
Empfangen verhält. Hieraus entfprang eine zu eins
feitige Anficht von dem Inhalte, md Urfprunge der
Erfenntniß, indem wenigſtens die Möglichkeit zugeges
ben werben mußte, daß auch in der Selbſtthaͤtigkeit
des wmienſchlichen Geified Stoff zu Worfichungen- ent
holten feyn koͤnne, und eine einfeitige Erkenntnißtheo⸗
rie, weil eben nur auf die Empfäuglichkeit geachtet,
und daber den Werfiande blos das Vermögen ber In:
giſchen Vergleichung, „Abftractiom und Verbindung ges
geben. wurde. Locke. hatte felbft durch feine Aufrichtigs
keit, indem er werigſtens eine. Vorſtellung, Subſtanz,
“nicht ans Empfindungsſtoffen abzuleiten vermochte, die
Mangelhaftigkeit - feiner: Theorie eingeſtanden. Mer
feine ganze Pbiloſophie auf. einer. Vorausſetzung bes
ruhete, zu welcher :der.: Beweis nicht. gefunden war,
‚fo mußte alles, was daraus als Falgerung -abgejeitet
"worden war, wie z. Bo bie Behauptung, daß die ein⸗
fachen Vorſtellungen · ſich auf veale Eigenſchaften der
Dinge beziehen und. mit denſelben uͤereinſtimmen, was
ſelbſt nicht- (hit der Behauptung, daß das wahre Wer
fen der Dinge nicht..ertennber iſt, ſtreitet, noch in eis
nem zweifelhaften:.Lichte erſcheiuen. Dle Gewißheit
der Erkenntniß realer Dinge mußſte hierdurch ebenfalls
ſehr problematifch werben, inſofern alles auf Empfin⸗
dung zurüdgeführt wird, welche immer individuell iſt,
amd‘ nur unter 'Vorausfegung, daß die Natur nach uns
veränderlichen Geſetzen wirket, und unter Vorausſez⸗
zung berfelben Bedingungen. von Seiten des Objects
und Subjests das Urtheil begründet, daß biefelbe Ems
" pfindung wieberfehren werde, Auf diefe Weiſe konnte
" ' - aber
Botek Ahstefopbie., la *
aber am wenigfien die philo ſophiſche Euns uitutß wel·
he frenge Allgemeinheit und Nothwendigkeit in ſich
ſchließt, begründet werden. Darum. fehränfte auch
Rode ‚Wahrheit md Gewißheit ‚auf. dig Upbereinfting
mung der Worte mit‘ den begeichueten. Vorſtellungen,
d. 1,, analytiſche Erfenntniß,. ein, und ſuchte ben. bis⸗
herigen Vorzug der "Mathematik darin, daß: ihre, Zei⸗
chen genau it, ben Vorſtellungen Zuſapamentreffen,
welches jedoch auch in der Moral aydern, Wiſſen⸗
ſchaften . erreichbar 0. was chen Sehlgriffen
auch in der Schule der Empiriſten vderleinet hat.
Außerdem aber, — in dem bloben Empiriemus -
für die wiſſenſchaftlzche Form. der Phllofaphie kein
wahrhafter Grund „fi findet, als, ein, belichiges Zu—
ſammenſetzen und Trennen. der Vorſtellungen, und daß
&& auf Erfahrung, ſich heruft, welche ſeibſi einer tie .
fern Erforſchung nicht allein" in Anfehung ihrer ‚mates
vielen, fondern auch vorzüglich ihrer, formalen Bedine
gungen. bedarf ; würde auch aller Sahale, her Philofos
Phie ſich auf Erfahrungsfäge einſchraͤnken müffen, wels
ches mit dem leiten Ziele des Pbhiloſophirens nicht
aylammenftinimt, Denn dieſes gehet auf das Unbes-
dingte und Abfolute, auf das an fih Wahre und Gu—
te, und erhebt fih daher über, das Reich des Sinnli⸗
chen. Wenn der Empirismus conſequent verfolgt wuͤr⸗
de, ſo würde eigentlich gar keine Philoſophie, Feine
Metayhoſik, keine · Sittenlehre möglich ſeyn, und die
wichtigen Gegenſtaͤnde derſelben mößten unter die Hirn⸗
geſpluſte oꝛzahiet erden 2).
I “ Bu \ Di
52). gIn Fantrelh wurde dieſe Zolge am meiften
_ fihtbar. So fagt 5. ©. Dideröt; D’ol il auroit
pu tirer une auirs consequence tres · utile; c'est
que
. 76 Siebentet Hauptft Erfie Abth. Dritter Abſchn.
Da jedoch diefe Phitefophie auch Wahrhelten ent⸗
hielt, und die ruͤhmliche Tendenz hatte, die Wiſſenſchaft
. ‚vor allen Auswuͤchſen einer eitlen Speculation zu bes
freien, auch Keime und Aufforderung zu.tiefern For⸗
ſchungen in ſich derſchloß, überdem aber die entgegens
geſetzte Anficht des Ratidnalismus in der Hypotheſe
der angebornen Ideen völlig befiege zu haben fchien,
und durch ihre Spftem = nid Formloſigkeit vielen ans
gemeffen und gerecht war: fo darf man ſich nicht wun⸗
dern, daß fie fordohl eine große Anzahl. von” Freumns
den erhirit,“ als auch mancherlei Geſtalten nach und
nad) annahm. Je nachdem die Anhänger In ver Ans
ſichten und Zwecken / in ihrem logiſchen und morali⸗
ſchen Charakter verſchieden waren‘; fh "Bars iiidhr' mit
dem Scheine: und der äußeren Form einer wiffenfchafte
lichen Erkenutniß begnügten, ober auf wahren wiffens
ſchaftlichen Gewinn audgingen, mehr nach den Grüns
den zu forfchen oder Folgerungen zu entwideln ges
wöhnt waren, je nathdent ſie mehr ober weniger die
Mängel und Gebrechen in der Grundlage einfahen,
dieſelben offener geftänden und darlegten, und zu ver—
befierm, zu beſchoͤnigen und zu verdecken firebten; je
. nach⸗
qyuẽ ioute idẽe doit ae resoudre en derni&re decompo-
eition en une representation sensible, et que puisqque
tout ce qui est dans notre entendement est venu
par la voie de la sensation, tout ce qui sort de
"notre entendement est chimerique, oin doit, em
retgurnant par le möme chenin, trouver hors
de nous un objet sensible pour s’y rattacher;
De-lä une grande rögle ‘en philosophie; c’est'
que toute expression qui ne tronve pas hors de
notre vaprit un. objet sensible auquel elle pülise
sa rattacher, est vnide de sus: Encycloptdie
method. Philosophie anc. et mod. T. UL P. I.
Locke p. 129.
’ \
Lode’s Philoſophie. 76
nachdem fie endlich mehr von einem einſeitigen oder.
all ſeitigen Intereſſe geleitet wurden, und mit mehr
oder weniger Couſequen; zu Werke gingen: je nach⸗
dem mußte auch die Anſicht und Ausſicht, bie Wirkungse
ſphaͤre und Urt der Thaͤtigkeit geäudert werben und
daraus auch ein anderes Probuct hervorgehen;
Bir werden diefe verfchledenen Geftatten der Lock⸗
tiſchen Philoſophie, fo. wie die Folgen derſelben -in
des Skepticismus, des Matrrialismus,
Atheismus, der antimoraliſchen Syſteme erſt dann wei⸗
ter verfolgen, wenu wis bie philoſophiſchen Verſuche
einiger Deutſchen, und das Syſtem eines der größten
philoſophiſchen Genies dargeſtellt haben,
Lars Zeitalter war durch die Gleichzeitigfeit zweier
Männer, welche, durch die Kraft ihres originalen Gei—
ſtes, als Sterne erſter Größe hervorſtralten, ausgezeich⸗
net, von denen der eine England, der andere Deutſch⸗
land angehöret. Beide haben durch ihre Erfindune
gen und Entdeckungen Epoche gemacht, der eine war
» mehr auf das Gebiet der Mathematik und Naturwifs
ſenſchaft beſchraͤnkt, ohne in andern Fächern etwas
Großes Teiften zu Tonnen, der andere umfaßte mit
gleichem Intereſſe und durchdringendem Geifte das Reich
der Wiffenfchaften in -dem ausgedehnteften Umfange,
und konnte eben fo gut in der Philofophle ald der
Mathematit und Phyſik, in der Gefchichte, Rechtsge⸗
Tahrtheit und Theologie Lorbeeren verdienen. Der Letzte
gehört mehr, als der Erfte, der Gefchichte der Phifofo-
phie an. Denn Newton (geboren 1642 zu Cam-
bridge, ft. 4727) hatte von feinen früheften Zeiten an
feinen Geift vorzüglic) und beinahe ausſchließlich auf
Mathematik und die Phyſik im Großen gewendet; und
konnte daher um fo eher etwas Großes Ieiften, je
meht ſich Genie, Fleiß, richtige Methode und ein bes
Van. ſtimm⸗
Philoſophit · det Nawtonstin’n.: m
ſtimuttes ale bel ihm vereinigten. Denn er: > fg von
dem richtigen Geſichtspuncte aus, daß die wahre Nas
turwiffenfchaft fich nicht. auf Erdichtuugen und Hypo⸗
thefen, fondern anf. Beobachtungen der Phänomene des
Natur gründen muͤſſe; daß es für dieſelbe nur. eine :
doppelte Methode, die analyt iſche, welche aus Be⸗
obachtungen die Geſetze der! Natur erforfchet, ‚und die
ſonthetiſche, weiche die analytiſch gefundenen Ges
feige auf andere Erſcheiaungen zu ihrer Erflirung m ©
wendet, gebe, und daß die fonthetifche die aualytiſche
vorauöfege *). Auf, diefe Art unterfuchte er die Schwe⸗
te, Licht und Farben, und brachte durch die Entdek⸗
fung der mathematiſchen · Principe dieſer Erſcheinungen
diejenigen Werke zu: Stande, welche ihm einen ewigen
Ruhm erworben habe. "In. Hypotheſen uͤber die Be⸗
ſchaffenheit der Kräfte, weiche, jenen Erfcheinumgen zum
Grunde Liegen, ließ et ſich nicht ein, und glaubte, daß \
die Phyſik ſich vor der Metaphyſik in che nehmen \
mäffe, weit diefe den fichern Gang der Wiſſenſchaft
durch Vorausfeungen ſtoͤre, welche durch Beebachtuns
gen nicht ‚gexerhtfertiget werben .
3) Neutoni Oplie latine reddita a Samuel Clarke.
Lausannae 1740. p. 39
2) Newtoni Optice p. .297. Tetiusmedi ‚medium w
reiicianus, auoiores nobis gunt, antiquissimi et
‚ celeberrimi' Graeciae Phoenicineque philosephi,
qui principia philosophiae suae spatium inane,
atomos et grauitaten atonıorum posuerunt; tacite
“ attribuentes vim grauitatis- alii alicui causae a
materia : densa dinersae. Cuins quidem cau-
sae, physici‘ recentiores, in rebus naturae
‘ eulandis nullam, rationem habuerunt; a
sium comment4 confingentes, quibus phae-
nomena omnia ex mechänicis legibus explica-
rent, et contemplationem aliarum dausarum in
0 . me-
78 Ciebentes Haupt, Erße Abth. Wiertet Abſchn.
*:.* Mioten: nitimt.an, daß. alle Naturobjerte, . bie
sorficennen Weſen ausgenommen, in einem lesen
Raume find. und aus einartigen Veſtandtheilen beftes
ben, welche durch verſchiedene Zufammenichung und
verſchiedene Etamifchung der leeren Zwiſchenraͤume alle
mannigfaltigen Körper, die wir kennen, bilden, ‚Sie
find in dem leeren Maume beweglich, träge, Dicht, und
erhalten durch gewiſſe active Kräfte ‚immerzu Bewe⸗
"gung. Urfprünglid) hat der Allweiſe die koͤrperlichen
Dinge nach Abfiht und Zweck zufammengefegt und
geordnet. Deun nur dem Schöpfer kam es zu, alles
in feine Stelle und Ordnung zu bringen, Es if des
Philoſophen umwürdig, nach andern Urſachen der Welt
zu forfchen, oder auszukluͤgeln, wie aus / dem Chaos
die ganze Welt nach bloßen Naturgeſetzen habe entſte⸗
hen können, obgleich ‚fie, nachdem fie einmal gebildet
IR durd) diefe Gefehe Hiele Iayrhumberte hindurch
fortbefiehen Tann. . Denn da bie Kometen in feht ex⸗
eentrifchen Kreifen nach allen Seiten deö weiten Hims
melsraums ſich bewegen; fo Tann man es nicht einem
blinden Schickſal beimeſſen, daß alle Planeten in cou⸗
sestrifhen Kreifen einförmig ſich bewegen, einige un- -
bedeutende Unregelmäßigteiten abgerechnet, welde aus
den gegenfeitigen Einwirkungen der Planeten und Kos
meten entftehen, und in ber Zeit fo groß’ werden moͤ⸗
gen, daß fie‘ die ausbeflernde Hand des Urheberd ers
fodern. Eine fo bewunderungswärdige Regehnäßigs
. teit,
metaphysicam reiicientes. Cum e contrario phi«
‚ Josophiae naturalis id reuera praecipuuni sit et
officium et finis, ut ax phaenomenis sine fictis
hypothesibus arguamus, et ab effeciis ratiocina-
tione progredfamur ad causas, donec. al ipsam
demum camam primam (quae sine omni dubio
wechanica non est) perueniamus.
Bhlofopfie de Kit. . 79
keit, die ſich ay den Planeten und den thieriſchen hrs
pern offenbaret, kann nur allein aus der Wirkfankeit
einer Zutelligenz nach Zweden, aus der Thätigleit ei⸗
ned allmächtigen, allweifen, -ewiglebenden Weſens ers
klaͤrt werden, welched allenthafben: gegenwärtig ift,
durch feinen ‚Willen alle Körper in feinem unenplichen
einföruigen Senſoriam, welches der Raum ift 2), bes
wegen, alle Theile der unendlichen Welt nach feinem
Velieben bilden und. umbilden fann, und das auf eine
weit · volllommuere Weiſe, als es die Seele in Anſe—
Yang der Gtieder ihres Körperd vermag. Wir dürfen
jedoch. die Welt ‚nicht als den Körper: Gottes, noch die
heile derfeiben als Theile Gottes betrachten.. Gott
iſt ein einfoͤrmiges Wefen. ohne alle Organe, Glieder,
Theile. Alles dieſes iſt feinem . Willen untergeordnet.
Gore. ift auch ſo wenig die Srele dieſer Theile, als
die: Seele die Seele. jener Eindruͤcke (specierum) ift,
weldye.. durch die Sinnorgane an den Sinnort’gelans
gen, wo fie die Seele unmittelbar: wahrnimmt. Sol
ber Organe bevarf Gert nicht, weil er allen Dingen
felbſt allenthalben gegemmwärtig ift. Da der Raum ind
Unendliche theilbar ift, Materie aber nicht nothwendig
in allen Theilen des Raums zu feyn braucht, fo. muß
man noch dieſes einräumen — .wenigftend ift nichts .
darin enthalten, was in ſich ſelbſt und der Vernunft
B b wie
3) Newton hiclt den Raum für das Senforium der
‚Sotiheit, verftand aber wahrfheinlih unter Senſo⸗
tinm nicht ein Anfdhauungsorgan, fodern nut den '
Anſchauungsort. &o erflärte fih wenigſtens Clarke
darüber, m. f- das Rerueil TI pt. 21, und
dann ift 68 nichts anders, als cin Bild der goͤttli—
cen Allgegenwort und Allwiſſenheit — eine x Bartkle
. Jungsari, worin KHeinrid More (10. ©. ©. 514)
vorangegangen war, Über freilich macht derfeibe
den Raum zu einem realen Dinge. x R
„8a Siebentes Hauptſt. Eiſis dith. Wierter Abſchn.
widerſprechend waͤre daß Gott Mareriencheile von
mannigfaltiger Größe, Geftatt, und in. Beziehung auf
den Raum, worin fie find, Yon“ mannigfaltiger Zch®
amd Quantität, "mit verfchiedener Dichtheit und Kraft
ſchaffen, auf’ diefe Weife die Gefege der Natur mans
migfaltig mobificiren, und in den verfchiedenen Their
len des allgemeinen Raums Welten "von verſchlebener
Art bilden kann *). 1*
Diefes gibt” Newton zwar nur für der Vernunft
angemefjene Wahrſcheinlichkeit, und, unterfcheipet es
von dem ‚Gewiffen, was auf flrenger Demonftrarion
beruhet. Indeſſen fiehet man doch, wie er auch in der
Naturwiffenkhaft nach mathematifchen Principien theils
gewiſſe Begriffe und Wahrheiten: vorausſetzt, welche ee
fo anſiehet, ald wenn fie von der Erfahrung entlehnt
. fegen, wohin nicht allein das erfahrungsmäßige Dar -
ſeyn ‚der Körper, ihrer Dichtheit und Schwere, fondern:
auch die Vorausfegung der Atomen und des Leeren ge
hoͤren. Diefe Annahme aber ift noch nicht begruͤndet,
und erfodert.tiefere Unterfuchungen, welche diefer gros
fe Geift nicht zu almen -fcheint. -Zweitend aber er⸗
kannte er wohl, daß diefe Naturphilofophie für ſich die
Vernunft noch nicht. völlig, befriedige, indem fich. nicht
alles aus dem bloßen. Mechanismus der Natur erkla⸗
ven laffe. Daher. war ihm die Naturphilofophie in ih⸗
ser Vollendung auch zugleich die wiffenfchaftliche Erz '
kenntniß der erften Urfache. ihrer Gewalt und ihtes-
Rechts über uns und ihrer von ihr empfangenen Wohls
thaten. So glaubte er auch in berfelben bie Erkennt:
niß von dem Grunde unferer Pflichten gegen Gort und
gegen und felbfi zw finden, - wodurd) die Erweiterung:
und Vervollkommnung der Motel möglich werde,
" \ Denn
4) Newton Optice p. 327; 338.”
Beiönige 0. Ba
Denn ohne. dad‘ Princip, welches in dem erſten der
fieben Noachiſchen Gebote enthalten iſt: Gott müfie
abb einziger und. boͤchſter Herr anerkannt,
und feine. Derehrang auf feinen andern
übergetrageu werden, fey die Tugend nichtd ald
ein inhaltleeres Wort 5), Uber Gterin.offenbaret fich
eben eine undeutliche Auficht von der Ahilofophie, und,
ihren Prinsipien im ‚Ganzen und; in ihren Theilen,
weiche bei. dem auf Phyfil' und Mathematik fich haupte
ſaͤchlich beſchrantenden Denker au entfchuldigen iſt.
Eben darin. ig ſch ein Uuterſchied zwiſchen
Newton uud Leibniß, daß diefer das ganze Gebiet des
menſchlichen Wiſſens umfapte,, mit genlalem Blick
neue uinſichten Aber alle. Theile gleich Funken ausfprüs
hete, ohne in einem Epoche zu machen. Veſonders
aber. war fein, Geiſt mehr auf diejenige Seite hinges"
richtet, wo nach Newton die Ergänzung der gewiffen
und bemonftrativen Naturwiſſenſchaft zu fuchen iſt,
mit dem Unterfchiede, daß er diefes als das Hoͤchſte
für die menfchliche Vernunft anfahe, und es: eben fo ad -
Object der Wiſſenſchaft betrachtete, als Newton bie _
Gefege der Naruterjiheinungen, - bienzu aber andere
Prins
5) xeelba Optice p. . 330. Quod a phildsophia
"" naturalis, hanc 'methadum ® persequendo, tandem J
aliquando' ab omni parte absoluta erit fi ai ·
que perfecta deientia, nuque fututum erit, üt et
* philosophiae‘ moralis fines itidem proferantur,
Nam quatenis ex philosophin naturäli intelligere
poesimus, quaenam .sit prima rerum causa et
„quam polenatem 'et ius ille in nos habeat, et
” quae -beneficis ei accepta siht referenda ; · eatenus
officium nostruin efiga cum,’ aedjue ac’ erga nos
imetipsos invicem ud sit, per lumen nafurae
-‚Innotescar: - 5
Rennem. Geſch.d. pileſ. Rh 5
‘
”
‚ 82" Giebentes Hauptſt. Erſte Abth. Wierter Abfgrt. - j
Principe für nöthig hielt, als bie Beobachtung der Na ·
für, um fo leichter aber auch durch kaͤhne Hppothefen - -
das Gebiet. des Erkennens überfchritt, - Es offen⸗
baret ſich alſo in beiden Mr Gegenſatz des Em⸗
piriinus und des Rationalismus, und Leibnitz
frehet darin, und in Beziehung auf Philoſophie höher,
hat auch für dieſelbe ungleich mehr gewirkt, als New⸗
ton,. wenn auch darnach ihr beiderſeitiges Verdieuſt
"len wicht geſchaͤtzt werben kann. Newton und Leib⸗
nitz waren erſt Freunde, dann Gegner, durch die von
beiden behauptete erſte Erfindung der Differentialrech⸗
nung. Der darüber mit Lebhaftigkeit geführte Streit
veranlaßte Leibnitzen auch‘ zu "einigen ungünftigen
Urteilen über Newtons Philofophie, weiche beffen
Freund Sam. Elarke zu verteidigen überhahm. Durch
„diefen Streit erhielten jene von Neioton nur angebeus
teten und gleichfam nur hingeworfenen Gedanken mehr
WBeſtimmtheit und Ausbildung °) ‚ N
\ ' Rei
6) Dificultexz de Mr. Leibnitz contre les sentimins
de quelques velebres ecrivaius Anglois souchant
ls principes de la Philosophie et de la thaologie
maturelle avec ls reponses de. Mr. Clarke, in
dem erſten Bande des recueil de diverses pirces
9" sur ka philosophie, Fa religion: natwurelle
— er Mrs. —— 6, u Am- »
sterd. 1740. 8. metaphysique de Newton ou‘
paraliie des sentiments de Nazton et Leibnitz
‚pet Mr. Voltaire. Amsterd. 1740. 8. Vergs lei⸗
hung’ der Leibnigifhen und Newtonmi—
Then Metaphyſik, wie aud ver ſchie de—
ner anderer philoſophiſcher und marhe
matifher, Lehren beider Weltweifen. am
gekellt und dem Hru. von Voltaire ent
‚ sgegengefegt von Ludw. Mart. Kahle. Goͤt⸗
tingen 1741: 8. Franz. Ucherf. à la Haye 1747.
8. Essais dume conciliation de la metaphysigus \
Beibnig 8
Leibnig, anf weichen Deutſthtand nicht wenis
ger ſtolz feyn Kann, als England auf Newton, Hatte .
das Slůck, in einer berühmten Univerfitätsftade und
zu einer Zeit in die Welt zu tteten, welche für die
Entwidelung der. Geiftestalente ungemein gůnſtig war.
-Iene konnte durch den Verein mehrerer Seiehrten, yud
den regen Eifer, womit fie ihre wiſſenſchaftlichen Faͤ⸗
cher betrieben, ciuen guten Kopf auregen; dieſe
mußte aber bei dem großen Intereſſe, welches für alle
fon Hier und da fictbar wurde, Die Polemif nicht
mehr" die Köpfe erhitzte, und eine größere Verährung
und: Wetteiferung mit dem Yuslande anfing, zur Wei.
lung und Vildung ebenfalls von vortheifhaftem Einfluſſe
ſeyn. In Deutfchland war bioher fuͤr die Wiſſen ·
ſchaften tim Stillen, ohne Geraͤuſch und nicht ohne Er⸗
folg; gearbeitet‘ worden, ohne daß e⸗ mit den Aus.
lande gleichen Schritt halten Konnte. -€s faud ſich
aber tn dieſem Lande viel Sinn und Vitereffe-für wife
ſeuſchaftliche Cult, - eine Empfänglichleit für mans
nigfaltige Anfichten und Entdedungen, ‚nebft Bereits ',
willigkeit fie aufzunehmen, ein Streben, fie zu größes
ter Reife zu bringen, und überhaupt ein reger Geiſt.
Aber die Vernunft hatte ſich durch alles dieſes doch
wur eigentlich vorgeuͤbt und geftärft, um in der Solge
mit mehr Seilbſtſtaͤndigkeit und lebendiger Kraft auf
dem Gebiete der Wiffenſchaften walten - zu. Eönnen,
Herzu bedurfte es nur eines. Kräftigen Geiſtes, der 2
wit einent elektriſchen Schlage die giiren Köpfe aufe
\ . 32 regte,
“ de Leibniz avec ia si de Netwlön par Mr.
Beguelin in d. a Nrark Fr Bere :
8 1766. Deutſch in Hißmann's Magayin..
. . V. * —
en‘ Fa
’ vn
84. Siebentes Haupiſt. Etſie Abth. Wierter Abſchn.
regte, begeiſterte, durch fein Veiſpiel nach ſich zog,
und dadurch in allen Theilen des Wiſſens eine merk⸗
wuͤrdige Epoche herbeifuͤhrte. Diefes bewirkte Leibnitz
durch fein Genie und durch die Beguͤnſtigung der Zeit⸗
umftände, 0
"Gottfried Wilhelm yon Leibnitz war zu Lelpzig
den 21 Jun. 1646 geboren. Kein,’ Vater, Friedrich
Leibuitz, Profeffor der Philojophie zu Leipzig, farb ihm
in jeiner ‚früheiten Kmdhtit .16525 aber feine Mutter
erſetzte den Verluft durch eine gute Erziehung. In ber
Nicdial· Schule erlernte er die, Elerentarkenntniſſe der
Yateiniichen und griechiſchen Sprache. Bei der großen
Xernbegierde und der Leichtigkeit, mit. welcher er alles:
- faßre, . Tonne ‚der gute Unterricht, - welcher. in dies‘
fer damals berühmten Schule vorziglid von Jatz Tho⸗
maſius gegeben wurde,: feinen Geift nicht fättigen; er-
durchwuͤhlte die Vuͤcherſammlung ſeines Waters, uud
waͤhlte ſich den Livius und Virgilius zur eignen Lieb⸗
lingslectuͤre. Den Dichter hatte, er wit. ſolchem Ju⸗
tereſſe. geleſen, daß er In feinem hohen Alter noch! lan⸗
ge Stellen deſſelben auswendig herſagen konute.
Als et 1661 Student geworden war, widmete er
ſich vor allen dein Studium der Mathematik und Phje:
tofophie ” Sein Lehrer in ber Mathematit, Johann
Kühn, befaß wenig von Lehrtalent, und die wenige
ſten Zuhoͤrer verftanden ihn wegen feines, dunkeln Vor⸗
trags. Leibnitz überwand diefe Schwierigkeit, und, noͤ⸗
thigte ben. Lehrer durch Fragen und Disputiren, daß
er die" Kehren verftändlicher und gründlicher gortragen. -
niußte.“In der Philofophie hörte er außer Johann
Adam Scherzer, 'der in der ſcholaſtiſchen Philo⸗
ſophie eingeweiht war, Friedrich Rappolt, tinen
pbilologiſch gebilderen Gelehrten von- freierer Dentart,
der mitz Foh. Chpk. Sturm einet · der erfien gez
\ . tiber
Reini 386
" tiler war, doch borzůglich Sacoh Ch oma fius. Die⸗
fer vielſeitige Gelehrte" von friedfertigem Geiſte, und
großen Einfichten in die Geſchichte der Philoſophie,
zu deren beſſerer Bearbeitung er den Grund logte, hatte
den wohlthaͤtigſten Einfluß auf die Bildung deb Leibe
ni, welchen dieſer in feinen. Schriften: ſtets ruͤhm⸗
te 7). Er ging mehr in. die Gefchichte Ber Kehren ein
und zu den Queen zurück, und gewährte durch die
aus den Werken. der grierhifegen Phitofophen geſchoͤpf⸗
ten Begriffe von ber Philofophie einen nahrhafteren
Stoff, als die damalige ſcholaſtiſche Lehrmethode geben
Tonne; lehrte neben Ariftoteled auch den Plato achten,
und führte überhaupt auf eine richtigere Vergleichung
ud Schaͤtzung abweichender Lehren und. Anjichten.
Beide. Studien mögen wohl mit Grudd als die Haupt⸗
grundlage der Entwickelung des Leibnitz angefehen wers
. 5 den.
7) Jacob Thomaſlus war in Leipzig, wo ſein Vater
der Rechte Doctor’ war, 1623 geboren. Wen 1658
an war er Lehrer der Nicolaiihule, 1690 Restor,
und 1676 Rector der Thomasſchule. Seit: 1643,
‘wo er Magifter wurde, und als öffentlicher Lehrey
der Ethik 1683, ſpaͤterhin der Logik, ‚harte er mit
Beifall und Nutzen Voyrräge ‘Über Philgfophie ges
halten. Obgleidy er por fhrifimäßig Arkftoreles Phis
Iofophie vortragen mußte, fo deckte er doch die Mäns
” gel: derfilben auf, wies auf nothwendige Verbeſſe⸗
‚sungen, vorzäglic in der Meraphpfit, hin, und vers
breitere Aber die Gefchichte der Philofophie, nicht
los der Philoſophen, welde zu feiner Zeit noch
größtentheils ein. unangebauies Feld mar, (Orat.
XII. de ideis Platoniels p. 276) neues Licht, nicht
blos in Schriften (Orationes, Origines hirtoriae
philosophicae et ecclesiasticae, Disseriationes de
Stoica mundi exustione), fondern auch, und wohl
noch mehr, in feinen Vorleſungen Et flarb :684.
Leibniti Rp. T. 1, p. 270. T. M. p. 121.
!
.
8 Giebentes Hauptſt. Erfte Abth. Wiertet Abſchn.
den. Damit verband er aber noch für fein Privatſtu⸗
dium eine ausgebreitete, ‘doch regelloſe Lectuͤre mannig-
faltiger Schriften. Er las Dichter, Redner, Hiftori-
. ber, Philoſophen, Mathematiter, Juriſten, Theologen,
ohne Unterſchied, und wo er dunkle Stellen fand, da
fragte er die Gelehrten um Belehrung. .
> Das folgende Jahr ging Leibnig nach Jena, und
ſchloß ſich vorzůglich an den Mathematiker Erhard,
Weigel, deu Philologen und Hiſtoriler Andreas
Bofe und den Hechtslchrer Joh. Ehph- Fald-
s xer an. Unter biefen wurde Boſe und Weigel ſehr
gelhägt. Der letztere war ein trefflicher Mathematiker,
reich, an Einficht-und genialer Erfindungskraft, und bes
ſaß nicht gemeine Kenntniß der alten Philofophie, vors
uͤglich der Pythagoraͤiſchen, welche er mit andern zu
vereinigen geneigt war.. In den Zahlen füchte er weit
mehr, und fuchte auf fie alle philoſophiſche Begriffe
zurückzuführen, Durch ihn kam daher Philofophie md
‚Mathematik in eine innigere Verbindung. Auch war-
er fein Freund von ben Schofaftilern, und trieb. fie da=
mit in ‚die Enge, daß er in fie drang, ihre Gedanken
in bie gemeine Sprade überzutragen ®). \
Nach einem kurzen Aufentpalie in Jena kehrte er
nach Leipzig zuruͤck, ſetzte feine philoſophiſchen und jus "
riſtiſchen Studien fort, wurde Baccalaureus und Mar
gifter der Philoſophie, disputirte einige Male, arbeitete
an einer Schrift zur Vereinigung ber Platonifchen und
Ariftorelifchen Philoſophie, wurde Baccalaureus der
Rechte, legte von feinen Kenntniffen auch in der Zus
\ “ ris⸗
8) Epistolas- Leibnitii «Vol. IV. p. 247. Weigelit
Philosophia mathemaũca, theologia naturalis so-
&äde, Jenae 1693. &
2eibnis .. 87
ihren dur Diepntationen entuche Veweiſe ab;
tomnte ‚aber dennoch in dem J. 1866 „Die. jurififche
Doetorwürbe,: angeblich, weil er nöd nicht zwauzig
Jahr alt war, nicht erhalten. In Altdorf, ‚wohin er
ßerordeuntlie
Lehrſtelle auf der dortigen Univerfität erhalten innen,
wenn er Neigung zum aludemifchen Lehrer gehabt haͤt⸗
te. Er ging. darauf. nach Nürnberg, fuchte den Um⸗
gang von Gelehrten und Künftlern, wurde in eine: Ges
ſellſchaft von Wichymiften verwidelt, aber durch die
Velanutfchaft des Baron von Boineburg, ber ihm ein
grünkliches Studium der Geſchichte und Nechtögelahrs
beit empfahl, und Hoffmeng zu einer Auſtellung an dem
Mainzer Hofe machte, von ihr abgezogen. Denn er
nahen num feinen Aufenthalt in Frankfurt, ——
ſtch wit der Jurisprudenz, gab’ einige Schriften ü
die Berbefferung derfelben heraus, und wiirde 1670 jr
Mainz als Kanzleirath angeftellt. Ueber feinen. Bes
rafsarbeiten vergaß er feine Lieblingswiffenfchaften, die
Mathematil;und Philofophie, nicht, und arbeitete ein
Paar Schriften aus, die er den ‘beiden berüßmnteften
Gelehrteuvereinen zu Landon und zueignete. Die
"Reife, weldhe er re feines Göns
uiers, des Varons von Boineburg, 1672 nad) Paris
machte, war ihm von großem Nutzen. Er lernte Ges
lehrte don großen Verdienft und Ruhme kennen, legte
ſich, durch ihr Beiſpiel ermuntert, auf bie höhere Dias
thematik, flößte aber „auch den Franzoſen eine-große
Achtung gegen fi ‚ein “Den Antrag, Mitglied der
lonigl. Geſellſchaft zu Paris zu werden, lehnte er ab,
weit der Uebertritt zur katholiſchen Kirche zur Bedin⸗
gung gemacht wurde. Sein Aufenthalt in London im
J. 1673, wo er durch Collins und. Oldenburg mit
Renten beta wurde, war von Yin D Dauer, weil
mir
88 Ciebentes Haupt, Eile Abth. Wierter Abſchn.
wit dem Tode des Kurfurſten von Mainz feijne Seelle
aufgehört hatte. Er ging mad) Paris 1074 zuruͤck, er⸗
hielt daſelbſt den Ruf ngch Hannovor als Hoftath und
Bibliothekar mit einem anſehnlichen Gehalte, und der.
Erlaubniß, fo Tange, ald es ihm beliebe, auf Reifen
zuzubringen. Gr reiſte alfo aus Frankreich über" Engs
‚ land und Holland nad) Hannover. und trat im Sep⸗
tember 1676 feine Stelle an, welche ex bei allen Ver⸗
aͤuderungen des herzoglich Braunſchweigiſchen Hauſes
bis an feinen Tode behielt. Die Aufſicht und Vermeh⸗
rung der Bibliothek, welche feiner Polvhiſtorie ſehr zu
Statten Fam, ein weitlaͤuftiger Briefwechſel, angefuͤllt
von Nachrichten, Urtheilen, Aufgaben uͤber den ganzen
Kreis des Wiſſens, der. VYerſach einer Religionbverei⸗
nigung, eine. Menge von Meinen Aufſätzen in die ‚Acta
erudiioram, in das. Journal des. sgvans und andere
Zeitſchriften ⸗ bie Geſchichte des Hauſes Vraunfchweig,
* eine deshalb angeſtellte Reife. zur Sammlung hiſtorie
ſcher Urkunden und Nachrichten, verſchiedene Streitige
Teiten, beſonders über die Erfindung der, Differenzials -
rechnung, ‚ Erfindung nüßlicher Maſchinen, als bie
Rechnenmaſchine, und einiger zum Bergbau geböriger,
fette Bemuͤhung für die Errichtung der Berliner und
Petersburger Alademie der Wiſſenſchaften und einiger
andern, die. nicht zu Stande kamen, einige publiciſtia
ſche Arbeiten für. das Fürfenhaus, dem. er beſonders ·
angehörte, machten die Beſchaͤftigung ſeines Lebens
aus. Man erſtaunt uͤber die ſo große Menge von Ar⸗
beiten, uͤber die erftaunliche Anzahl von groͤßern und
Heinern Anzeigen, Auffägen, Schriften, in werden ſich
ein fruchtbarer, vielfeitiger Geiſt, eine auögebreitete.
Kenntniß des Vorkandenen und ein Streben, das Wifa
fen und den Gebrauch deffelben zu erweitern, offenbas
tet, und begreifet kaum, wie Ein Gelehrter eine folche
Mannigfattigkeir umfaſſen, ſo Vieles ergreifen, und in
- einem :
vo.r 5 Seibnie 89
einem ſolchen Zeitraum ausfuͤhren Fohnte, Und wie
Wieles hatte Leibnitz Nicht entworfen, wotſangen: und
unvolfendet gelaſſen ? .
Leibnltz iſt einer den größten Geiehrten der alten
und neuen Zeit, In Anfehung des Umfangs des Wiſ⸗
ſens ift feiner ihm gleich, und wenige nur find wit
ihm zu vergleichen. Aus der ungeheuern Ausdehnung
feines Geiſtes folgt aber. natürlich, daß in einzelnen
Fachern viele uͤber ihm ſtehen, wiewohl er fie zufamg
mengenommen! übertrifft. Er befaß eine geniale Geis
ſteskraft, welche mehr, von der Urtheilsfraft und Re⸗
flexion auf das Vorhandene, als von Phantaſie und
Ideen abhing. Daher alle feine Erfindungen Eutdek⸗
kungen und Schriften nur abgeriffene Bruchſtuͤcke eines
Ganzen find, das er in feinem Kopfe wohl herumtrug,
aber nie ausfuͤhrte, und er empfing dazu den Anſtoß
und die Veranlaffung immer von Außen. Auch Ing
darin der Grund, daß er nicht Stetigfeit und anhals
tende Richtung auf einen Gegenftand genug befaß, um
denfelben zu vollenden, daß feine Thätigkeit .abgebros .
den und rugfweife war °), Indeſſen kann die Größe
feines Geiftes, nicht nad) der Menge. des von ihm Voll-
tadeten o⸗eſchöbi werben, ſondern nach der Menge von
. . neuen
) Miscilong, Leibnitiana p. 161. Duplex est
inventio seu .ingeniositas quemadımodum etiam
memoria. Alia promta' ‚et ab‘ ingenio depen»
* dens, alia solida et a judicio orta. Main habent
eloquentes, hanc tardi, sed ad ‚negotia tamen
. mon ‚inepti, Qluidam aingulari sunt varigiate,
ut cerip.tempore, oerito loeo sint. mire promti,
alio extrerfb tardi. In quibus egg me numero, .
. qui et hoc gentia, paucos esse mei. characteris,
„et omnia facilia mihi djfhicilia, -ounia contra. dif-
ficilia mihi facilia esse,-
90 Giebentes Hauptfi, Erſte Abth. Vierter. Abſchn.
ueuen Ideen, Anſichten, Methoden, Verichtigungen
der im Umlaufe ſich befindenden Kenntuiffe, weiche er
in feinen Schriften nicht blos, ſondern noch mehr in
feinen Briefen, welche in alle Theile von Europa, und,
ſelbſt bis nach China gingen, niedergelegt hat, wo⸗
durch er auf die wiffenfchaftliche Thaͤtigkeit feiner. und
des folgenden Zeit einen großen Einfluß gehabt, und
tung, in welcher Leibnig nicht nur in Deutfchland,
ſondern auch in bem Auslande ftand, war groß, und
er verdiente fie auch noch befonders wegen feines Cha⸗
racterd. Er war religiös ohne Aberglauben, gerecht,
ruwubhmbegierig ohne Unbefcheidenheit'und Eitelkeit; gern
unterſtůtzte er die Gelehrjen ı mit Rath.und That, lobte
lieber ihre Werdienfte, ald daß er ihre Fehler aufges
deckt hätte, und fuchte uneigennuͤtzig das Beſte der
"Ah ein.unfterbliches Verdienft erworben hat. Die Ads _
. Meufchheit und der MWiffenfchaft zu befördern. In feis
nen gelehrten Streitigkeiten. herrſcht Humanitäͤt und
Affectlofigkeit, (nur in dem Streite mit Newton konnte
er. fo. wenig als fein Gegner. fi) ganz frei von dem
* Einfluß aller Leidenſchaften halten), und man lieſt das
* her diefe Schriften mit ganz andern Gefühlen als bie
meiſten Streitfchriften. Diefem Charakter, diefem emi⸗
nenten Geiſte und feinem Verdienſt Hat auch die Mit⸗
welt und bie Nachwelt gehuldiget, und fein Name iſt,
wie der des Newton bei den, Engländern, noch jegt
unter den Deutfchen mit Recht gefeiert. Er farb zw
Hannover ven 14. Nav. 1716 ir
. In
— a a ae —A—
gißt - rere, ie gr me
Biographie noch nicht nen — Die alt
Na finder man in den Actis Pe
8eisnig. 79
In der Philoſophie, fo wie in. ber Detgematit,
#® fein Name mad Werbienf unferblich. Zwar dab '
Syſtem, das von. ihm benenut iſt, hat das Schickſat
aller Syſteme gehabt; aber deſſenungeachtet ging im
5 m
iſt von Hrn. v. Mure in dem 7. Thle. feines Jour⸗
nalc zur Kunfigefhichte und allgemeinen „Literatur
aus dem Originaf befannt gemacht worden. Fonte- .
melle eloge de Mr. de Leibnitz in. der Histoire
de l’Academie royale- des sciences de Paris und:
in der Sammlung feiner Eloges, welche Lobſchrift
wieder von demfelben Eccard, der die biographiſchen
Materialien dazu hergegeben, in.das Deutſche
Überfegt ward. Die Ucberfegung befindet ſich auch
am Ende ‚der. deutfchen Weberfegung der Throdicer,
mit Anmerkungen von Wlaring). In Eudovich '
ausführliche Entwurf ciner volkändigen Hiſtorie
Ber. Leibnigifhen Philofophie. Leipzig 1737. 2 Bde.
8, macht das Leben und Schrifienverzeichniß
des Leibnig den größten Theil des erjien Bandes
aus. "Eine forgfältige Sammlung der dazu gehds
"renden Nachrichten finder jich auch in Brucker histo-
ria philosophise. T. IV. P. IL feben des Hen.
von Leibnitz von Lamprecht, Berlin 1740. 8.
Geſchichte des Hrn. von Leibnig a. d. Franz. des Rit⸗
ter.von Jaucourt. Leipzig 1757. 8. Eloge de
Mr. de Leibnits qui a remporte le prix de V
Acadenıie de Berlin par Mr. Bailly. 1769. 4.
Lobſchrift auf ‘Leibnig von Käftner, Altenburg
.. 1769. 4% Mid, Hißmaun Verfuch über das
Leben dee Sehen. von Leibnig. Mänfter 1783. 8. .
Auch in dem erften Theile des von 4. Klein herr
ausgegebenen Werte: Yeben und Bildniſſe gro⸗
Ber Teutſchen ıc. und in dem .25. Yahrgange des
hannoͤverſchen Magazins hat das Leben des Leibnitz,
> in dem legtern. von NRehberg, eine verdiente Du
Stelle gefunden. Ein Denkmal ift feinem Nas
men exit in neuen Zeiten in Kanmovet errichtet
worden: ” 2,
2
D
98 Siebentes Hauptſt. Erſte abth. Wierter Abſchn.
ihm ein neues Lehen aus, und er hat nit wenig dazu
beigetragen, daß “der menſchliche Geift: früher: ven ver
ven Weg zur Wiſſenſchaft durch. Seibfterkeuntnig eins
ſchlug. Von ihm sing ein neuer Aufihmung des phie
ioſophiſchen Geifte in Deutfcjland aus, er har’ insbes -
> fondere dem philofophiichen ‚ Geift der Deutfchen den
Umſchwung gegeben und, obgleich er der, deutſchen
Sprache ſich ivenig bedientee, ſo hat er doch Zur Aus—
bildung derſelben gewirkt, und den Berth, derſelben
als Digan für die Philoſophle in das xicht geſetzt.
Durch Unterricht und Lectůre war er frühzeitig
init der Geſchichte der Philoſophie befanut geworben,
und hatte die Ideenlehre des Plato neben der Naturs
lehre des Ariftoteled fehägen gelernt. - Neue Auſichten
und Auöfichted eröffneten ſich für feinen Geiſt. Tho⸗
maſius Scharffinn im "Unterfcpeiben und in der Ver⸗
bindung der theologlſchen und philoſophiſchen Anft ſichten,
fo wie Weigels Stimmung zur vereinigenden Verglei⸗
hung verſchiedener Syſteme; die Anwendung, wel⸗
he Weigel von des mathematiſchen Methode machte,
der bamals herrfchende Geſichtspunct, in der offenbar
ten Theologie das hoͤchſte Willen und dig Regel des,
menſchlichen Erkennens zu finden, konnten für diefen
Geiſt wicht ohne Einfluß bleiben, indem ſich daraus
nach und nad) die Hauptanſichten und Hauptregeln
bildeten, gleichſam die ftchenden Typen, in welche die
mannigfaltigen Stoffe, die er nach und nach einſam⸗
melte geſetzt wurden. Da er fo leicht fremde Ideen
auffaßte und in feinen großen Gedaͤchtniſſe, womit ihn
die Natur ausgeſtattet hatte, fammelte und aufbemahrs
"te, und da er nicht: bei dem ſtehen blieb, was ihm yon
Auen geboten wurde, fondern neue antnüpfte, fb war
Abm auch die duͤrre und ſchon abgeſtorbene ¶Phbiloſo⸗
pͤbie der Scholaſuler noch eine Fundgruhe, worin
ein⸗
eitniens Poiofophie. g3 t
einzelne. Goldkoͤrner ſich fanden. Ueberhaupt hielt er
dafür, daß Die Scholaſtiber nhcht vie hetrſchend per.
wordene Verachtung verdienen, und daß "unter ihnen
Belehrte -von-.größerem Scharffinn gefunden werben,
als vie neuere ‚zeit aufzuiveifen ‚habe 22)... DIE Schrifk
ten der neueren, PHilofsphenchatte er, nach ei⸗
genem Geſtaͤndniß, nicht fo-fleißig Aeleien; aber doch
fo viel, ſich bekannt gemacht, . daß er Vergleichungen
zwiſchen der alten uhd neuen, and. vorzüglich mit Der
Ariſtoteliſchen und Platoniſchen Philoſophie anſtellen
konnte, und ſich bei, ihr: bie Ueberzeugung feſtſetzte,
die neueren Verſuche einer Verbeſſerung verdienten Aup
merkſamkeit, aber nicyt blinde eifimmung, ve Ven
werfung *2).
Lelbnitz hielt dafuͤr, — die Wiilofophie RN Arß
ſtote les mit der neuern ſich vereinigen laſſe, ja daß
fie mit einander vereiniget werden muͤſſen. Die euere
ſucht alles qus der Größe, Figur und Bewegung zu --
erflären, und darauf muß dasjenige „was Ariſtoteleg
über die Materie, Form und Veranderung gedacht hat,
zurüdgeführt werde. . Denn dieſes iſt bie’ einfachers
und verſtaͤndlichere Hyporheſe, und es gibt in der
Welt keine Dinge außer Geiſt, Raum, Materie, Be⸗
wegnng · ¶ ‚Bewegung aber rahrt ‚nur vdm Geiſte her,
da jeder „Körper träge iſt und ſich wicht ſelbſt bewegen
Tann, Daher -ift - Diefe uruere Phildſophie ein: wahres
Geſchenk der Gottheit, indem durch fie allein: dem eins
reißenden Atheismus “Einhalt gethan werden kann.
Dieſe
11) Aiiseitänen Leinihene 2 m Bpistohe. 4 Leib:
mit, Vol..il. pr auıa .,
is) "Epistolag, Leibnitü Vol AL p. ıa2. nequs,om-
Nie neque, ninil aavatanibns tibuenila [17-79
7 —
9% Eiebentes Hauptft. Eiſte Abth. Vierter Abſchn.
Dieſe Lehre des Ariſtoteles haben die Scholaſtiker, wel⸗
che in den kloͤſterlichen Jellen von Erfahrungen und
Wathematik eine —e— haben konnten 1, vers
anftaltet, fa wie fie es mit der Metaphyſik gethan
- haben *?). An den’ Scholaſtikern tadelte er mit Recht,
> obme ihre ſonſtigen Verdienſte zu verfennen, daß fie_
pphiloſophie und Theologie in ein dunkeles Gewebe von”
abftracten Kunftwörtern verkleidet, und durch unnüge
Subtilitaͤten verborben haben, da doch die Philofophie
nichts fo fehr zu / verhuͤren hat, ald den Gebrauch der
abſtracten Kunftwörter. Denn was fich nicht durch
5 Gedantenzeichen der gerneinen Eprache ausdrüden läßt,
das iſt, wenn es nicht unmittelbar durch den Sinn
gegeben iſt, ein bloßes Hirngeſpinſt; daher fe
in England und Franfreich nur darum, bie” fchölaftiz -
m Art zu philofoppiren nach und nad) aus’ der Mo:
B , weil man dafelbft in der Mutterſprache
j n phitofophiren anfina **). Daher billigte er auch
das Unternehmen der Nominaliften, welche einen
guten Theil jener phitofophifchen Chimären zu verban⸗
men fuchten, und der neneren Veſtreiter der Scholaſtik,
namentiich des Nizolias, ob er gleich iu Vielen
N \ - nicht
13) "Epistolas Leibnitü‘ Vol, U. p. 124 “. 136.
137. 143,
14). Epistolas Leibnitüi Vol. II. p. 72. 87. Und’.
ögitur pro cerio habendum est, . quiequid ‚termi-
nis popularibus expliceri non potest, nisi imme-
diato. sensu constet — esse nu] lum, et a philo-
sophia velut piaculari quodamcarmine arcendum.
— Ego certe ea ratione factum esse arbitror, ut -
An Anglia Galliague paullatim scholastica philo-
sophandi ratio exoleverit, quia iam -dudam illas
gentes philosophiam sua lingua excolere coepe-
runt, ut ipsi plebi quodammodo atque etiam foe-
* mins. aditus de talibus ‚hudicandi sit tactus,
wi feiner Weirung ſeyn komme, und inbbeſendere
bie Anficht deſſelben von den Begriffen des Alge
meinen oder den Univerſalien, al feyen fie bloße EoL-
Tectiowörter, für durchaus falſch erklärt 15), Des
enenitens voleſerin. “ 8
.Eartefins Borhaben, bie Philoſophie, befonders die
Naturppitofophle, zur demonftratigen Wiſſenſchaft zu
erheben, gefiel ihn wohl, aber nicht die Ausführung,
weil er mit Werlaffüng der flrengen Methode ſogleich
zu fonderbaren Hypotheſen überfpringt, und gleichſam
aur in dem Vorſaal ſtehen bleibt *°), Die Grundres
gel des Wahren, welche derfelbe gegeben hatte, ſchien
ihm unzureichend. Darin ſtimmte Leibnig dem Carte⸗
find bei, daß das Wefen der Dinge erkennbar fey, und
die Seele ihr eignes Weſen befier erkennt, als das‘ \
der übrigen Dinge. Daß die Körper nur in der Aus⸗
dehnung beftehen, hielt er für unrichtig, und fuͤgte
- noch. die Kraft, als das innere Mefen und den Ietsten
Srund des Mechanismus, hinzu *7). Locke's Bere
füd) über den menſchlichen Verſtand fchägte er. hoch,
aber er befriedigte ihm nicht, weil er nicht tief genug
in die Natur'ded Verftandes und der Wahrheit einges
drangen fey. Er Habe den Unterſchied zwiſchen nothe
wendigen und anf: Inbuction beruhenden Wahrheiten”
nicht eingefehen. ' Die Sinne lehren nur, was gefchiee
het, aber nicht, was nothwendig gefchlehet. Die nothwen ⸗
digen Wahrheiten koͤnnen daher nur aus den dem menfche "
chen Geiſte angebornen ‚Principien entfpringen. Die
Dan von Ding, Subftanz, Einheit, Out, Wahr find
ange
18) wia v· 7: J
16) Foid. p. 123. 124. Vol. V. p. 14. enius ego
—E iam tamquam verae Luii haboo/
Gallus ante cameram diceret.
m Tbid, Vol, IV, p- 66. 54 Baar.
- B a
96 Siebentes Hauptſt. Erſte Ath. Vierter Abſchn.
angebsren, weil die Setle etwas Urſpruͤngliches iſt.
Locke's Grundſatz ‚nichts iſt In dern Verſtande, was
nicht in den Siunen geweſen, iſt nur mit dem ein⸗
ſchtaͤnkeuden Zuſatze wahr, daß der, — kr das
von ausgenonmen wird *e).
. © erfannte eibnitz, ſo billg and. gerecht er gen
gen alle Gelehrte ' 172 und jo‘ ſchouend er auch über
diejenigen putpeilte,; deiien. er nicht beiftimmen fonnte,
allenthalben noch Mängel, und Gebrechen, - und fein,
fruchibarer Geiſt. wußte immer, auch Alten Ideen neue
intereffante Anfichten und "Beziehungen abzugewinnen.
uebrigens aber, war er den, Revolutionen, wo dad Alte
gaͤnglich verworfen.und alles neu gemacht wird, nicht
günftig, fondgrn verfaugte nur eine Reform und Vers
hefferung des Beſtehenden, mit Beibehaltung des Gus
ten, wekwegen er mit den neuern Phlloſophen, die nur
ihre eignen Entdelungen ‚geltend zu. machen fuchten,
nicht ann — war u "Matrei hatte er pie
ns
13) wid. Vol. iv; 2 15. In Lockio sunt quae»
* dan 'parficülaria aon male expösita, sed in sume
ö za longe aberrauit a ianua, Nee. mAluramı men=
» „ts veritatisque intellexit, Si discrimen inter. ver
ritates mecessarias seu, demonstratione perceptas,
et eas, quae nobis sola indüctione ütcunque in“
notescunt, satis eorisiderasset, aniınadveritisset, nes
cessarias non posse comprobari, nisi ex prineipiis:
menti ipaiti „cm sensus quidem doceant, :quid?
diat, sed non quid necessario fat. Idern non sa-
tis animadvertit ideas entis, substantiae, unius et
eiuslem, veri, boni, aliasque-mulfas ımenti no- ,
strae’ideo innatas esse, Yuia ipsa innata est sibi,
"ser io setipka.häed oinnia- deprebendit. : Nempe
'nihil. est: ir intelleetu, quod ion ‚füonit - in sensu,
nisi ipse intellestus.
19) Ibid, Vgl. Ik p’zor. Quant mran. non sit
- . \ . J ..
vaboitens Poiefopbie;
art von, Themaſius, feinem: Lehrer, angenommen 20),
Da nun Leibnig durch feinen originalen, ‚fruchtbaren
Geiſt zum Vorwärtöfchreiten und 'zu- neuen, Erobe its
‚gen getrieben, Durch j jene Dentart aber, ‚zurückgehalten
wurde, fo erfolgte natürlich, was ir er der Fall iſt,
wenn zwei entgegengeſetzte Richtungen. aufammentrefs
fen, daß er einen Mittelweg einſchlug. Es, kam dazıy
daß er zwar an allen’ wiffenfchafitichen Gegenitänden
ein lebhaftes Intereſſe nahm, aber doch keine ' Neigung
zu dem afademifchen Leben und daher auch) nicht das
Beduͤrfniß harte, die zu einer Wiſſenſchaft gehörigen
Kehren in fpfiematifchen Zufammenhang gu _brihgen unb
zu einem. Ganzen zu vereinigen; ap, die Maſſe von
Ideen zu groß war, ‚die er bei ſich herum tchg,, gwge
nicht, eine ungeorbnete DMaffe, aber doch zu groß, alß
daß er das Alles, wie es bei ihm In der Idee wär,
auch Glied vor Glied haͤtte Barfchen koͤnnen 2°), Su
Fonnte
e re philosophlae vetera prorsus ablicere,; sed
emendare potius, et quod ugregiuin est, 'qualie
certe sunt-innumere, ea- prassertimy ..quae. ins
Aristotelis textu continentur, iolerars ·
20) ibid. Vol. It. pi Recte enim iudicas, feet j
-Keibnig an I. Thomaflus,; etsi novae senfentiae
proferantur, . earumque veritas evidentissime osten-
datur,' a. receptis tamen 'publice, voeibus vix une.
quam esse abeundum, quod ei fecissent Scholas
stici, non laboraremus.
aı) Oeuvres philosoph. de Mr. de Leibnitz p. 555;
Miscellarea Leibnitiana. Felleri supplementum
vitae Leibn. Mihi baec legenti in mentem ve-
“hit, responsam quod sciscitanti, num illos libros
„ effectos aut prelo paratos haberet, dedit aliquan«
da: se ilos habere in idea et in potestate, sel "
mecdum in chartam esse coniectos,
Emmen. eas. d. Wiloſ. XI. m 6
8
N
98. Siebentes Haupit Eiſte kbth. Vierter Usfn.
konnte er ald ein Denker, der nicht in die Reihe der
akademiſchen Lehrer gehörte, mit größerer Freiheit den
Yuftand der Wiſſenſchaften erwägen, ben Gang ihrer
fortfepreitenden Entwickelung, bie Hinderniffe ihrer
Verdollkommnung beachten, und felbfiftändig mit fels
ner Kraft de eingreifen, wo ed nöthig fehlen nachzus
Yerfen, zu fördern, zu. hemmen: Da er unter
den philoſophiſchen Wiffenfhaften bie ’Rogik als
Das Inſtrument, je als das Princip und die
* Methodologie”der Philoſophie 2°), und bie Met a⸗
phyſik, wegen ihres Gegeriftandes =?), am hoͤchſten
. {päßte ; - fo 'erhieft feine Thaͤtigkeit hauptfächlidh die ,
Nichtung auf die Reform biefer beiden Wiſſenſchaften,
- befonderd auch ihrer wiflenfhaftlichen Zorm. Die Mas
tHematit gab ihm ein glänzendes Veiſpiel von der
Erweiterung "und der Buͤndigkeit, welche eine Wiſſenz
ſchaft erreichen kann, "und er hatte dad Gluͤck erlebt,
daß fie mit unaufhaltbarer Kraft immer vorwärts
ſchritt, weil.alle Mathematiker einander in die Hände
arbeiteten, jeder auf das von Andern Gefundene fort⸗
Bauete, ohne es ſich nur in den Sinn kommen zu laſ⸗
fen, das Alte iniederzureißen unp dann Alles von
neuem wieder aufzubauen. Diefes Glüd. auch der
VYhlloſophie anzueignen, mußte ihm um ſo uatuͤrlicher
ot 2 B ii ers
no.
242) Epistolae Leibnitii Vol. II. p. 76. Logicam
veram non tantum instrumentum esse;'. sed et
quodammodo principia. ac veram philosophandi
rationem 'continere, tquia genierales illas regılas
tradit, ex quibus vera falsague diiudicari, adhi-
- Bitisque solis definitionibus et experimentis om-
nes conclusiönes demonstrari possunt.
’ 33) Epist. Leib. Vol. I. p. 336. ego enim meis-
' physicam et cagnatas disciplinas maiores facio,
quam vulgo hodie fieri solet, - x
‘
Seibnigens Phdefophie; . ..99 j
erſcheinen, je mehr er die: Mathematik · als einen Theit
der Metaphyſik ſich dachte, und die weſentlichen üm—
terſcheidungen von beiben aufzuſuchen keine Veraulaſ⸗
ſang in ſich und in andern gefunden hatte =),
..._ Wenn wir den. Philofophen . Leibnig nach diefen
Anfichten: betrachten, fo Läßt fich das Verdienſt deffel -
ben um die Phitofophie näher würdigen. Er hat zwar
kein vollſtaͤndiges, noch weniger ganz neues Softem,
der Philoſophie weder. aufgeftellt, noch geben wollen, '
aber. doch einige Beiträge, zu demſelben an das Licht.
gefördert, welche, außer dem allgemeinen Intereſſe für
die Wiſſenſchaft, aud welchem fie entfprungen waren,
tod) beſoudere Veranlaffungen in’ Zeitbedärfniffen und”
Zeitbegebenpeiten hatten, und. daher, ungeachtet der.
Bewunderung in Rüdficht auf die in ihnen ſich offens
Barende hohe Geiſteskraft, doch nur als Hypotheſen
geſchaͤtzt wurden ‚und keinen bleibenden Werth als
Wahrheiten erhalten konnten. ¶Zwar hatten die hieher
gehörigen "Abhandlungen und Schriften durch treffliche
Waprkeiten, neue Enkdesfungen, Ausfichten und, Wins
E, belle. Blide, geſunde Urtheile und ſcharfe, dref⸗
fende Verglelchungen für jene Zeiten ein großes In⸗
tereſſe, und haben es zum Theil auch noch jetzt; aber
fie gruͤndeten ſich doch zuletzt auf eine Anfldye von Phi⸗
loſophie und ihrer Methode, welche noch, nicht vollkom⸗
"men gebiegen war, und daher uͤber kurz oder lang eis
ner andern weichen mußte, on >
“ - 5 62. Ueber
Minolae Leibnit, Vol: II, p.. 49. Quum igie
tur aumerus sit quiddam universalissimum merito
ad metaphysicam pertinet. ' Oeuvres. philosöph.”
=. P- 219%. Si quelqu’un vouloit ecrire en Mathe-
“ maticien dans la .metaphysique ou: dans la mo-
zale, ‘rien ne l’empecheroit de le faire ‚avec
rigueur. — 2
00 Siebentet Hauptſ Liſte ibth· Wierter Abſchn·
- Weber: die‘ Loglk hat Leibnitz? kein deſonderes Merk
yeichrieben , ſondern nur in einigen· Abhandluͤngen den
Werth: der’ Logik herausgrhoben, eine wiffenfhaftlichere
Geſtalt derſelben gewuͤnſchn, und einzelne Ideen dar⸗
über hiugeſtreuet. Da aber die Logik ihm Grundwiſ⸗
fenſchaft der Phitoſophte wat, ſo gehoͤren “auch; die Un⸗
terfuchungen äber"den Grund und did Moͤglichkeit dee
Philoſophie, ‚über die Grundfäge der Denionftration
and die damit zuſammenhaͤngende allgemeine Sprache
oder Charakteriſtik, ſo wie ſeine Bemerkungen über aͤl⸗
tere. -phitofopbifche Verſuche und Syſteme, vorzüglich.
über Lockes -Unterfüchurigen uͤber den menſchlichen Vers
fand, in·weichen er feine eignen Anſichten vorträgt,
und' die falfchen ‘beftreltet, gewiſſeimaßen ebenfalls zur‘
Logik #9) Die Meiaphoſik harte ein großes Intereſſe
“ Ad nad RE "für
„25) Oenvres philgsophiques de feu,
‚nita — publides par Mr. Rud. Er, Respe. Am-
“stekdait "et Leipzig 1765. 4. . Außer den nou-⸗
reaux Esiais str \P entendement-humdin gegen
Locke enthäft dieſe Sammlung noch folgende kleinere
Aufſaͤtze: Examen’ du setitament du P; Malebran-
che, que nous voyons tout en Dien; Dialogus:
de connexione inter tes et verba; Difticultateg,
näedami Logicae 3 Discoutrstouchanf la metho-
de la dertitude'"ei de Part d’inventer; histo-
»:: gia -er cormmendatio Characterisficae -universahe,
quase simul sit ars inveniendi. G. W. Leibnigens
au Hhllofophifhe- Werke nach Rabpens Sammlung ‘a. d.
rang. mit: Buben und Anmerkuhgeh - von Joh.
2 Sr. Ulrich. Halr 1778-480. 2 Bde, 8. Tuch
«gehören: nody- folgende Abhandlungen: zu diefeni Kreis
«: fei Meditationes de cönitione, veritate et ideis;
-..Lettre sur quelgtes axiomes de philosophie a
.Mr. PAbb6. Fancher; Lettre de Mr. Leibnitz. sur
son Hypothese.de Philosophie; fe wie aud die
Abhandlungen und Zufäge, womit Moarü Bizolii
in ine
.. .Seibaigene Pfilsfophie,. ; ; 102
Yür Lelbnitz; aber auch hier ſtellte er mehr die Idee
. eined Ganzen auf, als ‘daß er es auch in wiſſenſchaft⸗
icher Geſtalt voliſtaͤndig ausfuͤhrte. Eigentlich war eß
hauptſqchlich der Begriff von Subftanz, welcher durch
die Pi Upfophie des Gartefius und Spinoza ein großes
Gewich erhalten hatte, und. welchen daher auch Leibe
nig, um Schwierigkeiten und Streitigkeiten. au entfer⸗
men; von einer neuen Seite faßte. Daraus entfprang
die Monadologie und das Syſtem per vorherbeſtimm⸗
ten Harmonie nebſt noch mehreren ihm eigenthümlis
hen Borftellungen, welche er in verſchiedenen einzelnen
‚ Abhandlungen, und Briefen entwickelte und gegen Eins
‚würfe ercekigie 2°) Da er in feiner Monadologie
Br ih
Antibarbarus‘ philosopbicus, Frankfurt 1670, cr
Le ausgeftattet worden iſt.
6) De primae philosophiae einendaione erden‘
nötione substantiae, Acta Eruditor. 1694. Spe-
cimen dynamicum pro adusirandis. naturas legi-
bua circa corporum vires et mutuas aptiones de-
tegendia et ad suas causas revocandig. Ehendaf.
1695, Systeme, nouveau de la nature et«de 1a
communication des subsi ꝛ aussi bien que de
Yunion qu'il y a entre Yamıe et le corps. Jour-
nal des Sav. 1695 Exlaircissgment du nauveau
aysteme, Ebendaſ. Remarques sur V’'harmunie de
‚Pamg et.dt corps ind. Phist. des onvrageg des
Sav, 1696. Eclaircissement ı des difficultes, que
Mr, Bayle a trouvses dans le systeme n. Ya
‚ de‘ lunion de ame et du corps. Ebendaf, 698.
.De ipsa natura sive de vi insita actionıbusque-
. ersaturarum pro dynamicis suis confirmandis il»
Iustrandisque, . Acta Erud. 1698, . Reponse aux
objections que le P. Lamy Benedictin a faiten
contre le Systeme de l’harmonie prectabli
Journ. des Sav. 1709. Lettres de Mr. Leil
& Mr, Desmaizeaux sur son ‚yrime de V'har-
“monie
102 Giebentes Hauptſt. Etſte Abth . Vierter dibſchn.
fich ein Syſtem ver Subſtanzen entworfen hatte, wel⸗
he unter Gottes Regierung ſtehen, und ein Reich ause
machen, in weichem die hoͤchſte Ordnung und Weiöhelt
hetrſcht: fo mußten Bayle's fleptifche Raifommements
über, das Böfe und Webel, ald das der Ordnung Wi⸗
derſprechende, und die Behauptung, daß ſich jenes nicht
mit’ der Neglerung eines Gottes vereinigen laſſe, fehr
Äntereffiren. Er unternahm auf das Zureben der Koͤ—
nigin von Preußen, Sophia Charlotte, die Beantwors
tung diefer Schwierigkeiten," und gab im 3. 1710 feine
Theodicee heraus, welche die großen Erwartungen, die
man fid) davon gemacht hatte, bei den meiften, noch
Übertraf , „während einige in derfelben nur ein: Spiez
werk des philofophifchen Genies zu finden glaubten 27),
Mehrere Gegenftände der Philofophie überhaupt, und
Ansbefondere auch feine Anſichten über Monaden, Raum
und Zeit, die Theologie und Theodicee wurden in dem Strei⸗
— — te,
monie preetnblie und Repönse aux reflexions
dans fa seconde edition de Mr. Bayle. Art. Ro-
rarius str'le systäme de Phatmonie preetablie,
Beide in der hist. crit. de. la republigue des let--
tres. T. II. Präncipes de la nature et de la gra-
ce fondõs en raison in Europe Savante 1718. £as
’ teinifdy in Act, Erudit.’Supplem, T. VII.
27) Essay de Theodiede sur la bonté de Diew,
la libert6 de I’homme et Porigine du mal. Am-
#erdan 1710. 1712, 1714. 1720. 1736. 8. Las
teiniſche Ueberſetzung, Cölln 1716. 8. Frankfurt 171g.
"2b. 8. Leibnitii tentamina Theodicarae de
bonitate Dei. libertate horminis et origins mali.
Versionis novae editio altera c. praefat. *
Fr. Boecbii. Tubingae 1771. 8. Deuiſche Ueber⸗
ſetzung. Amſterdam (Sannoyer) 1720. 1736. 1735.
8. mit Fontenelles Lebensdeſchreibung des" Leibnig.
Vvonfte Auflage. 17665. u:
on Reisnigens Phibſophien. 208
te, welchen: Leibnitg ‚init dem Engländer Clarke bekam,
und nicht überlebre, weiter. .entwidelt und aufge
Hirt =°). Gegenflände der prattiſchen Phitofophie
find von Lelbuitz feltener in Betrachtung gezogen wor⸗
ben, und mur erſt in ‚deu letzten Jahren feines Lebens
erſchienen basüber einige Abhandlungen 25). Indeffen -.
kommen and in feinen Briefen oͤftere Aeußerungen
über bie praftifche Philofophie vor, und befonders. hat
er über das Naturrecht in feiner Vorrede zu dem Cor-'.
pus juris gentium feine allgemeinen Anſichten bekannt
gemacht 20). —
Da
38) A Collection of Papers, which passed’ between
tie late learned Mr. Leibnitz and Dr. Clarke in
‚ the years 1715 et 1716. relating to the prind“ -
ples of natural philosophy and religion by Sam.
Claike. London 2717. & Deutſch von H. Köhs
ler mit einer Vorrebe von Chr. Wolff. Frankf. u.
&eip. 1720. &, Recueil de diverses pieces sur
la philosophie, la religion naturelle, P’histoire, les
matherhatiques par Mrs. Leibnitz, Clarke, New-
ton et. autres Auteurs .cölöhres. (pr. Mr. ‘Mai
‚zeaux) Amsterdam 1719. 1740. 12. 2 Bde,
89) De prineipiis iuris observationes 1700. Ano-
nymi sententia „de tractatu Cl. Viri Sam. Pufen-
dorfi," qui inscribitur de officio hominis et civis,
in ein- Progr. d. Just. Chr. Böhmer 1709. 4.
eingeruͤct.
30)_.Die Briefe des Leibnitz find, in Anfehung:
der. augerordenslihen Menge und des reicht altie
gen Inhalts ein wahret Schag. Nur in, Tpeil
. fines Briefwechlels it Hisher gedruckt mötden, ein
nd bedeutenderer liegt Jarofeit 5 in der Viblio⸗
Ahek zu ibnitü epistolae. ad diver-
Haunover. Leib
Chr. Kortholt.' Lips, 1 %
jümi, epistoligum "
. Gruber. Hannöv. 1745
10% Siesentes Hauptft, Erſte Abth. "Bierter abſchan.
Da Leibnitz in ſeinem Kopfe ein Syſtem von Phi⸗
loſophie, umd- überhaupt: ver ganzen menſchlichen Er⸗
Tennmiß gebildet hatte, das ihm immer vorfchwebte,
und wonach · er beftändig hiuſtrebte, was er aber nie
im Ganzen ausgeführt hat, und feines Unfangs und
Gehalts wegen auch nicht ausführen fonnte, fo läßt
fih nur aus den einzefnen Fragmenten, die er gleich⸗
fam aus dem Syftem des Ganzen losgeriſſen und bes
ſonders bearbeitet hat, und aus einigen zerſtreuten
- Gedanken die Idee, welche er von der Philoſophie ges
“bildet hatte, erfennen, Diefe Idee wird durch das
Fragment über die allgemeine. charakteriftifche Sprache,
ein Project, ‚mit welchem ſich Xeibnig fein ganzes Les
ben hindurch · beſchaftigte, ohne es doch zur Ausführung
zu bringen, am klaͤrſten. Es iſt, ſagt er, eine alte
Fee, daß Gott Alles nach Gewicht, Map und Zahl
gemacht habe. Es gibt doc) Dinge, welche aus Mans
gel an Kraft und Gewicht nicht gewogen, und weil
fie feine Theile Haben, nicht gemeffen werden koͤnnen.
Aber alles und jedes Läßt ſich zählen, Daher ift die
Zahl gleichfam die metaphyfifche Figur, und die
> ' . . Arithe
welche erſt, ald Vorläufer, den Briefwechſel Boiner
hurge und Conrings enthalten. Commercii epi-
stolici Leibnitiani typis nondum..evulgati selecta
specimina ed. Joh. Ge, H,Feder. Hannover 1806,
8. Zerftrente Gedanken und Auffäge von Leibnitz ents
hält das Ouum Hannoveranum, sive Miscellanea. -
G.G. Leibnitii ed, Jaa‘Fr. Feller. Leipz. 1718. 8. .
‚und die zweite Sammlung deflelben! Monumenta
. varia inedita. Leipz. 1724. 4. on feinen fämmts
Ken Schriften hat man eine Sammiung: G. G.
Leibnitii opera, studio Lud. Dutens, Gener.
1768. 6 Voll. 4 Man muß aber ‘mit derfelben
die von ‚Raspe herausgegebenen Schrifien vers
binden, a “
. Beibnigens Phitofophiee 105 -
Arithimetit eine. Statit des 'Univerfums,
wodurch die Kräfte der Dinge erforfcht werden. Das
her glaubte Pythagoras mit feiner Schule, daß in den
Zahlen die größten Geheimniffe verborgen find, woraus
aus Unktunde des wahren Schläffeld, die gemeine, fpier
lende Cabbala und Magie entfianden iſt ?).
Bisher hat aber noch Fein Sterblicher darau im
Ernft gedacht, auf welche Weiſe jedem Dinge feine
charalteriſtiſche Zahl angewieſen werden koͤnne. Zwar
haben einige Gelehrte an eine Univerſalſprache gedacht,
wodurch Menſchen, welche ganz fremde Sprachen res
den, einander ihre Gedanken mittheilen koͤnnen; aber
noch Feiner an eine folhe charakteriftifhe Sprache,
welche zugleich die Kunft zu erfinden und zu
beuriheiten in ſich begriffe, d. i, eine folche, deren
Zeichen eben. das Ieiften für dad geſammte Erkerinen,
was die arithmetifchen in den Zahlen umd die algebrais
ſchen in den abftrasten Größen, Durch das Gefchent
jener , beiden Wiffenfhaften bat und aber, wie es
ſcheint, Gott die Weifung gegeben, daß in unferm -
Geifte ein weit: größeres Geheimniß verborgen fen, wos.
son die Arithmerit und die Atgebrg nur das Schatten⸗
bild enthalten. Nur drei große Maͤnner waren einer
ſolchen Erfindung faͤhig, und es iſt zu verwundern,
daß fie nicht darauf gefallen find, namlich Ariſtote⸗
les, Joachim Jung und Eartefius Jedoch
Taffen ſich bei den beiden kam Urſachen entveden, ’ -
warum
- 33) Omwres philosophiques-p. rs Sed nihi PR
quod numerum non patiatur. Itaque numerus
quasi figura quaeları Metaphysica est, et Arith-
„. nietica'est quaedam Statica universi, qua zerum .
. potentiae erplorantur.
"106 Siebentes Haupt. Erſte Abth. Wierter Abfdin.
warum ed von ihnen nicht gefchehen iſt ?=). Die wei⸗
"tere Verfolgung dieſes Gedankens führet auf ein ſol⸗
des Alphabet der menfcnlichen Gedanten,
daß durd) die Combination der Buchftaben diefes Ale
“ phabetd und die Analyſis der aus denfelben gebitveten
Wörter Alles erfunden, Alles beurtheilt werden koͤnn⸗
te >3), , : —
Bor allen Dingen iſt zu dieſer Allgemeinen Spra⸗
che die Charakteriſtik nothwendig, das iſt, „die
Erfindung der charakteriſtiſchen Zahlen aller
Ideen, ober die DVerfertigung eines mathematifchen
und phifofophifchen Lehrgebäudes nach einer neuen Mes
thode. Das würde nicht fo gar ſchwer ſeyn noch ſehr
viele Zeit erfodern. Ein Paar tüchtige Männer koͤnn⸗
ten vieleicht dad Werk, welches ein ganz neues Werks
zeug für das menfchliche Geſchlecht, von weit groͤße⸗
sem Werth, als alfe Fernroͤhre und Mikroftope, in
0 fünf
32) Ibid. p. 535. Nemo tamen aggressus est Iiı
guain. sive Characteristicen,.in qua 'simul ars in-
veniendi et iudicendi .contineretur: id est, cuius
nötee et; characteres praestarent idem, quod no-
tae arithmeticae in numeris st algebraicae in
magnitudinibus abstracte sumtis; et tamen vide-
tur Deus, cum has duas scientias generi huma-
no largitus est; admonere nos voluisse, latere im
nostro intellectu arcanım longe maius, euius‘
hae tantum umbrae essen. ,
-35) Ibid. p. 536." Cui studio cum intentius’ in-
eumbereni, incidi necessario in hane contempla-
tionen admirandam; quo scilidet excogifart pos-
set quoddam Alphabeium cogitationum humana-
vum, et quod literarum 'huins alphabeti conubi=
natione et vocsbularum-ex ipsis faciorum analy-
‘si omnia et inveniri et. diiudicari possent.
Leibnihens Philoſephie · ¶1607
fünf Fahren vollenden, und im zwei Jahren die in dem
Leben - mehr anwendbaren Kehren, die Moral und die
Metaphyſik in der Form eines unniderfprechilchen Cal⸗
culs darſtellen .
Dieſe Idee intereffirte den großen Mann. von ſei⸗
wer frühen Jugend an in einem vorzügliden Grade,
denn er verſprach ſich von der Ausführung derfelben,
ſehr große Dinge für das Reich der Wiſſenſchaften,
für dad. Wohl der Menfchheit,- für die Ausbreitung,
der wahren Religion, für die Belehrung der Völker,
für die Beendigung aller Streitigkeiten ?°). Uber
eben deswegen muß man ſich noch mehr wundern, daß
Leibuitz nicht weiter in ber Ausführung gekommen ift, .
als er fih wunderte ’ daß Arion, Jung und Car⸗
teſius
%) Ibid. p. 538, Ttaque- nunc nihil aliud Opus
st, quam ut Characteristica, quam molior, quan-
tum ad Grampmaticam linguae tam mirabilis Di-
etionariumque plerisgue frequentioribus suffe-
cturum satis est, constituatur vel quod idem est,
ur numeri idearum omnium. characteristici ha-
beantur, Nihil, inquam, Aliud opus est, quam
ut condatur .cursus philosophicäs et mathemati<
cus quem vocant, nova quadam methodo, quam
praescribere possum et quae nihil in se continet
Ant difficilius, quam, alii cursus, aut ‘ab usu et
capta remotius, aut 'a. consuetudine .scribendi;
alienius. Nec multo plas-laboris exigeret, quam,
in wonnullos cursus aut nonnullas Encyclöpae-
das, ut loquuntur, iam impensum. videmus,
Aliquot ‚selectos 'homines rem intra quinquen-
tum absolvere posse puto; intra biennium an-
tem doctrinas magis in: vita freynentatas, id est
- Moralem et Meihaphysicom, arena calculo.
exhibebunt,
35)’ Wid. p. 638. 8ög.
od iebentes Hauptſt Erſte Abth. Vierter Abſchn.
teſius ‚nicht darauf verfallen find, da es ihm bei fein
"nen ausgebreiteten Verbindungen mit. faſt allen Gelehr⸗
ten feiner Zeit ‚nicht fchwer fallen konnte, die dazu für
higen Denker auszuwählen und für. die Sache zu ins
tereffiren, und da er dazu einen fo kurzen Zeitraum
von zwei und fünf Jahren für hinreichend hielt. Das
Auffallendſte iſt, daß das Leichteſte und Gefchwindefte,
das Lehrgebaͤude der Moral und Metaphyſik auch nicht
einmal zu Stande gefommen iſt. Die Urfache ift, daß _
die Sache nicht fo leicht ift, als fie ſich Leibnig vor⸗
fiellte, und daf fie auf Vorausfegungen beruhete, über
deren Wahrheit noch große Zweifel obwalten niußten,
welche doch vieleicht als dunkle Ahnungen ſich dages
gen vegen mochten,
Wenn aber au die Ausführung nicht erfogte,
fo blieb doch gewiß diefe Idee, welche durch ihr Ins -
tereffe eine lange ‚Zeit hinburch ein ſolches phitofophis
ſches Genie befhäftigte, nicht ohne Einfluß. Wenigs
ſtens ſcheint die Vorausfegung von der Verwandtſchaft
ber Philofophie und der Mathematik, . und von der
Anwendung der mathematifchen Methode in jener, um
"fie dadurch auf gleichen Rang der Wiſſenſchaft zu bes
ben, eben eine Folge jenes Einfluſſes gewefen zu fen. -
Diefe Anſicht herrfcht zwar durchgehende in den Schrife
ten des Leihnig; aber man müßte ſich wundern, daß
von ihm doch Fein Verſuch gemacht worden ift, auch
nur einem Theil der Philoſophle auf dieſe Art zu ber
arbeiten, wenn er nicht als freier Zorfcher und als .
MWeltmann ber. ſtrengen Methode die populärere vor—
gezogen hätte, als diejenige, wohurd man eher einen
ausgebreiteten Ruhm erlangen koͤnne. ER macht dies
fes gleichem feine efoterifche Philoſophie aus, uͤber
welcher er brütete, mit welcher er aber nicht hervor⸗
trat, ungeachtet er no dazu nicht felten verſucht fühl:
. te,
Leibnibent Whilofophie. ... :- 209
te, und erſt nad) feinem Tode Andere, wie Wilfine
ger, Wolf, Lam bert Verſuche der Urt Machen ?°,
Sie ſchimmerte jedoch durch alle feine Schriften hins
durch, und macht stechfom den Srennpunet a aller ben "
sier. Gedanken aus. J
Mit dieſer Anfia ht ſtreitet nicht die Behauptung,
daß die. Logik das ‚Princip und. das Org au
- aller Wiffenſchaft ‚und der Philsfoppie
fey, indem’fie thells die Regen zů "philofophiren
enthalte und dadurch den Philofophen: mache, theils
die allgemeinen Regeln „gebe, nach welchen man, durch
Anwendung, ber Definitionen und en alle
on Pa der Begriffe entſtehen Bu...
Aus der Ueberzeugung, daß, bie Ysitefäpsie, ar
der Mathemarit, Wiſſenſchaft ſeyn folle ‚und koͤnne
folgte die Beſtreitung des Empitismus. Daher ſehen
wir. Ton auch ſehr früh gegen den empirifchen Ur
fprung der Erfenhtnip, ſtteſten, und ſich für Plato's
Ideen gegen Ariſtoteles unbefchriebene Tafel: erklären,
To fehr.er auch fonft den legten ſchaͤtzte. Denn er hatte
begriffen, daß, wenn es bios finnfiche Vorſtelungen
gibt, keine Wiſſenſchaft moͤglich iſt, dergleichen doch
die Mathematik wirklich darbietet. Daher beftritr er
aus demjelben Grunde ſchon des Nizolius Meinung,
daß
36) Oeuvres Philosoph. p- arg.
37) Man fehe oben Note 22.
88) — — 5. 80. 3. 86. 37
” - : F
u 10 Siebentas Hauptſt. Erſte Abth. Vierter Abſchn.
dvaß die allgemeinen Begriffe nichts anderes ſehen, als
ein tollectives Ganzes; Wäre diefes währ, fo koͤnute
es feine Wiffenfchaft durch Demonftration, fondern
niur durch Industion geben, ‚und dieſe würde ebenfalls
keine Gewißheit, fondern nur Wahrfcheintichkeit gewähs
ten, welche felbft wiederum gewiſſe Verſtandesurtheile
vorausſetzt. Dann koͤnnte alted' bezweifelt, werden,
felbft in der Mathematik; wie dein Gregorius a S.
NWincentio den Örandfag: das Ganze ift größer als fein
Theit, und Hobbes ‚ven Pythagordifchen Letrſatz "bes
gweifelt.hat??). Noch mehr Tehte' Leibnig diefe Wahre
heit in das Licht, da er In feinen Verſuchen über den
menfchlichen Verſtand Locke's Anficht darüber einer
weifläuftigen Unterſuchung unterwarf. "Die Gegenz
gründe deſſelben, welche nür aus einer einfeitigen Anz
Fit der, Sache, wie fie in der Carteſiſchen Philoſo⸗
phie herrſchte, floffen, wurden fiegreich widerlegt, und
die Nothwendigkeit andeborner Vorftelungen und Er⸗
kenntniſſe In dem. Sinn, daß fie nicht in ihrer. Allge—
meingültigfeit durch die Sinne gegeben feyn koͤnnen,
ſondern daß fie der Verſtand aus ſich febft ‚(dhöpfe,.
iiachdeni die Erfahrung zu” ihrer Entwidt:
laſſung gegeben, daraus hergeleite
:"39) Epistolas Leibn. Vol. IL. p. 66. Li
“u sert.. de stild philosöphico. Epistotse 'Leibni
‚Vol. IL p. x18— 120.: Sed ea ratione prorsus
evertuntur, ‘Scientiae et Sceßtici vicere..‘ Nam
"nunquam constitui- possunt ga. ratione ‚Rroposi«
tiones perfecte universales; quia inductione nun-
quam certus es, omhia individua_a te tentäta.es-
se; sed semper intra hanc. propositionem.. subsiz
stes, ommia illa, quae expertus sum, sunt talia,
quum vero non pgssit esse ulla ratio universalis,
senıper manebit possibile, innumera, quae tu non
Sie. &xpertus, esse diverssa.
Leibnitzens Philofophie. 1141
ſolche Begriffe und Erkenntniſſe gebe, vorzuͤglich in der
Arithmetik und Geometrie, doc) auch in der Moral.
Die wirktiche Erfenntniß derfelben iſt keinesweges aya
geboren, fondern nur die virtuelle, "di i. die Möglichd
Zeit nothwendiger Erkenntniſſe. Hierdurch war einent
Hauptbedenken gegen angeborne Ertenniniſſe ‚begegnet‘,
und auf. die wahre Quelle derfelben hingewiefen, wel⸗
che eine beftimmtere und wahrere Anficht - vorberelteter.
Diefe wichtige Wahrheit war aber an gewiſſe Hypes
thefen feiner Monadologie angefnüpft, und mit. einer
uoch einſeitigen, mar zur Hälfte wahren Theorie, der
notwendige Erfenngniß and. der Demonftration vers:
bunden, und darum entging das Wahre in dieſer, der
Lockiſchen entgegengefehten Theorie nicht dem Schick⸗
ſale des ganzen Syftemd,. daß fie bald wieder verlaſa
fen winde, und einer andern Platz machen ‚mußte;
Denn Leibnitz Hatte zwar den menfchlichen Geiſt vom
manchen Seiten mit -feinem tiefen genialen Geiſte er⸗
forſcht, aber auch manche Provinzen deffelben nur fluͤch⸗
tig durchftreift , . und es Daher noch zu Feiner erſchoͤ⸗
pfenden und. durchdriugenden Unterjuchung- der ur⸗
Tprünglichen Geſetze des Erfennens, Urtheilens und
Wollens gebracht, und komne auch daher Fein vollſtaͤn⸗
diges Syſtem des Urſpruͤnglichen, oder, wier er es
nannte, des Angebornen in der Erkenntuiß geben. Da⸗
ber machte er addy. zuweilen, zufolge 2er Grundſaͤtze
der Monadologie, Miene, zu behauptän: As⸗ge be gar
keine andere ald angeborne Gedanten und .
Thaͤtigkeiten, und felbk die Wahrnehmungen und:
Erfahrungen “gehörten dahin, weil die Seele nichts
in fih aufachmen tim⸗ J Auch hing
40) Nouveaux essays sur Ventendement ham. p
30. Principia philoroßhine, 5. xt. XIV. xv.
eo
: a2 Siebentes Hauptfl. Erſte Abth. Vierter ebſchn.
er noch der Ueberzeugung an, daß alle nothwendige
Wahrheiten auf dem Grundfag.ded Widerſpruchs ſich
‚ gründen. Hierdurch wurde ‚die Demonfttatiog aller
Wahrheiten fo leicht gemacht, wie in der Matpemarik, ,
ohne daß man im der einen oder andern Wiſſenſchaft
nachzufragen nöthig hat, woher dieſe Vorftellungen und
Begriffe ammen, wie man aus der: Wolfiichen Di
liſophie ſiehet.
Da Reibnit die Dülofophie als ſtrenge if,
ſchaft für möglich hielt, und fie darin der Mathemas
‚tie gleichfegte, übrigens auch von der Wahrheit ‚der
offenbarten Theologie überzeugt war; ſo mußte
er eine Webereinftimmung. zroifchen beiden annehmen,
Denn ein. Widerſpruch zwifhen. Wahrheiten
iſt nicht möglich 2). Diefer Grundfag, den ex feft«
hielt, war zwar ziemlich allgemein anerkannt, "aber doch ..
‚wieder von Einigen verworfen, wie:z. B. von Bayle,
welcher. Wahrheiten der Offenbarung anuahm, gegen
welche von. ber Vernunft, unauflösliche Einwürfe. ges
macht werben koͤnnten, ohne. daß fie doch darum aufs
hoͤrten, ‚Wahrheiten: zu ſeyn, und Anwendung
deſſelben auf theologiiche Streitigkeiten. hatte er wieder
fehr verſchiedene Anfichten erzeuget. -Leibnig glaubte,
daß diefe Uneinigkeit nur von dem oberflaͤchlichen Ges
brauch der Loegik und von. dem noch. unvolllommnen
Zuſtande: det Logik, welche nur auf die Wahrheit der
Schluͤſſe und Beweiſe ſich beſchraͤnke, die Gründe der
Bet und Die. Erfindung: ber Wahrheit
ganz
J u) Leibmici Theodicaes, Diss: de "Tonformiate fidei
tum ratione. $. 29 Nam eerte veritas veritatä
‚gontradicere nequit et Jumen rationis acque Dei
Auanus est aiqus Yamen zevelationis, .
119
Leibnitens Peine, Pr
ganz. ud den Augen laſſe, berühren 92), und et a
Beiteie mit aller· Energie dahin „ste: ———
mung der Dffei ubleunfe, der
Theologie und ph das boufommeh Re.
Licht zu ſetzen. ch, d
bei ſenen ——S— ingen "gt
ſicht auf die Kirchentehre nahnr &dd AB den Shſten
me der Theologie Mauches, auffaßte‘;"i
npninen,. nicht Philoſophie
ied:
Indem ‚Leibnitgsachteiter Of re
Hinfirebte, und ‚damib-urkging „u ſie zu eimteswoldenten,. -
eben fo ſichers · und · ſeſtgeſchlo ſſeuen diſſenſchaft· zu "era.
heben, als die Mathematik. war, und. ein Syſtem von:
Erkenntniß ſich vorgebeldet hatte/ in. welchem ſelbſt Diez
> Mathematik micht winager, als vie Philoſophie, ja ſeibſt/
je zum RAR, einen icitegrivenden · Theins ·
wia. 86. 80. dr. Nihil ensgt ; taz Pen qua;
a ee controver-,,
homines tritis-.
Ms .eet, errores noatros dx-artis cogitandi can. ı
ein Imp defectu. .pleramgue-. prefichsci 5 nihil :
aria hr progressus } ; er J
oe ãetatis philosophi ⸗- lt.‘
glssime adhuc "absunt a’ detectiötie viarum fects="-
quae.adittmento 'usse possenit ferultati > cu·
ius foret gstendeiey qui veri et fali:adparentiae :
ponderandae⸗ entio praeteream arjem inve⸗
hiendi, ad qui beilior adhuc accessus est; .
et cnius in Maiheinaticis disiplinis non nisi das
’ 68 imperfectn prototypao
48) Epistolae Leibmit.. Vol- u. r 83. 86%
Ternen. Geſch. 6. vbit. xa8x. 5
"präestäntissirht
1 73 Siebentes —8 Erſiẽ a0. ee Abſchn.
audmachte, ein Sofem mit, einem Worte, welches al⸗
les Wahre in ſtreuger geemn enthielte; fand fein fruchte _
barer Geiſt in fü ich, ſelöſt ſowohl⸗ als in der großen
"Waffe von Gelehrfamkeit, die er,. ſo lange er lebte,
vermehrte, einen ungeheuern Stoff zu verarbeiten, der,
je. mehr er. zunahm, die Ausführung ſchwieriger und
bedenkliche marhen. mußte, Inpeſſen fuchte er durch
einzelne Abganblyugen,. üurch npltofophifche, doch mehr
populäre, Vearbeitungen einzelner Währheiten, durch
bingeworfene Gedanken, Winke und. Fingerzeige, die
wie Lichtfunken. aus . feinem. Geiſte ausſtrahlten, bie
See von Philoſophie, die er für-die. wahre hielt, aus⸗
zubreiten, die Uufmerkfamleit auf die Fehler und Maͤn⸗
gel der herrſchenden Denkart zu richten, den For⸗
ſchungsgeiſt zu wecken, die wichtigſten Puukte der. Un⸗
terſuchung aus zubeben. ı In dieſer Hluſicht hat Leibnitz
erſtaunlich viel gewirkt, weit mehr, als wenn er ſein
Syſtem in wiſſenſchaftlicher Form wirklich ausgefuͤhret
hätte. Bon ihm ging:gleichfam ein elektriſcher Schlag
aus, der zu nngewoͤhnlicher Thatigkeit reizte; ſein
durch eißne Productionslraft und fremde, angeeignete
Errenntuiſſe ftucitbarer Geift, viß. zur .Bemunderung
hin, veizte zur Nachahmung / und bot in. feinen mans
nigfaftigen Schriften einen fruchtbaren Stoff : zur weis
teren Bearbeitung: dar, Das Ziel war groß, der Zweck
edel, fein Intereſſe für Wahrheit rein. Aber nicht alle
Deunker konnten feinen großen Geiſt faſſen, noch ſich
von ihren vorgefaßten Auſichten ſogleich los machen,
um demſelben frei zu folgen; Vieles war auch in ſei⸗
nem Gedanfenfofteme noch nicht gehörig, gereift und
geprüft, und zu früh glaubte er in wichtigen Gegens
ftänden ſchon das Wiſſen erreicht, wo kaum die Unters
ſuchung begonnen hatte.
Das lebhafte Intereſſe für alle Wiſſenſchaften,
das keine ausſchloß, und der energiſche Geiſt, der fo
Teiche .
" Beibnigens Philoſophie.
eicht and) verſteckte Beziehungen md SHehnlichleiten .
auffaßte, brachte alje Wiffenfchaften, auch die fonft ent⸗
fernten, in ein nähered Verhaͤltniß. Daher kommt es,
daß der eigenthuͤmliche Charakter der einzelnen zumeis
Ten verdunkelt wird, und die Philgfophie mehr in dem
Zufammenfaffen aller einartigen Theile der Erkenntuiß,
ale in einem beſondern, eigenthümlichen, durch Ers u
kenntnißquelle, Object und Methode beſtimmten Chas
racter geſetzt wurde Man kann, nach Leibnitz, alle
Wiſſenſchaften, oder, vielmehr alle wiſſenſchaftlichen
Wahrheiten auf eine dreifache Art zuſammenordnen:
ſynthetiſch und theoretiſch, nach dem Zuſam⸗
menhange der Gründe, analy tiſch und praktiſch,
"Inden man von dem Zwecke bed Menfchen, d. i. von
feinen Gütern und deren’ Jabegriff, der Gluͤckſeligkeit,
ausgeht, und die Mittel methodiſch auffucht, gdurch
welche Güter erlangt, Uebel verhätet werden Können;
nach dem Begriffen und nah den Merkmalen,
welche allen ‚Begriffen gemein find, fyftemariich
oder alphaberifch. Diefe Ordnung ftimmt mit der
aften Eintheitung in Phyſik, praktifche Philos
ſophie oder Moral und Logik zufammen, welche
"angenommen werben kann, wenn man nur ‚darunter
keine befonderen Wiſſenſchaf ten, fondern nur
verſchiedene Anordnungen derfelben Wahrheiten vers
ſteht **). Man fiehet daraus, wie fehr dieſes Unis
Bu NEN 92 vers
44) Nowoeaux essays. s. ‘Pont. kum. p. Ag2i 495.
L’une disposition: seroit synthetique et theorique,
rangeant les verites ‚selon l’ordre des preuvas,
comme font les Mathrematiciens, de sortd que :
<chaque proposition‘ viendroit apres celles dent
. elle depend. L’autre disposition seroit analyti-
"et .pratique, commengaut par le bit des
Dumas, e’est a dire par lcs biens; dont le cm .
ie
Bar) -
—
er6 Siebentes Haupiſt. Erſte Abih· Vierter Abſchn.
verſalgenle alle Wiſſenſchaften als ein Ganges zuſan
menfaßte, und iu demſelben hie, Grenzen, und Unter⸗
fd)igbe. der beſonderen Fächer verſchwauden, und es
wird darand begreiflich, warum ed aus demſelben ie
«mer Bauptiächlich.große Maffen herausnahm und ſie
wieder als Heinere Ganze bearbeitete, weniger. aber
. die Vervollkommnung der beſondern Wiſſenſchaften zu
feinem Strebeziele machte. Dazu trug nicht. allein die
ungeheuere Maſſe von: Kenutniſfen, die er in ſich ver⸗
einigt hatte, ſondern auch die eigenthümliche Anlage
‚ feines. Genies bei. Daun bei allem Scharffins. und
Tiefſinn, welcher. ihm eigen war, ragt. Wig-in Verglei⸗
chungen und im der Entdeckung entfernter Beziehungen
and Aehnlichkeiten hervor, worüber er ‚nicht. immer die
Uuterſchiede mit gleicher Schärfe beachtete.
Die Erkenntniũ überhaupt wat. ſchon lange Zeit
‚ein Gates. feines Beet gerefer, Befonbere
si in
ble on la felicite ot Cherchant par ordre les ı mo ·
yens qui servent A acquerir ces biens ou & evi-
ter- les maux contraires. — A ces deux dispo- -
* sitions il faudröit jojüdre la froisieme suivant les
termes, qui en effet ne seroit qwune- espece de’
vepertoire, soit! s ‚stematigne, rangeant..les ter-
mes selon cer! ü i
\ eommuns ä toutes les hations;, "soit phabetigue
‘ _ selon la langue recue parmi les savans. — La
disposition synthetique‘ repond à la theorique,
©. Nenalytique & la puatique et-.celle du, repertoire
‘ selon les.termes, ä. la;.logique; de sorte que Cet«
te ancienne division fort bien, ppnrvü. qu’on
Yentende comme je: viens, d’erpligner..gea dispo-
sitions,, C’est à dire non pas. comme .des gcien-
ggaa distinotes, mals:comme darrangemena: :divers
». des memes veritds, -autant a on juge- ä-propos _
. "de, les repeter.. . a
Pa
": Seibnigens Philoſophie. 11 .
in Ruͤckſicht auf ihre Vervollkommnung. Einige
Ideen darüber machte er zuerſt im J. 1684 bes
kaunt in den Actis eruditorum 4°), Hier machte er.
zuerſt auf den formellen Unterfchled der Ideen oder,
Vorſtellungen aufmerkſam. Die — Begriffe find -
die Hauptfache der Erkeuntniß, "denn durch fie erlans
gen wir Definitionen, nicht blos Nominalerklaͤrungen,
worauf KHobbes Schule ftehen blieb, fondern Realer⸗
Marungen, woraus die Möglichkeit der Dinge eingefes
Hen wird, um ſich gegen ungüftige Schluͤſſe zu verwah⸗
ven. Der Gtundfag des Carteſius, alles ift wahr,
was ich mir klar umd*deurlich‘ vorflelle, iſt
unzulaͤnglich und kann gemißbraucht werden, Denn er
fett beſtimmte Kriterien von der Klarheit und Deus,
lichteit voraus. Hat man diefe, ſo ift jener Grundſatz
. uni, und ohne fie läßt-er ſich niche mit Gicher-.
beit anwenden. Auch verbürgt. er nicht die. Wahrheit
der Urtheile. "Die allgemeinen Megeln der Logik find _
zur Veurcheilung der Wahrheit der Erkenntniß weit
geſchickter, als der Grundſatz des Carteſius. Die Ma—
thematiker bedienen ſich derſelben, indem ſie nichts fuͤr
wahr annehmen, als was richtige Etfahrungen lehren,
und was aus nothwendigen Praͤmiſſen durch richtige
Schylüffe abgeleltet wird. u 2
Ale unfere Schtüffe beruhen auf zwei‘ oberften
Gripbfägen. „Der erfie iſt ver Gruudfatz des Wis.
derſpruchs (principiam .contradictionis), Nac Dies
Tem urtheilen wir,’ daß alles, was einen Widerſpruch
enthätt, falfdy, das Gegentheil wahr ſey. Diefes Ift
das Princip‘ der nothmwendigen Wahrheiten,
Bei dieſem findet fih nämlich der Grund durch die
Analyfis, indem wir fie in einfachere Joeen und
PR " . . Wahre
x 45) Meditationes de cognition⸗: veritate et ideis.
,
118: Giebentes Hauptſt. Erſte bth. Vierter eibſhn
Wahr heiten auflͤſen, bis wir zu den urſpruͤnglichen
gelangen. Auf dieſe Weiſe gründen ſich alle marhes
"matifche Wahrheiten, vermöge ber Analyfis, auf Des
* finitionen, Yriome und Poſtulate. Zuletzt kommt man
freilich auf einfache Feen, von denen fid) keine Defis
nition geben laͤßt, und auf Axiome und Poftulate, oder
Principia, die Feines Weweifes fähig und bebärftig
find, und das find identifhe Säge. Denn diefe
haben unmittelbare Evidenz, und man Fan nicht weis-
ter fragen, warum fie wahr fin +... ©
Das zweite Princip iſt der Grundſatz des zu⸗
reichenden Grundes (prindpiam rationls sufficien-
ts, determinautis). ” E85 Tann kein wahres Zu
etum geben, nod ein Sat wahr feyn, wenn
nicht ein zureihender Grund da if, warum
ed fo und nit ander iſt, wenn und auch
. " . "diefe
46) Principia philosophiae. $. Sı 35. Quando.
veritas necessaria, ratio reperiri potest per ana-
lysin, dum eam resolvimus in ideas et veritates
simpliciores, donec- ad primitivas persentum fuo-
sit, Et dantur tandem ideae simplices, quarum
definitiones dare non licet. Dantur etiam axio-
:mata et postulata aut verbo, principia primitiva,.
quae probari"nequeunt, nec pröbatione indigent,
"atqüe ĩsta sunt enunciationes ideniticae. Theodi-
caea P.1. 9.44. Annotationss- in Kingii librum
$% Utrumque principium loeum habere de
t non in veritatibus solam necessariis, sed etiem
in contingentibus, immo quidquid rationem nul-.
‚lam habet, nec existere nullo pacto potuit, —
” Interim ubi,. facta analysi 'veritatis: propositae,
'eain videmus a veritatibus - dependere, yuarum
oppositum .contradictionem involvit, dicere pos-
sunus. eam absolute necessariam esse. Oecuvres
- philosoph. $. 394. ‘- . *
‚Seibnigens Poilafopbie, ° : 219
diefe Gründe öfters unbekannt ſeyn koͤn⸗
nen. Diefes Princip ift allgemein uud erfireckt ſich
auf alle Wahrheiten, ſowohl die noth wendigen,
welche entweder durch fich ſelbſt enivent find, wie die
identiſchen, ober vermittelſt derſelben bemonfkrirt wer⸗
den, als auch auf die zu faͤltigeu. Bei ben letzten,
welche ſich auf ein Factum beziehen, würde die Auf =
loͤſung in bie befonderen Gründe ins Unendliche fort
sehen, wegen’ der grenzenloſen Manngfaltigfeit and
Theilung der Körper. "Die wirkeſide "Urfache davon,
daß ich eben jetzt ſchreibe, Begreift eine unendliche
Menge von Figuren von zegenwaͤrtigen und’ veigange⸗
nen Bewegungen, und fo fhlleßt auch die Eudurſache
davon eine Unendlichkeit von Heinen, "gegemvärtigen
und vergangenen Neigungen” und Stimmungen in fich.
Jede ſolche Reihe fett eine andere Reife von Zufälli>
gen yoraus, welche wieder eine, folge Zergliedergng ers
ſodett. Da aun ver. Foptfhritt zu einem Andern,
noch fo lange fortgeſetzt, pichts helfen würde, fo muß
eine Reihe von zufälligen Dingen, weun fie- auch uns
zoo wäre, den zuie chenden Grund außer ſich ha⸗
N),
4) Priäcipia Philsop
est principiurh rationis sufßtientis," vi cuing con-
sideramus, ‚nullum factum 'repgriri posse verum,
ant veram existere aliguam —— — nisi
adsit ratio sufliciens, cur potius lis sit quam.ali-
ter, quamvis rationes istae epissime nobis in-
cognitae.esse queant. —" Enimvero ratio smffi-
ciens reperiri etiam debet in veritatibus contin-
‚ gentibus vel facti, h.e. in serie rerum, ques ze-,
peritur in universo creaturaram, ubi r&solatio in
rationes particulares progredi ° Posset in infini-
tuin.- pfopter immenisanı "rerunf'ndinralium va-
rietafemm et divisionem’gorporum fin ihlinitum,
Dunt
"320 Siebentes Haupifl, Eifſe Abth. Biere Abſchn.
Eeibni ie dieſes princip auf als ein ſolches,
welches, wi ve Vtincip des Widerſpruchs, keines
Beweiſes bebuͤrfe, weil es unrulttelbar in dem Weſen
‚ber Vernunft enhalten, und es eben. fo lächerlich ſey,
„baffeibe beweiſen zu_ wollen, als ben Grundſatz des
Widerſptuchs. Er vechtfertigte jedoch die Annahme
deſſelben durch Grunde, und beruft ſich auf das Be
riefniß net Di nft für die Erfenntniß der Eriftenz,
(fir dag Meryen siner Begebenheit, für die Gültigkeit
‚eines Satzes. Done yaielbe it fich Fein Beweis für
das Dafeyn Cor son vielen wichtigen
Wadꝛ heiten en G *e). Das Prin⸗
‚sp Der Mathematik iſt der "ranvfai jer Idemitaͤt
. ‚pe. des 9 Retrhh und es iſt Perlen: um bie
Arith⸗
gurarum ei motunm präesen«
Sum ätque pfasieritoram, qui ingrediuntur- in
'effielömeii. scripturae- sneae praesentis,
itado exiguarım "olinationum ac dispg- :
Mtignuın, Animae.meae ,. praesentium atque prac-
teritarum, quae ingrediuntur in cäusam finalem.
„ Et quemadmodyum, tata hasc series non nisi alia
‘> epntingentia anteriora inyolvit, da quorum unum
quodque simili analysi opus habet, ubi xatior
n- - gen redderg voluerinus , progressus nil. iuvat,
=... Aecesse. est, ‚röfipmem suffcientem seu ultimam
.. extra seriem coptingentium reperiri, quantumvis
‚Infinita ponatur,.. Theodicasg p. l. * 44. Ba
not. in King Kr. . ade.
u) Recueil de diverses pidces. T. 1. p. ib2. Ce
Principe est celui dw besoin, dune raison suffie
saule, ‚pour qu’une choso exigte, qu'un evene-
ment arrive, quꝰ une verit6 ait.jjeu. — J'ose
dire que sang ce grand priucipe, en ne sauroit
venir & la preuve. de lexistsnce , de Dien, ni
ren:Ire raispn de.plusienrs auires veriies impor ·
tantes.
Leibnitzens Poitofophie, i2r
Arithmetlk md Geometrie, d. i. die ganze Mathema-
tie, zu beweiſen. Uber um aus ber Mathematik in. j
die Phyſik überzugehen, dazu gehört noch ein anderes
Princip, da6 des zureichenden Grundes, durch welches
bie Theologie, und das Uebrige der Meta phy—
fit, ja felbft ein Theil der phyfifhen Princke
pien, infofern fie von Mathematik nicht abhängig>
find, oder die dynamiſchen Säge, d. 1. die fi auf
die Kraft beziehen, denionftrirt werden koͤnnen 49).
Das Princip des Grundes ift von Leibnig ſelbſt nicht
entdeckt worden, denn er beruft-fich felbft darauf, daß
es von Vielen fchon im alter und neuer Zeit gebraucht
worden’ fey; aber beſtiumt hat er es als ein Princip
in diefer glgemelneren Formel, in welcher es mehrere bes
fondere Principe, als: aus Nichtd wird Nichts, Nichts
ohne Urfache, und fowohl ideale ald reale Gründe in
ſich vereiniget, zuerft aufgeftellt und einen beſtimmte—
sen philoſophiſchen Gebrauch von demſelben gemacht,
Weil er aber ſich wicht beflimme über den Ort, Um⸗
fang ; dad Gebiet und den Gebraudy erftärt hatte, fo
iſt er dadurch vorzüglich mir Clarke in einen Streit _
verwickelt worden, der nach ſeinem Tode noch mehr
redhaftigten erhieit 9). Es ik ihm biefer Grundſatz
offen⸗·
46) Recueil p. ıı, 12. Mais paur passer de la
Machematique & la Physique, il faut encore un
auire principe, -c’est le principe de la raison auf-
. fiante, — Or. par ce principe seul; savoir qu’
il faut quil y ait une raison suffisante, . pöure
quoi les choses sont plütot ainsi qu’autrement,
se demontre la Divinite, et tout le reste de la
Mitophysigue, ou de la Theologie naturelie, et
möme en quelque facon les principes phyjsigues
„independans de la Mathematique, «est a.dire
les principes dynamiques ou do la force.
0) Auefahrliche Belehrungen aber dieſen Streik ae
122. Giebentes Hauptit; Erſte Abth. ‚Wierter Abſchn.
offenbar Kein objectiver, fondern. fubjectiver, daher er
denſelben für ein Beduͤrfniß, nämlich der Vernunft,
erfläret. Uber welches Veduͤrfniß? Und inwiefern bes
gründet es objectiv⸗ guͤltige Erfenntniß? Die, Vers
nunft hat das Beduͤrfniß, zu allen Begebenpeiten eine
Urſache, zu allem Denkbaren einen Grund, zu allem
Bedingten eine Vedingung zu ſdenken, und dadurch
Bufammenhang. ‚und, Verfnüpfung in das Vorſtel⸗
len zu bringen, . Der Grund, als die Bedingung des
Bufonimenhangs, wird aber durch jenes Bebürfniß nur
aufgegeben, nicht gegeben, nicht als etwas Seyendes
oder Gefundenes, ſondern ald etwas zu Guchendes vor⸗
geſtellt. „ Er hatte die Einſicht erlangt, daß nicht alle
Philofophifchen Säge auf dem Grundſatz des Wider⸗
ſopruchs beruhen, daß es vielmehr noch eine. Ciaſſe
derſelben gebe, deren Wahrheit nur durch den
Grundſatz des zureichenden Grundes eingeſehen werden
kann, namentlich diejenigen, welche er zufaͤllige
‚Wahrheiten nennt, wo das, Subject und das Praͤ⸗
dicat nicht fo nothwendig verknüpft find, wie in den
identiſchen, und. befonderd wo es auf.die Grage, ans
kommt, ob das Object einer Vorftellung ein reales if.
Daher betrachtete er eben dieſes Princip als das Mit⸗
tel, aus der Ideenwelt in die Welt des realen Seyns
fortzuſchreiten, und als ein der Metaphyſik (aus dem⸗
ſelben Grunde auch der Moral) unentbehrliches, weil
in derſelben die Gruͤnde und die Einſichten der Ver—
nunft nicht immer mit der Erfahrung uͤbereinſtim⸗
men J Dieſe Verbindung zwiſchen per Borfelung .
und
det man in Chr. Fr. Polæii ‚fasciculus ommen-
\ tationum. metaphysicsrum, qui continet histo- _
rianı, dogmata atque controversias diindicatas de
primis -prineipile. Jenae 1757: 4»
5”) Nouveaux essais sur Pent. kum. p. 335. Mi
aus
"ebnigens- Phiefopbie.. 223
and den realen Objecte follte dieſes Priucip vermit⸗
rteln. Da mm die identifchen oder analptifchen Urs
teile ihre Wahrheit von dem Grundfage des Wider⸗
ſpruchs erkatten; fo Tann man wohl fagen, daß Leibs
nitz auf der Spur der ſonthetiſchen Urtheile und eines. -
Vrincips verfelben war, jedoch iſt es nur noch eine
ſehr entfernte Ahnung und daher auch von ihm nicht
weiter verfolgt .worben 52), Vielmehr machte die alte
Auſficht von der Demonftration und dem Principe ders
felben, daß er von biefer Spur zu früh wieder abs. -
Bing, und mit fi) feibft uneinig wurde, indem. er die
Demonftration und, die. Erfahrung” ald ‚die einzigen.
Quellen der gewiſſen Erkenntniß betrachtete, und jene
son, dem Satz des Widerſpruchs abhängig macht; je
ſelbſt die gewiſſen Erfahrungsſatze nur durch Vermitte⸗
lung der tbentifchen, welche er auch ſchlechthin die Vers,
nunfterkenntniſſe nennt, entftehen läßt °?). Und was
den Beweis für Goties Daſeyn betrifft, ſo muß es
unges
dans la metaphysique et dans, la morale ce pa ·
xallelieme des raisons .et des experiences ne sa
trouve plus (mie in der Mathematik) ;.ei dans la
Physique les experiences demandent de la peine
et de la depense. |
53) Kant über eine Enttestung, nad der alle neue
Keitit der reinen Vernunft durch eine ältere ents
behrlich gemacht werden fol, Königsberg 1791. ©
219. 120,
53) Nouveaux escais sur Fent. hum. p. 255. ei la
liaison des ‚phenonienes, qui garantit les voritds
de” fait à legard des choses sensibles hors de
nous, se verihie par le moyen des verits de rai-
son. p. 326. Les verites primitives de raison
sont ein ‚ie Sappelle d'un nom general iden-
uiques. u ,
#24 Ciebentes Haupt. EreWOLG. Mierter Ubfhe,
ungewiß werben, ob Dutch das Princip des zureichen⸗
den Grundes nur allein’ Die Möglichkeit deſſelben be⸗
. ſtimmt werde, da er den dutologiſchen mit. einem klei⸗
nen Zuſatz für evident ·erklaͤret 5%), Es erhellet hier⸗
Aus, daß Lelbuitz noch keine umfaffenve Erörterung‘
des Erkenntnißvermoͤgens vorgenummen,. und in Bes
sichung Auf’ diefen Grundfag ein Licht von der Berne
erblickte, welches aber noch in Nedel gehälls war. Er
ſelbſt verweiſet "ins "auf tiefere Unterſuchungen · über .
diefen wichtigen Punct; wir finden fie aber nir⸗
gends **). Das Berdienft wird man “Indeffen doch:
dem Leibnitz zugeftehen müffen, daß er durch vieſen
Grundſatz eine tiefere Unterfahung des Erkenntuiß—
vermoͤgens und insbeſondere eine deutlichere Vorſtel⸗
lung von dem eigenthuͤmlichen Streben der Vernunft,
welches auf die abſolute Bedingung aller Bebingungen
. gehet, moglich gemacht habe,
Noch mehr Veranlaſſung erhielt Leibnitz feine Ye
- fit von. dem Erkenntnißvermoͤgen zu entwideln, als
Locke's Unterfichungen über ‘den menfchlichen Berkand
exſchlelen. Dieſes Werk zog feine Aufmerkſamkeit in
einem vorzuͤglichen Grade an, und er ſchrieb die Bes _
merfungen wieder, wodurch er theils die Kodiifche Theos _
"sie beftätigte, aber auch zum Theil berichtigte, und zum
Theil eine Andere demſelben entgegenfeäte. Diefe Ente
gegenfegung iſt freilich vortheilhaft, durch die Verglei⸗
fing beider das Eigenthuͤmliche von "beiden beſſer vor⸗
zuſtellen; aber ſie hindert auch dieſe Verſtaͤndigung
tbieber durch bie Ausbreitung über Gegenflände, wo
Keibe nicht, oder nur in Worten veripieden: waren,
f . hein⸗
S0 Anid. p. 403. (ok
:55) Recueil de diverses pieces. T. 1. p. 10
ln ‚x Leibgigeng Poiloſophie. wm aa
„Binberte.. ad quf det qaudern Seite, die nollſtaͤndige
ud: ‚umfaflende., Darftelung ‚aut, feinem eignen. Stand⸗
puncte; «Serner, harte Leibnig auch keinen gan; freien J
Standpunkt, indem er feine Monadologie, oder ſein
netephafiishes: Sofkem „Ihon.:ald: ausgemachtes Sys
ſtem zur „Ünterfuchung, mitbrachte ‚und . ‚barnadh « die
ãbeet agb Erhenuent zum Theil beſtimmte se,
eorie ded Erfennens unterfchels
en theils in dem Materiellen⸗
Nach Rode ſtaimnen alle
unfere —— aus ver Eifahrung di Wahr.
nehmung, And ber Verſtaud iſt nur das logiſche Ver⸗
Vorſtellungen auf mannlgfaitkge Weiſe
zu trennen, zu vergleichen, imd vie ,
—S — und "Beziehungen
wahr junet men⸗ woraus Erkenniniß entfpringe: "Leibe
nitz dagegen behauptet aus vielen Gründen, daß une
fere Erkenntniß zum. "Seit 8-angebötmen'Sdeen bes
ſtehe, welche, der menſchliche Geift weſentlich in ſich
hat und allein aus ſich ſchöpft. Dei Verſtand verbin⸗
der Vorſtellungen, aber nicht, zufällig; ſondern nach ger
wiſſen nothwendigen Regeln, welches die Geſetze unſe⸗
rer Schlüſſe find, er ME daher, richt ein blos iogiſches
Vermögen. ° Leibrig achtete mehr auf. dad Rationale,
Locke mehr auf das Materiale und Sinnfiche unferer
Erkenntniß, Der Letzte fuchre daher die einfacher mas
terfalen’ Veſtaudtheile der Erkenntniß, wie ſie durch
den Sinn ‚gegeben, von dem Verſtande aufgenommen
und auf Verfdjiedene "Reife cömdinirt werden, zu ere
forſchen; Lelbnitz aber erhob ſich zu einem höhern Ger
ſichteponete, und lorfchte nach den in dem menſchli⸗
„Her
sg Ban ige om Anspiope ve nonrehux e14
ꝛaia. p·
2. 226 Siebentes Hauptſt. Utp. Wietter Abſchn.
hen’ Geiſte liegenden Gründen der Etkeunttitß, wenn
er gleich · nut in dem Anlauf zu” dieſem Ziele ſtehen
blieb. ME oo
la . Det nt
Dieſer Gegenfatz tritt zuerſt ünb’ hauptſuüchtich in
ber Annaͤhme angeborner Wörftellühgen und Erkennt-
‚niffe hervot. Leibnitz befreiete dieſe Lehre von der- une
haitbaren Hypotheſe des Praͤrxiſtenz, mit welcher fie
von ‚Plate, ‚noch mehr ber, von älteren und neneren
Yiatonifern, war in Verbindung gefegt worden, er bes
‚fimmte ‚ven Begriff von augeborner Erkeuntniß, wos
durch die meiften Einwuͤrfe, die Locke und Andere ges
macht hatten, von ſelbſt wegfielen,. und zeigte die
MNoihwendigkeit derfelben aus dem Zactum des Wiſ⸗
" , fend, Angeborne Ideen nannte er. diejenigen, welche
der .menfchliche Geift aus’ ſich felbft ſchoͤpft , und in
nch Hefitst, ohne ſich derſelben immer, deutlich bewußt
zu werden, weil fie eine Entwickelung durch finnliche
Vorftellungen und einer” befonderd darauf gerichteten
Aufmerkſambkeit beduͤrfen. Es iſt daher nicht das deut⸗
liche Bewußtſeyn, ſondern nur die Anlage dazu, fich
derſelben ald dem menfchlichen Geiſte eigenthümtich
x angehöriger bewußt zu werben, nicht ‚die wirkliche,
fondern die, virtuelle Erkenntniß angeboren, und
diefe.. Dispofition oder Präformation mächt, daß
der menfchliche Geift fie ‚leichter aus ſich ſelbſt ſchoͤpft
und anerkennt. . Eine Erkenntniß, in welcher eine. ang
geborne Idee enthalten ift, ift Cin Anfehung Ihres In⸗
halts) angeboren. Von ber Art find alle no thwen⸗
digen Wahrheiten, welde nicht aus Erfahrun⸗
gen, Beobachtungen und durch Induction — denn dar⸗
aus erfennt man nur, was ift und. geſchiehet,
nicht was allgemein iſt, und nicht anders
ſeyn kann — fonbern nur aus dem menſchlichen
Verſtaude bewieſen werden koͤnnen. Es iſt alſo nicht
die
N 22/7
¶debbulhene Phileſephi
die allgemeine Einſtimmung und das algemeine Fürs
wahrhalten ded Menfchen das Merkmal bon- angebors.
"zien Ideen und Grundſatzen: denn es koͤnnte fepn, dafl
P
fie in einigen Menfchen noch nicht entwickelt worden,
oder daß man noch nicht duf ſie reflectirt Hätte; ſon⸗ u
dern daß ſie als nothwendige Wahrheiten in dein unz
entwidelten Bewußtſeyn enthalten find, und empitlſch
nicht abgeleitet werden Fönnen. Die ganze Arithrierif
and Geometrie beruhet auf ſolchen angebornen Ideen
und Otundfägen, wie nicht weniger die Logik und Me⸗
taphyfik 7). . N
Auch die praftifche Philoſophie hat -indemenftras "
bie Principe und angeborne Erkenntniffe, fie find aber‘
nicht fo evident und deutlich als :jene :theoretifchen,
oder als ‘die identiſchen und unmittelbaren, weit fie
wicht fo unmittelbar aus der Wernnnft erkannt :werz
den. Eines ‘der erften- Principe der Moral - ift :diefes,;
"DAB man Freude: ſuchen und Traurigleie
entfernen müffe. Dieſes wird aber nicht aus
bloßer Vernunft ertannt, ſondern aus Innerer
j u Er⸗
87) Nouveaux Eis. p. 33 seq. p. 86. ‘La preure
‚Originaire ‘des veritös' necessaires vient du seul
„entendement,. et‘les autres verijss viennent des
experiences ou des observation#® des sems. No-
tre esprit est 'capahle' de cbnnoitre les unes et “
les autres, mais il Pest la source des premieres,
et quelque nombre d’experiences particulieres ° -
qu’on puisse ‚avoir d’une 'verit& uhiverselle, on
ne sauroit s’en assurer pour töujpurs par Pinduc-
tion, sans en connoitre lä necessit6 par la rai ·
son. p. 37. Ce n’est donc pas une facult& nue
qui consiste dans la seule poseibilit€ de les en-
tendre: c'est unp disppsition, üne aplitude, une
preformation, qui determine notre ame et qui
‚fait qu'elles en peuvent ötre tirden. _ \
128 Siebentes Haupt, Cifie Abth. Vierter Abſchn.
Erfahrung und Wahrnehmung, welche undeut⸗
lich iſt; Inſtinet ift die Grundlage davon. Es
. Ül:ein. inneres angebornes Princip, aber es macht
Teinen Theil des natürlichen Lichts aus, denn man era
kennt es nit auf eine licht volle, deutliche
Weiſe 7°). Die Regeln der Gerechtigkeit ‚find Ges
ſetze, welche in unfere Seelen geſchrieben find, als’
Solgerungen unferer Erhaltung und unfe
res wahren Beſten. Diefes iſt nichts anderes, ats
Gluͤckſeligkeit oder dauerhafte Freude. Une
fere Neigung gehet nicht auf diefe elgeutlich, Tondern
nur auf die gegenwärtige Freude; die Vernunft aber’
. auf die Zukunft und auf die Dauer. -- Eine durch
‚den Verſtand ausgedrüdte Neigung gehe in
- eine.Vorfchrift oder praktiſche Wahrheit über, wel⸗
de angeboren ift, wenn. es die Neigung iſt. Die Zus
ſtinete find nicht allein praktiſch, fondern auch theores
tiſch, wie die iunern Principe der, Wiſſenſchaften und
des Denkens; benn..wenn wir fie, ohne den ‚Grund,
zu. erfennen, anwenden, fo thun wir, ed durch einen,
natuͤrlichen Grund 59). Einige Regeln der. Gerechtige.
.. . keit
58) Noiveaux Ess. p. 45. V oot absolnme
possible quil y dit des veritdi de ralson
‚ Gvidentes que les identignes.ou immedia-
tes. Et gBoiqu’on’ puisse dire veritablement
que la morale a des principes indemonstrables
et qu’un des premiers et des plus pratiques est,
quil faut suivre la joie et eviter la tristesse, il
faut ajöuter que ce n’est pas une veritö,; qui ,
soit.connue purement de raison, puisquelle est
„.fondee. sur Texperience interne, ou sur des con-
moissances confuses. ‘, 2
Bd) Nouveaux Ess, p. 46. et c'est ainsl, que ces
lolx sont gravees dans l’ame;' savoir comme les
consequences de notre conservation et de nos
a 00 rain
Sehens. Phlbfophie. - _.'nag
" Zeit Taffen ſich in ihrem ganzen Umfange und in ihrer Volle
kommienheit nur. ‚unter Voraußfegung der Exiſtenz Got⸗
tes und ner Unſterblichkeit demonſtriren. Diejenigen
ahrheiten, zu. welchen und. der Inflinct der
Menſchheit nicht treiber, find nur r wie andere
abgeleitete Babrkeiten „angeboren 69), \
Lelbnig nat’ in allem dieſen auf“ Einem guten Bes
ge. Denn daß es etwas Unmitreibares und Urfprungs -
liches in unferer Erkenntniß geben muͤſſe, welches nicht
‚von Außen in den Geiſt kommt, ſondern · von. Junen
heraus, das iſt eine Ueberzeugung, welche Alle, vie
ein Intereſſe für das Wiſſen haben, und, was eb be '
deute, verſtehen, ger nitht leugnen —8* und ſelbſt
diejenigen, welche das Gegentheil behaupten, wenn
fie couſequent ſeyn wollen, zugeben muͤſſen. Uebri—
gens erkannte er den Nachtheil, welchen die Auuahme
der augebornen Ideen gehabt habe, indem ſie der Traͤg⸗
heit Vorſchub that, und die weitere Erforſchung des
Erkenntnißvermoͤgens hinderte. Jene wollte Leibnitz
auf keine Weiſe begünftigen. Man dürfe, ſagte er,
keine zweifelhaften Printipe annehmen, und muͤſſe daher
ſelbſt die Axiome des Eullids zu demonſiriren ſuchen.
