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Full text of "Geschichte der römischen Literatur"

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GESCHICHTE 


RÖMilSCHEN  LITERATUR. 


W.  S.  TEUFFEL. 


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ins  AWIAQS. 


LEIP2IG. 

DBDCK  UND  VERLAG   VON   B.  G.  TEUBNEK. 
1872. 


HARVARD  COLLEGE  LIBRARY 

GIFT  OF 

DR.  JOHN  RATHBONE  OLIVER 

AUGUST  4,  1941 


Das  Hecht  der  Uebersetzung  in  fremde  Sprachen  wird  vorbehalten. 


Vorwort. 

Durch  Zweierlei  hauptsächlich  unterscheidet  sich  die  vor- 
liegende Bearbeitung  der  romischen  Literaturgeschichte  schon 
äasserlich  von  ihren  Vorgängern:  dem  Umfange  nach  durch  ihre 
gleichmässige  Berücksichtigung  der  christlichen  Literatur^  der 
Art.  nach  durch  ihre  chronologische  Anlage.  Das  Eine  wie  das 
Andere  ist  der  Ausfluss  davon  dass  vor  Allem  mein  Bestreben 
war  eine  wirkUche  Geschichte  der  romischen  Literatur  zu 
geben,  eine  Darstellung  ihrer  Erscheinungsweisen  während  der 
Jahrhunderte  ihres  Daseins. 

Von  diesem  leitenden  Gresichtspunkte  aus  musste  es  als  ganz 
unmöglich  erscheinen  die  christliche  Literatur  auszuschliessen 
oder  auch  nur  zu  verkürzen;  denn  vom  Ende  des  zweiten  Jahrh. 
n.  Chr.  an  ist  sie  nun  einmal  ein  Bestandtheil  der  römischen 
Literatur,  und  zwar  einer  von  immer  zunehmender  Wichtigkeit. 
Sie  trotzdem  hintanzusetzen  wäre  nur  dann  zulässig  wenn  man 
überhaupt  sich,  mit  Weglassung  aller  technischen  Fächer,  auf 
die  sog.  schöne  Literatur  beschränken  wollte.  Behandelt  man 
aber  die  Literatur  der  Jurisprudenz,  Naturwissenschaften  u.  s.  f., 
so  darf  man  auch  gegen  die  der  Theologie  sich  nicht  verschliessem 
Abhalten  könnte  davon  nur  etwa  ihr  grosser  Umfang.  Aber  es 
versteht  sich  dass  sie  •  Gegenstand  der  Literaturgeschichte  nur 
in  der  Ausdehnung  werden  kann  in  der  es  auch  die  übrigen 
technischen  Fächer  sind;  und  was  die  Art  ihrer  Behandlung  be- 
triflFfc,  so  war  mein  Bemühen  sie  mit  historischem  Sinne  anzu- 
fassen, also  ohne  Einmischung  in  die  dogmatischen  Zänkereien, 
aber  auch  ohne  Geringschätzung. 

Das  andere  Unterscheidungsmerkmal  ist  die  Anlage  nach  der 
Zeitordnung.  Sie  ist  eine  so  unmittelbare  Folge  des  historischen 
Grundcharakters  und  hat  sich  mir  in  mehr  als  zwanzigjährigem 
akademischem  Vortrage  so  vollständig  bewährt  dass  ich  hofife 
es  werde  auch  in  Zukunft  dabei  sein  Bewenden  haben. 

Eine  weitere  Folge  der  historischen  Haltung  welche  meine 
Arbeit  erstrebt  war  dass  für  mich  der  zufallige  Umstand  ob 
von  den  Schriften  eines  Mannes  viel  oder  wenig  oder  vielleicht 
auch  gar  nichts  auf  uns  gekommen  ist  nur  von  untergeordneter 
Bedeutung  war.  Ich  habe  die  einzelnen  Gestalten  der  Literatur 
nach  ihrem  innern  Werthe,  an  sich  und  für  ihre  Zeit,  zu  war- 


IV  Vorwort. 

digen  gesucht  und  könnt«  mich  dadurch  dass  vielfach  der  Zufall 
gerade  gegen  die   gehaltvollsten   und  selbständigsten  sich   miss- 
günstig  erwiesen  hat  nicht  bestimmen  lassen    nun  auch   meiner- 
in  Schatten  zu  drängen. 

it  war  mein  Bestreben  auf  Zuverlässigkeit  gerichtet,  wie 
rteiHchkeit  Ich  habe  mich  fem  zu  halten  gesucht  gleich 
blinder  Bewunderung  alles  Geschriebenen  wie  von  Partei- 
tr  oder  wider.  Aber  den  unwandelbaren  Gesetzen  nach 
ch  eines  Mannes  Tüchtigkeit  und  eines  Schriftstellers 
emisst  musste  nnverkfirzt  ihr  Etecht  werden. 
Grenze  fOr  die  Darstellung  war  dadurch  gegeben  dass 
erk  eine  römische  Literaturgeschichte  ist,  eine  Ge- 
der  Literatur  des  römischen  Volkes  und  des  römischen 
Wäre  mein  Ziel  eine  lateinische  Literaturgeschichte 
d.  h.  eine  Geschichte  der  in  lateinischer  Sprache  ab- 
Literatur, so  hätte  ich  kein  Ende  zu  6nden  gewusst, 
war  dieses  mit  dem  Ende  des  römischen  Volkes  und 
ron  selbst  geboten.  Nur  durfte  hier  nicht  mit  Pedanterie 
werden.  Mit  der  Absetzung  des  Augustulus  war  weder 
1  noch  vollends  gar  das  Volk  vernichtet;  es  waren  daher 
Haupterscheinungen  der  Literatur  im  sechsten  Jahr- 
nit  in  Betracht  zu  ziehen,  und  um  ihnen  ihre  richtige 
ing  zukommen  zu  lassen  musste  auch  manches  schein- 
idartige  und  Unbedeutende  noch-  Aufnahme  finden, 
darf  dieses  Vorwort  nicht  schliessen  ohne  meinen 
Voi^ängem  den  schuldigen  Zoll  der  Dankbarkeit  zu 
1.  Bähr's  umfassende  BUcherkenntniss  hat  mir  manche 
liefert  die  mir  selbst  entgangen  war.  Wenn  es  ver- 
ässig  selten  vorkam,  so  hat  diess  seineu  Grund  theils 
18  ich  vom  ersten  Beginn  meiner  Studien  an  mir  die 
le  und  römische  Literaturgeschichte  zur  Lebensaufgabe 
und  daher  von  Anfang  an  dafür  gesammelt  habe,  theils 
Imstande  dass  ich  grundsätzlich  darauf  verzichtete  alle 
isgesprochenen  Ansichten,  mögen  sie  irgend  welchen 
r  sich  haben  oder  nicht,  zu  verzeichnen.  Bernhardy's 
Werke  aber  verdanke  ich  seit  einer  langen  Reihe  von 
nendlich  viele  Anregung,  und  es  ist  für  mich  ebenso 
s  wie  Pflicht  diess  hier  öffentlich  auszusprechen, 
ingen,  31.  October  1870. 


Die  günstige  Aufnalune  welche  dieses  Bach  gefunden,  so 
dass  die  starke  Auflage  fast  unmittelbar  nach  YoUendung  des 
Ganzen  Tergriflfen  war,  diente  mir  als  Sporn  auf  die  Vervoll- 
kommnung desselben  allen  Fleiss  zu  verwenden.  So  zeigt  denn 
diese  zweite  Auflage  viel  zahlreichere  und  tiefer  gehende 
Aenderungen  und  Zusätze  als  die  Kürze  der  dazwischen  liegenden 
Zeit  erwarten  lassen  sollte.  Aber  theils  hatte  schon  das  Er- 
scheinen der  ersten  Auflage  über  einige  Jahre  sich  erstreckt, 
während  deren  manches  Neue  nachwuchs,  theils  musste  die  zu- 
sammenhangende Durcharbeitung  des  ganzen  Gebietes  nament- 
lich-für  den  ersten  Theil  viele  Erweiterungen  und  Verbesserungen 
mit  sich  bringen.  Aber  auch  sonst  galt  es  nicKt  selten  wahr- 
genonmiene  Lücken  auszufällen,  Irrthümer  zu  berichtigen,  Un- 
gleichheiten zu  beseitigen.  Manches  habe  ich  auch  den  freund- 
lichen Mittheilungen  von  Fachgenossen  zu  danken,  wie  besonders 
M.  Hertz,  dann  F.  A.  Eckstein,  Freudenberg,  L.  Müller,  E.  Wölflflin; 
Anderes  neueren  Programmen  und  Dissertationen,  für  deren  ge- 
fallige Zusendung  ich  den  Verfassern  durch  sorgfältige  Benützung 
und  Erwähnung  meinen  Dank  abzustatten  suchte.  Anlage  und 
Plan  aber  ist  im  Wesentlichen  unangetastet  geblieben,  da  ich 
ihn  wohl  als  erprobt  betrachten  darf.  Ausstellungen  die  sich 
darauf  bezogen  habe  ich  daher,  so  zugänglich  ich  sonst  für  Be- 
lehrung bin,  sehr  selten  Folge  gegeben.  So  namentlich  nicht 
dem  Vorwurfe  allzu  grosser  Theilung  in  der  Kaiserzeit.  Wen 
hindert  denn  diese  Theilung  weiterzulesen  oder  aus  der  Inhalts- 
übersicht den  gewünschten  Ueberblick  sich  rasch  zu  verschaffen? 
Wenn  die  Quellen  es  gestatteten  und  die  einzelnen  Generationen 
sich  imm^r  selbst  gegen  einander  scharf  genug  abhöben,  so  würde 
ich  eher  noch  weitere  Zerlegung  des  Stoffes  für  das  Richtige 
halten,  um  dem  geschichtlichen  Entwickelungsgange  Schritt  für 
Schritt  nachzufolgen.  Sonst  a,ber  habe  ich  keinen  Beitrag  zur 
Verbesserung  meines  Werkes  wissentlich  unbenutzt  gelassen  und 
werde  auch  fernerhin  für  jeden  dankbar  sein. 

Tübingen,  30.  Juni  1872. 

Wilhelm  Sigmund  Tenffel. 


Inhaltsübersicht 


A.    Allgemeiner  und  sachlicher  Theil. 

1.    Bömischer  Volkscharakter.   S.   1.  2.    Stellung  der  Römer   zur 

Literatur.  S.  2. 

3.  Dramatische  Begabung  der  Römer.  S.  3.  4.  Yolksmässigc  AufFüh- 
rungen.  S.  4.  5.  Die  Fescenninen.  S.  4.  6.  Die  saturae.  8.  5.  7.  Der 
mimuB.  Begriff  und  ältere  Geschichte.  Planipes.  S.  7.  8.  Der  mimus 
am  Ende  der  Republik  und  in  der  Kaiserzeit.  S.  9.  9.  Die  Atellancn  als 
Volksposse.  S.  13.  10.  Die  Atellanen  als  Literaturzweig.  S.  14.  11. 

Volkspoesie  der  Römer.  S.  15.  12.  Das  Kunstdrama.    Uebersicht.  S.  17. 

13.  Die  Tragödie.  S.  17.  14.  Die  praetexta.  S.  20.         15.  Die  palliata. 

Uebersicht  ihrer  Geschichte.  S.  21.  16.  Nähere  Charakteristik  der  pal- 

liata. S.  22.  17.  Die  togata  (tabernaria,  trabeata).  S.  26.  18.  Die 

Rhinthonica.  S.  28. 

19.  Das  Epos.  Geschichtliche  und  nationale  Stoffe.  S.  29..  20.  Das 
heroische  Epos.  S.  31.  21.  Christliche  Epiker.  S.  32.  22.  Epithala- 

mium.  S.  33.  23.  Das  Lehrgedicht?  S.  33.        24.  Spruchgedichte.  S.  36. 

25.  Der  poetische  Brief.  S.  37.  26.  Räthscl.  Centoncs.  Akrosticha.  S.  38. 
27.  Die  Fabel.  S.  40.  28.  Die  Satire  als  Literaturzweig.  S.  41.  29. 

Das  Idyll.  S.  43. 

30.   Aelteste  Xyrik.  S.  44.  31.  Das  Epigramm.  S.  45.  32.  Die 

Elegie.  S.  46.        33.  Der  lambus.  S.  48.        34.  Die  Melik.  S.  60. 

35.  Die  Prosa  bei  den  Römern.  S.  52.  36.  Die  Geschichtschreibung 
bei  den  Römern  im  Allgemeinen.  S.  52.  37.  Die  Annalisten.  S.  55.  38. 
Die  Historiker  der  cic.  und  augusteischen  Zeit  S.  57.  39.  Die  Historiker 
der  Kaiserzeit.  S.  58.  40.  Die  Inschriften.  S.  61.  41.  Die  Alterthums- 
forschung,  Polyhistorie  und  Grammatik.  S.  62. 

42.  Die  Beredtsamkeit  bei  den  Röme^n.  S.  67.  43.  Die  Beredtsam- 
keit  in  der  Republik.  S.  69.  44.  Die  Beredtsamkeit  in  der  augusteischen 
und  der  Kaiserzeit.  .Rhetorik.  S.  73.  45.  Briefe  und  Briefsammlungen. 
S.  78.  . 

46.  Die  Jurisprudenz  in  der  Republik.  S.  81.  47.  Die  Jurisprudenz 
in  der  augusteischen  und  der  Kaiserzeit.  S.  «84. 

48.  Die  Philosophie  bei  den  Römern  in  der  Zeit  der  Republik.  ^S.  87. 
49.  Die  Philosophie  in  der  Kaiserzeit.  S.  90. 

50.  Mathematik  und  Astronomie.  S.  92.  51.  Die  Naturwissenschaften. 
S.  94.  52.  Die  Land-  und  Haus-Wirtschaft.  S.  95.  53.  Die  Heilkunde. 
S.  96.        54.  Die  Kriegswissenschaft.  S.  98.  55.  Die  Architektur.  S.  98. 

56.  Die  Feldmesskunst.  S.  99.  57.   Die   scriptores  metrologici.  S.   100. 

58.  Die  Geographie.  S.  100. 


Inhaltsübersicht.  VII 

B.   Besonderer  und  persönlicher  Theil. 

L    Yorgeichichte  der  rdmisolieii  Literatiir,  bii  inm  J.  514  d.  St. 

59.  Formeller  Charakter  der  ältesten  Aufzeichnungen.  Carmen.  S.  103. 
60.  Der  Saturnius.  8.  103.  61.  Materieller  Charakter  der  ältesten  Auf- 
zeichnungen. Ueber sieht.  S.  105.  62.  a)  Gottesdienstliches.  Carmen 
saliare.  S.  106.  63.  Carmen  fratrum  arvalium.  S.  106.  64.  Weissagungen. 
S.  107.  65.  Tabulae  Iguvinae.  S.  108.  66.  b)  Politisch -historisches. 
Foedera-regum.  S.  108.  67.  Bundesverträge  aus  der  ältesten  Zeit  der 
Republik.  S.  109.  68.  Leges  regiae.  S.  109.  •  69.  lus  Papirianum.  S.  110. 
70.  Conunentarii  regum.  S.  110.  71.  Libri  und  commentarii  pontificum. 
S.  110.  72.  Fasti  als  Kalender.  S.  111.  73.  Fasti  als  Magistratsver- 
zoichnisse.  S.  114.  74.  Annales  pontificum.  S.  115.  75.  Aufzeichnungen 
anderer  priesterlicber  Collegien.  S.  117.  76.  Aufzeichnungen  weltlicher 
Behörden.  S.  118.  77.  Libri  magistratuum.  S.  118.  78.  c)  Monumenta 
privata.  Haus-  und  Familien  -  Chroniken.  S.  119.  79.  Lobreden  auf  Ge- 
storbene. S.  119.  80.  Loblieder  auf  Gestorbene.  Neniae.  Tafellieder. 
S.  120.  .  81.  Inschriften  der  fünf  ersten  Jahrhunderte.  S.  121.  82.  Car- 
mina  triümphalia.  S.  123.  83.  Andere  carmina  popularia.  S.  123.  JB4. 
d)  Bechtsquellen  und  Rechtsliteratur.  Die  zwölf  Tafeln.  S.  124.  85. 
Legis  actiones.  S.  125.  86.  Cn.  Flavius  (ins  Flavianum).  S.  125.  87. 
Aelteste  Rechtsgelehrte.  P.  Sempronius.  Ti.  Corunoanius.  S.  126.  88. 
Appiua  Claudius.  S.  126. 

n.   Erst«  P^ode.    Von  Andronikna  bis  in  die  inUanische  Zeit.    J.  514—670  d.  Bt. 

89 — 91.  Charakteristik  der  beiden  Jahrhunderte.   S.   127.  (89.  Das 

sechste  Jahrhundert.  S.  127.  90.  Das  siebente  Jahrhundert.  S.  132.  91. 
Sprache  und  Metrik  in  beiden  Jahrh.  S.  134.) 

A.  Sechstes  Jahrhundert. 

I.   Dichter. 

92.   Andronicus.  S.  137.         93.  Cn.  Naevius.  S.  139.         94.  Plautus. 
Leben  und  schriftstellerische  Thätigkeit.   S.   141.  95.  Die  erhaltenen 

zwanzig  Stücke  in  der  überlieferten  (alphabetischen)  Reihenfolge.  'S.  143. 
96.   Ihre  Gesammtgeschichte  und  Literatur.   S.   149.  97.  Dichterische 

Eigenthümlichkeit  des  Plautus.  S.  152.  98.  Fortleben  des  Plautus.  Pro- 
loge. Alte  Commentatoren.  S.  155.  99.  Q.  Ennius.  Sein  Leben.  S.  155. 
100.  Seine  Annales.  S.  157.  101.  Seine  Tragödien  und  praeteztae.  S.  159. 
102.  Seine  Satnrae.  Epicharmus,  Euemerus  u.  A.  S.  160.  103.  Dichteri- 
sche Eigenthümlichkeit  des  Ennius.  S.  161.  104.  M.  Pacuvius.  S.  162. 
105.  Statins  Caecilius.  S.  163.  106.  Andere  Palliatendichter.  Trabea, 
Luscius  u.  A.  S.  164.  107.  P.  Torentius.  Sein  Leben.  S.  165.  108. 
Seine  schriftstellerische  Thätigkeit.  Handschriften.  Commentatoren.  Di- 
daskalien.  S.  167.  109.  Seine  sechs  Stücke  in  der  herkömmlichen 
Ordnung.  S.  170.  110.  Dichterische  Eigenthümlichkeit  des  Terenz.  S.  174. 
111.  Der  Togatendichter  Titinius.  S.  175.  112.  Der  Palliatendichter 
Tnrpilins.  S.  176.  113.  Andere  Dichter  des  sechsten  Jahrh.  d.  St.  S.  176. 
114.  Metrische  Inschriften  aus  dem  sechsten  Jahrh.  d.  St.  S.  177. 


YIIl  Inh&ltsübenicht. 


II.    ProBaisten. 


116.  Aelteste  Geschichtschreiber :  Q.  Fabius  Pictor.  S    177.  116.  L. 

Cincius  Alimentus.  S.  180.       117.  M.  Porcias  Cato.   Leben  und  Charakter. 
S.  181.  118.  Cato  als  Redner.  S.  182.  119.  Cato  aU  Geschichtschrei- 

ber. S.  184.  120.  Cato's  praecepta  ad  filium  und  andere  Schriften.  S. 

186.  121.  Cato's  Schrift  de  re  rustica.  S.  187.  122.  Andere  gleich- 

zeitige Redner.  S.  188.  123.  C.  Sulpicios  Galius  und  C.  Titius.  S.  190.  \ 

124.  Gleichzeitige  Juristen:  P.  und  Sex.  Aelius  u.  A.  S.   191.  125.  M.  ^ 

FulviuB  Nobilior  und  sein  Sohn  Q.  S.  192.  126.    Andere  gleichzeitige 

Geschichtschreiber.  S.  193.        127.  Sp.  Carvilius.  S.  194.        128.  Prosaische 
Inschriften  des  sechsten  Jafarh.  d.  St.  S.  194. 

ß.   Siebentes  Jahrhundert  d.  St. 

I.   Dichter. 

129.  Hostius.    L.  Attius.   S.  196.  130.   T.  Quintius  Atta.    S.  198. 

131.  L.  AfranioB.  S.  199.  132.  C.  Lucilius.  S.  200.        133.  Epigramma- 

tisten:  Pompüius,  Yalerius  Aedituus,  Porcius  Lioinus,  Q.  Catulus.  —  A. 
Fiuius.  S.  203.  134.  Didaktiker:  Q.  Valerius,  Terentius  Ljbo,  Volcatius 

Sedigitus.  S.  204.  136.  L.  Pomponius  und  Novius.  S.  205.         136.  Me- 

trische Inschriften  aus  J.  600—670.  S.  206. 

II.   Prosaisten. 

137.  Redner  J.  600 — 620:  der  jüngere  Africanus,  seine  Freunde  und 
Gegner.  8.  207.  138.  Geschichtschreiber  dieser  Zeit,  besonders  Cassins 

Hemina  und  Piso  Frugi.  S.  210.  139.  Juristen  dieser  zwei  Jahrzejmte, 

besonders  M'*  Manilius,  M.  Brutus  und  P.  Mucius  Scaevola.  S.  212. 

140.  Die  Zeit' der  Gracchen  (J.  620—636).  Ti.  und  C.  Gracchus.  S.  214. 
141.  Die  andern  Redner  der  gracchischen  Zeit,  besonders  C.  Garbo,  0. 
Fanniue  €.  F.,  M.  Scaurus,  C.  Curio.  S.  217.  142.  Geschichtschreiber 

aus  dieser  Zeit,  bes.  C.  Fannius  M.  F.,  Antipater  und  Asellio.  S.  219. 
143.  Alterthumsfgrscher  und  Gelehrte  der  gracchischen  Zeit,  bes.  Tuditanus 
und  Junius  Gracchanus.  S.  223.  144.  Stoiker  und  Juristen  dieser  Zeit: 

C.  BlossiuB  und  Q.  Tubero,  Q.  Scaevola  Augur.  S.  224. 

146.  Die  Zeit  nach  den  Gracchen,  Jahr  635  —  660.     Redner  darin:  T.  ' 
AlbuciuB,  C.  Fimbria  u.  A.  S.  225.  146.  P.  Rutilius  Rufus  und  Q.  Lu- 

tatius  Catulus.  S.  227.        147.  L.  Aelius  Stilo  und  andere  Literatoren.  S.  229. 

148.  Die  Jahre  650—670.    Cn.  Matius,  Laevius.   S.  231.  149.  Die 

Hauptredner  dieser   Zeit:   M.  Antonius   und  L.  Crassus.  S.   233.  160. 

Redner  zweiten  Ranges,  bes.  L.  Philippus,  Caesar  Strabo,  C.  Cotta,  P. 
Sulpicius,    C.    Curio.   S.   235.  161.    Die  Rechtsgelehrten  dieser   Zeit: 

Q.  Scaevola  Pontifex  und  seine  Schüler  und  Fachgenossen.  S.  237.  152. 
Die  Annalisten  dieser  Zeit:  Aufidius,  Quadrigarius,  Yalerius  Antias.  S.  239. 
153.  Sisenna  und  Licinius  Macer.   S.  242.  154.  Sulla  und  LucuUus. 

C.  Piso.  S.  245.  155.    Andere  Geschichtschreiber  aus  der   sollanischen 

Zeit:  L.  Manlius,  Voltacilius.  S.  247.  156.  Gelehrte,  Lehrer  und  Litera- 

turen, bes.  PlotiuB  Galius,  Nicanor,  Opilius,  Gnipho,  Cosconins,  Ser.  Clodius. 
S.  248.  157.  Schriftsteller  über  Land-   und  Hauswirtschaft:  Saserna, 


Inhaltsüberaiclit.  IX 

Scrofa  VL.  A.  S.  250.        168.  Anhänger  der  Philosophie'.  S.  251.        159.  Die 
Rhetorik  ad  Herennium.  S.  252. 

160.  ProBaische  Inschriften  aus  den  Jahren  600 — 700.  S.  254. 

nL   Zw«He  Periode.    Das  goldene  Zeitalter  der  römischen  Literatar,  J.  671—770. 
A.   Die  ciceronische  Zeit,  J.  671—711  d.  St. 

161.  Allgemeine  Charj^kteristik  und  Uebersicbt  der  ciceroniöchen  Zeit. 
S.  255. 

I.  Erste  Hälfte  der  ciceronischen  Zeit,  J.  671—691  d.  St. 

162.  M^  Terentins  Varro.  Sein  Leben  nnd  Charakter.  S.  265.  163. 
Seine  Schriftstellerei.  Ueberblick  und  Poetisches.  S.  267.  164.  Die 
prosaischen  Schriften  Varro's.  S.  270.  165.  Varro's  Werk  de  lingua 
laiina.  S.  276.  166.  Varro's  Bücher  rerum  rnsticamm.  S.  278.  167. 
Erhaltung  der  varronischen  Schriften.  Die  sog.  sententiae  Varronis.  S.  279. 
168.  Q.  Hortensins  und  andere  Redner,  bes.  der  Optimaten.  S.  281.  169. 
Atticus  und  andere  Geschichtschreiber.  S.  283.  170.  üobersetzer  philo- 
sophischer Schriften,  Amafinius  u.  A.  S.  286.  171.  Aquilius  Gallus, 
Sulpicius  Rufus  und  andere  Juristen.  S.  287. 

172.  M.  Tullius  Cicero.    Sein  äusseres  Leben.  S.  290.  173.  Cicero 

als  Mensch  und  Staatsmann.  S.  291.        171.  Cicero  als  Schriftsteller.  S.  292. 
175.  Cicero  als  Redner.  S.  294.  176.   Die  erhaltenen  Reden  Cicero's. 

S.  296.         177.  Sonstige  Reste  von  C.icero's  rednerischer  Thätigkeit.  S.  309. 
178.  Cicero  als  Schriftsteller  über  Rhetorik.  S.  310.  179.   Cicero's  rhe- 

torische Schriften.   S.  311.  180.   Die  Sammlungen  ciceronischer  Briefe 

im   Ganzen.  8.  315.  181.  Die  erhaltenen   Sammlungen  dieser  Briefe. 

S.  317.  182.  Cicero  als  Philosoph.  S.  321.  183.  Cicero>  philosophi- 

sche Schriften.  S.  323.  184.  Cicero  als  Jurist.  S.  336.  185.   Cicero 

als  Historiker.  S.  336.  186.  Cicero's  Schriften  in  gebundener  Form. 

S.  .338.  187.  Q.  Cicero.  S.  339.  188.  M.  Tullius  Tiro.  S.  341. 

189.  Dichter  dieser  Zeit:  Albucius,  Egnatius,  D.  Laberius,  M.  Furius 
Bibaculus.  S.  342. 

n.  Zweite  Hälfte  der  ciceronischen  Zeit,  J.  691—711  d.  St. 

190.  Die  ältere  Generation.  Uebersicht.  S.  345.  191.  C.  lulius 
Caesar.  Sein  äusseres  Leben.  S.  346.  192.  Caesar's  Charakter  und 
Schriftstellerei.  S.  347.  193.  Die  erhaltenen  commentarii  des  Caesar. 
S.  349.  194.  Fortsetzung  seiner  commentarii  durch  Hirtius  u.  A.  S.  353. 
195.  Cornelius  Nei>os.  S.  366.  196.  P.  Nigidius  Figulus  und  andere 
Augoralschriftsteller.  S.  361..  197.  Valerius  Cato,  Orbilius  und  andere 
Grammatiker.  S.  365.  198.  M.  Porcius  Dato  der  Jängere.  S.  367.  199. 
Die  Juristen  Ofilius,  Trebatius,  A.  Cascellius  u.  A.  S.  368.  200.  Die  Redner 
M.  Calidius,  C.  Memmius  u.  A.  S.  370.         201.  T.  Lucretius  Carus.  S.  371. 

202.  Die  jüngere  Generation.  Uebersicht.  S.  376.  203.  C.  Sallustius 
Crispus.     Leben  und  Schriften.  S.  377.  204.  Sein  schriftstellerischer 

Charakter.  S.  382.  205.  Q.  Tubero,  Alfenus  Varus,  C.  Matius.  S.   386. 

206.  Andere  Caesarianer  (bes.  Redner),  wie  Q.  Cornificins,  M.  Antonius,  L. 
Baibus.    Caelius  Rufus,  Munatius  Plancus  u.  A.  S.  380.  207.  Gelehrte 


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X  ItihaltBÜbersicht. 

lind  Lebrer:  Atoius  Philologus  ii.  A.  S.  393.  208.  Dichter  ohne  Partei- 

farbc;    Yarro   Atacimis,    Publilius    Syrus    u.   A.    S.    395.  209.    Anti- 

cacsarische  Redner  und  Schriftsteller:  M.  und  D.  Brutas,  C.  Cassius,  Cas- 
sius  Parmensis,  Trebonius,  Ampius,  Pitholaus  u.  A.  S.  399.  210.  Dichter: 
Ticidas,    Helvius   Cinna    und   Licinius    Calvus.     Anser.    S.   402.  211. 

Catullus.  S.  406.  212.  Politische  Tageeliteratur.  S.  411.  213. 

Acta  eenatus.    Acta  populi.  S.  413.  214.  Briefe.  S.  415. 

215.  Inechrifken  aus  den  Jahren  670—710  d.  St.  S.  415. 

B.   Die  augusteische  Zeit,  J.  711—767  d.  St. 

216.  Allgemeine  Charakteristik  und  Uebersicht.  S.  417.  I.  Die 
leitenden  Männer.  217.  August,  Maecenas  und  Agrippa.  S.  426.  218. 
Asinius  Pollio  und  M.  Messala.  S.  431. 

II.  Die  Dichter.  219.  L.  Varius  und  Aemüius  Macer.  S.  437.  220. 
P.  Vergilius  Maro.    Leben  und  äussere  Verhältnisse.  S.  439.  221. 

Vergils  Charakter  als  Mensch  und  Dichter.  S.  441.  222.  Vergils  Ge- 

dichte: die  Bucolica.  S.  444.    -       223.  Vergils  Georgica.  S.  445.  224. 

Vergils  Aeneis.  S.  448.  225.  Die  kleineren  vergilischen  Gedichte!  S.  453. 

226.  Fortleben  von  Vergils  Person  und  Gedichten.  S.  459.  ^  227.  Cornelius 
Gallus.    S.  464.         228.  Codrus.  Bavius  und  Maevius.  S.  465. 

229.  Q.  Horatius  Flaccus.  Leben  und  äussere  Verhältnisse.  S.  466. 
230.  Charakter  als  Mensch  und  Schriftsteller.  S.  469.  231.  Die  Satiren 

des  Horatius.  S.  472.  232.  Seine  Epoden.  S.  474.  233.  Seine  Oden. 

S.  475.  234.  Seine  Briefe.  S.  481.  235.  Schicksale  seiner  Werke. 

S.  484. 

236.  C.  Valgius  Eufus.  S.  489.  237.  Andere  Freunde  des  Horaz: 

Aristius   Fuscus,   Ser.  Sulpicius,  Titius  u.  A.  S.  490.  238.  Domitins 

Marsus.  S.  491.  239.  Pupius.    Melissus.    Lynceus.  S.  492.  240.  Al- 

bius  Tibullus.  Sulpicia  und  Lygdamus.  S.  493.      241.  Sex.  Propertius.  S.  498. 

242.  P.  Ovidius  Naso.    Leben  und  Charakter.  S.  502.  243.  Ovids 

erotische  Dichtungen.  S.  506.  244.   Ovids  Metamorphosen  und  Fasti. 

S.  509.  246.  Ovids  Gedichte  aus  der  Verbannung.  S.  511.  246. 

Pseudo  -  Ovidisches.     Allgemeine   Ovid- Literatur."  S.    513.  247.   Ovids 

dichterische  Freunde:  I^onticus,  Tuticanus,  Macer  d.  J.,  Sabinus,  Cornelius 
Severus,  Pedo  Albino vanus  und  andere  Epiker  aus  der  letzten  Zeit  des 
Augustus  (Rabirius,  Julius  Montanus  u.  A.).  S.  515. 

248.  Didaktiker:  Gratius  Faliscus  und  Manilius.  S.  519.  249.  Elegiker, 
Lyriker,  Dramatiker  u.  dergl.:  Bassus,  Proculus,  Alfius  Flavus,  Gracchus, 
Philistio  u.  A.  S.  522. 

ni.  Die  Prosaiker.  250.  Die  Geschichtschreiber  Octavius,  Volumnius, 
Bibulus,   Dellius  und   die  Autobiographen.     Cincius.  S.  523.  251.  T. 

Livius.    Leben  und  Schriften.  S.  525.  252.  Charakteristik  des  Livius 

und  seines  Geschichtswerkes.  S.  529.  253.  Pompeius  Trogus.    (Justinus.) 

S.  536.  254.  Fenestella,  Arruntius  u.  a.  Geschichtschreiber  der  spätem 

augusteischen   Zeit.  S.    539.  255.   Der   Grammatiker   Sinnius   Capitö. 

S.  542.  256.  M.  Verrius  Flaccus.    (Festus.    Paulus.)  S.  543.  257.  C. 

Julius  Hyginus.   S.  546.  258.  Andere  Grammatiker,  Gelehrte  und  For- 

Bcher  der  Zeit.  S.  551.  259.  Vitruvius  Pollio.  S.  553.  260.  Juristen 


Inhaltsübersicht.  XI 

der  Zeit:  Antistius  Labco,  Ateius  Capito,  Fabius  Mela.  B.  556.  261.  Die 
Philosophie  in  der  augusteischen  Zeit.  Q.  Sextius  Niger.  Faiürius  Fabianus 
u.  A.    S.   559.  262.  Die  Redner  der  augusteischen  Zeit.     Q.  Haterius, 

Messalinus  und  Cotta,  Aeseminus,  T.  Labienus,  Cassius  Severus  u.  A.  S.  5G3. 
263.  Die  B betören:  Porcius  Latro,  Arellius  Fuscus,  Albueius  Silua  u.  A. 
S.  567.  264.  Seneca  der  Vater.  S.  673.  265.  Rutihus  Lupus.  S.  677. 

IT.  Dritte  Periode.    Bie  rl^miiehe  Xaiierzeit 

266.  Allgemeine  Uebersicht  der  Eaiserzeii  S.  578. 

A.   Das  silberne  Zeitalter  der  römischen  Literatur. 
Erstes  christliches  Jahrhundert,  J.  14—117  n.  Chr. 

267.  Charakteristik  und  Uebersicht  S.  579. 

1.  Die  Zeit  der  julischen  Dynastie,  J.  14—68  n.  Chr. 

268.  Uebersicht  und  Reihenfolge.  S.  585. 

a.    Die  Regierungszeit  des  Tiberius. 

269.  Literatur  und  Schriftsteller  in  dieser  Zeit.  S.  585.  270.  Mit- 
glieder des  kaiserlichen  Hauses:  Tiberius.  Germanicus.  S.  586.  271.  Redner 
und  Rhetoren:  Voticnus  Montanus,  Mam.  Scaurus,  Domitius  Afer  u.  A.  S. 
.589.  272.  Geschichtschreiber:  Cremutius  Cordus,  Aufidius  Bassus  u.  A. 
S.  592.  273.  Vellejus  Paterculus.  S.  593.  274.  Valerius  Maximus. 
S.  597.  275.  A.  Cornelius  Celsus.  S.  601.  276.  Juristen:  Masurius 
SabinuB,  Nerva  u.  A.  S.  604.  277.  Grammatiker:  Julius  Modestns,  Rem- 
miufi  Palaemon,  Nisus  u.  A.  S.  605.  278.  Antonius  Castor.  Apicius. 
lulius  Atticus  und  Graecinus.  S.  607.  279.  Phaedrus.  Pomponius 
Secundus.  S.  608. 

b.    Die  Regierungszeit  des  Caligula,  Claudius  und  Nero,  J.  37 — 68  n.  Chr. 

280.  Literatur  und  Schriftsteller  in  dieser  Zeit.  S.  611.  281.  Mit- 

glieder  des  kaiserlichen  Hauses:  Claudius.  Agrippina.  Nero.  S.  613.  282. 
L.  Annaeus  Seneca.    Sein  Leben  und  Charakter.  S.  616.  283.  Schrift- 

stellerische Eigenthümlichkeit  des  Seneca.  S.  618.  284.  Seneca*s  pro- 

saische  Schriften.     S.  621.  285.    Seneca's  poetische    Schriften,    bes. 

Tragödien.  S.  624.  286.  Geschichtschreiber:  Gaetulicus,  Nonianus,  Cor- 

bolo,  Bocchus.  S.  628.  287.  Curtius  Rufus.  S.  630.  288.  Columella. 

S.  633.  289.  Scribonius  Largus  u.  a.  Aerzte.  S.  636.  290.  Ascomus. 

8.  637.  291.  Pomponius  Mela.  S.  639.  292.  Redner  und  Rhetoren: 

Vibius  Crispus,  Eprius  Marcellus,  Julius  Africanus,  Galerius  Trachalus, 
Verginius  Flavus  u.  A.  S.  640.  293.  Juristen:  Proculus,  Nerva  filius, 

Cassius  Longinus,  Sex.  Pedius  u.  A.  S.  643.  294.  Lehrer  und  Anhänger 

der  Philosophie:  Cornutus,  Musonius,  Thrasca  Pactus,  Helvidius  Priscus 
u.  A.  S.  644.  295.  Valerius  Probus.  S.  648.  296.  Panegyricus  in 

Pi^onem.  S.  652.  297.  Persius  Flaocus.  S.  654.  298.  Lucanus.  S.  657. 
299.  Caesius  Bassus  u.  a.  Dichter.  S.  661.  300.  Petronius.  S.  663.  301. 
Calpurnius  Siculus.    (Nemesianus.)  S.  666.  302.  Das  Lehrgedicht  Aetna. 

Lucilius  Junior.  S.  669.  303.  Homerus  latinus.  S.  671.  304.  Ge- 

dichte des  cod.  Voss.  86.  S.  673. 


XU  Iphaltfiüberaicht. 

2.   Die  Zeit  der  tlaviecben  Dynastie,  J.  69—96  n.  Chr. 

305.  üebereichi  S.  673. 

a.    Vespasianus  und  Titus. 

306.  Literatur  und  Schriftsteller  unter  ihnen.  S.  674.  307.  PI  in  ins 
der  ältere.  Leben  und  Schriflstelierei.  S.  675.  308.  Seine  naturalig 
historia.  S.  678.  309.  Andere  Historiker:  Mucianus,  Cluvius  Rufus, 
Vipstanus  Messala,  Fabius  Busticus.  S.  682.  310.  Die  Rhetoren  Gabini- 
anus, Aper,  lulius  Secundus.  S.  685.  311.  Die  Juristen  Caelius  Sabinug, 
Pegasus  u.  A.  S.  686.  312.  Valerius  Flaccas.  S.  687.  313.  Andere 
Dichter:  Curiatius  Maternus,  Saleius  Bassns.  S.  690. 

b.    Domitianus. 
314.  Literatur  und  Schriftsteller  unter  ihm.   S.  691.  315.  Silius 

Italiens.  S.  693.  316.  Statins.  S.  696.  317.  Martialis.  S.  701.  318. 
Arruntius  Stella,  Turnus,  Scaevus,  Yestricius  Spurinna,  Sulpicia.  S.  706. 
319.  Dichteriinge  der  Zeit.  S.  709.  320.  Qnintilianus.  S.  710.  321. 

Sonstige  Rhetoren  und  Redner:  Aquilius  Regulus,  Victorius  Marcellus, 
Septimius  Severus  u.  A.   S.  716.  322.  Sex.  lulius  Frontinus.  S.  720. 

323.  Juristen  (Aufidius  Chilis)  uud  Grammatiker  (Aemilius  Asper  u.  A.). 
S.  723.  324.  Sonstige  Schriflsteller  in  Prosa,  bes.  Arulenus  Rusticns. 

S.  725. 

3.-  Die  Zeit  des  Nerva  und  Trajan,  J.  96—117  n.  Chr. 

325.  Uebersicht.     Nerva.     Traianus.  S.  726.  326.  Juvenalis.  S.  728. 

327.  Sonstige  Dichter  der  Zeit:  Titinias  Capito,  Passennus  Paulus  u.  A. 
S.  733.  328.  Cornelius  Tacitus.  Leben  und  Charakter.  S.  734.  329. 
Seine  Schriften:  Dialogus.  S.  743.  330.  Der  Agricola.  S.  746.  331. 

Die  Germania.  S.  748.  332.  Die  Historiae.  S.  752.  333.  Die  Annales. 
S.  754.  334.  Gesammtausgaben.  S.  757.  335.  Der  jüngere  Plinius. 

.S.  758.  336.    Sonstige   Redner   und  Geschichtschreiber   unter  Trajan. 

Annius  Florus  u.  A.  S.  764.  337.  Juristen:  Neratius  Priscus,  Inventius 

Celsus,  lavolenus.  Aristo  u.  A.  S.  767.  338.   Die  Grammatiker  Flavius 

Caper,  Urbanus,   Velins  Longus,  CaeselUus  Vindex  u.  A.  S.  771.  339. 

Die  Gromatiker  Hyginus,  Baibus  und  Siculus  Flaccus.  S.  773. 

B.    Zweites  Jahrhundert,  J.  117—211  n.  Chr. 

340.  Uebersicht.  S.  776. 

1.   Die  Zeit  Hadrians,  J.  117—138  n.  Chr. 

341.  Hadrianus.  S.  779.  342.  Suetonius  Tranquillus.  S.  781.  343. 
Florus.  S.  786.  344.  Andere  Historiker  der  Zeit.  S.  788.  345.  Die 
Juristen  Salyius  lulianus,  Pomponius  u.  A.  S.  789.  346.  Rhetoren:  Calpurnius 
Flaccus  u.  A.  S.  792.  347.  Grammatiker :  Terentius  Scanrus  u.  A.  S.  794. 
348.  Sonstige  Prosaiker.  S.  795.  349.  Dichterisches  aus  der  Zeit: 
Annianus  u.  A.  S.  796. 

2.   Die  Zeit  der  Antonine,  J.  138—180  n.  Chr. 

a.    Antoninus  Pius,  J.  138 — 161  n.  Chr. 
350.  Antoninus  Pius.    Uebersicht.  S.  798.        351.  M.  Cornelius  Fronto. 
S.  799.  352.  Sonstige  Redner,  Rhetoren  und  Sophisten:  Fabius  Severus 


iDbaltsabersichi.  XIII 

a.  A.  S.  803.  353.  Gelehrsamkeit  und  Grammatik:  Sulpicius  ApoUinaris, 
Arruntias  Celsus  u.  A.  S.  804.  364.  Philosophen:  lunias  Ruaticus  n.  A. 

S.  BOG.  355.  Geschichtschreibung:  Ampelins.  Licinianus.  S.  808.        356. 

Juristen:  Africanus,  Maecianus,  Ulpius  Marcellus    u.  A.  S.  809.  357. 

Gains.  S.  812.  358.    Schriftsteller  in  gebundener  Form.     Pervigilinm 

Veneria  u.  A.  S.  816. 

b.   M.  AureliuB,  J.  161—180  n.  Chr. 

359.  M.  Aurelins.  üebereicht.  S.  818.  360.  Die  Schaler  dea  Fronto: 
Aufidins  Victorinus,  Titianns  n.  A.  S.  820.  361.   A.  Gellius.  S.  822. 

362.  L.  Apuleins.    Leben  and  Ohaiakter.  S.  825.  363.  Seine  Schriften. 

S.  828.  364.  Cervidius  Scaevola  u.  a.  Jnriaten.  S.  833. 

3.    Die  Zeit  des  Commodas  und  Septimius  Severus, 

J.  180—211  n.  Chr. 

365.  Uebersicht.  Septimius  Seyems.  S.  835.  366.  Papinianus.  S.  836. 
367.  Callistratus,  Tvyphoninus  u.  a.  Juristen.  S.  838.  368.  Minucius  Felix. 
S.  840.  369.  Tertullianus.  S.  842.  370.  Grammatiker:  Acro,  Porphyrio, 
Dosithens,  Sammonicus  der  Vater,  Statilius  Maximus  u.  A.  S.  846. 

C.    Drittes  Jahrhundert,  J.  211--305  n.  Chr. 

1.   Erste  Hälfte,  J.  211—253  n.  Chr. 

371.  Uebersicht  S.  848.  372.   Doraitius  Ulpianus.  S.  850.  373. 

Julius  Paulus.  S.  853.  374.  Marcianus,  Macer,  ModeBtinus  u.  a.  Juristen. 
S.  856.  375.  Julius  Romanns,  Juba,  Censonnus  u.  a.  Grammatiker. 

S.  857.  376.  Gargilius  Martialis.  S.  861.  377.  Marius  Maximus  u.  a. 

Geschichtschreiber.  S.  862.  378.  Cyprianus.  Novatianus.  S.  866.  379. 
Schriftsteller  in  gebundener  Form:  Alfius  Avitus.  Septimius  Severus. 
Sammonicus  der  Sohn,  u.  A.  S.  868.  380.  Commodianus.  S.  870. 

2.    Zweite  Hälfte,  J.  253—305  n.  Chr. 

381.  Uebersicht  S.  872. 

a.  Die  Zeit  vor  Diocletian,  J.  253—284. 

382.  Nemesianus.  S.  875.  383.  Die  Geschichtschreiber  der  Zeit. 
S.  876.  384.  Aquila  Romanus.  S.  877.  385.  Julius  Solinus.  S.  878. 
386.  Nonins  Marcellus.  S.  880. 

b.    Die  Zeit  Diocletians,  J.  284—305. 

387.  Beredtsamkeit:  Panegyriker.  Eumenins.  S.  882.  388.  Geschicht- 
schreibung: Spartianus,  Gallicanus  und  Pollio.  Julius  Valerius.  S.  886. 
389.  Codex  Gregorianus  und  Hermogenianus.    S.   890.  390.   Sacerdos. 

S.  89^.  391.  Terentianus  Manrus.  S.  893.  392.  Arnobius.   S.  894. 

393.  Lactantius.  S.  896.  394.  Schriftwerke  in  gebundener  Form.    Repo- 

aiannSy  Pentadius  u.  A.  S.  901. 

D.    Viertes  Jahrhundert. 
395.  üebereicht  S.  902. 


XIV  Inhiütsüber&icht. 

1.   Erste  Hälfte  des  JahrimndertB. 

396.  Con&tantin  und  seine  Lobredner.    Nazarias  u.  a.  Redner  nnd  Bhe- 
toren.  S.  905.  397.  Die  Eaiserbiographien  von  yopiscus,   Lampridius, 

Capitolinus.  S.  908.  398.  Optatianus  und  Juvencus.  S.  910.  399.  Hermo- 
genianuB.    Fragmenta  vaticana  u.  A.  S.  913.  400.  Grammatiker:  Comi- 

nianus,  Albinus,  AsmoniuB,  Euauthius  u.  A.  S.  916.  401.  Firmicus  Ma- 

ternuB,  der  Heide  und  der  Cbrist.  S.   918.  402.   Philosophie.  S.  923. 

403.  Marius  Victorinus.  S.  924.  .  404.  AeliuB  DonatuB.  S.  928.  405. 

PalladiuB.  S.  929.  406.  Itineraria.    Begionenver^eichnisse.  S.  930. 

2.   Zweite  Hälfte. 

a.   Die  Zeit  vor  Theodosius  I. 

407.  Geschichtsqnellen.   Der  Chronograph  von  354.  S.  932.        408.  Ge- 
schichtsabrisse :  Aurelius  Victor.  S.  934.  409.  Eutropius,  Rufus  Festus, 

Julius  Obsequens.  S.  936.  410.  Redner:  Mamertinus  u.  A.  S.  938.  411. 
Hilarins,  Lucifer  u.  A.  S.  940.  412.  Grammatiker:  Charisius.  Diomedes. 

S.  942.  413.  Avienus.  S.  945.  414.  Ausonius.   S.  948.  415.  Da- . 

masus  u.  a.  christliche  Schriftsteller.  S.  954.  416.  Uebersetzungen  von 

Diktys,  Josephus,  der  Bibel  u.  A.  S.  955. 

b.   Die  Zeit  von  Theodosius  I.    J.  379  «. 