J nm — Es
vrais biona. · 4 · Car la ‚felicit6 n’est autre
chose qu'une Eier durable, pendant notre,
; penchant va non pas’ & 1a Teliciıe Proprement,
- mais ä la ‚joie, c'est ä dire au present; c'est la
. _ralson qui porte à l’avenir et a la.durdee. Or
le peachgnt;"exprime par Pentendement, passe
en precepte ou: verits de pratiqüe.
60) Nouvesux Eis. Pr 46. Certaines regles de jus-
tice ne swurdient #tre demontrees dahs. toute
;-Jeur 6tendme: et perfection, qu’en snpposant 1*
existence de Hieu ot Pimmorsaliö de Pame.
J
Kennen. Geſch 8* vbioſ. Al. Eh. 3
159 Siebentes Bankett Erſte Abh, Vierter Abſchn.
Es iſt. daher auch nothwoendig; ¶die angekoruen Ideen
zu prüfen, ob ſie ed wirttich fun, oder uur faiſthlich dafuͤr
gehalten werden. Das Mittel, wohurch Mawangeborne
Zdeen, die Inſtincte ausgenommen; deren. Grund uu⸗
befannt ift, unterſcheidet, iſt, daßıman ſie durch Des
finitionen, wäſchennichtsauders find, als eine
deutliche Audeinanderfei
Principe, d. t ji
. baren Arisme zürü
doch auf feinen -Mege' jtche Dh
Tangen, weil er"die Ahnungeü der.
der Erkenntniß, weiches durch die einfachen Begriffe
zu erhalten ſey, wie er fie fruͤh gefaßt hatte, ſcheint
ihn immer von der Neuen Bahn zurücgetrieben zit
haben. rn
in anderer Unterfcheibungspunct..ift der Unter⸗
ſchied der ſinnlichen und rationalen Erkenntniß.
Leibnitz fegte: denſelben darin, daß'die ſinuliche dunkel
und verworren, die/rationale deuttich ſey. Locke unter⸗
ſcheidet. auf dem empiriſchen Standpuncte die erſten
oder urſpruͤnglichen, und die zweiten oder abgeleiteten
Eigenſchaften der Dinge, und behaupter, wir wuͤrden,
wenn, wir ‚das, Weſen. der Dinge er
, die Abhaͤn⸗
61) Nouv. Rss.-p. 57. 58. Ei h
le moyen..de connoitre et d’esaminer les. prin-
cipes innes, je reponds qu’except6 les instisicts
-: ‚dont la -raison est: incongue;,.‘ il.faut. tacher ide
es reduire :aux:.pfemiers principes, ‘est &-dire,
aux. axihmes identiques ‘ou - immediars. par le
moyen des definitions, qui ne sont autre:chose
qu’une exposition distincte des iddes.
D
‚: @wälrpen: wir auch ‚diefe finnlichen Eis
gtyſchaften hegreifen ‚und, auf ihre. intelligiblen Grün⸗
de..zurüdfüßren, wenn. dieſe auch in; Den .finnlichen-
Qurfellungen, firh.yics einzelg, ahgelondert undinodfen ,
Rändig darfefleg; würden. _ Mir wien, „das Grüne.
entſteht aus dem Blauen und Geiben, ..af den Mies
ſtandthellen jener Zarbe; aber in der finnlichen Wors
ſtellung des Grünen koͤnnen wir doch nicht die Vor⸗
ſtellungen RB Brhiuehsünd Gerbemtrinmenfcjetde, "eben,
weil ‚ebleine: daidle Vorſtellung ührüı Ten winoin·
gesahnte Rad: langfain. bewegen ſehen jo unterichelsr.
den wir · die Zähne; iſt · die Bewotgungſtheiriler⸗ ſo files”
Ben. :viefelbar: im ajn:. Scheiubito. zufammen, und das -
Su⸗ee ſſloe · void. ats · an Zug leichfoxeudas / v. ĩ. Bunker !
vorgeſtrilt· 60).. Bere erg
But BE: 2 DE und
Ey ud Ep. 368, 1 Can Habes keiikiven dei!
peudeũt:uoꝰ · deian des: figukes: Al mouremens et
bis exprigmänk.exaetsment, yuelgue Adi ne” puiss ⸗
„.sioms; pas; y Hemöler ce detall dapg.da ‚confugion: ;
dung top ‚grande ‚mulutude et petitesse des .,
ie
\
ton" metäingifes, ” gi. Fröppent” nos ‚sende "
“m 364
‘ “ N er
! “
x 2
#52 ‚Siebentes Hauptft Erſte Abth. Wierter Abſchn.
und, ‚Verftand Hl alſo nur ein forikler. - Die deutlie
che Erkenntniß "mit Unterfcheidung‘ ded -Dainigfaltts
gen, ift die Sache des Verſtandes; die undentliche und
verworrene, wo das Mannigfaltige wicht naterſchieden
wird, iſt die Vorſtellungsweiſe ver Siunlichkeit. Dieſe
verworrene · Vorſtellung iſt nicht die doige gewiſſer eis
gener Geſetze amd. Bedingungen des finnlichen Vorſtel⸗
Iungsvermögens, fondern aͤußerer Gründe‘ ind Umftäns
de, daß nämlich zu Vieles auf einmal, oder’ zu ſchnel
wach einander die Sinne: beruͤhrt. Weum dieſes nicht
wäre, fo würden wir durch die Sinne eben fo deutlich
vorftellen ;‘ als durch’ den Verſtand. Eine dolge diefer
" Anficht war, daß Leibnitz die Erkeuntuiß des Wahren
und des Weſens der Dinge in be deutlichen Vorſteb
lungen des Verftanped oder in den Begriffen ſüchte,
und die Erfeheinungen, die nur undeutlithe Worftelluns
gen der Dinge find, durch Analyſe ih ‚die „eiufacyen
Momente: Inteieetuifirte, 2 —
er
„Drittens uniefeheint ſich Leibnitzens Theorie dar⸗
in von der Losifchen, daß er mahr, als ſein Vorgaͤn⸗
ger, auf. die Thaͤtigkeit des Geiſtes in. dem Erkennen
aufmerkſam machte. : Nach Locke iſt der. Verſtand nur.
bei den zufammengsfegten Vorſtellungenethaͤtig, ver⸗
haͤlt ſich aber leidend bei.allen.einfachen, welche dem
Verſtande gegeben werden, und die er,ohne etwas
hinzuzuthun, empfaͤngt und in ſich aufnimmt. Dieſes
raͤumte aber Leibnitz nicht ein in Anſehung ver Vore
ſtellungen der Refterioss Denn ver Verſtand
veflectirt, und gibt ſich dieſe Vorſtellungen durch dieſe
Xhätigteit feibft. Ja er hält fogar-dafürz" daß ſeibſt
die finnlichen Vorftellingen , infofern fie- deutlich find,
und. die Reflexion in Anſpruch nehmen, eine gewiſſe
0 This.
?
nat
WB—
Leibniden⸗ Phibbſophie. 138
tigleit ‚Dep. Verſtandes erfodern *62). Die Art diee
r Thaͤtigkeit war freilich dadurch noch nicht erforfcht,
"ober doch ‚ein wichtiger Puuci der Anterfupung in Aue
regung gebracht.
VBiertens. Da do hauptfaͤchlich darauf fein Nache
denken gerichtet hatte, bie einfachen Vorſtellungen aus⸗
zuinitteln, aus welchen durch Verbindung und Tren⸗
nung der ganze‘ Reichthum des Vorſtellens und Erkeu⸗
nens entſpringe, ſo zeigte Lode, daß ſich in den finite
lichen ‚ Vorftellungen das Einfache in firengem Sinne j ö
gar nicht finden Taffe. Sie feinen nur einfach zu
ſeyn, well fie verwirrt find, und daher dem Verftand
es unmoͤglich machen, ihren Inhalt zu unterſcheiden.
Eutferute · Körper ſcheinen rund zu feyn, weil man die
Eden nicht anterſcheiden Tann. - Die grüne Farbe.
ſcheint und eben fo einfach zu feyn, als die gelbe,
oder als die Wärme, "uud doch wiflen wir, daß die
erſte zuſammengeſetzt iſt; wahrſcheinlich ſiud es daher
auch die andern *), 5
Zaͤuftens. Rode Hätte außer der Woransfeging,
des Empirismus Feine andern von dem Weſen der
Seele ſeinen Unterfuchungen zum Grunde ‚gelegt; Leibe
nitz dagegen brachte zu dieſen Unterfuchungen ſchon
fein metaphyſiſches Spftem. der Monadologie mit hine .
w welches Sees die lebten Gründe feiner Behanps
tungen
6) Now. Zus, P- 76. p. 370. Cependant j je ro ·
zois qu'il ya aussi de Pactipn dans les sensa- .
tions, eti tant qu’elles nous donnent des percep-
tions plus distingudes et Poccasion par tonse-
ent de faire des remarques et pour ainsi dire
7 nous developper. .
. “ Tom. Ess, Avant -propos u. Bar a
X 134 Siebentes Haupt. Eiſte Wh: Wierter Abſchn.
. fangen und feiner entgegengefeßteh" ade darbot,
thes von weiteren und tieferen Erforſchungen bed Wr«
:Tennpnißermögend abhielt. Daß‘ bie Geile einc”eins
fache Subftanz ift, deren Weſen in’ Vern Vbrſtellen
‚and: Denken heſteht, welche mit--einem, Leibe verbun⸗
den iſt, daß die ‚Seele beſtaͤndig denkt, auch im
Schlafe und dann, wenn fie bie Aufmerkſambkeit ulcht
darauf richtet und keine Upperseption. ‚Davon hat: —
dieſes waren die Vorausſetzungen, „von, melden & ‚ie
„feinen Verſuchen über den. menfchlichen ‚Verftand | aus:
‚gebt, und weil er damit Erfahrungen. pad. Grandfäge
der menſchlichen Exfenusniß, in Nebereinfiimmung. bringt,
, für‘ wahr und gegründet bält., , Bewunberungämürs
big ift keibnitzens Vrobachrungsgeift und Sdarffinn,
wenn er eine Hypotheſe durch Erfahrungen m unter⸗
ſtuͤtzen ſucht, wie. hier in der Lehre von ben dunkeln
Vorſtellungen, weiche aus ſeiner Monadologie eine
nothwendige Folge ‚waren, und wiederum ben. Satz,
"daß die Seele immer denfend fey, begründen, müffen,
Unftreitig hat er darin helle Blicke auf die Schatten
feite des menfehlicen Gemuͤths gethan, und wichtige
pſychologiſche Aufſchlůͤſſe vorbereitet. Aber die Thed⸗
rie des Erkennens gewann dadurch · unmittelbar wenig.
Die wichtigen Fragen: welche Ideen ſind angeboren?
welches iſt das Syſtem verfelben? wie verhalten fie
fich zu den übrigen; - welche Thaͤtigkeiten des Geiſtes
treffen bei dem Erkennen zuſammen? welches ſind die
Geſetze derſelben? was. laͤßt ſich erkennen? wie? in
welchem Umfange? find. zum Theil gar nicht, zum
Theit nur leiſe deruͤhrt. Denn einmal war es ſeinem
erxfinderiſchen Geiſte natürlicher und, gleichſam zur Ges
wohnheit geivorden, neue Anſichten zu eröffnen, Pros
bleme und Aufgaben aufzuwerfen, ald alles vollftändig
zu zergliedern und zu erörtern; und zweitens gewährte
fein metaphyſiſches Syſtem ihm volles Licht über das
E ins
sisrBeihnilenng Pilmprtje- SEE
ünnere Meſen der Binge; alfo andy ber, Seele, daß er
einer folchen mühfamen Unterfuchung. des Products; zum, ı
" Darin die ·Seſetze rar ” bedürfen,
ſchien —
Mit den Yinficten des eibnig « son dem Erten
" men aud den. Principien beffefben ‚hängt. fein .metaphpr. u
ſiſches Soſtem auf. das Junigſte zuſammen. ‚Denn ohe
ne die Ucberzeuguug, daß die vernünftige Erkeuntuiß
allein bad wahre Weſen der Dinge erfaſſe, würde er:
nicht ſeine Mouadologie, als das wahre Welen aufges.
‚Reit, - ohne diefe aber jenen Rationalismus nicht fa, -
feſt gehalten haben. Denp:er ſetzt durchaus Identitaͤt
des, Wiſſens nur ded, reglen. Seyne poraus. So wie.
er nun in der Erkenntniß gewiſſe Einheiten oder eins
face Ideen annahm, welche dem ganzen Syſtem zun
Grunde liegen, und fi in allen zufammengefegten
Vorſtellungen, mit andern, verbunden, Ihinburchziehen,
ſo behauptete et, daB das Wehen aller. zuſammergeſetz⸗
ten Dinge das "Einfache, ſey, und daß es ohne einfache
Subftanzen ‚auch Feine ‚aufastimengefeäten. Subfanzen
gbe; deun dieſe find nur die. Aggregate ber einfachen,
Das Einfache ift dasjenige, was feine Theile.-hat,
dem folglich, auch keine Ausdehnung, keine Geſtalt und
Theilbartkeit uk oumt. Sollhe einfache Subſtanzen
neunt Leibniz Monaden, die wahren At ome und
Einheiten uind Elementeder Dinge —s).
EEE 2 z &
r
65) Now. Zen p· . Denis je erois woir.nne
nouvelle face "de —E de choses. P- 28
Outre cette nouvelle' analys& ‘des’ choses, jai mi-
eux compris eelle, der notions ou idees. zer den F
verites, N 2
6) Prindpie —E Francof. 1728, 4: ip .
, Monas
\ ı36 Siebentes Haupiſt. Erſe arth · eig
Es folgt aus iheemn Welen, daß fie anfikeine nes
tãrliche Weife, d. &- durch Zuſammenſetzung, ent⸗
ſtehen, nicht durch -Auflöfung untergehen - Können.
Nur Schöpfung oder Vernichtung ft bei ihnen möge
"Lich. Weberhaupr ift ed auf Beine Meile erklaͤrlich, dag
eine‘ Monade in Ihrem: Junern durd) tin anderes Ges
ſchoͤpf eine Veränderung: erleiden. koͤnne; denn 66 kann
in ihr nichts veriehoben:, keine innere. Bewegung kaun
angeregt, vermehrt oder vermindert werden, wie in dem
Züfärmengefegten. Auch bat. die Monade keine Feu⸗
ſter, wodurch etwas · eingehen oder herausgehen Könnte.
Die Accidentien treten- nicht, wie die species sensibi-
les der. Scholaſtiker, heraus. Kein: Accivenz _ keine
Subftanz kann Folglich” von. Außen Eingang: in eine
Menade finden en .
Die
Monss non ein niet substantin A que in
composita ingreditur. : Simplexdicitur, " quae
“ parubus caret. Necesse autem est, dari sabstan-
"> Mas siniplices,' quia dasitur cömpositser. neque-
⸗nim compositaum est mil erg -simpli-
„um, 5
65 Pringipia philos. p. a. Nullo ctiam modo ex-
‘ plicari_potest, quomodo monas altorari aut im
duo \interiori‘ mutari queat per creaturaın quan-
dam alien, @uoniem.in,ea nihil, transponere,
neque ullum motum internum concipere licet,
: qui excitari. dirigi, augmentari auf diminui pos-
- sit, queimadmodum in compositis contingit,. ubi
ter. partes Jocum habat. Destituwuntur
monades. fonestris, per quas aliquid ingredi aut
egredi: valet, Accidentia non egrediuntur ex
aubstantils quemadınodum alias species sensibiles
Scholastirorum, Atque adeo neque substantia
‚neque accidens in monadem forinnecus intrarg‘
potent
I
vabuitens Biete or 237
Die. Mo müůſſen ieh gewifle Qualitãten
haben, ſouſt wide es Feine Dinge ſeyn. Auch muß
fich eine Monade von der andern Önterfdeiben. ‚Denn
es gibt nicht zwei Dinge in der Natur, wovon
"das eine vollkommen identifh mir dem ans
dern,' und wo ein innerer Unterfchied zu finden uns
» möglich. wäre." Ohne Verfchiedenheit. in den Qualitäe
ten der Monaden koͤnute Leine Veränderung. in den
Dingen beobachtet werden; denn was fich in dem Zus
fammengefegten findet, Tann nur aus dem Einfachen,
woraus ed beficht, entfpringen. Wären ferner die Mo⸗
Baden durch Ihre Qualitäten nicht verſchieden, ſo wuͤr⸗ “
de jeder, Ort in der Vervegung, da fie keinen Quantis,
taͤtsunterſchied haben, wenn wir den erfüllten Raum
annehmen, nichts anderes aufnehmen, als dem
Vorhergehenden vollkommen gleich wäre, und folglich
jeder Zuſtand der Dinge von dem andern nicht w ums ik
terſcheiden ſeyn °®).
Es Tann als allgemein zugeſtanden werben, daß
jenes erfchaffene Weſen, alfo auch jede erichaffene Mo⸗
made, der Veränderung unterworfen, ja daß die
Veränderung ſtetig iſt. Die Veränderungen der Mor
naden. koͤnnen aber nur aus einem Innern Princip, wel⸗
"ches überhaupt Kraft heißt, entfpringen. . Außer bies
‚(em innern Princip muß es auch noch «in Schema
’ deſſen,
Prineipia phiton. 3. =” Opus ame‘ est, ut.
quaelibet monades Habenit aliguas qualitateg;
“"alian nec entia forent. Imo opus est,-ut quas-
libet'monas differat ab alia quacungue, Neque
, enim unquam dantur in atora duö entiä, quo-
rum unum ex asse convenit cum altero, et ubi,
“ impossibile sit quandam reperire differentiam in-
. ernam aut in denseninanione' intrinsecn Funden
Kam.
138 Siebentes Hauptſt ei Abth. Wierter Asfon:
berärert” wird, gel wus⸗ die Specifi⸗
_ ſchiedenheit der, chen Subſtanzen
Schema. muß Vielheit in der Einheit
fachen in fi ſchließen. Denn da je⸗
Änderung gradweiſe geſchiehet, fo wird
und etwas bleibt oder beharret. Düs
ver einfachen Subftanz eine Mehrheit
en und Verhältniffen, ungeachtet aller ·
Ein folder nerübergehenber Zaſtand⸗
heit in der Einheit oder in der einfas
wftelfer; ift nichts anders, ald Vorſiel⸗
dung (peresptio), welche noch von dem Bewußtſeyn
apperceptio) zu unterſcheiden iſt. Die Thaͤtigkeit des
nnern Princips, wodurch eine Veränderung oder ein
Hebergang, von der einen Worftellung zu einer andern.
geichieber, tan das Begehren (appetirus) genannt
werden; deni "durch daſſelbe tkymmi man immer zu
neuen und andern Borftelungen, wenn auch nicht zu
Der en ion?) .
, Ale
60) —X philos. d. 3: Opus etiem est, ut
praeter principium muteriomm detor quoddam
* schema: eius,. quod mutatpr, quod efhicit, ut ita
“dicam, specificationem ac varietatem substantia-
ram simplicium. Involvere istad debet: multitu-
dinem in unitate aut simplici,. Ompis end
. tatio.nataralis cum per gradus fiat, al
t aliquid remanst;
stantia simplici, datur qui
num. ac. relationum, . quamvis partibus
. Status sransiens ,. qui inyolvit, ag. repraesentat
titudi seu substantia simplici,
® d. perceptionem adpella-
mus, 'quam probe distinguere debemus ab apper-
eeptione sen conscientia. u
nsig vo paper: 2 39 ,
Sara "eier Buben cken Ei
telechien, weil fie eine inner: ————
Fa „und,
Seelen Vorftelütgen und ö
nfofgen fie Algen
ge — näuht ee Du indeſſen die
ppetee noch eiwas „mehr,
als "Sfoßes "Borfelen Se "Benennung
Seele ſchicklicher dem
ein deutlicheres⸗ Wi
Yabe
vr MEB- gäbt-' Daher ‚einem Gradunterſchied der Menas
eh’ „einbWerfihwnendett Ihres. Zuffanded. Wioße
onaden ."(hadas! monades) find diejenige, die: keim
deiftiche Borfitilung:paben,1fündern in einent Beftändis
SM unen fi-befinden.:. Dergieichen: Zuſtaud rs
det auch vorübergehend. beiden Menfchen::in. ber. Oprd
niacht und dem Gchlafe ohne Traum Statt. Diefe -
Wonapen heißen, auch Tebende ie ‚pen uns
teten‘ Stade" D Denn jede Mondde ft mit“ einer
Maſſe unenhlich vſelex anderer Monaden umgeben, wein
de den Körper dieler Central: Monate. rausma-⸗
chen, nach deſſen Veränderungen fie, wie in einem
Wittelpünet, die "Diige"äußer ihr vorſtellt. Dieſer
Khrper if, rät ch7 Wenn er ein Autbniat oder
‚ tinen Mechauiss Rasur nicht nur iin Ganzen,
ſendern — An- den kleinſten: Theilen bildet ; welche
der Wahrnehmung fähig ſind. Ma mun-in pen Melt
alles voll und Res verknüͤpft iſt, Und Yeder' Körper
auf jeden "Körper mehr 'oder weniger, nach "Maßgabe
der Entfernung, wirket und dutch le Gegenivirkung .
ffcitet "wird; „fo..ift jede. Monade..ein.Lebender
Griener, mi mit innerer Kraft: das. Unierfem » nad) .
" ya Talını 3 feinem
heit haben, auch
140 Sichentes Hauptih Ecſte Abth. Vierter abſchn.
feinem Geſichtsnauete udn; PR foggegelt,
tie das Inioerfam 79). uva
7 Benin’ eine lebende Mi habe ſo einer Orgã⸗
ne hat, daß, vurch fie in. indrüden 4, die ſie ur
Bölt, etwas Hervorftehended und Wi erfcheidendes: ft,
folglich auch in ben Vorftellüägen. ber Eindrucke ‚(wenn
3. B. durch die Geſtalt /der Säfte in dem Auge die
Lichtftralen ryntentrirter werden, und mit mehr Staͤrke
‚ dimwirten), "und biefe Borfteilüngen auch wohl zů
Wahrnehmungen, d. i. mit Gedaͤchtnuiß verbundenen
Vorftellungen werben, deren Echo lange Zeit forts
dauert, um ſich bei. Gelegenbeit wieder verfiänhikh. zu
machen; fo-heißt ein ſolches Leberdes Zha er, uud ſei⸗
we Eentralmonade Seele, Die Thiere befinden. ſich
oft in dem Zuftande bloßer Monaden, wenn: Ihre Vor⸗
ſtelungen nicht Kar genug: Find, ‚daß fie zur Mirderere
inuerung dienen > Dat e Benäieniß bene an
Ia'naturs d "de 1a grace, Rocueik,
. 487... Er chaqus enbstaäce simple on
* aonalle, "qui fait le centre d'une subsfance 'oom-
Die, (conime p. e. d'un ahimal)'et le prificiye
de son unicit6, est envitounde d'uge Masse cpm-
‚pos6e, d’une infinit& d’autzer.. momaden, qui con-
„süituent le corps gropte 4 de cat au monade centra:
" suivant les affections —ã elle represente,
‘comme dans une maniöre' de cinitre, les cHöses
sont. hors d’elle, — >Et"comme & causs.de
la plenitude da monde tout. estıli6 et. chaqus
. _corps agit sur chaque antre. plus ou moins,
selon la distance, et en est en Par resction;
= "il s’ensuit que chayue monade. est un miroir vi-
vant, ou doue d’action interne, reprösentatif de
“Punivers, sufvant son point de’ vie, e aussi’ re·
86 quo Funliers.möme nu
* Ja) Principas de la nature st de la grace 8
—8*
2: eibnlgens Philoſophie · Tape.
a nJöön golge —* Worſtelungen vnthe elne Nach⸗
über fich voñ derſelben unlerſcheihetz wo⸗
tiber. Säle gehin ”)
Diejenigen Iobenben: Romaneh,. weiche. fih iu En
Berti sber: einigen’ uad vetbwendigen · Hinheheiten,
oder zur Vernnaft rarden ð ee dadurch der Re fler
bemußtfeyns, fähig, find,
Seelen ind Seiten. Dur,
fr,, "Tibem. wir und. ſelbſt dem
b haupt, die Subftanz, einfa⸗
Erfenntniß, ober der — und des —*
ſeyns der innern Thaͤtigkeiten oder” Vorflellungen,
weiches die Appereepi in if, abis > Die ,
EEE SE GER ger Ap⸗
la‘monade a des organes si ajustes,
‚par leur: Moyen: ü y. a‘du zelief et du dis«
ana. dans des Impressions qu’ils regolvent, et,
„Per ‚consequent dans les perceptions qui les ve-
"ipresentänt — eela pent aller jugqu’au sentimend
Crst,ä dire jusqu’& une perception accompagnde
‚moire & savoir, dont un certain echo de-
s,; pent se faire entendre dans P
un {el 'vivant_est/appell& aninal,
t appelke uns ame · Eris·
5 Eriscipia "ge AXIX. Enimvero sogaitio veri-
. tafdın neceı rani>et' aeternarumm-'est 3A, quod
"ab dnimäntibus simplicibus distinguit' et sa-
mis ‘et scientierum‘ compotes reddit, - dum nos.
Te eopuklonem- noetri ac Dei elerat. Arzue
hoc
aa Ciebenteh Haupt: Ege Adihu Bieter län.
Appesseptien iſt nicht · all. And Iners
Gere yicht.. in jeder Zeit gegeben... : Mn, ‚prei, un
theilen ‚ihres, Handlungen, fnh, pie: Menfegen ı den.
ren glei, infgfern. fig .nar. ‚Ba lBehsnehreungen, Pr
der Vernunft folgen. Der größte heil unferer Wors
ſtellungen · iſt bunter und verloosren-MberredtiegE doch
in dem. Geiſte oin Grund, daß FO her —
t tr 3 19 A
HR Bit“ San über
deutlich. ine" Ronghe, Goit ſtellt fe
N do) — Du nfofen Me
Monade Heutlict. Vor —*
men, iſt thätig und. wirkt
Deutliche: Vorffellungen Hat
leidet yon einem ‚Anden
„Die Geifker, vefolgen in ihrem — un⸗ —
ſen am große ‚Principe , das Princip des Wider⸗
ſpruchs
we est. eis, quod-in in —E —88 ——— u.
te vpirims· appellatur, Prineipes 2 489 491.
0 Bringipes, p. 4B9..ägo: ; "Erineipia
. 75) Principe p- 498..499, ,‚Chaque anie
‚Pinfihi, counoit tout, ‚mais' confusement,
perceptions confuses sont, k, zgsultat des Pre
‚sions que tout Panivers fait.sur naus, u en est
‘de möme de chaque'monade.
‘connoissance distincte de tout
source, Principia $. LAU,
76) Friwipiag. LI. Cre: digitur, a
se, yualanys ae ea *5 *
x jest imperfecta. di ‚achiogem
. ibuimue.,. .quatenps; habet ‚per ones. digtin-
. cus, pool, quatenus cpnlusag haben,
ſprochs uud das Principe des zureichenden. Gruudes.
Es muB auch einen zureichenden Grund bei deu-gufällio, :
gen Wahrheiten der. Thatfadhen, oder in der Reihe der .
Diüge, welche dad Univerfüm .der Geſchoͤpfo ausma⸗
en, geben. Judem wir nach Gruͤnden iw::em; was ·
iur der Reihe dorhergeht, ſuchen, ſtoßen wir immer. wien.
der auf zufällige Dinge. Es muß daher der / letzte und
zureichende Grund: außethalb der, anehblichen Reihe des
Zufalligen, folglich in einer nochwendigen Sube
fanz gefunden werden. : Diefe nwoihwendite Subftang
iſt, weil: fie zureichender Grund. der gamzen: Reihe, und
dieſe verknüpft iſt, einzig. Es gibt nur.einen-Gatt.:
Diefe Subſtanz muß ferner als hoͤchſter, -eingiger, noth⸗
wendiger und allgenieiner Geund, von weichent. alles
abhängig if, da: nur eine: einfache Deihe der moglichen
Dinge exiſtirt, ‚ohne ale" Schramben / ſeyn und alle:
mögliche Realitäten: in fich begreifen, ’ d.h. abfolus:
volkkommen Fehn-?7); Daraus fotgt, daß alle:
Seſchoͤpfe ihre" Volllemmenheiten von. Gries Enrfing,;
ihre. Unvollfommietheren von! Ihrer: agnen, eines une‘
eingefcgränkten Seſendien nicht Fählgen: Mitar has;
. } el ln ee Rs)
\ J BL |
„292 „Princip VI m cam. aub-,
stantia ist ratio sufhicieng omnis 'istius seriei,
füae ‚etiam "Prorsus cönnexa est; non nisi muy!
iatur.’ Deits;" ätgue hie Deus Sufheie:-"Iuditsret
esiartı Nioet, qued tehbstantia ista suprema quae
mat unica, Miveroolia. et necegsarin, .cam.nihil exs;
se haheat,,.quod ab ea .non dependeat , ef;
iplex rerufm possibilium seried eXistat,-Lirhittim‘
implex rerum possi m seriei 1 m
Capax esse nequit, ut omnem realitatem posaibi-
lem continere debet, Unde sequitur, Deum esse
""Tabsölüte peifeotmnt,' dum. pbrfoctid" non’ ditiiefei
. ‚positivae, praecise »surhtae,
agnitudo-realitutis .
sepositis rariimeliipitationibus, -:
J
144: Siebentes Hauptſt. Eiſte Abth. Vierter Abſchn.
Al pen. - Denn eben hierdurch unterſcheiden fie fich von
‚Gott *°), a —
Gott ift nicht allein die Quelle der Exiſtenzen,
ſondern :auch der Weſen uſofern fie real ſind,
ecer deſſen, was in der Moͤglichteit real if, “Daher
it Gottes Verſtand das Gebiet der ewigen
', Wahrheiten oder der Ideen; fie ‚hängen von
dem göttlichen Berſtande (aber nicht, "wie Eartefins
amd Voitet wollten, von dem’ gotilichen Willen), als
deffen inneres Object, ab, und ohne denſelben würde
“nicht nur nichts exiſtiren, fondern auch nichts möglich
feon.: Denn wenn: etwas Mealität in deu Weſen, ober
Mögtichleiten, oder vielmehr in den ewigen Wahrhei⸗
ten.ift; To. mug. fie in einem. wirklichen Dinge, folg⸗
"u in der Exiſtenz eine nethwendigen Dinges, ger
” gründet ſeyn, bei welchem dad Weſen die Exiſtenz eins
ſchließt, oder. zu deſſen Seyn nichts erforderlich if, als
daß es möglich ſey. Dieſes iſt ein Vorzug Gottes,
daß er nothwendig eriftist, wenn er moͤglich iſt. Nichts
iſt aber ſeiner Moͤglichkeit im Wege, weil er ohue
Schrantken, Feine Negarion; folglicy Keinen Widerfpruch -
in ſich ſchließt. Schon dieſes ift hinreichend zur Er⸗
tenntniß n priori von Gottes Eriftenz. Dieſelbe wird |
" aber auch noch a priori aus den ewigen Wahrheiten
und ‘a posteriori aus der Exiſtenz zufäliger Dinge ers
Yant, ©o.ift Gort allein die urfptüngliche Einheit
oder einfache Subftanz, defien Productionen alle’ ers
fehaffene over abgeleitete Monaten find. Diefe entftes
ben, ſo zu fagen, durch Beftändige‘ dalzuratenn der
BEN Bote
'78) Priscipia.$. XLII. Sequitur hinc etiam, crea-
tnras -habere perfectiones suas .&b influxu ‚Dei:
„sed imperfectiones a psopria. natura, essentise
sine linitibus incapaci. , \
Leisnigens Boitofophie: u 145 J
Sotiheit, inſfern ſie durch die Reseptipfät des Ges
ſcoͤpfes, deſſen Weſen die Deſchrantitent iſt, einge⸗
ſchraͤukt werben 7°),
In Gott if Macht, die Quelle aller Dinge, ' ji
Ertenntniß, das Schema der Ideen, und Wille, -
die Urfache der Veränderungen, welde das Hervors -
bringen nach dem Geſetz des Veſſern bewirkt. Diefes
iſt dasjenige, welchem in den Geſchoͤpfen das Subject,
"oder die Bafıs des Vorftellungs ⸗ und Begehrungsver⸗
moͤgens entſpricht. In den Geſchoͤpfen iſt es nur,
nad) dem Grade ihrer Vollkommenheit, Nachahmungs
deſſen, was in Gott ohne Eqrauken ift 20).
Ein Geſchoͤpf wirket außer ſid, inſofern es
vollkommen iſt, und leidet von einem andern, inſo⸗
fern es uuvolllommen if. Ein Geſch pf ift darin
volllommener ald das andere, weil wir in bemielben
etwas finden, was’ zur Erkenntniß des Grundes vom
demjenigen dient, was fich in dem andern. zuträgt,
amd daher fagt man, daß jenes in die ſes eins
wirken, Diefer Einfluß ift aber bei einfacyen Subs
ftanzen nur ideal, welcher nur durch Wermittelung _ '
Gottes zur Wirktichfeit gelangen kaun, indem in den
Ideen Gottes eine Monade mit Grund fövert, daß
Soti bei ber arſpruniichen Auorduurg der uͤbrigen auf
ienes
79) Priacipia . XL — XLVEI. ft Deue solus
est unitas primitiva seu subsiantia simplex ori-
ginaria, cujus productiones sunt otınes monades
-ereatae aut derivativae, et nascuntur, ut ita-lo=
quar, per continuss divinas fulgurationes per ro-
Ceptivitatem creaturae lirhitetas, cui essentiale &st
esse limitarun. u J
80) Prindpia $. XLIX, L. “
Rennen. oeſq.d. vhilo. ALS. 8
er
246 Citbenis Hauptit- Erfie u. Wieiter dibſchn.
jenes Ruͤcſicht nehme, Dieſes iſt das einzige Mittel,
wodurch eine von der andern abhängen kaun, da der
pyyſiſche Einfluß bei Monaden: unmöglich iſt.
Daher ift die. Thaͤtig keit und das Leiden der Ges
ſchoͤpfe gegenſeitig. Denn wenn Gott zwei einfache
Subſtanzen mit einander vergleicht, fo findet er in jes
“der Gründe, die eine mic der. andern, folglich dad Ac⸗—
tive, was in einer andern Ruͤckſicht paſſiv, zu verbin=
den. Activ iſt nämlich) dasjenige, mas, infofern es
‚in dem einen deutlich erkannt wird, zur Erklärung
delle dient, was fi) in dem ‘andern ereignet, ‚und
es if. pafſiv, iuſofern der Grund von demjeni⸗
gen, was ſich in einer Sübſtanz zutraͤgt, in demjeni⸗
‚gen gefuaden wird, was in der, andern deutlich er⸗
ann. web), 2
o_ 0 PM
St) Principia $.. LI—LIV. Sed in substantiis
simplicibns infuxus unius imonadis in "alteram
tantıım ideslis est, qui efectum sortiri nequit,
nisi Deo interveniente, quatenus in ideis Dei una
mones cum ratione postulat, ut Deus, ordinans
‚ceteras, in principiö rerum ipsius rationem ha-
N "bear. Quoniain enim monas una physice influe-
‘zo .nequit in interius alterius; aliud non datyr
‘medium, .per quod una ‚ab altera dependere va-
‚.leat. Atque ideo actiönes "ät passiones creatu-
“rarum mutaae sunt, Deus enim duas substantias
simplices inter 'se comparans, in unaqualibet ra-
‚ tiones depreliendit, quibus obligatur, unam apta«
ze .alteri, et conseguenter id, quod activum est,
quatenus Certo respectu passivum secundum ali=
um considerandi modum; activam nempe, qua-
tenus id, quod distingte in eo cognoscitur, in-
©. servit rationi reddendae de eo, quod in alia con-
tingit, et passivum,, quatenus ratid de eo, quod
in ipsa contingit, reperitur in eo, quod distigcte
soguoscitur in altera.
Leibnitens Pie, — 247
er von den unendlich diefen, möglichen
Welten in Gottes Joem nur eine exiſtiren kann, fo
muß ed xinen hinreichenden ‚Grund der Wahl geben,
welcher Gott vielmehr zu dieſer, ald zu einer andern
beſtimmt hat. Diefer Grund kann nur in den Graben der:
Volllommenpeit diefer Welten legen; er iſt die Urfas
che der Eriftenz der beflern, welche Gott durch feine
Weisheit erkennet, durch feine Güte erwaͤhlet, und us.
feine Macht wirklich macht 82).
Daher kommt dieſe Anpaſſung aller Dinge an ein
jedes, und eines jedeͤn au alle; daher hat jede Sub⸗
fanz Beziehungen, durch welche alle übrigen ausge:
drücdt werden, und iſt folglich ein beftändiger lebendi⸗
ger Spiegel des Weltalls. So wie dieſelbe Stade” '
‚ aus verſchiedenen Standpuncten geſehen, „unter vers
ſchiedenen Geſtalten erſcheint und optiich gleichfam
vervielfältigt wird; fo.gibt es auch, wegen der unends
lichen Vielheit der Monaden, unendlich ‚viele Welten,
weiche jedoch nur ‚Individuelle Vorftellungen- der einzis .
gen, nad) den verfchiedenen Geſichtspuucten jeber Mo
made, find. Durch diefed Mittel wird aud) die größte \
mögliche Mannigfaltigleit mit der größten möglichen
‚ Ordnung, d. i. die größte mögliche Vollkommenheit ges
wonnen. ¶ Doch kann fein Ding anders ſeyn, als es
iſt; Denn Gott hat bei der Ordnung des Ganzen auf
jeden VWen und jede Monade geachtet 2).
82 Jede
— Prindipia $. LVLVIL.
83) Principia $. LVUOI—LX.. Atqus huie ‚adap-
‚fationi rerum omnium creatarum ad unamquard-
que et uniuscuiusque ad oeieras orınos tribuen-
dum, quod quaelibet substantia simplex habedt
- respectus, quibug exprimuntur eeterae omnes, et
per sonsegaens speculum vivum. perpetuum uni.
ver
%
18 Eiebentes Hauytſi. Erfte Abth. "Vierter Abſchn.
Jebe Monade ſtellt ſich das Univerſum vor, aber
auf eine eingefchränfte Weiſe. Die Vorſtellung des ·
Ganzen iſt undeutlich in Beziehung auf die Theile,
. and nur deutlich in Beziehung auf nähere ober grös
Bere Thelle; denn ſonſt wäre jede Monade eine Gotts
beit. - Die Veſchraͤnkung geht nicht auf. das Dbjeer;
denn alle Monaden fireben nach. dem Umendlichen, und
find‘ Vorfigliträfte, : welche eine Unendlichkeit in fich
ſchliehen fondern auf bie Befchaffenheit der . Erkenntz..
nid. Uud fo ift es auch mit "dem Zuſammiengeſetzten.
"Das Univerfum iſt durchaus erfüllt und verfnäpft, '
Zei jeder Bewegung wird ‚ein Körper nicht allein von
denjenigen afficirt, die denfelben berühren, fondern er
empfindet auch dasjenige, was jenes Berührenbe un⸗
mittelbar berührt. Daher erfiredt ſich die Mittheis
tung in jede Entfernung, und jeder Körper wird von
Allem,, was in dem Univerfum ift,.affieirt,.fo daß ein
Mefen, das alles erfennet, Im einen jeden leſen koͤnn⸗
‚te, was in der ganzen Welt gefchiehet, geſchehen iſt
und gefcheheh wird — auch in dem Gegenwärtigen,
was dem Raume und der Zeit- nach fi) davon ents
ferut. Die Gegenwart iſt mit dem Künftie
gen ſchwanger. Die Serie Tann jedoch in ſich nur
* J — das⸗
versi existat. Et sicuti eadem urbs e diversis
locis spectata, alia adparet- et optice quasi multi-
“ plicatug, ta similiter accidit, ut propter multitm-
dinem infinitam substantiarum simplicium dentur
„quasi totidem differentia universa, quee tamen
mon -sunt nisi Scenographicae repraesentationes
unici secundum differentia puncta visus unfuseu-
‚Jusque monad. Atque hoe ipsum medjum est
‚ obtinendi tantum- varietatis, quamum possibile,
bed cum mazimo :ordine, qui her} potest, h. e.
wedium:obtinendi: tantum perfectienis, quantum
poscibile· en 2 J
SS > , x
Leibniteno Philoſophie. :a4g
dasjenige leſen, was ſie dentlich vorſtellt; fie Tan
nicht alle «ihre, Vorſtelluagen entwickeln, weil fie zur
Unendlichkein fireben.,B+),
ZDede erſchaſffene Monas fiellt ſich alſo das Unfs '
verſum vor, jedoch viel deutlicher denjenigen Körper,
dem fie vorzuͤglich angepaßt it, und deffen Entele |
hie. fie iſt. Und fo wie diefer Körper durch Die Ver⸗
bindung aller, Materie. in dem Erfüllten das ganze
Univerſum ausbrüct,. fo ſtellt ſich auch die Seele das
Univerfum vor, indes fie diefen Koͤrper, der ſich auf
ſie beſonders beziehet, vorſtellt 2)..
Ein ſich auf eine Enteiechie, ober Seele Beyfegens
„der Körper macht mit derfelben. ein lebendes Weſen
und ein Tier aus. Diefer Körper if organifch, denn
da jede Monade ein Spiegel des Univerfums auf feis
ne Art iſt, und das Uniberfum die wtenmra· Ord⸗
nung
J Principia 5. LXI— Lxiv. Ex eo. videmus,
cur res: aliter se habere nequeant, quoniam Deus,
totum ordinans, raspexit' ad quamlibet partem et
inprimia ad unamguamgite monadem, . cuius na-'
tnra cum sit repraesentativa, nihil est quod eam
limitare posset ad unam tantum rerum partem
repraesentandam, quamguam verum sit, quod
haec reprassentatio non sit nisi confasa respecta
partium universi, nec, distincta esse possit, nist
quoad exiguam rerum partem, hoc. est earum,
quae put propiores sunt, aut maiores respectn
. “niuscuiusque monadis, alias quaelibet monas
foret aliqna divinitas. Non in obiecto, sed in
modificatione cognitionis obiecti monades Jimita-
ise eunt. Omnes confuse ad infinitum tendunt,
sed mitantur et distingunntur per gradus per-
septionum distinctarum, Prineipes 5. x
85 Prindpis 5. LXIV.
15a Siebentes Saiptf. Erſte Abth. Wieiter aibſern
nung hat, ſo muß auch in dem Vorſtellenden, d. i. in
den Vorſtellungen der Seele und in den Koͤrpern,
durch welche das Univerfam vorgeftellt.wirb, Orduuug
ſeyn. Yeder organiſche Körper eines Lebendigen iſt ei»
ne. Art von göftlicher Maſchine oder natürlichen Rutos
matum, welches in feinen. Meinften Theiten ins Un
endliche wieder Maſchine iſt, und dadurch eine kuͤnſt⸗
Uche Maſchine auf eine unendliche Weife üuͤbertrifft.
Gott konnte dieſes goͤttliche, bewunderungswuͤrdige
Kunſtwerk wirllich machen, weil jeder Theil der Mas
terie theilbar ins Unendliche, und wirklich ind Unendli⸗
che getheile ift, fo daß jeder Theil feine Bewegung
für fih hat; fonft, koͤnnte auch * jeder Abel das
Unlverſum darſtellen 80).
Daher gibt es in dem feinen Theile der Mate:
vie eine Welt von Lebenden, Thieren, Entelechien und
Seelen; ex Zahn als ein. Garten voller Pflanzen, ober
ein mit Fiſchen erfüllter Teich betrachtet werden." In
den ganzen Univerfum gibt es nichts Todtes, Oedes,
Ungeorpnetes, ald nur dem. Scheine nach. jeder Ies
bende Körper. hat feine herrſchende Enteledie, eine:
Seele; alle Glieder dieſes Lebenden find mit andern
Lebenden, Pflanzen, Thieren, erfüllt, von denen jedes
wieder feine herrſchende Seele hat. Diefes tft nicht fo
zu verfiehen, als wenn jede Seele eine eigenthümliche
Daft von Materie für: ſich, ser gewifle niedere le⸗
bende
86) Principia $. LXV—LXVOL. Et ſien potuit, ,
". ut autor anturse hoc artificium divinum — in
praxin' deduceret, qitia portio quaelibet matetiae
in infnitum, verum etiam
actu subdi infinitam, qualibet parte ‚pecu-
liari motu gandentez .alia; fieri haud quaquam
” Posset, ut quaelibet portio materiao tolum expri-
meret universum,
. Reibnigene Phiteſophie. . 258.
bende Weſen zu ‚ihrem Dienft beftimmt hätte. Denn
alle Körper find, wie ein Strom, in. beftändigem Fluß,
and Theile gehen immer zu und ab. Die Seele dns
dert daher ihren Körper nad) und nach, fo daß fie ih⸗
rer Organe nie ayf einmal beraubt wird. Es gibe
Metamorphofen der Seelen, aber Feine Metempfychofen,
auch im firengen Sinne feine Erzeugung und Feinen
Tod, fondern nur Evolutionen und Anfäe, Einwides
" Tungen und Verminderungen. Nicht allein die Seele,
fondern auch das Thier ift ungerförbar , wenn auch
die Maſchine deffelben öfters zum Theil vergehet, und
die organifchen Hüllen verlaͤßt oder empfängt. Alle
Thiere entfiehen aus Samen-Thieren, in. welchen
Thon | eine Praͤformation des werdenden Thieres und
eine Seeie enthalten iſt; die Samenthiere der ver⸗
nuͤnftigen Thiere haben, nur „gemeine oder ſinüliche
Seelen, welche aber erwaͤhlt ſind, daß ſie vermittelſt
der Empfaͤngniß zur Stufe der Vernunft und det
menſchlichen Natur erhoben werden 8”), —
Hieraus erklaͤtt ſich die Vereinigung oder viels
wmiehr Uebereinftimmung ber’ Seele mit dem organi⸗
ſchen Körper. Die Seele wirkt nach ihren’ Gefegen,
als werm feine Körper in der Welt wären, und eben
fo die Körper, als wenn Feine Seelen da wären, Bei⸗
de ſtimmen aber. in Ihren Wirkungen zuſammen, vers
möge der sorherbefiimmten Harmonie der
Subftanzeng. da fie alle Darftellungen eines und
deſſelben Univerſums find. - Die Serien „wirken nach
ven Gefegen der Endurſachen durch Begehrangen,
Zwecke und Mittel; die Körper nad) den Geſetzen ber
wirkenden Usfachen oder der Bewegungen. Diefe beis
den Reiche der Endurfachen und der wirken⸗
. den
! 89) Priseipia '$. LXIK—LXXX. LXXRY.
130 Ciebentes douptſ. Cie Ast. Wiekter sg,
mung hat, ſo muß aud) in dem Vorſtellenden, d. I. in
ven Vorftellungen, der Seele und in den Körpern,
durch welche dad Univerfam vorgeftellt wird, Orduuug
feyn. Jeder organiſche Körper eines Lebendigen ift eis
ne Art von göftticher Mafchine oder natürlichen Auto⸗
matum, welches in feinen kleinſten Theilen ins Uns
endliche wieder Maſchine ift, und dadurch eine kuͤnſt⸗
Uche Maſchine auf eine unendliche Weife üuͤbertrifft.
Gott konnte dieſes goͤttliche, bewunderungswuͤrdige
Kunſtwerk wirklich machen, weil jeder Theil der Mas
terie theilbar ins Unendliche, und wirklich ind Unendli—
che getheilt iſt, ſo daß jeder Theil ſeine Bewegung
für ſich Hat; ſonſt Könnte auch nit jeder Miet das
Uuinerfum darſtellen ss)
Daher: gibt es in dem Heinften Theile der Date .
vie eine Welt von Lebenden, Thieren, Entefechien und
Seelen; ex Tahn als ein. Garten voller Pflanzen, oder
ein mit Fiſchen erfüllter Teich betrachtet werden." In
dem ganzen. Univerfum gibt es nichts Todtes, Oedes,
Ungeorpnetes, ald nur dem Scheine nach. Jeder le—
benbe. Körper. hat feine herrichende Entelechie, eine
Seele; alle Glieder dieſes Lebenden find mit andern
Kebenden, Pflanzen, Thieren, erfüllt, von denen jedes
wieder feine herrfchende Seele hat. Diefes tft nicht fo
zu verfichen, ald wenn jede Seele eine eigenthümliche
Maſſe von Materie für: fü ch, aber gewiſſe niedere le⸗
bende
86) Principia $. LXV—LXVOL. Et hei potuit, ,
- ut autor anturse hoc artificium divinum — in
praxin‘ deduceret, quia portio quaelibet matetiac
non modo divisibilis in infnitum, verum etiam
actu subdivis infinitam, qualibet parte ‚pecu-
liari motu gaudente; lie: fieri haud quaquam
posset, ut quaelibet portio materiae tolum expri-
meret universum, '
Reibnigens Phiteſophie. , 252."
bende Weſen zu ihrem Dienft beftimmt hätte. Denn
ale Körper find, wie ein Strom, in ‚beftändigem Fluß,
und Theile gehen immer zu und ab. Die Seele aͤn⸗
dert daher ihren Körper nad) und nach, fo daß fie ih⸗
rer Organe nie apf einmal beraubt wird. Es gibt
Metamorphofen der Seelen, aber feine Metempfochofen,
auch im firengen Sinne Feine Erzeugung und feinen
Tod, fondern nur Evolutionen und Anfäge, Einwices
lungen und Verminderungen, , Nicht allein die Seele,
fondern auch das Thier ift unzerflörbar , wenn auch
die Maſchine deffelben öfter zum Theil vergehet, und
‚ die organifcen Hüllen verläßt: oder empfängt. Alle
Zpiere entfichen aus Samen=Thieren, in, welchen
Thon eine Präformation des werdenden Thieres und,
eine Seele enthalten iſt; die Samenthiere der vers
wünftigen Thiere haben, nur gemeine" oder" finnliche
Seelen, welche aber .erwählt find, daß fie vermittelſt
der Empfängniß zur Ötufe der Vernunft und der
menfchlichen Natur erhoben werden 8”), —
Hieraus erklaͤtt ſich die Vereinigung oder viel⸗
miehr Uebereinſtimmung ber Seele mit dem organi⸗
ſchen Körper, Die Seele wirkt nad) ihren Geſetzen,
als wem Feine Körper in der Welt wären, und eben
fo die Körper, als wenn Feine Seelen ba wären, Bei⸗
de ſtimmen aber in ihren Wirkungen zufammen, vers.
möge der sorherbefiimmten Harmonie der
Subftanzeng. da fie ale Darftellungen eines und
deffeiben Univerfums find. Die Seelen wirken nach
ven Gefeen der . Endurfachen durch Begehrangen,
Zwede und Mittel; die Körper nad) den Gefegen der
wirkenden Urſachen oder det Bewegungen. Diefe bei⸗
den Reiche der Endur ſachen und der wirken⸗
den
S) Priucipis $. LXIK—LXXX, LXXxxv.
153 Ciebentes daupiſ. Erfie Abch.. MierterAbfhn.
den urſachen ſind unter einander harmonifch .n,
Die drei Hypotheſen über die Gemeinfchaft der Seele
und des Körpers füchte Leibnig durch das Veifpiel von
zwei auf dad. genauefle übereinftimmenden Uhren zu
"erläutern, . Dieſe Uebereinſtimmung iſt auf dreierlei
Weiſe moͤglich, durch gegenfeitigen Einfluß, durch die
Vermittelung eines geichiäten Kuͤnſtlers, der fie jeden
Alugenblick ſiellt und ihten Gang gZleichfbrmig macht,
oder durch die Kuuſt eine® Meifters, der beide gleich ans -
fangs fo einrichret,. daß fie nicht ‚von einander abweis
hen. können.” Der Einfluß des Einen “auf das Anz
dere iſt die Vorftellung der gewößntichen Phitofophie,
welche man. verlaffen muß, da ſich nicht" begreifen”
läßt, wie gewiſſe materlelle Theile aud Einer Subftany
in die anderd übergehen Finnen. Die Vorſtellung ei⸗
nes fortiwährenben Beiſtandes des Schopfers iſt das
GSyſtem der gelegentlichen Urfadjen einiger
Gartefianer,' welches Gott zur Zerhauung des
Knotens herbeijicht, und das Natürliche durch immer⸗
währende Wunder erklären will. Es bieibt.'nar der
dritte Weg ‚der vorherbeſtimmten Natur, übrig, nach
weldem Gott beide Subflanzen urſpruͤnglich fo” eine
- gerichtet und zuſammengeordnet hat, daß jede, indem
fie ihre eignen Geſetze befolgt, weldye fie mit ihrem
Daſeyn erhalten hat, mit der audern zuſammenſtimmt,
” gerade.
88) Prinzipia 5. LXXXI- 1xxxiuv. Anima sans
sequitur lege⸗ et corpus itidem suas, conveniant
vero inter 'se vi harmoniae, inter omnes substan-
tias praestabilitae, quoniam omnes repraesenta-
tiones sunt eiusdem univers, — In hoc: syste=
male corpora agant, hc ei (per impossibile) nül-
lat darentur aninsae, acanimae agunt, ac si cor-
pora nulla darentur, et ambo > egund, ac al unum, -
infueret in album,
. '
Beibniens Phlofepie.- > - 188
gerade: , «16 wenn eine in die andere Einfuß Hätte;
“oder Gott jeden Augeublick, außer der allgemeinen
Mitwirkung, feine Hand: anlegte. Diefe Hypotheſe
ainme kein Binder, außer der Schöpfung, an, laͤgt
alles auf-natürtiche Weiſe feinen Gang fortgehen, und
verirägt:.fih mis den allgemtinen Geſetzen der Bewe⸗
gung, daß nicht allent dieſelbe Quantitaͤt der Beweg ⸗
kraͤfte, fondein-aud dieſelbe Richtung in der Materie
beſtaͤndig erhalten wire, am beſten sr):
Die zeiwdbulichen Seelen fü ad nur Spiegel der le⸗
benden Dinge oder bed‘ Univerfumß; die Geifter aus;
ßerdem noch Nachbildungen der Gottheit oder des Urs
hebers der Natur, da fie dad Syſtem des Univerfums
erfennen und. durch architektoniſche Fuͤnlchen etwas
son demſelben nachahmen koͤnnen, jeder Geift alfo eine
Weine Gottheit in feines, Art ifl. Daher find u
fe einer Gemeinfcpaft mit Gott fühlg, welcher in
NRüdficht auf fie. nicht allein Schöpfer, fondern auch
“ BWegent und Vater if. Alle Geiſter zuſammengenom⸗
wen bilden den. Staat Gottes, d. i. dad vollkom⸗
menfle Reich ‚unter dem vollkommenſten Regenten.
Diefer Staat Gottes iſt die "moratifhe Welt in
der phyſiſchen. In dieſer oralen Welt. wird.
Sorzes Güte inöbefonpere ſichthar, da feine Weispeit '
und Macht allenthaſben hervorbiiden. Daß Gottes
Größe und Güte von Geiftern erfannt und bewundert
wird, darin befteht Gottes Ehre uud Ruhm.
So wie eine Harmonie Statt findet zwifchen den
beiden Reichen der Natur, der wirkenden und der End»
, - ur
89) Ketten In monnan ayitäme de la cm.
munitation des substances. Kecueil T. IL p.
"897 seq. 400 aeq. Prineipia-}. LKXXVIN,
\
254 Siebentes Harptil, Erſie Abth. Wierter Abfhn.
urfachen, ſo iſt auch eine Harmonie: swilchen dem pbys
ſiſchen Reihe. der Natur und dem moralis
ſchen Reihe der Gnade zu hemerken, d. i. dio
Harmonie Gottes als Architect der Natur und als Res
gent des Geiſterſtaates. Eine Solge diefer Harmonie
iſt, daß die Dinge auf natürlichen Wegen zur Guade
Binführen,. daß diefer Erdball z. B. zerflöret und er⸗
nenert werben muß in. dem Zeitpuncte, wo es die mo⸗
raliſche Regierung zur Beſtrafung oder zur Belohnung
ber Geiſter fodert; daß keine gute Handlung -ohne
Belohnung, keine böfe ohne Strafe, ſelbſt durch den
Naturlauf bleibet, daß afled zum Heit der Guten, d. i.
derjenigen gereichet, welche mit der göttlichen Regies
tung zufrieden find, ber Vorfehung vertrauen, den Urs
heber alles Guten Tieben und pflichtmaͤßig nachahmen,
id aus: ber Betrachtung der Vollkommenheiten deſſel⸗
ben, der reinen und wahren Liebe gemäß, das hoͤchſte
Vergnügen fchöpfen. Daher: fireben die Guten auch,
dasfeuige wirklich zu machen, was. dem görtlichen und
vorhergehenden Willen gemäß ift, und ‚beruhigen ſich bei
den Erfolgen des nachfolgenden und beſchließeuden
Willens, weil fie übergengt find, daß, wenn wir bie
Ordnung der Natur vollkommen einfehen koͤnnten, die⸗
felbe die Wuͤnſche des Weiſeſten übertreffen würde, und
daß es numoͤglich iſt, etwas Beſſeres in Beziehung auf
das Ganze und in Belebung auf jeden Einzelnen zu
u machen —
Dieſes
90) Prineipia 5. Xxc-xcii. Atque ideo per-
sonas sapientes ac viriuosae perficere conantur,
quidquid voluntati divinae praesumtivae et ante-
cedenti conforme appdret, et hoc non obstante,
in iis acquieschat, quee per voluntatem divinam
„ ‚secrelam consequentem et decisivam acta contin-
guat, quonlam, aguosoynt,, quod si ordinem na-
“ „turde
'
D
I
Leibnitzens Phileſephie· 465
Dieſes Eoſlen der Donadolsgie vrrepte durch ſei⸗
me Einfachheit und Fruchtbarleit Bewunderung. - Es
sereinigte. die Anſichten der abweichendſten Phifofonhen
in fh, des Plato und des Ariſtoteles, des Gaffendi "
und des Cartefind , der Hylozoiſten und Atomiſten,
"amd ſelbſt mis dem Soſtem des Spinoza wird man
eine große Arhulichfeit nicht verleunen 9°), Aber auf
- ber andern Seite enthält es fo viel Eigenthümliches,
daß ‚man fon darum dem "großen Manne Unrecht
thun würde, wenn man ihn ‚wegen der Uebereinſtim⸗
mung oder Aehnlichkeit in dem Einyelnen, eines gelehr ·
ten Diebſtahls beſchuldigen wollte. Veſonders find «6
drei Gelehrte von ungleichem Charakter, Werth und
: Ruhm ‚.: deren Schriften man , vorzüglich . als die,
Quelle des Leibuitziſchen metaphyſiſchen Spftems hat
.. anfehen wollen, nämtic) Bruno, Spinoza und der Urze
Gliſſon. Aber Bruno behauptete. die Einheit der Welc
Bu — mit
turas satis intelligeremus, deprehensuri simus,
esdem [eundem] vota sapientissimi longe supe-
rare, het fieri posse ut meliora. reddantur. sive
. Ihtnitntolins- univorsi in Genese, -sive eliam re-
spectu: nostrum in specie. 5 on
91) Leidnig ſelbſt geſteht, daß fein Syſtem in vier
‚X den Punsten mit denen der altern und neuern Dens
\ ter juſammenſtimme. Ce systeme, fagt er Nonv.
Ess. p. 27, paoit allier ton avec Democrite,
Aristote "avec. Descartes, les Scholastiques avec
les modernes, la theologia eı la morale avec la
zaison, Hl semble qwil prend le meilleur de
tous rot&s ot que puis.apres il va plus loin qu'-
on n'est all encore, 11 y trouve une explica-
tion intelligible de Punion de Pame da !
corps, chose dont j'avois desesper& auparavant.
Noch ausführlicher erklärt er ſich darüber in den
' Eclaircissemens de l’union de l’ame et du corps
Recueũ T. Up 417. 418, .
156 Siebentes Hauptjt. Erſte Abth. Wierter fa. :
mit Gotk, und leugnete die Mehrheit der Gübffanzen,
die nur ein Schattenfeyn haben, Dagegen deibnitz eis "
ne unendliche Menge von endlichen Gubflangen aus
nahm. Hierdurch unterfeheldet fich ‚fein Soſtem auch
von dem Spinoziemus. Aus diefem ‘Grunde kanu Leibe '
ni, ungeachtet er Spinoza's Schriften finbivet und
ſich in deffen Syſtem einmäl- beinahe verloren hats _
te'92), in'dem Spinozismus, wie. überall, aur Aureiz
und Weranlaffung zum weiteren Denken gefunden ha⸗
ben, und wenn auch Einige feiner Ideen denen des
Spinoza ih nähern, fo find jene doch ſein Eigenthum,
die er fih) verwitteiſt jener Durch Ableitung aus ans
dern Grundfägen erworben, hat. Wen and)‘ etwas
Aehnliches von dev vorberbeflimmten Harmonie. in dem
Spinozlömus vorfommt, fe-if es doch nicht die Leibe
nitziſche vorherbeſtimmte Harmonte, indem: dort. nur bie
Modificationen der Ausdehnung und des’ Denkens des
einen unendlichen Weſens, ohne aus einander abgeleis
‚set zu fepn, doc) immer mit einander übereinftimmen,
fo daß jede Ausdehnung und Bewegung ihren Begriff,
"jeder Begriff feinen Körper hat, und indem diefe Ues
bereinftimmung aus der nothwendigen Natur Gottes
mit Nothwendigkeit, aber nicht‘ durch die Beſtimmung
eines weiſen Verſtandes, erfolgt. Leibuitz ſetzt eine
unendliche Zahl einfacher Subſtanzen, die von einan⸗
der unabhaͤngig find, und eine unendliche Weisheit
Gottes voraus, welche dieſe Subſtanzen ſo verbunden
hat, daB ihre Wirkungen fo zuſammenſtimmen, als
Köffen fie in einander ein. Es ift daher uur ein Miß⸗
verfland und 'einfeitige Anſicht eines Liefer Syſteme,
. wenn
\
..9) Now. Ess. p. 29. Vous savds que j’etois al
le un peu trop loin autrefois et que je com-
mehrois à pencher du cot& des Spinozistes, qui '
ne laissent qu’une puissance infinie à Dieu.
J —
Seibnigens Philefophie 167
wenn man. das eine in deim andern gegründet: ſeyn
Käßt. 9°); -Db Leibnitz die Schrift, des Arztes Giſ⸗
Ton von der wirkenden Natur der Gubflanz ?*) ges
Tannt habe, oder nicht, iſt uoch zweifelhaft; ich kenne
wenigftend keine Stelle feiner Schriften, worauf er
ich beziehe, - Aber wenn er fie auch-gelefen hat, fo
bat. er doch · aus derfelben fein Syſtem nicht fchöpfen
koͤnnen, weil es von-demjenigen, was Gliſſon als Hy⸗
lozoiſt /von dem Leben der Natur, d. 1. des Materiel-
Ten, und daß jede- materielle Subftanz ein Berfiels
Kung», Begehrungs⸗ und: Wewegvermögen beſitze,
ebenfalls wefſentlich verfchieben iſt. Denn nach Leibe
uitz exiſtiret Matetie uur in- der- Borftellung unſerer
verwirrenden · Sinne, und ed gibt überhaupt nur ein⸗
fache vorftellende Subfanzen. 5
Eeibuitz hatte einen Arie dieſes Soflems in ver⸗
dieie Journale einruͤcken, auch deuſelben mehreren
g83) Die Uebereinſtimmung des Spinggismus und des
itziſchen Opftems wurde von Joh. Joa. Lans
ge im: disquisitio novi pkilosophiae systematis,
, "de deo, ınando et homine et praesertim de har
- monia. praegtabilit, Halae 4723. befonhers in Ans
ſchung der vorherbeſtimmten Karmonie, um das.
mit die Wolfifche Philofophie mit einem Sqlage
gu Boden zu werfen, behauptet, aber von Wolf
in f. Oratio de differentia -nexus rerum sapien-
tis et fatalis necessitatis, Halae 1724. p. 65 seq.
treffend widerlegt, nachher aber. wieder von Mens -
deisfohn in feinen philojoph. Schriften 1. ©.
©. 199. nice aus Haß, fondern aus unrichtiger
Anfiht des Spinogiftiihen Syſtems, behauptet.
. 94) ..Pr. Glissöni tractatus de natura substantiae
energetica, .seu de vita naturae eiusque tribus
primis facultatibus, Bereeptivn, eppettiva « « mer.
üra, London, 1678. &
tn
- 358 Siebentes Hauptſt. Erfie Nbth. Wierter Abſchn.
Gelehrten mittheilen laſſen. Denn es war die Frucht
eines lange fortgeſetzten Nachdenkeno, es vereinigte als
les Wahre der. ſtreitenden Svſteme, mit: Entfernung
der einſeitigen unrichtigen Anſichten, und es enthielt
J Gründe zur Erklärung ber phyſiſchen und moraliſchen
Welt, ſelbſt der dunkelſten Seiten: derfeiben , vorzüge
lich der Grmeinfchaft der Seele und des Koͤrpers. Ye
“mehr alſo diefed Syſtem Werth in feinen Augen befaß,
deſto mehr. mußte ihm daran liegen, es auögebreitet,
‘geprüft, und, wenn es wahr befunden, anerfannt zu
-fehen.. Selbſt Einwürfe waren ihm willkommen, wenn
fie Wahrheitsliebe dictirt hatte. Er bekam auch wirk⸗
lich mehrere Bemerkungen darüber von dem Abt Forn⸗
cher, von Bayle und einigen Andern,. und beants
wortete fie mit philofophifcher Ruhe, indem er, was
er ſchon früher in den Btiefen an den Pater de Bofs
fe⸗ and an. Bourgmet gethan hatte, ſich bemuͤhte,
Diefe Lehre verftändlicher Zu machen und die Gegen
gründe und Bedenklichkeiten wegzuräumen. Beide. Dens
> Fer haben es nur mit der vorherbeftimmren Harmonie
zu thun; jedoch ‚geht Bayle tiefer und berührt auch
einige Schwierigkeiten, welche das ganze Syſtem ans
gehen... Er.fagt, das Leibnigifche Syſtem unterfcheide
ſich von dem Fartefignifchen nicht fowohl darin, daß
das letzte Lauter Wunder annehme, denn Gott handle
- auch in dem Spftem bes Occaſionalismus nach allge .
"meinen. Gefegen, als vielmehr darin, daß nach Leibnitz
iede Subftanz die wirkende Urſache ihrer Handlungen,
nach Eartefins mir Gott allein Agens ſey. Ylein eben -
dieſes ſey ſchwer zu begreifen, wie ein Geſchoͤpf von
Gott die Kraft zu wirken und etwaͤs anderes zu bewe⸗
gen erlangen Tonne. Die Schwierigkeit, wie in dem
allgemeinen Mechanismus ber Natur die Freiheit der
zernünftigen Weſen beftchen koͤnne, habe das Leibnitzi⸗
ſche Soſtem mit allen gemein, um, er glaube, daß das
Genie
=." geibnigens” Phitefophie. ° ::5g-
Wenie des Leibnitz, welches tief in die Natur. des: Gei⸗
ſterreichs eingedrungen ſey, dieſelbe wohl. noch am,
Leichteſten werde loͤſen Tonnen. Daß auch die Thier⸗
ſeelen, nad) Leibnig, denkende Subflauzen find, dadurch
fenen viele bedeutende. Schwierigkeiten entfernt, „welche
für die Eartefianer durch die Behauptungen, bie Thiere
eyen bloße Maſchinen, und für. die ariftotelifchen .
Schulphitofophen durch die Behauptung: die, Thiere
haben eine Seele, weiche aber ſterblich ift, In Verglek⸗
Hung mit dem Glauben an die Fortdauer der vers
nünfrigen Seele entſtehen. Aus dieſen Ruͤckſichten
würde er kein Bedenken tragen, dad Syſtem des Leib»
nig allen andern vorzuziehen, und ed ald eine der wich⸗
tigſten Eroberungen in dem Gebiete des Denkens auds
zeichnen, ‚wenn er nicht noch. fo viele innere Unmoͤg⸗ u
Ticjfeiten in dem Syfteme entdeckte, von denen er doch“
hoffe, daß fie das große Genie des Keibni heben: wers
de, Es fey unbegreiflich, daß Gott die Macht habe,
die Dinge fo einzurichten, daß jedes für ſich wirke, und
feine Wirkungen mit den Zuftänden der andern in bes
ſtaͤndiger Harmonie ſtehen. Auch fey es unbegreiflih,
wie die einfachen Subſtanzen im Stande ſeyen, dei
ürfpränglichen Plan der Gottheit auszuführen. Wenn '
die Seele von Vorſtellungen zu Vorftellungen in Ges
maͤßheit der Veränderungen ihred Körpers fortgehe, ſo
müffe fie doch jene Veränderungen wohrnehmen und
fie vorausfehen. Wir wiffen aber nichts won den Won
ſtellungen, die wir nur zumächft nach der Gegenwart.
haben werden. Weberhaupt aber ſey es nicht wohl zw
begreifen, wie in einer einfachen Gubftanz eine fü
große Anzahl vom Weränderungen gegründet ſeyn koͤn⸗
ne, und was dieſelbe beftimme, von einem Zuftande
in einen enden überqugehen, und nach welchem Ge.
m
a6o Sin en. Erfe At. Sirteätfge:
en Diefes gefche, wenn es nicht der Einfluß Äuterer
Reränderungen ſey 2’).
Leibuitz ſuchte in zwei Abhandlungen dieſe Ein⸗
würfe zu beantworten, und ſetzte durch weitere Ents
widelung feiner Ideen die Logifche Möglichkeit feines
Syſtemes in das Licht ꝰc). Er hat jedoch über den
einen Punct, den Bayle nur angedeutet hatte, ob
naͤnmlich In diefem Syſteme der Monadologie und vors
herbeſtimmten Harmonie noch Freiheit, der Vernunft⸗
fubjecte Statt finden könne, ſich gar nicht erftäret, und
erkennet es als .eine befondere Gunft, daß Bayle das
von abftrahirt habe 97); auf die reale. Möglichkeit
und Nochwendigkeit diefes Syſtems läßt er ſich auch
wicht ein, ſondern fegt nut die logiſche Möglichkeit
. mehr aus ‚einander. Daß einfache Subftanzen denkbar
find, daß fie, wenn ine von der andern anterſchieden
ſeyn folle, in dem Begriffe durch Praͤdicate unterfchies
den find, daß fie als einfache -Dinge ohne alle Theile,
‚die doch etwas Reales find, etwas Juneres haben müfs
fen, wodurch fie erwas find, das kann, infofern es
einen Wiverfpruch enthält, als feaifhe Waprpeit zuge
83. Bayle "Dietionnaire Roraius in der zweiten
lusgabe.
96). Lettre à l'auteur de Phistoire des ouvrages des
favans contenant on Eclaircissement des difticule
ies que Mr. Bayle a tronvees dans le sysıeme
nouveau de Punion’de l’ame et du rorps, unb.
‚ repligue de Mr. Leibnitz aux reflexıans contes-
nues ‚dans la sec. Edit. du BDicr. crit. de Mr,
Bayle, Article Rorarins sur le systöme de I'har-
monie prestablie — beide in Recueil de I diverses \
pics T. IL p. 405 u Ad \
IM) Russell p. A
Seibnigene‘ Beitfepie, abe.
den werden, Wlein.oB diefe Gedankendinge auch obs :,
jectine Realität haben, ob und inwiefern fie serkeundae -
find, das erhellet noch nicht zus derii Iogifchen Begriffe, ,
derſelben. Ob fernet das innere Weſen derſelben Vor⸗
ſtellkraft ſey jene Subſtanz eine, das Univerſum ſich
aus einem eudern Geſichtspuncte, dunket, far, oder
Beusti vorfteifende Kroft fen; t0b Gott alle. mögliche ’
einfache Subftangen wirklich. gemacht / und. nädy einem
arfprünglichen Schema der zufammenfiinmenden Ders
änderungen fo zuſammengeorduet habe; daß der ideale
Sufammen! bang ein realer ſcheint, und alle blos innere
Veränderungen zum Theil auch den Schein von außeren
annehmen / — wie und woher dieſes zu erkennen fey, --
diefes bedarf noch einer befondern Unterſuchung, die -,
Leibnitz nicht augeſtellt hat, weil er vorausſetzte, daß
die Erfenntnig aus. Begriffen die wahre Erkenntniß
ſey, und weil er fein Syſtem nur aus dem Geſichts—
Puncte einer Hypoͤtheſe „betrachtete, bei welcher die.
Dentbarkeit der Hauptpunet iſt. Außerdem macht.die .
Unterfheidung der Körper und ber vorftellenden Wer ,
fen, der innern ibeglen und der äußern ſinnlichen Welt
noch eigene Schwierigkeiten. Da es nur einfäche von .'
ftellende Wefen gibt, fo beſteht der Unterfchied nur in
der Qualität und dem. Grade des Vorſtellens, wodurch
kein realer, sondern nur ein idealer Unterſchied entſte⸗
ben kann; aber jener Unterfchieb iſt für die Wahrneh⸗
mung real, Es laͤßt ſich daher ans dent undeutlichen
Vorfielen das Aggregat einfacher Subflanzen und ihr
Seyn in‘ Raume nicht erflären, noch einſehen, wie
mus der undeutlichen Worfiellung einer Innern Veraͤnde⸗
tung, die im Vorftellen befieht, eine Veränderung wer⸗
ben koͤnne, die nicht mehr dad Vorſiellen anigeher, ſon⸗
dern Bewegung is Eben. fo unbegreiflich iR, wie eis
ne Mehrheit von. einfachen Subſtanzen ein. örganifcher .
Leib Für eine vorfiellende Monas werden koͤnne⸗ welche
Boanem. Geſch. d. Hit xi. Lin -& vo
162 Siebentes Haupi Erſte Asih, Wierter Abſchn.
den Geſichtspunet zur Vorſtellung des Univerſums ah⸗
gibt, und für! das Vorſtellen ducchaus nethwenbig iſt;
denn das Einfache: kann nicht -organifch- werden‘, und
die einfache Subſtang mußte, um eine andere Sub⸗
ſtanz oder-ein Aggregat von Subflangen: zum Stands !
puncte zu machen, bad Univerfün fich borzuftellen, aus .
ſich Herauögehen, und es ‚wahrnehmen, alfo Verändes
tungen, die von Außen’ Fommen "in ſich aufnehmen: *
Die. Vorfiellungen Yon Raum · unð Zeit - welche-in dies“
ſem Syſteme · Abſtracta von der" Ordnung der zugleich“
und nacheinanderfeyenden Dinge find, machen noch be⸗
fondere Schwierigkeiten, und bringen bie Mathematik,"
"welche, doch Leibuitz mit Recht als reine‘ Biffenfhaft -
betrachtete, in eine fehr zweideutige Lage. Wir wer
den weiter: unten darauf‘ zuruͤcklommen. .
Leibnitzens Syſtem beruhet auf Begriffen und
Schtäfen, welche innerhalb des‘ Gebiets des Verſtan⸗
des für das bfoße Denten Guͤltigkeit haben, und läßt :
aus diefen Begriffen diejenigen Beftimmungen, welche‘
als undeutliche, verwirrte Vorſtellungen In der Sim: '
lichkeit ihren Gruͤnd haben, fallen. Daß wir die Erz‘
fahrungsobjecte Hin’ Raume als ausgedehnt anfchau J
mit Theilen außer einander, wovon“ jeder wieder: auß !
Theilen befteht, ohne an eineh letzten, eififachen' Thell
zu kommen, das iſt nicht in "einem wefßentlichen Gef!
Ber Sinnticheit gegruͤndet, fondern nur in dem Unvers "
mögen deutlicher Vorftellungen , wöburd) die Vorſtel-
lungen: verwirri, d. i. mehrere Vorſtellungen ohne volk '
ſtaͤndige Unterfeheidung der einen Theilvorſtellung boi'*
‚der andern zuſammengefaßt werden.‘ “Das. Anterfcjels":
den und Vergleichen gehört nur dem Verſtaude an;
durch ihn find wir allein deutlicher Vorftellungen für “
. big, durch die Sinnlichkeit ·aber uudentlicher und tere‘, :
wirrter. Die Vorſtelungen des Sinnes und des Ber
’ ſiauder
IN
—— © Seibnigens Phaeſophi. "1268
andes anterſcheiden fich nicht durch; eine urlpruͤngliche
Berſchiedenheit, welche in ber geſetzmaͤßigen Form beis
der Vermögen gegründet iſt /ſondern durch die Quaik
taͤt des Bewußtſeyns, oder durch die Grade der Kläre
. heit und Deuttichkeit, Durch den Verftand fehen wie
alſo das Wahre, und erdenneh die Objecte, wie, fie an
ſich find, wenn wir die Verwirrung durch’ den Verſtand
aufheben, in⸗ welche der Sinn fie geſetzt hatte, Alles
was iſt, iſt daher einfach, unterſcheidet ſich durch ine
nere Merkmale von jedem ändern „ und befteht. in’ ela
ner Vorſtellkraft, als dem einzigen Janern, was wir
kennen. Hierauf beruher Leibnitzens Monadologie, · wo⸗
durch er die Objecte unſerer Sinnenwelt‘ intelecteui
Me und zu Nounienen made: . \
u · der Monadologte ſteht Die. herdiere des.
Lelbnitz in dem engften Zuſammenhange. Gr hatte
naͤmlich· in jener ein Syſtem der Welt und aller reas
len Dinge, wie fie durch Gottes Worherbefiinimung
. verbunden find, in Beziehung darauf ein Naturreich,
mb, in Beziehung der deutlichen Vorſtellung der Welt
. and ihres Verhärtniffes zu Gott, ein Reich der Gnade,
ein Sittenreich ausmachen, entworfen, und die abſo⸗
"Inte Harmonie, als das oberfte Geſetz, nach weichent
Godtt urſpruͤnglich alle Wefen des Wuiverfums verbün⸗
"den und ihre Entwicklung angeordnet hat, aufgefteilt,
Das Reſultat if vie beite Wert, welde unter allen
. möglichen‘ Welten die arößrmögliche Realität, Einheit
und Zuſammenſtimmung -ded Mannigfaltigen enthält,
Mit dieſer Idee der 'vollkommenjten „Welt und ‘ver
vollkommenſten Ordnung fiheint dad Dareyn des nian⸗
nigfaltigen Webeld in der Welt, Zerförung, Schmerz;
Suͤnde, Strafe, zu ſtreiten. Ganz natürlich mußte:
, Leibnitz auf das Phofiiche und moraliſche Boͤſe in der
‚Ben, als eine Abweithung· von der · Vollkomunenpeit,
"RR als
Ns
186 Cine Hau. „Enite abth. Wiener fen.
wis ‚eine Einf räntung- derfelben, und daher im Wider⸗
ſpruch mit derſelben ſtehend, feine ganze Aufmerkſam⸗
keit richten; denn entweder mußte jenes Syſtem der
Melt aufgegeben, oder damit das Boͤſe fo in Einftims .
‚ mung. gebracht werden, daß ed in dem Ziſammenhau⸗
“ge der deſten Welt ſelbſt mit begriffen war. - Dazu
tam aber nody_ die Senſation, welche Bayle's Woͤrter⸗
buch erregte, indem dieſer ſchatfſiunige Denker darauf
ausging, die Phifofophie und Theologie, ja felbft die -
Vernunft mir ſich felbft durch ‚wicht zu vereinigende
Gegenfäge zu entzweien, und beſonders bie Unmögliche
keit, das Boͤſe mit. der Idee eines weifen, gerechten
und gütigen Gottes zu vereinigen, in bad hellfte Licht
zu fegen. Leibnitz ſchatzte Baylens ſcharfſiunigen, zum
Zweifel geneigten, Schwierigkeiten vorzüglich gern aufs
deckenden Geiſt, und. las feine Schriften mit großem
Byterefle, ungeachtet fie .im ihren Aufichten weit genng
. von; einander entfernt waren. Eine Fuͤrſtin non ‚gebils
detem Geifte, die gern ait phitofophifchen Verhandlune
gm Antheil nahm, die Königin von Preußen, Sophia
. Charlotte, hatte’ feit dem Aufange des achtzehnten
ahrhunderts Leibnitzen Gedanken über mehrere Artikel
des Bayfifchen Wörterbuche, welche den Triumph des
Glaubens über die Vernunft feierten, mitgetheilt, un.
foderte ihn Auf, feine Gedanken und Urtheile darüber
aufzufegen. Dem Philofophen konnte diefe Auffodes
tung. nicht- anderd, als willlommen feyn, da er vom -
feiner Jugend an mit großem Jutereſſe über hiefe Yes
genftände nachgedacht, eine Menge von Schriften ges
leſen hatte, dieſe Unterfachungen für höchf wichtig "
hielt, und außerdem fchon in einen Streit über die
"» vorherbeftimmte Harmonie. mit Bayle gerathen wär.
Er wollte alle dieje Zweifel, welde Bayle und an⸗
dete Denker aufgeworfen hatten, ja einem großen Werke
5 Mann, welches ‚eine amſaſſende Erlenutuiß von
Fu . Gott
"Leibnigend Ponelehi. abs
Gott dathalter follte 2). Aber die Zerſtreuungen, unter
welchen er dieſes Werk, meiſtentheils zu Berlin, ausarbei⸗
tete, und der Tod der Königin (1705), der ihn tief erſchuͤt⸗
tert ‚hatte, wahrſcheinlich auch der Reichthum feiner
Belchrfamteit und ‚der Umfang felnes Geiſtes, ver eine
ungeheure Maſſe von eignen und fremden Ideen in ih⸗
en mannigfaltigen Beziehungen umfaßte, und an Als -
les fruchtbare‘ Betrachtungen anknüpfte, waren wohl
die Urfachen, daß er dieſe Unterfuchungen auf ein eis.
neres Feld deſchraͤnkte, mund nur über dad Wöfe, üben
Sreiheit und Rothwendigkeit in Beziehung auf den goͤttil⸗
chen Weltzwei® eine die Vernunft befriedigende Ueber⸗
zeugung zu geben fuchte. Nach einigen Unterbrechungen
x erfihlen das. Werk unter dem Titel der Theodicee ite
. 8. 1720 in franzöfifcper Sprache weil er ‚nicht allein:
. für die Wiſſenſchaft, fondern auch für die Erbauung
geichrieben harte, und daher, nach dem Wunfche der
Königin, diefes Werk in- eine größere Lefewelr einfühs
ten wollte,. als es in der lateiniſchen oder deutſchen
„Sprache würde gehabt haben 22). .
Die‘ Widerlegung der Bayliſchen Zveifet gegen:
die Weisheit. Gerechtigkeit und Güte Gottes aub dem
phyfiſchen und moraliſchen Böfen in ver Welt, war
der Hauptzweck. aber Bayle einen Widerſpruch
theologiſcher und philoſophiſcher Wahrheiten behaupte⸗
te, und Leibnitz überhaupt die verſchiedenen theologiſch =
dogmatiſchen Syſteme und die daraus entſtandenen
Streitigkeiten wohl inne hatte, fo nahm er nicht bios
auf die philofophifchen, fondern auch auf die theologis
ſchen Zweifel und Streitigkeiten Ruͤcſicht, und ſuchte
übers“
Theodicde Preface (Amsterdam 195% AXIKu
9 IL. RAR UL. >
so) Preface 'p. XXX et XXXIV. “
J 166 Siebentes Hauptſ Erfte eibth. Wierter abſchn.
überhaupt den vorgeblichen Widerſtreit zwifchen beidein·
durch Darftellung. der Uebereinſtimmung der Offenda⸗
rung und Vernunft, der Theologie und Philoſophie zus
heben. Er, gehet dabei von philoſophiſchen Priucipien
aus, welche durch feine Monadologie gegeben warenz
ſubſumirt unter diefelbe die Welt, wie fie durch Erfahrung
und bedannt wird, ſowohl als die Welt, wie fiein der theos
logiſchen Dogmatik vorgeftellt. wird, und zieht daraus
‚ben Schluß, daß diefe Welt, weil ſie wirklich ift, mit
alter Sünde, Schuld und dei darans entfpringenden
Uebein,, doch als die son Gott gewaͤhtte, ‘unter als.
len möglichen vie befte ift. Das, Werk beftcht aus eis
mer einleitenden Abhandlung über die Uebereinſtim⸗
. mung des Glaubens und der Vernunft, det Tpeodicek
fbelbſt in dreien Theilen, und. noch einigen Anhängen. *
In der erfien Abhandlung gehet Beibnig von dem
Gedanken aus, daß Fein Widerſtreit zwiſchen der Ver»
nunft "und Offenbarung feyn koͤnne, weit es ein Wi⸗
derſpruch ſey, daß die Vernunft zwei Saͤtze fuͤr wahr
Yalten folle, die einander, wiberfprechen, und es alfo
ihr dıpel. widerftreitende Wahrheiten, eine theologifche
. und eine. philofophifche, geben koͤnne, wenn beide apo⸗
dilktiſch gewiß find. ‚Einige Wahrheiten find naͤmiich
vyon der Art, daß ihr Gegentheit unmöglich. ift, Mit
dieſen kann kelne Wahrheit der Offenbarung ſtreiten;
nie koͤnnte im Widerſpruch mit dem, was nothwendig
iſt, nicht einmal geglaubt werden, Bei dieſen findet .
auch keine Furcht einer Widerlegung oder eines uicht
J zu widerlegenden Einwurfs Statt. Andere Wahrheis”
ten, die nicht fo an ſich ſelbſt nothwendig find, ſon⸗
dern auf einem phyfifchen oder moralifchen Grunde bes
tahen, haben Micht diefe ſtrenge Noihwendigleit weil
der Grund, warum fie wahr find, durch ein Wunder
von Gott aufgehoben. werden kann. Man Tann .fie
poſie
\
\
Leihuihens Phielphi · 6
poſitive Wahrheiten, im. Gegepfag.der ewigen , |
Vernunftwahrheiten uenden, weil ſie die Gefege
‚enthalten, welche Gott der Natur verzufchreiben ‚bez
liebte, und beruhen aiſo auf einem:Princip ‚ver Wahl der.
Ziweckmaͤßigkeit (Pringipium convemjentiae). Die phyſi⸗
ſche Nothwendigkeit, welche fie .enshalten, und "woraus
. :die Naturordnung entſpringt, fegt einen moraliſchen
Grund der Wahl in Gott woraus, der jedoch Feine
ſtrenge geometriſche Noshwendigfeit bei ſich führe.
Denn obgleiy-Gott nie ohne Grund, und ohne Iwed
etwas, thut;. fo koͤnnen doch die allgemeinen Regeln
des Guten und der Ordnung "zuweilen. Faͤrkern Gruͤn⸗
den einer hoͤhern Hrdnung weichen muͤſſen, und zu ei⸗
em hoͤhern Zweck · durch ein Wander. aufgehoben. wer
den. Bei biefenfindet daher eine Eusgegenfegung Statt, “
ohne daß ein Widerſpruch erfolgt,,: md: die Vernunft
kanu gar wohl eine Glaubenswahrheit annehmen, wel⸗
che jenen zufäligen Wahrheiten entgegen iſt 1200)..
B J Ra
200) ‚Discoyrs de la conforgitl. 5. 2, Alnsi.on
peut dire, qne la mecessit# physique est fondee
sur la necessitö morale; c’est,& dire sur le choix
"du sage," digne de sa sagesse et que Putie aus-
. fen que Fautie döft &tre distinguse de. la
‚ mecessitE geometrigue. Cette necessite physique ;
est ce qui fait l’ordre de la nature et consiste
dans les regles du monvement et..dans quelques
autres loix generales, -qu’il' a. plu ä Dieu de.donner
aux choses en leur donnant l’ätre. Il est donc
“ wrai, que ce. n'est pas'sans raison que Dieu les
a donnees, car ilins choisit. rien par capriee et '
comme au’ sort ou par une indifference toute
pure; mais les raisons Benerales du bien et de.
Tordre qui I’y ont porte,' peuvent £tre vaincues
dans quelque‘.cas par. ‘des raisons ‚plus grandes
d’ım ’ordre supörieur. -Celä fait. voir.que Dieu
“ peut .dispenser les cretures. dea. loix, ga'il leur
. - . a
i68 Siesent Sant Ste Abth · wiener son. u
Man mug übrigens in dieſer Sache das € vlde
‚sen, Begreifen,. Beweifen und Vertheid i⸗
gen wohl unterfdeiden. Die geoffenbarte Religionslehe
re enthält Geheimniffe, welche nicht begriffen, auch
nicht bewiefen werden koͤnnen; ‚fie find nur Sache des
Glaubens. Aber einer Erflärung zum Verſtehen ſind
fie fähig, inſoweit dieſes zum Glauben erfoderlich iſt.
So erklären wir auch gewiſſe phyſiſche Eigeuſchafton
ber Dinge bis auf einen gewiſſen Punect, ohne ſie bez
> greifen zu koͤnnen. Aus bloßer Vernunft Finnen bie
Geheimniſſe nicht: bewieſen werden, ſonſt wären fie auch
becgreiflich. Aber eine Vertheidigung der Glaubenslez⸗
"ren gegen Einwuͤrfe muß möglich ſeyn, ſonſt koͤnnten
ſie auch nicht geglaubt werden. Deun dasjenige, was
durch tüchtige Gruͤnde, welche eine Demonftration zu⸗
laffen, widerlegt welden laun, das muß nothwendig
falſch feon, und bei einer Gfnubendwahrheit Könner
dben · Gründen ed Glaubens die Gründe für dad Bes
gentheil nicht gleich oder gar überlegen . feyn, den
fonft würden die Finwürfe Evidenz haben, und das
Glauben würde durch die Gewißheit bed Segentheils
. verdrängt, Rach diefen Grunpfägen laſſen fih alle
Schwierigkeiten in dem Gegenfage des Glaubens und den
Vernunft. ohne Mühe heben ***), Leibnig gibt dann
“ “ “ Bus: J eine
a pröscriteg,. Se ce que leur nature
ne‘porta pas en fhisant un mirach. —
oi) Aicours 5. 5. Les mystires ; se peuvent exe
pliquor autant. qu’l faut pour les croire, mais
“ An ne leg sauroit comprendrs, ni faire entendre
romwent ils arriventz c'est-ainei que meme en
Physiqye nous expliquons jusgwä un certain
poiat plusieyes qualites sensibles, mais d’une _-
“* anitre idıparfäite; car naus ne les comprenong
pr N ne nous est pe possible non Alle de
prau-
Leibnitens Philofophle: . " 169
eine, Intereffante hiſtoriſche Ueberſicht ber. verſchiedenen
WUnfichten und Streitigkeiten über diefen Gegeuſtand,
sand fügt die Beurtheilung nach jenen Grundfägen hin⸗
zu. In eine weitere Erörterung des Begriffs von Of⸗
fenbarung ließ er fc) nicht ein, ſondern blieb, als Lus
theraner, den Ueberzeugungen dieſer Confeſſion in dene
Befentlichen treu, wiewohl er fih in einigen Nebene
‚puncren einige Abweichungen erlaubte, ja feine Ueber⸗
geugung wurde durch die Betrachtung. der Streitigkels
ten mit andern Religionsparteien noch mehr befeftiget, >
Diefe Unterfuchung ift übrigen® zwar nur ‘ein noch uns
. vollfommner Verſuch, aber auch ſchon in diefer Rüde
ficht war es ein Verdienſt des feibnig, dieſen, ſchon
- Öfters zur Sprache gebrachten, Punet nach philoſophi⸗
ſchen, jedoch noch nicht zureichenden, Principlen zu er⸗
oͤrtern, und die Rechte der Vernunft zu ſichern.
In der Abhandlung über das Boͤſe ſelbſt gehe
keibnitz immer den entgegengefepten Weg des
te. Dieſer gehet von der Belt, wie fie ifk, in weis.
Mer ſich Voͤſes und Uebles Yirflich finder, aus, -
s Be
prouver les mystöres par la ralsons car tont cequi
g peut prouver & pripri ou Pagla raison pure, se
' peut comprendre. Tout ee qui.nous resta done,
Aprds avoir ajoute foi aux mysteres sur les preu-
. res de la veritö de la scligion (ywon appelle
. motifs de eredibilit#) c'est de les pouvoir sow«
tseir contre les objections; sans quoi nous ne
serions point fondfa a les croire; tout ge qui
peut- £ire, refutö d’une maniere solide et de=
monstrative ne pouvant manquer d’ätre faux;
et les preuves de la.verit6, de la religion, qui -
ne peuvent donner qu’uns certitade: morde,
serolent balancdes et meme surmanteda par des .
“ . ehjgetions qui donneroient une certitude aba
ine, si elles etnient cogvaincanteg. gt iog · q · fait
demondtrativeg, *
70 Siebentes Hauptſt. Erf Abth. Vierter Abſchn.
und leitet daraus einen Widerſpruch mit, ber Idee
von Gott, als weiſem und guͤtigen Welturheber, ab:
‚bie Welt kann nicht von Gott herkommin, weil fie. nu⸗
vollkommen iſt. Diefer Gedanke dringt ſich noch un⸗
widerſtehlicher auf, wenn man mit der Welt die thev⸗
logiſchen Anſichten von dem Fall des Menſchen, vom
der Erbſuͤnde, wodurch der Menſch zu allem Guten
untuͤchtig wird, von ver göttlichen Gnade, bie alles
Gute wirken muß, von dem Rathſchluſſe Gottes und
von bem geringen Verhältniß der Seligen zu den Vers
dammten verbindet. Die Vernunft. geräth dadurch To=
wohl, als. ducch die Annahme, daß Gott bie freien
> Handlungen mit Gewißhelt voraudgefehen und darnach
‚ feine Rathſchlüſſe genommen habe, in. die größten
Schwierigkeiten, yon welchen fie ſich nicht anders [06a
winden Tann,’ ald wenn-fie. fich dem Syſteme det Ma=
nichäer, ‚von einem guten und einem böfen Principe,
“in die Arme wirft. Diefes tft zwar an fich hoͤchſt un=
"gereimt; aber die Vernunft hat Feinen andern Aus=
"weg. Die Schwierigfeiten verdoppeln fich noch, wenn
‚angenommen wird, daß Gott die freien Handluiigen
voieusß⸗ ſiehet.
eibnitz dagegen gehe! von n dem Begrif der Gott⸗
heit, als des vollkommenſten Weſens, von welchen
nichts, als das Vollkommenſte unter allem Moͤglichen
herruhren konne, aus, ſchließt, weil die Welt, die wirk—
lich worden. iſt, auch, Unvollkommenheiten in dem Phy—
ſiſchen und Moraliſchen enthalt, daß fie uuter allen
möglichen die. befte fey, indem fonft Gort nicht biefe,
fondern die beffere gewählt haben würde ; und indem
er unter'.den Begriff der beſten Welt die und gegebene
ſubſumirt,· fucht er die einzelnen Einwürfe des Bayle
durch nähere Beleuchtung · des metaphyſiſchen, moraliz
Yfcheh aud J ſchen sten zu beantworten, und zu
zelgen,
Segen, daß es thens iunzertrenulich von dem Wefen -
Der: “endlichen Geſchoͤpfe iſt, theils die Ausſchließaug
deſſelben weit mehr Unvollkommenheit zur. Folge würde:
gehabt haben, j on
"a7e
Sort ift der erfte Grund der Dinge; deim alle
befchräntte Dinge, "vergleichen die Obiecte der Erfah⸗
rung ſind, ſind zufällig, und haben nichts in fi ch, was
ihre Eriftenz nothwendig machen Fönnte, denn. Zeit,
Raum, Materie find in ſich durchgängig gteih, indif⸗
ferent, und empfängtich anderer Bewegungen, Geftalz
ten in einer andern Ordnung, Es muß alſo einen
Grund von der Exiſtenz der Welt, welche‘ der voͤll⸗
ſtaͤndige Inbegriff der zufälligen. Dinge ifi, geben, und
kann nur in der Subftanz gefunden werden, welche .
den: Grund ihrer Exiſtenz in fich ſelbſt hat und .folgs
lich nothwendig und ewig iſt. Diefe Urſache muß ein -
vorſtellendes Weſen ſeyn; denn da die wirkliche Welt
zufällig iſt, und. unendlich viele andere eben fo möge
lich, und gleichfam Candidaten der. Exiſtenz find, als
ie wirklich gewordene: fo muß die Urſache der Welt,
in Hinſicht auf alte moͤgliche Welten, eine beſtiumt
haben. Dieſe Hinſicht einer exiſtirenden Subſtanz auf
blos mögtiche Subftangen „Taun, aber, nichts anderes
feyn, als ein Verſiand, der, die Ideen .derfeihen ums
faßt, und die Beftinmmg einer aus denſelben kann
nur in einem Wet der Wahl beitehen, weldjen die Macht
wirkſam macht. Die Macht ‚gebt. auf das Seyn, die
Weisheit, oder der Verfland, auf, dad Wahre; der
Wille ‘auf das Gute. Diefe vorftellende Urſache muß
abſolut unendlich und volllommen. von Seiten der
Macht, der Weisheir umd- der Güse ſeyn, da fie auf
alles Mögliche hinſtrebt. Da alles verkunipft it, fo
iſt um. eine.folde Urfache arzunehmen. Verſtand
oe er der⸗
070 Ciebentes Haspik! Sehe ih. Vieiter hfpn.
derſelden if die Reihe des Welens; ihr Mile iſt bie
Duehe der ·Eriſtenz der Dinge ex Rn ,
ET Diefe
. 202) Titedicd, 1. P. j. 7. Dien est la premiere
raison des. choses; car celles qui sont bornden
comme. tout ce que nous voyons et experimen-
«ons, sont conüingentes, et n’ont rien en elles
qui rende, leur existence necesaire; etant mani-
feste, que le tems, l’espace et la matiere, tnies
et uniformes an elles-mämes et indifferentes &
tont, pouvoient recevoir de tout autres monve-
” mens. et Si et dans un autre ordre. Il faut
donc chercher la raison de Texistence du mon:
de qui est lassemblage entier des choses con-.
wingentes: et il faut la chercher dans la substau-
« ports la raisen de. som existence avec. elle,
et elle par consequent est necessaire et eter-
nelle. Il fant aussi que cette cause soit intelli-
“ gente: carce monde qui existe elant contingent, et
une infinite d’autresmondes etant &galement possi-
bes et galement pretendans à Lexistence, pour.ain-
si dire, ausel bien que lei, il feut que la cause du
monde ait en egard au relation & tous ces mon-
des possibles pour deterniner un. Et cet egard
ou rapport d’une substance existante’ä de sim-
ples possibilit#s me peut dtre 'autre choso que T
qui en & les iddas; ef en determi»
‚Ber une, ne peut #tre autre chose que l’acte de
la volontd qui choisiu Et c'est Ia puissance dd
cette substance qui en rend la volonte eflicace.
‘La puissance va & V’fire, la sagesse on l'enten-
dement au vursi, et la volontd au dien. Et cette
eanse intelligente doit ötre infinie de toutes les
manigres et absolument parfaite en püissance,
en, sagesso et en hontd, ‚puisqwielle va & tout co
qui est possible, Et comme tout &st lie, il n’y
4 pas lieu d’admettre plus d’une. Son entende-
ment est la source ‚des: essences, et sa volouts
est-Vorigine des existencen.
n N
Leibnidens Philoſophie. 17%
; Diefe höchfte. Weitbeit in Verbindung mit. ber is
endlichen Suͤte, konnte ‚nicht andetes, ald das Veſte
wählen; denn fo wir ein kleineres Uebel gewiſſermaßen
ein Gut, fo if ein. ‚Heineres But, wenn es ein größe
res hindert, eine Art von Wölen Haͤtte Bart etwas.
Beſſeres machen koͤnnen, fo, wäre etwas in feinem
Handlungen zu verheſſern. „Wenn unter. allen moͤgll⸗
chen Welten Feine die beſte geweſen wäre, To bitte bie
vollfommme Weisheit, :weiche eben fo geregelt ift, als
die mathematiſchen Wiſſenſchaften, .. gar keine ſchaffen
koͤunen. Die Welt iſt die ganze Reihe der exiſtiren⸗
den Dinge. Wenn. man -aud).fagen wollte, ed hätten
mehrere Welten. zu verſchiedenen Zeiten in verfhiedes
Drten exiſtiren koͤunen; forwürben dieſe mehreren doch
in Eine, Welt, oder. in ein Univerfam,. zufammenzus
faſſen feyn. Würden auch alle.Zeiten „und: Derter ers ,
füllt; fo bleibt es doch wahr, daß fie auf unendlich
verſchiedene Weiſen erfüllt werben konnten, daB folge
lch unendliche Welten möglich) find, aus welchen Gott,
der nur mach ber Vorſchrift der hoͤchſten Vernunft‘
- handeln Taun, die befie wählen mußte 20°),
\ ° Dan
203) Theodiche, ı..P. $. 8. Or cette supr&me aa -
‚€ jainte & une ‚bont6 qui n’est pas mnins im.
Ente quelle n’a pa manquer de choisir le meil-
leur. Car comme un moindre mal est une
espece de bien, de m&me un moindre bien est
une espice de mal, s'ıl fait obstacle & ün bien
plus grand; et il y auroit quelque chose & cor-
iger dans les’ actions de: Dieu, Fil y avoit mo»
yen de mieux faire, Et gomme dans. les M«
tbematiques, quand il n’y a point de maximum
ai de minitnum, rien enfha de distingud, tout se
- Sait 6gelement; ou quand cela ne se peut, il ne
se fait rien, du tont;.on peut dire de möme en
‚ äatidre de parfuite sagesse, qui mjesi pas moin
\
x in Siesentes Dany: CH ah. Bieter dbſcho.
Malt Töimte dagegen: elawenden, daß eine Welt
oh ne Sünden: un d Lelden deid- wärde'deffer
“ ‚gewefen fedn. Auein dieſes muß man-verneinen.
„Demi: in jeber mboͤglichen Wert ſtud alle Dinge vers
"Intipft,'-und He machen: ein ſtetiges Ganze aus: ¶ Die
‚ Hleinfte Bervegitig verbreitet ihre Wirkung in-die größte
wen fie greiih nah Maßgabe der Entfernung
"5 nmerflicher wird.” Gottehat Alies, auch das Seber,
die guten ind boͤfen· Hatıblungen' vorausgeſehen und
voranbgeordnet¶ da; aeg md: jedes vor feiner Wirk
ſamkeit ideatiter · Etwas zu dem’'göttlichen Rarkfehluß,;
‚das Gattze wirklich zu‘: machen, beigetragen: hat. Es
“Yan, daher in 'bent Univerfum fo wenig, als in einer
Zahl, unbeſchadet ſeines Weſens, oder feiner’ numeri⸗
ſthen Indiv dualit at nicht das Geringſte anders ſeyn,
und wenn in demſelben · das geringſte Uebel, das ſich
elrmat eteignet/ fehlte, fo-würde es nicht mehr Dies
felbe Weit ſeyn;, ‚wel in Gott ‚nachdein er alles
kralichen und ausgegliẽ als die befte gewaͤhlt wor⸗
den iſt. Man kann fi) zwar moͤgliche Welten vhne
Suͤuden und Leiden, wie ein Uropien, vorſtellen; acein
"fie würden, in Ruͤckſicht auf Vollkommenheit, der uns
* frigen weit nachftehen., Im Einzelnen kann man das
freitich.-nicht- ordennenz "denn wer koͤnnte das Unrndli⸗
che deutlich fich ;worftellen; allein man muß · es aus der
‚Wirkung ſchlleßen, weil‘&ort keine andere Wett; als
af, & allen andern vorhezoen ia a0
„Der “
reglde que‘ Ies Mathömssiques, que sn wy avoit
pas le:meilleur (optimum) ı ‚parmi 'teus lea. mion-
des Possibles, Dieu n’en wurgit produit: aucun,
104) Theodickt, 1. P. 6. 9: De: sorte que fieh ne
peut &tre change dans .l!anivers_ (non! plus que
. dans un:nembre) -sauf son: essence,. ou'si-vous
er vroun.
Aus „Leibnigenis Philoſophie. 175:
>," Der ögentfiche Grund des Boͤſen iſt in der idea⸗
len Natur der Gefchöpfe zu ſuchen, inſofern fie unter)
den ewigen Wahrheiten, weiche "oen‘ dem göttlichen
Willen unabhängig ſtud, begriffen iſt. In dem · Gea
Fchöpfettiegt urſprungiich · eine AUnvollt on müenheit „do
aller Sünde; "denn das Sefchöpf -ift weſentlich Bes”
ſchraͤnkt, foiglich kanu es nicht alles wiffen, kann trat |
ren und fehlen. Die wefentliche Natur’ der Dinge iſt
das Object des göttlichen Verſtandes, die- Quelle der
eigen und nothwendigen Wahrheiten, die urſpruͤngli⸗
che Form des Guten ſewohl als der Urfprung d ds‘
. Böfen 705),
voules; sauf son individualit& mumerique.: Ain⸗
-, 5) si le moindre mal qui.arrive datıs le monde,
“ y mangquoit, ce ne eeroit plüs ce.mpnde, qui;
tout conipie, tout.rabbastu, a,et£ troux⸗ le meil-,
leur par le Createur quiil a choisi.. ” $., 10. =
est vrai qu’on peut s’imaginer des ınondes pos-*
'sibles, sans’ pecho et ‘sans malheur, et vn en
‚pourroit faire comme des homana des Utopies,
des Severamber;" mais: ces memes mondes se- :
zoient d’ailleurs fort inferieurs..en bien au nd,
tre: Je.ne saurois vous le. faire voix- "en. detail?“
car puis-je conueitrg et puis-je vous reprösen- >
ter des infinis‘ et les ‚comparer ensemble? Mais 3 .
" vous le dev&d jüger avec moi‘ ab effectw, pul-!
‘que Dieu a höistteo monde tel zu si. “ .
185) Theodicde, 1. P. $. 20. Nous: qui derivons
- "tout ötre de‘ Dieu, ou tronyerons -nous 1a song"!
: "ee du mal? La reponse est, qu’elle doit &tre‘'
cherchée dans la nature ideale de la. creature
autant que cette nature est renfermee dans Tes
+» verites -eternelles-.gui ‘sont „dans l'entendement
‚. de Dieu,.independamment de sa volonte. Car il
faut considerer qu’il y a ung imperfection ori.
einale ‘dans la eature avant le peche, ‚ Parcequs
..
276 Siebentes Hauptfi, Eriteüptg. Winter iefän.
Das uebel kaun in einem metaphyſiſchen, phofle
ſchen und moraliſchen Sinne genommen. werben. ‚Das
metaphyſiſche Uebel beſteht im bloßer unvolltom ·
menheit, das phyfifche in Leiden, das motaliſch
"in der Suͤnde. Das phyfiſche und moraliſche Ueb
‚find zwar. nicht nothwendig; es iſt aber ſchou Hinreie
dend, daß fie, vermoͤge der ewigen Wahrheiten, not»
wendig find. Denn jenes unermeßliche Selb der Wahre
heiten umfaßt alle Möglichkeiten; ed müffen folglich
anendliche Welten möglich fen. Ein Ingredienz von
den meiften muß bad Uebel feyn, ja es kann aus der
beften nicht ausgeſchloſſen feyn: denn Bott kann kei⸗
nem Gefchöpf alle Vollkommenheiten fchenten, ohne e8
ſelbſt zu Gott zu machen, Da in dem Begriff jedes
Dinges, infofern es nicht Gott ift, eine Eiuſchraͤnkung,
- weicye: gleich iſt einer Negation, lieget, ſo hat jedes
Geſchoͤpf eine beſchraͤnkte Receptivitaͤt für die Realitä=
ten. - E86 müßten folglich verfchiedene Grade der Bolle
tommenheiten in deit Dingen ſeyn, und alle mans
nigfaltige Einſchraͤnkuugen. Gott iſt daher: nur Urs
face von dem Materialen des Böfen, welches in dem
Yoftiven (Realen), aber nicht von dem Formalen,
welches in ber Beraubung beſteht. Das Boͤſe, weil
"66 in einem Mangel und in einer Werneinung gegtüns
ver iſt, hat Feine wirkende Utſache, aber wohl das
Gute. Obgleich die Gefchöpfe in ihrem Seyn und
Wirken von Gott abhängen, und ihre Erhaltung eine .
ununterbrochene Schöpfung iſt; fo folgt Doch aus dies
fer göttlicgen Mitwirkung (comenrsus), ‚wenn fie auch
nicht blos allgemein und mittelbar, fondern auch ſpe⸗
5 Zu 7 7
la cresture est Hmitde egsentiellemeiit, d’oü vient
qu'elle.ne sauroit tout’ savoir, et quelle so peut
[ romper et faire dauire: fantes .
5
chuchens Phibeſephie · : 3177
riell und mminitteldar-ift, nicht, daß Bott Urheber des
Boͤſen, welches keine Urſache hat, iſt; denn jene Mit⸗
wirkung geht. nur auf dad Reale und Poſitive der Ge⸗
ſchoͤpfe, und fie hebt nicht. die Thaͤtigkeit der Geſchoͤ—
. pfe felbit, wie Bayle und, Andere meinen, 'auf, noch
ftreitet fen mit ‚der Freiheit der vernünftigen Bas
fen J—
© Die Freihein beftehet, wie fchon Ariſtoteles bes
merkt hat, in der Spontaneität undin dem Waͤh⸗
Ten, pder in der Zufälligkeit, welche abfolute Noth—
wendigkeit und Zwang ausſchließt und in der Beſtim⸗
: mung des Handelnden durch eignes Urtheilh Es fihs -
det dabei Feine Judifferenz des Gleichgewichts Statt; 1
der mit Freiheit Handelnde hat immer Gründe, nach
welchen er ſich zu diefer oder jener. Handlung, oder
zum Gegentheil eutſchließt. Aber diefe Gründe enthals
ten Keine, Nöthigung „ſondern machen zur Handlung
geneigt, Jede künftige fee Handlung iſt gewiß und
bat
106) Theodice, 1. P..$. 30—33. Et lorsqu'on
dit que la creature de lepend de Dieu en tant qu’
elle est, et en tant quelle.ägit, et nı&me qne la
conservation est une eteation töntinuelle? "c'est
que Dieu donne tofljours à la cnesture, et pro ,
duit continuellement,. ce quil‘y a en elle de
positif, de ban et.de parfait; tout don parfeit
venant. du pere, des lumieres au lieu que les
imperfections et les defauts des operationg ‚vien- -
nent de la limitation originale que la creature
ma”'pü manquer de 'recevoir avec le premier
„commencernent de son £tre par les raisons idea-
les qui la bornent. Car Dieu ne pouvoit pas
ui‘ donner tout, sans en faire un Dieuz’il fal-
loit done qu'il y eüt des’ differens degr&s dans
la perfestion des choses, et quil y. edit aussi
- des limitatioris de toute sorte.
Kennen. Gefh.d. Philoſ. X ch. m
"178 Ciehentes Hauptſt. Erle Mh: Bieter Abjhn:,
x hat ihre Wahrheit, weil fie nach Gruͤnden erfolgt.
7 Gotteb Vorausfehen der. freien Handlungen ftreitet
nicht mit der Freiheit; es ändert nicht die Natur ders -
ſelben, welche in der Zufaͤlligkeit beſteht, fondern fest
* nur eine nothwendige Folge oder bedingte: Nothwen⸗
digkeit. "Denn wenn wi handeln, find immer unzöh⸗
> Tige große und Heine, innere und äußere Bewegungen,
welche uns, ohne daß wir fie immer wahrnehmen,
zu diefer ober jener Handlung neigen, und praͤdispo
airen die Handlung felbft; das Wollen berfelben iſt
das Refultat diefer Neigungen: Die Seele des Men—
ſchen ift daher eine Art son geiſtigem Automat,
alles ift in berfelben vorausbeſtimmt, wie in allen
"Dingen; nur find ‘die zufälligen Handlungen im
‚Allgemeinen, und die fteien inöbefonbere, darum nicht
nothwendig, nämlich abfolut. Nur dieſe abſotute Nothe
wendigkeit ſtreitet mit der Zufaͤlligkeit 1207).—
Gott will abſolut nichts als das Gute und das
ſchlechthin Volllommne. Dieſes iſt jedoch nur der vor—
laͤufige Wille, der auch an ſich witkſam ſeyn wuͤrde,
wenn keine ſtaͤrkeren Gruͤnde entgegenſtaͤnden. Der
volle, untruͤgliche Erfolg iſt jedoch nur Ohject des
·n ach folgenden Willens, welcher aus dem Con—
flict ‚aller vorhergehenden Willensacte, ſowohl derer,
‚welche auf das Gute, als derjenigen, weiche auf die Ab:
, RE EB Zn En Ban
107) Theodicde, 1, P. 5.34 —37 52.
‚est done certain ‘et determine par ayance dapı
I’homme, comme par tout ailleurs, et Tame hu- '
„maine est une, especp d’automate, spirjkuel, quoi-
que les actions contingentes en, general et les
actions libres en particulier,; ne soient point ne-
„ tessoires pour cela. dung necessit& absolue, la-.
quelle seroft vetitablenient incompatible avec la
‚sontingence, - " ” n
Pe ..
= Leibnigens Philoſophie. . 199°
werbung be& Böfen abzielen, aldder Totalwille, oder der
ent.cheivende: Wille entfpringt. :-: Dieſemmach will. Gott:
Das. Gute, porgähgig;,.:.nadhgebendä.saber das ¶Veſte.
Das worauiſche Boͤſe apill Gott .auf.teing Weile, auch
nicht abſolute. das phufüghe,.. EE.nibs Erin. abſolure
- WBorberbefiiammung zur Berlammung Jedoch - wilk.
Sott oft :dag phyſiſche Boͤſe als. verdiente Strafe cin
ner · Schald, oft als ein ſchickuichet Mittel:zur Errein
chung eines; Zwecks, d. i. zur. Werhitung-größerer Uen
bel, oder zur Erlangung größerer. Guͤter. Auch, nuͤtzt
die Strafe, öfters zur ‚Beflerung und, als Warnung,
und das ‚phpfiiche. Uebel trägt. viblmals zum beffern-
Genuß. eines Guss ‚und‘ zur Verpobkommnuug deſſen,
der, es leidet, bei, ‚mie das Samenkony eine Urt, von
Faulniß erleidet, um keimen zu koͤnnen #08),
Br
3)- Theodice, ı. P. {22 $.22. Dien'tend
&'tout- bidn';en. tant, que bien- ad-iperfectionen?
° simplieiter ;simplicem pour 'parler Scholastigue;
et cela par une volunte antecedente.. Il a une,
inclination seriguse A sanctilier et..& sauver tous,
les hommes, A exclure le peché et ä empecher.
la darhnarion. “Eon peut Indıne- dire que cette”
volonte” est‘ efficane' de sol (per se)'c’est ä dire,
„2 „en sörte Aue l’elfer-s’en suivroit; Silmy-avoit pası
avelque raison pins arte qui Lempgchät; can;
cette ‚volonte. ne va pas au dernuer (ad sunmum,
conatum) autfement elle ne mangugrost ‚anais,,
’ de-produire son plein effei,‘ Dieu erant Je mai.
tre de toutes. ehoses. Le succes entier et infail-'
22 lible. nappartient tqua· la volonte‘ consequente,! _
corüme !’on Yappelle. Ciest elle qui.est pleine
etä son egard cette regle a lieu, qu'on ne’ man-
FRE Das
. que yamais, de faire ce que P’on: veut lorsguon
e peut. ‘Or dette volonte cönsequente finale et
deeisive" fesitlie du conflict ‘de toutes” les volon-
t&uantecedentes , tant de cellet qui“tendent vers
on E " le-
\ . \
180 Siebentesgauptfi Erſte Abth. Bieter ahſchn. u
Das moraliſche Vöfe kann zwar auch oft: ein Mit⸗
tel werden, ein Gut: zu hefoͤrdrru, ein Uebel zu vere
hindern; allein: darum kanu s dech · ale ein zuteiche r⸗
des Odjret des goͤttlichen Willens, oder Hit geſecniches
OSbject eines erſchaffenen ¶ Willens werden. Man:
darf wicht dasnBo ſe ei, ‚duniit. etw
Gutes darans 'enitfpringe:. 3 fan folglich ⸗
and) nur inſeweit zugelaſſen werben, als es and eit&tt” -
firengen Pflicht mit Gowißheit folget, To daß derjeni⸗
ge, der 08 nicht: zulaſſen · wollte:⸗ſelbſt feiner Pflicht
ungetreu wuͤnde. In Bezlehung · auf Gott kann der
Regel des Welten, welche keine Ausnahme und ,
Dispenſation geſiattet, nichts entgegen ſeyn. In bier
ſem Sinne laͤgt. Gott die Sauͤnde zu; denn er würde“
ferbft gegen‘ dasjenige, was er · ſich ſelbſt, ſeiner
Weisheit, Güte nud Vollkommenheit ſchuldig iſt, han—⸗
deln, wenn er nicht das Endreſultat aller Beſtrebun—
gen zum Guten außführte, und; nicht das abfolut Ye
fie wählte, ‚ungeachtet, des morgliſchen. .Ucbelä,, weiches
durch die oberſte Nochwendigkeit des. ewigen Wahrhei—⸗
ten auch von · dem Beften nnzertrennlich iſt. Das Re⸗
ſultat iſt dieſes: Gott will votgängig alles Gute an
ſich, nachfolgend das Beſte als Endzweck, dad Indife-
ferente und das phyſiſche Boͤſe zuweilen als Mittel;
das moraliſche Boͤſe aber: will er ‚nut zulaſſen, als eis
ne Bedingung, ohme weiche das Beſte nicht
erreicht werden koͤnnte, fo daß das’ Boͤſe
mur unter dem Titel der. bedingten Noth-
wendigfeit, welche das Boͤſe mit dem Gu—
ten verfnüpft, zugelaffen wird; der. nachfolgende
.. ' ' ar Wille,
: a “ 7 ‘
le bien, que de celles qui repoussent Je mal: '
et c’est du concours de toutes ces volontes parti=
euliöres que vient-la volonte totale.
. sen Bifehie ı8r,
wine, der die Sunde au Shi bat, if fotgti
nur permiffin."P9),
Dieſes find dle Onmizäge der Ehewriae d des keib⸗
nitz. Die weitere Ausführung und die Widerlegung
der Einwürfe mancherlei Art, die Betrachtung, Ver
gleichung, Veurtheiling und Anpaſſung der dahin ges
hoͤrigen theologifchen Vorſtellungen läßt fich nicht ohne
zu größe Weitlaͤuftigkeit darſtellen. Es kommt jedoch
hauptfaͤchlich auf jene Grundideen am, wenn inan die
Wahrheit und die Buͤndigkeit feiner Theodicee beurtheiten
will. Einteuchtend iſt es, daß fie auf das innigſte
mit feinen übrigen’ philoſophiſchen Ideen zuſammen⸗
ſtimmen und conſequente Folgerungen feiner Princi—⸗
Fien find. Jü dieſer Ruͤckficht wird man ohue allen Ans
. Wand" dafürhatten "Fönnen, daß Leibnlk fubjective non“
der Wahrheit feines Spftenns und von der gründlichen
Löͤſung des wichtigen Problems von dem Vöͤſen voll
Tommen überzeugt gewefen fey. Judeſſen hat der be⸗
‚rühmte Theolog J. Chph. Pfaff. zu Tübingen einen ,
mächtigen Zweifel dagegen erhoben, indem er aus eis
nem Schreiben des keibnitz beweift, daß er ſelbſt die
ganze
209), hi i. P. $. Drou’il faut conclure
que Dien veut tout le bien en soi antecedem-
"ment, quil xeut le meillenr conseguemment, conı- .
nie üne fin, qu'il veut. ‚Pindifferent et le mil
.qu'il ne 'veut Yindifferent que permettre le mil
iporal · 3 “ütre‘ du,sine güa nos ou de necessi:6
hypothetiqus, qui.le lie avec le meilleur. C'est
urquoi la volonte cohsequente de Dieu ‚qui: a
Trans pour objet, n’est que petmissive. Il
‘est enpore bon de considerer que le mal moral
n’est un si grand mal, que parcegu'il est une source
des maux physiques‘qui ge trouye dans une cröature
physiqne uelguefois comme un moyen; mais .
des plus puissantes et des plus capables d’en faire. ©
132 Siebeutes Haupt. Erſte Abth. Vierter aAbſchn
"ganze Theodicee für eine bloße Hypotheſe und ein
Spiel des Genies gehalten, und im Grunde über daß .
Böre nicht anders, als Bayle, gedacht habe "19 Dies
fes ſtimmt aber gar nicht mit dem überein, was Leib⸗
nitz in mehreren ſeiner Briefe uͤber die Theodicee ge⸗
aͤußert hat —— nicht mit dem Ernft und dem In⸗
tereſſe, welche daB ganze Werk beſeelen. "Daher iſt es
nich., wie mehrere Gelehrte. geurtheilt
haben, daß kei
nen, und Die, ©
meiden pflegte, “auf! eine ſchetʒhafte Meife, dem Then
logen Pfaff Recht gab. Uebrigens war Leibnitz fein
Feind von Hopotheſen ‚er fhäßte fie vielmehr wenu
fie, ſinnreich waren, als ein Mittel ‚der. Erfindung. Ju
der Yrr kounte er: dem Urtheil des Pfaff um ſo eher
‚fbeinbar beiftimmen, "one es im Gangeh zu untere
Worb... :. wi.
Bu . en ver Wenn
110). Pfaff ‚Diss. de morte naturali,. $. >. ; Einen
Auszug aus eibnigens Briefe datirt den aı Mai .
1716 machte er ern in den Actis eraditorum v. %
1728 befanst. Leidnig jagt darin: ita prorsus est
V. S. K..uti seribis deTheodicaea mea. Rem
'acu tetigisti, &t miror, nemlneni "hacterus fuisse,
qui lusum hunc meum senserit. „Neque enim
In est, ‚rem serio sei 5
e,
‚doviei sum, cn einer ne Hiſtorie
"der Leibnitz. Philof ©. 4103 und Des Mai-
zeaux Avertissement „vor der zIweiten Ausg, d. Re-
eueil de divers pißcas; und Fin RBibkothöque
ancienne.'et moderhe „1720, hatte, dleſelhe Anſicht.
111) Leibnitz epistoh” Yol, iu p. 84. 85. Vol,
W“ p- 53. 60.
00 Beibnigens Philofophis. 183
Wenn aber auch Leibnitz für feine Perfon von der
Wahrheit feines Syſtems uͤberzrugt war, fo folgt dar⸗
aus noch wicht‘, - daß es auch objective Wahrheit ents .
x Halte. 8 gründet fih die Theodicee ‚auf feine Mos
nadologie, welche. feldft nicht erwieſen iſt, und auf.ei»
nier Taͤuſchung berupet. Er gehet von ſeichen Vorder⸗
Tüten aus, welche einestheils Feiner Demenftration.fär,
big‘ find, anderntheils das Daſeyn des Boͤſen in der
Welit gänzlich aufheben, um deffenwillen. doch nur eine:
Theodicee Beduͤrfuiß ſeyn kann, md es. enthält, wie
die Monadologie, einen Fatalismus, mit welchem keine
Zreiheit, die doch eine von den Hauptvorausſetzungen
ift, beſtehen kaun. Denu wenn nichtörgefchlehet, was
nicht Gott vorher beſtimmt uf angeordnet hat, und.
uichts zur Wirklichkeit kommt, was nicht zur beften
Weit gehöret, die befte Welt ‘aber in der. größten Sumz.
me der mif einander und Mit. den wenigfien Negatio⸗
«nen vereinbarlichen Realitäten beftehet;-fo.ift keine Zus
faͤlligkeit, als nur fcheinbar, möglich, und es Fan
nichts geſchehen, als was gefchieht. Alle Veraͤnderun⸗
‘gen der Subſtanzen erfolgen zwar aus ihrer Sponta⸗
neitaͤt, und es gibt keinen aͤußern Einfluß; aber fie er⸗
folgen doch aus innern Gründen, und / zwar beſtimnien⸗
ven "und" zureichenden, indem jeder Zuſtand einer Sub⸗
tanz ſchwanger ift mit den folgenden, und ein Durch.
ſchauender Verſtand in der ‚Gegenwart fchon die Zus-
Zunft deutlich erfennen würde. "Nach ‘diefen, durd) ins
nere Gruͤnde zureichend beſtimmten, Veränderungen hat
Gott das beſte Weltenfpfiem angeordnet. Es kann
- daher In demifelben fich nichts ereignen, was nicht. vorz
ber beftimmt worden. Wenn ed gleish ſcheint, als
Tönnte ein’ vernuͤuftiges Wefen nach einer vernünftigen *
Wahl fich zu diefen ‚oder jenen Handlungen beſtim⸗
men; fo ift dieſes doch nur Taͤuſchung, welche daraus
entfieht, daß mau Die ganze Reihe der perhergegange
nen ©
‚18% Sit dewn Ente, Bieterdbfän.
nen Veränderungen, in melden auch ber. Guand der
kuͤuftigen Eniſchiuͤſſe liegt, nicht vollſtaͤndig uͤberſehen
kann. Dieſen Grund fuͤhrte Leibnitz ſelbſt gegen Car⸗
teſius Freiheitsgefuͤhl an 112). - Was aber den erſtenn
. Punet betrifft, fo Tann dasjenige, was nothwendige
« Bedingung des Beſten, oder ein Mistel einer groͤs
ßeren Vollkommenheit ift, ſelbſt in dem Zuſammenhau⸗
ge des ganzen Syſtems nicht für boͤſe, ſondern für
gut gehalten werben. Die abiheulichfie Handlung ges
hörte, wenn fie geſchehen iſt, ‚in die befig Welt, und
ſie durfte nicht ausbleiben, wenn: nicht. ein weſentlicher
Theil der Volllommenheit der Welt wegfallen ſollte.