417.  üebersicht.  S.  959.  418.  Symmachus,  Vater,  Sohn  und  Enkel. 

S.  960.  419.  Sonstige  Redner.    Pacatus.  S.  966.  420.  Rhetorische 

Schriftsteller.    Fortunatianus,  Arusianus.  S.  968.  421.  Heidnische  Ge- 

schichtschreiber: Nicomachus.  Ammianus  Marcellinus.  S.  969.  422.  Heid- 
nische Philosophen:  Vettius  Praetextatus  u.  A.  S.  974.  423.  Servius.  Ti. 
DonatuB.  S.  975.  424.  Vegetius.  S.  978.  425.  Plinius  Valerianus. 

S.  980.  426.  Marcellus  Empiricus.  S.  982.  427.  Ambrosius.  S.  985. 

428.  Hieronymus.  S.  987.  429.  Rufinus   u.   a.   christliche   Prosaiker. 

S.  991.  430.  Prudentius  u.  a.  christliche  Dichter.  S.  993.  431.  Pau- 

linus  Nol.  S.  996.  432.  Lex  dei.  S.  998. 

3.  Viertes  bis  fünftes  Jahrhundert. 

433.  Claudianus.  S.  999.         434.  Augustinus.  S.  1003.         435.  Sulpicius 
Severus.  S.  1009.  436.  Hilario.    Tichonius.    Mallius  Theodorus.  S.  1011. 

437.  Pelagius  u.  a.  Zeitgenossen  Augustins.  S.  1012.  438.  Macrobius. 

S.  1013.  439.  Vibius  Sequester,  Exuperantius,  lulius  Honorius,  Papiria- 

nus  u.  a.  Grammatiker.  S.  1016.  440.  Aggenus  u.  a.  Gromatiker. 

S.  1019.  441.  Endelechius.   Licentius.  S.  1019.  442.  Symphosius. 

S.  1022.  443.  Avianns.  S.  1023.  444.  Anonyme  Lehrgedichte  de 

figuris  u.  a.  S.  1024.  445.  Martianus  Capeila.  S.  1025. 

E.   Fünftes  Jahrhundert. 

446.  Üebersicht.  S.  1028. 

1.   Erste  Hälfte  des  Jahrh. 

447.  RutiliuB  Namatiantts.  S.  1031.  448.  Orosius.  S.  1033.  449. 
Marius  Mercator  u.  a.  Anhänger  Angnstins.  S.  1036.        460.  Cassianus  u.  a. 


Inhaltsübersicht.  .  W 

Zeitgenossen.  S.  1037.        461.  Vincentius  Lerin.  S.  1039.     .   452.  Papst  Leo 

d.  Gr.  S.  1041.  453.  Prosper  Aquit.  u.  a.  christliche  Prosaiker.  S.  1043. 

454.  Codex  Tbeodosianus.  S.  1045.  455.  Consultatio.  S.  1047.  456. 

Caelius  Anrelianas  u.  a^  Uebersetzer.  S.  1048.         457.  Merobandes.   Victor. 

OrienÜTis.  S.  1050.  458.  Salviauus.  S.  1053. 

2.   Zweite  Hälfte  des  Jahrb. 

459.  Uebersicht.  S.  1056.        460.  ApoUinaris  Sidonins.  S.  1059.        461. 
BasticittB  Domnulas,  Clandianus  Mamertns  und  Fanstus.   S.   ltS4.  462. 

Amobios  ionior,  Gelasius,  Gennadius  u.  a.  christliche  Schriftsteller.  S.  1066. 
463.  Christliche  Qeschichtschreiber:  Victor  Vitensis,  Idacins.  S.  1069.  464. 
Dares.  S.   1070.  465.  Grammatiker:  Cledoniüs,  Consentias,  Pompeins, 

Phocaa,  Bnfinus  u.  A.  S.  1072.  466.  Sednlins.  S.   1075.     .     467.  Auspi- 

eins,  Dracontins,  Avitus  u.  a.  christliche  Dichter.  S.  1078.  468.  Flavius 

Felix,  Florentinas,  Loxorius,  Coronatus  u.  A.  S.  1081. 

F.    Sechstes  Jahrhundert. 

469.  Allgemeines.  S.  1083.         470.  Boetius.  S.  1085.      ,  471.  Ennodius. 
S.  1088.  472.  Fulgentius  der  Bischof  und  der  Grammatiker;  S.  1091. 

473.   Priscianus.  8.  1094.  474.  Eutyches,   Audax  u.  a.    Grammatiker. 

S.  1097.  475.  Cassiodorus  Senator.  S.  1098.  476.  Chronisten:  Mar- 

cellinus,  Victor  Tunn.  u.  A.  S.  1104.  477.  Geschichtschreiber:  Jordanis. 

S.  1106.  478.  Gildas  Sapiens  und  Gregor  von  Tours.  S.  1108.  479. 

Anthimus  u.  a.  Mediciuische.  S.  1110.  480.  BechtsbÜcher.    Corpus  iuris 

u.  A.  S.  1112.  481.  Historia  Apollonii  Tyrii.  S.   1118.    *       482.  Maxi- 

mianos.  S.  1119.  483.  Arator.    Venantius  Fortunatus.  S.  1121.  484. 

Corippus.     Orestis  tragoedia.  S.  1125.  485.  Gregor  I,  Eugippius  u.   a. 

theologische  Schriftsteller.  S.  1127. 

G.    Ans  dem  siebenten  Jahrhundert 

486.  Sisebutus,  Julianus  u.  a.  Spanier.  S.  1130.  487.  Isidorus  Hisp. 

S.  1131.  488.   Aethicus  Ister  und  Geographus  Ba^ennas.  S.  1134. 

489.    Üebersetzungen   medicinischer  Werke.  S.  1135. 

490.  Aus   dem  achten  Jahrh.:  Aldhelmus,  Beda  u.  A.  S.  1137. 


Alphabetisches  Begister.  S.  1139. 


Druckfehler,  Berichtigungen  und  Zusätze. 

S.    18,  A.  1  (Z.  4)  fuge  bei:  zweite  Auflage  1871. 

S.    23,  A.  4    streiche    die    Stelle   aus   Diomedes. 

S.    24,  A.  4  föge  zu:  F.  Ritschi,  cauticum  u.   diverbium  bei  Plautus,  Rh. 

Mus.  XXVI.  S.  599—637. 
S.    30,  Z.  11  schreibe:  theilweise. 
S.    31,  Z.  17  l. :  C.  Matius,  später  Gaurus,  und  Z.    19:  Ilias    (von  Ninnius 

Crassus),  wie  etc. 
S.    43,  A.  4«Z.  4  füge  zu:  im  Berliner  Ind.  lect.  für  Sommer  1860.  9  pp.  4. 
S.    49,  A.  3,  Z.  1:  Die  iambischen  Inschriften  in  Büchelers  Greifswalder  Ind. 

lect.  1870,  25  pp.  4.  und  Rhein.  Mus.  XXVII.  p.  127—145. 
S.    66,  Z.  23  lies:  nur  T.  1— 111  und. 
S.    66,  A.  8  E.:  H.  Kettner  im  Hermes  VI.  S.  165—177. 
S.  149,  Nr.  20,  A.  3  g.  E.  lies:  101,  S.  616—618.  647  f.  709-712.   781—784. 

848—852.     103,  S.  460—462.  809—818. 
S.  150,  A.  3,  1.:  Leipzig  1847;  und:  Mittheil,  aus  d.  cod.  Ambros.  Berlin  1871. 
S.  154,  A.  8  g.  E.  lies:  C.  Fuhrmann,  die  Vergleich ungssätze  u.  s.  w. 
S.  171,  Z.  6  V.  u.  lies:  "Eavtov  (vgl.  Dziatzko,  Rhein.  Mus.  XXVII.  S.  159-  162). 
S.  201,  Z.  4.  V.  u.  1.:  nur  von  B.  21,  24,  25  und  vielleicht  23  fehlen. 
S.  222,  A.  6  füge  bei:  E.  WöliFlin,  Antiochus  von  Sjrakusu.  Coelius  Antipater 

(Winterthur  1872)  S.  2a^84. 
S.  265,  Z.  14  V.  u.  lies:  Aechtungsliste. 
S.  266,  Z.  4  y.  u.  lies:  discriptiones. 
S.  268,  A.  2,  Z.  3  ist  aie  Parenthese  zu  streichen. 
S.  297,  Z.  12  V.  u.  lies:  J.  A.  C.  Rovers. 
S.  300,  Z.  8  füge  bei:  Fr.  Richter  (Leipzig  1871). 
S.  303,  Nr.  26,  A.  2  füge  bei:  Fr.  Richter  (Leipzig  1872). 
S.  313,  Z.  6  V.  u.:  H.  Jordan  im  Hermes  VI.  S.  196—213. 
S.  329,  A.  2,  Z.  2  lies:  A.  S.  Wesenberg. 

S.  331,  Z.  3  schreibe:  Ein  Scherz  war  u.  s.  w.  und  Z.  6:  Bonon.  1811. 
S.  361,  Z.  3  lies:  (Cöln  1839.  8.  Bonn  1842.  4.).     Vgl.  W.  Fricke  u.  s.  w. 
S.  364,  A.  14  E.  lies:  218,  10  g.  E. 

S.  380,  Z.  2  V.  u.:  A.  Weinhold  in  RitschFs  Acta  soc.  Lips.  I.  p.  183—242. 
S.  396,  A.  5  E.  lies:  J.  Bernays,  und  A.  7,  Z.  4  lies:  E.  E.  Hudeman. 
S.  419,  Z.  5  V.  u.  lies:  avia  (Livia). 

S.  456,  A.  4  lies:  1839.  L.  Schwabe,  in  Cirin  observ.  pars  l,Dorpat  1871. 18  pp.  4. 
S.  532,  A.   8,  Z.   4  lies:   und  Polybios  vielleicht  nicht  u.s.   w.;   Z.   7:  be- 
sonders Antipater,  Antias  u.  s.  w. 
S.  534,  Z.  3  v.  u.  füge  bei:  0.  Kohl,  über  Zweck  und   Bedeutung  der   liv. 

Reden,  Barmen  1872.    29  S.  4. 
S.  539,  Z.  6  1.:  des  Justin,  Leipzig  1872. 160  S.  (t=  Fleckeisens  Jahrbb.  Suppl.  VI). 
S.  591,  Z.  1  V.  u.  lies:  Coa.  768  =  15  n.  Chr.,  zum  Sterben  genöthigt  J.  38; 

vgl.  Epheineris  epigr.  I.  p.  60  f.  65. 
S.  632,  Z.  5  schreibe:  348.    551—562.  756—768. 
S.  730,  Z.  6  V.  u.  füge  bei:  L.  Friedl&nder,  de   nominibus  person.  in   luv. 

satiris,  Königsberg  1872.  7  pp.  4. 
S.  748,  Z.  10  V.  u.  lies:  1870,  p.  27—46. 

S.  796,  Z.  4  V.  u.:  H.  Jordan,  Topographie  von  Rom  (Berl.  1871)  S.  291  ff. 
S.  796,  A.  5:  Vgl.  dazu  unten  456.      Z.  12  der  Anm.  1.  Val.  Rose. 
S.  847,  A.  3  g.  E.  lies:  Die  Identität  des  Verf.  der  eQfiriv.  und  der  Gramma- 
tik bestreitet  Boucherie  u.  s.  w.    Wirklich  citiert  die  Grammatik 

den  Donatus  und  Sacerdos. 
S.  957,  A.  4  E.:  Dictys  recogn.  F.  Meister,  Lips.  1872  (Bibl.  Teubner.). 
S.  962,  Z.  4  ff .  1.:  Gestorben  wohl  um  415,  da  er  in  den  Wirren  .  .  ,  wo 

sein  Sohn  als  praef.  urbi  —  83),  niemals  genannt  wird. 
S.  963,  Z.  22  1. :  bes.  seine  relationes  als  praef.  urbi  J.  884  (herausgeg.  von 

W.  Meyer,  Lips.  Teubner  1872),  sowie  die  seines  Sohnes  (J.  418  f.). 
S.  989,  Z.  15  lies:  Lips.  1872.  228  pp. 


A.  Allgemeiner  und  sachlicher  Theil. 


1.  Den  Römern  fehlte  die  Beweglichkeit,  Vielseitigkeit  und 
die  Phantasie  der  Hellenen*,  ihre  Vorzüge  liegen  in  der  Nüch- 
ternheit und  Schärfe  des  Denkens,  der  Festigkeit  und  Ausdauer 
des  WiUens.  Ihre  Verständigkeit  richtete  sich  auf  das  Zweck- 
mässige und  artete  wohl  auch  in  Selbstsucht  und  Pfiffigkeit  aus, 
wie  ihre  Festigkeit  in  Eigensinn  und  Schwerfälligkeit.  Auf 
dem  Gebiete  des  Staates  und  des  Rechts  haben  jene  Eigen- 
schaften Grosses  und  Dauerndes  hervorgebracht;  für  die  Kunst 
und  Literatur  waren  sie  entschieden  ungünstig. 

1.  Cic.  Tusc.  I,  1,  2:  qnae  tanta  gravitas,  quae  tanta  constantia,  ma- 
gnitudo  animi^  probitas,  fides,  qnae  tarn  excellens  in  omni  genere  virtiis  in 
Ullis  fuit  ut  sit  cum  maioribus  nostris  comparanda?  (3.)  doctrina  Graecia 
no8  et  omni  litteranim  genere  superabat  etc.  De  imp.  Pomp.  20,  60:  maiores 
nostroB  semper  in  pace  consuetudini,  in  bello  utilitati  paruisse.  Tac.  dial. 
5:  si  ad  ntüitatem  vitae  omnia  consilia  factaque  nostra  dirigenda  sunt. 
Plin.  N.  H.  XXV,  2:  nostri,  omnium  utilitatum  et  virtutum  rapacissirai. 
QuintiL  XII,  2,  7:  ego  illum  quem  instituo  romanum  quendam  velim  eese 
aapientem,  qui  non  secretis  disceptationibus,  sed  rerum  experimentis  atqne 
operibns  vere  civilem  virum  exhibeat.  Cornelia  bei  Com.  Nep. :  dices  pulchrum 
esse  inimicos  ulciaci.  id  neque  maius  neque  pulchrius  cuiquam  atque  mihi 
esse  videtur,  sed  si  liceat  rep.  salva  ea  persequi. 

2.  Varro  r.  r.  I,  2,  2 :  vetus  proverbium :  Komauus  sedendo  vincit.  Liv. 
XXIII,  14,  1:  insita  (Romanorum)  animis  industria.  Liv.  XLII,  62:  romana 
couatantia,  vgl.  ib.  XXX,  7:  romana  in  adversis  rebus  coustantia,  und  Polyb. 
III,  75  exti*.  XXVII,  8:  töiov  xovto  ndvtrf  nagä  'Paiia^oig  ^Q'og  xal  ndxQiov 
ioTL,  xb  Ttarcc  iilv  rag  iXazTtoGSig  avd'aöearaTovg  aal  ßagvTcctovg  (palvBü^ai, 
%axa.  dh  rag  imrvxlctg  a>g  fiSTQiardrovg.  ib.  I,  39:  ovtsg  iv  navrl  tpiXori^oi 
öiacpBQOVTiag. 

m 

3.  Fronte  epist.  p.  135  N.:  putem,  quia  reapse  nemo  est  Romae  (pdo- 
aroQyog^  ne  nomen  qnidem  huic  virtnti  csso  romanum.    Die  romana  simpli- 

TsuFTKi«,  Böm.  Liters tnrgeschiohtc.  2.  Aufl.  1 


2  Sachlicher  Theil. 

citas  (z.B.  bei  Martial.  XI,  20/10  und  Symmach,  epist.  VII,  123)  ist  häufig 
viel  weniger  Geradheit  als  Derbheit.  Auch  von  der  fides  romana  (Liv.  V, 
27,  11)  bekamen  die  anderen  Völker  eigenthümliehe  Begriffe.  Liv.  IX,  11, 
7:  semper  aliquam  fraudi  speciem  iuris  imponitis.  Plut.  Grass.  31:  ov  yäg 
VfiBcg  ys  TtcLvv  fivi^fiovsg  OfioXoymv  ot  ^PtoiiaLOi. 

4.  Der  jüngere  Africanus  bei  Macrob.  Sat.  III,  14,  7:  eunt  in  ludum 
histrionum,  discunt  cantare,  quae  maiores  nostri  ingenuis  probro  ducier 
voluerunt.  ib.  10:  Gate,  cui  .  .  etiam  cantare  non  serii  hominis  videtur. 
Sen.  Gontrov.  I.  praef.  8:  cantandi  saltandique  obscena  studia.  Tac.  dial. 
10 :  in  Graecia,  ubi  ludicras  quoque  artes  exercere  honestum  est.  Alle  nicht 
unmittelbar  praktischen  Beschäftigungen  sind  artes  leviores  (Cic.  Brut.  1,  3) 
und  mediocres  (Cic.  de  or.  I,  2,  6),  studia  leviora  (Cic.  de  or.  I,  49,  212. 
Gat.  14,  50)  und  minora  (Cic.  Brut.  18,  70). 

5.  Ueber  den  römischen  Volkscharakter:  R.  Ihering,  Geist  des  röm. 
Rechts  I.  bes.  S.  291—313.  Bernhardy,-  röm.  L.  G.  S.  2  ff .  W.  Teuffei, 
Charakteristik  des  Horaz  S.  23 — 34.  Bunsen,  Aegyptens  Stellung  I.  S.  194  ff. 
K.  F.  Hermann,  Culturgesch.  d.  Gr.  u.  R.  IL  S.  2G  ff.  C.  Pet«r,  Studien 
zur  röm.  Gesch.  (1863)  S.  116  ff.  und  Geschichte  Roms  IIL  (1867.)  S.  VI— 
XVII.  Pantke,  Parallele  zwischen  griechischem  und  römischem  Volkschar- 
akter, Wien  1854.  E.  Zeller,  Religion  u.  Philos.  b.  d.  Römern  (Berl.  1866), 
S.  8  ff. 

6.  Eöpke,  über  den  ästhetischen  Standpunkt  der  Römer  in  Vergleichung 
mit  den  Griechen,  Berlin  1807.  L.  Friedländer,  über  den  Kunstsinn  der 
Römer  in  der  Eaiserzeit,  Königsberg  1851.  K.  F.  Hermann,  über  den  Kunst- 
sinn der  Römer  und  deren  Stellung  in  der  Gesch.  der  alten  Kunst,  Göt- 
tingen 1855. 

2.  So  lange  die  römische  Eigenthümlichkeit  ungetrübt  be- 
stand galt  literarische  Thätigkeit  nur  so  weit  als  sie  selbst  eine 
praktische  Seite  hatte  für  unbedenklich.  Die  Schriftsteller  waren 
lange  Zeit  Fremde,  wenig  geachtet  und  mit  der  Armut  ringend, 
daher  von  der  römischen  Gleichgültigkeit  gegen  die  Form  mit 
ergriffen.  Zwar  die  Wichtigkeit  der  Beredtsamkeit  als  eines 
Mittels  für  die  politische  Wirksamkeit,  und  den  Werth  der 
Kenntniss  des  Geschehenen  sowie  der  Rechtskunde  wusste  man 
früh  zu  würdigen;  um  so  mehr  aber  waren  alle  übrigen  Gebiete 
des  Wissens  vernachlässigt;  gebundene  Form  fand  nur  im  Dienste 
des  Cultus  Anerkennung  und  bestand  lange  Zeit  in  einer  ein- 
zigen Art.  Erst  die  wachsende  Bekanntschaft  mit  dem  Helle- 
nischen rief  im  Laufe  des  sechsten  Jahrhunderts  d.  St.  neue  Be- 
griffe, Interessen  und  Bedürfnisse  ins  Leben. 

1.  Cic.  p.  Plane.  27,  66:  M.  Catonis  illud  quod  in  principio  scripsit 
Originum  suarum  semper  magnificmn  et  praeclamm  putavi:  clarorum  ho- 
minum  atque  magnorum  non   minus  otii   quam   negotii    rationem   exstare 


2  f.   Stellung  der  Römer  zur  Literatur.  3 

oportere.  Derselbe  Cato  bei  Gell.  N.  A.  XI,  2,  5  zum  Ruhme  des  alten 
Rom:  poeiicae  artis  bonos  uon  erat,  si-quis  in  ea  re  studebat  ant  sese 
ad  convivia  adplicabat  grassator  vocabatnr.  Festus  p.  333  a.  M.:  scribas 
proprio  nomine  antiqui  et  librarios  et  poetäs  vocabant.  Bezeichnend  dafür 
welche  Literaturzweige  als  zulässig  galten  ist  die  Schrifbstellerei  des  altern 
Cato.  Er  fürchtete  tag  dnoßalovai  *Piafiaioi  tcc  ngayfiara  yQafifuxtoiv  ^llrj- 
viTLmf  dveenlrjod-ivTsg  (Plut.  Cato  mai,  23).  üebersicht  der  Betheiligung  der 
Römer  an  der  Literatur  bei  Cic.  Tusc.  I,  1 — 3. 

2.  Yoorduin,  de  artibus  et  doctrinis  in  quibus  Roniani  elaboraverunt, 
Gent  1822.  150  pp.  4.  M.  Hertz,  Schriftsteller  und  Publicum  in  Rom, 
Berlin  1853.    45  S.    8. 

3.  Ein  bezeichnender  Ausfluss  der  conservativen  und  praktischen  Richtung 
der  specifisch  römischen  Literatur  ist  die  Anzahl  und  Wichtigkeit  der  zur 
Einleitung  in  die  verschiedenen  Gebiete  des  (öffentlichen)  Lebens  bestimmten 
Schriften.  In  dieser  isagogischen  Literatur  ragen  besonders  die  Werke 
des  altem  Cato  und  viele  des  Varro  hervor.  Aber  noch  des  Q.  Cicero 
Schrift  de  petitione  consulatus  und  Frontin's  de  aquis  gehören  dahin.  L. 
MerckUn,  die  isagogischen  Schriften  der  Römer,  Philologus  IV.  S.  413 — 437. 
0.  Jahn,  über  römische  Encyclopädien,  Berichte  der  sächs.  Ges.  d.  W.  18r>0, 
S.  263  ff. 

3.  Unter  den  verschiedenen  Gattungen  der  Poesie  hat  das 
Drama  noch  die  meisten  Anknüpfungspunkte  im  römischen 
Volkscharakter.  Wie  alle  Italiener,  hatten  auch  die  Römer 
einen  scharfen  Blick  für  das  Auffallende  in  der  äusseren  Er- 
scheinung, die  Grabe  feiner  Beobachtung,  lebendiger  Nach- 
ahmung und  rascher  Erwiederung.  Das  Improvisieren,  die  Neck- 
und  Spottlieder,  sowie  die  Form  von  Wechselgesprächen  und 
Wechselgesängen  sind  daher  in  Italien  uralt. 

1.  Proben  des  italum  acetum  (Hör.  S.  I,  7,  32;  vgl.  maledica  civitan, 
Cic.  p.  Cael.  16,  38;  Romanorum  facetiae,  Trebell.  Gallien,  9)  geben  die 
zahlreichen  Beinamen  welche  ursprünglich  Spitznamen  waren  und  sich  auf 
körperliche  Eigenthümlichkeiten  bezogen;  s.  Quintil.  I.  0.  I,  4,  25.  Fr. 
Ellendt,  de  cognomine  etc.  (Königsberg  1853)  p.  9 — 22.  Später  wurde  diese 
Eigenschaft  durch  die  politischen  und  gerichtlichen  Kampfe  weiter  ausge- 
bildet.    Vgl.  Cic.  de  or.  II,  64  ff.   Quintil.  VI,  3. 

2.  Verbot  der  occentationes  in  den  XII  Tafeln ,  bei  Prügelstrafe.  —  Plaut. 
Aül.  in^  2,  31  f.:  te  iam  nisi  reddi  mihi  vasa  iubes  pipulo  hie  differam  ante 
aedes.  —  SpottUeder  auf  den  Triumphator,  s.  unten  82.  —  Die  Sitte  bei  Suet. 
Vesp.  19:  in  funereFavor  archimimus  personam  eius  (des  Vesp.)  ferens  imi- 
tansque,  ut  est  mos,  facta  ac  dicta  vivi.  Amöbäische  Form  hat  das  Lied 
der  fratres  arvales,  dijB  Fescenninen,  die  Lieder  beim  Tiiumphe,  Bettler- 
lieder (Schol.  Hör.  Ep.  I,  17,  48),  Hirtenlieder  (amant  alterna  Camenae,  Verg. 
EcL  III,  69). 


4  *  Sachlicher  Theü. 

3.  Vorliebe  für  dialogische  Einkleiduog  noch  lange  in  die  Literatur 
hinein  fortwirkend,  z.  B.  bei  dem  Juristen  Junius  Brutus,  bei  C.  Curio. 
Ihre  Volksthümlichkeit  zeigt  z.  B.  die  Inschrift  aus  Aesernia,  I.  R.  N.  5078. 

4.  Bei  festlichen  Gelegenheiten  erfolgten  lustige  Auffüh- 
rungen dieser  Art,  unter  Begleitung  der  tibia  und  Tanz,  auch 
öffentlich.  Die  Theilnehmer  hatten  sich,  nach  dem  Gefallen  der 
Südländer  an  Vermummungen,  verkleidet,  das  Gesicht  gefärbt 
oder  mit  einer  Maske  verdeckt.  Von  der  possenhaften  Dar- 
stellung eines  vorgekommenen  Ereignisses  war  ein  kleiner  Schritt 
zu  der  einer  erdichteten  Handlung,  wobei  der  Plan  erfunden, 
verabredet,  die  Ausführung  des  Einzebien  den  Mitwirkenden 
überlassen  war.  Volksmässige  Aufführungen  dieser  Art  waren 
die  Fescenninen,  die  Saturae,  die  Mimi,  weiterhin  die  Atellanen. 

1.  Verg.  Ge.  II,  385  iF.:  Ausonii  .  .  coloni  versibns  incomptis  ludunt 
risuque  soluto  oraque  corticibus  sumunt  horrenda  cavatis  etc.  Tibull.  II, 
1,  55:  agricola  .  .  minio  suffusus  .  .  rubenti  primus  inexperta  duxit  ab  arte 
chorofl. 

2.  Mommsen  R.  G.  P.    S.  206—208. 

5.  Die  Fescenninen  haben  ihren  Namen  von  der  süd- 
etruskischen  Ortschaft  Fescennium,  sind  aber  überhaupt  mittel- 
italisch. Sie  waren  ein  Bestandtheil  einer  ländlichen  Volks- 
lustbarkeit, wurden  bei  heitern  Anlässen  aufgeführt,  und  die 
Theilnehmer  ergiengen  sich  dabei  in  gegenseitigen  Sticheleien, 
derben  Witzen  im  massiven  Volksgeschmack  u.  dgl.  ur- 
sprünglich auch  bei  ländlichen  Festen  (z.  B.  nach  der  Ernte, 
am  Feste  der  Tellus  und  des  Waldgottes)  ausgeübt,  sah  sich 
die  Sitte  allmählich  in  einen  engem  Kreis  gedrängt  und  auf 
Hoclizeiten  beschränkt.  Als  seit  dem  Ende  der  Republik  die 
Kunstpoesie  sich  der  Fescenninen  bemächtigte  fasste  sie  die- 
selben theils  von  ihrer  skoptischen  Seite  auf,  theils  von  ihrer 
Anwendung  bei  Hochzeiten. 

1.  K.  Zell,  Ferienschriften  II.  S.  121  ff.  0.  Müller,  Etrusker  IL  S.  284  ff. 
R.  Klotz,  lat.  Lit.  Gesch.  I.  S.  292  ff.  W.  Corssen,  Origincs  poes.  p.  124— 1.S2. 
A.  Th.  Broman,  de  versibus  fescenn.  üpsala  1852.  18  pp.  4.  A.  Roasbach, 
röm.  Ehe  (1853)  S.  340—346. 

2.  Featus  im  Auszuge  des  Paul.  Diac.  p.  85  M. :  Fescennini  versus,  qui 
canebantur  in  nuptiis,  ex  urbe  Fescennina  dicuntur  allati,  sive  ideo  dicti 
quia  fascinum  putabantnr  arcere.  Der  unmittelbare  Zusammenhang  des 
Namens  mit  dem  der  Ortschaft  wird  sich,  bei  der  sprachlichen  Form  des 
Wortes  und  der  Analogie  der  Atellanae,  nicht  abweisen  lassen.    Weiterhin 


4 — 6.  Fescennini,    Saturae.  5 

kt  aber  gemeinsame  Abstammung  von  fascinus  =  Phallos,  als  dem  Symbol 
der  Fruchtbarkeit,  das  ebenso  bei  ländlichen  Festen  als  bei  Hochzeiten  an 
seinem  Platze  war  (Rossbach  S.  343  ff.),  ganz  wohl  denkbar. 

3.  Hör.  Ep.  II,  1,  139  ff.:  agricolae  prisci  .  .  condita  post  frumenta  le- 
yantes  tenapore  feste  corpus  et  ipsum  animum  .  .  Tellurem  porco,  Sil- 
vanum  lacte  piabant,  floribus  et  vino  Genium.  .  .  (145.)  Fescennina  per  hunc 
inventa  liccntia  morem  versibus  alternis  (vgl.  Liv.  VII,  2,  7  u.  Sen.  Med. 
108)  opprobria  rustica  fudit,  libertasque  recurrentes  accepta  per  annos  lusit 
amabiliter,  donec  iam  saevus  apertam  in  rabiem  coepit  verti  locus  u.  s.  w. 
Liv.  VII,  2,  7:  non  .  .  fescennino  versu  similem  incompositum  temere  ac 
rüdem  alternis  iaciebant.  Lucan.  II,  368  f.:  non  soliti  lusere  sales  nee  more 
sabino  excepit  tristis  convicia  festa  maritus.  Macrob.  Sat.  III,  14,  9:  M.  Cato 
senatorem  non  ignobilem  Caecilium  .  .  Fescenninum  vocat,  wohl  wegen 
seines  ridicularia  fundere,  iocos  dicere  (ib.).  Vgl.  Fest.  v.  spatiator, 
p.  344  b.  M. 

4.  Cattill.  61,  122  f.:  ne  diu  ta^eat  (bei  der  Hochzeit)  procax  fescen- 
nina locutio.  Sen.  Med.  107  ff.:  concesso  iuvenes  ludite  iurgio.  hinc  illinc 
iuvcnes  mittite  carmina.  rara  est  in  dominos  iusta  licentia.  ib.  113  f.: 
festa  dicax  fundat  convicia  fescenninus,  solvat  turba  iocos.  Sen.  Controv. 
VII,  21:  inter  nuptiales  fescenninos  (wie  Plin.  N.  H.  XV,  22,  86  vgl.  Serv. 
Aen,  VII,  695:  Fcscennium  oppidum  est,  ubi  nuptialia  inventa  sunt  car- 
mina) in  crucem  generi  nostri  iocabantur.  Ausou.  cento  nupt.  (Id.  XIII): 
fescenninos  amat  celebrita.s  nuptialis  verborumque  petulantiam  notus  vetere 
instituto  hidus  admittit.  Symmach.  or.  pro  patre  9  (p.  46  Mai).  Claudian. 
Fescenn.  4,  29  ff.:  ducant  pervigiles  carmina  tibiae  permissisque  iocis  turba 
licentior  exsultet  tetricis  libera  legibus.  Apoll.  Sid.  ep.  I,  5  g.  E.  (von 
Ricünere  Veimahlung) :  cum  per  omnia  theatra  .  .  Thalassio  fescenninus  ex- 
l>licaretur. 

5.  Catulls  erstes  Hochzeitgedicht  (LXI)  bildet  (v.  122  ff.)  die  nationale 
Sitte  nach.  Vgl.  Auson.  Id.  XIII  s.  f.:  quid  Anniani  fescenninos  (loquar)? 
Von  Claadian  haben  wir  in  nuptias  Honorii  Aug.  et  Mariae  fescennina  (vier 
Gedichte  in  verschiedenen  Massen).  Dagegen  Macrob.  Sat.  11,  4,  21:  tem- 
poribus  triumviralibus  PoUio,  cum  fescenninos  in  eum  Augustus  scripsisset, 
ait:  at  ego  taceo.  non  est  euim  facilo  in  eum  scribere  qui  potest  pro- 
scribere. 

6.  Nach  Diomedes  III.  p.  475  P.  =  479,  13  K.  nannten  die  (späteren) 
Grammatiker  den  Amphimaker  oder  Kretikus  auch  fescenninus  und  amphi- 
meres.  Als  ursprüngliches  Mass  der  Fesceuninen  aber,  so  weit  sie  über- 
haupt gebundene  Form  hatten,  ist  das  saturnische  vorauszusetzen.  Auf  die 
Bühne  kamen  die  Fescemiinen  nicht. 

6.  In  den  saturae  scheint  von  Anfang  an  das  Drama- 
tische überwogen  zu  haben.  Es  waren  wohl  lustige  Auffüh- 
rungen der  ländlichen  Jugend  Latiums,  einzelne  Lieder  oder 
komische  Erzählungen,  vorgetragen  unter  gesticulierendem  Tanz 
und  begleitet  von  der  tibia,   ihren  Anlässen  und  Gegenständen 


ß  Sachlicher  Theil. 

nach  niauchfaltiger  als  die  Fescennineii.  Sie  hängten  sich  an 
die  landesüblichen  Feste  an  und  wurden,  als  im  J.  390  d.  St. 
in  Rom  eine  öffentliche  Bühne  errichtet  ward,  von  umher- 
ziehenden Bänkelsängern  auch  auf  dieser  aufgeführt.  Später, 
nachdem  unter  die  öffentlichen  Lustbarkeiten  auch  kunstgerechte 
Dramen  in  griechischer  Weise  aufgenommen  worden  waren,  schlös- 
sen sich  jene  an  dieselben  an  und  giengen  in  Folge  dessen  all- 
mählich in  den  Namen  Nachspiele,  exodia,  über,  den  sie  aber 
bald  an  die  Atellanen  abzutreten  hatten. 

1.  üeber  die  saturae  ist  Alles  dunkel  und  unsicher.  Einigen  Halt  bietet 
der  Ausdruck  saturas  agere  (Liv.  VII,  2,  7 :  impletas  modis  saturas  descripto 
iain  ad  tibicinem  cantu  motuque  congruenti  peragebant),  die  Herübernahme 
auf  die  Bühne  und  der  Uebergang  in  den  Begriff  exodia;  s.  Liv.  VIT,  2,  11: 
iuventus  histrionibus  fabellarum  actu  relicto  ipsa  inter  se  more  antiquo 
ridicula  intexta  versibusiactitare  coepit;  quae  exodia  postea  appollata . .  sunt. 

•2.  Ableitung  des  Namens.  Dionied.  III.  p.  483  P.  =  485  f.  K.:  satira 
dicta  sive  a  Satyris,  quod  similiter  in  hoc  carmine  ridiculae  res  pudendae- 
que  dicuntur,  quae  velut  a  Satyris  proferuntur  et  fiunt;  sive  satura  a  lance, 
quae  referta  variis  multisque  primitiis  in  sacro  apud  priscos  dis  infereba- 
tur  .  .;  sive  a  quodam  genere  farciminis,  quod  multis  rebus  refertum  sa- 
turam  dicit  Varro  vocitatum.  Unter  diesen  Ableitungen  fand  die  zweite  lange 
Zeit  ausschliesslichen  Beifall,  und  es  wurde  der  Name  bald  auf  die  Manch- 
faltigkeit  des  Inhalts  bezogen,  bald  auf  die  Mischung  von  Gesang,  Tanz, 
Musik  und  Text;  obwohl  die  Hervorhebung  der  Manchfaltigkeit  das  Dasein 
einheitlicher  Fornjen  voraussetzt,  was  erst  bei  der  späteren,  literari- 
sclien  Gestalt  der  Satire  zutrifft.  Mommsen,  R.  G.  I*.  S.  28.  206.  430,  hat 
die  erste  Ableitung,  in  modificierter  Gestalt,  aufgenommen.  Nach  ihm  ist 
satura  „der  Mummenschanz  der  vollen  Leute"  {oktvqoi,  saturi,  vgl.  TibuU. 
II,  1,  23  saturi  .  .  coloni,  und  Vespae  iudiciura  coci  44:  Thyrsides  Satyros, 
—  facio  et  saturos  ego  plures),  „das  beim  Volkscarneval  gesungene  Lied". 
Welcher  iSubstantivbegriff'  soll  dabei  der  Femiuinalform  zu  Grunde  liegen? 
Etwa  res?  Vgl.  übrigens  das  ital.  farsa  (eig.  Füllsel,  Gemengsei)  und  die 
arabische  Dichtart  Qasside  (eig.  das  Volle,  Satte,  H.  Ewald  in  d.  Götti. 
Gel.  Anz.  1861,  S.  833). 

3.  Errichtung  eines  Brettergerüsts  im  Circus  für  Vorstellungen  zur 
L'nterhaltung  der  Menge  (durch  raimi,  s.  unten  7)  im  J.  390  =  364  v.  Chr., 
Liv.  VII,  2.  Fest.  p.  326,  a:  scenicos  (ludos)  primum  fecisse  C.  (Ati-?jlium, 
M.  Popilium  M.  f.  (Cos.  395  d.  St.)  (curules)  aediles  menioriae  (prodiderunt) 
liistorici.  Mommsen  I*^.  S.  430:  „die  neue  Bühne  .  .  war  zwar  zunächst 
lediglich  für  Spielleute  und  Possenreisser  jeder  Ai*t  bestimmt,  unter  denen 
die  Tänzer  zur  Flöte,  namentlieh  die  damals  gefeierten  etruskischen,  wohl 
noch  die  vornehmsten* sein  mochten;  indess"  war  damit  doch  ein  Keim  für 
ein  regelrechtes  Theater  gegeben,  wie  es  120  Jahre  später  durch  Andro- 
nikus  begonnen  wurde.  Nachdem  durch  diesen  ein  förmliches,  der  grie- 
chischen Literatur  entnommenes  Textbuch  eingeführt  worden  war  mochten 


6  f.  Saturae.    Der  Mimus.  7 

die  alten  Lieder  zur  tibia  minmebr  zur  Ausfüllung  der  Pausen  verwendet 
werden,  während  die  possenhaften  Aufführungen,  in  ähnlicher  Weise  wie 
das»  griechische  Satyrdrama,  sich  an  jene  kunstgerechten  ernsthaften  an- 
schlössen. 

4.  Exodiuni  bezeichnet  den  Schluss  einer  Aufführung  (übergetragen 
Varro  bei  Nonius  p.  27:  Socrates  .  .  in  exodio  vitae;  vitae  cursum  .  .  ab 
üriginc  ad  exodium  adductae;  ut  ad  exodium  ducas),  insbesondere  ein  hei- 
teres Nachspiel  zu  einem  ernsthaften  Stücke;  vgl.  Plut.  Grass.  33:  etg 
TOiovTo  tpaaiv  i^oÖiov  X7\v  KQctaoov  avQcctriytav,  manSQ  tQccycaSlccv ,  tsXsv- 
rrjceci.  Vgl.  Peloind.  34:  tr}v  ratpr^Vy  olov  zgaycodtas  fiBydcXr^g,  rrjg  tvQccvviSog 
i^odiov  d-fatgitiov  ysvoiisvTiv.  Schol.  luv.  111,  175:  exodiarius  apud  veteres 
in  fine  Indorimi  intrabat,  quia  ridiculus  foret,  ut  quidquid  lacrimarum 
atque  tristitiae  conlegissent  ex  tragicis  affectibus  huius  spectaculi  risus  de- 
tergeret.  Nach  dem  Untergang  der  alten  saturae  wurden  hiezu  neben  den 
mimi  mit  Vorliebe  die  Atellanen  verwendet;  daher  Atellanicum  exodium 
Suet.  Tib.  45),  exodium  At^llanae  (luv.  "VI,  71)  und  Lyd.  de  mag.  1,  40: 
Azdldvtj  Bozlv  7}  t^v  lsyoy,Bva}v  i^oSiciQiajv.  Miss  verständlich  Livius  (Vü, 
•J,  11):  quac  cxodia  postea  appellata  consertaque  fabellia  potissimum  Atel- 
lanis  sunt.     Vgl.  0.  Jahn,  Hermes  IL  S.  227. 

7.  Der  Mimus,  als  possenhafte  Darstellung  von  Personen  • 
und  Handlungen  auf  der  Bühne;  ist  in  Rom  der  Sache  nach 
Wühl  so  alt  als  das  Dasein  einer  Bühne.  Ursprünglich  wohl 
selbständig  auf  der  Bühne  aufgeführt,  wurde  er,  seitdem  auf 
derselbea  kunstmUssige  und  ernste  Darstellungen  überwogen, 
als  Nachspiel  verwendet,  trat  aber  hiebei  lange  Zeit  gegen  die 
neuhereingekommene  atellanische  Volksposse  zurück,  bis  im  ci- 
ceronischen  Zeitalter  auch  der  Mimus  in  die  Literatur  aufgenom- 
men wurde  und  nun  seinen  Platz  auf  der  Bühne  —  zuerst  als 
Nachspiel,  in  der  Kaiserzeit  auch  selbständig  —  um  so  länger 
behauptete. 

1.  Diomed.  III.  p.  488  P.  =  491,  13  ff.' IC:  mimus  est  sermonis  cuius- 
libet  motu»  fbermonem  movere,  wie  iocum  movere  bei  Sali.  Cat.  26)  sine 
reverentia,  vel  factorum  et  (etiam)  turpium  cum  lascivia  imitatio;  a  Graecis 
ita  defiiiitus:  (iC^g  iartv  ni(ji,7jat.g  ßiov  td  te  avyyi6xo)Qrj(iiva  xal  davyitagr^tcc 
irfpiejjcöv.  So  sind  nach  Euanthius  die  mimi  benannt  ab  diuturna  imitji- 
tione  vilium  rerum  et  levium  personarum,  und  nach  Isid.  Or.  XVIII,  49: 
mimi  sunt  dicti  graeca  appellatione  quod  rerum  humanarum  sint  imita- 
tiones.  Plutarch,  Quaest.  sympos.  VII,  8,  4,  unterscheidet  zwei  Arten  von 
(tCftoi,  mv  tovg  fihv  vno^iaeig,  rovg  Se  nuCyvitc  v,alovGiv,  welche  aber  beide 
sich  zur  Tischunterhaltung  nicht  eignen,  die  ersteren  8id  td  n>r\%ri  tmv 
dgafidztav  nal  z6  Svaxoqriyrizovy  die  naCyvia  aber  nicht  wegen  ihres 
Schmutzes,  obwohl  sie  trotzdem  eine  beliebte  Unterhaltung  bei  Tische 
bilden,  sogar  in  Anwesenheit  von  Frauen  und  Knaben.  In  letzterer  Bedeu- 
tung z.  B.  bei  Polyb.  XXXI,  4:    vito  tmv  fiiiKov  6  ßccadsvg  staefpsQSzo  .  . 


8  Sachlicher  Theil. 

o)g  etg  av  täv  fiificov.  nccl  tfjg  avn<p(OVLag  7tQO%ctlovy,svrig  dvttnrjdrjccig  (og- 
X^tto  xnl  vnfüQivfto  (letct  t(ov  ysXoitonoi^v.  Die  Literaturgeschichte  kann 
nur  der  eretere,  scenische,  Mimus  beschäftigen;  über  die  andere  Art,  die 
(it^oi  als  possenhafte  Aufführungen  in  Privatkreisen,  welche  der  Sitten- 
geschichte angehört,  s.  bes.  0.  Jahn*s  Prolegg.  zu  seiner  Ausg.  des  Persius, 
p.  LXXXIV — XCII.  Ueber  den  römischen  Mimus  überhaupt  W.  C.  L.  Zicgler, 
de  mimis  Rom.,  Göttingen  1788,  und  bes.  C.  I.  Grysar's  (die  Zeiten  zu  wenig 
sondernde)  Abb.,  der  römische  Mimus,  Wien  1854  =  Sitzungsber.  der  Wiener 
Akad.,  philosophisch-hist.  Gl.  XII.  S.  237—283,  nebst  den  Anhängen  S.  283— 
337.  Ueber  den  späteren  Mimus  auch  E.  Munck,  de  fab.  Atell.  p.  124  ff. 
Krahner,  Ztschr.  f.  Alt,  Wiss.  1852,  S.  390  ff.  L.  Friedländer,  Sittenge- 
schichte Roms  IP.   S.  298  ff. 

2.  Der  Mimus  war  „ein  uraltes  volksthümliches  Product,  und  von  seiner 
ursprünglichen  Gestalt  unterscheiden  sich  die  Erzeugnisse  des  Laberius 
und  Syrus  nicht  mehr  als  von  der  alt«n  Posse  von  Atella  deren  literarische 
Bearbeitung  durch  Pomponius  und  Novius".  J.  Vahlen,  Ztschr.  f.  östr.  Gymn. 
1859,  S.  291.  In  der  That  stimmt  der  Mimus  ganz  zum  italischen  Volks- 
charakter (§.  3  f.)  und  zur  Culturstufe  der  Homer.  So  lange  er  nicht  schrift- 
lich fixiert  war,  und  damit  nicht  abgegrenzt  von  den  possenroisserischen 
Aufführungen  im  gewöhnlichen  Leben,  entzog  er  sich  der  Beachtung.  Doch 
hat  die  Spuren  seines  Vorkommens  vor  der  suUanischen  Zeit  M.  Hertz  zu- 
sammengestellt, in  Fleckeisens  Jahrbb.  93,  S.  581 — 583.  Die  älteste  ist  bei 
Festus  p.  326  M.,  wo  nach  Erwähmmg  der  Errichtung  einer  Bühne  und 
Einrichtung  von  Spielen  darauf  (ludi  scenici,  saltationes)  es  heisst:  solebant 
(bis  prodire  mimi)  in  orchestra  (?),  dum  (in  scena  actus  fa-)bulae  compo- 
neren(tur,  cum  gestibus  ob-)scaeni8.  Darauf  Erwähnung  von  ludi  (Apolli- 
nares)  C.  Sulpicio  C.  Fulvio  cos,  (vielmehr  P.  Sulp.  Cn.  Fulvio  =  543  d.  St. 
211  V.  Chr.)  wobei  ein  libertinus  mimus  magno  natu  qui  ad  tibicinem  sal- 
taret  auftrat,  und  der  abweichenden  Ansicht  des  Sinnius  Capito,  der  den 
Vorfall  Claudio  et  Fulvio  cos.  (542  =  212)  ansetzte.  Vgl.  F.  Osann,  Festus 
und  die  erste  Aufführung  von  Mimen  in  Rom,  Jahns  Jahrbb.  LXXIIL 
S.  660—663.  Aus  dem  siebenton  Jahrh.  werden  Ausschreitungen  des  Mimus 
durch  nominatim  compellare  in  scena  (Cornif.  ad  Her.  I,  14,  24.  II,  13,  19) 
angeführt,  sowie  aus  J.  639  von  Cassiodor  dass  die  Censoren  artem  ludi- 
cram  ex  urbe  removerunt.  Aus  derselben  Zeit  muss  der  mimus  vetus  op- 
pido  ridiculus  Namens  Tutor  bei  Cic.  de  or.  II,  64,  259  (Scene  J.  663  d.  St.) 
sein.  Val.  Max.  II,  10,  8  bezeichnet  die  nudatio  mimarum  auf  der  Bühne 
an  den  Floralien  als  einen  priscus  mos  iocorum.  Ebenso  lässt  der  dgxifufiog 
Zagi^  (Plut.  SuU.  36)  in  der  Zeit  des  Sulla  auf  alte  Organisation  dieses 
Standes  schliessen.  Vielleicht  dass  vor  dem  Aufkommen  des  Namens  mimus 
die  Sache  unter  der  Bezeichnung  planipes  bestand:  vgl.  Grysar  S.  245  f. 

3.  Diomed.  III.  p.  487  P.  =  490,  3  ff.  K.:  quarta  species  (fabularum 
latinarum)  est  planipedis,  q\ii  graecc  dicitur  iLifiog,  ideo  autem  latine  pla- 
nipes dictus  quod  actores  pcdibus  planis,  i.  e.  nudis,  proscenium  introirent, 
non  ut  tragici  actores  cum  cothurnis  neque  ut  comici  cum  soccis.  .  .  cuius 
planipeais  ^^j^a  .  .  ita  .  .  meminit:  daturin  estis  aurum?  exsultat  planipes. 

s  «8  P.  277  in.:  mimi  planipedes.   Auson.  ep.  11:   de  mimo  planipedem. 


7  f.  Der  Mimns.    Begriff  und  ältere  Geschichte.    PlanipcB.  0 

Juv.  VIII,  191:  plauipedes  audit  (populus)  Fabios  (vgl.  Suet.  Ner.  4.  Tac. 
Hisi  III,  62).  Donat.  de  com.:  planipedia  aiitem  dicta  ob  humilitatem 
argnmenti  eius  ac  vilitatem  actornm,  qui  .  .  utuntur  in  scena  .  .  piano  pede 
Gell.  I,  11,  12:  si  ut  planipedi  saltanti  .  .  numeros  et  modoß  .  .  tibicen  in- 
cineret.  M aerob,  Sat.  II,  1,  9:  planipedia  et  fabulonis  (sannionis?)  impudica  . . 
verba  iacientis.  Die  sachliche  Identität  von  planipes  und  mimus  ist  hienach 
wohl  unzweifelhaft. 

4.  Cic.  ad  Farn.  IX,  16,  7:  secundum  Oenomaum  Attii  non,  ut  olini 
solebat,  AteUanam,  sed,  ut  nunc  fit,  niimuni  introduxisti.  Vgl.  embolium 
(Cic.  p.  Sest.  54,  116)  und  emboliaria  bei  Plin.  N.  H.  VII,  47,  158,  aus  der 
sullanischen  Zeit,  sowie  aus  der  Kaiserzeit  bei  Orclli  2613,  und  emboliarius 
(Garucci,  graffiti  d.  Pompei  p.  14).  Dass  noch  später  manchmal  der  mimus 
als  Nachspiel  verwendet  wurde  ist  ausserdem  vielleicht  zu  schliessen  aus 
Donaths  (de  com.)  Definition  des  siparium:  mimicum  velum  quod  populo 
obsifltit  dam  fabularum  actus  commutfintur.  Vgl.  Sen.  tranq.  11,  8:  Publi- 
lius  .  .  inter  multa  alia  cothurno,  non  tantum  six)ario,  fortiora  et  hoc  ait. 
Juv.  VUI,  185  f. :  vocem  .  .  locasti  sipario,  clamosum  ageres  ut  Phasma  Ca- 
tiüli.  Auch  8.  Sueton.  Dom.  10:  occidit  et  Hclvidium  filium,  quasi  scenico 
exodio  (wohl  einem  Mimus)  sub  persona  Paridis  et  Oenones  divortium  suum 
cum  uxore  taxasset. 

8.  Zu  einem  Literaturzweig  wurde  der  Mimus  am  Endo 
der  Republik  durch  D.  LaberiusJ  Publilius  Syrus  und  vielleicht 
L.  Valerius.  Damit  wurde  der  Kreis  seiner  Stoffe  erweitert, 
seine  Form  der  der  übrigen  Dramengattungen  näher  gebracht. 
In  der  Kaiserzeit  sodann,  wo  der  Mimus  zusammen  mit  dem 
stummen  Pantomimus  die  Herrschaft  hatte,  verfassten  Texte  für 
denselben  Philistion,  ein  CatuUus  und  Lentulus,  neben  welchen 
noch  Hostilius,  Marullus,  Atticus,  Vergilius  Romanus,  Aemilius 
Severianus  und  Aesopus  genannt  werden.  Was  aus  dieser  Zeit 
über  den.  Charakter  des  Mimus  berichtet  wird  gestattet,  wenn 
man  die  Raffiniertheit  in  Abzug  bringt,  einen  Rückschluss 
auch  auf  die  ältere  Gestalt.  Nur  dass  jetzt^  nachdem  fast 
alle  andern  Dramengattungen  in  dem  Mimus  untergegangen 
waren,  dieser  eine  reichere  Handlung  entfaltete  und  selbständig 
auftrat. 

1.  Athen.  VI.  p.  261  C:  Ni%6X(xog  (Damasc.)  .  .  ZvXXav  <pr}alv  .  .  ovta 
XatQsiv  (Ufioig  tuxI  yeloatonoioig ,  (pdoysXoav  yevofievov,  ag  k^I  nolXce  yijg 
fif'r^a  ccvroig  x^Q^t^^^f^i'  ^^ff  drj(ioa^ccg.  ifKpavCSovat  S'  ccvrov  to  tcbqI  T«vr« 
iXaQQv  at  Vit  avzov  y^atpstaai  aatVQitial  HcafKodiai  ry  naxQCm  cp<ov7i,  was 
Grysar  S.  287  auf  Mimen  bezieht.  Vgl.  Plut.  SuU.  2  u.  36  und  unten  154, 
1  E.  Sicher  waren  Mimographen  in  Caesar's  Zeit  Laberius  und  Publilius 
S}TU8,  Letzterer  zugleich  Mime  (Schauspieler).  Aus  der  augusteischen  Zeit 
L.  Crassicius^  genere  Tarentinus,  .  .  initio  circa  sccnam  versatus  est,    dum 


10  Sachlicher  Theil. 

mimographüö  adiuvafc  (Suet.  granim.  18).  Zweifelhaft  ist  ob  die  vonSencca 
(Kp.  8,  9)  aeiucm  Lucilius  zugeschriebenen  Senare  aus  Minien  sind.  Ueber 
Atticus  s.  Martial.  H,  7,  3:  componis  belle  mimos.  Von  Vergilius  Romanus 
aiigt  Plin.  Ep.  VI,  21,  4:  scripsit  mimiambos  tenniter,  argate,  venuste  atque 
in  hoc  genere  eloquentissime.  Tertiill.  apolog.  16:  disincite  Lontulorum  et 
llostiliorura  venustates,  utrum  mimos  an  deos  vestros  in  iocis  et  strophis 
lideatis.  Aesopus  bei  Amm.  Marc.  XXX,  4,  21;  Aemilius  Severianus  (aus 
Tarraco),  miniographus ,  Orelli  2622;  MaruUus,  s.  A.  6.  Für  den  panto- 
iriimus  componierten  Sujets  in  der  Kaiserzeit  Arbronius  Silo  (Sen.  suas.  II, 
19:  pantomimis  fabulas  scripsit),  Lucan  (fabulae  salticae  XIV,  Vacca), 
Statius  (Juv.  VII,  87). 

2.  Cic.  de  or.  II,  59,  242:  mimorum  est  ethicoruni  si  niniia  est  iniitatio 
<-5irikierende  Charakterbilder),  sicut  obscenitas.    Vgl.  ib.  239.  orat.  26,  88: 

ridiculo  sie  usurum  oratorem  ut  .  .  nee  subobsccno  (iitatur),  ne  nümicuni 
situ  Ovid.  Trist.  II,  497  fobscena  iocantes)  und  515  (iniitantes  turpia). 
Quiiitil.  VI,  1,  47.  —  Hauptzweck:  Lachen  zu  erregen,  Hör.  S.  I,  10,  6  f, 
Apulej.  Flor.  I,  5.  p.  5,  II  Kr.:  si  minms  est  riscris,  .  .  si  comoedia  est  fa- 
veris.  Cassiod.  Var.  IV  fin.:  mimus,  qui  nunc  tantunnnodo  derisui  habetur. 
Ij.yd.'mag.  T,  40:  iii\nv.r]  r]  vvv  öifd'sv  fiovrj  am^Ofiivr},  rexvcnov  fitv  t%ovGa 
nv8\v  ^oyojj  ^lovov  to  nl^d'og  InayovGci  yf Acori.  Mittel  dazu  auch  das  Go- 
bichterschneidcn  (Quintil.  VI,  3,  29),    Nachahmen  von  Thierlauten  u.  dgl. 

Auftreten  eines  dressierten  Hundes,  Plut.  de  sol.  anim.  19. 

« 

3.  Oekonomie  und  Plan.  Cic.  Phil.  II,  27,  65:  persona  de  mimo,  modo 
Gj^cns,  repente  dives.  p.  Cael.  27,  65:  mimi  est  iam  exitus,  non  fabulae:  in 
quo  cum  clausula  non  invenitur  fugit  aliquis  ex  manibus,  deinde  scabilla 
concrepant,  aulaeum  tollitur.  Später  hierin  grössere  Sorgfalt.  Quintil.  IV, 
2,  53:  est  quidam  et  ductus  rei  credibilis,  qualis  in  comoediis  etiam  et 
in  mimis.  Plut.  de  solert.  anim.  19  (aus  Vespasians  Zeit):  /tttftw  nXo%riv 
i-xovti  ÖQcefiattiirjv  xat  TcoXvngoaconov.  —  Proben  des  Dialogs  bei  Cic.  de  or. 
ir,  67,  274,  z.B.:  quid  est  tibi  Ista  mulier?  „Uxor".  Similis,  me  dius  fidius. 
—  Prolog,  von  Laberius  (Macrob.  Sat.  II,  7,2  f.).  Vgl.  Isid.  Orig.  XVIII, 
19:  habebant  (mimi)  suum  actorem  qui  antequam  mimum  ageret  fabulam 
l)ronuntiaret.    Ueber  die  cantica  s.  unten  A.  11. 

4.  Als  scurrile  Darstellung  des  gemeinen  Lebens  berührt  sich  der  Mi- 
mus mit  der  Togata  und  hat  mit  ihr  viele  Titel  gemeinsam,  wie  Aquae 
caldae,  Augur,  Compitalia,  Fullo,  Virgo,  letztere  beiden  auch  mit  der  kunst- 
inässigen  Atellane,  mit  welcher  er  ausserdem  die  Titel  Gemini,  Hetaera, 
Nuptiae,  Piscator  theilt.  Das  hauptsächlichste  Unterscheidungsmerkmal  wird 
wohl  beim  Mimus  das  Ueberwiegen  der  Mimik,  bei  den  Atellanen  das  Vor- 
kommen der  oscae  personae  gewesen  sein.  Mit  der  Palliata  hat  der  Mimus 
die  Titel  Colax,  Hetaera,  Phasfea  gemeinsam,  und  auch  Alexandrea,  Belo- 
nistria,  Cacomnemon,  Cophinus,  Ephebus,  Necyomantia,  Scylax  sind  ur- 
sprünglich griechische  Titel  von  Mimen. 

5.  Die  Handlung  des  mimus  war  mit  Vorliebe  obscön,  bes.  Verführun- 
gen, Ehebruchsscenen,  Ueborlisten  von  Gatten  oder  Vätern  oder  überhaupt 
Arglosen.    Vgl.  Ovid.  Trist.  II,  497  ff.  Cic.  p.  Eab.  Post.  12,  36 :  illim  omnes 


8.  Der  MiiuDs  am  Ende  der  R^3publik  ii.  in  der  Kaiscrzoit.  1 1 

praestigiae,  .  .  omncs  fallaciac,  omnia  deniqiie  ab  iis  mimoi-^m  argumeuia 
nata  sunt.  Juv.  VI,  44.  VIII,  197.  Capitol.  M.  Anton.  29,  2.  Lamprid.  Heliog. 
25,  4  (mimica  adulteria).  Donat.  zu  Aen.  V,  64:  mimi  solis  inhonestis  et 
adulteria  placent.  Lactant.  inst.  VI,  20:  (mimi)  docent  adulteria  dum 
fingnnt.  Minac.  Fei.  Oct.  37,  12:  in  scenicis  (ludis)  .  .  tuvpitudo  prolixior. 
nonc  enim  mimus  vel  exponit  adulteria  vel  monstrat,  nunc  enervis  histrio 
amorem  dum  fingit  infigit.  Grysar  S.  253.  In  derselben  Richtung  wurden 
auch  die  mythologischen  Stoffe  ausgewählt  und  behandelt,  welche  nament- 
lich in  der  Kaiserzeit  immer  häufiger  wurden  (von  Laberius:  Lacus  Avernus, 
Xecjomantia).  Amob.  adv.  gent.  IV,  35:  etiam  mimis  et  scurrilibus  ludi- 
cris  sanctissimorum  personae  interponnntur  deorum,  et  ut  spectatoribus 
vacois  risus  possit  atque  hilaritas  excitari  iocularibus  feriuntur  cavillatio- 
nibus  numina.  ib.  VII,  33:  symplegmatibus  plurimis  intemiixtos  se  esse  de- 
risionis  in  materiam  norunt  (dii).  TertuU.  apolog.  15:  dispicite  .  .  utruiu 
mimos  an  deos  vestros  .  .  rideatis,  moechiuu  Anubim  et  masculam  Lunaiu, 
Dianam  ilagellatani  et  lovis  mortui  testamentum  recitatuni  et  tres  Hercules 
famelicos  irrisos.  Aehnliche  Stoffe  Kinyraa  und  Myrrlia  (Joseph.  Ant.  XIX, 
1,  13),  Paris  und  Oenone  (Suet.  Dom.  10),  TPriapus  (Augustin.  civ.  dei  VI,  7). 
Ebenso  in  den  Pantomimen  Leda  (Juv.  VI,  63.  Amob.  adv.  g.  VII,  33.  Ap. 
Sidon.  c.  23,  285),  Pasiphae  (Suet.  Ner.  12),  Danae  (Ap.  Sidon.  c.  23,  282  ff.) 
"•  dgl-  C^pulej.  apol.  74  extr.  Arnob.  1.  1.  Ap.  Sidon.  carni.  23,  271  —  299}. 
Dadurch  waren  die  Mimen  theils  ein  Symptom  theils  ein  Hauptbeforder- 
ungsmittel  der  greulichen  Sittenverderbniss. 

6.  Mit  dieser  Scurrilität  und  Verderbniss  bilden  einen  scheinbaren  Con- 
trast  (Sen.  Ep.  8,  8  f.)  die  weisen  und  moralischen  Sprüche  von  welchen 
besonders  des  Syrus  Mimen,  vielleicht  unter  dem  Einflüsse  der  griechischen 
Komödie  (vgl.  Plaut.  Rud.  IV,  7 ,  23  ff.),  förmlich  strotzten.  Doch  ist  diese 
Vereinigung  von  Possenhaftigkeit  und  Altklugheit  volksmässig  (vgl.  W. 
Hertzberg  zu  Juvenal  XV,  16.  S.  336  f.),  und  in  der  Kaiserzeit  wird  der 
zweite  Beatandtheil  wohl  minder  hervorgetreten  sein.  Dagegen  persönliche 
Anzüglichkeiten,  wie  sie  schon  früher  der  Mimus  sich  erlaubt  hatte  (Corni- 
ficius  oben  7,  2.  Laberius  v.  7),  nahm  er  sich  jetzt  manchmal  gegen  die 
Höchstgestellten  heraus.  Capit.  M.  Ant.  8,  1 :  adepti  imperium  ita  civil iter 
äc  ambo  egerunt  ut  .  .  eos  MaruUus,  sui  temporis  mimographus,  cavillando 
irapune  perstringeret.  ib.  29,  1  f.  (ter  —  TuUus).  Maximin.  9,  3  ff*.  Lam- 
prid. Comm.  3,  4  (appellatus  est  a  mimis  quasi  obstupratus).  Vgl.  Vopisc. 
Aurel.  42,  5.  Minuc.  Fei.  Oct.  34,  7:  non  philosophi  studio,  sed  mimi  con- 
vicio  (vgl.  Cio*  p.  Mur.  6,  13)  digna  ista  sententia  est. 

7.  Die  Darstellung  der  Mimen  geschah  durch  Einen  Hauptschauspieler. 
PubliliuB  cum  mimos  componeret  ingentique  assensu  in  Italiae  oppidis  agere 
coepiaset  (Macrob.  S.  II,  7,  7).  Laureolum  .  .  Lentulus  egit  (Juv.  VIII,  187). 
Doctus  archimimus  .  .  cotidie  in  Capitolio  mimum  agebat  (Augustin.  civ.  d. 
VI,  10).  Neben  diesem  gab  es  auch  actores  secundarum  (Suet.  Cal.  57\ 
die  jenem  untergeordnet  waren  (Hör.  Ep.  I,  18,  13),  ihn  blind  nachahmten 
(Suet.  L  1.)  und  von  ihm  die  Schläge  einnahmen  (Juv.  V,  171.  VIII,  192. 
Martial.  II,  72,  3  f.  V,  61,  11  f.  Arnob.  adv.  g.  VII,  33).  Insbesondere  war 
unter   diesen  die  stehende  Rolle   des   stupidus   (Orelli  2645   aus  Verona: 


12  Sachlicher  Theil. 

Aui"clius  Eutyches,  stiipidus  grcg(iß)  urb(anac),  vgl.  ib.  2608.  Juv.  VIII,  197. 
Capitol.  M.  Ant.  29,  2),  dargestellt  capite  raao  (Heinrich  zu  Juv.  V,  171. 
S.  219  f.  Non.  Marc.  p.  6,  25:  calvitur  =*  frustratur,  tractum  a  calvis  mimis, 
quod  aint  omnibus  frustratui.  Arnob.  1.  1.:  delectantur  dii  stnpidorum  ca- 
pitibus  raais,  salpittarum  sonitu  ac  plausu,  factis  et  dictie  turpibus,  fasci- 
nornm  ingentium  rubore).  Festus  s.  v.  salva  res,  die  palliata  einmischend: 
secundarum  partium  fuit  qui  fere  omnibus  mimis  parasitus  inducitur. 

8.  Dem  Mimus  eigenthümlich  und  eine  Hauptquelle  der  Lüderlichkeit  war 
die  Darstellung  der  weiblichen  Rollen  durch  Frauenzimmer.  Vgl.  7, 2  g.  E.  Am- 
mian.  XXIII,  5, 3:  cum  Antiochiae  . .  scenicis  ludis  mimus  cum  uxore  immissus 
.0  medio  sumpta  quaedam  imitaretur.  Manche  Mimae  gelangten  zu  einer  ge- 
wissen Berühmtheit,  wie  Arbuscula,  Dionysia,  Cytheris,  Origo,  Quintilia, 
Thymele  (bei  Juv.  u.  Martial),  Bassilla  (C.  I.  gr.  III.  p.  1023);  Claudia  Her- 
mione,  archimima,  Orelli  4760;  Arete  archimima,  Gruter  p.  330,  4. 

9.  In  der  Kaiserzeit  ist  an  eine  Beschränkung  in  der  Zahl  der  Schauspieler 
nicht  zu  denken;  vgl.  Petron.  Sat.  80:  grex  agit  in  scena  niimum,  pater 
illc  vocatur,  filius  hie,  nomen  diyitis  (vgl.  Sen.  Ep.  114,  6:  in  mimo  divites 
fugitivi)  ille  tenet.  Plut.  de  sol.  an.  19:  fitjtto)  n}.o%j]v  txovti  .  .  noXvnqo- 
üionov.  So  erforderte  der  Laureolus  ein  grosses  Personal  (Joseph.  Ant.  XIX, 
1,  13). 

10.  Kostüm  der  niimi  eine  bunte  Harlekinsjacko,  centunculus  (Aj^ulej. 
apol.  13)  und  keine  calcci  (cxcalceati,  Sen.  Ep.  8,  8),  daher  planipedcs, 
oben  7,  3.  Die  Mimae  ihrem  Charakter  gemäss  aufgeputzt  und  entblöst; 
{,'igcnthümlich,  wie  es  scheint,  das  reciniura  oder  ricinium.  Festus  p.  274 — 
276:  recinium  .  .  esse  dixerunt  vir(ili8)  toga(c  simile  vestimcntum  quo) 
niulieres  utebantur,  praetextum  clavo  i^urpureo,  unde  reciuiati  mirai  plani- 
pcdes.  Vgl.  Varro  L.  L.  V,  132:  antiquissimis  amictui  ricinium.  Non.  Marc, 
p.  542:  ricinum  .  .  pallcolum  femineum  breve.  Serv.  Aen.  I,  282:  togas 
etiam  feminas  habuisse  cycladum  et  recini  (Var.  ricini)  usus  ostendit.  Mas- 
ken waren  schon  durch  die  Mimik  ausgeschlossen.  Starkes  Schminken;  vgl. 
Hieronym.  ep.  60,  29:  eas  quae  rubore  frontis  addito  parasitos  (vgl.  A.  7  E.) 
vincunt  mimorum.  üeber  die  Rangstufe  auf  der  die  Mimi  in  der  öffentli- 
chen Schätzung  standen  s.  z.  B.  Vopisc.  Carin.  16,  7:  mimis,  meretricibus, 
pantomimis,  cantoribus  atquc  lononibus  Palatium  implevit.  Vgl.  Trebell. 
Gallien.  21,  6.    Trig.  tyr.  9,  1  u.  A. 

11.  Die  Sprache  der  Mimen  war,  dem  Stoife  und  Publicum  entsprechend, 
plebejisch;  über  Laberius  s.  Gcllius  XVI,  7.  Als  Versraasse  finden  wir  in 
den  Ueberresten  iambische  Senare  und  trochäische  Tetrameter.  Vgl.  Laberius 
V.  55 :  versorum,  non  numerum,  numero  studuimus.  Doch  ist  bei  der  Hand- 
lung des  Mimus  (z.  B.  den  alapae)  kaum  zu  glauben  dass  alle  Mimen  zu 
jeder  Zeit  durchaus  gebundene  Form  hatten ;  vielmehr  wird  diese  sich  wohl 
auch  manchmal  auf  cantica  beschränkt  haben.  Das  Vorhandensein  solcher 
erhellt  aus  fiiy^aSol  (Plut.  Süll.  2).  Die  obscena  cantica  von  welchen  omne 
convivium  strepit  (Quintil.  I,  2,  8)  waren  wohl  hauptsächlich  aus  Mimen. 
Versus  cantare  bei  Capitol.  Maximin.  9 ,  5.  Auch  salva  res  est  dum  cantat 
senex,  Fest.  p.  326.  Plin.  Ep.  VII,  24,  7:  singulos  gestus  (pantomimi,  ib.  4) 
cum  canticis  rcddebant.    Die  Begleitung  durch  die  tibia  galt  wohl  haupt- 


8  f.  Mimus.    Atellanen  als  Volksposse.  13 

sächlich  der  saltaiio;  Festus  p.  276:  ad  tibicinem  saltare;  GcU.  I,  11,  12: 
ai  ut  planipedi  saltanti  .  .  numeros  et  modos  .  .  tibicen  incineret.  Hieronym. 
ehron.  a.  Abr.  1995  =  732  d.  St.:  PyladesCilix  pantomimus ,  cum  veteres  ipsi 
canerent  atque  saltarent,  primus  Bomae  chorum  et  fistulam  sibi  praecinere 
fecit.  Quintil.  I,  10,  31:  non  hanc  (masicen)  a  me  praecipi  quae  nunc  in 
sceois  effeminata  et  impudicis  modis  &aeta  non  ex  parte  minima  si  quid 
in  nobis  virilie  roboris  manebat  excidit.  Macrob.  Sat.  II,  7,  13:  cum  can- 
ticum  qnoddam  saltaret  Hylas  (Pantomime)  cuius  clausula  erat  tov  fiiyav 
AyafiifLvova^  Tgl.  Apulej.  apoL  74  extr.:  saltandis  fabulis  exossis  plane  et 
enenrisy  sed,  ut  audio,  indocta  et  rudi  moUitia.  negatur  enim  quidquam 
hiatrionis  (allgemeiner  Ausdruck)  habuisse  praeter  impudicitiam. '  Auch  im 
Pantomimus  fehlten  also  cantica  nicht,  nur  daes  diese  von  einem  Chore 
vorgetragen  wurden.  Apoll.  Sidon.  ep.  VIII,  9:  chori  pantomimorum  bono 
cantu  male  dictata  (Text)  commendant.  carm.  23,  264  (chorus  omnis  hi- 
strionum).  Anthol.  lat.  111,  5  f.  R.  (p.  108):  nam  cum  grata  chorus  diffundit 
carmina  dulcis,  quae  resonat  cantor  motibus  ipse  (der  Pantomime)  probat. 
Vgl.  noch  Lukian.  de  saltat.  63  f.    Cassiod.  Var.  I,  20.    IV,  51. 

12.  Ueber  den  Mimus  im  Mittelalter  vgl.  Grysar  S.  331 — 337,  und  Krah- 
ner,  Ztschr.  f.  Alt.  Wiss.  1852,  S.  388  f.:  die  letzten  heidnischen  Priester 
waren  auch  die  letzten  Mimen  und  Joculatoren  (s.  z.  B.  die  Schilderung 
eines  solchen  in  einem  Sermon  des  Maximus  Taurincnsis  bei  Muratori 
Anecd.  IV.  p.  99),  und  die  früheste  Kunde  von  dem  Drama  des  beginnenden 
Mittelalters  zeigt  uns  dasselbe  als  ein  kirchliches  und  dieselben  Joculatoren 
in  seinem  Dienste. 

9.  Die  Atellanen  (Atellanae  fabulae)  sind  benannt  nach 
dem  campanischen  Landstädtchen  Atella,  in  einer  ursprünglich 
oskischen  Gegend.  Atellanerstücke  bedeuteten  von  Anfang  an 
Krähwinkeliaden,  komische  Darstellungen  kleinstädtischen  Trei- 
bens, deren  Figuren  allmählich  stehend  wurden.  Nachdem  im 
J.  543  d.  St.  die  Römer  Campaniens  Selbständigkeit  vernichtet, 
die  Landschaft  latinisiert  hatten,  gelangte  Sache  und  Name  nach 
Rom,  und  bald  waren  Maccus,  Bucco,  Pappus  und  Dossennus 
auch  beim  römischen  Volke  allbekannte  und  beliebte  Gestalten, 
an  die  man  ähnliche,  wie  Manducus,  Mania,  Laniia,  Pytho,  an- 
schloss.  Die  jungen  Römer  mochte  das  neue  Spiel  als  eine 
Art  verbesserter  saturae  anmuten,  und  sie  übten  es  persönlich, 
maskiert,  aus.  Dabei  wurde  höchstens  der  allgemeine  Gang  der 
Handlung  verabredet,  das  Uebrige  der  Improvisation  überlassen. 
Um  so  kunstloser  war  die  Anlage  der  Stücke.  Die  Form  war 
wohl  meist  einfacher  Dialog,  etwa  mit  eingelegten  Liedern  im 
satumischen  Masse;  der  Witz  massiv,  die  Gesticulation  lebhaft 
und  gleichfalls  gern  schmutzig;  die  (lateinische)  Sprache  plebe- 
jisch gehalten. 


14  Sachlicher  Theil. 

1.  Literatur:  C.  E.  Schoter,  über  die  Atellanen,  Leipzig  1825,  und  de 
AtellaniB  exodiis,  Breslau  1830.  F.  Weyer,  üb.  d.  At.,  Mannheim  1826.  ZeU, 
Ferienschriften,  IL  S.  139  tf.  Klenze,  philol.  Abhh.  (Berlin  1839)  S.  91— 10i>. 
E.  Munk,  de  fabulis  Atellanis  (nebst  Sammlung  der  Bruchstücke),  Breslau 
1840.  Th.  Keller,  de  lingua  et  exodiis  Atellanarom,  Bonn  1850.  (leer.) 
Lannoy,  Essai  sur  les  Atellanes  et  sur  quelques  productions  du  th^ätre  po- 
pulaire  dans  Tancienne  Rome ,  in  den  Möm.  de  la  societe  litteraire  de  Loa> 
vain,  V  (1850)  p.  85—130.  Mommsen,  B.  G.  IP.  S.  438-442.  W.  Teuffei  in 
Pauly's  Real-Enc.  I,  2.  S.  1957—1960. 

2.  Diqmedes  III.  p.  487  P.  =  490,  1  f.  K.:  tertia  species  est  fabularum 
latinarum  quae  a  civitate  Oscorum  Atella,  in  qua  primum  coeptae  (un- 
richtig), appellatae  sunt  Atellanae,  argumentis  dictisque  iocularibus.  Momm- 
sen a.  a.  0.  hält  die  Atellanen  für  ursprünglich  und  uralt  latinisch  und 
die  (seit  543)  latinisierte  Oskerlandschafb  nur  für 'ihren  poetischen  Schau- 
platz. Letzteres  stünde  in  einigem  Widerspruch  mit  dem  hohen  Alter, 
sowie  mit  der  allgemeinen  Bezeichnung  der  Atellanen  als  osci  ludi  (Cic. 
Farn.  VII,  1,  3),  oscum  ludicrum  (Tac.  A.  IV,  14),  der  stehenden  Figuren 
als  oscae  personae  (Diomed.  III.  p.  488  P.  =  490,  20  K.). 

3.  Maccus  ist  dumm,  gefrässig  und  lüstern,  hat  Eselsohren  u.  s.  v. 
ßucco  arbeitet  mit  der  bucca,  plappernd  und  fressend.  Pappus  ist  ein 
eitler,  aber  sehr  verblendeter  Alter,  der  von  Frau  und  Sohn  überlistet  wird. 
Dossennus  (dorsum)  ein  pfiffiger  Beutelschneider,  der  dottore. 

4.  Liv.  VII,  2,  12:  quod  genus  ludorum  (At.)  ab  Oscis  acceptum  t-enuit 
iuventus  nee  ab  histrionibus  poUui  passa  est.  eo  institutum  manet  ut  acto- 
res  Atellanarum  nee  tribu  moveantur  et  stipendia  tamquam  expertes  artie 
ludicrae  faciant.  Daraus  in  seiner  Weise  VaL  Max.  II,  4,  4.  p.  71,  12  ff. 
Halm.  Pest.  v.  personata,  p.  217  a.  M.:  per  Atellanos,  qui  proprie  vocan- 
tur  personati,  quia  ius  est  iis  non  cogi  in  scena  ponere  personam,  quod 
ceteris  histrionibus  pati  necesse  est.  Als  J.  639  d.  St.  die  Censoren  artem 
ludicram  ex  urbe  removerunt  nahmen  sie  davon  nur  aus  latinum  tibicinem 
et  ludum  atellanum  (M.  Hertz  statt  des  hdschr.  talanum),  Cassiod.  ad  a. 
(S.  620  bei  Mommsen). 

5.  Varro  Gerontodidascalo:  putas  eos  non  citius  tricas  Atellanas  quam 
id  extricaturos  ?  Non.  p.  8,  29.  Vgl.  Tertull.  spect.  17:  Atellanus  gesticu- 
lator.  Quinül.  I.  0.  VI,  3,  47:  amphibolia,  neque  illa  obscura  (?  obscena) 
quae  Atellani  e  more  ca2)tant. 

6.  Missverständlich  Strabon  V,  3,  6.  p.  233  C. :  tav  X>o%a}v  iTiXeXoinoziov 
ri  diccXcKTog  fiBvsi  nccga  toig  'PcofiaioiSj  aats  xal  Tton^fiata  atirivoßateLGd'ai 
•natcc  tiva  ciy^vcL  naxqiov  %a\  {iiiLoXoysißQ'ai.  Oskisch  wäre  in  Rom  nicht 
verstanden  worden;  vgl.  Liv.  X,  20,  8.  Titin.  v.  104.  Gell.  N.  A.  XVII,  17, 1. 
Macrob.  Sat.  VI,  4,  23.  Vielleicht  kam  dem  Strabon  die  Sprache  der  rustici 
(Varro  L.  L.  VII,  84.  96)  in  den  Atellanen  so  fremdartig  vor  dass  er  sie  für 
einen  andern  Dialekt  hielt,  verführt  überdiess  durch  den  Namen  der  osci  ludi. 

10.    In  der  suUanisclien  Zeit  wurde  die  Atellaiie  durch  Poin- 
ponius  aus  Bononia  und  Novius  aus  einer  Volksposse  zu  einem 


10  f.  Atellanen  als  Literaturzweig.    Volkspoesie.  15 

Zweige  der  Kunstdramatik  gemacht,  indem  dieselben  die  Stücke 
rollständig  schriftlich  auszuarbeiten  begannen.  Durch  geord- 
neten Plan,  Charakterzeichnung  und  metrische  Form  wurde  die 
Atellane  nunmehr  den  anderen  Arten  der  Komödie  gleich  und 
war  nur  etwa  burlesker.  Neben  der  Schilderung  des  Volkslebens 
und  persönlichen  Anzüglichkeiten  finden  sich  jetzt  auch  mytho- 
logische Titel.  Seitdem  wurde  die  Atellane  in  Rom  als  Nach- 
spiel verwendet  und  auch  durch  eigentliche  Schauspieler  aufge- 
fuhrt.  Noch  in  der  ersten  Kaiserzeit  bestand  sie  fort  und  hatte 
an  Mummius  einen  Vertreter,  wurde  aber  den  Zeitverhältnissen 
gemäss  immer  stummer  und  gieng  bald  im  Pantomimus  unter. 

1.  Cic.  Farn.  IX,  16,  7  (J.  708):  secundum  Oenomaum  Accii  non,  iit 
olim  solebat,  Atellanam,  sed,  ut  nunc  fit,  mimom  introduxisti.  Vgl.  Mar. 
Yici  p.  2527  P.  und  oben  G,  4.  In  Landstädtchen  wurden  Atellanen  auch 
selbständig  aufgeführt,  Juv.  III,  175. 

2.  Suet.  Nero  39:  Datus  Atellanarum  histrio  in  cantico  quodam  u.  s.  w. ; 
vgl.  Galb.  13:  AteUanis  notiasimum  canticum  exorsis.  Juv.  VI,  71  f.:  Ur- 
bicua  exodio  riaum  movet  Attellanae  gestibua  Autonoes.  Orelli  5G82  (ans 
Pompeji):  Methe  Cominiaea  Atellana.  'Tac.  A.  IV,  14:  Caesar  (Tiberius)  de 
immodeaüa  hiatrionum  rettulit.  .  .  oacuiu  quondam  ludicrum,  levissimae 
apud  Tolgum  oblectationis ,  eo  flagitiorum  et  virium  venisse  ut  auctoritate 
patrum  coercendum  ait.  Vgl.  Suet,  Tib.  45  extr.  Calig.  27  extr.:  Atellanae 
poetam  (den  Mummius?)  ob  ambigui  ioci  versiculum  media  amphitheatri 
arena  igni  cremavit.  —  Macrob.  Sat.  I,  10,  3:  Mummius,  qui  post  Novium 
et  Pomponium  diu  iacentem  artem  Atellaniam  suscitavit.  —  Spartian.  Hadr. 
26,  4:  in  convivio  tragoedias,  comoedias,  Atellanas  .  .  semper  exhibuit 
i^Hadrian).  Tertull.  de  spectac.  17.  Arnob.  adv.  gent.  VII,  33.  Ueber  das 
Verhältniaa  zum  Mimua  s.  oben  8,  4.  Vgl.  L.  Friedländer,  Sittengesch. 
Roms  11'.   S.  297  f. 

11.  Zur  Volkspoesie  gehört  bei  den  Römern  Alles  was 
in  der  Zeit  vor  Einführung  kunstmässiger  Poesie,  also  vor  An- 
dronikus  und  dem  Jahre  514  d.  St.,  in  gebundener  Form  (dem 
saturnischen  Rhythmus)  bei  ihnen  vorhanden  war.  Auch  manches 
aus  der  literarischen  Zeit  Ueberlieferte  reicht,  nach  Bestimmung 
und  Art,  in  die  ältere  zurück.  Aus  der  Kaiserzeit  sind  hieher 
zu  rechnen  vorzugsweise  Pasquille  und  sonstige  Gelegenheits- 
gedichte mit  Hinneigung  zum  Accentuieren  und  Gleichgültigkeit 
gegen  den  Hiatus.  Daher  auch  die  für  den  Gebrauch  und  das 
Verständniss  des  Volks  berechneten  christlichen  Kirchenlieder 
in  gleicher  Weise  gehalten  sind. 

1.  Aufzählung  der  Erscheinungen  in  gebundener  Form  auH  der  Zeit 
vor  Andronikus  unten  $.  59  ff. 


16«  Sachlicher  Theil. 

2.  Sitte  des  Singeos  bei  der  Arbeit.    Varro  bei  Nonius  p.  .66:  homines 
rusticos  in  vindemia  incondita  cantare,  sarcinatriceB  in  machinis.   Ausserdem 

).  reichen  aus   der  literarischen  Zeit  wohl  weiter  zurück:   a)  volksthümliche 

Liebeslieder,  wie  eines  bei  Hör.  S.  I,  6,  16  f.  angedeutet  ist.  Kunst- 
producte  aber  sind  Ständchen -Lieder  bei  Plaut    Cure.  I,  2,  60  ff.  (in  Kre- 

^  tikern),    Hör.  ü.  IH,    10  und  Ovid  Amor.  I,   6.  —   b)  Wiegenlieder;  a. 

Schol.  Fers.  III,  16:  quae  infantibus,  ut  dormiant,  solent  dicerc  saepe:  lalla, 
lalla,  lalla,  (i.  e.)  aut  dormi  aut  lacta  (s.  Rhein.  Mus.  XXIV.  S.  619  f.);  vgl. 
lallare  bei  Pers.  III,  18  und  Auson.  epist.  XVI,  90  f. :  nutricis  inter  lemmata 
Lallique  sconniferos  modos.  —  c)  Lieder  bei  Einderspielen,  Hör.  Ep.  I, 
1,  59  f.  u.  II,  3,  417  (mit  Schol.),  woraus  wohl  (s.  L.  Müller,  in  Pleckeisens 
Jahrb.  89,  S.  484)  die  Verse  zu  gestalten:  habeat  scabiem  qufsquis  ad  me 
v^nerit  novfssimus.  Rex  erit  qui  recte  faciet;  quf  non  faciet  n6n  erit.  Auch 
vielleicht  Malum  consilium  consultori  [s^mper  ipsijst  pessimum  (Varro  B. 
li.  III,  2,  1.  Gell.  IV,  5,  5).  Dergleichen  Sentenzen  konnten  übrigens  auch 
aus  der  Literatur  (wie  des  Syrus  Mimen)  in  den  Volksmund  übergehen  und 
zu  Spruch w<Jrtern  werden.  —  d)  Spottlieder  auf  verspätete  Feldarbeiter 
(Hör.  S.  I,  7,  28  ff.  mit  Auson.  Mosell.  166:  navita  labeus  .  .  probra  canit 
seris  cultoribus),  auf  Geizhülse  (Plaut.  Trin.  350  ff.  R.:  civi  immuni  sein 
quid  cantari  solet?  „Qu6d  habes  ne  habefis  et  illuc  quod  nön  habes  habeas, 
malum,  Quärudoquidem  nee  tibi  bene  esse  p6te  pati  neque  alteri."  —  Da- 
gegen erweist  sich  durch  Inhalt  und  Ausdruck  als  spät  das  Recept  für 
gulones  bei  Macrob.  S.  VII,  12,  9:  miilsum  quod  probe  tdmperes  Mfscen- 
dumst  novo  Hymdttio  Iilt  vetulo  Fal^mo. 

3.  Auch  in  den  volksmässigen  Ergüssen  aus  der  Kaiserzeit  tritt  Vor- 
liebe für  den  (der  lat.  Sprache  naturgemässen)  trochäischen  Tetrameter  zu 
Tage.  In  diesem  Masse  gehalten  ist  z.  B.  Orelli-Henzen  6674  (Grabschrift  des 
Soldaten  T.  Cissonius:  dum  vixi  bibi  libenter:  bibite  vos  qui  vfvitis),  sowie 
die  Pasquille  aus  dieser  Zeit  bei  Sueton.  Caes.  80  (vgl.  49.  51),  Schol.  Juv. 
V,  3.  Vgl.  Suet.  Calig.  6.  Galb.  6.  Voplsc.  Aurel.  6,  5.  7,  2.  Kunstreichere, 
aus  den  gebildeteren  Kreisen  hervorgogangene ,  haben  das  Mass  des  Epi- 
gramm: Suet.  Caes.  20.  Oct.  70.  Tib.  59.  Cal.  8.  Ner.  39.  Dom.  14.  23. 
Vgl.  Schol.  Hör.  S.  I,  7,  20.  Ein  epigrammatarius  bei  Vopisc.  Florian.  16,  3. 
Vgl.  G.  H.  Bernstein,  versus  ludicri  in  Rom.  Caesares  priores  olim  com- 
positi,  Halle  1810.  Zell,  Ferienschrifben  IL  S.  165—169.  Was  (nach  Festus 
p.  285  M.)  retiario  ad  versus  mirmillonem  pugnanti  cantatur  wird  gewöhnlich 

^:  sotadisch  gemessen,  lässt  sich  aber  wohl  auch  volksmässig  saturnisch  auf- 

fassen: Non  to  pet6,  pisc^m  petö:  quid  me  fügis,  Galle?  —  Von  Kirchen- 
:  W  Hedern  vgl.  z.  B.  Äpparebit  repentina  Dfes  magna  dömini  u.  s.  w.    Anderes 

unten  bei  Gommodianus,  Damasus,  Ambrosius,  Venantius  Fortunatus  u.  A. 
Bald  machte  sich  auch  der  Reim  geltend,  wie  in  den  zwei  römischen  Volks- 
gcdichten  aus  dem  sechsten  Jahrh.  bei  Gregorovius,   Gesch.  d.  St.  Rom  I. 

■  jH  -  S.  372  f.     W.  Grimm,  zur  Gesch.  des  Reims,  Abhandl.  d.  Berl.  Akad.  1851. 

4.  Zell,  Fcrienschriftcn  IL  S.  97  ff.  Edelestand  du  Meril,  poesies  po- 
?^v;'!  pulaires  latines  anterieurcs  au  douziemc  siöcle,  Paris  1843.  W.  Teuffei,  in 
^^"  •  .            Pauly's  R<?al-Enc.  VI,  2.   S.  2736—2738.    L.  Müller,  de  rc  metr.  poett.  latt. 

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12  f.  Das  Kunstdrama.    Die  Tragödie.  17 

(Lips.  18Gl)'p. '445 — 449  (de  poesi  rhythmiea).   Westphal,  allg.  griech.  Metrik 
(Leipzig  1866)  S.  270  ff. 

12.  Das  Eunstdrama;  welches,  zuerst  unter  allen  Gat- 
tungen von  Kunstpoesie,  zu  Anfang  des  sechsten  Jahrh.  in  Rom 
importiert  wurde,  fand  rasch  nach  der  ernsten  wie  der  heiteren 
Seite  hin  eifrige  Bearbeitung,  bald  mit  mehr  bald  mit  weniger 
Selbständigkeit.  Doch  überwogen  weitaus  die  zur  Belustigung 
dienenden  Arten,  die  palliata,  Rhinthonica,  togata  (einschliess- 
lich der  trabeata  und  der  tabemaria),  der  mimus  (nebst  plani- 
pedia  oder  riciniata),  wozu  noch  kommen  die  Atellanen  in  ihrer 
zweiten  Gestalt.  Auf  der  ernsten  Seite  ist  neben  der  Tragödie 
nur  die  praetexta  zu  nennen. 

1.  Donat.  de  com.:  Fabiila  generale  uoiuen  est;  eios  dnae  primae  par- 
tes sunt  tragoedia  et  coraoedia.  Caesius  Ba.söUB  de  metr.  p.  2672  P.  zählt 
auf:  tragoedia,  praetextata,  comoedia,  tabernaria,  Atellana,  Rhinthonica, 
inimi.  Donatus  1.  1.:  comocdiaruni  forinae  sunt  tres:  palliatae,  graecnm 
habitnra  referentes,  togatac,  iuxta  formam  persouarum  habitnm  togaram 
desiderantes,  .  .  Atellanae  etc.  und:  comoedia  multas  species  habet:  aut 
enim  palliata  est  aut  togata  aut  tabernaria  aut  Atellana  aut  mimus  aut 
Rhinthonica  aut  planipedia.  (Euanth.)  de  trag,  et  com.:  illud  vero  tenen- 
dum  est,  post  vbctv  TitofMpd^av  Latinos  multa  fabularum  genera  protulisse, 
ut  togatas,  a  scenicis  atquo  argtunentis  latinis;  praetextas  .  .;  Atellanas,  .  .; 
Rhinthonicas,  ab  auctoris  nomine;  tabernarias,  ab  humilitate  argumenti  et 
stili;  mimos,  ab  diutuma  imitatione  vilium  rcrura  et  levium  personarum. 
Lyd.  de  magg.  I,  40:  j^  xcD/irodi'a  Tsiivitai  flg  intd,  eis  naXlidraVy  toyätav, 
'AzBXXdvriv,  taßfQvuQiccVy  'Pti^oiytxrjv,  nlavmföuQiav  xal  fK/tix^i». 

2.  üeber  sämmtliche  Gattungen  enthalt  werth volle  Nachrichten  (ge- 
mischt mit  verkehrten)  theils  Diomedes  ars  gramm.,  B.  III.  p.  484 — 489  P. 
=a  487 — 492  Keil,  theils  der  Aufsatz  de  tragoedia  et  comoedia,  wovon  die 
erste  Hälfte  den  Euanthius  zum  Verfasser  hat,  die  zweite  Hälfte  von  We- 
sterhov  als  fragmentum  Donati  (de  comoedia)  herausgegeben  ist;  das  Ganze 
abgedruckt  auch  in  Zeune's  Ausg.  des  Terenz,  I.  p.  XXV — XXXIV. 

13.  Die  Tragödie  verlief  beidenEömem  in  durchgängiger 
Abhängigkeit  von  den  Griechen.  Zwar  hätte  es  im  Charakter 
der  Römer,  ihren  Einrichtungen  und  ihrer  Geschichte  nicht  an 
Umständen*  gefehlt  welche  für  die  Hervorbringung.  einer  selb- 
ständigen tragischen  Poesie  günstig  gewesen  wären;  aber  die 
poetische  Kraft  zur  Gestaltung  solcher  Stoffe  war  bei  ihnen  doch 
nicht  vorhanden,  am  wenigsten  zu  der  Zeit  wo  erstmals  ihnen 
Tragödien  vorgeführt  wurden.  Diese  waren  Uebersetzungen  aus 
dem  Griechischen,  bei  Andronikus  noch  roh  gearbeitet,  mit  zu- 
nehmender Güte  und  Selbständigkeit  bei  Nävius,  Ennius,  Pacu- 

Tkuvfkl,  BOm.  lilteTfttnrgeschichic.  2.  Aufl.  2 


18  Sachlicher  Theil. 

vius,  Attius.  Gravitätisch  waren  diese  Tragiker  der  Republik 
alle,  in  Haltung  der  Charaktere  wie  Gedanken  und  Sprache,  nur 
dass  sie  bald  in  Schwulst  ausarteten,  bald  in  Trivialität  herab- 
glitten und  ihre  Verse  schwerfällig  bauten.  Dasselbe  dürfen 
wir  voraussetzen  von  den  Tragödien  des  Atilius,  C.  Titius,  C. 
Julius  Caesar  Strabo,  Varro,  Q.  Cicero,  Cassius  aus  Parma,  sowie 
wohl  auch  von  denen  des  Santra  und  des  Asinius  PoUio,  doch  so 
dass  Letzterer,  wie  es  scheint,  im  Stoffe  selbständig  war.  Die 
Verfeinerung  der  Technik  in  der  augusteischen  Zeit  wirkte  auch 
auf  die  Tragödie  und  zeigte  sich  gewiss  ebenso  in  des  L.  Varius 
Thyestes,  Ovids  Medea,  wie  bei  Gracchus  und  wohl  auch 
bei  Turranius,  Mam.  Scaurus,  Pomponius  Secundus,  unzweifel- 
haft in  den  Tragödien  des  Seneca.  Aber  in  demselben  Masse 
verzichteten  diese  Dichter  auf  populäre  Wirkung,  und  immer 
mehr  überwucherte  die  Phrase.  Unter  den  Tragödienschreibern 
der  späteren  Zeit  ist  nur  Curiatius  Maternus  von  einiger  Bedeutung. 