Als etwas Boͤſes kann ſie nur demjenigen erfcheis.
nen, der fie aus dem Zaſammenhange der Gruͤnde und
Folgen betrachtet; für den, der Alles auf das Deutliche
fe-durchfchaut , Hört fie auf, zum Boͤſen zu gehören,
ſonſt würde er es nicht zu einem Beſtandtheile der bes
ſten Welt machen. , Und de das Mittel unmöglich
durch die Folgen geheiligt werden Tann, wenn ed an
ſich boͤſe ift; fo kann es nur relativ und. bedingungds
weiſe boͤſe ſeyn, welches durch die wichtigeren guten
Folgen zum Guten wird, Man kann alſo dem Refuls
tate ; welches Leibnig gezogen hat: die gegenwärs
tige Wert if, ungeachtet bes Boͤſen, das
fie enthält, dennoch die befte, ‚vielmehr diefes
entgegeuſetzen: die Welt if die befie, weil es
ger Fein Boͤſes darin gibt **4). Fr
212) zZreodich, P. I. 0. Vorzaglich $: 5. und
405.
113) Theodice, Pi ug 147. C'est comme dans
ces inventions de petspeciive ol certains beaux
desseins ne paroissent que confusion, jusqu’'ä ge
qu'on les rapporte & leur vrai point de vde, ou
qu'on les regarde par le moyen d’un certain.
vorre
"0 Beibnigeng Pbitefophie - 185
Außerdem ift das Ideal der beſten Welt, welches
diefem Syſteme zum Grunde liegt, nicht durchaus der
Vernunft angemeſſen; eö.bleibt auf einem niedrigen
Standpuncte, und bezieht, ungeachtet der. helleren Ber
griffe von der Sittlichkeit, doc) am Ende alles auf.
Gluͤckſeligkeit. Der Grundbigriff iſt der Begriff der
Volllommenheit, d. i. Realitaͤt und Zuſammenſtim⸗
"mung derſelben. Gut iſt dad Volllommne, was ſo
viel Realitäten mit fo wenig Werneinung nnd Ein
ſchraͤnlung bat, als es deſſen nach feiner Natur fähig
iſt. Volltommenheit beziehet ſich eigentlich Immer auf
einen Zweck, ohne welchen der Begriff von Einheit und
Zufammenftimmung leer: und bedeutungslos if Allein
der Begriff der Realität und die Behauptung, daß kei⸗
me Realität mit der andern firelten koͤnne, jede Realis
tät mit jeder andern ſich vereinigen Iaffe — was nur
von logiſchen Bejahungen wahr ift — machte, daß jes
mer Beziehungspunct, ſchon durch die mögliche Vernei⸗
nung aller Realitäten ſchien gegeben zu feyn, und eie
ne weitere Unterfuchung des abfolut letzten Zwecks übers
flüffig machte. Leibnitz mar alſo in der Sphäre der
metaphpfiichen we, und die metaphyſiſche Volle ,
Tom:
verre ou miroir, C’est. on les plagant et en s'en ,
.seryant gomme il faut, qu'on les. fait devenir
. Yornement d'un cabinet, Ainsi Jes defarmitds
. .apparentes de nos petits mondes se reunissent
en besutös dans le grand, et.n’ont zien qui 8’
‚ se A Punit# d’un prineipe universel infini-
ment parfait: au contraire ils augmentent ad-
mirälion .de sa sagesse, qui fait sarvir le mal au
‚plus grand bien, $. 148. Et ces: defauts appa-
.rens du. monde entier,. ces taches d’un spleil,
dont 1e nöte .n’est qu’un“tayon, relevent sa ı
beaut6, bien loin de la diminuer, et y contrie
buent en procurant un plus grand bien.
186 Giebentes Häuptf Ef Hot. Nierterbfähn.
Lommenpelt > das metaphyſiſche Gut, b. i. die größte
Summe der zuſammenbeſtehenden Reatiräten „ war ims
“mer der hoͤchſte Begriff in der Veſtimmung der beften
Ber. Wenn er daher auch nicht umhin konnte, das
moraliſche und phyſiſche Gure, Sittlichkeit und Glück⸗
ſeligkeit, als Realitäten in die befte Welt aufzuneh—
“men, ſo ordnete er fie doch jenem metaphyſiſchen Gu—
ten unter. Nicht die Gluͤckfeligkeit ift das MHoͤchſte,
wie fih der eitle Menſch einbilvet; aber auch ſeibſt
die Sittfichkeit‘ ift nicht" das Abſolute, fondern es gibt
für Gott eine noch höhere Ruͤckſicht 7°). Aupers
— dem
114) Theodicke, P. U. 4. 118. Ceue maxime ne
ıne paroit' pas asses exacis;' jaccorde qne le
boyheur des creatures intelligentes est la’ princi-
pale partie des desseine de „Dieu, oar elles lui
ressemblent le plus; ‚mais je ne_vois. point ge
pendant comment .on puisse prouver. que c'est
. son.bat anique. West yrai que le segne d& la
nature doit' servir au regne de Ja gracej mais
comme tout'est-li6. dahs JE grand dessein de
Dieu, il faut croire que le regne.de la! grüce
zest aussi en quelque fagon accommdde. & celui
de la nature; de telle sorte due celui-ci garde
le plus dordre et.de beaute, pour rendre le
>, compose -de tous -les denx le plus parfnit quil
“se phisses Et il’n’y’ a pas lieu de" juger que
Dieu‘ pour quelque ihal moral de moins renver-
‘"seroit teut Pordre de la natute. Chaque‘ per-
" fection. on imperfoction "dans la ‚repture a son
. ‘prix, mais il n’y eu a point qui ait un prix ig-
* Emi. Afnsi-Ie bien 'et le mal moral ou physi-
que: des creatures 'raisonnables ne passe point
* = infirment le bien’ er le mal qui est metaphysi-
* que-seuleinent ; c'est A’ dire”telui qui consiste
eo dniis Th perfe ion des äutres creatures. 9. 124
* I est" permis de dire, que Dieu peut faire que
la verfir soit Jans le monde sans Aucun ınelan-
go
"Leibnigens Philoſophie. 187
dem iſt Gluͤcſeligkeit und Sittlichkeit In dem keibnitzi⸗
ſchen Syſtem nicht weſentlich verſchieden. Moralitaͤt
iſt das Streben nach wahrer, nicht blos eigner, ſon⸗
dern auch fremder Gluͤckſeligkeit, over die Vernunft,
welche den Inſtinet nach MWohlfeyn aufklaͤrt, Ieis
tet, eiuſchränkt 115). - Iedod) Leibnitz bezichet zuletzt,
wie es ſcheint, afled auf den Zweck der Gelbftoffendas
tung Gottes ; ‚Sort r winle diejenige unter. ‚den möglis
— Br den
ge da vice et m&me quil le peut füre aisd-
ent. :_ Mais puie d la permis le-vice, il faur
- que -Yordre de J’univers trouv& preferable "A tout
‚autre plan, Yait.demande. ‚Il faut juger qu’ik.n?
‘est pas. permis, de faire autrenient, puisqwil n’
est pas possible de faire mieux. C’est une ne-
“ cessit6 hypothetique;, une necessit6 miorale, "Ia-
quelle bien loin 'd’&ire conträire ä la liberte,
est Veffet de son choix. - Quae rationi eontraria
sunt, ea nec.feri a sapiente _posse credendun.
est, L’on objecte ici que lV’aflection de Dieu
pour la vertu n’est done pas la plus grande,
qn’on puisse concevoir, qu’elle n'est pas infinie,
Os ya dejä repondu — en’ disant que N’alecı
tion de. Dien pour quelque'chose crese ‘que ce
soil est proportignnee- au prix de la chose: :la
. vertu est la plus moble qualiie .des. choses,cre- °
des, wais cg n’est'pas la seule bonne qualite des.
ereatüres. I y en a.une intinite d’autres qui,
attirent Pinclination de -Dieu; de toutes ces in-
elinations resulte le plus de bien quil se peut
et il se trouve que sl. .
wy avolt.que'crestures
moins de bien. PU $ "22%
15) Nouveaux £ssays p. 46. Te qitöiqu’on 'puis-
se dire veritablement que la mörale a des prin
cipes indemionstrables et qu un des preniiery et
des plus pratiques est, qu'il fant suivre la joie
et eviter la tristesse. — p. 46: 47.
188° Signs Sat. Erſte Abth. Werte dlbſchn.
chen Welten, welche feine. Volllommenheiten guf Die
vollkommenſte und wirkſamſte Weiſe, fo wie ed. feiner:
Größe, Weisheit nnd Güte am, angemeffenften iR, dar⸗
ſtellte 11s8). Allein diefer fubjective Zweck führt
doch zufegt- auf einen objectiven Zweck zurüd, weiber,
nach Leibnitz, die metaphyſiſche Vollkommenheit gu femme
ſcheint, ungeachtet er ſelbſt mehr als einmal geſtehen
muß, daß keine endliche Intelligenz den abſoluten
‚Bwed der Gottheit. erkennen Finne, ehne ſelbſt Gott
zu ſeyn
Da nun zwar Gott in dieſem Syfteme das obll⸗
kommenſte, weiſeſte, guͤtigſte und maͤchtigſte We⸗
ſen iſt, welches nie anders handelt‘, als es ver
hoͤchſten ¶Weisheit angemeſſen iſt, die Eriftenz dies
ſes Weſens aber nicht erwieſen, noch fein Ende
zwed vollfommen erkannt und ergründet werden
Tann, und da über jeden vernünftigen Zweck ſich ein
höherer denken laͤßt, "welchem -jener untergeordnet iſt;
fo laͤßt ſich auf dieſe Weife das Problem des Böen
in der Welt nur Kypothetifch.' und problematifch auflö=
fen, Leibnitz hat zwar die Abſicht, nur die von dem
Boͤſen hergenommenen Einwuͤrke gegen die Weisheit
und Guͤte Gottes zu entkraͤften; er uͤbernimmt die
Vertheidigung einer Wahrheit, welche ſchon der Vers.
aunft: Genige leiflet, wenn die Einwürfe beantwortet
werden, ohne daß ihr obliegt, die Wahrheit ſelbſt aus
- Grünz
316). Theodicte,. P. I. 4. 78. Dieu formant le des-
sein de creer le monde, s’est proposo unigue-
ment de manifester et de communiquer ses: per- '
fections.de la manisre la. efficace ‚et la plus
digne de. sa grandenr, sa aagesse.et-de sa
bont ..: .
317) -Theodiehe, P. 1. $ı. 78. 79. ro.
[5 ’
einigen Boiefophe . ag
Srunden zu beweiſen »18). Allein er- gehet doch her⸗
nach weiter, und verſucht eine Demonftration der bes
Ken Welt, und da dieſe fehlgeſchlagen iſt, ſo kommt
er auf denſelben · Punct zurück, wie Bayle, naͤmlich
mit einem Glaubes vörfieb zu nehmen, det ſich ader
nicht gegen die Gegengründe halten kann, weil. dieſe,
welche ſich auf ünlengbare Thatſachen ffützen/ erſt ents
fernt werden müßten, ehe ein Fuͤrwahrhaiten des ein⸗
oegeuſithenden Satzes mbalich wäre ⸗
Es freie ſi ſich alſo auch hier ein. Theil ve Beißnie
tziſchen Syſtems, ſo mie das Gange als ein imponi⸗
rendes Gebäude dar, welches .aber bei naͤherer Untera
ſuchung feinen feften Grund hat. Schärferfehende un⸗
ger den Theologen und Philofophen mögen wohl diefes
Gebhechen geohnet und bemerkt- haben; - -Diefes ſo⸗
wohl, ald der Fatalismus, welcher In. dieſem Syſtem
verborgen tft, ſo wie mehrere beſondere Anfichten des
Keibnig über veligiöfe "Dogmen, feine, Toleranz, gegen.
abweichende Behauptungen und ſein Streben, die uns
einigen Meinungen zu vereinigen, find ‚ohne Zweifel
der "hauptfächlicge Grund von den vielfachen " Anfeche
tungen, welche die Theodicee, neben dem gtoßen anz,
faͤnglichen Delaue in der volge erfahlen wicz⸗
te 729).
118) Discowrs de la eonformih, 5 6 —80, j
4 19) Die vielen kleinen Sqiſten, in welchen die
Aheobicee des Leibnitz von Philoſophen und Theolo⸗
gen, ſelbſt von Dichtern und witzigen Köpfen ange⸗
geiffen und vertheidiget wurde, koͤnnen, zum Theil ihrer
Mdenge, zum Theil ihres geringen, oft nur temporeilen,
Werthes wegen, nicht aufgezaͤhlt werden. Man mus
ſie in Baumeister. historia de doctrina de opti-
mo mundo, ‚Görlitz 1741, Wolfärt‘ edntroversige
I . e
. 3 \
190 Siebentes Hauptſt. Erſte Abthe Bieiter abſchn.
In dem vorletzten Jahre fernes Lebens bekam Leib⸗
nitz noch einen Streit mit Sam. Glarte, -in wel⸗
ern, Durch eine Reihe von Wechſelſchriften, mehrere
wichtige Puncte der Philofophie überhaupt, und. ins⸗
befondere feines eignen Syftemä, beutlicher entwickelt
wurden. ¶ ‚Leibnig: hatte. in ‘einem. Briefe an ‚die Prin⸗
zeſſin von Wales über den Zuſtand der Phitofoppie int
Syland und einige Behauptungen des Newten und;
Locke, ein tadelndes Urtheil ausgeſprochen. Die Prin⸗
zeſſin theilte dieſen Brief dem Clarke und daun die.
Antworten beider Gelehrten einander mit. Diefe Briefe
wurden gefammelt -imd In engliſchet, franzoͤſiſcher und
deutſcher Sprache. herausgegeben 320), - *.
de mundo optĩmo, Jenae 1743,. Sammlung der
J Smeisferien über die abe dan der Be Weg:
Bi oſtock 1759. 8, und in Werdermanns Ver ſuch
einer Gefdichte "der, Meinungen über Schick al Fr
menſchliche Freiheit, ‘ Leipzig 1793, nachlefen. „Die
mieiſten Streitigkeiten über die beſte Welt wurden
erſt edurch «die Wolfiſche ¶Philr ſophte, nachdeme ihr
u Lange den Vorwurf des Fatalicmus und, Acheisirun:
gemacht, haste, ‚und durch die Preisfrage, der Berl
ner Akademie 1755 über dieien Gegenſiand werans,
dapi ine geänbliche Prüfung diefer. Lehre hat €.’
%. 2%.‘ Creuzer (Leibniti doctrina, de mundo’
R Reibnigens ‚Poiofopbir Be 198 J
Die: naturliche Religion, ſagte Leibuitz, ſcheine
in in, England fehr geſchwaͤcht zu: werden, indem
«irle die. Seelen, ja einige fogar Gott für. toͤrperlich
hielten. Wenigſtens ziyeifelt Locke mit feinen. Yyhänr“,
„gern, ob:nicht. die Seelen material und von Natur dem
-Antergange uuternorfen find. .— Newton ſagt, ber
Raum fey da® Organ, deſſen ſich Gott zus. Wahrneh⸗
‚mung der ‚Dinge bedienc. Dann find aber die erſchaf⸗
fenen Dinge nicht ganz von ihm abhaͤngig, wenn er,
ein Mittel. nöthig. hat, um ſie zu erlenuen. ‚Newton
"and; feine Anhänger “haben auch noch «eine. befondere
WVorſtellung von Gottes Schöpfung, Gott. muß / nam⸗
Uch von Zeit zu Zeit von Revem bie Weltuhr. aufzie⸗
hem, wofern ſie nicht ſtille ſtehen ſoll. Dieſe. goͤttliche
Maſchine iſt ſp unvolllkommen, daß ſie zu Zeiten durch
«ine außerordentliche ¶ Miſwiriung wieder in.-Sı mung
“gebracht werden muß; da doch ein Uhrmacher ein um
ſo ſchlechterer Meiſter ift ; je oͤfterer er. an. dem
Mecyanismus beffern muß. Es beharret. immer; biefels"
be Kraft in demfelben Grade, und fie geht nut nah
den Geſetzen der Natur und nach Der. beften, vorher
angeotdneten, Ordnung von Materie zu Materie uͤber.
"Wenn Gott Wunder thut, Jo geſchehen fie nur zum
Behuf des Reichs der Gnade, nicht aber. der Natur. Wer
anders denkt, der hat eine fehr wiebrige Idee von Got⸗
tes Weishei und Macht. loan
In der Antwort gibt Carke zu, daß es in Eig
Fan, fo wie in andern Ländern, Leute El weiche die
nas*
r
zwiſchen dem Herrn v. geisnig und 2. Einste- über
. befondere Materien der. nagärlihen Religion gewech⸗
felt;. nebft einer. ,Vorrede. Ra Hofr. Wolfe u.
einer Antwort Him ©. } h. Thämmige auf die
fünfte engl. Schrift in densfcher Sprache heraug.
von H. Köhlem, Frankf. u. Xeixz. 1346 6
392 Siebentes Hauptft. Erſte Abth. Vierter Abſchn.
natuͤrliche Religlon Teugueh vder verderben. Es kommt
dieſes von dem Verfall der Sitten und der Philoiopie
der‘ Matertaliften, welde durch die marhematifhen
Brundfäge der Philofophie geradezu. befiritten wird. .
Die Materlätiften: kündigen dieſen Grundfägen einen
offenen Krieg an; denn dieſe allein beweiſen, daß die
* Materie der kleinſte und unbedeutendſte Theil des Unis
verfams iſt. — Es gibt allerdings Stellen in Locke's
Schriften, in welden er die Immaterialitaͤt der Seele
zu · bezweifeln ſcheint ; abet nur⸗ Materialiſten und ſol⸗
He welche in Locke nur ſeine Febler billigen, treten
ihm darin bei. Newivn fügt nicht, ‚daß der Raum
. das’ Organ ſey, deſſen Fi Gott zum Wahrnehmen der
Dinge bevlehe, oder daß er eines andern Mittels dazu
Hedinfe. Wielmehr fagt..er, daß Gott, da er allenthals
den gegenwärtig iſt, 'alle Dinge durch feine unmittel⸗
"Gare Gegenwart in alten Räumen, wo fie find, ohne
Veinmtiung Ans Organs ‘ober Mittel wahrninimt.
So wie. die Seele den Bildern, ‚welche fich in dem
Gehirne vermittelft der Sinnorgane bilden, unmittelbar
gegeritwärtig iſt, und baher biefe Bilder ſchauet, ald-
wären ſie die Durch fie dargeſtellten Dinge ſelbſt; fo
ſiehen Gott alles durch feine unmittelbare Gegenwart,
indem er, nicht den Bildern, fondern den Dingen ſelbſt,
weihe-in dem Univerſum find, wirklich gegenwärtig
ift. Dad Gehirn und die Sinnörgane: find dad Mit:
tel,wodurch die Bilder gebildet werden, aber nicht
das Mittel, wodurch die Seele ‚pie gebildeten Bilder
"wahrnimmt. — Bei ten menſchlichen Kunftwerken
ſchaͤtzt man ihre Volltommenheit nach der Dauer ber
geregelten Bewegung ohme Nachhuͤlfe, weil die menſch⸗
Nice Kunſt in der Zufarmenfeßung und Anordnung
gewiffer Materien beſteht, "die nach ‚einem, vom Künfts
Ter unabhängigen, Princip wirken und ſich bewegen,
Aber..dei Gott iſt es ander, - Er fett nicht allein zus
. . foms -
J
ſammen, und ordnet, ſondern iſt auch Urheber der
Kräfte der Dinge, und erhält fie immerwaͤhrend. Die
Behauptung, daß nichts ohne feine Vorfehuyg und Auf⸗
ſicht geſchieht, fest fo wenig fein Werk herab, daß fie
vielmehr. die Größe und die Vortrefflichkeit deſſelben
zu erkennen gibt: Die Vorfiellung derjenigen, welche
behaupten, daß die Welt eine.große Maſchine ift, welche
. „ohne. Gorted Mitwirken ſich bewegt, führt den Mate⸗
rialismus und Fatalismus herbei, und unter dem
Vorwande, Gott zu eina überweltlicheh Intel
digenz zu machen, geht ihr Ziel darauf, aus der
Welt’ die Vorfehüng und Regierung Gottes zu verbans
nen. - Mit deinfelden Rechte, als ein Philofoph ſich
einbilden kann, es gehe in der Welt, nach ihrer Ers
ſchaffung, alles feinen Gang fort, ohne daß die Vorfes
Hung daran. Theil nehme, koͤunte auch ein Pyrrhonier
diefes Raifonnement nach weiser treiben und annehe
men, es fey alles von Ewigkeit fo gegangen, . wie es
“ jest geht, ohne - eine Schöpfung. oder einen atis
dern. Grund der Welt, außer demn, mas Diefe Denker
die ewige und welfe Natur nennen, anzunehmen,
So wie ein Koͤuig, In deſſen Reiche alles ohne, feine
Dazwifchentunft und Anordnung von Starten ginge,
nicht den Namen eined Könige und Regenten verdiene .
te; ſo koͤnnte man. auch ſagen, daß diejenigen, welche
behaupten, das Uniyerfum habe nicht wöchig, von Gott
vortragen, welche Gott aus der Welt zu verbannen
ſtrebe 121).
Dieſe beiden erften- Briefe charakteriſiren die Den⸗
kungsart der beiden Streitenden, und geben die Haupte
puncte des Streit an. Keibnig tadelte einige Vorſtel⸗
\ lun⸗
121) Recueil T. 1. pt — 8.
Tennen. ef. 8. Ppllof. xi. Th. N
x „Leihrigene Philoſophier 193°
beſtandig geleitet und regiert zu werden, eins Lehre
194 Siebentes Hauptſt. Erſte Abth. Viertet Abſchn.
lungen des Newton, die er aus der Metaphyſik ſeinen
Grundfägen der Naturlehre beigefügt hatte, um dieſe
an das Syſtem der menſchlichen Erfenntniß überhaupt :
anzufchließen, weil diefelben aus ihren Gründen nicht ente
widelt -und in den Ausbrüden ‚nicht genug beſtimmt
waren, auch eine andere Anficht von bem Wefen der
Dinge enthielten, und daher dem Syſteme des Leibnig
entgegenftanden. Daran knuͤpften ſich noch einige andere
damir in Verbindung ſtehende Gegenftände,; welche vor ‘
beiden Gegnern in dem Briefwechſel deutlicher entwik⸗
kelt werben, ohne daß einer den andern überzeugen
ann. "Clarke. vertheidigte die Philofophie eines gro⸗
en Genies, auf welches die Engländer ſtolz waren,
obgleich fie nur Mathematit und Phyſik enthielt, und.
dur die Erklaͤrung, daß die gefegmäßige Ordnung
der Himmelskörper und - die ;Einrichtung der lebenden
organiſchen Weſen nicht mechaniſch erklärt werden koͤn⸗
ne, ‚fondern eine abſolut weiſe und mächtige Jatelli—
gen; zum Grunde haben müffe, den Uebergang zur
Metaphyfif vermitteite, ader auch ein Mißtrauen ge=
gen die Metaphyſik, als bloße Hppothefen ausfpins
nend, unterhielt; fo wurde fie von den Engländern, die
nicht ahneten, daß die Principe der Mathematik und
Phi? ferbft ‘einer Deduiction bedürfen, für vollkom⸗
‚men genügend. und hihreichend angefehen. --Leibnit das -
gegen ging tiefer, in die Gründe der meifchlichen Ere
kenntniß ein, und-fah"dds Beduͤrfniß eier metayhufis
ſchen Begründung ſelbſt der Marhematit und Phyſik
ein, und ſetzte daher Metaphäfit über beide; fo-wie
über den Mechanismus eine höchfte Gmteligen, Die
Abweichung in den Grundanfichten und in der Methos
be hatte’ auch abweidyende Kehrfähe zur Folge. News
ton fand Störungen “in den Bahnen der Planeten,
: durch die Cometen wahrſcheinlich verurſacht; und ſchloß
daraus, daß fie ſo os werden Fonnen, daß die All⸗
macht
Leibnitzens Philoſophie. 195
macht eingreifen und das Syſtem wieder in Ordnung
bringen muͤſſe. Leibnitz, der von philoſophiſchen Prin⸗
cipien ausging, fand, eine unabaͤnderliche Ordnung der.
Natur nothwendig aus der Idee Gottes hervorgehend,
und baher eine wunderbare, durch Unregelmäßigteiten '
des Naturlaufs nöthig gewordene, Einwirkung Got⸗
tes mit ſeinen Begriffen unvereinbar. Leibnitz nahm
nur ein. Wunder: die Schöpfung, an, und
ſchloß alle außerordentliche Einwirkungen in dem, Reis
che Gottes aus, denn fonft würde die Melt nicht die
befte und Gott nicht. der weifefte Weltfchöpfer feyn;
Aur in dem Gebiet der Freiheit, um den Unordnungen
der freien Gefchöpfe abzuhelfen, hielt er Wunder, für
äuläffig. Clarke dagegen hielt dafür, daß Gott beftäns
dig In die Natur einwirte, weit eine Welt, welche für
ſich beſtehen koͤnne, keine Urberzeugung gewähren koͤn⸗
ne, daß fie Gott zum Schöpfer Habe.
” An den Ötrelt von dem. Raume, als dem Senſo⸗
rium Gottes, ſchloß fid) ſogleich eine andere Streits
frage: über das. Wefen des Raumes und der Zeit,
und über den Grundiag des zureichenden rundes,
an. Newton und Clarke hielten den Raum fuͤr et⸗
was Reales, weil er das Reale der Körper und ihrer
Bewegung in ſich faffe, und eben in dieſer Hinficht
war er als die unendliche Sphäre ded Wirkens und Ers
kennens Gottes, das Senforinm deffelben ‚genannt wors
den. Leibnitz dagegen betrachtete Raum und Zeit, nur
als etwas Ideales und Nelatives, als die Ordnung
der zugfeich und nad) einander feyenden Dinge. Leib⸗
nitz glaubte demonftrarioe Beweiſe gegen jene Vor—
ſtellung zu haben, worunter der eine ſich darauf fügt,
daß fonft, da jeder Nauni dem andern gleich wäre,
Gott keinen Grund gebabt hätte, einer, gewiſſen Mates
vie einen Ort vor dem andern“ zu geben, und daher
> R 2 auch
196 Siebentes Haupiſt. Erſte Abth. Wierter Abftän,
auch gar Feine Welt hätte erfchaffen koͤnnen **2). Das
gegen konnte auch der Gegner wieder in Leibnigens
Vorſtellung viele Schwierigkeiten eutdecken, (3.8. daß
Raum und Zeit Quantitäten find, die Lage und Ord⸗
nung aber nicht, daß. bei einer Bewegung der Welt⸗
* Xörper, wobel ihre Sage und Ordnung nicht verändert
wird, in jedem Moment der Bewegung alles in dem⸗
felden Raume feyn würde u. ſ m.,) wodurch er fie bes
fireiten Eonute. Nach Clarke ift der koͤrperleere Raum,
⸗ fo wie die Jeere Zeit, keine Subſtanz, ſondern ein noth⸗
wendiges Attribut Gottes, und daher einzig, unermeß⸗
Mich, unveränderlich und ewig; nicht außer Gott, ſon⸗
dern in Gott 1223). Jede vou diefen Vorſtellungen
gab dem Gegner Bloͤßen; jeder konnte daher apogogiſch
die feinige beweifen, ohne daß. dadurch die Wahrheit
derſelben etwas gewann, rs
So war es auch, mit dem Grundſatze des zurel:
enden Grundes, welchen Leibnitz bei dieſer Gelegen⸗
heit
122) Recueil/ p. 30. “ Pai margu& plus d'une fois,
que je tenois l’espace pour quelquechose de
purement relatif, comme Je tenıs; pour un ar-
dre de coexistences,. comme le.tems est un or-
\ dre de successions, RZ 31.
123) Reoueil p. 39 seg. p. 66 seq. P. 68. L’espace
n’est pas une gubstance, mais un astribat; et si
c'est un attribut d'un &tre necessaire, il doit —
exister plas necessairement, que ls substances
mömes, qui ne sont pas necessaires. L’espace-
est imnıense, immaable et eternel; et Fo doit
- dire Ja möme chose de la durde, Mais il ne #
ensuit pas delä, quiil y ait rien ‚d’eternel hors
de Dieu. Car bespace 'et la durde ne sant pas
hors de Dieu ; ‚ce sont des suites immediates et
necessaires de sor. existence sans lesquelles il ne
seroit point eternel et present par-tout...
4 x
on Leibnitzens Bhilofophie. ‘197
beit fersg mehr -ins Licht ſette. Starte gab. den
Grundſatz im Algemeinen. zu, aber wollte ihm nicht in
der Ausdehnung gelten laffen, welche ihm Leibnitz ges
geben hatte. Nach diefem waren auch freie Handlune
gen biefem Gefeg unterworfen, und felbft Gott konn⸗
te, als weifes Weſen, nicht anders, denn nach zureis
chenden Gründen handeln. ‚Nach Eiarkes Anficht wurs .
de dadurch. ein Fatalismus eingeführt, der Gottes
Macht einfchränkte, und das Gebiet der Freiheit vers
nichtete. Gottes bloßer Wille ift oft der zureichende
Grund feines Wollend und Handelns. Er kann auch
in eine, von beiden im Gleichgewicht ftehenden Wag⸗
ſchalen ein Gewicht Iegen ; lann er fich dagegen nur
auf eine Seite neigen, wo ein größeres Gewicht iſt,
ſo iſt keine Freiheit zu waͤhlen vorhanden 124). Im
Gegentheit behauptete Leibnitz, daß eben darin Gottes
Freiheit zu wählen beftehe, daß fie ſich auf der Weis—
heit gemäße Gründe flüge. „Nicht die Nothweudigkeit,
welche in der weifeften Ordnung der. Vorfehung bes,
ſteht, fondern die blinde Nothwendigkeit, uhne Weis: '
Seit und Wahl, ift zu verwerfen 1225). Man wird in
124) Recueil p. 20. Et si cette volonte ne pou-
vait jamais agir, sans ötre preterminde par quel- ,
que cause, comme’ une balance ne sauroit se
mouvoir, sans le poide qui la fait pancher;
Dien n’auroit pas.la libert& de choisir; et ce se-_
roit inteodnire la. fatalite.
125) Recueil p. 35. On m’objecte qu’en wadmet-.
taht point cette simple volontd ce seroit dter a
Dieu le pouvoir, de choisir et tomber dans la
Jatalitö - Mais c'est tout le contraire: on sau-
äient en Dieu ls pauvoir de cholsir, Ppuisqu’on
le fonde:sur la raison du choix conforme a la
sagesse. Et ce n’est pas cette fatalit6 (qui nest
‚ autre chose que l'ordre le plus sage‘ de pro-
“. vie
diefem
. j 198 Siebentes Hauptſt. Erſte Abth. Vierter Abſchn.
dieſim „Streite, der noch nicht bis auf. den letzten
Grund hinausgeführt wurde, bald dem einen, bald
dem andern Denker beijtimmen müffen, indem Freiheit
ohne vernünftige Gründe, d. i. blinde Zufälligkeit, ver
Vernunft zuwider ift, aber auch Freiheit, ohme eine be—
fonvere Caufalität zu feyn, nur blinde Nothwendigkeit,
d. 1. Nichtfreiheit, herbeiführen würde. Es war jedoch
nicht möglich, dieſen fehwierigen Gegenftand vollkom—
men aufzuffären, bevor. die moraliiche Zreiheit nicht,
tiefer erforfht war, wozu erft-in der Folge Veranlafs
fungeg gegeben wurden. feibnig hatte fi weniger *
mit der praftifchen Philofophie befchäftigt und mur bei
beſonderen Gelegenheiten ſich über Gegenftände derfels
ben geäußert. Haͤtte er Zeit zu einer ſyſtematiſchen
Ausführung diefer Begriffe gewinnen koͤnnen, ſo würs
de dadurch auch. Vieles in feinem theoretifchen Syftes
me anders beftimmt worden. ſeym -
Leibnig Hatte unftreitig große und erhabene. Ideen
von Phitofpphie und den wichtigften Gegenftänden ‚der
Vernunft durch feinen originalen Geift und durch feis
ne Vergleichungeh der meiften philofophifchen Spfteme _
erzeugt; aber ‚auch -diefe Ideen noch nicht ganz ent⸗
iwidelt, bis auf Ihren letzten Grund verfolgt, und in
ein vollſtaͤndiges Syftem gebracht. Sein Geift ‚hatte
nur hauptfächlich das Zutereffe der Speculation vor
Augen, und in diefer Hinficht 'erblidte er in feinen ,
Ideen ein neues Licht, volle Befriedigung für die Ver⸗
munft, eine Ausgleichung aller verſchiedenen Anſichten,
und“ die Grundlage einer tie ſich ſalbſt harmoniſchen
Vernunfterkenntniß. Er hatte nicht die Zeit und Mu⸗
. \ Be, \
vidence) meis une fataliıd ou. mecessit# brute,
qu’il faut seviter, ou iln’y a ni sagesse, mi
choix. B
RD ns " B on j
PER isnigene Philoſophie 199
Be, auch —8* nicht die Geduld, allen Rechtham
ſeiner Ideen in ein Ganzes zu verarbeiten; er trug es
bei ſich in feinem Kopfe herum. Menn-er dieſes mit
den alten und meuen Ideen verglich, konnte er. mit,
Mecht mit Wohlgefalen auf daffelbe hinblicken, und
in der.-Perjon eines fremden Betrachters folgende
Schitterung von demfelben geben: „Ein ‚neues Sh⸗
ſtem bar mich uͤberraſcht, von welchem ich Bruchſtuͤcke
in den Jahrbüchern der ‚Gelehrten von Paris, Leipzig
amd Holland,. und in’ dem Artikel Rorarius des Bay—
liſchen· Wörterbuch‘ gefefen habe. - Seit: diefer‘ Zeit
glaube ich eine neue Anſicht von dem innern Defen:,
Der Dinge erhalten zu haben. -Diefed Syſtem ſcheint
mir den Plato mit. Democrit, Ariſtoteles mit Dedcarr '
tes; die Scholaftifer mit den'Neuern, die Theofogie
amd Moral mit ‘der Vernunft in: Harmonie zu brinz
gen. Es nimmt, duͤnkt mid, das Beſte von allen Sei⸗
ten auf, geht aber noch viel weiter, als man.je ges
kommen 'ift. Ich finde in demfelben eine verfändige .
Erklärung. von der Vereinigung: der Seele und des Kor⸗ \
pers, die ich vorher für unmöglich ‚gehalten hatte... In
.. den Einheiten der Subftanzen und in ‚Ihrer vorherbe⸗
ſtimmten Harmonie durch bie urfprüngliche Subſtanz
finde ich die wahren Principe der Dinge. Es enthält
eine uͤbertaſchende Einheit und Einfoͤrmigkeit, fo ‚daß
man fagen- Tann, es fey-immer und durchgängig dafs’
ſelbe Ding, bis auf die Grabe der Vollkommenheit bei⸗
nahe. Test fehe ich ein, was Plato ſich dachte," als
er die Materie für ein unvollfommnes und immer im
Werden begriffened Ding hielt; was Ariftoreled mit
feiner‘ Entelechie fagen wollte; was Demokrits. Verheis
Füng eines anderen Lebens bei Plinius zu bedeuten:
babe; . inwiefern die Skeptiker Recht hatten, weun fie
gegen dle Sinne deciamirten ; wie Die Thlere. nach Des⸗
cartes Automaten find, und doch nach der gewoͤhnli⸗
"en
D
" 200 6 Giehente Seuptf, Erſte ui, Vierter Abſchn.
chen Weisung Seele und Ernpfindung haben; wie man
vernuͤnftiger Weiſe diejenigen erklären muß, welche,
wie Cardan, Campanella, und. noch beffer die Gräfin’
. son Conway, Helmont, und fein Freund H. Mo—
re, allen - Dingen Leben und Empfindung ertheilen;
wie die Gefege det Natur, welche. vor biefem Syſtem
großenrheits unbekannt waren, aus Principien, welche
böger find, als bie Materie, entſpringen, obgleich in
der Materie alles mechanifch zugeht, worin bie vorher⸗
genannten Spiritugliften, -und. felbft die. Carteſianer,
gefehlt heben, indem fie annahmen, daß durch inma-
terielfe Subftanzen, wo nicht bie Kräfte, doch wenige
ſtens die Richtungen in den Beinegungen ber Körper
abgeändert werben, In dem neuen Spfteme: befolgt
jedes; die Seele und der Körper, feine Gefege, und
riehtet ſich doch, ſoviel als es möthig iſt, nach dem an⸗
dern, Aus dieſem Syſteme habe ich eingefehen, daß
bie Thieffeefen und ihre. Empfindungen der Unſterb⸗
lichleit der menfchlichen Seelen keinen. Eintrag thun;
daß vielmehr nichts fo fehr die Ueberzeugung, von der“
Anſterblichtkeit der „Seele hefeſtigt, als die Vorftellung
von, der allgemeinen Unzerfisrbarkeit aller Seelen, oh⸗
ne Seelenwanderung. Die Thiere, wie die Seelen,
find und werden immer lebend, worftellend, handelnd
ſeyn; es ift alles gleichfoͤrmig, bis auf die verſchiede⸗
nen Stufen der Volllommenheit und. Entwicklung. Es
bedarf hier keiner ganz koͤrperloſen Geiſter, und doch
gibt es fo reine Geiſter, als es noͤthig iſt, da ihre or⸗
ganiſchen Leiber auf Feine. Art. die Geſetze der Spon-⸗
taneitaͤt ſtoͤren Finnen, Hier find bie Atomen und
das Leere auf eine ganz andere Art ausgefchloffen, als
durch das Carteſiauiſche Sophisma, daß Körper, und
" Ausdehnung in der Idee zufammenfallen, Hier iſt ab
les in Ordnung und Schönheit, weit über alle-biöherk. .
on Vorſtelungen uͤberall gibt es organiſche Materie;
nir⸗
a Beinen Philſophie . 20: _
asirgenbs iſt eine Leerheit oder Unfruchtbatkeit; nichts
ift‘ vernachläffiget; die Einförmigfeit und Mannigfals
tigkeit nicht zu groß, mit’ Ordnung; in allen Theilen
der Welt, ja in jeder einfachen Subſtanz das abge⸗
kuͤrzte Univerfum in einem. andern Gefichtöpynete, Au⸗
Ber’ diefer neuen Analyſe ver Dinge habe ich auch die
. Analyfe der Begriffe, Ideen, Wahrheiten beſſer begrifs.
“ fen; ich verftehe nun, was eine. wahre, klare, deutli⸗
Tiche, adäquate Idee iftz. welches die urfprünglichen
Wahrheiten, die wahrhaften Ariome find; wie fidh:
niothwendige Wahrheiten von Thatſachen, und die Schlüffe
der Menfchen von den Folgerungen der Thiere unters,
ſcheiden. Zuletzt wird die Größe und Vollkommenheit
Gottes: in ein bewunderungswärbiges Licht durch dies -
ſes Spftem gefegt, und man muß von Bewunderung
und Liebe gegen die, allgemeine Quelle aller Dinge
und Schoͤuheiten, welche in diefem Syſteme entwidelt.
find, durchdrungen werden’“ 226). .
Diefed Syſtem gewährt allerdings einen anpo⸗
ſanten Anblick „ und reißt zum Erſtaunen hin; wenn
man jedoch näher hinzutritt , und dad Innere von
"Grund aus betrachtet, ſo wird die Vorſtellung davon
etwas anders. Zwar wird das Urtheil dem großen
WManne · gern die Achtung und Bewunderung zollen,
welche dem Genie gebührt; aber einen Unterſchied zwi⸗
ſchen dem, was er wollte, und zwiſchen dem, was er
wirklich ausfüͤhrte, machen. Erfuͤllt mit dem Ideal
von Philoſophie, was feinem Streben zum Ziele dien⸗
te, ırug er das Wohlgefallen, was jenes erregte, auch
auf die Theile-ded ausgeführten Gebäudes über. Jene
¶Idee ſtuͤtzte fih auf die Vorausfeung von angebor⸗
nen. Ideen, der Anwendbarkeit einer und derfelben Mer.
thode
.126) Nowveauz.ensays p· 27: 26,
202 Siebentes Haupt, Erfte Abth, Vierte Abſchn.
" thode'in der Philoſophle und in der Mathematik, und“
auf die Erwartung, daß die Philoſophie durch dieferbe
Methode werden koͤnme und müffe, was die Mathemas
- tie unfreitig geworden. war. Beide erfoderten aber
noch tiefere: Unterfachungen und Beftimmungen, bis fie '
eine ſichere Grundlage werden konnten. Leibnitz hatte
das geſetzmaͤßlge · Wirken des menfchlichen Geiftes noch
"nicht von · allen Seiten erforſcht; ‚feiner - Phitofophie
fehlte. es daher an tieferer Begründung, Begraͤnzung,
Einheit und Harmdnie, und die glänzenden Hypothe⸗
fen, die fein Genie erfand, kounten nur auf eine Zeitz .
Yang jene Mängel verbergen.
Deffenungeachtet ift die Erſcheinung deſſelben von
großem Gewicht und Einflüß geweſen. Sein philoſo—
phiſcher Geift, feine lebendige Idee von Philofophie,
als Grundlage alles Willens, in Verbindung und Zu—
fammendang mit ‚allen Wiſſenſchaften, wirkte, ald Mus
ſter und Beifpiel, aufmunternd und aufregend in eis
nem um fo größern Umfange, je auögebreiteter fein
Name und fein Verkehr mit Gelehrten aus.allen Nas
tionen war, je mehr er än allen bedeutenden Unterueh—
mungen Theil nahm, je williger und uneigennüßiger
er fie mit Rath und That unterſtuͤtzte. Auch in, feiz
den Schriften lebt fein Gelft fort. Der Relchthum
von Ideen und Gedanken, die er in denfelben nieder⸗
Tegte, ohne fie zu verarbeiten; die Lichtfunken, die er
verbreitete, ohne fie in einen Brennpunct zu vereini⸗
"gen, eröffneten vielen der nachfolgenden Denker eine
Sphäre und Ausficht für Verdienft und Rıryın. Durch
Keibnig wurde ein lebendigeres Intereſſe und regerer
Eifer für die Höhere Cultur der Wiffenfchaft, ein kraͤf⸗
tiges Streben nah Grimdlichkeit ; Tiefe, Vollffändige
Zeit und Deutlichkeit, befonderd in, Deutfchland, vers
breitet, und von ihm datirt ſich eigentlich die, Periode
der‘
D
"Behrens Philoſophle. R 203
der 2 veutfen philelophie Insbeſondere iſt feine Idee
von der ſyſtematiſchen Einheit aller Erkenntniſſe, von
der Demonftration, als dem Mittel philoſophiſcher Er—
keuntniß, von dem Grundſatz des zureichenden Gruns
des, und von der nicht empirifchen Quelle rationaler
Erkenntuiſſe, einflußreich geweſen indem ſie bei feinen
Nachfolgern Vorausſetzungen des Philoſophirens wa⸗
‚. ren, und dem menſchlichen Geiſte nach mehreren Abs
beugungen die Richtung auf den wahren Weg 'der Biß
ſenſchaft gaben. Wenn auch die Hypothefen in. dem Sy
ſteme des Leibuig eine Zeitlang am meiflen durch Po= ,
lemik die Denfer befchäftigte,. und..endlich, weil die,
Uuhaltbarkeit derſelben klarer wurde, eine gewiffe Gleiche
guͤltigkeit für dad Syſtem felbft erzeugten ; fo ging
doch durch. den Geift der Grüudfichfeit aus dieſem dürs
ven Felde det Speculation eine beſſere Saat hervor.
Selbſt feine Irrthuͤmer waren von der Art, daß fie
für andere Denker lehrreich werden mußten.
Auf die äußere Form der philoſophie hat Leibnitz
durch Theorie und Muſter einen bedeutenden Einfluß
gehabt. Seine Gedanken über den philoſophiſchen Stil
und die erſte Eigenſchaft deſſelben, die Deutlichkeit,
waren der erſte Verſuch einer Theorie des philoſophi⸗
ſchen Vortrags. Er erklaͤrte ſich darin mit aller Macht.
gegen alle dunkle, leere Terminologien, und foderte,
daß ein wahrer philofophifcher Begriff in jeder gebil⸗
deten Sprache auch einen verftändlicyen Yußdrud fin⸗
den müfle. Die deutfche Sprache lobte er, unter den
neuern vor ‚allen, ald die der Philofophie angemeflens
ſte Sprache, nicht blos wegen ihres, ‚großen. Reich—
thums an Ausdruͤcken, ſondern auch wei it ſie leine Aus⸗
druͤcke für leere Begriffe habe, und ſich die Sprache:
ſtraͤube, ſolche Terminologien für die dürre Speeula⸗
tion herzügeben, wie fie die Scholaſtiler erfunden hate
B ten.
365 Siebented Hauptſt. Erſte Abth. Vierter Abſchn.
"gen 127), So wie er- das Abſterben der ſcholaſtiſchen
Philoſophie zum Theil in England und Frankteich dars-
‚and erflärte, daß man ih dieſen Ländern in der Mut⸗
terſprache zu philoſophiren angefangen habe; ſo lag
darin eine treffende Ahnung von dem endlichen Schick⸗
“fat derfelben in Deutfchland. Leibnitz hat, wiewöhl er
ſelbſt fich der damals gangbaren Iateinifchen und fran⸗
zoͤſiſchen· (der Testen des Auslandes wegen) bediente,
doch ſowohl zur hoͤhern Cultur der deutſchen Sprache
zum wiſſenſchaftlichen Gebrauche, als auch zur weis
tern Verdrängung der feholaftifchen Philofophie durch
die/Darftellung der Phitofophie in der Mutterfpradhe 3
den Grund gelegt, worauf ‚mehrere berühmte Denter,
nach Thomaſius und Wolf, welter fortſchritten. “
Leibnitzens Philoſophie wurde durch den ausge⸗
brelteten Ruben ihres Urhebers und durch die Verbin⸗
dung, in welcher er mit den vorzuͤglichſten Gelehrten
- aller Länder ftand, bald befannt und berühmt; fie‘ er-
hielt eine Menge von Liebhabern und Gegnern; es
‚entftanden über fie Streitigkeiten; fie wurde angegrif⸗
fen und vertheibigt. Indeſſen bemächtigte fie ſich des
öffentlichen. Unterrichts noch nicht bis auf Wolfe Zeis
ten, wo fie erſt, ald eine neue Philofophie, auf den
hoͤhern Lehranftalten vorgetragen wurde, mit der herr⸗
ſchenden Philoſophie den Kampf begann, und fie zus
R est
. vo) | Zeibmi ii dissertat. de stilo philosophito. Leib... -
Vol, IL p. 87..88. . lllud tameh as-
Serere N huic tentamento ‘probatorio aique
‚ examini Pphilosophematum per linguam aliquam“
vivam, nullam esse in Europa linguam Germa-
nica aptiorem, qui& Germanica in realibus ple-
nissima et perfectissima. — Contra ad commen-
titia exprimandp lingua Germanica est facile in ·
\ optbsima. .
Sigienpaufen: 5 205°
letzt verdrängte, Diefes lam baher, daß die neue phi⸗
loſophie noch. keine ſyſtematiſche Form erhalten hatte,
und gleichzeitig mit Leibnig, einige. Denker, ebenfalls
Verſnche zur Reform der Philofophie. machten, welde
theitweife Beifall fanden und den, Forſchungsgeiſt ins -
tereffirten, bis Wolfs ſyſtematiſcher Geift die verfchies
denen divergirenden Richtungen ‚größtentheils- in dem
veuen Syſtem vereinigte. 7
Edhrenkried Walther von Tſchituhauſen
war den 10ten April 1054 zu Kieslingswalde in der
Dberlanfig-geböreg. Co wie er durch Hauglehrer die
erfien Elemente der Geometrie begriffen. hatte, fo ers
griff er mir großem Eifer diefe-Gegeuftände, und es -
bildete ſich ein lebendiges Sntereffe für die Mathemar
ÜE, welches die Hauptneigung feines, Lebens beftimms
x te Im J. 1672, als er fiebzehn Jahr alt war,
ſchickte ihn fein Vater auf. die Univerfität zu. Leiden;
DObgleich der unglüdtiche Krieg, in welchen Ludwig XIV-
faft alle vereinigte Provinzen, bis auf Holland, in Furzer,
Zeit erobert hatte, und alle ftubirende Juͤnglinge vie
Waffen zur DVeripeidigung des Materlandes ergriffen,
wobei er fich ebenfalls als Freiwilliger an die Vertheie.
diger der Freiheit anfchloß , der Erreichung feines
Hauptzwecks hinderlich. wurde, — deun nachdem .er
* 48 Monate Kriegsdienfte gethan hatte, mufite er. nach
Hauſe zuruͤckkehren — fo war doch die kurze ‚Zeit, die
er dem. Studiren widmen konnte, nicht verloren gewe⸗
fen. Er hatte die Carteſianiſche Philoſophie kennen
gelernt, die Schriften des Carteſius und des Spinoza
zu ſtudiren angefangen, und bieraus Ideen gefchöpft,
weiche feinen energifchen Geiſt in’ Bewegung festen.
Er machte ‘bald nach ſeiner Zuruͤckkunft Reifen nad
England, Frankreich, Italien, Sitllien, Malta. Als
lenthalben fuchte er auögegeichnete, Seröorn quf tu
trachs
\ s
206 Ciebentes Hauptk Erfte Abth. Biete Atfhn. -
tradhrere die meilwrbioſten Naturgegenftände und bez
ſah die Werkftärte der Kuͤnſtler. Das wiſſenſchaftliche
Intereſſe erfüllte feine ganze Seele; die Wahrheit zu
erforſchen, war ihm die größte Gluͤckſeligkeit. Mathes
matik und Phyſik nahmen aber unter allen Wiffenfchafs
ten die erfte Stelle ein, und an fie Tnüpfte er alle Erz
kenntniſſe - des menſchlichen Geiſtes an. Nicht Eitel⸗
Nkeit, nicht Ehr⸗ und Ruhmſucht, ſondern reines Inters
eſſe für Wahrheit, für Geiſtesbildung und für das
Wohil der Menſchheit, trieb ihn, fid) ganz diefen Wifs
fenfchaften zu weihen. Er hat in den genannten Wil
fenfchäften ngue Eutdeckungen gemacht, und durch manz
che Erfinduhgen, 5.8. feine Brennfpiegel und fein Por—
- eellan; ; ‚Ruhm erlangt. Bei feiner großen Thaͤtigkeit
und der Sruchtbarkeit feines Geiftes ift doch, außer
feiner medicina mentis et corporis, . und einigen Ab⸗
handlungen in den Actis Eruditorum und in den Denk
fchriften der Akademie der. Wiffenfchaften ‚zu Paris,
von welcher er feit 1682 Mitglied war, nichts erfchies.
nen, ungeachtet er mit großen und herrlichen Entwürs
fen ſich befehäftigte. Seine Reifen, mannigfaltige Zer—
firenungen, eine Reihe von häuslichen Unglüdöfällen,
aid wahrſcheinlich eine weit getriebene Sorgfalt für .
Vollendung und Reife, baben vermuthlich die Wer ,
um viele - gediegene . Früchte . feines Geiſtes gebracht.
Er febte-übrigend als ein Liebhaber. der Weisheit im
dem ebelften Sinne des Worts, und ftarb am Steine,
den 11 October 1708, nachdem er alle feine Papiere ‚
hatte verbrennen laſſen J—
Eine
1 Eine oeebehebeſchreibumg des Tcchirnhauſen erſchten
"zu Goͤrlitz a708. 8. Die werkwuͤrdigſten Lebensum ⸗
‚ fände deffelpen, hat auch Fonteneſte in den Elo-
ges p. a66 darrftellt. Leibnitii Epistolae Vol.
. A. p. 78. Eisienpaufens: Berdienfte um die Philos
\ ſophie,
Sröirnpänfen 97,
Eine merkwürdige Erſcheinung war das einzige
Merk, womit er die gelehrte Wett beſchenkt hat 128).
Es enthielt eine große Idee, ‚die er-fchon in feinem
Frühen Juͤnglingsalter gefaßt hatte; denn fie-ging auf
nichts. geringeres, als eine gänzliche Reform der Phi—
Tofophie, auf eine feſte wiffenfchaftliche Begründung
derſelben, mit Verbrängung aller einzelnen ‚Schulen
und Secten ‚durch, eine, durchdachte Entwidelung- des
Bewußtſeyns, mad), dem Beifpiele der Mathematik.
Wenn auch diefe Idee nicht. ganz reif ift, indem fie
noch vieles vorausſetzt, was erft noch tiefer zu erfor
fchen. war, und befonders durch Ueberfehung, des Une
terſchiedes zwiſchen Philoſophie und Mathematik, eine
feitig_ wird; wenn fie auch ebendaher nicht den. Erfolg
batte, den ſich ihr Urheber verſprach: "fo iſt fie. doch
nicht ohne Einfluß auf den Gang der Philoſophie ge⸗
‚blieben , und enthält‘ auch neben, dem Unvollkomme⸗
nen viele wahre, eines "gründlichen Denkers würdige
"Gedanken, wodurch das Werk and) jegt noch Intereſſe
hat. Vorzüglich wichtig ift die Anſicht von der Philos
Tophie als einer Wiffenfchaft, die ſich jeder felbft, dich
fein ſelbſtthätiges Forſchen erwerben muß, und einer
Merhode, bie Wahrheit ſelbſt zu finden," welche der
- . Kern
ſophi⸗ nroöͤſt Auszůgen aus ſeiner medieinn mentis, _
eine Abhandl. von Fuͤlleborn, in dem 5 St. :
Beiträge. |
129) Diefes Bert, ; welches sienpaufen ſchen in- dem
Zaohtzehnten Sahre feines Lebens angefangen hatte,
erſchien zuerſt zu Amſterdam 1687, und. dann in eis
er verbefferten Geſtalt, Lipsiae 1695, unter dem Ti⸗
tel: medichta mentisꝰaive artis inveniefidi. prac=
cepta generalig, _ wo auch sine medicina <corporis
hinzukam. Diefe Zugabe gab er auch vermehrt in
deuticher Sprache unter „dem Titel: swdtf nuͤtzliche
Sebenseegeln heraus.
Lu - \ >
ı
N
" 298 Siebentes Haupiſt. Erſte Abth. Vierter Abſchn.
Kern der ganzen Philoſophie, und gleichſam bie Wiſ⸗
ſenſchaft der Wiſſenſchaften iſt. Durch eine Erſin—⸗
dungskunſt, welche gleichſam die Algebra der Philoſo⸗
phie iſt, oder durch - eine- Wiſſenſchaftslehre, den
Eingang in dad Heiligthum ber Philoſophie zu öffnen,
den Weg, zu. erleichtern und die Hinderniffe wegzuraͤu⸗
mien, — dieſes war die Idee, welche Tſchirnhauſen in
feiner medieina mientis‘ auszuführen ſuchte, und wor
durch er mehr Nugen zu fliften glaubte, als wenn er
ein Syftem von Wahrheiten aufſtellte; Indem .er ben
Meg loprte, auf welchem jede Wahrheit gefunden wors
sen und mod) zu finden ſey, — was die Denker ges
wöhnlich aus Ruhmfucht zu verbergen fuchen 130).
, Wichirnhaufen wurde auf dieſe Erfindungskunſt
theils durch Reſtexionen über den damaligen Zur
ſtand der Philoſophie, theils durch die Carteſianiſche
Philoſophie geleitet, Er unterſchied ‚drei Claſſen von
Hͤliloſophen:· Worte, Geſchichts-⸗,Realphiloſophen.
Die erſten haben nur die Terminvlogie. der Philoſophie
inue, und wiſſen allenfalls, in welche Disciplinen die
Philoſophie eingetheilt werde, welche Secten in derſel⸗
ben bis auf unſere Zeiten geherrſcht haben;. ihre _
Kenntniffe koͤnnen aus Wörterbüchern gefchöpft wer⸗
den.” Die Geſchichtsphiloſophen fuchen die Achten Be—
hauptungen der verfchiedenen Secten zu erforſchen, Ihe
ten Werth zu beffimmen und den Fortſchritt der. Wife
ſenſchaft bis auf ihre Zeiten darzuftellen; fie bringen
“ ktwas tiefer in dad Wefen der Phitofophie ein, find
aber nody weit von dem Grade der Vollkommenheit
des ‚wirklichen Philofophen entfernt, welcher in dem _
Vewußtſeyn befteht, daß man es in feiner Gewalt ha:
be, alles Unbekannte, “jedoch: dein menfchlichen Ver⸗
Ir . en ſtande
130). Medicina mentis Pruuf.
\
Sfgirnpaufen nn 909
Faride Zugängliche, durch eigne Kraft des Geiſtes an
Das Licht zu ziehen 134). Dergleichen Philoſophen wa⸗
zen aber felten,: und daher auch wahre Philoſophie
noch nicht vorhanden. In der Eartefifchen Schule je⸗
wo fand er einige Selbſtdenker von der‘ Art, und fie
hatten eben über die Methode zu philojophiren Verſu⸗
che bekanut geinacht, die, obgleich unvollkommen, dog
weiter ‚führen konnten. Dahin rechnete er des Carte—
fius Abhandlung über die Methode, die Kunſt zu dens
ten, Malebranche Unterfuchung ‚der Wahrheit, und
Mariotte's Verſuch einer Logik. Wahrſcheiulich aber,
hat noch ein Denker aus dieſer Schule einen großen
Einfluß auf dieſes Unternehmen gehabt, wiewohl
Tſchimhauſen deſſelben nie gedenkt, namlich Spinoza,
Es iſt nicht wohl anzunehnieh, daß die Schriften: Dies
ſes Ptiloſophen „ die ſo viel Aufſehen erregten,
Tſchirnhauſen ſollten unbekannt geblieben ſeyn. Die
shediciis mentis und die Abhandlung des Spinoza
von Verbeſſerung des Verſtandes, haben in der Idee
und in der Methode ‚eine fo große Aehnlichteit, daß
man, öhite viel gu wagen, behaupten kann, Spinoza
habe dem Tſchirnhauſen das Thema aufgegeben, zus
"mal da auch aus einigen Gedanken hervorgeht, daß der
7 ”. letz⸗
139) Mein, mentis Prarf. Hic utique ad al-
tiorem quideni gradam ascendit, sed longe \tas
men adhuc meo indicio a upreino gradu abest;
cum &ognitio eis non alia uisi historica eit, ac
ideo hic ipse philosophi patius kistofialis quam
ealis tirulurt mereatur. Hoc diquidem philoso- .
- pi tealis nomen illi saltem compeüt, qui ad .
lantum pervenit &ognitionis gradum, ut re ipsa
‚obsetvet, in sid, potestate esse qmequid incogni-
tum sed humano tamen intellectui pervium est;
peopriis ingenn shi ‚eirlbus in Iucem ‘produs -
‚care .-
DU Zu 8
aıo, Siebenles Haupt, Erfie not. Bierter Abſchn.
letztere die Schriften des aiſtern geleſen haben muß 32).
Außerdem aber wiſſen wir dieſes noch aus dem Zeuge
niſſe des Philoſophen Wolf, der aus dem Munde
Tſchirnhauſens das Urtheil hoͤrte: ESpinozʒa habe kei⸗
nesweges, wie man ihm Schuld gebe, Gott, und Na-
sur mit einander vereiniget, ſondern Gott viel treffen⸗
der definiet, als Carteſius 3%), '
Nur iſt des Unterſchied wahrzunehmen, daß Spi⸗
noza bei feinem Organon ſchon die Idee ſeines pan⸗
theiſtiſchen Syſtems im Hintergrunde hatte, Tſchitu⸗
hauſen aber, ohne alle Vorausſetzung irgend eines Sy⸗
ſtems von Wahrheiten, nur eine formelle Erfindungs-
kunſt der Wahrheit entwickelte. Hierzu her ihm hip
Mathematik ein nahes und einlabendes Veifpiet dar.
So wie man durch die Analyſis in ‚den ‚Stand geſetzt
wird, alle, auch noch ſo verwickelte, Aufgaben zu loͤe
fen, und verborgene” Wahrheiten der Dearpemati, zu,
Nur einige Steffen, wo die Berift,. ja fefsn die
ee auf Spinoza hinweiſen, mögen hier ftehenä
p. 36. Caeterum -hinc manifestum ‚est, omnem:
eonceptum seu, ut alii vocant, ileam non esse '
äliquid guti, instar picturae in tabula, sed eum
necaps aut affirmationem : aut negationem
semper includere, p. 64- 65. Nam cexte, sicnti
lux seipsam tenebrasque manifestat,' sie veritas
et’ sui et falsi est norına. “Spinoza ‚Ahica P. IL,
Prop. 45. schol. Nec sane aliquis de hac re du-
bitare potest, nisi putet ideam. qnid, mutum in« ,
star pictürae in tabula. — Sane sigut lux se
ipsam et tenebras 'manifestat, sie veritas sui. -
et falsi eat rorma.“ Auch die“ Erklärung, der :
Tugend‘ p. 70. potentia in homine ek, legibus sa
nae rationis suäm naturam conservandi, iſt Gpir .
noziſtiſch. Eikica P, IV. Prop. 19« 20,
133) Gottſched's Lobſchrift auf hr. Wolf, ©. 18,
Done int
‚Zigirnbaufen, 211
entdecden, und ſie alſo eine Erfindungskunſt für die
Mathematik iſt; fo ſuchte Tſchirnhauſen fuͤr die menfche
liche Erkenntniß überhaupt, oder was Ihm gleichviel
war, für die Yhil s ſophie eine allgemeine Erfim
dungstunft, die er nicht mit dem Namen Logik
oder Metaphy fit, weit er mit dem, was damals
fo benannt wurde, unzufrieden war, fondern die Heils
Zunft des Verſtandes nannte. : Borerft war es
ihm nur darum zu thun, die allgemeinften Regeln der
Erfindungskunſt zu entwickeln; in der Folge wollte er
auch die ſpeciellen und ſpeciellſten Regel ; und in be⸗
ſondern Werken die Methode, das Unbekannte in der
Mathematik zu entdedken, Erfahrungen zu machen and:
daraus nuͤtzliche Wahrheiten abzuleiten, die Methode
das Verboigene In der Phyſik zu entdecken, und bie
ſpeclellſten Regeln für. die Gefundheit des Griftes,
Ethik, des Körpers, Medicin, und für ‘die Mechanik
ausführen. Es ift ein Verluſt, daß von diefen Unters
ſuchungen nichts erſchienen außer der medicina
corporis. j \
Indem Tſchirnhauſen eiiten leichten und fichern
Meg zur Entdeckung der Wahrheit lehren wollte,’ ‘ges
bet er von dem Seibſtbewußtſeyn aus; er entwicelt '
die allgemeinften Thatſachen a'priori, und beſtaͤtiget
die gefundenen Reſultate dure
ſetzt Hler- nichts von dem, voraus, was in der Phllofos
phie ftreitig oder ‚zweifelhaft if.” Die Fragen: was
die Seele, was das Vorftellen ind Denken, was Ver⸗
Fand und Wille ſey, worüber ſich die Philoſophen für
gleich entzweien, läßt er. im’ "Ahfange "dahingeftellt
feyn, und haͤlt fih nur an "die Seibſtbeobachtung,
durch deren Erörterung er’ auf die Begriffe dies
ſer Vermögen "ind “ihrer Geſetze kommt, und--fie
nach und nach weisen beſtimmt. Indem er fo ſein eige
nes Bewußtſeyn anaͤlyſitt und datuͤber reflectirt, fett
J —8F —* erg ME -
je Erfahrung. Er,
"ara Giebentes Haupt, ErleWbth. Vierter fin.
er jeven ayfmerffamen_Lefer in den Stand, dieſelbe
.Xpätigfeit nachzumachen, und auf biefe Art die Res
geln der’ Wahrheitsforſchung aus ſich felbft zw ſchoͤ⸗
ei. : Die Grundfäge, welche er zum Grunde Iegt,
find fagende: 1) IH bin mir mannigfaltiger
Dinge bewußt. 2) Bon einigen Dingen
werde ich angenehm, von andern unanges
nehm afficirt. 3) Einige Dinge fann ih
begreifen, andere nicht. A) Durch Hülfe
- per äußeren Sinne, der innern Bilder und
Veränderungen nehmenich Mannigfaltiges
wahr: Das erfte ift das erfie, allgemeinfte Princip
aller Erkenntniß, das zweite dad erſte Princip der Mon
ral; dad dritte der Gruudſatz der Erkenntniß des Wah⸗
“ren und Falſchen, das. vierte das, Princip der Ers
fahrung.
Zuerſt legt ſich diefer Denker die Frage vor: wel⸗
ches iſt unter allen Beſchaͤftigungen und Veſtrebungen
die edelſte und vorzuͤglichſte? Das Streben nad
wahrer Erkenntniß. Diefes votausgefetzt, fragt
fid) zweitens: was ift zu thun, und wie muß man es
angreifen, um vie wahre Erfenntniß zu erlangen? Die
Methode ‚enthält die Antwort, darauf, welche theils ein
untrügliches . Kennzeichen ¶ des Wahren und Faiſcheu,
theild das Mittel, vom Wahrheit zu Wahrheit fortzus
- ‚föpreiten, und, dritten die Mittel, die Hinderniffe der
Erkenutniß der Wahrheit zu entfernen, entwiceln muß,
Drittens, da die befte Methode ohne Anwendung kei⸗
- en Werth hat, und der Dbjecte, worauf fie angewen⸗
det werden Bann, unendlich viele find, fo fragt es ſich,
weiche Objecte find es, welche, nach jener Methode ere
forſcht, den menſchlichen Geift am meiften befriedi⸗
gen? Dieſes hat. Tſchirnhauſen in drei Theilen aus⸗
“geführt. Der: erfle und zweite Ubfpuirt des zweiten,
J nn der
f .
AL
: ‚<ihirnhaufen, - j 213
Der das Primip ber Erkenntniß des Bahten und. ‚Sale
ſchen, und die ng enfie, iſt bier füt ums der
„weüchrigie, “
' & gewiß es m einige Dinge einen Angenef: ü
sun oder unangenehmen Eindruck auf und machen, fo
gewiß ifi es auch, ba wir. durch un felbft weit beffer, . . \
als durch einen Dritten erkennen, was wahr oder falſch
iſt: Wir haben die Regel in uns und dürfen fie nur
„Funden, ‚Bas, wir begreifen, das halten
wir für wehr, was wir nicht begreifen koͤn⸗
nen, das halten wir für falſch. (Begreifen
(soneipere) ift. fo -viel, als zwei Begriffe mit einander
verbinden.) -Diefed. iſt die Regel :unferes. Verflandes,
wodurch: er Wahres und Falſches unterſcheidet. Wir
erllaͤren die Urtheile:, eig. Stab if Heiner als ein abz
gebrochener Theil deſſelben; _ die Radien des Kreifes
ſind uugleich; ein von ‚einem andern in Bewegung ges
ſetzter Körpet iſt nicht bewegt, für’ falſch, darum, weil
wir ſie nicht begreifen, koͤnnen. Wenn wir dagegen auf
die Urtheile: der ganze Stab iſt größer als ein abges
Weochener Theil; alle Radien des. Eirkels find einander
gleich; ein Körper wird. aus feinem Drte getrieben,
wenn, ein, anderer in feinen Ort bringt, reflectiven, fo
finden wir, daß wir fie darum ‚für wahr halten, weil '
es in unferem Vermögen ſteht, dieſes zuſammen zu
veufen, weil es begreiflich iſt. Es folge hieraus 1)
daß aus dem Wahren nur Wahres, aus dem Falſchen
wie Wahres, ſondern nur Falſches folgt, 2) daß Fein
Begriff wie ein ſtummes Gemälde in dem menſchlichen
SGeiſte zu betrachten ift, fondern nothwendig eine Bes
zahung oder -Verneinung.in fih ſchließe. Beja—⸗
ben, Verneiuen, find nämlich nur Worte, wodurch wir
anzeigen, daß wir etwas zufammendenfen (coneipere),
oder nicht. zufammendenten Können, Und hierauf berus
b het
.-
ne.)
a 4 Siebentes Hauptfe Eſte Abth. Wierer Abſchn.
het auch eiudef der iẽdeiſchled zuifchen Ding, Unding,
WMoͤgliches, Unntögliches. Ale Principien, welche Au⸗
dere aufgeſtellt haben, find in ihm enthalten. Denn
"was heißt der Gab: a aus Nine wird Nichts, anders,
B als: dus dem Unbegreiftichen "Bins'hichts anderes Bes
greifliches abgeleitet "werden. Der Satz: / es iſt unmoͤg⸗
Ti), daß etwas zugleich. fey' und wicht. fey, ‚hat keinen
andern Sim,‘ als: eat unmeg H N etwas zu⸗
gleich degteiflich wid "uhbegrel "denn biefed:
ſchließt einen offeitdren —8 ein, und iſt
folglich ein betaunteres Vhoheres Princip als je
Wir haben ein Beinögen a etnat z zu’ begreifen,
und das, Gegenthell che, zu begreifen, „welches wir
Berftand (intelleen:) nehtien. Alie vernünftige:
Menfchen haben ein ſolches Vermoͤgen; denn alled,
was erwieſen Erde Tann, wird enrweder auf etwas
Erfannted, woran Niemand zweifein kann, oder auf
etwas Ungerelmtes, Unmoͤgliches, d. i. auf etwas Bes,
greifliches oder‘ Unbegreifliches zuruͤckgefuͤhrt. Dieſes
iſt das erſte unimnfößfiche Prineip, das Niemand in
Zweifel‘ ziehen Tann, durch welches jeder weiß, Daß er -
“ Einiges begreifen, ‚Anderes nicht begreifen kann, und
was für ihm begreiflich und unbegreiflich if. Indeſ⸗
fen ift das Legte, daß es Unbegreiftiches "gibt, weit
äinleuchtender, als das. Erſte, ſo · wie jeder apogögiiche
Beweis kraͤftiger wirkt, als · ver directe, wenn dieſer
auch den — mehr befriedigt und intereſſirt;
EN Medicina mentis p. 34. 35. "Hine ergo "a
eitur, falsitatem quidem consistere in co, quod
- non. ‚potest concipi; veritätem vero- in, eo, god
‚ Potest coneipi.
en Aihiradaufen,. 2i15
denn Biefer, zur ein Bermigen, jener ein Bitte
23 an. 3 N,
Diefer Unterſchied kommt ‚daher, daß wir noch ein
anderes Erkenntnißvermögen , außer dem Verſtande,
Haben, nämlich durch die äußern Sinne, durch die Bil⸗
Verabwefender Dinge, durch unfere innern Vetaͤnde⸗
zungen, die Imagination. Wir finden durch tiefes
res Eindringen, daß diefed Vermögen nicht fo von uns
ferer Natur abhängig iſt, als der Verſtand. Denn
108. wir: durch den Verſtand denfen und begreifen, das
ſcheint von und. felbft verrichtet: zu werden, dagegen
die Einbildungskraft und fo, wie man: ein Schaufpiel
ſchaut, von Außen erwas vorfährt und vorſtellt. Durch
ven Verſtand denken (concipiuntur), durch die Ein⸗
bildungẽtraft nehmen wir wahr (percipiuniur),
W wir es wollen 1228). Einiges von dem⸗
jee
D
135) Medicina mentis -p: 40., Verüm enim vero
non possum non candide fateri, ea (videlicet,
me quaedam posse, quaedam non posse conci-
pere) utut a6que vera sint, non tamen aeque
perspiena esse. :Hoc. enitn mulio evidentius mi-
‘ hi videtur, me quaedam nullo modo posse can»
eipete, ac ilud, me quaedam concipere possey
qua in re unicuique propria conscientia validis-
simus 'erit teätis, — Qui demonstrandi modi
etsi mienti non aeque faciant satis, ac il, qui
‚ostensivi dicuntur (quia nobig acceptius est, ali-
quid pesse, quam non posse eöncipi; prius enim
potentiam, posterius nostrant indicat impoten-
tiam) _multo interim fortius adversarium au as-
- „semsum, qui unicus eorum est scopus, c⁊ cogunt.
136) Medieina. mentis p. At. Qui igitir antentius
, hene facultatenı, quam modo. imaginationanı vo- ”
„ considerat, eum latexs non poterit, hanc.
coguoscendi facultatem ‚non videri ita a nostra
na-
un \ . in =
816 Giebentes Haupt, Crfie Abrh. Mierterbfänz
jenigen, was wir durch die Einbildungsfraft ung vor⸗
fallen, Können wir begreifen; fehr vieles aber iſt vom
der Art, daß wir gar feinen Begriff davon bilden, ja
nicht einmal (wie vom Schmerz) ein Bild davon m
ben tönnen,
Daraus Finnen wir ertlaͤren, warum ung hei dem
Streben nach Gewißheit die Dinge, die wir nicht bes
greifen Tonnen, mehr reisen umd anziehen, als diejeni⸗
gen, welche wir Rpreifen Können; weil wir fie weder
hegreifen noch ung eimbilden Finnen, Es iſt folglich
gleichviel, ob wir" dad Unvermögen, fie in Vorſtellun⸗
‚gen zu faflen, dem Berftande oder der Einbildungs⸗
kraft zuichreiben, da ein ſolches Object auf beide Art
etwas Unbefanntes für mı6 iſt. Im Gegentheil iſt ee
wichtig, das, was wir blos einbilden, nicht mit dans“
jenigen zu verwechſeln, was wir begreifen, da wir je
ues bald begreifen, bald von demſelben auch nicht
‚einmal einen Begriff haben koͤnnen. Ohne dieſe Unter⸗
ſcheidung wird man ſich leicht einbilden, etwas begrifs
fen au haben, was hlo8 eingebildet werben, und glau⸗
ben, es fen uns etwas befannt, was doch unbekannt
iſt. Wer die Weiſe, wie die Neueren diejenigen Er⸗
ſcheinungen, welche gewoͤhnlich aus dem Abfchen von.
dem Leeren abgeleitet werden, aus dem bloßen Drud
„ber Körper erklären, inne hat, der fieht wohl ein, daß
. ” Wiele
natura dependere, ac priorem illam — quem in.
.. tellectnnı noncupavimus. ‘Ubi enim intelleetu
* “quaedam coneipimus; vgl concipere non poeiu ·
mius, ga onınia quasi a nohis ipsis peragi vie:
"dentug, at per hane posteriarem, imaginationem,
" „püta, Onınia potius quasi extrinsecus, uti canıoedias
spectanubus aceidit, adveniunt seu reprassentantur,
adeoque tantummodo percipinntur, non vero
eoncipientur, quoniam nobis invitis werenmero J
oeeuniram.
s
— Wiſenſhahtelehre. 27
Bde fi nur cindiden, ſie haͤtten einen: Begriff von
dem Mbicjen Hor dem Leeren und’ von der Anziehung,
dooton, fie doch keinen Begriff haben Finnen. MHieraus
wird e6-Har, "warum mur diejenigen, welche ſich mie
der Mathematik vertraut ¶ gemacht haben, In der Phys
ſit bisher Fortſchritte gemacht haben; dem dieſe ha⸗
ben vurch mehrere" Verſuche den Unterſchied zwiſchen
dem Einbiſden und dein Begreifen.. einfcher gelernt.
Daraus erhellet auch, warum Dielen däsjenige, was
von der, Verftandeserfenntniß gelehrt wird, fo ſchwer
vorkommt, und warum fie glauben, wenig oder gar
nichts dadurch zu Jernen, wenn es auch noch fo vors
zuͤglich it, und mit berjen gene Deilttichkeit, welche die
Natur der Sache erlaubt?! vorgetragen ‚wirt, Die
Thaͤtigkeiten der Einbitdungstraft haben ung. naͤmlich
. höher ganz beichäftigt, ſo daß. wir auf, das, mas benz
Berfande angehört, faft, gar keine Aufınerkjanteit ger
richtet haben, und wenn auch ſolche Gegenſtaͤnde dar⸗
geſtellt werben, fie. doc) für Undinge haften, wofern
nicht durch viele Beifpiele, dergleichen hauptſaͤchlich
die Mathematik darbietet, dem Befunde die Elennt⸗
niß deſſelben erleichtert wird.
Es ie daher für den Anfang des Phileſephiten⸗
von großer Wichtigkeit, ein Kriterium zu finden, wors
aus man fi) überzeugen ann, ob man etwas bes
griffen habe over wicht. . Darauf führen. folgenz
de Vemerkungen⸗ Das Verſtanbesvermogen iſt in-alk .
> fen Menſchen gleich. - Wenn es daher wahr if,
daß ic) ‚etwas begriffen habe, ſo werde ich, ohne
Zweifel bewirken Tönen, dag auch Andere, die
daſſelbe Ver ſtandesvermögen befigen, deuſelben Be—
griff, den ich habe, ‚in ſich bilden, und das mir Un
begreiffiche ebenfalls für ſolches halten, Die ma—⸗
thematiſchen Demonſtratienen beweiſen dieſes. ‚Da
FERN . z3wei⸗
. zweitens Das Einbidungspermögen :in, den Werfen
5 vbewiean
Andere dieſelhe Wahrnehmung. bekommen
J
"318 Siebentes Hauptſt. erſte Abth, Vierter Abſchn.
a
M n LE
hat. So fan. man deu Vliud gebornen auf keine Weiſe
il zorten: rothe Farbe,
Finſterniß verſte Hiesays argibt. ſich. eine
Regel, ‚wodurch auch. der pe) Ungeüste, mit Gewitz⸗
ungleich ift, ſo kaun man nicht immer:
heit uuterfheiden Tann, was ap begjäffen, war.ey biag
eingebildet, und was er zum Thtil begriffen, zum
Theil blos eingebildet Hat "Tu... un ie ann...
Gegen dieſen erften Grundfag koͤunte der "Einiourf
gemacht werden, er fey in’ der’ Erfdrſchung der Mahrs
heit von feinem Nutzen; veun alles, waͤs aud' demfelZ
ben abgeleitet werde, fey vielleicht nur In unferer Vbi⸗
. teluiig, aber nicht in der Sadje'an ieh; wahr. "Atein -
wenn man auch mit den"Steptikttn "Borausferidh ooll
te, alles erſcheine und 'nür-fo, aber es eriſtlte nid
abſolute To; fo muß man doch einräumen, “daß einige
‚von dieſen Erſcheinungen, fo zu ſagen, "beftändig und
bleibend, andere aber veränderlid) find, und jene uns
unter“dem Schein des Wahren erſcheinen. Diefe Und .
terſcheidung ift von großen Einfluß mif“ das Xeben
und ‚die Einrichtung deſſelben. Man müßte alſo,
wenn auch die Skeptiker Recht Hätten, dennöch philo⸗
fopbirem, 8: I, die beffänpifjeh Eeſcheinungen vom den
137) ;Medicina mentis. p. 46. Hi
tis tanquam certissimig, cepium ‚etiam.;erit,ej .
statuam, aliquid mihi notum, alii yerg, ‚plane .
fgnotum esse, et observem, in mea esse Patesta-
te, illo saltem mihi haud obstante, solis verbis
eandem et aeque perfectam, ac ego ipse’ea de
re habep, notitiam- in eius mente excitandi; cer
tum, inquam, erit, me istam hanc rem non ima·
ginari, sed concipere,
Sſchinhaufens woienltetinchen 219
” urhefländigen unterſcheiden. Uebrigens gehört Die Une
terſuchung, ob hie, Wahrheit des Begriffs identiſch ſey
mit. der Wahrheit des realen Seyns, nicht zum Ynfang
"ge. des Philofophirens, fondern in den Bortgang deffels ..
ben, wo die Natur des Verſtandes a priori, zu unterz
ſuchen und zu erklären .ift. Tſchirnhauſen machte, Soffe
nung, dieſe Wenitũt ein anderes Mal zu demouſtri⸗
ren J RJ
"Man Kann, feruer eiivenben, es Tey gar nicht“
waht ſcheinlich, dafı dieſes der ag I Yhls
‚Tofophle fey. Laͤge darin das Weſen der ahrheit
und der Falſchheit, daß etwas begriffen oder nicht bei
griffen werben kann, fo müßte ed als ein Wunder ers
feinen , daß die fhärfften und geiſtreichſten Philoſo⸗
phen bei einem fo, einfachen Satze in die größten Irr⸗
thümer verfallen find. Und wenn man annimmt, daß
fie bet. ven erfien und einfachſten Saͤtzen die Wahrheit
B Fi ers
2
138) Medicina mentis p. dr. 5a. Nam licet omS
nia merae essent Apparentise, guemadmodum illi
(Scepüci opinebantar, pröpterea tainen non mie ·
I aus philosophandum, h, e. rühll..tamen seciug
apparentiae fit ab infrmis ‘ob infinitam,
quam inde percipimus, 'utilitatem secernendae
essent. — Maxime notandum, nullo modo ini-
tio Philosophandi Opus esse nt inquiratur, num
veritas in conceptu ealdem sit cum rebus extra
me existentibus ; pariim quia hoc 'ipsum, meo
quidem iudicio, ad alium locum’ pertinet, in
- quo narura intellectus a priori eruetur et expli-
cabitur, ubi etiam aliquando, verumne an falsum
sit, definietar, Si prius sit, Sc id, quod in’con-
cepin verum est, ‚eliam necessaria in. rebus ipsis
verum -esse, quod me demonstraturum spero,
quid opus hie, loci hoc ‚ostendere, cum id ibi«
dem Jönge aptius fieri possit?
\ ‘ D . ”
\ . -
220 Sichentts Haupt. Erſte Abth. Wiener dlbſchn.
erfaßt haben; fo find fie doch fo uneinig, daß jeder
ein beſonderes Princip für fid) gebildet zu. haben
ſcheint. — Dagegen dienen, folgende Bemerkungene
Wir ſtellen uns oft vor, in ben Schriften große Irr⸗
thümer, ja Ungereimtheiten zu finden, bie doch. nur ii
unſerm eignen Gehirne vorhanden find. Die Irrthuͤ⸗
mer großer Maͤnner find nie fo groß und.fo ungereimt,
als ſie erfcheinen, und zeugen vielmehr von einem gefuns
‚ dern Verftande, als die Gedauken des gemeinen Mannes.
"> ‚gerthümer finden freilich auch bei den vortrefflichſten
Genies Statt, weil fie, nach der Befchaffenheit endli⸗
ber Geiſter, wicht blos Verſtand, ſondern auch Einbil⸗
dungskraft beſitzen, und Eindruͤcke von äußeren Ob⸗—⸗
jeeten bekommen. So unvermeidlich es indeſſen iſt,
durch die Einbildungskraft zu Irrthümern verleitet
zu werden, fo kann man fie doch auf die Geſetze des
Verſtaundes fo weit zurücführen, daß es beinahe eben.
ſo unmöglich) werden muß, zu irren, wenn man fich
an fie hält, ald wenn man allein mit dem Verſtande
asitg mine 9),
. » Der: Grundſatz erſtreckt ſich übrigens nicht auf
diejenigen Gegenſtaͤnde, welche nur durch Offenbarung
J be⸗
a39) Medicina mentis p. 56. Nos quod aitinet,
ipsam imaginationem ibidem loci ita reducemus
ad legus intellectus, ut illam solam seynendo
aeque fere impossibile futurım sit errate, ac ai -
sola concipiendi facultate uteremur, In dem .
dritten Abſchnitte des ziveiten Thelles zeigt cr, wie,
durch die Einbildungsfraft Irrehümer entſtehen koͤn⸗
nen. Wir können und naͤmlich durch die Eindildungss .-
kraft das Verfchicdene als verfhieden, Dinge als vers
— en oder als cincrli vorftellen, die es Micht
fin. ©. 165, .
ne on
Sſchinhauſens Weiftenſchoſtslcht. ast
belaunt · gemacht worden; denn ſie find dem Verltande
gar nicht zugänglich und keines natuͤrlichen oder phi⸗
Lofoppifchen" Begriffs. fähig; fondern er dilt tur vom
denjenigen, von denen wir ‚Begriffe haben, welche ſich
vereinigen laſſen. Wovon wir Keinen Begriff haben,
von dem kann man auch wicht wien, ob es ſich nen
einigen laſſe oder nicht; es iſt nicht falſch, fondern
nur nubelannt. Nur das iſt falſch, wovon wir Bes
griffe für fi) haben, die ſich aber nicht. vereinigen ‚Iafe
fen. Der Grundfag iſt endlich. nur von fehr einfachen
und von ſolchen zufammengefegten Begriffen zu verſte⸗
ben, welche-in endliche, der Zahl nach beftimmte, eins
fache aufgelöft: werden Tönen. Denn einen aus uns -
endlichen Begriffen zufammengefegten Begriff zu bes.
greifen, z. B. die Zahl der Sterne, oder die Zahl als
er Thelle der Materie, geht über das Vermögen eines
endlichen Verſauded.
Der Grund zur Crforfehäng der Wahrheit iſt
durch dieſen Gyundſatz, wodu der mit Gewißheit
beftimmen Tann, was wahr, \| falſch iſt, gelegt;
man muß uur, unter der Leitung deſſelben, fo weit,
als möglich, fortfahren, und alle mögliche Vegriffe,
deren unfer Verſtand fähig. ift, zu erwerben ſtreben.
Damit dieſes jedoch nicht zu einer zu großen, umſern
Verſtaud überfteigenden Maffe anwachſe, auf der am
dern Seite aber auch alles beſtimmt und deutlich, ohne
etwas zu überfehen,. zufammengefaßt werde, ſo werde
ich fürd Erfte ale mögliche erfien Begriffe, aus wels - .
chen die übrigen gebildet werden, d. i. die Definis
tionen, in Ordnung bringen, nachher die Definitios
nen au fich betrachten, und die daraus unmittelbar abs
„geleiteten Eigenſchaften Axi om e nennen, und endlich
Die. Definitimen auf alle mögliche Weiſe unter einan-
ee
u . Ne J
>,
222 Sichente heuriſ Eſie aibth. Binden
jr verbinden ‚ und bie daraus abgeleiteten Wafıkeis
ten Theoreme nennen **°),
Tcſchirnhauſen iſt in der Aufftellung und. Erläutes
zung der Regeln von den Definitionen, Ariomen und
Theoremen ſehr ausführlich; denn fie machen das We⸗
ſentliche der Erfindungskunft, und infoferm fie, nach
“ feiner Auſicht, Jeden, der fie, verſteht und anwendet,
in den Stand fegen, ein. Wiffen in fich zu erzeugen,
der Wiffenfchaftslehre aus. Die Mathematik iſt bei
dieſer Theorie, die nur aus wenigen und einfachen Re⸗
geln beſteht, das Vorbild und die Quelle der Abſtra⸗
ction geweſen; fie hat. aber den Fehler, daß fie das
Eigenthuͤmliche der Mathematik quf die Philoſophie
und Erfenntniß überhaupt überträgt, ohne vorher die
Thunlichkeit davon unterfucht zu haben, und fie wird
dadurch, ungeachtet. der Menge‘ originaler Gedanken .-
« md herrlicher Anfichten, einfeitig. So fodert Tſchirn⸗
y haufen von den Definitionen, daß fie als die
‚erften
140), Medicina mentis p. 66. 67. Ut autem in. via
“ hae, quam potero longissime progrediar, levi
„0 megotio colligo, mil magis hic e re fore, quam .
“ . ut. omnes possibiles conceptus, quos mentem me-.,
“am ‚poste -formare observo, mihiacquirere stu- "
denn, Quae res ne nimium aoerescat, ac fini-
1ae meae mentis potentiam longe exsuperet et
“ ihterim iamen omnia ita adaequate ac omnino
“ eöimpleötar, ut 'certus sim, nihil a me esse. prae-
termissum,, primo omnes possibiles primos. cdn-
temus, ex quibus formantur religui, redigam in
ardinem eosque in posterum definitiones nomi.
nabo.:. gecundo, has ipsas definitiones in se con-
siderabo, et hinc deductäs proprietates appella-
bo :dxiomata:.tertio dehnitiones inter se omni«
« bus modis, quibus id feri:potest, iungam ap vo⸗
: ritates ind derivatas theoremata die. ı
\ Eſchtahatſens ifenfafeehr, — 235
ehften möglichen. Begriffe vor Eriwas;nbir
Sutſtkhung des Örgenfiandes angeben und
fie das Object ferbft Hersörbringen follem,
. Die. Definition des Ladyens, -fagt.'er;- ift- ur hanie
wahr; wenn fie das Lachen: ſelbſt hervorbringt 223)
Dies gilt allerdings von mathematifchen Gegenflinden; ,
der Begriff iſt hier eine Conſtruction des Objeets. Aber
unfere Erkenntniß iſt nicht blos mathematifch ‚:fondern "
hat einen mannigfaltigen andern Inhalt, begreift ‚nicht
aur Größe, fondern auch Qualität der Objeere. Was
in der Mathematik angeht, kann nicht zur allgemeinen „
Negel gemacht werden. - So wirhtig die Erferſchung
des Eutftehens, oder ber weientlichen Bediugungen ei⸗
nes Dinges ift, ſo kann ſie doch nur In ‚der Sphäre
der Erſcheinungswelt, und auch da nicht ganz vollſtaͤn⸗
dig} Anwendung finden, und da, wo nian die Real⸗
‚gründe
\
1) Medicina mentis p. 67. 68. - Defnitionem
esse’ pkimum. alicuius rei conceptum, seu prie
zınm,.quod de re concipitur. — Rem enim
‚quandam vere concipere nihil aliud est, quam .
actio ses formatio mentalis alicuius rei, aique
adeo id, quod de re aliqua concipitur. nil aliud
est, quam illius rei primus formationis modus
vel si mavis generatio. Deinde si definitio est
primum, quod de re.concipitur et quo aliquid
‚prits concipi posse repugnät, ‚generatione vero
etiam nihil prius de re ulla concipi queat, om-
nis sane legitima seu bona definitio inciudet ge-
nerationem. — ‚'Qnod ad Ethicos spectat, siil
loram definitiones forent genuinae, animi passio-
nes statim in nobis excitarentur, simul ac ea ad»
essent, quae ad eas excitandas earundem defi-
* nitiones requirunt. Sic, si'definitio, quae naturam _
risus explicat, proba esset, subito datis tantum
iis eadem definitione ad ridendum requitis, in
aliu riaum moxveremus.
and Siebentes Hauptſt. &ıfe Abth· Vierter aAbſchn.
grönde erkannt bat, iſt dadurch nach nicht das voll-
frändige Seyn des Objects gegeben. . Ju der. Philsſo⸗
phie aber, weiche es. mehr mit den Ideal⸗, als de
Realgränden su ‚than hat, laͤßt fich dadon fat gar
ein Gebraudy machen, Tſchirnhauſen -fodert nun, daß
man. Me Dinge nach. ihren Merkmalen unterfcheiden
md fie auf Gattungen und Arten bringen foll, bis
man auf folhe Gattungen kommt, die nichts mit eins
ander gemein haben, um fo durch Definitionen die
ganye Erkenntniß zu begränden. In der, Anwendung
dieſer Regel ſtellt er felbft als die oberfien Gattungen
die finnlichen, die mathematifchen. und die phyſiſchen
Dinge auf. Die erfteren, find forde,. welche ich mehr
wahmehme, als begreife, deren Vorſtellung mir, ohne
daß ich es will, aufgedrungen wird; man Tann fe
tmagimabte, finnlihe Dinge, auch Phantasınen nennen,
Die zweiten find Dinge, weldye ich nicht blos wahre .
nehme, fondern auch begrelfe. Dahin gehoͤrt, was ich
von Figuren, Zahlen, Bewegungen erkenne; tationa⸗
le oder marhematifdhe.Objeste, Bei: welchen
. nicht die Eriftenz außer mir, fordern nur bie bloße
- ‚Ausdehnung in abstracto vorgefteilt wird, Drittens
finden wir in und Begriffe von Objecten, die wir recht
gut, aber nur auf eine und biefelbe befländige, Art,
vorftellen koͤnnen, deren Vorſtellung von ber eignen -
Natur der Objecte abhängt, ſo daß fie nicht von mir,
fondern mit mir gebildet wird, .Diefe Obiecte kann
ich wicht anders, denn exiſtireud, vorflellen, und wo
ic) fie mir als wirklich vorſtelle, da wird die Eriſtenz
jedes ‚andern Dinges ausgeſchloſſen. Dahin gehören
die materiellen Dinge, welche nicht eine_reine, durch⸗
—— wie in der Mathematik, ſon⸗
dern eine undurchdringliche vorausſetzen⸗ Koͤrper; re
ale, phyſiſche Dinge **2). "Man folge dem Dens ;
Do
a) Medicina mentis p. 74 1%
r —2 — ——— 225 J
ker auf dieſem Wege, na en diefe Eintheilung der Din j
ge aus dem’ Bewußtjeyn ableitet, und jede Gattung“
wieder nad) fortgefegten Reflerionen weiter -eingheilt,
mit Vergnügen, und bemerkt, wie er über die Erkeunt⸗
niß durch helle und feharffinnige Reflerionen Licht vers
‘
“breitet, daß z. B. in der Erfenntniß eines finntichen
" Gegenftandes Einiges enthalten ift, was ic) vollfoms
wien als moͤglich durch die active Einbildungskraft
vorſtellen kann, "Einiges aber, was id) nicht als möge
lic) vorſtellen kunn, als Licht, Farbe, Ton, von dem .
ich nichtö mehrereg' weiß, ald daß es mich auf verfchler
dene Weile affieirt 222). Einfeitig und unvollftändig
iſt jedoch. die Eintheilung, weil die erfte und- letzte
Gattung: zufammenfallen, und in ihnen fein Platz iſt
für das Ich und Gott,-die wir doch auch unter unfern
vorgeftellten Objecten ‚finden. Diefe Unvollkommenheit
kommt wohl davon her, daß Tſchirnhauſen gleich ans
faͤnglich mit einer entſchiedenen Vorliebe für Phyſik
und Mathematik an dieſes Werk ging, hieraus die Rex
geln der Erfindungsfunft abftrahirte, und fie and) ims
mer wieder durch Beifpiele aus beiden Wiſſenſchaften
erläuterte. Daher flellt er auch in dem dritten Theile
„die Phyſik als „die, edelfte Wiffenfhaft dar, welche,
wenn fie durch Huͤlfe der Mathematif den‘Grad ers
reicht hat,’ den fie erhalten kann, unter allen Wiffens
{haften die erſte Stelle durd) ihre Leichtigkeit, "Gewigs
heit, Einfluß. auf ale andere Wiffenfchaften, und auf
das Leben einnehmen muß. Wenn gleich. die Mathes
matik, an fi) betrachtet, apodiktiſche Gemwißheit ge⸗
währt, und Fein Serthum in derſelben zu befürchten
iſt, auch ihre Methode die wahre Erfindungskunft iſt,
durch weldye alle Wahrheiten entdeckt werben Können,
fo hat fie e. doch mit’ bloßen Gedantendingen (ratio·
nalie)
145) Medicina mentis p. Bo, 8x.
Tennem. Geld. d. Philoſ. KL. Ch. P
r
226 Siebentes Hauptſt. Erſte Abth · Wierter Abſchn.
nelia) zu thun. Da ferner in ihr verſchiedene Defini⸗
tionen einer und derſelben Sache, wegen ber verfchies
denen Entftehungsart, und baher auch verfciedene
Demoiftrationen ‚möglich find, und es daher nicht fo
leicht iſt, die Achte und Teichtefte fogleich zu ergreifen;
da fo zufammengefegte Gegenftände vorkommen koͤn⸗
nen, daß, auch bei der Kenntniß des rechten Aeges, -
doch die Erfenntniß der Wahrheit viel Mühe erfodert,
und ohne ben Ealcul und öftere Betrachtung der. Fi⸗
guren, d. i. ohne Zuziehung der Thätigkeiten der Eine
bildungskraft, die Auflöfung der Aufgaben durch den _
Hloßen DVerftand nicht möglich feyn würde, fo möchte
wohl aus den Unterfuchungen realer Dinge, oder aus
der Phofil, mehr Vergnügen zu erwarten ſeyn. Ohne
Vorurtheil betrachtet, iſt die Phyſik Leichter, als die
Mathematik? denn es if hier nicht nothwendig, zu be⸗
ſtimmen, mit welcher Geſchwindigleit oder Langſamkeit
fich Dinge bewegen, nicht, um wieviel eine Größe groͤ—
Ber oder. Feiner ald die andere iſt, (dieſes gehört für
die Mathematit), fondern nur, daß einige Dinge fich
geſchwinder oder Tangfamer bewegen, daß eine Größe
B größer oder Feiner iſt. Auch ft in der Phyſik nicht,
wie in der Mathematik, die größte Schärfe in Beſtim—
mung der Figuren nothwendig. In der Phyſik gibt es
ferner nur Eine Demonftration yon jeder Sache, da
jeve Wirkung nur Eine Urfache hat. Mehrere Judivi—
duen eines und beffelben Dinges machen, daß man
das Verborgene an dem einen oder an dem größeren
leichter, eutdecken Tann, 'ald an dem andern, oder au -
dem: Heineren. Es wiederholen ſich auch immer dies-
ſelben Gefege. Keine Wiffenfchaft hat einen fo großen
Umfang ;. denn ‚wenn wir bie‘ Objecte der Medicin,
Anatomie, Chymie, Aftronomie, Optik, Delonomie,
Eihik u. f wu betrachten, fo finden wir, daß fie von
den phyſiſchen nicht verſcheden find; auch Feinen grös
.. Bern
Eſcienhouſens Wifenfhafiiche,. "any
Gern Einfluß ; denn. wem wir ben übrigen Wiſſen ⸗
ſchaften nehmen, was fie aus der Phyſik geſchoͤpft ha⸗
ben, fo bleibt wenig oder nichts übrig. Die Gelbfts
erkenntniß, welche Einige :ald die erſte und nothwen⸗
digſte Wiffenfchaft rühmen, würde fogar, nach Abzug
der nothmwendigen Vorausſetzungen aus ber. Phyſik, fehr
unfruchtbar feyn. Im Grunde ift ohne Phyſik gar
keine Wiffenfhaft denkbar, und aus ihr werden alle
andern abgeleitet, Das reale, rationale und imaginas
„bite Ding {ft im Grunde nur ein und daffelbe phyſi⸗
ſche Object , indem ed von und nur auf verſchiedene
Weiſe und in verſchiedenet Beziehung betrachtet wird,
Auch find alle übrige Wiſſenſchaften in der That nur
menſchliche Wiſſeuſchaften, da fie vie Geſetze.erklaͤ⸗
ren, welche von unſerm Verſtande gebildet werden, in⸗
ſofern wir von der Betrachtung der Dinge ſelbſt ab⸗
ſtrahiren und alles auf und allein beziehen; die Phys
fl aber iſt ine göttliche Wiſſenſchaft; denn fie erftärt
bie Geſetze, welche Gott feiner Schöpfung gegeben ‚hat,
nad) weichen alle Dinge einförmig wirken, Gefehe,
weldye auf Feine Weife von unferm Verſtande, -fondern
von der realen Exiſtenz Gottes abhängen. Die Der
trachtung der Werke der Natur iſt nichts gnders, als
die Betrachtung der göttlichen Handlungen. Die Phy⸗
fit gewährt und auch die Teichtefte und Härfte Erkennt
viß von unferm Geifle, von der Unfterblichkeit, von -
Gottes realer und nothiwendiger Exiftenz und feinen
unendlih vollkommnen Eigenſchaften, fo weit dieſe
durch das bloße Licht des Verfiandes möglich iſt. Sie
- reinigt auch den Geift von eitler Ruhmſucht, von Leis
denfchaften und Vorurtheilen ***), Mir einem Worz
\ . 92 te,
144) Medicina mentis p. 180-187. Imo, si quod
res est, dicendum est, omnes aliae -scientine non
sunt nisi scientiae humanae, utpote in yuibus
- — legen,
248 Siebentos Hauptſi. Erſte Abth. Vierter Abſchn.
"te, Phyſik, d. i. die durch ſtrenge mathematiſche Mer
thode a priori demonſtrirte, durch evidente Erfahrun⸗
gen a posteriori -befeftigte Wiſſenſchaft des Univer⸗
fums, war ihm das einzige Object, welches das natürs
\Tihe Streben des menfcplichen Geiſtes am leichteften
‚und beiten befriedigt, und das reinfte und dauerhafter
fie Vergnügen gewährt. Er hatte die Phyſik in einen
fo weiten Umfange gefaßt, daß alle Wiffenfchaften in
derfelben begriffen waren. Allein, er unterfchied doch
wieder beſondere Zweige derfelben, welche nach ihren
Grundbegriffen, Object, Umfang, Erkenntnißquelle und
Methode genauer. unterfchieden werden mußten, Un⸗
geachtet nun Tſchirnhauſen dieſes unterlaſſen, und da=
her kein vollſtaͤndiges Syſtem der meuſchlichen Erkennt⸗
niß aufſtellen konnte, fo war er doch auf einem guten
Wege, ven er nur zu. bald verlaffen bat. Denn er
ſuchte, mit Verlengnung aller Speculation über das,
Sub⸗
leges explicanfur, quae a solo nostro intellectu
formantur, quätenus ab ipsarum rerum considera-
tione abstrahinius, et ommia ad nos solos refe- ı
rimus: haec autem scientia sola inter eas vere ”
est divina. Etenim in hac explicantur leges
quae a solo‘ Deo suis inditae sunt-operibus, se-
cundam quas Omnia constanter Operantur et quae
nullo modo a nostro intellectu, sed a Deo reali-
ter dependent:. adeo ut opera Physices conside-
rare nihil aliud sit, quam ipsius Dei 'actiones
considerare. — Verum hie tandem ad multo
maiora adhuc noscenda Physices ope praepara-
mur. Omnium enin huigs scientiae generalium
tractatione bene absoluta, non solum mentis no-
strae eiusque immortalitatis, sed et ipsius Dei,
eius realis et hecessariag existentiae, ac attribu-
torım infinite perfectorum notitia, quanta qui-
dem per lumen naturale obtineri potest, multo
nobis clarior et facilior evadit.
I Sfpirpaufens Wiſerſchoſuclehre 229
Saudjesi und die Objecte, das Bewußtſeyn zu erfor⸗
—ſchen, und durch Reflexion auf die uuveraͤnderlichen
Thatſachen deſſelben eine, auf feſten Principien beru⸗
hende, Theotie der Erkenntuiß zu gewinnen 3225). Das,
Ziel, das er im Auge hatte, die Phyſik, und die Vor—
ausſetzung „ daß die Mathematik in ihrer Methode die
einzige Erfindungefunft für Logik fep, war wohl:
Urfache, daß er mehr progreffiv, ald regreffio zu Werke
ging, und daher nicht fo tief in das Erkenntuißvermoͤ⸗
gen eindrang, als er fonft bei feinem trefflichen Talent,
feiner, Gründlichleit und Wahrheitsliebe würde gerhan
haben, Es ift indeffen immer ein Verluſt, daß er. feis-
ne Papiere, welde ſich zuerft und hauptſaͤchlich auf
Phyſik bezogen, vor feinem Tode verbrennen Tief.
Seine medieina mentis bleibt auch jet noch ein Werk
von großem Jutereſſe, vol trefflicher Anfichten und lehr⸗
reicher Bemerkungen für den Phitofophen und den Päs
dagogen. Der Gedanke, daß der Verftand die Quelle
der unveränderlichen Wahrheit, die Einbildungskraft
die Quelle veränderlicher Vorftellungen ,ı und die Ver—
wechſelung von beiden die Urſache der meiſten Irrthů⸗
mer ſey; der Gedanke, daß alle Wiſſenſchaͤften, die
Phyſik ausgenommen, die Geſetze des menſchlichen Ver⸗
ſtandes eutwickeln; die Anſicht von Mathematik als
einem Syſtem unveräuberficher Wahrheiten; die Unter:
ſcheidung einer doppelten Function der Einbildungs⸗
kraft, einer leidenden und thätigen, u. ſ. w. find frucht⸗
bare Gedanken. Auch hat Tſchiruhauſen einen großen
Einfluß auf die Wolfifche Philoſophie gehabt.
. Der andere merkwuͤrdige Mann dieſer Zeit war
Chriſtian Thomaſius, der bet aller Unaͤhnlichkeit,
und ſelbſt Ungleichheit, doch die Unzufriedenheit mit
der
145) Medicina mentis p. 290 aeg.
234 Sie bentes Hauptſt. Eiſte Abth. Viertet dibfchn.
der damaligen Philoſophie, wie ſie auf Univerſitaͤten
gelehrt wurde, und die Wahrheitsliebe mit dem erſten
gemein hatte. Er beſaß einen heilen Verſtand, nicht
gemeinen Scharffinn,wwiel Witz und lebhaften Geiſt;
"aber feine Thaͤtigkeit erhielt eine andere Richtung **°).-
„Er war zu Leipzig 1655 den 1 Jar, geboren; vom feis-
nem Vater, Jacob Thomafius, wurde er treffe
lich erzogen, und hatte den Vortheil, unter feiner Lei⸗
tung die alademiſche Laufbahn betreten zu koͤnnen. Er
hoͤrte, ohne ein beſonderes Fach gleich anfangs gewählt
zu haben, die hiſtoriſchen, mathematiſchen und philo⸗
ſophiſchen ·Vortraͤge. Die Vorleſungen feines Vaters
* fiber Geſchichte der Philoſophie, noch mehr aber über
v
Grotius de iure belli, zogen ihn am meiften an,
. und die. letzteren beſtimmten die Hauptrichtung ſeines
Geiſtes. Deun das Intereſſe, welches dieſe neue, jetzt
zuerſt unter die Lehrgegenſtaͤnde der Univerfität aufge—
nommene Miffenfchaft in ihm erregte, entfchied auh
feine Wahl für die Furisprudenz, ohne weldhe, wie er
glaubte, das Narurrecht nicht beftehen und gebeihen
koͤnne. Als er in Frankfurt an der Oder erft Vorle⸗
fungen hörte, dann felbft hielt, war beſonders der
Verſuch, Pufendorf in feinen freien, von den gewoͤhn⸗
Tichen abmeihenden, Anfichten zu wiveregen, den er
-bei
. —E Thomaſine Leben iſt ausführlich in dem \geößern
Berte "Bruders befchieben.. Vorzäglicer iſt
die Lebensbeſchreibung, welche Schrödh in der alls
gemeinen, Biographie 5 Thl. verſucht, und H. Eus
den in der Schrife: Chrikian Thomafius
nah feinen Schickſalen und Scriften
bargeftellt, Berlin 1805, gegeben hat. Treffens
de Bemerkungen über den Charakter und den Werth
feiner Philofophie, nebſt Auszägen as feinen philor
ſor hiſchen Schriften, findet man in dem 4 ©t. der
Zälledornifchen Beiträge,
n
D
Shomafiur. Br , 251
bei Gelegenheit feiner Vorleſungen uͤber ‚Klenk guee- .
stiones ad Grotium de iure belli et pacis machte, J
von großem Einfluß, indem. er ihm. über den Zus
fand "der Philofophie die Augen öffnete, einges
fogene Borurtheile klar machte, und den Entfchluß-
erzeugte, Feine, menſchliche Autorität ferner gelten zu
laſſen, fondern Alles feibft zu unterſuchen, und nach
eigner Einſicht, nach Abwaͤgung der Gruͤnde zu ent⸗
ſcheiden. Dieſem Vorſatz iſt er fein ganzes Leben hin⸗
‚durch treu geblieben, und er kaͤmpfte mit Muth und
Enrfchloffenheit gegen Irrthuͤmer und Vorurtheile, vors
züglich infofern fie_in dem wirklichen Leben Einfluß N
erhalten hattegp So wie er ſich aber vom der herrs "
fhenden Meinung Iosriß, und die beffere Weberzeugung -
.. frei und muthig vertheidigte, — meiſtentheils mit mehr
ugendlichem Muthwillen und Spott, als gewöhnliche
Menfchen ertragen Finnen, — fo erhielt fein Geift das
durch ein gewiffes Selbftgefühl und eine pelemiſche
Tendenz gegen das Zeitalter, über welches er ſich wirk⸗
lich von vielen Seiten erhoben hatte. Sein ganzes Les
ben if daher eine Reihe von Verfolgungen und Ver⸗
laͤumdungen, Schmähungen und Streitigkeiten. Wie
er in Leipzig, außer den jurivifchen Gollegien, au
über Lebensftughert in deutfcher Sprache las, und das
zu In einem deutfchen Programme eingeladen hatte,
. worin er die beutfchen und franzöfifchen Gelehrten
verglich, diefe wegen ihrer, von ſteifem Pedantis⸗
mus entfernten, praktifchen Geiſtesbildung vorzog, und
dem Gebrauche der Inteinifchen Sprache die Schuld von -
dem Zuräcbleiben jener belmaß, fo fand man, beides,
die Sachen und die Form, des Ungewöhnlichen wegen,
anſtoͤßig. Als er ein kritiſches Blatt in beutfcher
‚Sprache fehrieb, worin er mit Laune und Wis Schrife c
‚ten beurtheilte, und das Grundlofe, Gemeine, Niebris
ge, ohne Anfehn der Perfon und des Standes, durch⸗
. \ 808, ”
j ‚ada Siebentes Hauptſt. Erf Hort. Vierter Abſchn.
,
308, und ungerechte Urthelle, wie die fiber‘ den Epikur
gefällten, tügre; als er in ſeinen Vorlefungen auch ſeiner
ſatyriſchen Laune nachgab, und‘ über Gleisnerei und
Pedantismus angeſehener Perſonen, beſonders der Geiftz
lichen, frei ſprach; die Zufammenkünfte einiger from—
men, Magifter in der Abficht, die Bibel mit refigiöfen
Geiſte zu fiydiren, begünftigte: da empörte- ſich die
Geiftlichfeit, verläumdere und denuncirte ihn bei dem
Hofe und dem Confifforium als einen verächtlichen und
gefährlichen” Menichen, der Nichts glaube, Durch nie
drige Cabalen wurde er zuletzt von Leipzig. fortgetrits
Ren; aber er fand günftige Aufnahme in Berlin, erz
bielt die Erlaubniß in Halle Vorlefuggen halten zu
dürfen, und legte durch die Scharen wißbegieriger
Juͤnglinge, die fein Ruhm herbeizog, den Grund zu
‚ber Uniberfität in Halle, Hier lehrte und Iebte er ſeit
1690 unter dem Schuge einer Liberalen Regierung,
zwar boſtaͤndig umfehwärmt von den Pfeilen der
Schmähfucht, aber doch in Sicherheit, geehrt und ges’
achtet bis am feinen Tod, d. 23. Sept. 1728.
Bon der philoſophie Hatte Thomafius feine hohe .
Vorftellung, und Fonnte nach den, in feiner Jugend
. eingefogenen theologifchen Ani ichten, Beine beffere. ha—
ben. Denn fo frei und aufgeklaͤrt auch fonft feine re
„Tigiöfen Begriffe find, ſo konnte er fich doch nie von
dem Dogma eined natürlichen Verderbens, welches
duch Adam auf alle Meuſchen fortgeerbt ſey, Tosmaz |
‚ Gen, und bie natoͤrliche Folge davon war die Vorſtel⸗
Tung von.einem gewiffen Unvermögen der Vernunft in
der Erkenntniß. des Wahren, und des Willens in der u
Beftimmung zum Guten. Daher ordnete er die Phi
loſophie im diefer Ruͤckſicht der Theologie unter, und
“betrachtete fie überhaupt nicht anders, als eine Hilfs:
wiſſenſchaft fir andere Wirfenfchaften, Dazu kam
noch,
Der
De Thomaſius. 233
noch, daß en nicht das Wiſſen an ſich, ſondern nur in⸗
fofern es ‚einen unmittelbaren Nutzen hat, fchägte, und
von jeder Wiffenfchaft, welche eines vernünftigen Stres
bens werth fegn foll, foderte, daß fie zur Gluͤckſelig⸗
keit der Menſchen etwas beitragen. müffe. Daher machte
er einen Unterfchied zwiſchen der wahren und falſchen
Philoſophie, nannte jene die Hofphiloſophie, ins
- fofern ſie auch den Gebildeten aus den hoͤhern Staͤn⸗
den, und ſelbſt den Hofleüten nuͤtzlich ſey. Seine Ans
ſicht von der Philoſophie iſt folgende: Der Menſch
ſtrebt von Natur etwas zu wiſſen, ein Wiſſen zu ere
Langen. Die Wiffenfhaft, welche er durch dieſes Stre⸗
ben erlangt, unterfcheidet ſich won andern theils duch
die Erfenntnißquelle, theild durch den Zweck,
um defienwillen er fie begehrt. Die Willenfchaft geht
. entweder auf die ewige Seligkeit, dieſes ift
Theologie, oder auf die zeitige Gluͤckſelig⸗
keit, womit ſich die drei uͤbrigen Facultaten beſchaͤf⸗
tigen. Zu der ewigen Seligk— sit trägt die, fich ſelbſt
“ überlaffene Vernunft nichts bei," fondern nur allein die
Dffenbarung; daher die Theologie der Vers
nunft.nicht beduͤrfe; aber wohl Fann die Offenba⸗
rung auch zur’ zeitigen Glücfeligfeit der Menfchen beis
tragen, Won. den drei übrigen Facultäten. find zwei
Hauptfacultaͤten, deren eine ſich auf das zeitige
Wohl. des Körpers, die Medicin, die andere
auf dad zeitige Wohl der Seele bezieht, die
Surisprudenz, eine aber die fubordinirte, den bei⸗
den als Werkzeug dienende, die Philofophie In
Anfehung der Erfenntnißauelle unterfcheiden fich dieſe
Sacultäten fo, daß die Jurisprudenz aus der Offenba⸗
zung und Vernunft zugleich, die Medicin und Philofos
phie/ allein. aus der Vernunft ſchoͤpfen. Die Philos '
fopHie ift daher eine, andern Wiffenfchaften dienen⸗
de Kr des Verſtandes Gott, die Geſchoͤpfe/ die
phy⸗·
234 Siebentes Hauptſt. Erſte Abth. Vierter Abſhu.
phyſiſchen und moraliſchen Handlungen der Menfchen,
\und deren Urſachen, aus dem Lichte der Vernunft zum
Nuten des menfchliden Geſchlechts zu erkennen 227).
Nach ſolchen einſeitigen Begriffen theilte er auch die
Philoſophie weiter in die Inſtrumental⸗, andern Theis
ten der Philofophie dienende, und die Hauptphilofos
phie, die Feinem andern Theile diene, Zene-befchäftiget ſich
theild mit den Worten, und zwar den gemeinühlis
en, Grammatif, Sprachkunde und Poefie zum Theil
— und den phifofophifchen, die damalige Metaphyſik;
theils mit den durch Worte ausgedruͤckten Sachen, wo—
hin Geſchichte und Poefie, Rhetorik und Logik gehört.
Die tiyeoretifche Hauptphilofephte betrachtet den Schd=
pfer, infoweis er aus Vernunft erkennbar ift — fonft
Metaphyſik, jest der erfte Theil ver Pneumatik,
und die Gefchopfe nad) ihrem Weſen, Phyſik, nach
ihrer Größe, Mathematik, Die praftifhe Haupt⸗
wiſſenſchaft betrachtet die menſchlichen Handlungen in
Beziehung auf die Yorfchriften des Sittlichen oder
Nütlihen, Ethik, Potitik, Oekonomik 1),
Es
147) Chr. Thomasit introductio ad’ philosophiam
uulicam, Lipsiae 1688. Halae 1702. 8. p. 57. 58.
. Philosophia intellectualis instrumentalis ex lumi-
‚ne rationis Deum, creaturas et. actiones homi-
'num .naturales et morales considerans, et in ea-
run. causas inquirens, in utilitaten generis hu-
mani. , ,
148) 1bid. p: 67. Iam divido Philosophiam, quad
sit vel instrumentalis vel_prineipalis, quorun illa
* inservit, haec non inservit aliis philosophiae par-
- tibts. „ Instramentalis occupata est vel circa ver-
bs vel circa res verbis expressas.- Circa verba,
vel vulgaria, scilicet Grammatica et notitia lin-
guarum. cuius pars suo modo est poüsis; vel-
Pphilosophica, ‚scilicet Metephysica hodierna.. Cir-.
ca
Thomaſius. 23
Es erhellet hieraus, wie ſehr Thomaſius am den
herkoͤmmlichen Begriffen hing, und ganz von der will⸗
kuͤrlichen Eintheilung in Facultaͤten ausging: Dieſe bes
ſchraͤnlte Anſicht war die Urſache, daß er wenig aus
‚der Metaphufit machte. Aber auf der andern Seite
betrachtete er doch die Philofophie, wenn, fie auth nur
eine, ‚andern Wiſſenſchaften fubordinirte Wiſſenſchaft
war, ald einen Inbegriff von Wahrheiten, die aus bios
Ber Vernunft erfannt werden, und er kaͤmpfte gegen '
alle Einmifhung eined aus der Dffendarung entlehn⸗
. ten Grundſatzes, befonders gegen die Mofaifche Philo⸗
ſophie, und war immer ein muthiger Vertheidiger der
echte der Vernunft gegen Willkuͤr und Autorität, fo
lange nicht durdy Myſtit, wie zuweilen, fein, heller
Blick getrübt worden war, Es war nicht möglich,
daß er die Philofophie, als Wiſſenſchaft, weiter brinz
gen kounte; aber er hatte dach Verftandes genug, un
Irrthuͤmer einzufehen und dagegen zu kaͤnpfen. Er
beſaß eine gewiffe Selbſtſtaͤndigkeit, die ihn antrieh,
feinen eignen Weg zu gehen ; ‚aber zu wenig wifjcus
ſchaftlichen Geift, um jenes Drängen nad) Driginatie
‘ a. ‚ tät
ca res * expressas vel ſnmitu quaesnonis,
an sint? quod facit-Aistoria, quae tangnam hi.
storiam fictam iterum comprehendit pozsin: vel
‚quid sint ? ostendendo quidem id vel per ver-
boram magis elegantiam, quod facit Ahetorica,
vel per argamentorum ponderä, quod Logica.
Principalis est. vel theoretica, quae contempla-
tur aut creatorem, quatenus is ex Jumine natu»
rae cognosei potest, quod oliın fecit Metaphysi-
4, hodie prima pars Pneumaticae, aut creatu-
“ram, tuın.ratione essentiae, quod Physica facit,
tun. ratione quantitatis, quod Mathesis: vel
practica, quae contemplatur actiones humanas,
iis, quod facit £thica, Politica et Gecouomica.
= quatenus referuntur ad normam honesti vel ut "
. 236 Siebentes Hauptſt. Erſte a0. Vierter Abſchũ.
tät fuͤr die Wiſſenſchaft feuchtbar hi machen. und da
er einmal Ddie'Weberzeugung gefaßt hatte, daß jede
Wahrheit, wenn fie zur. Weisheit, nicht aber zur Thors
heit führen folle, einen. Ruten haben müffe; fo fing
er aus biefem Gefichtöpuncte an, die Logik, Metaphys
fit und die Moral zu reformiren, und von dem Uns
brauchbaren zu reinigen, ehe er ſich noch in den Befig .
der wiſſenſchaftlichen Grundbegriffe gefegt hatte. "Das
ber ging fein Geift immer mehr abwärts zu den Fol⸗
gen, aber nicht aufwaͤrts zu den Gründen; daher ber
hielt feine ‚Phitofophle, ungeachtet der zerfieueten hel⸗
len Unfichten, immer etwas Rohes und Unreifes, wie
ſchon Leibnit erkannte **°),
Nach diefem Geifte, ver die höhere Speculation
verachtete, weil fie Außer dem Kreiſe der gemeinen
Brauchbarkeit liegt‘, und, indem er alles Tiefe vers
ſchmaͤhete, bie Willenfchaft popularifirte, bat er die
Logitk und einen Theil der Metaphyſik bearbeitet. Ju
jener hat er das Verdienſt, manche überflüffige und
entbehrliche Subtilität weggeräumt, und durch die Ber
nutzung der Ideen einiger Neueren, befonderd des
Tſchirnhauſen, mit deffen erften Pri er jedoch kei⸗
nesweges zufrieden war, ein verſtaͤndes und brauche
bares Lehrbuch der Logik an die Stelle der, mis den
Zerminolopien der Scholaftifer überladenen, gefegt zu
haben °°). Schon hatte er in der Einleitung zur
Hof⸗
149) Leibnitii epistolae vol. IIL p· 252. Sea Phi»
losophia eius adhuc sylvestris est, ut sic dicam,
et archipodialis.
150) Chr. Thomafius Einleitung zu der Vernunft/
lehre, Halle 1691. 8. Die. vierte Auflage erſchien
ſchon 1711. Ausntung der Bernunfnlehre, Halle
1710. 8.
Thomaſius. 237."
Hofphitofopgie die Grundlimien der Logik, inwiefern er
fie in dem wirklichen Leben für bauchbar hielt, ges
zeichnet; aber doch mehr mit weitläufigen Widerlegun⸗
gen der falſchen Spitzfindigkeiten und der unrichtigen
Vorſtellungen, als mit Aufſtellung der währen Grunde
fäge des Wahren ſich beſchaͤftigt. In feiner Vernunft⸗
lehre aber laͤßt er das ge und Geſchichtliche
liegen, uud haͤlt fich mehr an die dogmatifche Aufftels
lung der popularifirten Wiſſenſchaft. Er geht von dem
Begriffe der Gelehrfamkeit aus, gibt die Erklärung von
Philoſophie und Logik, und trägt dann in dem erſten
Theile’die allgemeinen Begriffe von Vernunft, Wahr⸗
heit, Prineipien und Kriterien der Wahrheit, in dem
‘zweiten die Anmweifung zur Erforfchung und Mittheis
Kung der Wahrheit vor, Man vermißt nun faft in
mer den tiefen Forſchungsgeiſt und dad eigentliche wife
ſenſchaftliche Streben; aber helle Anfichten. zeigen fich
alfenthalben, und in der. Erfenntnißtheorie war er,
wohl hauptſaͤchlich durch die Benutzung des Tſchirn⸗
Baufenfhen Werks, vor feinen Zeitgenoffen voraus.
Aber diefe hellen. Anfichten find bei ihm nur angeeig-
nete Ideen, daher unfruchtbar, und fie find mit Hy⸗
-pothefen und fremden Vorftellungen-vermifcht. Das
Denken ift ihm ein inneres Reden über die Formen
und Vorftelungen, welche durch die Bewegung aͤuße⸗
. zer Körper, vermittelfi‘ der Organe, dem Gehirne ein=
aedruci wuͤrdeng 32), Daher meinte er, man müßte
durch
151) Introduct. in philos. aulicam p. 80. Cosita·
tio est actus mentis, quo homo vel mens in ce-
sebro de schematibus a motu corporum exter-
norüm per organa sensuum cerebro impres-
- sis aliquid per modum discursus et orationis
verbis constantis vel affirmat vel negas vel
quaerit. "
238 Siebentes Hauptit. Erſte Adth. Wiertet Abſchn.
durch ein Miktoſtop nicht nur die Eindruͤcke der For⸗
men, ſondern auf ſelbſt die Bewegungen beim Den—⸗
ten im Gehirn entdecken koͤnnen. Solche phufiologifche
Hypothefen bringt er häufig an, ohne fie weiter zu
"verfolgen. Die Unterfcheidung der Sinnlichkeit von den
Sinnorganen, der Vorftellungen, in Yeidende und thätige,
und der Receptioltät und Spontaneität des Verſtandes,
die Veftimmung des Unterfchiedes und Zufammenhanges
beider in dem menfchlichen Erkennen, die Bemerkung, daß
die Sinnlichkeit Iauter Individuen ohne Ordnung und iq
Mannigfaltigfeit vorftelle, die Verknüpfung und Untere
ſcheidung der Eindrüde aber eine Wirkung des Verſtandes
iſt, daß die Sinne nicht trägen, well fie nicht urtheilen,
daß der Verſtaud ohne Anſchauung nicht thätig ſeyn
Kann, Indem Begriffe Anfchauungen vorausfegen u. f.
w., waren gute Bemerkungen; nicht ganz neu, aber
doch nicht ohne Werth für die Erkenntuißlehre. Denn
die Logik iſt hier in einem weiten Unifange genommen;
fie iſt mehr mvollftändige Erkenntnißlehre, als Denks
.Ichre, und enthält richtige und gefunde Anfichten von
der Erkenubarkeit / der Dinge und der Sphäre derfelben _
fowoht, als Anleitung, zu deutlicher Erkenntniß zu ges
langen, dagegen aber aud) wenig von den Regeln des
analytiſchen Denkens, Thomaſius hielt: nämlich nichts
von der Syllogiſtik, und verwarf, wegen einiger Spitz⸗
findigkeiten, die ganze Theorie des s Scleßeus ald- entz
behrlich. . [ Zus
Die Metaphyſik, wie fie damals behandelt wur—⸗
de, konnte den Thomafius, nad) feiner Richtung auf .
das Praktifche, durchaus nicht anfprechen 252). Lie
s . war
152) Von der Metaphyſik habe ich mir eine widerwar⸗
tige Impreſſion gemacht, indem ich „mir eingebilder,
daß die darin enrhahenen Grillen fähig find, einen
. gu
neo ı \
Thomaſiud. 239
> war. ihn eine leere Grillenfaͤngerei, die zu nichts dien⸗
te, als die theologiſchen Streitigkeiten. anzufachen und,
„zu unterhalten, und ein Lerifon von Kunftwörtern, vie
eher von der Wahrheit abführen, als zu ihr hinleiten,
Da er in feiner Vernunftlehre erklärt hatte, daß Feine
« Erkenntniß von der Seele, und von Gott nad) feinen
Wefen, aus der bloßen Vernunft möglich ſey, daB fi
‚der Verftand ‚von feinem Geiſte einen Begriff machen -
"und das Einfache nicht erkennen tönne, alfo nur die
aufammengefegten Subſtanzen die Sphäre des Erfem:
baren ausmachen, fo war'auf diefe Weife gar kein
“Raum für die Metaphyſik übrig. Uber in der Folge
machte er doch einen Verfuch über das Weſen des
Geiftes betannt, weil ihn ‚die Neigung zur Specufas’
"tion, .die Vorliebe für die Myſtiker zur. Untreue gegen J
feine ehemalige, nicht genugſam begründete, Behaup⸗
tung verleitet hatte 253). Seine Geiſterlehre, die er
auch mit aus dem Grunde herausgab, um zu zeigen, :
daß feine Lehren mit der Bibel übereinftimmen, beru=
het auf einer‘ unricptigen und einfeitigen- Vorftellung
von Materie oder. Körper, als einen blos leidenden
. gefunden Menſchen folchergeftalt zu verderben, daß
ihm Würmer im Gehirne wachen, 'und daß dadurch
der meifte Zwiefpalt in Religionsſachen entflanden und
no erhalten werde. . Scherz s und ernfthafte Ges
danken. Monat März. Introductio ad philoso-
phiam aulicam, p. 54.