1.  Die  früheren  Sammlungen  der  fragmentarischen  Ueberreste  (zuletzt 
in  Bothe's  Poetae  scenici  latini)  sind  veraltet.  Tragicorum  latinorum  reli- 
quiae,  recensuit  0.  Ribbeck.  Lips.  1852  (mit  quaestiones  scenicae  und  einem 
Wörterverzeichniss).    Neue  Auflage  angekündigt 

2.  T.  Baden,  de  causis  neglectae  a  Romanis  tragoediae,  Götti.  1789. 
H.  Planck  vor  seiner  Ausg.  der  Medea  des  Ennius  (Götti.  1807.  4)  p.  9—66. 
G.  Köpke ,  Warum  sind  die  Römer  gegen  die  Griechen  im  Trauerspiel  zu- 
rückgeblieben ?  in  Seebodes  N.  Archiv  1826,  S.  146  —  161  und  vor  seiner 
Uebersetzung  des  Plautus.  A.  G.  Lange,  Vindiciae  tragoediae  rom.,  Lips. 
1822.  4  und  in  seinen  Vermischten  Schriften  (Leipzig  1832)  p.  15  ff.  W.Regel, 
virorum  doctorum  de  re  tragica  Rom.  iudicia  et<j.  Götti.  1834.  4  und:  res 
tragica  Rom.  retractata,  Lüneburg  1845.  4.  Th.  Ladewig,  Analecta  scenica, 
Neustrelitz  1848.  4.  Ganz  besonders  aber  F.  G.  Welcker,  die  griechischen 
Tragödien  u.  s.  w.  (Rhein.  Mus.  Suppl.  II,  3.),  Bonn  1841,  S.  1332—1484. 
Ueber  die  Tragödie  in  der  Kaiserzeit  auch  L.  Friedländer,  Sittengeschichte 
Roms  II«.    S.  308—314. 

3.'  Die  Zahl  der  uns  irgendwie  bekannten  Dichter  von  Tragödien  be- 
läuft sich  höchstens  auf  36;  die  der  Stücke  auf  höchstens  150  (vgl.  Ribbeck 
p.  435 — 437);  erhalten  sind  nur  die  des  Seneca.  Allgemeine  Beurteilung 
bei  Quintil.  X,  1,  97:  tragoediae  scriptores  veterum  Attius  atque  Paouvius 
clarissimi  gravitate  sententiarum,  verborum  pondere,  auctoritate  personarum. 
ceterum  nitor  et  summa  in  excolendis  operibus  manus  magis  videri  poiest 
temporibus  quam  ipsis  defuisse.  .  .  (98.)  iam  Varii  Thyestes  cuilibet  grae- 
carum  comparari  [?]  potest.  Ovidii  Medea  videtur  mihi  ostendere  quantum 
ille  vir  praestare  potuerit  si  ingenio  suo  imperare  quam  indulgere  maluisset. 
eorum  quos  viderim  longe  i>rincepB  f?]  Pomponius  Secundus. 

4.  Auch  die  Tragödie  bestand  aus  ruhigeren  und  bewegteren  Partien, 


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13.  Die  Tragödie.  19 

Dialog  und  GeBang,  diverbium  und  cautica.  Vgl.  Donat.  de  trag,  et  comoed.: 
diverbia  histnonee  pronuntiabant.  cantica  vero  temperabantur  modis  non 
a  poeta,  sed  a  perito  artis  musicae  f actis.  Der  Dialog  war  überwiegend  im 
iambischen  Senar  gehalten,  der  aber  in  der  republikanischen  Zeit  an  allen 
Stellen  ausser  der  letzten  sich  Spondeen  (bzhgsw.  Anapäste  und  Daktylen) 
gestattete  und  erst  von  der  augusteischen  Zeit  an  rein  gehalten  wurde. 
Die  cantica  zeigen  wenig  metrische  Manchfaltigkeit;  am  häufigsten  sind 
Anapäste  und  Kretiker,  daneben  troch.  und  iambische  Tetrameter,  auch 
daktylische  Verse.  Diese  wurden  von  der  tibia  begleitet  (Cic.  orat.  55,  184. 
de  or.  I,  60,  254.  Tusc.  I,  44,  107.  Hör.  Ep.  II,  3,  215;,  und  Geübtere 
konnten  schon  aus  der  Ouvertüre  des  tibicen  das  Stück  erkennen  welches 
gegeben  wurde  (Cic.  Acad.  pr.  II,   7,  20  vgl.  de  or.  111,  50,  196). 

5.  In  der  ciceronischcu  Zeit  kamen  durch  den  ausgezeichneten  Schau- 
spieler Aesopus  die  Tragödien  (bes.  des  Pacuvius  und  Attius)  sehr  in  Auf- 
nahme; 8.  z.B.  Cic.  p.  Sest.  56.  Fin.  V,  22,  63.  Tusc.  I,  44,  106.  Lael.  7,  24. 
Andere  tragoediannn  actores  sind  Rupilius  (Cic.  off.  I,  31,  114),  Catienus 
und  Fufius  (Hör.  S.  H,  3,  60  f.),  Apelles  (Suet.  Calig.  33),  Glyko  (Pers.  V, 
9),  Apollinaris  (Suet.  Vesp.  19). 

6.  Einen  Chor  in  der  Weise  der  Hellenen  können  die  Römer  schon 
darum  nicht  gehabt  haben  weil  bei  ihnen  die  orchestra  durch  den  Senat 
besetzt  war.  Chorische  Orchestik  ist  dadurch  ausgeschlossen,  nicht  aber 
zeitweiliges  Erscheinen  und  Zusammensingen  einer  Mehrheit  von  Schau- 
spielern (catervae  atque  concentus,  Cic.  de  or.  111,  50,  196;  vgl.  Columelhi 
XII,  2)  auf  der  Bühne,   deren  pulpitum   eben  darum  breiter  war  (Vitruv. 

V,  5).  Bei  den  älteren  römischen  Tragikern  ist  irgendwelche  Nachbildung 
der  Chorlieder  schon  deshalb  wahrscheinlich  weil  sie  überhaupt  Uebersetzer 
sind;  dazu  kommen  Titel  wie  Bacchae,  Eumenides  (vgl.  Cic.  p.  Rose,  Am. 
24,  66  f.  in  Pis.  20,  46),  Hellenes,  Myrmidones,  Phinidae,  Phoenissae, 
Stasiastae,  Troades,  sowie  zahlreiche  einzelne  Spuren.  So  setzt  die  Er- 
zählung von  Lucullus  bei  Hör.  Ep.  1,  6^  40  ff.  (vgl.  Plut.  Luculi.  39 :  ütgar- 
r^yov  noxB  q>i,XoTifiovfisvov  nsgl  9'sag  xal  X^Q^  ^^^^  TioGftov  altovfiBvov  nOQ 
(pvQag  xXaiivdccg)  einen  Chor  voraus.  So  sang  in  der  Ino  des  Andronikus 
choras  hymnum  Triviae  (Ter.  Maur.  1934),  war  im  Lycurgus  des  Nävius 
ein  Chor  von  Bacchae,  in  der  Iphigenia  des  Ennius  ein  chorus  (Gell.  XIX, 
10,  12),  ebenso  in  dessen  Medea  (fr.  14  =«  Eur.  Med.  1251  ff.);  bei  Pacuvius 
ein  stasimum  (Mar.  Vict.  p.  2522  P.)  und  in  Antiopa,  Chryses,  Niptra 
gleichfalls  Chorähnliches.    Einen  chorus  Proserpinae  erwähnt  Varro  L.  L. 

VI,  94.  Spärlicher  sind  die  betreffenden  Anzeichen  bei  Attius,  doch  deutlich 
in  den  Bacchae  und  im  Philocteta.  Auch  Pomponius  Secundus  (Ter.  Maur. 
1965  ff.  2135  ff.  Mar.  Vict.  p.  2564  P.)  und  Seneca  hätten  ihre  Chorpartien 
(zur  Markierung  der  Acte)  ohne  den  Vorgang  der  Aelteren  wohl  nicht 
gedichtet,  Horaz  (a.  p.  193  ff.)  nicht  so  ausführlich  über  die  Einrichtung  des 
Chors  gesprochen,  wenn  er  im  römischen  Drama  nicht  existiert  hätte.  Vgl. 
auchManil.  astr.  V,  486  von  einem  dexter  actor:  aequabit  choros  gestu.  Phädr. 
V,  7,  25  ff. :  tnnc  chorus  ignotum  modo  reducto  canticum  insonuit,  cuius  haec 
fuit  sententia:  Laetare,  incolumis  Roma,  salvo  Principe.  Vgl.  überhaupt 
Grysar,  über  das  canticum  und  den  Chor  in  der  römischen  Tragödie,  Wien 

2* 


20  Sachlicher  Theil. 

1855  =  Abhandl.  der  Wiener  Ak.  XV,  S.  365—423  (das  canticum  S.  367— 
383 ;  der  tragische  Chor  S.  384  —  403 ;  die  KitharÖden  und  die  cantores  tragoe- 
diarum  in  der  Kaiserzeit,  S.  403—423).     O.  Jahn,  Hermes  IT.  S.  227  —  229. 

14.  Die  national-römische  Tragödie  ist  die  (fabula)  prae- 
texta,  welche  in  Ermanglung  eines  einheimischen  Heroenmy- 
thus historische  Stoffe  behandelte  und  meist  von  solchen  Dichtem 
bearbeitet  wurde  welche  zugleich  Tragödien  (mit  griechischem 
Stoffe  und  nach  griechischen  Originalen)  verl'assten.  So  Nae- 
vius  (Clastidium;  Romulus),  Ennius  (Ambracia;  Sabinae  und 
Scipio?),  Pacuvius  (Paullus),  Attius  (Aeneadae,  s.  Decius;  Brutus), 
Baibus  ein  Iter  ad  Lentulum;  für  das  Lesen  Pomponius  Secundus 
einen  Aeneas^  Persius  einen  Restio  (Vescia?),  Curiatius  Matemus 
tnnen  Domitius  und  Cato,  ein  unbekannter  Dichter  (Oassius?)  einen 
Marcellus.  Auch  die  Octavia  gibt  sich  als  eine  praetexta. 
Form  und  Charakter  der  praetexta  war  der  TragJklie  nachge- 
bildet, und  nur  der  Ton,  entsprechend  dem  Stoffe,  etwas  weniger 
hoch  gehalten. 

1.  Die  Fonn  praetexta  haben  Asinius  Pollio  (bei  Cic.  Farn.  X,  32,  3. 
5),  Horatius  (Ep.  II,  3,  288),  Probns  (vita  Persii,  p.  237  Jahn),  Festiis 
(p.  223  vgl.  p.  352,  a.  M.);  die  Bezeichnung  als  praetcxtata  ist  bei  den  spü- 
teren  Grammatikern  die  vorherrschende. 

2.  Diomedes  p.  487  P.  ==  489,  24  if.  K.:  prima  species  est  togatarani 
(nationale  Dramen)  quae  praetextatac  dicnntur,  in  qnibus  imperatonim 
negotia  agebantur  et  publica  et  reges  romani  vel  duces  inducuntur,  per- 
äonarum  dignitate  et  sublimitate  tragoediis  similes.  praetextatac  autem 
dicuntur  quia  fere  regiim  vel  magistratuum  qui  praetexta  utuntur  in  eius- 
niodi  fabulis  acta  comprehenduntur.  (Vgl.  praetextati  in  magistratibus,  in 
.sacerdotiis,  bei  Liv.  XXXIV,  7.  Auch  Non.  Marc.  p.  541:  x>raetexta,  insigne 
romanum,  quod  supra  tunicas  honorati  quique  sumuut.)  Diomed.  p.  490, 
10  fF.  K.:  togata  praetextata  a  tragoedia  differt,  quod  in  tragoedia  heroes 
inducuntur, . .  in  praetextata  autem  .  .  Brutus  vel  Decius,  item  Marcellus  (vel 
Africanus  et  his  similia,  fügt  Bhabanus  Mauras  bei,  Opera  L  p.  47  ed. 
Colon.  1627).  Manil.  astr.  V,  483:  (dexter  actor)  magnos  heroas  aget  civis* 
que  togatos.  Donatus  de  comoedia:  tragoedia,  si  latina  argumentatio  sit, 
praetextata  dicitur.  Euanth.  de  trag,  et  com.:  praetextatas ,  ab  dignitate 
personarnm  et  latina  historia.  Lydus  de  magg.  I,  40:  ^  tQayatSia  xBpLVBxai 
flg  Tt^niSatccv  xal  TCQaiTe^tdtav'  av  rj  ^hv  TiQTimddta  ilXrjvi'Kas  ^%u  vno- 
&iasLg,  7}  Sh  nQans^zdta  ((otiaXTidg.  Daher  kann  Tacitus  dial.  2  (vgl.  Plaut. 
Amphitr.  prol.  41,  93.  Capt.  62)  den  Cato  des  Curiatius  Maternus  (ungenau) 
als  tragoedia  bezeichnen.  Die  praetextae  meint  mit  seinen  togatae  Sen.  Ep. 
1,  8,  8;  8.  unten  17,  1.  Aufführung  der  praet.  vielleicht  bei  ludi  trium- 
phales (G.  Röper). 

3.  Sammlung  der  Ueberreste  bei  J.  fl.  Neukirch,  fab.  tog.  p.  71  —  95 


14  f.  Die  Prätexta.    Die  Palliata;  ihre  Geschichte.  21 

undBibbeck,  trag.  p.  235-— 240,  vgl.  p.  348— 351.    F.  G.  Welcker,  diegriech. 
Tragödien  (1841)  S.  1344—1347.  1388  flf.  1402  f. 

15.  Unter  den  Arten  der  Komödie  (vgl.  12)  ist  die  früheste 
die  palliata^  d.  h.  die  mit  griechischem  StoflFe  und  nach  grie- 
chischen Originalen^  insbesondere  der  neuen  attischen  Komödie^ 
gearbeitete.  Sie  beherrscht  das  ganze  sechste  Jahrh.  d.  St.  Zu 
ihr  gehören  Andronikus,  Naevius,  Plautus,  Ennius,  Trabea^  Ati- 
lius,  Licinius  Imbrex,  Juventius,  Statins  Caecilius,  Luscius  La- 
nuvinus,  Terentius,  Plautius,  Turpilius.  Diese  Namenfolge  stellt 
einerseits  einen  Fortschritt  dar  in  Verfeinerung  der  äusseren 
Form,  andererseits  eine  Abnahme  der  Selbständigkeit  gegenüber 
von  den  griechischen  Originalen.  Die  altem  Palliatendichter 
suchten  durch  allerlei  Zuthaten,  locale,  zeitliche,  vergröbernde, 
die  Stücke  dem  Geschmacke  ihres  Volkes  anzupassen;  die  spä- 
teren, wie  Terenz,  verschmähten  diess,  verloren  aber  darüber 
die  Fühlung  mit  dem  Volke,  das  sich  lustigeren  Gattungen  zu- 
wandte, den  togatae,  Atellanen  und  mimi.  In  Folge  dessen  er- 
losch die  Hervorbringung  von  Palliaten  und  musste  die  Bühne, 
wenn  sie  solche  aufführen  wollte,  auf  die  ältßre  Literatur  zurück- 
greifen. So  erhielten  sich  besonders  die  Stücke  des  Plautus  und 
Terenz  bis  in  die  Kaiserzeit  hinein  auf  der  Bühne.  Was  in 
letzterer  Zeit  selbst  Derartiges  hervorgebracht  wurde,  wie  von 
Vergilius  Romanus  und  M.  Pomponius  B^ssulus,  blieb  auf  enge 
Kreise  beschränkt  und  ohne  Wirkung. 

1.  Diomed.  III.  p.  486  f.  P.  =s  489,  18  E.:  graecas'  fabulas  ab  habitu 
palliatae  Varro  alt  nominari.  Vgl.  Plaut.  Cure.  II,  3,  9:  isti  Graeci  pal- 
liati  etc.  Pallium  graecanicum  (Suet.  Dom.  4)  «r  tfidtiov  BlXrjviTiov  (Lukian. 
merc.  cond.  25).  Vgl.  Sen.  controv.  IX,  26,  13:  cum  latine  declamavcranl, 
toga  posita,  sumpto  pallio,  .  .  graece  declamabant.  Auch  wurde  die  Pal- 
liata schlechtweg  comoedia  genannt  und  ihre  Dichter  comici.  Vgl.  Bitschi, 
Parerga  S.  189.  So  Diomed.  IIL  p.  488  P.  =  490,  14  ff.  K.:  togata  taber- 
naria  a  comoedia  differt,  quod  in  comoedia  graeci  ritus  inducuntur  perso- 
naeque  graecae  .  .,  in  illa  vero  latinae.  .  .  Terentius  et  Caecilius  comoedias 
Bcripserunt.  So  nennt  Qnintil.  XI,  3,  178  als  maximos  actores  comoediarum 
seiner  Zeit  den  Demetrius  und  Stratokies,  wo  die  nähere  Beschreibung  und 
182  zeigt  dass  Palliaten  gemeint  sind.  Ebenso  Fronto  Ep.  p.  54  und  211  N. 
(comoedias,  ateUanaa).   106  (sententias  comes  ex  comoedis)  u.  A. 

2.  Die  alte  attische  Komödie  war  zu  eng  mit  ihrer  Zeit  verwachsen 
als  dass  sie  für  eine  andere  Nation  und  Zeit  zur  Nachbildung  sich  geeignet 
hätte;  die  mittlere  aber  ist  eine  blose  Uebergangsform.  Dagegen  die  neue 
war  zeitlich  die  nächste,  im  sechsten  Jahrh.  d.  St.  allein  noch  auf  der 
Bühne,  und  durch  ihre  typische  Charakterzeichnung  und  allgemein  mensch- 


22  Sachlicher  Theil. 

liehe  Haltung  vorzugsweise  für  die  Uebertragung  auf  fremden  Boden  ge- 
eignet. Innerhalb  derselben  besonder»  Menander,  dann  auch  Diphilos,  Plii- 
lemon.  Andere  bei  Gell.  II,  23,  1:  comoedias  lectitamus  nostrorum  poeta- 
rum  sumptas  ac  versas  de  Graecis,  Menandro  aut  Posidippo  aut  ApoUodoro 
aut  Alcxide  et  quibusdam  item  aliis  comicis.  UQiatofisvTjs  6  'Mrjvaiog,  .  . 
vTtoTiQitqg  trig  d^xotiag  inofjbaidiag,  dnelsvd'sgog  tov  ßaatkicog^Adgiarov^Aihen^. 
'  III.  p.  115  B.)  spielte  sicher  in  griechischer  Sprache.  Bugge,  causas  non- 
nuUas  ueglectae  apud  Romanos  comoediae  Graecorum  veteris  et  mediae  ex 
ipsa  civitatis  romanae  forma  eruere  conatus  est,  Christiania  1823. 

3.  Ueber  den  Untergang  der  pall.  in  der  Eaiserzeit  M.  Aurel.  comin. 
XI,  6:  Tj  via  nrnfKodüc  ngbg  xt  notB  nagsiXrjntai  ^  xar*  oXiyov  Inl  xriv  f% 
f.u(irj<SLccg  q>dozBxviav  vnsQQvrj;  Wohl  blose  Stilöbung  war  der  Versuch  des 
Surdinus,  ingeniosus  adolescens  (in  der  augusteischen  Zeit),  a  quo  graeciic 
fabulae  elegant>er  in  sermonem  latinum  conversae  sunt  (Sen.  suas.  7,  12.  p. 
43  f.  Bu.).  Comoedias  audio  bei  Plin.  Ep.  V,  3,  2  ist  wohl  von  recitierten 
(wie  des  Vergilius  Romanus)  zu  verstehen. 

4.  Wunderliche  Location  der  Palliatendichter  (Caecilius  Statius,  Plau-^ 
tu8,  Naevius,  Licinius,  Atilius,  Terentius,  Turpilius,  Trabea,  Luscius,  Eunius) 
von  Volcatius  Sedigitus  bei  Gellius  XV,  24.  Vernunft  darein  zu  bringen 
bemühte  sich  vergeblich  Th.  Ladewig,  über  den  Kanon  des  Volc.  Sed.  Neu- 
strelitz  1842.  4.  Vgl.  Ritschi  in  ReifFerscheids  Sueton  p.  501  f.  H.  Iber,  de 
Volcati  Sedigiti  canone,  Münster  1865.    48  pp. 

5.  Die  Ueberreste  der  Palliatendichter  (ausser  Plautus  und  Terenz) 
in  Bothe's  Poetae  scenici  lat.  und  bes.  bei  0.  Ribbeck,  Comicorum  latiuo- 
rum  .  .  reliquiae  (Lips.  1855),  p.  3—112.  Zur  Textkritik  vgl.  Th.  Bergk  in 
Fleckeisens  Jahrbb.  1870,  S.  823—846. 

16.  Aus  der  neuen  Komödie  nahm  die  palliata  nicht  blos 
Handhmg,  Charaktere,  Oekonomie  und  äussere  Form  sondern 
auch  die  Blasiertheit  und  den  sittiichen  Nihilismus  und  hat  da- 
durch zur  Lockerung  der  Sitten  Roms  nicht  wenig  beigetragen. 
Insbesondere  der  Prolog,  Epilog  und  auch  wohl  die  Eintheilung 
in  Acte  stammt  aus  den  attischen  Vorbildern.  Da  die  Palliata 
einen  Chor  so  wenig  kennt  wie  die  neue  Komödie,  so  zerfällt  das 
einzelne  Stück  in  Dialogpartien  (diverbia)  und  Monodien  (cantica). 
In  jenen  haben  die  Palliatendichter  mit  Rücksicht  auf  ihr  Publi- 
cum, die  Redseligkeit  ihrer  Originale  gekürzt  und  dafür  die 
Handlung  vermehrt,  namentlich  durch  das  Mittel  der  Con- 
tamination,  zumal  da  sie  in  der  Zahl  der  Schauspieler  sich  we- 
niger beschränkt  sahen  als  ihre  Vorbilder.  Der  Dialog  ist  meist 
im  iambischen  Senar  gehalten,  für  die  cantica  sind  (ausser  Sep- 
t^naren)  Kretiker  und  Bacchien  besonders  häufig,  letztere  ver- 
hältnissmässig  streng,  die  Senare  in  prosodischer  Hinsicht  mit 
zahlreichen    und   starken   Zugeständnissen    an   die   volksmässige 


lö  f.  Nähere  Charaktoristik  der  Palliata.  23 

Aussprache.  Der  Vortrag  der  cantica  wurde  von  der  tibia  be- 
gleitet. Masken  hatten  die  Schauspieler  erst  seit  der  Zeit  des 
Terenz. 

1.  Ueber  das  Verhältniss  der  palliata  zur  neuen  Komödie  s.  besondere 
MoinmBen  R.  G.  P.  S.  883 — 885  und  W.  Hertzberg  vor  seiner  Uebersetzung 
plautinischer  Stücke  (Stuttgart  1861)  S.  IX— XXXil.  Die  Charaktere  beider 
Gattungen  sind:  geizige  Väter,  leichtsinnige  Söhne,  listige  Sklaven,  geld- 
und  liebesüehtige  Hei&ren,  plumpe  und  aufschneiderische  Eriegsmänner, 
hungerleiderische  Parasiten,  lauter  Symptome  einer  überreifen,  der  Fäulniss 
nahen  oder  schon  darein  übergegangenen  Cultur.  Manil.  astr.  V,  472  ff. 
(ardentis  iuvenes  raptasque  in  amore  puellas  elusosque  senes  agilesquc  per 
omnia  servos).  Apulej.  Flor.  III,  16  (p.  20,  17  ff.  Kr.):  et  leno  periurus  et 
amator  fervidus  et  servulus  callidus  et  amica  illudens  et  uxor  inhibens  et 
mater  indulgens  et  patruus  obiurgator  et  sodalis  opitulator  et  miles  proe- 
liator,  sed  et  parasiti  edaces  et  parentes  teuaces  et  meretrices  procaces. 
Isidor.  Orig.  XVIII,  46:  comoedi  sunt  qui  privatorum  hominum  acta  dictis 
ac  gestu  canebant  atque  stupra  virginum  et  amores  meretricum  in  suis 
fabulis  exprimebant. 

2.  Euanth.  de  tr.  et  com.:  comoediae  aut  motoriae  sunt  aut  statariao 
aut  mixtae.  motoriae  (sunt)  turbulentae,  statariae  quietiores,  mixtae  ex 
utroque  actu  consietentes.  Dabei  fallen  die  plautinischen  so  ziemlich  alle 
den  motoriae  zu,  von  Terenz  die  meisten  den  mixtae,  Phormio  den  moto- 
riae, Hautontim.  den  statariae  (Haut.  prol.  36).  Darnach  auch  die  Schau- 
spieler (vgl.  Donat.  zu  Ter.  Ad.  prol.  24  nebst  Quintil.  XI,  3,  178)  und 
weiterhin  die  Redner  (Cic.  Brut.  30,  116.  68,  239)  in  statarii  und  motorii 
eingetheilt. 

3.  Diomedes  III.  p.  489  P.  »  491 ,  29  f.  K. :  latinae  comoediae  chorum 
non  habent,  sed  duobus  membris  tantum  constant,  diverbio  et  cantico. 
primis  autem  temporibus,  sicuti  adserit  Tranquillus,  omnia  quae  in  scena 
versantur  in  comoedia  agebantur.  uam  et  pantomimus  et  pjthaules  et 
choraules  in  comoedia  canebant  (der  pantomimus  wohl  in  Folge  der  Schei- 
dung von  Gesang  und  Action;  vgl.  Liv.  VII,  2,  10:  inde  ad  manum  cantari 
histrionibus  coeptum  diverbiaque  tantum  ipsorum  voci  relicta).  Allmählich 
aber  habe  sich  eine  Sonderung  von  histriones  (actores  comoediarum),  mimi 
und  tibicines  vollzogen. 

4.  Diomed.  III.  p.  491,  23  ff.  K.:  personae  diverbiorum  aut  duae  uta 
tres  aut  raro  quattuor  esse  debent,  ultra  augere  numerum  non  licet,  in 
canticiB  autem  una  tantum  debet  esse  persona  aut,  si  duae  fuerint,  ita  esse 
debent  ut  ex  occulto  una  audiat,  nee  conloquatur,  sed  secum  .  .  verba 
faciat.  Dass  drei  als  die  Normalzahl  der  zu  verwendenden  actores  auch 
bei  den  Palliatendichtern  galt  ist  an  sich  wahrscheinlich  und  erhellt  für 
die  spätere  Zeit  aus  Martial  VI,  6 :  comoedi  tres  sunt,  sed  amat  tua  Paula, 
Luperce,  quattuor:  et  Ttoatpov  Paula  TtQoaamov  amat.  Indessen  waren  die 
Aedilen  der  Bepublik  weniger  auf  das  Sparen  bedacht  als  die  Choregen 
Athens  und  bewilligten  den  Dichtern  auch  mehr  Schauspieler;  und  so  ist 
unter  den  plautinischen  Stücken  nur  bei  zweien  (Cist.  und  Stich.,   beide 


24  Sachlicher  Theil. 

jedoch  unvollständig  erhalten)  allenfalls  mit  drei  Schauspielern  auszukom^ 
«men,  vier  aber  (Capt.,  Epid.,  Merc,  Pseud.)  erfordern  mindestens  vier,  zehn 
mindestens  fünf  Schauspieler,  Poenulus  und  Rudens  aber  sechs;  von  den 
terenzischen  machen  Haut,  und  Hec.  5,  Ad.  und  Phorm.  6  Schauspieler  noth- 
wendig,  Andr.  und  £un.  sogar  noch  mehr.  Nicht  einmal  in  dem  engeren 
Sinne  worin  Horaz  (Ep.  II,  3,  192)  vor  Scenen  mit  mehr  als  drei  redenden  j 

Personen  warnt  beschränken  sich  die  Palliatendichter ;   s.  die  Aufzählung  j 

bei  F.  Schmidt  S.  4,  A.  1.    Diomed.  III.  p.  488  P.  ="491,  2  f.  K.:  at  latini  ' 

scriptores  complures  personas  in  fabulas  introduxerunt,  ut  speciosiores  fre-  j 

quentia  facerent.  Ps.  Ascon.  zu  Cic.  div.  in  Caec.  48  (p.  119  Or.):  latinae 
fabulae  per  pauciores  agebantur  personas  (als  die  Palliaten),  ut  Atellanae, 
togatae  et  huiusmodi  aliae.  Fr.  Schmidt,  über  die  Zahl  der  Schauspieler 
bei  Plautus  und  Terenz  und  die  Vertheilung  der  Rollen  unter  dieselben. 
Erlangen  1870.  58  S. 

5.  G.  Hermann,  de  canticis  in  Rom.  fabb,  scenicis,  Opusc.  I.  p.  290  fF. 
G.  A.  B.  Wolff,   de   canticis  etc.    Halle  1824.    4.     Grysar  (s.  oben  13,  6). 

.  Uebrigens  gibt  es  auch  Komödien  ohne  cantica,  wie  Plaut,  mil.  glor. ,  Perea, 
vielleicht  auch  Epidicus.  Spuren  synodischer  (mehrstimmiger)  cantica  Rud 
II,  1  (piscatores)  und  bes.  am  Schlüsse  der  Captivi;  vgl.  auch  ib.  II,  1. 
Daher  in  den  glossae  Salomonis  die  Behauptung:  apud  Romanos  quoquc 
Plautus  comoediae  choros  exemplo  Graecorum  inseruit  (Rhein.  Mus.  XXII. 
S.  446).  Musikbegleitung  tibiis  paribus  aut  imparibus  aut  sarranis,  wor- 
über z.  B.  Diomed.  p.  492,  10  ff.  K.  Varr.  R.  R.  I,  2,  15:  dextera  tibia 
alia  quam  sinistra,  ita  ut  tamen  sit  quodam  modo  coniuncta,  quod  est  al- 
tera eiusdem  carminis  modorum  incentiva,  altera  succentiva.  Donat.  de 
comoed.  s.  f.,  praef.  Eun.  u.  Adelph.,  wo:  modulata  est  tibiis  «lextris,  i.  e. 
Lydiis,  ob  seriam  gravitatem,  qua  fere  in  omnibus  comoediis  utitur  hie 
poeta  (Ter.),  saepe  tamen  mutatis  per  scenam  modis  cantica  mutavit, 
quod  significat  titulus  scenae,  habens  subiectas  personis  litteras  M.  M.  C. 
(mutatis  modis  cantici).  Sinistris  (oder  sarranis),  mit  hellerem  Ton,  also 
bei  minder  ernsten  Partien.  Der  Ausdruck  tibiae  pares  wird  gewöhnlich 
erklärt:  mit  lauter  dextrae  oder  sinistrae  (impares  =  dextrae  und  sinistrae), 
wobei  aber  die  Angabe  ob  dextrae  oder  sinistrae  zu  erwai^ten  wäre;  -s.  K. 
Dziatzko,  Rhein.  Mus.  XX.  S.  594—597.  Vgl.  Grysar  a.  a.  0.  S.  376—378. 
E.  V.  Bruner,  quaestiones  terentianae  (1868)  p.  1  —  79  (de  canticis  et  tibiis 
fabularum  Ter.). 

6.  In  der  alten  attischen  Komödie  und  wohl  auch  noch  der  mittleren 
wurden  die  Pausen  in  der  Handlung  durch  Chorlieder  bezeichnet  und  aus- 
gefüllt, in  der  neuen  wohl  schon  durch  den  avXrjtjjg.  Frühestens  in  letzterer 
kann  daher  die  Eintheilung  in  Acte  aufgekommen  sein,  wie  denn  auch  bei 
Aristoteles  sich  noch  nichts  Derartiges  findet.  Die  Theorie  derselben 
scheint  von  den  Alexandrinern  aufgebracht  worden  zu  sein.  Schon  Varro 
schrieb  de  actibus  scenicis,  und  vorausgesetzt  ist  diese  Eintheilung  bei  Varro 
(R.  R.  I,  26  quartus  actus;  II,  5,  2  secundus  actus;  III,  17,  1  tertius  actus) 
und  Cic.  ad  Qu.  fr.  I,  16,  46:  ut  hie  tertius  annus  imperii  tui  tamquam 
tertius  actus  perfectissimus  atque  ornatissimus  fuisse  videatur  (vgl.  Apul. 
Flor.  16,  64.  p.  132  Bip.:  cum  iam  in  tertio  actu,  quod  genus  in  comoedia 


16.  Nähere  Charakteristik  der  Palliata.  25 

fieri  amat,  iucundiores  affectua  moveret),  noch  unmittelbarer  in  Horatius' 
Begel  (Ep.  II,  3,  189):  neu  sit  quinto  productior  actu  fabula.  Doch  können 
die  ursprünglichen  Handschriften  des  Plantus  und  Terenz  noch  keine  Ein- 
theilung  in  Acte  enthalten  haben,  und  auch  in  den  auf  uns  gekommenen 
Handschriften  ist  noch  keine  Spur  davon.  Donat  klagt  wiederholt  über  die 
Schwierigkeit  dieser  Eintheilung  (vgl.  Euanth.  de  tr.  et  com.:  postremo  ne 
locum  quidem  reliquerunt  choro,  quod  latini  fecerunt  comici^  unde  apud  illos 
dirimere  actus  quinquepartitos  difficile  est),  und  auch  die  nicht  seltene  Un- 
zweckmässigkeit,  wo  nicht  Unrichtigkeit,  der  überlieferten  beweist  ihren  spä- 
teren Ursprung.  Im  Allgemeinen  s.  Donatus  arg.  Andr.:  est  attente  animad- 
vertendum  ubi  et  quando  scena  vacua  sit  ab  omnibus  personis,  ut  in  ea  chorus 
(in  der  Tragödie)  vel  tibicen  (in  der  Komödie)  audiri  possit;  quod  quom  videri- 
mus,  ibi  actum  esse  finitum  debemus  agnoscere.  Fünf  Acte  als  Maximum 
setzt  auch  Donaths  Regel  (ib.):  nullam  personam  egressam  quinquies  ultra 
exire  posse.  Diese  vertheilen  sich  gewöhnlich  in  der  Weise  dass  der  erst« 
die  Auseinandersetzung  (nQoraai.g)  enthält,  in  Act  II  bis  IV  der  Knoten 
geschürzt,  die  Verwicklung  herbeigeführt  wird  {inCtaoig),  worauf  dann  im 
fünften  die  Lösung  erfolgt  (xaraffT^o^r)).  Vgl.  G.  A.  B.  Wolff,  de  actibns 
apud  Plautum  et  Terentium,  Guben  1814.  4.  Ritschi,  Opusc.  philol.  II. 
S.  354  —  365.  (Rhein.  Mus.  IV.  S.  597  —  607.  VI.  S.  518  f.)  K.  F.  Her- 
mann, de  Ter.  Adelphis,  Jahns  Jahrbb.  Suppl.  VI.  p.  71  ff.  G.  Schmitz, 
de  actoum  in  Plautinis  fabulis  descriptione,  Bonn  1852.  E.  v.  Bruncr, 
quaest.  terent.  (1868)  p.  20—31. 

7.  Die  Eintheilung  in  Scenen  findet  sich  in  allen  Handschriften  des 
Plaut4is  und  Terenz  regelmässig,  da  Namenüberschriften  der  jedesmal 
sprechenden  Personen  unentbehrlich  waren.  Die  sprechenden  Personen 
werden  hier  meist  durch  Buchstaben  (A,  B  u.  s.  w.)  bezeichnet,  der  tibicen, 
als  letetsprechend,  durch  oo.  Ritschi,  Rhein.  Mus.  IV.  S.  356  f.  607  —  610 
=  Opuflc   philol.  IL  S.  294  f.  366—368. 

8.  Der  Prolog  enthielt  der  Regel  nach  die  Darlegung  des  Inhalts  des 
nachfolgenden  Stückes  (Ter.  Andr.  prol.  5  if.),  wurde  aber  auch,  wie  die 
Paiabase  in  der  alten  Komödie,  zur  Erörterung  persönlicher  Anliegen  des 
Dichters  benützt.  Euanth.  de  tr.  et  com.  unterscheidet  daher  vier  Arten: 
üvotaxiTiLog^  commendaticius;  afaqpo^txd^,  relativus;  v^ro^erixo^,  argn- 
mentarias;  fMXTOg,  mixtus.  Vorgetragen  wurde  der  Prolog  uncostümiert 
(sine  omamentis,  Plaut.  Poen.  prol.  123,  =  ornatu  prologi,  Ter.  Hec.  prol. 
B,  1)  von  einem  Schauspieler  der  nicht  gleich  zu  Anfang  des  ersten  Acts 
aufzutreten  hatte  (ümkleidung,  Poen.  prol.  126;  Ausnahmen  bei  Ritschi 
Parerg.  p.  19)  oder  vom  dominus  gregis  (wie  bei  Terenz  öfters).  Doch 
steht  er  nicht  immer  vor  dem  ersten  Act  (Plaut,  mil.  II,  1.  Cist.  I,  3; 
vgl.  Donat.  praef.  zu  Ter.  Phorm.  a.  E.)  und  kann  auch  überhaupt  fehlen 
(Plaut.  Cure.).  Für  neue  Aufführungen  eines  Stückes,  auch  nach  dem  Tode 
des  Verfassers,  wurden  neue  Prologe  gedichtet;  die  erhaltenen  zu  plautini- 
Bchen  Stücken  sind  grösstentheils  von  dieser  Art  und  meist  von  unleid- 
licher Breite  und  Geschmacklosigkeit;  s.  Ritschi,  Parerga  S.  209  ff.  225  ff. 
233  ff.  und  unten  %,  98. 

9.  Die  stehende  Form  des  Epilogs  ist:  plaudite.   Vgl.Menand.fr.  831: 


26  Sachlicher  Theil. 

f^aQocvxfg  fTrix^orrjarfTf  mit  Plaut.  Truc.  SchlusB:  plaudite  atqne  exsuTgit«. 
Auch  8.  Quintil.  VI,  1,  52:  illud  quo  veteres  tragoediae  comocdiaeque 
cluduutur,  Plodite.     Hör.  Epi.  II,  3,  156  u.  a. 

10.  Als  Ersatz  für  vorgenommene  Kürzungen  des  Originals  und  zur 
Erhöhung  der  stoftlichen  Anziehungskraft  eines  Stücks  nahmen  schon  Ka^- 
vius,  Plautus,  Ennius  und  nach  deren  Vorgang  auch  Terenz  (Andr.  prol. 
18  ft.)  aus  einem  griechischen  Stücke  verwandten  Inhalts  einzelne  Scenen 
in  das  von  ihnen  bearbeitete  herüber,  was  Luscius  tadelnd  contaminarc 
nannte;  s.  Andr.  prol.  16.  Haut.  prol.  16  ff. 

1 1 .  Die  nQoacDTca  n^otatiKct  dienen  vorzugsweise  zur  Erleichterung  der 
Exposition,  s.  Donat.  arg.  Andr.:  pei'soua  protatica  intelligitur  quac  semel 
iuducta  in  princiino  fabulae  in  nullis  deiuceps  fabulae  partibus  adhibetur. 
Euauth.  de  trag,  et  com.:  n^oxatiHct  ngoamna,  i.  c.  personas  extra  argu- 
mentum arcessitas ,  uon  facilc  ceteri  habent  (doch  Plautus  im  Miles  den 
Artotrogus);  quibus  Tereutius  saepe  (in  Andr.  und  Eun.)  utitur,  ut  per 
harum  inductiones  facilc  pateat  argumentum. 

12.  Masken.  Diomed.  III.  p.  486  P.  =  489,  10  fl\  K.:  antea  galearibus, 
non  pcrsonis,  utebantur,  ut  qualitas  coloris  indicium  faceret  aetatis,  cum 
obsent  aut  albi  (Greise;  vgl.  albicapillus,  Plaut.  Mil.  631.  Bacch.  1101; 
dazu  langer  Bart  und  Stock,  Plaut.  Menae.  854.  856)  aut  nigri  (Jünglinge; 
buhlerische  zugleich  gelockt,  cincinnati,  vgl.  Plaut.  Mil.  923)  aut  ruti 
(Sklaven),  persouis  vero  uti  primus  coepit  Roscius  Gallus,  praecipuus 
histrio,  quod  oculis  perversis  erat  nee  satis  decorus  sine  personis  nisi  para- 
»itus  pronuntiabat.  Dagegen  Donat.  de  comoed.:  personati  primi  egisse 
dicuntur  comoediam  Cincius  Faliscus,  tragoediam  Minucius  Prothymuts, 
welcher  Letztere  auch  in  den  Adelphi  mitwirkte.  Dazu  Donat.  praef.  zu 
Ter.  Ad.:  haec  acta  est  .  .  agentibus  L.  Ambivio  et  L.  .  .,  qui  cum  suis 
gregibus  iam  tum  personati  agebant.  Aber  der  Phormio  z.  B.  wurde  noch 
ohne  Masken  aufgeführt,  wie  I,  4,  32  ff.  =  210—212  zeigt.  Einmal  einge- 
führt, scheint  das  Tragen  von  Masken  fortwährend  die  Regel  geblieben  zu 
sein;  wenigstens  erhellt  dies  aus  Stellen  wie  Cic.  de  or.  III,  69,  221:  in 
ore  sunt  omuia.  .  .  personatum  ne  Roscium  quidem  magnopere  laudabant 
(nostri  senes),  sowie  aus  dem  cogi  in  scena  ponere  personam,  quod  ceteris 
histrionibus  (ausser  den  Atellaui)  pati  necesse  est  (Fest.  p.  217  M.);  auch 
wird  seitdem  an  den  actores  comoediarum  (im  Unterschied  von  den  minii 
=  artifices  scenici,  bei  Sen.  Ep.  I,  11,  7)  nur  die  Stimme,  der  Vortrag  und 
die  Action  als  charakteristisch  hervorgehoben,  wie  bei  Quintil.  III,  8,  51. 
XI,  3,  178. 

13.  Als  actores  comoediarum  kennen  wir  aus  der  Zeit  des  Plautus 
einen  (C.  Publilius)  Pollio  (Ritschi,  Parerga  S.  250.  256.  261  f.  392),  aus 
der  des  Terenz  dui-ch  Donatus  und  die  Didascalien  ausser  den  in  Anm.  12 
Genannten  besonders:  (L.)  Ambivius  Turpio,  L.  Atilius  aus  Präneste  (im 
Bembinus  zu  Hec:  L.  Ambivius,  L.  Sergius  Turpio ;  zu  Ad.:  L.  Hatilius 
Praenestinus,  L.  Ambibius  Turpio);  aus  der  des  Quintilian:  Stratocles  und 
Demetrius  (I.  0.  XI,  3,  178). 

17.    Togatae   im   weiteren  Sinne  heissen  theils  alle   nicht 


17.  Die  Togata.  27 

den  Griechen  nachgebildeten,  Bondern  ursprünglich  italischen 
Dramen,  mag  darin  die  Toga  mit  Verbrämung  (praetexta  und 
trabeata)  oder  ohne  solche  die  Tracht  der  agierenden  Personen 
bilden.  Im  engern  Sinne  aber  bezeichnet  togata  diejenige  na- 
tionale Dramengattung  worin  Leute  in  der  einfachen  Toga,  tog- 
ati,  auftraten.  Später  wurde  dafür  der  Name  tabernaria 
häufiger.  Diese  togata  stellt  das  Treiben  der  unteren  Stände 
ßonis  dar,  hat  in  Folge  dessen  einen  derberen  Ton  als  die  pal- 
liata,  zugleich  jedoch  mehr  Frische  und  wahres  Leben.  Lisbe- 
sondere  aber  hat  sie  vor  jener  den  ganzen  Begriff  der  Familie 
voraus:  das  weibliche  Geschlecht  spielt  darin  eine  unvergleichlich 
bedeutendere  Rolle  als  in  der  palliata,  wogegen  die  Sklaven  zu- 
rücktreten. Zeitlich  begrenzt  ist  die  togata  einerseits  durch  die 
überfeinerte  Palliata  (Terenz),  andererseits  durch  die  kunstmässige 
Atellane  und  den  Mimus.  Ihre  Hauptdichter  sind  Titinius, 
Quintius  Atta  und  L.  Afranius,  alle  aus  der  Zeit  von  585  bis 
675  d.  St.  Durch  Afranius  wurde  die  togata  in  höhere  Kreise 
der  Gesellschaft  gehoben,  Oekonomie  und  Ton  der  palliata  in 
:>ic  eingeführt,  auch  wohl  griechische  Stücke  für  seine  Zwecke 
benützt,  und  dadurch  eine  Art  Mittelgattung  geschaffen,  die  aber 
mit  ihm  erlosch.  Noch  in  der  Kaiserzeit  wurden  Togaten  (des 
Afranius)  aufgeführt,  aber,  dem  Zeitgeschmacke  gemäss,  mit 
Einmischung  von  Pantomimik. 

1.  Zu  den  togatae  im  weitesten  Sinne  des  Wortes  (als  einem  generale 
Domen)  recbnet  Diomedes  III.  p.  486  f.  P.  =  489  f.  K.  a)  praetextatae, 
b)  togatae  =*  tabernariae,  c)  Atellanae,  d)  planipedes,  und  definiert  sie: 
quae  [scriptae  sunt  secundum  ritus  et  habitum  hominum  togatorum,  i.  e. 
Romanoram.  In  diesem  Sinne  nmfasst  togata  auch  die  von  Diomedes  über- 
gangene trabeata,  freilich  eine  blos  vorübergehende  und  wenig  bedeu- 
tungsvolle Erscheinung,  vorzugsweise  dem  Ritterstande  gewidmet,  dessen 
ijpecifische  Tracht  die  trabea  war  (Pers.  III,  29.  Dio  LVI,  31),  und  einzig 
auf  der  Person  des  Freigelassenen  von  Mäcenas,  C.  Melissus,  beruhend. 
Suet.  de  gramm.  21  extr.  (p.  116  Rffsch.):  fecit  (Mel.)  et  novum  genus  toga- 
tarum  inscripsitque  trabeatas.  In  derselben  allgemeinen  Bedeutung,  sogar 
vorzugsweise  von  praetextae,  gebraucht  togatae  Sen.  Ep.  I,  8,  8:  non  at- 
tingam  trägicos  nee  togatas  nostras.  habent  enim  hae  quoque  aliquid  se- 
veritatis  et  sunt  inter  comoedias  ac  tragoedias  mediae. 

2.  Diomed.  III.  p.  467  P.  =  489,  28  ff.  K.;  secunda  species  esttogatarum 
quae  tabernariae  dicuntur  et  humilitate  personarum  et  argumentorum  simi- 
litudine  comoedüs  (=»  palliatis)  pares,  in  quibus  .  .  humiles  homines  et 
privatae  domus  inducuntur,  quae  quidem  olim,  quod  tabulis  tegerentur, 
communiter  tabernae  vocabantur.    Vielmehr  sind  privatae  domus  auch  in 


Rachlichei:  Theil. 

tabernae  vielmehr  Buden  von  Uandwerkern  und  Ober- 
ideo.  FeetuB  v.  togatarum  (p.  352,  a.  M.)  zählt  unter 
beniariae  u.  A.  auch  auf  plagiarii,  eervi  denique,  nber- 
:  tabernis  honeate  prodeant.  Vgl.  auch  die  Togaten- 
riuB,  Fullonia,  Libertus,  Psaltria,  Tibicina.  Togatnc 
le  dieser  Art  bes.  bei  Cio.  p.  Sest.  66,  118.  Hör.  Ep. 
1,  9,  3,  Sen.  Ep.  XIV,  1  (=-  89),  7  (vgl.  Afran.  v.  299). 
lÜl.  X,  1,  100,  Gell.  X,  11,  8.  XIII,  8,  3. 
ttz  der  togatae  ist  gewöhnlich  Rom;  nicht  Belten  aber 
eine  Proviuzialstadt  verlegt,  um  entweder  die  Klein- 
zu  machen  oder  unter  deren  Haske  Rom  zu  gebeeln  ' 
zu  achilderu  welchen  Uom  auf  ein  Landkind  macht; 
sinae,  Ferentinatis,  Setina,  Velitema,  ülubrana.  Schon 
:11t  femer  die  grOBee  Betheiligung  des  weiblichen  Gc- 
Jungfrauen),  noch  mehr  aus  den  Bruchatdcben.  Vgl. 
160:  in  tegatis  victricee  appellautur  qnae  viroa  extu- 
hnend  ist  weiter  Donat,  zu  Ter.  Eun.  12:  concesawni 
:  comicie  aervos  dominia  sapientioree  fingere,  quod  item 

488  P.  :*  490,  16  f.  K.:  togataa  taliernariafi  in  acenam 
I  duo,  L.  Afraniua  et  G,  Quintiua.  Acro  zu  Hör.  Ep.  IT, 
iraetextaa  et  togataa  acripserunt  Aeliue  Lamia,  Anto- 
iaaua,  Afraniua,  PomponiuB  (Secundna).  Ein  togatariua 
(cui  in  puerilem  habitnm  circumtonsam  matronam 
irat  Auguatua  und  den  er  dafür  per  Irina  theati'a 
avit)  bei  Suet  Aug.  16;  vgl.  Pliu.  N.  H.  VII,  49: 
lionem,  qui  primus  togataa  aaltare  inEtituit,  utriaqoe 
Itasee,  et  D.  Auguati  et  quoa  Claudius  Caesar  consniatu 
lando  LXIII  non  amplius  anni  interfnere,  rjuamquam 
Äüffahrung  des  Incendimn  von  Äfranius  nnter  Nero, 

nng  der  Oekonoraie  der  palliata  hat  Afranina  Prologe 
Sat.  VI,  6,  6:  Afranium  .  .  qui  in  prologo  ex  persona 
er  Sella  die  Sophia  redend  auftrat)  und  cantica  (sogar 

Seat.  55,  118:  cum  ageretur  togata  ^  Siraulana,  ut 
>ta  clariEsima  concentione  .  .  cootionata  est.  Dabin 
Obernatune  dea  Parasiten,  wofQr  freilich  das  rOmiachc 

die  Bcurrae  Analogien  boten. 

er  Vebcrreat«  von  Togaten  ausser  bei  Botho  auch  bei 
abula  togata  (Lips,  1833)  p.  96—280  und  bei  Itibbock, 
B8.  Ucber  die  Togate  s.  auch  Ladewig  in  Pauly'e 
ä034  f.  und  Moramsen  R.  G.  1».  S.  885  f.  II'.  S.  438. 

iie  in  Rom  fand  auch  die  Rbitithonicii,  be- 
Phlyakographen  Rhiuthoii  aus  Tarent,  welcher 
lurch   possenhafte  BehaDdlimg   ins  Lächerliche 


17 — 19.  Die  Togata.    Die  Bhinthonica.    Das  Epos..  29 

zog.  Auch  [XagoTQaymdla  und  'IraXixi^  wird  diese  Gattung  ge- 
nannt. Ihre  Vertretung  in  der  uns  erhaltenen  Literatur  ist 
zweifelhaft.  Am  nächsten  verwandt  scheinen  Atellanen  mit 
mythologischem  Stoffe. 

1.  Die  Aufnahme  der  Rhinthonica  in  Eom  erhellt  aus  ihrer  Aufführung 
unter  den  Arten  des  römischen  Lustspiels,  s.  oben  12,  1.  lieber  Khinihon 
s.  bes.  Snid.  s.  v.  (II.  p.  614  f.  Bernh.):  'Fivd'otv,  Tagavtivog  noDfiinog, 
aQXTjyog  r^g  naXovftivrig  iXa^otqaytpöCag,  ^  *<?^^  tpXvanoyQatpCa'  viog  Ss  ^v 
TLSQaiUiog  xal  ysyovsv  inl  zov  nQcirov  UxoXffiaiov  (323-286  v.  Chr.  = 
431 — 46d  d.  St)*  ÖQafiaTcc  öh  ccvxov  -iKOfuna  Xr[ .  Steph.  Byz.  v.  Ta^ag: 
dviyQafpJicav  noXXol  .  .  ie«l  ^Piv^av  Tagavtivog  q)Xvcc^,  tä  tgayitioc  ^iftaQ- 
QV^iii^av  elg  ytXoiov.  Athen.  IX.  p.  402  B:  ffg  d*  satlv  ovtog  {£yiX7iQic(g) 
zrig  ttaXiKTJg  xaZovfifVTjs  ntaficoSiag  noirftrigy  yivog  TccQavttvog.  Lyd.  de 
mag.  I,  40:  *Piv&(ovi%ri  (fffrlv)  r/  fgwrtxi},  wo  Welckers  Vermutung  ^lo^txr}, 
gebilligt  von  Vahlen,  Rh.  M.  XVI.  S.  474,  nicht  sehr  empfohlen  wird  durch 
das  vorausgegangene  axBXXavri  Sb  sativ  ri  xtäv  Xsyofisvtov  e^oSiaQ^iov;  vgl. 
vielmehr  Plaut.  Men.  II,  1,  11  =  236  R.:  Graeciamque  exoticara  von  Unter- 
italien (Graecia  magna). 

2.  Die  TLotiiipSoTQaytpS^a  des  Alkilos,  Dcinolochos  und  Anaxandrides 
(Meineke  bist.  crit.  com.  gr.  p.  247  f.)  ist  älter  als  die  UagoTQ.  deren  «qx 
r)yog  Rhinthon  war,  also  nicht  mit  ihr  identisch.  Vielleicht  war  TirnfKodotQ. 
mehr  komödienartig  (etwa  wie  Plaut.  Amphitr.,  welcher  im  Prolog  v.  69 
u.  63  als  tragicocomoedia  bezeichnet  wird),  tXaQotQ.  aber  possenhaft,  atel- 
lanenartig.    Tragicocomoedia  auch  bei  Lutat.  zu  Stat.  Theb.  V,  160. 

3.  Eine  Rhinthonica  ist  jedenfalls  der  plautinische  Amphitruo  nicht; 
8.  Vahlen,  Rh.  M.  XVI.  S.  472  ff.,  welcher  vermutet  dass  vielmehr  Atella- 
nen mit  mythologischem  Stoffe  Rhinthonicae  seien,  possenhafte  Travestie- 
rnngen  mythisch-tragischer  Gegenstände. 

4.  Bemhardy  zum  Suidas  II.  p.  614  f.  Neukirch,  de  fab.  t^g.  p.  16 — 
18.     E.  Mnnk,  de  fabb.  Atell.  p.  84—89.    Vahlen,  Rh.  M.  XVI.  S.  472-   476. 

19.  Für  das  Epos  günstig  war  der  Trieb  der  Römer  auf 
das  Erhalten,  der  das  Geschehene  in  der  Erinnerung  zu  bewahren 
suchte  und  in  der  gebundenen  Form  eine  Förderung  des  Be- 
haltens  und  Weitergebens  erkannte.  Daher  schon  frühe  in  den 
Ahnenliedern  und  den  Aufschriften  mancher  Art  Epenartiges. 
Das  hier  befolgte  saturnische  Mass  war  auch  das  der  ältesten 
literaturmässigen  Epiker,  des  Andronikus  und  des  Naevius,  jener 
(mit  seiner  lateinischen  Odyssee)  noch  bioser  Uebersetzer,  dieser 
(mit  seinem  bellum  punicum)  kühn  in  das  Leben  seines  Volkes 
und  der  Gegenwart  hineingreifend.  Auch  des  Letzteren  Nachfolger 
Ennius  wählte,  in  seinen  Annales,  einen  nationalen  StoflF,  aber 
erweitert   zu    einer   ganzen  römischen   Geschichte   bis  auf  seine 


30  Sachlichor  Theil. 

Zeit  und  in  dem  giiechischen  Masse  für  Episches,  dem  dakty- 
lischen Hexameter,  gehalten.  »Sein  Vorgang  wurde  massgebend 
nach  Inhalt  wie  nach  Form.  Sein  erster  Fortsetzer,  wie  es 
scheint,  war  Hostius  mit  seinem  bellum  istricum;  später  ver- 
fassten  L.  Attius  und  A.  Furius  gleichfalls  Epen  mit  dem 
Titel  Annales.  Darauf  behandelte  Cicero  sein  (^onsulat  und 
seine  Verbannung  in  Hexametern  (de  suo  consulatu,  de  tempo- 
ribus  meis),  Varro  Atacinus  aber  Caesars  bellum  sequanicum. 
In  der  augusteischen  Zeit  verherrlichte  Anser  den  M.  Antonius, 
Andere  bearbeiteten  Stoffe  aus  der  Zeitgeschichte  in  der  Weise 
der  Alexandriner  und  theilweisse  in  panegyrischer  Richtung,  wie 
L.  Varius  (de  morte,  nämlich  C^aesaris;  Panegyricus  Augusti), 
Tibull  (Panegyrikus  auf  Messala),  Octavian  selbst  (Sicilia),  Cor- 
nelius Sevenis  (bellum  siculum),  Tiabirius  (bellum  actiacum), 
Pedo  Albinovanus  (de  navigatione  Germanici  per  oceanuni 
septentrionalem).  In  der  Kaiserzeit  wandte  sich  die  epische 
Thätigkeit  mit  Vorliebe  der  freieren  und  schöneren  Vergangen- 
heit zu:  Lucan's  Pharsalia,  das  Epos  de  hello  civili  bei  Petron. 
Sat.  119,  und  des  Silius  Italiens  Punica.  Noch  um  die  Mitte 
des  dritten  christlichen  Jahrh.  waren  solche  Stoffe  beliebt,  und 
Alfius  Avitus  behandelte  damals  dergleichen  sogar  in  iambischen 
Dimetem.  Wo  man  aber  die  Gegenwart  zum  Stoffe  wählte,  wie 
unter  Trajan  die  Verfasser  eines  bellum  dacicum  und  parthicuui, 
konnte  es  nur  in  höfischem  Sinne  geschehen.  Dahin  gehören 
ßordian's  Antoninias,  (ylaudianus  mit  seinen  zahlreichen  pane- 
gyrischen Epen  auf  Stilicho  und  dem  bellum  Gildonicum  und 
geticum;    zuletzt  des   Corippus  lohannis   uud   laudes  lustini. 

1.  Das  stoffliche  Interesse  blieb  immer  das  überwiegende  und  leitende. 
Cic.  de  imp.  Pomp.  9,  26:  sinite  hoc  loco,  sicut  poetae  solent  qui  res  ro- 
manas  scribunt,  praeterire  me  nostram  calamitatem.  Drang  der  römischen 
Grossen  nach  Verherrlichung,  z.  ß.  Cic.  p.  Arch.  10,  26.  11,  27.  So  wurde 
dann  von  Augustus  das  Abfassen  von  Epen  systematisch  begünstigt  und 
veranlasst,  und  es  bedurfte  fast  der  Entschuldigung  (wie  bei  Horaz)  wenn 
man  keines  machte.  Einen  Haufen  wirklicher  oder  vermeintlicher  Epiker 
zählt  Ovid.  ex  Pont.  IV,  16  auf.  In  der  neronischen  Zeit  war  das  Ver- 
fassen von  Epen  eine  Art  Mode,  s.  Persius  I,  69  ff.  Vgl.  Petron.  Sat.  118. 
Martial.  IV,  14.     X,  64.     Stat.  silv.  II,  7,  48  ff. 

2.  Dass  der  daktylische  Hexameter  mit  dem  phonetischen  Bau  der 
lateinischen  Sprache  vielfach  im  Widerspruch  steht  und  seine  Anforderun- 
gen den  römischen  Dichtern  manchen  Zwang  auferlegten  hat  näher  erörtert 
Eöue,  über  den  Sprachgebrauch  der  römisclien  Epiker,  Münster  1840. 


19  f.  (reschichtlicheB  und  heroiBche»  Epos.  -il 

3.  Aas  dem  Epos  eines  Grannius  (G.  Anniiis?)  von  mindestens  drei  Bü- 
chern drei  Hexameter  angefahrt  bei  Priscian  VI,  9,  49  (p.  237  H.).  Aus 
einem   (Redner)    Gannius    Worte    (in    Prosa)    bei    Paulus     v.    veteratores 

ip.  369  M.). 

4.  F.  Winkelmann,  die  epischen  Dichter  der  R<)mer  bis  in  die  Zeitou 
Virgils,  in  Jahns  Archiv  IL  S.  658  ff. 

20.  Ein  heroisches  Epos  konnte  im  alten  Rom  nicht 
entstehen,  da  die  italischen  Götter  Abstractionen  und  götter- 
gleiche Heroen  dem  Bewusstsein  fremd  waren.  Als  daher  gegen 
das  Ende  der  Republik,  unter  dem  Einflüsse  der  alexandrinisehen 
Dichter,  auch  diese  Grattung  Anbau  fand  musste  man  fremde 
Stoffe  wählen.  So  Varro  Atacinus  (Argonautica),  C-atull  (Epi- 
thalamium  Pelei  et  Thetidos),  Helvius  t'inna  (Smyrna),  Lieinius 
Calvus  (lo),  Pedo  (Theseis),  sowie  (dem  Stofle  nach)  Ovid's  Me- 
tamorphosen, später  der  Culex  und  die  Ciris,  weiterhin  Valerius 
Flaccus  (Argonautica).  Andere  übersetzten  die  Ilias,  wie  (■.  Ma- 
tius  und  (Ninnius?)  Crassus,  später  Gaurus  und  für  die  Schule 
der  sog,  Pindaruß  Thebanus;  etwas  höher  Strebende  griffen  nach 
dem  epischen  Kyklus,  wie  der  kyprischen  Ilias  (von  Laevius?j, 
wie  Furms  Bibaculus  (Aethiopis),  Aemilius  Macer  (Antehomerica 
und  Posthomerica),  Julus  Antonius  (Diomedea),  Domitius  Mar- 
sus  (Amazonis),  Camerinus  (Excidium  Troiae),  aus  späterer  Zeit 
Neros  Troica,  Lucans  lüaca,  Statins'  Thebais  und  Achilleis  u.  A. 
In  der  Mitte  zwischen  der  historisch-nationalen  und  der  alex- 
andrinisch-myihologischen  Richtung  steht  Vergils  Aeneis,  welche 
eine  einheimische  Sage  in  historisch-psychologischer  Weise,  aber 
mit  mythologischem  Hintergrunde,  durchführt  und  für  die  poe- 
tische Technik  der  Nachfolgenden  mustergültig  wurde.  So 
schrieb  am  Ende  des  vierten  Jahrhunderts  Claudianus  seine 
mythologischen  Epen  Raptus  Proserpinae  und  Gigantomachia. 
Noch  der  letzte  Ausläufer  des  römischen  Epos,  die  tragoedia 
Orestis  (in  Hexametern),  zeigt  zahllose  Anklänge  an  Vergil. 

1.  Manier  der  Beschreibungen,  z.  6.  Sen.  Apoc.  2,  3:  omnes  poetae, 
non  contenti  ortus  et  occasus  describere  (wie  Julius  Montanus,  Sen.  Ep. 
122,  11—13)^  etiam  medium  diem  inquietant.  Pathos  der  obligate  Ton: 
heroici  carmiuis  sonus,  Tac.  dial.  10.  üebertragung  der  Weise  des  heroi- 
schen Epos  auch  auf  das  historische,  wie  bei  Silius;  vgl.  Petron.  Sat.  118: 
non  enim  res  gestae  versibus  comprehendendae  sunt,  quod  longe  melius 
hiatorici  faciunt,  sed  per  ambages  deorumque  ministeria  et  fabulosum  sen- 
tentiarum  tormentum  praecipitandus  est  liber  spiritus,  ut  potius  furentin 
auimi  vaticinatio  appareat  quam  religiosae  orationis  sub  testibus  tides. 


32  Sachlicher  Theil. 

2.  Abfalleüd  von  der  üeberlieferung  ist  schon  die  dem  Eumolpns  in 
den  Mund  gelegte  Troiae  halosis  in  Senaren  bei  Petron.  Sat.  89.  In  dem- 
selben Masse  paraphrosierte  später  Avienus  die  Geschichte  des  Livius, 
bearbeitete  Marianus  die  Argonautica  des  ApoUonius  und  Theriaca  des 
Nikander. 

3.  Einfluss  des  Vergil,  s.  unten  bei  dessen  Fortleben.  L.  Cholevius, 
epitheta  ornantia  quibus  utitur  Vcrgilius  cum  iis  comparata  quibus  poste- 
riores cpici  latini,  maxime  quidem  Silius,  carmina  sua  distinxerunt,  I. 
Königsberg  1866.  A.  Joly,  les  m^tamorphoses  de  Tepopee  latine  au  moyen 
äge,  Revue  contemporaine  LXXIV  (1870).  p.  613—640.    LXXV.  p.  21-  43. 

21.  Nach  dem  Siege  des  Christenthums  wurden  von  den 
Epikern  dieses  Bekenntnisses  statt  der  römischen  Geschichte  und 
der  griechischen  Mythologie  nunmehr  Stoffe  aus  der  biblischen 
Geschichte  alten  und  neuen  Testaments  bearbeitet.  So  von 
Proba  Paltonia  in  ihrem  cento;  die  des  alten  Testaments  von 
Avitus,  Victor  (Genesis)  und  Victorinus  (Maccabäer),  sowie  von 
dem  Verfasser  der  metrischen  Wiedergabe  des  Inhalts  von  Penta- 
teucb  und  Buch  Josua;  die  des  neuen  von  Juvencus,  Sedulius 
(Carmen  paschale)  und  Arator  (Apostelgeschichte).  Den  metri- 
schen panegyrici  auf  Kaiser  und  auf  weltliche  Würdenträger,  wie 
sie  auch  jetzt  noch  Claudianus,  Apollinaris  Sidonius  (auf  Avitus, 
Maiorianus  und  Anthemius),  Merobaudes  (auf  Aetius),  Corippus 
und  Venantius  Fortunatus  (auf  fränkische  Grosse)  verfassten,  traten 
an  die  Seite  Lobgedichte  (epische  Hymnen)  auf  (Jott,  Christus, 
christliche  Märtyrer  und  Heilige,  sowie  auf  Bischöfe  und  Päpste. 
Auf  Christus  z.  B.  von  Mamertus  Claudianus,  auf  Märtyrer 
besonders  Damasus,  Prudentius  (Peristeph.),  Paulinus  von  Nola 
(Felix);  Martin  von  Tours  wurde  zum  Gegenstande  verherr- 
lichender Epen  gemacht  von  Paulinus  aus  Perigueux,  Amoenus 
und  von  Venantius  Fortunatus,  welcher  auch  viele  Bischöfe  be- 
sauff.  Daneben  wurden  aber  unter  dem  Einflüsse  der  Rhetor- 
schule  fortwährend  Lobreden  im  epischen  Masse  auch  auf  poly- 
tlieistische  Gegenstände  verfasst,   scherzhafte  wie  ernstgemeinte. 

1.  Aufzählung  christlicher  Epiker  bei  Veuant.  Fort,  vita  Mart.  I, 
14 — 25.  Sammelwerke:  G.  Fabricius,  poetarum  veterum  ecclesiasticorum 
opera  christiana  et  operum  reliquiae  ac  fragmenta,  Basel  1564.  fol.  M.  Mait- 
taire,  opera  et  fragmenta  veterum  poetarum  latinorum,  London  1713.  2  Voll, 
fol.  P.  Leyser,  historia  poetarum  et  poematum  medii  aevi  decem  poat. 
ann.  a  Chr.  n.  400  saeculorura,  Halle  1721.  Henry,  histoire  de  la  po^sie 
chr^tienne,  Paris  1856. 

2.  Verse  über  Sodom  und  Gomorrha  und  über  dem  Propheten  .Tonas, 
oft  an  den  Werken  des  TertuUian  (s.  d.). 


21 — 23.  Christliches  Epos.   Epithalamium.   Lehrgedicht.  33 

3.  Mehrere  tausend  Hexameter  sind  erhalten  TOn  einer  Bearbeitung 
der  jüdischen  Geschichte  die  in  den  Hdss.  bald  den  Namen  des  Tertullian 
trägty  bald  den  des  Cyprian,  bald  den  des  Juvencus  (s.  d.).  Das  Werk  scheint 
aus  dem  6.  christl.  Jahrh.  zu  stammen,  und  für  diese  Zeit  ist  Sprache  und 
Metrik  nicht  ungewandt.  Vergilische  Reminiscenzen  sind  zahlreich,  auch 
Ovid  und  Horaz,  sowie  Juvenal  sind  benützt,  das  A.  T.  in  der  itala.  Vgl. 
L.  Müller,  Rhein.  Mus.  XXI.  S.  123—132  nebst  ebd.  S.  266  ff. 

4.  Landes  Herculis  in  137  eleganten  Hexametern  von  ungenanntem 
Ver&jsser,  AnthoL  lat.  881  R.  Hymnus  Claudii  auf  Luna  (»»  Isis,  Cybebe 
u.  s.  w.)  ib.  723;  auf  Mars  ib.  749;  an  Liber  ib.  761  (Gebet  um  glückliche 
Heimkehr).  In  läudem  Solis  ib.  389,  von  einem  Schuldichter,  vielleicht 
einem  Landsmann  und  Zeitgenossen  des  Martianus  Capella  (Rhein. 
Mus.  XXV.  S.  454  f.).  Parodischer  Hymnus  (Spottgedicht)  auf  Pan 
ib.  682  R. 

22.  Zu  einem  Lobgedichte  aus  Anlass  der  Vermählung 
wurde  allmählich  das  Epithalamium,  bewahrte  aber  dabei  von 
seiner  ursprünglichen  Stellung  zur  Erotik  her  fortwährend  eine 
gewisse  sinnliche  Keckheit  und  Derbheit.  Aus  älterer  Zeit  be- 
sitzen wir  Catull's  Epithalamium  Pelei  et  Thetidos  und  kennen 
Calvus  und  Ticidas  als  Verfasser  von  Aehnlichem;  aus  der 
Kaiserzeit  sind  Epithalamien  erhalten  von  Statins^  Ausonius, 
ClaudianuS;  Paulinus,  ApoUinaris  Sidonius,  Ennodius,  Luxorius, 
Venantius  Fortunatus  (auf  Sigibert),  und  das  Epithalamium 
Laurentii. 

1.  Das  Epithalamium,  zur  Verherrlichung  eines  jungen  Paares,  seiner 
Eltern  und  Ahnen,  ist  meist  im  epischen  Masse  gehalten.  Auch  von  Gal- 
lienuB  wird  eines  erwähnt. 

2.  Eine  Beimischung  von  Sentimentalität  hat  das  epithalamium  Lau- 
rentii von  87  Hexametern  (Anthol.  lat.  742  R.)  von  unbekanntem  Verfasser, 
aber  nach  Verstechnik  und  Religionsstellung  (heidnische  Hochzeitgebräuche, 
Bartweihe  ad  aras)  wohl  noch  aus  saec.  IV.  An  dem  Bräutigam  (Lauren- 
tius)  wird  seine  Thätigkeit  als  Gerichtsredner  gerühmt,  an  der  Braut 
(Florida)  ihre  Bildung  und  das  lanificium.  totum  unclassisch  =»  omnia. 
Wemsdorf,  poetae  lat.  min.  IV,  2.  p.  462  —  603.  L.  Müller,  Rhein.  Mus. 
XXII.  S.83f.  89—100.  XXIV.  S.  126—130.  M.  Haupt,  Hermes  II.  p.  13—15. 

23*  Das  Lehrgedicht  (didaktische  Epos)  entsprach  dem  2i 
nüchternen  Sinne  der  Römer  und  fand  daher  schon  sehr  frühe 
Vertretung.  Von  ansehnlichem  Alter  ist  die  Unterweisung  eines 
Bauern  an  seinen  Sohn  im  satumischen  Masse^  und  Appius  Clau- 
dius wie  Cato  schrieben  in  ähnlicher  Richtung.  Manchfaltiger 
waren  die  StoflTe  von  Ennius'  Lehrgedichten.  Die  Satiren  des 
Lucilius  schlugen  gleichfalls  die  Bahn  des  Didaktischen  ein  und 

TerrPBL,  Rom.  Literaturgeecbiohte.    2.  Aufl.  3 


34  Sachlicher  Theil. 

behandelten  sogar  die  Orthographie.  Literaturgeschichtlichen 
Inhalts  waren  die  Jichrgedicht«  von  L.  Attius  (Didascalica), 
Q.  Valerius  aus  Sora,  Volcatius  Sedigitus,  Porcius  Licinus.  Unter 
diesen  Lehrgedichten  waren  die  wenigsten  im  Masse  des  griechi- 
schen Epos  gehalten,  das  erst  am  Ende  der  Republik,  unter  dem 
Einflüsse  der  griechischen  Literatur,  das  herrschende  wurde. 
So  war  in  Hexametern  verfasst  vielleicht  des  Polyhistor  Varro 
Lehrgedicht  und  des  Varro  Atacinus  Cosmographia,  sicher  Ci- 
cero's  Uebersetzung  des  Aratus  und  des  Lucretius  Darstellung 
der  epikureischen  Philosophie  (de  rerum  natura),  weiterhin  Vergils 
Georgica,  welche  einen  glücklich  gewählten  Stoff  mit  Wärme 
und  vollendeter  Kunst  gestalten.  Ovid  verwendete  das  elegische 
Mass  zu  spielend  didaktischer  Behandlung  erotischer  Gegenstände 
(Ars  amandi,  Remedia  amoris,  Medicamina  faciei),  sowie  ein- 
heimischer Sagen  (Fasti);  im  epischen  Masse  nur  den  mytho- 
logischen Stoff  der  Verwandlungen  (Metamorph.)  und  Halieutica. 
Zeitgenossen  Ovid's  von  weniger  Geschmack  bearbeiteten,  in 
blinder  Nachahmung  der  Alexandriner,  auch  ganz  prosaische 
Dinge  in  Lehrgedichten.  So  verfasste  Valgius  Rufus  ein  Lehr- 
gedicht über  die  Kräuter,  Aemilius  Macer  Theriaca  und  eine 
Ornithogonia,  Gratius  Faliscus  Cynegetica,  Manilius  Astronomica; 
im  ersten  christl.  Jahrh.  Germanicus  eine  neue  Bearbeitung  des 
Aratus,  Columella  ein  Lehrgedicht  über  den  Gartenbau;  auch 
das  beschreibende  Epos  Aetna  aus  dem  Beginne  des  silbernen 
Zeitalters  ist  hieher  zu  rechnen,  sowie  aus  dem  vierten  Jahrh. 
des  Palladius  Lehrgedicht  de  re  rustica,  die  vielerlei  Sachen  des 
Ausonius,  besonders  seine  Moseila,  die  Elegie  Phoenix,  des  Avie- 
nus  Descriptio  orbis  terrae  und  Aratea,  sowie  (in  lamben)  seine 
Ora  maritima,  auch  die  christlich -dogmatischen  Gedichte  des 
Prudentius;  aus  dem  fünften  des  Rutilius  Namatianus  Reisebe- 
schreibung (Itinerarium)  im  elegischen  Masse.  In  letzterem 
Masse  ist  auch  des  Orientius  Commonitorium  gehalten;  dagegen 
die  Lehrgedichte  des  Dracontius  über  Gott  und  die  Schöpfung, 
des  Avitus  über  die  Trinität  im  epischen.  Ist  in  den  meisten 
dieser  Arbeiten  die  Versification  eine  äusserliche  Zuthat  zu  dem 
Stoffe,  so  schwindet  vollends  der  poetische  Gehalt  bei  den  Lehr- 
gedichten Von  Grammatikern  für  den  Gebrauch  der  Schule,  der- 
gleichen nicht  nur  die  versus  memoriales  sind  (besonders  zahl- 
reich vertreten  bei  Ausonius)  sondern  insbesondere  die  Lehrbücher 
der  Rhetorik,  Metrik,  Prosodik,  Metrologie  in  gebundener  Form, 


23.  Da»  Lehrgedicht.  35 

die  carmina  de  figuris  vel  schematibus  (von  Marbod  und  unbe- 
kannten Verfassern),  des  Terentianus  Maurus  metrisch  gehaltene 
Werke  de  litteris,  de  syllabis  versus  heroici,  de  metris  Horatii^ 
die  ähnlichen  von  Caesius  Bassus  und  Albinus,  die  carmina  de 
ponderibus  et  mensuris,  de  librae  partibus  u.  dgl.  Unternehmungen 
ähnlicher  Art  sind  die  Arzneimittellehren  im  epischen  Masse  von 
Serenus  SamonicuS;  Flavius  und  Vindicianus,  das  Lehrgedicht  de 
aucupio  u.  A.  Besonders  fruchtbar  an  derartigen  Erzeugnissen 
war  dann  das  Mittelalter. 

1.  E.  J.  W.  Bruner,  de  canmne  didascalico  Romanorum,  Helsing- 
fora  1840.  4. 

2.  Schulgedichte  wie  das  poetische  Turnier  der  XII  sapientes 
(Schulgelehrten)  Palladius,  Asclepiadius ,  Eusthenius,  Pompilianus ,  Maxi- 
minus,  Vitalis,  Basilius,  Asmenius,  Vomanius,  Euphorbius,  lulianus,  Hilasius 
in  der  Anthologia  lat.  495  —  638  R.  Zuerst  hat  Jeder  einen  Hexameter 
vorzutragen  de  ratione  tabulae,  dann  je  ein  Distichon  als  Epitaph  des 
Vergil,  darauf  zwei  Hexameter  de  unda  et  speculo,  viertens  ein  Distichon 
über  das  Eis,  fünftens  drei  Hexameter  über  den  Regenbogen,  6)  zwei  Di- 
sticha  über  Vergil,  7)  vier  Hexameter  über  die  vier  Jahreszeiten  (nach 
einem  ovidischen  Thema),  8)  zwei  Disticha  über  die  MorgenrÖthe  und 
Sonne  (meist  mythologisch  ausgeführt),  9)  fünf  Hexameter  über  den  Inhalt 
der  Aeneis,  10)  Grabschrift  auf  Cicero  in  drei  Distichen,  11)  die  zwölf 
Sternbilder  in  sechs  Hexametern,  endlich  12)  über  ein  freigewähltes  Thema 
in  beliebigem  Metrum  (iambische  Senare  635;  Hendekasyllaben  636;  horazische 
Metra  628  f.)  und  beliebiger  Verszahl.  Neben  dem  Cultus  d«s  Vergil  und 
Cicero  sind  also  Themata  aus  der  Natur  (auch  635)  besonders  zahlreich 
vertreten.  Eine  gute  üeberlieferung  aus  dem  Alterthum  ist  erkennbar  be- 
sonders 608.  611.  614.  Leichte  christliche  Färbung  hat  nur  559  (hie  meruit 
perpetuam  requiem).  Diess  und  die  technische  Eleganz  (nur  628,  7  ein 
Nothbehelf)  gestattet  nicht  diese  Sammlung  später  als  in  saec.  4—5  zu 
setzen.  Oertliche  Anspielungen  fehlen;  doch  weist  das  vierte  Thema  und 
im  siebenten  die  Schilderung  des  Winters  auf  ein  nördlicheres  Land  als 
Italien,  also  wohl  Gallien. 

3.  Memorialverse,  wie  die  Namen  der  Musen  (Anth.  lat.  664  R.),  der 
Sternbilder  (ib.  679).  Aufzählung  der  Benennungen  der  Winde  im  Grie- 
'chischen  und  Lateinischen  in  27  Hexametern,  erhalten  durch  Hdss.  des 
Cassiodor  und  Isidor,  worunter  der  Ovetensis  saec.  VII— VIII,  Anthol.  lat. 
484  R.  Ihrem  Inhalte  nach  scheinen  sie  aus  Isidor  de  rer.  nat.  geschßpft 
und  wohl  um  dessen  Zeit  verfasst. 

4.  Hexameter  über  die  Sternbilder,  Zeiteintheilung  u.  dgl.  Anthol. 
lat.  676  —  680,  theilweise  aus  Hdss.  des  Beda.  Astronomisches  Lehrge- 
dicht von  trockenem  unbehülflichem  Tone  in  76  Hexametern  aus  einem 
cod.  saec.  XI  ib.  761. 

5.  Aufzählung  von  Ausdrücken    für    die    Stimmen   der   verschiedenen 

3* 


36  Sachlicher  Theil. 

Thiere  aus  einem  cod.  saec.  X  Anthol.  lat.  730.  733,  sowie  ib.  762  unter 
dem  Titel  de  philomela  in  70  elegischen  Versen  von  bedenklicher  Be- 
schaifenheit  (z.  B.  v.  53  ist  ein  Heptameter)  aus  einem  cod.  saec.  XI  (auch 
bei  Reifferscheid ,  Sueton.  p.  308  —  311).  Am  Schlüsse  eine  christliche 
Wendung.  Ursprung  wohl  in  deutschen  Kreisen  (vgl.  v.  11:  dulce  per  ora 
sonat  quam  dicunt  nomine  drostam).  Goldast  (Catalecta  Ovid.  p.  71)  wollte 
in  einer  St.  Galler  Hds.  als  Namen  des  Verfassers  Albius  Ovidius  luven- 
tinns  gefunden  haben,  was  aber  ohne  Zweifel  erdichtet  ist. 

24.  Lehrgedichte  im  Kleineu  sind  die  Spruchgedichte,  die 
in  der  Kaiserzeit  theils  aus  grösseren  Ganzen  ausgelesen  und 
zusammengestellt  wurden,  theils  auch  (wohl  besonders  für  den 
pädagogischen  Bedarf)  selbständig  angefertigt.  Eine  Sammlung 
letzterer  Art  in  vier  Büchern  ist  diejenige  welche  den  Namen 
Cato  trägt,  je  aus  zwei  Hexametern  besteht  und  in  üeber- 
setzungen  das  ganze  Mittelalter  hindurch  eine  grosse  Rolle  ge- 
spielt hat.  Auch  andere  Fassungen  dieses  Spruchbuchs  in  Prosa 
und  Versen  sind  auf  uns  gekommen. 

1.  Das  Spruchgedicht  verhält  sich  zum  Lehrgedicht  ebenso  wie  das 
Epigramm  zur  Elegie.  Üeber  die  an  Syrus  anknüpfende  Spruchliteratur  in 
iiimbischen  Senaren  s.  unten  bei  Publilius  Syrus. 

2.  Die  Sammlung  im  Paris.  2659  saec.  IX  ist  betitelt:  Über  (quartus) 
Catpnis  philosophi,  Paris.  8320  saec.  X  in.  (wohl  durch  Vermischung  mit 
Seueca)  Catonis  Cordub.  Scaliger  erwähnt  einen  vetustissimus  codex  Sime- 
onis  Bosii  mit  der  Ueberschrift:  Dionysii  Catonis  disticha  de  moribus  ad 
filium;  doch  ist  von  dieser  Handschrift  sonst  nichts  bekannt  (Hauthal  p. 
XXII  f.)  und  DionysiuB  vielleicht  durch  eine  in  derselben  Handschrift  be- 
iindliche  Uebersetzung  der  Periegese  des  D.  veranlasst  (Haupt,  de  carm. 
buc.  p.  15).  Der  Name  Cato  soll  die  Sprüche  wohl  nur  als  weise  bezeichnen; 
vgl.  H.  Jordan,  Rhein.  Mus.  XIV.  S.  277—280.  B.  I  enthält  40,  11  31,  III 
24,  IV  49  Sprüche.  B.  II,  111,  IV  haben  dazu  noch  eigene  (die  Sammlung 
empfehlende)  Prologe,  welcher  zu  B.  I  nur  verloren  zu  sein  scheint. 
Der  zu  B.  II  kennt  noch  das  phanr.aceutische  Lehrgedicht  des  Macer.  IV, 
4\)  ist  eine  Art  Epilog.  Die  Sprüche  selbst  haben  eine  monotheistisch - 
humanitäre  Richtung,  ohne  specifisch  christliche  Färbung,  manche  (wie  I, 
26.  II,  26.  in,  3.  IV,  26)  sogar  eine  gut  heidnische,  und  auch  die  Abmah- 
nung von  sortes  (U,  12)  und  von  blutigen  Opfern  (IV,  14.  38)  ist  frei  von 
christlicher  Motivierung.  Die  Sprüche  über  Behandlung  der  Frauen  und 
Sklaven  tragen  gleichfalls  diesen  Charakter;  vgl.  IV,  44:  cum  servos  .  .  fa- 
mulos  dicas,  homines  tarnen  esse  memento,  und  III,  12:  uxorem  .  .  nee 
retinere  velis  (ihrer  dos  zu  Liebe)  si  coeperit  esse  molesta.  Der  Mangel  -au 
rhetorischem  Pompe  (nudis  scribere  verbis)  wird  IV,  49  entschuldigt.  Sprache 
(mage ;  officiperdus  IV,  42)  und  Versbau  sind  noch  ganz  leidlich.  Verhältniss- 
inäHsig  die  stärksten  Incorrectheiten  sind  petere  als  Anapäst  in  der  Hebung  der 
nsv^rniifisQjjg  (I,  31),  der  Hiatus  in  der  Senkung  iudex  tu  esse  memento  (1,14) 
und  denarium   dreisilbig  (IV,  4).    Alles  führt   darauf  dass  die  Sammlung 


24  f.  Spruchgedichte.    Poeti8cher  Brief.  37 

noch  aus  guter  Zeit  stammt,  etwa  saec.  III — IV  n.  Chr.    Vindicianus  (Ende 
von  saec.  IV)  kennt  sie  bereits. 

3.  Der  Sammlung  voraus  geht  eine  prosaische  von  56  ganz  kurzen 
Sprüchen  mit  eigenem  Vorwort  (Cum  animadverterem  quam  plurimos  gra- 
viter  in  via  morum  errare  succurrendum  opinioni  eorum  .  .  fore  existimavi, 
maxime.  ut  gloriose  viverent.  .  .  nunc  te,  fili  carissime,  docebo  etc.),  von 
anderem  Verfasser  und  wohl  auch  aus  späterer  Zeit,  sogar  wohl  aus  ver- 
schiedener. Denn  während  Nr.  1—40  auf  dem  Standpunkte  des  Alterthums 
steht  (z.  B.  5:  foro  pare;  23:  pugna  pro  patria),  so  tritt  in  den  späteren 
(zugleich  etwas  wortreicheren)  der  christliche  Ursprung  stark  hervor  (53 : 
minime  iudica;  54:  alienum  noli  concupiscere).  In  den  früheren  (meist  aus 
zwei  Worten  bestehenden)  ist  ebenso  deutlich  die  Sorge  für  die  Schuldis- 
ciplin  ausgeprägt  (Nr.  11,  26,  27,  38);  vgl.  36  £P.:  trocho  lüde,  aleam  fuge, 
litteras  disce.    Die  Fassung  schwankt  in  den  Handschriften  vielfach. 

4.  Verzeichniss  der  Handschriften  (von  saec.  IX  an)  bei  Hauthal  p. 
IV  — XIV,  der  Ausgaben  aus  saec.  XV  ib.  p.  XV— XXI.  Neuere  Haupt- 
ausgabe von  0.  Amtzen  (Utrecht  1735  u.  1754).  Darin  auch  die  Abhand- 
lungen von  Boxhom  und  Cannegieter  de  Catone.  Catonis  philosophi  Über . . 
ad  fidem  vetustissimorum  librorum  mss.  atque  impressorum  reo.  F.  Hauthal, 
Berlin  1869,  XXXVIU  u.  81  pp.  F.  Zarncke,  der  deutsche  Cato;  Geschichte 
der  deutschen  Uebersetzungen  der  im  deutschen  Mittelalter  unter  dem 
Namen  Cato  bekannten  Distichen,  Leipzig  1852.  I.  Feifalik,  der  altböh- 
mische Cato,  Sitzungsberichte  der  Wiener  Akademie  1861,  bist,  philol.  Cl. 
XXXVI.  S.  211  ff. 

5.  Einzelne  Sprüche,  je  aus  einem  Hexameter  bestehend,  betitelt  Sen- 
teutiae  generales  in  singulis  versibus^  oder  monosticha  de  moribus  incerti, 
auch  proverbia  Catonis  philosophi,  meist  gut  nach  Inhalt  wie  Fassung,  aus 
Hdss.  saec.  IX  — XI  in  Riese's  anthol.  lat.  716  (IL  p.  163  — 166).  Den 
68  einzeiligen  Sprüchen  sind  drei  auch  ,im  Tone  verschiedene  zweizeilige 
beigemischt 

25.  Didaktische  Richtung  haben  auch  der  poetische  Brief  22 
und  die  Fabel.  Zu  einem  poetischen  Briefe  kann  jedes  Ge- 
dichf  werden  durch  das  Anreden  einer  bestimmten  Person,  und 
so  sind  Lehrgedichte  welche  z.  B.  an  einen  Sohn  gerichtet  sind 
zugleich  Episteln.  Im  engem  Sinne  aber  heissen  so  solche  Ge- 
dichte worin  die  Bestimmung  für  einzelne  Personen  auf  den 
ganzen  Inhalt  des  Gedichts  und  seine  Haltung  von  Anfang  bis 
zu  Ende  bedingend  einwirkt.  So  richtete  Sp.  Mummius  aus 
dem  Lager  vor  Korinth  (J.  608  d.  St.)  scherzhafte  Briefe  in 
Versen  an  seine  Freimde  in  Rom;  so  gab  Lucilius  einigen  sei- 
ner Satiren  die  Form  von  Briefen  an  Freunde,  und  ein  Brief 
ist  auch  des  Gatull  Gedicht  an  Allius.  In  der  augusteischen 
Zeit  widmete  Horaz  einzelne  Satiren  dem  Mäcenas,  viele  lyrische 


38  Sachlicher  Theil.      • 

Gedichte  einzelnen  Freunden,  und  verhandelte  in  seineu  späteren 
Lebensjahren  Fragen  des  Lebens  und  der  Literatur  in  wirklichen 
Briefen  im  epischen  Masse.  Ovid  schrieb  im  elegischen  theils 
fingierte  Liebesbriefe  von  Frauen  des  Mythus  (Heroides)  theils 
ernstlich  gemeinte  der  Klage  und  Bitte  aus  der  Verbannung 
(Tristia  und  ex  Ponto).  Die  andern  Elegiker,  sowie  die  Satiriker 
Persius  und  Juvenal  reden  gleichfalls  öfters  einzelne  Personen  an, 
ohne  jedoch  mit  der  Brieffor^i  Ernst  zu  machen.  Wirkliche  Briefe 
aber  sind  manche  von  Statins,  sowie  die  25  des  Ausonius  in  ver- 
schiedenen Massen  und  theilweise  von  scherzhaftem  Inhalte,  auch 
solche  von  ÄpoUinaris  Sidonius. 

1.  Cic.  ad  Att  XIII,  6, 4  (vom  J.  709  d.  St.) :  Mummium  fuisse  ad  Corinthum 
pro  certo  habeo.  saepe  enim  hie  Spuring  qui  nnper  est  mortuua  cpistolas 
(seines  Grossvaters)  mihi  pronnutiabat  versiculis  facetis  ad  familiäres  missas 
a  Corintho.  Von  Lucilius  begann  ein  Buch  oder  eine  Satire:  salutem  ver- 
sibuB  Lucilius  quibus  potest  impertit,  totumque  hoc  studiose  et  sedulo  etc. 

2.  Briefe  sind  TibuU.  II,  1  (vgl.  W.  Teuffei,  Studien  S.  372)  und  (Lygd.) 
III,  5.  Brief  einer  Gattin  an  ihren  fern  im  Osten  im  Felde  stehenden  Gatten 
bei  Propert.  V,  3.  Namen  wie  Situation  sind  wohl  fingiert.  Dido  Aeneae  An- 
thol.  lat.  83  (p.  94—99)  R.  mit  Befrain;  vgl,  Wemsdorf  poetae  lat.  min.  IV. 
p.  65  f.  439—461.  Wirkliche  Briefe  z.  B.  Stat.  Silv.  IV,  4  (an  Victorius  Marcel- 
lus)  und  IV,  8  (Glückwunschschreiben) ,  sowie  der  des  Licentius  an  Augustin. 

36.  Gleichfalls  meist  im  epischen  Versmasse  gehalten  vtraren 
alleriei  Spielereien  bei  Tische  v^rie  in  der  Schule.  Die  Jläthsel 
knüpften  an  die  griechische  Literatur  an;  erst  in  den  letzten 
Jahrhunderten  Roms  aufkommend  trieb  diese  Gattung  bis  weit 
in  das  Mittelalter  hinein  immer  neue  Sprossen.  Dagegen  aus 
den  Kreisen  der  Schule  hervorgegangen  sind  die  mancherlei 
Variationen  über  alte  (besonders  vergilische)  Themata  und  die 
Flickgedichte  (centones),  welche  aus  willkürlich  zusammenge- 
lesenen Versen  und  Verstheilen  älterer  Dichter  einen  neuen  In- 
halt hervorbrachten.  Andere  Künsteleien  hauptsäclilich  der  spä- 
teren Zeit  sind  akrostichische  oder  sonst  nach  einem  äusser- 
lichen  Zweck  angelegte  Gedichte. 

1.  Bei  den  Griechen  yqttpoi  als  Tischunterhaltung;  vgl.  Athenäus  B.  X. 
Daher  fingiert  eine  solche  Einkleidung  der  älteste  römische  Bäthseldichter 
Symphosius.  Aeltestes  lateinisches  aenigma  (perantiquum,  perquam  lepidum, 
tri}>us  versibus  senaris  compositum,  mit  Lösung  in  M.  Varronis  de  sermone 
lat.  ^  Warcellum  libro  II)  bei  Gell.  XII,  6.  Lösen  von  Räthseln  als  Zei- 
chen dep  Weisheit  Hist.  ApoUonii  42  f.  vgl.  4  f  Später  wurden  lateinische 
ß^jLthsjßl  ißii^  beliebter  Zeitvertreib  in  den  Klöstern,  und  es  ist  daher,  ausser 
den  B^tbselQ  voii  Aldhelmus  und  Tatvinus,  vieles  Derartige  von  ungenann* 


•25  f.  Poetibcher  Brief.    RÄthael.    Centones.    Akrosticha.  89 

ten  Verfassern  erhalten;  Manches  noch  ungedruckt;  vgl.  A.  2.  Eine  Anzahl 
Räthsel  von  barbarificher  Form  aus  einem  cod.  Bern.  saec.  VIII  in  Riefio's 
anthoJ.  lat.  481  (I.  p.  296 — 304)  und,  aus  einer  Wiener  Hds.  vervollstän- 
digt, ib.  IL  p.  LXVI  — LXXVl.  Anderes  ib.  656  f.  (aus  Voss,  saec^  IX). 
685.  770  f.  vgl.  II.  p.  XLII.  L.  MüUer  in  Fleckeisens  Jahrb.  93,  S.  266— 
•272.  666.  95,  S.  497.  Rhein.  Mus.  XXII.  S.  151  f.  J.  Klein,  ebds.  XXIII. 
S.  662—665. 

2.  H.  Hagen,  antike  und  mittelalterliche  Räthselpoesie ;  mit  Benützung 
noch  nicht  veröffentlichter  Quellen  aus  den  Handschriftenbibliotheken  zu 
Bern  und  Einsiedeln  (Biel  1869.  51  S.),  bes.  S.  23  ff. 

3.  Isidor.  orig.  I,  38,  25:  centones  apud  grammaticos  vocari  solent 
qui  de  carminibus  Homeri  vel  Vergilii  ad  propria  opera  more  centonario 
ex  multis  inde  compositis  in  unum  sarciuntur  corpus,  ad  facultatem  cuius- 
que  materiae.  denique  Proba,  uzor  Adelphi,  centonem  ex  Vergilio  De 
fabrica  muudi  et  Evangeliis  plenissime  expressit,  materia  composita  secun- 
dum  versus  et  versibus  secundum  mateiiam  concinnatis.  sie  quoqne  quidam 
Pomponius  ex  eodem  poeta  inter  cetera  stili  sui  otia  Tityrum  in  Christi 
honorem  composuit;  similiter  (wie  aus  den  Vergilischen  Bucolica)  et  de 
Aeneidos  (versibus).  Andere  centonarii  sind  Hosidius  Geta  (Medea),  Auso- 
nius  (cento  nuptialis  =  Idyll.  XIII),  SeduUus  (de  incarnatione  verbi),  Ma- 
vortins  (iudicium  Paridis  und  de  ecclesia;  s.  W.  H.  D.  Suringar,  Anonymi 
cento  Vergilianus  de  ecclesia,  Utrecht  1867.  Anthol.  lat.  10  u.  16,  p.  44—49 
R.),  Luxorius  (epithalamium  Fridi,  Anth.  lat.  18,  p.  66 — 68  R.).  Im  Kleinen 
schon  bei  Petron.  sat.  132,  p.  185  Bü. 