153) Verſuch vom Weſen des Geiſtes, oder Grundleh ⸗
ven fowohl zur natuͤrlichen, Wiſſenſchaft, als der Suͤ⸗
tenlehre. In welchem gegeige-wird, daß, Licht und
Luft ein geiftiges Weſen fey, ‚und alle Körper aus Mas
serie und Geift befichen, auch in der ganzen Natur
seine anzichende Kraft, in ‚dem Menſchen aber ein,
weifadher, guter imd boͤſer, Geiſt ſey. Kalle 1699.
279... . \
a „7 2
2 40 Siebentes Hauptſt. Erſte Abth. Vierter Abſchn.
Weſen, das nichts thun kann. Weil nun das Leibli—
che doch in einem Raume iſt, denſelben erfuͤllt, be⸗
wegt wird und bewegt, fo muß noch eig anderes We—
fen mit dein Leiblichen vereinigt feyn, welches für fich
beſteht, jenem Seyn und Dauer gibt," daffelbe. aus⸗
fpannt und geftalter, ſichtbar, warm und kalt macht
und bewegt. Unter Gott, dem oberften Geiſte, find
Kicht und Luft Geifter, welche in allen Körpern find
„ und wirken, und denfelben Leben und Empfindungdfäs
” pißkeit geben, und zwar Licht der männliche, Luft der,
weibliche Geift *°*)... Diefer . allgemeine, Welrgeift
(Luft) befigt fogar auch Verftand und Willen "5°),
Thiere und Menfchen haben denſelben Geift, der in
dem Centrum (das iſt in Zhieren und Meuſchen das
R Herz)
154) e. 70. Der Geift ift eine Kraft, d. i. ein Ding,
weldyes ohne Zuthun der Materie beftehen kann, in
welchem alle materialifhe Dinge bewegt werden, und
welches auch diefen die Dersegung gibt, fie auefpannt,
jertheilt, vereinigt, zufammendrädt, anzieht, von ſich
ſtoͤßt, erleudytet, erwärmt, kaͤltet, durchdringt, mit eis
nem Worte, in der Materie wirkt und ihr die gehd⸗
rige Geſtalt gibt. ©. 75. u. 97-
155) S. 150. Der Suftgeift empfindet alfobald im Wet⸗
-terglafe die eindringende Wärme und breitet fi aus.
Sie empfindet die ihr eingepreßte Luft und ftößer fie
aus. 152—155. Es. if wahr, der Geift der Mer
tale, Pflanzen, Thiere kann keine Chimaren und
Syllogismos maden, deswegen, fprichft du, hat er
feinen Verſtand. Aber er macht hingegen Demans
te, Rubinen, Cedern, Elephanten, und dein Vers
fand kann nicht eine Laus machen. Er macht lauter
conclusiones, die feinen Körper und deffen Daurung
anterhalten, und dein Verftand rechnet Dinge aus,
da das Facit oft an Galgen koͤmmt, und macht kuͤnſt⸗
lie Syllogismos,, in deren Conclusion der To iſt.
Melden Geiſt iſt nun weifer?
u Thomafiud. aht
Herz )reſidirt. Hiermit ſucht er die theologiſche Lehre
von der Verderbtheit der Menſchen, und die Vorſtel⸗
lung von einem dreifachen Weſen des Menſchen: Leib,
Seele, Geiſt, in Harmonie zu briugen. Zu dieſem Enz
de bemerkt er, daß her Anfang aller Verrichtungen des
Verſtandes von dem Willen herfomye, und der Vers
Rand. daher ein leidendes Principlum, der vernünftige
Wille des Menfchen von dem "Willen der Thiere darin
verſchieden fey ‚| daß die. Thiere von Narur Feine
Feindichaft gegen einander hegen, der Menſch von Nas,
tur einen andern Menſchen nicht liebt, woh: aber viele ”
haſſet; Daß die Begierden der Thiere auf ihren Unterhalt _
and ihre Daurung gerichtet feyen, der Gelſt des menſch⸗
lichen Herzens zwar eine Daurung derlangt,.aber alle
Begierden des Menſchen denſelben ruiniren; ja daß,
da die Thiere von einer Art einerlei Begierden, und -
gwar die ganze Zeit ihre Lebens, haben, hingegen bei
den Menfchen ſo viel verfchledene - Begierden," als,
Menfchen find, md ein Menſch in einer kleinen Diers
telſtunde von berfchiedenen , mit ſich ſelbſt ſtreitenden
Vegierden hingeriſſen und unruhig gemacht wird 156),
Daraus ſchließt er, daß der Menſch eine elendere Crea⸗
tur ſey, als ändere Körper, weil fein gBhlle. alfegeie
das Böfe liedt; dieſes Elend. um fo größer fey, weil der
Menfpp dieſes Böfe mit der Cinbildung, als op es etz -
was Guted fey und zu feiner Erhaltung diene,
liebe; daß folglich der Geiſt des Menfchen ein
recht thörichter. und märrifcher Geift, und vier närria..
fer fey, als der Geiſt im dem geringſten Wur⸗
me 237), Gleichwohl hat der Menfih auch in feis
nem Herzen ein Verlangen nach dem Guten, "welches
J J dieſe
166) S. 185;
167) ©. 188, : en
. Kemer. Bei: b: Bhllof. XLRH. = >}
\
we
242 Siebentes Hauptſt. Erſte Abth. Vierter Abſchn.
dieſe boͤſe Dreiheit tãglich befkreitet und anklagt, nag⸗
tuͤrlicher Weiſe aber nicht beſiegt. Dieſer Geift iſt der
gute Geiſt, der von Gott kommt. Der Menſch bes
ſteht alfo aus drei Theilen, aud Leib, Seele (dem na⸗
uͤuͤrlichen, dreifachen böfen Geifte) und Geiſt (dem guten
Geifte *2). Es iſt nicht nöthig, mehr ald die Haupt⸗
"ideen. dieſes Werkes anzugeben. Sie kommen ſchon in
dem Syſteme der Neuplatoniker, in den Schriften des
Morus, Comenias und anderer Myſtiker vor, has
ben aber, wie nicht anders zu erwarten ift, eine eigne
Geſtalt und Einkleidung erhalten. Denn wiewohl Tho⸗
mafing für tiefe Forſchungen Kein Intereſſe hatte, fo
beſaß er doch einen hellen Verftand, und er Bat auch
diefe ſchwaͤrmeriſchen, größtentheils fremden, Ideen
doch auf eine Togifche Weife zu einem Ganzen zu ver⸗
"einigen geftrebt,. auch viele heile und richtige Auſich⸗
ten mit jenen Träumereien von dem Naturgeifte vers
webt. Im Ganzen ift es jedoch ein philoſophiſcher
Traum, von welchem die Unbeſtimmtheit und Verwech⸗
ſelung metaphyſiſcher Begriffe (als Kraft, Subſtanz,
Matetie, Seiſt) die Grundlage ausmacht, indem die
Phantaſie, vonder Speculation über das Weſen der Dinge
aͤngetrieben, durch blbliſche unb myftifche Vorſtelungen
das Ganze Art. Und fo wie diefe Theorie den
Thomafins mit ſich ſelbſt entzweiete, indem er vorher
in feiner Logik erklaͤrt hatte, daß der menſchüſche Geiſt
von dem Weſen der Dinge, fo wie von Seele, Geiſt,
Gott, nichts erkennen koͤnne, ſo enthält fie auch in ſich
nichts als Widerſpruͤche. Thomaſius wurde fpäterhin,
nachdem mehrere Gegeufchriften, doch eben nicht von
« großer "Bedeutung, erſchienen waren #59), Dusch eigne
13
158) ©. 189. , s
159) Gegen den Verſuch vom Befen des Geiſtes aldis
nen: Anmerkungen über dhemaſu⸗ Beta Gen "m
kit,
Thomafius. E — 248
gewonnene ueberzeugung, daß die Schwaͤrmerel end⸗
lich zur Unvernuuft fuͤhre, zum Theil von dieſen vers
geblichen Specnlationeh abgewendet, und fo eifrig er
fonft die Moſtik empfohlen hatte, fo feht warnte er
jeßt ‘vor den verfuͤhreriſchen Blendwerken derſel
den 60).
— 83 , Anges
Hope Elias Camer ar iu 8). Tübingen 1761: 8. ünd
Realis de Vienna (Gabriel Wagner) Prüfung des
Verſuchs von dem Weſen ded.Geiftes, 1707: 8: Das
gegen erfchieneit Iucundi de Laboribus freie Gedanz
ten von Healis de Vienna Pıüfung des Verſuchs
dom Wefen des Geiſtes, 1709. ate Aufl, 1710; 8;
Andere Streitſchriften, z. B. don Albt. Chr; Noch
Ameiauca Thoimnaslana, ubergehen wir.
160) Nachdem er das Wert des Poiret de tripliei
eruditione mit einer lobpreiſenden und empfehlenden
Vorrede herausgegeben hätte, woſin er erklart, daß
er der myſtiſchen Philoſophie Darum den Vorzug gebe,
weil fie die Grenzen der Vernunft und Offenbarung,
ber Natur und Gnade, welche von der philoſophirent
beit Wernunfe fo gern uͤberſchritten werden, wicder
erftelle ; fo nahm er in der Vortede zur zweiten Auf⸗
lage, Halle 1708, dieſes ganſtige Uschell wieder zus
ri: Denn er fehe, ſagt er; aus der Kirchengeſchich
- 3, daß die myſtiſche Thrologie endlich zur ſcholaſtiſchen
Theologie zurückehre, auf eine Herrſchaft Aber bie
Gewiſſen ausgehe, und eine. gaͤnzliche Vernichtung der
Vernunft bezwecke; er habe wahrgenommen, daß bie
WMyſtiker nicht weniger, als bie Scholaſtiker und Cars
teſtanrr von dunkeln, unberſtaͤndlichen Terminologie
Gebrauch machen, in der Aufdeckung der fremden Irn
thumet uͤngluͤcklich, unter einander uneinig, une den⸗
ſelben Leidenſchaften des Neids, der Vruaumdumgs⸗
und Verketzerungsſucht, gleich andern unterworfen
ſeyen. Auch habe ihm Lockes Werk Über ben menſcht
en Berftand die Augen Aber die Schwaͤrmerei ges
net. na,
"244 Siedentes Haupiſt. Erſte Abth. Vierter Abſchn.
Ungeachtet -Thomafius in feinem wahren Stre—
ben nad) ‚Wahrheit feine Ideen beſtaͤndig wechſelte,
neue Ideen hervorbrachte, und ſie wieder verwarf, und
nie zu einem feſten Syſteme von Wahrheit kam, weit
ver zu ſchnell und raſch, ohne einen fihern Grund ges
Jegt, und richtige Principe gervonnen zu haben, das
beftehende Syſtem niederrißf und wieder ein neues an
deſſen Stelle aufzubauen firebte; fo Hat er doch, aus
ser feinen Werdienften um ‘die praftifche Philoſophie,
auch jur Belebung des Intereſſes für Phitofophie viel
gewirft, und zur Entdeckung der Fehler der Methode
nice wenig beigettagen. Er ſchaͤtzte die Frelheit zu
denfen über alles, und befiand manchen Kampf für
fie; denn er war überzeugt, daß nur in der Freiheit
das Fortſchreiten zum Beſſern und das Gedeihen der
Wiſſenſchaft möglic) iſt. Darum war er mit ber herr
{chenden Schulphitofophie fo unzufrieden, weil fie Ari-
floteles.Unfehen oben an fegte, und-jede Abweichung
von feinen Ausſpruͤchen für. Frevel erflärte, gleich als
wen ſchon alles gefrhehen wäre.“ Der öffene Krieg,
‘den er diefer- Zwangsphiloſophie erflärte, erfchütterte
ihre Herrſchaft, und bereitete die Empfänglichleit für neue
Verſuche des Forfchungsgeiftes. - Diefelbe Folge hätte
auch feine Unzufriedenheit mit der Cartefianifchen und
Aberhaupt der mechanifchen Phitofophie. "Seine Vor⸗
liebe Für eklektiſche Phitofophle und Myſtik, und die
Veraͤnderlichkeit In feinen Behauptungen, lief die Noth⸗
wendigkeit einer tiefern Erforfchung der Gründe der
Erkenntniß ahnen. Alles diefes diente dazu, die Stims
mung des Geiftes, welche für das Philoſophiren erfo⸗
derlich ift, herbeizuführen... Pd
Seine Anficht von der Gelchrfamfeit überhaupt,
und der Philofophie Insbefondere, daß er nur gemein:
nötige Erfenntniffe- dafür gelten ließ, war zwar
einſeitig, und verleitete-ihn, vieles als nutzlos zu vers
wæer⸗
\
BE Tdomeliuſ⸗ 245.
"werfen; was boch in gewiſſer Hinſtcht fuͤr das geiltiger. ı
Leben yon Eiufluß war; ‚diente aber dazu, , dem Stu⸗
diren und- der. Gelehrſamkeit eiue beſſere Richtung zu
geben, und das Verhaͤltniß der Philoſophie zu dem ;
wirklichen Lehben in" einem: andern Lichte zu. betrachten. : —
Es — ſich auch Hieraus nach und nach eine vor⸗
urtheilffeiere und aufgeklärtere Schäpuug der Wahre
heit um ihrer felbft ‚willen; durch welche die Einfeitige ,
Feit in der. Schägung "nach ‚Gemeipnägigfeit nad) uud;
nach von felbft entfernt werden ntußte. Seine Abneigung; ;
vor dem Vortrage der Philoſophie in lateiniſcher Spra⸗
he folgte aus jenem Grundbegriffe der Belehrfamteir.
Die Empfehlung der, veurfchen Sprache, welche durch
das Urtheil des großen .Leibuig--unterftügt: wurde, und
feine eignen Verſuche im ſchriftlichen und mund:
„lichen deutſchen Vortrage erweckten endlich den Eis.
fer der: Deutfchen, !ihre. Mutterſprache auszubitden, :
So unvollkommen auch Thomafins, Ausdruck in Anſe⸗
hung der Reinheit und Beftimmtheit iſt, ſo wuͤrde doch,
ohne fein, Beifpiel, das durch -feinen. Namen, und, die,
Menge von: Zuhörern, die:er bildete, einfiußreich wur ·
de, dle deutſche "Sprache ſich nipr- fa ‚bald gehoben
und eine eigenthuͤmliche Philoſophie der Deutſchen—
gebildet ‚haben Weberhaupt Tönnen wir. die Bemer⸗
Tung maden,; daß das Einſeitige und. Schlerhafte .
in der Denfart des Thomaſius weniger nachtpeilig ges, "
wirft hat, ald-das Gute und Wahre, zu deſſen Eis.
lenatuig er dur chaeowunge A:
0 men ic einen‘ "götgenoffen des Leibnitz,
der sbenfallä;: obgleich won anderer Denkart, vielen
Einfluß auf: ‚fein. Zeitafter ‚gehabt hat,. auftreten iaſſen,
naͤmlich den Bayle, und wir verbinden mit demſel⸗
von, des. verwandten. Geiſtes willen, den guet, er
1
" h
y 0
246 Giebentes Hauptfi, Erfte Abth, Vierter Xfhn,
haben durch die Beſtreitung des dogmatiſchen Geiſtes
der Philoſophie, und durch die Entgegenſetzuug des
Glaubens und des "Werminft viel Auffehen gemacht,
und wenn fie auch nicht die fpeeufirende Vernunft une
torbruͤcken Fonnten,- ſo haben fie doch diefelbe zu groͤe
eerer Befcheivenheit und Grünplichleif genöthigt, Bei—
haben, jeder auf eine befondere Art, den Glaus
ben über die Vernünft gefegt, un darin einen Erfag
für- die natürliche Wntoiffenbeit des menfchlichen Geis’
fies gefundene
Biere Daniet Hu et air mit Baffendi,
geibnig und Bayle zu’den Gelehrten jeher Zeit, wels
che die auögebreiterfte Gelehrſamkeit beſaßen. Huet
Fame, aus einer angefehenen hugonottiſchen Familie
zu Eadom ; fein Vater aber war zu ben Katholiken
übergegangen; Er war 1830 zu Caen gehpren, und
wurde, nad) dem frühzeitigen Tode ſeines Waters,
von den Jefniten if der ciaſſifchen Fiteratur, Mathema⸗
sit und Dsitofophie: gebildet, woßel er große a
ten und außerordentliche Wißbegierde bewies. In felz
ner Jugend Ternte er bie Philofophie des Carteſius
Tennen, für weiche er eine enthufiaftifche Liebe faßte.
Sa der Bolge erweiterten. fich feine Stubien immer
gehr zu einer Art von Polyhiſtorie, weiche durch feis
ne Reife nach Schweden, wohin er den Bochart be⸗
gleitete, und feine Verbindung mit ben Gelehrten in
Holland, Dänemark und Schweden, begünftigt: wurde.
Nah feiner Ruͤckkunft aus Schweden lehte er theils
in Cadom, theils in Paris in literariſcher Thaͤtigtkeit,
und ſtiftete € eine gelehrte Geſellſchaft in feinem Haufe zir
Weförberung der phyſikaliſchen, aſtronomiſchen und phie
leſophiſchen Wiſſenſchaften, welche auch bie Jg
ſainkeit des Staatöminifters Colbert auf fich zog. Um
diefe Zelt fing Be auf Veraulafſung eines Freum
dei,
Huet. u 247
Pr den Sertus zu ſtudiren an, und, gerdantt eine
"Vorliebe für die fleptifche Denkart, welche fen, ganzes |
Reben hindurch fortdauerte. Nachdem er eine deittang .
an dem Hofe, als Erzieher des Dauphins, gelebt hate
te, trat er in den \geiftlichen Stand, und erhielt die
Abtei Aulne, in einer der reizendften Gegenden Frank⸗
‚reiche, wo er bis wenige Jahr. vor feinem Tode, 4724,
. ven Wiſſenſchaften fi widmete *°"), Die meiften
Schriften des Huet, welche ſich auf Phlloſophie bezie⸗
hen, außer denen, welche der Cartefiſchen Philoſophie
entgegengejett find 262), haben die Schwäche des Ver⸗
ſtandes, und die Unfähigkeit der Vernunft, Wahrheit mit
Gersißheit zu erkennen, zum Segenſtande 257), Diefe
Denlart, welche durch die Kenntniß der ſo verſchiede⸗
nen Verſuche der Phitefophen, die Wahrheit zu entdek⸗
ten, ihrer derſchiedeuen Principien und Refultate, durch
die Erfahrung, die er-felbft an fich gemacht hatte, daß
ein phlioſophiſches Syftem” anfangs mit uheingefchräufs
- tem Beifalle aufgenemmen wird, ud doch, nach fchär-
ferer Pruͤfung, als des Beifalis ganz unwuͤrdig, und
grundlos fich bemweifet, durch das Studium des Sertus
ſich gebildet hatte, äußerte ſich ſchon in. dem Werke,
weiches er zur Vertheldigung der Wahrheit ver hilft:
Nichen Religion berautaeaehen hatte Denn ‘auch hier
er⸗
161) Eine mteteſaue Sabſtbiographie des guet entz
halten feine commentarii de rebus dd eum per-
tinentils; ,
- 162) M.f so ©: © 289. ag1.
265) Quaestianes Alnetange Cadomi, 1790: 4- Lips.
1698. 2719. 4. : Trait6. de hr —e de Yesprit
humaiı (p: Mr; Fwet). Amterdem 1723. 12.
Deutſche Heberfegung mit wibeegenben Bemertun
9, Frantf. a. M. 2724. 8.
"248 Giebentes Hauptft, Safe elbth. Vierter Abſchn.
erklaͤrte er, daß es zweierlei Wege gebe, zur- Erfennts
niß der Dinge zu gelaugen: durch die Sinne und ‚die
Vernunft, und durd) den Glauben oder die Dffenbas
rung, Jener Weg fey dunkel, unſicher und betruͤglich
“durch die endloſen Spigfindigkeiten und, Fragen der
Phitofopben; diefer aber geebnet, klar, unveränderlich,
er erleudhte das Gemuͤth, und flille das unruhige Wo⸗
‚gen. deſſelben. Daher ſeyen auch unter ‚allen Philoſo⸗
phen. die Skeptiker dem Chriſtenthume am wenigſten
entgegen, ‚weil fie durch Aufdeckung des Ungeiviffen in
- dem, Erfennen, und durch Zuruͤckhaltung des Beifalls
das Gemüth von DVorurtheilen reinigen und für die
Einwirkungen ‚ver Gnade empfänglich machen.. Den
nach Gottes Pillen fol unfer Heil ein Geſchenk feiz
ner „Gnade und eine Frucht unferd Glaubens ſeynz
darum · gab uns Gort den Gebraug einer ſchwar
hen unp blinden, nicht einer "gewiffen: und
einfihtigen Berdunft, damit wir nicht ‚den
Glauben verſchmaͤhten, ‚wenn uns die Vernunft eine‘
enſch in die welugen Gebennniſſe verſchaffte 164).
Die
N D. Huetü demonsträtio evangelica, Amsterd,
1680, 8. Pracfat, p. 7- Duplex est aiquidem via
- per quam im‘animos noströs’ illabitur cognitio .
rerum; 'alia sensuum ac raijonis, alia fidei; ob- .
scara illa, anceps et fallax, ad. veri notitiam' ma-
le fida et intuta, infinitis obsepta philosophorum
tricip et quaestignibus; elara haec, aperia et con-
‚ stans, praelucens animo, eiusque "aneipitgg motns
et fluctugtiones admisso coelesti lumine compo-
nens. — Cum ergp salutem moswam Deus: gra-,
Uae suae donum esse velit et fidei nostrae fru-
etum;-ideirco non -pergpicatis e}-certae, sed aoe-
‚cae et,hebalis, satiomis mobis concessit.usum, ne "
‚manifestam saergrum mysteriorum notitiam ratio-
: ne-adepgi,: idem aspernaremur, Atque: ita, Chri-
stianismo Jonge -mings adrersori videniur quau
ai-
Be on Buekan. 249
Diefen‘ Gedenken führte er in den aluctauiſchen Anter
bachungen weiter aus. Auf Koſten der Vernunft fuchte
er- zu zeigen, daß fie mit dem Glauben übereinftimme, '
oper vielmehr, daß die Vernunft dem Glanben gar.
nichts anhaben Fünne, weil: fie. nichts Gewiſſes erken⸗
ne. Daß unfere Vorfiellungen mit den Dingen übers
einftinmen, Eönnen. wir, garnicht wiffen; der Glaube
if. es, der und allein aus diefer. peinlichen Ungewißs:
- beit. heraushilft. In ſeinem nachgeläffenen Werke, das;
ohne : feinen Namen erſchien, wurde diefer. Stepticida:
us noch · uachdruͤcklicher ausgeſprochen, und er machte
auch durch feine Darſtellung in. franzoͤſiſcher Sprache
ein größeres Aufſehen. Die Gründe, wodurch die Uns
zuverlaͤffigkeit · aller menſchlichen -Esfenntniß,, und das
Ungerimögen der Vernunft, Wahrheit zu erleunen, bes.
bauptet wird, find. dieſelben, weiche fchon Sextus ge⸗
braucht, und. .er. felbft in feinen andern Schriften anz,
gedeutet hat, ja auch die Art und Weiſe, wie er den
Skepticismusn mit. dem chriſtlichen Glauben in Verbin⸗
dung: Bringt, “ft. wefentlich von dem eben angege⸗
benen Gedanken nicht verſchieden. Er hat ſedoch alles
dieſes deutlicher. anseinandergefegt, und auc den Eins
wurf, als wenn der Skepticismus den. Glauben, der,
nach Hust, den Mangel der- Vernunft erfeen, und. ihr
vie fehlende Gewißheit geben muß, zerflöre, zu beant⸗
worten gefucht. Der Glaube ift ein Gefchent Gottes,
Der ie in Broubensfaden. kommt nicht aus der
„ Bera
- " enlatimahır —8 philosophorum discipline,
quae incertum habent ac dubium, quidquid.aene
„ $yum et rationis ope cognoscimus, quaeque sus-
""* ment se ab omni assensu: sic enim praeiudiciie‘
expurgatos dnimos ac opinionibus liberos,' Deo
»: Yregendos et.fidei ——— moderandos Meile per ·
wiitunt. ———
250 den Su erſt Abth. Wierter Abſchn.
Dernunft, ſondern as einer übernatürlichen Wirkuug
Sottes; er gründet ſich auf eine. erſte offeubarte
Wahrheit, welche um ihrer ſelbſt willen, nicht: mes
gen der Evidenz, bie ſich der Vernunft darfeik, ges
glaubt werben muß. Die Vernunft iſt nicht bie Mefa>
che, fondern dad Werkzeug des Glaubens. Wie das
‚Licht fich ſelbſt und andere Gegenſtaͤnde zugleich. ſicht⸗
bar macht, fo macht die erfte offenbarte Wahrheit, dag
der. Glaube und die offenbarten Gegenſtaͤnde aufgenom⸗
men werden. Die Weweife für die ———
der chriſtlichen Religion find nur wahrſcheinich
erlangen durch ven Glauben erſt Gewißket, ar
die erften Grundſaͤtze der Vernunft: muͤſſen, wenn‘ fie
mit den Glaubensfägen meihwerbig verbunden find,
um des Glaubens willen geglaubt werten; dadurch
werden fie erſt göttlich, di, waicheft gesifk ‚Site,
da fie vor dem Giaaben nur mownfhlidye gewiſſe, d. i.
wahrſcheinlich waren 105). Es iſt einleuchtend, daß
nur durch eine Juconfequenz bar Glaube vor dem Skep⸗
tieismus noch aufrecht ſtehet, Indem Hurt, wenn er
‚nicht durch ein Vorurtheil den: Glauben höher, als die
sernänftige Erkenutniß geſtellt hätte, er in demſelben
denfelben Grund ber Ungewißheit, naͤmlich die fehlen⸗
de Weberzeugung von der / Uebereinſtiumuug der Vor⸗
ſtellung mit dem Objecte, wäre. gefunten haben, Das
Erkennen und Wiſſen wird, nach dleſer Anftcht, ganz
dem Zufall überleffen, und die Meuſchheit iſt demnach
in ihrem hoͤchſten Jutereſſe zu einer völligen Paffipität
Yerurtheilt. Die Quelle diefer Vorſtellungsweiſe war
bei Huet wahrſcheinlich ein falfch verſtandenes Felle
gisfes Intereſſe.
pien
365) Staudlin Geſchich te aus Bein des
Grepeieiemun, 29.9.8355:
Boyle 0. ai
pierre Bayle hatte in Anſehung der. menfchlle
chen Erkenntniß dieſelbe Denkart, welche der menſchli⸗
chen Vernunft nurddas Vermögen, Irrthuͤmer zu ent⸗
decken, aber ein voͤlllges Unvermögen, bie Wahrheit.
Mit Gewißheit zu erkennen, zuſprach. Er hat aber
durch ſeinen Skepticiemus mehr Einfluß gehabt, als
Huet, weil er deuſelben in ſeinem Woͤrterbuche, das
fo viel geleſen wurde, geänßert, und am mehreren ge⸗
lehrten. Streitigkeiten Antheil genommen hat. Gr war
zu Carla, in der Graffchaft Zoir, wo fein Vater re⸗
formirter Prediger war, 1647 ‚geboren, Mit großem
Eifer. Audirte er, unter der Leitung ſeines Vaters, die
lateinlſche und griechiſche Sprache, Seine Lieblings⸗
Teetüre war Plutarch und Montogne, Durch den letz⸗
fein wurde Mißtrauen gegen die Wernunft gewedt,
und der Grund zur Neigung, alled zu bezweifein, ges
legt, welche durch feinen Ichhaften Geiſt und feinem
Scharffiun noch mehr Nahrung erhalten mußte, Sein
Religioustoechfel, (denn er wurde von Jeſuiten, als en
zu Tonlouſe ſtudirte, zum Uebertritt zut latholiſchen
Kirche verleitet) gab der ſkeptiſchen Deukart noch mehr
-Nahrung. Er bereuete zwar dieſen Schritt; aber feine
Ueberzeugung von der Schwaͤche der Veruanft, dag fie.
in Religionöfachen gar keine entſcheidende Stimme has
ben tönne, blieb. Zu Toulouſe hatte er die ſchelau⸗
ſche Philoſophie ſtudirt; nach ſeiner zweiten Religions⸗
veraͤnderung wurde er in Genf mit ber Carteſianiſchen
Plyloſophie bekaunt, und er zog fie der erfierm, wegen,
ihrer Klarheit, vor, ohue ige darum darchaus zu hul⸗
digen. Er wurde 1076 zu Sedan, und, nachdem die
Uniperfinät zu Sedan, zufolge der gemaltthäkigen Maps
regeln gegen die. Hugemptten, aufgehoben worden, 1684-
zu Rotterdam Lehrer der Philofophie. Seine Vorträe.
ge, fanden am beiden. Orten viel Beifall, wenn er beſaß
eine biſienſch Venutniß der Philoſophie
mit
aba Siebentes vauptũ. Erſte ang, Bieter abſha.
mit. einem Helfen, einbringenben Werſtande, und verband
damit Gelehrſamkeit und. Geſchmack. Sein philoſophi⸗
ſcher Geiſt nahm einen negativen Charakter an, indem
er nur quf die Entdeckung und Zerſtoͤrung der Irrthuͤ⸗
mer und Vorurtheile hinſtrebte; Kritik und Pole⸗
mit wurde die Hauptrichtung, welcher er ſein ganzes
Leben bindurch vorzüglich folgte. So theilte & noch,
als er zu Sedan angeftellt war, dem Poiret feine Zwei⸗
fel und Erinnerungen über feine cogitationes de Deo,
enima et malo mit, welche diefer beantwortete. Sie
find noch mit einer gemwiffen. Schüchternpeit, als bes -
ſcheidene ragen zu ‚weiterer Belehrung, mit großer
Achtung gegen den Verfaſſer vorgetragen. Denn Bayle
war: noch mit. den Obliegenheiten feines Amtes fehr
befchäftigt, und arbeitete noch daran, ſich des Sye
ſtems der Gartefianifchen Philofophie zu bemächtigen.
In den pensdes sur les cometes, wwelche 1681 erſchie⸗
nen , tritt fein, polemifcher Geift ſchon Eräftiger und
muthiger hervor, denn er beftritt darin den Aberglaus '
ben und die thörichte Furcht vor. den Uebeln, welche
der Wahn an die Erſcheinung eines Cometen geknüpft
Hatte. Nachdem er durch mehrere polemifche, Schrife
tem Rühm erworben hatte, fing ev 1684 fein’ Eritis
fcdeg Journal: Nöuwelles de la: republique des- lal-
res; an, welches viel Beifall und Nachahmung. fand,
Einige Jahre darauf faßte er die Idee, ein hiſtoriſch⸗
kritiſches Wörterbuch zu fchreiben, welches dle Irrthuͤ⸗
mer des Moͤr er i und anderer Schriften über merk ,
wärdige Perfonen , ‚berichtigen, und die Luͤcken md.
Auslaffungen derfelben ergänzen ſollte. Diefed .der
Gelehrſamkeit, dem kritiſchen Scharffinne und der
Gründlichteit eines Bayle vollkommen würdige Unter: -
uehmen führte-er zwar nicht ganz fehler «-und tabel |
los, wa6 nicht in der Macht eines’ Gelehrten fand, -
oder“ doch mit vlelem Fleiße, wagu ihm die, durth Ca: :
. baten
ei Bay 2868
balen bewirkte Abſetzung die nöthige Muße gab, zur -
. allgemeinen Zufriedenheit in dem $."1695 aus, und
gab der Welt ein Werk, welches fein Verdienſt und
feinen Namen unfterblid) gemacht bat. Er hat in
demfelben mehrere philoſophiſche Syſteme beleuchtet,
die ſchwachen Seiten derſelben hervorgehoben, die
Schwierigkeiten der menſchlichen Erkenntniß ins Licht
geſetzt, und uͤberhau ſeine Ueberzeugung von der
Schwäche. der 'menfchlihen Vernunft’ ausführlich dar⸗
geftelt. Die Muße, welche er aach der zweiten Aus⸗
“gabe des Woͤrterhuchs erhielt, benußte er, eine Saum: .
lung von literarifchen, hiſtoriſchen, kritiſchen und phi⸗
loſophiſchen Bemerkungen und Abhandlungen herauszu⸗
geben. Auch hier iſt Kritik und Polemik die Hauptſa⸗
che. Manche Puncte der Lehre von Gott, Vorſehung,
Zulaſſung des Boͤſen, das Princip der Organiſation
werden beſouders beleuchtet. Da er feln ganzes Leben
bindurch, beſonders mit Theologen, viele Streitigkelten
gehabt hatte, und Ju rieu, der anfänglich ſein Freund,
nachher fein Zeind wurde, einen großen Anhang hatte,
fd wurde fein thedlogiſches Syſtem durch Jacquel ot
"son einer gehäffigen Seite angegriffen, wogegen er
fi in den Unterhaltungen des Maximus und Themi⸗
ſtius vertheidigte” Diefed war das Ichte Product ſel⸗
nes thätizen Geiſtes 16), Er pas im soften Fahre
“ feines
166) Dietlonnaire historique e et erliäque, Bonerdam
"> 1696. fol. ° Dictionnaire histor. crit. p. Mr. P.
Bayle. Ed. II. Rotterdam 1703. 3 Voll; fol. IV.Ed.
Amsterdam 1730, 4 Voll. fol. Pet. Baylens phir -
Iofophifches Wörterbuch, herausgeg. yon Ludw. Heinr.
Jacob, Kalle 1796. 97..8. 2 Dde., enchält die
pyhiloſophiſchen Artikel nach der. deutſchen Ueberfegung
von Bottfched, Leipg. 1741. — Keponse aux
. questions d’un Provincial. Rotterdam 1704.
’ 5Voll. 8, Entretiens de Marine et’de Themiste
ou
54 Eiebentes Haupiſt. Erſte Abth. Vierter Abſchn.
ſeines Alters d. 28 Dec. 1706 an einer Bruſtentzůn⸗
dung *°7), Er war von allen, einige erbitterte und
imn ihrer Eitelfeit von ihm gekraͤnkte Gelehrte ausge⸗
nommen, geachtet und gefchät, nicht allein wegen. feis
ner großen Gelehrſamkelt, ſondetn uch wegen feines
" herrlichen Charakters. Sein Lebenswandel war muſter—
bafı: MS Gelehrter Hatte er ſich die Wahrheit zu
ſeinem Ziele gewählt, und ſeine Polemik ging nur auf
Eutſchleierung der Larven der Wahrheit aus: Da die
Entdeckung der Gründe des Falſchen leichter iſt, ats
die. des Wahren, und da er durch die Vergleichung der
verſchiedenen Syſteme die Ueberzeugung erhielt, daß
ſie nicht alle wahr ſeyn koͤnnen, ob fie gleich nicht nur
von ihren Urhebern, fondern auch ubch von vielen An⸗
dern für wahr gehalten worden, da ferner ſein faͤhiger
Geift wit Leichtigkeit die verſchiebenen Syſteme auffafa
fen und ihren inne Zuſammenhaͤng erkennen kounte,
bei nicht auf die tiefer liegenden Gründe ihres Entſte⸗
bens jn dem menſchlichen Geifte fortging , fondern bei
" dein Gegebenen ſtehen blieb, um es mit einander’ zus
faninienzüpäften, weil Scharfſinn, fein vorzuͤglichſtes
' Ta⸗
on reponss & Pexämen de la Theolögis de Mr
Bayle, par Mr. Jacquelot. Hotterdam 1706. 8,
Oeuvres diverses & la Haye, 1725-31, folı
4 Voll
267) Außer mehrerer Eloges in gelehrten Journale,
ber histoire de Mr. Bayle et de ses Ouvrages
wor dei Genfer Ausgabe des Woͤrterbuchs v. 2722, '
welche ih der Ausgabe v. 1722 berichtiget uud eriweis
tert worden, ift die Lebensbeſchreibung des Bayle von
des Maizenux die befte und vollſtandigſte. Sie er /
ſchien 1730 zu Amfterdam in 12., und iſt der Amz
ſterdamer Ausgabe d. Woͤrterbuchs v. 1730; 40, auch
er Baſeler 8, 1741 beigefugt. “
Bayleı 7. 255
Talent, dabei am meiften Zefiäftigung und Spiele
taum fand; fo bildete ſich in feinem Geifte eine Neis
gung und Fertigkeit, menfchliche Vorftellungen,. Be⸗
hauptungen, Spfteme zu kritifiren, und Widerfprüche,
Schwierigkeiten, Inconſequenzen, Grundlofigkeit aufs
zudecken. Diefe Neigung artete aber nie in Streit⸗
ſucht aus, und auch die Art und Weiſe, wie er die
Streitigkeiten führte, bewies, daß Achtung für Wahre
heit, det er, ungeachtet feines Skepticismus, hufdigte,
ihn dabei leitete. Denn er disputirte ſtreng, aber oh⸗
ne allen Affect, und mifchte durchaus nichts Perſoͤnlie
ches ein; ja auſtatt den Streitpunct fo Barzuftellen,
dag ihm der Sieg Leichte werde, trug er ihn mit ala -
ler möglichen Stärke, mit ben gewichtvollſten Gründen "
unterftüßt, vor: Ob er lieber Wahrheiten beftritten,
als vertheidigt babe, um fi des Beifalls der Frei⸗
denker zu verſichern *6®), iſt ſehr zweifelhaft:
Der Skepticlsmus des Bayle hing mit. feiner gan⸗
gen Bildung und feiner ganzen Leben zuſammen, und
iſt der Abdruck feines Geiftes, der durch die Lebhaftige
Leit und die Zülle feiner Vorſtellungen, durch die fcharfe
Unterſcheidung, Vergleihung und Beurtheilung du dem
- tiefern Eindringen und Reflectiren auf ſich felbft ges _
hindert wurde. Huch hatten frühere Eindruͤcke von
‚theologifchen Vorſtellungen, von der von dem Gündens
fall herrühtenden Schwäche des menſchlichen Geiſtes,
von einem Unvermoͤgen, die Wahrheit zu erkennen,
and einetit den Menfchen unenthehrlichen übernatürlis
chen Beiftande durch Offenbarung, großen Einfluß auf
jene ffeptifche Auſicht 165), Daher iſt die Behaup⸗
9 tung
" 168) Fpitolas Leibnit Vol. IV. p. 4
169) Dat fee feine — aGen oirn cogita-
tiones
£ B —W
abs Seebenies Hauptf. Erſls ubth. Bieter kioſcha.
tung von der Schwache der Vernunft In’ der poſttiven
Ertkenntniß der, Wahrheit — die negative, oder die
‚ Erfenhtniß, daß etwas irrig und falſch, d. 1. nicht
Wahrheit iſt, dließ er unangefochten — daß die Offen⸗
barung allein zuverlaͤſſige Wahrheiten : enthaͤtt, daß aber
die Vernunft nicht im Stande if, jene Wahrheiten zu
begreifen; daß die Vernunft in ben Offenbarungslehren
durchaus ſchweigen muͤſſe, weil ſonſt, wenn man mit
der Vernunft in Religionswahtheiten raiſonniren
wolle, auch) diefer letzte fefte Boden -verfinten mürbe, -
Denn die Vernunft fey mit einem ägenden Pulver zu
sergleichen, welches. erfi das faule Fleiſch, dann aber
and) dad gefunde zerfisre, und zufegt noch die Knos
"hen. und dad Mark angreife "7°). Ueberall findet er
Widerſpruͤche in den Syſtemen der Philofophie, nir⸗
gends ein ſicheres und evidentes Kennzeichen uud Merk⸗
mal der Wahrheit, und wo man evidente Grundſaͤtze
zu erbliden glaubt, da werben. fie durch Glaubensſätze
umgeftoßen. Das größte Scandal aber iſt dieſes, daß
die Vernunft nicht einmal das Daſeyn der Koͤrperwelt
beweifen kann. Die Cartefianifche Philofophie hat den
alten Pyerhoniern barin neue Wortheile gefchafft. Uns
ftatt daß diefe die Sprache führten : ich fühle wohl,
Hitze bei der Gegenwart des Feuers, aber ich weiß
nicht, ob das Feuer fo iſt, wie es mir erſcheint; kann
der Skeptiker heutiges Tages, durch Huͤlfe der neuen
Philoſophie, weit befiimmter fagen: „die Wärme, der
"Geruch, die Farbe find nicht in den Objecten meiner .
Sinne; e& find nur Mobificationen meiner Seele; ich
weiß, die Körper find nicht fo, wie fie mir erſchei⸗
“ J nen.“
1715. p. Bog.
170) Dictionn. Acosta. Rem-
ones ‚zationaleg de Deo. Edi: DIL Amsterdam j
Baͤyle. 4267
nen.“ Selbſt die Bewegung und-Yusdehnung konnte
man nicht davon ausnehmen, fo gern man wollte,
Denn wenn die Objecte unferer Sinne und gefärbt,
warun, kalt ſcheinen, und ed doch nicht find, warum "
folften fie nicht auch ausgedehnt und geftaltet In Bes
wegung und Ruhe fcheinen koͤnnen, ohne wirklich ders
gleichen an ſich zu haben. Es ift fogar möglich, dag
die, Sinnenobjecte nicht die Urfachen unferer Genfatios
nen find, daß ich Wärme und Kälte fühle, Farben,
Figuren, Bewegung und Ausdehnung fehe, ohne daß -
es Körper gibt. Man Faun nicht dagegen einwenden, .
dag und Gott auf diefe Art durch die. Sinne’ betrüge.
“ Denn wenn er und in Anſehung der Farben u. |. w.
betrügen Tann, warum. folte er es nicht auch in Bes
ziehung auf Ausdehnung und Bewegung *7*),
Wenn der Dogmatifer einen wahrhaften Sieg
über den Skeptiker davon tragen follte, fo müßte er
ihm zeigen, daß die Wahrheit durch untruͤgliche Kenn
‚zeichen erkennbar fen. Gäbe es ein ſolches Zeichen, fo
müßte es die Evidenz ſeyn. Nun gibt es viele Dins
ge von hoͤchſter Evidenz, welche gleichwohl durch Claus
bensfäte verworfen werden. Es ift evident, daß Din⸗
ge, welche, von einem Dritten’ nicht verfchieden find,
unter ſich ſelbſt nicht verichieden find. Die Offenba-
sung erklaͤrt diefed Ariom durch dad Geheimniß ver
Dreieinigkeit fir falfch. Daffelde Geheimniß wirft das
Axiom; daß zwifchen Individuum, Natur und Perfon
kein Unterſchied ift, über den Haufen, Es iſt evident,
daß zum Weſen eines Menfchen, als einer realen voll⸗
ſtaͤndigen Perfon, nichtö weiter, ald die Vereinigung
eines menſchlichen Leibes und einer vernünftigen Seele
erfodertich if. Die. Menſchwerdung Jeſu Ichrt das Ges
‘ Zu \ gen
170) Dictioun. Pyrrhon. Rem. B. N
Tenmen. Geſch. d. Phil. XI. Th. IR
, \
F
256 Siebentes Hauptil, Etſte Abth. Vierter Abſchn.
tung von “det Schwache der Vernunft in der pofttiven
Ertkenntniß der, Wahrheit — die negative, oder die
Erkenntniß, daß etwas irrig und falſch, d. 1. nicht
Wahrheit iſt, ließ er unangefodhten — daß die Offen
barung Allein zuverläffige Wahrheiten ;enthält, daß aber
die Vernunft nicht im Stande If, jene Wahrheiten zu
begreifen; daß die Vernunft in ben Offenbarungsiehren
durchaus ſchweigen müffe, well fonft, wenn man mit
der Vernunft im Meligionswahtheiten raifonniren-
wolle, auch biefer letzte fefte Boden -verfinfen würbe, -
Denn die Vernunft fey mit einem &genden Pulver zu
vergleichen, welches erft das faule Fleiſch, dann aber
auch dad gefunde zerſtoͤre , und zuletzt noch die Knb⸗
"hen. und dad Mark angreife "7°). Ueberall finder er
Miderfprüche in den Syſtemen der Philofophie, nir⸗
gends ein ſicheres und evidentes Kennzeichen uud Merk⸗
mal der Wahrheit, und wo man evidente Grundfäte
zu erblicken glaubt, da werden ſie durch Glaubensſaͤtze
umgeftoßen. Das größte Scandal aber iſt dieſes, daß
die Vernunft nicht einmal das Daſeyn der Koͤrperwelt
beweifen Tann. Die Cartefianifhe Phitofophie hat den
alten Pyrrhoniern darin neue Vortheile gefchafft. Ins
ftatt daß diefe die Sprache führten: ich fühle wohl ,
1715. p. 809.
.'170) Dietionn.” Aecösta, Rem;'@, ” "3 -
tiones ‚rationale de Deo, Edit: II, Amsterdam °
Baylı oo 267
un Selbſt die Bewegung und. Ausdehnuug konnte
man nicht davon ausnehmen, ſo gern man wollte.
Denn wenn die Objecte unferer Sinne uns gefärbt,
warur, talt fcheinen, und es doc) sicht find, warum "
follten fie nicht auch ausgedehnt und geſtaltet in Bes
wegung und Ruhe fcheinen koͤnnen, ohne wirklich ders
gleichen an ſich zu haben. Es ift fogar möglich, dag
die, Sinnenobjecte nicht die Urfachen unferer Senſatio⸗
nen find, daß ich Wärme und Kälte fühle, Tarben,
Siguren, Bewegung und Ausdehnung fehe, ohne daß -
es Körper gibt. Man Fayn nicht dagegen einwenden, -
daß und Gott auf diefe Art durch die: Sinne’ betrüge,
“ Denn wenn er und in Anſehung der Farben u. ſ. w.
betrügen Tann, warum. follte et es nicht auch) in Bes
ziehung anf Ausdehnung und Bewegung 17),
Wenn der Dogmatifer einen wahrhaften Sieg -
über den Skeptifer davon tragen follte, fo müßte er
ihm zeigen, daß die Wahrheit durch untrügliche Kenn⸗
zeichen erfennbar fey. Gäbe es ein foldyes Zeichen, To
müßte es die Evidenz ſeyn. Nun gibt ed viele Dins
ge von böchfter Evidenz, welche gleichwohl durch Glaus
bensfäte verworfen werden. Es ift evident, daß Din⸗
ge, welche, von einem Dritten nicht verfchieden find,
unter ſich felbft nicht verſchieden find. Die Offenbas
zung erklärt diefes Ariom durch dad Geheimniß ver
Dreieinigkeit für falſch. Daffelbe Geheimniß wirft das
Ariom , daß zwifchen Individuum, Natur und Perfon
Fein Unterſchied ft, über den Haufen. Es iſt evident,
daß zum Weſen eines Menfchen, ald einer realen voll⸗
ſtaͤndigen Perfon, nichts weiter, als die Vereinigung
eines menſchlichen Leibes und einer vernünftigen Seele
erfoperfic if. Die, Menſchwerdung Jeſu Ichrt das Ger
. gen⸗
171) Dietiöun, Pyrrhon. Rem. B. J
Tenuem. Geſch. d. Phil, XI-Eh- ‘ R
© 258 Giebentes Hauptſt. Erſie Abth. Vierter Afhn,..
genthell. Es iſt ebldent, daß ein menfehlicher Körper,
nicht zugleich an ‚mehreren Orten ſeyn kann, und daß:
te ı72),
die Accidenzen einer. Subſtanz hicht-ohne ihre Subftanz . "
deſteben Können. "Das Geheimiiß des Abendmahls
ftößt beides um. In der Moral iſt es evident, daß
man das Boͤſe verhuͤten ſoll, wenn man, es katin, und
daß man fündigt, wenn man ed erlaubt, wo ed ver⸗
hindert werden konnte. Nach der, Theologie ift dieſes
" fatfeh; denn fie lehrt, daß Gott nichts thut, was nicht
feiner Vollkommenheit würdig iſt; und doch duldet er
alle Unorönungen In der Melt, welche er leicht verhin⸗
dern koͤnnte. Es iſt evident, daß ein Weſen, das noch
nicht ſexiſtirt, kemen Theil an einer boͤſen Handlung
nehmen, und als nicht mitſchuldig, ohne Ungerechtig—
keit/ nicht geſtraft werden kann. Durch die theologi⸗
ſche Lehre von der Erbſünde wird dieſe Evidenz zum
Jerthum. Es iſt enident, daß das Moralifhgute dem
Nüglichen vorgezogen werden muß Dagegen fagen
die Theologen, daß Gott, da er die freie Wahl zwie
ſchen einer vollfommen tugendhaften, und- einer Welt, .
wie bie unfrige ift, hatte, die legte vorgezogen bat,. _
weit er fih in berfelben . mehr verherrlichen. konn⸗
Baple zieht Hieraus bas Reſultat, daß die menfae
liche Vernunft unvermögend ift, die Wahrheit. zu ere
kennen, und zur Gewißheit zu gelangen, das Wahre °
mit dem Falſchen nicht berwechfelt zu haben. “Denn
aud das Gewiflefte, was fie erfenut,. wird durch die
Theologie, - weiche ſich auf Offenbarung Gottes, des
abfolut volllommnen Geiftes, gründet, umgefloßen,
Darum muß ſich die'Bernunft demüthigen unter ben
Glauben, und fi, ohne Anmaßung den göttlichen Aus⸗
nt . - fprüe
173) Dictionnaire. Pyrrhon. Rem. B.
ö Bayle. \ 259
J
forächen in der Religion uniterwerfen. Daher iſt feine
Phitofophie fo empfehlungswürbig, als bie Pyrrhoni⸗
ſche, weil fie den Menfchen mit feinem wahren Zus '
ſtande “befannt macht, und ihm zur Religion, die -
feiner Schwäche einen übernatürlichen Beiſtand darbie⸗
tet, Hinführt. Die Theologie ift daher die Grenze des
Skepticismus; dort hört er auf und ſchweigt. Uber. -
bier entſteht die Trage: iſt denn’ die Theologie nicht
auch dem Skepticismus bloögefielt? Die Theologie,
welde für Wahrheit auögibt, was mit auögemachten
Giundfägen der Vernunft freiget, folte diefe nicht auch
die Waffen des Zweiflers zu fürchten haben? Bayle
felbft geſteht offen, daß ver Skepticiemus nicht der
Päyfik, nicht der Moral, aber: der Theologie furchtbar
ſeyn muͤſſe. Denn die Phyſiker erkennen es außerdem
fon, daß die letzten Gründe der Raturerfcheinungen
ein. Geheimniß find und bieiben, und nur derjenige,
ber die Natur ‚gemacht hat, fie auch vollfommen ers
tenut. Die Zweifel betreffen nur die Erklärungen;
beide ftören nicht die Natur. in ihrem Gange, Und
= was die. Moral betrifft, fo halten die Skeptiker nur
über den Grund und die Erfenntnißquelle der Pflichs
ten ihr Urtheil zurück, fagen ſich aber nicht von der
Ausübung derfelben 106, Uber in der Religion’ ift der
Zweifelsgeiſt gefahrlich; denn ſobald die feſte Ueberzeu⸗
gung ſinkt, faͤllt auch der Zweck, vie Wirkſamkeit und
die — der Religion dahin *7°). Zum Glück
R2 if
175) Dictionnaire Pyrrkon. Rem. B. Cost par
Yapport ä cette djvine science que le Pyrrhonis-
me est dangereux;; car on ne voit pas quil le
soit guere, ni par rapport & la Physique ni par,
repport & l’Etat. ll importe peu qu'on dise que
Pesprit de l’homme est trop borne, ‚pour rien de- ,
'couvrir dans les veritez naturelles, dans les. cau-
ze .
D
260 Siebentgs Hauprfi Erſie Abth. Vierter Abſchn.
ift die Denfart des Skeptilerz nicht ſeht Häufig; die
natürliche Unwiſſenheit und Neigung zum eutſcheiden⸗
den Urtheile, die Macht der Erziehung und’ die Kraft
der Gnade in den. Gläubigen find, pie Vollwerke wel⸗
che dem Skepticismus und ſeinem ſchaͤdlichen Einſluß
> Schranken ſetzen °7*), .
Es ift nicht leicht auszumachen, ob und inwieſern
Bayle ein Skeptiker aus eigner Ueberzeugung war.
Denn wenn er gleich den Pyrrhoniern in ſeinen Schrif⸗
ten große Lobſprůͤche macht, und die Skepſis ſelbſt oft
ne.
ses qui produisent la 'chaleur, Ie froid, le Hax .
de la mer etc, Il nous doit suffire qu’on s’exer-,
ce à chercher des Hypotheses probables, et a
recueillir des experiences; et je fort assurd-
qu’i) y q trös-peu de vous Physiciens dans no-
ie siecle, ‚qui ne se soient convaincus que la
nature est un abime impenetrable et que ses
resorts ne sont connns qu’ä celui qui les a faits
et qui les dirige, Ainsi tous ces Philosophes
sont à cet egard Academiciens et: Pyrrhoniens;
La vie civile n’a rien & craindre de cet esprit“
la; car les Sceptiques ne nioient pas qu’il ne se .
fallut, conformer aux couiumes de son pays, ‘et
pratiquer les devoirs de la. Morale et prendre
parti en ces choses-1& sur des probabilitez, sans .
Attendre la certitude. li⸗ pouvoient suspendre
leur jugement sur Ja question, ‚si un tel devoir”
est naturellement et absolument legitime; mais-
ils ne le suspendoient pas sur la ‚question sl
le falloit,pratiquer en telles et telles rencontres.
2 n’y a done que la Religion qui ait ä orain«
dre % Pyrrhonisme: elje doit &tre appuyde sur
la certitude; son but, ‚ses effets, ges usages, tom-
bent des que la ferme persunsion do sea veritez
est effacte de ame,
174) Dictionsaire, ibid.
u Baylı. u "a6
anwendet, um das Unhaltbare und Irrige in den Vor⸗
ſtellungen ‚und. Erfenntniffen der Menichen in das Licht "
zu fegen:; fo Tonnte er diefes doch auch thun, ohne.
daß er fih wirklich zu dem Skepticismus bes
Iannte, fo wie er die Lehre der Manichaer "oft
gebraucht , um den Stolz des Dogmatiters zu des
müthigen, aber jeme Lehre felbft nicht zu der feier
nigen machte, . Dafür fpricht fein ghilofophifcher
Eurfus in dem vierten‘ Bande, feiner Oeuvres die
verses, in welchem er auch manche Zweifel gegen die
Erkenntniß vorbringt, aber doc) auch nicht blos, die
‚Möglichkeit, fondern auch die Wirklichkeit der Wiſſen⸗
ſchaft einräumt, und der Umftand, daß er die Eins
ſicht Hatte, der Skepticismus zerftöre ſich felbft 7°)
Diefes zeigt ſich auch ſogleich an den fleptiichen Urs
theilen des Bayle. Wenn er auf der einen Seite bes
hauptet, der Skepticismus findet fein, Ziel in der
Theologie, welche über allen Zweifel erhahen iſt, und
dann wiederum behauptet, nur allein die Religion, oder
die Theologie, habe den Skepticismus zu fürchten, fo
. hebt das Eine das audere auf. Auch würde daraus
folgen, daß die Theologie, wenn fie auch ganz ver= '
nunftlofe, ja vernunftwidrige Säge enthielte, dennoch
nicht nur angenommen werden müfle, fondern auch
ferbft nicht son der Vernunft cenfirt werden dürfe,
Iſt es wohl anzunehmen, daß Boyle folche Lehren für
j wahr.
175). Dictionsaire Pyrrhon. Rem. C. On sent que _
cette Logique est le plus grand effort de suhti«
lite. que V’esprit humain ait pu faire; mais on
"voit-en m&nıe temps que ceite subtilitd ne peut
donner aucune Tislaction ; elle se confond
elle-möme; car si elle etpit solide, elle prou-
veroit qu)il est certain qu'il faut douter. _
5 .
j 26a Siebentes Hauptft, Erſte Abth. Bierter Abſchn·
wahr und für die oberſten Ausſpruͤche in dem Relche
der Wahrheit habe ‚halten können? Was er oben den
eoiventen präktifchen Grundfägen der Vernunft ‚ans der
. Theologie entgegenfeßt, das betrachtet ei, anderwärts
ald Lehren, die den Zweifel aufregen, und ſetzt ihnen
die-Manichäifchen Lehren entgegen 278). So wenig
man aber den Skepticismus als Weberzeugung des
Bayle ‚annehmen Tann, fo wenig kaun man irgend ein’
dogmatiſches Syſtem als das feinige anfehen, wiewohl -
er dem Earteſiauiſchen am . geneigteften iſt. Er be
diente fi) des Skepticismus als eines Mittels, Jer⸗
thümer aufzudeden, die ſchwachen Seiten des Vers
nunftſyſtems und der kirchlichen Dogmatik ins Licht
zu ſetzen, Stolz und MUebermuth, blinde Auctorität
und Herrfhaft der Meinungen, Unduldſamkeit und
Verfolgungsfücht zu ‚bekämpfen 77), Die Liebe zur
5 . Wahr⸗
176) Dietions. Simonide. Rem, F.
277) Dictionn. Simonide. Rem, F. Nos plus grands
Thenlogiens, #'ils agissoient comme Simonide, c’
est & dire, s’ils me vouloient assurer sur la na-
ture de Dieu que ce qui par les lunıieres de la
‚Raison leur paroitroit incontestable, evident, et &
Tepreuve. de "toute difhicult&, demanderoient in- '.
cessanıment de nouvenux delais à tous les Hie-
rons. Ajoutez m&me que Simonide, consultant
et examirant l’Ecriture sans l’effcace ou de P
education- ou de la grace, ne sortiroit pas de
son labyrinthe, ni de son silence, La raison lui
defendroit. de nier les faits contenus dans I" Ecri-
ture, et de ne voir pas quelque chose de sur-
naturel dens l’enchainement de ces ‚faitsz mais
cela ne suffiroit pas à le faire döcider. Les for“
ces de la raigon et de l’examen’ philosophique
ne vont qu’ä_ nous tenir en balance et dans la
- crainte d’errer, soit que nous affrmions, -soit que
nous niione. — Et prener bien garde qu'il n’
, vr
ä Darin. 263
Wehrbeit, die Scheu vor Jerthͤmern erlaubte. ihm
nicht, ein entichiedener Dogmatiker zu feon, aber fie
binderte ihn auch, dem Skepticismus uneingefchräuft
beizutreten. Mir finden alfo.bei ihm einen gemäßigten,
beicheidenen Dogmatismus, verbunden mit dem Bewußt⸗
ſeyn, daß der Irrthum Leichter iſt, als die Erwerbung der
wahren Erkenntniß, daß Neigung und Jntereſſe leicht
dem Urtheil vorgreift, und die Gradeded Fuͤtwahrhaltens
verwechſelt, fo wie mit einer daraus entfpringenden Nei⸗
gung zum forgfältigen Prüfen der Grünne und Gegen
gründe, der Schwierigkeiten und Einwürfe, und zum
Aufſchieben des entſcheidenden Urtheils, bis die Vere
handlungen uͤber wichtige Gegenſtaͤnde geſchloſſen ſind.
Weil nichts leichter und gewöhnlicher iſt, als daß man
fih ein Wiffen anmaßt in Dingen, die kein Gegens
fand des Wiſſens find, fo richtete Bavle hauptſächlich
auf diefe Urt Gegeuſtaͤnde — und das waren haupiſaͤch⸗
uch ſolche, die fi) auf Religion und Tpeologie bezie⸗
den — die ganze Stärke feines ſteptiſchen Scharffinns,
mit ſolchem Eifer, daß es den Anfchein gewinnt, als
wäre ed ihm darum zu thun gewefen, alle religiöfe
Ueberzengungen zu ve, und als wäre er felbft
ohne
ya aucune ‚€ hypothese contre Taquelle la Raison
fournisse plus d’objections que. contre celle de
PEvangile. Le mystere de la Trinite, l’incarna-
tion du Verbe, sa mort pour l’expiation de nos
pech6s, la propagation’ du peche d’Adaın, la pr&-
destination eternelle-d’un petit nombre de’ gens
au bonheur du Paradis, l’adjudication eternelle
de presque tous les: hommes aux supplices de I’
* Enfer, qui ne finirons jamais, l’extinetior du franc-
arbitre depuis le peche -d’Adam etc. ‚sont des
choses qui eussent jeit& Simonide dans de plus,
grands doutes que tout ce ‘que son inaginalion
ini erbsere.
264 Sidenteb Oouptſt. Erſte Abth. Vierter Ash n.
ohne allen Glauben an Gott und Unſterblichteit gewefen.
"7, Allein. feine fubjective: Weberzeugung muß bien gang
aus dem Spiele bleiben; denn. wer die Beweisgruͤnde
der philoſophiſchen Schulen und der Theologen fuͤr das
Daſeyn Gottes, die Immaterialitaͤt und unſterblichteit
der Seele mit der groͤßten Strenge prüft, und ſie zu
leicht findet, kann dabei doch Immer ein religiöfer Menſch
feyn. Die Kritik des Bayle ift von der Art, daß fie
und auf feinen Fall nöthigt, feinen, ſubjectiven Glau⸗
ben in Zweifel zu ziehen; auch fein ganzes Leben und
feine Denkart geben und einen religisfen Menſchen zu
‚erkennen. Man wird durch feine ffepriichen Beleuch—⸗
tungen vielmehr darauf geführt, daß Bayle ein, auf
gewiſſe Gegenftände ſich befchränfendes Unvermögen in
“ der menfchlichen Vernunft entdeckte, ein Wiſſen in jes
nen Gegenftänden zu erlangen, ſo groß auch das In⸗
tereffe für diefelben ift, daß er aber, über den Grund
dieſes Unvermrögens nicht weiter nachforfchte, und diefe
Unterſuchung zum Theil durch theologifche Vorurtheile
beſſeitigte. Er. hätte zu wichtigen Auffchlüffen kommen
wnnen wenu er darauf feine Denkkraft gerichtet Hate .
"te; aber er begmigte ſich, das Scheinwiſſen in dieſen
Gegenftänden zu zerſtoͤren — ein Verdienſt, ‚welches
zwar nur uegativ ‚ aber dennoch von großer Beden⸗
tung iſt. -
Hieher gehört dasjenige, was er über.den hiſtori⸗
ſchen Beweisgrund für Gottes Dafeyn erinnert, ſowohl
-überhaupt ,. als auch insbefondere über die Art, wie
venfelben Bernard in Schu genommen hatte, fo
wie über den Beweisgrund, welchen Eudmworth aus
den plaſtiſchen Naturen hergeleitet Hatte 1270), 'uͤber
ı die
178) Ropensı aux questions dum Provinal, T..
„Pr TR .
. 5 er,
Bayle co. 285
die Unmöglichleit, Gottes Weſen in-einen Begriff Pr
faffen *79). Simonides wurde von dem König Hier⸗
on gefragt: was Gott ſey? Er bat fich einen, dann
zwei, vier, acht u. few. Tage zum Bedeuken aus, und
erklärte endlich, Daß, je länger er darüber. nachdenke,
deſto dunkler werde ‚ihm der Gegenſtand. Er wollte
den Fuͤrſten nicht mit den populären, auf dem; Gefühl,
. beruhenden Vorfielungen, daß er ein unendliches, alle
maͤchtiges Wefen iſt, welches die Welt gemacht hat
und fie regiert, abſpeiſen, fondern er ſuchte eine -Defie .
nition, In welcher alle Merkmale deutlich, evident und
. unbezweifelt wären. Da- er eine ſolche sicht fand, fo -
ſah er ſich zum Stillſchweigen genöthigt. Hätte et -.
geantwortet: Gott: ift von allen Körpern, die das Unis
verſum ausmachen, verfchieden; fo würde man ihm die
Frage vorgelegt haben: ob das Weltall immer, wenige
ſtens der Materie nach, exifirt habe? ob die Dates
rie eine wirkende Urfache habe? Die bejahende Ant⸗
wort würde die Behauptung herbeiführen, daß fie aus
Nichts, gemacht worden — ein Lehrſatz, der nicht bes
griffen, nicht begreiflich gemacht. werden kann. Hätte
er jene Frage verneint, und behauptet, die Materie
habe feine wirkende Urſache, fo würde man ihn ger
‘ fragt haben, woher kommt ed, daß Gott eine ſolche
Gewalt auf die Materie, und nicht mngelehrt die Mi -
terie auf Gott hat? Und ba hätten tüchtige Gründe
angegeben werden muͤſſen, warum zwei, in Ruͤckſicht
auf Erifienz unabhängige, gleich nothwendige und errn⸗
‚ge Weſen ſich fe ungleich in Rückſicht auf den Eim .
Fuß auf einander verhalten. — Es iſt nicht genug,
zu fagen, Gott fey von allen Körpern, die das MWelt-
all ausmachen, eerſchieden ; men verlangt auch noch
Aus⸗
179) Dictionnone. Simonia⸗ Rem. F. T. HI. p.
1235 seq.
. *
J . - 12. 1
266 Siebentes Hauptſt. Etſte abth. Wierter Abſchn.
kunft darüber, ‘ob er jenen Dingen in Beziehung auf
“Ausdehnung, gleicht, oder nicht, ob er auögenehut,
oder nicht amdgedehnt iſt. Sagt manz:er iſt auöges
dehnt, fo folgt daraus, daß er koͤrperlich jnd materiell
iſt. Es iſt unmöglich, begreiflich zu machen, daß es
zwei Arten der Ausdehnung gebt, wovon eine foͤrper⸗
lich, aus Theilen beſtehend, die andere unkoͤrperlich,
ohne Theile, einfach If. Sagt man: Gott iſt nicht
ausgedehnt; fo wird man baraus folgern, daß er nirs
gends ift, und keine Verbindurg mir der, Welt haben
tann. Wie wird er alfo Körper bewegen, und wirken
koͤnnen, wo er nicht iſt. Außerdem kaun unfer Geiſt
keine unausgedehnte Subſtanz, und. einen von aller
Materie getrennten Geift begreifen. Wohin ſich alfo-
Simonides in feinem Denken wandte, da fand.er übers
all Schwierigkeiten und Einwürfe. Und ungeachtet
es wahr ift, wad Tertullian in Beziehung. auf jes
nes Zartum, welches er jedoch dem Thal es beilegt,
fagt, daß jeder Handwerker unter den, Chriſten Gott
Findet und darftellt, weil Unterricht, Gefühl, Glaube‘
amd die Wirkung der Gnade den, Chriften-einen großen
Worzug 'vor den Heiden gibt; fo würden doch unfere
größten Theologen, wenn fie ed, wie Simonides mach⸗
ten, d.’i. wenn fie nur das vom Wefen Gots
tes behaupten wollten, was durch das blo⸗
Be Licht der Vernunft ald unbeftreitbar ge
wiß erkannt worden, und was von aller
Schwierigkeit befreit ift, ohne Ende neuen
Aufſchub verlangen müffen «80, , i
. Ueber
. 80) Dictions. Simonide. Rem. F. Nos plus grands
Theologiens, s'ils, agissoient comme Simonide,
'. c'est ä dire, s'ils ne vouloient assurer sur la na-
ture de Dieu que ce qui par les lumieres de
la raison leur paroitroit incontestable, evident et
“: a
Bayle 267
Asber keinen Gegenftand hat aber Bayle Sfterer
geſprochen, . ald über das Boͤſe und die Vereinbarkeit
deſſelben mit den Eigenfchaften eines abjolut weiſen,
gütigen und. heiligen Gottes. Bei allen Gelegenheir
ten, diefe in Wörterbuch. darbot, beſonders aber in dem
Artikel Manichaͤer, hatte er zu zeigen verfucht, daß die .
‚Vernunft bei der Frage: woher das Wöfe, wenn
x Gott gut, und.der Urheber'alter Dinge tft?
in’ der größten Merlegenheit fich befinde, und keinen“
andern Ausweg erblide, ald mit ‘ven Manichdern zu
fagen: das Böfe kommt nit von Gott, fons
dern von einem böfen Princip. Diefe-Bors
ausfegung iſt zwar an ſich ungereimt; aber. fie kann
durch “die Vernunft nicht widerlegt werden. Durch
Gründe. a priori wäre fie zwar bald’ abgewiefen; aber
die Gründe aus der Erfahrung‘, auf welche fie ſich
ſtützt, find defto fiegreicher. Die deutlichen Begriffe
von Ordnung überzeugen und, daß ein Wefen, welches
durch fich ·ſeidſt exiſtirt, nothwendig und ewig iſt, auch
einzig, unendlich, allmaͤchtig, und mit einem Worte das
volltommenfte Weſen ſeyn muß. Nach dieſen Ideen
iſt die Hypotheſe von zwei ewigen unabhängigen We⸗
fen, deren eines keine Güte beſitzt, und die Abſichten
des andern hemmen Tann, das Ungereimtefte, was ſich
nur denken laͤßt, und fie muß nach diefen Gründen a
priori verworfen werden. Aber der Menfch- und. die
Beſchichte, welche ein Regifter der Verbrechen und des
Unglücks des menſchlichen Gefchlechts ift, koͤnnen durch
ein Vernunftprincip nicht erklaͤrt werden; ſie fuͤhren
uns nothwendig auf zwei Grundurſachen, die mit ein⸗
ander im Streite liegen. Da zu einem guten ESyſte⸗
2.5 me
& kepreuve de .tonte diffeuls, ‚demanderhient
» incessamment de nouveanx delais à tous les Ho-
rons.
nu
Ber)
368 Siebentes Hauptſt. Erfte Abth. Vierter Abfn.
me gehört, nicht nur, “daß e6 deutliche Begriffe ent⸗
halte, fondern auch, daß es die Erfahrung zu erfläs
ven zuteichend ſey; fo fteht die. Hypotheſe der Manis
chaͤer in Anſehung des erften zwar dem Deismus weit
nach, ift aber in Anfehung des zweiten demiefben fehr
überlegen. Die Heiden Lönnen mit diefer Hypotheſe
eher fertig werden, als die Chriften, da die Streitigs
Teiten über die Freiheit, wo der angreifende Theil ims
mier im Vortheit,ift, die Heine Zahl der Auserwähls
: ten, die Ewigkeit der Hölfenfirafen, jenen Erfahrungds
gründen, worauf fich die Manichaͤer ſtuͤtzen, ein gro=
ßes Uebergewicht geben, je ‚fie unwiderleguch mach⸗
ten zer),
Diele Zweifel, die Ausfigeicteit, "mit welcher
Bayle ſie vorgetragen hatte, und die oͤftere Wiederho⸗
lung derſelben machten großes Aufſehen. Wilhelm
"King wurde dadurch Hauptfächlich veranlaßt,, feine -
Abhandlung von dem Boͤſen zu ſchreiben *°2). Denny
die Behauptung des Bayle, daß das Dafeyn des Boͤ⸗
ſen in der Welt auf keine befriedigende Weiſe von der
Vernunft erklärt werden koͤnne, und jede Aufloͤſung
des Knotens unmöglich fen, Hatte ihn vorzüglich ers
" griffen, und beftimmt, einen Verfuch zu machen, wenn
auch nicht die Schwierigkeiten felbft zu heben, doch zu
vo, daß fie nicht unaufloͤslich ſeyen 182). Er lei⸗
tet
181) Dictions. Manichdens Rem. D. Paulicien
Rem. E. G. H.
7182) De origine mal, suctore Guil, King .Tpi-
scopo Devensi. Londini 1702. Bremae 1704 8.
183) De origine- mali c. 2. p. 47. 48. 49. ed.
Brem. Notum est, difficultatem hanc exercuisse
tam philosophos antiquos, quam Patres eccle-
sine;
Baylens Stepticismus. 269
tet das mataͤrliche Nebel, welches in der Unvoflfome -
menpeit beffeht, aus den nothwendigen Schranken der
Geſchoͤpfe und aus Gottes freier Wahl, das phyſiſche
aus jenen Schranken, und das moralifche aus den feh⸗
lerhaften Acten einer vollkommnen indifferenten Sreis
heit ab, und ſucht nur zu zeigen, daß das Uebel theils
nothwendig, theils zufällig, und von Gott, zugelaffen
werde, weil es ohne größere Unolkfo eit nicht
* Habe entfernt werden Tönnen, oder weil ed mit ber
Vollkommenheit des Ganzen beftehe. Die Annahme
einer gefetstofen Freiheit, das Gefländniß, daß der
menfchliche Verftand die Dinge, wie fie find, im ihren
ganzen Zufammenhange nicht zu erfennen vermöge, und
von dem vollkommenſten Wefen nur Vorſtellungen habe,
wie der Blinde von den Farben, und die Verweifung
auf vie Religion, als dem letzten Beruhigungsmittel in
Anſehung der Suͤnde, beweiſen offenbar, daß er ſich
von der Anſicht des Bayle im Grunde nicht entfern⸗
te, und mo er ſcheinbar weiter gegangen war, die Sa=
che durch feine Hopotheſe von ‚der Freipeit neuen Zwei⸗
= muögefegt hatte, .
Nachdem auch Jacquelot in ſeiner Schrift uͤber
die Harmonie des Glaubens mit der Vernunft 180)
die Schwierigkeiten, welche Bayle in der görtlichen
Weltreglerung In Anfehung der Freiheit und des Bis
2. fen
also; ot sunt etiam, qui negant adhuc solutam,
imo qui refutare in’ se suscipiunt omnes ‚solu-
tiones adhuc oblatas: nec ego absolutam omni-
bus numeris promitto, quamvis ‚spero, me
hac dissertaione östensurum, insolubilem eam
non esse,
a84) Conformitt de la foi avec la saison par
Ar. Jasquebt. da fe 3705. 8. "
| 270 Cibents bauph. Eike Abth. Bieter fhn.
ſen gefunden, zu heben verſucht hatte ſo untere
warf Bayle noch einmal diefen Verſuch einer. ſtreugen
Prüfung *3%), Das Refultat war, daß die Werföhr
mung der Vernunft mit der Theologie keinen Schritt
> weiter gebracht, und die Schwierigkeiten wicht gehoben
worden, ungeachtet es biefem Gelehrten nicht an Scharfe
finn und durchdringendem Verſtande gefehtt babe, —
weil ſie Wifiosbar ſeyen 186),
€ ſtellt den Hauptpunct des Streits fo dar) daß
es auf die Frage ankomme, ob uns die Vernunft nicht
allein von der wirklichen Uebereinſtimmung der Eigen
ſchaften Gottes mit der Weltregierung, und befonders mit‘
‚der Präbeftination, überzeugen, fondern auch darin aufs”
klaͤren könne, fo daß die Schwierigkeiten, womit die
Erkenntniß dieſes Zufammenhangs bededt ift, für den
menſchlichen Geift wegfallen? Zacquelöt bejahet, Bayie
J verneint biefe Frage *97)._ „Sea iſt überzeugt, daß
uns
385) Repanse au questions Dun Provinsiat T.L.
chap. CAXVIL— CLXI. p. 635— 1029. -
186) Reponse. T. II. p. 638. Aussi Puis-je bien
r ‚vous attester «que ceux qui tronvent qu’il ne
leve point les difficultez, ne se prennent point
& lui, mais aux embarras insurmontables de la
matiere qu'il a traite,
187) Reponse T. un p. 813. . De quei Fagit- -ik.
“done? D’un 'aecessoire peu important au Ohris-
tianisme, C'est de savoir, si ndire raison peut
comprendre laccord reel et effectif q
ve entre les attributs de. Dieu et le
ta‘ predestination, et si elle peut satisfaire aux
difficultez qui nous couvrent la connnissance ou
les id&es de cet accord, il est question, dis-je,
de.savoir si elle peut non seulement convainore,
mals eclairer aussi notre esprit sur ce sujeh,
Baylens Skeptieiemus. . 278
uns nur die Offenbarung davon überzeugt, daß alle
Zuftände des Menfchen mit den unendlichen Eigen»
ſchaften Gottes‘ übereinftimmen, aber daß die Vernunft
Aicpt6 davon begreifen koͤnne. Um biefen Gegenfag
zwiſchen der Theologie und Phitofophie deutlicher zu
machen, ftellt er die theologifche Lehre von der. Sünde
und Gnadenwahl, pach dem Vekenntnig der Reformir⸗
ten, in ſieben Saͤtzen den philoſophiſchen Saͤtzen entgen . |
gen *66).
Man darf fü fih übrigens nicht: wundern, daß er
auf diefe Art Vernunft und Offenbarung einander ente
gegenfegt, Indem er gerade die in feiner Kirche anges -
nommenen Lehrfäge für die Artikel des Offenbarungse
glaubens überhaupt nimmt, worin doch Feine allgemei⸗
ne Uebereinftimmung Statt findet ; denn es ift über»
haupt feine Art,” Schrift und Vernunft einauder ent⸗
gegen zu fegen, und als Glied der reformirten Kirche
hielt er natürlich das Dogma berfelben für die wahre
Auplegung der Offenbarungsurkuude. Aber vielleicht
waren eben die berfelben - eutgegengefegten Vernunft⸗
grundfäge Zweifel, welche eigentlich dem kirchlichen
Dogmwa gelten. ſollten. Jacquelot hatte in der Freiheit
die Vermittlung der Schwierigkeiten und die Vereini⸗
gung der Theologie und Vernunft zu finden gefucht.
Dagegen erklaͤrt fi) aber Bayle aus dem Grunde, weil .
die Freiheit felbit ein Begenftand fey, der die Vernunft \
in eine Menge von Schwierigkeiten verwidele, und das
her, beſonders wenn man eine indifferente Freiheit ans
nehme, welche ein bios zufälliges Handeln in ſich
ſchließe, bei welchem alles Vorherwiſſen unbegreiflich
fen, die Schwierigkeiten noch vermehre 799), Fra
. h e
188) Reponse T, III. ,p.-812 seq.
j 189) Reponse T. U, ch. 142. p. 798.
. \
372 Sichentee Hauptſt. Crfie Abih. Wierter elbſchn.
Die Freiheit ſelbſt verwarf Bayle nicht, ſondern
erklaͤrte ſie nur für unbegreiflich, wiewohl er auf die⸗
ſen Punct / weniger, als auf andere, feine Angriffe ges,
richtet hatte. Die Vertheidigung der zufaͤlligen Frei⸗
heit durch Jacquelot fuͤhrte ihn in ſeiner vorletzten
Schrift darauf, die Schwierigkeiten. in diefer Lehre
mehr zu entwickeln, und zu digen, daß, welche Parc
tei man-audy ergräife, man immet von der entgegeits
gelegten in die Enge getrieben werde 180). Ohne das
Chriſtenthum würde man felbft nicht einmal Gewiß⸗
heit haben, daß per Meufch frei fey. Cprtefius, und
Jacquelot berufen fich zwar auf das Bewußtſeyn, das
jeder von der Freihelt hat. Allein dieſes kann gar
nichts beweiſen. Denn ed läßt fich durch die Vernunft
nicht begreiflich machen, wie ein Weſen, das nicht
durch ſich ſelbſt exiſtirt, dennoch von ſelbſt Urſache
feiner Handlungen ſeyn Eine. Man kann nicht dies
fem entgegenfeen, daß wir eine deutliche Vorſiellung
von unferer Eriftenz haben; denn ich denke, —
alſo bin ich; ungeachtet wir nicht von uns ſelbſt
exiſtiren; daß wir. folglich richtig auf folgende Weiſe
fliegen: ich bin mir deutlidy bewußt, daß
ih thue, was ih in dem Kreife meiner
Wirkſamkeit will, alfo bin ich frei, ungeach⸗
tet ich ſowohl in Anfehung des Dafeyns, ald des Wir—
kens, von dem Schöpfer abhängig bin, — diefe Art, _
bie Sreiheiß zu beweifen, thut der Sache mehr "Eins
trag, als man glaubt. Denn man kann den Schluß
"umkehren: ich bin mir meiner Exiftenz Mar und deut ,
lich bewußt, und dennoch exiftire ich nicht durch mich
felbft; alfo folgt daraus, daß ich mir klar und deuts
lich bewußt bin, dieſes und jenes zu thun, noch nicht,
daß
190) Reponse. T. DI. ch, 138— 148;
wir \
le Baplens „Sfepticisimuß; . ag‘
daß ich es durch mich thue "9*), Das Bewußtſeyn
unſerer Exiſtenz gibt uns keinen Aufſchlußz uͤber ‘ven
Grund derſelben Daher kannten die Heiden uͤber
hauptgar nicht dad Dogma von der Schöpfung aus
„Nichts, und fie hielten jede Subftanz für ein unents-
ſtandenes und unvernichtbares Ding. Daſſelbe -Ift auch
der Fall mit den Handlungen des Willens, Durch das
. bloße Bewußtfegn derfelben fönnen wir nicht uhterfcheiden,
ob wir fie felbft hervorbringen, oder ob wir ſie von der
felben Urſache, die und erhält ‚erhalten. Die Befles
xion kann allein hierüber. etwas ausmachen ; ja durd
bloßes philoſophiſches Nachdenken kommt. mar wohl
nie zur Gewißheit, daß wir die wirkende Urſache unſe⸗ —
rer Willensacte ſind. Denn wären wir auch ein ganz
leidendes Subject vder Jaftrument_in der Hand deffelz
ben Wefens, welches und das. Dafeyn gegeben hat: ſo
würden doch dieſelben ‚Wahrnehmungen auf dieſelbe
‚Art erfolgen, wie fie, nach Vorausſetzung der freien
Urfache in und, erfolgen;’. wir würden. dieſelbe Folge
vonMorſtellungen und Gedanken, dieſelben Entfchließuns
gen, dieſelbe Unſchluͤſſigkeit, daſſelbe Wollen und Nicht»
wollen in uns wahruchme 2), Wenn man alfo
. .teine
agı) Reponse p. Y6r. Je sens clairemeht et dis:
tinctenment que j’existe, et neanmoins je n’existe,
Point par moi-möme. Doncıquoique je sens
clairement et’ distinctement que je fais ceci au
‚cela, il he #’ensuit. pas que je lg fasse par moi-
zieme. \ B
19a) Reponse T. IIR p. 762 seq. Disons aus,
que le sentiment clair ‘et net que nous avons
++. faire discerner, si, nous nous les donnons nous
‚memes ou si nous les recevätis de In meme
cause qui nous donne Pexistence. , Il faut re- ”
ö sourir & la reflekion ou & la’ meditstion afın de
“Rennen Geſch. d. Philoſ. M. Th © faire
des, actes de nötre volonis, ne nous peut pas -
x J u . “
274 Cirbentes Haupt :Erfie Abth. Biertir Abfıhn.
Feine andern Brände Für die Freiheit ‚hätte, als ivel-
che die Phyſik und Metapbyit darbietet; fo wärbe
man bald gefchlagen feyn, oder fich nur. mit dem Eins
wurf der Folgerungen: vertheidigen koͤnnen. Die Mo—
ral ‚und die Religion find allein die fefte Stüge ders
„fetben 0
Die Freiheit tommt celonders durch zwei meta⸗
phofikhe Grunde ind. Gedränge. Die :eine iſt ‘die,
durch die Philoſophie des Enrtefünd aufgekommene, Ber
hauptung, daß kein. Geſchopf eine Bewegung hervor⸗
bringen. kann, und daß die Seele in Anfehung ihrer
‚Empfindimgen , ihrer Vorſtellungen und Gefühle des
Schmerzes und des Vergnuͤgens ein blos paſſi 088 Sub⸗
ject iſt. Und doc) glaubt jedermann, daß, wenn er
das Auge auf einen Baum: richtet, er die Vorftellung,
und durch die Vergleichung mehrerer Bäume, den Ber
griff davon. durch feine Thaͤtigkeit fich gebildet hat,
wie es die meiften Pijitofophen, außer den Carteflaneru,
behauptet haben.‘ Allein kein Menſch weiß, wir die
Vorſtellungen gemacht werden. Iſt es nicht ungereinit,
anzunehmen, daß ein Miͤuſch ſeiue Vorſtellungen ma⸗
che, da er nicht weiß, wie fie gemacht werden, da
' 5 . nie⸗
faire ce discerneinent. Or je meta on fait que
par des meditations pufement philosophiques on
ng .peut jamais| parveny à une certitade bien
fondee® que naus sommes Ja cause efliciente de
nos volitions, car tonte personne qui examimera
bien les choses , comnoitra evidemment que si '
nous n’etions qu'un sujet passif & Vegard de la
volonte, nous anrions les m&mes sentimens &’
experience que nous avons lorsque nons eroyoni
eire libre, #
93) Reponse T.m, R 765.
niemand zwei Stiche in “der Stiderei machen Tann,
wenn :er nicht weiß, wie man flidt. Iſt die Vorſtel⸗
lung ein leichtereö Gemälde, als die Stickerei? Iſt
es uicht eine thoͤrichte Einbildung, die Seele ſey bie
wirkende Urſache von der Bewegung der. Arme, da fie
nicht eiumal weiß, wo die Nerven find, Die zu der Bes
wegung derfelben ‚dienen „ noch wo fie die Norvengeis
ſter hernehmen foll, welche in die Nerven einftrömen ?
Eine wirkende Urſache muß die Wirkung kennen, und
winſen, wie fie hervorgebracht wird. '?*). Der Zweite
Grund. ift, der Begriff der Erhaltung aller Dinge durch
Gott, welche als ‚eine forzgefegte Schöpfung zu denz
fen. ift. Denn nach diefem Begriff läßt es ſich nicht
denken, daß ein erſchaffenes Weſen ein Princip des
Handeilns ‚fey, und ſich ſelbſt bewegen Tonne, oder daß
es, indem es jeden Augenblid feiner Dauer feine Exi—
ftenz, und mit. des Exifienz feine Vermögen von einer
. \ nr 82 - "ans
. 194) Reponse T. IM. p. 759 — 769. "1 est evi-
dent ä tous ceux qui approfondissent les chosen,
que la veritable cause. efliciente d’un .eet doit
le connoitre et savoir aussi de quelle. maniere
A le faut produire. Cela n'est: pas necessaire
. quand on n'est -que Finstrument de cette cause
ou que le. aujet passif de, son kction, mais l'on
ne sauroit concevoir que cela ne soit point ne-
cessaire 4 un vgritable agent, Og si nons nous
exaniinons bien, nous serons tfes- convaincus
4) qu'isdependamment de l’experience notre‘
. ame gait aussi peu ce que c'est qu’une volition,
que ce que c'est qu’une idee. 2) Qu’apres une
‚Jangue experience elle ne sait pas. mieux com-
ment se forment les’.voliiions qu’elle le savoit
7 .avant que d’avoir voulw quelgue chose. Que
gonclure de cela. si non qu'elle ne peut tre
. la‘ cauge efficiente de ses volitions," mon plus.
de ses idees et ‘que da mouvement . local des
esprits qui font remner nos: bras?
J VBoplens Sfeptieismie: - 47658
26 Siebenteo Haupt. Eiſte Ubty. Vierter Abſcha.
andern · Urſache empfängt, in ſich ſelbſt feine Beſtim⸗
"mungen durch eine eigenthuͤmliche Kraft hervorbringe.
Diefe Aecidenzen müffen entweder, nach dem Siune der
neuern Philoſophen, von der Subſtanz der Seele nicht
—* „ oder, nach der Behauptuns der Peripd-
tetiter, verſchieden ſeyn. Iſt das erfte, fo koͤnnen fie
nur von der Urfache, welche auch das Vermögen hat,
‚die Subftanz ver Seele hervorzubringen, hervorgebracht
"werden; eine ſolche Urfache ift.aber der Menſch wicht,
und kann es nicht ſeyn. "Sind die Aceidenzen. verfchies
den von der Subſtanz, fo find fie erfchaffene, aus dem
Nichts hervorgezogene Dinge; denn fie befichen werer
\ aus. der. Seele, noch fonfi einer ſchon vorher eriftirens
den Natur, fie koͤnnen alfe nur von, einer ſchoͤpferi⸗
ſchen Ueſache hervorgebracht werden. Aber. alle Philos
ſophen jeder Schule ſummen darin überein, daß ber
Menfch. ;teine. ſolche Urfache. ift- und ſeyn kann.
Daraus folgt, daß Gott alles macht, und daß kein Ges
ſchoͤpf weder seine erfte, noch untergeordnete,
noch Gelegenpeitöurfache feyn kann. . Denn in
dem Ungenblide, da ich rede, bin ich, was ich bin, mit
allen meinen Zuftäuden , mit den und den Gedanfen, .
Thaͤtigkelten u. ſ. w. Wenn nun mich Gott in dieſem
Augenblicke, fo wie ich Sin, erihafft, fo erſchafft
er mic) auch mit diefen Gedanken, Thaͤtigkeiten,
Bergung, kurz mit allen meinen Beftimmuns " *
gen ” Di Einwendingen, veiche Jacquelot da⸗
ge⸗
Reponse T. IL p. 769 — jan. Par les iddes
-. que. nous avons d’un ötre cre&, nous ne
vons point eomprendre qu’il'soit un principe d.
action, qu’il se puisse monvoir Iui-möme, et
qne recevaut dans tous les morments de sa .du-
ree son existence et oelle’de ses fachliez; que
le redevant, dis=je, Wute entiere d’uhe autra - '
- . cause
\ e .
Vaylens Stepticismus.. 27
gehen echoben hatte, entfernt Bayle, indem er ſich ſtreng
an den Begriff der Erhaltung als fortgeſetzter Schoͤpfung
haͤlt. Er erklaͤrt dabei, daß er kein Intereſſe für das
Syſiem ded Occaſionalismus habe, ob er ihm gleich vor«
süglicher, als Das ‚gemeine gefchienen habe; er wolle
es inbeffen nicht vertheidigen, wenn es unhaltbar fey,
aber man gewinne nichts dabei, weil die Freißelt in
jedem Syſteme ihre. Schwigrigfeiten habe. Er iſt, zu⸗
letzt mit dem Geftänpniffe feines Gegners zufrieden,
daß bie. Freiheit. für den imenfchlichen Verſtand in ein
anauflösliches Dunkel gehült ift, daß die: Schwierige
Teiten indem Syſtem derjenigen, welche die Freiheit
amd die Religion aufheben, um vieled größer und bes
. beutenber find, als in dem Syſteme derjenigen, welche
beides, Freiheit und Meligioy, annehmen; ' daß
es vernünftiger iſt, zu geſtehen, man erkenne die
Art der. Erhaltung and der Mitwirkung Gottes mit
En 2 . den -
cause il’cree em Iui-möme des modalites par
* une vertu qui lui eoit propre. es. mo-
dalit&s doivegg cire ou indistinetes de la sub-
stance de e, comme .veulent les nour
veaux philosophes, ou "distinctes de la sub+
stance de Pame, oomme lrassurent les Peri-
“patetieiens. Si elles sont indistinctes, elles ne
peuvent etre produites que par la case qui .
peut produire la substance m&me de l’a-
me: or il est manifeste que Phomme n'est point“
cette cause et qu’il ne Je peut &tre. , Si elles
sont distinctes, elles sont des etres creds, des
” &tres.tir6s du neant puis qu’ils ne gont pas.com-
poses de ame ni d’aucune autre nature pr&-
existante; elles ne peuvent donc dtre produites
que par ume cause qui peut eréer. Or toutes
les sectes de pfilosophie convienient que I’
homme n’est ‚point une telle cause et qu’il ne
“peut Fätre. : ö , B
D
\ ' J on D
278 Siebentes Haupiſt. Eiſie Abth. Vurter obhſha.
wen Geſchoͤpfen nicht, als. die Geſchoͤpfe in Schatten⸗
‚bilder und Phantome zu verwandeln 796). Mer der
Titel eines Buches: Harmonie der Religion uͤnd der
‚ Vernunft, laſſe mehr: erwarten, als das Geſtaͤndnißz
der Unwiſſenheit. Ueberhaupt iſt die Materie der Frei—
heit ſo verwickelt und fo fruchkbar an Zweideutigkei⸗
ten, daß man, wenn fie bis auf den Grund unterſucht
wendenſollte, ſich tauſendmal widerſpricht, die
Hälfte der Zeit hindurch dieſelbe Sprache mit den
Gegnern führt, welche man widerlegeh will, und
durch. Säge, die zuviel beweifen, umgefehrt , werden
Tönneh, ober mit andern vorgetragenen hicht zufamz
menſtimmen, gegen ſich ſelbſt Waffen. ſchmiedet 7°”),
Von der Art iſt das Verfahren des Bayle. Er
ſucht die Veruunft durch Entgegeufetzung der mannigfaltie -
gen Syfteme über das Weſen und den Zuſammenhang
der Dinge durch deutlichere Entwicdelung der Widers
Sprüche und Schwierigkeiten zum Geſtaͤndniß zu füh-
ven, daß. fie von der überfinnlichen Welt kein
Wiffen- befige, fondern mit einem Glauben, ven
bie. Offenbarung gewährt, ſich beggggen muͤſſe. Ohne
trgend eine, Wahrheit, der Religion zu verwerfen, zeigt
er, daß die Vernunft Feine. Eiuſicht in diefelden ges
winnen koͤnne, und daß das fortgefegte Streben nad)
B \ deut⸗
196) Reponse T. m. p· 785.,
197) Reponse T. IL. p. 804. C'est d’ailleurs une
matiefe,si embarrassee et si feconde en equi-
voqnes, que lorsqu’on la traite a ſond, on se
contredit mille fı et que Ja moiti& du tems
Yon tient le me&me language que ses, antago- -
nistes , et que Jon forge Je; ariues contre sa
. propre cause par des propositions qui prouvent
trop, ‘qui pruvent £ire reiprqudes, qui s’accor.
deut mal avec d’auires choses que Y'on.a dites. -
= Bayng Steptjcisinus. 279
dentlicher Euenneniß fie uicht wahrhaft auftidte, fon
7. derm immer mehr verwirre. Ohne über den Grund
>. diefed Nichtwiſſens weiter nachzuforfchen, .begnügt er .
ſich mit ver. Darlegung dieſes Unvermögens, vorzuͤglich
win denjenigen Gegenftänden, in welchen die Vernunft
lebhafter intereffirt, ift und mehrere Verfuche gemacht
bat. Daher beſcheidet er fi, daß diefeg Skepticis⸗
mus Beinen Gewinn bringe und zu nichtö diene. Hier⸗
bei blieb er ſtehen. „angefochten wurde fein Sfepticide _
mus von vielen Seiten, aber, nicht widerlegt; denn die
Gegner kamen zufegt ebtu dahin zu geſtehen, daß wir
von dem Weſen der Dinge nichts verſtehen und wiſſen.
Die meiften Gegner haben ihm. darin Unrecht gethanu,
daß fie ihm einen böfen Willen und eine Verfehwörung |
gegen die Wahrheiten der Meligion Schuld geben.
Am meiften hat hierin Erouſaz in feinem’ ſtarkleibi⸗
'gen Vuche gegen den Sblepiielsmus sent m
40 Examen Pyrrkonisie ancien er „moderne
par Mr. de Crousaz_a-la Hays 1735. ‚fol,
1 20
= I J Fünf⸗
“ " — Bar
-Fünfte, x a fanitı.
‘ \
" Die emdiriſche und'tatlonale Schate
Bolgen derfeiben.
D
Kae ui geiknik hatten beide einen verſchiedenen
u Weg ‚zum Bhilofophiren eröfftet, Jener ging.gpu der,
Erfahrung, diefer von der Vernunft aus; jener ſuchte
in dem Einfachen ver finnlichen_ Vorſtellungen, disfer
- in dem -@infachen der Begriffe die feſte Grundlage des
Erkennens. Wenn In dem Lodifchen Syſteme der Urs
fprung dus dem finnfichen Stoffe-den Umfang, die
Beſchaffenheit und ‚den Werth aller Erkenntuiß bes
ſtimmte; ſo gab in dem. Leibnigifchen der aprioriſche
Urfptüng und das, von aller Erfahrung unabhängige, '
Spftem der Erkenntniffe in der Vernunft den Aus _
ſchlag. Indem jenes die Quelle in Betrachtung zog,
woraus unſere Vorſtellungen, ihrem Stoffe nach, flie—
Ben, richtete dieſes vorzuͤglich die Aufmerkſamkeit auf
„eine andere Seite, woher dad Allgemeine in unferer
Erkenntniß kommt; jenes uͤberſah die andere Seite;
‚biefed ‚würdigte das Allgemeine aus einem falfchen '
Geſichtspuncte, und hielt daſſelbe ſchon, als ſolches,
für Erkenntniß. In dem Syſteme des Empirismus
mar eine reiche Quelle zur Bereicherung der Erkennts
*
4
Augemeine Ueberfiht., ‘abe.
IB durch „Beobachtung, Induction und Analogie größe "
"net, mit.einer Mahnung an Beſcheidenheit und Erin- '
nerung au die Grenzen der. Erkenntuiß, indem der
menſchliche Geiſt nicht das innere Weſen ber Subſtan⸗
zen, ſondern nur einige Accidenzen, als Ausbehmung,.
Bewegung, ‚Denken und Wollen erkennen koͤnne Die
> mangelhafte Seite war der Mangel an wiſſenſchaftlicher
Form, und die Beſchraͤnkung ber Erkenntniß auf bloße
Natur, mit Verläugnung alles Ratiofalen und Webers
ſinnlichen. Diefer Abweg wurde nur, zu "hat betre⸗
ten, beſonders da, wo ein gewiſſer Seichtfinn natůurll⸗
. Ge Denkart, "und durch kirchlichen Deſpotismus die
natuͤrliche Denkfreiheit befchränft war. Daher ent⸗
ſtaud, durch die einſeitige Richtung auf ben Urſprung
der Erkenntniß aus ‚den Empfindungen, der Schein _
von der Nichtigkeit und Enthehrlichkeit aller Metaphy⸗
ME, wodurch der Skeptiker gewonnen Spiel erhielt,
Dagegen führte fie zundchft auf Plochologie/ und durch
dieſe auf. eine immer tiefer eindringende Betrachtung
der innern Geſetzmaͤßigkeit. des menſchlichen Geiſtes,
Der Rationalismus ſtimmte an ſich beſſer mit dem
J Intereſſe der Wiſſenſchaft zufammen, hatte aber das
KRationale. der Erkenntuiß, worauf er ſich ſtuͤtzte, an⸗ J
faͤnglich mehr vorausgefeit, als debneirt, und verliez
ich mehr auf die Mache der Logik, durch Schluͤſſe qus
gewiffen Vorausſetzungen ein Syſtem der Erkenntniß
aufzufuͤhren. Indem dadurch die Zuverfü ſicht der Vers
nunft zu ſich ſelbſt auf das Hoͤchſte ſtieg, und der
Weg zur Philoſophie fehr bequem wurde, lverlor fi ch
zuletzt dad Intereſſe für die philoſophiſchen Syſteme,
weil die Vernunft, Yo leicht die Methode wear, ‚doch
teine Gewißheit in den Hauptpuncten erlangen konz
te, und die Erfahrung in den vielfältigen Streitigleiz .
- ten’ die Wahrheit beftätigt hatte, dafi es leichter ift,
ein Gebaude aitenpireßen, als es aufzubauen. Das
2 - Ju⸗
Fu
. 2
‚28 Siebentes Haupt. Eiſte Abth. Fünftertbfän,
. Sntereffe. ber Unterſuchung zog ſich daher finnier mehr
von den Höhen der Speculatton herab zu dem niedri⸗
gen Boden: ver Erfahrung. Indeſſen ivar durch den
Rationallomus die ſchaͤrfere Scheidung der: einzelnen
philoſophiſchen Wiffenfchaften in den Gang ‚gekommen,
und in: dem Streben, diefelben immer vollkommner
auszubilden, erhielt fi das Juteteffe ber‘ philelophle
ſchen Forſchunged u
Dieſe Folgen; welche uch & die weitere Entwicke⸗
Tang des Empirismus und Rationalismus ſtch ergeben
mußten, follen- jetzt ausführlicher dargeſtellt werden.
Denn in ihnen fiadet fi Wahrheit und Irrthum auf-.
mannigfaltige Weiſe gemifcht, und” mehrfache Berirs
rungen durchkreuzten fih, die aber auch die Umkehr
zu dem richtigen Wege, möglich machten. Es offenz
daret fid ein regſames, wenn aud) nicht immer origis
nales, doch Fühnes und Erdftiges Streben, bie Angeles
genheiten der Phifojophie nach den Anfichten des Lode
und Leibnig allgemeinguͤltig in Ordnung au ‚bringen,
das Meinen und Hin = und Herfchwanfen zu verbans
ner, das Gewiffe, was ewig wahr bleiben muß, und
nicht der Mode und der Veränderlifhkeit unterliegt, zu
erforfhen, und auf einem haltbaren Grunde in feinem
Zuſammenhange als ein bleibende Gut für die Menſch⸗
heit aufzuftellen, nicht ſowohl durch tiefes Auffaffen-
und alfeitiges Ergründen, als durch Scharffinn und:
" einfeitige Richtung auf gewiſſe Seiten des Menfchen.'
- Daher eröffnete Mangel an Gruͤndlichkeit, Eins
ſeitigkeit, Widerftreir, Inconſequenz, und die Uns
vereinbarkeit mit höhern und umfaffendern -Anfichten
der Vernunft der’ Polemik ein großes und weites Feld,
durch welche ſich nach und nach gruͤndlichere und tie—
fere Anſichten, reifere Maximen, ein höherer und freies
‚rer Standpunct bildeten, nachdem vorher eine ſchein⸗
bare
B “
"Afgemeine Ueberfiht. Br F
bare Gieſchgültigkeit und Schwache aus der" Were
„wirrung > fö vieler widerſtreitender ¶ Anſichten "ers
folgt war" E . nie
Der Swauplatz biefer Thätigkeit iſt hauptſachtich
auf England, Frankreich, bie Niederlande md Dentfahe' .
land beichränft. "Aus Ergiom und Srankrich gingen
bie beiden Hauptrichtungen des bogmatifchen Geifted;
Empirismus und Nationalismus, hervor. Deutſchland
hatte immer eine zweite untergeordnete Rolle durch
Aneignung des ·Ertrags fremder Thaͤtigkeit geſpieit
aber "jest nicht nur mit krüftigem Tetbftftändigen Geis ’
fie in dieſe "Angelegenheiten eihgegriffen, fondern ſich
auch auf die erſte Stufe geſchwungen. Denn dad
Erreben nad) Grundlichkeit und · ſyſtemiatiſcher Einheit,
verbunden mit einer lebhaften Theilnahme und Auf⸗
werkſamkeit "anf. alle intereſſante Erſcheinungen in
dem Gebiete des Wiſſens, mit Empfaͤnglichkeit fuͤr
Belehrung von Außen," umd . gerechter ¶Wuͤrvi⸗
"gung "frehrden Verdienſtes, erhod Deutfchland mach
und nach zu dem, Mittelpuncte alles wiffenfhäfttichen.
Strebene: " Dieſer Geift der Rationalität,‘ fo wie die
Veſchaffenheit des deutfchen Reichs, die Mielheit mieh-
verer unabhaͤngiger, 'aber verbundener "Staaten, wid ,
der Mangel einer Hauptfladt, bie den Ton-angibe, \
hat .Einfluß auf den Gehalt und die Form der" Forr
{Hungen gehabt, fo daß keine einfeitige Richtung feſt
würzen Tonıfte, daß nicht eine Seite des menfchlichen
Geiftes, mit Ausfchliegung der, andern), feffelte, daß
keine Wiffenfchaft die andere, daß das Wiſſen nicht‘
. den Glauben verdrängte, uud diefer nicht jenes nad!
_ fbloß, daR die Phifofephie,. im Bunde mit Mora
litaͤt und Religion, nicht den Menfchen fcheinbar er
- hob, um ihn auf, der audern Seite deſto tiefer zu
> Jürgen. —
In
84, Giebentes Haupti, Eiſte Morp. Fünfter bfhn:
. %a Frankreich erhielt der Matiowalharakter uud
bie Hauptftadt, deren Ton allgemdn nachgeahmt wurs:
de, einen nachtheiligen Einfluß auf die Phitofophie, fa
daß fie bald nur zur Logik unter verfchiedenen Namen
wurde, baß fie nur noch die phyſiſche Natur als das
Reale feſthielt, und das. Ueberſinnliche, Moralität, .
Freiheit, Unfterblicpleit, und das Dafeyn Gottes entweder
\ geradezu Iäugnete, oder nur ein Schattenweſen davon
aufftellte,. und daher eigentlich ‚die Natur vergoͤtterte.
Die Metaphyſik, mit welcher ſich nur wenige Deuter
in Frankreich auf eine.der Wiſſenſchaft würdige Weife
. beichäftigt haben, wurde nur zu oft, ‚und felten mit
pollem Grunde, vetlacht, und zuletzt ganz aus dem
Gebiete der Philoſophie ausgeſtoßen. Das an ſich lo⸗
benswuͤrdige Suchen, die Feſſeln des hierarchiſchen ·
Despotismus gu zerbrechen, und ſich von Aberglauben \
frei zu machen, gab den philoſophiſchen Köpfen, unter
dem Einfluſſe gewiſſer Nationaleigenthuͤmtichkeiten, ei⸗ Bu
Fr Tendenz, woraus eine irreligiöfe Dentart und fitts
liche Ungebundenheit entſprang. Uebrigens kann man
zwar den Frauzoſen nicht alle Aufmerkfamfeit auf die
Erſcheinungen der wiſſenſchaftlichen Tätigkeit in aus
dern Laͤndern “abfpreshen; allein ſie war immer weit
hefchränfter, als bei den Deutfehen, und erſtreckte fich
theils nur auf die glaͤnzenden Erſcheinungen, wie Leib⸗
nitz und Newtons Philoſophie, theils nur auf die, ihe
rer Denkart zufagende, wie die Lockiſche Philoſophie.
Auch ſelbſt in dein Auffaſſen der fremden Philoſophe⸗
me offenbart‘ ſich mehr Flachheit, als Gruͤndlichkeit,
und Feine Anregung zu einem tieferen und volllomm⸗
meren Erfaſſen und Ergründen. Das Hauptſtreben
ging immer auf die Verftandesauffiärung mit Loss
‚fagung von den Ideen des Ueberfinnlichen-, und auf
eine vie äußere dom und Popalariit bes Br
-dru s
Be u. on
1 " *8 —— ir ” B .a 5
"Allgemeine Ueberfi dr. 288
pri mir ufopferung ber m wifſenſchaftiichen
wdoderungen.
In England hatte Baib und Locke ein feige Uns“
ſehen gewonnen', daß dadurch die Hauptrichtung des
wiſſenſchaftlichen Geiſtes für immer entſchieden war.
Das Empiriſche, in der Erfahrung Gegebene, wurde
daher der vorzügliche Gegenſtand der Betrachtung,
and die Yuffaffung der Dinge von ihrer phyfiſchen
Seite vorzuͤglich begůnſtigt. Daher kam es, daß das
Pſychologiſche in den philoſophiſchen Wiſſenſchaften mit
Luſt und Eifer unterſucht wurde, und die Pſychologie
ſelbſt von mehr als einer, Seite Ausbildung ers
hielt. Wenn auch ver. Materializmckk mit der Dent⸗
art des Empirikers mehr zufammenftimmt, fo konnte
er doch nicht allgemeinen Beifall finden. Einige Deus
ter, welche der Eonfequenz nachgingen, nahmen zwar
nur materielle Wefen-an; andere aber ſetzten, aus hoͤhern
Bebürfniffen der Vernunft, obgleich incouſequent, das
Ueberfinnliche über dad Sinnliche. Wenn num gleich
die Folgen des Materialismus auch hiernicht ausblieben,
ſondern maricherlei religiöfe und inmoralifche Vorfteks
“tungen hervorſproßten; ſo konnte doch diefe Denkart
Richtung des Geiftes fähig, und Fonnte fon darum -
in England nicht herrfchender Ton werden. Der Freis
» heitöfinn und das Selbfigefühl, der größere Ernft und
Stolz des Britten, welcher zu feinem Nationalcharakter
„gehört, war ſchon dagegen, daß eine Teichtfinnige, fri⸗
vole Denkart zur Herrſchaft Fommen konnte. Noch
mehr wurde ‚biefer Erfolg durch die Achtung für Reli⸗
gion und Girtlichkeit verhindert, inſofern diefe nicht
mit. Gewiffenezwang verbunden war, Der Brite war '
durch feine Nationaleigenthuͤmlichkeit einer anhaltenden
etwas Gediegneres leiften., Allein auch er hat, wie der
j deanzeſe nicht die Unfveraftät des Geiſtes, und bes
ſchraͤnkt
Fe Pi
hern Reflexionen verhindert wurde,
deit; nicht en
286 Siebentes Haupiſt. Erſte Abth. Fünfter Abſchn.
ſchraͤnft ſich auf die Geifteserzeugnifie. feines: Landes;
hoͤchſtens ‚nimmt er von den auffallendften Erſchetnun⸗
"gen in Frankreich Kenniniß. Es fehle ihm an. Kennt:
niß fremder lebender Sprachen, weil er- wenig Inter⸗
eſſe hat, mit andern Nationen in geifliges Verkehr zu
treten. Wenigſtens iſt, wenn auch nicht in andern
Wiſſenſchaften, doch in der Philoſophie immer diefe
Befchränkung merklich geweſen, wodurch die Vergiek
ung mit andern Anfichten, und die Erhebung zu hoͤ— .
Von andern Ländern ift hier ‚wenig zu fagen‘, in-
fofern fie mir “eine: Nebenrolle fpielen. Zar Italien
Kann die Phitolgphie, wegen Mangels an Geiftesfrei-
i kommen; in den Niederlanden hat
ver -Verftand eine andere Richtung erhalten, und Phi⸗
loſophie wird nur als eine Huͤtfswiſſenſchaft getrieben;
die nordiſchen Reiche haben fFaſt immer die wiflenfchaftz -
liche Aufklaͤrung aus den füdlichern Ländern, beſonders
aus Deutſchland, erhalten.
NNachdem bocke in ſeiner Mutterfprache ſeine phi⸗
oſophiſchen Unterfuchungen bekannt gemacht hatte,
worin zum Theil ſchon Hobbes vorangegangen war;
To folgten dieſem Beiſpiele mehrere Denker. nad, zus _
erft, in Frankreich, dann aud) in Deutſchland. Kls in
dieſem Lande Leibnitz die deutſche Sprache ‚für. das
Phitofophiren empfahl, und Thomafius deu erften Ver⸗
Nuch machte, gab es fhon viele phitofophifche Schrifz \
ten in englifcher und franzöfifcher Sprache, die in Une
fehrng der Feinhelt des Äusdrucks, des Wohllaus
And der äſthetiſchen Vollkommenheit als Mufter aufs
geſtellt werden kounten. Don diefer Stufe der Voll⸗
kommenheit blleb der ſchriftliche Vortrag der. Deutfchen
noch fange entfernt, Denn elnesthells twar zu dieſen - “
' Gegenftänden immer die Tatelnifche Sprache gebraucht,
und
. un wu Moe ueberſiht. 287
and bie Hittesfpräche zu. wenig suftigist wörden, au⸗
deintheils wurden dieſe Schriften meiſtentheits
nur von Gelehrren , "und. zwar Undoerſi ftätögelehrten,
" „für welche ‚fie auch hauptſächlich beſtimmt waren, „ges
‚Teen. Gegen die Mitte des Achtzehnten Jahrhunderts,
als ‚mehrere englifche "und frangöfifche Werte. gelefen
und ‚überfeht wurden, und Durch bie Vorliebe des Kde
higs von, Preußen Friedrichs IT, ber von Sranzofep „
"gebildet worden war,, .Frangöfifche” Gelehrte beſonders
geehrt und. angefiellt wurden, entſtand ein Wettelfer
der Deutfchen, auch in dem ſchuftlichen Vortrage nicht
zurüd zu bleiben, ‚und die. Sprache hob ſich bald zu
einem hohen Grade don Vollfommenheit. Diefe Aus⸗
bildung der 'neueren europaͤiſchen Sprachen ift, eine
von den Urfachen, wodurch ein weiteres Werbrängen
der ſcholaſtiſchen Philoſophie, und ein Fortſchreiten in
dem - tiefern Erforſchen der Gruͤnde der Erkenntniß
muoͤglich geworden iſt. Dun
- Ze mehr mit und 'neben der Philoſophie andere
Wiffenfchaften erweitert und vervollfommmet wurden,
. erhielt auch jene eine größere Sphäre der Anwendung,
infofern die. Form ded Willens in den Grundbeguiffen-
und in der Ableitung und Unterordnnng der Folgeſaͤtze,
vach den Grundſaͤtzen der Erfenntniß beſtimmt wurde
Das Verhaͤltniß der Philoſophie zu andern Wiſſen
hierbei immer, mehr. zur Sprache: gebracht. Die Ans
ficht von. der. Unterordnung der Philoſophie zum Diene "
fe anderer Wiſſenſchaften verlor fich immer mehr, und
fie wurde nicht mehr, wie wohl früherhin gefchehen
war, als eine die Schleppe tragende Magd, fondern
ſchaften, ihr Zufammenhagg und Ihr Unterfchied wurde 5
als die mit-ihrer Fackel vorleuchtende Mufengöttin bez. .,
trachtet. Selbſt die Theologie konnte ‚weniger, als
ſonſt, fi ſich einer Herrſchaft uͤber die Philoſophie anma⸗
ve,
'
*
Pr = &.
ad6 Siebentes Hauptſt. Erfte Kst. Günfter Afchrz
Ben, und wenn ſich auch die letztere noch öfters nah -
jener: bequemte und richtete, fo befeſtigte fich dach Immer
mieehr die Ueberzeugung, daß biefe:für ſich ſelbſt etwas
ſeyn muͤſſe. Wenn auch noch zuweilen die Philoſo⸗
phen durch Theologen ‚verfolge wurden, fo wirkte hier
theils ein am ſich edler, : aber irregeleitkter Eifer für -
die Währheit, oder eine hinter ‚einen edlen Vorwand
“ verborgene eigennuͤtzige Abficht, theils mehr-eine, auf in⸗
dividuelle Verhaͤltniſſe "und auf das Sutereffe einer
Partet, fir ch beziehende Begebenheit, als ein, feindlichtt
E Gegenfatz zwiſchen Theologie und Phitofephis. Beide
waren über ihr" gegenfeitiges Verhaͤttniß verſtaͤndigt,
und eben darmu einiger geworden. Davon abwelchen⸗
de Urtheile und Anfichten traten nur zumellen hervor,
und Tonnten keine Allgemeinheit erhalten.
\ Die‘ beſte Ordnung für die Dacſeling dieſer
mannigfaltigen Beſtrebungen, die von- fehr verſchiede⸗
nem Geiſte und, Erfolge find, zu finden, iſt nicht leicht;
die matürlichfte ſcheint doch aber diefe zu feyn, dag
erſtlich die Gefchichte der empiriſchen Schule, und Zwar
nach dem verfihledenen Character, den fie in Franke.
reich und in England angenommen hat, und dann die
> ver Schule des Nationalismus, befonders in Deutfche
land, gegeben werde; dein auf, dieſe Art Tann der Zus
ſammenhang der Begebenhiiten ſowohl unter einander,
als auch bie Art und Weife,wie durch fie der menfch
liche Geift angeregt und. zu neuer Thaͤtigkeit gereizt
worden, zwar nicht vollſtaͤndig aber doch noch viel⸗
leicht am. beſten ins Licht gefetzt werden. An dieſe
Hauptpuncte werden fi) dann einige andere Er ſche i⸗
nungen auf ei eine perkeliße Weiſe autnöpfen laſſen.
ga
- Einleitung" 289
In Frankreich war Etienne Bonnot be Con⸗
Dillac, Lehrer des Erbprinzen von Parma (geboren
1715, geſt. 1780)- einer. der erften, welcher die, Lehre
des Locke auf eine eigenthuͤmliche Weiſe auffaßte, und
dadurch in Frankreich Epoche machte. Früherhiu war
ſchon durch die. Schulphiloſophie und Gaſſendi die Anz
ſicht von dem empiriſchen Urfprunge der Erkenntniß
hertſchend gewefen, und nur eine. Zeitlang traten ihr
die Gartefianer, entgegen und, machten Ihr bie Herr⸗
ſchaft ſtreitig. Jetzt ftellte Condillac und alle ausge⸗
zeichneten und berühmten Männer jener Zeit gleichfam den
unterbrochenen Beſitz derfelben wieder her, und führten die
Lehre des Locke, der dem Empiriömus eine fefte Stuͤtze
gegeben zu haben ſchien, wieder in Frankreich, jedoch,
nicht ohne Veräuderungen und Zufäge, ein. Condile
lae wollte durch die Lockiſche Lehre der. Metaphyſik
eine feftere Grundlage geben, und. fie dadurch aus der
Verachtung reißen, in welche fie in Frankreich gefals
Ien war. Diefes- war ein wichtiger Gefichtöpunet, der
für den. Gang der Philofophie in Frankreich von bes
deutenden Folgen war. Die unrichtige Anficht, weiche
darin von der Metaphyſik lag, verbreitete fich vermite.
teift ‚des erften Werks *), welches Condillac ſchrieb
und großen Beifall fand, und ift bis auf bie. neneften
Zeiten herrſcheud geblieben, Condillac bat durch dieſes
Unternehmen die Metaphyſu, anfatı fie zu befördern,
dielmehr vernichtet. \
Diejenige Wiſſenſchaft, fagt Condillae in der Eine
leitung diefed Werks, die zur Aufhellung, Beſtimmt⸗
heit und Ausbreitung des menfchlichen Geiſtes am mele
Bu . . fen. -
1) Essai sur Porigine des comnoissances humaines. -
Amsterdam ı746. 2 Tom. ı2 .Deutfche Webers.
ſetzung von Mid, Hißmann. Leipzig 1780, 8.
Kernen. Geld. d. Philoſ. XL The &-
\
390 Siebentes Hauptit. Erite Abth. Fünfter Abſchn.
fien beiträgt, welche folglich die Vorbereitung auf alle
andere Wiffenfchaften iſt, iſt die Metaphyſik. Gie
wird aber in Frankreich unter allen am meiſten ver⸗
nachlaͤſſigt. Der Grund. diefer Verachtung liegt darin, -
daß man zwei Arten von Metaphyſik nicht ünter-
ſcheidet, umd auf die eine überträgt, was blos ”&
“andern gilt. ‚Die eine Art iſt ſtolz, fie will in
Geheimniſſe der Natur, in das Üefen der Dinge und
die gerborgenften Urfachen eindringen. Die zweite ift .
befcheidener ; fie Bringt ihre Unterfuchungen mit der
Schwache des menſchlichen Verftandes in Ebenmaaß;
ohne fi) über das, was man nicht wiſſen kann, zu
beunruhigen, ſtrebt fie, das zu erforfchen, was fie zu fafs
fen vermag, und hält fich immer in den vorgezeichneten
Grenzen, Jene verwandelt bie ganze Natur -in eine
Art von Feerei, die, wie fie ſeldſt, verſchwindet. Mit
ihr Haufen ſich zahlloſe Irrthuͤmer, und der Verftand
. begnüge fich in Ihr mir: ſchwaukenden Begriffen und
ſinnloſen Wörtern. Diefe verſchafft uns wenig Keunt⸗
niſſe, baut aber dem Srethume vor, gibt der Seele eis
ne gewiffe Richtigkeit und fett fie in den Beſitz von
deutlichen Begriffen. Die Philofophen haben ſich vor⸗
güglith mit der erflen befchäftigt, und die zweite als
ein bloßes Anhängfel betrachtet, welches kaum den
"Namen der Metaphyſik verdiene, .Lode, der fih mit
gluͤcklichem Erfolge auf das Studium der menfchlichen
Seele eingefchränft hat, muß allein davon ausgenom⸗
men werden. Descartes bat weder den Urfprung
Hoch die Erzeugung unferer Ideen gekannt; daher iſt
feine Methode unzulaͤnglich, denn nimmermehr: werden
“wir unfere Gedanken auf eine ſichere Art Teiten koͤn⸗
nen, wenn wir nicht wiſſen, wie fie gebildet worden.
"Das Studium, des menſchüchen Geiſtes anf dem
Wege der Erfahrung, nicht um die Natur deſſelben zu
— ” “ es
er Gondillac. 291
aAbriden ſondern um feine Operationen, und die
kuͤnſtliche Art ihrer Combinationen kennen zu lernen,
ſchien alſo dieſem Denker der Hauptpunct und vie
Seele. der ganzen‘ Metaphyſik zu ſeyn. Der Urs
fprung der Ideen durch die Senfation, die
Entftehung der Sprade, bie Verbindung
der Vorflellungen mit Zeichen, und dur
"die Sprade'unter einander, daß iſt der ganze
Zuhalt der Metaphyſik. Die im Ganzen nicht grund⸗
loſe Vorſtellung von dem damaligen Zuſtande der Me
taphyſik, daß fie aus Speculationen beftehe, die keie
nen fihern, Grund und Boden hätten, daß fie ‚daher,
nie, wie die Mathematit, als evidente Wiſſenſchaft in
Achtung” gekommen, führte ihn auf den Gedanken, dag
‚die , Metaphyſik ihre, Würde wieder erlangen‘ könne,
wenn · ſie aufhörte, einem eingebildeten Wiſſen nachzu⸗
ſtreben, und ſich in den Grenzen der möglichen Ers,
keuntniß hielt. Dieſes glaubt er durch die Unterſu⸗
chung der Entfiehungeweife unferer Vorftellungen erzeis
hen -zu koͤnnen. So richtig diefe Unficht auch war,
fo verirrte ſich doch Eondillac und verließ den anfangs
betretenen richtigen Weg auf eine doppelte Weife.
Diefe Unterfuchung war naͤmlich allerdings nörhig, um
die wahre Metaphyſik zu finden, aber er verwechfelte die
Borläuferin und die Propädeurif mit der Wife
fenfchaft, den Vorhof mit dem Tempel. Zweitens ,
entfprach auch diefe Propaͤdeutik durch ihre Einſeitig⸗
#eit nicht ganz dem Zwecke. Die empirifche Entſte⸗
bung , . die dußere Veranlaſſung und der empirifche
Stoff der Vorftelungen konnte auf dieſem Wege durch
: Erfahrung. gefunden, werden, aber nicht die in der ges
- fegmäßigen Thätigkeit des Erkennens ſelbſt begründes .
ten Vorftelungen und Beftimmungen. Erkenntniß iſt
überhaupt nicht ohne Vorftellungen möglich ; aber eine
noch fo große Maffe von BVorftelungen geben noch
%2 keine
1
ö gr Sitbentes Hauptſi. Exiie Abth. Sünfter Abſchn· I
keine Erkenntniß. Es iſt daher eine einfetige, auf ein
Vorurtheil gegründete Anficht, daß alle Vorftellungen
durch Senfation eutſtehen, welche nicht nur auf feine
wahre Begründung der Metaphyſik, ja auch nicht eins
mal auf eine vollftändige pfuchologifche Erkenntniß des -
menfchlichen Geiſtes führen, und nur haldwahre Re⸗
ſultate geben konute. Es ift um fo auffallender, daß
Condillac von diefer Vorausſetzung auöging, da er die
Seele von dem Körper, 'ald das Fmmaterielle von dem
Materiellen, unterfcheidet, und behauptes, der Körper
koͤnne wegen jened wefentlichen Unterſchiedes nur bie
„gelegentliche "Urfache von- dem ſeyn, was er in der
Seele hervorzubringen fheine, vie Seele .müffe alſo
auch daſſelbe ohne. Körper hervorzubringen das Ber:
mögen haben. Dieſes fey der Zuftand der Seele vor
dem Sündenfalle gewefen, wo fie ohne Beihilfe" der
- Sinne . Erfenntniffe erlangte, und- die Gebieterin der.
Sinne‘ war; durch den Suͤndenfall ſey fie abir von
den Sinnen fo abhängig geworden, ald wenn dieſe die
phyſiſchen Urſachen son dem wären, was fie blos ver⸗
anlaffen, und daß fie außer den Kennmiffen, welche
ihr die Sinne zuführen, gar Feine ‘habe 2). Es war
alfo im Grunde ein theologifches Vorurtheil, was dem
Princip des Erkennens;,' wie es hier aufgeftellt wurde,.
feine Gültigkeit gab, und bie Richtung. der Unterſu⸗
hung beftimmte. Denn nur unter Vorausfegung der
Wahrheit dieſes Princips unterließ man, dem Grunde.
‚gewiffer Vorftelungen in der Natur des nıenfchlichen
Geiſtes nachzuforſchen, und diefe einfeitige Richtung
erhielt dad Princip in feinem Beſitze.
\ Die
2) Von dem Uefprunge der menfchlihen Erkenntniß,
ı Thl. ı Abſchn. 1 so S. 18. “2 der deutſchen
uUeberſetzung.
kondillae. = *il 293
Die einfeitige Verfolgung jener Dee leitete den
Eondillar, auf die Verleugnung alles, Urfprünglis -,
en in dem menfchlichen Geifte, außer dem Vermögen
der Sinnlichkeit.” Nach der Vorausfegung, daß die
Seele feine andern Kenntniffe habe, als diejenigen, die
ihr die Sinne zuführen, ſuchte er in den Empfin-
dungen’ die. Quelle allg Erkenntniſſe, auch ſelbſt von
den Thaͤtigkeiten der Seele, und auf dieſe Art
alles, was ſich auf den menſchlichen Verſiand bezieht,
auf ein Princip zuruͤckzufuͤhren, welches ein unleugba—⸗
res Factum ſey. Indem man anf eine Senſation re—
flectirt, kommt man zur Kenntniß aller Operationen
der Seele. Die Senfation iſt alſo diefes.- Prin-
- eip, worauf fich alle nannigfaltige Erfenntniffe, die
den menfchlighen Geift zum Gegenftande haben, zuruͤck⸗
führen und daraus‘ erfennen laſſen. Er tadelt den
Locke darin, daß er 'vorausgefeht Habe, die Seele koͤn⸗
ne, fobald fie durch die Sinne Ideen erhalte, beliebig
biefelben wiederholen,- zufammenfegen und verbinden,
ohne ju zeigen, wie die. Seele zu dieſem Gebrauche ges
Tange, und wie fi) die Operationen fortbilden., Und
darum fey feine Unterfuchung von dem Urfprunge ber . z
Erfenntniffe unvollſtaͤndig. Er tadelt ferner, daß jener ,
"die Senfation und. Neflerion unterſchleden habe, da "
doch-die Neflerion im Grunde nichts anders, als die
Senfation ſey. Locke betrachte die verſchiedenen Vers
‚mögen der Seele, deren Thätigkeiten durch die Refle—
zion wahrgenommen werden, ald angebporneQualis
täten der Seele. Er hat aber nicht an das erzeu⸗
gende: Prineip derſelben gedacht, noch geahnet, daß fie
alle erworbene Sertigteiten feyn koͤnnten °).