4.  Die  aus  ihrem  Zusammenhange  gerisseneu  vergilischen  Verse  wurden 
manchmal  für  scherzhafte  Zwecke  musivisch  zu  einem  neuen  Ganzen  zu- 
sammengestellt, wie  von  Ausonius,  oder  in  lehrhafter  Absicht  (de  alea, 
Narcissus,  Hippodamia,  Europa,  Alcesta,  Medea  u.  dgl.).  Häufiger  leitete 
das  Bestreben  die  heidnischen  Worte  christlichem  Inhalte  dienstbar  zu 
machen  und  dadurch  zu  veredeln  (Maronem  mutatum  in  melius,  Anthol. 
lat.  735,  4  R.).  Noch  von  A.  Rosäus  wurde  so  die  Aeneis  zu  einer  Christias 
umgearbeitet:  Virgilü  evangelisantis  Christiados  libri  XIII,  Tigur.  1664. 
Bei  der  Zusammenfugung  von  zwei  Verstheilen  nahm  man  es  in  der  spä- 
teren Zeit  mit  dem  Metrum  öfters  sehr  wenig  genau;  z.  B.  Medea  (Anth. 
lat.  17)  93:  nunc  scio  quid  sit  amor.  hospitio  prohibemur  harenae,  und  ib. 
64  f.  87.  172.  196.  211  f.  226.  260.  269.  316.  320.  357.  377.  387.  391  f.  430. 
436.  446  (aus  461  Versen).  Luxorius  (ib.  18)  33:  nomen  inest  virtutis  et 
nota  maior  imago.    Anth.  lat.  719,  20.  25.  78  u.  sonst. 

5.  Centones  vergiliani  im  cod.  Salmas.  p.  1—46  =  nr.  7—18,  p.  23—68 
Rse.  Dazu  ib.  719  (11.  p.  169 — 172).  Sammlungen  der  centones  homerici 
und  vergiliani  von  H.  Stephanus  (1578),  J.  H.  Kromayer  (Hai.  1719),  L.  H. 
Teucher  (Lips.  1793). 

6.  B.  Borgen,  de  centonibus  homer.  et  vergil.,  Kopenh.  1828.  4.  F.  Ha- 
senbalg, de  centon.  vergil.,  Putbus  1846.  4.  L.  Müller,  metr.  lat.  p.  465  f. 

7.  Akrosticha,  besonders  zur  verdeckten  Angabe  eines  Namens,  z.B. 
des  Verfassers  oder  des  Stifters  (Anthol.  lat.  120  R.),  sind  aus  der  griechi- 


40  SachUcher  Theil. 

sehen  Literatur  herübergenommen  und  schon  der  älteren  römischen  nicht 
fremd;  schon  Ennius  verfasste  eines  (Cic.  de  divin.  II,  54,  111)  und  dann 
Aurelius  Opilius  (Suet.  gramm.  6.  Ritschi,  Parerg.  p.  XVI  f.).  Aus  späterer 
Zeit  iiißchriftliche  bei  Renier,  Inscr.  de  TAlg.  2074  (von  Fortunatus)  u.  2928 
(Lovella),  sowie  (christliche)  bei  de  Rossi,  Inscr.  Christ,  nr.  425  (vom  J.  396). 
753.  831.  Vgl.  Rhein.  Mus.  XX.  S.  138.  457.  634  f.  Philologus  XIII.  S.  183  f. 
Commodianus  gab  einer  ganzen  Sammlung  von  Gedichten  (Instmctiones)  diese 
Anlage.  Verbindung  von  Akrostich  und  Telestich  Anthol.  lat.  669  R.  (Nicholao 
Euantius),  bei  Sedulius  (ib.  492  f.),  sowie  (aus  einem  cod.  saec.  VI  — VII) 
ib.  IL  p.  LVI  (Laurentius  vivat  senio).  Rhein.  Mus.  XXIII.  S.  94  f.  Von  Felix 
unter  Thrasamund  Verbindung  von  Akrostich,  Mesostich  und  Telestich. 

8.  Andere  schulmeisterliche  und  mönchische  Tändeleien  sind  die  Ge- 
dichte in  Form  eines  Kreuzes  u.  dgl.,  wiä  von  Porfirius  Optatianus  und 
Venantius  Fortunatus,  mit  einer  bestimmten  Buchstabenzahl  (wie  von  Felix 
u.  A.)  oder  ohne  einen  bestimmten  Buchstaben  u.  dgl.  Ueber  die  versus  ser- 
pentini  und  recurrentes  s.  unten  32,  9. 

23  27.   Die  Fabel,  welche  par'anetischen  Inhalt  in  scherzhafte 

Erzählungen  nainentlich  ans  dem  Thierleben  (Thierepos)  ein- 
kleidet, erscheint  in  der  romischen  Literatur  zuerst  als  eines  der 
Darstellungsmittol  in  den  saturae  des  Ennius,  Lucilius  und  Horaz, 
als  selbständige  Gattung  aber  erstmals  bei  Phädrus  (in  Senaren) 
in  der  Zeit  des  'liberius  und  Claudius.  Unter  Hadrian  verfasste 
Dositheus,     ein    Jahrhundert    nachher   Titianus    eine   prosaische 

'  Uebersetzung  der  Fabeln  des  Babrios ;  später  scheint  Symmachus, 
wohl  in  gebundener  Form,  Aehnliches  gearbeitet  zu  haben,  und 
etwa  ein  Jahrhundert  nach  ihm  dichtete  Avianus  42  Fabeln  des 
Babrios  im  elegischen  Masse  nach.  Die  prosaische  Bearbeitung 
der  Fabeln  des  Phädrus  durch  den  sogenannten  Romulus,  späte- 
stens aus  dem  zehnten  Jahrb.,  bildete  im  Mittelalter  den  Aus- 
gangspunkt für  eine  Reihe  anderer  Fabelsammlungen,  wie  des 
Anonymus  Neveleti  Bearbeitung  der  drei  ersten  Bücher  des  Ro- 
mulus in  Distichen,  des  Baldo  und  des  Alexander  Neckam. 

1.  Die  Fabel  von  der  Haubenlerche  bei  Ennius  (in  satiris  .  .  versibut^ 
quadratis),  Gell.  II,  29  =?  Vahlen*s  Ausg.  des  Ennius  p.  159 — 161.  Die  vom 
kranken  Löwen  (Hör.  Ep.  I,  1,  73  ff.)  schon  bei  Lucilius  (Non.  p.  303,  17  ff.). 
Andere  bei  Horaz,  S.  II,  6,  79  ff.  Epp.  I,  7,  29  ff.  10,  34  ff.  Anspielungen 
auf  Fabeln  bei  Hör.  S.  II,  3,  299.  6,  56.    Epp.  I,  3,  19.   16,  45. 

2.  Seneca  Cons.  ad  Polyb.  8,  27:  non  audeo  te  usque  eo  producere  ut 
t'abelias  quoque  et  Aesopeos  logos,  intemptatum  romanis  ingenüs  opus, 
äolita  tibi  venustate  conectas.  Da  er  damals  in  der  Verbannung  lebte,  so 
kannte  Seneca  den  Phädrus  noch  nicht.  Avianus  praef.:  has  pro  exemplo 
iabulas  .  .  poemati  suo  Flaccus  aptavit,  quod  in  se  sub  iocorum  commu- 
nium  specie  vitae  argumenta  contiueant.  quas  graecis  iambis  Babrins  repetens 


27  f.  Fabel.    Satire.  41 

in  duo  Volumina  coartayit.  Phaedrus  etiam  partem  aliquam  quinque  in  libellos 
resolvit.  Auson.  Epist.  16 ,  74 — 81 :  apologos  .  .  Aesopiam  trimetriam,  quam 
vertat  exili  stilo,  pedestre  concinnans  opus,  fand!  Titianus  artifex.  ib.  17 
rühmt  er  von  Symmachus:  quis  ita  ad  Aeeopi  veuustatem  .  .  accedat? 

3.  Quintil.  I,  9,  2:  Aesopi  fabellas,  quae  fabulis  nutricularum  proxime 
succedont,  narrare  sermone  puro  et  nihil  se  supra  modum  extollente,  deinde 
eandem  gracilitatem  stilo  exigere  condiscant  (pueri,  aetatis  nondum  rheto- 
rem  capientis).  Phädr.  I  prol. :  duplex  libelli  dos  est:  quod  risum  movet 
et  quod  pmdenti  vitam  consilio  monet.  Vgl.  ib.  IL  prol.  III.  prol.  83  ff. 
lY,  2,  1  ff.  Append.  epil.:  hoc  .  .  Musa  quod  ludit  mea  nequitia  pariter 
laudat  et  frugalitas. 

4.  H.  Oesterley,  Romulus,  die  Paraphrasen  des  Phädrus  und  die  äsopische 
Fabel  im  Mittelalter,  Berlin  1870.  124  S.  G.  Diestel,  Bausteine  zur  Geschichte 
der  deutschen  Fabel  (Programm  des  Vitzthumschen  Gymnasiums  in  Dresden, 
1871)  S.  25—32. 

28.  Die  Satire  wurde  zu  einem  Literaturzweige  durch  24 
EnniuS;  welcher  einer  Sammlung  seiner  vermischten  Gedichte 
den  Titel  Saturae  -gab.  Dieses  Beispiel  befolgte  vielleicht  sein 
NefiFe  PaQUvius,  sicher  der  romische  Ritter  C.  Lucilius.  Die  bei 
Letzterem  im  Inhalte  überwiegende  Kritik  der  öflfentlichen  Zu- 
stande seiner  Zeit  wurde  fortan  ein  Hauptmerkmal  im  Begriffe 
der  Satire,  da  derjenige  welcher,  nach  einigen  minder  bedeu- 
tenden Nachfolgern,  mit  glänzender  Begabung  in  der  Weise  des 
Lucilius  weiter  arbeitete,  Horaz,  mit  Nachdruck  dieselbe  Rich- 
tung verfolgte,  jedoch  ausschliesslich  nach  der  Seite  des  socialen 
und  literarischen  Lebens  und  unter  Beschränkung  auf  den  He- 
xameter. Die  aus  Prosa  und  Versen  frei  gemischten  Saturae* 
Menippeae  des  Polyhistors  Varro  fanden  hinsichtlich  dieser  Form 
Nachfolge  in  der  Zeit  des  Nero  bei  Seneca  {^AxoxokoHvvxcn^i^g) 
und  Petronius.  Dagegen  Horaz  erhielt  in  der  neronischen  Zeit 
einen  Nachahmer  an  dem  jugendlichen  Stoiker  Persius.  Unter 
Domitian  schrieb  Turnus  Satiren;  nach  dem  Tode  jenes  Kaisers 
der  Rhetor  Juvenalis  seine  dunkel  gefärbten  Sittenpredigten  und 
Sittengemälde.  Satirischer  Geist  ist  auch  in  dem  (in  Prosa  geschrie- 
benen) Sittenroman  des  L.  Apulejus  (Metamorph.)  und  in  man- 
chen apologetisch-polemischen  Schriften  des  TertuUianus.  Im  vier- 
ten Jahrh.  verfasste  Tetradius  Satiren,  im  fünften  Claudian  seine 
episch  gehaltenen  Angriffe  in  Rufinum  und  in  Eutropium. 

1.  Diomed.  III.  p.  482  f.  P.  =  486,  30  fF.  K.:  satira  dicitur  Carmen 
apud  Romanos  nunc  quidem  maledicum  et  ad  carpenda  hominum  vitia  ar- 
chaeae  comoediae  cbaractere  (richtiger  Quintilian  X,  1,  93:  satira  quidem 
tota  nostra  est)  compositum,  qualc  scripserunt  Lucilius  et  Horatius  et  Per- 


42  Sachlicher  Theil. 

Bius.  at  olim  earmeii  quod  ex  variis  poematibus  cooBtabat  satira  vocaba- 
tur,  quäle  scripsdrunt  Pacuvins  et  Ennius.  Die  Ableitung  des  Namens  von 
saiura  lanx  (s.  oben  6,  2)  würde  auf  die  Satire  als  Literaturzweig,  auch 
schon  die  des  Ennius,  wohl  passen;  hätte  Ennius  bei  diesem  Titel  an  die  alten 
(dramatischen)  Possen  gedacht,  so  müsste  er  ihn  humoristisch  gemeint  haben. 

2.  Hör.  S.  I,  10,  54  (46)  f.:  hoc  erat,  experto  frustra  Varrone  Atacino 
atque  quibusdam  aliis,  melius  quod  scribere  possem.  Zu  diesen  quidam 
alii  gehörte  wohl  auch  der  Polyhistor  Yarro  mit  seinen  vier  Büchern  Sa- 
turae,  sodann  L.  Albucius  (cuius  Luciliano  charactere  sunt  libelli,  Yarro 
R.  R.  III,  2,  17),  C.  Trebonius  (Cic.  ad  Fam.  XII,  16,  3)  und  die  Freige- 
lassenen Saevius  Nikanor  (Suet.  gramm.  5)  und  Lenäus  (ib.  15).  —  Lyd. 
de  magistr.  I,  41:  (tsd"*  ov  (Lucilius)  nal  rovß  iisz*  avtov,  ovg  naXovai 
^Ptofiaiot  oc(TVQi%ovs  f  oe  vscitSQOt  .  .  rriv  aatvQtmr^v  i-Kifdtvvav  %mfiip9iaVy 
^OQixTiog  i^hv  ovx  i^m  r^g  tixvris  x^ifav,  IleQaiog  Sl  xov  fcoirjrriv  SmtpQOVcc 
ILiit/eaad'at  d'iXmv  ro  Av%6q>QOVog  TiagfiX^ev  dfucvQOV  Tovifvog  dh  xal  'lov- 
ßsvaXiog  xal  TlBt^mviog  avrod'sv  rat^  XoiSogiaig  ifCB^BXd'ovtsg  rov  aazvQfnov 
vLfiov  naQttQcaaav.  Aus  späterer  Zeit  des  Yictor  Brief  an  den  Abt  Salomo 
und  die  Satire  aus  Arelate  bei  Ap.  Sidon.  ep.  I,  11. 

3.  Quintil.  X,  1,  96:  alterum  illud  etiam  priuB'(L.  Müller:  amplius) 
satirae  genus,  sed  non  sola  carminum  varietate  mixtum,  condidit  Terentius 
YiUTo,  vir  Romanorum  eruditissimus.  Ygl.  A.  Riese,  Yarr.  sat.  menipp.  p. 
1  ff.  L,  Müller,  Rhein.  Mus.  XXIY.  S.  140—143.  Der  Kyniker  Menippos 
aus  Gadara,  Schüler  des  Eynikers  Diogenes,  aus  der  Generation  nach  Alex- 
ander, hatte  als  anovdoyeXot:og  ernsthafte  Gegenstände  aus  den  praktiscl^ßn 
Gebieten  der  Philosophie  in  heiterem  Tone  abgehandelt.  Seine  Weise  ist 
am  besten  zu  erkennen  aus  seinem  Nachahmer  Lukianos,  bei  welchem  auch 
der  Uebergang  aus  der  prosaischen  zur  metrischen  Darstellung  sich  häufig 
findet.  Die  Lockerung  des  Sohönheitsgefiihls  in  seiner  Zeit  und  Menippos' 
Stellung  als  Kyniker  macht  glaublich  dass  Menippos  damit  bereits  vorange- 
gangen war.  Cic.  Acad.  post.  I,  2,  8  lässt  den  Yan*o  sagen:  in  illis  vete- 
ribus  nostris  quae  Menippum  imitati,  non  interpretati ,  quadam  hilaritate 
conspersimus  multa  admixta  ex  intima  philosophia,  multa  dicta  dialectice. 
Ygl.  Gell.  II,  18,  7 :  MenippUB  .  . ,  cuius  libros  M.  Yarro  in  satiris  aemulatus 
est  quas  alii  cynicas,  ipse  appellat  Menippeas.  Dieselbe  Mischung  von 
Prosa  und  Yersen  zeigen  saec.  Y  Martianus  Capella,  saec.  YI  Boethius  de 
consolatione  philosophiae  und  die  Historia  Apollonii  regis  Tyri.  Doch  kön- 
nen diese  trotzdem  nicht  wohl  für  satirae  menippeae  gelten,  da  in  ihnen 
die  Einmischung  von  Yersen  nur  dazu  dient  die  sonstige  Darstellung  manch- 
faltiger  zu  machen,  ein  satirisches  Element  aber  nicht  vorhanden  ist.  Eher 
haben  beide  Merkmale  Kaiser  Julian'»  griechisch  geschriebene  Kcciüaifsg. 

4.  Nach  Porphyr,  zu  Hör.  Ep.  I,  3,  1  (p.  387  Hth.)  war  der  Zeitgenosse 
des  Horaz,  Julius  Florus,  ein  saturarum  scriptor  cuius  sunt  electae  ex 
Ennio,  Lucilio,  Yarrone  saturae.  Gleichzeitig  mit  Juvenal  schrieb  angeblich 
Silius  (Schol.  Juv.  I,  20:  Lucillium  dicit  .  .  vel  Silium  et  ipsimi  sui  tem- 
poris  satyricum,  qui  omnes,  ut  Probus  refert,  ex  Aurunca  fuerunt)  und 
Manlius  Yopiscus  (Stat.  Silv.  I,  3,  103).  Zweifelhaft  ist  in  dieser  Zeit  Inlius 
Rufus;  die  Satire  der  Sulpicia  aber  ein  Machwerk  von  saec.  XY.    Satire  in 


28  f.   Die  Satire  aU  LiteraturÄweij^.    Das  Idyll.  43 

Form  cinCB  Testaments  von  Fabricius  Veiento;  aus  dem  dritten  Jalirh.  das 
Testament  eines  Schweins,  eine  Parodie  der  juristischen  Testamentsformen, 
veröffentlicht  zuerst  von  Petrus  Lambecius,  comm,  de  bibl.  Caes.  Vindob.  III. 
p.  346  ff.,  dann  bei  Brissonius  de  formulis  VII.  p.  677  u.  A.  Vgl.  unten  45, 11. 
Aus  dem  vierten  Jahrh.  sagt  Ausonius  (Epist.  15)  von  seinem  alumnus  Tetra- 
dius z.B.  (v.  9  f.):  rüdes  Camenas  qui  Suessae  praevenis  aevoque  cedis,  non 
stilo;  später  Butilius  Nam.  von  seinem  Freunde  Lucillus  (Itin.  I,  599 — 606): 
huius  vulnificis  satira  ludente  Camenis  nee  Turnus  potior  nee  luvenalis  erit 
(v.  603  f.). 

5.  Is.  Gasaubonus  de  satyrica  Graecorum  poesi  et  Roman,  satira,  Paris 
1605.  Halle  1774.  J.  A.  Vulpi,  de  satirae  lat  natura  et  ratione  eiusque 
scriptoribus,  Padua  1744.  G.  L.  König,  de  satira  Rom.,  Oldenb.  1796.  Flögel, 
Geschichte  der  komischen  Literatur,  II.  S.  1 — 57.  Wernsdorf,  poetae  latini 
minores,  III.  p.  XIII— XXVI.  C.  L.  Roth,  de  satira,  Nüniberg  1843.  4.  = 
kleine  Schriften  II  (Stuttgart  1857).  p.  384 — 440;  zur  Theorie  und  innem 
Geschichte  der  römischen  Satire,  Stuttgart  1848.  W.  Teuffei  in  Pauly's 
Real-Enc.  VI,  1.  S.  819 — 822.  C.  Scheibe,  de  satirae  rom.  origine  et  progressu, 
Zittau  1849.  4.  H.  Berning,  de  satirarum  scriptoribus  Rom.,  Recklingshausen 
1850.  4.  Fr.  Haase,  d.  röm.  Satire,  in  Prutz  Deutschem  Museum  1851.  S.  858—- 
867.  J.  M.  Söderhelm,  de  vernacula  Rom.  satira  ad  ideam  eins  nativam 
adumbrata,  Helsingfors  1852.  4.  C.  Petermann,  über  den  Ursprung  und  Be- 
griff der  röm.  Satire,  Glogau  1856.  4.  Jung,  de  satira  rom.,  Neisse  1862.  4. 

6.  E.  Szelinski,  de  nominibus  personarum  .  .  apud  poetas  satiricos 
Rom.,  Königsberg  1862.  4.  J.  Schultz,  de  prosodia  satiricorum  rom.  capita 
duo  (de  muta  cum  liquida  et  de  synaloephe)^  Königsberg  1864. 

29«  Das  Idyll  als  Gattung,  mit  seinem  weiblich  weichen  25 
Schmachten  nach  einem  vermissten  Ideale,  blieb  den  Römern  in 
der  Hauptsache  fremd.  Am  meisten  idyllischen  Geist  zeigt  TibuU, 
nächstdem  Vei^l,  und  in  seiner  Art  auch  Horaz.  Aber  im 
Ganzen  kannten  die  Römer  das  Landleben  zu  genau  als  dass 
sie  es  idealisiert  hätten.  Aus  ländlichen  Verhältnissen  hervor- 
gegangen gerieth  der  junge  Vergil  zuerst  auf  diese  Gattung, 
ahmte  den  Theokrit  nach,  ohne  ihn  zu  erreichen,  durch  sein 
AUegorisieren  die  Gattung  sogar  verunstaltend.  Dagegen  das 
Moretum  zeugt  vom  Humor  seines  Verfassers.  Die  Dirae  des 
angeblichen  Valerius  Cato  schwanken  zwischen  Idyll  und  Satire, 
neigen  sich  aber  eher  zum  ersteren,  besonders  durch  ihre  amö- 
bäische  Fassung.  Aus  dem  Anfange  der  Regierung  des  Nero 
sind  besonders  die  sieben  Eklogen  des  Calpumius  Siculus;  an 
ihn  schloss  sich  gegen  Ende  des  dritten  Jahrh.  Nemesianus 
ap.  Vielleicht  aus  derselben  Zeit  waren  des  Septimius  Serenus 
Opuscula  ruralia  in  vielerlei  lyrischen  Massen,  stofflich  aber 
Idyllen.     Um  so  weniger   sind  diess  die  BUSvkKia  des  Ausonius, 


44  Sachlicher  Theil. 

am  ehesten  nocli  in  einzelnen  Partien  die  Mosella,  sowie  aus  dem 
Ende  dieses  vierten  Jahrh.  das  Gedicht  des  christlichen  Rhetors 
Severus  Sanctus  Endelechius  de  mortibus  boum.  Von  Claudianus 
haben  sieben  Gedichte  manchfaltigen  Inhalts  und  theils  im  epi- 
schen, theils  im  elegischen  Masse  den  gemeinsamen  Titel  Eidyllia. 

1.  Diomed.  III.  p.  483  P.  »=  486,  17  E.:  bucolica  dicuntur  poemata 
eecundum  Carmen  pastorale  composita.  lieber  den  Namen  Idyll  s.  W.  Christ 
in  den  Verhandl.  der  Würzburger  Philologenversammlung  (Leipzig  1869) 
S.  49 — 58.  Ecloga  (auserlesenes  Stück),  in  der  Eaiserzeit  für  jedes  kleinere 
Gredicht,  =»  idyllium,  poematium,  s.  Plin.  £p.  IV,  14,  9:  sive  epigrammata 
äive  idyllia  sive  eclogas  sive  .  .  poematia  .  .  vocare  malueris.  In  der  er- 
haltenen Literatur  sind  Eclogae  betitelt  die  Hirtenlieder  des  Vergil  und 
Calpumius,  sowie  eine  Sammlung  von  kleineren  Gedichten  des  Ausonius. 
Christ  a.  a.  0.  S.  56.  A.  2. 

2.  Aus  Vergils  Georg,  s.  bes.  II,  458  if.  Horaz  (S.  II,  6.  Ep.  I,  10) 
liebt  und  preist  das  Landleben  als  das  gesündere  und  unabhängigere.  — 
Macrob.  Sat.  III,  18,  11:  Sueius,  vir  longe  doctissimus,  in  idyllio  quod  in- 
scribitur  Moretum,  worauf  er  8  Hexameter  daraus  anführt,  die  sehr  ver- 
bchieden  sind  vom  Tone  des  vergilischen  Moretum;  vgl.  ib.  VI,  1,  37  u.  5, 
15:  Sueius  in  libro  quinto.  Sueius  poeta  ib.  III,  19,  1;  auch  wohl  gemeint 
bei  Non.  p.  72,  23.  139,  24.  513,  21  (trochäische  Bruchstücke).  L.  Müller, 
Rhein.  Mus.  XXIV.  S.  553—557.  Auf  Idyllisches  weist  wohl  Ovid.  ex  Pont. 
IV,  16,  35:  (cum)  Naidas  a  Satyris  caneret  Fontanus  amatas.  Gleichfalls 
in  der  augusteischen  Zeit  schrieb  M.  Valerius  Messala  erotisch  gehaltene 
Idyllen  in  griechischer  Sprache  (Verg.  Catal.  11,  13 — 24). 

3.  H.  Hagen,  Beitrag  zur  lateinischen  bukolischen  Poesie  aus  einem 
cod.  Einsiedlensis  saec.  X,  im  Philologus  XXVIII.  S.  338  —  341  »  Anthol. 
lat.  725  u.  726  Ese.  Es  sind  zwei  Nachahmungen  der  vergilischen  Eklogen, 
zum  Preise  Neros  gewendet;  s.  unten  bei  Calpumius  Siculus. 

4.  Wettstreit  des  Frühlings  und  des  Winters  (je  drei  Hexameter)  vor 
dem  Schiedsrichter  Palaemo,  Anthol.  lat.  687  R.  Scherzhaft  iudicium  coci 
et  pistoris  iudice  Volcano  (von  Vespa)  ib.  199. 

5.  Hunger,  de  poesi  Bom.  bucolica,  Halle  1841.  B.  Unger,  Valg.  Ruf. 
p.  l>85— 326.    W.  Teuffei  in  Pauly's  Real-Enc.  I,  2.  S.  2528  f. 

2ß  30,    Die  Lyrik,   als  subjective  Poesie    im  weitesten  Sinne, 

stimmte  wenig  zu  dem  auf  das  Handeln  gerichteten  Wesen  der 
Römer,  und  wurde  daher  erst  spät  und  in  beschränktem  Um- 
fange bei  ihnen  betrieben.  Verhältnissmässig  frühzeitig  finden 
sich  nur  solche  Arten  welche  mit  dem  Leben  irgendwie  in  Be- 
ziehung standen,  wie  Cultuslieder  (der  Salier,  fratres  arvales, 
Hymnus  des  Andronikus  u.  A.),  Gesänge  zu  Ehren  Verstorbener, 
Klaglieder,  Zaubersprüche,  und  was  sonst  durch  das  satumische 
Mass  zum  carmen  wurde.  Ausserdem  führte  der  nationale  Hang  zu 


30  f.  Lyrische  Arten.   Das  Epigramm.  45 

scharfer  Kritik  schon  frühe  zu  Spottliedern,  dergleichen  die  Fes- 

cenninen;    die  occentationes,   die  Soldatenlieder  auf  den  Trium- 

phator;    und  wohl  auch  manche  in  den  Volkspossen  eingelegte 

cantica  waren. 

1.  Offizielle  Lyrik  des  Livius  Andronikus  (Liv.  XXVII,  37.  Fest.  p.  333), 
P.  Licinius  Tegula  (Liv.  XXXI,  12),  später  des  Catull  (c.  34  auf  Diana)  und 
des  Horaz  (c.  saec). 

31.  Unter  den  Kunstformen  der  Lyrik  fand  die  leichteste,  26 
das  Epigramm,  am  frühesten  Anbau,  theils  als  Aufschrift,  theils 
als  Gelegenheits-  und  Sinngedicht,  theils  auch  als  kleine  erotfsche 
Elegie.  In  ersterer  Weise  wurde  es  seit  Ennius  allmählich  immer 
häufiger  auf  Gräbern  wie  Bildern  verwendet,  bald  blose  Hexa- 
meter (wie  die  Grabschrift  des  Plautus),  bald  Distichen  (wie  die 
Grabschrift  des  Cn.  Cornelius  Scipio  Hispanus,  Prätor  615  d.  St.), 
am  umfassendsten  in  Varro's  Imagines.  Vertreter  der  beiden 
anderen  Richtungen  des  Epigramm  sind  aus  der  ersten  Hälfte 
des  siebenten  Jahrh.  d.  St.  Pompilius,  Valerius  Aedituus,  Porcius 
Licinus,  Q.  Lutatius  Catulus,  Quintius  Atta;  aus  der  zweiten  Hälfte 
Varro  Atacinus,  Licinius  Calvus  und  Catull,  und  wohl  auch  Hor- 
tensius,  C.  Memmius  Gemellus,  Q.  Scaevola,  und  Andere  denen 
erotische  Gedichte  zugeschrieben  werden.  In  der  augusteischen 
Zeit  August  selbst,  Domitius  Marsus,  Pedo,  Comificia,  Sulpicia, 
Gaetulicus.  Unter  Domitian  sodann  wurde  das  Epigramm  in  meh- 
rerlei Formen  mit  Virtuosität  gehandhabt  von  Martialis;  auch 
Ausonius  hat  Manches  dieser  Art,  und  noch  lange  fort  dauerte 
die  Hervorbringung  solcher  Kleinigkeiten,  insbesondere  für  das  Be- 
dürfniss  derGrabschriften.  Noch  aus  dem  sechsten  Jahrh.  haben  wir 
eine  Sammlung  von  Epigrammen  des  Luxorius.  Aus  dem  siebenten 
Jahrh.  sodann  besitzen  wir  die  Gedichtsammlimg  des  codex  Salma  • 
sianus.  In  neuerer  Zeit  sind  diese  kleineren  Gedichte  zusammenge- 
stellt und  unter  dem  Namen  Anthologia  latina  veröffentlicht  worden. 

1.  Lyricorum  iuennditas,  elegomm  lasciviae,  iamborum  amaritado,  epi- 
grammatum  lusus,  Tac.  dial.  10.  —  Ecquis  nostrorum  poetarum  tarn  fluentes 
carminum  delicias  fecisset  (wie  Anakreon)?  nisi  CatuUus  forte  pauca  et 
Calvna  itidem  pauca.  nam  LaeviuB  implicata  et  Hortensius  invenueta  et 
Cinna  inlepida  et  Memmius  dura,  ac  deincepe  omnes  rudia  fecerunt  atque 
absona.  Gell.  XIX,  9,  7;  worauf  ib.  10  ff.  versus  Valeri  Aeditui,  .  .  item 
Porcii  Licini  et  Q.  Catuli  angefahrt  werden  quibus  mundius,  venustius,  li- 
matiusy  tersius  graecum  latinumve  nihil  quidquam  reperiri  puto.  Martial.  I. 
praef.:  lascivam  verborum  veritatem,  i.  e.  epigrammaton  linguam,  excusarem 
ai  meum  esset  exemplum:  sie  scribit  CatuUus,  sie  Marsus,  sie  Pedo,  sie 
GaetuHcus,  sie  quicumque  perlegitur.    Plin.  Ep.  V,  3,  5  zählt  als  Verfasser 


46  Sachlicher  Thoil. 

erotischer  Gedichte  auf:  M.  Tulliuxn,  C.  Calyam,  Asinium  PoUionem,  M.  Mes- 
Balam,  Q.  Hortensiuin,  M.  Brutum,  L.  Sullam,  Q.  Catulum,  Q.  Scaevolam, 
Ser.  Sulpicium,  M.  Varronem,  Torquatum,  immo  Torquatos,  C.  Memmium,  Len- 
tulum  Gaetulicum^  Annaeum  Senecam,  Anuaeum  Lucanum ,  .  .  Verginium  Ru- 
fum,  .  .  d.  lulium,  d.  Augustum,  d.  Nervaiu,  Tiberium  Caesarem ;  ferner  Nero- 
nem,  weiterhin  (ib.  6)  P.  Vergilius,  Cornelius  Nepos  et  prius  Attius  Enniusque. 
Es  scheint  frühzeitig  eine  erotische  Anthologie  veranstaltet  worden  zu  sein, 
woraus  vielleicht  Plinius,  dann  Gellius  (1.  1.)  und  Apulejus  (apol.  9)  ihre 
»peciellen  Kenntnisse  auf  diesem  Gebiete  haben  werden.  Auch  Anthol.  lat. 
23—25.  29.  427—436.  446.  448—453.  458—460  stammen  wohl  aus  solcher 
Quelle.   H.  Paldamus,  römische  Erotik,  Greifswald  1833. 

2.  Epigramme  zu  Bezeichnung  ihrer  literarischen  Stellung,  nach  dem 
Vorgange  der  Alexandriner  gekleidet  in  die  Form  von  Grabschriften,  von 
Naevius,  Plautus,  Ennius,  Pacuvius ;  0.  Jahn  im  Hermes  II.  S.  242  f.  Cicero's 
Freigelassener,  M-  Tullius  Laurea,  verfasste  Epigi-amme  in  lateinischer 
(Plin.  N.  H.  XXXI,  2)  wie  griechischer  (Anth.  gr.  II.  p.  90  f.)  Sprache. 
Gegen  das  Ende  der  Republik  zahlreiche  Epigramme  auf  Personen  und 
Ereignisse  des  Tages.  So  Anthol.  lat.  419—426  zum  Preise  Caesars,  462  f. 
förmliche  Gedichte  auf  den  Tod  der  feindlichen  Brüder  Maevius.  In  der 
ersten  Eaiserzeit  wurden  Stoffe  w^ie  der  Tod  des  Cato  Uticensis,  das  Grab 
des  Pompejus  und  seiner  Söhne  mit  Vorliebe  behandelt;  s.  Anthol.  lat.  392  ff. 
413  f.  R.   Anderes  s.  oben  11,  3. 

3.  Martial.  I.  praef.  (s.  A.  1.).  VIII.  praef.:  quamvis  epigrammata  a 
severissimis  quoque  et  snmmae  fortunae  viris  ita  scripta  sint  ut  mimicam 
verborum  licentiam  affectasse  videantur.  Fronto  p.  212  N.:  novissimos  in 
opigrammatis  versus  habere  oportet  aliquid  luminis. 

4.  Catalecta  veterum  poetarum  von  Jos.  Scaliger,  Lugd.  B.  1573.  1595. 
1617.  Epigrammata  et  poematia  vetera  .  .  ex  codicibus  et  lapidibus  .  .  col- 
lecta,  von  P.  PithÖus,  Paris  1590.  Lugd.  1596.  Genev.  1619.  Anthologia 
latina  von  P.  Burmann,  Amsterdam  1759  u.  1773.  2  Voll.  4.  Anthologia 
vett.  latt.  epigraramatum  et  poem.  ed.  H.  Meyer,  Lips.  1835.  2  Voll.  Anth. 
lat.  sive  poesis  latinae  supplementum.  P.  I:  carminain  codicibus  scripta,  rec. 
A.  Riese.  Fase.  1:  libri  Salmasiani  aliorumque  carmina  (Lips.  1869).  Fase.  2: 
reliquorum  librorum  carmina,  Lips.  1870.  P.  II,  enthaltend  die  inscriptiones 
metricae,  ist  von  F.  Bücheier  zugesagt.  Neuere  kritische  Beitrüge  von  E. 
Bährens,  lectiones  latt.  (Bonn  1870)  p.  31—35. 

29  32*   In  Folge   des   Einflusses  der   alexandrinischen   Dichter 

gewann  am  Ende  der  Republik  besonders  die  Elegie  in  Rom 
Boden,  und  bierin  übertrafen  die  Schüler  durch  Wahrheit  und 
Wärme  der  Empfindung  wie  durch  Kunstvollendung  weitaus  ihre 
griechischen  Vorbilder.  CatuU  zwar  bewegt  sich  in  dieser  Form 
meist  noch  etwas  unfrei;  besser  scheint  es  schon  dem  Cornelius 
Gallus  (Lycoris)  geglückt  zu  sein;  TibuU  lieferte  darin  Meisterwerke, 
Propertius  leidenschaftliche  Bilder,  und  Ovid  war  in  der  elegi- 
schen Form  ganz  und   gar  zu  Hause.     Im  ersten  christl.  Jahrh. 


31  f.  Epigramm.    Die  Elegie.  47 

war  diese  Form  lange  Zeit  in  der  Mode,  und  auch  die  Schule 
bediente  sich  ihrer  zu  Stilübungen.  Um  so  geringer  war  der 
Gehalt  dieser  Hervorbringungen.  Später  theilte  sich  dieses  Mass 
mit  dem  epischen  in  das  Schicksal  für  alle  möglichen  StofiFe  ver- 
wendet zu  werden;  und  als  die  Verwilderung  einbrach,  als  die 
Bande  der  alten  quantitierenden  Kunstpoesie  gelöst  und  die  neu- 
euitypäische  Form  der  Poesie  noch  nicht  zur  Reife  gediehen  war, 
da  waren  es  wiederum  jene  beiden  metrischen  Formen  welche, 
als  die  verbreitetsten  und  populärsten,  davon  vorzugsweise  be- 
troffen wurden. 

1.  Diomed.  III.  p.  481  f.  P.=  484,  17  ff.  K. :  elegia  est  Carmen  compo- 
situm hexametro  versu  pentametroque.  .  .  quod  genns  carminis  praecipue 
scripserunt  apud  Romanos  Propertius  et  TibuUus  et  Gallus,  imitati  Graecos 
Callimachum  et  Euphoriona.  Cic.  Tusc.  III,  19,  45  über  Ennius;  o  poetam 
egregium,  quamquam  ab  his  cantoribus  Euphorionis  (Caivus,  Catull,  Cinna 
etc.)  contemnitur.  Quintil.  X,  1,  93;  elegia  quoque  Graecos  provocamus. 
cuins  mihi  tersns  atque  elegans  maxime  videtur  auctor  TibuUus.  sunt  qni 
Propertium  malint.  Ovidius  utroque  lascivior,  sicut  durior  Gallus.  Zeitliche 
Aufeinanderfolge  s.  Ovid.  Trist.  IV,  10,  53  f.:  successor  fuit  hie  (Tibnllus) 
tibi,  Galle,  Propertius  illi;  quartus  ab  his  serie  temporis  ipse  fui.  Der 
älteste  Dichter  dieser  Art,  Varro  Atacinus,  ist,  als  minder  bedeutend,  in 
diesen  Aufzählungen  übergangen.  Die  Verfasser  von  kurzen  Elegieen  (d.  h. 
Epigrammen)  aus  dieser  Zeit  s.  oben  31,  mit  A.  1.  Vielleicht  gehört  dahin 
auch  Cassius  aus  Parma  (Hör.  E]3.  I,  4,  3).  Aus  der  augusteischen  Zeit 
femer  der  Verf.  von  Tibull.  III  (Lygdamus).  Angeblich  horazische  elegi 
hielt  schon  Sueton  für  unecht. 

2.  Persius  I,  51  f.:  si  qua  elegidia  (Epigramme?)  crudi  dictarunt  pro- 
ceres.  Juv.  I,  3  f.:  impune  .  .  mihi  recitaverit  ille  togatas,  hie  elegos?  So 
verfasste  Elegieen  unter  Domitian  Arruntius  Stella,  in  der  Zeit  des  Jüngern 
Plinius  dieser  selbst  (Ep.  VII,  4,  3.  7)  und  Passennus  PauUus,  municeps 
und  Nachkomme  des  Propertius.  Wohl  ans  dem  ersten  christlichen  Jahr- 
hundert ist  die  rhetorische  Elegie  auf  die  spes,  Anthol.  lat.  415  (I.  p.  268 — 
271)  R.  Von  ähnlichem  Charakter  ib.  440  (p.  279)  R.  und  die  16  Disti- 
chen der  Eucheria  poetria  ib.  390.  Noch  aus  dem  sechsten  Jahrh.  die  sechs 
Elegieen  des  Maximianus. 

3.  Elegische  uSiünoxa^  wie  in  obitum  Maecenatis,  Consolatio  ad  Li- 
viam  de  morte  Drusi,  Elegia  ad  Valerium  Messalam  u.  A.  bei  Wernsdorf, 
poetae  lat.  min.  III  u.  IV.  Unter  diesen  ist  die  Consolatio  wohl  von  einem 
Italiener  des  16.  Jahrb.  verfasst.  Ebenso  ist  ein  neueres  Machwerk  der 
elegische  Cento  eines  angeblichen  Asinius  Cornelius  Gallus  bei  Wernsdorf 
III.  p.  ft3  ff. 

4.  Um  die  Person  der  von  ihnen  besungenen  Mädchen  verbreiteten  die 
erotischen  Dichter  der  Römer  ein  heilsames  Helldunkel,  theils  durch  die 
Weglassnng  concreter  Züge,    theils  durcli  die  Sitt^  sie  mit   verändertem, 


48  Sachlicher  Theil. 

jedoch  meist  zugleich  prosodisch  übereinstimmendem  Namen  zu  erwähnen. 
Apulej.  apol.  10:  accusent  C.  Catullum  quod  Lesbiam  pro  Clodia  nominariti 
et  Ticidam  similiter,  quod  quae  Metella  erat  Perillam  scripserit,  et  Pro- 
pertium,  qui  Cynthiam  dicat,  Hostiam  dissimulet,  et  Tibullum  quod  ei  sit 
Plania  in  animo,  Delia  in  versu.  L.  Schwabe,  Quaest.  Catull.  p.  231—235. 
Aufzählungen  von  Dichtergeliebten  bei  Martial.  Vlll,  73,  5  ff .  und  Apoll. 
Sidon.  epist.  II,  10. 

6.  „Eine  gewisse  Gleichmässigkeit  der  Satztheile,  selbst  eine  Ai^  der 
Symmetrie  der  Perioden,  war  bei  den  Elegikem  schon  durch  die  Natur  des 
Distichons  bedingt;  sie  erscheint  aber  durchaus  unbewusst  und  unbeab- 
sichtigt und  entbehrt  deshalb  nicht  zahlreicher  Ausnahmen,  gerade  wie  die 
Elegie  auch  vornehmlich  zu  Sprüngen  des  Gedankenganges,  Einschaltungen 
und  Digressionen ,  überhaupt  zu  laxerer  Disposition,  gleichsam  einlädt.*^ 
L.  MüUer.  Vgl.  Westphal,  griech.  Metrik  IP.  S.  XVIII.  Dagegen  förmliche 
strophische  Composition  will  nachweisen  C.  Prien,  die  Symmetrie  und  Re- 
sponsion  der  römischen  Elegie,  Lübeck  1867.  86  S.  4.  Vgl.  £.  Rautenberg, 
de  arte  compositionis  in  Ovidii  Amoribus,  Breslau  1868. 

6.  0.  F.  Gruppe,  die  römische  Elegie;  kritische  Untersuchungen  u.  s.  w. 
Leipzig  1838.  2  Bde.  G.  Gebhardi,  de  Tibulü,  Prop.,  Ovidii  disüchis  quae- 
stiouum  elegiacarum  spec,  Königsberg  1870.  52  pp. 

7.  Den  nahen  Zusammenhang  zwischen  Epigramm  und  Elegie  (vgl  A.  1  f.) 
zeigen  auch  die  epitaphia  und  epicedia.  So  grenzen  durch  ihren  Umfang  an 
Elegien  an  die  Epitaphien  des  mimus  Vitalis  (Anthol.  lat.  683  R.,  dreizehn 
Distichen)  und  des  Nymphius  (ib.  722,  zwölf  Distichen  im  Namen  seiner 
Gattin  Serena);  während  Epitaphe  zur  Charakteristik  von  Schriftstellern,  wie 
des  Seneca  (ib.  667)  und  Lucanus  (ib.  668)  Epigramme  auf  sie  sind  (vgl. 
oben  31,  2). 

8.  Lehrgedichte  im  elegischen  Mass,  wie  der  Phoenix  und,  gleichfalls 
aus  dem  vierten  Jahrb.,  de  rosis  nascentibus  (25  Distichen),  Anthol.  lat.  646 
11.   Vgl.  oben  23.   Auch  Räthsel  und  centones  in  diesem  Masse;  s.  oben  26. 

9.  Mit  dem  Wachsen  des  Ungeschmackes  wurden  immer  künstlichere 
Formen  ausgebrütet  oder  nachgebildet.  Dergleichen  sind  die  versus  echoici 
oder  serpentini  (epanaleptische) ,  worin  die  ersten  Worte  des  Hexameters 
(bis  zur  Penthemimeres)  sich  als  zweite  H&ifte  des  Pentameters  wieder- 
holen, dergleichen  besonders  Pentadius  verfasste.  Anderes  bei  Apoll.  Si- 
donius  (ep.  VIII,  11),  Sedulius,  Venantius  Fortunatus  (III,  37)  und  Anthol. 
lat.  38 — 80  Rse.  VgL  oben  26,  7  f  Sidonius  ep.  IX,  14:  versus  recur- 
rentes,  .  .  qui  metro  staute  .  .  ut  ab  exordio  ad  terminum  sie  a  fine 
releguntur  ad  summum.  sie  est  illud  antiquum:  Roma  tibi  subito  motibus 
ibit  amor.  nee  non  habentur  pro  recurrentibus  qui  pedum  lege  servata  .  . 
per  singula  verba  repetuntur,  .  .  qualia  equidem  legi  multa  multorum,  z.B.: 
praecipiti  modo  quod  decurrit  tramite  flumen  tempore  consumptum  iani 
cito  deficiet.  Solche  Verse  hiessen  auch  anacyclici,  dergleichen  wir  beson- 
ders von  Poriirius  haben,  anthol.  lat.  81  (I.  p.  92  f.)  R. 

27  33.  Die  vom  Drama  her  geläufige  metrische  Form  des  Jam- 

bus wurde  bald  auch  für  andere  Zwecke  verwendet  (Grabsebriften, 


32  f.  Elegie.   Die  lambik.  49 

wie  des  Pacuvius).  Als  Carmen  maledicum  scheint  den  lambus 
unter  den  Römern  zuerst  Furius  Bibaculus  angewandt  zu  haben^ 
neben  ihm  CatuU,  Calvus,  auch  der  jüngere  Cato,  sodann  Horaz 
(Epoden)  und  Bassus.  Eine  Nuance  waren  die  mimiambi  des 
Cn.  Matius.  Die  Kaiserzeit  konnte  dieser  Gattung  nicht  günstig 
sein,  und  der  lambus  wurde  hier  meist  farblos  in  Anwendung 
gebracht.  Doch  ist  unter  den  Gedichten  des  Martialis  ein  Theil 
in  diesem  Masse  gehalten,  und  später  Hess  Ausonius  es  sich  an- 
gelegen sein  auch  den  eigentlichen  lambus  wieder  aufzufrischen. 

1.  Diomed.  III.  p.  482  P.  =  485,  11  ff.  E.:  iambus  eet  Carmen  male- 
dicum. .  .  cuius  carminis  praecipui  scriptores  .  .•  apud  Romanos  Luciliue 
et  Catullus  et  Horatius  et  BibaculuB.  QuintiL  X,  1,  96:  iambus  non  sane 
a  Bomanis  celebratus  est  ut  'proprium  opus,  (sed  aliis)  quibusdam  interpositus. 
cuius  acerbitas  in  Catullo,  Bibaculo,  Horatio,  quamquam  illi  epodos  intervenit, 
reperietnr.  Vgl.  ib.  IX,  4,  141:  aspera  et  maledica  .  .  etiam  in  carmine 
iambis  grassantur.  X,  1,  9:  scriptores  .  .  iamborum  veterisque  comoediae 
etiam  in  illis  (parum  verecundis  verbis)  saepe  laudantur.  Ovid.  rem.  am. 
377  f.:  liber  in  adversos  hostes  stringatur  iambus,  seu  celer  extremum  seu 
trahat  ille  pedem  (Hinkiambus).  Catull  36,  5  (truces  vibrare  iambos)  und 
40,  2  gebraucht  iambus  von  maledica  carmina  überhaupt,  abgesehen  vom 
Masse,  auch  von  Hendekasyllaben,  wie  er  (und  später  Martial)  sie  vorzugs- 
weise anwandte. 