B Um
3) „Locke distingue denx sources de nos idees, la
sensation et la reflexion; il.serait plus exact de
nen reconnoitre En une, soif parceque la refle-
xon. ©.
\
"294 Ciebentes Hauptſi. Eiſte Abth. Fünſter Abſchn.
Um dieſen Fehler gut zu machen, nimmt Condillac an,
daß die Seuſation das einzige Princip aller Erkennt⸗
niſſe, und zugleich das Princip iſt, aus welchem alle
Operationen der Seele hervorgehen und ſich erzeugen,
ohne weiter etwas Augeborues oder Urſpruͤngliches zum
Grunde zu legen, ald nur höchftens das Empfin-
dungsvermögen, weldes ihm auch dad Vermoͤ⸗
gen des Bewußrfeyns if. Die Empfindung,
indem fie eine Movification der Seele durch die Sinne
iſt, iſt auch ‚zugleich das. Bewußtſeyn ihrer:
ſelbſt. Wenn eine Menge von Empfindungen
anf einmal mir gleicher oder beinahe. gleicher Stärke
entftehen, fo ift der Menſch nur ein empfindendes Wer
fen, Laſſen wir die Stärke derſelben bis auf eine ab⸗
\ a neh⸗
xion n’est dans son .principe que la sensation
; meme, soit- parce quelle est moins la forme de
ngs idees:que le canal par lequel elles decon-
; lent ‘des sensations. Cette incertitude repand
beaucoup d’obsrurit€ dans son systöme, car elle ,
le mer dans ‚Pimpuissance d’en developper les
priucipes. Aussi ce, philosöphe se contente-il’
de recpnnoitre que Pamıe appergöit, pense, doute,
erait, raisonne, connoit, sent, reflechit; mais il
n’a, pas senti la necessite d’en decouvrir Je prin-
cipe et la generation, $n’a pas soupconne qu'
“ elles’ pourroient n’etrg/ que des habitudes acqui-
ses, il’ paroit les ayoir regarde..conime queigus
chose d’inne, et il Äitsseulement, qu’elles se pere
feotionnent par I'exercice.“ Extrait raisonne du
traitd des seusätions. Diefes if die fpärere Anficht
des Eondillac, In feinem erſten Werke war er mit
Locke noch darin einſtimmig, der Seele mehrere urs "
fpränglihe Vermögen beizulegen; in feiner Abhands, I
lung von den Empfindungen verwarf er dieſes ais eis
nen Irrthum, wahrſcheinlich, weil er die Mehrheit
von Vermögen mit der Einheit und Einfachheit des
Seelenweſens für widerſtreitend hielt.
Sondillac. 295
nehmen, fo: befchäftigt fich der Geiſt befon! hut
mir, der einen Empfindung, welde ‚re Lebhaft
behalten hat. Dieſe Empfindung wird alſe —
merkſamkeit, vhne daß man eine andere Bedin⸗
gung in der Seele anzunehmen’ nöthig hat. Jet wol⸗
Ien wir eine neue Empfindung entfliehen laſſen. Je
\ Tebhafter die erfie iſt, deſto laͤnger erhält fie ſich.
Das Empfindungsvermoͤgen theilt ſich alſo zwiſchen
die Empfindung, welche wir gehabt haben, und diejes
nige, welche wir haben. Empfinden und Wahrnehmen
iſt eine und dieſelbe Sache. Die Empfinoung heißt
Empfindung, wenn ein Eindruck wirklich anf die
‚Sinne gemacht wird, Gedaͤchtniß, wenn der Eins
drud gemacht werden und nicht mehr gemacht wird,
Das Gedaͤchtniß ift alfo-eine umgewandelte Em—
pfinvung. Dadurch find wir: einer zwiefaden
Aunfmerkfamteit fähig, eine wird durch die Sins
ne,’ die amdere durch dad Gedächtniß ausgeübt. Bei
einer zwiefachen Aufmerkſamkeit findet eine Verglei⸗
Yung Statt; denn auf zwei Ideen aufmerkjam feyn,
und vergleichen, ift eine und diefelbe Sache, Man
Tann aber nicht vergleichen, ohne Aehnlichkeit und Vers
fchiedenpeit wahrzunehmen." Dieſes Wahrnehmen iſt
Urtheilen. Vergleichen und Urtheilen iſt alfo nichts
anderes, als die Aufmerkſamkeit felbfu So wird
- die Empfindung nah und nah Aufmerk
ſamkeit, Bergleihung, Urtheil. Ale Operas
tionen entflehen aus dem Verlangen, weldes vie
. Wahrnehmung feines guten oder fchlimmen Zuftandes
iſt mit -Vergleihung mit dem vorhergehenden befs
fern ). Auf biefe oberflaͤchliche Art war es ein Reiche
; tes,
4) Traitö des sensations. ( Eneycloßedie method.
Philosophie anc. et mod. T. Hl. Pr. p. 110)
De wi y double attention, il ya comparai-
son;
296 Siebentes Hauptft, Erſte Abth. Fünfter Abſchn. .
teöggdurh.die Umwandlung der Empfinduns
ge Move Ideen (iransformation des sensationg) alle
Dperationen der Seele abzuleiten, und ein Syitem
aufzuftelen ; welches durd) feine Einheit, Einfachheit
und Verſtaͤndlichkeit bei dem erften Anblicke für fich
einnahm. Es war um jo leichter „ auch‘ feibft das
Denten und Wollen Auf diefe Art abzuleiten, je,
undeffimmter und ſchwankender die Begriffe davon was
ren, und je weniger diefe Thätigkeiten , nach, ihren
wefenelichen Unterfihieven gefaßt, mit Wahrnehmungen
verwechſelt wurden, Denken iſt ihm, In der weiteſten
Bedeutung, ſo viel, als Empfindungen haben, Aufmerk⸗
ſamkeit beweiſen, ſich erinnern, einbilden, vergleichen,
urtheilen, reflectiren, Ideen bilden, erkennen, verlan⸗
gen, wollen, lieben, haſſen, hoffen, fürchten °),
Ein Hauptpunct ift dem Condillac die Affociatipn
der Vorftellungen und die Sprache; denn durch diefe
glaubte er alle Probleme, welche fich auf Erkenntniß
beziehen, als: welches ift die Quelle aller unferer Erz
Tenntniß ?_ worin beftehen ihre Materialien? welches
Find die Inftrumente, wodurd) fie erzeugt und verbms
dgn werden? Löien zu koͤnnen. Er hat in diefer Hin
fiht manche feine Bemerkungen gemacht, und um dies
: . ken
son; car &tre attentif à deux idees ou les com-
peror dest la möme chose, Or on ne peut les com-
parer, sans -appercevoir entre elles quelque dif-
ference ou quelque ressemblance; appercevoir
de pareils rapports c'est juger, Les actions de
comparer et de juger ne sont donc que l’atten-
tion m&me; c'est aitısi que la sensation devient
successivement attention , . comparaison, jüuge-
ment,
5) Traitd des animanz. (Encyclopedie meih. Phi- . -
> dos. .anc, et mod. T. JE Pr p. 138.)
..
Gondillac. . 497
ſen Theil der Pſychologie ſich Verdienſte erworben,
wenn er auch die Gegenftände nicht tief genug und
von allen Seiten betrachtet. Er. wählte eine finure- -
che Methode, ‚den, Beitrag jedes einzelnen Sinnes zu
den Börftellungen der Seele zu erforſchen. Er ſteill
ſich den Menſchen als eine lebende Statue vor, ver⸗
ſchließt alle Sinne bis auf den einen, und nachdem er
beobachtet, . weiche Veränderungen durch die ‚Einprüde
des einen geöffneten Sinnes ‚entftehen, Öffnet er einen
‚zweiten: u. ſ. f. Dieſe Methode,” deren Erfinder eigentz
lid) Diverot iſt ©), iſt wohl dazu geſchickt, die Zus
nadhme und den Gang der Vermehrung des Materiel⸗
len unferer Vorſtellungen ing Lichtizu fegen, aber nicht
das Formelle und Geiſtige; fie muß vielmehr. fchon in.
der lebenden Natur, diefes in der Anlage vorausſetzen;
fie verfällt alfo, indem fie das Vorausgeſetzte durch
die. Empfindung ſcheinbar entſtehen laͤßt, in den Feh⸗
ler des Erſchleichens, und- vermehrt, anſtatt eufntti B
ten, die Verwirrung und Taͤuſchung.
Ar Eondillae bat fi um die Pſochologie verdient ge⸗
macht, vorzuͤglich dadurch, daß er auf den Gang und
die Entwidelung der Geiftesnermögen befonders feine
Aufmerkſamkeit richtete, und die Aflociation der Vor
ftellungen, vie Sprache, die Verwandtſchaft der
Menfchen- und Thiere, - die Vorzüge und Eigenthuͤm⸗
lichteiten jener vor diefen durd) feine und ſcharfſinni—
ge.-Vemerkungen aufllärte. Wenn er auch nicht die
Lehre von der Affoeiation felbft nach ihren Gründen
und Geſetzen erforfchte, fo fette er doch ihre große.
- Wichtigkeit ins Licht. Die Erklaͤrung des Urfprungs
der Sprache aus den unwillkuͤrlichen und unartikulir⸗
ten Lauten, welche die Gefühle der Luft und Untuft
begleiten, ift finnreich, aber unzureichend; die Vorſtel⸗
Tung
6) Dide rot lettre sur les sourds. \
298 GiebentecHanptit, Erſte Abth. Fünfter Abſchn. I
lung von der Sprache, als dem Grund des Denkens,
einfeitig und unrichtig. Der Hypotheſe ver Eartes
fianer, die Thiere für lebende Maſchinen ohne Ems
pfindung, und der ded Buffon, fie für materielle
Weſen mit Empfindung zu halten, bat fi) Condillac
mit Ernft entgegerigefegt, und fie auf eine überzeugens
de Weife widerlegt ”» Ohne das innere Welen der
Seele ergründen zu "vollen „ zeigt er nur durch analo⸗
giſche Schluͤſſe, daß, wenn man in den Menſchen die
Empfindungen und Vorſtellungen auf eine Seele bes
zieht, die Ericheinungen, welde wir an den Thieren
wahrnehmen, und nöthigen, auch ihnen eine Seele beis
zulegen , und weil das Materielle nicht empfinvder, die
Tiere nicht materielle Wefen mit Empfindungen ſeyn
Tonnen. Condillac ‘geht jedoch auf der andern Seite ”
wieder zu weit, indem er nichts Auͤgebornes will gelten
laſſen, und die Inſtincte zu Fertigkeiten macht, welche
aus den Empfindungen durch Reflexion entjtanden find.”
Die Thiere haben nad) diefer Theorie Empfindungen,
Gefuͤhle und Beduͤrfniſſe; durch diefe lenkt ſich die
Aufmerkſamkeit auf Empfindungen; es bilden ſich Ver⸗
bindungen der Ideen;ſie reflectiren und denken, und.
fie begehren und verabfcjeuen nach diefen Ideen; mit .
einem Worte, fie find Intelligenzen, aber aus Mangel,
willkuͤrlicher Zeichen und willkuͤrlicher Richtung der
Aufmerffamteit, fehr beſchraͤnkte Intelligenzen. Die
Menfchen find nichts, als vollkommnere Thiere,. die
Thiere unvolllommnere Menfchen. Zwar ‚hat der -
Menſch Vernunft und Freihelt voraus; allein nach der
Strenge ift in diefem Syſteme teils kein Grund für die
höhere Würde, der Vernunft, theild if auch Freiheit,
Sitt-⸗
7) Condillac raitk des animaux. Amsterdam
1755. 12.
“
Eondillac. 299
Sittlichkeit ind Wiſſenſchaft fo benhottinmt, daß ſie
wenig zu bedeuten haben.
Da nach Condillac die FREIE der’ rund
- amd die: Quelle aller Vorftellungen, Erkenntniß und
Wiſſenſchaft iſt, vermittelft der. Umwandlung durch
Hülfe der Aſſociation und-der Sprache, fo erklärt ſich
Condillac eben fo entfchieden, wie Lode, gegen alle
Vernunftprincipien, weil er unter denfelben nichts, als
identiſche, oder allgemeine Säge, welche das Refultat
vieler befondern Säge find, verſteht.
"Die Entbehrlichkeit folcher Principe, die nur dazu 5
dienlih find, ‚ven Weg zu zeigen, auf welchem man -
son dem Befondern zu dem Allgemeinen gelangt ift,
ſtellte fih ihm durch Beiſpiele von der fonthetifchen
Methode der Mathematiker einleuchtend dar, und dar:
um hielt er fie überhaupt für entbehrlich. ' Principe
habe zwar jeder Menſch und müffe fie haben; allein
das fey auch eine Sache, die fich felbft made, und
‚ nichts zu bedeuten habe *), Die Vernunft ift das
Reſultat aller Operationen des Verſtandes, die Kenut⸗
niß der Art, wie wir die Operationen unſerer Seele
anzuordnen haben, um bürgerliche Geſchaͤfte mit Kiug«
heit auözuführen, und in der Unterſuchung der Wahr-
' heit
5) werſu q DIN y Urſprung d. m. Ertennt
niß, 7 8. ©. go, Verſteht man unter Princis
pien allgemeine Säge, die man zur Noch auf befons
dere Fälle anwenden kann; wo it da ein Menſch,
der nicht Grundfäge haben folte? Aber was ift auch
dabei Verdienftlihes, wenn man dergleihen Princi⸗
‚pien hat? Es find ja ſchwankende Marimen, bei des
Hr einen gar nichte die va Anwendung derfelben,
lehrt.
300 Siebentes Hauptſt. Erſie Abth. Fünfter Abſchn.
heit gluͤcklich fortzuſchreiten )). Wornach ſoll denn
aber die Vernunft dieſes leitende Geſchaͤft vollführen?
Was die bürgerlichen Gefchäfte betrifft, fo. verfteht es
ſich vom ſelbſt, daß die Beduͤrfniſſe und die Umftände
"die Regeln hergeben muͤſſen. Die Wahrheit aber wird
durch beftimmte Ideen oder Benennungen gefunden;
J denn alle Irrthuͤmer entſtehen entweder dadurch, daß
man keine, oder daß man unbeftimmte Ideen hat.
Um dieſes zu ‚vermeiden, muß man ſich 'bei den einfa⸗
hen Ideen nad) dem Sprachgebrauche richten, der tms
mer. einförmig iſt, und bei den complexen dasjenige
thun, was der Zufall gewöhnlich thut, d. h. fid in
deutlich gedachte, Umftände verfegen, um für den Aus⸗
druck der, erfien Ideen, die man mittelft der Senfas
tion. und Reflerion erlangt hat, Zeichen zu finden. Die
Analpfe ift dad Mittel der Entdedung neuer Wahrz,
heiten, und das Mittel der Analpfe die Verfnüs
pfung, & i. die Affoeiation der Ideen :°),
Wie wenig übrigens Condillac, bei- allem Inter⸗
eſſe für die Metaphyſik, dieſelbe weiter gebracht habe,
laͤßt ſich ſchon aus dem. vorhin Angefuͤhrten beurthei—
len. Wie ſollte derjenige, der nicht einmal einen be⸗
ſtimmten Begriff von einer Wiſſenſchaft hat, dieſelbe
auf eine höhere Stufe erheben 31)7 Wie Fonnte ein
wahres Intereſſe fuͤr die Wiſſenſchaft durch die Schrif⸗
ten
9) Eben. 11 K. S. 112. J
10).Ebend. 2 Thl. 2 Abſchn. S. 38. 374. Er
31) Zum Theil ift diefes ſelbſt unter Franzoſen eingeſe⸗
hen warden. Man fehe die intereffante Stelle aus
Rerauflech suite de bessai sur la raison, Rennes
1765. ı2., melde Villers. Philosophie” de Kaht
P 195 seq, anführt.
8Senditlac Sot
ten eines Mannes enrfiegen und unterhalten werben,
der, nur die aus. den Empfindungen entfpringenden
Ideen für. renle haͤlt; alle übrigen, die eigentlich mes
" taphufiichen, als grundlos verwirft, ‚oder wenn er fie -
.
beibehätt, ihre Realität nur aus Inconſequenz an⸗
nimmt. Nach diefer Grundlage müßte alles Intereſſe
Für: eigentliche Wiffenfchaft der Vernunft immer mehr
verſchwinden und felbft der- Begriff derfelben der Will⸗
für anheimfalfen, fo daß man entweder ein Raifonnehient
uber jeden empirifchen Gegenſtand, oder Träume und .
Hirngeipinfte für Metaphyſik hielte 22). Bei dem. als
ten fehlte es dem Condillac nicht san Lobrednern, Ber
wunderern. und Nachfolgern In Frankreich; aber felbft
die Art und Weife, wie er. gefobt wurde, beweifet, wie
einfeitig der Maßſtab war, nach welchem man das
Bein eines Merappfiters m. Je mehr.
aber
a2) Merkwurdig find in diefer Hinſicht die Gedanken
„des beräpmten Diderot daruber: La metaphysi-
que, est la science des raisuns des choses: tout
dsa metaphyalque et sa pratique:. la pratique
sans la raison de:la prätiquo, et la raison ‚sans
\.. ;Pexereice ne forment qu’une science inıparfäite,
.. :Iaterrogez ‚un peintre, un poäte, ün musi@ien, -
‚ut geometre, et vous le forcerös & rendre compte
de ses operations, c'est à dire ä en venir ü la
metaphysique de son art. Quand on borne ?_
objet de la metaphysique à des considerations
vuides et,abstractes sur le. tems, lespace, la
atiers, ‚besprit,' West une science möprisable >
. „mais quand on la considere sons son vrai pomt
‘de vue, c’est autre chose, ‚Il n’y a. guere que
ceux qui n'ont pas asses de penetration qui em
disent du mal. Encyclop. method. V’hilos, an⸗
eienne et moderne, Tom, II. P. ı. Diderot.
13) Degerando hist. comp. des System. T; I. p
858. Pendant qu'il "CLocke) introdaisit "dans,
tour’
v
‘502 Sichentes Saupi &rfe Usth. sü nfter Ubfehn. .
‚aber bei den Ynhängern dieſer Schule die Nothwen
digkeit der Principe verkannt wurde, deſto mehr Spiel⸗
raum erhielt die Willkuͤr, fo daß. Feder, von feinem
Punct ausgehend, auf 'ganz divergirende Wege ſich
R * gerfireuete,
Ein‘ Zeitgenoffe des Condillac durchwanderte auch J
einen Theil deſſelben Gebiets, ging aber noch etwas
weiter zuruͤck, Zu dem Phyſiſchen der ganzen menſchli⸗
chen Erkenutniß, und knuͤpfte mehrere intereſſante Be⸗
trachtungen daran. Charles Bonnet, geboren d.
43:en März 1720 zu Genf, ſtammte von einem. frans
zoͤſtſchen Geflecht ab, das fih im J. 1872, nm den
Verfolgungen der Religion wegen zu entgehen, im
Genf niedergelaffen hatte. Er beiaß treffliche Ta⸗
lente, welche nicht auf gewöhnliche Weiſe entwickelt
ſeyn wollten. Beſonders aͤußette ſich frühzeitig ein
vorzuͤglicher Beobachtungsgeiſt, wodurch er an Inſecten
und Pflanzen mehrere intereſſante Eutdeckungen mach⸗
te. Die Schwaͤchung der Augen und’ ber Geſundheit
nuoͤthigten ihn jedoch, dieſe anſtrengenden Beobachtun⸗
gen aufzugeben‘, und dafür mehr ‘der Betrachtung der
Narur feine Thätigkeit zu widmen. Er entwarf ein
Soͤſtem der Natur na Beobachtungen und philofos
phifchen Anfichten, welches ſich an die Moral und Re⸗
ligion anſchließen und beide aͤuf das innigife vereinis
gen follte. Obgleich er eine Abneigung gegen die ipes
eulative Philofopbie hatte, und die Syſteme nicht lieb⸗
we; fo mußte “ fein dentender Geiſt und ein reli⸗
idſer
toutes les classes de la soicete, en , ramenant les
plus hautes quesnona de la metaphysique aux
notions les plus familieres, en sorte que chacım
en la Hisant se trouvait en quelque sole, Üneta-
„ Physicien 9 seons le aavoir. —*
Bonnei. J 303
fe, Charakter, ber auch feine maturdetrachtung Ieb J
tete, ihn auf die, mannigfaltigen Beziehungen der Din⸗
ge und die Vereinigung 'der Natur und der Zwede
durch Gort hinführen, ‚Sein ganzes’ Lehen hindurch bez
ſchaͤftigte er. ſich mit der Br Entioidelung dies
fed Syſtems.
Bonner, rs ek” 28 Mai 1793 nach rühmlicher
Thaͤtigkeit, unter mancherlei Leiden, mit philofophifcher
Ruhe und Heiterkeit. Seine Mitbürger und alle Ges
lehrte bewiefen ihm auch noch nach feinem Tode die
Achtung , deren. er ſich durch feinen Charakter und ſei⸗
ne literariſchen Verdienſte würdig gemacht hatte 2).
Bonnet erklärte fich frühzeitig gegen bie Schufe
phitofophie und für die neue des Locke; jedoch [hätte
er auch den’ phitöfophifchen Geift- des Keibnig, ohne
feiner Vionadologie zu huldigen. Beobachtungsgeiſt
. . B war
14) Memoire pour servir & Thictoire de la vie et
des ouvrages de Mr. Charles Bonnet p. J. Trem-,
bley Bern 1794. 8. Deutfd 1795. 8. Sein er⸗
fee philoſophiſches Wert war; Essai de psycholo-
gie ou consıderations sur les, operations de Pa-
. me, sur l’hahitude et sur l’education. Londres
1755. 8. Deuiſche Weberfegung von C. W. Dohm.
Lemgo, 1775. 8: ‘Die Ungewißheit über den Vers
faffer deffelben har er durch die Einverleibung deſſelben
“in die‘ zweite Ausgabe feiner fammtlihen Werke aufgez
hoben. Essai anılytique sur les facultes de Va-
me. Copenhagne 1760. 3 Ed, 1775. Deutſch von
Chr. Gottfr. Shäß, Bremen ı770. 8. La pas
Iıngeneme" philasophique ou idees sur_Fetat fü=
tur des &tres vivans, Geneve 1769. 8. Deutſch
von Lavater. „Nicht lange vor feinem. Tode bes
forgte er jelbft die Samımlung feiner fämmtlichen Wer⸗
te: Oeuvres d’histöire natürelle et de philoso: -
phie. Neufchatel 1779. a Ed. 1783, 4. 8 Voll.
"04 Cibentes Haupt Erſte Abth. Fünfter Abſchn.
war ihm die Quelle alter Wiffenfchaften, und die Phys
fit geroiffermaßen. die’ Mutter der Meiaphyſik. Er
Hatte ſich vorgenommen, den Menfchen, wie die In—
fecten und Pflanzen, zu findiren, und durch Huͤlfe der
Beobachtung und Analyſe die Wiſſenſchaft deſſelben
aufzuklaͤren. Der Menſch iſt aber ein Doppelweſen,
und beſteht aus einem organifchen Leibe: und ziner
Seele. Was die Eeele ift, wilfen wir nicht; wir. neh⸗
men nur die Wirkungen wahr. Alſo kann nur durch
forgfältige Beobachtung und Zergliederung Ber Wir⸗
Zungen der Seele die Wiffenfchaft des Menſchen ber
fördert: und erweitert werben, Weil aber die Mannig: _
fältigteit der Erfcheinungen zu groß und verwidett tft,
fo muß man der Wiffenfhaft durch eine Fiction und:
— Vorausſetzung zu Hilfe kommen, indem man ſich ei—
nen Menſchen vorſtellt, der erwachſen iſt und von al⸗
. Ten feinen Sinnen Gebrauch machen koͤnnte, aber noch
Teine Empfindung durch einen Sinn erhalten hat, und
an dem man bie Sinne nach Belieben öffnen und vers
fließen kann. Denny nur auf: diefe Weiſe ift eine
Vereinfachung des zu fehr zufammengefeten Gegen
ſtandes möglich. Diefelbe Methode hatte auch Eon
dillac ſchon in feinem Werke von den Empfindungen
angewendet; aber Bonnet ſcheint unabhängig von jenem
‚Gelehrten. auf dieſelbe Vorausfegung gekommen zu "
feyn, und. er ging feinen Weg größtentheits für fi,
fuchte die Fehler feines Vorgängers zu berichtigen und
die Folgerungen mit größerer Schärfe und Beftinnnt-
heit abzuleiten. Ungeachtet er. weniger, als Gondillac,
das Urfprüngliche in der Seele verleugnet, und in dies
fer Hinficht zwifchen Locke und, Eondillac in der Mitte
ſteht, auch nicht fo, wie diefer, die Umblldung der Ems
Pfindung zum. erzeugenden Principe der Seelenvermoͤ⸗
gen macht; fo hat er doch der Einfachheit des See—
Tenprineip. zufolge viel zu wenig auf die welemüihe
ra
vr
Seele die Reve feyn koͤnne, wiewohl in dem Gehirne,
mit einander gemein habe, und eine aus bee
J Vonnets Philoſophie · ¶ ¶805
Werſchledenheit und die Gefegmäßigteit der Seelenthal
- tigleiten geachtet. ‚Denn aus dem Grundfage, daß es
keine angebornen, Ideen gebe, ſchloß er, daß die Seele
mur vermittelſt des Körpers wirke, und biefer die
erſte Quelle‘ aller Modificationen ſey, welche in der
‚Seele entfichen *°). Er glaubte in den Nerven, der
Nervenflüffigkeit, Ih den Bewegungen. ber Nervenfibern
und ihrer Lebensgeifter durch ‚die Objecte, und jener
anf dad Gehirn, als den Sitz 'ver Seele, bie Gründe
aller Seelenwirkungen, und das Phyſiſche aller geifti«
gen Dpgrationen entdecken zu Fönnen. Zwar nahm er .
an,. daß die Seele, wegen der Einheit und Untheils
barkeit des Seibftbewußtfegns immateriell und in keinem
Raume ſey, und daher eigentlich von keinem Sitz der
irgend ein Theil angenvimmen werden muͤſſe, wo eine
unmittelbare, obgleich unbegreiftiche, Wechſelwirkung
zwiſchen ‚Seele. und Körper Statt finde. Er machte
die richtige Bemerkung, "daß eine Vorftellung und
eine Bewegung aud) der feinften Materie, nichts
andern nicht erklaͤrt werden koͤnne 9). Gieichwohl
— — hat
15) Essai analytique ch. IV. j. 21. Puis donc que
nous n’avons des iddes que par les sens, il s’
„ensuit que P’ame n’agit que par l’intervention
du corps, Il. est la premiere source'de toutes
les modifications de Yame; elle est tout ce que .
lo corps !’a fait &txe, “
16)’ Essai analyt. ch. 1. VI. $. 46. L’ame est un
" ttre different da corps: nous ne pouvons attri-
ı buer & cet .Etre aucune des proprietes, pär les-
quelles ‚le corps nous est _connu. Si’donc. le
corps agit sur. l’ame ce m’est point du tout come
„me un corps agit «ur un autre corps. La sen= '
„Kenne. Geſch. d. Phil. XLRH "- u *
"306 Ciebentes Hauptit. Erſte dibthe Fünfter Abfän:
"hat er hauptfächlich auf das Phyſiſche bes Geiſtigen,
d. f. den Mechanismus der Nerven und Gehirnbewes
gungen, feine Aufmerkſamkeit geriihtet, und hieraus
das Geiftige zu erklären gefucht, und, da jenes Phy⸗
fiſche eben fo unbefaunt iſt, als das Geiſtige, Hypo⸗
thefen zur Erklaͤrung aufgeſtellt, welche nichts erflä«
ven, ja oft mit den zu erffärenden Erſcheinungen nicht
einmal zuſammenſtimmen *7), und die Aufmerkfams
Zeit von den Uuterfuchungen über die Geſetzmaͤßigkeit
der Thätigleiten des Geiſtes abgezogen. Wiewohl
Bonnet genauer iſt, ald Eondillac, und manche Fehler
deſſelben erkannt hatz fo unterfcheidet er doch’ die vers
ſchiedenen Thaͤtigkeiten und ihre Bedingungen uicht
ſcharf genug. Die Seele iſt, als einfaches Weſen,
uichts anderes, als eine Kraft oder ein Vermögen, ges
> wiffe Wirkungen hervorzubringen, in fi). oder außer
ſich, d. i. in ihrem Körper. Da man in dem Körper
‚ überhaupt Feine andere Veraͤnderung fich vorſtellen
. Tann, ald Bewegung, fo muß die Seele, infofern: fie
. eine Thaͤtigkeit aͤußert, eine Bewegung in Ihrem Koͤr⸗
per, oder einem Theile deſſelben, hervorbringen, ımb
inſofern eine Bewegkraft befigen, welche zwar vers
ſchleden von der Bewegkraft des Seres aber doch
nes analog iſt **),'
Jede
sation qui paroit resulter du mouvement n’a, rien
‘ de commun avec le mouvement,
ne Dan un Re die feharffirmige Prüfung der Bonnet /⸗
‚orig der — der Vorſtel⸗
Bert in 2,07 üb, d. Einbildungekraft.
18) "Essai —* y 6 L’ame est cet dıre sine
ple qui nrest mi corps ni mouvemeht. Cet &tre
- esr une force, une puissande, une capacitö d’agir
Ü B J ou
D
-_ 5 Bonn Vhilbſerhie 607
gJede Bons Bringt eine Veränderung in dem
—8* Körper hervor. Wenn ein Object auf das
Gehen wirkt, „fo wird alfo der Zuftand des Gehirns -
„verändert, Cine nothwendige Folge der Weränderung
bes Gehirns ift eine Veränderung des. Zuftanded der
Seele, den wir durch verſchiedene Worte Empfins
dung wer ‚Gefühl (sensation), dee, Vorfiels
Imng (pesteption) wernen :°). Ih kann alfo, ſagt
Bonner, ohne mich des Materialiömuß ‚verdächtig zu
machen, bier die Bewegung an die Stelle der Idee
‚fegen, und über die Bewegungen des Gehirns nachfor⸗
ſchen, ald werm fie felbft die Ideen wären. Ich win
keinesweges die Idee mit der Veranlaffuug der
AIde e verweilen ; „aber ich weiß gar nichts von den,
Peen, und weiß etwas weniged won den Veranfaffungen
der Ideen 20), Auf diefe Weife fucht er die finnlichen
\ ur Vor⸗
"ou de produire certains effets. $. 128. Pai uni.
quement en vue ceite activit6 que j'ai supposd,
que Pame deployoit kars d’ele ou’ sur son corps
et qui a die subordonnee @ fa facultl de schtir.
$. 129. Quand je die que ame agit sur son
corps, je dis que l’ame modifie l'&ıat de son
‚ eorps. —— Et comme je ne puis concevoir dans
“36 corps aucane modification qui ne soit Teffet
d'un mouvement, je suis oblige de supposer- que
* Tamıe produit du zuouement dans som corps,
ou dans quelqu'une dès parties de son ‚Corps.
Je donne donc le nom de Force motrice & cette
activitö.de l’ame, J
19) Essal analyt. $. 74.
20) Essai analyt? $. 75. Je puis done, sans &tre
soupgonne ‚de Materialisme, mettre ici le moi-
* vement.ä la place de bidôe et raisonner sur les
mouvemens du cervgan comıne s’ils etoient eux -
‚ mönes les idees. —: Je ne pretends point ron-
fon-
508 Siesenteh, Haupiſt. Erſte as. Fünfter eibſchn.
Vorſtellungethargteiten durch die Bewegung der
hirnßbern Cer nahm für jede Vorſtellung eine befons -
dere Fiber an) entweder durch dad Dbject, oder durch
die Bewegkraft der Seele, und durch. den verfchiedenen
Grad ihrer, Bewegungen, alle Gedanken und Operatios
men mit benfelben durch die Aufmerkſamkeit ‚und Mes
flexion, welche ebenfalls die Rithtung der Vewegkraft
der Seele auf gewiſſe Fibern iſt, zu erklaͤren. Ems
, pfindungen und Vorftellungen find nur dem Grade nach
verſchieden. Die Empfindung und Vorftellung ift eine
Mopification der Geele; oder die Seele ift vielmehr
die Empfindung und Vorftellung felbft. Sie
kanu jene ulcht wahrnehmen, ohne zugleich ſich in Ihe.
ren Modifieationen wahrzunehmen, worin dad Selb ſt⸗
bewußtfeyn beſteht. Wenn fie zwei Empfindungen .
bat, und eime der andern vorzieht, fo ift dieſes Aufs
merkfamfeit.: "Wenn fie empfindet, daß eine Ems
pfindung eine andere ift, wegen Verſchiedenheit bei⸗
dei Bewegungen, fo vergleicht fie beide Empfin⸗
dungen, und wenn fie von ‚mehreren Vorftellungen,
die fie erhalten hat, durch ihre Bewegkraft die eine
wieder hervorbringt, ohne bie andere, fo ab ſtrahirt
fie 2).
Bei diefer Dentart konnte nur eine unvollftänbige
und unfichere Wiffenſchaft des menſchlichen Geiſtes ge⸗
wonnen werden. Bonnet glaubt jedoch, der Metaphb⸗
fit dadurch einen feften Boden gegeben und die vers
widelteften Aufgaben der Philofophie auf diefem
Wege aufgelöft zu haben. Die‘ hoͤchſten Ideen bes
menſch⸗
ſondre l'idee avec roceaion de Pidee: mais, je
ine connois point da tout Pidee et je connois un
peu Poccasion de l’idee.
21) Essai analyt. j. 195 = 197. 207.
Bonnets Philoſophie. 309
menſchlichen Geiſtes find, nach ihm, aus den ſinnli⸗
chen, als ihrer Quelle, abgeleitet, Go. ſchließt er aus
der Betrachtung der Thatſachen, und beſonders aus
der Folge der Dinge, ‚die Nothwendigkeit einer erſten
Urſache, die er Gott nennt, und leitet daraus bie. Eis
‚genkpaften der Macht, Weisheit, Güte ab 22); So
- unbegreiflich es iſt, wie die, Vernunft durch eine ‚noch
. fo große Kenntniß von Siunengegenfländen und ihres
Wechſels, durch die Huͤlfe der Aufmerkſamkeit zur
Vorſtellung von. demjenigen, was unſinulich und uns
endlich ift, gelangen fol, fo wird die Gültigkeit dies
ſes Schluffes noch mehr durch die Bemerkung des Bons
net, daß die Eriftenz der Körper ungewiß Ift, indem _
die- Seele nur ihre eignen Mobificationen,, aber nichts
außer ihr felbft wahrnimmt 22), zernichtet. Weber DR:
Freiheit ‚Hat ſich Bonnet mit großem‘ Sntereffe: verbreis
tet; er verwechfelt aber die ‚pfochologifche mit der mes ,
taphyſiſchen, welches zwar der Grundlage des Empi⸗
rismus angemeſſen iſt, aber den Foderungen der prak⸗
sifchen Vernunft durchaus nicht genuͤgt =*),. I
00 Die
22) Essai analyt. 9. 263. 300.
25) Essai analyt. $. 781.
. 24) Essai analyt. $. 162. La libert6 est le pou-
voir d’agir ou de faire ce que l'on vent, $. 158.
Cest la volonte qui prefere, qui choisit, et la li-
berté execute le choix de la volonte, Die Acu⸗
vitaͤt, welche die Seele durch das Wollen und bie Frei⸗
heit beweiſet, iſt der Sinnlichkeit untergeordnet, und
im Dienfte derfelben. $. zı7. La sagese a fait
bame un £ire actif; elle a place hors de- cet
-&tre les causes qui determinent.l’exercice de son
‚ &ctivits, Elle a rendu lame capable.de plaisir
et de donleur ; et elle a mis’le physique du
plaisir et de, la douleur dans un ‘certain ebran-
: le⸗
Zio Ciebentes Haupef Erfe Mit. Fünfter Mfhn. -
Die Metaphyſik, welche Bonnet an diefe Phyſik
anknuͤpfte, bezieht fi) auf das Syſtem der Natur, Ins
fofern fie empfindende Weſen it ſich ſchließt, anf ihren
Arfprung, Entwidelung und künftigen Zuſtand. Der
Plan des Schöpfers seht auf das ausgebreitetfie und _
hoͤchſte Wohlſeyn der empfindenden Weſen ud begreift
daher vie Einrichtung, daß dieſelben durch Entwickelung
der urfprünglichen Keime der ihuen zugeordneten otga⸗
nifchen. Körper ſich nach und nach auf eine: höhere
Stufe des Seyns und Wirkens, und folglich auch
bes geiftigen Genuffes erheben. " Diefe Foee führte. er
durch Meflsrionen fiber. die organiſchen Wefen, durch
die Hypotheſe einer Erzeugung derfelben auß präfors
mirten Kefmen, und einer” feinern Drganifätioh, welche
füter der gröbern verborgen Ift, aus. Nicht blos Thies
sen, fonderh auch Pflanzen, legte er, nad) analogiſchen
Schluͤſſen aus den. Wirkungen eine Seele bei. Die
Seele felbft hielt er, nach der Einheit uhd Untheil⸗
bardkeit des Selbſtbewußtſeyns in dem Menfchen, für
. ein’immaterielles Weſen, deffen Wirkſamkeit aber an
einen Organismus gebunden fey. Weber den früheren
und Fünftigen Zuſtand der. empfindendeh Weſen ſtellte
er mehrere Vermuthungen auf: Da die Menſchen je⸗
doch keine anſchauende Gewißheit von ihrer Fortdauer
und ihrem Zuſtaude nach dem Tode haben, weit fie dur
dieſelbe aufhoͤren würden, Weſen ihrer Art zu feyn, ſo
iſt es der Vernunft Angemeffen , eine göttliche Beleh⸗
vung über" oe, Urfprung „die Natur, die Beftimmung-
des‘
Iement des fibres ou dans um certain jeget de.
branlement, Elle a ainsi- subordonne Pactivitd”
de l’ame a sa sensibihtds sa sensibilit€ au jeu
des fibres; le jen. des fibres.& Iracılon ‚des
objew. \
N . vs " R ‘
Bonnet Jır
des erſchen zu hoffen, und ſie in dem Vaer in
dom Chriſtenthume gegeben. *
Dieſes Syftem, oder die auf Analegieen und Hy⸗
pordefen gegründete Ausſicht Auf eine. überfinnliche
Wett. hat 'eine Zeitlang viel Beifall, am meiften in der
-, Schweiz, gefunden. Denn es offenbarte ſich in dem⸗
ſelben ein denkender, aufgeklaͤrzer, mit Achtung gegen
die Religion und die Ideen der, Menfchheit erfüllter
Geiſt, und felbft der sertiche Ausorud ſprach an. Als
lein es war. doch uur ein Nothbeheif für deu menſch⸗
lichen Geiſt, den der Empirismus weder in der conſe⸗
quenten woch inconſequenten Ausführung vollkommen
> befriedigen, Tann, und darum auch von Feinem Langen
Beſtande. Zwar hat diefe Philofophie, welche aus
phyſiologiſchen Hypotheſen alles zu erklaͤren verſucht,
ein Vierteljahrhundert den Ton aͤugegeben; allein der
gründlich / forſchende Geiſt mußte doch zuletzt ſelbſt,
durch· die immer ohne Befriedigung, wechſelnden Hypo⸗
thefen-und die Verſchiedenheit und Oberflaͤchlichkeit der
Reſultate, die Uuficperheit dieſes Vodens einfge
hen 25). Die Hypotheſen ſind. durch andere verdraͤngt
worden, und die Theorie deß menſchlichen Wiſſens und
Staubens hat eine ganz andere Geſtalt gewonnen, zu
welcher die auf die phyſiologiſchen Kppothefen ger ° -
bauete Grundlage nicht mehr paßt Dein edlen Bons
net entging die wahre Beſchaffenheit feiner Philoſo⸗
” -»hle;
25) Eine fHarffinnige Kritik der Schule der Empiriften, '
hauptſaͤchlich der Fran zoſen Condillac, Bonnet, Drge⸗
rando, in Beziehung auf die Grundbegriffe von den
Sauptoermbgen, des menſchlichen Seiſtes, und die
Srundlage der Metaphyſik finder fih in le Vulgaire
et les ‚Metaphysiciens ou doutes et vues 'criti=
ques sur l'ecole empirique par W. R. Bodmer.
Paris 1802. 8.
3ia Siebentes Hauptſt. Erſte Ach, Fünfter @bfin. “
phie; den er war uͤberhaupt nur nach und nach in
das Intereſſe philoſophiſcher Unterſuchungen gezegen
worden, und hatte nie den Grund und Gehalt der Phi⸗
Lofophie, welcher er folgte, unterfucht und geprüft.’ Ue—
berzeugt von der Wahrheit - der chriftlichen‘ Religion,
und daß fie allein dem Menfchen über Gottes. Seyn und
Eigenfchaften, fo wie über die Fortdauer und Beftimmung
des Menfchen Aufſchluͤſſe gebe, welche für fie geeignet
find, war er zufrieden, daß die Philofophie durch die
"Vernunft den Menfchen zur Religion hinführe. Beide
waren ih feinem Syſteme auf das innigfle vereinigt
‚und machten nur ein Ganzes aus, darum wurde er um
fo. weniger die Inconfequenz inne, welche in der auf
dem Enmpirismus segrinderen rationalen Erkeänte .
niß liegt.
In einem ganz andern @eifte erfäeint vedhilephie
des Empirismus in der Mehrheit der Franzoſen und
einigen andern Gelehrten dieſer Zeit, welche ohne reli⸗
giöfes Intereſſe, ja mit feindfeligem Gemuͤthe gegen
jede, doch hauptſaͤchlich die chriſtliche, Religion die eine .
pirifche Phitofophie zu einem reinen Naturalismus und
Athelsmus conſequent durchfuͤhrten. Das Zeitalter, in
welchem bie Encyklopaͤdiſten auftraten, zeichnete fih
durch Sittenlofigkeit, Lejchtfinn, Zerftrenungsfucht, durch
einen hohen Grad von Verftandesbitdung, durch Eitels
leeit und Frivolitaͤt, durch ein Haſchen nach dem Neuen
- and Glaͤnzenden, durch Verachtung ded Alten und Eine
‚geführten aus. . Durch die Sittenlofigkeit des Hofes
hatte fich ein‘ allgemeines Sittenverderben unter den
böhern Claffen verbreftet; die Religion. wer durch die
Sitten der Geiſtlichkeit und durch das geiftlofe Kors _
mals und Eeremonienwefen der eingeführten Religion,
gu einem caput mortaum geworden und ber Geiſt ent⸗
wichen. Sie fand keinen Iebeabigen Quell und keinen
B [ Hals
. \. “ a
Diverst, ddilembert, die Enepflopädie: - 315
- , . j ae
Haltungspunct in, dem Kerzen der Menſchen, und in
dem Character der Nation 26). Die Philofophje, wel⸗
ſche die Ideen / der Verhunft beleben, ftärten, reinigen
follte, war zu einer bloßen Verftandeserkenntufß her⸗
abgewuͤrdigt, und zu einem eitlen Raifonneinent und
Geſchwaͤtz à la ‚portee de tous les hommes geworden,
und anſtatt dem Verderben 'zu feuern, wurde fie, durch
die Eitelfeit der Wortführer, welche um ben Beifall "
des großen Publieums buhlsen, felbft von dem allges
meinen Verderben ergriffen., Die Gelehrten werteifers
ten wit einander, . die Feſſeln der Denkfreiheit zu zer⸗
brechen, die Vorurtheile zu zerfireien, den Aberglauben
"zu zerſtoͤren, und das. Licht des Verſtaudes überall
anzujünden. Dieſes Streben hat ihnen Ruhm und
Beifall gebracht. Aber ihre Philofophie war ohne
Grund und Halt, und indem fie ohne bewährte Grund⸗
fäge grundfofe Meinungen zerſtoͤrte, unterminirte fie
auch "den fichern Boden des Wiſſens und Glaubens,
und. dad Reich der Sitten und der Religion; die flolze
Gebieterin wurde eine Sklavin ber "Meinungen und
Leidenfchaften und ein Spiel der Willkuͤr.
Diverot und. d’Atembert waren die Urheber .
der franzoͤſiſchen Encyklopädie und die Tonangeber die⸗
., fer neuen Phitofophie, zu welcher Condillac ſchon den
Grund
- 16) Eine treffende Schilderung des Zuftandes der frans
söffgen Nation in dem; achtzehnten Jahrhundert in
Beziehung auf Sitten, Religion und Wiſſenſchaften fin⸗
"der man in Barente und Jay Abhandlunr
gen Aber die Literatur Frankreiche im.
achtzehnten Jahrhundert, uͤberſ. v. Ukert.
Jena 1810. 8. Ein üußerſt merkwuͤrdiger Beitrag
FR Kennmiß der veligiöfen Cultur iſt der Artikel
leslier in der Encycl. method. Philos. anc. et
mod. T. II. P. J. p 218. —
*
. ,
> ıı\ -
314 Siebentes Hauptſt. Erſte Abth. Funfier anfsn.
Grund gelegt hatte. Denis Diderot, geboren zu
mgres 1713, hatte einen gluͤhenden, fprubelnden
eiit, befaß viel Keuntniſſe und Witz aber ſtatt eines
heiligen Feuers ‚brannte in feinen Schriften nur ein
kuͤnſtliches Zeuer; ohne Einheit trieb er ſich auf dem -
unruhig bewegten Meere der Meinungen herum. .
Nachdem er das Gebiet der Wiflenfchaften durchſtreift
hatte, fuchte er alles mit dem Verſtande zu erfaſſen;
dem Begriffe fucht er alle& zu unterwerfen, ohne hoͤ⸗
here Anfichten, ohne ein Jenſeits bes Verflandeögebietes,
. der Natur. Indem er. die Verſtandesregeln an das
Syſtem der pofitiven Religion anlegte, und ed mit den⸗
ſelben maß, zerfliebte durch den Zweifel daſſelbe,
wie ein Schattenreih. Die Moral der Gluͤckſeligkeit,
der Egoismus mit fehönen Phrafen, welche zur Bes -
wunberung hinreißen Tonnten, war das Einzige, was -
aus dem Schiffbtuch gerettät worden war, , ‚Diberot _
begann feine Titerärifche Laufbahn mit feinem Wers. -
fuch über das Verpdienft und Die Tugend, im
3.1745, welcher mit, Beifall aufgerommen wurde;
er war eine Meberfegung der Abhandlung des Shaftes⸗
burg. Hr. Naigeon betrachtet diefe Arbeit und die
"Zugabe von Annterfungen , welche mehr chriftlich, als
phllofophifch waren, als ein religiöfes Fieber,
von kurzer Dauer, durch deſſen Krife er auf Immer vor.
‘ jedem Rücfale geheilt worden fen 17). Den vollgäls
tigen Beweis davon geben feine philofophifchen
“ Ge⸗
17) Euoyelop. meihod. T. II. P. I. p. 154 Von
„ mandben Selehrten ifk dieſe Leberfegung eines aufs
landiſchen Werks als. fein eignes Geiſtesproduct ange⸗
fehen, und ihm darüber Lob ertheile worden, das ihm
nicht ganz gebührt. ’ “
. Dideset,. D’Membert, dien Eneyklopädie. 315
Gedanken, welche das Jahr darauf aſchienen EL
+, Mit“ großer ‘Freiheit beurtheilte er die Hauptfäge der '
hriſtlichen Religion, wie er fie nach tum Lehrbegriffe
des Katholicismus, mit menſchlichen Satzungen ver-
„'mifeht, ſich vorſtellte. Er ruͤgte in dieſer Schrift man⸗
che menſchliche, unwuͤrdige Vorſtellungen von Gott,
flelite die Schwächen in dem Beweife für Gottes. Das
ſeyn ins Licht; aber feine eigenen Grundfäge Kind ſelbſt
nichts weniger ald geläutert und aufgehellt durch das
‘Licht, der Vernunft, Tondern son der ſogenannten Mos
ral des Sintereffe eingegeben. Indem er aber nur abs
geriffene Säge hinſtellt, und einen Hohen, abſprechen⸗
den, kecken / Ton annimmt, imponirt das Ganze dem
Leſer, ber nicht auf feiner Hut iſt. Hier find nur eis
nige Gedanken, nach denen man. den Geiſt des Ganz '
gen. beurtheifen kann. Nur Leidenfchaften, große Leis .
> denfehaften Können den Menſchen über das Gemeine
"erheben. Ohne fie gibt es nichts Erhabenes, weder in
den Sitten, noch in den Werfen; ohne fie würden die
Ahönen Künfte in die Kindheit yurhetfalen, und die
* Zugend Heingeifterifch werden. — Nach den Schilder
“rungen von dem hoͤchſten Weſen, nach. feiner Neigung
"zum Zorne, nach der Strenge feiner Rache, nach ‚der
Vergielchung der Zahl-der Menfshen, die er verloren
. geben läßt, und derer, denen er feine Hand reicht, müßte
eine , geradfinnige Seele ſich verfucht fühlen zu. bem
Wunfge, es möchte Fein Gotterifliren. Man
würde. in diefer Welt vollkommen ruhig fepn, weun
"man gewiß wäre, daß man in einer andern nichts zu
fuͤrchten hätte. Der Gedanke, daß es feinen Gott
x —* hat nochi nie einen Menſchen eig; aber wohi
: der,
18) Pensdeh —R Piscis nie non et,
omnium,. Haye 174. & - .
316 Siebentes Hau Eeſie Abth. dinſterabio.
der, daß er, ſo · wie er beſchrieben wird, est, Aber⸗
glauben beleibigt Gott: mehr, als Atheismus. Nur
der Deift kann dem MUtheiften die Spitze bieten.
. Die .‚Metaphyfit und Ontologie macht nur Zweifler ;
den beſten Beweis fuͤr Gottes Daſeyn, den jene nicht
geben kann, gewährt die Betrachtung der Natur in ih⸗
ver Ordnung. — Nach mehreren Jahren ſetzte Diderot,
durch das Gluͤck aufgemuntert, welches diefe Gedan⸗
Ten. erfahren hatten, eine Fortfegung auf, die weit.
Tühner und Feder war, und der chriftlichen Religion
offenbar den Ktieg erklärte. ‚Gr wagte aber nicht, fie
drucken zu Laffen, um nicht feinen Ruhm in Gefahr’ zu
bringen, Mehreres davon wurde’ aber in bem recueik
philosophique, der 1770 in Holland erſchien, mit Ab⸗ ”
" Änderungen im ‚Ton und Ausdruck bekannt gemacht, *
" Maignon hat“eine Reihe diefer Gedanten,. welche
Wahrheiten und Jrethümer untereinander mifchen, in
der Eneyllopadie ausgezogen 10). Sein Brief über
die Blinden und Tauben behandelt ein- ‚intereffantes
pſochologiſches Problem, wobei er jede Gelegenheit er⸗
greift, jene Aeußerungen gegen bie chriſtliche Religion
' anzubringen. Das Minifterlum Zudnis XV beftrafte
diefe Freiheit mit einem finfteiattussentipen Sa
fingnip.
Als dem Diverot, eine Meberfegung ven Chalmers
Encyclopedie.angetragen wurde, kam er auf den (es
danken, eine neue Encyklopaͤdie herauszugeben. Er
"verband ſich mit mehreren Gelehrten von berfelben
freien Denkart, welche alle von demſelben Geiſte be⸗
ſeelt waren, den religioͤſen Aberglauben, unter welchem
Namen fie aber uͤberhaupt Religion jeder Art, den
Deismus etwa ausgenommen, begriffen, zu zernichten.
Er
19) Encyclop. method. P. II. P. I. p. 259.
. ‚
c
Siderot, dAllembert, die Encpflopäbie. LIT u \
Er erhielt einen berühmten Dthematifer, Jean Le:
MNond d’Alembert, zum Mitherausgeber. Diefer war
ein. Findelkind und 1747 zu Paris geboren; eiue Hands
werteröftau nahm ihn auf und erzog ihn, In dem ges,
lehrten Schulen zeichnete er ſich aus und: befchäftigte, -
fich mit ausſchließlichem Intereſſe mit den mathemati⸗
ſchen Wiſſenſchaften. Dieſen verdankte er, durch wirl⸗
uche Verdienſte, fein Gluͤck, fein Anfehen und feinen \
" Ruf, fo daß er non Friedrich dem Großen nach Berlin , '
berufen wurde, um Präfivent der Atademie der if
fenfohaften zu werden, und als er fein Vaterland nicht
verlaffen wollte, ihm zu Ehren die Stelle, fo Lange:
e lebte, unbeſetzt ließ. MS Philoſoph hat er in Frant⸗
teich einen großen Namen, ohne wahren philoſophiſchen
Geiſt, und ohne bedeutende Verdienſte, erhalten. D’
Alembert, wie Diderot, waren Deiften, oder wohl gar
Atheiſten; aber fie hielten mig dem Atheismus zuruͤck,
„weit fie die Religion überhaupt. nur für, einen Kapps_
zaum des. Volkes, und den Atheismus für eine: der, öfe
Tentlichen Ruhe, gefährliche Lehre hielten, Die meiften
Gelehrten in Frankreich waren der Meinung des Vol-
taire zugethan: ed fey nuͤtzlich, daB man dad Dafeyn
eines Gottes glaube, und wenn Feiner exiſtirte, fo
mößte man einen. machen. Aber dad Chriſtenthum,
eine Religion, welche, durch ein geringes und verachtes _
tes Volk über den Erdboden verbreitet, welche durch fo
viele Menfchenfagungen entftellt worden, war ihnen,
indem fie nicht den urfprünglichen Geift und den hins
zugekommenen Buchſtaben » das Innere und das Lieu⸗
fere, unterſchieden, ein Anftog, eine Verhoͤhnung ber
‚gefunden Vernunft, und fie fegten eine Ehre darin,
die pofitive Religion überhaupt, durch die Waffen des
Witzes zu vernichten.
Die Encyklopaͤdie, welche in dieſem Geiſte ver—
faßt war, fand, ungeachtet der Hof das Werk unter⸗
druͤcken
“-
grais Siebentes Hanptft, Erſte dibth. Fünfter Möfhn,
drucen wollte, giohen Veifall, wall ſie der Denlart
der. hoͤhern und gebildetern Claſſe der Nation. ente
ſprach, und haste einen großen Einfinß auf die Ras
. tion, welche es hiuwiederum als ein Werk, worauf ber
Stolz von Frankreich ruhete, unterſtuͤtzte 203. ‚Die-
meiften philofophifchen Artikel find ohne Tiefe und
Gruͤndlichkeit, einpfahlen ſich / den Franzoſen durch bew
esprit und die aͤußere gefoͤllige Form; und haben zum
Inhalte den Naturalismus, die Moral. des Gefuͤhls,
die, Freiheit ohne Geſetz. Die, philofophifchen Aufich⸗
ten, welche in benjelben herrſchen, gehören dem Werke
„wicht eigenshümlich an, fir waren früher ſchon von
wehteren geäußert worden; nur traten fie bier verei⸗
nigt, und in einem Geſichtspunct zufammengefaßt, in
einer beſtimmteren Geftalt hervor. Das Syſtem ber
Natur, deffen Werfaffer namentlich nicht befannt, aber
boͤchſt wahrſcheinlich ein Mitarbeiter oder. ein Freund
der Encykiopädiften if, enthält gewiflermaßen das Sys
ſtem, welches in der Enchklopaͤie ſiuͤckweiſe und vers .
beste entgälle wird 3"). . -
Das
26, In rurzer Zeit war bie erfte- Auflage, von 4200
'emplaren vergriffen. Voltaire Questions sur
“ ‚Pencyclopedie, = Part, p. 2. B \
21), Systeme de la nature ou des loix du monde.
physique ct dad monde moral par Mr. Mirabaud.
“ Londres 1770, 8, Mitabaud, der 1675 zu Paris
gehören amd daſelbſt d. 24. Sun. 1760 geftorben iſt,
har mehrere Schriften, alle in. demfelben Geiſte, ges -
ſchrieben, welche ohne feinen Namen erf&ienen, 5.8.
Opinions des Anciens tur les Juifs, und Kellexions -
impartiales sur l’evangile, welde in Holland 1769
erfhienen; La vie de Jesus Christ; Ya morale de '
la’ nature; histoire abragee du sacerdoce,ancien
et moderıme. Alembert leugnet, daß er der Vf. des
- \ "Sy.
— \
x
- Spftem ‘der Maar... 849
Das Spftem der Natur geht von dei Ge
danken aus, daß ber Meuſch nur darım. unglücklich iſt,
weil er feine. Natur verkennt. Sein Geiſt iſt fo fee
mit Vorurtheifen und Irethümern von Jugend an ers. .
fuͤlt, daß man ihn mit aller Mühe kaum davon bes
freien kann. Ein gefährlicher Sauerteig mifcht ſich in -
alle feine Erkenntniffe, und macht fie wogend, dunkel,
irrig. Der Menfch will zu feinem Ungläd über die
Grenzen feiner Sphäre hinaus, fich erheben über bie
finnfiche Welt ; umſonſt erinnert ihn der gefährliche .
and immer wiederholte Sturz an bie Thorbeit- feines -
Unterneßmens.. Er wollte früher ein Renner,
als ‚ein Phyſiker ſeyn; er verachtete das liche,
um Chimären nachzuhaͤngen, vernachläffigte die Erfah ,
zung, um in Syſtemen und Wermuthungen zu ſchwela
"gen, er wagte ed. nicht, feine Vernunft zu cultioiren,
‚gegen welche ‚man ihm frühzeitig Vorurtheile beiges
“ bracht Hatte, Er vermeiute fein Loos in den eingebilz
beten Regionen eines andern Lebens zu wiſſen, ehe je
5
, ‚Sypteme: de la mat, fey, aus dem Grunde, weil
x Mitaband daffelbe beftändig feugnete, und weil er fein
5 Atheiſt gewefen fey. Allein Alembert ift ein Her
der; er wußte wohl, dag Mirabaud ein Sreigeift waͤr;
er wollte es aber nit geſtehen, und alle Alademiler,
deren Eloges er fchried, follten auch als Recytgläubige
daſtehen. In der Encyclop. method, "Philos. .anc.
et mod.. Art. Mirabaud, wisd dieſes mit Recht
gerägt, aber ebenfalls behauptet, Mirabaud ſey niche
der wahre Verfaffer des tens, ſondern von einer ans
dern, nicht gedruckten, Schrift: Des lois du mon-
de physique et da monde moral,. deren Snhalt . '
und Grundfäge init dem Syſtem der Natur einerlei
ſeyen. Mach der gewöhnlichen Meinung ift entweder
der Baron von Hollbach einer won den Mitarbeis
teru an der Encpflopädie, oder La Grange, fein
Hauslehrer, der wahre Verfaller. ! —
Sao Siebentes Hauptſt. Eiſte Abe. Fünfter äsfgn.
daran ‘gedacht hatte, fich in dem gegenwärtigen Leben
glüctich zu machen. Der Menſch verſchmaͤhete mit
einem Worte dad Studium der Natur, um Phantomen
nachzulaufen, die, gleich Den Jerlichtern, ihn ſchreck«
ten, biendeten, und vom dem Wege ber Wahrheit,
worauf er allein fein Sluͤck finden kaun, abfuͤhr⸗
ten 32). Die Abſicht diefes Syſtems geht alſo dahin,
den Menfchen zur Natur, von der er ſich verirrt hat,
zurüdzuführen, ihm die Vernunft weith, die Tugend
verehrlich zu machen, und die Wolken zu zerſtreuen,
welche den einzigen gu ber erwuͤnſchten Gluͤckſeligkeit
führenden Weg verbergen. Der Vf. verfichert, daß er
auur diejenigen Ideen vorlege, von welchen er durch eis "
me eruſtliche und Lange Reflexion überzeugt fey, daß
fie für. die Ruhe und das Wohl’ des Menfchen nuͤtzlich
"und für das Fortſchrelten des menfchlichen Geiftes fürs
derlich feyen; er fodert zur Prüfung derfelben auf,
und erklaͤrt, er fen weit davon entfernt, bie heiligen
Bande ber Moral zu zerreißen, er wolle fie vichnehe
firaffer anziehen, und die Tugend auf die Yltäre ſez⸗
zen, welche Betrug, Schwärmerei und Furcht bisher
gefaͤhrlichen Phantomen errichtet hatten =?)
Ein folches Syſtem, weldes nad) ſolchen Verfis
cherungen von einem Denker, der ſchon auf feinem
Grabe fteht, herdortritt, und weiches unter den Srans
zoſen nicht geprüft‘, fondern mit ungetheiltem Beifalle
aufgenommen worden und großen Einfluß. gehabt hat,
verdient gewiß Aufıterffamkeit. Der Zweck deffelben
iſt pie Lehre, daß nichts, als nur die Natur,
d. . Materie und Bewegung, wirklich iſt, daß
daraus alle Erſcheinungen der u ſelb ſt
die
22) Syſtem d. Nat. Vorrede.
25) Syſtem d. Nat. Vorrede.
r
Syſtein der Matucc. Sa:
"bie Vegetation, das Leben und Denken ew.
klärt werben Finnen; daß bie Seele nichts
» ‚anders, als das, Gehirn, die Freiheit und. |
AUnſterblichkeit eine Chimäre und Gott-ein
Erzeugniß-des. Aberglaubens if, Es befiche ..
aus zwei ungleichen Thoilen; einem dogmatifchen und
einem polemiſchen. Bei dem letztern hat ſich der Vf
viei laͤnger aufgehalten, „old bei dem erſtern. Er if
gluͤcklicher in dem polemiſchen, „ats in dem dogmati-
ſchen, indein er dort wenigftend in dem Dogmatismus -
der fpeculativen Vernunft nicht felten, fcharffihnig Zehla
ſchluſſe entdeckt, hier aber von Hypotheſen ausgeht,
aus. weichen die Folgefäge nicht einmal abgeleitet wers
den koͤnnen. Das Ganze ift ein Gewebe von unbeiwies
ſenen, einander oft wiberfprechenden Gägen, welde
nur durch die Klarheit, Keckheit und Selbſtgefaͤl⸗
ligkeit ihres Urhebers einen Schein bei lebhaften Ko⸗
pfen erwecken konnten. Der Grundfehler aber beſteht
in einem beſtaͤndigen Verwechſeln und Verwitren der
Vegriffe, in dem Aufſtellen von Behauptungen ohne
Unterfuhung der Gründe und Grenzen des Wiſſens.
Das Syſtem fängt von allgemeinen Saͤtzen, von der .
> Natur an, und geht dann zu, dem Menſchen fiber, führe
die moraliſchen Eigenfihaften deſſelben auf feine phy⸗
fiſchen zutück, leitet dieſe aus Modificationen de Ge⸗
hlſtins ab, und gründet darauf den Empirismus und
Senſualismus der Erkenntniß, fo wie den Materialis⸗
mus· Der Grund dieſer Lehre iſt die Annahme, bag
alle Vorftellungen und Erkenntniffe finnlich find, und
diefe wird wieder aus dem Naturalismus abgeleitet, -
fo daB das Fundament der Lehre "wieder zur. Folge .
wird, und ſich Alles fein im Kreife herumdreht. "Das
mit hängt die Inconſequenz zufammen, daß das Sys
ſtem über die Grenzen und Schranfen unferer Erkennt⸗
niß Magt, und fo oft Einwuͤtfe damit abweift, daß
Rennen, Gef. d. Philoſ. A. CH, E ne) 0
r \
Bas Eichentes Haupt, ErfteHbth. Sünfter fan.
wir ſo Vieles nicht wiffen, und dann doch das Syſtem
son vorne herein eine Erfenntniß der Natur im Gans
zen · und in ihteh einzelnen Theilen vorfpiegelt, als
wäre 'fein Urheber: allwiſſend, und hätte bei allen Vers
änderungen des Univerfums präfidirt und das Raͤder⸗
wetik deffelben gemacht und aufgezogen. Noch ein Zeh:
er Befteht darin, daß er, ohne gründliche Einficht in
die gefegmäßige Thaͤtigkeit des menſchlichen Geiftes zum
Gründfeg annimmt, bie, Wahrheit jeder Erkenntniß bes
ruhe auf Demonftration, und jedes Urtheil fey falſch,
das nicht demonſtrirt werden koͤnne, ungeachtet faft alle
Säbe des Syſtems nur bittweife angenommen ‚find. ,
Dähet wird nun gefolgert, daß, weil für die Freiheit
und Uuſterblichkeit der Seele, und für Gottes Dafıyn
Heine: Demonftration vorhanden iſt, diefelßen nur Aus⸗
I gedurten des Wahnglaubens ſind.
Die Hauptfäge des Syſtems der Natur” vbeſteben
in folgenden Behauptungen: Das Univerfum, , oder
der. weite Jubegriff alles Wirklichen, bietet ung übers
‚all nichts dar, ald Materie und Bewegung; eine uns
ermeßliche und ununterbrochene Kette von Arfachen und
Wirkungen. Einige von diefen Urfachen find und bes
kannt, weil fie die Sinne afficiren, andere, unbekannt,
weil fie durch Wirkungen , die von ihren erften Urfa
gen, weit entfernt find, auf und wirken.
Sehr verfchiedene, und auf unendlich’ verſchiedene
, Betfe zufammengefegte Materien erhalten und theilen
* werfchiedene Bewegungen ohne Aufhören ‚mit. Die vers
fhiedenen Eigenſchaften, Verbindungen, und daraus
nothwendig entfpringenden Handlungsweifen diefer Das .
terien. machen für und das Wefen der Dinge aus; dars
aus entfpringen die verfchiedenen Ordnungen, Elaffen'
‚und Wefen der Dinge,’ deren Toralität dasjenige iſt,
wos wir Natur nennen, Natur im weitern und im
en⸗
— P
Syſtem der Natur. ©." 323
engern Sinne. : e dem letztern iſt der Meuſch eim
Ganzes, welches aus der Verbindung gewiſſer Mates
rien entſpringt. Dieſe Materien find mit befondern
Eigenſchaften verſehen, deren Anordnung die Organs
ſation helft... Das Weſen der letztern ift das Empfins
den, Denen, Handeln, kurz die-eigenthümfiche- Bewe⸗
gung, die den Menfchen auszeichnet von andern Thies
ı ven, und ihn in eine beſondere Claſſe bringt. Diefe
verfchiedenen Syfteme der Dinge, oder beſonderen Nas’
‚tusen hängen.von dem allgemeinen Syſteme, von dem
großen Ganzen, von der allgemeinen Natur, ab; fie
machen” einen Theil der letztern aus, und alles was
exiſtirt, iſt nothwendig an fie gebunden 24).
Die Bewegung iſt ein Streben, ‚wodurch ein Koͤr⸗
per feinen Ort verändert, ober zu verändern ſucht.
Die Bewegung iſt das Einzige, was unſere Organe
mit den Dingen, bie in oder außer uns find, in- Bes
älehung bringt. Die mannigfaltigen Dinge, Subſtan⸗
zen, Körper, deren Inbegriff die Natur: ift, find its
Zungen von gewiffen Combinationen oder Urſachen,
und werden dagegen wieder Urſachen von Wirkungen,
Urfage iſt ein Ding, welches ein andered in Bewe—
gung fegt, oder in demfelben Veränderungen hervor⸗
bringt. Wirkung iſt Veränderung, welche ein Kör⸗
per in einem andern vermittelft der Vewegung hervors
bringt. Jedes Ding empfängt und theilt nach feinem
Wefen verfchiedene Bewegungen mit. ' Die Natur iſt
der Inbegriff aller Dinge und Bewegungen, die wie
Iennen, fo wie vieler, die wir nicht erfennen koͤnnen,
weil fie unſern Sinnen unzugaͤnglich find 2°), Die
*2 "Sinne -
24) Systeme d. (. np J. ch. 1.
'25) Systeme d. hm P. I ch. a. p. 12. La na-
tue,
* 324 Siebentes Hauptft. ErfieWbth. Fünfter Abſchn.
ESinne zeigen und überhaupt zwei Arten von Beweguu⸗
gen; bie eine bie Bewegung der Körper in
Maffe, die allein für. uns wahrnehmbar ift, bie au⸗
dere, eine innere und ‚verborgene Bewegung, welche
von der, einem Körper eigenthuͤmlichen Bewegung, d. i.
von der Wirkung und Gegenwirkung der nicht wahre
wehmbaren Veftandtheite abhängt. Diefe Letzte ift nicht,
wahrnehmbar; ‚wir erkennen fie nur durch die Veräus
derungen, welche wir nad) einiger ‚Zeit an den Körpern
und ihren Mifchungen wahrnehmen °).
. Die Bewegungen find erworbene, wenn fie
durch eine fremde Urfache bewirkt werden, fponta
ne, wenn in, einem Körper die Urfache der Berändes
sungen, welche. er erleidet, enthalten iſt. Won der
Art find die Bewegungen: des Menfchen, das Gehen,
Reden, Denken. : Jedoch wenn man es freue nimmt,
. fo gibt es Feine fpontane Bewegungen, da alle Koͤrper
beftändig auf einander wirken, und alle ihre Verände-
‚nungen von offenbaren und verborgenen Urfachen her⸗
rühren. . —
Es gibt feine volllommne Ruhe; alles iſt in Bes
wegung. - Denn. auch das ſcheinbar Ruhlge hat doch
ein Veſtreben zur Bewegung, und jeber Körper, der
gedruͤckt, geftoßen ımd angezogen wird, beweift-in dem
Widerſtaude eine verborgene Kraft (vis inertiae). Die
Bewegung iſt ein Zuſtand, der nothweibig aus dem '
. . . We
tuire, come on a dit, &st Passemblage de tous’
les dires et de tous les mouvemens que nous
x: @onnoissong, ainai que de beaucoup.d’autres que
nous ne pouvons connoitre parce-quils sont in-
accessibles à nos sens.
46) Syst. d. m. r 1. cha. B 12
377 @oflem- der. Natur 3a:
Weſen der Materie folgt; fü ie bewegt fich durch ihre:
eigne Kraft; und bedarf Feines äußeren Anftoßes, um
in Bewegung zu kommen. Die Materie iſt nie
träge, Wie man fon aus den Erfcheinungen der .
Gravitation, "oder aus dem Umſtande fieht, daß ein
Körper, wenn er fich ſelbſt uͤberlaſſen, oder von den -
Hinderniffen feines Wirken befreit iſt, fogteich mie -
.. zunehmender Geſchwindigkeit zu fallen anfängt. Es
iſt alſo gar Fein Grund‘ vorhanden,” außer der Materie
eine Kraft zu füchen, welche fie in Bewegung geſetzt
haͤtte. Wenn man alſo fragt: woher iſt die Materie
und bie Bewegung in der Materie gekommen? fo wird
man, antworten müflen: fie hat von Ewigkeit exiſtirt
und ſich von Ewigkeit bewegt 27).
hen Kette von Bewegungen und. Reactlonen der mans
nigfaltigen Materien und ihrer Combinationen, wodurch
Dinge entfiehen, erhalten, verändert, herſtoͤrt were
den 2°), Einige Materien find unveränderlich geneigt,
ſich zu vereinigen, andere einer Vereinigung unfähig.
Diefe Anziehung und Zuruͤckſtoßung, Sympathie und
Antipathie find die allgemeinen Gefege der phufifcen .
und moralifchen Welt, ‚welche wir, ungeachtet unferer
Unwiſſenheit in Anfehung der-Mege der Natur, des
Weſens, der Eigenfchafsen, der Elemente, der Verhaͤlt⸗
niſſe und Combinationen der Dinge, als die Urſacheü
aller
27) Syst. d. im. P. I. ch. 2.-p. 18. 19. 'Sihon
efit observ&6 la. nature sans prejuge, ‚on se se- ,
roit depuis ‘long teıns convaincu ‚que la matiere
“ agit par ses propres forces 'et n’a besoin d’au-
“ cune impulsion exterieure ‚pour &ire mise en
‚mouvement — 21: 29.
28) Syst, d. hm Pol. ch. 3.
Der Gang der Natur beſteht in. der-unaufhörlis "
Z
3:6 Siebentes Haupiſt. Erſte abth. gü inet:
\ aller natürlichen, Wirkungen "erkennen, He Bewiguns
gen haben ihre Richtung und ihr Ziel. Die allgeme
ne Richtung aller Bewegungen ift die Erhaftung und
Fortfegung feiner wirklichen Esiftenz, Anziehung: defs
‚ fen, was nützlich, Zurückſtoßung deſſen, was ſchoͤdlich
if. Man nennt dieſe allgemeine Richtung die Gravis
tation auf fich ſelbſt, die Traͤgheitskraft;
die Moraliſten nennen fie die Selbſtliebe. Diefe
Selbſtliebe, fo wie jede Vervegung, jede Handlungs:
weife, und überhaupt jede Erfcheinung, ift ald Product
der Natur, des Weſens, der Eigenſchaften und Ver-
bindungen nothwendig. Nothwendigkeit iſt be .
‚ fändige und unabänderliche Verknüpfung der. Urfachen
„mit ihren Wirkungen. 29). Jedes Weſen ift ein Indi⸗
viduum, welches in der großen Familie fein nothwen⸗
diges Tagewerk für die allgemeine Arbeit verrichtet,
. Auch der Menfch ift ein Glied der großen, Kette; alle
feine veränderlichen und oft ſich durchkreuzenden Ges
donten, Willensacte, Wuͤnſche, Handlungen mußten
‚anter den Umftänden fo, und konnten nicht anders er:
“folgen. Die Natur ift ein handelndes oder lebendes
Banze, deſſen Theile alle nothweudig, und ohne es zu
wiſſen, für die Fortdauer der Wirkſamkeit der er
ſtenz, deö Lebens, zufammenwirten. Die Na:
ſtirt und wirkt nothwendig, und alles, was fie —
ſtimmt zur beſtaͤndigen Fortdauer ihres wirkſamen
Seyns nothwendis zuſammen 2).
29) Syat. d. I. n. P.L ch. 4.
50) Svst. d. l. m P. I. eh. 4. p. 45-47. La
nature ‚est am tout agissant ou vivant, «dont tous
- tes les ‚parties concouyent Hecessairgment.'et a
leur inscu & maintenir P’action, lexistence et la
vie; la näture existe et agit necessairement
et tout ce quelle coptient conspire necessaire-
inentä la perpetuit6 de son, dire agissant.
Orde
D
7 Spflem der Natur. 327
Dronung iſt eine Berrachtungsweife unferes Gei⸗
fies, inwiefern wir in ven gefammten Beziehungen ei⸗
nes Ganzen eine Uebereinftimmung der Art und Welfe
feined Seyns und Wirkens mit der unfrigen leicht
“wahrnehmen. Da in ber Natur alles nothwendig iſt
‚und erfolgt, fo if dad Mufter der Ordnung nicht in ,
der Natur, fondern nur in unſerm Geifte vorhanden.
- Will man indeffen die Idee der Ordnung auf die Na—
tur anwenden, fo ift fie die Folge von den Wirkungen -
oder Bewegungen, die wir für. zufammenftimmend zu
einem gemeinfhaftlichen Zidede- halten. Drdnung.
in der Natur iſt die norhwendige Art des Seyne
ur und Beziehung der Theile auf einander, oder die Nothe
wendigkeit in Beziehung auf die Folgen der Wirkun⸗
‚gen, die nothwendige Kette der Urſachen und Wirkun⸗
gen. Zuweilen aber wird die Ordnung der Natur, die "
wir als übernatürlic) bewundern, geftört, uud verwan⸗
dels fi, in Unordnung. Dieſes iſt jedoch: immer eine
Folge der Geſetze der Natur, in weldyer es nothwen⸗
dig wird, daß einige Theile zur Erhaltung des Gans
zen. von ihrem gewöhnlichen Gange abweichend werden. '
‚Unordnung iſt nur Uebergang eined Dinge zu einer
neuen Ordnung. Alle Bewegungen in Beziehung auf
das Naturganze, alle noch fo verfchiedene Arten zu
handeln find in der Ordnung und ſtimmen mit ‚der
Natur zufammen. . Der Tpgendhafte, der Laſterhafte
koͤnnen beide nicht auders handeln und ſeyn, als fie
find und handeln; jener zum Beſten feiner. Freunde,
dieſer zum Ungluͤck der Geſellſchaft. Das Syſtem bei—
der Arten von Handlungen iſt indeſſen relativ ſehr ver⸗
ſchieden. Ordnuung und Unordnung iſt nur die ver⸗
ſchiedene Anſicht dieſer natürlichen und nothwendigen
Wirkungen in Beziehung auf und 2*). _ o
. j er
31) Sst.dhm Pol ch. 6.
808 Sihente deinnſt Erf i, Sünfer ifön,
De menſch iſt ein Theil der Natur; er ſteht uns’
‚ter denfelben allgemeinen Geſetzen, die ſich nad) fei-
nem eigenthüntlichen Weſen nur- auf eine befondere
Weiſe äußern. Ale ſeine Empfindungen, Feen, Wil⸗
lensacte, Handlungen, alles was er thus und leidet,
find Wirkungen feiner Traͤgheitskraft, feiner:
Gravitation auf ſich felbft, feiner Anjie
bungss und Zurüdftoßungsfraft und feines
Erhaltungstriebes; mit einem Worte, Folge der Eners
gie, die er mit allen befgunten Dingen gemein hat,
Die Quelle aller Irrthuͤmer, in welche der Menfch ges
sathen ift, iſt die Anficht von fich ſelbſt, daß er fich.
ſelbſt bewege, daß er immer durch eigene Ener
- gie handle, und in fernem- Handeln und Wollen von ,
‚ ben allgemeinen ‚Gefegen der Natur unabhaͤngig fey.
Eine, gufmerffame Prüfung hätte ihre bald’ zeigen koͤn⸗
nen, daß feine Bewegungen nichts weniger, als fpoua
tan find, daß er von feiner Geburt an- von Urfdchen
‘ abhängt. die außer feiner Gewalt find, und bid an
feinen Tod unaufhörli von Urſachen modificirt wird,
weiche ohne fein Wollen auf feine Maſchine einfließen,
fein Seyn verändern, fein’ Betragen beſtimmen =)
ö ‚ Nach
Sa) Syst.d.I.n. PL ch. 6. pP 6. Tout c6
quil fait et tont ce qui se passe en lui’sont des.
effets de la.force dinertie, de la ‚gravitation. sur
soi, de la vertu attractive et repulsive, de Ia
tendence.& se conserver, en un möt de, lenergie
qui lul est commune aveo tous les Lire⸗ gne
nous voyonsz elle ne fait que se montrer dans
P’homme d’une facon .particulidre, (qui est due
4 ↄa naturo particuliere, par: laquelle il est dis»
tingud des ötres d'un systeme-on. dan ordre-dif-
ferent. La source des erreurs dans lesquelles I’. -
homme est. tombe, lorsqu’il s’est envisags luis
- meme, est venue — de co quil'a ‚zu so mou·
vor
v
Du r Eyfem-
nach dieſer Vorausſetzung nahm “der Menſch zwei
9 Subſtanzen als Veſtandtheile feines Weſens an; Kür:
per und Geift.oder Seele, wovon jener aus ge⸗
der Natur. ; — 329.
dehnt, diefer ein fach ſey. Das Syfiem des Spi⸗
ritualismus wird nun, nach verſchiedenen Hypotheſen ·
mancherlei Gruͤnde beſtritten, weiche dahin gehen, daf
eine Subftanz, welche keine audere Eigenſchaft hat,
als die Einfachheit, welches nur eine Verneinung-
iſt, undenkbar iſt, daß die Seele, da ſie den Körper
bewegt, und Bewegung nur dem Ausgedehnten zu⸗
” lommt, ausgedehnt iſt, daß die Seele gezwüngen wird,
diefelben Veränderungen, als der Körper, zu erleiden,
“mit demfeiben entftehe, ſich entwickelt und altert; daß
der. Menſch alfo Kein. Doppelwefen, fondern eine Bers
bindung ' verfdjiedenartiger Materien : ift 23), Im \
Grunde. ift in diefen Beweifen, nichts Neues, was nicht
ſchon bei den Stoikern und bei dem Epikur vorkäme,
a Rad
voir de Iui-möme, agir toujours par sa propre
energie; dans ses actions et dans les volonds,
qui en sont les mobiles, ötre independant des
ioix generales de. la nature et.des objets que,
sönvent ä son inscu et toujours -malgr& Iui, cette
nature fait agir sur lui: sl se ft attentivement
examins, il eÄt reconnu ‚que tous ses mouvemens '
ne sont rien moins que sponrands; il eüt trouv6
--que sa naissance depend de canses entierement
hors de son- pouvoir; 'que c’est sans son aveu
-qu’il entre ‚dans un systeme oü il une
"placez que depuis le moment od il nait jusqu'a
celui ob il meurt il est continuellement modihis
“per des causes qui, malgr& lui, influent :sur sa
über das Entſtehen des Menfchengefchlechts,. durch . j
‚machine, _modifient’son &ire et disposent 'de sa .
conduite, 2
8) Syndum Plcn.
®.
"350 Siebenteb Heuptſt. Erle Ath. Fünfter dblhe.
Naih. eigen grammatifejen und hiſtoriſchen Bemwer⸗
kungen, welche den Sieg des Materialismus vollenden
ſollen, aber nichts zur Entſcheidung beitragen koͤnnen,
kommt die Ermahuung, mit Verwerfung jener Chimaͤ⸗
ren und theologifchen' Träume, die Seele der Er
fahrung zu unterwerfen. Der Phyſiker, der
Anatom und Arzt ſollen ihre Erfahrungen und Beobach⸗
‚ tungen gereinigen, um uns zu zeigen, wie man ſich
eine Subftanz zu deuten habe, die man. gefliffentlih .
unkenutlich machte; „ihre Entdeckungen follen den Mo:
raliſten Wie wahren Beweggründe der menſchlichen
Handlungen, den Gefehgeberu die Antriebe, wodurch
die Menfchen beftimmt werden, an dem Wohlſeyn der :
Geſellſchaft zu arbeiten, den. Zürften die Mittel zeis
* gen, ‚ihre Völker gluͤcklich zu machen, „Phyſiſche
Seelen und phyſiſche Beduͤrfniffe verlangen
ch ein phyſiſches Gluͤck und reale Gegenftände, wel⸗
he den chimaͤriſchen, womit die Geifter. fo viele Jahr:
hunderte hindurd) find getäufcht worden, vorzuziehen
find. Man arbeite an dem Phufifchen des Menfchen,
und mache ed ihm ängenehm, dann wird man auch
fein Moraliſches bald beffer und begluͤckender fehen;
- dann wird die ‚Seele ruhig und heiter, der Wille durch
natuͤrliche und Handgreiflihe Mittel zur Tugend ges
neigt werben“ ?*). _ . .
“ \ , ‘ Geiſt
34).Syst. d. l. . P. I. ch. 7. p. 85. - Si.nous
rouions nous faire des idees claires de notre
ame, soumeitons la. donc à lexperience, renon-
gons ä nos prejuges, d&cartons les‘ conjectures
thsologiques, dechirons des voiles sacres qui n’
ont pour objet que d’avengler nos yeux et de
confondre ‘notre raison. = Des arıes physiques
‚et des besoins physiques demandent un bonheur
physique et des. objets reels et preferables aux
chimeres dont depuis tant de sieeles on repait
- nos
Soßem der Natun. 3340
u
Goeiſt iſt ein leeres Wort von einer verborgenen
Kraft, etfunden zur Erklaͤrung verborgener Eigenſchaf⸗
ten und Wirkungen. ‚Seele iſt nichts anderes, als
das Gehirn, der gemeinfchaftliche Mitselpunet, .in wel⸗
dem alle Nerven des. menſchlichen Lelbes zuſammen⸗
Tommen und ſich vereinigen. Vermittelſt diefed innern
- Organs werben alle innere, der Seele zugefchtichene
. Operationen bewirkt, welche, ‚nichts anderes find, als
die den Nerven des Gehirns mitgetheilten Eindrüde,
Veränderungen, Bewegungen y denen ‚zufolge dad Ge⸗
birn entgegenwirkt und die Drgane des Körpers ius
Spiel fegt; oder dad Gehirn wirkt auf ſich felbft zur
ruͤck, und wird’ dadurch fähig, innerhalb feines eignen
Berk eine große Menge von Bewegungen hervorzu⸗
bringen, die man unter dem Namen intellectuelfe
Vermögen bezeichnet ?%). Die Gründe für diefe .
Behauptung. find ‚einige Erfahrungsfäge von. :dem Zus
fammenhange des. Gehirns mit den Organuerven, als,"
Bedingung des Empfürdens, und einige Veobadtungen
über den. Einfluß des Druds auf das Gehirn, oder -
gewiffer widernatuͤrlicher Veränderungen deſſelben auf
das Empfinden und Bewußtſeyn. Daraus wird gefol⸗
gert, daß die Senſiblitaͤt des Gehirns entweder das
Refultat der Anordnung und Verbindung: gaviffer, den
organiſchen Weſen elgenthumlichen Matsrien, oder eine,
B als
nos esprit. Travaillons au physique de Thom .
me, rendons le agreable ppur lui, et bientöt:
nous verrons son moral. devenir et meilleur et
"plus fortune; son ame rendue palsible et serei«
ne, sa. volont& determinde & ‚la vertw par: les
‚motifs aaturels‘ et palpables gu’ on di pres,
sentera,
35) "Syst, d. L. n. P. I ch. 7. p. 86,
.
354 Siche aies Haupt Erle Abe. Fünfter Afän-
allgemeine Eigenfchaft der Materie überhaupt iſt 26).
Das Bewußtfeyn findet .Stätt, "wenn das Gehirn
die’ auf bie Organe gemachten Eindrüde unterſcheiden
‚Tann; es beſteht in der beſtimmten Erfchütterung und
ausgezeichneten Mobification, welche das Gehirn ers
* fährt durch die äußern ‘oder Innern Organveränderuns
‚gen >”) Wenn die Ginnorgane von äußeren Objec⸗
ten verändert werben, fo entfiehen Senfationen;,
Verceptionen, Zdeen. Senfartonen heißen'die -
Beränderungen der Organe an und für ſich, Perce p⸗
‚tionen, wenn das innere Organ ſie wahrnimmt; ,
Ideen, wenn bad innere Drgan fie auf die Ob—
jecte bezieht , welche fie hervorgebracht haben 28).
Diefe fucceffiven Modificationen des Gehirns, als Wire
Zungen äußerer Objecte, werden wieder Urſachen, und
bringen in der Seele neue Mopificationen hervor, wel⸗
che man Gedanken, Reflerionen, Geſdaͤcht⸗
niß, Einbilduns/ urtſeit, Wollen, 2er
"deln nennt,
uUnm elnen beſtimmten Segrif von dem Denten
zu erhalten, muß man Schritt vor, Schritt bemerfeu,
was in und‘ bei der. Gegenwart eines Gegenfiandes
vorgeht. Es fey dieſer Gegeuſtand eine Pfirfiche. Sie
wirkt zuerft anf die Augen, bringt in denjelben zwei
Mobificationen hervor, die fi) dem Gehirn mittheilen,
und
36) Syst. d. I. m. P. I’ ch. 8. p. 60. 90.
37) Syst. d. km P.1. eh. 8. p. 98. En gende ..
ral le sentiment n’a lieu que Porsgue le corvegn
peut distinguer les irnpressions faites sur les or-
u ganes;, c'est la secousse distincte, ou la modifi- \
cation marquee qw’il eprouve, qui conätitme la
„sonscience.
38) Syst. d. 'n. P. I. ch. uns
Syſtemn der Natur. ; 335 -
und wodurch dieſes ‘zwei neue Arten des Seyns: Far⸗
"be und Rundung, erhaͤlt. Durch dad Vetaſten eut⸗
ſtehen die Perceptionen des Weichen, Kühlen, Schwe⸗
ren, durch den Geruch und Geſchmack Perceptionen
von Geruch und Geſchmack. Indem ich dieſe verſchie⸗
denen Eindruͤcke oder Mobificarionen meiner Organe,“
welche zu dem Gehirue fortgepflanzt worden, zeit
ge, oder alle diefe Senfationen, Perceptionen y
Ideen verbinde,. habe ich die Foee. von dem Ganzen,
son der Pfirfihe, womit fi) mein Gedanke beſchaͤfti⸗
gen kann; ich habe einen Begriff. Dieſes iſt hinrei⸗
end, die Entſtehang der Senſationen, Perseptionen
und Ideen, ihrer Aſſociation oder Verbindung in dem
Gehirne zu zeigen. Man fieht, „dab diefe verfchleder .
nen Modificationen nichts anders, als Folgen der ſuc⸗
ceſſiven - Rührımgen find, welche die äußeren Organe-
dem Innern mittheifen., Diefed innere Organ hat das
Vermögen zu denken, d. i. in ſich ſelbſt wahrzu⸗
nehanen, und die empfangenen verſchiedenen Movifica⸗
tionen oder Ideen zu empfinden, fie zu verbinden und
zu trennen, fie auszubehnen und zu beſchraͤnken, zu
vergleichen, zu erneuern... Darans erhellet, daB das.
Denken dte Wahrnehmung der Mobificationen iſt, wels
sche unfer Gehirn von Seiten der dußern Gegenftände
‚ erhalten, ober ſich felbft gegeben hat 9°).
Das Unzureichende diefer. mechanifchen Erklaͤrung
fühlte der Verfaſſer wahrfcheintich felbft. Daher eut ·
ſchuldigte er daſſelbe mit der Unerklaͤrlichteit aller, _
auch der 'gemeinften Phänomene der Natur. Mir
würden die Erfcheinungen der Seele zwar um nichts
beſſer verfichen, wenn wir fie einen Geiſt nennen;
„aber da fie fid nicht mechaniſch erklären laſſen, mig
. web
39) Syn d.h m. P. 1. ch. 80 p..96. 97.
334 Siebentes Haupiſt. Erſte Abth. Fünfter Abſchn.
welchem Rechte wird denn behauptet, die Seele ſey
nichts als Materie, und ihr Wirken folge aus den alle
gemeinen Geſetzen der Berwegung? *°) °
Die Perſchiedenheit dor. Meyfchen im Phyſiſchen
mad Moralifcen leitet das Soſtem, von den phyfie
ſchen Urfachen des Temperamentö, und ber Gewähe
. ‚nung ab *'). Die Itrthuͤmer entfpringen durch Tranfe
""Drgane,-durch eine falſche Aſſociation der Ideen, und
durch Vorausfegung des Nichrwirklichen als des Wirks
lichen. Da jedoch alle Ideen nothwendige Wirkungen:
der. Natur und Erfolge unveränperlicher Geſetze der
Natur find,. und das Denken eine Naturwirkung der
Gehimthätigkeit iſt, welche durch die Veränderungen
der Organe beſtimmt wird, , und dahin auch die Aſſo⸗
ciation.. der Ideen gehoͤrt; fo iſt es ſchwer zu begreis
fen, wie in diefem Syſteme noch Irrthuͤmer Platz fine,
den Können. . Eonfequenter war es gewiß, wein -Pros
er vo tago⸗
40) Syst. d. l. a. P. J. ch. 8. p. 1041. Si Von
se plaint que ce mecanisme ne suffit pas pour
‚expliquer ‚le principe des mouvemens ou deg fa-
/ culıes de notre ame, nous dirons qu’elle est
dans le nme cas que tous les corps'de la na-
ture dans lesquels les mouvements les plus sim«
ples, les-phenomenes les plus ordinaires, les fa-
gons d’ägir les plus communes sont des mystd.
res inexplicables, dont jamais nous ne conndi-
trong les premiers principes. u ”
A1) Syst. d. ln. P. I. .ch. 9. p. 133. Le tem-
perament est le produit des substances Physi-
ques; P'habitude est leffet de modifications phy-
siques; les opinions ' bonnes ou. manvaiges,
‚ yraies ou fausses qui s’arrangent dans l’esprit
humain, he sont jamais que les effets des impul»
sions physiques qu'il a regues par les sens.
A
1 Enyſen der Natur. | 335 "
tagoras den Unterſchied zwifchen wahren und falfchen
Vorſtellungen gänzlich: aufbob. Die Inconſequenz entz -
ſtieht dadurch, daß diefes Syſtem Wahrheit nicht-in den
einzelnen finnlichen Vorſtellungen, fondern in der Ues..
bereinftimmung mit dem: beftändigen Naturläufe, oder
aufammenftimmigen Erfahrung ſetzt, und daher Vers
nunft als das / Vermögen der Erfahrung oder der Er-
fahrungegefee annimmt 42). Indeſſen bleibt es ſich
auch darin nicht, getreu; denn indem es die angebor=
wien Seen folgerecht beftreitet, oder vielmehr au⸗
nimmt, daß fie fiegreich von Locke widerlegt worden,
wird folgender Grundfaß, welcher die, Hauptſtuͤtze des
franzöfifchen Atheismus, von Diveror an, iſt, aufge: .
ſtellt: Jedes Wort. oder Idee, welde ſich
auf kein ſinnliches Object beziehet, iſt aus
Nichts entſtanden, und bat keinen Sinn
noch Bedeutung Ein ſolches Wort müßte daher
aus der Sprache, und die Idee aus dem menſchlichen
Geiſte verbannt werden, weil fie ſinnlos find, Diefer
Grundſatz ift der umgekehrte Arkftotelifche:, nichts,
kommt in den Verftand, was nicht auf bem
Wege der Sinne dahin gelangt, Da biefer
Eatz wahr iſt, fo muß es auch der umgelehrte feyn.
- Greitich wird er Durch die Unterſcheidung des Unmits
telbaren und Mittelbaren fo weit und breit, daß er
die fonftigen Widerfprüche verdeckt, aber auch feine
ſichere Anwendung verliert 22).
Die
42) Syst, din P. E ch. 9, p. man 212. °
43) Syst. di. n: P. 1 ch. 10. P. 141. Si, com-
me Aristote Va dit’ y a plus de deux mille
ans, rien m'entre. dans notre esprit que par la
voie des sens, tout ce qui sort de notre esprit
doit trouver rei objet sensible anyuel il’
. - puis-
336 Siebenies Hauptfi. ErfieAbiy. Fünfter Ara
Die-Wiberlegung her Freih eit iſt ein Haupt⸗
punct des Syſtems; denn in der Annahme derſelben
fand der Urheber deſſelben "eine. der vorzüglichfien. Urs
jachen von den Jrrthuͤmern des Menfchen ‘überhaupt,
‚und insbefondere. in Unfehung der Serie, Wäre das
Syſtem der Natur. gegründer, wären alle Grundfäge
wahr, alle Folgefäge richtig; fo würde der Fatakisınna-
beiwiefen. feyn.. Mit diefem zuverfichtlichen Tone wird:
der Ubfchnitt -vom der Freiheit eroͤffnet: Wir haben
hinreichend bewiefen, daß die Seele nichts anderes iſt,
als der-Körper in Beziehung auf einige feiner verbor⸗
genften Operationen; daß die Seele, wenn fie auch
als immateriell angenommen würde, beſtaͤndig von dem
‚Kötper mobifieirt wird, deſſen Bewegungen unterwor⸗
. ven Mechanismus, welcher die fogenannten- intellectuels
fen iſt, und ohne diefe ohne Leben und Kraft ſeyn
würde; daß fie folglich dem Einfluffe materieller und
phufifcher Urfachen unterworfen ift, welde ‚auf den
Körper‘ wirken; daß ber bleibende und. vorübergehende
Zuſtand des Körper vom den mater! llen Elementen
‚abhängt, welche fein Gewebe, fein Temperafnent auss
machen, welche durch die Nahrungsmittel in ihn. eins
dringen, ihn durchdringen und. umgeben. Wir. haben
\ len
puitse rattacher ses idées, solt inmediatememt
comme hamme, arbre, oiseau; soit en derniers \
analyse ou decomposition comme plaisir, bon=-
heur, vice et vertu. Or toutes les fois qu'un
mot oü ‚son ‚idee ne ‚dournit aucun objet sensible
auquel on’ puisse le rapporter, ce mot ou cette
x idee sont venus de rien, sont vuides de’ sensz
il faudroit bannir Pidee de son esprit et le’ mot
de la langue, puisque il ne signifierojt rien,. Ce
„Principe n'est que.linverse de l’axiome d’Ari«
stote;;, la directe est evidertte, il faut done que
Pinverse le aoit pareillement,
“a
Syſtem der Natur, a 357.
in wermgen und. moraliſchen Eigenſchaften aus⸗
machen, auf eine blos phyfiſche Weiſe erklaͤrt. Wir
haben hewieſen, daß alle unfere Ideen, Syſteme, Ges
fühle, waßren und falfchen Begriffe unfern materiellen
und phyfiſchen Sinnen gehören. Alſo iſt ber Menſch
ein phyſiſches Wefen, gebunden an die · Allgemein
"ge Natur, den allgemeinen und unveraͤnderlichen Ge—
feßen unterworfen, welche die Natur allen Wefen, nach
dem ihnen ohne ihren Willen gegebenen Wefen und Eigen=
ſtchaften, auferlegt **). "Wenn es mit dieſen Demons
frationen feine Richtigkeit Hätte, To würde jeder Auf—
wand von Worten darüber erſpart werden koͤnnen. Als
fein, gleich als wenn der Werfaffer gefühlt hätte," daß
die Freiheit. zu innig mit dem menfchlichen Bewußt⸗
ſeyn verwebt iſt, als daß die Ueberzeugung davon
noch fo blendenden fpeculativen Gründen weichen koͤnn⸗
te, fucht er noch befonders dieſe Weberzeugung zu zers
nichten. Jedoch alle. Gründe in dieſem ' weitläuftis
gen Abſchnitte kommen immer auf die Behauptung zu:
rück: der Menfh ift nicht frei; er wird immer L
Durch Beweggründe beftimmt zu überlegen, zu wählen, .
unb zu wollen; alled dieſes iſt eine Zolge deffen, was
‚er iſt, geweſen iſt, feiner vorigen Handlungen; er Tann
in dem Wugenblide, wo er überlegt, nicht anders
überlegen, wählen, wollen, als er überlegt, wählt,
wil; denn ſonſt müßte etwas zugleich feyn und
nicht ſeyn. Der Gegenftand feiner Wahl ift dad Ans
genehme und Unangenehme. Die Vorftellungen davon
macht er ſich nicht.beliebig, fie werden ihm aufge.
diungen und beſtimmen feine. Zus und Abneigung, .
Wenn der Menſch frei waͤre, ſo müßte er, obgleich.
wur ein Theil,’ doch mächtiger. ſeyn, als das Ganze, .
und
4) Syst. d. Ki “ BL ch.: u P 160. 16.
Tenuem. Geſch. d. — . xb. 9°
33 Elebentes Hauptfl, Erſte Abt). Fünfter Abſchm.
und ſich von ben allfeitigen Einwirkungen —
los zureißen und ſich gleichſani zu iſoliren vermögen. Nur
Die: Menge der. geheimen Urſachen und. Triebfevern. und
ihre Beränberlichleit macht, daß der Schein eutſteht,
ala, waͤren umfere Entfchließungen frei. Könnten wir
. alle, auch die kleinſten Räder. des Triebwerks durch⸗
ſchauen, wir würden einfehen, daß alles nothwendig
in, und erfolger,, wie es iſt *°). - '
> .7.Da übrigens. der Menſch nur als ein Naturweſen
betrachtet wird, als ein verſtaͤndiges Thier, und dieje⸗
nigen Erſcheinungen, welche und nöthigen, "ihn als
ein Weſen einer hoͤhern Ordnung zugleich zu beach
ten, gar nicht, oder nur einfeitig, erwogen werben; da
ex. die thenlagifchen. halflofen Begriffe von -der, geich⸗
güftigen, Freiheit, von dem. Verderben der menfchlicgem.
Ratur, und von. ber Gnabenwahl. auftößig fauh, und:
„ fie night, won der Freiheit ſelbſt tfennte;. fo war. 68
kein Wunder, daß ihm das alles, als eine Lehre des
Wahns, der. Unwiſſenheit. und der Prieſterherrſchaft vor⸗
kam, und. er einen Ge barin, fegte, piefes Phantom .r
39 zernchten.
Die Sterblichte it der menſchlichen Seele folgt
aus den Srundfägen diefes Syſtems. Iſt die Seele nichts
als eine Verbindung von Materien, gleich andern koͤr⸗
perlichen Dingen, fo kann ihre Exiftenz auch nicht über
diefe Verbindung hinausreichen. Daß die Seele mit
dem Körper fich entwidelt, zunimmt und abnimmt,
beweift, daB fie kein anderes Loos zu erwarten, hat,
als ber gefanmite Körper. Iſt die Seele ein, Immas
terielles Wefen, fo kann es doch in feiner Wirkfanzkeit
ohne Körper wicht beftchen, weil es ohne Ideen nicht
dene
46) Sys.dhw P. I. ch. 1. p. 160 - 190.
‚ fang der Seele: mach dem Tode fen eine Wirkung der
goᷣtrlichen Allmacht, fo ſtuͤtzt man eine Ungereimtheit
auf eine grundloſe Smpotpefe. Der Mahn vom der
Zortoaner nach dem Tode entfprang: aus ber Liebe zum,
‚Leben, and: dem menſchlichen Stolze, aus ber Furcht
Pros Coon der Bat: 39...
deuten: and wollen, unb Ideen ohne Shine‘ nicht ha⸗
Ben Tann Weun mins ſagt, die Fortſetzung der Eri-⸗
‚vor dem Tode, den man, wie alles Ungewiſſe, fuͤrch⸗
tet; bie Prieſter der Religion unterhlelten Beafelsen als
. Seite Iren, Herrſchaft *9). “
“Die Veftreitung der vöfigiöfen Seen und ded-res
Higiöfen Glaubens I: ein anderer Hauptgegenftand dies
ſes Spftemns. . Die religiöfen Ideen find ihrem Entften
ben nach grundig, "enthalten Widerſpruͤche / und die
Veweiſe für ‚Gottes Dafepn find ohne alle Kraft —
dieſes macht die Hauptpuncte des Angriffs aus. Ans
wiſſenheit, Unruhe, Ungluͤck ft die Quelle,' woraus die
erfien‘ Vorſtellungen von. einer Gottheit find geſchoͤpft
worden, und. daher muͤſſen fie. ſchon verdächtig, falſch j
und betrübend ſeyn. Wohin wir. unfern Blick auf dem,
Erdbeden wenden, fo finden wir, daß ſich die Mens '
ſchen, zufolge gewiſſer ſchreckenvoller · und ungluͤcklicher
Erxeigniffe, Rationalgoͤtter gemacht, ober fremde Goͤt⸗
ter angenommen haben. Die Vorftellung dieſer mäche ⸗
tigen Urſachen iſt mit der Vorſtellung von Furcht
verbunden; ihre Namen erinnern: an Ungluͤcksfaͤlle,
an kLandplagen und Verheerungen In Grunde
92 wird
A40) Sat. dm BL ch. 18. p. aan. 238 100g.
4) Syst. d. I. a P. II. ch. 1. p 8. Ce fat dang
le sein de l’ignorshce, des larmes st des cala-
mités que les hommes ont toujonrs puiso leurs
premiores notions-sur la divinite. D’oü l’on voit qu’
- elles.durent dare ou suspeotes ou fausies too \
” go’ Sictentet Baupfk, ehe um, gu a . fn.
wird der Menſch mehr von dem Boͤſen Pr "son dem
- Guten gerührt ; das letztere betrachtet er als eine
Schuldigkeit der Natur, dad erftere als eine Ungerech⸗
tigkeit. In der Ueberzeugung, daß die Natur nur für
ihn gemacht fey, kann er nicht ‚begreifen, wie fie ihm
Leiden verurfachen koͤnne, wenn. fie nicht durch eine,
feinen Gluͤcke feindliche Kraft bewegt würde, welde
ihre Urfachen hatte, ihn zu ängftigen-und zu ſtrafen.
Daher erhellet, daß nicht ſowohl das Gute, ald dad.
Böfe die Menſchen angeregt hat, den Göttern nachzu⸗
forſchen, daß der Inhalt und die Beſchaffenheit ihrer
Vorfiellungen von denſelben, und ihr Betragen gegen
fie dadurch iſt beſtimmt worden +8), Unkunde der
Natur iſt der Entſtehungsgrund ber Götter, die Kennts -
niß der Natur. iſt beſtimmt, ſie zu zernichten. In dem
Maaße
allligeantes. - Nous voyons que pariout Io
peuples ont tremblo et qua ‚crest en consequen-.
- co de Jeurs craintes et de leurs malheurs quils .
se sont fait des dienx nationaux, ou quils ont
adopt& ceux qu’on leur apportoit d’aillenrs. L’ '
” idee de ces agens si puissans fut tonjours asso-
nie à celle de la terreur: lenr nom rappella ion⸗
jcurs & I'hamme ses propres ealaniids on. celle⸗
de ses peres.
4) Syst. din. P. II. eh, 1. p 18. Lhomme, .
‚ , regarde-le bien. Etre comme une dette de la na-,
tufe et les mauy comme -une injustice quielle
lui fait; pereuad& que cette nature ng fut faite
que pour, v i, sl ne peut concevoir quelle le fit
souffrir si elle w’etoit mue par une force enne-
mie de:soh bönheur, qui eüt des raisons.pour -,
Vaffliger et-le punir. D’oü Ian voit que le mal
fut encore plus que le bien le motif-des recher-
‚ches que les hommes-ont faites sur la divinite,
des idees (qu’ils \s’en sont formees et de la con-
duite ‚quiils ont tenus d son egard. \
..
> Sm
Eyllem der ratur, Id 84: .
Maaße, als der Menſch unterrichteter wird, vermehren
ſich ſeine Kräfte und Huͤlfsmittel; Wiſſenſchaften, Kuͤn⸗
ſte, Induſtrie geben ihm Mittel, vielen Naturutſachen
zu widerſtethhen, welche ihn nicht mehr beunruhigen, ſe⸗
bald er fie kennt. Mit einem Worte, feine Schreck⸗
niſſe verſchwinden, fo wie. fich. fein, Geift aufklaͤrt. Der
gebildete Denfch hört auf aberglaͤubiſch zu feyn *°).
Aus dem. Schoße cisilifirter Nationen gingen dies:
jenigen Perſonen hervor, weiche Gefelligkeit,. Aderbau, ..
Künfte, Gefege, Götter, .religisfe Verehrungen unter
zerſtreuete Familien und Horden Krachten, und fie das
durch „bildeten „und ihren Zuftand verbeflerten. Die
Natur und die Elemente waren die erften Götter, wels
he verehrt wurden 9%). Dichter und Bildhauer faß⸗
- ten diefe Vorſtellungen auf, verfchönerten fie, und ga⸗
:ben ihnen 'einen Körper. Die folgenden Denker erz
kannten nach biefen Verſchoͤnerungen ober Derunftele
„tungen nicht mehr die Quellen, woraus diefe Borftels
lungen gefchöpft waren, und wurden durch Mäßiggang : .
‚und .eitle Unterfuchungen aus Phyſikern und Dichtern
Metaphufiler und Theologen, Dieſe ‚glaubten eine
wichtige Entdeckung gemacht zu haben, indem fie die -
Natur von ihr ſelbſt, von ihrer Kraft unterfchieven.
Aus der letztern machten fie nach und nach ein unbes
greifliches Weſen, perſonificirten daſſelbe, nannten
49) Suet. d. Km. P. IL ch. 1. p. 22.
50) Syst. d. l. n. P. II. ch. 2. p. 23, 24. Ce fot
* communement du sein des nations civilisees que
- sont sortis tous les personnages qui ont apport&
- "la sociabilite, Pagrieulture, les arts, les loix, las _
Dieux, les cultes et los opinions religieiines .
à des familles ou hordes encore eparses et non
reunies en corps de nauon. *
D
‘She. Sisenter Ham: ‚ae Abtp. Bänfte Abſchn.
den Vabeger der Matir md Wett. Diefes abe
ſtracte, metaphyſiſche Weſen, wovon fie nie eine bes-
Free ſich Bilden konnten, wurde, das Object
ibrer fortgefegten Nacjforfipungen-**), _ Man betrache
tete daſſelbe nicht nur als ein redles, fondern.aud) als
das vorzuͤglichſte Wefen. Die Natur verſchwand; es
wurde ihr eine unbekanute Kraft vorgezogen. Mau
Nnannte fie einen Geift, eine Intelligenz, eine
immaterielle Subſtanz. Kaum der Theolog in
< Wahrheit ſich für aufgeklaͤrter Halten, daß er am. bie
Stelle. ver verfiändlichen Worte: Materie, Natur,
Beweglichkeit, Norhwendigkeit, die unbe
kimmten: Bei, ankoͤrperliche Subftanz,
Gott heit gefegt hat? An diefe dunkeln orte muß
von Foren amgelnipft werden; vie Menſchen nahen
‚ Re von ſich felbft, ihre Seels wurde das Mufler ver
" Weltfoele, ihr / Beift das Mufter bes Geifies, der über
die Natur welter; ihre .Beibenfchaften und Wuͤnſche
das Vorbild der ſeinigen; das. ihnen Zutraͤgliche wun
de die. Ordnuag der Ratur, dieſe vorgebliche Orduuug
der Maßſtab der Weisgeit; kurz alle volllomneene Ei⸗
genſchaften Anırden bie Vorbilder im Kleinen vdn deu -
- göttiichen Welllammenheiten. Die Theologen find, und,
werden immer Vethroyrworytiſten ſeyn BL...
Die thelogiſchen oder metaphyſiſchen Eigenfchafe
„sem: Gottes find. reine Negatignen ber Eigenfchaften,
"welche am Menfehen und den ihm bekannten Dingen
+ fi finden, wodurch diefes Weſen, als befreit won Als
+ Ten Schwachheiten und Uuvolfowmmenheiten vorgefkellt
wird, Sort, iſt unendlich, d. * er iſt nicht, wie
die
Si) Syst. d.h m P. N. ch. a. p. 5a. 35.
W Plan
’
un Siem der Natut. 343
die erkennbaren Dinge, in Brengen ‚bes Raums 'einges
ſchloſſen; ewig, dh er hat micht, wie alles, wos.
exiftirt, einen Anfang, noch ein Ende; unveräuders \
lich, d.h er. ift Feiner Veraͤnderung unterworfen;
immateriell, d. h. feine. Subftonz und fein Weſen
find von einer für und mubegreiflichen Art, und wes
fentlich verfchieden yon Allem, was wir erbeimen.°?}.
In dieſem verwirrten · Chaos von Negationen, woraus
"der theofogifhe Gott beſteht, iſt es nicht möglich, ſich
eine Idee zu bilden. Man glaubte durch die Vereini-·
gung ‚diefer negativen unendlichen Eigenſchaften, durch
die Mnendlichkeit, Unermeßlichkeit, Geiſtigkeit, Allwiſ⸗
7 fenbeit, Orbnung, Weisbeit, Intelligenz, Almacht ein
; Ding, einen Sort ‚gemacht zu haben,. und. hatte nur
"ein Hirugefpinft gemacht. Man bildete ſich ein, diefe:
Eigenſchaften müßten, Gott zufommen, weil fie feinem
erdennharen ‚Dinge zukommen; man glaubte, ein. unbe⸗
greifliches Weſen müßte auch ‚unbegeetihe Eigens
ſchaften haben 5°).
Sie Nothwendigkeit, dieſed unbeftimmte und uns
begteifliche Welen den Geſchoͤpfen wieder izu naͤhern,
hat.
83) Syst: d. Im. PM. ch. 3. p- 50. 51.
54) Syst. d. l. m, P. IL. ch. 3, p- 52,. Cem de P
... amas confus 3. ces quolites negatixes que rer
⸗uhe ‚le Dieu theologigie, ce tout motaphysi«. 5
“ que dont. il sera toujours impossible & l’hpnime
de sa fuire aucund idee. Dans cet dite abstrait
tout est infinite, immensktd, spiritalite, omnisci-
ence, nrdre, nagesse, intelligence, puissauge sans
bornes, En combinınt.cas ‚mots ‚vagues gu ces
mollißcations l’an erut_fzize quelque hose; on
<tendit ces qualitds par ‚la ‚pensee, et.laon crut ,
avoir fait, un Dieu, tandis qu’on ne fit ar me ı .
chimere. . v
844 Siesentes Baupi. rien, Fünfter Abſchn.
»bat: bie Thedlogen auf handgreifliche Ungereimtheiten
gefuͤhrt. Die Theologie hat den Kopf darauf geſetzt,
Gatt Eigenſchaften beizulegen, welche der meuſchliche
Geiſt umſouſt zu denken und zu vereinigen / ſich bee
ſirebt. ‚Ein reiner Geiſt iſt der Beweger der materiel⸗
len Welt; das unendliche-Wefen kann den Raum eis
‚füllen, ohne darum die Natur auszuſchließen; das un
-verämperliche Weſen iſt die Urſache von beftändigen
Veränderungen in der Welt’; - das allmaͤchtige Weſen ·
‚Sour das Uebel nicht, hindern, was ihm. mißfaͤllt; die
Quelle der Ordnung iſt genöthigt, Unorbnungen zuzus
laſſen. Mit einem Wörte, "die wunderbaren Eigens
ſchaften des theofogifchen Gottes widerfprechen ſich je⸗
den Augenblid *5). . Gott. ift gütig ohne Schranken.
Iſt er aber nicht der Urheber aller Dinge? Müffen
‚wir ihn nicht auch für die Urfache der Gichtfchmerzen, .
der Fieberhige, der anſteckenden Seuche, der Hungers-
noth, der Kriege halten? Allein Gott iſt auch ges
recht. Dadurch will man das Elend, welches das
55)-Syst. d.i.m. P. II. ch. 3 p. 52. Lane
menſchliche Geſchlecht erdulden muß, rechtfertigen. Die
u Yes.
cessit& de‘ rapprocher Diva de ses creatures a.
fait sser sur ces contradictions palpables' et
Th eologie s’obstine topjours à lui attribuer
5 Fr qualit6s que Pesprit huntaim tenteroit vaine-.
ment de concevoir on de concilier. Selon elle
un pur esprit est, le moteur du monde mate-
riel; ‘un ötre immense peut remplir l’espace
"x gans.en exclure' pourtant la nature; un ötre im-
muable est la cause des changemens contindels
qui s’operent dans le monde;' un &tre tout- .
Puissant ne peut emp&cher le mal qui lui de
plait; la sonree de l’ordre est forcde de per-
mettre le-desördse; en un mot les qualitds mer:
veilleuses du Dien theolagique dont à &.chaque
instant dementinn,
‚ Sylem der a Bam. 38
Ar ſind Strafen für die Sinden, womit ‘die Men⸗
ſchen Gott beleidigen. Alſo hat der Menſch die Mache,
ſeinen Gott leiden zu laſſen. Die-Gerechtigkeit‘ift die
beftändige' Neigung, Feder. das ihm Gebührende zu
geben. Aber Gott if, nach den Tyeologen, deri-Mens J
ſchen nichts ſchuldig· Die Guͤter, welche er gibt, ſind
bloße Geſchenke feiner ‚Gnade; er kaun, ohne bie Bil⸗
ligkeit zu perletzen, über feine Werke nach Belieben
ſchalten, und fie, wenn es Ihm gefällt, in den Ab⸗
grand des Elendso ſtürzen. Hierin erblickt man keinen
Schatten von Gerechtigkeit ,„ fondern dad Bild der
furchtbarſten Tyrannei .°°) Wenn Gott Feine Ver⸗
bindlichteit Hat gegen die Menſchen, wenn er nicht .
- verpflichtet ift, "ihnen Gerechtigkeit ‚und. Güte zu: ers
weifen, fo koͤnnen die Menfchen auch fo wenig, Pfüche
teen gegen Gott. haben, ald die Steine, Wir kennen
keine andern Beziehungen zwifchen ven Wefen, als ge⸗
genfeitige. Die. Pflichten der Menfchen gruͤnden fi
auf ihre. gegenfeitigen Bedujrfniſſe. Wenn Gott. ver: —
Menſchen nicht bebarf, fo kann er. ihnen nichts. ſchul⸗
dig ſeyn, ſie koͤnnen ihn aber auch nicht beleidi⸗
gen m) >
Auf dieſe elle werden wahre und PFRERB
„Schwierigkeiten und Widerfprüche zufanmengehäuft,
Bei ſolchen Vorurtheilen gegen die Religion, bei dem .
lebhaften, aber oberflächlichen, . Geifteöharafter war
„bier ein remes Refultat und ein Gewinn für Wahr:
heit nicht wohl. zu erwarten. "Daß die Idee der Gott⸗
heit, als die Einheit der Idee, dem Verſtande ein un⸗
angänglicher Bermunfebegeifl » daß das Object fo. zes
° ' ng,
86) Syst dl. 5. P. . ch, 3. p.-5a--58.
57) Sys. 4. . n. PU. ch 3. p. 64.
345 Eiebenteb Haupfl.. Eifie ist. Fünfter Abfn.
wig, als eine feiner Eigenfchaften, begreiflich ift, if
eine Eigenthuͤmlichkeit jeder Idee, und beſonders der
religioͤſen. Die Idee iſt aber durch die, Natur der
Vernunft gegeben, in derſelben gegruͤndet, and mieht
ein menſchliches Machwerk, wie das Soſtera des bio⸗
Gen Raturalismus vorſpirgelt. Es iſt eine wahre Jose
‚ver Vernuuft. Ihre Unbegreiftichkeit iſt noch Yeine
Alngereimtheit. Die Einſicht in das Verhaͤtniß des
Verſtandes zur Berumft war indeffen auf dem Gtands
guncte ded Syßews der Natur, wo abfchtiuh alles
auf Materie zumichgeführt wird, nicht möglich. We
konnten auch in demſelben, nach bem Gruudſatze, daß
jene Vorſtellung, die nicht“ durch einen ber Ciihite ges
geben if, ein Sirnpeipunt it, jene Vorſtellangen, die
ih auf das ürberliunliche beziehen, ‚richtig. nufgefaßt
und beurtheilt werben ? Die Bedürfniffe amd Foderun⸗
gen der Vernunft, das hoͤhere Jutereſſe derſelben was "
ven teen Früher zernichtet, da das Gittliche in dub -
Phofiſche anfgeloͤſt, mad der Menſch zu einem werfiine '
Digen Thiere Yerabgewärbigt warden war. Aus Diefem
petwcte des Verſtandes hat die Veſtreicuug der
Theologie Wahrheit; denn was iſt für ein ſolches We⸗
fen Gott anders, als eine beſchwerliche und Läftige .
Bot ſtellung? Widerſpruͤche find in dieſen Ideen nicht
, außer nur ba, wo bie reinen Ideen mit
ven Borfiellungen der Kirchendogmatik und den popu⸗
laren Worftellungen vermengt aud / verwechſelt werden.
Aunſtatt beidertei Vorſtellangen ſcharf von einander zu
urrerſcheidon, faud die atheiftifdre Dentart ihre Rech⸗
nung dabei, diefe, aus feht verſchiedenen Quellen ges
floſſeuen, Vorſtellungen zufammenzumerfen. Der Des⸗
potlsmutz der Hierarchie, das Verbot eines freien Ver⸗
nunftgebrauch& in theufogifchen Gegenftänden, bie kirch⸗
lichen und weltlichen Iwangémittel, jedes freie Urtheil,
jede Laͤuterung und Aufklaͤrung unmoͤglich zu machen,
J wiuß⸗
!
! Sofien der Matur, Burn 547 5 j
mußten nothwendig den Werdacht srreper,. als ſey wo
bier mm ein Bleudwerk zu thun, welches die Politik
geſchaffen habe. Dieſes ift Die einzige Seite, von wels -
care der Yhaitnub Def Chu eine glldere un
ſchonendere Veurthellung finden muß.
Herpa tommt noch die Veſchaffenheit ver (in vos.
¶ Dafeyn Gottes vrefuchten Bewseife. ¶ Von jeher pas der
nireuſchliche Geiſt dahin gefirebt, Diefen wichtigen Punct,
worau daB Höchfte Intereſſe der Vernunft. geknüpft if,
außer allen Zweifel zu ſetzen und der Grundlage: aller _
weligiöfen Webergengungen dieſelbe Gewißheit zu Heben,
als fi die mathewatiſchen Wahrheiten ruͤhmen. Abey
nie iſt eiae Demouſtration der Urt. gelangen, ab die
Werauuft if mit fich und von Tpeofagen über die Möge
Hichleit -umd bie Urt des Veweiſes immer. ameiig ges .
weien, ine Bewrtheiluug einiger biefer vorgeblichen :
Demonftrationen für das Daſeyn Gottes maßte in’ den
Ungen des Verfaſſers diefed Syſtems den Triumph des
Atheismus vollenden. Die Bemerkungen über den his
ftoriſchen Beweis, den ſchen Vaylo einer firengen Prüs
fang unterwerfen haste, über den Beweis von Samuel
Etarde, Deseurtes und Leibnit Find zwar eben nicht
tiefgedacht, aber doch zurrichend/ auf die Schwäche der
fpeculativen ‚Vernunft aufmerkfam zu machen. Bei
dem Weweife des Clarke aus dem Begriffe eines abſo⸗
Int netgwendigen Hefend hätt ſich der Berfaffer am . -
laͤngſten auf. - Der Fehler deſſelben wird nicht Agente
lich aufgededt; aber die ganze Gebankeureihe wird ges. '"
‚bragpt, um zu heweifen, daß die Natur dieſes nothe
‚ wendige Weſen ift, welches von Ewigkeit exiſtirt hat.
Wenn‘ diefer Beweis nicht feinem Macerialismus ents
"gegen gewefrn wäre, fo wuͤrde gegen die Buͤndigkeit
deſſelben gar nichts eiugewendet wotden ſeyn. Die eis
ne ‚Beweisführung des Earteſius: man würde ohne
— a Sort
a
"548 Siebentes Haupiſt. Erfte Ach. Fünfter Abſchn.
Soit nicht die Idet von Gott Haben, ift,iwie fie et
verdiente, kurz abgefertigt 8). Aber die Ideen, wels
che Newton in feinen mathematiſchen Gruudſaͤtzen der
Naturwiſſeuſchaft aus der Metaphyſik entlehnt, weiche
er nicht abſichtlich entwickelt, ſondern nur nach dem
- Bedürfniß der Vernunft an die Natur auſchließt, vers
anfaffen "ein weitlaͤufiges Naifonnement, weldes ben
großen Naturforfcher als ein Kind in der Metaphyſik,
als gan; eingenommen von den Vorurtheilen der Prie⸗
ſterſchaft nicht ganz gerecht daͤrſtelt. Der phyſiko⸗
theologiſche Beweis wird” durch oberflaͤchliche Bemer⸗
kungen abgefertigt, und- zu feiner Entkraͤftung immer
keck behauptet, die Natur bringe durch ihre Kraft nach
uhverändgrlichen Geſetzen Pflanzen und Thiere hervor,
> ohne daran zu denken, daß die Vernunft ſich nach eis
nem vernünftigen Grunde diefer zwecknnißigen Einriche "
tung der Natur oder des Organismus umzuſehen ges
norhigt ſieht 59), EEE
J Dies
58) Durch ein fonderbares Mißverftänbnig wird S. rı9
Descartes F einem Spinoziſten gemacht: Descar-
. tes pretend que l’on me’ peut eoncevoir. Dieu
que comme une vertu qui s’applique Swcsessive-
ment aux parties de lunivers. — 11 dit encore“
qüe Dieu ne peut Eire dit etendu que comme on
Id dit dw few contenn dans un morceas de fer
qui n’a point d. propremsmt parler d’autre ex-
tension que. celle du fer lui- möme.
59) Syst. d. m. P. IL ch. 5. p. 130. Nous ne’
pouvons douter de la puissänce de la mature;
elle produit tous’ les animaux.que nous voyons
& V’aide des eombinaisons de la inatiere qui est _
dans une action continuelle; l’accord des par-
ties de ces memes animaux est-une suite des _ 5
loix necessaires de leur nature et de leur com-
binalson, dös quõ cet accord cesse, Yantmal R
oo: B .5* e
Eoftem der Matur, 1: 39
Dieſes Soſtem der Natur, weiches am Ende ven‘
Atheismus Laut bekennt, und jeder Religion, deu Krieg.
eckiaͤrt, den Atheiſten als den Welſen, der von keinem
andern Jutereſſe, als dem der Wahrheit und der wah⸗
ren Gluͤckſeligkeit des Menſchengeſchlechts befeelt ſey,
erhebt, die Religion als eine Ausgeburt des Aberglau⸗
bens, des Irrthums, dan Religibſen al& einen Unſin⸗
nigen, Schwaͤrmer, herrſche und verfolgungeſuͤchtigen
Feind der Menſchen, Gott als einen eingebilveten und
felpfigemadpten Tyraunen darzuſtellen ſucht, welches:
auf den Naturalismus eine Moral bauet, die dir
Wahrheit, der Tugend uud dem Mechte huldigt, wel⸗
ches mis dem Schein von Gruͤndlichkeit alle Zauber
mittel ber Beredſamkeit verbindet, war durch die Fünfte
lichg Bereinigung von Wahrheit und Irrthum in den”
. "Augen der meiften franzöfifchen Gelehrten ein Meiftere
* fit, für die Mehrheit gewöhnlicher, dem. bloßen .