2.  Plut.  Cato  min.  7:  oqyy  xofl  vsottiTL  tf^iipag  sccvtov  slg  tdiißovg 
noXla  Tov  S%inC(ova  ^ad'vßQias,  to9  ni^Q^  nQoaxQfiodiifvos  rov  'AQx^^^oxoVy 
To  d'  dnoXaGTOv  dtpslg  xal  nccLÖagi^ösg.  Ovid.  Trist.  IV,  10,  47 :  Bassus  quo- 
que  clarus  iambo.  Materiell  iambisch  war  auch  die  satira  des  Lenäus  (Suet. 
gramm.  15)  und  ist  es  die  Ibis  des  Ovid.  Choliambisch  sind  unter  den  vergili- 
schen  Catal.  2  u.  7,  iambisch  3 — 5  und  8 ;  choliambisch  auch  die  mimiambi  des 
Matius,  sowie  Petron.  Sat.  5,  der  Prolog  des  Persius  und  ein  Theil  der  Ge- 
dichte des  Martialis.  Auch  unter  den  Priapeia  ist  der  lambus  vertreten.  Von 
einem  lambographen  Flaccus  die  Verse  (bei  Paul.  p.  263  M.):  videres  alios 
ructare  ac  respuere  pulcherrima  superbia.  Antistius  Sosianus  probrosa 
adversus  principem  (Nero)  carmina  (lamben?)  factitavit  volgavitque  (J.  62 
n.  Chr.),  Tac.  A.  XIV,  48.  Aurelius  Apollinaris  um  280  n.  Chr.  Auf  Con- 
stantin's  Verwandtenmord  ein  Epigramm  (Hendek.)  angeblich  von  Abla- 
vius  bei  Ap.  Sidon.  epist.  V,  8.  Scherzhafte  Sinngedichte  auf  Zeitgenös- 
sisches in  Hendekasyllaben  bei  Lamprid.  Alex.  Sev.  38.  Von  Ausonius  s. 
bes.  Epigramm.  45 — 52  gegen  den  Rhetor  Bufus.  Vg;!.  Biese's  Anthol.  lat. 
U.  p.  372. 

3.  In  den  Inschriften  sind  iambische  Senare  nicht  selten;  s.  136,  3.  So 
die  Altarinschrift  des  L.  Fulvius  Maximus  in  Bonn  (Rhein.  Mus.  XIX.  S.  53 — 62. 
Jahrbb.  d.  rheml.  Ali  Fr.  XXXVI.  S.  116  ff.  XXXVII.  S.  151  ff.  Annal. 
deir  Inst.  arch.  XXXVI.  p.  224  ff.),  die  Inschrift  auf  den  Schulmeister  Fu- 
sius  Philocalus  (Hermes  I.  S.  147—151,  vgl.  S.  151—155),  die  Grabschrift 
der  Senenia  Pollia  (Orelli-Henzen  6237.   Ritschi,  Rhein.  Mus.  XVII.  S.  300  ff.) 

Tkuffel,  BOm.  LiteratnrgeBchiohto.    2.  Aufl.  4 


50  Sachlicher  Theil. 

und  viele  andere  (vgl.  Fröhner,  Philologus  XIII.  S.  176.  183.  185).  Ska- 
zonten  (Hinkiamben)  z.  ß.  bei  Orelli  4828  (Rom),  Mommsen  I.  R.  N.  2001 
(Nola),  Jahrbb.  d.  rheinl.  Alt.  Fr.  XXXII.  S.  63,  Meyer  Anthol.  lat.  1302. 
Grabschrifb  auf  einen  Hund  in  Hendekasyllaben  mit  catullischen  Remini- 
scenzen,  aus  Auch,  Hermes  I.  S.  68. 

28  34.  Am  Ende  der  Republik,  wo  die  Kenntniss  der  griechi- 
schen Literatur  in  Rom  immer  vielseitiger,  das  Leben  erregter 
geworden  war,  versuchte  fast  jeder  höher  gebildete  Römer  sich 
gelegentlich  in  irgend  welcher  Form  von  kleinen  Gedichten;  auch 
die  Begabteren,  wie  Laevius,  Varro  Ätacinus,  Calvus  und  CatuU, 
bewegten  sich  unschlüssig  in  verschiedenen  Gattungen  und  me- 
trischen Formen;  den  CatuU  aber  machte  Liebe  und  Hass  die  er 
darin  niederlegte  zum  ersten  eigentlichen  Lyriker  der  Römer. 
Auf  seiner  Bahn  wandelte  Horaz  fort,  -mit  viel  weniger  persön- 
lichem Pathos,  aber  desto  schärferem  Kunstverständniss.  Andere 
in  seiner  Zeit  brachten  es  über  Tändeleien  und  Anläufe  nicht 
hinaus.  Im  ersten  christl.  Jahrh.  war  Formgewandtheit  sehr  ver- 
breitet und  in  Folge  dessen  auch  poetisches  Dilettantisieren;  her- 
vorragend aber  und  von  nachhaltigem  Einfluss  war  keiner  der 
zahlreichen  lyrischen  Dichter  dieser  und  der  nächsten  Zeit,  wie 
Caesius  Bassus,  Salejus  Bassus,  Gaetulicus,  Arruntius  Stella,  Ves- 
tricius  Spurinna,  der  jüngere  Plinius,  P.  Annius  Florus,  Voconius, 
Hadrian,  Sentius  Augurinus,  Pompejus  Satuminus,  Annianus.  Von 
dieser  Fonnbeherrschung,  welche  Manchen  —  wie  den  Septimius 
Serenus  und  Terentianus  Maurus  —  trieb  Verse  zu  machen  nur  um 
ein  bestimmtes  Metrum  darzustellen,  sind  besonders  glänzende 
Vertreter  Statins  und  später  Ausonius,  auch  noch  Apollinaris 
Sidonius  und  Boetius;  nicht  minder  ist  das  Pervigilium  Veneris 
ein  unverächtliches  Zeugniss  von  der  lyrischen  Kunst  des  zweiten 
oder  dritten  Jahrh.  Von  den  christlichen  Dichtern  des  vierten 
Jahrh.  zeichnet  sich  Prudentius  durch  die  Manchfaltigkeit  der 
von  ihm  gehandhabten  melischen  Masse  aus.  Theils  abwechselnd 
theils  bleibend  in  besonderer  Gunst  waren  die  Hendekasyllaben, 
trochäischen  Tetrameter  und  iambischen  Dimeter. 

1.  Die  ältesten  Meliker  bezeichnen,  unter  dem  Einflüsse  der  römischen 
Begriffe  und  wegen  des  spielenden  Inhaltes,  ihre  Arbeiten  selber  als  nugae, 
ineptiae,  (Eroto-)paegnia,  opuscula  u.  dgl.  Hierher  gehören  viele  der  von 
Plin.  Ep.  V,  3,  5  (s.  oben  31,  1)  Genannten,  vielleicht  auch  Cassius  aus 
Parma.  In  der  augusteischen  Periode  vielleicht  Titius  (Hör.  Ep.  I,  3,  9  ff.), 
Julus  Antonius  (vgl.  Hör.  0.  IV,  2)  und  Rufus  (Ovid.  ex  Pont.  JV,  16,  28); 
dann  des  Mäcenas  Tändeleien  und  des  Melissus  Ineptiae. 


34.  Die  Melik.  51 

2.  Vorzugsweise  aus  der  augusteischen  Zeit  stammen  auch  die  Pria- 
peia«  87  Scherz-  und  Schmutzgedichte  auf  Priapus  in  manchfachen  metri- 
schen Formen,  bes.  lamben  und  Hendekasy Ilaben ,  von  meist  ungenannten 
Verfassern,  von  Catull  an.  Text  in  den  lateinischen  Anthologien,  an  Bü- 
cheler's  .Textausgabe  des  Petronius  (Berlin  1862)  p.  109  ff.  (nebst  dessen 
Vindiciae  libri  Priapeiorum,  Rhein.  Mus.  XVIII.  p.  381 — 416),  sowie  in  L. 
Muller's  Ausgabe  des  Catull  (Lips.  Teubner.  1870)  p.  95—119.  Vgl.  ib.  p. 
XLI  —  LIX.  LXXIX  —  LXXXU.  Abhandl.  darüber  von  J.  E.  Wemicke,  I. 
Thom  1853.    144  pp.   8. 

3.  Quintil.  X,  1,  96:  lyricorum  Horatius  fere  sölus  legi  dignue.  .  .  si 
quem  adicere  velis,  is  erit  Caesius  Bassus,  quem  nuper  vidimus;  sed  eum 
longe  praecedunt  ingenia  viventium  (wobei  er  wohl  an  Aruntius  Stella, 
Vestricius  Spurinna,  vielleicht  auch  schon  Statins,  denkt,  zugleich  ein  Mass- 
stab für  das  Urteil  über  Bassus).  Diesen  epigonen  Lyrikern  fehlte  es  we- 
niger an  Form  als  an  Inhalt.  Versiculi  des  Plinius,  erotischen  Inhalts,  bes. 
Hendekasy Ilaben,  Ep.  V,  8,  1.  VII,  4,  1.  7  ff.  Gleichzeitig  Passennus  Paul- 
lus  Nachahmer  des  Horaz  (ib.  IX,  22,  2).  Voconius  poeta  unter  Hadrian, 
welcher  selbst  auch  dergleichen  schrieb.  Damals  Vorliebe  für  den  volks- 
mässigen  (s.  oben  11,  3)  trochäischen  Septenar  (Annius  Florus);  darauf  der 
dim.  iamb.  (z.  B.  Annianus).  Im  fünften  Jahrh.  n.  Chr.  waren  die  Hende- 
kasy Ilaben  wieder  in  Mode  (Sidonius  u.  A.).  Absichtliche  oder  unwillkür- 
liche Ueberschätzung  von  Zeitgenossen  z.  B.  auch  in  Bezug  auf  Numerianue 
(Caesar  284  n.  Chr.)  bei  Vopisc.  Car.  11,  2:  versu  talis  fuisse  praedicatur 
ut  omnes  poetas  sui  temporis  vicerit.  Votivinschrift  des  Alfenus  Fortuna- 
tus  in  lonikern,  Renier  Inscr.  de  TAIg.  157.  Christliche  Hendekasyllaben 
Anthol.  lat.  768  R. 

4.  Da  der  Römer  das  Singen  für  einen  Verstoss  gegen  den  Anstand 
ansah  (oben  1,  4),  so  werden  in  der  guten  Zeit  auch  die  meUschen  Gedichte 
nicht  auf  Gesangsvortrag  berechnet  gewesen  sein.  So  wohl  noch  die  des 
Horaz.  Zwar  sagt  er  0.  IV,  9,  4:  verba  loquor  sociauda  chordis,  und  oft 
spricht  er  von  seiner  lyra,  cithara,  testudo,  barbitos,  von  plectrum  und  von 
fides,  von  canere,  cantare,  dicere.  Die  Stellen  darüber  hat  gesammelt  0. 
Jahn  im  Hermes  II.  S.  418 — 433  und  daraus  den  Schluss  gezogen  dass  die 
lyrischen  Gedichte  des  Hör.  wirklich  bestimmt  gewesen  seien  mit  Instrumen- 
talbegleitung gesungen  zu  werden.  Aber  hierbei  wird  in  Abzug  zu  bringen 
sein  was  nur  eine  Nachahmung  der  Redeweise  der  griechischen  Originale 
ist^  andererseits  eine  Beschränkung  auf  graecisierende  Kreise,  wie  den  des 
Horaz,  und  auf  solche  die  mit  dem  musicierenden  demi-monde  verkehrten 
einzutreten  haben.  Wenigstens  bilden  gegen  die  Allgemeinheit  der  Sitte 
schon  in  der  damaligen  Zeit  theils  Hör.  Ep.  II,  1 ,  214  die  Bezeichnung  der 
lyrischen  und  epischen  Dichter  als  solcher  qui  se  lectori  credere  malunt 
(quam  spectatoris  fastidia  ferro  superbi,  wie  die  dramatischen),  theils  die 
Thatsache  der  Cäsur  schwerwiegende  Einwendungen  die  nicht  ausser  Acht 
bleiben  durften.  Aber  in  der  eigentlichen  Kaiserzeit  wurden  auch  hierin 
die  Vorstellungen  und  Sitten  lockerer.  Cantus  inter  convivia  dulcis,  schon 
bei  Manil.  astr.  V,  333.  So  wurde  auch  bei  Liedern  die  musikalische  Be- 
gleitung üblich.    Zwar  nur  historisch  ist  Plin.  Ep.  VII,  17,  3:  lyrica,  quae 

4* 


52  Sachlicher  Theil. 

non  lectorem,  sed  choram  et  lyram  poecunt.  Anders  aber  wenn  derselbe 
(ep.  IV,  19,  4)  von  seiner  Frau  rühmt:  versus  meos  cantat  etiam  formatque 
cithara,  .  .  docente  amore.  Noch  Apoll.  Sidon.  ep.  VIII,  4:  iämbos,  elegos,- 
hendecasyllabos  et  cetera  carmina  .  .  Narbonensibus  cantitanda. 

30  35.  Wie  in  der  griechischen  Literatur  so  ist  auch  bei  den 
Römern  eine  schriftmässige  Prosa  verhältnissmässig  spät  ent- 
standen und  ausgebildet  worden.  Bis  dahin  war  Alles  im  Sa- 
tumius  gehalten,  dessen  Band  um  so  weniger  hemmte  je  lockerer 
es  war.  Der  erste  Schritt  zu  einer  prosaischen  Literatur  geschah 
mittelst  Veröffentlichung  einer  (J.  474  d.  St.)  gehaltenen  Rede, 
durch  Appius  Claudius.  Da  indessen  die  nachfolgenden  Schrift- 
steller sich  der  griechischen  Sprache  bedienten,  so  beginnt  die 
Geschichte  der  Prosa  eigentlich  erst  mit  dem  älteren  Cato.  Lange 
blieb  jedoch  die  geschriebene  Rede  zurück  hinter  der  gesprochenen 
und  deckte  sich  mit  ihr  erst  in  Cicero,  in  dessen  Zeit  die  Prosa 
ihren  Gipfelpunkt  erreicht  und  schon  ein  vollständiger  Ausdruck  der 
Eigenart  jedes  Schriftstellers  ist.  Einen  rhetorischen  Anstrich  aber 
behielt  sie  in  Folge  des  römischen  Volkscharakters  fortwährend.  Im 
ersten  Jahrh.  der  Kaiserzeit  sinkt  sie  bereits  von  ihrer  Höhe,  durch 
Vermischung  mit  dem  poetischen  Ausdruck  und  Abkehr  vom 
Natürlichen.  Die  Verarmung  von  Formenlehre  wie  Syntax  be- 
ginnt schon  in  dieser  Zeit.  Später  drang  auch  das  Volksmässige 
ein.  Wie  dann  in  der  Literatur  Provinzialen  das  üebergewicht 
erhielten,  die  kein  angeborenes  Sprachgefühl  leitete  und  die 
daher  die  Sprache  aller  Zeiten  und  Stilgattungen  durcheinander- 
mengten, wurde  die  Verwirrung  immer  grösser.  Schriftsprache 
und  lebende  Sprache  giengen  immer  weiter  auseinander,  und  die 
Art  von  jener  war  ganz  abhängig  von  der  Bildungsstufe  des 
einzelnen  Schriftstellers,  welche  immer  tiefer  sank.  Je  weiter  die 
Ausbildung  der  provinziellen  Idiome  (der  romanischen  Sprachen) 
fortschritt,  um  so  mehr  wurde  das  Lateinische  zu  einer  fremden 
Sprache. 

1.  Isidor.  orig.  I,  37,  2:  praeterea  (ait  Varro?  aiunt?)  tarn  apud  Graecoa 
quam  apud  Latinos  longe  antiquiorem  curam  faisse  carminum  quam  prosae. 
omnia  enim  prius  versibus  condebantur,  prosae  autem  studium  sero  viguit. 
.  .  apud  Romanos  Appius  Caecus  adversus  Pyrrhum  solutam  orationem 
primus  exercuit. 

31  36.  Für  Geschichte,  als  Aufbewahrung  des  Geschehenen 
zum  Ruhme  der  Vergangenheit,  zur  Nachachtung  für  Gegenwart 
und  Zukunft,  besassen  die  Romer  einen  sehr  regen  Sinn.    Uralt 


35  f.    Die  Prosa.    Geschichte.  53 

ist  die  Sitte  amtlicher  Aufzeichnungen  durch  die  Pontifices,  die 
Jahres-  und  Monatsverzeichnisse,  die  fasti  und  annales,  die  libri 
pontificii,  commentarii  regum,  magistratuum,  und  vom  Beginn  der 
Republik  an  war  der  jährliche  Wechsel  der  Behörden  ein  weiterer 
Antrieb  zu  solchen  Aufzeichnungen.  Aber  auch  für  die  Familien 
war  die  Sitte  Hausbücher  zu  führen;  der  imagines,  später  der 
Stammbäume^  die  der  laudationes  funebres,  der  Gesänge  von  den 
Ahnen  beim  Mahle,  Anlass  genug  das  Geschehene  im  G^dächt- 
niss  zu  erhalten.  Andererseits  jedoch  war  die  Geschichte,  wie  im 
Alterthum  überhaupt  so  auch  bei  den  Römern,  in  geßihrlich 
engem  Bunde  mit  dem  Interesse  des  Staats  und  der  Familie. 
Das  Verlangen  das  geschichtlich  Wahre  als  solches  zu  ermitteln 
und  fortzupflanzen  ist  auch  den  Römern  fremd;  um  so  lebhafter 
war  der  Wunsch  mittelst  der  Geschichte  ihr  Volk,  Haus,  ihre 
Partei  oder  Person  in  ein  günstiges  Licht  zu  stellen.  Frühzeitig 
trat  dazu  als  weiteres  trübendes  Element  die  Rhetorik  und 
machte  gleichgültig,  wo  nicht  gar  leichtfertig  gegen  Zahlen  und 
sonstiges  Thatsächliche,  desto  geneigter  aber  zu  beliebigem  Aus- 
malen. Noch  femer  als  historische  Kritik  lag  den  Römern  lange 
Zeit  historische  Kunst.  Sallust  ist  der  erste  kunstgerechte  Hi- 
storiker der  Römer;  alles  Frühere  ist  entweder  rein  register artig 
gehalten  oder  doch  ohne  wahre  Verarbeitung  des  Stoffes  und 
ohne  historischen  Stil.  Die  ältesten  Geschichtschreiber  zogen  es 
sogar  vor  griechisch  zu  schreiben,  hauptsächlich  wohl  weil  das 
Lateinische  für  schriftliche  Darstellung  noch  wenig  ausgebildet  war, 
aber  gewiss  zugleich  um  die  Kunde  des  Greschehenen  im  engern 
Kreise  der  Patricier  zu  halten. 

1.  Sammlungen  der  üeberreste  der  römischen  Geschichtechreiber  von 
A.  Krause  (Vitae  et  fragmenta  hist.  vett.  rom.,  Berlin  1833)  und  (bis  zur 
Zeit  Cicero's)  von  C.  L.  Roth,  an  Gerlachs  Ausg.  des  Sallust  von  1852, 
p.  249  ff.,  am  besten  von  H.  Peter,  historicorum  romanorum  relliquiae,  dispo- 
suit,  recensuit,  praefatus  est;  Vol.  I.  Lips.  Teubner.  1870.  Dazu  M.Hertz, 
de  hist.  rom.  reliquiis  quaestionum  capita  quinque,  Bresl.  1871.  4. 

2.  G.  J.  Vossius,  de  historicis  latinis,  Lugd.  Bat.  1627.  1651.  4.  Nach- 
träge dazu  von  J.  A.  Fabricius,  Hamburg  1709.  M.  Hanke,  de  BK)m.  rerum 
scriptoribus,  Lips.  1669.  1675.  4.  H.  Ulrici,  Charakteristik  der  antiken 
Historiographie,  Berlin  1833.  L.  de  Closset,  essai  sur  Thistoriographie  des 
Romains,  Brüssel  1849.  C.  Nipperdey,  zur  Geschichte  der  römischen  Histo- 
riographie, Philologus  VI.  S.  131 — 140.  F.  Althaus,  de  historiae  conscri- 
bendae  historia,  Berlin  1852,  p.  49—62.  F.  D.  Gerlach,  die  Geschichtschreiber 
der  Römer,  von  den  frühesten  Zeiten  bis  auf  Orosius,  Stuttgart  (Hoffmann) 
1855.    Die  Einleitungen  zu  Darstellungen  der  römischen  Geschichte,   von 


54  Sachlicher  Theil. 

Niobuhr,  Wachsmuth,  Blum,  Schwegler,  Mommsen  (I*  S.  432  ff.).  Unter- 
suchungen über  die  Glaubwürdigkeit  der  altröm.  Geschiebte  von  L.  0. 
Bröcker  (Basel  1855),  G.  C.  Lewis  (übersetzt  von  F.  Liebrecht,  Hanover 
1858).  H.  Nissen,  kritische  Untersuchungen  über  die  Quellen  der  vierten 
und  fünften  Dekade  des  Livius,  Berlin  1863.  H.  Peter  (A.  1)  L  p.  XLllI— LIX. 

3.  Pontifices,  penes  quos  scribendae  historiae  potestas  fuit,  Vopisc.  Tac. 
1,1.  Lange  konnte  daher  kein  Nichtpatricier,  später  kein  Nichtfreigebore- 
ner  an  die  Geschichtschreibung  feich  wagen:  L.  Voltacilius  Pilutus  .  .  primus 
oninium  libertinorum ,  ut  Cornelius  Nepos  opinatur,  scribere  historiam 
oxorsus,  non  nisi  ab  honestissimo  quoqne  scribi  solitam  ad  id  tempus, 
Suet.  rhet.  3.  Hüufiges  Zurückgehen  auf  VorgJlnge,  z.  B.  Liv.  VIII,  18,  12: 
memoria  ex  annalibus  repetita  .  .  dictatorem  cre<ari  placuit.  —  Stadtchro- 
niken auch  ausserhalb  Roms.  Liv.  VIII,  10,  8:  inter  Romanos  Latinosque 
qui  eius  pugnae  memoriam  posteris  tradiderunt.  Später  flössen  beide  zu- 
sammen, und  ValeriuB  aus  Antium  ist  so  ein  römischer  Geschichtschreiber. 

4.  Pädagogische  Zwecke.  Plut.  Cato  mai.  20:  %al  rag  tatOQiag  de 
Gvyyqatpai  rprialv  avxog  (Cato)  ISCa  xbiqI  yntl  fiBydXoig  yodfifuxaiv,  onong 
oi'yiod'sv  vnciQXV  "^^  naiSl  nQog  ifineiQiccv  tmv  naXccimv  %ccl   nazqimv  mtpf- 

5.  Vermöge  ihres  allgemeinen  Hanges  zur  Rhetorik  nahmen  die  römi- 
schen Historiker  gern  die  Sitte  der  Griechen  an,  in  ihre  Geschichtsdarstell- 
utigen  Reden  einzuflechten.  Schon  der  alte  Cato  that  diess,  über  das 
Bedürfniss  hinaus,  dann  Antipater.  Die  kunstmässigen  Historiker  verwenden 
sio  als  Mittel  der  Abwechslung  und  zur  Charakteristik  der  Handelnden  und 
der  Situationen.  Auch  die  Schlachtberichte  der  rhetorisierenden  Geschicht- 
wchreiber  —  wie  Sallust,  Livius,  Tacitus  —  sind,  im  Unterschiede  von  denen 
büi  Technikern  wie  Xonophon,  Polybios  und  Caesar,  Ausmalungen  ihrer 
Phantasie  und  theilweis  ziemlich  einförmig  gehalten.  Verhandl.  der  Würz- 
burger Philologenvers.  (Leipzig  1869)  S.  190.  191.  200. 

6.  Geschichte  und  Roman  wurde  von  vielen  röm.  Geschichtschreibern 
alter  und  neuer  Zeit  thatsächlich  verwechselt,  und  theoretisch  kann  sie 
(Jiiintilian  so  wenig  unterscheiden  dass  er  X,  1,  31  sagt:  historia  est  pro- 
xima  poesis  et  quodammodo  Carmen  solutum,  et  scribitur  ad  narrandum, 
non  ad  probandum.  Richtiger  Plin.  ep.  V,  8,  9  f.:  habet  quidem  oratio  et 
historia  multa  communia,  sed  plura  diversa  in  his  ipsis  qnae  communia 
videntur.  narrat  illa,  narrat  haec,  sed  aliter  etc.  vgl.  ib.  4:  orationi  et 
carmini  parva  gratia,  nisi  eloquentia  est  summa;  historia  quoqno  modo 
scripta  delectat.  sunt  enim  homines  natura  curiosi  et  quamlibct  nuda  rerum 
cognitione  capiuntur.  Dagegen  Cic.  Brut.  11,  42:  quoniam  concessum  est 
rlietoribus  ementiri  in  historiis,  ut  aliquid  dicere  possint  argutius.  de  leg. 
I,  2,  5:  cum  sit  (historia)  opus,  ut  tibi  quidem  videri  solet,  unum  hoc  Ora- 
torium maxime  (wohl  hauptsächlich  in  Bezug  auf  stilistische  Darstellung). 
V«rl.  unten  39,  2.  Ideologisch  Tac.  Agr.  1:  apud  priores  .  .  celeberrimus 
quisque  ingenio  ad  prodendam  virtutis  memoriam,  sine  gratia  aut  ambi- 
tione,  bonae  tantum  conscientiae  pretio  ducebatur. 

32  37.  Bis  zum  Ende  des  zweiten  punischen  Kriegs  schuf  Rom 


36  f.   Die  Prosa.    Geschichte.    Die  Anualisten.  55 

nur  Geschichte  und  Geschichtsquellen.  Als  es  dann  zu  einer 
Darstellung  der  Geschichte  kam  schloss  sich  diese  in  ihrer  Form 
naturgemäss  an  die  bisherigen  annales  an.  Daher  sind  die  äl- 
testen römischen  Geschichtschreiber  Annalisten.  Deren  gab  es 
zwei  Generationen:  eine  ältere,  und  eine  jüngere.  Die  ältere 
reicht  bis  in  das  siebente  Jahrh.  d.  St.  hinein  und  besteht  meist 
aus  Männern  welche  selbst  eine  Rolle  im  Staate  gespielt  hatten 
und  dann  in  magerer  chronikartiger  Fassung,  aber  mit  einer 
gewissen  Zuverlässigkeit,  die  Thatsachen  in  der  Jahresfolge  ver- 
zeichneten. An  ihrer  Spitze  steht  Q.  Fabius  Pictor;  ihm  folgten 
L.  Cincius  Alimentus,  C.  Acilius  und  A.  Postumius  Albinus.  Alle 
diese  behandelten  die  älteste  Geschichte  summarisch,  die  der 
eigenen  Zeit  ausführlicher,  und  schrieben  alle  in  griechischer 
Sprache,  wie  auch  der  Sohn  des  älteren  Africanus.  Bei  Pictor 
imd  Acilius  kamen  aber  bald  lateinische  Bearbeitungen  nach. 
Der  Erste  der  lateinisch  schrieb  und  zugleich  den  Gegenstand  zu 
einer  Geschichte  von  Italien  erweiterte  war  Cato  (Origines). 
Seinem  Vorgange  folgten  in  Bezug  auf  die  Sprache  L.  Cassius 
Hemina  und  wohl  auch  Ser.  Fabius  Pictor-,  dann  L.  Scribonius 
Libo,  Fabius  Maximus  Servilianus  (Cos.  612),  L.  Calpurnius  Piso 
Frugi  (Cos.  621),  C.  Sempronius  Tuditanus  (Cos.  625).  Mit  der 
Zeit  nach  den  gracchischen  Kämpfen  beginnt  die  jüngere 
Annalistik,  welche  unter  dem  Einflüsse  von  Parteigesichtspunk- 
ten schrieb  und  mit  zunehmender  Weitschweifigkeit.  Zu  ihr 
gehören  schon  Vennonius  und  Cn.  Gellius.  Einwirkung  griechi- 
scher Stilistik  verräth  C.  Fannius,  besonders  aber  dessen  jüngerer 
Zeitgenosse  L.  Coelius  Antipater;  der  Einfluss  von  Polybios'  Prag- 
matismus tritt  bei  Sempronius  Asellio  zu  Tage.  In  die  Mitte  des 
siebenten  Jahrh.  d.  St.  und  die  suUanische  Zeit  fallen  mehrere 
Verfasser  von  Denkwürdigkeiten  und  Selbstbiographien,  nämlich 
M.  Aemilius  Scaurus,  P.  ßutilius  Rufus,  Q.  Lutatius  Catulus,  so- 
dann Sulla  selbst  und  (griechisch)  L.  Licinius  LucuUus;  später 
M.  Varro,  Caesar,  Augustus,  Agrippa  u.  A.  In  der  sullanischen 
Zeit  ist  Voltacilius  Plotus  der  erste  nicht  freigeborene  Geschicht- 
schreiber, und  Cn.  Aufidius  schrieb  wieder  griechisch.  Die  jüngere 
Annalistik  hat  jetzt  ausgeprägte  Vertreter  an  Q.  Claudius  Qua- 
drigarius  und  dem  abenteuerlich  ausmalenden  Valerius  Antias. 
Achtbarer  war  C.  Licinius  Macer,  der  letzte  eigentliche  Annalist. 
Denn  L.  Cornelius  Sisenna  (Prätor  676)  befolgte  in  seiner  zeit- 
genössischen Geschichte  viel  mehr  eine  sachliche  als  eine  chrono- 


56  Sachlicher  Theil. 

logische  Ordnung.  Aber  noch  bei  Tacitus  macht  sich  das  an- 
nalistische Element  geltend,  und  auch  manche  Kaiserbiographien 
hatten  die  Form  von  Annalen. 

1.  Directe  Unwahrheit  scheute  die  ältere  Annalistik.  Wohl  aber  suchte 
äie  unangenehme  Thatsachen  todtzuschweigen,  wie  Rom's  Unterjochung 
durch  Forsena,  den  Loskanf  der  Stadt  von  den  Galliern,  das  caudinische 
Joch  mit  dem  darauf  folgenden  Friedensbruch.  Auch  Umstellungen  nahm 
sie  unbedenklich  vor.  Nissen,  Rhein.  Mus.  XXV.  S.  64.  Sie  schrieben 
griechisch,  wie  die  ältesten  deutschen  Chronisten  lateinisch  und  im  17  — 18. 
Jahrh.  manche  deutsche  Schriftsteller  französisch. 

2.  Wo  von  der  Mitte  des  siebenten  Jahrh.  d.  St.  an  annales  erwähnt  wer- 
den, da  sind  annaUstische  Schriftwerke  gemeint,  buchmässige  Fortsetzungen 
der  annales  maximi.  Vgl.  Schwegler,  R.  G.  LS.  11  f.  Je  näher  der  augustei- 
schen Zeit,  desto  grösser  der  Umfang  der  Annalen,  desto  geringer  ihre  durch- 
schnittliche Glaubwürdigkeit.  H.  Nissen,  Rhein.  Mus.  XXV.  S.  2.  Gemeinsam 
ist  allen  Annalisten  ihre  völlige  Unkenntniss  fremder  Länder. 

3.  „Die  Geschichtschreibung  der  röm.  Republik  wird  von  zwei  Ström- 
ungen beherrscht,  einer  rhetorischen  und  einer  patriotischen.  Dem  Stre- 
ben nach  bewegter  unterhaltender  Darstellung  ward  jegliche  Rücksicht 
auf  historische  Wahrheit  geopfert.  Die  patriotische  Fälschung  erfüllt  in 
gleicher  Weise  die  gesammte  Annalistik.  Sie  offenbart  sich  im  Kleinen  bei 
Livius,  wenn  er  in  seiner  Bearbeitung  des  Polybios  alles  den  Römern  Nach- 
theilige entfernt  oder  ändert;  aber  sie  hat  es  ebenso  gut  vermocht  den 
grossen  Gang  der  Ereignisse  zu  ^verdunkeln  und  zu  entstellen."  H.  Nissen, 
Rhein.  Mus.  XXV.  S.  1. 

4.  Im  Unterschiede  von  annales  als  Chroniken  bezeichnet  historia  (Er- 
zählung) in  der  Regel,  wie]  noch  bei  Cluvius  Rufus  und  Tacitus^  pragmatische 
Darstellung  eines  zeitlich  nahen  oder  selbsterlebten  Stoffes  (Gell.  V,  18,  1  ff. 
Serv.  Aen.  I,  373.  Isid.  orig.  I,  40,  1).  Aber  häufig  war  Beides  bei  einander, 
indem  der  erste  Theil  eines  Geschichtswerkes  aus  annales,  der  spätere  aus 
historia  bestand.  So  konnten  beiderlei  Titel  für  dasselbe  Werk  gewählt 
werden.  H.  Nissen,  krit.  Unters.  S.  87  mit  Anm.  Vgl.  F.  Thiersch,  Münch- 
ner Gel.  Anz.  1848,  Nr.  131  ff.  H.  Peter,  bist.  I.  p.  XL VIII— L.  LXIII.  Die 
Zeitordnung  hielten  aber  begreiflicher  Weise  auch  die  historiae  im  Wesent- 
lichen ein.  Vgl.  Plin.  Ep.  I,  1:  non  servato  temporis  ordine,  neque  enim 
historiam  componebam. 

5.  In  Benützung  der  Vorgänger  herrschte  grosse  Freiheit.  Der  Nach- 
folgende schrieb  die  Werke  des  Früheren  mit  mehr  oder  weniger  Zuthaten 
und  Umarbeitung  ab,  mit  oder  ohne  Nennung  dos  Namens.  Meist  legte 
der  Schriftsteller  eine  einzige  Hauptquelle  seiner  Arbeit  zu  Grunde  und  än- 
derte dieselbe  nach  anderen  Quellen  oder  eigenem  Ermessen  ab.  C.  Peter, 
das  Verhältniss  des  Liv.  u.  s.  w.  Anclam  1853.  4.  H.Nissen,  krit.  Unters. 
S.  77—80.  90.  Th.Plü8s,  neues  Schweiz. Museum  VI  (1866).  S.  47 f.  H.Peter, 
bist.  I.  p.  LIV— LVm.  LX  f. 


37.    Die  Annalisten.  57 

6.  Cic.  de  or.  II,  12,  52  f.:  erat  historia  nihil  aliud  nisi  annalium  con- 
fectio.  Tac.  dial.  22:  nuUi  sensus  tarda  et  inerti  stnictura  in  morem  anna- 
lium componantur.  Dionys.  I,  7:  sial  dh  (die  Tt^ayficctBLat  der  Annalisten) 
rais  iXXriviyiaig  xQOvoyQcccpiccig  ioi%vCcci.  Den  Massstab  rhetorischer  Stilistik 
anlegend  Cic.  leg.  I,  2,  6:  post  annales  pontiiicnm  maximorum  .  .  si  aut 
ad  Fabium  aut  ad  .  .  Catonem  aut  ad  Pisonem  aut  ad  Fannium  aut  ad 
Vennonium  venias,  qu^jnquam  ex  bis  alius  alio  plus  habet  virium,  tarnen 
quid  tarn  exile  quam  isti  onmes?  Fanni  autem  aetati  coniunctus  Antipater 
paulo  infiavit  vehementius ,  .  .  sed  tarnen  admonere  reliquos  potuit  ut  ad- 
curatiutf  scriberent.  ecce  autem  successere  huic  belli  (nette  Historiker; 
Guilelmus:  Gellii;  s.  aber  Vahlen  ad  l.),  C^odius,  Asellio:  nihil  ad  CoeUum, 
sed  potius  ad  antiquorum  languorem  et  iuscitiam.  Fronto  epist.  p.  114,  2  ff. 
N.:  historiam  scripsere  Sallustius  structe,  Pictor  incondite,  Claudius  lepidc, 
Antias  invenuste,  Seisenna  longinque,  verbis  Cato  multiiugis,  Coelius  sin- 
gulis.  Dionys.  Ant.  I,  7:  ix  t^v  tatoQtmv  .  ,  ag  ot  nQog  avtav  inatvovfitvot 
^PtofAaioDV  övvsYQatpav,  TIogyiLog  ts  Katoav  xal  ^dßiog  Md^iy^og  xal  OvaXsQiog 
6  'AvriBvg  xal  AiTiivviog  MayiSQ^  AiXioC  xb  xal  riXXioi  xal  KaXnovQvioi,  %ccl 
BTBQoi  avxvol  TCQog  tovtoLg  ävÖQBg  ovK  dq)ccvBig,  Die  allerältesten  (Q.  Fabius 
und  L.  Cincius)  hatte  Dionys.  schon  I,  6  genannt. 

7.  Mommsen  R.  G.  IP.  S.  463  f.  L.  Kieserling,  de  rer.  rom.  scriptori- 
bus  quibus  T.  Livius  usus  est,  Berl.  1858.  H.  v.  d.  Bergh,  de  antiquissimis 
annalium  scriptoribus  romanis,  Greifsw.  1859.  W.  Teuffei  in  Pauly's  Real-Enc. 
I,  1.  S.  1018 — 1020.  Ueber  die  Verwendung  der  priesterlichen  annales  durch 
die  (späteren)  Annalisten  und  deren  Einwirkung  auf  Livius  s.  H.  Nissen, 
krit.  Unters.  S.  86  ff. 

8.  Sempronius  Asellio  bei  Gell.  V,  18,  8:  inter  eos  qui  annales  relin- 
quere  voluissent  et  eos  qui  res  gestas  a  Bomanis  perscriberc  conati  essent 
omnium  rerum  hoc  interfuit.  annales  libri  tantummodo  quod  factum  quo- 
quo  anno  gestum  sit,  ea  demonstrabant  ita  quasi  qui  diarium  scribunt, 
quam  Graeci  iqj7i(LBQida  vocant.  nobis  non  modo  satis  esse  video  quod 
factum  esset,  id  pronuntiaro,  sed  etiam  quo  consilio  quaque  ratione  gcsta 
essent  demonstrare. 

9.  Cic.  ad  fam.  V,  12,  8:  scribam  ipse  de  me,  multorum  tamen  exemplo 
et  clarorum  virorum.  Tac.  Agr.  1:  apud  priores  .  .  plerique  suam  ipsi 
vitam  narrare  fiduciam  potius  morum  quam  adrogantiam  arbitrati  sunt,  ncc 
id  Butüio  et  Scaüro  citra  fidem  aut  obtrectationi  fuit.  L.  Wiese,  de  vita- 
rum  scriptoribus  romanis,  Berlin  1840.  4.  W.  H.  D.  Suringar,  de  romanis 
autobiographis,  Lugd.  B.  1846.  4.  Köchly  und  Rüstow,  Einl.  zu  Caes.  gall. 
Krieg  (Gotha  1867)  S.  3—6.  Die  apologetische  Richtung  war  in  diesen  Me- 
moiren so  ausgesprochen  dass  Cic.  Brut.  29,  112  ein  solches  Werk  geradezu 
laudes  nennt.  Was  Andere  nicht  selbst  thaten,  das  thaten  für  sie  dienst- 
willige Clienten,  später  auch  hungernde  griechische  Literaten. 

38.   In   der   ciceronischen  Zeit  veranlasste  der  reiche  Stoff  33 
den  die  Gregenwart  bot^    zusammen   mit  der  Verbreitung   einer 
gewissen  schriftstellerischen  Fähigkeit,   Viele  zu  geschichtlichen 
Darstellungen.     So  ausser  Atticus,   Cicero  und  Cornelius  NepoK 


r>><  Sachlicher  Theil. 

auch  Hortensius,  Varro,  ProciliuS;  Luccejiis,  Libo  u.  A.  Unter 
diesen  zeichneten  sich  durch  Weite  des  Stoffes  Atticus  und  Cor- 
nelius Nepos  aus,  wurden  aber  nach  Inhalt  wie  Form  überragt 
durch  die  Leistungen  von  Caesar  und  Sallustius.  Caesar  hat  zu- 
gleich durch  Begründung  (J.  695)  einer  amtlichen  Zeitung  den 
späteren  Geschichtschreibern  vorgearbeitet.  Der  Bürgerkrieg  för- 
derte ausser  Caesars  eigenen  Schriften  noch  viele  andere  Dar- 
f^tellungen  aus  Parteigesichtspunkten  zu  Tage.  Parteischriftsteller 
für  Caesar  waren  Hirtius,  Oppius  und  Cornelius  Baibus,  für  Pom- 
pejus  trat  Voltacilius  Pilutus  auf,  sowie  T.  Ampius  Baibus,  für 
C'icero  sein  Tiro.  Den  parthischen  Krieg  des  M.  Antonius  beschrieb 
Dellius.  Auf  der  Gegenseite  verfasste  M.  Brutus  gleichfalls 
Denkwürdigkeiten,  und  sein  Stiefsohn  Bibulus  und  sein  Freund 
Volumnius  geschichtliche  Schriften  zu  seinem  Lobe.  Die  Zeit- 
geschichte behandelten  auch  die  Annalen  des  Tanusius  Geminus, 
sowie  theüweise  Q.  Tubero,  den  Bürgerkrieg  selbst  Asinius  PoUio 
und  M.  Valerius  Messala.  Die  augusteische  Zeit  brachte  in  der 
römischen  Geschichte  des  Livius  ein  Werk  von  künstlerischer 
Formvollendung  hervor  und  durch  Pompejus  Trogus  die  erste 
Universalgeschichte,  zu  welcher  Idee  Varro,  Atticus  und  Corne- 
lius Nepos  nur  schüchterne  Anläufe  genommen  hatten.  Varro's 
sittengeschichtliche  Richtung  aber  fand  einen  achtungswerthen 
Nachfolger  an  Fenestella. 

1.  Am  Ende  der  Republik  wurde  die  Summe  aus  der  historischen  Thä- 
tigkeit  der  Früheren  gezogen,  und  sie  liegt  uns  vor  in  den  Werken  des 
Livius,  des  Dionysios  aus  Halikarnass  und  der  Redaction  der  capitolinischen 
Fasten.    Nissen,  Rhein.  Mus.  XXV.  S.  65. 

33  39.  Im  Verlaufe  der  Kaiserzeit  verlor  sich  immer  mehr  das 

Verständniss  der  Zustände  des  alten  Rom,  sowie  die  Möglichkeit 
und  der  Mut  zu  wahrheitsgetreuer  Darstellung  der  Gegenwart 
und  nächsten  Vergangenheit.  Desto  breiter  machte  sich  der  Ser- 
vilismus und  die  Schönrednerei.  Servil  schrieben  unter  Tiberius 
(wenigstens  in  Bezug  auf  die  Gegenwart)  Vellejus  Paterculus  und 
Valerius  Maximus;  ihren  Freimut  büssten  Labienus  schon  unter 
August  und  Cremutius  Cordus  unter  Tiberius.  Um  so  unbestrit- 
tener blieben  die  Geschichtsdarstellungen  welche  die  Mitglieder 
der  herrschenden  Dynastie  selbst  verfassten,  wie  August,  Tiberius, 
Agrippina,  weiterhin  der  schreibselige  Claudius  und  noch  später 
Trajan  (Dacica)  und  Septimius  Severus.  Neutrales  Gebiet  wählte 
Curtius;    x^ufidius  Bassus  sowie  der  ältere  Plinius  beschränkten 


38  I'.   Die  Gcschichtsohrcibur.  50 

sich  auf  die  auswärtigen  Verhaltnis.se.  Abur  tlurch  das  gauze 
erste  Jahrhundert  glomm  ein  Sinn  für  die  Geschichte  fort.  Davon 
zeugt  nicht  nur  die  grosse  Zahl  der  ganz  oder  halb  verschollenen 
Geschichtswerke  aus  dieser  Zeit,  wie  von  dem  altem  Seneca, 
Servilius  Nonianus,  Lentulus  Gaetulicus,  Fabius  Rusticus,  Chivius 
Rufus,  Cornelius  Thuacus,  sondern  auch  dass  in  einer  der  ersten 
Pausen  des  Despotismus  ein  Tacitus  entstehen  konnte.  Mit  der 
Beredtsamkeit  bheb  indessen  die  Geschichtschreibung  fortwährend 
in  verhängni ssvoll  enger  Berührung;  je  mehr  daher  jene  aus- 
artete, vollends  unter  dem  Einflüsse  der  Schule  des  Fronto,  desto 
tiefer  sank  auch  die  Geschichtschreibung  an  Achtung  und  Acht- 
barkeit. Bezeichnend  für  die  Geschichtschreibung  der  Kaiserzeit 
ist  femer  ihre  Richtung  auf  das  rein  Persönliche,  aus  welcher 
theils  eine  Anzahl  Biographien  von  Privaten  hervorgieng  theils 
die  Geschichtsbehandlung  welche  Sueton  begann  und  seine  Nach- 
folger carikierten.  Unter  diesen  Hof-  und  Kaiser-Geschiehtschrei- 
bem  war  der  bedeutendste  Marius  Maximus,  untergeordneter  Jitnius 
Cordus,  Aemilius  Parthenianus,  Aelius  Maurus,  Curius  Fortunatia- 
nns, Fulvius  Asprianus,  u.  A.  Aus  ihnen  schöpfen  dann  ohne 
Urteil  und  Geschmack  die  erhaltenen  sechs  Scriptores  historiae 
augustae:  Aelius  Lampridius,  Julius  Capitolinus,  Volcatius  Galli- 
canus,  Aelius  Spartianus,  Trebellius  Pollio  und  Flavins  Vopiscus. 
Erst  für  das  vierte  Jahrh.  haben  wir  an  Ammianus  Marcellinus 
einen  trefflichen  Gewährsmann.  Für  die  Geschichte  der  republi- 
kanischen Zeit  wurde  in  dieser  Epoche  des  allgemeinen  Verfalls 
Liviua  ausschliesslich  massgebend,  so  sehr  dass  -selbst  diejenigen 
älteren  Abrisse  der  republikanischen  Zeit  welche  keineswegs  ein- 
fache Auszüge  aus  Livius  sind,  wie  Florus  und  Victor'»  viri 
illustres,  doch  den  Späteren  dafür  galten.  Den  Livius  selbst  aber 
fand  man  zu  weitläufig.  Er  wurde  daher  (spätestens  im  dritten 
Jahrh.  n.Chr.)  in  einen  tabellarischen  Abriss  gebracht,  aus  welchem 
Obsequens  und  Cassiodor  geschöpft  haben,  sowie  Vopiscus,  Eutro- 
pius,  Sex.  Rufus  und  Pseudo  -  Idatius.  Noch  andere  Quellen  he- 
nOtzten  Licinianus  und  L.  ÄmpeHus ;  den  Sallust  zog  lulius  Exuper- 
antius  aus.  Vom  vierten  Jahrh.  an  machte  auch  auf  diesem  Gebiete 
der  Einfliiss  des  Christenthums  sich  geltend.  Der  Chronograph 
des  J.  354  gibt  neben  Consularfasten  auch  eine  Ostertafel,  neben 
einem  Verzeichniss  der  praefecti  urbis  auch  eines  der  römisclien 
Bischöfe  und  der  Märtyrer.  Des  Sulpicius  Severus  Chronik  (um 
400)  enthält  einen  Abriss  biblischer  und  nachbiblischer  Geschichte; 


00  SachHcher  Theü. 

des  Orosius  Werk  hat  einen  christlich-apologetischen  Zweck;  die 
Chroniken  beginnen  mit  Erschaffung  der  Welt.  Im  5.  und  6. 
Jahrh.  war  das  gegenseitige  Abschreiben  allgemeine  Sitte:  so 
Hieronymus  den  Eusebios,  Prosper  (J.  455)  den  Hieronymus, 
Victorius  (Ostertafel,  J.  457)  den  Prosper,  Cassiodor  (J.  519)  den 
Victorius,  Jordanis  (J.  551)  den  Cassiodor,  und  zwar  jeder  so  dass 
er  seinen  Vorgänger  immer  bis  auf  die  eigene  Zeit  fortsetzte. 
Andere  Fortsetzer  der  Chronik  des  Prosper  sind  Marcellinus 
und  Victor  aus  Tunnuna.  Wichtige  Specialgeschichten  besitzen 
wir  von  Jordanis  (Gothen),  Gildas  (Britannien)  und  Gregor  von 
Tours  (Franken). 