Scheine folgender Menfchen ein gefährliches Buch,
D
€s machte bei feinem Erſcheinen gewaltiges Auf⸗
ſehen, und iſt faſt immer als das Handbuch des Athe⸗
ismus betrachtet worden. Auf Anregung: der Geiſt⸗
lichkeit wurde es durch eine. Parlementsacte verbrannt
Br . nn und
detruit necessafrement. Que deviennent: alors la
angesse, ‚Vintelligence ou Ia.bontö de la cansa
pretendus & qui l’on faisoit, honneur. d’un ao-
cord si vants. Ües.animaux si, merveilleux, que
Yon dit ötre les.ouvrages d'un Dieu, immuable,
- ne walterent-ils point sans, cesse et ne "Änissent-
ls pas toljours par,se detruire? Oü est la sages-
se, la bonte, la prevoyance, l’immutabilite d’un
- ouvrier qui ne paroit, occup& qu’ä deranger' et
briser les ressorts-des machines qu’on nous an-
ee et de son hahilit6? . .
monce comme les chefs d’osuyres de sa puissan- °
350 Giebentes Paupifl, Eifte abth. Fünfter Abſchn.
and verboten, ein Schritt, der. bem Buche wenig ſcha⸗
dere, unb-felbft durch den Schein. des Unrechts feine
Wirkſamkeit vermehrte 50). Helverins verbreitete
durch einen Auszug die atheiſtiſche Denlart er). Die
gruͤudlichen . Widerlegungen des Guftend 2) hab
doch nicht den ſchaͤdlichen Einfluß deſſelben verhindern
koͤunen, welcher fpäter erſt in der Revolution vollkom⸗
men affenbar wurde, infofern biefen in einer ausgearte⸗
tem Dentart, welche fie nicht umordnen Fonnten, und
tu falſchen Grandfägen: begränber iſt, zu welden,
als der Hauptquelle, fie nicht hinauffteigen wollten.
Wem man, wie Halland thut, vom den Principien
des Tode ausgeht, fo kommt man, nach der firengen.
Sonfegtieng, wie Diderot ridytig eingefehen hat, auf
„Fein anderes Syſtem, als das der Encytiopaͤdiſten. Denn
nach dieſem iſt der äußere Sinn allein die-Quelle der
J “ [oo ur
60), Die te dieſes Decrets erzaͤhlt Sri
—* a a L » Fe
auf eine Tächerlihe Weile in dem Tone des ieichtſin ⸗
nigſten Franzoſen.
Gid) La: wai. sans du systdma. de, In natnne (per
Helvetius) ouvrage posthume, London .3774.
Deutſch, Frankfurt und Leipzig 1783. 8. “
ı 62) Rxämen du Materialisme ou’ refutation du sy-
‘x stöme de la nature par Mr. Bergier. Paris’ 1771.
Voll. 8. Observätions sur le livre · intiiulo: $. d.
1.8. par Mr. de la Castillon. Berlin 1771, 8.
Reoflexious philosophiques sur le systeme de la
nature par Mr. Holland. Paris 1772. 8. Auch
“ Boltaire, der fonft fo gern gemeinſchaftliche Sage
mit den Religionsfpdttern macht, fand doch: diefes
©pftem des Arheismus’ anftößig. : In dem vierten
Theile feiner Questions sur‘ P’Encyclopedie hat er
unter dem Artikel -Dieu eine kurze, aber nichruneber -
ne, Widerlegung jenes Werks gegeben.
La Mettrie, , 361
urfpruͤnglichen realen Bor ſtellungen, am
ohne fehärfere Unterſuchung bes’ Erkennens, realer
Erkennt niſſe; der innere Sinn lefert.nur abgekeis
"tete Vorfellungen, weiche aus den. teafen entftes
ben, ideale Anſichten, ohne da6 teale Wefen: eie
- ned Dinge, zu offenbaren, weiches immer nur burdy
- den äußern gegeben wirt.” Danu folgt ber Materia.
Ts, Naturalismus umd' Atheismus ganz "as.
tuͤrlich· I
Aus derſelben Quelle eutſprang auch der Materia⸗
lismus des de la Mettrie, eines Ärztes aus ver .
Schweiz, der durch das Studium des Epikurs, des:
3 Sad, wu der philfephifchen Gebanken des, Dipera, Ku
fo wie durch eigne Sinned.- und. Denkart, ſich mit
dem. Naturaliömuß befreundete , denſelben durch meh⸗
- rege Heine, durch wigige Einfälle und. Wendungen, fo,
wie durch einen. Schein von Gelehrſamkeit fich eins.
ſchmeichelnde Schriften. auszubreiten ſuchte, und die
Sunft Friedrichs des Großen zu erlangen wußte *2).
Zunaͤchſt geht fein Streben dahin, bie gemeine, Notftels -
„. Tung von der Seele, als einem vom Körper. verſchiede⸗
- nen Princip, zu zerſtoͤren; aber hachher geht er weis
ter, ‚und, erklärt das Dafeyn Gottes für zweifelhaft,
den Glauben an Gott für entbehrlich, den Atheismus
für diejenige Anficht, durch. welche, das Monſchenge⸗
ſchlecht erſt wahrhaft. glüdfelig. werben Yu Die .*
63) Die Abhandlimgen des de la Mettrie: Ihom-
me machine; trait6‘ de l'ame; les animaux plus
que machine, erſchlenen einzeln und gehören jege zu
den Seltenheiten. Sie find mit. dem abreg6 des.
systemes, Mhomme plante, systeme d’Epicure, V
Anti-Senequez l’art: de jouir, zuſammengedruckt
wvorden. Oeuvres philosophiques. London 1751.\,
4 Amsterdam 1764, 8. 2 Voll. und mehrmals.
\
r
N
352 Ciebehtes Haupit, Erbe Up, Fünfter An. \
Brände bes Materlalismus Find keinesweges aberzeu⸗
gend; vielmehr theils einfeitige, nichts entfcheidenbe
Erfahrungen von dem Zuſammenhange und wechfelfeis
‚tigen Einfluffe des; Körpers und der Seele, theils fals
"che, uͤbereilte Schluͤſſe aus Beobachtungen, durch wel⸗
de die Folgefäge nur erſchlichen werden. Der Menſch
iſt eine zu ſehr zufammengefegte Maſchine, als daß
man ſich von derſelben ſogleich eine klare Vorſtellung
machen koͤnnte. Daher find alle Unterfuchyngen der
Philoſophen/ welche ſie a priori, d. i. gleichſam mit
den · Fluͤgeln des Geiſtes, anſtellen wollten, vergeblich.
Nar a posteriori, indem man bie Seele vermittelft der
DSrgane des Körpers gleichfant entwickelt, kann man,
wenn auch · nicht mit Evidenz, doch mit dem hoͤchſten
Grade von MWahrfcheinlichkeit, die Natur des Mens
ſchen ſelbſt entdecken. Nimmt man ben Stab der Eis
fahrung zu Hülfe, fo ſieht man eben ſo viel verſchie⸗
dene Geiſter, Charaktere und Sitten, als es Tempera
“mente gibt. Galle, Phlegma , Blut, die Menge und
verſchiedene Wifhung biefer - Säfte machen aus dem
Menſchen etwas Anderes. In den Krankheiten wijd
die Seite verfinſtertʒ es verſchwinden beinahe alle Spu⸗
“ren von ihr. Zuweilen ſollte man ſagen, fie ſey in
‚der Fieberhitze verdoppelt, die Wiedergeneſung macht
aus einem Narren einen hellen Kopf. Koͤrper und,
Seele fhldfen zuſammen ein. So wie das, Blut ru⸗
higer wird, fühle die Seele eine fanfte Schwere; fie
wird mir allen Muskeln wie gelähmt. Iſt der Blut⸗
unmlauf zu ſchnell, ſo kann die Seele nicht einſchlafen.
Das Opium berauſcht, wie der Wein, und-verfegt in
einen ‚glüdtichen Zuftand des Cichfelbfivergeffens, dem
_ man ungers verlaͤßt. Mir denken, wir find ehrtiche, \
Fröhliche und tapfere Weſen, je nachdem unſere Ma⸗
ſchine aufgezogen iſt. Man ſollte meinen, die Seele
“wohne In eier ce in dem Dog. Hel⸗
mont,
355:
:mont,. den ir fen der Ciie In: benstpfärimge
‚feßte,. dat. bicleiät. mr Darin art, Daß e-einmn
Theit, auſtatt des Ganzen; nannte S®),
Die verſchiedeuen "Auftände- der Eee ſtehen mit
denen bes ‚Körpers. in. beftändiger Beziehung... Diefe
" Abhängigkeit, unb “ihre Urfachen feht und: Die verglei⸗
chende Anatomie ins Licht. Aus ihr ergeben. ſich fols
gende Reſultate: Je wilder die. Thiere figd, deſto klei.
ner iſt ihr Gehirn. Mit ihrer Gelehrigkeit ſcheint daſ⸗
ſelbe ſich zu dergroͤßern. Je mehr ſich Geiſt ‘zeigt,
defle weniger Ynflinct, Einige Thiere Iernen fprechen
und fingen, ‚andere wermögen e& nicht, obgleich fie fonft
‚mehr Veiftand ‚zeigen. Gie muͤſſen einen. Fehler an '
den Sprachorganen haben, der, aber gewiß durch die.
Kunft zu verbeffern iſt. Ein Am man würde einem
. Affen —* ‚die Sprachfaͤhigkeit geben, als einem
Stummen 5)... ‚Der, Uebergang vom Menſchen zum
Thiere.ift nicht fo groß, als gr ſcheint Denn was
war der Menſch vor Erfindung her Bprahe? Ein
Toier feiner, Art, ggit weniger Jaſtinct. und. einer. Phys
flognpmie, die. etwas mehr Unterjpeidungänermögen a,
Fündigte, .. Nichts, ift fo einfach ald dey Mecpaniönug .
anferer Erzlepung. : Als kommt Aufgpräne unb Worte,
- an, welde. vom Munde des, Alpen zum. Ohre des on,
dern in das Gehirn übergehen. Diefes empfängt ‚a9;
gleicher. Zeit durch die Augen die Geftalten der Köre
per, wovon die Worte die willkuͤrlichen Zeichen find.
I So’ wie eine Saite der Violine oder des Clavikrs
einer und einen Ton ton ” gibt,’ fo werden bie
. Sai⸗
64 L’homme machine: Oeuvres Amsterd, 1764.
T. J. p. 642.
; 65) Lhamme mache Pr 19. a0...
Zonnem. Geſch. d. Phil: XI. Th. 3
‚ea ettrie. um
. Im? er
N . x -
sie Siesentet Hanptfk, ehe Qt. Sinn äsfn.
Saiten’ deh Gehiras Beräßrt durch die Eigepinabten,
‚gereigs,, hie Worte, bie fie: anfchlagen, zu wieberhofen,
"Wenn dad- gut‘ gebildete Yuge bie: Portnaid..der Din:
‚ge empfangen” hat, fo. muß’ das Gehirn nach einer
Eonftractiom die Bilder und ihre Verſchiedenheiten fes
hen, und’ die Seelr die Veziehtmgen ber Zeichen, wenn
fie in das Gehirn eingeprägt fimnb, miterfachen "Die ’
wirkliche vder Tcheindnre Arhnlichkeit ber Figuten iſt
die wahre Grundlagealier Wahrheiten, und der ganze
Vorrath Bor Renntniffen eines Polyhiſt or s iſt nichts
anders, als ein Haufen von Worten und ‚Figuren in
dem Gehtene, Diefe bilden in demfelben die Spüren,
durch welche‘ wir die Gegenſtaͤnde · unterſchelden und in
das Gedachtuiß zuruktufen. Die durch fie bezeichne⸗
ten Worte und Figuren ſinb in dem Gehirne jo mit
- einander "verbundeir, daß maır felten eine Sache ohne
iht Wort oder Zeichen ſich Linbiidet. Alle Theile der.
Seele Tonnen auf die Eindildungskraft zurückgebracht
werden. Das Urtheil, das Raiſonnement, did Ge -
dvachtniß find nice eiwa 'getrennte heile der See⸗
le, fondern, Modificationen des’ arkgewebes, anf
welches die in dem Auge gemaften Dbjeete, wie and
- .. einge "Zäuberlaterne," ‚fallen, Iſt 8 daher nicht eik \
> grober Widerſpruch, wenn bie Immaterialiften das
Einfache vun durch mehrere Vermoͤgen te
66) Lihomma machige p · 23 seq. 23 ie me sen.
‚toujonrs. du mot imaginer , Parceque je crois
._.gqüe tout eimagine et que tontes jes ‚parties de
“ Yame peuvent Öire justement reduites & la seule
imagination qui les forme toutes; et qwainsi le
- jugement, je raisonneiient, la memoire ne sont
que des, parties de Pame nullement : absolues,
mais- de veritables modilicetions de cette especg
de toilg medullire, sur, laquelle les bien peints
\ ”, dans
r J J
Bee: Meittin. 8386
Bei vieier Denkart, wo die Elubidanzeltofe mit
dem Verſtande davbn Läuft, iſt es fein. Wunder, wenn
zaletzt aller Unterſchled zwiſchen dem Menſchen ud
ben Thieren uͤberſehen, wird / zwiſchen beiden. Brüder⸗
ſchaft gemnucht wird. Ja die Thiere werden den Men-
ſchen im Wnfehung bed” Phofiſchen noch vorgezogen, N
nachdem ı audy > bie Erkenntniß des Naturheiehes,
welches er anf die Formel: Thue nicht einem ans
dern, Was du nicht wirtfig daß dir von wie: ..
dernigefchehe, Mridfährt, den erfien zugeſprothen
worden °”), Was dieſe Thiermenſchon dann mit den
religioͤſen Ideen “von Gott und Unſterblichkeit ſollen,
iſt freilich nicht einzuſehen. Daher wird denn naturs
gerecht behauptet, daß ſich dieſes Thiergefchlecht, das
> keiten Wonzug vor ben übrigen habe, obgleich ſich eben
oourch diefe Gleichmachung unzweifelhaft ein, nur nicht
von allen beachteter und von vielen übel gebrauchter
"Vorzug darthut, weit beffer ohne, ald.mik
’ den Ideen von Bott befinde “). un
Die Stände für. das Daſeyn eines Geitet⸗ ſagt
er, ſiud nur ſchwach, und werden durch andege, die
wenigſtens das Gegentheil eben ſo ſtark beweiſen, aufs
gewogen. Es gibt keinen Begriff des Unendlichen, und
wir find nicht dazu gemacht, die geringfte, Joee davon
u u ‚haben. Für unfere.Rube iſt eö-gleichgültig, ob die
jaterie ewig oder.erfchaffen iſt, ob es einen Got
gibt „ oder uicht. Welche Thorheit, fich mir demjenl·
a zu quälen, was nicht erlennbar iſt, und, wenn
32... wie
dan. roen, sont senvoyds, comme e duoe unlen
ne magique., , u
" g7) Lhomms machine p. 35. 38. Au. .
> 68)-Z’homme machine p · 46 ug. | |
‚356 Eisen sun, en eibth. Fünfter fon.
wir damit zum Biete‘ Häinen, uns nicht gaauue ma⸗
Den würde? Die Bewelfe dus den zwedimäßigen Eine
richtungen der Natur find wichtig ‚und: mannigfaltig.
Sollte der Zufall ein fo großer @eonteter fehm, daß
er ‚alle feine Werke ſo nad) Belieben’ abändern, und
Boch, wie bei dem Yuge und Obre, welche mathemne
riſch gebauet find, denſelben Zwec erreichen Loͤnnte 7
Die Apoſtel des Athelsmus, Spino za, Vauini,
Desbarreaux, Boindin, haben dem Deisckus mehr
Ehre gemacht, als Nachtheil gebrlkht: Die Dauer Ihe
zer Geſundheit war das Ziel ihres Unglaubens. Wenn
die Leivenfbaften mit dem Körper, welcher das Werk
zeug: derfelben iſt, gefchtwächt werben, geben-fie ben
Atheismus auf. Was läßt fih dagegen folgenden Ge⸗
danken entgegenfegen? Wir kennen nicht die Nas
> tur Die in Ihrem Gchooße verborgenen Urfachen koͤn⸗
nen alle& hervorgebracht haben, Enthält nicht der Pos
lyp in ſich ‚die Urfachen feiner Wiedererzeugung? Iſt
es ungereimt,.. zu denken, daß es phufifche Urfachen
gibt, durch welche alles gemacht, und an welche das
große Univerſum fo nothwendig gebunden iſt, daß als
jes, was geſchieht, nicht ungeſchehen bleiben konnte 7
"Die unuͤberwindliche Unwiſſenheit in dieſen Urſachen
noͤthigt und, zu einem Gott die Zuflucht“ zu nehmen,
weicher, aufrichtig geſprochen, nicht einmal ein Gedan⸗
ending iſt. Die Widerlegung des Zufalls iſt daher nach
kein Beweis für das Daſeyn eines höchften Weſens
da es noch etwas anderes außer dem Zufalle und Gott
geben kann, naͤmlich die Natur. Das Studimn ders
Telben kann daher nur Ungläubige machen, wie die
Dentart der glüͤcklichſten Naturforfcher beweiſt. —
Diefes ift da® ewige Für und Wider, was die Phis ,
loſophen in Ewigkeit trennen wird. "Ein Zweifler aus -
Frankreich fagte in Beziehung auf diefe Angelegenheit:
dieſes darf- das Gemäth eines Phllofophen nicht beuns
'
D
Be 7 Bette. UBS.
van; denn er —* mit hietielitche
Kiarheit- demonſtrirt ſi, um rzeugung ihm abzunso⸗
thigen, unð daß die —5— auf der einen Sette fürs",
gleich durch eutgegengeſetzte zerſtoͤrt werden. Unterdeſ⸗
‚fen wied! das Univerſum nicht eher gluͤckſelig werden,
DIS ea gotr⸗Tos iſt. Wenn verMlicheismus allge⸗
. met weibtetee wäre, fo wuͤrden alle Zweige der Res‘
Tigim DIE auf die Wurzeligermichtet ſeyn, und es Be
be Feine theologiſchen Kriege; Leine Soldaten der Ritis‘ \
wlon: — diefe: (reichen —* niehrDie
von einem heiligen Sifte ängeftedtte Natur wiirde wies.
der ihre: Mehrheit und“ ihre Rechte erlaugen. Die
“ Gterbtichen würden, taub‘ gegen jede audere Stimme,’
wmhig den eigenthuͤmlichen Anrathungen ihter Imdiot“
duauitͤt folgen. Und dieſes im‘ die einzigen, die mach:
nicht ungeſtraft · vernachlaͤffigt, die einzigen, weiche.
uns den „Angenchmen Blair der. Eugen zum‘
⸗ te efütnen —
- u
es Tommi. mach.: pP. 4658: No nous
" dons.:point dans inkl, ons ne —— yes,
feits poyr en avgir la mojndre idäo;. il none gt; .
—e— impossible de remonter & Porigine ' .
des choses. Il est egal d’ailleurs pour notre re-
Pos, que la matiere soit sternelle, ou quelle ait
, 6 rede; qu'il y alt un Dien.on quiil n’y eh.
"ait‘pas, Quelle folie de tant se toutmenter pour.
ce quꝰ il est impossible de connoitre et’ce qui
ne nous rendroit pas plus heureux, quand nous
“ em: viendrions & bont. — Il est vrainque le pour
‚er'le contre no dolt-"point ‚ihquieter Vame d’un
'Philosophe, gui voit que rien n'est demontre _
avec ässez de clart& pour forcer son consente-
ment, et môme que les idees indicatives qui ⸗
offrent d'un cot& sont aussitöt detruites par cel-
Ies qui se moptrent de l'autre, Cependant l’u- ,
nivera ne sera jamais wareat, 4 mmobns quiil ne
“sit
N
ee, ‚trgllee hat wanptfachtich den Gehaft der
‚ 358 Eisen Sayıh are hialterhibi
Dige and die aͤbchzen Epiſton eb; Mettrie
machten nicht weulges Aufſehen. Au ſich enthalten fie
nur Spuyen eines einfeisigen und feichten- Geittes, det
aber durch eine gewiſſe Originalitaͤt in Verbindungen der’
Vorfiellungen und in Wendungen gefät, und dach
Witz um, fo mehrablendet, je mehr er einzelne wahre
dacta und richtige Anſichten. ejnſtreuet ¶und. anmendet.
So iſt es freilich wahr, „Daß Gottes Daſeyn wicht
demonſtrirt worden, daß die Seele, als beſonderes Wer:
ſin, nicht in die Äuſchauum källt. Daraus. folgt aber.
bef. weitem noch nicht, daß die Vorſtellangen davon
Wahn / und Einbildung ſind, oder; daß es nichts als
Materie gebe.Ein tieferes Erforſchen des. wenſchli⸗
chen Geiſtes war erfoderlich, dieſe wichtigen Vorſtel⸗
lungen, nach ihrem Grunde: gud Gebrauche zu erfor
2 fh ‚ald man van dieſen ‚Köpfen erwarten ‚konnte.
Auch die Beftreiser waren noch nicht in dieſen · hoͤhern
Geiſt der Wiſſenſchaft eingeweiht; aber fie haben, voch
zum Theil die. logiſchen Fehler des Mettrie ins, Licht
geſetzt und der Menfchheit ihr Palladium zu enhalten
geſucht. - Der Arzt Luzac.-befiriet den Mertrie aus "
dem Begriff der Materie, weicher das Denten wider⸗
ärzt⸗
solt,atkie. — Si Yaıhelime eiolt generslement
repändu, toutes les branches de la religion se-
roient alors deipnites et coupdes par ‚la racine. .
Plus de guerre theologigne; plus de. soldäts de
Religion; soldats terribles!. La nature infectee
ison sacr&. reprendroit ses drolts et sa
—ã— Sourds & toute autre vaix, les mortels
.. ranquilles ne suivroient que les conseils spon-
“- sands de leur propre individuz les seuls quon
me meprise point impunement et qui pöuvent
senls nous conduire au bönheur per. les
“ "able iontiexs de la vertu,.
Ds N
. F Tupiiihe Biwi in Frantteich.
aentuchen Erſabrumen im Auge, und beweiſt; 20 aus
denſeiben nichts gefolgert werben koͤnne, was den Ma⸗
terialismus und Atheismus begünftige, Frauz zeigt
woblich - die. Zasichpeit der Grundfäge-.muh. hie Zehler
der Schlage aus ben Thatſachen. Alle drei baden aber.
gewifſe Voraus ſetungen aus dem Suſteme den Care
res, Locke und Leibuit; zum Grunde gelegt, weiche der
Veſtrim me fo, wenig, rt ee
men 70). u i
Ucherhaupt iſt — den hramgelee di dieſer Zeit ein
gaſhane des gründlichen und ernſtlichen Forſchens
ſichtbar. Immer mehr verbreitete ſich eine oberflächlis
che, abfprechende, durch Wig und ungeneine Einfälle
blendende, aaa Pernunftintereiie aber entgegengefegte.
u Denlart, die ſich gewaltig aufbläht, einen vornehmen. _
Ton annüemt, und ftolz darauf iſt, uͤber Die: gemeine - —
Vor ſtellungsart der in Vorurtheilen und Aberglauben
verſunlenen Menſchen erhaben zu ſeyn. Sie htlaͤrt
alle veligibfe Ideen für Aberglauben, und aus Miß⸗
tenntniß ber Würde und pes Weſens der Vewꝛunft
glaubt fie per Vernunft zu huldigen und Ihr den wich ⸗
van Du 4u leiſten, ‚wen fe ven. Eu
: 70) L-homme —* que: machlae.. Onyrage, gi.
‚+ sent a refuter les principaux argumens, sur.
: quels on fonde le Materielisme, par Elie Zu”,
" wac. 2.Ed. Gottingue 1755. 12. Balth, Lud,
Tralles commentatid de machina et anima hu-
mana prorsus a se invicem ditinetis. Lipsiae -
174%. 8. Adam. Wild. Franz, Widerlegung. der.
2 getan Schrift: Homme machine, nebſi dem
. Veweife des Gegentheils. Leipzig 1749. 8. God.’
Bloucquet dissertatio de Materialismo, tum sup-
chin, Wublngee17öu. %
* Plementis et confutatione libelli: lbonine me ·
”
"860 Een Jun fe aon, Bier Abſchn.
xeneit⸗ AUnſterlichteit und Bor. als die Ausgeburt
der Umwiſſenheit,
5 des Pfaffenthums und des geifklichen "
und weichen Deſpotismus ausrottt. Der. Schein,
- weiße durch die: unteriaffene Untreförung srolfchen” °
dem fatfejen dem wahren reinen
" Gpriftentgume, fo wie —* 32 dem Fundament
ber RKeligion entſtand, wurde durch bie Aunahme des,
auf bloßes Wohlſeyn gerichteten Moralſvyſtems unaufs
oͤslich, und hinderte, bie Die in der Bedaukenreihe
wahrzunehmen.
Zu diefer Denkart des Raterdiems , he für,
„ das Vorſtellen und Handeln alles Ueberſinnliche leug⸗
wet, und nur die Materie und’ Bewegung als das
⁊
Wirkliche ſtehen laͤßt, bekannten ſich die suchten Den⸗
ter in Frankreich; nur wenige, wie Montesquien
and Moupertuis, machten. davon eine Ausnahme,
und Heßen wenigftens einige Achtung vor den Ideen
der, Mraunfe hervorblicken. Zu biefen kaun man auch
den RArgens und Voltaire zaͤhlen, den letztern
Fedodf mit einigen Vedenklichkeiteü. Denn bie Eitetfgit
„and Mandelbarkeit- in ver Denkungsart mache es ſchwie⸗
* zig, ein beſtimmtes Urtheil über ben letztern zu fällen.
Er erftärte fih zwar gegen den Atheismus, nid fage
te, man müßte, wenn es Keinen Gott gäbe, einen mas
«en, weit fonp die willkaͤrliche Gewalt und ber Fre⸗
wei des Wolfe in keinen Schranken gehalten werden
Hönnte, "Dagegen aber hielt er den Glauben an bie:
Zortdauer ber Seele für einen Ieeren Wahn, Go wie "
dieſes Jucouſeguenz beweift,, zumal da er in ben übrie
gen denſelben thevretifihen und praktifchen Grundſaͤtzen
der Naturaliſten folge, ſo offenbart es fi nur zu
Beuttich, daß dieſes Syſtem flüchtigen Blicken und aufs
gebaſchten Einfaͤlen fein Entſtehen verdankt, _ Die
- Mehrgaßt der Hipeiften und, Paturaliften IE zwar in .
az \ dem
—
Empiriſche Bauch anela d . 36:
dem elaenR Janet, daß Freie, Unfertiälei weh
‚ Gott. Chimaren find, einſiimmig; fonft aber folgt jes
der feinen. beſondern Anſichten und Einfälen. Und, - \
iſt ein Unterſchied unter denfelben darin zu bemerken,
"2° daß einige kubaer und.Teder mit Dipfam Raturanemuß
hervottreten, wie Diberot,. andere. uber fuggptfamer
J— 3 und die Maske des Yeshlet. vorhalten⸗ wie d
lembert.
So /viel tft übrigens ausgemacht, daß in dieſer
‚ganzen Periode das philoſophiſche Wiffen in Frankreich
‚mehr ‚ücwärts, al, vorwärts gegangen ift,uhd- daß
man "teine philoſophiſche Wiſſenſchaft nennen Tann,
weldje einigen Gewinn durch die Vernädungen der, Fran⸗
oſen erlangt fat.: Scheinwiſſen, Dünfel, und. Stolz
auf ;vermeinte Aufklärung hatte die · Köpfe eingenoms
„men, und eine große Gahrung verurfacht, ohne daß
—* ein teineter rn son „Mabrieit dataus entk
Eu
In England. hatte die Lehre vis Locke von dern
empiriſchen Urfprunge der Erfenmtniß im Gauzen zwar .
ahnliche Golgen; aber. cd aͤußert ſich dabei ſogleich ein
wichtiger. Unterſchied, daß man nicht bios auf eine fe ·
ſtere Begründung und Verichtigung diefer Lehre bedacht
‚war, fondern fie auch in Beziehung, auf Erkenntniß
„überhaupt, und inöbefondere des Ueberſinnlichen mehr
“ würdigte , und die Idee ded Weberfinnfichen nicht foo %
gleich als einen Ballaſt der. Menſchheit über_Bord
varf, ſondern fie vielmehr, als das Hoͤchſte, feſtzuha⸗
ten und mit dem Empirismus auf mannigfaltige Art
zu vereinigen fuchte,. Die Denfer beriggfen hierin: mehr
ruft und Würde, und fin® mehr beftrebt, "burd'
* Grünblichleit. zu überzeugen, als durch Witz, Eins
te, aullalade Reſcliate und die „Außen, Kormen
"om
’ i
' . —— Fe
. 383 Siesenehdaupt Gef ot, Fünfter ifän.
. zu Henden m: "Däßer erhob ſich auch, ‚beiider ar -
ten’ Denf» und Druckfreiheit, die ‚Breigeiterel, der
Atheismus, die Irreliglon imd -Immerktität te fo
frech, als unter den Franzoſen, und die beſten Köpfe -
ſetzten fich dieſer eZisollca eutgegen, anftatt daß dieſelben
bei den . Franzoſen eben diejenigen waren, welche ſie,
+ inch“ das ¶Biendwerl von Scheingelnden/ am meiſten
befoͤrderten.
‚Die "meiften Denter folgten zwar der Richtung,
weiche Newton und Lode dem Forſchungsgeiſte der
Nation gegeben hatten, jedoch ohne, ſclaviſche Nachbe⸗
. teketz und im. Gamen nicht ohne Gewinu fuͤr die phi⸗
ieſophiſchen Wiſſenſchaften. Fa es wurden einſge Ver⸗
fuche gemacht, einen neuen Weg in der Erforſchung
des Wahren zu bahnen, welche, wenn fie auch gleich
im Ganzen nicht zum Ziele trafen, dennoch von -gros
Gem Einfluß geweſen find, nicht uur den Forſchungs⸗
gelſt ‚anzuregen, ſondern ihn auch endlich auf einen ſi⸗
ur Diefer Unterftie, der in dem Mauoue Matetter
.. gegrändet ſſt, erſtrect ſich ſelbſt bis auf die Prediger.
Man weiß, daß Boyle und audere beſondere Stiftun /⸗
en gemacht haben für Predigten Aber beſondere wich⸗
33 Materien, und daß auf Veranlaffung derſelben
die angefehenften Theologen ynd Gelehrten, wie Til
.Ietfon, Eiarte, Benslei, Predigten, die mehr
hiloſophiſchen Abhantiungen gieichen/ Herausgegeben
Bein „Der frangöfifche Ueberfeger von’ J. Clarke
trnitd de l'ekistenoe et des attributs de Dieu, " "
fügt in der Voerebe ‚von den franzöfifchen Predigern:
en an: mot.c6.sont des gens qui declament ad»
::mirablemggt bien, mais qui instenisent fort mal.
‚Ce, sont d'excellem Rhetoriciens,* mais de iros
"panvres Logiciens. Les Anglois au contraixe, °
ont beaucoup” moins de gas de_ In liheiorique
que de 1a: Lotiquo.
J
Philoſobhie in England. J60ꝛ
dern Bes gi lelten. ,ı Wir gollen zuerſt. von isuen
Verfuchen, die Vernunftwahrbeiten zu vertheidigen ‚uub
in ein-beffere® Licht zw feen, und dacn von den neuen
Zorſchungen eine uederſcht w web fügen. *
" Der Grundgedante des’ acrungencigen. Bode ,
das Dermigen and den Umfaug des Werfiandes MM ber
‚ Tina hat. uicht die Aufmerkſamkeit erregt, welche
% die" Wichtigkeit. der Sache erfoderte. Amar waren die
Denter nicht. gleihgättig ‚dabei; “aber weil fle- alle von
detſetben Dentart erfüllt waren, fo glaubte man, vaß
die von Locke angefteilte Anterfahhung über den Ur⸗
ſprung und ven Umfang der- Erfenntuiß im Ganzen ı
> gelungen ſey, und fand Alles weitere Nachforfchen und .
Pröfen darüber unnoͤthig. Nur- einige Puncte da dier .
fer Theorie der Erkenntniß wurden näher unterſucht
und berichtigt, ohne ine KHauptänderung in der, ‚Ans ..
ficht hervor zubringen „wiewohl einige Ideen bingeworz -
fen wurden, ‘werhe fruchtbar hätten werden Können.’
Ueber das „Verhättniß der Sinnlichkeit und des Ver⸗
ſtandes kommen in -Two Dissertaiions „concerning '
Sense and Insgination . with an Essay on Conseigus-
mess. London 1728. 8. einige treffende Bemerfungen
. vor. "Die Sinne find ein. Vermögen, welches dem Vers
ſtande den Stoff zu, Begriffen und Verrachtungen gibt, .
ein blos Teidended, -der Vernunft untergeordnetes Ba:
moͤgen. Bei den Siynesvor ſtellungen verhalten wie ©
uns blos leidenb, indem wir wahtnehmen, was fie dars ·
ſteilen, ohne etwas in denfelben zu unterfcheiden. Ber
griffe und Gedanken koͤnuen bie Ginne nicht. geben,
Das ‚Unterfcheiden, Reflectiren, Abſtrabiren nr Bers
gleigen find Thaͤtigkeiten, welche nicht dem’ Sinne,
. fordern dem Werftande zukommen. Gersdhntich macht
män "aus bern Verſtande weniger, ais aus unfern 'übrie
„m Werriögen; und nur zu oft wird dem. ‚Sinae bei⸗
ge⸗
i su Siebentes Hauprfi ete doth. Fünfteräsfgn,
geigt, was ben Werfanbe zofopmt. " Eine widtige
Bemerkung, die et. ſpaterhia deuchte getragen at,
Mac) Lode entfpeingen zwar alle Borfeltangen =
aus, dem Außern und innern Sinne; abet gleichwohl .
hehauptet er eine Erkenntnif von Gott und göttlichen
Dingen, mit dem Zufatze, daß unfere Vorſtellungen von
_Seele, Geiſt, Gott eben fo kiar und deutlich find, als
von ‚Körpern und korperlichen Dingen. Dieſer Ve⸗
Ganptung fetzte ſich der Biſchof Peter Brown in dem
ohne. feinen Namen. erfehienenen Werke: The, .pröop-
dure, extent and limits . of. human Understanding,
1 Edit. London 1737. 8. 72) entgegen⸗ weil et
glaubte, daß dieſe Auficht grundlos ud die Quelle als
"Ar irtgligiöfen und freigeiſteriſchen Worftellungen fep,
durch welche die Religion zu feinen Zeiten beunrnhigt
" worden. Indem er ven dem Princip des. Empirismus
ausgeht, und bie finnlichen"Worftellungen, welche er
Feen nennt, als die einzige Grundlage unferer Er⸗
Tenutniß auſieht, aber auf der andern. Seite aus reli⸗
giöfem uud fittlichem Intereſſe die Erfenntuiß von Gott
und der - überfinnlichen Welt nicht aufgeben kann;
fo konnut er auf das Refultat: wir haben eine
Erkenntniß von’ der überfinntihen Welt
ohne. Ideen, das ift, ohne Einwirkung die
"fer. Dinge auf den Sinn. Um diefed Mefultat .
zu Segränden, widerlegt er pie emaraenaehenee Meir
nung,
72) Die weite Auflage iſt v. I. 1729. Wafln die er⸗
"Re erfchienen ift, Fr ich nicht finden können. Eine
Zortſehung dieſer Schrift ik Things divine end: su-
pernatpral conseived by Analogy with Things
atural and homan,_ by the Autor of jhe Pro-
zedure — — London 1733. 8. Barclay hat
der erfien den Ach ‚hron or the minute Philaso-
pher entgegeng "E.;
Philoſophie in England. .: 368. +.
mung, und zeigt einen andern Grund für bie Cilennte
niß des Ueberſiunlichen als die Deen, nämlich vie .
Analdgie nifhen den finntichen Gegenfthnben und :
den Aberfinulichen. Denn’ obgleich der menſchliche Beik .
gar keine unmittelbare Worfiellung von dem Geifte,
von Gott und göttlichen. Dingen ‚hat, ſo kaun er doch
aus den Ideen der Sinnengegenfände ana
Er
Ipgifhe Schräffe: bilden, wodurch er ein
aͤhnliches Verhaͤſtniß zwiſchen beiden firh
vorftellt 22). Diefes Werk enthält viele treffende
Anficpten, enthuͤlte niehrere Irrthuͤmer der englifchen .
Philoſophie, und ſetzt vorzuͤglich den Punct auf eine
überzeugende Weiſe ins Licht, daß wir keine Erkennt⸗
niß von den überfinnlichen Dingen nach. dem, was fie,
an. fich find, haben, noch haben können, und infofern
wird allerdings eine andere Auſicht, ald die gewoͤhnli⸗
he, von dem Umfange und den Grenzen der Verſtan⸗
deserkenntniß ausgeſprochen. Für ‚eine gelungene und
- befriedigende Unterſuchung des Erkenninißoermögens
lenn aber dieſes Merk nicht gelten, Dennsber Verfaſ⸗
fer. Hat die Abficht, "die Mralität der religiäfen Ueber⸗
" zeugungen und. beſonders ben . Inhalt der chriftfichen,
Religion, vorzüglich die Wahrheit der in ihr enthalte -
J . x nen
95) Procedure of the Understanding p. 85. Not.
most grosly arguing and änferring, that God is
(in effet and consequence) such an one as our
selves only infinitely enlarged and improved in
Our natural powers and faculties,. But con- '
“ eluding, that, our greatest Bxcellencies are the
best and. aptest most eorrespondent Repre& '
. sentations only, his inoomprehensible Pe
fections which MAnitely transcond the most ex-
. alted of whät are in any created things, and
are far above out öf reach of all human Imagi-
’ . mation, J De
. 566 Eisen Hana ie ddih. intern
nen Scheininiffe, von denen allen es acht einmat aus⸗
gemacht iſt, ob und wie weir ſie zu de wrfpränglie
chen Chniſtenthume gehören, „zu retten und zu verthei⸗
digen, und er⸗nimmt zu dieſem Ende die analogifche
Erkenutuiß als den einzigen. wahren Grund derfelben
an, ohne 'denfelben :hinrbichend aus der Natar.bes
inenichtichen Verſtandes zu deduciren: Es fehlt in dem_
‚ganzen Gebäude der Schlußfiein, der Das Ganze zu⸗
fammenhäts Denn zugegeben, daB wit Feine poſitiven
Vorftellungen und Erlenntniffe von den übefinnlichen.
Dingen haben Tönnen, fo folgt die Gültigkeit der anafos
giſchen Veftimmungen ihres Weſens mar dam, - wenn
das Dafeyn dieſer Objecte vorhor erwWiefen-iR. Mber-
moher :haben wir die Vorſtellungen von Gef, Gott,
Welt, und dem Verhaͤftniß beider zu einander} und
dle Uebeizeugung von ihren Dafeyn? Aus’ der Aua⸗
logie ‚offenbar „nicht; dieſe kunn erſt, nachdem jene. "
Vorftellungen als real gegeben and anerkaunt find, ein⸗
treten: So lange dieſes nicht ins Licht geſetzt iſt, er⸗
ſcheint jene Aualoale nur als eine Hwpotheſe uud ea”
Morkbehelf. Die Antwort auf die Frage: was kanu
der mieuſchliche fh. erkennen? iſt zu weit ausge⸗
debnt, indem auch hier Saͤtze der chritlichen Rirchens,
lehre mit ind Gehlgt des Verſtandes ‚gezogen werden.
Die Behauptung, daß, wir eine Ekkenutniß der uͤber⸗
ſinulichen Welt ofme Ideen haben, iſt, nach dein’ Sins
ne, in welchem die Idee auf die Worftellung des aͤuße·
ten Sinnes eingefchränft wird, zwar folgerecht; aber
eben dieſer Sprachgebrauch „erfcheigt ohne. tiefe Er
- grünbung des Erkenntnißvermoͤgens, als eine willfirs ,
Ude Beftimmung. Und da Feine Erkeuntiuß fuͤr Vor⸗
ſtellungen möglich ift; fo kommtaher Bf.in Verlegenbeit,
wie dieſe Vorftellungen zu benennen find, , bei denen
- . ‚dann nun weiter nothwendig die Frage entficht, was
dieſe Vorſtellungen find, und ober fie kommen ? 5.
au
B Phtofhte in England. > Sy
‚uf‘ we a biefem Syſtene Teing.befriebigenbe Autwort
dibt, noch gehen laun, da daa Verwinftnermoͤgen als das
bloße Vermoͤgen des logiſchen Schließens genomrien wird.
ker igens Fonnten diefe Uuterfuchungeh, denen es nicht
arffinge. gebricht, wenn" fie auch sielfeitigere- Auf⸗
"trank erregt hätten, der Speculation zwar keine.
andere Richtimg geben, aber doc) wegen der Unanpes
meſſenhelt unerritgbaret menſchlicher Ueberzeugungen
an das Fundament‘ des Emplrismus die Nothwen⸗
digkeit eines Hefe orfepend anregen. Uber Berker .
leys Idealismus, und Hume's · Skepticismus waren
zu große Erſchelnungen daß ſie nothwendig die Life “
\ merffamteit, ganz In Anfpruch nehmen mußen. 2
Die , deiſtiſchen Streitigleiten Kamen vorzüglich felt
vaer Zeiten. im Schraang. Et hatte der Vernuuft
dad Pumat nund das Recht zuerkannt, die Wahrheit
der. Offenbarung zu beſtdannen. : E86. fag durin aller⸗
diags eine Wahrhzeit, Daß vernünftige Wefen eine Of⸗
fewbarung und ‚ihren · Juhalt nur in’ fofern ‚für wahr.
: Kalten, können, als fie nichts der. Vernunft widerſpre⸗
chendes enthalten. - Sp richtig. diefer Grundſatz ift, fo:
gibs er doch nur ein negatined Merkmal. der Wahrheit,
der Offenbarung, und. die Anwendung iſt ſchwierig,
\ weil: feicht etwas für. vernänftig angefshen werben:
. Tann, was nur die Vergunft eines Judividuums, nach
fubjectiven and zufäßigen Anfichten, für das · Syſtem
dar. Dernunfs überhaupt: halt, und ‚in Anfehung des
darch die · Offenbarung Gegebenen eben diefelbe. Taus.
ſchung Statt. finden: kaun.:.. Wir halten und -aber bei.
diefen Streitigkeiten. nicht auf, da fie ſich eben fo fehr
anf Philyſophie, als Theologie, beziehen, und Das al.
gemeine. philoſophiſche Intereſſe, welches. fie haben,
vorzüglich darin befieht, daß fie die Nothwendigkeit rise
ner ſatem Beſtimmung des Werunpftmäßigen durch
die
= 368 Gicbented ‚Haupt, Erſte Abth. Fünfter eibſhn.
Die richtige Selbſtertenntnig der Vernunft (N Licht
fegen; weldjes aber ber. Ball mit allen andern philoſe⸗
——— Gretgkeiten Mi.
* 1 Die meiften Denler befchäftigten ſich, ohne unmit⸗
telbaren heit an ben Streitigkeiten über den Urfprung
und den Grund der Erkenntniß zu nehmen, oder auch,
imit Vorausſetzung der Wahrheit des Lockeſchen Syfterns,
‚x, ober ber Rewtoniſchen Philoſophie, mit denjenigen Ges ..
genftänden, welche ein allgemeines. Intereffe haben.
Dahin gehösen die, Unterfuchungen über das Weſen,
die Freiheit und Unſterblichkeit der Seele, über Got⸗
tes —R und die Vereinigung des
Wſen mit göttlichen Weisheit und Güte . :
"Die Yarmateriatität der Seele iſt immer als der Haupt _
grund der Unſterblichkeit augeſehen, und das immaterielle
Weſen der Seele aus der Unvereinbarkeit der Materie und‘
des Denkens geſchloſſen worben. Wenn aber gleichdie Er⸗
ſcheinungen der Materie und des Vorſtellens, wie Aeußeres
und Inneres, durchaus verſchieden find, fo iſt doch der
Schluß von der Erſcheinung auf dasjenige Weſen, weis .
ches derfelben zum Grunde Liegt, darum unficher,. weiß
wir weder den legten Grund ber Materie. noch des
- Borftellens erkennen, und burch die Negation, er fey
‚nicht Materie, noch Feine: Einficht in fein Weſen ers
Halten. , Ein dunkles Bewußtſeyn von der Beſchaf⸗
fenheit diefer fpeculativen Beweiſe, Morus Anſicht,
daß Ausdehnung die weſentliche Vedingung der realen
Exiſtenz jedes Dinges, ſelbſt Geiſt und Gott nicht aus-·
genommen, ſey; Lockes Behauptung, Gott. könne der
„Materie das Denkvermoͤgen geben, ob. ed gleich nicht
in Ihrem Wefen enthäften fey: dieſe und. andere Vor⸗
gaͤnge konnten wohl zuletzt den Dogmatiler kuͤhner ma⸗
chen, daß engeradezu den Unterſchied zwiſchen Mate⸗
rie und Seele zu verneinen ‚und dir Immaterlalitut ·
als
x
er Philoſophie in. England J 569
als eine Unwahrheit darzufiellen ſuchte. In dieſem
Geiſte gab, der Arzt Wilhelm Coward mehrere
Schriften heraus 72), und behauptete, daß die Im⸗
materialität unbegreiflich ſey, und mit ben Grundfäzs
zen der Vernunft. uud Offenbarung, flreite; daß die
Seele nichts ander fey, als das Leben, d. i. dieſelbe
Kraft, wodurch der Menfch bewegt wirb, Lebt, empfin⸗
det, denkt; daß diefe Kraft in dem menſchlichen Körs
> per enthalten ſey, fe, fange derfelbe lebendig iſt, und
mit dem Tode deſſelben gänzlich aufhöre, daß jede
Materie den Grund ihrer Bewegung In ſich weſeutlich
babe, Materie und Bewegung der Grund der Vorftels -
Iungen der Menfchen und Thiere fey. Mehrere Ges
genfepriften traten. gegen dieſen Arzt auf 7°), und
einige von feinen Schriften wurden verbrannt. Der
- betühmte Do dwell behauptete ebenfalls vie flerbs
liche Natur der Seele, jedoch aus theologifchen Grüns
den, „und bie Unfterblichfeit als eine Zolge des von
Sort
74) Will. Coward second ıhoughts concerning hu«
man Soul. London 1702, 1704. 8. — — Farı
“ ther thoughts concerning h. 8. in defense of the
sec. Th. London 1703. 8, — The grand es,
say ‚or a vindication of reason and religion
against ‚Imposturen of philosophy. London 1704»
8 — The just scrutiny or a serious nanit,
into the modern notions of ihe Soul br W.
London 1706. 8.
75) J. Tursers. brief vindicatjon of the separate '
exisrence and immortality of Soul. London 1702;
— 3. Turner Fartber viddication of the
Soul’s separate existence. and immortality. Lon-'
don 1705, 4 — ‘1. Broughton Psychologia or
an account of the nature of the rational Soul
--. -&8, an immaterial- and, eonsequently ‚immortal
substance: London 1708. 8
keinen, Geſch. d. Philoſ. Xl. x . a⸗
2
J 370 Siebentes Hauptſt. Erſte Abth. Fünfter abſchn.
Gott durch die Taufe mitgetheilten Geiſtes, woruͤber
"ein lebhafter Streit geführt wurde, Einer von den
erfien, der’ die Feber gegen Dodwell ‘ergriff, war der
durch feine Streitigkeiten mit Leibnig berührt gewor=
dene Prediger Samuel Clarke. Er ſchrieb einen
. Brief, worin er, nicht nur die befondere Meinung des
Dodwell von der Lehre der- Schrift und der Kirchen
vaͤter beſtritt, fondern auch eine Demonftration von
der Unſterblichkeit der Seele aus dem Begriffe eines
immateriellen Weſens gab 7°). Da die Materie eine
theilbare Subftanz ift, und aus Theilen beſteht, wel⸗
he immerzu von einander getrennt werden koͤnnen,
oder wirklich getrennt find; fo iſt es einfeuchtenn, dag
Teig Spften von Materie, von welcher Zuſammenſez—
"zung ober Thellung man es auch denken mag, eine untheil=
bare‘ Subfianz mit dem inmern Bewußtſeyn ihrer In—⸗
dividuglitaͤt ſeyn Tann: Es würde vielmehr fo viel
Subjecte und fo viele Bewußtſeyn geben,’ als es
Theile in der zufammengejegten Subftanz gibt. Wenn
man auch zur Allmacht Gottes feine Zuflucht nehmen
‚soil, fo kann doc) Gott auf Feine andere Weife einem
Aggregat von Materie das innere Bewußtſeyn der In⸗
"vioidialität geben, als indem er mit demfelben eine
andere untheilbare Subftanz vereinigt. Folglich kann
die Seele, das denkende Princip, welches das innere
Bewußtſeyn der’ Individualität hat, Feine materielle
Subftanz ſeyn. Dagegen gab Anton Collins,
ein vertrauter Freund von Locke (geboren zu Heſton in
Bu det
76) A Letter to Mr. Dodwell wherein, all the
arguments in .his epistolary Discourse against
Ahe immortality of Sowl are’ particularly answer.
ed, and the judgment of.the Fathers concern-
„ing that matter truly presented, by Sam, Glar-
ke. London 1706. 8,
\ “
Philoſophie in England. S7r.
der Graffchaft Middleſer 1676 den 21 Junius, geſt. +
1729 d. 3 Dec. zu London) einen Brief herauf worin
‚er mit Ruhe, aber fireng, den’ Gehält diefer Demone -
ſtration prüfte und ihre Schwäche zeigte .77).- Er
will darin nicht beweifen, daß die Seele fterbtich ift,
fondern mur zeigen, daß der flärkfte Beweis für bie '
Unſterblichkeit keine Schlußfraft habe: Der Beweis
des Clarke gründet ſich auf die Vorausfegung, daß
das Denken: nur. einem einfahren Subjecte zukommen -
Tann, es fey nun von Natur, oder durch ein Geſchenk
Gottes. Jedes individuelle (einfache) Subject kann
das Vermögen zu denken haben. Nun ift die Materie
“ ‚aus befonderen und getrennten Theiten beſtehend, des
sen jeder ein beſonderes und. getrenntes Wefen, ein
Individuum iſt. Folgllch kann jeder Theil der Mates
rie ein denkendes Princip feyn. So folgt alfo aus
den Bordusfegungen des Clarke das Gegentheil feiner
Schlußfolge. Der Hauptfehler diefer Demonftration
iſt, daß Clarke unter einem einfahen Vermögen,
wie das Denken, eine Eigenfchaft verſteht, die nur
‚einem einfachen Wefen angehören kann. Diefes
iſt aber nichts anderes, ald vorausſetzen, was be
- wiefen werden mußte. Clatke hat nicht den ges
ringften Verſuch gemacht, es zu beweifen, und konnte
es niht, da dazu die vollkommene Erkenniniß des
Denkens erfodert wurde, Wir Finnen zwar mehrere
Gedanken von einander unterſcheiden. Aber iſt das '
Denten felbft eine DOperatipn, die nur von einent eins
fachen Subjecte herrähren Fann, oder kann fie auch
2 a2 durch
.77) A Retter to the learned Mr. H. Dodwell con .: -
taining some remärks on a pretended demon-
stration of the immateriality and natural. im-
“ mortality of the Soul ia Mr. Clark’s answer to
bis late epistolary disodurs London’ 1707: 8,
372 Siebentes Haupift. Erſte Abth. Fünfter ibſchn.
durch ein zuſammengeſetztes Subject entſpriugen, fo
daß esadas Nefultat der Thaͤtigkeiten und Beziehun⸗
gen mehrerer ‚getrennten „Theile iſt? Das wiſſen wir
"nicht, und fo lange dieſes unbekannt it, kann auch
yon der Einfachheit des Bewußtſeyns nicht auf die
Einfachheit des Subjects gefcjloffen werden 7°), Ges
fest aber audy, die Immaterialität der Seele wäre be:
wiefen , fo folgt daraus noch hicht die Unſterblichkeit,
fo lange noch nicht bewiefen worden iſt, daß das
Denken eine nothwendige und unzertrenmliche
Eigenfhaft des Einfachen if. Beide Geguer
fegten diefen Streit fort, ohne daß die Demoifiarion
gerettet werben Tonnte 7°). _ . di
—J u e.
78} Encydlop, method. Philos. ane. et moderne.
T.1. P. 1. (wo eine vollfiändige Ueberfegung dies
fer Streitſchriften des Collins gegeben it) p- 796.
° Le:defaut du raisonnement de Mr, Clarke, le-
quel ne paroit avoir echappe & sa Penetration,
consiste en ce. qu'il entend par une’ faculis in-
dividuelle, urie propriet€ qui ne peut apparte-
nir qu’ä um ötre individuel, rest la supposer
ce qui est en question, savoir si la faculié de
pönser .est une Bropricre individuelle de cette
espece. Notre docteur ne dij pas un mot qui
"tende A prouver cette assertion, et il a bien rai-
son; car pour la prouver il fandroit connoitre
pärfaiternent la nature de la pensee. Nous pou-
vons, à la verit6, distinguer plusieurs especes
de pensdes les unes des autres. Mais la penseo
est-elle une operation qui ne puisse proceder .-
que d'un tre iidividuel? Ou bien peut-elle
resider dans un .ötre compos& de parties actuel-
lement separdes et distinctes? c’est ce que nous
‚ignorerons jusqu’A ce qu’on en donue une meil-
leure preuve que celle du docteur Clarke,
.79) A defence of an argument male ie .of in a
euer 10 Mr, Bodwell. to 'prova the. immateria-
hy
Poꝛlerdi in England 375°. u
Die Freiheit der Wiltkürr if faſt immer
mit ffärfern Gründen angegriffen ald vertheidigt wor⸗
den, wiewohl in dem Vewußtſeyn fih etwas Höhes
res findet, welches die ſtaͤrkſten Gründe nicht uͤber ⸗
waͤltigen innen, und was auch ſchwachen Vertheidi⸗
gungen einen feſten Ruͤckenhalt gewaͤhrt. Meiſtentheils
iſt aber dieſes Höhere. zwar nicht ganz verkannt,
aber auch nicht fo tief erferfiht und fo beſtimmt auf⸗
gefaßt, und daher Freiheit, welche nur mit dieſem
Hoͤheren beſteht, als etwas, das zur Natur des Men⸗
ſchen, als Naturweſen genommen, gehört, and theore⸗
tiſchen Gruͤnden beſtritten und behauptet worden. Nach
Hobbes, und deſſen Streitigkeiten mit Bramhall
über dieſen Gegenſtand, wurde dieſe Sache von neuem:
zwiſchen den oben genannten Collins und Clarke
verhindelt. Die Schriften von beiden haben das Vers
dienft, daß fie die Streitfrage nad) ihren Hauptpuncs
. ten aus dem angegebenen Gefichtöpuncte kurz, bündig,
deutlich und beſtimmt unterſucht haben so), Collins
bernerkte, daß die. Lehre von Freiheit und Nothwendig⸗
keit
- Jity of the Soul. London 1707. 8. A reply to
Mr, Clarke’s defense of his letter. Lonion 1707.
8. A second defense of an argument — Lon-
Jon 1707, 8. Reflexions on Mr, Clarke's se
cond defense of his letter to Mr.Dodwell. Lon-
- don 1707. 8. A third defense of an argument
— London 1708, &
.
..80) Die recherches philosophiques sur la liberte
erfhyienen zu London 1715 und mit Zufäßen 1717.
Sie find aud) in dem erften Bande der collection of
.. papers und der franzoſiſchen Ueberſetzung des recueil
de diverses pieces sur la philosophie p. Mai-
- zeaux aufgenommen. In der zweiten Auflage,
“London 1717, führe dieſe Schrift den Tircl:’phi-
- Aosophical inquiry concerning human liberty.
\ .
Ä
376 Siebentes Hauptſi. Erſte Abth. Fünfter Abfchn:
leit diejenige ſey, in welcher die meiſte Dunkelheit und
Schwierigkeit gefunden werde, daß aber die Urſache
davon nicht in dem Gegenftande, fondern darin Liege,
daß die Denker, ohne klare und deutliche Begriffe, dar⸗
über gefchrieben haben, und er forert in Beziehung
auf dieſe Abhandlung, daß man ſich in Anfehung der Dans
kelheit, die, ungeachtet feiner Bemuͤhung, etwa noch
übrig geblieben feyn möchte, einzig allein an ihn hal⸗
ten ſolle. Ueber keinen Gegenfland kann man denken,
ohne Ideen, und hat mau ideen, fo muß man fie auch
vergleichen Tonnen. Sp muß jede Frage beftimmt eut⸗
ſchieden werden koͤnnen. Er fiellt nun den ‚Streitpunct
auf folgende Weiſe dar: Der Menſch ift ein. nothe .
wendig handelndes Wefen, wenn alle feine .
Handlungen durch vorausgehende Handlungen fo bes
ſtimmt werden, daß feine feiner vergangenen oter
Tünftigen Handlungen unterhfeiben, „oder anders erfolz
gen konnte oder erfolgen wird, als fie ‚erfolgt, Er iſt
ein frei handeludes Weſen, weim er zu je—
der Zeit, trotz der Umſtaͤnde, worin er ſich befindet,
trotz der Urſachen, die ihn bewegen, etwas Anderes,
oder dad Gegentheil thun kann, oder mit andern Wors
ten, wenn er durch die Umſtaͤnde und. Bewegurſachen
nicht jeden Augenblick unuͤberwindlich beſtimmt wird,
gerade die Handlung, die er ausführt, und Feine ans
dere, zu thun “ So aeſaße, betrifft die Frage:
ob
‚9 Recherches sur. la "iberts, Recueil T. I. p. 268.
L’homme est un Agent necessaire si toutes aes
actions sont tellement deiermirtdes par les causes
qui les_precedent, qu’il soit inıpossible qu’au-
- eune:des actions qwil a faites 'ait pu n’arriver .
pas, ou étre autrement qu'elle n’a ete: ou qu’
aucune des: actions qu'il fera ne puisse ne pas
arriver, ou ötre autremeng qwelle ne sera, 11
est un Agent libre, #il. peut, en tout teins, mal-
gre
‘ % .
Philoſophie in Englands 875
ob der Menſch frei: oder nicht. frei fey? ein Factum in
und, über welches die Erfahrung entſcheiden muß. Die
Erfahrung entſcheidet nun wirklich für die Nothwen—
digkeit unwiderſprechlich, wenn man nur auf den Um⸗
fand achtet, daß der große Haufe in dem Vorurthei—
Te, daß der Meuſch frei fen, erzogen, auf die Urfachen
feiner Handlungen nicht aufmerkfam ift, und daher
ſich leicht einbildet, feiner Freiheit unmittelbar inne zu
werden, daß diefes ſelbſt Gelehrten begegnet, fie aber
Erklaͤrungen von Freiheit geben, welche mit der Noth—
wendigfert beftehen, daß manche mur der vermeinten
Folgen wegen ſich für Freiheit erklären, und diefe duch
wieder durch ihre anderen Behauptungen verwerfen.
Denn wenn. man die veifehievenen: Handlungen,
welche fich auf diefen Gegenftand beziehen, betrachtet,
die Wahmehmung der Ideen, 'das Urtheil über Säße,
das Wollen, die Ausführung des Gemollten; fo findet ,
fich bei allen diefen Handlurigen Nothivendigkeit, und
es bleibt für die Freiheit keine Sphaͤre uͤbrig.
In den Bemerkungen, welche Clarke dieſem De⸗
termiunismus entgegenſetzt 32) dringt er beſonders dar⸗
auf, daß der Begriff eines nothwendig ‚handelnden Wer
fens
gr& les eirconstances ol’ il se trouve, et las
‚eauses gui Je meuvent, fairg des choses differen-
tes ou Oopposees: ou pour m’exprimer, autre-
ment, s'il west pas toujours invinciblement deter-
mind à chaque instant par les circonstances o%
äl se trouve, et par les causes qui. le'meuvent,
à faire precisement Paction qu'il fait et a ne
pouvoir pas en faire une autre,
. 84) Remarques ‚sur les recherches philosophiques.
Tlarke machte fie zuerft in feiner collection of Pa-
pers, London 1717. bekannt.
J 376 Sie hentes Hauptſt. Erſte Abth. Fünfter Albſchn.
ſens einen Widerſpruch enthalte, Denn handeln
fen fo viel, als Urheber feines Handlungen durch Selbfte
thätigkeit feyn, und. was nothwendig handle, werde-
durch etwas andered beſtimmt, gegen weiches es ſich
leidend verhalte. Dann bemerkt er, daß der Menfch
nur in den felbftthätigen Aeußerungen frei, in feinen lei⸗
denden Beſtimmungen nicht frei fey, daß ber Gegner
beide Sphären ded Freien und Nothwendigen
nicht gehoͤrig unterſcheide.
Bei allem Vorſtellen, Denken, urtheilen finde kei⸗
ne Freiheit, ſondern Nothwendigkeit Statt; Freiheit
finde ſich nur bel, dem Wollen, und ſelbſt dieſes, infos
fern es ein Urthell enthalte, daß etwas gut oder boͤſe
ſey, ſey kein freier Act, ſondern nur ein Leiden; aber
infofern es ein ſelbſtthaͤtiges Aufangen, Fortſetzen und
Enden einer Handlung ſey, trete es als freier Act
hervor. Der Wille fey daher nichts anders, als ein
Vermögen, eine Handlung felbft anzufan-
- gen, ſich ſelbſt zu bewegen, Spontaneität.
Mo diefes Vermögen ohne Bewußtſeyn eines moraliſch
Guten und Boͤſen iſt, da nennt man es phyſiſche
Freiheit, Spbntaneität, Inſtinet; durch den,
Zutritt jenes Bewußtſeyns entfpringt eine höhere Art
von Freiheit, die moralifche, welche dem Menſchen
zukommt 82). Die Zrage aber iſt nun dieſe; ob. der
Manſch
83) Remarques sur tes veckörches philos. in Re-
cueil T. ĩ. p. 403. Toute action, tout monver
ment, ‘qui vient du principe qui se ment lui-
‘ .möme, est essentiellement libre, Voici.toute la
difference qu'il y a. Dans blıomme cette liber-
tö physique est accompagnde du sentiment. on
de la conscience qu’il a du bien et du mal mo-
ral et de-Ia vient qu’on iui Aonne de Jiberie
par excellence. Au lien que dans le⸗ bälon; 1a
li
ev
Wenſch ein fothes frei bandelndes Weſen iſt? Hier
uͤber entſcheidet die Erfahrung nichts, oder vielmehr
das Gegentheil, und Clarke ficht ſich daher genoͤthigt,
durch einen metaphoſiſchen Grund den Auſchlag zu
geben, dap, wenn Feine Freiheit in der Welt, fondern Du
lauter Nothweüdigkeit ‚wäre, es Leinen zureichenden .
Grund für die Veränderungen geben würde, indem alle
unter dem Geſetz der Nothwendigkeit wirkende Mefen
nur paſſiv find 82). Diefer Schluß ift aber unbüne
dig, weit der Nachſatz nicht aus dem Vorderſatze folgt,
und, wenn er wahr wäre, doch nicht. daraus folgen
würde, daß der Menfch frei ift. Der Zufammenhang
der Freiheit mit der Moral und Religion wird in beis
den Streitfehriften nicht übergangen, jedoch mehr als
“eine Nebenfache betrachtet, indem Eollins die Bedenk⸗
lichkeiten, die daraus gegen den Determinismus erhos
ben worden, zu entfernen, Clarke aber zu zeigen fucht,
daß Moral und Religion. nur mit Freiheit. beſtehen
Kann, Beide hatten. aber nur die eudämoniftifche Mos
nr tal
Philo ſophie in England: 377 J
liberti physique, ou le pouvdir de se mouvoir- : .
soi-möme est absolument sans le sentiment ou
la canscience, ou la capacit& de juger du bien.
et da mal moral; et on bappelle spontaneite
ou instinc. Et dans les enfans, il yatoı-
jours la möme Jibert6 physique des le comüıen-
cement; et à proportion qu’ils avancent en. äge‘
et en capacite de juger ils deviennient graduelle-
nent, non,pas plus Jibres, mais plus mworaux. '
’
84) Remarques.— Recueil p. 426. Si nous ne
Parvenons jamais & une tause ‚äbre, il faut donc
qwil y'ait une progression inlinie de monve-
mens sans wotenr, d’effets. sans cause, de aujets
W’action sans ‚agent: contradiction inanifeste; on
: bien, il faudra dire que le mouvement existe,
necessarement par Jui- moͤme.
378 Siebentes Hauptit, Erſte Abth. Fünfter Abſchn.
ral im Auge: Der Streitpunct Fam alſo auf. die Fra⸗
ge zuruͤck: ob unter dem Gefeg der Nothwendigkeit
der Menſch gluͤckſelig werden koͤnne, oder nicht? Cole
lins ftellie den Menſchen keineswegs als eine bloße
Mafchine dar, fondern als ein Wefen, das nach Vor-
ſtellungen handelt, und dem bie Vorftellimgen, nad) de⸗
men er handelt, Beweggruͤnde, Urfachen feiner Hands
lungen, find. Er beftritt daher mit Recht die Freiheit
der Indifferenz, welche Clarke aus dem ſonderbaren
Grunde annahm, weil die Vorſtellungen, Begriffe, Re—
gen nur Veranlaffungen, nicht Urfachen des Hau—
delns feyn Fönnten, meil fie fonft, wenn fie.den Wil
Ten bewegen follten, zu Subftanzen gemacht wuͤr⸗
den #5). Diefer Streit wurde nicht fortgefegt, nicht
darum, weil Collins fich für uͤberwunden gehatten haͤt⸗
- te, fondern weil er, nad) der Erffärung des Clarke:
er halte die -Vorftellung des Gegners, ihrer Zolgen
wegen, für gefährlich, den Streit sig weiter treiben
wollte °°).
Ueberhaupt iſt Samuel Clarke nach Newton
und Locke der berühmtefte und beliebtefte Philofoph der
Engländer., Er war den 11 October 1675, zu Nor⸗
wis geboren, Auf Schulen hatte er einen guten. Grund
. zur
85) Remarques - — Recueil p. das, Si ce sont les
‘raisons.ou les motifs qu’on a en vue, qui sont
la cause immediate et eficiente de Y'action, il
faudra que des motions -abstraites, telles que
sont toutes sortes de raisons et de motifs, ayent
une substance reelle, c'est ä dire, soient elles m&-
me des substances, ou que ce qui n'a pas soi -
meme de substance, puisse metire le corps en
monuvement; et Lun a lautre sont manifestement
absurdes,
" 86) Recueil — Preface p. xxxvui.
“ !
so: Sam. Carte.) 879
zur gelehrten Bildung durch fein- gründliches Studium
der Philologie gelegt, wovon er in, der, Folge durch
die Ausgabe des Julius Cäfer und der Jůas Proben
gab. Auf der Uninerfität zu Cambridge befriedigte
ihn die Philoſophie des de Cartes, welche öffentlich vor
getragen wurde, nicht; er ſtudirte für ſich die mathe⸗
matiſch⸗ phifofophifchen „Werke des Newton, und hatte
es in feinem zwei und ‚zwanzigften Fahre ſchon zu eis. ,
ner gründlichen Erkenntniß darin gebracht, Sein Haupt⸗
ſtudium war jedoch die Theologie, und er machte ſich
in den verſchiedenen geiſtlichen Stellen, die er nach
und nad) bekleidete, durch ſeine chriſtlichen Vortrage,
in welchen er Moral und Dogmatik nicht trennte, und
die Lehren des, Chriſtenthums mit den Grundfägen der
Vernunft vereinigte, fo wie durch theologiſche und philo⸗
ſephiſche Schriften. nicht nur einen bedeutenden Nas
men, ſondern fliftete auch vieles Gute, Die Merime,
von welcher er ausging, war der nothwendige Zuſam⸗
menhang der geoffenbarten und der BVernunftreligion,
du welcher dieſe die unmittelbare Stüge von jener · ſey.
Daher hat er auch alle ſeine Kraͤfte aufgeboten, die
Geundwahrheiten der letztern in Ihr volles Licht zu
fegen und auf eine vollkommen befriedigende Weife zu
beweifen. Dazu bennfte er unter audern die Predlg⸗
ten des Beyliſchen Vermaͤchtniſſes, indem er in, dens
ſelben die Grundwahrheiten · der Religion, Gottes Da—
ſeyn und Eigenſchaften, die Religionspflichten aus
Vernunftgruͤnden entwickelte. Er gab- hernad) dieſe
Predigten heraus, welche großen Beifall gefunden und
in mehrere Sprachen uͤberſetzt worden find 95), Clarke
J be⸗
86) Sie erſchienen 1706 und 1706 ‚in zwei Bänden,
" Rinotier gab fie in frangöfifcher Sprache unter
zem Fitel: taite.de Pexistence et des attributs
de Dien; dos devoirs de la religion naturelle et
380 Siebentes Hauptſt. Erfte Abth. zünſter Abſchn.
beſaß viel Gewandtheit: des Geiſtes und eine große Fer⸗
tigkeit, mit den Begriffen umzugehen und durch Schlüffe
Wahrheiten abzuleiten, Voltaire, nannte ihn fpottweife
die Denkmaſchine. Sein veligiöfes und ſittliches
Gemuͤth erkanute ven Werth der Wahrheiten, die ein
allgemeines Intereſſe für die Menfchheit Haben; er
wünfchte fie aber ald Wahrheiten auch für andere dar⸗
zuſtellen und fie-aus Gründen herzuleiten, daß nur
Ungernunft fie ableugnen Fönne, um damit dem ein
reißenden Unglauben allen ſcheinbaren Vorwand zu eut⸗
ziehen. Eine Demonſtration, worin er ſich vorzuͤglich
der didjunctiven Schluͤſſe bediente, weil durch. dieſelben
der Schein des einzig Möglichen, nach“ Entfernung des
Unbenkbaren, Teichter gewonnen werben kann, ſchien zu
diefem, an ſich loͤblichen Zweck am ficherften zu fühs
ren. Imfofern Clarke keinen Beruf’ und Feine Zeit hat
te, den ganzen! Borraf der menſchlichen Begriffe ge-
nauer nad) Grund und Bedeutung zu erforichen, war
diefes auch der einzige Weg, den.er verfuchen Eonnte,
. durch Begriffe ‚nach. den Gefetzen des logiſchen Den:
‚tens die Wahrheiten, weldye ſich auf eine uͤberſũ innliche
Welt beziehen, feſt zu begründen.
Nachdem Clarke mehrere Arten des Atheismus
unterſchieden and, drei. Herptacclen: Unverſtand, ver⸗
dor⸗
de la veritd de la’religion chretienne, in drei:
Theilen heraus, wovon die zweite, nach der ſechſten
englifhen Ausgabe verbefferte, Auflage Amsterdam
1727. 8. erſchien. Ienkin Thomasius überfegte fie ins
Lateiniſche; demonstralio existentiae et attributo-
rum Dei adversus Hobbesium et Spinozam po-
tissimum atque eorum adseclas. . Altorf. 1713. 8.
und €. Casp. Reinhard in der Meberfegung- von
Gilb. Burnets Auszuge der von Boyle geſtifteten Res
den ins Deutſche.
borbene Sirten, falſche Philoſvphie, angegeben. und bes
merkt hat, daß die Wahrheit der Eriftenz Gottes ein
- großes" Sutereffe für den MWeifen, wie für. das Wohl
Sam Starte 881
und. die Gluͤckſeligkeit des menſchlichen Gefchlecdts hie - .
be, fie daher wünfchenswerth ſey, gefeßt auch, -
daß ſie nicht bewiefen iverden Könnte, und ed daher
Pflicht fen für. jeden, der die Fähigkeit dazu beſitzt,
auf die Entdedung und Prüfung diefer Wahrheit fein
"ganzes Streben zu richten, ſucht er fie auf eine un:
umſtoͤßliche Weife zu beweifen, „Er geht von dem Bes
griffe der Eriftienz aus, ſchließt daraus auf die Noth-⸗
wendigfeit‘, , daß etwas von Ewigkeit eriftirt
haben, und daß dieſes ein unabhängiges, durch)
fi ſelbſt nothwendig eriflirendes We ſeu
ſeyn muͤſſe, und entwickelt daraus, und aus der
Betrachtung des Wirklichen in der Welt, mit Huͤlfe
bes Grundfaßes des zureichenden Grundes, die. Kbrie
gen Attribute, welche zu dem Begriffe Gottes weſent⸗
lich gehören.
- Den Hauptfag diefer Demonftration: es iſt abs
ſolut nothwendig, daß irgend etwas von
alfer Ewigkeit her exiſtirt habe, hält er fuͤr
unmittelbar gewiß, daher auch fein Atheiſt ihn je zu
leugnen die Verwegenheit gehabt habe. Doch gibt er
zum Ueberfluß noch folgenden Beweis: Wenn heute
etwas eriftirt, fo leuchtet” es ein,. daß etwas immer
exiftirt hat; denn fonft müßten die Dinge, die jetzt
find, aus dem Nichtd hervorgegangen feyn, und ihre
“Erkftenz hätte, durchaus Feine Urfache, welches ſich ges
rade widerfpricht; denn zu fagen: ein Ding ift hers
vorgebracht , und doc) Feine Urfache des Hervorbrin⸗
gend anerkennen wollen, das iſt eben fo viel, ald wenn.
man fagte: fie iſt hervorgebracht und nicht hervorge⸗
bracht. Alles was da iſt, muß eine Urſache/ einen
Grund
382 Siebentes Hauptſt. Eiſte dibth. Fünfter Abſchn.
Grund haben, worauf ſich feine Exiſtenz gruͤndet, eis
nen Grund, woraus zu .erfennen iſt, warum es viel⸗
mehr da iſt, als nicht iſt; denn es exiflire entweder
kraft einer Nothwendigkeit im feiner eigenen Natur,
in welchem Fall es ein ewiges Wefen durch ſich ſelbſt
iſt; oder zufolge des Willens eines andern Weſens;
dann'muß dieſes Wefen, wenigſtens der Natur nad),
vor jenem eriftirt Haben 87). An diefen Sag knuͤpft
u fih
87): Clarke de Vexistence de Dieu. ch. II. .p..
Ma premiere proposition qui, ne peut ätre re-
voquée en doute, c’est qu'il est absolument ne-
cessaire,, que quelque chose ait existd de toute
eternitö. Cette proposition est si,evidente et si
* incontestable, qu’aucun Athee n’a jamais eu le
front de soutenir le contraire; de sorte qu'il est
peu necessaire, que je m’arr&te long tems à la_
pionver.” En effet, puisque quelque chose exi-
ste aujourd’hui il est clair que quelgue chose
a toujours exist, Autrement il faudroit dire,
que les choses qui sont maintenänt,. sont sorties
du neant, et n’ont absolument point de cause de
leur existence; ce qui est une pure contra-
diction dans les termes. Car si l’on dit qu’une
chose est produite, et que cependant on ne veuil- .
le reconnoitre aucune cause de sa production
dest comme si P’on disoit, qu’une chose est pro-
duite et n’est pas produite. Tout ce qui exi«
ste, dojt avoir une cause de son existence, une
‚ralson, ou un fondement sur lequel son existen- -
ce est appuyde; un fondement, une raison,
pourquoi il existe, plutöt quwil n’existe pas. Car
il existe, ou en vertu d’yrie necessit® qu'il trou-
* ve dans sa nature möme, auquel cas il est eter-
“nel par soi me&me : ou en consequence .de la
volont& de quelque autre &tre; .et alora il fant
que cet aptre ätre ait exist@ avant Jui, au moins . .
d’une priorit&‘de mature et comme la cause. est
congue &tre avant leitet, om
Sam.-Klart. 883
ſich der zweite: es muß von aller Ewigkeit
her ein unabhängiges‘ und unveränderlis
ches Weſen exiſtirt haben °2). Denn das Wer
fen, welches immer exiſtirt hat, muß entweder unver:
änderlih und unabhängig, mit Abhängigkeit aller ans
‚dern Mefen von demfelden, fein; oder ed muß eine
unendliche Reihe abhähgiger und veränderlicher Mefen
gehen, welche einander in einem endlofen Fortfchritte
“
‚ berporgebracht haben, ohne eine uriprüngliche Urfache °
ihrer Eriſtenz zu haben. Aber eine ſolche Reihe anzu⸗
nehmen, ift ungereint; denn außerdem, daß fie ſchon
an fi unmöglich iſt, ſo gibt es auch für das Ganze
diefer Reihe Feine dußere, innere und nothwendige Ur—
ſache der Eriftenz. Und da es in diefer ganzen Reihe
nichts Nothwendiges gibt, fo wäre das Ganze zufälz
ftenz beftimmen konnte. Diefes unabhängige unveraͤn⸗
verliche Wefen, welches von Ewigkeit exiſtirt, exiſtirt
durch fich felbft; fein Weſen ift unbegreiflih ; feine
Exiſtenz nothwendig; ed ift unendlich und allgegens
wärtig, einzig, vorftellend, frei handelnb, von unendli—
her Macht, Weisheit, Güte, Gerechtigkeit und Wahr⸗
Haftigfeit 29). Daß dieier Beweis nicht gelungen iſt,
fieht man bald ein; denn durch ihn wird Gpinozas
Spftem nicht widerlegt. Nach diefem gibt es nur ei‘
ne Subftanz, ein abfolutes Seyn von Ewigkeit, aus
welchen fich unendliche Modificationen entwideln, aber
Feine Reihe von bedingten Subftanzen, von deren. bes
dingter Exiſtenz man auf dad Daſeyn eines uns
bebingten ewigen Seyns ſchließen koͤnnte. Es iſt da⸗
bei
,.88) Clarke de Pexistence. ch. III.
89) Clarke de hexistence. ch. IV-XII.
Nig, eß Eönnte eben fo gut feyn, als nicht feyn, weil
nichts iſt, was diefe Reihe zufälliger Dinge zur Eri⸗
den Wefgrz” wodurch zwar fo viel erwelslich if, daß
384, Siebentes Hauptſt. Erſte Abth. Fünfter Abſchn.
bei vorausgeſetzt, daß die jetzt exiſtirenden Dinge ent⸗
fanden find. Wie aber, wenn man vorausſetzte, es
entfteht gar slichtö, es iſt, was iſt, unveraͤnderlich,
und das Eutſtehen iſt nur ein Schein in und. Daß
diefes nicht möglich fey, Tann ‚nicht bewiefen werben.
Der Grund, worauf fi) der zweite Sag ſtuͤtzt, daß
eine unendliche. Reihe von abhängigen bedingten Din
gen ungereimt fey, if noch Feineswegs einleuchtend,
Eine ſolche Reihe läßt fi) allerdings denken, nur, wie
jedes Unendliche, nicht begreifen. Man kann nicht far
gen, daß das All diefer Reihe ohne zureichenden Grund
fey; denn diefes All exiſtirt nur in Gedanken, außer
deinfelben aber die Einzelnen. der Reihe, denen’ ed ins⸗
geſammt nicht an Gründen ihrer Exifienz fehle, "wenn
man nur immer. aufwärts geht. Man müßte denn lies
ber mit Clarke eine abgelaufene Ewigkeit der nie
endenden vorziehen wollen 9°), Will man biefe und
andere ſchwache Seiten der. Schrüffe nicht in Betracht
ziehen, fo ‚enthält des Phlloſophen richtiges Urteil
über den Carteſianiſchen Beweis aus dem Begriffe des
vollkommenſten Wefens 9*) auch ben Ausſpruch über
pen ſeinigen. Jener Beweis, demerft er, enthält nur
eine Nominalz£rfärung von einem für ſich befichens
- ein
90) Clarke de Fexistence. ch. II. p- 17. Une du- .
“ ree eternelle-est actuellement ecoulee.
gr) Clarke de Vexistence. ch. IV. p. 37. 38. U
he semble que l’obscurit6 et le defäut de cet
argument consiste en ceci: c’est qu’il ‚ne porte
que sur Pidee nominale, ou sur la definition de
Vetre qui existe par Ini-meme, et que la liai-
‚son entre cette id6e nominale et lidee reelle d
un ätre actuellement existant hors de nous n’y
est assez clairement.develappea, - Fan)
N
or
! “Sam. Elarke.
388
ein ſolches Weſen nicht unter die Vemglichteiten ge⸗
hört; aber noch nicht das Recht dargethan if, auf die
wirkliche Erifteng: deffelben zu ſchließen.
Obgleich übrigens Clarke das Weſen Gottes, für
unbegreiflich hält, fo, hat er doch die görtlichen Eigen
» fyaften, ‚wenigftens einige, fo tole die Eriftenz,-auf '
eine apodiftifche Weife au entwideln geſucht. Aus dies '
fem Sefspispune läßt ſich gegen die Betrachtung ber
Eigenſchaften Gottes eben fo viel fagen,, als. gegen ven
Beweis ‚der Crifteng Gottes. Es Tommt ihm jedoch
auch hier dad Intereſſe der Vernunft zu Statten, Er
Sat den würdigen Begriff von Gott, wie er den Ber >
bürfniffen, der Vernunft. entfpriche, verdeutlichet und =
manche unpichtige. Borftellungen beleuchtet. Bei einer >
Porfiehung des Elarfe müffen wir noch etwas verwen.
en, dieſer nämlich, daß Gott, das Subfirat des um
endlichen Raumes, und der ewigen Dauer iſt.
Er hatte dieſe Vorſtellung aus dem Syſteme des News
‚ ton gefchöpft. Newton hielt zwar nicht, wie h. Mor
re, die Ausdehnung für die Grundbedingung jeder Subs.
ſtauz ?%), -und ‚nahm daher auch nicht ausgedehnte
vorſtellende Subftanzen, -wie Bott und die Geiſter, an,
betrachtete jedoch ‚den Raum, nach feiner Unermeptichs
keit, ald dasjenige, wütin Gott iſt und wirft, als fein
Senforium oder era Wirkungskreis. Dieſer
Vorſtellung folgte Clarke, und bildete ſie weiter aus.
Raum und Zeit ſtellten fich feinen Gedanken als unendlich
on en
92) Sodann Raphfon fuchr- biefer Vorſtelungeart
um diefe Zeit Eingang zu verſchaffen durch feine’ des
monstratio ’de' Deo’ sive" methodns ad’ cogulitio-
“ nem Pei taturalem brevis ac demonstrativa, wel
he an London-1710. 4, ohne feinen Namen heraue⸗
kam, und ih Leipzig 1712: 8, nachgedruckt winde.
"Rennen, Geſch. d. Vhlleſ. 88. sr”
* 386 Ciebeates Haupt CrfleAEN. Fünfter Aid,
. und für alles "Senn nothwendig Dar ; da fie-nicht für
Subfanzen gehalten werden · Tonnten,! fo mußten. fie
Aceidenzen ſeyn, bie ein: Subſtract und Subject erfo=
dern. Welches konnte nun diejenige Subftanz feyn,
welcher zwei nothwendige und unendliche Accidenzen aus
gehören? Keine andere laͤßt ſich denken, als Gott.
Bote if alſo das Subftrat des unendlichen
Raumes und: ber unendlihen Dauer oder
"Zeit. Elm fiharffinniger Denker machte dem Clarke
mehrere Einsendungen Aber fein Lehrgebäude der na⸗
türtichen Religion, und ed entſtand darüber ein gelehr⸗
ter Briefwechſel, der in’ einigen Ausgaben des Werks
ats Anthang beigefügt if. Der Hauptgegenftand des
Streits war die Demouſtration für das Dafeyn Got:
188, and uͤbet diefe Vorſtellung von Raum uͤnd Zeit.
Das Reſultat war, daß Clarke bel ſeiner Borftellung
blieb, wiewoh er mertte, ‚daß‘ darin noch nicht alles
im Reiten), und der Gegner -die Schwierige
keit dagegen geltend machte, kai Raum un Zeit, nach
ſei⸗
8 Gartı de Fexistnce Pr 274 Co⸗ expressions,
> la selstance sxsistante ‚par. ale-meime est le sub-
. stratum: de Fespace et. l’espace est une propr
de la substance existänte par elle-meme, ces ex-
pressions, dis-je, ne sont peüt:tre' pas des plus
i propres anssi n’est-il "pas facile d’en trouver
qui le-soient. Mais. voiei quelle ost ma ponsee.
L’idee de’ Pespace, ausst bien que P’idde: du tema
‚ou de la duree est une idee abstraite ou partia-
le. C'est l'idée d’une certaine qualit& ou d’une
serkine relation, que nous conceyons evidem-
ment devoir exister necessairement; et qui ce-
pendant (n’etant pas elle- meme une substance )
Presuppose necessairement "une, substance, sans
JJaquelle elle np pourroit pas exister; ou il ®
' ensait que. cetfe substance doit exister plus, ne-
“ cessairement ‚encore, si est possible, , .
09 en
Sam. Etarte. 887
ſeiner Anſicht, als nothwendige Accidenzen Gottes vers
ſchwinden müßten, wenn man Gottes Seyn in Gedan⸗
Ten aufhebt, welches jedoch der Fall nicht ſey, woraus
folge, ‘daß fie etwas anderes fern muͤſſen *4),- Ohue
dieſe Inſtanz beſeitigen zu koͤnnen, -fucht fie Earte
ſcheinbar zur’ Beftätigung feiner Demonftration zu be⸗
nugen, Denn dadjenige Weſen, deſſen Accldenzen noch
übrig bleiben, als etwas Nothivendiges, weun man, fc)
auch vorftelft, daß es nicht exiſtire, das muß im ſireng⸗
ſten Sinn eine nothwendige Subſtanz ſeyn, und es
zeigt ſich, daß ſelbſt die Annahme der Rihteꝛtſenz zu
‚den Unmoͤglichkeiten gehört 9°).
In dem Streite, in welchen Clarke mit gang
in, ‚den letzten Lebensjahren des letztern verwickelt ware
be, Tommen:diefelben Anſichten vor. Leibnitz -hatte.in
. einem Schreiben an die Priüzeffin: von. Wales 4716
das Urtheil geäußert, daß ihm die Philoſophie, befonz
ders aber vie Belionsehiiefephe, in England zu fin⸗
7 den
. 94) Clarke de Pexistence p · 27. Pulsguun omg
mie conclut tr&s jüstement de ce qu’il a ces idees
qu’il faut ge’il y ait quelquo chose d’ezterme
- qui los cause; il s’ensuit que.'cetie' eanse;
gaelle quelle soit, ‚etant otde, ‚sea igse⸗ ceside
soient aussi. Si donc la cause suppoase. est otoe
‚et que cependant lidee demgure, . cette can
‚ aupposde ne sauroit ötre la cause- reelle. Suppo-,
dons maintenant que la substänce eistante par.
elle-möme. soit Je substratum de lespace et de
le durde, si Yon pouvoit supposer qu’elle ‚cessät’
. @exister, il est cleir que..l'espace et la: durde:
. demeureroient papriant toujours les m&mes. saug-
aucun changement; ce qui prouve, ce sembles.
". que la substance existante par elle«m&me n’est'
pas le substratum de Pespace et de la durde,
95) Clarke de Pexistence' p. 280. abi-
l
\
588 Siebentes Gauptfe-Krfie‘ Asıh. Fuünfter Abſchn.
ken ſcheine, ‚infofern, mehrere . Deuter, Gott und die
Seelen, für materielle Wefen aufähen ’ Neivton den
‚Kaum, zu ‚dem Senſorium der Gottheit mache, und
‚son. einer. zu Zeiten nothwendſgen Yasbefferung des
B iyrlung und goͤttiichen Mafregel
‚de. Miordnungen In besm, Weltgangen.
eg teilte dieſes Schreiben
‚Tan. daſſelbe Anſehen hatte, weighe in De
laud⸗ init. Clarke beantpg tı EBiefe Puncte,, Anden
er die Zactg theils zugab, thel erklärte, theils
Die Newtoniſche Philoſophie, über: SR ‚Brundjäte. der
mathematiſchen Philoſophie, als die einzige Gegenmittel
gegen jenen Materialismus, ‚geltend sbachen ſuchte.
En „dem. iiefwechſel, "were Ansftand; ſetzten
nun · beine Denker. ihrs entgeg⸗ Anſichten, vor⸗
glich aͤder deu Grundſatg des zureichenden Gruudes,
üben Raum: und: Zeit, über. Freiheit und Nothwendig⸗
keit, uͤber die goͤttliche Regierung der Welt, und über
Wander: auseinander, Obgkeich fie in. einigen Puncten
ſich annaͤherten, fo konuten fie doch nicht in allen ſich
vereinigen, weil. fie von verfchiebenen Principien aud⸗
getzangen waren. Leibnitz konnte nicht Raum md
Zelt. ais reale Dinge, Klarke dieſelben nieht als Idea⸗
ies, und als Vorftellungen von per Ordnung des Zu:
gleiche und. Nacheinanderfegendeh denfen. Jeder machte
it, „einander ‚verbunden, in, ohne eine gänzficße Scheb
dung, nur ein Hinz und Herreden, ein Behaupten und
Beweiſen, ein Sean amd Gegenbeweiſen ers
felgen mußte‘9s), B
I &heobi
Weber die Frage! woher d
welche die Vernunft fo fehr ı
Tann, erſchlen um dieſe Zeit ein
in mehr als einer. Ruͤckſicht wi
erſte, "dur Bayles Zweifel vern
ſie hat, wenn auch nicht die S
doch den Gegenſtand, den ſie berreffen, durch, Pegriffe
genauer beſtimmt; ſie fimmt in‘ der‘
“tung jener Frage in ben Hauptpuncten f
a überein, weirht aber i i
‚und Zeit in ihrer Unentlichfi
*
wurde durch die entgegengeſetzten Bemerkungen des
Leibnitz beſtimmter. Er erklaͤrte ſich zuletzt dahin, daß
Sort nicht in Raum und Zeit exiſtire, ſondern feine
Eriftenz ſey die Urfahe von Raum und Zeit. Wenn
man ſagt / Gott exiſtite in jedem Raume und in jeder, ·
Zeit, fo wolle man durch dieſe Ausdruͤcke nichts. anders,
Tagen, als daß cr allgegenwär: Je rd — — —
keit find nothwendige
gen von Gottes Eriſtenz; daraus folge aber nicht, daß
Ber Ze
"Raum und Zelt von Goet verſchiedene Diyige ſeyen,
in denen er exiſtire. Recueii de. diverses pieces‘
P..170. Als nothwendige Folgen der Eriftenz Got⸗
tes müßten aber Raum und Zeit doch wohl veale Dins
ge ſeyn? Die Behauptung, daß Gore nicht in Raum ,
und Zeit exiſtire, waren ihm von Leibnig abgedruns
gen ‚. wiewohl dann die Behaupfung von dem Kaume,
als dem Senſorlum Gottes, dadurch verneint wurde,
Denn dieſe letztere Anſicht beruhete aüf dem von
Clarke ohne Beweis angenommenen Grundſatze S.
22: ilest impossible qu’une chose agisse, ou
que quelque sujet agisse sur elle dans un lien
ou. elle n'est pas Ppresente comme il est impos-
'sible qu'elle soit dans un lien olı elle m’est pas. -
Wenn num Gott nicht in dem Raume iſt, und doch
auf alle. Dinge in dem Raume wirkt, fo muß er da
wirken, wo er nicht iſt. Alfo entweder iſt diefer Sag,
oder Ku. Grundſatz falſch.
390 Eiebentes Haupt, . Erſie Abth. Fünfter Abſchn.
ficht von der Freiheit und andern damit zuſammen-
haͤngenden Begriffen von derſelben gänzlich ab, Au—
‚gerbem, daß fie die Frucht. eines ſcharfen Nachdenkens
iſt, enthält fie auch viele neue, von den gewöhnlichen
abweichende Anſichten, und Ahnungen einer tiefern
Kinfiht in. den philoſophiſchen Unterſuchungen *”). .
"King geht von dem, Satze aus: Gott iſt der ür⸗
heber aller Dinge, er ift ein allmaͤchtiges, allweifes
‚amd, allgütiges Welen, - welches die Welt I
1... Zwegke gefchaffen hat. Diejer Zweck konnte Mhr ein
zu erwartender Bortheil, denn, Gottes Vollkommenheit
—8 kann durch nichts Aeußeres vermehrt werden, ſondern
der freie Wille ſeyn, zu einem Zweck eine Welt zu
ſchaffen, um in derſeiben feine Macht zu aͤußern, feine
Macht und Güte mitzuteilen. Daß Gott ift, beweiſt
er aus ber Zufälligkeit der Dinge, : Diefen Beweis
einzuleiten , macht er einige vorläufige Bemerkungen
über die Erkenntniß. Er theilt die Erkenntniß ein in
die Erkenntniß duch unmittelbare Anſchauung
oder Ideen, und in die Erfenntniß aus der
Dernunft durch Begriffe - Durch beide Arten
erfennen wir nicht dad Ding, was es an fich iſt,
R , . fons
De origine mäli, authore Guilielmo King. 8.
— D. — Devensi. Londini a
..mae 1794. 3. Diefe Abhandlung ift auch in das,
Englifche Äberfegt worden, wovon ‚die zweite Ausgabe
. zu London 1732 in 8. mit dem Titel erfhien: an
essay on the origin of Evil, by Dr. Williams
King late Lord Archbishop of: Dublin, translated
from the Latin with notes, and a Dissertätion
concerning the principle and criterion of virtue
‚and the origin of the passions. Intereſſante
Bemerkungen über diefe Schrift ftellte Leibnitz in ei⸗
nem Anhange zur Theodicee an.
vo. .
Theodicee des King 391
—ſondern was es in und wirkt. Daß bie Ideen
oder finnfichen Vorflellungen und die einfachen Begrif⸗
fe durch die Empfindung ia die Seele gebracht, and
die Seele als ‚eine unbefchriehene Tafel: gu danken ſey,
ſcheint ihm nicht wahrſcheinlich, weil in den ampfuns-
denen Dingen, und in, den. durch fie erregten Bewe⸗
gungen, wegen ber Unähnlichfeit, nichts enthalten: iſt,/
maß .fie in der Seele hervorbringen, koͤnnte. Er amt,
vielmehr an, daß beide Vorſtellungen in ber Seele praͤ⸗
eriſtiren, duͤrch die Dinge geweckt und gleichſam Tefere
lich werden 8). ‚Das ‚Kriterium, der Mahrheit iſt
nicht die Klarheit, Deutlichkeit und Beſtimmtheit der
Vorſtellungen, nicht die Webereinftimmung, derfelben:
oder das Gegentheil (denn diefe koͤnute auch mur ſchein⸗
bar feyn), fondern die Abuöthigung des Beifalls bei
einem Begriffe, und die Nothwendigkeit des Vorftelz
lens bei der Empfindung 9°).
. Die
. 98) King de origine mali 1704. p. ı1. Sic etiam
$ensationes et conceptus pracextitisse in mentie
bus videntur, quasi vero visibiles fieri et menti-
bus actu apparere ad reram externarum motu-
umque corporeorum praesentiam: ea enim Deus
et natura inter se copulavit;'ut nos verba et scri-
pta cum sensationibus et conceptibus copı
‚mus. — ‚Ut quod sentio dicam, , verosii
haec mihi videntur, quam ea quae ab aliis af-
ferantur, mentem natura tabulam rasam ponen-
" " zibus: non enim ‘expediunt, quomodo motus
corporeus, a frigido, lucido quanto, nervis aut
spiritibus impressus (qui nihil commune 'habet
cum sensationg aut’ conceptu horum; aut sinnile) °
‚haec in animo, si ibi non Pracestiterant, ut per-
eipiamus efficeret.
99) King p. "x4. /Neque alind nobis criterium. ve.'
ritatis /quaerendum, quanı quod conceptus menti
. ON ch.
—
392 Siebentes Hauptſt. Eiſte Abth. Fünfter Abſchn.
Die Geundvorſtellungen don aͤußern Dingen find‘
die BVorfellungen von“ Finufichen Eigenfchaften. als
Bewegung ,: Materie‘ und von Raum, ber von
Materie-hoc) unterſchieden wird. Die Materie ober
Subftaiz iſt · dasjenlge ‘was übrig‘ bleib, wenn wir"
bie ſianlichen Eigenſchaften aufheben, und was wir durch
bie Merlmale: Beweglichkeit, Ausdehnung, Unburch⸗
drinuglichkeit uns vorſtellen. Heben wir in Gedanken
bie Materie auf, ſo bleibt noch der Raunr, als das
Ausgedehnte, Unbewegliche/ was die Materfe aufneh⸗
men “und von ¶derſelben durchdrungen werden kanu,
übrig, Diefe Vorſtellungen haben Wahrheit , inſofern
wir ohne dieſelben nichts Aeußeres vorftellen Fönnen ;
aber jedes dieſer drei Können wir uns als nicht: ſeyend
vorfellen, und wenn auch der Raum darin eine Aus·
nahme zu machen ſcheint, fo kommt diefes doch nur
‚von einem Vorurtheile, welches ſchon dadurch Har wird,
daß wir unferer als denkend und als ſeyend bewußt
werden, ohne alle Vorſtellung von Raum. Mit keie
nem der dreien iſt atſo nothwendige Exiſtenz verbun⸗
den, und daher muß ein anderes‘ Weſen ſeyn, weiche⸗
mit dieſen zufaͤlllgen Dingen,' die ſeyn und. nicht ſeyn
koͤnnen, in deren Wefen alfo die Eriſterz nicht enshals
ten Äft, die Exiſtenz verknůpft hat. Diefes Weſen ift
Gott,” von. deſſen Seyn wir die Eriftenz nicht trennen
Können. Gott exriftirt atfo nothwendig. Und
ob wir gleich Yon Bott nicht mehr wiffen, als der
Blinde von, dem Lichte, fo koͤunen mir. dod). einiges
von ihm erkennen, als feine Unendlichkeit, Freiheit,
BE uf
’ obiectus de re aliqua assensum vi eua extom
qusäl, sicat aliud criterion non est eorum, quae
""sensibus percipluntor, ‘qiiam guod obiectum prae ·
sentia sun ‘in nos agens sentire etiam vojentes
Seogat, 5
Sbeedicet. das Ring. 398
daß er Ein Geift-von unendliche Macht, Weisheit nid -
Güte iſt, und nur nad) Zidecken handelt: Als Zweck
der Schoͤpfung wird angenommen, die Anwendung der
göttlichen Macht außer ihm, und die Offenbarung ſei⸗
‚mer unendlichen Güte: - Findet ſich nun in der Wels‘
etwas Voͤſes, d. 1. was. vein Begkhren: eines jeden
nicht angemeſſen iſt, fo muß es von der Art, ſeyn,
daß es durch die unendliche Welohen Guͤte und Macht
nicht entfernt und gehindert werden konnte. Gut und
Boͤſe find Begriffe-von entgegengefegter Relation, Gut
iſt, wis für ein Anderes zufammenftimmend umd fürs
derlich; böfe, was mit einem Andern flreitet und dems
ſelben ſchadet, was ein von Gott geſetztes Begehren
vereitelt, was ein Wefen zwingt, etwas zu thin obre
zu leiden, was 'gegen defien Willen if: Die nachtheis
- Ligen und wiberftreitenden Dinge koͤnnen von dreierlei
Art ſeyn, nämlich: Unvollkommenheiten,
Schmerz, Unannehmlicpteiten (das phyſiſche
Boͤfe) und böfe Vorfäge, wenn der MWollende et⸗
was wählt, das ihm oder Andern zum Schaden ges
reicht (das moralifche Boͤſe). Won dem grftern ſucht
er zu zeigen, daß es unvermeidlich fey, da kein Ges
ſchoͤpf fo vollkommen als Gott ſeyn konnte, und Uns
vollfommenheit von der Natur eines Geſchoͤpfs unzer⸗
treunlich iſt. Dieſe Unvollkommenheit ſtreitet ſo we⸗
nig mit der Guͤte Gottes, daß ſich vielmehr darin die
größte Güte zeigt, daß Gott Lieber etwas Unvollkom⸗
menes, als gar nichts, Habe hervordringen wollen.
Das dphyſiſche Uebel entfteht‘, Hauptfächlich durch die
Bewegung der Materie, ohne welche dieſe nutzlos wat.
Ohne entgegengefehte Bewegung wäre keine Abwechſe⸗
lung, fein Leben; diefelbe Vernegung, durch. welche
Dinge entftehen , zerfiört fie auch. Indeſſen hat doch
fein Geſchoͤpf eine Urfache, mit feinem Looſe unzufries
den zu feon, weil die Nachtheile, welche es erleiden,
J IJ theils
J aleich it ſelbſt, fondern nur im Auszuge gelefen
398 Siebentes Hauptik. Eilie Abth. Fünfter Übfgn.
theilß: unvermeiplich / theils die Abwefenheit der chen
noch groͤßere Unvolllommenheiten herbeiführen würde,
und weil ſelbſt aus denſelben · große Vortheile entſprin⸗
gen. Das moraliſche Uebel endlich entſpringt ſelbſt
aus: der größten Vollkommenheit, welche: die Mens
ſchen mit Gott gemein-haben, nämlich aus der Freis
beit. . Er.beflreitet die Meinung derjenigen, welche
die Sreiheit als ein Wermögen, ohne äußern Zwang,
jedoch nach beſtimmenden Gründen , alfo mit innerer
Rothwendigkeit, zu wählen, anfehen,. und erklärt es
für das Vermögen, fich ſelbſt zu befiimmen, und
eine Handlung ſelbſt anzufangen, ohne durch die Vor⸗
ſtellung von der Guͤte des Gegenſtandes, durch ein in⸗
reres Behagen oder Mißbehagen, durch ein Urtheil
des Verſtandes beſtimmt zu werben, und mit voͤlliger
Vadifferenz etwas zu wählen, bloß weil es, ohne. weis
tere Gründe, beliebt. ine folche gleichgältige Freis
heit kommt Gott zu, weil es außer Gott nichts Gu⸗
28 gab, das ihn zus Erfchaffung der Melt beftimmte,
and er fich dutch eigene freie Wahl beftimmte, Den
Menfchen kommt fie zu, weil Gott freie Weſen fchafe
fen mußte, da ohne diefe. die Welt eine bloße Mafchie
me gewefen wäre, weil freie Weſen allein einer wah⸗
ren Gluͤckſeligkeit fähig, und durch Erfenntuiß der
-- göttlichen Wohlthaten gewiſſermaßen im Stande find,
diefe zu vergelten. Dadurch, daß die Menfchen frei
find, koͤnnen fie ſich aber zu Handlungen beftimmen,
welche gegen Vernunft und Neigung find. Solche
Handlungen koͤnnen von Gott nicht gehindert werben,
“ ohne die Freiheit aufzuheben, welches eine größere Uns
vollkommenheit wäre, Zubem ift dad Vorherwiſſen der
freien Handlungen eine Schwierigkeit, ‚ weiche nicht
leicht zu Löfen iſt.
Bayle fand ſich durch dieſe Abhandlung, ob er ſie
hat⸗
1
* Ehennn des King. J 395
hatte, teineöiwens hefriedigt / noch witerftgf.1°0),
Es waren nur Möglichkeiten und. Hypotheſen, durch
. welche das Böfe als unvermeiblich, oder als felbft zum
Guten dienlich, dargeſtellt werden ſollte. Aber eben
deswegen Tonnte durch fie ein objectiv guͤltiges Urtheit
über die: Vereinbarkeit des Boͤſen mit der göttlichen
Weisheit und Güte um fo weniger gewonnen werden,
als King felbft eingeftchen mußte, daß wir die Dinge
nicht erfennen wie fie an ſich find, und über 'göttliche
- Dinge- nicht anders urtheilen, als wie die Blinden
uͤber das Licht. Leibnitz beſtritt vorzuͤglich aus allen
Kräften das Princip der gleispgüftigen Freiheit, nach
welchem es durchaus nichts objectives Gute und Boͤſe
gibt, fondern es erſtlich durch die Wahl wird 202),
Nach diefer Anficht wäre alles, was iſt, und was ge=
ſchieht, gut, weil es frei von Gott gewählt worden,
und ed dürfte eigentlich gar nicht die Rede von dem
Böfen ſeyn. Allein eben diefes ftreitet mit der. Vers
nunft. Daß eine folche gleichgüftige Freiheit. nicht mit
der Vernunft befteht, und daß King ſelbſt dieſem Bes
griffe untren geworden. iſt, Hat Leibnitz mit großer
" Klarheit auseinandergefeßt. Jedoch war in’ dem Be⸗
griffe des King von der Freiheit etwas, was ihn auf
diefe Zufäligkeit verleitete, welches nicht, fo wie jenes,
widerlegt werden Fonnte,'nämlich die unbebingte Cauſa⸗
litaͤt, woraus eine geſetzloſe Freiheit wurde, indem fie \
nach dem Naturbegriffe ohne Verbindung mit der Mo:
ralität betrachtet wurde. Eben daher konnte King auch
\ überfaupt ‚über, den göttlichen Weltzweck und über.
das
100) Bayle reponse aux" questions dus provinsil“
T. U. p. 76.
1) King‘ de örigine mali p. 149. Placet res geia
igiur, non eligitur, quia ‚placet, .
“> N . Be)
. i
396 Stone Säupf, Er din. Saeheruiga.
das moraliſche Vſe nur fr unbollommen⸗ ze:
aufftellen. \
. Diefe Materie führe auch Johann PAR; ehe,
Bruder bes Samuel, auf eine populäre Weife In: En
mer Reihe von Reden für die Woylifche Seife
aus 302). Er folgt barin den ‚Gründfägen ‘3
Bruders in Anſehung der Freiheit umd der J nd
Begriffe, : Mancher Einwurf des Bayle, mb: 3
ausfegung eined abſoluten böfen Princip6, iſt FOR. den. -
Begriffen mach. gut beleuchtet‘ worden. Die Vanptirn⸗
deny aber iſt, zu zeigen, daß das Boͤſe nicht ſowohl
da der Natur der Dinge, als in, den Schraufen unſe⸗
rer Erkenntniß gegründet ten. . In
Durch Bayles Zweifel wurde auch die Aufmert
ſamkeit auf die in der Natur zu. entdedende Zweckmaͤ⸗
bigkeit geſchaͤrft: denn. man ‚glaubte, daß vou. je meh⸗
teren Seiten und Objerten ihre weiſe, auf Zweck⸗ ſich
beziehende Einrichtung klar würde, deſto weniger koͤnn⸗
ten die Zweifel gegen die ‚göttliche Weisheit Eindruck
machen. Iſt nun gieich auf dicſem Wege “eine. voll⸗
B . Toms,
103) An Ingairy into the cause and origin of
. Evil, in which the principal phaenomena of na-
» ture are explained according to the true princi·
ples of Philosophy: more particularly. in. Answer
to Mr. \Bayle - and other Defendars. of the an-
tient Manichegan ‚Scheme of two independent
principles. Being the substance .of eight ser- \
“uons preached in the Y. 1719 — Ey John
Clarke. London 1720, 8. Als sweiter Theil: An
Inquiry iuto the cause. and“ origin of moral
Evil. "In which the present state and condition
of Mankind is considered and explained . upon
the trae prineiples of morality- and revelation
— London 1728. 8, -
. King, Phyſikotheologie. 3897
kommene Beſiegung der’ Zweifel nicht moͤglich, wenn
die Erfahruugen. on Unordupngen und ‚Mißverhälte
niſſen nicht erdichtet ſind; ſo kaun Doch Dusch die Hiu⸗
kung, der · Reflegiog Hu Bwedmäßige: In der
Path. die: Befshefbrüe.. und alljeitige Erwägung dieſes
Ocnenfianges befärdrt”werden, : -Diefed vendienſt has
ben fh Dres hat, und Ray beſonders erworben, qu⸗
Ber dem, ‚daß fie die Naturforſchung durch neue Xufi or
ten und Beziehungen befördert: haben 23). .
Währenp dieſe and, andere Denker bemüht —*
auf den Grund der Erfahrungserkenntniß ben Wahre,
heiten ‚der Religion eine feſte Stuͤtze zu geben, traten;
einige Denber auf, welche dieſes Fundament ſelbſt zers
"Richteten ; nicht in der. Abſicht, um die Religion ihrer,
. Stäbe zu.berauben, fondern durch eine fepärfere Pruͤe
a der Veſchaſeꝛhen der menſchlichen Erkeuntuiß.
Der
ZN V. Derkam’s Physico,-Theology ‚or. a de-
monstration of the being. and attributes of God,
from his works of creation, London 1713. 8
Es ift vielmals aufgelegt worden: Theologie Phy.
sique,: Rotterdam 1726. ' 2 Voll. 8. #bysico-'"
Theologie, oder Natkrleitung zu Gott, Hamburg:
n. Ausg. 1750, 8. WW. Derham’s Astro-Theolo+: ,
gy or a demonstration of Ihe being and attributea
of God from a Survey of the Heavens illustras .
ted with Copper-plates. London 1714. 1715.
8. Theologia« Astronomica, Napoli 1728. 4.
. Theologie Astronomigue. Paris 1729. 8. Aſtro⸗
theologie. Hamburg 2745. 8. - John Ray three
- —— theological discourses. London 3721. 8..
Arie Wisdom of God in the works of creatioı
by Jolin Ray. 6 Ed. Löndon 1714. 8. — Erang.’
- !Neberf. Vexistence et lä sagesss de Dieu mani- '
-Sestöes dans les osuyres de la creation. Utrecht.
Da 27 90 83. Er
N
>
v.
" 398 Eiebentes Hauptit; Erſte Abth. Fünfter Abſchn.
Der Idealismus, oder bie Behauptung, daß die Vors
fiellungen von Dingen außer und, von. einer Körpers”
welt, teine objective Mealität haben, und die Objecte
jener Vorftellungen zwar ſchelnen außer uns zu feyn,
aber nicht wirklich da, fondern nur in dem Vorftels
lenden find, war ſchon durch die Philofophie des Care
tefius und des Malebranche vorbereitet worden. Denn
indem Cartefius von dem Gedanken ausging, man koͤn⸗
ne und müffe an Allem zweifeln, die Exiftenz des Ichs
auögenommen, um zu einer gewiffen Erkenntniß zu
gelangen, und dann nur in der Wahrhaftigkeit Gottes
äinen Weberzeugungdgrund von der Wahrheit der Er⸗
fahrungserfenntniß fand, fo fah es, nach diefer Philos
ſophie, um die Iehtere etwas bedenklich aus.” Male
branches Behauptung, dag wir alle Dinge in Gott
ſchauen, behauptete zwar wicht das Nichtfeyn der Koͤr⸗
permwelt geradezu ; allein er gab doch eine Erklaͤrung
son den Morflellungen, welche das Dafeyn der Außens'
dinge entbehrlich machte. Locke ging zwar in entge⸗
gengeſetzter Richtung von der Wahrnehmung ans, und
ghündete darauf, als auf das unmittelbar Gewiſſe, ſei⸗
ne Philoſophie. Aber er fand es doch hinterher noͤ—
thig, die Eriftenz der Körperwelt durch Gründe zu bes
welfen, welche fehr ſchwach waren. Die-Unterfcheis
dung der urfprünglichen und abgeleiteten Eigenſchaften
der Außendinge konnte nicht den Zweifel niederſchla⸗
gen, daß der ganzen Vorftellung eines Körpers nichts .
Reales entſpreche, die Worftellyngen von Raum und .
Zeit, deren auffallende Eigenthümlichkeiten jegt immer
ehr an das Licht traten, während der Grund und
. bet Urſprung berfefben "immer ftreitiger würde, muße
ten endlich mohl einen Denker auf den Gedanken brins
gen, daß es mit ünferer Erfenntniß zine ganz andere
Bewandtniß habe, ald fie nach. dem gemeinen Bewußts
ſeyn vorgeſtellt wird. Diefes thaten zwei Gelehrte in
- Engs
Goflier unb /Verkeley. Be 399 J
England, welche Zeitgenöffen ‘waren, Collier und
Berkeley. Beide bedienen ſich ſo ziemlich derſelben
Gruͤnde, und ſchließen auf dieſelbe Weiſe, daß ein
Koͤrper, wie er vorgeſtellt wade, außer den Vorſtel-
lungen nicht exiſtiren kann, und daher auch wicht wirk⸗
lich. exiſtirt. Aber in der Form und Darſtellungsweiſe
derſelben weichen fie von einander ab. Auch iſt Ver⸗
keley durch feinen Idealismus berühmter geworben, weil.
er ih. einer‘ gefälligen Form des Dialogs feine Anſich⸗
tem vortrug ‚- Durch dieſelbe den. Schein einer größern
Gruͤndlichkeit erhielt, und die in der Vorſtellungsweiſe
elnes Außendinges, in den Vorſtellungen von Raum,
Ausdehnung, Subſtanz Tiegenden Schwierigkeiten. noch: »
ſchaͤrfer entwicelte. . Die Schrift des erfiern hat m
" auch viel ſeltener gemacht.
J Collier geht durchaus Kost zu Werke. Er.
ſtellt den Satz: es gibt keine Außenwelt, d. i. was
man unter Koͤrper, Ausdehnung, Raum, Materie, Groͤ⸗
ße verſteht, hat kein ſolches Daſeyn außer der Vor⸗
ſtellung, daß es für ſich, unabhängig von den Gedan⸗
ken und fo exiſtirte, daß es, wenn es auch kein den⸗
kendes Weſen ſich vorſtellte, es dennoch wirklich de
waͤre, auf, beweiſt dann denſelben erſt aſſertoriſch,
dann apodiktiſch, indem er die Unmöglichkeit eines ſol⸗
chen Daſeyns darzuthun fucht. Jener Beweis gründer
ſich darauf, daß das ſcheinbare und das wirkliche Das
ſeyn unterfchieden, und dann aus mehreren Factis, wo
‚man ſich einbildet, etwas als wirktich wahrzunehmen,
was doch Fein wirkliches Seyn hat, gefchloffen.wird, -
daß überhaupt Alles, was wir uns fo vorftellen ,: als
ſey es außer den Vorftellungen, nur in det Seele ſey.
Es gibt keinen Zuſammenhang, weder unmittelbar, noch
mittelhar, zwiſchen dem fheinbaren Seyn eined
ſichtbaren Dinges und feinem wirklichen Daſeyn.
Viele
400 Siebentes Hauptſt, Erfte Abth. Fuͤnfter Abſchn.
Vielmeht folgt daraus, daß wir etwas ſehen, daß. es
der Seele gegenwaͤrtig ſey, ein Seyn in der Seele has
de, und folglich nicht auch außer der Seele ſeyn Fine
ne, welches fo. viel wäng, als. der Seele nicht gegens
waͤrtig, bei nicht gefehen werden 102). Daher
kommt es, daß die Philoſophen fo viele vergebliche
Berfuche angeftellt haben, das Gehen und Wahrneh⸗
men. zu erklären, wie, Ariftoteles, der die fonderbare
Lehre von einem thätigen -und Teidenden Berftande, von
eingedrücteh und auögedrücdten Formen dazu erſonnen
hat. Die Fragen und Antworten, welche diefe Philos
fophen in Unfehung der Materie aufwerfen und geben,
beweiſen klaͤrlich, daß fie von einer Sache ‚regen, wels
che fie nicht fahen, - ja weiche gänzlich. unficptbar iſt.
Denn-Fönnten fie wohl zweifelnd fragen, ob die Ma⸗
terie da fen oder nicht, ob fie ein actns entitativüs,
ober eine bloße potentia fey, ob wir, ihr Dafeyn er⸗
kennen ‚Können, wenn fie.dafür hielten, daß fie! die
‚Materie wahrnaͤhmen? Die-Einmürfe aus dem’ allges
5 . w oo: mei⸗
404), Collier allgemeiner Schlüffel, ie
Eſchenbachs Sammlung ©. 347. Es iſt naͤmlich auf
keine andere Art möglıd), daß ich ein Ding fehe, als '
daß dieſes Ding meiner Derle gegenwärtig If. Kann
wohl ein Ding. der Seele gegenwärtig frpn; das aus
Ber ihr zu feyn angenommen wird? — Iſt/ deun nun
die Gegenwart eines Dinges nothiwendig, wenn. man
es fchen foll: fo kann ein geſehenes Ding Wnmöglidy >"
außer ung und im einer gewiffen Weite von ans ents
fernt, ober yon ung unabhängig feyn. Und folglich,
wenn man fagt, ein Ding iſt außer uns ‚da, fo
ann dieß, genau zu reden, nichts ander heißen, als
es wird nicht pon uns geſehen'oder eme
pfunden. Nun ſind aber bie Dinge, von denen
wir veden, folde, die wir fehen. Und folglich And
die Dinge, davondie Rede iſt, nicht außer uns da. ;
Bew. . va \ BR)
‚Golier's Idealiemus.. 401
meinen Glaaben. an sine. Außenwelt, aus dem Beta⸗
fen, aus der Wahrhaftigkeit Gottes werden gruͤndlich
gehoben. Jedoch iſt die -Weantworsung des zweiten
mißlingen, ‚Denn wenn 3 auch wahr iſt, daß das
fichtbare Ding (oder beſtimmter, das. Sichtbare-an. eis
nem Dinge) : nicht: gefühlt oder betaſtet werden Tann, .
ſo iſt ¶doch die durch das Betaſten enrftehende Ems
pfindung und, die darauf ſich gruͤndende wenige
Ueberzeugung a nic wegdioputiu.
unter den neuen Veweiſen, welche: bie Unmöge
uchta einer ‚äußern ſichtbaren Welt darthun ſollen,
find. mehrere, die wenigſtens bedeutende Einwürfe gegey
die Eriftenz der Außenwelt find, aber auch einige, die ſo
ſchwach find, -daß-fie ‚nothwendig Zweifel gegen die
Nichtigkeit des Hauptreſultatz erregen müffen. Eine
> fihtbare.,. von uns wahrgenommene Welt Tayız King
äußere ſeyn, folglich kann auch umgekehrt eine Außere-
Welt. Feine ſichtbare ſeyn. . Daraus folgt, daß eins
Außenwelt von uns nicht: wahrgenommen ‚und erkannt
werden kann‘, „es müßte den durch ‚eine „Offenbarung
fenn. Sie Tann nicht durch die Vernunft. u.
wicht, dunch die Sinne erkanut werden; nicht das erſte,
well eine ſolche Melt doch ein Geſchoͤpf, und als ſol⸗
hes-gufällig und endlich ſeyn müßte. Das Daſeyn eigeg
zufäfligen. Dinges kann aber die Vernunft nicht grweijen,
weil.fie:fich" allein mit nothmwendigen und zwigen Dins
gen befchäftige, ‚Die, Sinne koͤnnen und, nach dem:
Obigen, keine Kunde davon “geben, Die Dffegbarung
unterrichtet und nicht- davon. Wenn; die. äußere Welt
wisttich if, fo. muß fie, als erfchaffen, von Gott, ihr
Daſeyn sehalten haben, weil Gott ihr: Daſeyn gewollt
bat. Run Laßt ſich aber nicht eine. einzige Abe
ſicht denken, wozu fie erfchaffen feyn, und. wozu fie
nügen folte. Folglich iſt das Dajepn der Welt in ,
Kennen, Geſch. d. Phil, XI-&h & Rice
’ —
vi J 1
402 Eiebentes Hauptſt. Erſte Abth. Fünfter Abſchn.
gtckſicht auf Ihre Urſache Cäuferfich) uumoͤglich. Daru
kommt drittens die innere Unmoͤglichkeit; deun ber
Begriff derſelben enthaͤlt Widerſpruͤche, wenn man ſich
dieſelbe fo vorſtellt, daß fie an ſich eine Groͤße und
Ausdehnung habe. Der Widerſpruch befteht darin, daß
viefe Größe zugleich endlich und unendlich if, oder
feyn muß. — Die Ausdehnung iſt der Schaudflecken
Philvſophen, weil fie von der Art ift, daß fie eis
men unumſtoͤßlichen Beweis für und gegen ſich hat.
Einige Philoſophen nehmen ald Hypotheſe an, daß die
Ausdehnung endlich, andere, daß fie unehdlich ſey, je
nachdem fie die eine oder die andere Voransfegung für
zuträglich für ihre andern Säge halten. Keiner ift
aber noch fo kuͤhn geweſen, daß er, nachdem ex das
\ eine oder dad andere angenommen, die. Gründe des
Degentheils umzuftoßen ſich unterfianden hätte, Dass
‚jenige, was nun’eine endlihe und unendli—
he Größe oder Ausdehnung, zugleich bat,
das iſt ein Unding, und kann fein Dafeyn
haben tes). Ein ſoiches Unding iſt auch die Dates
tie it Anfehung der Theilbarkeit, weil ihr zugleich ei⸗
we endliche und unendliche Theitbarkeit zukommen müßs
"se. Aus dem Dafeyn einer ſolchen Welt folgt auch,
daß keine Bewegung möglich iſt. Als Geſchoͤpf
Gottes müßte ſie als beweglich gedacht werden;
dem die göttliche Allmacht kaun eine erſchaffene Wins
terie bewegen; "allein aus der unendlichen Ausdehnung
folgt ‘dagegen, daß weder die ganze Welt, noch ein
Theil fih bewegen lann. Das erfte darum, weil ein
ins Unendliche ausgedehnter Körper nicht Yähig iſt,
durch irgend 'eine Macht bewegt zu werden; das zwei⸗
te: denn ein Körper, der ſich bewegt, muß von einem
Ort ober Punct zum ‚andern gehen ‚ und alle Theile
bes
105) Eotlier e. 384. 308,
Eoliers Idealismus- Benin 405 ur
des Raumes. ober ber Linie, die er durchläuft, bes
rühren, und fie alfa theifen. Alle dieſe Theile mit ein
auder find aber.eine unendliche Menge, und die Nas’
endlichleit Diefer Menge iſt ungereimt 406 ‚Wenn
man dad Dafeyn einer Außern Welt annimmt, fo
führt jebe Erklärung, die man. von. dem "Sehen geges
ben Hat,’ auf unausbleibliche Schwierigkeiten, . Collier
bleibt aber nur bei der Ariflotelifchen ſtebeu, nach weis
cher aus den Dingen Heine Bilder aus und in das
Auge übergehen. Wenn man die Welt als außer uns
bafepend annimmt, „fo verſteht man darunter. ein Ding,
das nicht in der Serie umd von ihr abhängig, fondern
ein für ſich befichendes Dafepn hat. Run fol aber
doch diefe Welt son Gott geſchaffen fen, und: folglich;
muß fie- ein von Bott abhaͤngiges Sepn haben Dam -
müßte alſo wiederum in ihrem Begriff die zwei wider
ſprecheuben Begriffe: abhaͤugigeq und unabhängiges
Daſeyn, verbinden. Nimmt man endlich eine äußere
Welt an, „welche ausgedehnt iſt, fo folgt vie Unges
reimtheit, daß Gott zugleich mit derſelben ausgedehns .
ſeyn muß, weil er. allenthalben und bei jedem Theile
der Welt gegenwärtig.ift. Es ift aber ungereimt, ſich
Gott als ausgedehm zu denken/ und außerdem mug '
man entweder annehinen, "daß zwei uvendlich Ausger -
„behnte "zugleich da. find, ober daß entweder hur.die
Welt, oder nur Gott, exiſtirt 1202). Zuletzt fichrier 5
uoch in den Vorſtellungen - der. Philoſophen dom ber
Materie und den Beweijen- für-thte Wirklichkeit, Infos
fern daraus das eigene Geſtaͤndeiß hervorgeht/ daß
man von. der Materie‘ nicht weiß, was fie if, und⸗
alſo auch nicht, ob fie iR, eine Anerfütung feinge —*
a0} Eee n.
— 107) Collier ©, 423 Re
> g04 Ciebentes Haupiſt. Erle Abth. Fünfter abſchn.
beantwortet einige -Einwürfe,- und zeigt den Gebrauch
and ben Nutzen derſelben, beſonders in der Religion,
dor) Zanaͤchſt nur in der Lehre vom Abendmahl, zur
Widerleguug der Zranoſubſtantiation.
„Berkeley gab dieſer Lehre eine ; größere Bedeu
tung: indem er glaubte, daß darch fie die Geiftigfeit
der ‚Seele und: das Daſeyn Gottes vollfommen bewies
fen, der Skepticismus und Atheismus von Grund aus
befeitigt und auögerottet Werde. Auch hat er dieſelbe
auf eine faßlichere Weife darzuftellen: gefucht, wozu
nicht. allein. die Geſpraͤchsform eines feiner Werke, fon
Bern auch der Umſtaud; daß or zunaͤchſt von anthropos
bogiſchen, nicht von metaphyſiſchen Gründen ausging,
amd den Idealismus durch die ſchaͤrfere Vergleichung
der: wfprünglichen und’ abgeleiteten Eigenfchaften, was
aus der Lockeſchen Philoſophie allgemein befannt war,
herleitetez Bei dem allen konnte doch der Idealismus
weder durch den Scharfſinn, noch durch den ehrwuͤrdi⸗
gen. Character des Berkeley dew Sieg: über die allges
meine Unberzeügung ‚geroianen, ö
m
—
an: George: Berkafey war. m. Riterin in Inland
912. Marz 2664 Hebofnn Seine trefflichen Faͤhig⸗
Reisen bildete er duch "Fleiß in den Studien in der
Schale · und in dem Trinktärscollegium zu Dublin aus,
we ev-bald für das grfte Bente, bald fuͤr den größe
wen -Duminkogf.gehaktkt :murde; ‘denn: er beſaß einen
durchdringenden Verftanb- bei einer lebhaften Einbil⸗
dungskraft, welche ihn ‚yaweiten mit ſich förtriß.” Sekt
Charakter. war ehrwärbig‘; ‚ein reines ſitzliches Gefuͤbl,
eigennügige Liebe des Guten, firenge Pflichtbefol⸗
gung, Beförderung ded gemeinen Veften; mis, Selbſt⸗
aufopferungen, war ‘die Seele feines ganzen Lebens
und Handelns, Seine Tugend: wurde ·auerkaunt, aber
. von
' Beitelep. . u: O 408. “
von Dielen für PORN ‚gehatten ·oe). ¶Nachdem·
en-ginem: parriotifchen Unternehmen, ein Collegiam gzur
Bildung der Wilden in Amerika zu gründen, Zelt "und:
Vermögen vergeblich aufgeopfert hatte, weil die Mei
+ glerung: daffelde nicht fo: unterſtützte, wie ſio Hoffnuug
- „gemacht hatte, kam er aus Amerika zuruͤck; and pille
endlich mit Mühe das Visthum von Eloyne: in · iFro⸗
land/welches weder durch bie: Lage, noch darch: das
Einlommen das anlockendſte war. Er wußte fich abert
dieſe Stelle durch eifrige Erfuͤllung feiner Amtspflich⸗
ten ſo angenehm zu machen, daß er nie in Verſuchung
Ta, fie gegen eine befiere: zu · vertauſchen. Auch war.
ihm; fein Kirchſprengel mit · inniger Liebe zugerhan.. Er
verließ fein Bisthum nur gegen das. Ende feines Leo ,
bens ; theild um die Studien: ſeines Sohnes ſerbſt zw
Oxford zu leiten, theils feiner ſchwaͤchlichen Gefünne
heit halber. Er ftarb zu Oxford den 14 Januar
1754. Seine erfien Schriften hatten Mathematik und .
Philoſophie zum Gegenftande, welche ihn unter-allen .
Studien vorgiglich imereſſirt Hatten. Berühnit machte
ihn zuerſt die ſcharfſinnige Theorie des Sehens, wor⸗
"in er die Anſchauungen des Geſichts und des Betas
ſtungsſinues ſchaͤrfer unterſchied „als es nach Yangent
Gebrauche beider Sinne gewöhnlich iſt / und dadurch
das eigentliche Object des Sehens beſtimmte. Hier⸗
auf folgten die Schriften, worin er den Idenlismus
entwicelte, nämlich feine Grundfäge der minſchlichen
Erkenntniß, und ſeine Geſpraͤche zwiſchen Hylas und, -
Philonous. Seine Anſicht von der Philoſophie, daß
er den „gefunden Merſchenberſtand derlelden vorzog,
vo“ wels
108) Das Lob, dat ihm der Diquꝛer Pope ertheilte,
üft betannt:
To Berkeley every” viriue under heaven.
406 Eissentn Hau. Eiſte Wih. Fünfter Abfhn.
weiche, vecht verſtauden, Wahrheit enthält, ſprach ſich
in feinen Aleiphron zu ſtark aus, fo daß viele glaubten,
«8 follte durch eine, zwar wohlgemelnte, aber übel ver»
ſtaudene Myſtik alle Vernuuft verdrängt werben. Das
her erſchienen gegen diefe Schrift mehrere Streitfchriften,
dahingegen fein Idealismus nur gelegentlich iſt ange⸗
ſochten worden. In der Folse erregte auch eine andere
Schrift der Analyſt, worin bewieſen werden ſollte, daß
die Mathematik nicht nur Geheimniſſe, ſondern auch
Falſchheiten, unter andern die Flurlonen enthalte, eben⸗
BUS einen Iedhaften Streit. Die Veranlaffung. dazu
hatie die Aeußerung eines großen Aſtronomen gegeben,
daß das Ghriftenthun -Keinen Glauben ‚verdiene, weil
«8 unbegreiflich fey. Berkeley wollte alfo bas Chri⸗
genthum duch einen Angriff. auf die Mathematik. der⸗
iheibigen, der: nicht noͤtbig war und fehiſchlagen mußs
1 2400 55 “ I ..
108) Theory of vision by G. Berkeley. London
‘1709. 8. Trektiee ou ihe principles of human
knowledge. London 1710; 8. Threp Dislognes
betwsen Hylas and Philonous. Londön 1713. 8.
Alciphron or the minute Philosopher. : London
N "1732. 3. Works London ı 4. 3 Voll., vors
- an das Lchen des Berkeley von Ar buth noth, wahr⸗
ſcheinlich daſſeibe, welches audy vorher befonders her⸗
ausgekoinmen war: an actount of ihe Ufe of G.
Berkeley. Landon 2776. 8. ®on ben Gefprächen
kenne ich zwei deutſche Weberfegungen, Die erfte bes
finder fi in der Sammlung der vornehmſten Schrift
ſteller, die die Wirklichkeit ihres eigenen Körpers-und
der ganzen. Körperwelt leugnen; enthaltend: Berke⸗
ley s Seſpraͤche zwifhen Kylas und Philonens, und
des Eollier's allgemeinen Schläffel ,-überfegt-umd mie
widerlegenden Anmerkungen verfchen, nebft einen
Anhange, worin die Wirklichkeit der Körper erwiefen
wird, von J. Chriſt. Efhenbad, Roſtock ‚756.
\ u ;
_ — —
7 epfeley's Idealismus. 407
Der Ideallomus des Berkeley hatte, außer den
oben angegebenen Urſachen, noch einen befonderm. -
Grund, der aus feiner wahrhaft frommen Denkart ent⸗
ſprang. . Er hatte ſich naͤmtich überzeugt, daß die Vor⸗
ausfegung der realen Eriftenz der Materie den Skepti⸗
mus und Atheismus befonders begünftige habe,
und daß alſo Fein tuͤchtigeres Mittel zur Ausrottung
' deſſelben gefunden werde, ald die Wegräumung feines
Grundes. „Was die unbedingte Exiſtenz der Materie
betrifft; fo. habe ich niemals etwas Sinnloſeres, etwas
Verwirrteres gehört. — Aber ich will Ihnen einraͤu⸗
men, daß die Materie eriftirt, und daß der Begriff
son ihrer‘ unbeblngten- Exiſtenz fo ar iſt, als der
. Xagz wire man beswegen. berechtigt feyn, zu fagen,
daß es dadurch Leithter wird, die Schöpfung zu glau⸗
ben? Und hat die Sor ausſetzung der Materie nicht im
Gegentheil den Atheiſten and Unglaͤubigen aller Jahr⸗
hunderte die ſcheinbarſten Argumente gegen die Schoͤpe
hung verfchaffe? Daß eine koͤrperliche Subſtanz, weis
cher man:eine unbediugte, außer dem Verſtande bes
ſindiiche Exiſtenz gibt aus Nichts, und durch den
dloßen Willen eines Geiſtes hervorgebracht worden,
das hat man oft für fo widerſprechend und fo unge-
reimt gehalten, daß nicht allein die‘ berähmteften alten.
Phitofophen, fondern andy einige neuere und chriſtliche,
die ‚Materie mit der Gottheit fuͤr gleich ewig gehalten
Haben‘! 220). Bertkeley war feſt entfchloffen, jede
Mei⸗
8.5 die zweite in vaceley philoſophiſche Werke
ftir Band. Lelpzig 1781. 8., wovon nichts weiter
erſchienen if. Voran rer en ein Eumurf.des Lebens
won Berkeley:
110) Sefpräge zwifhen Kplas_ und Dpiter
n odus. Deutſche Weberf. ©. 356 u207.
408. Siebentes Haupif. Erfte un. Finfterd abſchn.
Mehnung zu verwerfen Fr welche geradezu. "auf den
Skepticismus — und davon war ja der Weberging”
zum Atheismus fo Leicht — führte; im Gegentheil
\ , war e8 fchon ein’ wichtiger Grund für" die Wahrhettieke
ner Behauptung, wenn fie ‘den Skepticismus zerſtoͤr⸗
te *x1). Zudem er nun die geifiktne Vorſtellung von
materiellen Subftanzen und” einer Koͤrperwelt,⸗ welche
außer der Vor ſtelung daſey und exiſtire, genautt ers
wog, fand er, daß darin’ der Hauptgrund des Steps
‚ticismus liege, und außerdem noch die größten Anger
reimtheiten enthaite. J
Sinnliche Dinge find fie, weiche wis: durch.
die Sinne, wahrnehmen, und zwar zuꝛmittelbar; Dem
‚mit dem unmittelbar Wahrgenommenen, z. B. Morten,
‚die man hört und lieſt, koͤnnen fig andere Vomellun⸗
gen, wie'Gott, Tugend, ‚Wahrheit, verbindem, wel⸗
che nicht finnfich find. Unter: ensfinnlichen „Dingen
iſt alſo etwas / zw verfichen, mas mumitselbag
wahrgenommen wird, deſſer Seen nur. in dem,
MWahrgenommenmerben befteht, und aber, ald ſolches,
kein Daſeyn außer det wahrnehmenden Seele hat, Hy⸗
las behauptet Davon. da& Gegentheil, uud gibt. den
ſinnlichen Dingen, außer dem Seyn in der Seele,
noch ein reales · Seyn ‚und Exiſtenz aufer- der Seele,
Dieſes -zu-befireiten iſt nun die Hauptabſicht des Ber⸗
keley. Die ſinnlichen Vorſtellungen, als Wärme, Kaͤl⸗
‚te, Barbe, Geruch, Geſchmack, find nur etwas von der .
Seele Empfundenes, und man kann nicht fagen, daß
Wärme, Farbe u. ſ. w. etwas Reales außer der Seele
fey. Denn ſo wenig man -die Empfindung , die man
durch den Stich einer Stecknadel erhält, der Steckna⸗
u beilegt, eben - ſo wenig kann man die Empfindung
der
2) Sefpräge © 73.
Vomeleys Preäkitenus:. 49
mehr daraus, daß man. feinen ‚großen Grad von Wäre
me. .und\:Rälte ohne Schmery,;ı fo.wwie,eiden mittlere
Grad ver Waͤrme · ohne Vergnügen empfinden ‚anna
amd men alfo Scherz und Vergmigen dem euer beis.
Tegen muͤßte, wann. dad Feuer warm, und die- Kälte
kalt feyn follte: ';Dann- folgte ‚ferwer die Ungerelnata
heit, daß ein und daſſelbe Ding, z. B. Waſſer, kalt
und warn zugleich ſeyn muͤßte 2122). Daſſelbe gilt
auch von den ſogenaunten urfprünglichen Eigen⸗
ſchaften: Ausdehnung, ‚Figur, Dichtheit, Schwere, Wen
wegung, welche son Lode jenen zufälligen Eigene
ſthaften enitgegengefetst, und ven Außenfiigen als we⸗
feirttich” beigelegt werden. Denn’dann würde folgen;
daß ein und derſelbe Gegenftand groß und Hein, glatt
und- rauf, eben und höderig, eime und diefelde Bewer
- gung langfam und geſchwind ſeyn müßte; es würde
folgen, daß ein und derfelbe Gegenſtand widerſprechen⸗
Be Eigenfchaften beſaͤße, ja daß es noch derſelbe "Ge
genſtanb fey, "wenn auch feine weſentlichen Eigenfdjafs
ten verändert ‘worden 22°), " Man ’barf nicht fagen,
daß die fü ſinnlichen Eigenſchaften: Wärme, Farbe, Ton
u.
112) Befprige®.. make . es
213) Sefpräge ©. 128. Soßen &ie nicht juge⸗
fanden, daß keine, irgend einem Gegenſtande zukom⸗
arende Eigenſchaft deſſelben, ſie ſey, welche ſie wolle,
verändert werden koͤnne, ohne daß dieſer Gegenſtand
ſelbſt veraͤndert werden müßte? — Aber die ſichtbare
Ausdehnung der Gegenſtaͤnde aͤndert ſich, nach Maß⸗
gabe der Entfernung, aus welcher wir fie ſehen; weil
fie, von gewiffen Weiten gefehen, zehnmal und hun⸗
-, dertmal größer ft, als von andern. Folgt nun dar⸗
“aus. nicht, daß die Ausdehnung keinem Gegenftande
— eigentlich zutomme?
u ‚ R
der * dem Feuer beilegen. ¶ Diefed ahelt noch
J
4ıq, Siebentes Hauptſt. Erſte Abth. Fünfter Abſchn.
® fi w. doch ein Subſtrat erfordern, vom weichen fie‘
gleichſam getragen. werden. Denn dieſes Subſtrat,
dem die Ausbehmung wid die Nubrigen Eigenſchaften
‚ anhängen ſollen, muͤßte doch ſelbſt ausgedehnt ſeyn,
and eine zweite Ausdehnung haben, um das Eubftrat:
don biefer Ausdehnung zu ſeyn, und ſo ins Uu=
cudliche fort. Man kann keinen verftändlichen Gin
mit. der Annahme ber "Materie als Subſtratum oder
18 Subftanz verbinden, noch begreifen, wie bie finne.
lichen Eigenfchaften auf ir: oder-über ihr fiehen fols
in 22), '
. Man fieht wohl, daß Berkeley auf einem Boden:
‘td. befand, wo, er der Schwierigkeiten’ fehr viele fand.
Er hätte mod) tiefer einbringen Tonnen, wenn es feine
Abſicht gewefen wäre, das Erfenntnißvermögen ‚zum.
@egenftaude feiner. Forſchung zu machen, und die Vor⸗
Feungen von Raum und Zeit, Materie, Bewegung,
Fe Urfache hätten einen reichlichen Stoff von
Betrachtungen dargeboten, Veſonders hätte auch die
Erfahrung ‚und die Erzeugung. der, Erkenutuißurtheile
Aufmerkſamteit verdient. Diefe Gegenftände find. zwar
vicht ganz übergangen, aber auch nur flüchtig berührt,"
in der Abficht, zu zeigen, daß die gemeine Vorftels
Tungsweife zum Steptirismus führe, . In diefem Mans
gel an umfaffender | Upterfuchung ’ befonber& über das
Verhaͤltnig von Sinnlichkeit und Verſtand, iſt der
Schein gegründet, welchen Verkeley's Idealismus her⸗
vorbrachte, aber auch die unuͤberwindliche Ucherzeus
gung von dem gemeinen Bewußtſeyn, daß das Wahre
genommene etwas ſey, weiche Berkeley mit allen
Gegengrünben wicht vertilgen konnte. Indem er ſich
an bie Function der Sinne, welche in dem unmittels
224) Sefpräde ©. 185-163.
Boeileleyb Zdealsnüs. ge
baren Wahrnehmen beftcht, und i'm; Die richeige Ber
merkung hielt, daß das unmittelbar Wahrgenommene
die Farben, Töne, Geruch, eſchnach Härte, Weide
heit u. ſ. w. ift, aber noch wicht auf die gefeinäßige
Function des Verſtandes In der Verbindung des Manz -
uigfaltigen der ſinnlichen Vorftelungen mit’ erfoberlis
ger Aufmerkſamkeit geachtet hatte, mußte die Objectie
vitaͤt der Erfahrung verſchwinden, und nur Schelnobjecte
mußten übrig bleiben, weiche nicht mehr Auſpruch auf
objective Realität haben konnten, als die Gebilde der
Einbildungskraft und die Geftalten der Träume.
Wenn dagegen her Gegner Hylas auf‘ DAB Mes
" wußtſeyn drang, daß durch die ſinnlichen Wahruchs
mungen doch etwas wahrgenommen werden muͤſſe, ſy
wurde er durch die Bemerkung, -daß in dem Objecte
der Wahrnehmung das Einzelne das uumittelbar Wahre
genonmenene fey, welches in der Seele dafep,. fo in
die Enge getrieben, daß er endlich eingefichen mußte,
es ſey dieſes Object nur Schein. Dem man. Barinte
nur den Gegenfatz von realem und Schelnobject; oder
vielmehr die bier und da hervordaͤmmernde Unterſchei⸗
dung zwiſchen dem realen Object, wie es an fi if,
und wie es erfcheint, war noch zu neu, zu wenig be
gründet, als daß in dieſer wichtigen Frage von ihr
hätte Gebraud) gemacht werden’ koͤnnen. Daher fchien
bier Feine Mahl zwiſchen beiden entgegengefetgten More.
Rellungen Statt zu finden, daß nämlich entweder die
ſinnlichen Vorftellungen nur Schein feyen, deuſelben
aber ein Reales zum Grunde. liege, was man aber
nicht vorſtellen, uicht begreifen, Köune, woburd der
Stepticigmuß ‚gewonnene - Spiel erhalte; oder daß bie
ſinnlichen Vorſtellungen wahr find, ohne daß ihnen ein
reales Object zum Grunde liege, Wahrnehmungen ohne
ein anderes Object, ald die Waprnehmung ſelbſt. Diefe
n letz⸗
J
\
432 Siebentes Bauylſt. Erſte Abth. Fünfter Abſchn.
"Were Miſt elung ſchien bern Verlolen bie: riptigere,
verſtaͤndigere und vorzüglichere zu ſeyn, weil fie dem
Sbkepticismus gar henen Eprelraum laje 115).
Die Finpricpen Vorſiellangen härigen ib
J wie
Berkeley nicht zu ieugnen vermochte, nicht von. unferer
Willkuͤr, und Seibſtthätigkeit ab. Mir Binnen zwar
die. Augen willkuͤrlich oͤfnnen ‚und ſchließen; „aber die
Beitalten und Farben, die wir im erfiern Falle ſehen,
werdein Durch ‚das Deffnen „der Augen felbft "hervorges
bracht, und ed hängt nicht von und ab, was und wie
wir feßen. Offenbar find fie alfo Wirkungen einer Urs _
ſache in und. Der Gegner glaubt darin eine Beſtaͤtie
- gung des Realismus zu finden. Das reale Subject,
weiches wir durch die Wahruehmung und: vorfiellen, ift
Fa das⸗
Wefpräͤche S. '180. 185. Wie kann denn
das; was ſinnlich iſt, dem aͤhnlich ſeyn, was nicht
fuaniich iſt? Ein wirklich an ſich unſachtbares
Ding, kann es eitier B.arbe..ähnlich ſeyn? Oder eine
Sache, die uphdrhar iſt / einem Laut gleich ey?
— Mit einem Worte; if es woͤglich, daß irgend ei⸗
.., ne Senfation, oder einer Idee — etwas anderes
“ähnlich ſeyn koͤnne, als cine andere Senjation, oder
= eine andere Idee von eben der Arc? — Bageh Sie
mir ;.0b Site unter ihren Ideen das Miundeſte finden
tr " Hönnen, was außer der Deele eriftiven kann; .oder ob
Sie .cıwas, een Dies Nepnlihes, ſich voxzuſtellen
vermögen, das zu gleicher Zeit außer der Site eris
Miete? 4 Ste werden aNo durch ihre eigenen. Grund ⸗
ſatze gendthige, die Wirklichkeit der finnlichen Gegens -
fände zu leugnen; weil fie. nämlich dieſe Wirklichkeit
in einer unbedingten , außer der Seele Kefindlichen
Eriftenz, beftchen lichen. Sie find allo ein Steptis
ter; nicht ich; und auf diefe Weife haͤtte ich ja durch
unfere Unterhaltung erreicht, was ih-mir vorgefegt
habe: Sie nämlich zu überzeugen, daß ihre Grund⸗
füge zum Sfepeieismus führen. . - .
k \ En
De Berfeleys Idealiomus. ab
X
dasjenige Ding, welches aũßer der · Seele eritirt/ ud
im derfelben die Vorſtellungen hervorbringt. Dieſe Von
ſtellung verwarf "Berkeley, richt nur darum, weil et
WVorſtelluiigen und Gefuͤhle, wie fie in dem Bewußt⸗
ſeyn "oorlommen, für fo unzertrenulich hielt, daß may
die eine nicht ohne die: andere ‘auf ein reales Object
als Grund der Vorſtellung beziehen koͤnne, und: das
durch das aͤußere Object, den Koͤrper, zu einem vor⸗
ſtellenden Dinge machen muͤſſe, was gegen dad ‚gemein
‚ne Bewußtſeyn ſey; fondern hauptſaͤchlich wegen des
Grundſatzes: daß die Urſache und Wirkuüg
gleichartig ſeyn müſſe, und es daher unbegreif⸗
lich und unvernünftig fey, anzunehmen, ein Ding, das
Teiner Wahrnehmung fähig fey,. fey die wirkende Urfa=
he von unfern Wahrnehmungen," und wegen ber Uns
begreiflichteit, wie aus Eindrücken des Gehirũs Vore
ffeltungen werden 236). "Daher "wird diefer Realis—
mus verworfen, und behauptet, e8’exifliren Feine Koͤn
" yer’, "fondern nur Gelfter,, und ünfere Vorſtellungen
Fon Aufendingen werden von Gott vielleicht durch ge!
wiſſe Mittefurfachen in und bewirkt: Unfere Vorſtellun⸗
gen haben alſo allerdings einen Grund außer und; dieſer
Aft aber’ ſelbſt ein · vorſtellendes Weſen? Auf den Eins
wurf, daß dadurch Gott, da er das einzige wirkende
‚Mefen in der Welt fen, zum'Urheber des Boͤſen ges
macht werde, antwortet Verkeley, daß er auch-viefes
u Da?
var6y-Geprähe S. a6 fr. ©9073, Es iſt ahus
+ Zweifel noch viel vernunftwitiger, zu ſagen, daß ein
-... ber Thaͤtigkeit beraubtes Diug auf, einen Geift wirkt,
‚und. da das, was nicht die Fähigkeit hat, mahrzunche
I men, die‘ wirkende Urſache von unfern Perception
iſt; eine Behauptung ‚ie fih ges. nicht mit dem zu
allen Zeiten angenommenen Sage; daß kein Ding
‘etwas mittheilen Tann, das es nicht
ur 0
ſelbſt hat, verwäge
J
\ —
41% Sitbentetz Hauptſi. Erfie Mbth. Fünfter Abſchn.
in dem entgegengefehten Syſteme fey, mit dem Mus
terſchiede, daß er ſich in diefem der Materie als einer
Mittelurfache bediene, welches darin keinen weſentli—
chen Unterſchied mache; daß das Boͤſe nicht. in der.
2 phyſiſchen Handlung, ſondern in der Abſicht heſtehe,
amd jene, aber wicht dieſe, von Gott herrühre; daß
‚die endlichen Gelfter bei Hervorbringung der Bewegun⸗
gen durch den Gebrauch eines eingeſchraͤukten Bermös
gens mitwirken moͤgen; daß dieſes Vermoͤgen zwar
von Gott auch erhalten worden, aber dennoch unter
der - unmittelbaren Bentung ihres ‚eigenen Willens
ſieht +9),
Diefer Ideallsmue des Berkeley iſt das Gegen⸗
genſtuͤk zu dem Maiebranchiſchen. Dieſer behauptet,
wir ſehen alle Dinge iu Gott, Berkeley, wir
fehen alle Dinge durch Gott. Nah’ Male
branche ift Gott der Spiegel und der Wahrnehmungs-
treis‘, in welchem "alle endlichen Geifter die Dinge
ſchauen; nad — iſt jeder eudliche Geiſt ein
Spiegel, auf weichem
alle finnliche Worftelungen hervorbringt, oder worauf -
ſich die göttlichen Ideen reflectiren, und dadurch zur
Wahrnehmung gelangen. Malebranche leugnete indeſ⸗
fen nicht das reale. Seyn der Koͤrper, fonderu, hielt eb
nur für zweifelhaft. Entbehtlich wurde aber, durch
feine Theorie der Ideen, bie Körperweit. Beide gin⸗
‚gen von gewiſſen Schwierigkeiten der Erkenntniß, Mas
iebranche außerdem. noch von gewiſſen ——
SGrundfaͤtzen aus, und hielten ſich für berechtigt, Das.
jenige, was ſich nicht begreifen utid etklaͤren lͤßt, zu
werwerfen, ober doc, wie Malebranche, feine Wirklich⸗
keit noch dahiuge ſutt ſeyn zu laſſen · Indem Verkeley
das
an Befpräge ©. arhapk B
tt Geſtalten und Farben, und.
Verfeteys Idealisuus. 416
das Factum des Vewudtſryus, daß mit der Ewpfin⸗
dung die Ueberzeugung von etwas Enpfundenen vers
bunden iſt, und die in der Reflexion nothwendige wech⸗
ſelſeitige Beziehung und Unterfepeidung der Vorftels
Tung, fo daß. ohne Object Fein Subject, und ohne Subs
ject fein Objeet iſt, unbeachtet laͤßt; ferner die Untere
ſcheidung zwiſchen dem vorgeftellten und vorftellbaren
Dbjecte und dem Dinge an fih, wovon wir nur wiſ⸗
fen, daß es ift, aber nicht, was es ift, vernachlaͤfe
Fat; ſo kam er auf das Refultat: dasjenige, was
ich mir unmittefbar vorfelle, und was ich wahrneh⸗
ime, ift.der Seele gegenwärtig; und hat nur ein Seyn
in der Seele, ja ed kann, wegen der fo großen Bere
aãndberlichkeit der Vorfiellungen, und der mit: deuſelben
unzertrennlich verbundenen Gefühle von Luft und Un—
Tuft nur in der Seele ſeyn: denn fonft würde das
Vorgefellte zum Borftellenden gemacht, und der Uns
terſchied zwiſchen Object und Subject aufgehoben.
Diefes Raifonnement hat großen Schein, und iſt,
wenn man nicht Erfopeinungen von Dingen an ſich uns
terfepeidet, unwiderleglich. Aber das Bewußtfepn em⸗
pört fich doch gegen das Reſultat, und es firäubt ſich
gegen den Folgeſatz, wenn auch die Vorderſätze nicht
widerlegt werden koͤnnen. Da folche Lehren, wenn fie
auch noch fo gründlich find, boch nichts vermögen ges
gen das Urtheil- deö gemeinen Verftandes, fo darf” man
fih nicht wundern, daß der Idealismus des Berkeley
weniger Auffehen gemacht hat, ald man erwarten folle
te, Diefes kam wohl daher, daß Berkeley zwar in
der Jugend für ein großes Genie gehalten wurde, in
der Folge aber. immer mehr für einen Sonderling galt,
auf deffen Grillen und Einfälle die größere Anzahl vor
Gelehrten zu achten. fd nicht geneigt fühlte. Nur
einige 'auögezeichnete Schriftſteller haben dieſen Wea⸗
lis⸗
Be
6 Siebentes Hauptſt. Erſte Abth. Fünftet Abſchn.
lismus erwähnt und dem Talent das Berleley Ges
"rechtigleit widerfahren laſſen v8), 5
Auch hat Werkeley ſelbſt durch die Art und Weis
fe, wie er feinen Gegner beſtreitet und deu Idealis-
mus, darftellt, dazu beigetragen, die Wirkung. feiner
Schrift zu fhwäcen.. -So oft auch der Gegner ſich
- für. befiegt erflärt, ſo fommt. doch immer von neuen
die Vorftellung, daß die Empfindungen. und Anfchaus
ungen nicht ganz inhaltslos feyn koͤnnen, ſondern sets
was Reales ihnen zum“ Grunde liegen muͤſſe, zuruͤck,
und ſtellte / ſich als eine unvertilgbare Ueberzeugung
dar, gegen welche alle Vernuͤnfteleien nichts ausrichten
koͤnnen. Ja Berkeley ſelbſt iſt im Grunde von dieſer
Vorſtellung nicht entfernt, nur daß er dieſes Reale
nicht ih den Objecten, der Vorftellungen,, fondern in
den Ideen der Gottheit ſucht. Denn? dadurch geht er
- feibft über die. Vorftellung hinaus, und feht fie in Ver⸗
bindung mit einem Etwas, worauf: fie ſich bezieht, und
\ . . N. | wird
118) Hom—, in den Grundfägen der Kritik erſter B.,
hat eine lange More zur Widerlegung des Idealismus
von Berkeley, die, nicht mit Aberfegt worden iſt. Er
J glaubt, berfelbe Füge fich auf einem Grundſatz deffen
ſich auch Sam. Klarke bediente: daß kein Wefen wire
. fen ann, als wo es iſt, und daß es Folglich auf keinen
„entfernten Gegenſtand zu wirken ‚vermag. Hierauf
hat aber Berkeley, wenn ich mid) nicht irre, ſich gar
nicht geftüßt. &id ‚berrachtese dieſen Idealißmus
> als eine Folge der uͤbertriebenen Speculatlon, ımd-
albs eine Entzweiung mit dem: Gemeinfinue.. Vol⸗
— taive hat ipn.in feinem philofophifchen Lexicon, nach
feiner Art, zu leicht atgefertige. Die Bemerkungen
des Eihenbac über den Idealismus überhaupt,
und insbefondere den Verkeleyiſchen, find hie alle,
“von gleicher Stärke, aber and) nicht alle aus der Luft
gegriffen. * ine hi
“nr . . Hume, . 4147
wird ſeiner Behauptung, daß die finnfichen Vorſtellun⸗
gen nichts weiter ſeyen, als Vorſtellungen, deren gan .
zes Seyn in dem Wahrgenommenwerden ohne weitere
Beziehung auf etwas amdere& beſtehe, uugetren. Auch
wurde Berkeley nach dieſen philoſophiſchen Schriften gegen
alle Philoſophie gleichgültig — eine Berändering, weiche
aus feinem ganzen Charakter begreiffich wird, und wovon
Sich ſchon Spuren ;in. feinen Sehprächen zeigen. 2
Weit größeres Aufſehen machte Hume’s Steps
ticismus, nicht allein in England, fondern auch in
Deutſchlandʒ und fo wie er die Frucht eines ſcharffin⸗
nigen Nachdenkens über das menfchliche Erfenntnißverr \
mögen war, fo hat.er auch wieder auf einige Köpfe
einen tiefen Eindruck gemacht D und große Airtungen
hervorgebracht, 5
David Hume ſtanmite dem Geſchlecht der
ſchottiſchen Grafen von Hume dder Home, und war ⸗
zu Edinburg den 26 April 1711 geboren. Als fein
Baer in feiner Jugend farb, kamen bie nicht betraͤcht⸗
lichen Giger an den aͤltern Sohn, und David erhielt
einen fehr Heinen Antheil. Sie ihn war, wach dem
Herkommen in Schottland, keine andere Aus ſicht, als
ein Officier, oder Rechtsgelehrter, oder Arzt zu wer⸗
den. Die Familie beftimmte ihn zum Rechtsgelehrten.
Ein Gluͤck war. es für ihn, daß feine Mutter, obgleich
- jung. und. för, ganz-der Erziehung ihrer Kinder fich
widmete. Hume befaß Talente, aber fein natürlicher
Hang zur-Ruhe und Mäßigung war bie Urſache, daß
er in den Schulſtudien zwar Fortſchritte machte, aber
ſich auf keine hervorſtechende Welfe auszeichnete. Doch
bitdere ſich in ihm ſehr bald ein lebhaftes Suterefle
für Philoſophie und die Wiſſenſchaften der allgemels
nen Bildung, welches auf fein ganzed Leben ven ent⸗
ſcheidenſten Einfluß hatte, Denn eben deswegen konnte
Tennem. Geſch. d. Phitef, Al. Th. > er
\
418 Siebentes Hauptſt. Erſte Abth. Fünfter dibſchn.
er keinen Geſchmack an der Rechtswiſſenſchaft gewide
nen, ‚and er fand nur in den Beſchaͤftigungen · mit Phi⸗
loſophie und Literatur Befriedigung. feines Geiſtes. Er
fuchte keine Reichthümer, keine Würden, und wählte
ſich einen foichen Lebenäplan, nach welchem er unabs
haͤngig und frei, anfändig, - bei geringem Vermögen
ohne Schulden, angenehm leben und fi) ganz den wiſ⸗
fenfchaftlichen Studien nach. ‚feiner. Lieblingöneigung
überJaffen, konnte. Aus dem Grunde Iebte er eine Zeitz
„fang in Bräntreich, weil es wohlfeiler als in Englaud
wor, außerdem in Edinburg bei feiner. Mutter in "file
der Eingezogenheit, und nur’ einmal bekleidete er ein
Sahrlang die Stelle eines Führers bei dem jungen
Marquis von Annandale, und begleitete den General”
St. Clair als Sefretalt auf feiner’ Expedition nady
Frankreich und auf feinen Gefandtfchaften an die Höfe
von Wien und Turin. Als er fid) in den J. 1732
. 1737 in Frankreich, ” meiftentheits in Landhäufere: bei
Rheichs und Fleche in Aujou aufhielt, arbeitete er fein
erſtes Wert, über vie menſchliche Natur, aus, das er
‚gu. Ende des %..1738 zu 'Zandon- druden ließ "19),
Aber obgleich dad Werk die beiden erfien Theile eines
volftändigen Syſtems der Philoſophie, Logik und Mos
ral- enthielt . (die Politik und Geſchmackslehre ſollten
nachfolgen), mit großem Scharffinn, Kunft und Fein⸗
beit ‚gefchrieben war, und. zundchft zwar von Locke's
Grunnfägen ne, ’ aber tiefer einbrang ‚ und. durch
- einen
\
119) A treatise of human“ nature being en ar
‚tempt to introduce ihe experimental meihod of
reasoning ‚into moral subject; by Dav.. Hume,
“ London 1758. 3 Voll. 4. ®. Hume Abhandlung
ü6.d. mental Natur; nebft kritiſchen Verſuchen über
— Bat, von . 3 Jacob. Halle 1790. at. B
01 Hama ng
„einen -ffeptifchen Ferfchungögeift viele Gegenſtaͤnde weit
ſchaͤrfet auffaßte; fo machte es dach. nicht die geringfie
Senfation. Es entſtand Feine Nachfrage nach demfel-
ben, und ‚felbft die blinden Eiferer erhoben Feine Kla⸗
ge. Hume nannte daher dieſes Werk ferbft ein todt⸗
gebornes Kind, Er ließ fi) indeſſen Durch diefes Miß⸗
geſchick nicht abſchrecken, das Werk, da es nicht fort- ' '
gefegt werben Tonnte, umzuarbaiige, auf. vie Darftele
. Iung der Gedanken den größten Fleiß zu. wenden, und,
um auch den Anftoß, ‚den. die. fpftemasifche Form ges
ben Eonnte, au entfernen, in einer veraͤnderten Geftalt,
in ‚einzelnen. kleinen Abhandlungen. dem Publicum mit
zutheilen. Er gab daher 1742 deu erflen Band feiner ”
moralifchen, pofitifchen ‚und literariſchen Verſuche her⸗
aus, welche eine günftigere Aufnahme fanden. Die
Geiſtlichkeit non Schottland, welche feine Grundfäge
“für gefährtich hielt, widerfegte fich 1746 feiner Bewers
‚bung um die Lehrftele der Moralphilofophie zu Edin⸗
burg, und Beatrie wurde ihm vorgezogen. Als er
fich 1747 in Zürin mit dem General St. Clair bes
fand, arbeitete er ven erften Theil feines Werks über
die menfchliche Natur um, Er glaubte, den "Grund
von dem Schickſal deffelben mehr in der. Form als it
dem Gegenftande ſuchen zu müflen, daher wendete er
noch mehr Sorgfalt auf die Beftimmtheit der Gebans -
ten und den. Stil, und vertheilte den Gegenftand in
mehrere abgefonderte Verſuche. Die Erſcheinung feiner
- Unterfuhung über den menfhlihen Bes
fand, fo war dieſe Umarbeitung betitelt, machte
aber nicht viel mehr Gluͤck, als feine Abhandlung ‘von ,
der menfchlichen Natur. Er hörte bei feiner Zuruͤck⸗
. Tunft‘ von den freien Unterfuchungen bed Dodwell fpres
en, aber Fein. Wort von feinen Unterfuchungen, Doch
bald wurde die Aufmerkfamkeic reger, die Nachfrage nach
feinen Schriften häufiger; die Ben eins
4 »2
420 Ciebentee Haupt, Erſte Abth. Fünfter Abfchn. _
de‘ berůhrten ſeine Auſichien, und Gelehrte, wie Bar
Burton; fingen an, über dieſelben in ihren Schriften
zu fpötteln. Die Unterfuchungen über die Gruudſaͤtze
der "Moral, welche jetzt in London-erfchienen, fanden
gleichwohl anfänglich ‘wenig Beifall, ungeachtet fie "
Hume felbft fuͤr die beſte unter allen ſeinen Schriften
erklaͤrte. Cine di Schrift hatte das Gtüd, daß
fie gleich bei ihr. irſcheinen Beifall fand, nämlich
die 1752 zu Evinburg gedruckten politiſchen Abhand⸗
lungen. Um dieſe Zeit nahm er die Stelle eines Auf⸗
ehers über die Bibliothek der Judiſtenfacultaͤt zu Edin⸗
burg an, welche nut mit einem Gehalte von 30 Guĩ⸗
neen verbunden war, aber ihm die Gelegenheit darbot,
die auderlefenften Schriften zu leſen. Dieß gab ihm
den Gedanken ein, eine Geſchichte von Engtand, frei
von allem Parteigeifte, zu ſchreiben. Er gab fie von,
"1754 an: theifweife heraus, Seine Erwartungen, von
der Aufnahme diefes claſſiſchen Werks wurden aber ehen-
falls fehr. getäufcht, und je einen günftigern Erfolg er.
fih'für die. Gegenwart verſprach⸗ deſto mehr wurde er
durch ‚das Fehlſchlagen in einen Zuſtand von Unmuth
verſetzt, ſo daß er auch aus Widerwillen gegen feine
Mation ſich entſchloß, fein Leben in Frankreich zu Bes .
ſchließen. Der ausgebrochene Krieg hinderte die Yude
Führung, : und die Öffenfiche Meinung "wurde Immer
: einher mit dein Innern Werth dieſes Werks, Nache
dem Hume, in einer glücklichen Lage von Unabhängige
Zeit:und freier Muße, die übrigen Theile der Geſchich⸗
te, und einige andere Schriften audgearbeitet hate
te J da er tſemn Unſehen und den Beifall ſeiner
Schrif⸗
io) Essays and Treatises on several subjects in
ſfour Volumes, a new. Edition. London 1770:
1784, 8. De erſte Band, der veneyı moral, a [
J
x i * a
JR I . .
Hum.e. I 4ar
Schriften. immer mehr fleigen, nnd ſich ſelbſt von der
er 1763 eine Einladung von. dem Grafen van Hart⸗
„Megieräng durch einen Jahrgehalt geehrt ſah, erhielt”
Ford, ihm auf feinem Gefanbtfchaftäpoften nach Paris ,
zu begfeiten, und die Gefchäfte eines Geſandtſchafts⸗
ſekretalrs zu verwalten, welche er, nach wiederholtem
Alnträge, annahm. : Er blieb in Paris bis 1766, und
wurde ald der Mann, deffen Schriften fchon Tange ber
wundert worden, mit Lieblofungen und. Höflichteitäpe-
zeugungen von Herten und Damen überhäuft, ja, wie
Voltaire, beinahe vergoͤttert. Aber Hume war kein
Sranzofe, er wußte diefe Höftichkeiten nicht mit frans
" zöfifcher Artigfeit zu erwiedern, und zerſtoͤrte durch ſei⸗
ne Kälte, geſetztes Weſen Und Ernft die hohe Meir
nung, die man von ihm ‚gefaßt hatte, jedoch. nur in
Anſehung der Geſellſchaftscitkel des Augenblicks. Bei den
Denkern hat er immer in großer Achtung geflanden "2*),
cal and Iiterary enthält, erſchien zuerſt Edinburgh
1742. 8. - Der zweite enthält die political- discour-,
. ses, welche zuerjt zu Edinburg 1752 erfhienen. In
dem dristen kommt die enguiry congerning ‚human _
understanding und a dissertation on passions vor.
Sn.
Die enquity-fam befonders London 1748, 8. herz '
aus, and ift zweimal ins Deutſche uͤberſetzt worden,
erſt von Sulzer, aber anonym, Hamburg u. Leipz.
1755. B., umd dann von Tennemann, nebſt einer
> Abhandlung von Reinhold über den Skepticis⸗
mus, Jena 1793. 8. Der vierte Band begriff die
enquiry concerhing the ‚prineiples of morals, die
zuerſt London 1751. 8. erſchien, und die natural
history of religion, die zu London 1755. 8. das ers
fie Mal ays der Preffe kam.
121) Die Eneyclopedie methodique hat einen lan⸗
. gen Artikel von Hume, und darin jein Lob nicht -"
geſpari.
"400 Giebentes Hauptff. Erſte Abth. Fünfter Abſchn.
In Paris Hatte er ‚mie‘ Rouffenu 'Belanntfchaft "ges
macht; er nahm ihn. 1766 nach England mit, und
wirkte, ihin eine Penfion aus, Uber Freundfchaft
Tonnte zwifchen zwei Männern. von fo erttgegengefeßs
tem Charakter nicht Tange beſtehen. Aus grundloſem
Verdacht, als wenn Hume unter dem Schilde der
Freundſchaft fein Verderben ſuche, trennte ſich Rouſſeau
wieder, nicht ohrie den Schein von großer Undankbars
Ze *22), Nachdem Hume 4767 die Stelle eines
Unter: Staats: Sefretairg angenommen hatte, 308 er
ſich 1769 nach Edinbutg 'zurüd, -Er hatte erreicht,
was er’ fich immer gewünfcht ‚hatte; denn er befaß
jetzt ein Vermögen von 1000 Pfund Einkommen, er
" war.gefynd, munter und unabhängig, Aber nicht lange
geneß’et dieſes Gluͤck; denn feit dem J. 1775 belam
er ein Uebel an den Eingeweiden, welches er bald für
toͤdtlich hielt, wenn eö- gleich, die heitere Stimmung
und die Kräfte feines‘ Geiftes nicht im geringften an—
griff. Ein Beweis davon iſt der Entwurf feines Les
bens, den er im April 4776 aufſetzte. Mit’ derſelben
‚Heiterkeit, mit welcher er darin fein Leben beſchrieb,
und über feinen Tod, fcherzte, farb, er ben n zoflen Au⸗
guft 1776 *2). e
. Se
139) Man ſehe Rouſſeaus confossions, und. feine
Brochuͤre: Rousseau jugé de Jean Jacques. Ex-
pos6 succindt'de la. contestation .qui 's’est elevee
entre. Mr. Hume et Mr. Rousseau avec les pie-
ces justihcatives. Londres 1766: 8. Reflexions
«sur les .confessions de Jean Jacques —e—
par Mr. Servan. Paris 1785. Senebier
ꝛioire literaire de Geneve T. UI.
233) The life of David Hume written by himself.
“ London, 1777. 18. franzäfiih daf. 1777. 12. las
teiniſch daſ. 1787. 4. A Letter from ‚Adam Smith
v to
0 Hume 463
So ungleich Hume in Anſehung ſeiner philoſophi⸗
ſchen Anſichten beurtheilt wurde, da er bald als ein
Sweifter in Unfehung der Reuigion, bald ald ein euts /
ſchiedener Atheiſt angeſehen wurde, und man von ihm ___'
in England urtheilte, daß er ein Mann ohne Glauben -
und Aberglauben fey, die Parifer Gefellfchaften aber
glaubten, er habe nur einige Sieber, aber nicht die
ganze Kette des Abetglaubens von ſich abgeftzeift; ſo
iſt dennoch das Urtheil über feinen moraliſchen Cha⸗
rakter einſtummig. Selbſt diejenigen, welche ihn ‚für
eiuen Atheiſten hielten, ließen ihm die Gerechtigkeit
widerfahren, daß er ein edler und rechtichaffener Menfch
gewefen. Er war, wie er fi) felbft ſchildert, ein
Menſch von ſaufter Gemuthsart „Herr. feiner ſelbſt,
4 offen,
to William Straham ift der Seltſtbiographie des
Hume angedruckt, und enthält Nachrichten von feis
nen letzten Lebenstagen und Tode; Suppiement is
the life of D. H. containing genuine anecdotes
’ and a circumgtanstantial account of his death and
funeral. To which i led a certified copy of
his last will and testament — A Letter to Ad. -
Smith on the life,, death and philosophy of his
5 friend D. H. by one of the people called
«7 Christiens. Oxford 1777. : Apology for the life
and writings of D. H. with.a parallel between
. him and the late Lord Chesterfield: to which is
added an address 16 ‚one of the people dalled
Christians. By way of reply to his letter io
Ad. Smith. London 1777. — Curious particu- _
lars and genuine anecdot=s respecting the Inte
Lord Ghesterfieldl and D. Hume, with a paral-
lel between these celebrated personnages, and
an impartial Character of L. Chesterfield. Lon-
don :ı788, Annual Register for the.Y, ı
London 1777... Anecdoten und Tharaeterjüge aus
D. Humens Leben v. €. Fr. Stäudlin in d. Ber⸗
liner Monatsſchrift November 1791. ,
424 Ciebentes Hauprf. Erfte Abth. Fünfter abſcha.
offen, heiter, gefaͤig, geſtimmt für die Ztlundſchaft,
des Haſſes nur im geringen Grabe fähig, und gemds
Bigt in. allen feinen Leidenfchaften. Sein fröhlicher
Witz, der nie die Abficht hatte, einem Menſchen wehe
zu thun, und feine Gutmuͤthigkeit machten feinen Um⸗
gang ehr reizend, ſelbſt für diejenigen, welche fein
Spott traf. Die Hauptleidenſchaft / melde den ſtaͤrk⸗
ſten Einfluß auf ihn hatte, war die Begierde nach lite⸗
raͤriſchem Ruhme, wie er felbft offenherzig geſtand.
Wenn iudeſſen Hume auch diefem Ruhme zu fehr nach⸗
ſtrebte, und es gleichſam fein hoͤchſter Zweck war,
durch Schriften ſich einen bleibenden Namen zu mas
ben; fo hat es doch, fo viel man davon urtheilen Tann,
demfelben nicht Wahrheit und Weberzeugung . aufges
opfert. Es mag wohl ſeyn, daß dieſe Leidenſchaft Oht
ohne Einfluß auf den Gang feiner Unterſuchungen ges
weſen ift; aber hauptfächlic Hat fie Fleiß und die ans
geftrengtefte Sorgfalt auf Inhalt und. Zörm feiner
Gedanken erzeugt. . Diejenigen Wahrheiten der Wers
nuuft, weilche er aus fleptifchen Gründen nicht zu Feis
ner Ueberzeugung machen konnte, würdigte er boch an
ſich, wegen Ihrer Erhabenheit, richtig uͤnd entweihete
fie durch keinen leichtfertigen Spott, ja ſelbſt in Frauk⸗
reich vertheidigte er fie gegen Freidenker auf die Ges
fahr, fuͤr eiuen Aberglaͤubiſchen gehalten zu werden.
Daß er nicht durch Gegenſchriften erbittert wurde,
wenn fie Gruͤndlichkeit, Auſtand und Wahrheitsliebe
vereinigten, daß er ſeine Gegner achtete, wenn ſie nicht
aus perſoͤulicher Abueigung die Feder ergriffen hatten,
beweiſt, daß er frei war vom der gewöhnlichen Eitel⸗
teit der Gelehrten, und fremdes Verdienft, ohne Ans
wandlung bed Neides, achten konnte. Feſtigleit Un⸗
wandelbarkeit in den Grundſaͤtzen, Gleichmuth in Gluͤck
und Ungluͤck waren überhaupt die hervorſtechenden Züs
AR ” find Charalters. =
: als
Bumes Philolophie · 425
Als Schriftſteller wird · Hume · ſo lange, gs Ta⸗
lent, Kenntniffe und Geſchmack geachtet werden, einen
hohen Rang. behaupten, Er iſt Meifter feiner Gedans
ten und der Ausdrüde, er ſchreibt Kar und deutlich,
natuͤrlich; die Einbildungskraft ſteht ihm zu Dienften,
wm. feinen Producten Klarheit und Auſchaulichkeit zu
geben ; aber fein Verſtand Teitet. und” zügelt fie,. daß fie
nicht aqusſchweift, und er führt durch beide den Leſer
immer ſichern Schritts auf den Punct, den er ſich
vorgeſetzt hatte. Seine Ausdrüde find gewählt und
zeugen von einen gebildeten Gefchmade. Nur ift das
Beftreben, zu ‚gefallen, oft- zu ſichtbar, doch Immer: ins \
nerhalb der Grenzen des Schicklichen und Anftäns,
digen. ‘ \
Geſchichte und Philofophie machen das Feld aus, .
auf. welchem Hume fich unverwelfliche Lorbeeren ers
worken hat. Geſchichte und Phitofsphir waren in ſei⸗
nem Geiſte fo vercinigt, daß ſie nur ein Ganzes aus⸗
machten. Er würde nicht der claſſiſche Gefchichtfchreis
ber. geworden feyn, ohne Philoſophie, und feine Ppitos -
fopbie ftuͤtzt fi) wieder auf den Reichtum von Zara -
tis, den er ſich durch. feinen feharfen Beobachtungs⸗
geiſt, feine Reflexion, und fein treues Gedäcitniß ers
worben hat. Das Haupttalent des Hunte, wenn wir
ihn als Philoſophen betrachten, iſt Scharffinn in
dem Zergliedern und Unterfcheiden , it der Entwides
lung der Zolgen aus gegebenen Praͤmiſſen, in der Ente
deckung feiner unb verſteckter Verhaͤltniſſe und Bezie⸗
hungen, ein geuͤbtes Combinationsvermoͤgen und Conſe⸗
quenz. Es herrſcht in ſeinen uUnterſuchungen und de⸗
ven Reſaltaten bie größte Einhelligkelt mit den anges
noinmenen Grundfägen; läßt man dieſe gelten, fo fol⸗
gen ale Saͤtze wie Glieder. einer "gefchloffenen Kette.
Er entwidelt die Folgerungen, die fih ans feinen -
N Grund“
\ 7 426 Eiebentes Haupt. Eilledibth. Fünfter Abſchn.
"niffe aufgeftellt. .Diefe. Urt des Philoſophirens hatte
Grunkgäten ergeßen, ohne alle Furcht und Zuruͤckhal⸗
\ tung, auch wenn fie mit-den gewöhnlichen Begriffen
und Weberzeugungen, ftreiten, ja eine Bernichtung aller
Erkenntniſſe bei ſich führen. Er fah ein, daß ein fo
kuͤnſtliches Syſtem Reine Ueberzeugung hervorbringen
koͤnne, weil demſelben die kunſtloſe Natur. entgegeu—⸗
ſteht, welche maͤchtiger iſt, als alle Kunſt des Den⸗
tens; allein auf der andern Seite konnte er auch je⸗
ned nicht aufgeben, fo lange nicht die Unrichtigfeit der
Grundfäge oder Fehler in den Folgerungen daraus aus
genſcheinlich nachgewiefen worden. Das erſtere ift nicht
geſchehen, weil «8 allgemein angenommene Grundfätze
waren, und das Ießtere kounte nicht Leicht .gefchehen,
weit Hume in Unfehung der Denkfertigfeit Mei: _
ſter if, und nicht Teicht ein Verfehen gegen bie logie"
Shen Gehßehe ſich zu Schulden kommen laͤßt. Aber
warum kam Hume nicht ſelbſt auf den Gedanken, ſei⸗
ne logiſch richtigen Folgerungen koͤnnten ſich auf einen
falſchen Grundſatz gruͤnden? Wenn gleich manchetlei
Gründe ſich deuken laſſen, welche feinem Geiſte dieſe
Richtung hätten geben koͤnnen, fo ſteht denfelben- doch
ein anderer ſtaͤrkerer Grund entgegen, daß er ſich nach
Alnlage und Uebung mehr gewöhnt hatte, von dem Ge⸗
" gebenen zu den Folgerungen fortzugehen, als von den
Folgen zu'den Gründen zuruͤckzuſchreiten, und daß ei
ne tiefere Ergründung des Erkenntnißvermoͤgens erſt
hauptſaͤchlich durch feine Philofophie zum Beduͤrfniß
wurbe, J J
Zu feiner Zeit war Locke's Philofophie die berr⸗
ſchende. Diefer Deuter hatte die angebornen Begriffe
. beftritten, und in dem ‚Sinne, wie er fie nahm, fiege .
reich widerlegt, dagegen aber die Wahrnehmung als
den einzigen Grund. affer Vorftellungen und Erkennt
ſich
"Humes Philoſephie. 427
ſich durch die Verſtaͤndlichkeit und die einleuchtende,
aber einfeitige, Wahrheit, fo wie durch einen heilfas
men Einfluß auf die angewandte Phllofophie, und die
Angemeflenheit zu ber Denkart der Engländer bewährt
und in Eredis gefeht. Hume hatte demzufolge auch
die Grundſaͤtze diefer- Philofophie feinem Phitofophiren
zum runde. gelegt; aber als ein Selbſtdenker von
ausgezeichnetem Talent, der nicht weniger für feinen
"Ruhm, „als für die Erforfchung der Wahrheit thaͤtig
war, ging er dabei feinen eignen Weg, indem er haupt⸗
ſaͤchlich die Fölgerungen jener, Orundfäge in Anfehung -
objectiver Weberzeugung und in Anſehung der Gewißheit , '.
unſerer Erfenntniß von der Welt, Seele und Gott
gründlich zu erforfchen und mit der größten Genauig⸗
Reit zu beſtimmen ſuchte. Die Hauptfrage, womit ſich
feine ganze Phitofophie, infofern fie ſich auf den Mens
fchen, als ein erfennendes Wefen bezieht, beſchaͤftigt,
iſt diefe: welchen Grund haben wir für bie
Weberzeugung, daß unfere Vorftellungen
ſich auf reale Objecte beziehen, welche bei
allem Wechſel unferer Vorftellungen für
fi ein reales Seyn haben, beſtehen, ‘bes
barren nnd unter einander verfnüpft find,
welchen. Grund. hät ünfere Weberzeugung:
vom Unfterblichkeit und Dafeyn Gottes?
Das Mefultat feiner Unterſuchungen war negativ:
"26 gibt feine objective Erfenntniß, wir find
jn unferm Bewußtſeyn auf unfere Vorftellungen
‚und deren fubjectlve®erbindungen beſchraͤnkt,
und Können uͤber dieſelben nicht hinaus. Skepti⸗—
eismus aljo ift der Geiſt und der Inhalt aller feiz
ner philoſophiſchen Unterfuchungen. - "Darin war Berz
keley vorausgegangen. Bein Idealismus war ebene
falls aus dem Princip. der Lockiſchen Philofophie ents
fprungen, aber ex enthielt ‚nicht blog: die, Seugnung der
’ Auſ⸗
“438 Giebentee Hauptſt. Ente Abih. Fünfter Abſchn.
Außenwelt, ſondern auch den Dogmatifchen Berfuch einer
Erklaͤrung unferer. Vorftelungen aus den göttlichen
Ideen. Hune fah ein, daß dieſer Idealismus nicht
widerlegt werben, ‘aber auch feine Ueberzeugung
hervorbringen koͤnne, und. darum auf den Skepticis⸗
mus führe, und hielt ſich deswegen, nach feiner ruhi⸗
gen und beſcheidenen Denkart, in den Grenzen defs
ſelben.
Dieſer Skepticismus iſt eine merlwuͤrdige Erſchei⸗
ung. “Nach mehreren Ver ſuchen der Art tritt er hier,
geleitet von Ruhe, Beſonnenheit, Beſcheidenheit und
Gruͤndlichkeit, ‚fo feſten und ſichern Schrittes einher,
als er noch nie gethan hatte. Nicht zufrieden, Wer:
dacht gegen die Erkenntuiß und gegen bie Speculation
zu erregen, bie Vernunft mißträuifch gegen ſich ſelbſt
" zu. machen, erfchüttert er, ja zertruͤmmert ef, wie mit
einem Schlage, das, ganze ſtolze Gebäude. der philofos
phifchen Forſchung, daß and) nicht ein Stein in feiner
Zuge bleibt. Denn er richtet feine Waffen nicht‘ ges
gen einzelne Theile deffelben, fondern. gegen das Zun-
Tament, von welchem das Ganze getragen wird, Da=
her wird in der Vergleichung des Hume mit den ls
tern und neuetn Skeptikern, das Urtheil ohne Beden⸗
ken dem erſtern den Preis zuerfennen, nicht allein in
der fiegreichen Kraft, fondern auch darin, daß er durch
aus Feiner. fremden Waffen fich bedient, und den Sieg
nur der Kraft und Buͤndigkeit der. Beweife, "nicht
der Sophiftit und Beredſamleit, fo gefchidt er auch
die letztere mit: jenen zu verbinden weiß, verdanft.
Hume iſt nur in Ruͤckſicht auf die Speculation
in’ der Phitofophie Skeptiker; in Unfehung der Mas
thematik, der Gegenflände der Kunſt, des Geſchmacks,
‚der. Moral.und Politik ift er ein beicheidener Dogma⸗
tiker. - Er Täpt Demonftrarion au bei: Den Begriffen
. ” und
\ Humes, ee . 429
und Verhaͤltntſſen gelten, "und ſchraͤnkt· den erfand
‚auf das Feld der Erfahrung ein. Aeſthetik und Mo—
ral gehören gar nicht für den’ Verftand;. denw in dene -
felben eutſcheidet nicht der Merftand nach Begriffen,
fondern nad) "Gefühlen und Empfindungen. Mir has
„ben hier ‚aber. blos Hume's Verſuche in der ſpeculati⸗
ven Philofopfie darzufielen , und. werden non. feines’
Anſichten in der Moraphuvſophie in der zweiten Ab⸗
theilung handeln.
Die Abhandlung uͤber die menſchliche Ratirz und
die Unterſuchung über den. menſchlichen Verſtaud find
die beiden Werke, in welchen. Hume feinen Skepticis—
mus entwickelt hat. Jenes iſt das ältere Werk, wel⸗
ches er ſchon entwarf, ehe er. die Univerſitaͤt verließ,
und bald nachher herausgab, und dann ſpaterhin, weil
"es keinen Beifall fand, und er ſeine Uebereilung eiu⸗
ſah, in dem zweiten umarbeitete. Beide ſtimmen zivar .
‚in den Srundfägen uud den Folgerungen überein,.gus»
genommen, daß "einige Stachläffigkeiten des Raiſonne⸗
ments und des Ausdrucks in dem zweite verbeffert
worden ; fonft aber find fie fehr von einander unters
ſchieden. Abgefehen davon, daß das Ältere das ganze
Syſtem der Philofophie, nach feiner Anficht, enthalten
follte, ift der Skepticismus- viel weiter ausgedehnt,
als in dem nenern. Dort greift er die. menfchliche Ers
Fenntniß in ihren ganzen Beflande an, und dad Res
ſultat iſt, eine gänzliche Zernichtung derſelben, indem '
er nicht. blos die Grundlofigkeit des Begriffs der Vers
Inöpfung und der Caufalität, fondern aud der Gubs
flantialität- debueirt und die Realität des Begriffs von
der Einheit des Subjects und ‘dem Zuſammenhange
der Objecte, weil Feine Impreſſion für beide Begriffe
da iſt, gernichtet, Der Menfch findet in feinem Ber
wußtfeyn, Vorftellungen in mannigfaltigen Verbinduns
"gen,
D
430 Siebentes Haupt. Erſie Abth. Fünfter Abſchn.
gen, aber nichts weiter, nichts Gegenſtaͤndliches und
Bleibendes, weder in ſich, noch außer fih "=*). Sins
deſſen ftelft er dieſe Folgerungen Feineswegs -mit. dogs
matifchen Dünkel und Hochmuthe, auf, ſondern in dem
Geiſte des Skeptikers, der an der. Möglichkeit verzwei⸗
felt, etwas durchaus Wahre und Gewiſſes zu entdek—
ten,. weil er der Schwäche, des menfchlichen Verftan-
des inne worden ift, und mit gleichem Mißtrauen ge⸗
gen die dogmatifpen, wie gegen die fleptifchen Bes
hanptungen erfüllt ift. Dieſe Beſcheidenheit war un
zertreumlich von der Aufrichtigkeit und Wahtheitsliebe,
nach welcher er ſich ſelbſt nicht verbergen konnte, daß;
wie ſchon früher Pascal gefagt hatte, die Natur alle
ſteptiſchen Gründe und Folgerungen zernichte. Denn
fo wie der Skeptiker in die Sphäre des gemeinen Le
. bens tritt, zur Erhaltung feines Sehens und zum Ges
auffe thaͤtig if, verſchwinden jene Grundfäge und vers
tieren alle Kraft, fo groß auch ihre Ba, vorher
ſchlen· 228), © .
Aug dem Grunde, weit er überzeugt war, daß
ein allgemeiner Skepticismus nicht möglich), ' vergeb⸗
lich und nutzlos feyn würde, ſchraͤnkte er denfelben in
den Unterfuchungen über den menſchlichen Verſtand
mehr auf bie überfinnlichen Objecte ein, oder vielmehr
er entwicelte nur fo weit. die fFeptifchen Grunbfäge,
als nothwendig war, die Unmöglichkeit einer Erkennt⸗
niß der, überfinnlichen Gegenſtaͤnde ins Licht zu ſetzen,
und didurch den Aberglauben, der ſich unter dem
blen⸗
26) gume Abh. v. d. menſchl. Natur, Überf.v. Jar
N 606, 4 Th. 2 Abſchn. Sn
1) Same, Abh. ꝛtc. 4. aaa Beſcluß de⸗
Wale, - ö
nn.
HSume's Philofophie. ° : ' 438
blendenden Schilde .einer eingebildeten Metaphyſik vers
barg, zu zerſtoͤren. Ueberhaupt fcheint es, wenn wir,
mehrere Neußerungen feiner Schriften, und die ſcherz⸗
hafte Selbſtrechtfertigung, warum er zufrieden und oh⸗
‚ne Widerwillen die. Welt verlaſſe, erwägen, der Zweck
„ feines Denkens und Forſchens gewefen zu fen, den
Meuftgen in Aufehung der. Schwäche ihres Verſtandes
die Augen. zu öffnen, und fie vom Aberglauben zu bes °
‚freien, 226). Das Mittel dazu war die Unterfuchung
des menſchlichen Verſtandes, der Beweis, daß er: kein
ne.fefte.und zuverläffige Erfenntnig mit einem unwan⸗
delbsren Glauben geben koͤnne, und daß. befonders die
Verknüpfung zwifchen Urfache und Wirkung nur auf
Gewohnheit, nicht auf Einficht fich gründe, und daher
auch darauf Feine Schlüffe aufgebaut werden koͤnnen,
um und eine Erfenntniß von dem, was jenſeits den
Erfahrung ift, zu verfchaffen 77). : Eine. nähere Ans
J J " . wen⸗
126) Life of Hume p. 50. Have a linle patience
good Charon. I have being endeavonring tq
open the eyes of the Public. IF I Ive a few,
. years longer, I may have the satisfaction of
„ seeing the downfall of some of the prevailiuß
„systems: of superstition. — Enquiry conc. hu=
“man Understand. Essays ‘Vol, III, Sect. I. p.
ı9. Happy, if: we can unite ihe boundaried
of ihe different epecies of ‚philosophy, by recon-
‚iling profound enquiry . with -clearness, and
truth with novelty! And still more happy, if,
reasoning in this easy manner, we can under-
mine the foundations. of an abstruse philoso-
phy; which seems to have served hitherto only
"us a shelter 10 superstition, and a cover to abi
‘sardity and error! ö
+ 427) Auch in dem altern und groͤßern Werke deutet er
an, dag die ſteptiſche Betrachtung der verglichen
x
fi
43a Ciebentes Haupfi. Etſte Abth. Fünfter fh.
"wendung ber feptifihen Srundfäge auf die Freiheit '
des Dienfcpen, auf Gottes Vorfehung, und auf die
Wunder, überhaupt auf Meligionögegenftände,, ift das
Zweite, wodurch fich die Unterfuchuug über. pen menſch⸗
Hohen Verſtand vor der ältern Yuögabe audzeichnet, ſo
daß man bort den Slepticismus des Hume in der ſpaͤ⸗
tern und volllommnern, mit mehr Eiegany ausgefaͤhr⸗
ten Zorm, nad) feinen Gründen und „feinem Hauptfele,
and doch weit gedraͤngter findet. Jantereffant iſt es
bei dem allen immer, bag ältere Werk mit dem neuern
. gu vergleichen , und kur "volfftändigen Keuntniß diefer
Philoſophie iſt der Gebrauch) von jenem unentbehrtich.
Mir werden und aber in der Darſtellung der Haupt⸗
"Yuncte derfeiben an bie Wirärfucjung deo menfehlikhen
erſtaudes halten , weil:fie eine gebrängfere Bärfiel-
Lang zuläßt, . wid wenn auch in England die Gegner
des Hume ileber bie“ erben befiritten , als. die
Anterfuhung, wöräber er ſich ſelbſt beklagte, dieſe
doc) in Deutſchlaud fruͤher bekannt worden und haupt⸗
ſaͤchlich eine totale Reform der Philoſophie veran⸗
laßt hat. 413
Die Philoſophie, oder Wiffenſchaft von der. menfche
üchen Natur, kann auf eine‘ böppefte” Art‘ behandelt
werden. Die eine* betrachtet den · Meuſchen aus dem
Geſichtspuncte eines handelnden. Wefend, fücht vorzüge .
lich dad Herz durch die Darftellung der Schönheit der
Xugend und der. Haͤßlichkeit des Laſters zu "bilden.
Die. andere har den Menfchen als erfennendes Weſen
Kande zur Richtſchnur dienen, und wonach man Hands
zum Gegenflande ; fie fucht den Verftand zu bilden
dureh die Erforfchung der Pringipe, welche dem Ver—
lun⸗
WVerknauͤpfung die Seele und Quinteffenz Teiner. Philos
ſophie ſey. Jaco be Ueberſetz. rd. ©. 36y.
ne 5 Somet Mlefopfie '; 438
lungen and Haublungsweifen‘ bilfigt oder tadelt. es
"268 ift die ‚leichtere, und populäte, diefes die ſchwere,
1, und wilfenfchaftlichere, Weide haben ihre Vorzüge,
Bor und Nachtheile; aber ‚der erſte Rang gebürf
doch der letztern, „Weil ohne fie auch die erſtere nicht
beftehen kaim. ‚Eing-ernfttiche Unterſuchung der Natur des
J Berfiandes „und firenge Erörterung feines Vermögens
und Unvermögens Ift das einzige Mittel, den Borwurf der
Dunfelheit, daB fie in ein Labyrinth van Verwirrung and
Ungeroißpeit führe, und abergläubifchen Vorſtellungen
dur, Schutzwehre. diene, "der ihr gemacht wird, zu bes
den. ‚Eine ſolche Wiſſenſchaft kann nicht für ungewig
ynd chimariſch gehalten werden, wofern man nicht: eie
nem Skepticismus ulbigen will, welcher alle Untere
ſuchung und Handlung zernichtet ; denn der Werftand
iſt mit verſchſedenen Vermögen und Kräften ausgeru—
flet,, welche von einander unterſchieden find. Durch
die Meflezton Läßt. fich ‚dasjenige unterfcheiden, was in
bei nmittelharen Wahrnehmung verſchieden ifl.: E⸗
mi daher auch in allen Urtheilen über dieſe Gegen
Hinde ‚eine, Wahrheit oder Falſchheit Statt finden,
» welche zu beſtimmen nicht außer den Grenzen des .
wieuſchlichen Verſtaudes ſeyn Kann. Glaͤnzende Erfahe
fungen, welche auf. dem Gebiete der Aſtronomie vor
gegangen finds: befiätigen diefe.Ermarung '20),
”.. Me üntere Bprftelfungen üb vom zweierlei
ir, lebhafte und weniger Lebhafte Wem.
einer Schmerz oder Vergnügen empfindet, ſo hat er eis
de lebtzaftere Worfiellung, ald wenn ‚er nachher: dieſelbe
durch Einbildungskraft und Gedaͤchtniß zuruͤckruft.
Die lebhafteren Vorfielungen heißen Eindrücke Cum
\ pre
128) Unterfachung Ab: den menſchl. Werfanb. 2 Abſchn.
Teunem. Geſch.· d. Vbiloſ. XI.RH. Ge
z34 Sietentes Heupif: Erſt Morhf Fünfter Abſchn
pressions), die weniger ſtarken oder lebhaften, Scan
ten: oder Ideen: So groß and) der Umfang des
Verſtandes ſcheint, ſo ift er doch an den Stoff gebun⸗
den, welchen. die Sinne und, die Erfahrung, die "ige \
re mb Innere Empfindung Varbieten; "Lie Verbindung
und Zuſammenſetzung deſſelben iſt· das eingige Gefchäft
des Verſtaudes, und die Ideen find daher nichts. ana
deres, als Copien der Eindruͤcke. Dieſer Oma
fat‘ kann, wenn er gehörig angewendet wird, ‚Licht
über: alle metaphvſiſche Gegeuſtaͤnde verbreiten, . und
das Gewaͤſch, werches in dieſer Wiſſeſchaft fo Lange
getrieben werden, verbannen. Bei jedem Begriffe und
Kunftworte, welches verbächrig iſt, daß es Teinen
Sinn habe, dürfen wir nur nachforſchen, von weichem
Eindrucke dieſe vernmeinte Idee adgezogen worden iſt.
gäpt fih für fie fein Eindenck nachweiſen, fo muß fich
der Verdacht verftärken. Auf diefe Weiſe laſſen fig
älle Streitigkeiten über bie Beſchaffenheit und Real:
cat der Idren Teicht zur Entfchelbumg Bringen I
Daß die Kom, . were. fie fidy:dent Gebaͤchtniſſt
Oder der Phantape barfiellar,. ein ewifes- Prkachp- DM
Verbindung: befolgen, iſt ein undezweiftitrs "Fact
aber die Unterſuchung ber Gründe: Diefv -Werbirreing
iſt bisger von dem: Korfchern :ewrianhläffigt werten
Aehnlichkeit, Verbindung in Kaum und
Zeit, um ur fache und Wirkung ſcheinen die
drei Principe der Verbindung in, ſeyn eo)
Me Gegenſtaͤnde der Vernunft. ober der —
dung find entweder Beziehungen. ber Ideen;
vd alle. mathematiſche Saͤtze, oder That ſache n, ne
ven.
229) Unzerf. üb. d. menſchl. Berk. 2 Abſchu.
130) Eben. 3 Abſhn.
Humes Philoſophie. 485
"rein" Oo; zerhnger Mk, als die Der eff, weil bad"
Geheiteheit: von Jeder Thatſacht denkbar: if, Die Uns
ttefuchung Worauf fieh die Ebidenz der- Eharfüchen
‚über das Zehgni
Gevächtniffes gründet, iſt ein wichtiger Gegenſtand,
"Ber Sinne und die Erlauerung des
der von din Philoſophen noch nicht gehörig unterſucht
‚Worden. Alles Ralfonnenient über Thaͤlſachen ſcheiut
fich auf das Vethaͤlinißz der Urſache und Wirkung zu
gelncwen. Die Kenntniß von Urſache und Wirkung er⸗
langen wit · nicht vurch Schlů ſſe a priori, ſondern
icdiglich durch die Erfahtung benn es iſt dem Merk
Rande mnidolich, auch durch die tieffte und ſcharfſt⸗
Zergliederung bie Wirkung in der. vorausgeſehten Ari
fathe zu Audeden; - Jede Wirkung iſt ein Etfolg, det
nicht DIE geringfte Aehnlichkeit mit ſeiuer Urſache hat;
and darum Auch nicht aus dem’ Begriffe der Urſache
gefunden werden kanm. Es iſt daher ein dergebtiches
ünternehmen, einen Etfölg in concreto,. ohne Beifkcd
der. Beobachtulig und: Erfahrung: beflimmen zu wollen)
und es wird daraus dad Umvermögen begreiflich⸗ Be
letzten Gründe und Urfachen der Erfcheinungen zu er⸗
Vennen =3).. Da fich nun unſere Schtäffe über Cam
farirät auf Erfahrung, gründen, ſo entſteht nun weitet
die Frage: worauf gründen -fid deng bie
Sıiüffe.aus Erfahrung? Gefegt, die Antwore -
auf diefe verneinend aus, fo wuͤrde
ach‘ die ferer Unwiſſenheit in biefem
Huncte n iſt ſeyn. Die, Natur ift für
uns ein ¶ r kennen nur oberflächlich ei⸗
nige Eigenſchaften der Naturgegenſtaͤnde. Die Nature
raͤfte ünd ihre letzteü Principe find uns gaͤnzlich ver⸗
borgen, und können den Zuſammenhang zwiſchen Wire
Tungen und Kräften keineswegs erklaͤren. Gleichwohl
Ee 2 ſetzen
131) Ebend. 4 Abſchn. 2%.
436 Siebentes Haupt. er abih Fünfter Abſchn.
fetzen wir ‚bei. ‚ähnlichen finntichen Veſchaffenheiten aͤhn⸗
liche verborgene Kräfte voraus, und erwarten ähnliche
Wirkungen, als wir ſchon erfahren‘ haben. "Wie kom⸗
men wir zu dieſer Heberzeugung ? Bäces iſt ber
Grund? 3% es ein Schluß? Wo wäre der —
begriff, weicher die ‚beiden Säge: Ich ha
nommen, daß ein beſtimmter Gegenftand, hung =
iefer Beffimmsen; Birkung in Werbigdung dand, um
ich ſehe voraus, daß ..andere Dbjeste, welche jenem
ähnlich ſind, ähnliche Wirkungen haben werden, die
doc) offenbar. nicht identiſch find, verknuͤpft? Wir ers
warten aͤhnliche Wirkungen, von, ähnlichen ürſachen;
das if der Hauptinhalt aller unſcrer Erfahrungsſchluͤſ⸗
fe. Es lann freilich aur einem Thor. in den Sinu
Tommen, der Erfahtung, der, Zührerin des menſchli⸗
Gen Lebemd,. ihr Mnfeheg ſtreitig machen zu wollen;
"aber dem Phitefophen kaun man ed auch nicht verden ⸗
den, wenn er aus Wißbegierde dem. Principe nad
forfct, welches der Erfahrung diefen mächtigen. Eins
Ruß auf miſer Unheil gibt 9), .
De einzige Grund , aus welchen fich das Vers
fahren des Verftandes, ähnliche Zolgen von ähnlichen
- "Urfachen zu erwarten, erfläten Läßt, ift die Gewohns
heit; denn fo wie die Wiederholung einer und derfels
‚ben Handlung eine Fähigkeit und Beneigtheit bervors
dringt, Die mämliche Handlung zu wiederholen; ſo
"macht aud) die beftändig iwahrgenommene Verknüpfung
zweier Gegenſtaͤnde, wie der Hitze und der Flamme,
daß wir, ohne durch ein Geſetz des Verflandes bes
ſtimmt zu werden, geneigt find, das eine nach der Er⸗
ur ſcheiuung des andern zu erwarten. Diefed Princip iſt
auch font von ‚großem Einfuffe in dem monde
120) Een: sag. aM ee
* En ! deuer poilebetie 2
Benithe,. us "in.uhferdn Fallr wie.ed- ſcheint, die
einzige moͤgliche Hopotheſe, weiche bie. Schwierigkeir⸗
erklärt, daß wir aus taufend Faͤllen der Erfähmung ei·
we Zolgerung ziehen,.'welche aus einem. einzigen wicht
abgeleitet werben kanu, wenn er auch von jenen.ie
‚feinem Stuͤcke verfhleden if." . Diefe. Verfchiedengeie
kaun nicht in ver Bermunft ihren Grund haben; dene
die Schläffe,, welche dieſe ans ber Betrachtung: eines
. Kirtels zieht / find Diefelben, welche ſie aus der Des
trachtung aller Eirkel in der Welt jiehen wuͤrde. Alle :
Folgerungen aus ber Erfahrimg find daher Wirkungen
der Gewohnheit. und nicht der Dernunft-?2>), Der,
Grund, welcher ‚und : beſtimmt, ein Factum von.einer. _
Dichtung zu unterſcheiden, iſt der Glaube, das iſt
ein —— Gefühl und ſtärkerer Eindruck,
welchen die Vorſtellungen der Sinne machen nub wo ⸗
durch fie ſich von den nee der Phantafie mir
terſcheiden 9
Diefes Prineip ſetzt aus in den Stand, ben -
Begriff von Kraft, dab iſt dad Priucip der Wire -
. ſamteit der Urfache, aufzuklären, wodurch fie die Bir,
ung hervorbringt, und wodurch bie Wirkung nothweng
big mit, der Urfache verknüpft ift, welcher fü häufig '
er auch gebraucht wird, doch einer der dunkeiſten iſt.
Einen aufammengefeigten Begriff ann. man duch die.
Definition. ‚deutlich machen. Aber es läßt ſich nicht, -
alles definiren ; man kommt zuletzt auf einfache Be⸗
griffe. Sind diefe dunkel, fo gibt es Fein anderes
Mittel zu ihrer Aufhellung, als daß man die Impreſ,
fionen nachweiſt, aus welchen fie entfprungen fü finde
Tür den Begriff: der Kraft oder ale iu
135) Ebend. 5 Abſcu. Fe
136) Ebend.:5 atſan. 5
— Siesentes gene. Brenn, Sünferüfgn,
Anöpfung der · Uelache · and EBirkung: Paten uote ki
Impreffion, woraus. as abgeleiseh-gezben Thnnte. Richt
bei be, äußern Aahrmehniangen; denn: bie Brrfießunng
bes verſchiedenen · Koͤepet · under ihrer :finnlichen. Eigen⸗
ſchaften, und die Folge der Begebenheiten, entheckt
uns nirgenb eins Kraft, welche das Originai zu its
dem Begriffe abgeben ibante. Darch Gchlüffe aus den
Shatſachen koͤnnen wir denſelben /eden fo. mug erhal⸗
ten, da das Denken, uach Locke's eignem Geſtaͤndniſſe,
wie einen urſpruͤnglichen neuen: und einfachen Begriff
- and: füh- felbfk:: erzeugt. Aus der Reflexion quf unfere
isöern Vertichtangen, indem. wir, : wenn. wir ‚wollen,
Bewegungen in ben. Blisdenw;, ‚ddermene: Ideen in der
Enbildungskraft bervorbringen, kann er auch nicht abs
geleitet feyn ; denn wir deharencmohb waht daß diefe
Veränverungen nuf.:das Wolken: folgen, aber worurch
fle erfolgen, de i⸗ die Kraft, bleibt: uns verborgen
Die Wirkungsart der Urfachen iſt und beb: den ges
“ wöhnlichften Erfopeinungen, wie, bei den un erögntiche .
fen, "unbegreiflich, und: wir: erfennen ’ebew’'fo wenig
‚bie Möglichkeit, wie ein Stoß eine Seweguiig
als wie die Seele durch ihren Wilten eine
Bewegung hervorbringe. Wenn emige Philo⸗
fophen bei dieſer algemeinen Unwiſſenheit in Anfehung
der Kräfte, auf Gott, als den urfprünglichen Grund
aller Dinge, der durch feinen Willen Alles’ herdorbrim⸗
ze, wobel das, was gewoͤhnlich Urſache genannt wird,
Aur Veranlaffung oder —— iſt, zuruͤck⸗
gehen; fo iaßt ſich dieſe Behauptung nicht philoſo⸗
pᷣhiſch rechtfertigen, weil ihre Schluͤſſe ſchon dadurch
Verdacht eriveden muͤſſen, daß fie über die Grenzen
unſeres Vermögens offenbar hinausſchreiten, und weil
"die Wirkungsart, wodurch ein Geiſt, ober das Bee
Weſen, auf fi) ſelbſt oder auf ee wirkt,
unbegreiflich iſt, als die Wirkungsweiſe, wodyrch Pi
' . u ve
Sumes Pfilfphie. 48g
auf Focpar wirken. Die: Unwiſſenheit · in Anfepung
Pre Tann, daher. keinen Grund. abgeben, fie zu
‚verwerfen; ¶denu ſonſt müßten, wir jede, Meaft nicht
peniger, in der Materie, als in dem hoͤchſten Weſen
leugnen. — Die Deduction dieſes Begriffs, wodurch
die —X jener Zweifel gegeben wird, iſt dieſe:
Wenu wir eine Sorge von. Begebenheiten wahrnehmen,
® Mereihtigt und ein einzelner Fall. wohl nicht, aber
eine. Befkänbige einfögmige Wiederholung. derfelben Vers
bindung, „den einen. Gegenftand Urfache,.- den andern,
Wirlyng zu neunen, eine Verknüpfung: zwiſchen Bi
ven, ‚nk: ia. Ay einen eine Kraft anzunehmen, Es.
Ken: ‚alfp. der. Bagriff einer nothwendigem
Verinüg ug. Yes Begebenheiten durch eine
Anzahı dhalicer. Wahrnehmungen von, des,
hehasrliden Verbindung derfelben zu ent
ſtehen. Es if in einer Anzahl folcher. Fälle nichts,
werk voul xinem 'oıgelnen verſchieden wure, da, wir die
obltige · Aehnlichkeit derſelben vorausſetzen, außet nur
dies, daß‘ der Verſtand bei Wiederholung aͤhullicher
Säle. durch die. Gewohnheit beftimmt. wird, bei Erz
Meinung. bes einen Wegebenheis. ipre gewöhnliche: Bes.
gleiterin zu erwarten, und zu glauben, fie werde zur
Mirkrichkeit kommen. Dieſe Berkaipfing, welche wir
in dem Gemůͤthe fühlen, der gewohnte Urbergarih der
Einbitbungsfraft son einem Gegenſtaͤude zu ſeinem ges
wötalichen. Grfährsen,. iſt Die Fimpfinhung, obes der
Eindruck, aus; weichem: wir. den Begriff von- nottwen⸗
viger Bee 0 sun Niinenettry a
no . a "Diele
oe w
135): Chan, 7 ran. — u Vol. p. 205., But
. „when one particular ‚species of event al-
ways,. ‚in, all iristances,. beeri conjoined with" ano-
her, we maks no longer any sgruple, öf foreiel
. ling
A N
do Siosentet Haupi Erſte Libch. Fünftet Abſchn.
Diefe Orunbfäge von der Se woh rhe ir, als
dem Grunde des Canſalzuſammenhamges nnd’ der · noth⸗
wendigen Verknuͤpfung, in WBerbludung müt den Ueber⸗
zeugungen von der Schwaͤche Geb Verſtauder und der
Eingeſchraͤuktheit der atersfihlichen Erkeautniß / wendet
nun Hume ‘auf einige · wichtige Wegenſtaͤnderdet Philos
fophie an, Zherfi-hinimesenthie ſchwierige Lehre "von
Freiheit und Norhwenbigkeitder menfüli .
hen Haudlungen vorr Dißdte menfchtiehenipande
luͤngen Wirkungen dom 'gewäffen Urfachen find; « und
daß ſie · mit Beweggrändinianmiuäharäkteren: in einem
regelmäßigen Zufammenhauge eben, dieſes i von je⸗
her allgemeine Urberzeuguag des Bocdes und deriPhis
loſophen geweſen. Wenn eher, vochreikige Wiklofophen,
und u Pehngeichne, ‚arg wien dafür mit ’äller
the. o one uran; che eppearapos
of ewploying ihat. ressoning, wich. gan
‚Alone are 24 =
. Stence. —— "hen Bike ‚the n
and the otlier Zfkct. Were u; there
* > is söme.cohne: —8 Ku ——2
=. in tte-ane; byröwhteh ni pewaade⸗ ıho
other, und opacatay.:weiillithe (grealetkicertainty
. and strongatt necgsaity.,..‚Äl, RPFTe he that
- this idea of. a, necgssary aexion, among
@vents arisos’ from a number“ insten-
ces, ‘which occur of the constant ——e of
"these events; mor.cän that idea ever. be inggest- '
ed by. any one: DE dere inatenes ;' survayed im
all possible lights and positions. But there is
sothing in a number of instauces, different from
every single instance, which is supposed to be
‚ exacıly similar; excopt only, ıhat after a —
tition ‘of aimilar instances , the mind 5 carried
by habit, upon ıhe appearance of one rent 10 to
. expect its usual attondant, and to believe, that
it wäll exist,
\ — — —E A
ih get "arte Fre Az 1
nu made oc a ——
wel * den ee Fr Tiegt
\ fe “u” derworrene —
„BON Tuntſachen 9 —* geicag
= —* ann" —— "daher 1
anderes bärftdnben: teren, als bad’ Werinögen,
" inföfgeiseh Vifimniägen des Witte
Handetu)’ _ nie gu-hamdein, d. hi wenn
von {u Rute gü Meißen, fo vermögen wir es/
in —— durch die Well die Beidegung · borzie⸗
Via? fü: betmußgen wir es / ebenfalls. Diefe hypotheti⸗
‘ je Yrolgeit Yosmnik erh’ Yo, der Hiche in Wellen
üiegt "36). Hierüber kann alſo, wenn man ſich recht
verſteht kein Streit fenu. .. Webrigend aͤndert die Ans
ä orudigkeit nicht das geringſte in den
üb Volitik
Nature Da min dieſe Geſerze durch ehe feſte, unver ⸗
Anderliche-Erfahrung-geätändet find, fo FR der Beweis
2 gegenehh Wunder;aud ber-Befchaffenheit--eines Wun ⸗
> Des vedn fo —— aß nur irhend ein iEſah⸗
“if we chuse fo move,
this a. hypoaheiicat: ‚liberty: is
+ universally lowei ‘to belong to every one,
who is not a 'prisoner and in. chains. Has
an Ina mubiee af dinne
fi sin Wedeihg dr Befte. de =
apa Cicsentss Sun; Ale fig inter if.
———
*
en Bengen heBäHgtu.Amik 56 Par
6 anferee Mat ar hadiularn füg wohriäriniihen
u en web. mit ber, Äpte; Wniehh; una; a
Sur Hapgs, auiffennen. und cgohen Marianen 6.
© Baht;agicher find, ud, inei; allen; ——
der an —— Zati p von Opgenzeuguiflen. eageac
ie Religion. HE aſcht it vi gi H er
u denn e Vernunft die nr f
—* nichts mit Gewißhei —* ak ve
ab uicht ‚minheraum von: bar: Hrfahp noch
fangen ableiten, ‚außer benen, von —8 man auf die
uUrſache ſchloß, und alſo nicht den Begriff durch neue
hinzugedichnete Cigenſchaften angeitern. Quern hat die⸗
fen Gedanken · in dan Unterſuchungen uͤber den veenſch-
üchen Verkkand, indem er Enen se Zeche
feines Meifters gegen das —— je un
gen. Yin Im undh
137) Ebd: ı0 PR aa Br u.
BIS. ©
Adarpthaͤchtich zu
ann woar, —** — ————— —
Kr 08 dieſra Prineip van der· Drögung dee Belt fee
wohl; ungeipiß,,.’aldi wabrambhar is MS ınlr. weil
bar Gegengaud ganallch ayfer Dan Grenzen ‚ben. menſch⸗
"ben Erkennpuß Jiegts,.. Denn wegn man nach dielem
Principe, von dem Werke, eines Menſchen viele Zeige . "
rungen machen Tann, ſo iſt dieſes nur dadurch möglich,
daß wir den Menſchen aus ber Erfahrung kennen * und
deffen Veweggrũndẽ, Zwecke, Emftiefungen, Reiguns
gen bekamit find, ; Müßten wir Dagegen aus der Bes,
Wahrung, des Werles erſt die Kerintniß des: Meuſchen
nehmen, fo, Könnten. wir. auf diefg Weile nicht folgern,
fondern müßten und mit ‚denjenigen Eigenfchaften defs
elben begnügen, auf: die uns die Wirkungen führen:
Wenn wir im Sande den Abdruck eines menſchlichen
Eupes ſehen, fo ſchließen wir mit Wahrſcheinlichkeit,
daß noch ein Fußtritt vorhanden geweſen, und Anlpe -
fen daran eine Menge andere Schluſſe, welche eine
„Menge Yon--Erfahrungen wid: Beobachtungen zuſam⸗
wwonfaffen. Diefes geht aber nicht, wenn: wir mis eis
wen Fuß im Sandw: abgeürädtt fehen, dhue zu wiſſen,
‚weile Buß es Mir: Eoſſt es auch, Hoc wire
den - Werken - der Natur auf den Urheber ſchelehen /
" Die Gottheit Tennen wir: tur and ihren Wirkuugen;
Wi ein einzeines Seſen, das unter keinem Sate
tungsdegriff ſteht. Wir une dahet mir; unſern
Schlüuͤffen nicht über das hinausgehen/ was durch vie
Erfahrang und Beobachtung mus: gegeben Ifv Wollte -
man nun rüdwärts aus dem Begriffe eines verfkändie
„gen Urhebers ſchließen, daß er, da der Weltplan: in
der Erfahrung newoläudig erfeheind, -und Din Vergeik
mug des Guten une: hen, det Beobachtungen zu⸗
fol
158) Elend· 11, Alan. \ mul tare
pn Ciesentes Hüp: EARe NG Fünfer fen.
folge, undollkommen in, in · einem andern. Raume gud
“in einer. andern Zeit, in dem zufäuftigen Leben, bie
‚ Drönung-beö Ganzen volftänbiger vffenbaren, nad bie
Vergeltung nach der firengen - Gerechtigkeit einrichten
werde, fo iſt dieſes kein loglſch bändiger Schluß, fans
dern Dichtung —.. Das Zweite Rat as Dom
Diefen wichtigen PR "bie Ketigion,
hat Hume-in zwei befondern Abhandlungen uoch weiter
ausgeführt. In der natürlichen Geſchichte der
Religion unterſucht er ‚den ürſptung der iom .
{a der menſchlichen Natur, Die Meligion Tann’ nicht
aus einem Grundtriebe, 3. B. der Serbittiche," Ges
folechterneigung,, entfpringen, weil, obgleich fie —*
mein iſt, dennoch die Religipnsrmeinungen. fo verſchie⸗
den und veraͤnderlich und entgegengefeht ſind, daß es
vielleicht nicht zwei Menſchen gibt, ‚die darin, volkoms
men einig ſind. Sie muß daher in gewiſſen Abgeleites
- ten Prinsiplep gegründek ſeyn, welche Dusch verſchiede⸗
me Umſtaͤnde und Urſachen verändert und unwirkſam
gemacht werben koͤunen. Dieſe abgeleiteten Priucipien,
wicht fowohl der Religion an ſich, als der ſubjectiven,
werben in dieſer Abhandlung mit großem Scharffinne
aus den Geſchichtsquellen erforſcht. Hume nimmt den
Polythelsmus als die erſte wid aͤlteſe Religionsform:
en, ‚und leltet aus demſelben erſt den Motzothelsmus
ab. Wie die verſchledenen Arten beider Formen eut⸗
ſehen auf wannigfaltige Weiſe in ben Jadivihnen
und Völkern durch Affecten und Leidenſchaften modifi⸗
eirt werben; welden Eihflaß fie haben auf bie Mora «
utaͤt, auf Duldung und, Berfolgung, auf Vernunft
und ——— auf Unteren: ab, Ziwälfel —
das
139) eiibel N Verſuch ©. su .
“ ausgezeiöhnet hal,
J
DaB hat. Hume meiſterhaft · geſchitdert. Et Häßt dem
Ppolptheismus nieht Gerechtigkeit: wiederfahren, als ges
woͤhallch zu gefchepei pflegt; "ben “reihen Deismus aber
* Betrachtet er als tus“ orinänfeigfie, das. Gemoͤth erhe⸗
..Hume's Philofephie: rl 773 i
bende.'umd die Wurde der” Merkunft: am -meiften here .
vothebende Syſtem.So groß auch die Dummheit vos
Her Menſchen ik, daß fie.in den befanurefien Werken
der. Ratur den obenften Urheber nicht. erblicken koͤnnen;
fo. feheine' 28 ‚doc Tat möglich,: daß ein. Menfch, der
des Meijtandedgebraudpd mächtig iſt, diefe'Jdee, wenn
fe inm dargeftellk wird, derwerfen Tune, ° Eine Abe ⸗
vw MSefmmung iſt augeuſcheinlich
in jedem. Dinge, und wir muͤſſen, ſobald wir. den er⸗
ſten Urfprung. der ſichtbaren Welt” in Gedanken zu
faffen vermoͤgen, mit der ſtaͤrkſten Ueberzelgung bie
See ‚einer verftändigen Urfache annehmen. 'Die eins
förmigen Gefege in dent "Univerfum leiten uns, wenn
uch nicht nothwendig, "body natürfich auf die Idee
. eines einzigen Ürheberd, wenn nicht Vorurtheile der
Wrgichung diefer. vernünftigen Theorie entgegenfichen.
ie, eflgeming, Geneigiheit der Menſchen, an: eine
\
unfichtbgre intelligente Macht zu glauben, Tann, wenn -
auch gicht als ein urſpruͤnglicher Juſtinect, doch
wegen der Rlgeniein heit al ein Stempel, betrachtet
werben, wpmik 3, aöntihe Werkmeifter fein Merk
ichts kaun das Menfchengeichlecht
„mehr ehren, als daß ed uuter allen Theilen der Schoͤp⸗
fung ausermählt worden if, das BI und die Spu⸗
ven des allgemeinen Schöpferd zu tragen. Allein man
betrachte dieſes Bild, wie es In den Volksreiigionen
erſcheint. . Wie. ift’die Gottheit in unfern Vorſtellun⸗
gen’ von ihr entſtellt? Wie viel Laune, Ungereimtheit
“und Smmorakieäe ifk-ihe nicht aufgebürdet ?- Iſt fie
wicht oft unter den Charakter eines verftändigen und
" Mügenbhaften Menfchen in dem gemeinen Leben Irruns
B tet⸗
"a6: Sicenter See Erſte dweh⸗ Fünfter abſchn.
tergewůrdigt? Welches arhabene Vorrecht det Wer»
nunft, fh zar Erkenutlnig des Höckften Weſens er:
bet, und aus den ſichtbarrn Merken der Natur einen
Scchoͤpfer ableiten zu Tinnenk. Uber' die Kekrfehre?
Man: betrachte vie meiſteli Nationen tind Zeitatter, undk
terſuche die Religionsgruudſaͤtze, welche in der Wert
geltend geweſen ſind, und mar witd kaum eine andere
üeberzeuguag gewinnen koͤnnen, als daß es Traͤume
eines kranlen Meufchen find 2*20). .
‚ Diefer Mangel an Wirkſamkeir, die die Retigien
im wirllichen Leben haben follte,; der Widerſpruch der-
Handlangen der meiften Menſchen milt den, durch den
-" 140) The natural history of Riligion. Essays Vol.
IV.:-p 335.327: Thu universal propensity to
believe an invisible intelligent power, if not au
“original instinet, being al tenst a general atten-
dant ef human nature, inay be considered as &
kind of mark or stamp;- which the divine work:
ıtieu hat set upon his work; and nothing surelf
can more dignify mankind, than to be thus so-
lected from all the other parfs of creation and
‚10 bear the image or iınpression of the univer-
* sal Creator. Bul consult this image, as it ap-
- peats in the popular religions of this world.
- "How is‘ ıhe deity dishgüred ‚in. our represente>
.. ons of lim. What caprive, absurdity .and im
‘ moeorality are attributed to him! = ‚What @
.noble privilege is it of human reason to attı
‚the knowledge of the supreme Being; and froin
the visible works of-nature be enabled to infe*
so seblime d principle ds its supteme Creator?"
Bar tuni the reterse‘ af ıke;medal. "Smvey
most nations and most ages. Examine the reli
. gous principles, which have in fact. prevailed.
In tie world, You will starcely be persunded,
** thafthey are oilier tHan sick mefi’s dreams,
ud. dieſem Wirrwarr
Sad
Birke, ald es fruͤherhin gefchehen war. Ber Skeptieis⸗
mus, ſagt er, macht auf dem Gebiete der Erfahtung
53 . een * eo. rt “ all⸗
ar) Etend. ©: 32h. The whole is’a Hädle;’an,
" - ‚üehigiht "ar inexphkable maysterpt‘. Houbt; um:
"7 eertainty, suspense of judgment appear the only ,
result of our most agcurate serutiny, cencerning
\ this subject. TS wor \
Eis) Di ebdektäing, Inatlıra
dou 1779: Dialogues sur Ia rı
. Edimbourg Zi OBER |
fig Aber. 6, €
die —E ve Athen
Leipzig 1781. 8.
. 448. Siebentes Hauptft, ‚Erg Mon., Fünfter Ablchn.
alle Gegenflände zweifelhaft;. abge er. het —
Begeugewicht des natürlichen —2— überwogen,
welches in dern wirklichen ründe bet zwei
lers mig, einem Streich zernichiet. Aber ſohalß ‚mar
ſich vom Bebiere der Erfahrung verliert; finder
kein Tördjes Gegengewicht tiche, ber menſchliche Ben
wird auifden den Dogmatiihen” und: 7 — Urin
Rauden, all, King, keinem ¶Zveifei. etwterworfene Wahre
beit, weil nichts ahne Urſache axiſtirt, und: die ur⸗
forüngfiche Urſache des Weltalls, fie ſey, welche fig
wolle, Gott.genaunt wird, dem wir mit from Siws "
ng alle Arden son Wollkommenheiten beilegen. Mer
diefe. dwahrheiten leugnet, verdient jebe. phlſoſo⸗
piſche Strafe als Perlgchen, Werarhtung, Verbaun
mung 4). Dagegen If der Begriff von Gottes Wer
fen und feinen . Eigenſchaften nicht von derſelben Evi⸗
denz, ſondern ein Gegenſtand des Streits und des
Aweifels; deun die Vollonumenheiten, welche wir Dem
voͤchſten Weſen beilegen, find uur. relative. Wir
begreifen wicht die Eigenſchafter Gottes und dürfen
vicht vorausfegen, daß fie ein Verhätmiß der Foentie
tät oder Aehnlichkeit mit den Eigenfchaften der Ge .
oͤpfe Haben. . Wir Tegen im wit Grund Weispeit, .
Denken, Einf, al 39; wei dife Wone ehren⸗
voll
— Dig a ni
144) Dialogues p. 45. Mais certainement, nd
. des hommes zeisonnables discntent de päreilf su- _
jets, if ne peut jemais &ırg question de l’eristen-
“es; mais senlement de 14 nature de Dieu. La
' preniiere de ces veritds -—. est incontestable et
" porte Tevidende avec sol... u
Humes Pbikefopfie. 449
voll für den Menſchen fa, and weil wir keine andere
Sprache noch anders Vorftellungsweife haben, umunm vi ®
fere Verehrung auszudruͤcken. Aber wir müffen uns- +,
vor dem Gedanken -Hüten;, ald wenn umfere Foeen eis
nigermagmn ſeinen Vollloimmenheiten entſpraͤchen, oder
ſeine Eigenſchaften einige: NAehnlichtat mit denjenigen
Eigenſchaften haͤtten, inwelche ven. Menſchen charakteri⸗
. firen. Gott. iſt utieudich erhaben über. ünſere be
ſchraͤnkte Anficht und Demkneife,.und mehr ein Gegens J
ſtand · der Verehrung in den Tempeln, als des Streits
In den Schuſon- 234). . Mieſes iſt der Gegenſtnd und
der Zus das Dialchs, dor durch den. Juhalt, Misch den
Eharaklev ner, ſich / unterredenden Perſonen, von denen
Philo eis / Shoptiter, Dameas ein Moftiker, Cleanthes
ein matiler iſt, undderch das kunſtvolle Gewebe J
Bäche zu- ven. Interafanteien Geiſtesproducten
Bere J
MWaenm er. au, Pan fin. am Anfange ausgeſpro⸗
chenes, Geändniß, in der Folge dig Beweiſe für das
Dafeyn Gottes ebenfalls zweifelhaft zu machen ſucht;
fo ſtimmt dieſes mit- feiner: Stepfis in Beziehung auf
die Theologie auf das innigfte zufammen. . Denn. die
Abſicht derſelben · iſt⸗Aben darauf gerichtet, zu zeigen,,
baß die‘ Retigton“ gar, we "auf : VBernunftgränden ve
ruhe. Auch mußte er ſchon darum eine ſchaͤrfere Kri⸗
tik der Beweiſe fuͤr die Eriftenz Gottes vornehmen,
weis er ſonſt aimmoͤglich den Hauptſatz, daß Gottes
Weſen für und voͤllig unbegreiflich iſt, ind Licht haͤtte
ſetzen koͤnnen. Indeſſen bleibt hier immer noch einige
Secanfeuenz ſichtbat, die ſich nicht ſogleich erklaͤren
iaßt.
Nach der Theorie, welche Hume vom menſchli⸗
chen Verſtande aufgeſtellt Hat, kaun es für das Da⸗
ſeyn
1465) Dialogues p. 43. 4.
"Leone. veſch d. Hit. xi eb. 31
.
450 Siebentes Hauptik, Erſte Abth. Fünfter Asfhn.
ſeyn Gottes, als ein Factum, Teine Vernunftbeweife
"a priori geben,’ daher. wird auch vom, Cleanth der
Elarkefche Beweis durch einige treffende Bemerkungen.
als völlig mißlungen abgepiefen **°). Vorher hatte
Philo den Beweisgrund a posteriori, der fi auf Die
. urfächliche Verbindung und Analogie fügt, mir noch
größerer Schärfe, als in den Unterfuhungen über
den menſchlichen Werftand geſchehen war, beurtheilt.
Alles kommt bei demſelben auf den Grundſatz an, daß
aͤhuliche Wirkungen Ähnliche Urfachen vorausfehen.
Die Wgt wird wegen ihrer Ordnung und zweckmaͤßi⸗
. gen Einrichtung mit einem menſchlichen Kunſtwerk vers
glichen, und gefchloffen, daß fie,’ wie: diefes, nur durch
einen verftändigen Urheber entftanden feyn kann. Wenn
diefe Schlüffe Webergeugung bei ſich führen fol ſo
muͤſſen Urſache und Wirkung ſchon in der ErfMung
beſtaͤndig verbunden geweſen ſeyn. Wo man über diefe
Verbindung hinaus geht, und bie Aualogie zu Huͤlfe
nimmt‘, verlieren dieſe Schlüffe ihre uͤberzeugende
- Fan wo" Rraft.
146) Dialogues p. 171 seq. 176. I n'est pas pos-
sible de rien demontrer, & moins de prouver
“que le contraire impligue ‚contradiction, Rien
de ce que l’on concolt clairement n’implique
contradiction. Tout ce que nous concevons
existant, nous pouvons aussi le conceyoir: com-
me non-existant. Il n’est donc aucun ötre dont
la non-existence implique contradiction. In’
-est donc aucun &tre dont l'existence puisse ötre
demonträe. — Pourquoi l’Univers materiel ne
serait-il pas l’&tre mecessairement existant, d’
après cette pretendue explication de la necessi=
» te? p.180, Mais le grand Tout, dites- vous, exi-
ge une cause. . Je repons que la reunion de ces
parties en un Tout — west que Veffet d’un acte
arbitraire de l’esprit, et: n’a pas la moindre. in:
Auenoe sur la nature des chosep. =,
mit volllommener Gewißheit, daß es einen Baumei⸗
", fler. hat; denn wir haben gerade-iefe Wirkung von
diefer Art von Urfache herkommen gefehen. Ahr könnt
aber nicht ‚behaupten, daß die Melt fo viel Aehnlich⸗
Teit mit einem Gebäude habe, daß man den Bau der
ſelben einer ähnlichen Urſache zuſchreiben koͤnnte,
oder daß eine vollkommene Aehnlichkeit zwiſchen hei⸗
den. Statt finde Der nterſchied iſt fü "auffallend,
daß affe dataus gezogene Folgerungen ſich auf Vermus
-thungen einer , ähnlichen Utfache beſchraͤnkeu *47),
Man kann die Welt mit noch mehrerem Rechte mit .
‚den Thier> und Pflanzenfubftanzen ‘vergleichen , als
“ mit den, durch die menſchüche Kunſt hervorgebradhten,
Maſchinen. Es iſt daher auch wahrſcheinlicher, dag
bie Urſache, welche die Welt hervorgebracht hat, Ahns
licher ſey der Urſache jener organiſchen Dinge, d. i.
der Zeugung oder Vegeration. Man önnte ſich daher.
bie Welt mit einer Innern organifchen Kraft vorfiellen,
welde Keime von andern "Welten ausſtreuet 248),
Wenn man ſolchen -unfichern Analogigen ſich überläßt,
und darrach die goͤttlichen Eigenſchaften beſtimmen
will; ſo geraͤth man auf lauter Anthroponiorphismen,
‚und legt Gott lauter beſchraͤnkte Eigenſchaften
bei 2a?
Br
Man mag füh überhaupt drehen: und wenden wie
man will, um ein Syftem über die Entſtehung der
Welt aufzuführen, fo wird doch Teines gefunden wer⸗
den, das nicht die Spuren der Schwaͤche des meuſch⸗
' 8f2 lichen
147) Dialogues p. 50. 51. rn
248) Dialogues p. 146 20q.
-149) Dialogses p..120. 13... \
demes Phillephi ARE
rap." Wenn bir:cin Haus ſchen, ſo ſchuelen wie
462 Cini Sam — ‚Fünfter abſhu.
lichen Verſtandes a. tröge, : ‚und nicht Einfprän:
kungen und Ausnahmen unſerer unvolfftändigen Erfah—
sung: außgefegt ‚wäre... Es if eime ausgemachte Sa⸗
he,; daß alle. Syſteme der Religion großen und uns
überfteiglicgen Schwierigkeiten unterworfen ſind. " Ser
ber -Disputisende: hat den Sieg auf feiner Geite,
wenn er :angreifend zu Werke ‚geht, und die Unger
reimtheiten, die rohen Vorftellungen und ſchaͤdlichen
Lehren ſeines Gegners eutzickelt. Uber am Ende be⸗
seiten fie. alle vom Stepric mus, den Triumph * 5°):
ie . befte und einzige Methode, den Nenſchen die
Achtung gegen die "Religion einzufloͤßen, iſt
ein treue Gemälde von 'den Elend and der Verkehrt⸗
heit der Menfchen. Es gibt mehr Böfes, als Gutes,
Und das menſchliche Leben trifft die doppelte Klage,
daß ed kurz, und daß es eitle Muͤhe iſt. Dieſes iſt
ein’ von Allen eingeſtandenes Factum; nur Einen Phi⸗
toſophen hat es gegeben, der, ſeinem Syſtem zu Riebe,
daB, Gegentheil behauptete, npaͤuilich Leibnitz. Wenn
"ber eaſch auch ſeine natürlichen“ ‚Feinde durch feine
Juduſtrle und Klugheit ſich vom Halle ſchafft, ſo macht
ih dagegen ſelbſt eingebitdete Seine, Die entges
jengefegte Behauptung von 'den dad Unangeitehme
überiwiegenden Angenehmen, Berüht auf einer 'unfichern-
Berechnung. Daher kann auch das Gebäude, wetthes
darauf aufgeführt wird, nicht anders, als zerbrechlich
ujnd ſchwankend ſeyn 18*). Wenn man aber auch,
was nie bewleſen werden kann, zugibt, daß hei den
Thieren, wenigſtens bei den Menſchen, Pas Vergnügen
den Schmerz „überwiegt, fo iſt mai darum keinen
Schritt weiter gelommen; d denn das iſt es nit, was
inan
150) Dialogues p. 170.171 ° ©
© 251) Dialogues p. 184 seq.: 188. am. 2
488
* 5 Eu „Hure; Poilofephit Yan
B - 3
mian ‚pon;.eiiter ‚guendlicen Güte, Weisheit und Macht
zu Hoffen und zu erwarten. hat, Warum reviſtire atoch
etwas Boͤſes in ‚der. Wels ?: Eg Fennet grwift michn
vom Zufall; fondern · vou einer Arſache.n Goilie es Des
Zwech. ber Gottheit: ſeyn ?. bämn:fehltg:es ihr/an Cr.
Iſt es gegen iyren Zweck?. fo waͤre Ne; niche:-alkmdche
dig: Nichts Tann. diefen ,"Turzen; Herd und „entz
ſcheidenden Sehtaß:eefchättenn;. nichislaͤßt: ſich darauf,
. gewiedern, als die. Verficherung, DAB. kleje:öngenfände-
über ale menſchliche Faſſungsktaft Zehen, und edaß · auf;
fie die gewöhnlichen Grundſaͤtzon dar; Wäprheit.. feine. -
Anwendung figden 747)... en on
. Wenn wir 'aud) nachgeben, daß bie Lieber ‚ui %
it-den. göttlichen Eigen⸗
inigeg laſſen; fo.ge
achgiehigkeit .
worrenen Erſcheinungen.
aus diefen. - Was läßt fih v
fen? Wären biefe ‚Erfceimmgen au
Deiſchung, ſo wären fie doch nicht zu dieſer Aufloͤſung
zureichend, wegen ihrer Beſchraͤnktheit; und fie werden
ed wich weniger ſeyn, wenn fie unter einander wi⸗
derſtreitend find 722): nn nn no
fu ee Reg ee een
25h) Dialagues p. aasn--:.
153). Dialogves p. 213, . II ne sufft_ pas-.que ces
choses puissent se.eoncilier. ... faut' que vous
prouvies que ces atti/buts sont purs, sans me-
lange ‚et. sans defapr, d’apres les 'phenomenes
B J u D actu- .
154 Siebenies Haupt. Eiſt abch. zialtie abſchn.
Wenn alle Wenre Sefchöpfe dep Schmerze un⸗
sugäinglid: wären ; "wenn bie Welt nach befondern Bes
finmungen mb Kegeln regiert würde: fo hätte fich
das Boͤſe nie indie: WBeft.eingefünden. Wären die le⸗
benden Weſen Age‘ das: Map’ des reinen. Bebürfniffes
mir Gütern und Vermögen verſehen; wären die Trieb⸗
werte und Kräfte der: Belt :fo: genau einander. anges
paßt, daßıfie ſich immer in dem rechten Mittelpuncte,
amd is einen: gleichfoͤrmigen Verhältniffe erhielten: - fo
wuͤrde es weit weniger Voͤſes geben, als wir wirklich
erfahren. Wie ſoll man ſich *iber dieſen Punct erklaͤ⸗
ren? Zu ſagen, dieſe Umſtaͤnde wären wicht nothwen⸗
dig, und Könnten in ber Zufammenfügung des Univer-
fums leich Äbgeändert werben — wäre für fo blinde
und unwiſſende Weſen, als wir Menſchen find, auma⸗
bend. Wäre bie Güte der’ Gottheit aus andern Gruͤn⸗ ·
den a priori erwwiefen; ' Towifven diefe,_ wenn auch
noch fo um zeimaͤßigen, Erſcheluungen nicht hinreichen,
diefes Prineip unzüftoßen, und'ntan koͤnnte Beides auf
irgend‘ uhbefrintre Weiſe mit eihahber‘ vereinigen.
st aber” diefes' iicht_ dei‘ Fali, wird die Güte erſt aus“
den Erſcheln ge: abgeleitet, fo N zu. diefer Fofgerung
" plel Vöfes“ in der Mere
gibt, und,inwiefern es de ſchlichen Verftande
moͤglich iſt, ſich daruber zu erklaͤren⸗ dieſen uebeln ab⸗
arheltea ſo teicht geweſen w wäre 2 ws &
.
“
aetuels, miles et " eonfondun, ot d’eprös;ces ‚pheo,
nomenes seuls. Que ‚d’esperances nous donne
’ eette täche! Ces phenomenes seroient meme
pufs et sans melange; waia, ötant bernes, len
suffiraient pas möme pour cet objet. Encore
möins; »ils etoient encore si oppases et si if
ciles & concilier ensembke, ’
» 254) Diafogues p. 239. 24
w
Humes Phitefophi. 455
Sp greift Hume den Theiften in allen feinen Vers
ſchanzungen mit unwiderſtehlicher Kraft an; nicht die,
Religion ſelbſt, für welche er feine Achtung unverhos
len erklärt, fonbern nur den Theismus, weil er übers
zeugt iſt, daß derſelbe feinen haltbaren Grund habe,
und wenn man alle Folgerungen deſſelben mit ſtrenger
Eonfequenz fortführe, "auf Ungereimtheiten und felbft
auf Gotteöfeugnung gerathe. - Webrigens erBlärt er den
Streit des Dogmatikers und Skrptikers für einen
"Mortfireit, weil Me eine gewiffe Nothiwendige
keit des. Denkens, und gewiffe Schwierigs
teiten in den Gegenfländen anerkennen müfs
‚fen, der Eihe: aber mehr auf jene Nothwendigfeit des
Denkens, der. Andere mehr auf die Schwierigkeiten ach⸗
tet, und fi) diefes Mehr und Weniger nicht beſtimmt
in- Begriffe faffen laͤßt *75). Am Ende kommen noch
treffende -Bemerkungen über ben Aberglauben vor, der
fi fo. häufig mit den religiöfen Vorſtellungen verbins
det, und deffen Wirkungen auf den Verſtand und Chase’
rakter er mit ſtarken, ergreifenden Zügen ſchildert *5°),
Mean erkennt in denfelben Stellen die Gründe von dam
Abſchen, welshen.. Hume gegen den Aberglauben
‚hatte, " .
Die Unſterblichkeit ber Seele iſt von Hume
ebenfalls an mehreren Orten ſkeptiſch beleuchtet wor⸗
den, vornehmlich aber in feinem Verſuche über die
Unfterblipfeit der Seele, wenn er anders. dem Hume
“ wirklich angehört 1257). Den metaphyſiſchen, phyſc
Br oo on fpen-
D
" 155) Dialogues p. 265.
156) Dialogws p. 267 seq. 287. 288.
m ‚Einays on muicide and the immortality of soul
y the late D. Hume; wiih remarks by Ye.
. \ i-
N vo \ —
466 Siebentes Haupt Erſte Ah. Fünfter Abſchn
ſchen und moraliſchen Bewelsgruͤnden werden Einwürfe
eutgegengeſtellt. Die phyſiſchen Argumente, fagt er,
om find bei dieſer Frage, fo wie bei jeder, welche eine
Ddatſache betrifft, die einzigen, welche zugelaffen wer⸗
den koͤnnen. Diefe Gruͤnde ſprechen ſtark für ‚die
Sterblichlelt; denn wo zwei Objecte ſo enge verbuu—
den find, daß alle Veränderungen, welche in dem eis
nen wahrgenommen tberden, regelmäßige Veraͤnderun⸗
gen in dem andern nach ſich ziehen‚da maß man nach
allen Regeln der Analogie ſchließeſ daß, wenn das
‚eine aufgeloͤſt wird, dieſes auch eine gaͤnzliche Zerſtoͤ⸗
zung des andern nach ſich zieht.
Nach dem Standpuncte, weichen Hume genom⸗
\ men hatte, ſchloß er ale Gegenftände, welche außer
7° ber Erfahrung liegen, aus dem Gebiete des Miffens
“aus. Die Erfenntnif ift nur auf das Gebiet ‘ver Er⸗
fahrung beſchraͤnkt, und audy innerhalb deſſelben Höchft
unvolltommen.: Es gibt eine unrrüglichen Grundfäge,
welche ihre Evidenz in fich ſelbſt Haben, und wenn es
" dergleichen gäbe, To Finnte man doch keinen Schritt
. über diefelben hinaus thun, ohne von denjenigen Sees
. lenvermoͤgen Gebrauch zu machen, auf. welche wir.
. " ſchon
editor — A new edition with considerable im-
.. ,provements, London 1789. 8. Beide Verſuche
\ find augn erſchienen und in feiner’ Ausgabe von
-, Hime's Schriften aufgenommen. Jedermann legte
Du fie aber ihm als Urheber bei, und er hat nie förmlich
B widerſprochen, obgleich er ſie auch gewiſſermaßen durch
die Ausſchließung aus den Sammlungen feiner Schrif⸗
ten verworfen. ie enthalten auch wirklich mitunter "
feichte Bemerkungen’ -in einen zu leidenſchaftlichen
Tone. ° Man vergleihe Übrigens auch die Enqui-
25 ıy sonc. human understand, Essays Vol. IV. ,
[ p · 988. J u -
10 \
Äh · ornus, durch die Warine des · Carteſtſchen Zweis
fels, mißtrauiſch geworden find. Der Skepticismus iſt
ανν dviumes Phiefophie. ——
eutweber uͤbertrieben, vder:gemäßigt. Jenes, wenn er
alle Sewißheit · und’ Ueberzeugung zernichtet, dieſes,
went ein gewiſſen Grenzen gehalten wird. Fuͤr den
allgemeinen und. uneingeſchraͤnkten Skepticismus pres
. hen folgende Erna! 1) Alle Menfchen haben einen
narüriichen Inſtinct, ihren Sinnen zu trauen, und ſie
nehmen,‘ zufolge deſſelben, vor aller Vuterſuchung eine
Wert außer fih an: - Die gemeinfte Philofophie ſtoͤßt
. aber diefen Glauben ulm ; denn ohne noch von dem
\ Weriäge.der Sinne zu reden, fo find unjerer Seele
nurBilder oder Borftellunge von Gegenftänden, nicht -*
diefe-ferbfi, gegenwärtig. Wir wiffen nicht, ob die letz⸗
tern außer und ekiftiren, noch haben wir ein ‘Mittel,
verfPzhfemmenhang der Vorſtellungen. mit Gegenftäns
den · zut Gerißheit zu. bringen; denn wie follte dieſe
Fragb"entfchieden werden? Unſtreitig durch die Erfah⸗
. Yung, wie jede factifche Frage. Abet Hier fchweigt die -
Erfahrung, und fie maß ſchweigen. Nur Vorftelluns
gen, und nichts wehter, find .dem Gemüthe gegenwaͤr⸗
"tig; unmoͤglich kann -- daher. das: Gemuͤth eine; Erz -
fahrung von dem Zufammenhange der Vorſtellun⸗
gen:mif“ den Genenftänden haben. - Es iſt eine
Hypotheſe ohne verminftigen Grund. Es koͤnnten
die · Vorſiellungen Auch durch innere Kraft des Geiſtes,
wie wir in den Träumen: fehen, oder durch die. Eins
gebung eines Geiftes entſtehen 258). ‚Auf. die Wahre
Hhaftigkeit. des hoͤchſten Weſens ſich berufen, "um“dle ,
Wahrheit der Sinne zu beweifen, ift ein unerwarteter
Spruug/ der nicht / zum Biete führt. Hier gerathen .
alſo
2658) unterſuch ung üb. den menfgl. Bajt-
a ae. den vena
zza Siebentes vaupiſt. Erſie —* Fünfter Abſchn.
alſo Vernunft und. Naturinſtinct in einen ungufloͤe di⸗
hen Streit 132). 2) Alle Denker ſtimmen jetzt darin
überein, daß alle finntichen, abgeleiteten Eigenſchaften
nicht in den Gegenftänden verhanden , ſondern nur
Worftellungen des Gemuͤths find. Raͤumt man. Diefes
son den abgeleiteten Eigenſchaften ein, ſo mug eb, wie
Berleley gezeigt hat, auch von den urfprünglichen” Ei
genichaften, welche ebenfalls von fi innlichen Vorſtellun⸗
gen abhängen, eingeräumt werden 350). 3) Die
Haupteinwürfe-der Skeptiler gegen das abſirocte Denten
gründen fi auf die Begriffe.vom-Maum amd Zeit.
Diefe Begriffe, welche dem gemeinſamen Verſtande fo
ar und verſtaͤndlich find gmwerden in den. Höhen Wiſ⸗
ſenſchaften, deren, Gegenſtaud ſie ausmachen, durch eis
ne Kette von Schluüſſen, die evident find, zu Folgerun⸗
gen fortgeführt ‚: welche, ben Verfland weit mei
poͤren, ald.alle, von Priefiern.erfonenen Dogmen.
Dieſe? Folgeſaätze find die unendliche Theilbaxleit des
Raums und der Zeit, "Eine reale. Gräfe, welche us
endlich Heiner iſt, als jede endliche Größe, welche unz
endlich kleiuere Größen enthaͤlt, als fie felbit ift, das
ift ein.:fo -Fühnes uud. abenteuerliches Gebaͤude, als
daß · es durch eine noch ſo ſtarke Demonſtration getra⸗
gen werben ſollte. Eine unendliche Anzahl vg, realen
Teilen der Zeit, wo einer auf den andern folgt und
ihn gleichfam verſchlingt, ſcheint fo offenbare Wider⸗
ſpruͤche zu enthalten, daß es ben, Verſtand empört;
und doch kann es nicht widerlegt werden. Diefe Wis
derſpruͤche, wodurch die Vernunft mit ſich ſelbſt ent⸗
zweit wird, ſcheinen zur. dadurch gehoben ‚werden zu
tönnen, daß man alle abſttacten oder afgemeinen Ber
\ x grffe
159) Unterfugung — ©. 351.
160) Unterfugung — ©. 357. -
Sn mes Beiofepie “ 459
griffe aufgibt son, w Die ſteptiſchen eincile ge⸗
‚gen den Gebrauch der Vernunft in Thatſachen, ſind.
theils populär, theils vhiloſophiſch. Jene von der
Schwaͤche des Verſtandes, von der Verſchiedenhelt der’
Meinungen, und der Veraͤnderlichkeit der Urtheile her⸗
genommene, find nur. ſchwache Einwuͤrfe, "weil fie in
dem wirklichen Leben durch die Nothwendigkeit, über
Thatſachen zu denken, alle Augenblicke umgeſtoßen wer,
den. Beſſer thut der Skeptiker, wenn er fih an die
philoſophiſchen Eigmwürfe hält, welche darin beſtehen:
Alle Gewißheit von Thatſachen, welche nicht unmit⸗
teibar durch das Zeugniß der Sinne und des Gedädhts,
niffes beftätigt werben, entipringt einzig aus dem Vers
hältniffe der Urſache und Wirkung. Von dieſem Ver⸗
haͤltniſſe haben wie keinen andern Begriff, als den
von eiuer oͤftern Verknupfung zweier Gegenſtaͤnde.
Wir Haben aber keinen Grund, uns zu ‚überzeugen,
3 daß Gegenſtaͤnde, welcherin unſerer Erfahruug oft’ dere
Buuden waren, aud) noch ın andern Fällen auf dieſel⸗
be Weife. verknüpft feyn werden. Auf dieſe Aunah⸗
me leitet und uur die Gewohnheit, oder ein. gewiſſer
Naturinſtinct, der, .wenn auch die Widerſetzlichkeit ges
gen denſelben noch ſo ſchwer iſt, doc) taͤuſchend und
befüglich ſeyn kann. Wenn der Skeptiker bei dieſen
Gruͤnden ſtehen bleibt, ſo offenbart er ſeine Staͤrke,
oder vielmehr ſeine und unſere Schwaͤche, und ſcheint
alle Gewisheit und Weberzeugung EL yernichten —*
So weit koͤnnte der Slepticismus wohl getrieben
werden; aber er wuͤrde in feiner größten Stärke kein
dautthaftes Gut für die, Brtenfiefe benttlen. Fragt
Fee 117 5
163) Unserfagung — 8.361 fr
162) Unterſuchung — ©. 367 ff. :-
) \ *
u.
I 460 Siebentes Hauptſt Erſte Abth · Zunfter dibſchn.
man einen ſolchen Skeptiker, welche Abſicht er errei⸗
chen will, ſo iſt er augenblicklich in: Verlegenheit. An⸗
ſtatt eines wohlthaͤtigen Eiufluſſes, muß er vielmehr
eingeftehen,: daß," wenn feine Grundfäge Eingang fins
den- follten, das ganze menſchliche Leben zerulchtet, alle
Mitteilung durch die Sprache, und jede Handlung .
ein Eude haben würde. Eine fo trautige Begebenheit
iſt nicht Teiche zu befürchten, ; denn. die Natur iſt
mächtiger, als. alle Grundfäge. Wenn auch fleptüiche
Raifonnements ein augenblickliches Staunen. hervorge⸗
. bracht hätten, fo würde doc die altäglichte Wer
gebenheit alle Zweifel und Bedenklichkeiten vers -
, Es gibt einen gewiſſen Naturinfinct, in
" Anfehung des Erfennens, durch welchen wir
unſere Erkenntnißkraͤfte geſetzmaͤßig gebrauchen, ohne
vie Geſetze deſſelben zu kennen. Ex aͤußert ſich vor⸗
zuͤglich bei denjenigen Erkenntniſſen, weiche von der
wichtigften Bedeutung find. Die Verftandesthärigfeit,
nad) welcher wir von aͤhnlichen Wirkungen auf ähnlie
qhe Urſachen, und umgekehrt, fchließen, ift. für die Ers
haltung der menfchlichen Weſen fo weſentlich, daß fie
wohl nicht den truͤglichen Schlüffen der Vernunft An⸗
vertrauet werden dürfte, welche fo langſam in ihren
Verrichtungen iſt, in den erften Jahren der Kindheit |
ſchlummert, und in dem beften Alter dem. Irrthume
and den Mißgriffen fo gewaltig unterliegt. Es ift der
Weisheit, der Natür weit angemeffener; eine fo. merke
wendige Thaͤtigkelt des Verftandes durch einen ne
ſtinet oder mechaniſche Richtung ficher zu ſiel⸗
-" Yen. Der Inſtinct kann “in feinen: Wirkungen unfehl⸗
bar ſeyn, fi in. den erſten Erfcheinungen des Lebens
und Denkens dußern, und feine Unabhängigfeie von
alten erkünfielten. Dedustionen des. Verſtaudes "behaupe ,
ER ten.
.
\
x NIT
s on
J - Humes Philofophie, u 461
ten. So wie bie Natur und den Gebranc der Glie—
der gelehrt Hat, ‘aber ohne Kenntniß der Muskeln und
Nerden, wodurch jene in Bewegung gelegt werden; fo -
hat fie und einen Juſtinct eingepflanzt, welcher unſer
Denken in einem folchen Gange fortführt, welcher dem
von der Natur unter den dußern Gegenftänden -feftges
ſetzten Laufe entfpricht,. wiewohl wir die Kräfte nicht
Tennen, von welchen diefer Kauf und diefe Folge der
Gegenftände gänzlich abhängig ift *°?). . ,
. et Es
163) Unterſuchung — ©. 122.‘ Essays Vol. IIlI.
P. 82. As this operation of the mind, by which
we infer lıke effets from like canses agd vice,
versa ,' is so essenliak to the subsistence of all
“human creatures, it is net probable, that it could
be. trusted to the fallacious deductions of our
reason which is slow in its. Operationsz Appears
not, in any degree, during tlıe first years of in-
fancy; and at best is, in every age and period
of human life, extremely liable to error ang.
mistakd, It is more conformable to te ordi» _
nary wisdom, of nature to secure s0 necessary
an act of ıhe mind. by some instinet or me
chanical tendeney, wbich may be infallible in its _
Operations, may discover itself at the first ap-
pesrance öf.life and thought ,. and may be in-
dependent of all the laboured deductions of the
. understanding. . As nature has taught us the use
. of our limbs, without giving us the knowledge
- of the muscles and neives by which ıhey are
»etuated; 90 has slie implanted in us an instinct,
which carries forward the thought in a’ cor-
respondent course to that which she häs esta-
blished among external objects; though we are
‘ignorant of those powers and forces,. on which
this regular course and succession of objects iq-
tally d«-pends, — Diefen Inftinst nennt Hume an
andern Orten, j. B. Dislogues p. 266 une abo ö
4 e
364) Unterfugung — ©. 373 fi ‘
"462 Siebentes Haupıil, Erſte Abth. Fünfter Abſchn.
Es kann daher nur einen gemäßigten Skepticis⸗
mus geben, welcher, indem er zur Prüfung der Mei⸗
nungen, ‚zum Aufſchieben des Urtheils, zur Maͤßigung
des Hanges zum Dogmatismus um fo mehr antreibt,
‘je mehr man von der Stärke der. ſkeptiſchen Gründe
überzeugt iſt, und von der Unterfuhnng folder Ges
genfiände abhaͤlt, welche mit den beſchrankten Vermös
gen des menſchlichen Verfiandes in. Feinem Verhaͤlt-
niſſe ſtehen, von deu wohlthaͤtigſten Folgen ſeyn
kann ka >
Nach den Grundſatzen dieſes gemäßigten Skepti⸗
elsmus beſtimmt nun Hume die Grenzen des Verſtau—
des, gder den Umfang des wiffenfehaftlichen Verſtan⸗
desgebrauchs, auf folgende Weiſe: Die einzigen Ge—
genftände der abfiracten MWiffeufchaft und Demon:
"firarion find die Begriffe von Größe, Zapı
und dern Verhältniffe, und die verwidelten Vers
haͤltniſſe der Urt koͤnnen nur durch eine Reihe, von
Schluͤſſen erfännt werden. Vergeblich find die Verſu⸗
he, über diefe Gegenſtaͤnde hinaus das Gebiet der Des
monftration ausdehnen zu wollen ; -denn alle übrigen .
uUnterſuchungen betreffen‘ Thatſachen, bei welchen eine
Denionftration nicht auwendbar ift, weil was ift,
auch nicht feyn kann. Die Exiftenz eines Dinges
Tann nur aus Gruͤnden von feiner Urfache oder Wirs
tung bemiefen, und diefe nicht 9 priori, fondern aus ber
Erfahrung gefolgert werden. Die Erfahrung iſt das’
Zundament aller moralifchen, d. i. Wahrfcyeinlichkeits:,
u . \ . Schluͤſſe
Ine necessit& de penser; und geftcht, daß der Skep⸗
titer fo gut, als der Dogmatiker, dieſelbe, nur in
ungleiche Verhaͤltniſſe, anerkennen. ”
Fr er 3
nie "Bumes Philoſophie. 463
Sorge und Unterfachungen; welche den größfen X Zei .
der meuſchlichen Erkenntniß ausmachen.
Die moraliſchen unterſuchungen betreffen entweder
befondere, oder allgemeine Faeta. Zu jenen ‚gehören:
bie Ueberlegungen über Vorfälle aus dem menſthlichen
geben, alle biftorifche,, geographiſche chronelogiſche
und aſtronomiſche Unterſuchungen. Die Wiſſenſchaf⸗
ten von allgemeinen Factis find die Politik, die
Naturphiloſophie, Phpſik, Chemie, in weis »
hen die Eigenſchaften, Urſachen und Wirkungen einer
ganzen Gattung von Gegenftäuden, unterfucht werden.
Die Theologie, infofern fie dad Dafeyn Gots
tes und die Unfterblichfeit der Seele beweifl, beſteht
aus Betrachtungen über befondere und allgemeine Facta.
Sie ift auf Vernunft. gegründet, infoweit diefe durch
die Erfahrung unterfütt wird.” Ihre befte und halte
Barfie Stüge ift aber Glaube und Offenbarung.
Die Moral und Kritik find nicht ſowohl Ges
genftände des Berfiandes, als des Geräts üng
Geihmads.
Nach diefer Encyklopaͤdie der Wiſſenſchaften wird
jedes Buch aus. der Theologie und Metaphyſik, infor
fern es nicht mathematifche Unterfuchungen über Grör
se und Zahl, noch Unterfuchungen der empirifchen Vere
nunft über. Zacta und eriftirende Dinge enthält, zum
Feuer verurtheilt, weil es nichts als Sophiftereien und
Taͤuſchungen enthalten koͤnne *55),
, Mnfireitig ift Hume unter den Philoſophen von
der enwiriſchen aa der confequentefte, gründliche
. fe,
165) Unterfugung — ©. 376 ff.
vw
!
‚454 Siebentes Hauptſt. Erne Abth. Fünfter Abſchn.
. Me, charfſlmigſte. Indem er auf den Zuſtand und.
den MWechfel der Syſteme, auf die ewigen Streitigfeis
ten und den Mangel an Einftimmigkeit in der Philos
fophie feine Aufmerkſamkeit richtete, fand er den Grund
des Ugbels, fo wie die Heilmittel, in einer gründlichen
" Unterfityung des menfchlichen Verftandes, und einer
genauen: Beftimmung der Grenzen, Innerhalb. welcher
Erkenntniß möglich iſt. Dieß war alfo im Ganzen
derſelbe Plan, ven ſich auch Locke vorgefegt hatte. Aber
- in der Andführung deſſelben ‚zeigt fich bei beiden eine
gtoße Verſchiedenheit. Locke befchäftigt ſich mehr mit
dem Urſprunge und. den Materialien der Erkenntniß;
was er über die Verbindung der Vorftellung zur Er⸗
kenntniß ſagt, iſt nicht tief gefchöpft und ermangelt
der Conſequenz. Hume nimmt die Lodifche Theorte '
von dem, Urfprunge der Vorftellungen an, ohne-fich
weitfäufig damit abzugeben; aber er geht tiefer in das
Formale der Erfenntniß ein, und entwidelt mit größe
ter Schärfe und Confequenz die Folgerungen, weldhe
fi) aus den empirifchen Urfprunge der Vorſtellungen
‚ergeben. Vorzüglich intefefficte ihm’ der Vegriff von
Verknüpfung und Nothwendigkeit, nicht ſowohl der
Vegriffe als der Gegenftände, welche einen fo wichtis
gen Beftandtheil- unferer Erfeintniß ausmachen. Die
Nefultate diefer Unterfuchung find oben. angegeben
worden. Die Folgerichtigkeit derſelben, ſowohl in Ans
fehung der. Begriffe von Urfache, Kraft, Norhwendige -
keit, als auch des fubjectiven Grumdes ‚der Ver .
knüpfung und. ‚der Unmöglichkeit einer: Erfeuntniß
außerhalb dem Gebiete der Erfahrung , in. welcher
nur eine: beftändige Folge von Vorſtellungen wahr⸗
genommen wird, welche dem’ Verſtande zur Regel der
Verknüpfung dient, fe: wie der Mangel einer geroiffek
Erkenntniß und Einfiht in. den objectiven Zufammens
hang, und der allgemeine Sfepticiömus, ‚Inden wir nie
über
Hume’s’ Poitofopbig u 465
- über unfere Borfeungen und deren fubiöspiven.. Zu
ſammenhang hinaus Fönnen, iſt "einfeuchtend. Dieſe
DZolgerungen machen. die Glleder einer Kerte aus, der
ven oberfier Ring in. dem angenommenen: Grundfate
befeftiget iſt. Gibt man diefen zu, fo muß man alle
Solgeſaͤtze, ald nothwendige Folgerungen ‚ebenfalls zus
geben, und man Tamm diefe nicht mit Erfolg angrei⸗
fen, wenn: man den erſtern fliehen läßt. Nur darin
ſcheint Hume Tadel zu verdienen, „Daß er die Bors
ſtellungen der Einbildungsfraft und die Be
griffe nicht von einander unterfchieden, ſoudern beis
de, weil fie nicht Eindrücke, ſondern abgeleitete Vorſtel.
Tungen find, ohne auf die großen, fo Leicht in die Aus
gen: fallenden Unterfepeibungsmerkmale zu achten, als
einerlei behandelt. Dieſe Vernachiaͤſſi ſigung iſt um ſo
auffallender, da er ſonſt die Wirkungen der Einbil⸗
dungskraft und des Verfiagdes wohl unterſcheidet.
Aber verwundern muß man ſich, daß dieſer Den⸗
ker von ausgezeichnetem Scharfſiune durch) das Reſul⸗
tat feiner Philoſophie nicht auf eine Unterſuchung gang
anderer Art geleitet worden iſt. Das Reſultat iſt,
wie am Tage liegt, und, er felbft offen geſteht, ein.
allgemeiner Sfepticiömus, in welchem jede ‚Mebergeue
gung untergeht, Nun mußte er aber felbft einräumen,
daß ein folder Skepticismus nie wirktich ‚gefunden,
daß. er mis dem meuſchlichen Seyn und Leben in Wis
derſpruch ſtehe und zwecklos fen, weil er in dem wirk-
lichen Leben durch. die Erfahrung alle Augenblicke zer⸗
nichtet werde, indem ein ſtaͤrkeres Gefühl des
-Glandens, ein Naturinflinft,. oder eine ge⸗
wiſſe Nothwendigkeit im Denten alle fleptie
ſchen Gründe uͤberwiege. Hume hätte immerhin auch
voch hinzufegen mögen, daß er auch, nicht möglich. ſey,
indem er, wenn ei wiſſenſchaftlich ſeyn fol, doch in
Tennem. Geſqh. d. Philoſ. xi. ch. BGg ZFeol⸗
n ie
466 Ciebentes Hauptfl. Erſte Ath. Fünfter fn.
" Folgerangdr aus Grundfägen beftchen muß, und went
jene nicht wahr find, aus denſelben auch nichts Wahs
‚res folgen kann. Wie kam es nun, daß Hume hier
nicht die fo vernünftige Marime feines beſchraͤnkten
Skeptieismus amwvendete, daß er durch den Widerſtreit
des Endrefultats feiner ſteptiſchen Unterſuchungen mit
jenem Naturinſtinkt und jener Nothwendigkeit,- miß⸗
trauiſch auf das Princip -wıd deu Gang der Unterſu⸗
chung gemacht wurde, und feinen Grundſatz, die erſte
Borausſetzung ſowohl, ald die Folgerungen daraus, eis -
ner wiederholten Prüfung unterwarf; daß er- nicht
“noch etwaß’tiefer in die innere Oekonomie des menſch⸗
Uchen Gelftes eindrang, nicht genauer bie verfchledes
men Verrichtungen deffelden, und die Geſetze betiefben
zu erforſchen firebte; daß er befonders der. richtigen
Bemerkung einer Nothwendigkeit des Dentens nicht
“ weiter machforfehte ; fondern durch die qualitas occulta
eines Naturinftinkts alles weitere Unterſuchen abbrach?
Bl. wiffen hierauf feine Andere Antwort, als daß
die. Eigenthümfichkeit diefes Denkers mehr in dem
Scharffinne, als in dem Tieffinne beftand, und fein
Geiſt, ‚im Gefuͤhle feiner Kraft, mehr fortſchreitend
die: Folgerungen von gewiffen datis zu entwideln und
zu vergleichen ſtrebte, ald zu den entferntern Gründen
zuruͤckzugehen vermochte. Auch fand er mehr Werghür
gen daran, Schwierigkeiten hervorzuziehen, als fie aufe
zuloͤſen. ieſes letztere ſetzte Talente und eine Rich⸗
tung der Kraͤfte voraus, die er nicht cultivirt hatte,
Darum blieb er auf dem Gtenzpuncte des Stepticids,
mus ftehen, und fand ſich wohl dabei, denfelben. ats
eine von ihm erbauete ſichere Feftung zu behaupten,
Seine Gemuͤthsruhe und angemwöhnte Gteichgüktigfeit,
nach keinem höhern Standpuncte zu ſtreben, wurde
durch die Ucberzeugung unterhalten und genährt, daß
— aus
\ B
D
Bu SHumes, Phitefophie 467
außer. dem Bezirk diefes feſten Poftend Feine gründliche
\ und dauerhafte Ueberzeugung zu gewinnen ſey. Ai
urseachtet aber Hume darin andern Forſchern
nachſteht, fo hat er doch als Denker von diefer Indi⸗
didualltaͤt ſich ein großes Verdienſt um die Philoſo⸗
phie als Wiſſenſchaft ſchon dadurch erworben, daß er
in der Theorie der Erkenntniß nur fo weit vorgedrun⸗
gen iſt, durch die Art und Weife aber, wie er feine '
Unfichten gewann und barftellte, den Weg zum weis
tern Eindringen bahnte, und gleichſam nöthigte, noch >
einige Schritte weiter zurüc zii gehen. Die gründliche
Weiſe, mit welcher er den Grundſatz des Empirismus
eniwickelte, die firenge Vefolgung der Iogifchen Geſetze
des Denkens, - die Aufrichtigkeit, Die Folgen, welche
ſich durch conſequentes Verfahren ergaben, aufrichtig
zu geſtehen, ohne ſie zu umgehen, oder zu verdergen, .
dieſes mußte. eben fo redliche Denker, als er, wenn fie
von der. Natur das Talent der Sagaeität erhalten
hatten, zu ber Ueberzeugung führen, daß der Ems
pirismus nicht das wahre Syftem der Philofophie
ſeyn Tonne, daß es noch andere Veftandtheife und
Gründe der Erfenntniß geben müffe, daß die Reſul⸗
tate ſowohl für das Wiffen, als Glauben, und die
Gründe der Gewißheit anders ausfallen müffen. Die
Schwierigkeiten, welche aus biefer Philofophie entfprins »
- gen, und welche ſich noch fehr vergrößern, wenn man
die Evidenz der Mathematik, die nothwenbdige Vers
knüpfung In ihren Sägen, ‚und ihre objective Gültige
keit, mit der ungenägenden Erklaͤrungsart des Hume,
‚die ſtrenge Nothwendigkeit der ſittlichen Vorſchriften J
zugleich mit zum Object der Reflexion macht, und die
Mangelhaftigkeit der Humiſchen Erörterung der Cau⸗
ſalitaͤt, indem fie die Realfolge und die fubjective der
Aiciation nice ſcharf genug unrfäehet, auch nach
832 dem"
1. 468 Sihentet Haypı örie abe. inf fhn.
dem- angegebenen Grunde nur auf dorhandene Aſſocia⸗
tion der Vorſtellungen von Obiecten etſtreckt, da das
Erfahrungsurthell viel weiter geht — alles dieſes
mußte. zuletzt auf den Hauptpunct führen, wo der
Hauptfehler der ſkeptiſchen Philofophie des Hume, und
fogleich das. Princip einer tiefern Erforfhung des Er⸗
Tenntnißgermögeng und, einer, die Vernunft nicht blos
einſeitig befriedigenden Philofophie ſich ergab.
Doch dieſe Wirkungen hat Hume durch ſeinen
Skepticismus nicht ſogleich, und auch nicht in ſeinem
Vatertande hervorgebracht. Seine Philoſophie machte
großes Aufſehen; man hielt ſie fuͤt das Product eines
frevelnden Geiſtes, der aus eitler Ruhmſucht an der
denſchůchen Erkenntniß zum Ritter werden, und haupt ⸗
fächtich die Religion über ven Haufen habe werfen
wollen. Mehrere Denker traten gegen ihn auf, und
ſuchten feine Phitofophie .zu widerlegen, Und nicht alle
Tießen. feinem Geifte Gerechtigkeit widerfahren, und
nicht alle festen feinem Scharffinne, feiner Buͤndigkeit
und Gruͤndlichkeit gleiche Talente entgegen. Alle erhes
ben ihre Stimme gegen den allgemeinen Skepticismus,
der, nicht zufrieden mit der Zernichtung der Außen—
welt, wie in dem Idealismus des Berkeley, auch nicht
- einmal die Realität eines vorfiellenden Subjects übrig
Taffe, und ſetzen demſelben die Weberzeugungen des ges
* meinen Verſtandes entgegen. Aber bis auf den
Grund, woraus diefer Skepticismus entfprungen war,
gingen fie nicht zuruͤck, und konnten ihn daher auch
nicht widerlegen , noch der Philofophle eine andere
Richtung geben. .
Die berühmteften Gegner des Hume find: Tho⸗
mas Reid, James Beattie, Thomas Os—
wald und Joſeph Prieftley. Die drei erſten fick
len dem Stepticiamue den gemeinen Menſchenverſtand,
dh
— = s "Sumes: Gegnet. 469
ei. geroiffe anberöiefene and uhermeistiche "Grunde
Wahrheiten, entgegen, burch welche ‚der Verftand ohne
Gründe, durd) bloße Machtſpruͤche, entſcheidet. Der
letztere tadelte dieſe nicht philoſophiſche Art zu ſtrei⸗
ten mit Recht, ohne durch feine dogmatiſchen Saͤtze
den Zweifler zum Schweigen bringen zu koͤnnen. Jene
Methode zu widerlegen, war um fo verwerflicher, weit '
Hume felbft geftanden hatte, daß der Skepticismus
mit einem Naturinftinke, oder dem von feinen Gegnern
genannten gemeinen Menfchenverftande, freite, und
eben deswegen eine Beſchraͤukung deſſelben für noth⸗
> wendig geachtet hatte. Er Hatte alfo den Stepticide
° mus und ‚den gemeinen Menfchenverftand ald zwei
Parteien dargeftellt, von: welchen jede behauptet, Recht
su haden. Nun machten. die Gegner die eine Partei
sum Richter, ohne die andere-gg6 Gründen mit ihren
Anſpruͤchen abgewiefen, d. i. den Stepticiömus widere
Zegt zu haben. Eine Ausnahme macht hierin gewiſſer⸗
maßen Reid, der jedoch den Skepticismus ded Hu—
me aus einem falſchen Grunde ableitet, und ihn daher
nicht widerlegt hat.
Reid, Pꝛofeſſor der Ethik zu Stasgew (farb
1796), durch feine Schriften als ein talentvoller Denker,
dem es um Wahrheit zu thun, war, berühmt, und ſouſt
in verdienter Achtung , ‚Eonnte den Idealismus und
Stepticismus nicht mit gleichguͤltigen Augen anſehen.
Erdtrat als ein, des Huͤme nicht unwuͤrdiger, Gegner
durch ſeine Unterſuchung des meuſchlichen Verſtan⸗
des aus dem Geſichtspuncte des Gemeinſinns,
„auf Br Der Slepticismus ſchien ihm eine Folge
einer
mind, on ıhe ‘priuci«
. 66) Imgairy into ıhe hum:
ple of contmon sense ,' by Th. Reid; Ed. IN. '
London 1769. 8, Deutfd Leipzig 1782: 8. Sei⸗
” B m
“
470 Eiebentes Haupiſt. Erfie Abth. ünfer Be.
einer N weit getriebenen Speculation zu ſeyn. Die
Phitofophie als die Wiſſenſchaft des menfchlichen Geis
ſtes, kaun, nad allgemeiner Einftimmung, nur auf
dem Wege der Erfahrung, durch Beobachtung und Zer⸗
gliederung des Beobachteten zur Vollkommenheit forts
ſchrriten. Da ſie mit größeren Schwierigkeiten zu fahr
pfen hat, fo iſt fie weit hinter der Phyſik zuruͤckgeblie⸗
ben, und ſie iſt noch nicht dahin gelangt, daß ſie
fichere und zuverlaͤſſige Principien aufgeſtelit haͤtte, wie
die Mechanik, die Aſtronomie und die Optik ſich ders
felben rühmen, Finnen. Die neuere. Philoſophie hat
von Gartefius an fih mit ruͤhmlichem Eifer beſtrebt,
dieſen unvollfommenen Zuftend zu verbeffern, bach mehr
durch Hülfe der Schlüffe; fie hat aber nicht Licht vers
breitet, fondern die Binfterniß vergrößert, und alles
ungewiß gemacht, Dgeh die Eutzweiung mit dem ges
funden Menfchenverfiande, welchem zuletzt Hume einen
förmitichen ‚Krieg angekündigt hat. . Die Philofophen
haben namlich aus einem Vorurtheil und aus dem In—⸗
tereffe für die Philoſophie, die Grenzen derfelben fo
weit auszudehnen geſucht, daß fie auch die Ausfprüche
des gemeinen Menfchenverftandes nor ihren Richters
ſtuhl ziehen. Diefe Ietztern aber lehnen diefe Gerichts⸗
> barkeit von ſich ab, fie verachten das Werhör der Vers
aunfefchlüffe , und unterwerfen fich ihrem Auſehen
nicht; fie” heiſchen weder ben Beiſtaud derſelben noch
fürchten fie ihren Angriff 7), Das
‚ne andern Sqriften find: Essays on the Bel ‚
taal powers of man, Edinburgh 1735. 4, .
says on the active powers of man. rdlüburgh
1788. 4. Essays on tho powers of ıhe human
‚ mind. London 1803. 8. 5 Voll,
19 Reid Unerfugung 6. den mejäinen Geiſt.
17.
„Humes Gegner: Reid. Bu 471
Das werhelmms der Philoſopbie zum Menfheys
verftande denkt fich Reid auf. folgende Art: Der Mens
fchenverftand Hat der Philoſophie nichts zu verdauken,
und bedarf ihres Beiſtandes nicht. Die Philofophie
hat. dagegen Feine andery Wurzeln, ald die Principien
des gemeinen Menſchenverſtandes ſie entſpringt aus
denfelben und zieht alle Nahrung ans deufefben, ‚Sie
ann alfo nur in dem Einverfländniffe mit demſelben
gedeihen, “und in dem Streite mit demfelben nicht&
als Schaude 'und Verluſt dayen tragen 2.). So
tkam Reid auf daſſelbe Schutzmittel gegen den Skep⸗
ticismus, welches ſchon früher der Daran Ort ae
braucht hatte "°°), .
" Ungeächtet Reid In biefer wilche von dem Ders
bältniffe der Philofophie zum gemeinen Menfchenvers
ſtande nicht ganz Umecht hat, fo enthält fie doch auch
unbeſtimmte und Irrige Vorſtellungen. Die Philofos
phie Fan Feine andern Principien haben, als in dem
menfchlichen Verftande enthalten find; fie ift nichts ans
ders, als die deutliche und wiſſenſchaftliche Entwides
Yung derſelben. Wenn man jedoch unter dem gemeis
. nen Menfchenverflande die unentwickelten, nicht dedu⸗
cirten und durch deutliche Begriffe beftimmten Priuci⸗
pe verſteht, und diefe in diefer Eigenfchaft als Rich⸗
ter. über die Philoſophie fegen will, wie Neid thut,
fo ift diefes nichts ander, als einen Menfchen mit
verbundenen Augen zum Gührer des Gehenden , ober '
das Augenmaß über dad wmathematifche Wrtheif von '
der Entfernung ſetzen. Die Principien von der Ers
kenutniß werden freifich nicht durch Vernunftſchluͤſſe
gemacht, auch nicht durch fie vernichtet ; aber abgelel⸗
tet
168) Neid Ebend.
169) Man fee 10 B. 8.113 fr.
ee
;
j , 47 Siebentes Hauptſt Erſte Abth. Fünfter Abſchn.
ter aus der utſpruͤnglichen Natur des Geiftes muͤſſen
fle werden, und eine wiſſenſchaftiche Erkenntniß ihres
Grundes, ihres Ranges, ihrer Bedeutung und Anwen⸗
Bing {ft unerlaßlich, um bon“ ihnen einen wiſſenfchaft⸗
lichen Gebrauch machen, zu koͤnnen, damit feine unbe
rafenen’, wilikuͤrlich dazır erhobenen Grundfäge unter
jenen Namen und Titel mit einfchleichen,, und eine
blos angemaßte Gewalt gebrauchen. Reid flellt dage=
gen ſolche Grundſaͤtze ald unmittelbare, pei denen man
Aud) „nicht einmal nad) · dem Rechtstitel ihrer unbeding⸗
ten Gültigkeit fragen ſoll, unter dem Namen des ges
meinen Sinnes oder Verftandes, als -oberfted
Princip und höchften. Gerichtshof der Phitofophle auf.
Das Wort, de deffen ſich Reid, ‚und fo diele andere Den⸗
ker, die ‚Abm machfoigten, oder daffelbe Verfahren ges
gen den Stepticiömus einfchlugen , bedienten, ivar ges
ſchiet dieſes Mißverhaͤltniß zu nuterhalten. Der
Common sense war ihnen ein Vermögen, Wahres,
ja’die Wahrheit unmittelbar zu empfinden, ein Sinn
far die Baprpeit t. Und forbie man Licht und Farben,
Hartes und Weiches, durch die Empfindung, unmittel⸗
bar wahrnimmt, ohne dazu des Raiſonnements und
eines Verſtandesgebrauchs zu bebürfen; ‚fo, glaubte
„man, muͤſſe durch. dieſen Sinn die Wahrheit gewiffer
Grundfäge durch die Empfindung unmittelbar gegeben
amd empfunden werben, Hierdurch war dad Gebiet
des Empfiudend und bed Dentens ‚ der Subjectivirät
und Dbjectioität, - verwechfelt und verwirrt ,. ein Boll⸗
werk der faulen Vernunft errichtet, das thätige Stre-
ben des forfchenden Geiftes gelaͤhmt. Denn fobald man
eine individuelle oder ‘gemeine Vorſtellung als gültig-
vicht beweifen, eine Behauptung nicht widerlegen konn⸗
te, fg oft man auf eine dunfle Seite des menjchlichen
Geiſtes, auf’ ein Phänomen, deffen Gründe noch nicht
unterſucht waren, - auf eine Unterſuchung ftieß, die
" dur
v
Bumes Gegner: "Reid; =. "473
.
inch Schwierizleten abfreite, To Ahfug man gielh.-
alles ‘weitere: Forſchen durch eine. Berufung auf den‘
Gemeinfinn nieder 370). Neben diefer unrichtigen An⸗
ſicht lag indeſſen in dem Principe des, gemeinen Ver⸗
ſtandes doch auch: etwas Wahres. Reid hatte ſich
durch fein Nachdenken davon uͤberzeugt, daß, wem . .
man einmal einräumt, daß alle Erkenntniß aus dem
“ äußern und innern Sinne entffringt, und jeden Ber ,
griffe, wie fih Hume ausbrüdt;; eine Iwpreſſion zum
"Grunde Hegt, woson er-mar eine ſchwächere Cöpie-ift, _
bieraus nothwendig -ein totaler Skeptielsmus entftehen,
alfe Weberzeugung von reale Objecten verfchwinden .-
muß. Weil er aber diefes Gyftem, welches alle Er-
kenntniß umftößt, nicht für wahr halten konnte,ſo
mußte er einen Grundfehler aunehmen, wodurch es ent⸗
ſtanden fey. Dieſen ſuchte er darin, daß Feige andern
Grundſaͤtze darin anerkannt werben, als die durch riche
tige Schluͤſſe aus den Wahrnehmungen gefolgert wers
den. Dadurch Fam 'er auf gewiffe, von der Erfahrung
unabhängige, Principe, durch welche die Erfahrung ſelbſt
" \ j ' ‚ erſt
. 170) in auffallendes Beiſpiel von dem Mißbrauche
J
dieſes Gemeinſiunes finder man in Home s Geſchichte
der Menſchheit 2 B. ©. 35 wo er die Sinne auf eis
nie übertriebene und faſt laͤcherliche Weile vervieifaͤl⸗
tigt. Wir wiſſen, ſagt er, durch einen beſondern
Sinn, daß es einen Gott gibt; daß die Außerlihen
Zeichen der Letdenſchaften bei allen Menfchen dieſelben
And; daß die Thiere von einerlei -Außerm Anfehen -
von:einerlei Gattung find; daß die Thiere von einers
lei Gagtung. einerlei Eigenfhaften,, haben; daß die
Sonne morgen wieder aufgehen wird; daß die. Erde
ihren gewöhnlichen Lauf um die Sonne halten werde ;
dag Winter und Sommer auf einander folgen wers -
den; daß ein Stein, wenn er aus der Hand fälle,
_ auf den Voden fallen wird; wir fehen dutch einen bes
fordern Sinn in die Zukunft.
474 Siebenten Haupt, Eiſte Abth. Fünfter fc.
. erft, möglich. weist, > Uber weil er ſich von ben Anfiche
ton des Empirismus moch nicht Tosreißen Tonnte, ſo
lieg er biefelben eben fo. unmittolbar, ohne alle Hilfe
der Reflerion, wahrgenommen werben, wie. die. Gegens
fände der Wahrnehmung felbft, und verwandelte fie
in gewiſſe blindlings wirkende Principien der Gewohu—⸗
heit oder des Inſtinkts bei dem Wahrnehmen unmittel⸗
bare und entfergterer- Folgerungen aus den Wahrneh⸗
mungen. Das. Wahre, was in diefer Vorftellungsart
Liegt, kommt darauf hinaus, daß alle unfere Schluͤſſe
ſich auf Grundſätze ſtuͤtzen; das Unrichtige, daß fie
aller Prüfung.der Vernunft. entzogen. werden, und das
durch eine adeldeutige und ungewiſſe Stellung erhals
ten 273), "
Neid hat in dem erften oben angefügeten Werke
mir auf dieſes Syſtem des gemeinen Verſtaudes im ,
Allgemeinen fich bezogen; dagegen abet, die Lehre von
“ben Feen, welde, nach feiner Anſicht, den Idealis⸗
mus und Skepticismus der neuern Philoſophie erzeugt
hat, umſtaͤndlich geprüft und fie zu beſtreiten gefucht.
Er verſteht unter Ideen, Abdrüde und Abbil-
dungen der. vorgeflelten Gegenflände, Er .
hat infoferu Recht, wenn er behauptet, daß bis auf
feine Zeit alle Philofophen (einige Ausnahmen gibt es
doch) allgemein angenommen haben , daß wir Feine
Vorſtellung von irgend einem Dinge haben können,
wofern ſich nicht in unferer Seele. irgend ein Eindruck,
‚eine Senſation, oder eine Idee befindet, die dieſem
Dinge ähnlich iſt. Berkeleys Idealismus und Hume's
Skepticismus ſeyen richtige Folgerungen aus dieſer
Meinung, welche aber als eine unerwiefene Huypotheſe
zu verwerfen fen, weil jene Folgerungen. mit Dein ges
mii⸗
170) Reid unterſ. S. zı9.
3 .,
. "Hume's Gegner. Reid. 64768
seinen. Verſtande, mit den Glauben an eine materlelle
Welt und ein vorſtellendes Weſen ſtreiten 172). Wenn
auch Reid in dieſem Puncte ſich etwas geirrt hat,
denn Hume wenigſtens iſt nicht. dieſer Anſicht zuger
than, und es gibt noch einen andern wichtigern Grund
von der Art und Beſchaffenheit ihrer Philoſophie, naͤm⸗
lich den Empirismus; ſo hat doch Reid das Verdienſt,
daß er unter dieſer Vorausſetzung, und um fie zu Des
ſtreiten, die ſinnlichen Vorſtellungen, Wahrnehmungen
‚and Erkeuntuiſſe genaper zu erwägen, und, durch die
Reflexlon manches zu unterfcheiden,verfuchte, was in
den zufammengefegten Erfcheinungen, zum Nachtheil
“ einer richtigen Theorie, felbft von den fcharffignigften
Dentern, wie Berkeley und Hume, vermengt und vers
wechfelt worden, und die beffere Anficht von der. Ents
ſtehudg der. finnlichen Vorſtellungen in’ den Gang ge
bracht hat. Er unterfcheidet. in feiner Theorie der
Wahruehmung Senſation und Perception, weis
che zu feiner Zeit beide mit demſelben Namen Sen—
fation bezeichnet wurden. Senfatioy ift, wie \
Schmerz, etwas, das Feine Exiſtenz, ald in einem em» |»
pfindeuden Weſen, haben kann, und von dem Actus
der Seele, vermöge deffen es gefühlt wird, nicht vers
ſchieden iſt. Wei der Senfation ift die Seele nicht
blos — ſondern auch durch die Aufmerkſamkeit .
thätig: Die Perception aber hat immer einen von
dem Actus der Seele, wodurch die Sache wahrgenom⸗
men wird verfcpiedenen Gegenftand der exiftiren
Zamı, er mag wahrgenommen werden - oder nicht.
Wenn wir einen Gegenfland wahrnehmen, fo muß eine '
Wirkung, ein Eindrud auf das Organ eines Sinnes
entweder durch unmittelbare Beräprung des Objects,
a ) 7:3
272) Reid uutetſ. S. 25.36.45 1 125 fl
\ —* Siebentes Haupt, Erfte ot. "Fünfter dbſchn.
ver durch ein · Medium gemächt werden, Dann muͤſ⸗
fen.die Nerven, welche von dem Gehirne zu dem Or⸗
gane ‚gehen ‚, ‚einen Eindruck vermöge des erflern ers
halten, und wahrſcheinlicher Weiſe eben fo das Ge-
hirn. Drittens ‚folgt nach dieſem Eindrucke auf das
Organ (die Nerven, das Gehirn) eine Senſation, und
auf dieſe die Wahrnehmung des Gegenſtandes. Wir
wiſſen von dieſen Operationen, und wie ſie verknůpft
Tino, um eine Wahrnehmung zu bewirken, nichts; aber
bermöge der Gefeße unferer Einrichtung nehmen wir.
die Gegenftände auf biefe und keine andere ¶Weiſe
wahr. Die Senfation, und Perception haben Feine
Aehnlichkeit mit einander; ' abet fie find mit einander
verkuuͤpft, und wir gehen von der Perception immer
zu etwas fort, deſſen Exiftenz wir vermittelft der Sen⸗
ſation glauben. Die Senfation ift wie ein Zeichen,
mit den Bezeichneten -verfnüpft. Das Princip diefer
Verknüpfung tft nicht die, Vernunft, fondern die Nas
, tur, ein Juſtinkt. Zwar nehmen wir durch die Ge:
woͤhnheit der Erfahrung eine ſolche Verbindung wahr;
da aber die Erfahrung nur auf das Vergangene, nicht
> auf das Zukünftige geht, wir aber glauben, daß was
bisher verbunden gewefen, auch immer verbunden feyn
werde; fo ift hier noch ein anderes Prineiplunt , wels
ches inſtinktartig wirkt, im Spiele um). .
An dieſe Theorie inupft Reid einige feine Eins
wöürfe ‚gegen Hume's Lehre von ber urſachlichen Vers
. Indpfung und. dem Glauben, woraus ſchon die Zus
laͤnglichkeit der Ableitung jener. von einer gewohnten
Aſſociation, und. dieſes von dem Grabe der Lebhaftig-
keit der Worftellungen zweifelhaft wird; aber widerlegt
# dadurch Hume nic, der freilich einen.gewiffen Nas -
turs
" 173) "Reid unterſ S. 301. 302. 313 ff.
Hume's Gegner.. "id, rn har .
turinfintt, welcher den Folgerungen. des Eichtlelnut
widerſtreitet, zugab, aber eben dieſen Widerſtreit ſich
nicht —8 vermochte „_ noch. weniger durch eine
folche qualitas oceulta, als ein inſtinktartiges Princip,
vie deutlichen Folgerungen nad) dem. Prineip des Ingie
ſchen Deulens fuͤr zeruichtet und aufgehoben ‚Sale ’
konnte. “
Die Grinbfäge weiche Reid zu dem einen _
Menfchenverftande rechnet; hat er. nicht ſyſtematiſch
aufgeſtellt. Er behauptet, daß ihre Aufzaͤhlung, Ber
ſtimmung und Anwendung, nur. nicht ihr Vorhanden⸗
ſeyn, ein Gegenfiand des Streits ſeyn koͤnne. Er bes
gnuͤat ſich, die Merkmale, der Grundwahrheiten und -
zwei Elaffen.derfelben anzugeben. Eine Grundmahrheit,
‚fagt er, kann man voͤn andern dadurch unterſcheiden,
daß die Bezweiflung jener nie-untes-den Menfchen, all⸗
gemein werden kann, und daß alle derſelben widerſpre⸗
chende Saͤtze nicht nur unmittelbar als falſch erkannt.
werde, fondern auch als albern und abgeſchmackt ers
feinen. Durch dieſes letztere koͤnnen fie indirecte bes
wieſen werden — der eins Beweiß, den fe zu
Iaflen.
| . Die Grundſatze Beziehen ſi fi ch cheils auf zufälige,
theils auf nothwendige Wahrheiten. Won der erflerh
Claſſe zählt.er ‚folgende auf: Alles iſt wirklich, was
innerlig im Bewußtſeyn wahrgenommen wird. Alle
Empfindungen und Gebanten gehören einem Gubjeste
an, welches Ich oder Seele heißt. Alles ift wirklich
geweſen, deſſen wir uns deutlich erfunern. So wein
das Bewußtſeyn reicht, bin ich immer daſſelbe Jch,
einerlei Perfoh gewefen, Die Dinge, welche wir mis
den äußern Sinnen deutlich wahrnehmen, find wirklich
außer und ‚oprhanden, und haben wirklich die Eigen⸗
J ſchaf⸗
478 Siebentes Hauptit, Erſte Abth. Fünfter Abſchn.
fchaften, welche wir an ihnen wahrnehmen. Wir ha⸗
ben gewiſſe Vorſtellungen, welche mit dem Glauben
an die Exiſtenz ihrer Objecte unzertrennlich verbunden
find. "Der Menſch Hat eine gewiſſe Gelbitthätigkeit,
eine Gewalt: über" feine Handlungen und Millensbe-
Rimmungen; denn 'ohne diefe wäre feine Moralitit
möglich, deren Dafeyn doch-nicht abgeleugnet werden
Bann. Der, Begriff einer Kraft laͤßt ſich aber wever
aus den Wahrnehmungen der äußern inne, noch
aus dem ‚Intern Sinne erflären; aber baramı darf
er wit · Hume nicht abgeleugnet werden. Was unfer
Verſtand volftändig und deutlich erkennt und als wahr
oder falſch unterſcheidet, das ift es auch wirklich. Wir
find durch unfere Natur gezwungen, an ein empfin=
dendes. und denkendes Weſen in uns und in Andern zu
glauben, bei benen wir diefelben Aeußerungen, wie bei
nad, antreffen. Die Geſichtszuͤge, der Ausdruck in den
. Worten und andere ‚Nenferungen- des Körpers find
Beichen von Gedanken und Neigungen, Man muß dem
menfchlichen Zeugniſſe in. Gegenftänden der Erfahrung,
und wo es auf. Beurtheilung anfommt, aud) dem Urs
theile Anderer trauen. Manche willkuͤrliche Handlun⸗
‚gen der Menfchen laſſen ſich mit hoher Wahrfcheins
lichkeit vorherfehen und erwarten. .
. Die Grundſaͤtze der nothwendigen Wahrheiten
theilt ‚er’ nach ben Wiffenfchaften ein in grammatifche,
mathematifche, äftyetifche‘, Togifche, metapfpfifche, mes
raliſche. Unter den logiſchen fommt, außer dem Grunde
fatze des Widerſpruchs, auch folgender vor: Ein Sers
thum iſt ohne ein Urtheil nicht möglich. Unter den
metaphnfifchen verweilt er am Tängften bey dem der
Subftanzialisät und der Caufalität, weil: beide von
Qume am meiſten angefochten worden. Es gibt
Subſtanzen oder ‚Bubjecte, denen die Ei⸗
tn . \ . „gens
Hume's Gegner. Dei, 49
genſchaften wirklich zufommen, welde wir
an’ ihnen wahrnehmen Die Subſtanzen find
theils Törperiite, theils giftige. - Die dußern und ins
nein Wahrnehmungen: enthalten freifich eine ſolche
Subftanz nicht; daraus folge aber nicht, daß es keine.
ſolthe Subftanz gibt‘, fondern daß die menſchliche Er⸗
kenntniß mehr Gruͤnde hat, als fich in der dußern und
Innern Wahrnehmüng zu. erfennen’ geben. —. Was
wirklich wird, das muß eine Urſache haben,
die es hervorbradtes Diefe nothwendige.Grunds
wahrheit kann durch die Erfahrung nicht bewiefen were
den , fo wie fle angenommen’ wird: und angenommen
werden muß; denn fie fagt nicht blos aus, daß nichts
dhne Urfache gefchehe, ſondern guch, daß nichts oh⸗
ne Urſache gefchehen könne Es ift eine nefhwens
dige und allgemeine Wahrheit. Die Erfahrung kaun
allgemeine Grundfäge nur währfceinlich machen.
Wir wiſſen von den meiflen beobachteten Naturereige
niſſen die Urfachen nicht. Die Eaufalität iſt übers
haupt Fein Gegenftand der Empfindung. : Was. wir
von Kraft und Thaͤtigkeit empfinden, iſt unfere eigene
innere, welche und nicht zu einer. folchen allgemeinen
Schlußfolge berechtigt. Die Erfahrung kann: atfo-dier
fen Grundſatz nicht in uns erzeugen. Er wird aber
dennoch als "eine nöthivendige Grundwahrheit gelten
müffen, weil er allgemein anerfannt und bes
folgt wird, und. weil-er aug keinem audern
Grunde abgeleitet werden kaun. Denn wie
ſollte man nad) einem Grunde des Satzes vom Gruu⸗
de fragen, da es ein Grundfag des menſchlichen Mor:
ſtandes iſt, daß nichts ohne Grund geſchieht. Aus
dem Grundſatze der Cauſalitaͤt folgt eine andere Gruud⸗
wahrheit, daß dasjenige, was die Merkmale eines
Werkes. einer verfländigen Urfache an fich trägt, auch
eine verſtaͤndige Urfache haben muß. B we
‚Menn
4Bo Siebentes Hauptf. Exfle ibth. Bünfter fh.
Wenn auch Reid weder durch die Merkmale ei—
wer Grundwahrpeit, die noch fehr unbeftimms find, noch
durch die unfpfiematifche Aufftellung der ſchlechthin
uothwendigen Grundfäge, ven denen viele nach zweis
felhaft, manche offenbar abgeleitet ſind, etwos durch⸗
aus Vefriedigendes leiſtete, und in dieſer Hinficht we⸗
der den Idealismus noch den Skepticismus yollkome -
wren, wiberfegte; fo hat er doch unſtreitig das Vers.
dienſt, daß er durch die Wiverfpräiche beider Syſteme mit
dem wirklichen Leben und dem gemeinen Bewußt ſeyn auf
das Dafeyn noch anderer Principe der menſchlichen Ers
kenntniß, als der ewpiriſchen, aufmerkfam gemacht,
und auf etwas Urfprüngliches. in dem · Erkennen, das
nicht durch die Empfindung gegeben wegen u bins
‚geriefen hat. E
: Der zweite Veſtreiter des Hume, James Beats
tie, ging auf dieſem Wege, den. Reid eröffnet hatte,
weiter; aber er kam biefem Denker weder‘an, Scharfe "
, fan, noch an Unbefangenheit des Geiſtes gleich. Er
war von Geburt ebenfalls ein Schottlaͤnder (geboren
d. s. Nov. 1735). Beattie und Hume waren beide
"Bewerber. um die Lehrſtelle det Moral in Edinburg ge⸗
weſen, und der. erſtere dem zweiten vorgezogen wor⸗
den. Dieſes, in Verbindung einer Verſchiedenheſt in
der Denkart, begründete eine: gewiſſe Animefität- und
Leidenſchaftlichteit in. dem erftern „ die er durch das
Intereſſe für. Wahrheit und ſittliche Grundſaͤtze zu
rechtfertigen ſuchte. Cr wurde nachher 4760 Profeſ⸗
ſor der · Phlloſophie zu Aberdeen, und. ſtarb 1808-d.
48 Auguſt 1270). In feinem Verſache über bie Wahre
> . ben
474) Accöunt-öf -the ‚life sof J. :Benttin‘ br Ale
Bone. London 1804.
\
Himes Gegner, Beattie. 48
heit 175) ſucht er dadurch den Widerſpruch ber. fleptis
ſchen Gründe mit dem gemeinen Verſtande zu heben,
daß er dem letztern das letzte entfcheidende Urtheil
über Wahrheit uud das Gegentheil zuerkennt. Er ift
heftiger und Leidenfchaftlicher als Reid, aber nicht fiege
reicher gegen Hume. Das Princip des gemeinen Vers
ſtandes nahm er von diefem an, ſuchte bemfelben mehr
Deutlicpkeit zu geben, und befiimmte das Verhaͤltniß
des Verſtandes zu bemfelben genauer; aber das Dunkle
und Undeftimmte, das Verborgene und Geheimnißvofe,
was in biefer Hppothefe Tag, iſt durch ihn auf Feine
Weife aufgelärt worden. Wahrheit ift das, was .
mic) die Befchaffenheit‘ meiner Natur zu glauben;
Unwahrheit, was biefelbe mich zu verwerfen bes.
fimmt. Der Glaube heißt bei den gewiffen Wahrheis .
ten Weberzeugung, bei den wahrfcheintichen Beis .
fort. * Die gewiffen Wahrheiten find nicht von einer -
lei Art, indem verſchiedene Kräfte des Verſtandes bei.
ihnen erfoderlich find, um fie zu begreifen, und. die
Art der Evidenz nicht von einerlei Art if, Die Ges
wißheit einiger Wahrheiten wird anfhauend, die
Gewißpeit anderer Wahrheiten. aber nicht anfchauend, ,
fondern. zufolge eines. Beweifes erkannt. Die
meiften Saͤtze des Euclides find von der zweiten, die
mathematiſchen Axiome von der erſten Ark Wenn die
Kraft der Seele, Wahrheit durch Beweiſe zu erkennen,
Berhand heißt, fo muß das Vermögen der Sek, eine
. am
15) Essay on the nature and immutability of
trutlı in.opposition to Sophistry and Skepticism, *
Edinburgh 1770. 5 Ed. London 1774, Verſuch
über die Mann und Unveraͤnderlichkeit der Wahrheit.
Kopenhagen u. Leipzig 1772. 8. und nach der 5 A.
Leipzig 2777. Auch in Veatties Beten —V
80. 2 Bde. 8,
Termem. OH DOLL 9h
482 Siebentes Hauptſt. Erfte Abth. Flinfter Abſchn.
an ſich klare Wahrheit‘ durch ſich ſelbſt zu erkennen,
durch eine andere Venennung unterſchieden werben.
Dazu kann das, von andern Philoſopheu gebrauchre,
Wort common sense dienen '7%), Das durch dies
ſes Wort bezeichnete Vermögen ift dasjenige, welches
nicht durch eine Reihe werketteter Schluͤſſe, ſondern
vermittelſt augenblicklicher, iuſtinktmaͤßiger und umwi=
derſtehlicher Eindrüce die Wahrheit. erkeunt und Glau—⸗
ben erzeugt, das weder in ber Erziehung, noch in der
‘ &twohnheit, fondern in ber Natur feinen Grund hat,
das, fobald .ein, unter fein Gebiet gehoͤriges, Object
ſich zeigt, Ehne von unferm Willen abzuhäugen, Iedige
lich nah einem gewiſſen Gefege urtheilt, und
daher: ganz eigentlich Sim (Sense) heißt, und das,
wo. nicht auf alle Menſchen, doch wenigſtens auf eine
"überwiegende. Menge berfelben auf eine ähnliche Weiſe
"wirkt, und daber ganz eigentlich Allgemeinſinn (con
‚mon sense) genaunt wird. *77). So unbeftinune dieſe
Erklaͤrung ift, welche, das inftinktartige Fuͤrwahrhal⸗
ten. abgerechnet, auf jedes Denk⸗ und Erkenntnißven
mögen paßt, und, was die Hauptfache iſt, dad Ges
feg des Urtheilens in feiner Dunkelheit laͤßt; fo
find auch die wefentlichen. Unterfchiebe, welche zwiſchen
‚ Verftand und dem Gemelnfinne angegeben werben,
nicht erfhöpfend und genügend, ja fie heben zum Theil
die Erkiärung wieder auf, Der wefentliche Unterſchied
Wird darin gefeßt, daß 1) das Erkennen einer. au
ſchauenden Wahrheit, vermöge eines. innern Gefuͤhls,
eine andere Anftrengung der Seeienkräfte zum Bewußt⸗
ſeyn bringe, als das Erkennen einer mittelbaren Wahr⸗
Be; denn in ienen Sal Eönnen wir Gründe von dem
\ duͤr⸗
176) Verſuch Pr bie Wahrheit ©. 26. 27.
177) Verſuch 66.0.8. ©. 34.
Humes | Bone. "Beattie: 483 |
Fuͤrwahrhalten, in dieſem aber keine: andere urlache,
als die Geſetze der Natur angeben. 2) Verſtand und '
ver Gemeinfinn ſtehen in Feiner. nothivendigen Verbiu⸗
dung. Gemeiniglich find fie zwar verbunden, " ‚aber
man kann ſich vorftellende Weſen denken, welche nicht
‚mit beiden begabt find, und die Erfahrung zeigt, daß
diefes wirktich oft der Fall iſt. Denn in dem Traume
machen wir zuweilen Schlüffe ohne den Gemeinfinn,
und. im Wachen nehmen wir angereimte Säge. als
wahr an, und. bauen Folgerungen darauf, welche uns
‚ tadelhaft richtig ſeyn würden, wenn jene Vorderfäge
wahr wären. Man findet Leute, die man mie
des Wahnfinnd beſchuldigen würde, und bie „no &‘
ihnen gleich an gefunder Vernunft fehlt, dennoch durch
vieled Leſen in polemifchen Schriftſtellern eine ſolche
Geſchictuchkeit im Vernůnfteln erlangt haben, daß fie
dadurch andere, Ihnen in den übrigen Semüthegaben:
weit überfegene, Menſchen irre zu machen und-; sum
Stillſchweigen zu bringen wiſſen. (Wahrſcheinlich ſollte
dieſes auf Hume gehen.) 3) Der Verſtand ſteht, gleich
den übrigen Seelenkraͤſten, mehr in unferer Gewalt,
"uud laͤßt fi durch Cultur vervollkommnen; die geſun⸗
de Vernunft kommt, wie alle Safinkte, faſt ohn⸗
Pflege zur Reife »76). .
Iſt der Gemeinfinn ein Naturinftinkt, fo tan
er wohl keinem Menfchen fehlen, und gehört
zur Natur deffelben fo gut, ald ber Verſtand.
Dann muß er fih auch in allen Menſchen dus
Bern, und zwar gleich in volllommener Reife; dann
kaun ſich der Verſtand nicht von demfelben trennen,
und gleichfam für fi), ohne geſunde Vernunft, raifons
niren; dann Kann es überhaupt gar keinen irrigen und
2 ven
' 198) —* ab. d. W. S. 36. 386.
484 Siebented Hauptſt. Etſte Abth. Fünfter Abſchn.
venehrten Verſtandesgebrauch geben, indem der Ge—
. wieinſinu ſich ſogleich dagegen ſtrebe, und das Irrige
verwerfen muß, Irrthum ift nach dleſem Syſteme gar
"nicht möglich. Man müßte denn annehmen, dieſer
Natutinftinke fey nicht allen Menfchen verliehen wor—
‘den. Dann find diefe ungluͤclichen Halbmenfchen zu
"bedauern ; aber fie koͤnnen nicht Beftritten und wider—
legt werden, 'woeil-ihnen dad Organ der Wahrheit und
"Belehrung fehlt. Wahrheit und Irrthum ft, wie
Tugend und Lafter, nur eine Sache des günftigen oder
. mgünftigen Loofes. Meberhaupt dürfte auch, nach dem
Geiſte diefes Syſtems, alles Forfchen und Studisen,
‘jede muͤhſame -Unterweifung und Prüfung eine bloße
PYfuſcherel in die Natur ſeyn. Diefe Folgerungen wird
"zwar Beattie nicht zugeben, weil er eine ausgemachte
Woahrheit vor Augen hat, dieſe aber nicht deutlich
ans Licht bringen kann. Daß es gewiſſe letzte Grunds
ſaͤtze fuͤr den menſchlichen Geiſt gebe, die nicht bewie⸗
"fen werben koͤnnen, noch es beduͤrfen, das iſt ein Punct,
"worin leicht die Dogmatiker, und ſelbſt die verſtaͤndi⸗
‘gen Skeptiker einſtimmen. Aber die große Frage iſt,
dieſes Unmittelbare nad) feinem wahren Gehalte, Uns
fange und Gebrauche beſtimmt als ſolches darzuſtel⸗
len, und dieſes iſt mehr, als eine bloße Berufung auf
die. gefunde Vernunft und den Gemeinſinn. /lnge: .
achtet Beattie mehrere einzelne gute Bemerkungen
macht 79), und ſein Eifer fuͤr Wahrheit und Tu⸗
gend ruͤhmlich iſt; fo war er doch. nicht der philoſo⸗
phiſche Kopf, der in dieſer Materie ein Licht, anzüns
den, die Unbeftimmtheit aufheben, und die Miffen
ſchaft
179) Unter andern die Bemerkung, daß Verurſachung
mehr ſage, als — ein Obleri immer vor einem am
dern hergehe. ©. 244.
,
ö Hume's Gegner. Oswald. er 483
Schaft des meafeticgen Beifes um einen an weis
ter bringen konute. - \
Thomas Oswald, ein Schottifäger" Beth.
trat gegen Hume hauptſaͤchlich als Wertheldiger der
Religion auf *3°) Er benutzte dazu ebenfalls den
Gemeinfinn, indem er zu zeigen ſuchte, daß die Wahrs
heiten der. Religion, ohne Grimde der Vernunft, uns
mittelbar einfeuchtend und gewiß find, und von Feis
nem geleugnet werden koͤnnen, wenn er nicht den Ges
meinfinn leugnen, oder als ein Thor erfcheinen will.
Die Gewißheit aller zur Religion gehörigen Wahrheis
ten ift durch dem Gemeinfinn gegeben, fp daß diefelbe
fi. auf Feine weiters Gründe flüge. Das Dafeyn
Gottes ift durch denſelben an ſich evident. Es iſt nicht
nur nicht möglich, einen Beweis für daffelbe zu ges
ben, wenn es nicht fchon in dem Inneren Vewußtfeyn
als unmittelbar gewiß enthalten wäre, fondern es iſt
auch “überhaupt ein folches vergebliches Unternehmen
von. nachtheiligen. Folgen. Es entfichen erft dadurch
Tragen, Zweifel, Spöttereien. Es ift überhaupt ein
Hauptfehler der Philoſophen, den fie von jeher begau⸗
gen haben, daß fie den natürlichen Menfchenverftand
vernachläffigt und verachtet, und die. Wahrheitän, die
ihnen ganz nahe Tagen, verfannt, und dagegen Spe—
eufationen über ſubtile Gegenſtande, welche mit dem. :
Intereſſe der Menſchheit in entfernter Beziehung fies
hen, fid) ganz hingegeben Haben. — Oswald ift uͤbri⸗
gend, wie Beattie, nur ein populärer Philoſoph. So
ſehr ſeine Waͤrme in der Vertheidigung der Religion
und
80) An appeal to common sense, in hehalf of
Religion by Thomas Oswald. Vol. I et II.
wet 1766. 177% Deutſch Sina 177%
2 Be... 5.
486 Siebentes Hauptft, Erſte Abth. Fünfter Abſchnn.
und ben fittlichen Darſtellungen Lob verdient, fo bat
er doch um bie Begründung und Begrenzung der Phi⸗
Infophie ein „Verdienft ſich erworben, wenn man nicht
die Erinnerung 4 an gewiſſe feſte Principe der Erkennt⸗
niß und au die Grenzen der Speculation dafür auſe⸗
ben will. Nur ein Gedanke verdient eine Auszeich⸗
nung, nämlich bie gewiſſe Erwartung eines künftigen
Lebens und Gerichtö , als eine dolge aus dem Be⸗
wußtſeyn der Moralitaͤt, und die Darſtellung dieſes
Glaubens aus dem praktiſchen Geſichtspuncte.
Auch Prieftley, dieſer Schriftſteller, der In
mehreren Zweigen der Literatur, beſonders in der Theo⸗
logie, Philvſophie und Phyſik, ſich berühmt gemacht
bat ?@%), trat auch in dieſem Streite, und zwar zu⸗
erſt als Beurtheiler der Gegner des Hume, und in
der Folge dieſes Skeptikers ſelbſt auf. Die erſte
Schrift des Prieſtley enthaͤtt eine gründliche Kritik des,
Verfahrens „welches Reid, Beattie und Oswald gegen
Hume, und überhaupt In Veftreitung des Skepticis⸗
mug ‘befolgt haben *=), Er ift hauptſachlich mit dem
Princip des BGemeinfinns, aus welchem fie den
Skepticismus beftreiten, wollen, unzufrieden, und zeigt,
daß dieſes Verfahren mif der Vernunft ſtreitet, und
. anfkarf dem Slepticismus einen feſten Damm entge⸗
gen
181) Don dem Leben und den: PA des Prii
gibt Joh. Carry in feinem Life of J. Priestley wit
criilcal observations on his. Works and. Extracis
from his Writing. London 1804. 8. Nachricht.
182) An examjnation of Dr. Reid’s Inquiry into
tho human mind; Dr. Beaitie's Essay on the na-
ture and immurability of truth; and Dr, Ose
walä’s Appel to camınon sense, by. Joseph
Priestley. London 1774. 8.
Hume's Gegner. Prieſtley. 454
gen zu ſetzen, vielmehr bemfelben auf alle, mögliche
Meife Vorſchub thut, Die Hypotheſe bes Gemein⸗
finns hebt alle Werbindung unter ben verſchledenen
Phaͤnomenen, Kräften und Wirkungen der Seele auf,
und fett an deren Stelle eine Menge unabhängiger
uund iſolirter Inſtinkte als Principien. Alle weitere
philoſophiſche Unterſuchung wird‘ hiermit abgefchnitten, \
und man flüge. ſich blos auf. Mathtworte, deren Guͤl⸗ J
tigkeit der Skeptiker nicht auerkennt. Und was ſolte
ihn beſtimmen, ſich denfelben zu fügen? Die Philo-
ſophie des Gemeinſinns trägt alfo, anftatt dem Steps
ticiömus, entgegen zu arbeiten, ohne daß fie ed wil;,
“zu feiner Beförderung, und Verbreitung bei. — Es iſt
niewald geleugnet worden, daß ed an ſich gewiſſe und
esidente Grundfäge gibe, Principien der Wahrheit und.
der Falſchheit, und alles Raifonnement überhaupt,
nach deren Örunde man nicht weiter fragen Tamm. Hit
ten diefe Phitofophen ſich darauf eingefchränkt , dieſe
Grundjäge darzuftellen, fo würde ihnen nichts weiter
vorzuwerfen feyn , als eine unnoͤthige Teuerung im
phitofophifchen Sprachgebrauche. Darüber hat man
aber Urfacye ſich ‚zu verwundern, daß fie Grunpfäge
der Art, die Niemand bezweifeln kann, als. ſolche
weitlãufig darzuſtellen ſuchen. Wei genauerer Anſicht
ihrer Schriften ‚finder man jedoch, daß fie etwas an⸗
deres thun, als fie ankündigen. Sie wollen nothwen⸗
dige Axiome alles Raiſonnements feſtſetzen, und nehs
men beſonders Saͤtze als Ariome an, deren Evidenz
nicht unwittelbar einleuchtet. — Nach Locke ſtuͤtzt ſich
die Wahrheit der Säge anf die Uebereiuſtimmung und.
Nichtuͤbereinſtimmuug der Ideen. Hierdurch wird die,
Wahrheit von der nothwendigen Natur: der Dinge abs-
hängig, , und wird etwas Adſolutes, Unwandelbares
und Ewiges. Diefe Philofophen hingegen poftuliren ges
wife Ariome, die auf einer unerklaͤrbaren, inſtinkrarti⸗
. . gen -
. 488. Gisbentes Houptſt. Orte th. Günter bfehn.
gen Ueberzeugung berufen‘, unb von ber wilffürlichen
Beichaffenheit unferer Natur abhängen, woburch die
Wahrheit etwas blos Subjeetives, Willtürlis
es und Veraͤnderliches wird. — Einen beforis
dern Nachtheil hat diefe Philoſophie darin, daß ſie Die
Autoritaͤt der Vernunft verwirft, und dadurch alle freie
und unbefangene Prüfung aufgeftellter Meinungen aufs
hebt oder unnäg macht. Denn auf / den gemeinen Mens
ſchenſinn macht Jeder Anfprüche, und Tann fie mas
chen, fofern er ein Menſch ift, wie Jeder. Er hält
fich alſo auch berechtigt, über jeden Gegenftand nach
feiner gegenwärtigen Empfindung, Einſicht und Webers
zeugung zu urteilen ; und da diefes Urtheil ihm als
eine Birkung feines Inſtinkts erſcheint, daſſelbe für nu⸗
widerfprechlich anzunehmen, wiewohl es bei gruͤndli⸗
er Erkeuntniß oder genauerer Unterfuchung ſich als
ein offenbarer Irrthum, oder als ein Vorurtheil zeigt.
1 Diefer Fehler äußert ſich nicht blos auf dem Gebiete
der Metaphyſi k, wo er unſchaͤdlicher ſeyn würde, ſon⸗
dern auch in der Beurtheilung der Angelegenheiten des
gemeinen Lebens, wo er die ſchlimmſten und beunrus
bigenbften Folgen hat. Er vertilgt alle Beſcheidenheit,
Vorſicht uud Geduld in der Unterfuchung der Wahrs
heit; macht die Menſchen ſtolz auf ihren Menſchen⸗
—* und verleitet fie leicht, Andern, wegen ihrer abs
weichenden Meinungen, diefen Menfchenfinn abzufpres
chen. Da dieſe Hoͤflichkeit gewöhntid) erwiebert wird,
fo artet die gemeinſchaftliche Unterfuchung der Wahr⸗
heit in bloße Bänterei und Grobheit aus. — Kein
: Menfch Hat ein Recht, einem andern Glaubensartikel
aufzwdringen.. Dieſes thun Aber die Anhänger-biefer
Philoſophie. Dadurch geben fie den ÜUngläubigen ein
Beiſpiel, auf die entgegengefehte Art mit derfelben
‚Nuctorität zu verfahren. ' Diefe koͤnnen nunmehr die
Grundſaͤtze der Bee verwerfen, weil fie nach Ihrem
ge
“ Humes Saner. ""Priftg: 49
gefunden Meufchenfinne ungereimt und laͤcherlich er⸗
ſcheinen; und fie haben hierin eben fo viel für ſich,
als ihre Gegner, welche. die Göttlichkeit jener Grunds
ſaͤtze behaupten, — Es iſt endlich dem philoſophiſchen
Sprachgebraucye durchaus zuwider, das Vermögen ‚ver
Erkenntniß der Wahrheit einen Sinn zu nennen. Der.
. Sinn beziehr-fih auf Gefähle, welche immer relas
- tiv find, wodurch über die. Natur der Dinge nichts
entſchieden werden. kann. Die Waprheit aber. if
etwas Abfolutes ="°), ’
Die Wirerlegung des Hume ſelbſt ift ihm wenl
ger gelungen, weil, ee denfelben Zehler, wie die Schot⸗
tifchen Gelehrten, begeht, daß. er die Folgeſaͤtze au
greift und den Grundjag fiehen laͤßt 182). Da es
ihm hauptfächlich um die Vertheidigung der Religions
wahrheiten zu thun ift, fo trägt-er zuerſt diefe ſelbſt
mit denjenigen Gründen, welche, ihm die fiärkften ſchie⸗
nen, vor, und entkräftet die Schwierigkeiten, auf wels
183) Stäudlin Geldichte des Skepticismus a Thl.
©. 2359— 245; u. Buhle Grundriß d. Geſch. d.
Phil. ỹ Thl. ©. 462.
184) Letters to an plillosophical unbeliever con-
taining an examination of the. principal' objeo-
tions to the doctrines of matural religion and
especially those contained in the writings of Mr,
Hume P. I, IL Bath 1780. 8. Briefe an einen
philoſophiſchen Zweifler in Beziehung auf Hume's
ſpraͤche, das Syſtem ber Narur und ähnliche Schrifs
ten. ‚Leipg. 1782. 8. Es kamen zu diefen Briefen °
noch Bertiegungen. Additional letters 1781 — 87.
A continuation of the letters to the philosophers
“and politicians of Frange on the subject of Ke-
ligion and of the letters to a philosophical un-
believer; Northumberland -town 2794. 8. -
490 Cichentes Haupt. Erfie Asch. Fünfter Abſchn.
che die Vernunft bei denſelben ſtoͤßt; Dan: beleuchtet
ex die vornehmften atheiſtiſchen Spfteme, naͤmlich das
Syſtem der Natur und den Humeſchen Skepticismus,
und ſchließt mit-allgemeinen Bemerkungen über den letz⸗
tern Denker, welche die Abſicht haben, das Vorurtheit
zu zerſtreuen, daß er ein gruͤudlicher philoſophiſcher
Sorſcher geweſen ſey. Das Syſtem der Rellgions⸗
wahrheiten, welches er aufgeſtellt hat, iſt groͤßtentheiiz
beifalswärdig, wird aber doch im einigen Puncten kei⸗
ne Zuſtimmung erhalten; die Beweiſe dafuͤr ſind nicht
vollkommen überzeugend. Die Widerlegung der Hüs
meichen Zweifel ift nicht gründlich, und das Urtheil
über das philoſophiſche Verdieuſt deſſelben ungerecht.
Wenn aber feine Anſichten noch unvollkommen, feine
uUrtheile nicht immer gründlich find, und feine Art zu
ſtreiten Fehler hat, fo muß man ihm doch die Gerech-
tigkeit wieberfahten laſſen, daß. ein edler Charakter,
Achtung für Wahrheit und Tugend fid in difem
Streite offenbart. —.
Da Prieftley ein Anhänger von Locke's und Hart:
1ey’5.Phitofophte war, und daher für den empirifchen
Ntrfprung aller Erkenntniß ſowohl, ald für das Glück-
ſeligkeitsſyſtem In der Moral ſich erklärt hatte; fo
—* dieſes natürlich von Einfluß auf ‚das Syſtem
der Religion ſeyn. Daher.ift ihm det Grund der Evi⸗
denz aller. Urtheile 'entweber, daß beide Begriffe, genau
betrachtet, diefelben Begriffe, oder volllommen gleiche
bedeutend find, oder daß wir beftänhig beobachtet has
pen, daß der eine den andern begleitet. Won der zwei⸗
ten Art find die Gründe für die Wahrheiten. der na⸗
türlichen Religion. Darum thut er auf unumſtoͤßliche
Beweiſe oder Demonftrationen Verzicht‘; glaubt aber
doch, daß feine Veweife von der Urt feyen, daß fie
bei jedem Menſchen von uneingenommener Geſinnung
Vei⸗
Hume's Gegner. Prieſtley. 491
Beifall finden muͤſſen 285),.Daher nimmt · et Glücks
ſeligkeit als den Zweck der Schöpfung, und ſieht Wohle
"wollen als die höchfte moralifche, Eigenſchaft Gottes
an. Der Beweis für Gottes Daſeyn wird aus dem
Erfahrungsſchluſſe, daß alle Wirkungen ihre zus
reichen den Urſachen haben müffen, und nichts
ohne Urfache zu feinem Daſeyn gelangt, abgeleitet,
Die Urfachen find aber von zweierlei Art: eigentlis
he, welche eine Abſicht bei dem, was fie hervorbrin⸗
gen, und eine Vorftellung von der Natur und Beſchaf⸗
fenheit ‚der hervorgebrachten Dinge Haben; und uneis
gentliche, weldhe, wie die Staminpflanzen und
. Stammnithiere, ohne Abſicht umd Vorftelung die Wir⸗
tung hervotbringen. Die.eigentliche Urfache muß vom
demjenigen, was eigentlich fein Werk ift, hinreichende,
die Vefchaffenheit und den Gebrauch, deſſelben umfaſ⸗
fende Begriffe haben. Durch bie vielfältigen Erfah⸗
rungen diefer Art entfteht der Grundfag, daß in al⸗
len Zällen, wo zwiſchen zwei Dingen ges
genfeisige Angemeffenheit und Beziehung
Start finder, eine Urfache vorhanden ge
wefen feyn muß, wieldre fähig war, jene,
Beziehungen fich vorzuftellen und darauf“ -
Rädfiht zu nehmen. So weit, fagt Prieſtley,
geht man auf fiherem Boden fort. Iſt man aber fo
weit gegarigen , fo kann man auch nicht füglich ſich
weigern, nach einen Schritt weiser zu thun, und eiu⸗
zuräumen, daß, wenn ein’ Tiſch oder Stuhl einen ders
ſtaͤndigen Urheber gehabt. haben muß, ver fähig- war,
die Natur und den Gebrauch diefer Dinge ſich vorzus
ſtellen, auch das Holz oder ber Baum, aus weldem
der Tiſch gemacht worden, und eben fo der Menfch,
ver ihm verfertigte, und da kein Menſch den andern
el⸗
185) Prieſtley Briefe ©. 35. 38,
r
F
4g2 Siebentes Hauptſt. Erſte Abth. Fünfter Abſchn.
eigentlich hervorbringt, noch ein Meuſch ſich ſelbſt her⸗
vorbringen Tann, dad ganze Menſchengeſchlecht, und fo
auch alle Gattungen ber Thiere, und die Welt, der fie
angehören und mit welder fie ein gemeinfchaftliches
Spftem ausmachen, ja das ganze fichtbare Weltall,
weiches, fo weit wir urtheilen Können, alle Kennzels
chen eines gemeinfhaftlihen, in einander. greifenden
Ganzen an ſich traͤgt, eine vernünftige Ur ſache,
oder einen Urheber haben muß, weichet Macht und
Weisheit ta einem Maße beſitzt, die wir mit Recht uns
endlich nennen *3°%), Man Fann diefem Beweiſe, in⸗
fofern er fih auf Zweckmaͤßigkeit gründet, eine natürs
Hiche Kraft, Ueberzeugung hervorzubringen, zugeftehen.
Zur eine Demohftration gibt Ihm der Urheber felbft
nicht aus. Zufofern er aber von dem Begriffe Urfas
che ausgeht, welcher empiriſch entſtanden iſt, kann er
fich des Einwurfs, den Hume wachte, von einer un
» gebüßrlichen Ausdehnung über die Sphäre feines. Ge
brauche, nicht erwehren. So wie nach der Erfahrung
ein Menfch durch eine wneigentliche Urſache entfteht,
und hernach eigentliche Urſuche von gewiſſen Wirkun⸗
gen wird: fo koͤnnte dleſes Verhaͤttniß auch auf die
Welt uͤbergetragen, und ihr eine urſpruͤngliche bildende
Kraft beigelegt werden, durch welche in ber Folge auch
vorſiellende Wefen entfliehen, welche nach Abfichten ets
was bervorbringen Können.“ Prieſtley zwar. fucht dies
fen -Sag:.ed muß von Ewigkeit her etwas vorhanden
geweſen ſeyn, und dieſes urſpruͤngliche, ſelbſtſtaͤndige
Weſer muß ſich ſeibſt zu begreifen im Stande, d. i.
unendlich ſeyn, über alle Einwendungen zu erheben.
Altein er bezieht ſich auf einen Gegenftand-, wohin die
Macht der empirifäpen Begriffe nicht reichen Yann.- Ge
gen die Ableitung der Yöttlichen Eigenfchaften aus der
. Zuwead⸗
186). Priefiley Briefe S. 40. 46. 48.
j Humes Gegnet. Prieſtley. 495
Zwedmäßigfeit der Dinge in der Welt, mit Huͤlfe des
Begriffs eines unendlichen vernünftigen Urhebers, ſteht
der Humefche Zweifel, ob man’ nicht, dieſem Weſen
mehr Eigenſchaften und in einem höhern Grade beis
legt, ald der Schluß von der Wirkung auf eine pres
” portionirte Urfache erfodert, noch immer unwiderlegt.
Prieſtley ſagt ſelbſt: unfere Erfahrung bezieht ſich als
ein auf folche Dinge, welche endlich) und unfähig
find, fich ſelbſt zu begreifen, und alſo nothwendig eine -
Urfache ihres Dafeyns vorausſetzen. Hieraus folgt,
daß biefe Erfahrung und zwar hinlaͤngliche Gründe zu
Beurtheilung anderer gleichartiger Dinge barbietet, auf
keine Weife aber einen zureichenden Grund an die Hand
« gibt, unfer Urtheil in Anfehung eines von allem, was
unfere Erfahrung erreichen kann, fo gänzlich verſchie⸗
denen Gegenftandes, zu beftimmen. Durch das Ynas
logon des Raums, der ebenfalld unenplich und ohne
Urfprung ift, was Prieftiey Herbeizteht, wird nichts -
jonnen *27), Die Ableitung der göttlichen Eigene "
Maften ift klar, bündig, der Vernunft angemeffen,
wenn einmal ein unendlicher Urheber ber Welt zuges
fanden iſt. Aber auch hier bleiben noch eine Menge
von Zweifeln und Bedenklichkeiten, die nicht fo Leicht
befeitigt werben Können. Beſonders ift die Art und
MWeife, wie Grücfeligkeit als der Endzwech der Welt,
- and unendliches Wohlwollen als die hoͤchſte moralifche
Eigenfchaft Gottes bewiefen wird, durdaus nicht gen _
nügend, Wenn Hume aus dem Unaugenehmen, tele
ches dem Angenehmen uͤberall beigemifcht if, Grund
findet, das Wohl aller empfindenden Befchöpfe nicht
zur Abficht. des Welturheberd zu machen, fo ſchließt
Prieſtley aus dem Umftgude, daß die meiften Pflan⸗
zen und Thiere fh in dem gefunden Zuftande befins
. den,
487) Prieſtle y Deister Brief ©. 56. 57.
494 Siebentes Hauptit, Erfie Abth. Fünfter Abſchri.
den, und, Geſundheit ein Zuſtaud des Genuffes iR, fo
wie aus den andern, daß ber größte Theil der Schuer⸗
"zen und Uebel ſich zuletzt felbft aufreibe und zerftöre,
das Gegeutheil. Welche Einwendungen der Skeptiker
Dagegen’ machen, umd wie glüdlich er dieſes Argument
‚umtehren kann, fällt ſogleich in die Augen ***),
So intereffant es übrigens auch Ift, die Bemer⸗
Bungen des Prieſtley über Hume's Geſpraͤche, über die
watürliche Religion, und über das Syſtem der Natur
zu loͤſen, und Die beiden entgegengefeßten Geſichts⸗
puncte zu vergleichen ; fo flach und ungruͤndlich ift
das, was er über den phlfofophifchen Geift und das
Verdienft des Hume fagt. Man vermißt ungern eine
richtige Auffaſſung und eim fchärferes Eindringen in
die eigenthämliche Denkart dieſes Denkers, weldyes
wahrſcheinlich aus den Vorurtheile berührt, das er
für Hartley gefußt hatte, Er macht es dem Hume
zu einem. Hauptvorwurfe, daß er die Phitofophie die⸗
ſes Deukers nicht ſtudirt und zur ſeinigen gemacht has
be, welche den größten Schwierigkeiten in der Philos
fophie abhelfe 2°). Er ift unzufrieven mit dem drei .
° von
188) Priefttey Sänfter Brief ©. 88. gal
189) Prieftley Neunter Brief ©. 148. Die, Lehre
von der Verknuͤpfung der Begriffe, wie fie von D.
Hariley vorgetragen und erläutert wird, gibt für die
mieiſten Schwierigkeiten, welche Hume erregt hat, die
befriedigendfte Auflöfung an die Hand (welches id,
wenn es ſich der Mühe verlohnte, unwiderſprechlich
darthun koͤnnte), und dem, der mit der Hartieyiſchen
Theorie bekannt iſt müffen Hume's Verfuge
als die größte Kleinigkeit erfheinen. Mit
Dr. Harıley vergliden, fömme mir Hu—
me in der Metaphyfit nur als ein Kind
von , \ .
Dr : Hume's Gegner. Plieſtleh. 495
von Hume augegebenen Geſetzen der Sprenverbindung,
” weit ſie ſich auf ein allgemeines: Vorſtellungen, die
zugleich in der ‚Seele gewefen, erweden fich. nachher
wieder, . zurückführen taffen. In Anfehung der Ideen⸗
verbindung von Urſache und Wirkung, tadelt er, daß
Hume zu überreden ſuche, dieſe Schlußart fey nicht
die Wirkung der Fähigkeit des Nachdenkens, fondern
einer .willfürlichen und vielleicht ganz ungegründeren
Ideenverbindung, der Gewohnheit. . Er nimint nams
lich an, der Begriff, von Ur ſache ſey kein einfas
Her. Begriff, fondern der Eindruck, welcher in
der Seele durch die Bemerkung deöjenigen zurückblei⸗
be, was ſich ihr in unzähligen: Fällen Gemeinfchafflis
ches dargeboten habe, wo eine inımer gleiche Verbin ,
dung von Erfcheinungen oder Ereigniffen Statt. gefune
den, wir mögen. nun die nächfte Urſache der Urſache
entdecken oder nicht. Wenn wir bei allen ſolchen bes
ftändigen Ideenverbindungen, über welche wir eine naͤ⸗
here Prüfung anzuftelen im Stande gewefen, . gefuns
den haben, daß diefe Verbindung nothwendig fey, ſo
siehen wir daraus den gegründeten Schluß, daß alle
ſolche bleibende Verknüpfungen eben. fo nothiwendig
ſeyn muͤſſen, als jene, wenn wir auch nicht Im Grans
de find, davon genaue Rechenfchaft zu geben. Mir
Tonnen und nicht enthalten, zu glauben, daß hiervon
in der Natur ein binlänglicher Grund in einem Nas
turgefege enthalten feyn müffe 19°), Dieſe Theorie
weicht von der Humeſchen nur-barin ab, daß Prieſt⸗
ley, wie es ſcheint, die beftändige Folge von zwei Ers
eigniffen als eine Folge von 'einem Naturgefee ans
ſieht, Hume aber‘ mehr ‚fubjective bei. der Folge der
Vorftellungen und dem: daraus entfiehenden Hange, eie ;
ne mit der andern wieder zu verbinden, ftehen bleibt.
" Die
J i0e) Prieſtley Viergehnter Brief ©. 245 ff.
496 Siebentes Hauptſt. Erſte Abth. Fünfter Abſchn.
Die Prieſtleyiſche Ableitung von der Nothwendigkeit,
als eine Frucht wehrmaliger Prüfung, iſt aber zu ge=
„Tünftelt, und ftimmt fo wenig, als die Humeſche, mit
der in dem Begriffe, unabhängig vor Erfahrung, ges
dachten Verknüpfung zufammen. Widerlegt ift Kume
durch alles dieſes nicht, und konnte «8 auch von einem
‘Denker, wie Prieftley, nicht werben, der. mit jenem
von demfelben empirifchen Standpunete auögeht + Wies
wohl er einzelne Behauptungen, 3. B. vom Glauben,
als die Wirkung lebhafterer Vorfiellungen, berichtigt.
Es ift zwiſchen beiden nur der Unterſchied, "daß Priefte
ley mit den durch die Erfahrung gewonneuen Begrif-
fen und Schluͤſſen, weit uͤber alle Erfahrung hinaus
geht, Hume aber innerhatb der Erfahrung fichen bleibt,
weil er das nicht thun wollte, ohne das gültige Recht
dazu zuvor gefunden zu haben, und dieſes nirgends
“ finden konute.
Ehe wir weiter gehen, muͤſſen wir einige Bemer⸗
kungen uͤber Hartley einſchalten, welchem Prieſtley den
Borzug vor allen Philoſophen gibt. Der Arzt David
Hartley war zu Slingworth geboren, und farb, nache
dem er einige Zeit in London practicirt_hatte, zu Bath
den 30 Sept. 1757 in feinem 53 Jahre «9°),-. Er
“bar einige mebicinifche Schriften verfertige; fein bez "
traͤchtlichſtes Werk. ift aber von philoſophiſchem Ju⸗
Halte #92). Hartley iſt bei den Englänvdern, was Bons
det
19) Diefe Nachrichten find aus dem Annual Regiter
for the Y. 1775. Characters p. 29. 30.
192) Observations on Man, Iis Frame, his Duiy-
and his Expectationg in two paris, London 1749.
8. 2 Voll. Betrachtungen über den Menſchen, feine
Matur,. feine Pflicht und Erwartungen, a. d. Engli⸗
ſchen Aberſeht und mis Anmerkungen und Satin I
ai die Schweizer. ii: Durch die Delorpenig des
"Gay: ‚alle: geiſtige Vergnuͤgungen koͤnnten aus der
Aſſociatian erklaͤrt werden, wurde er af. diefe Lehre
aufmerkjam , amd entwicelte durch fortgefegtes. Nach⸗
dDenten fowohl. die. Gründe, als die Folgen: der. Aſſocia⸗
tion. Die Affociation ‚glaubte er durch Schwingung:
der Nerven. und des Gebirns, vermittelſt eines feinen
:Atherifchen Zinidums, erklären zu können, und datia
den oberften Ming gefunden zu haben, ‚woran Lockes
Xehre, daß alle Vorſtellungen durch Sindruͤcke entſte⸗
hen, fi) auſchlleße. Einen nothweudigen Zuſammen⸗
Yang zwiſchen den Schwingungen und der Aſſociation
der Vorftellungen nahm er jedoch nicht. an, ſondern bes
trachtete die Lehre von den Schwingungen nur als eis
ae Hppothefe zur. Erklärung der Affociarion. Die We
ſociation ſelbſt aber war ihm nun der Grund aller Er⸗
Tenntniß, Ueberzeugung, jedes Gefuͤdls, jeder Willens⸗
beſtimmung; und in dieſer Hinſicht unterfuchte er bei
ſonders die nothwendigen Folgerungen aus -biefer Kehre
in Beriehung auf die Wahrheiten der Moral und Res
Ugion. Hieraus entflanden mehrere ‚Abhandlungen,
ohne firengen Iufammenhaug, bie er aber nach einer
gewiſſen Ordnung unter einander. verband. . Das Berk
beficht ‘daher aus zwei befondern Theilen: der Lehre
der Aſſociation, und dem Spſteme der fittlichen und
sellgiöfen Wahrheiten. Die Lehre von der Affoclation
Mt, wenn man fie unabhängig von. der Theorie der
Rerven⸗ und Gehirnſchwingungen, deren unhaubann
gieite, Roſtock a. Leipzig 1772. 8.2 Bte. Der
.. fe Zei nz —ãä Ans
. merfungen und Zuf aben den Prob m Amb.
\ Pißorius zum Et j
"genen. GÄBE 31
' Barton — a
98 Eiebentes Hauymũ. Eiſte Abth. Fünfter fin .
0 Maaß vargethan iſt 125), hetrachaet/ tichtig ımit
Scharfſinn entwickelt worden. Die Aſſoeiation Tanz
aber nicht als. der einzige Grund aller fütlichen und
religioͤſen Wahrheiten: betrachtet werben , wenn man
aicht eine einfeitige und unvollfkäubige Yuficht ven. des
Syätigleiten bed menſchlichen Geiſſes hat. Nur die
eine Zolgerung von ber Nothwendäigkeit der meuſch⸗
dichen Handlungen ergibt ſich aus ver Aſſociation ber
Borftellungen, wenn. fie als Grund alles Vorſtelleus
“ab alles Begehrens vorausgeſetzt wird. Dieſe Folge⸗
ung bat auch Hartley ſtrenge durchgefuͤhrt, ohne Die
—e— Freiheit aufzuheben. Dem Materialis-
and iſt er nicht gewogen. Alle übrige Wahrheiten der
natürlichen und- offenbarten Religion, welche Hartley
ausführlich. entwickelt, werben nur an die Aſſociation
angefchloffen, ohne.mit. derfelben in einem firengen Bu
ſammenhange zu: fliehen... Das weitläufige Werk dieſes
denkenden Arztes ift daher ald ein Aggregat 'von sehe
seten Abhandlungen zu betrachten, die, ohne. foflemas
tiſche Einheit, zu einem Ganzen zuſammengeorduet
worden. Auch hat er nicht blos feine eignen Gedan⸗
ten, fondern auch mehrere von Andern entlehnte,/ in
deinſelben verwebt und entwickelt. So ſind die Bee
weisgrůnde wodurch Gottes Daſeyn bewieſen wird,
von Clarke entlehnt. Etwas muß pon aller Ewige
kit exiſtirt haben. Es kann keine bloße Folge endib
cher abhaͤngiger Weſen von ‚Ewigkeit her: eriftirt has
ben ;.. fondern : ed. muß. zum wenigſten ‘ein: uuendliches
und unabhängiges Wefen eriftiren. Durch Schlüffe
aus Begriffen wird alfo dad Daſeyn Gottes und dann
as noch jene einciſhan Sorus Seninfen. ® “
193) —* aber mm Si
D
a Hartüng:
dieſes „ulm Sebadewelches viel zu groß und ſchwre
iſt, als daß det ſchwache Srund der Aſſociation es
tragen Adanfe.n detungeachter · der Unhaltbarkeit und.“
Inconſequenz des Ganzen offenbart fi doch in allen
Wuterien / Sharffuhr, Ernſt, Würde, und ein Ringen
nad grunblicher Veberzeugung in: beit einzelnen Gegenn
finden. "Sri ioRd "auter en” übrigen: Eigen ſchaften
Gotted:: ah “feine? Imngiterialitat ¶ daraus bewie⸗
ſen 124), daß Gott die Urfache ualler Bewegungen in
der materlellen Melt: iſt/ Waͤre er? nun nicht immate⸗
riell, ‚foranäßte.mander Materie die Moͤglichkeit, us
ſache aller "Weiveguingen ı in "der matrriellen Welt zu
ſeyn, beilegen koͤnnen, welches nicht angeht, weil‘ die
Materie ein, blos leidendes Weſen ift vermöge ihrer
Krägheit; "Zudem Tanıı man den Verſtaud nicht vom
" Materie ableiten, Es iſt freilich wahr, daß unfere
Sinne uns nichts. anderes ‚überliefemn, als. Eindräde
von der Matoͤrie, und daß wir. daher Teine anödrüdtis "
che urſpruͤngliche Ideen von Dingen: haben Istrien; aus⸗
genonunen won · veur Wateriellen, wodurch wir · zu benk“
Schluſſe gebracht werben‘, daß nichts, als Mate
tie, in der. Welt if. : fein dies iſt offenbar ein
Worurtheif, welches aus. unferer Lage herruͤhrt, und cia
Schluß, der blos. aus uuferer Unwifſenheit und der Eind
geſchraͤnktheit unſerer Fähigkeiten hergenommen iſt. Da
- alfo von der andern Seite bloße Daterie:völkg unge⸗
ſchickt ſcheint, den Sruud von: den" riufuchſten und ger⸗
woͤhnlichſten Erſchrinungen zu eutharteu/ fo müffen wie
entweder eine immaterielle Sabſtanz aunehmen, oder
wir muͤſſen Auch vorausſetzen, daß die Materie ewige
aãßte um gahnteuen pa, von verſchledener und pda
Er 1 — — ie
194) Aatıtep Au 9 2. Sf
Hop Ciehentes Hauprß: Fre diöth. Fünfter Abfem. '
heror Mitt, als die find, welche wir wahcnefute. Uber
dieſe letztere Vorausſetzung iſt imher That mit der er⸗
ſtern einerlei, nur nicht: fo vollkontmen aubgedruͤcki.“
Die Aunahme einer immateriellen Sub ſtanz beruht als
fo. auf der Befugniß des Prrftänkäty: zu. Erfhelmungen,
: Sie nicht.aus dei Meserie: uud. Ihren Rräften. erkläre
werden khunen Gubfeszen:und Ariſte zu erhicten,
eine Befugniß, welche, wesen der gageſtandenen Ms
wiſſenheit des menſchiichen Verſtaubes und der Untauge
chleun der angeuorumeuen Prbicipe, zur Erflärung der
Erſcheinungen als‘ grundlos erfcheine‘, wenn der ur⸗
ſpruͤngliche Jond unferer Ei de Aaheucpı
mung befchräute if. - -.. s .
’ gi der eher son der Zeige, worin dberue
vlele Nachfolget gefunden · hat, herrſche dieſelbe Unbe⸗
ſtimmthtit, die wir oben bei dem Streite von Collins
und Elarke bemerkt heben. Etr! unterſcheidet die ges
weine oder pfychs logiſche Breiheit, weiche in
dem Vermoͤgen beſteht, zu waͤblen and: nach Beweg ·
grůͤnben zu handeln, und die pbllofopkifche, das
Wermögen, unter. denſelben Umſtaͤnden fo nder anders
ya. handeln, and andy nicht zu haudeln. Die letztere
weſtreitet er mit Wecht als ungereimis, infofern dadurch
Re Zufall als ein wirkendes Princip eingeführt werde,
was mit der. Vernunft ſtreitet. Er widerlegt diefe
theils aus Gruͤnden, welche aus feiner Theorie der Aſ⸗
ſociatiouen hergenommen ſind, theus aus religioͤſen
Gründen, weil die Religion: die: pbiloſophiſche Freiheit
wicht voraueſetze, .umd ‚die natärlinhen, Eigenſchaften
Gottes, oder: ſeine ‚nnkliche Mac. und Wetöbeit, die
Möglichkeit derſelben nicht verſtatten. Denn wenn man
5 dieſes Vermoͤgen ſetzt, fo wird etwas durch dieſelbe in
der Welt bewkrtg,, } nicht don Gottes Macht ads
' ie \ bang;
wi Bektien, j ‚2.0 HQR
Bängt;: al‘ koͤnte fie id nie über alles in der
Belt, erſtegcken, und fie wäre nicht ynendlich. Und dar
eine ſolche Freiheit fein, Vor herwiſſen zulößt, fo wird,
durch Peg die‘ inendlidhe Erfenntniß oderfßeids,
beit Goueg noe ke 39°). Hartlepy begegnet dem
— 2 FR bei ‚Lehre von der Mothweis,
ind, daß ‚nämlich ‚nit. berfeiben die,
— — *2*8 —* und Tadel, Verdienſt und
Schuld, ni pt peflehen. können, ‚Auf die, Art, daß, er be⸗
hauptei,.. BE „nuh ‚Safter find mach der philofophle,
ſchen bei hen ‚Deren basjenige, / was ed:
Pr. Eigen) ah den Körpern ſind, naͤm⸗
lich Mittel, das an — welches die Hands,
Inngen zur @Lüdfeligleit und.zum Elend,
ober bem Fäyfifhen Wüten und Böfen, has,
ben, auszubrüden, - Pas worglifhe Gute und Boſe
bezieht ſich auf daß phrſiſche Sure, m, Böfe, und jes
“nes iſt aus biefem zufammengelegt *»°). _ Macy, dem
\ Retigionsfofteme des Hartley iſt Gott die einzige alls
gemeine Urſache aller Wirkungen der Natur, aller
Handiungen der Menſchen. Diefe find nur Werkzeuge
zu dem Endzwecke des Batjen, Sluͤckfeligkeit. Suͤn-
"de und Laſter ſind naturliche uebet, welche ebenfalls
von Gott herkommen; da abet vas Uebergewicht des
‚ notärlicen Guten unendlich iſt, ſo wird durch dieſes
—— das wriuche um „verfhlangen und verkde
as hortigo Veiradtungen a a & 193. i3o,
298). Hartley Vetractungen 2 Thl. ©. 196, ‚198.
197) Kartley Verradrungen ı %r e 199. \
502 Siebentes Haupiſt. ErfteAbth. Fünfter Abſchn.
Die Hauptanſichten des Hartley bad fh Peileſt
tey *2) zu ‚eigen gemacht und. dieſelben zum Theil
weiter ausgefuͤhrt, zum. Theil auch gegen Einwuͤrfe
verteidigt. Locke und Hartley waren ihm die größs
ten Philoſophen, und Hartley der größere, weil er durch
die Affoclation des erftern Syſtem eine feſte Baſis ges
geben, und das meiſte Licht über die Theorie des Geis
ſtes verbreitet: hatte 299). Da er’ in der Prüfung,
welche den: drei Schottiſchen Gelehrten entgegengeſetzt
iſt, eine Neigung für den Materiallsmus hatte: bliden
taͤſſen, fo wurde biefes von feinen Gegnern benutzt,
ihn des Atheismus, der Irreligion, und weil er dech
‘die chriſtliche Meligion mit großem Intereffe verthei⸗
digt hatte, der’ Heuchelei zu beſchuldigen. Der Segen⸗
{aß zwiſchen Geiſt and Malie, befonders wie er ſich
itim Menſchen nach dem Spirimnafigmus- darftellt‘, war
im namlich enbezticu Die: Materie nimmt einen
„ Reum,
J ee se Milde —
488) Die Theorie des Hartley uͤber den wiaſchlchen
Geiſt hat Prieſtlen heſonderg entwickeit in Hariley⸗
koory of the, human. wind, wäh. — releung
io the sabjert ef i.. ; .
"i99) Er fagt in der Worrede zu fh "Sit gegen"
Reid- und Veattie: T ihink myself’ ihoro’ indebted
to this one treatiss, than to all the books’ 7 ever
*:rzead beside the Scriptares excepted, und ©. 2
daſelbſt: Something was done in this field of
„kuowledge by Descartes, yery much by. Mr
Locke, but most ’of all’ by Dr. Harley, wbo
“has thrown.: ınore ⸗alul light; upon ahe. thaory
of mind, than Newfon did 2 pen theory of he
"natural world. Dee Zee Zr 222 52 wien
Briehten\. ’ = 508
Raum, der Sc auch nie ben Heinken ein, und fleht
überhaupt in keinem Verhäitmiffe zu. dem Raume. Wie:
ſollten denn zwei Dinge, bie keine einzige Eigenfcyaft:
gemein haben, wechfelfeitig einander affieiren Tönnen?!
Prieſtley war daher geneigt, den Menfchen für ehr
einartig zufammengefegtes Weſen zu halten, und ans
zunehmen, daß dad. Empfindungövermögen,.fo wie alle
geiſtige Kräfte, ein nothwendiges oder zufälliges Re⸗
ſultat der organiſchen Structur des Gehirns feyen; daß
. folglich der gatize Menſch mit dem Tode fitrbe, und "
Beine Hoffnung Habe, jenfeit des Grabes fortzuleben,
außer derjenigen, welche ‚die Offenbarung gibt. . Um -
den Anſtoß zu heben, den er daburd) gegeben hatte,
fuchte Prieſtley im einer befondern Schrift 209) das ,
Wein und das Werhältnig des Geifles. und der Mas
‚terie noch genauer zu beftimmen, feine Worftellungss
art deutlicher auseinander, und die Vertraͤglichkeit
derfelben mit der chriſtlichen Offenbarung ins Licht:
Fu fetzen. Jadem er die von Newton für die Nature
ferſchuug aufgeftellten Marimen: nicht mehr Urſa⸗
den anzunehmen, als zur Erklärung der.
Erfheinungen erfoderlich ift, und diefelben -
Wirkungen: foniel wie möglich auf diefels
ken Urſachen zurüdzuführen, und mit Wie -
berfegung ber gewöhnlichen Meinung: die Materie fey -
eine durchaus träge Subſtanz, derſelben die Ausdeh⸗
Ü. , zung
200) "Disquiitlons relating to mäter and spirit,
“ with a history of the Philosophical doctrine con-
igin of the soul and fhe nature of
; with its inAnenre ar'Christiänity es
“ : eially 'swhrespecti to .the"Rbökine „Rthe prei
6% ‚existenice of Chriit;"Loiidön zit Be
804. Sibentet Haupt. Ce Ah. Fünfter Hbfgn.
mung und zwei Gruudkraͤfte, "die Auziehumg und Ab⸗
ſtohung, als zu ihrem Weſen gehörig‘, vindicket; fo
wirft er die Frage auf: Können die Natur und
vie Thätigleiten des Menſchen Lediglich
aus den Grundkräften and weſentlichen
Eigenſchaften ven Materie ertlärt werden?
. Dee Menſch iſt ein empfindendes und deukendes We⸗
fen. Die Faͤhigkeiten des Empfindend und Dentens
"haben ihren Si in dem Gehline und dert Nervenſy—
ſteme. Denn das Empfinden und Denken ftetyt Immer
in. Verbiuduug mit dem Gehirue, and eñntſpricht dem
Ziſtande deſſiiben · Cs gibt. fein Veiſpiet,vaß ein
Wenſch feine Deukfähipkeit behalten habe, ‚went fein
"Gehirn verlegt war, Das Empfinden und Denker ift
demnach eine, Eigenfchaft- das Beptruß. Daher kann
man aus dem Wahnſinne und der. Refersi mit Sichern
heit. fchließen, daß eine Zerrättung im Gehirn vor
handen ſeyn muͤſſe. Daß die Volllommenheit ber Denk
thaͤtigkeit blos in die ſem Leben. von / dem Zaſtande
des Koͤrpers und des Gehirns abhaͤngen, nach dem
Tode aber, wo Körper und Gehirn zerſtoͤrt find, uoch
Ws einens--erhöheten ‚Grade vonftatten ;gehem-“follte;
das ſcheint die unphiloſophiſchſte und abſurdeſte Bes
hbauptung zus ſeyn. Wäre der Tod dem Denkvermoͤgen
wortheilhaft, ſo mäßte es eine. Kranktzeit des Körpers
verhättmißmäßig auch ſeyn. Jemehr ſich · der Körper
der Aufloͤſung näherte, deſto freier müßte. ſich das
Denkvermoͤgen äußern. Die Erfahrung lehrt aber davon
gerade dad Gegentheil. — Wir haben wicht eime einzige
Idee, die. wir nicht den koͤrperlichen Sinnen unmittelbar
grer mittelbar verbanften. Die Möglichkeit des Den
kens ‚opne einen. arganifchen Körper hat alſo nichts für
"fi, und. die Erfahrung iſt ihr geradezu entgegen.
Wäre die Eile cin vom, Singer genz anabban
"Brühl 55 508
Weſes, fo mußte ſich doch Irgeab einmal, etioa im:
Schlafe oder in der Ohnmacht, ine Spuk davon dere
rathen. — Salt dad Seeienprincip nnnaterial und
unſierblich ſeyn, ſo wuͤßten es auch alle befondere Faͤ⸗
ugkeiten derſelben ſeyn. Allein alle dieſe werden vor
"Ram Tode Img Shreächerz. und, verſchwinden endlich.
ganz. Daraus; wiũſſen ‚wir ſchließen, daß die Seele
jelbſt alsdann flicde.fe wie wir aus dem Verſchwin⸗
den. der Reizbagfeit ‚ver Ginne: und des Bewaßtſeyns
auf ‚den Xod. bed‘ Körpers. ſchlleßen. — Es iſt Kr .
denkbar, daß Theilbares in einem. Dinge. fen, was
ſchlechthin / nutheilbar iſt. Da nun unfere Ideen durch
äußere. Objecte, herdorgebraiht werden mb denfelben -
eniſprechen muͤſſen; fo.find «inige derſelben auch theil⸗
Bar. ‚Die Joro-von-Menfch-3. 2. muß die Merkuute:
Kopf,. Stamm, Glieder enthalten. Wie Tann, nun eis
de folche- Idee im einer untheilbaren Gubfanz, wie. eis:
ue immaterielle Seele iſt, ſeyn? Mat muß Daher ans
nehmen, daß die Seele, ihrer. Ideen von.
masericiien:
Dbiesten wegen „ ebenfalls materiell und theifbar iſt.
— Die große, Manzigfaltigkeit von Geelens
aufßänden, ‚die..npthweubig Meränberlicpleit in ſich
fließen, md. insbefondere Verbefferung und:
Berfhlimmerung, welche der Zerſtoͤrung nahe vers
waudt. if}, ſcheint mit einer volllommenen Einfachheit
det Seele ganz unyerträglich au levn. — Alle dieſe
Gruͤnde leiſten aber nicht, was Prieftien verſprochen
haite, . nämlich. eine Erklaͤrung der Thaͤtigkeiten bes
Empfindens "und. Derkens aus hen Grundkraͤften und
weſertlichen Eigeuſchaften der Materie, Jnſofern fie
= Schlüffe aus. Thatſachen, welche noch ganz andere An⸗
fühten zutaflen, enshatten und Schwierigkeiten’ gegen bie:
SWwomaterialität hervorheben, können fle nur Is Verdindung
mis ‚ben: eigentfichen "bireeten: Schläfien Denen. ſie vor⸗
En . am.
\
508 Siebentes Hauptſi. Erfie sp. Fünfter Ubfn.
angehen obet auf dieſelben felgen, nur einige Webers
zeugungskraft haben. Allen biefe Hauptgruͤnde hat
Ptieſtley nicht gegeben, weil er fie nicht geben kounte.
Aber dagegen verdient badjenige, was Prieſtley zur
Beantwortung der Einwürfe gegen bie Materialität der.
Seele ſagt, ale Beherzigung, weil dadurch auch Die
Schwäche der Gründe fr die Immaterlalität hervor⸗
leuchtet. Auf den aus det Identitaͤt des Bewußtſeyus
hergenonmnenen Gegengrund erwidert Prieſtley: dieſes
Bewußtſeyn enthalte nicht mehr, als Daß ich eine Pers
- - fon, ein empfindenbes und denkendes Weſen, und nicht
zwei Perfonen bin. Darin liege aber fo wenig ein
Beweis dafür, daß die Perfon nicht getheilt werden ”
Hund, als daraus, daß ein Kreis ein Ding tft, folge,
daß fie.ebenfald aus untheilbaren Weftanbtheilen de—
fiehe. In andern Beantwortungen iſt jedoch aud) das
Geſtaͤndniß ſtillſchweigend enthalten, daß der Materia⸗
"RE und Spiritualiſt auf gleiche Weiſe die Grenzen der
, @rtennbarkeit verkennen. Auf den Einwurf, daß wie.
die Möglichkeit des Empfindens und Denkens durch
"Die: Materie nicht begreifen koͤnnen, antivortet Priefts
iey, daß Biefer Einwurf nur von unferer Unwi ſſenthelt
feine Staͤrke erhalte. Wie die Materie empfinde. und
denke, koͤnnen wir nicht begreifen, aber auch nicht die
unmoͤgluchkeit: davon beweiſen. ¶Dieſelbe Unbegreiftkhe
keit ‚drückt auch den Immaterialismus. Iſt dieſes
wahr, ſo mußte auch die Unbeantwortiichteit der Haupt⸗
frage, die Prieſtleh fi in dieſer Schrift zu loͤſen Vote
"genommen. hatte, zugeſtanden werben. -.-Er geſtett fie
aber erſt hinterher ein, nachdem ’er- den Schein erregt
bad als habe er die Aafgabe wirklich gelfk, - Auch
wird Vrieſiley in der Beantwortung der Gegengtühbe
zu der Snconfequenz verbeitet,":daß er dem Gehirue,
super dem · Vormbgen der; Vtbration, noch «in: Empfin⸗
= dunge·
p ze ‚Prieften. re 507
dungs⸗ oder Wahrnehmuugsvermögen beilegt, welches
weder zu den Grundkräften noch zu den weſentlichen
Eigenfchaften der Materie gehört. on
"Aus den Beweiſen der Materialitaͤt der Seele
folgt aber, nach Prleſtley, keineswegs ein Beweis fuͤr
die Materialitaͤt Gottes. Wird immateriell fo ver⸗
ſtanden, daß es eine Subſtanz bezeichnet welche Ei⸗
geuſchaften und Kräfte beſitzt, die von denen der Mas
terle wefentlich verſchieden find; fo iſt gegen den Ges
- brauch des Worts, wenn ‚man es auf die göttliche, .
Natur anwendet, durchaus "nichts zu erinnern, Wird,
aber. im Sinne det neuern Metaphyſik eine ſoiche Sub⸗
ſtanz darunter verſtanden, welche durchaus Feine Eis
genſchaft mit der Materie gemein hat, und in gar feis
mer Relation zu dem Raume ſteht; fo muß die Eris
fenz einer folchen Subſtanz geleugnet werden. Denn.
nach dieſer Definition würde dem göttlichen Mefen alle
Verbindung mit der Welt, aller. thätige Einfluß auf
dieſelbe abgelhnitten. . Das für. Ausdrüde wir indefs
fen von dem göttlichen Weſen gebrauchen mögen, fo.
Tommen wir doch dem angenieffenen Begriffe von demſel⸗
: ben um nichts näher. Bott if und muß immer für
ung, bleiben ‚der. Tnsepreifilgen der Gegenftand
anferer tiefſten Ebrfürcht und Unbetüng. Nicht die . Zu
- - @ubftanz,. von der wir überall Feine Idee haben, fons
dern die Ejgenfpaften derfepben, die unendliche Weis⸗
‚heit, Macht und ‚Güte, find der Gegenſtaud uͤnferer
Erlenntniß durch ihre Wirkungen, und unſerer Anbe⸗
tung. ‚Die. Subſtauz derſelben nehmen wir nicht wahr,
nd unfere Di — davon iſt. nur, hypotheriſch· Von
‚ bem Urfprun er Thaͤtigkeit on beim. Dafeyn der
arten Urfacpe haben wir gar keinen Wegefff, und die
Spes
men
508: Giebentes Haupfit. &fie un ’ Fünfter Abſchn.
&pecutätlon fügie uns darüber nur in ein unermenn ·
—* Labyriuth.
Prieſtleys Schrift gehoͤrt unter die intereffantes
fien, welde für den Materlatiömus ſtreiten. Denn
wenn auch der Hauptpunct wicht zur Exrꝛſcheiduus ge⸗
bracht, und überhaupt nichi ‚gelgifiet worden,” nis ver⸗
beißen worden, war‘, ſo enthält doch feine ESprift ſo
vielerlei und, mancherlei Verſuche, Auſichten, Beʒiehim⸗
«gen über dieſen Gegenſtand Das Werhältnif, in: wel⸗
em Materialigmus zur ‚Religion und zu beigndern
Lehren des Chriſtenthums, vorzůglich der Auferhebung .
aller Todten, betrachtet wird, ‚fo wie der ‚religiöfe uud
firtfiche Eharakter des Verfaſſers, geſellt fü ſich noch zu dem
Jutereſſe hinzu, welches der Segenfiand an fich hat.
Diefe, Unterfuchung führte eine andere‘ über Sreipeit
und Nothwendigkeit herbei, Iſt der menſchliche
Geiſt materiell, fo folgt daraus, daß er unter dem alle
. ‚gemeinen Gefeg des Mecatsmus ſteht, uud Freiheit
ein Unding if. Dieſer Gegenftand hing mit dem vo⸗
rigen auf bad engſte zufanımen, und Hartley "harte
ebenfalls ſchon denfelben als eine Folge feiner Theorie‘
der, Affoclatlon In Betrachtung gezogen, wiewohl er
den Materialismus von feinem Syſteme gutfernt ges
halten hatte, "Die Wichtigkeit diefes Gegenftandeb, die
wmannigfaltigen bebeutenden Einwüͤrfe, welche dagegen“
gemachi wurden, der Beiſal, den die Schriften, wel⸗
he fich für die Zreiheit erklaͤrt hatten, fanden, und‘
befonderd_ dad Intereffe , welches daB eben damals ers
ſchienene Wert des Price über bie Wordt, - ers
regte — beſtimmte den Prieſtley, eie :eigne ae
handlung vente, zu widmen, welche aber als
ir
Piel. 3
‚cn Anhang von hi volern ei. mnagus wur⸗
de e
Prieſtiey iſt — Verteidiger der Lehre der
phirofophiſchen Rothwendigkeit, welche det
FIbilofophifchen Freiheit in dem. Sinne, mie fie
Hartley nahm, d· i. der, Freiheit der Snviffe
rens entgegengefegt: iſt. Er ſah ed mit dieſem Vor⸗
ganger ald einen welentlichen Yunct des Religionsſy⸗
fee an, daß jede Handlung des Menſchen ihre
‚Gründe in den Moativen haben muͤſſe, ‚und. daß dieſe
Motive theils von der Dispofition und Stimmung de⸗
Geiſtes vor und während deö Handelns, theils von:
den “Anfiditen, von, ben Öbjeeten und Ihren Empfins
hungen äbhängen, und daß unter denſelben Umftänden
dieſeſbe und feine andere KHandtung, erfolgen ‚müffe,
‚Die fagemannte phitofopbifähe Zreiheit‘ Befritt. er. bars
um mit Hichem Intereſſe weil er in derſelben eine
- Werleugminig des großen "Naturgeleges, \daf nichts
Sefentofes in der Natur iſt, entdeckte 202),
und
\ ‚nr Fi ann of philosophical Necesisity illu-
. ‚ealed;. being an Appendix to he, disquisitions
. ‚neläting : 10 . Matier.. and Spirit, ‘To ‚which. is
© ‚added an Answer to the Letters on. Materialisu,
:ı and. on Hartley’s ua of the Mind. Landon
.2737- 8.
„.208) -Doctrine of phlos, wecessiiy p. 7. In other
; words, J maintain, there is some fixed law of
..:,pnyvers of the, mind, and every ihing else in the
\., gongintiion Pf nature; and consequenily that it
. \ is
; ggkure yespecting the will as well as the other '
510 Siebentes Haupeft. Erfte Abth. Funfter Afchi;
und. weil fie mit ſtinem Meltgionsfoftene, das er fir-
das einzig wahre hielt, ſtritt. Nach demferben find
alle Meuſchen und alle ihre“ Bye Glieder einer
"großen Kette, und Theile ein ermeßlichen Ganzen,
welches unter ber untrögfichen Leitung und. Beftiie
mung des Allwiſſenden und Allweiſen ſteht. Die Gotte
beit hat An bem Cyfteine der” Gidtfeligfeit ¶ Als den
Eudzwecke · der Welt, jeder Menſchen und jebet Hand⸗
Kung den ihm zukommenden Antheil daran angeivfefen und
beftimmt. Die Menſchen find zu gleicher Zeit Werkʒeu⸗
ze und“ Sbjecte dieſcs großen Plans. "Mas je ein
Menſch ſich vorfegt oder ausführt, alle Yeihe Said:
lungen und Abfichten find dem geheimen Einfluffe, der
verborgenen Leitung deſſen unterworfen‘ ,. welcher am
beſten beurtheilen Tann, was der Derwirfuicũng Yeltes
. großen Plans förderlich Hi. "Für ihn ud’ er feinen
Merken iſt alle ſcheinbare Disharmonte wahre
Harmonie, alles‘ ſcheinbare Ueber zu letzt
Ten
0 N „ . Da
“is never. determined. without some" rdal/or.ap-
perent · calise foreign 16 itself 'i, e. without s0-
‚ktie motive of choice, or tliat motives infuence
- us in some "definite and !invarlable manner; so
that orory wolition. or -choige ‘is gomstany re-
gulaied and determined by what pretodes it,
" 208) "Doktrine: — Dedication p. VII. Wen
selves, complex as ihs structure df our minds
and our principles of action dre, ake.linkd in a
great connected chain, parts of an immense’'who-
k,.a very Ale of whlch only we are ai yet
per
ee Brielleg. Sr
: 38 giichie vorausſetzte, daß dieſe Lehte cbidente
Wahrheit enthalte, und don Hobbes, Soche, Ant.
TCollins, Hartley, Hume, LKotd Kalmes. unv
„Under auf eine uͤberzeugende Weife-bargefteit"worden .
ſer, fo konnte er den: Umſtand, daß fie-gteichwunt fo
viele Gegner: finde; id) ruf’ daraus erklären daß man.
Belgerungen dataus abgeleitet habb, welche won der -
Annahme: derſelben abſchreckten. - Diefe‘ Bölgerungen
entweder ſo zu erklären; daß fie alle’ Anftößige verties
“ren, ober.fie abzuweiſen, weil fe dem Determintärngs
nur aufgebürbet worden‘, iſt der Hauptgegeuſtund Des
Priefitey in diefer Schrift: Sie enthäftalfe eine -Tiäre
und. deutlihe Darſtellung des Syſtems / bed: Deterimie,
nismus mit einer eben ſo deutlichen Beantwortang der
Eimwärfe "Man Tann aus ihr eine richtige Unfiche
"son dem Standpunkte: biefer Lehre in England ſchoͤp⸗
fen. Im Grunde find -es- noch dieſelben Aufichten,
weiche wir ſchon bei dem Streite zwiſchen Collins
und Clarke gefunden haben. Die Gegner berufen .
ſich auf das 6 Seluti der ‚Breißeit ‚ uns Venten: Aid daſ⸗
felbe
permitted. to ses, but from’ which we collect evi-
dence enough, that the whole system (in which
we are, at'the same‘time,'both instruments and
“ . objects) is under an unerring direction, and that
the final result will be most glorious’and hap-.
py · Whatever men“ may intend, or execute, all’
"u" their designs amd’ all: their actions are subject
to the seoret influence: and guidance of one who
is necessarily'the best judge of what wäl most
"and in his works all seeming discorä is real
- härmony, and all’ apparent evil, ultimate good,
* :prorhote his own excellent purposes. To him "
. 513 Girbentes Haupt, Erfe Abth. Fünfter Abfgn.
Lelbe als das Vermoͤnen, ſich ſelbſt zu beftimmen, um
Ibbanoig von Grännen, in Rüdficht anf etwas Höhe:
res iu ber Menſchheit, woelches fich Durch ein fetliches
Erröhen: offenbart. - &ber indem ſie dieles Hoͤbere nur
ahmeren, alter nicht deutlich angaben, oder es daich
"98 enbämeniftifche. Spſtem zernichteten, gaben fie ber
Wegneem,. die ſich an das Maturgefeg ber Nothwendig⸗
Reit hielten, dem gegründeten. Auſtoßz, daß hier ein Ders
mögen: des Welichens ohne Geſetz, alfa blos Zufal,
füp die Machnen aufgeftefit werde, eine Behauptung,
aoeidpe ‚wicht wur Arundloß,.fenbern auch ſelbſt für bie
Moralitat, um deren willen fie angenommen wurde,
nachehelig, ſey. . Wenn. die Determinifien nur biefe
"welche ihm von Yußen gegeben werben und uuter Zeithe
Bimrmgagns fiehen,. wodurrh jene Höhere In dem Mens
ı fdien, das Vermögen, ſich durch nicht finnfiche Gränz
de zum Handeln zu beftimmen, zernichtet wird. Unb
pagegen ſtemnite ſich die Vernunft ver. Gegner, ohne
den Hauptpunct, worauf es ‚ankommt, ‚deutlich machen
a koͤnuen. ‚Nur price ift derjenige, Der dieſes pun-
cinm saliens ſchaͤrfer, als alle feine Zeitgenoffen, feſtge⸗
balten hat.
Der Menſch beſitzt Freiheit, oder das Vermögen,
zu thun, was ihm beliebt, ſowohl in Beziehung auf
die. Thätjgleiten des Geiſtes, aid die Bewegungen des
Krper&, inſoweit dieles Vermögen, möglich iſt. Ver⸗
ſteht man aber unter Freiheit das Vermoͤgen, uuter
denſelben Umſtaͤnben, worunter quch der Zuſtand des
m BE
Bricht 51%
Geiſtes und die Anſicht von dei Obfecten gehört, auf
verſchiedene Weifen zu handeln, fo hat der Menſch
Heine Freiheit. Denn fo wie Fi Kraͤfte des Geiſtes
-und der natürlichen Diirge X —— beſtimmten Ges
fegen unterworfen find, 10 hat: auch der Wille dieſes Ger
* feg, daß er aie ohne Aue wirkiche oder ſchrindareur ſache
außer ihm’ deteripihirk, imd jeder Willens eniſchluß nach
einer Regel bütd) awas Vorhẽthehendes Beine wird,
Inſofern if jede Wiletgätigkeit notfiend ; hifoferd
fie ihre" beftimmende Urfache hatte, und umt! "deifelfen
Unifänden nicht anders erfolgen konnte, als fie pr
if; Die Gründe dleſes Determinlsmus nimmt Priefts
leg aus der Anwendung bes Eauſalltaͤtsrerhaͤltuiſſes
auf die Wiltenshandlungen, und aus der goͤttlichen All⸗
wiſſenbeii une, Borfehung. Es: ift unmöglich; 5 daß die
Gottheit eine freie, d. T eine zufällige; oͤhue Gründe
erfolgende, Handlung vorausſehen und durch Vorſehung
den Störungen, die durch Freiheit eutſteben muͤſſen,
entgegenwirken kaun: Freiheit vertraͤgt fich alſo durchs
aus nicht mit der götklicheii Weltregierung; denm durch
fie würde der göttliche Plan alle Augenblicke geſtoͤrt .
und gehindert werden. Sie ſtreitet ‚mit der Geſchichte
der Offenbarung; ; welche zeigt, daß jede Vefkinistiung
des menfchlidyen Geiſtes mit Gewißheit von der Gott⸗
beit vorher erkannt wurde. Auch entzieht fie der ges
offenbarten Religion eine Hauptſtuͤtze- nämlich die
„Möglichkeit. der Weiffagungen: Mon den Einwuͤrfen
gegen den Determinismus, mil deren Beautwortung
‚fly Prieſtley hauptſaͤchlich beſchaͤftigt, find; nach
dem Standpuncte, den er genommen hatte, den Mens
ſchen als ein bioßes Naturweſen zu Betrachten; einige
- gut, andere ſchwach widerlegt; So zeigt. er, daß das
Bewußtſeyn der Sreineit ein zweideutlges Fauum iff;
welches nichts beweiſi, da nicht ale beſtimmende Gruͤn⸗
.Kehnens, Geſch. d. Phikof; Xl Th. E37 de
! 514 Eiebentes Haupiſt. Erſte Ast. gü nfter Abſcn.
de des Willens wahrgenommen werben. -Dieenigen
Eimoürfe, welche aus dem fittlichen Bewußtſeyn herges
nommen find, wie von Zurechnung, Lob und Tadel,
Verdienft und Schuld, Neue, hat Prieſtley nicht wis
verlegt, fo viel er fich- auch Mühe gegeben hat, den
Determinismus als mit der Moral vereinbar darzu⸗
llellen. —
Der Streit, der ſich darüber wwiſchen Prieſtley
und einigen Gegnern entſpann, und mit allem Anſtan⸗
de geführt wurde 204), kann hier nicht weiter ver⸗
folgt werden, inſofern er ſich hauptſaͤchlich auf den. er
griff der Moratität bezieht, Soviel koͤnnen wir nur
noch) hinzufügen, daß der eine Grund für den Deters
minismus, von dem, göttlichen Worherfehen der menſch⸗
nr Ticpen
204) Free discussion of ihe doctrines of materia-"
lism and philosophical necessity in a correspon-
dence between Dr. Price and Dr. Priestley. Lon-
don 1778. 8. . Observations in defence of the
liberty of man-as a moral Agent: in answer to
u Dr. Priestley’s illustretions of philosophical ne-
cesity. By John Palmer.’ London 1779. 8. A
Letter to Joht Palmer iu defente of the illustra-
tions of philosophical necessity, by Jos. Priest
ley. London 1779. 8. Appendix to the Obser-
vations, by J. Palmer — London 1780. As
cond Letter to J. Palmer — by J. Priestley. Lon-
don 1780. 8. An address to Dr. Priestley upon
. his doctrine of philosophical necessity illusirated,
by James -Bryant. London 1780. 8. A Letter to
u Jacob Bryant in defence of philosophical neces
. , süty; by 4. Priestley. London 1780, 8. j
J
Prieſtleny. 65185
lichen Handlungen, damit abgewieſen wurde, daß Got⸗
tes Allwiſſenheit für wis unbegreiflich iſt. Der Haupts
grund aus dem Begriffe der Cauſalitaͤt wird von ih⸗
nm nie weiter angefochten ,, fo leicht ed auch war,
die ſchwache Seite veffelben anfzufinden. Denn Prieft>
ley Kann die Allgemeinheit deſſelben nur analogifch
ſchließen, welches feine Gewißheit, fondern nur Der:
muthuug ‘gibt... Und dann konnte es doch möglich ſeyn,
daß dad Gefe der Caufalität, auch in "feiner ftrengen
Allgemeinheit genommen, dennoch in irgend einem Mes
fen mit dem Freiheitögefege in einer gewiffen Bezie-
hung vereinbar fey. Doch auf einen ſolchen Vereini⸗
gungsderſuch konnten die Gegner ſchwerlich kommen,
da fie ſich immer. auf das Bewußtſeyn der Frelheit,
als eined Vemmoͤgens, fich felbft, ohne weitere Gründe,
zu beſtimmen, flügen, ungeachtet dieſes Bewußtſeyn
die Streitftage weder beſtaͤtigen noch verwerfen kann.
Der Streit hoͤrte endlich auf, und hatte keinen andern
Erfolg, als daß jede von den eitgegengefegten dar
teien dei ihrer ueberzeuging Dieb, BE
Diefe Werbandlangen ‚der Phileſophen uͤber die
wichtigſten Gegenſtaͤnde der Menſchheit, als Gott, Un⸗
ſterblichkeit, Freiheit find, beweiſen eine rühmliche Thea
tigfeit der engliſchen Phitofophen , das Gebiet der
Wahrheit und- des Wiffens um!’ diefelbe zu behaupten
und zu erweitern, Am Ende aber kommen fie alle auf
das Geſtaͤndniß zurüd, daß- ed -Dinge gibt, welche den
menſchlichen Geift zum Forſchen gewaltig anziehen, oh⸗
ne. einer. apodiktifchen Erkenntniß fähig zu ſeyn. Jn
dem Gtreite des Skepticismus und Dogmatismus um
den Beſitz der. Wahrheit offenbarte ſich bald eine Uns
möglichkeit , den einen durch den andern zu befiegen,
iafofenn ſich das eine Syſtem, wie das andere, auf
Kkr2 den⸗
516 Siebentes Haupt, erſte abih. —
denfelben Grundſat des menſchlichen Erkennen fügte,
daß daffelbe naͤmlich aus dem. Empfindungs⸗ und
Wahrnehmungsvermoͤgen beftehe. Ein höheres Princip
der innern Nothwendigfeit des Denkens und Erken—
mens ſtellte ſich den Anhängern von beiden in einer
weiten Ferne dar; aber es vlieb eine dunkle Ahnung,
die man zum beſtimmten Wiffen nicht. aufklären Toms
te, weil es von.der biöherigen in Gang gekommenen
Denkart zu weit entfernt war. Nur der einzige Den
ker Price, von dem in dem Folgenden mehr zu ſa⸗
gen. ift,; näherte fi) dem wahren Stanbpuncte des
menfchlichen Erkennens ziemlich weit. ,
B - « -
price ſtellt dem Fundamentalfage des Empiris⸗
mus, daß alle unſere Vorſtellungen, Ideen, Erkennt⸗
niffe, unmittelbar oder mittelbar aus der. Sinnlichkeit
“fich herſchreiben, den Sat entgegen:.: das Wermögen,
weiches denkt, die Wahrheit unterfcpeidet, die Gegen-
ſttaͤnde vergleicht. und. über fie urtheilt, iſt eine Quelle
von neuen Cd. i. andern als finnlichen) Ideen 2°5),
Denn dad Sinnen = und dad Verſtandesvermoͤ—
ne on. : : gen
- 205) Review of the principal Questions in Morals
by Richärd Price, London ı788.'8. 3 Ed. Lob-
don 1787. 8. Sect, II. p. 16. The pdwer, that
. understands, or the faculty. within” us.-that dis-
“ cerns truth; and that::compares- all: the objects
of thought, and wern o mem, * a wins ot
new ideas. EEE Zee Ze
z
: Briöne nl Sg
gen find. weſentlich van einander: unterſchieden. Ver⸗
fand iſt ein Höhere Vermoͤgen, 'als der Sinn. Was
über alle Gegenfläude der „Sinne. urtheilt, kann kein
Sinn ſeyn, da kein Sion über die Gegenftände eines
andern urtheilt. Der Sinn zwingt uns gewiſſe Eins
druͤcke umwillkuͤrlich auf; aber er ſtellt fich nicht vor,
was fie find und: woher ſie kommen. Es iſt nur ein
Vermoͤgen der Seele, durch beſondere Urſachen in ſei⸗
nem Zuftande verändert au werden. - Waͤre Sinn und
Erkenntniß nicht‘ zweietlel, fo würden wir uns. mit ben '
finnlichen Einvrüden von Licht, ‚Farben, Tönen - bes
‚anügen;. ollein wir fuchen weitere Belehrung über bies
-felben. . Der Sinn gibt mur die Vorftellungen des
Einzelnen, kanu ſich Aber'nicht zur Vorſtellung des
Allgemeinen erheben: dieſes thut der Verfland‘, indem
er eine Menge von Gegenſtaͤnden auf einmal’ zuſam⸗
menfaßt und allgemeine Wahrheiten entbedt: Der
Sinn fieht nur die Außenſeite der Dinge; die Vernunft
mache ſich mit der Natur derfelben dekaunt. Empfins
dung iſt nur eine Art des Gefübls in der Seole, ein
Leiden Erkenntniß erfobert eine ehaͤtige MB Tebenbige . .
Aeußeruug der Geiſteskraft. Der Berfianb HE nicht ..
Leidend, fündern unterſcheidend, und durch”.
das Unterſcheiden ver Erkenutniß bet Wahr—
heit fähig. Jusbeſondere zeigt Price an einigen bes
fonderen Begriffen, die in unferer Erkeintuiß umentz
behrlich find, als: Dichtheit, Traͤgheit, die Geſetzt der
Bewegung, Subſtarz, "Dauer, Baum, uethwondige
Verknüpfung, Urſache und Wirkung, daß ſie nicht das
Prd ·
518 Siebentes Hauptſt. Eil th, Fünfter fein:
grob des Simet fonbern bes Berfandes, Kot, und
daß wir nur durch das Ichtere Vermögen Urteile bil⸗
‘ven koͤmen, in weichen das. Präbiast mit dem Sub⸗
jecte allgemein und te verbunden wird.
Price war aife auf ‚einem guten Bags aber er
faͤhrt nicht weiter. fort. Die Fragen: auf welche Weiſe
konunt der Veyſtand in den Beſitz dieſer Begriffe? er⸗
wirbt er fie, ober iſt er urſpruͤnglich In dem Beñtze
derſelben? Von welchem Gebrauche ſind ſie in der
Erkenntniß der Objecte? bat er nicht einmal aufges
worfen. Und wie wichtig iſt vorzüglich bie vollſtaͤndi⸗
ge Erkenntniß aller , dem. Verfiande angehörigen Bes:
‚griffe? - Wenn Price-in dieſe Unterſuchungen nicht eins
geht, fo. ift er zu entſchuldigen; denn fein Hauptge-
genftanb ‚war bie Unterſuchung fittlicher Begriffe und
Wahrheiten, wozu die Unterſuchuns über ven Urfprung
der. Begriffe nur einleitend war. Wenn er auch im
Grunde. die Probleme der. Philpfophie auf ven Stande
punct, zurůckfuͤhrte, den Plato und, in neuern Zeiten,
Cudwyrth genommen hatten; fo war. es doch gut, die
‚ Anhängen der. empiriſchen Schule an Wahrheiten zu ers.
Innern, die aug dep Mode gefommen waren, und bie
den Keim tieferer Forſchung In ſich enthielten. -
So. werig übrigens: die Schule des Empiiomus
die Probleme der Phileſophie zu Köfen- vermochte, ob
aufloͤſen mußte; fo iſt fie Doch die Weranlaffung ge
‚fie gleich, nothwendig zuletzt in den Steptlcismus ſich
wor⸗
Refultat. S19
worden, des Beduͤrfniſſes einer andern Richtung, einer
tiefern Erforſchung der Gruͤnde und Geſetze des Erken⸗
nens lebendiger inne zu werden. Wenn man dazu das
Verdienſt, mehrere Veſtandtbeile der Erkeuntniß in ih⸗
ren Beziehungen deutlicher gemacht, und auf die
Pſychologle die Aufmerkſamkeit gelenkt zu haben, recha
‚net: fo wird man fie im Verhaͤltniß zur Philoſophir
mit Gerechtigkeit: würdigen.
Daun, Google
8
By
1, Google
8
Daun, Google
8
Daun, Google
8
Daran Google