1.  Tac.  Hiet.  I,  1:  postquam  bellatum  apud  Actium  .  .  magna  ingenia 
cessere;  simul  veritas  pluribus  modis  infracta,  primum  inscitia  reip.  ut 
alienae,  mox  libidine  adsentandi  aut  rursus  odio  adversus  dominantes.  A. 
1)  1:  temporibus  Angusti  dicendis  non  defuere  decora  ingenia,  donec  gli- 
scente  adulatione  deterrereqtor.  Tiberii  Gaiqne  et  Claüdii  ac  Neronis  res 
florentibus  ipsis  ob  metom  falsae,  postquam  occiderant,  recentibus  odiis 
compositae  sunt.  Ein  Beispiel  letzterer  Art  ist  wohl  C.  Fannius  (Plin.  Ep. 
V,  6,  3).  Joseph.  Antiq.  XX,  8,  3:  nolXoi  ttjv  «fpl  Nigoava  üvvzBXU%aüiv 
tßzoQiaVy  mv  o£  iiev  öiä  xolqvv,  bv  Tcsnovd'ozsg  vn  avtov,  tjjg  dlrfisCag  rjfifi- 
XriöaVj  Ol  Sh  dia  fiiaog  .  .  dvcciSmg  ivenagcovriöav  xoig  ipsvafucaiv.  .  .  [iridh 
Tcov  ngo  avtov  ysvoiiivmv  yqdtpovzBg  ztjv  dXi^d'sucv  zi^g  tazoQÜicg  zsztjqi^iuxolv. 
v.aizoi  itQog  ixeLVOvg  avzoig  ovdev  iiCoog  r^v,  ats  fisz'  avzovg  noXXto  XQOvnp 
ysvofiivoig. 

2.  Plin.  Ep.  V,  5,  3  von  C.  Fannius:  tres  libros  absolverat,  subtiles  .  . 
atque  inter  sermonem  historiamque  medios.  Die  historia  erforderte  nach 
den  Zeitbegriffen  (vgl.  Quintilian,  oben  36,  7)  höheren  Schwung,  Phantasie, 
eloquentia.  Tac.  dial.  23:  eloquentia  Aufidii  Bassi  aut  Servilii  NonianL 
Agr.  10:  quae  priores  nondum  comperta  (über  Britanniae  situm  populosque) 
eloquentia  percoluere  rerum  fide  tradentur.  Daher  die  Alternative,  entweder 
auf  eloquentia  (Stilistik)  oder  auf  veritas  und  fides  zu  verzichten.  Vopisc. 
Prob.  2,  7:  mihi  id  animi  fuit  ut  non  Sallustios,  Livios,  Tacitos,  Troges 
atque  omnes  disertissimos  imitarer  vires  in  vita  principum  et  temporibus 
disserendis,  sed  Marium  Maximum,  Suetonium  Tranquillum,  Fabium  Mar- 
cellinum,  Gargilium  Martialem  ceterosque  qui  haec  et  talia  non  tam  diserte 
quam  vere  memorisie  tradiderunt.  Von  ähnlichem  Standpunkt  aus  Licinia- 
nus:  Sallustium  non  ut  historicum  puto,  sed  ut  oratorem  legendum;  nam 
et  tempora  reprehendit  sua  et  delicta  carpit  et  contiones  ingerit  et  dat  in 
censum  loca,  montes,  flumina  et  hoc  genus  amoena  et  culta  et  comparat 
disserendo.  Daher  aber  auch  Urteile  wie  von  Seneca  N.  Q.  VII,  16,  1  f.: 
uec  magna  molitione  detrahenda  est  auctoritas  Ephoro:  historicus  est.  .  . 
haec  in  commune  de  tota  natione  (der  historici),  quae  adprobari  opus  suum 
et  fieri  populäre  non  putet  posse  nisi  illud  mendacio  adsperserit.  üeber 
die  Geschichtschreibung  der  Frontonianer  vgl.  Lukian  nmg  Sst  avyyqdqiuv 
Tr}v  lözOQiav. 


39  f.   Die  Geßchichtschreiber.    Inschriften.  61 

3.  In  der  Eaiaerzeit  kamen  zu  den  sonstigen  Geschichtsquellen  (z.  B. 
den  acta)  auch  noch  ephemerides  (Tagebücher),  z.  B.  Anreliani  (Vopisc. 
Aurel.  1,  6),  Turduli  Gallicani  (Vopisc.  Prob.  2,  2.  vgl.  3,  4.  5,  1).  Daraus 
flössen  wohl  auch  die  oft  .so  kleinlichen  persönlichen  Züge  welche  die 
Schriftsteller  yerzeichnen,  weil  etiam  minora  plerique  desiderant  (Capit. 
Max.  et  Balb.  6,  1).  In  der  früheren  Eaiserzeit  yerfassten  Biographien  von 
Privaten  Plinius  d.  Aelt.  von  seinem  Freunde  Pomponins  Secundus  (Plin. 
Ep.  III,  5,  3),  Julius  Secundus  von  Julius  Asiaticus  (Tac.  dial.  14),  Tacitus 
von  Agricola,  Claudius  Pollio  von  seinem  freunde  Annius  (Plin.  Ep.  VII, 
31,  5).  Dazu  die  laudes  des  Paetus  Thrasea  und  Helvidius  Priscus  durch 
Herennius  Senecio  und  Arulenus  Rusticus  (Suet.  Dom.  10.  Plin.  Ep.  VII,  19,  5). 

4.  üeber  das  gegenseitige  Abschreiben  s.  Mommsen,  Cassiodor  S.  565  f. 
Wie  unbefangen  man  dies  ansah  zeigt  Ausonius,  der  seine  Fasti  (von  An- 
fang der  Stadt  bis  auf  seine  Zeit)  mit  dem  Verse  schloss:  hactenus  ad- 
scripsi  fastos.  si  fors  volet,  ultra  adiciam;  si  non,  qui  legis  adicies.  Vgl. 
Prokop.  aedif.  VI,  7 :  ottp  dia  aTcovSijg  iezai  .  .  tö  Xoym  iv&etvai,,  TCQoosetai 

5.  Die  sogenannte  historia  miscella  ist  uns  in  zwei  Bearbeitungen 
erhalten.  Die  erste,  welche  in  Hdss.  den  Namen  des  Paulus  Diaconus  trägt, 
legt  Eutrops  Breviarium  zu  Grunde,  erweitert  es  etwas  und  setzt  es  von 
Valenünian  bis  Justinian  fort.  Die  zweite,  dem  Landolfus  Sagax  zuge- 
schriebene, wiederholt  jene  erste,  aber  mit  reichlichen  Zusätzen,  und  führt 
sie  bis  auf  Leo  den  Armenier  fort.  Ausgaben  von  P.  Pithoeus  (1569),  J. 
Gruter  (1611),  Muratori  (scriptores  rer.  italic.  I),  H.  Canisius  (ed.  noviss.  Cherii 
1855.  XIII  u.  566  pp.),  neuerdings  von  Fr.  Eyssenhardt  (Berol.  1869.  721  pp.). 

6.  Wie  die  älteste  römische  Geschichtschreibung  mit  Einträgen  in  die 
fasti  (Kalender)  begann,  so  die  älteste  mönchische  mit  Randbemerkungen 
zu  den  Ostertafeln.  Ebenso  wurden  auch  in  den  Elosterannalen  die  An-* 
gaben  über  die  frühere  Zeit  aus  den  Vorgängern  abgeschrieben  und  daran 
die  Aufzeichnungen  aus  der  eigenen  Zeit  angereiht.  Aus  Italien  kam  jene 
Sitte  im  sechsten  Jahrh.  ins  fränkische  Reich,  gegen  Ende  des  siebenten 
auch  nach  Belgien  und  Deutschland,  sowie  nach  England  (Beda  venerabilis). 
Wattenbach,  deutsche  Geschichtsquellen  S.  40.  85. 

7.  Fälschungen  des  fünfzehnten  Jahrh.  sind  der  Fenestella,  Messala 
Corvinus  und  die  historia  Papirii.   Vgl.  Hermes  I.  S.  135  f. 

40.  Eine  wichtige  Geschichtsquelle  sind  die  Inschriften, 
deren  es  schon  aus  dem  sechsten  Jahrh.  der  St.  gibt.  Mit  dem 
siebenten  Jahrh.  d.  St.  beginnen  sie  zahlreicher  zu  werden,  aus  der 
Kaiserzeit  aber  ist  ihrer  eine  überströmende  Menge  in  allen  Provin- 
zen des  römischen  Reichs  gefunden  worden. 

1.  Aeltere  Sammlungen  von  M.  Smetius  (Inscriptiones  antiquae,  Lugd. 
B.  1688.  fol.),  J.  Gruter  (Thesaurus  inscriptionum ,  Heidelberg  1603.  1663. 
Amst.  1707.  fol.),  Th.  Reinesius  (Syntagma  inscriptionum  antiquarum,  Lips. 
1682.  fol.),  Muratori  (Novus  thesaurus  veterum  inscriptionum,  Mailand  1739. 
4  Voll.  fol.). 


62  Sachlicher  Theil. 

2.  Neuere  Sammlungen  von  J.  C.  Orelli  (Inscriptionum  latinarum  selecta- 
rum  amplissima  collectio,  Zürich  1828.  2  Voll.,  vonW. Henzen  1856  durch 
einen  dritten  Band  vermehrt)  und  die  bahnbrechenden  Arbeiten  vonTh.Momm- 
sen  (Inscriptiones  regni  Neapolitani  latinae,  Lips.  1852.  fol.  Inscriptiones 
confoederationis  helveticae  latinae,  Zürich  1854.  Inscriptiones  latinae  an- 
tiquissimae  ad  C.  Caesaris  mortem  =  Corpus  inscriptionum  latinarum  YoL  I, 
Berlin  1863.  fol.)  und  F.  Ritschi  (Priscae  latinitatis  monumenta  epigraphica 
ad  archetyporum  fidem  exemplis  lithographis  repraesentata  =  Corpus  inscr. 
lat.  Vol.  primi  tabulae  lithographae.  Berlin  1862.  gr.  fol.).  Vol.  II  des 
Berliner  Corpus  inscr.  lat.  enthält  Inscriptiones  Hispaniae  latinae  ed.  E. 
Hübner  (1869.  LVI  u.  828  pp.  fol.),  Vol.  IV  (ed.  C.  Zangemeister  et  R. 
Schöne,  1871.  272  pp.  u.  57  Tafeln)  die  Wand-  und  Vasen -Inschriften  aus 
Pompeji,  Herculaneum  und  Stabiä. 

3.  Das  locale  Princip  befolgen  die  Sammlungen  von  L.  Renier  (In- 
Bcriptions  romaines  de  VAlg^rie,  Paris  1855  f.  fol.),  L.  M.  Jordao  (Portugal- 
liae  inscriptiones  romanae,  Vol.  I.  Lissabon  1859.  fol.),  J.  W.  Chr.  Steiner 
(Codex  inscriptionum  rom.  Rheni,  Darmstadt  1837 — 1854,  2  Thle.,  und  Codex 
inscr.  rom.  Danubii  et  Rheni,  Seligenstadt  1851  —  1862,  4  Thle.),  Th.  W. 
Rappenegger  (die  röm.  Inschriften  im  Orossherz.  Baden,  Mannheim  1845), 
J.  V.  Hefner  (das  römische  Baiern  in  seinen  Schrift-  und  Bildwerken,  3.  Aufl. 
München  1852),  Chr.  Stalin  (Wirtembergische  Geschichte,  Bd.  I),  W.  Bram- 
bach  (Corpus  inscriptionum  rhenanarum,  Elberfeld  1866),  J.  M.  Ackner  und 
F.  Müller  (die  römischen  Inschriften  in  Dakien,  Wien  1866)  u.  A.  (Inscrip- 
tiones latinae  in  terris  Nassov.  repertae,  Wiesbaden  1854). 

4.  Ein  chronologisch  sachliches  Eintheilungsprincip  liegt  zu  Grunde 
der  Sammlung   christlicher   Inschriften   von   J.  B.  de   Rossi   (Inscriptiones 

^  christianae  urbis  Romae  septimo  saeculo  antiquiores,  I.  Rom  1861). 

5.  Zur  Methodik  der  Epigraphik  vgl.  W.  Henzen,  die  lateinische  Epi- 
graphik  und  ihre  gegenwärtigen  Zustände,  in  der  Allg.  Monatsschrift,  I 
(Braunschweig  1853),  S.  157 — 184.  F.  Ritschi,  Monumenta  epigraphica  tria 
.  .  commentariis  grammaticis  illustrata  (Berlin  1852.  4.) ,  in  seiner  Enarratio 
vor  den  P.  L.  M.  E.  und  in  zahlreichen  einzelnen  Abhandlungen,  zusam- 
mengestellt im  vierten  Bande  seiner  Opuscula. 

6.  Zu  den  metrischen  Inschriften  vgl.  F.  Bücheier  in  Jahns  Jahrbb. 
LXXVII.  S.  60 — 78  und  Anthologiae  epigraphicae  lat.  specimen  I,  Greifs- 
wald 1870.  26  pp.  4.  W.  Fröhner,  im  Philologus  XIII.  S.  165—191.      ^ 

7.  Im  Ganzen  s.  auch  E.  Zell,  Handbuch  der  römischen  Epigraphik, 
Heidelberg  1850—1857.    3  Thle. 

:h  41.   Aus  dem  gleichen  Grunde  wie  die  Geschichtsehreibung 

und  in  Zusammenhang  mit  ihr  entstand  und  gedieh  bei  den  Rö- 
mern auch  die  Alterthumsforschung,  nach  der  sachlichen 
wie  der  sprachKchen  Seite.  Zur  letzteren  trieb  überdiess  das 
praktische  Bedürfniss  die  in  der  Entwicklung  begriffenen  Laute 
der  Sprache  in   der  richtigen  Weise   durch  die  Schrift  zu  fixie- 


40  f.  iBichriften.   Alt«rthamsforachnng.  (53 

reu.  Die  Meisten  und  Vornehmsten  aber  wandten  sich  dem  mos 
maiorum  zu,  der  Erforschung  der  Gebräuche  und  Einrichtungen 
der  alten  Zeit.  So  Cincius  Älimentus,  Cato,  M.  Fulvius  No- 
bihor,  Cassius  Hemina,  C.  Sempronius  Tuditanus,  M.  Junius 
Oracchanus.  Dazu  gesellten  sich  vom  siebenten  Jahrh.  an  auch 
Studien  über  die  ältere  Literatur,  insbesondere  Erklärung  der 
Dichter,  theils  geschichtliche  theils  spraehüche  (glossograpbische). 
Vertreter  dieser  Richtung  sind,  ausser  L.  Attius  und  Lucilius, 
auch  Porcius  Licinus,  Q.  Valerius  aus  Sora,  Volcatius  Sedigitus, 
Octavius  Lampadio,  Sisenna,  Saevius  Nikanor,  Aurelius  Opilius, 
M.  Antonius  6rnipho,  Q.  Cosconius,  Santra,  besonders  aber  L. 
Aelius'Stilo  und  dessen  Schwiegersohn  Ser.  Clodius,  Auf  sprach- 
lichem Gebiete  gab  der  Stoiker  Krates,  welcher  im  J.  595  d,  St. 
als  Gesandter  nach  Rom  kam,  eine  nachhaltige  Anregung. 
Man  versuchte  sich  im  Etymologisieren,  die  Einen  indem  sie 
überall  auf  das  Griechische  zurückgiengen  (Hypsikrates),  die  An- 
dern Indem  sie  Alles  aus  dem  Lateinischen  selbst  abzuleiten 
suchten  (Varro,  Nigidius  Figulus,  Labeo),  In  der  ciceronischen 
Zeit,  wo  Rom  nachgerade  der  anerkannt«  Mittelpunkt  des  gei- 
stigen Lebens  im  gesammten  Reiche  war  und  alle  Hülfsmittel 
der  Forschung  in  sich  schloss,  erreichte  diese  ihre  Blüte  mit 
Varro,  und  neben  ihm  Nigidius  Figulus,  Valerius  Cato,  Atejus 
Philologus  u.  Ä.  Von  Staatsmännern  schrieb  z.  B.  Caesar  selbst 
de  analogia,  Appius  Claudius  (Cos,  700)  und  L,  Caesar  über  das 
Auguralwesen.  In  der  augusteischen  Zeit  erlebte  die  gelehrte 
Forschung  einen  Nachsommer  durch  Julius  Hyginus,  Verrius 
Placcus,  M.  Valerius  Messala,  Sinnius  Capito,  Scribonius  Aphro- 
disius,  L.  Crassitius,  an  welche  sich  dann  lulius  Modestus,  Pom- 
ponius  Marcellus,  A.  Cornelius  Celsus  und  Asconius  Pedianus 
anreihten.  Die  Vielseitigkeit  des  Celsus  wurde  noch  überboten 
durch  die  des  älteren  Plinius,  und  noch  im  zweiten  Jahrh.  zeigen 
Sueton,  Sul2>icius  ApoUinaris  und  auch  Pronto  eine  mancli- 
faltige  Bildung  und  literarische  Thätigkeit. 

Im  Ganzen  aber  hat  seit  dem  ersten  Jahrh.  n.  Chr.  die  Schule 
mit  ihren  engeren  Zwecken  und  Bedürfnissen  die  Herrschaft  ge- 
wonnen; die  Grammatiker  geben  jetzt  in  der  Forschung  den 
Ton  an  und  die  Gelehrsamkeit  wird  immer  mehr  zunftmässig. 
So  Q,  Remmius  Palämo,  M.  Valerius  Probus  aus  Beryt,  Annans 
Comutu8,  Caesius  Bassus,  Aemilius  Asper,  Flavius  Caper,  Cae- 
sellius  Vindex,   ürbanus,   Velins   Longus;    dann   unter   Hadrian 


04  Sachlicher  Theil. 

Terentius  Scaunis;  unter  Antoninus  Pius  A.  Gellius  und  wohl  auch 
Festus.  Von  den  Ergebnissen  dieser  älteren  t^orsclier  zehrten  dann 
die  Späteren.  So  schon  im  dritten  Jahrh.  Arruntius  Celsus,  Helenius 
Acro,  Pomponius  Porphyrio^  lulius  Bomanus  und  Censorinus.  Nach 
längerer  Unterbrechung  begegnen  wir  sodann  um  die  Mitte  des 
vierten  Jahrh.  wieder  namhafteren  Grammatikern^  die  aber  meist 
Verfasser  von  Lehrbüchern  (Artes)  sind,  wie  Sacerdos,  Comi- 
nianus,  Marius  Victorinus,  Aelius  Donatus,  Agroecius,  Charisius, 
DiomedeS;  der  jüngere  Probus;  Commentatoren  wie  Ti.  Claudius 
Donatus,  Servius  Maurus  Honoratus;  Lexikographen  wie  Nonius 
Marcellus.  Dann  im  fünften  Jahrhundert  Macrobius  und  zu 
Anfang  des  sechsten  Priscian.  Auch  auf  diesem  Gebiete  ist  der 
Schein  der  Manchfaltigkeit  und  Bewegung  grösser  als  die  Wirk- 
lichkeit, da  auch  hier  die  Ausnützung  der  Vorgänger  in  gröss- 
tem  Umfange  betrieben  wurde  und  oft  mit  sehr  wenig  Urteil. 

1.  Suet.  degramm.  1:  grammatica  Romae  ne  in  usu  quidem  olin),  nedmn 
in  honore  ullo  erat,  rndi  scilicet  ac  bellicosa  etiamtum  civitate  necdum 
magnopere  liberalibus  disciplinis  vacante.  initium  quoque  eins  mediocre 
cxtitit,  si  quidem  antiquiBeimi  doctorum,  qui  iidem  et  poetae  et  semigraeci 
erant  (wie  Livius  und  Enniua),  .  .  nihil  amplius  quam  Graecoe  interpreta- 
bantur.  ;  .  ib.  2:  primus  .  .  Studium  grammaticae  in  urbem  intulit  Grates 
Mallotes,  Aristarchi  aequalis,  qui  missus  ad  senatum  ab  Attalo  rege  inter 
secundum  ac  tertium  bellum  punicum,  sub  ipsam  Enni  mortem,  .  .  nostris 
exemplo  fuit  ad  imitandum:  hactenus  tamen  ut  carmina  panmi  adhuc  di- 
volgata  vel  defunctorum  amicorum,  vel  si  quorum  aliorum  probassent,  di- 
ligentius  retractarent  ac  legende  commentandoque  et  ceteris  nota  facereut; 
ut  C.  Octavius  Lampadio, . .  ut  postea  Q.  Vargunteius  etc. . .  instruxerunt  auxe- 
runtque  ab  omni  parte  grammaticam  L.  Aelius  Lanuvinus  generque  Aeli 
Ser.  Clodius  etc.  ib.  3:  posthac  magis  ac  magis  et  gratia  et  cura  artis  in- 
crevit,  ut  ne  clarissimi  quidem  viri  abstinuerint  quo  minus  et  ipsi  aliquid 
de  ea  scriberent  utque  temporibus  quibusdam  super  viginti  celebres  scholae 
fuisse  in  urbe  tradantur,  auch  grammatici  (als  Sklaven)  theuer  gekauft 
wurden,  wie  Lutatius  Daphnis  und  L.  Apuleius.  iam  in  provincias  quoque 
grammatica  penetraverat,  ac  nonnulli  de  notissimis  doctoribus  peregre  do- 
cuerunt,  maxime  in  Gallia  togata,  inter  quQs  Octavius  Teucer  et  Sescennius 
(?Fe8c.  oderPesc?)  lacchus  et  Oppius  Chares. 

2,  AnniuB  Plorus,  Vergil.  or.  an  p.  (p.  108  H.) :  in  reditu  est  mihi  pro- 
fessio  litterarum  .  .  sedere  in  scholis  et  pueris  praecipere.  .  .  (p.  109)  quam 
imperatorium,  quam  regium  est  sedere  a  suggestu  praecipientem  bonos  mores 
et  sacrarum  studia  litteranun,  iam  carmina  praelegentem  quibus  ora  men- 
tesque  formantur,  iam .  sententiis  variis  sensus  ezcitantem,  iam  exemplis 
ro(borantem).  In  Bezug  auf  Bücher  bestand  die  Thätigkeit  der  grammatici 
im  emendare,   distinguere,  adnotare  (notas  adicere,   welche  notae  bald  in 


41.  Alterthumsforschung  und  Grammatik.  65 

blosen  Zeichen,    bald    in   kurzen   Bemerkungen   bestanden.     J.    Steup,   de 
Probia  p.  17—34. 

3.  Von  literarischem  Eigenthum  haben  wie  überhaupt  die  Alten  bo  nament- 
lich die  Grammatiker  keinen  Begriff ;  unbefangen  schreibt  VerriusFlaccus  den 
Varro  aus,  Probus  den  Verrius,  Plinius  den  Probus,  Caper  den  Plinius,  Ju- 
lius Komanus  den  Caper,  Charisius  den  Julius  Bomanus^  und  zwar  mit  sehr 
ungleicher,  rasch  abnehmender  Sorgfalt.  Ein  früheres  Lehrbuch  wird  in 
beliebigem  Umfange  abgeändert  und  umgestaltet,  ein  ausführliches  abge- 
kürzt, eines  für  Vorgerücktere  für  die  Bedürfnisse  der  Anfänger  herunter- 
gestimmt, und  dann  als  eigenes  herausgegeben.  Auch  wird  wohl  der  erste 
Theil  eines  Lehrbuchs  aus  dem  einen  Vorgänger  herübergenommen,  der 
zweite  aus  einem  andern,  wobei  dann  möglicher  Weise  der  Name  des 
ersten  Verfassers  auf  das  ganze  Werk  übergetragen  wurde,  insbesondere  wenn 
es  ein  berühmter  Name  war,  wie  Probus.  Vgl.  A.  12.  So  wird  in  Citaten  dem 
Probus  zugeschrieben  was  anderswo  als  Eigenthum  des  Sacerdos  oder  des 
Diomedes  erscheint.  Gesteigert  wurde  die  Verwicklung  dadurch  dass  in 
derselben  Handschrift  Lehrbücher  verschiedener  Verfasser  vereinigt  wurden. 
In  den  letzten  Jahrhunderten  des  Alterthums  wurde  es  sogar  Sitte  in  den 
Handschriften  grammatischer  Schulbücher  leere  Blätter  mit  Excerpten  aus 
anderen  (älteren)  Werken  von  verwandtem  Inhalte  auszufüllen. 

4.  Samüilungen  der  erhaltenen  Schriften  der  grammatici  latini  von 
D.  Gothofredus  (Genf  1595.  1622.  4),  El.  Putsche  (Hanoviae  1605.  4.),  Fr. 
Lindemann  (Lips.  1831 — 1840.  4.  unvollständig;  nur  T.  III  und  IV,  1), 
und  besonders  von  H.  Keil,  Lips.  1857  ff.  6  Bde,  wovon  bis  1868  fünf  voll- 
ständig erschienen  sind.  Vgl.  W.  Christ  im  Philologus  XVIII.  S.  112  ff. 
Dazu  als  supplementum  von  H.  Hagen  (Lips.  Teubner  1870)  Anecdota  hel- 
vetica  quae  ad  grammaticam  latinam  spectant  (CCLXI  u.  399  pp.),  ent- 
haltend 1.  Commentum  Sedulii  Turicense  in  Eutychis  artem  de  discernendis 
coniugationibus.  2.  Ars  Asperi  grammatici.  3.  Ars  anonyma  Bernensis. 
4.  Primae  explanationes  Sergii  de  prioribus  Donati  gramm.  u.  B.  5.  Petri 
grammatici  excerpta.  6.  Quaestiones  grammaticae  sei.  ex  cod.  Bern.  7. 
Vergilii  granmiatici  excerpta.  8.  Commentum  Einsidlense  in  Donati  artem 
minorem,  und  9.  in  D.  a.  maiorem.  10.  Comm.  Einsidl.  in  Donati  barbaris- 
mum.  11.  Differentiae  sermonum  (des  Ps.  Cic).  12.  Auetores  anonymi  de 
orthographia  IV.     13.  Auetores  anonymi  de  litteris  III. 

5.  Suringar,  historia  critica  scholiastarum  lat.,  Lugd.  Bat.  1834  f. 
3  Bde.  L.  Lersch,  die  Sprachphilosophie  der  Alten,  Bonn  1838—1841. 
3  Bde.  van  Heusde,  de  L.  Aelio  Stilone  (1839)  p.  17—33.  Gräfenhan, 
Geschichte  d.  class.  Philologie  im  Alterthum,  Bonn  1843  ff.,  bes.  Bd.  IV 
(1850). 

6.  Scriptores  latini  rei  metricae;  mss.  codd.  ope  subinde  refinxit 
Th.  Gaisford,  Oxon.  1837.  XIV  u.  616  pp.  Enthält:  Marius  Victorinus, 
Marius  Plotius,  Caesius  Bassus,  Atilius  Fortunatianus,  Servii  centimetrum, 
Rnfinus,  Censorinus,  Priscianus,  Diomedis  lib.  lU,  Mallius  Theodorus,  script. 
vett.  apospasmatia.  Ueber  die  scriptores  de  orthographia  (bes.  Flavius 
Caper,  Velius  Longus  und  Terentius  Scaurus)  s.  auch  bei  Cassiodorus. 

7.  Alphabetische   Anlage   hatte   schon   des  Verrius  Flaccus  Werk   de 

TjnnPFBi.,  Rom.  Literattugeachichte.    2.  Aufl.  5 


66  Sachlicher  TheiL 

verborum  significatu,  weiterhin  eines  von  Caesellius  Vindex,  später  des 
NoniuB  Marcellas  (theilweise).  Diese  lexicalischen  Arbeiten  sahen  sich 
aber  immer  mehr  verdünnt  und  auf  das  Trivialste  eingeschränkt;  der  Kreis 
des  Wissenswerthen  und  der  citierten  Schriftsteller  wurde  immer  enger  ge- 
zogen. So  schrumpften  sie  allmählich  zu  den  kümmerlichen  Glossaren  zu- 
sammen welche  in  verschiedener  Fassung  auf  uns  gekommen  sind,  theil- 
weise in  sehr  alten  Handschriften,  wie  Paris,  saec.  VIII  (vgl.  F.  Dübner 
im  Rhein.  Mos.  von  Welcker  und  Näke  III.  1833.  S.  470  ff.),  Bern.  saec. 
IX,  Palat.  1773  saec.  X  u.  a.  Thesaurus  novus  latinitatis  sive  Lexicon 
vetus  e  membranis  nunc  primum  erutum,  in  Mai's  classici  auct.  VIII.  Rom 
1836.  640  pp.  Ein  Glossarium  vetus  ex  membranis  bibl.  vat.  ib.  VI. 
p.  501—551  (abacta  —  zelotypia). 

8.  Besonders  häufig  kehrt  in  den  grossen  ^ncyclopädischen  Glossen- 
sammlnngen  der  Name  des  (Lutatius)  Placidus  als  Lemma  (Placidi)  wieder, 
manchmal  ohne  dass  das  eigens  dessen  Namen  tragende  Glossar  die  betr. 
Glosse  enthielte.  Daraus  die  Ergänzungen  des  letztem  bei  Mai,  class. 
auct.  VI.  p.  564-574,  vgl.  A.  Wilmanns,  Rhein.  Mus.  XXIV.  S.  364  ff.  Die 
Hdss.  des  eigentlichen  Placidusglossars  sind  alle  jung  (saec.  XV).  Unter 
ihnen  ist  bemerkenswerth  die  von  G.  Corsi  (le  glosse  latine  di  Luttazio  Pla- 
cido  grammatico,  accresfeiute  .  .  per  un  nuovo  codice  del  secolo  XIV,  Pisa 
1846,  aus  den  Annali  delle  universita  toscane  I,  1.  p.  149—174),  wegen  ihrer 
Ueberschrift:  incipiunt  Glossae  Luctatii  Placidi  grammatici  in  Plauti  co- 
medias.  Per  A  litteram  etc.  Wirklich  bt  es  glaublich  dass  die  jetzige 
Sammlung  einen  ursprünglichen  Kern  plautinischer  Glossen  enthält  (Ritschi 
im  Rhein.  Mus.  XXV.  S.  459  ff.).  Aber  auch  die  relativ  vollständigsten 
Hdss.  des  Placidus  geben  nicht  das  ursprüngliche  Werk  desselben,'  sondern 
einen  Auszug  aus  einer  viel  reichhaltigeren  Sammlung.  Ausgabe  der 
Placidusglossen  aus  vier  Vaticani  in  Mai's  classici  auctores  III  (Rom  1831). 
p.  427—503  (alumna  bis  vernulus)  vgl.  VI.  p.  554—574  (ab  alto  —  vulgua). 
R.  Klotz  in  Jahns  Archiv  H.  1833.  S.  439  ff.  485  ff. 

9.  Der  in  Glossarhandschriften  öfters  genannte  Salomo  (der  vielleicht 
die  Redaction  des  Glossars  angeordnet  hatte)  ist  Salomo  III,  Abt  von  St. 
Gallen,  dann  Bischof  von  Constanz,  f  919;  Rhein.  Mus.  XXIV.  S.  388  f. 

10.  Einzelne  Glossare  herausgegeben  von  F.  Osann  (aus  Paris.  7651, 
Giessen  1826.  4.),  Fickert  (Naumburg  1843.  4.),  Fr.  Oehler  (aus  einem  cod. 
Erfurt,  saec.  IX,  in  Jahns  Archiv  XHI),  G.  F.  Hildebrand  (Portmund  1845. 

,  4.  Göttingen  1854.),  C.  Peter  (Zeiz  1850.  4.),  Deycks  (Münster  1854.  4.), 
G.  Thomas  (aus  Monac.  lat.  6210,  Sitzungsber.  d.  Münchner  Akad.  1868,  II. 
S.  369  ff.  vgl.  Halm  und  Hofmann  ebd.  1869,  II.  S.  1  ff.). 

11.  Ueber  die  glossae  Pithoeanae  oder  Isidori  (weil  sie  zum  Theil  in 
Hdss.  des  Isidor  stehen)  s.  Rhein.  Mus.  XXIII.  S.  491.  üeber  die  von 
Labb^  herausgegebenen  griechisch-lateinischen  Glossen  (Cyrilli,  Philoxeni, 
aliorum  veterum  glossaria  ed.  Ph.  Labbaeus,  Paris  1679.  fol.)  s.  ebd.  XVII. 
S.  159  f.  XVIII.  S.  253  ff.  A.  F.  Rudorff,  über  die  Glossen  des  Philoxenus  und 
Cyrillus,  Berlin  1866.  4.  Mit  Tafel.  A.  Wilmanns,  Placidus,  Papias  und  andere 
lateinische  Glossare,  Rhein.  Mus.  XXIV.  S.  362—382.    H.  üsener,  der  liber 


41  f.  Grammatik.    Die  Beredtsamkeit  bei  den  Römern.  (57 

glossarum,  ebd.  XXIV.  S.  882—391.    F.  Ritschi,    zu  Placidus  und  lateini- 
acher  6lo3sographie,  ebd.  XXV.  S.  466 — 463. 

12.  Als  scriptores  mythographi  latini  werden  zusammengefasat 
Hyginus,  Fulgentius,  Lutatius  Placidus,  Albericus  philosophus,  zusammen 
herausgegeben  von  Th.  Muncker  (Amstelod.  1681)  und  A.  van  Staveren 
(Lugd.  B.  1742.  4.).  Vgl.  Lange,  de  nexu  Hyg.  fabb.  p.  11—26.  E.  Klussmann, 
de  Alberici  mythogr.  codice  Gothano  II,  Rudolstadt  1868.  4.  Dazu  kamen 
die  drei  mythographi  vaticani,  erstmals  herausgegeben  von  A.  Mai 
(classici  auctores  e  vaticanis  codd.  editi,  T.  III,  Rom  1831)  und  danach 
von  G.  H.  Bode  (scriptores  rerum  myth.  latini  III,  Celle  1834,  2  Voll.). 
Der  erste  derselben  (mythographus  vaticanus  I)  ist  wohl  aus  der  ersten 
Hälfbe  von  saec.  VI.  Er  ist  noch  Heide,  benützt  aber  (wenigstens  B.  II) 
bereits  den  Fulgentius.  Nach  Mai  trägt  dieses  Compendium  der  Mythologie 
die  üeberschrifl:  C.  Hygini  libri  fabularum,  wahrscheinlich  weil  im  späteren 
Alterthum  der  Name  Hyginus  typisch  wurde  für  mythologische  Compendien 
zum  Schulgebranch.  Jünger  ist  mythogr.  vat.  II,  welcher  aus  dem  ersten 
Manches  wörtlich  entlehnt.  Mythogr.  vat.  III  aber  ist  aus  saec.  IX  oder  X» 
De  mythographis  latinis,  Breslau  1834.  4.  F.  Osann,  Haller  Allg.  Lit.  Ztg. 
1834,  Erg.  61.  12.  Suringar,  de  mythographo  astronomico,  Lugd.  1842.  4. 
M.  Zink,  der  Mytholog  Fulgentius  (1867)  S.  13—15. 

42.  Für  Beredtsamkeit  waren  die  Römer  schon  von  Na-  36 
tur  wohlausgestattet;  durch  ihren  scharfen  Verstand,  ihren  Ord- 
nungssinn,  ihre  italische  Lebhaftigkeit,  gemässigt  durch  römi- 
schen Ernst.  Noch  günstiger  war  der  Einfluss  von  Sitte  und 
Verfassung,  die  Mündlichkeit  aller  Verhandlungen,  die  grosse 
Zahl  der  Anlässe  wo  es  gut  zu  reden  galt,  zum  Volke,  zum  Se- 
nate, zu  Geschworenen  oder  zu  Einzelrichtem,  zum  Heere,  zu 
einer  Trauerversammlung.  Die  Fähigkeit  zu  reden  wurde  daher 
ein  unerlässljches  Erfordemiss  im  Staate,  der  Besitz  von  Beredt- 
samkeit ein  Mittel  zu  politischer  Bedeutung,  vollends  als  die 
Standesvorrechte  nacheinander  fielen  und  die  politischen  Par- 
teikämpfe immer  häufiger  und  hitziger  wurden.  In  Folge  dessen 
nahm  die  Beredtsamkeit  von  Anfang  an  eine  praktische  Rich- 
tung und  wurde  die  Uebung  im  öflfentUchen^  Reden  ein  wesent- 
licher Bestandtheil  im  Bildungsgange  eines  jungen  Römers,  so 
dass  schon  der  ältere  Gato  schriftliche  Anleitung  dazu  gab  und 
in  manchen  Familien,  wie  bei  den  Scribonü,  sich  die  Beredt- 
samkeit Generationen  hindurch  fortvererbte.  Daher  auch  die 
grosse  Zahl  von  Rednern  unter  den  Römern,  das  frühe  Begin- 
nen der  Beredtsamkeit  und  die  hohe  Blüte  die  sie  bei  ihnen 
erreichte,  ihr  Steigen  und  Fallen  mit  der  politischen  Verfassung. 

1.    Cic.  Off.  n,  19,  66:   huic  (eloquentiae)  a  maioribus  nostris  est  in 

6* 


68  Sachlicher  Theil. 

toga  dignitatis  principatus  datus.  Brat.  49,  182:  .  .  in  tanta  et  tarn  vetere 
republica  mazamis  praemiis  eloqnentiae  propositis  omnes  cupisse  dicere, 
non  pluramOB  ausos  esse,  potuisse  paucos.  or.  41,  141:  quis  tunquam 
dubitarit  quin  in  rep.  nostra  primas  oloquentia  tenuerit  semper  urbanis 
pacatiaque  rebus,  secundas  iuris  scientia?  Liv.  XXXIX,  40:  ad  summos 
honores  alios  scientia  iuris,  alios  eloquentia,  alios  gloria  militaris  provexit. 
Quintü.  II,  16,  8:  pop.  rom.,  apud  quem  summa  semper  oratoribus  digni- 
tas  fuit.  Tac.  dial.  37:  .  .  procerum  manum  multum  in  his  studiis  operae 
curaeque  posuisse  nee  quemquam  Ulis  temporibus  mägnam  potentiam  sine 
aliqua  eloquentia  consecutum. 

2.  Cic.  de  or.  II,  13,  56:  nemo  studet  eloquentiae  nostrorum  hominum 
nisi  ut  in  causis  atque  in  foro  eluceat:  apud  Graecos  etc.  (war  das  Be- 
redtsein  Selbstzweck).  Das  Praktische  gieng  sogar  auf  Kosten  der  Moral: 
eine  Verpflichtung  bei  der  Wahrheit  zu  bleiben  wurde  für  den  gericht- 
lichen Redner  kaum  anerkannt.  Was  Cic.  Brut.  207  von  M.  Antonius  sagt, 
dass  er  facilis  in  causis  recipiendis  gewesen  sei,  gilt  auch  von  ihm  selbst, 
und  wiederholt  lehrt  er  dass  für  den  Büdner  nicht  das  verum  Ziel  sei, 
sondern  yerisimile;  s.  de  or.  U,  59,  241.  off.  II,  14,  61.  Aehnlich  Quintil. 
II,  15,  32.  m,  8,  13.  Xn,  1,  33  ff.  VI,  2,  5:  ubi  animis  iudicum  vis  affe- 
renda  est  et  ab  ipsa  veri  contemplatione  abducenda  mens,  ibi  proprium 
oratoris  opus  est.  Dagegen  XII,  7,  7:  non  convenit  ei  quem  oratorem  esse 
volumus  iniusta  tueri  scientem;  vgl.  IV,  2,  93. 

3.  Beginn  in  früher  Jugend.  Der  18jährige  Africanus  minor  sagt  bei 
Polyb.  XXXII,  9:  Öoiui  slvai  näaiv  ^avxios  tig  .  .  xal  noJiv  yiBxoiQ^Ofiavos 
trig  ((opM'Ciiris  at^saecag  xal  nQd^sfog  ort  nqiasig  ovx  cciQOVfiai  Isysiv.  Plin. 
ep.  V,  8,  8:  undevicesimo  aetatis  anno  dicere  in  foro  coepi.  Besonders 
häufig  machte  man  den  Anfang  mit  der  Lobrede  auf  einen  eben  gestorbe- 
nen Verwandten.  Noch  Tiberius  novem  natus  annos  defunctum  patrem 
pro  rostris  laudavit  (Suet.  Tib.  6).  Der  jugendliche  Charakter  solcher  lau- 
dationes  fdnebres  war  daher  wohl  mit  ein  Grund  dass  sie  (später)  so  selten 
herausgegeben  wurden,  E.  Hübner  im  Hermes|  I.  S.  441.  Auch  mit  An- 
klagen  Schuldiger  die  rednerische  Laufbahn  zu  beginnen  war  häufig;  s. 
Polyb.  XXXII,  16  g.  E.  Cic.  Off.  II,  14,  49.  Suet.  Caes.  4.  Val.  Max.  V, 
4,  4.     Quintil.  XII,  6,  1.     Tac.  dial.  34  g.  E.    Apulej.  apol.  66. 

4.  Die  Reden  welche  spätere  Historiker  in  die  Eönigszeit  verlegen 
beweisen  natürlich  nichts  für  die  Beredtsamkeit  jener  Zeit;  doch  machte 
die  Verfassung  schon  damals  ein  gewisses  Mass  von  politischer  Beredtsam- 
keit nothwendig.  Dann  aus  J.  370  d.  St.  lässt  Livius  (VI,  20)  den  ange- 
klagten M.  Manlius  pro  fastigio  rerum  oratione  etiam  magnifica  reden. 
Die  Sanmilung  von  Meyer  bringt  es  von  Appius  Claudius  bis  Symmachus 
auf  158  Redner,  ungerechnet  die  vielen  deren  Reden  nie  geschrieben  wur- 
den oder  von  denen  uns  wenigstens  nichts  Derartiges  bekannt  ist.  Vgl.  43, 12. 

5.  Hauptquellen  Cicero's  Brutus,  der  Bhetor  Seneca,  Tacitus'  dialogus, 
Sueton's  viri  ill.,  Quintilian  X,  1,  105—122  u.  XII,  10,  10—12.  AuchPlinius' 
Briefe.  Oratorum  romanorum  fragmenta  collegit  H.  Meyer,  Zürich  1832. 
(Pariser  Nachdruck  1887.)  1842. 


42  f.  Die  Beredtsamkeit  in  der  Bepublik.  69 

6.  A.  Westermann,  Greschichte  der  röm.  Beredtsamkeit,  Leipzig  1885. 
F.  Ellendt,  auccincta  eloquentiae  rom.  usque  ad  Caesarea  historia,  vor 
seiner  Ausgabe  des  Brutus.    Auch  Mommsen  IP  S.  455.  III.  S.  596  f. 

43*   Die  älteste  Beredtsamkeit  war  naturalistisch,  der  kunst-  36 
lose  Ausdruck  einer  durch  eine  bestimmte  Lage  und  bestimmte 
Zwecke   angeregten,  politisch  bedeutenden  und  redefähigen  Per- 
sönlichkeit.    Aber  schon  am  Ende  des  fünften  Jahrh.  d.  St.  gab 
Appius  Claudius  eine  politische  Rede  nachträglich  heraus,  und  von 
den  Leichenreden  die  aus  dem  sechsten  Jahrh.  erwähnt  werden 
ist  denkbar  dass  sie  von  Anfang  an  geschrieben  waren.     Jeden- 
falls der  grösste  Redner  des  sechsten  Jahrh.,   der   ältere   Cato, 
muss  seine  Reden  in  der  Regel  niedergeschrieben  (und  veröffent- 
licht) haben,   wenn  auch  vielleicht  erst   nach  ihrer  Abhaltung, 
als  politische  Streitschrift.     Ueberhaupt  war  im  sechsten  Jahrh. 
d.  St.  das  gesprochene  Wort  noch  die  Hauptsache;  das  Nieder- 
schreiben und  Veröffentlichen  der  Reden  geschah  für  politische 
Zwecke.    Ausser  Cato  kennen  wir  aus  dieser  Zeit  herausgegebene 
Reden   besonders  von  dem   altem   Africanus,   L.  Papirius,   und 
C.  Titius.     Das  siebente  Jahrhundert  d.  St.   traf   die   römische 
Beredtsamkeit  schon  so  entwickelt  dass  das  Bekanntwerden  mit 
der  griechischen  Rhetorik  sie  nur  steigern  und   bewusster   ma- 
chen,  nicht  aber  ihres  nationalen  Charakters  entkleiden  konnte. 
Der   Erste   welcher  seine  Reden    kunstmässig   anlegte  war  Ser. 
Sulpicius  Galba   (Cos.  610),    und   schon  den  jungem   Gracchus 
machte    die   Verbindung   von   Begabung   und   Kunst    zu    einem 
vollendeten  Redner.     Auch  war   es  schon  in  der  ersten  Hälft« 
des    siebenten   Jahrh.  d.  St.  eine   Ausnahme   wenn   ein   Redner 
keine  seiner  Reden  herausgab,  und  es  gab  schon  Solche  welche 
Reden    schrieben   die   dann   Andere   hielten.     In    der    Zeit    der 
Gracchen    hatte    die    praktische    politische    Beredtsamkeit    ihre 
höchste  Höhe  eiTeicht,  und   einige  Jahrzenhnfce  hindurch  wurde 
diese  Stufe  festgehalten.    Als  es  aber  allmählich  nicht  mehr  das 
souveräne  Volk  war  zu  dem   der  Redner   sprach,    sondern   ein 
Haufe  Pöbels,   fieng   man  an  weniger  Werth  zu  legen  auf  die 
künstlerische    Vollendung    der    gesprochenen    Rede.      Bei    den 
herausgegebenen   trat   der  politische   Zweck  jetzt  meist  zurück: 
man  schrieb  und  veröffentlichte  Reden  auch  nur  als  Probe  seiner 
Beredtsamkeit.    Die  hervorragendsten  Redner  dieser  Zeit  waren 
M.  Antonius  (Cos.  655)  und  L.  Crassus  (Cos.  659);  aber  neben 
ihnen  stand  noch  eine  ganze  Reihe  gleichfalls  in  ihrer  Art  be- 


70  Sachlicher  Theil. 

deutender  Redner,  wie  Q.  Mucius  Scaevola  (Cos.  659),  L.  Marcius 
Philippus  (Cos.  663),   L.  Apulejus  Saturninus   (654),   M.  Livius 
Drusus  (663),  C.  Julius  Caesar  Strabo  (Aedil  664),  P.  Sulpicius 
Rufus  (666),     C.   Aurelius   Cotta   (Cos.  679).      Das    praktische 
Ziel    nie    aus    den    Augen    verlierend    hielten    die    Römer    und 
römisch  denkenden  Theoretiker,  wie  in  der  suUanischen  Zeit  die 
Rhetorik  an  Herennius,  die  von  den  griechischen  Rhetoren  auf- 
gebrachten Difteleien  von  sich  ferne,  so  sehr  sie  sonst  die  An- 
leitung zu  schätzen    wussten  die   sie   durch   Griechen   erhielten. 
Nach  der  Mitte  des  siebenten  Jahrh.  begannen  auch  Einheimische 
in    lateinischer    Sprache    Unterricht    in    der    Beredtsamkeit    zu 
ertheilen.    Durch  die  Griechen  fand  auch  die  damals  im  griechi- 
öchen  Asien  herrschende  überladene  Redeweise  in  Rom  Eingang 
und    hatte    namentlich    an    Hortensius    einen    Vertreter.      Aber 
schon  dessen  jüngerer  Zeitgenosse,  Cicero,  lenkte  davon  wieder 
ab  und  einem  Mittelwege  zu,   der  rhodischen  Schule;   und   ihn 
hat   eine   glückliche   Verbindung   von    Talenten,    geschärft    und 
veredelt  durch  unermüdlichen  Fleiss,   auf  die  höchste  Höhe  der 
römischen   Kunstberedtsamkeit    gehoben.      Zugleich   hat    er   um 
die  Popularisierung  der  Hauptlehren  der  Rhetorik  sich  Verdienste 
erworben.     In   seinen   späteren   Lebensjahren   bildete    sich   eine 
Richtung   welche    ihn   noch    immer   allzu    asiatisch    fand.      Ein 
Kreis  jüngerer  Männer,  zu  denen  auch  Caesar  gehalten  zu  haben 
scheint,  gieng  grundsätzlich  auf  die  echten  alten  Attiker  zurück, 
und   die  Meisten  wählten  sich  unter  jenen  sogar  den  sehwung- 
losesten,  den  Lysias,  zum  Muster.     So  M.  Calidius,   M.  Brutus, 
Licinius   Calvus,    Caelius  Rufus,    Q.  Cornificius,    und    weiterhin 
Asinius  Pollio,  welcher  den  Thukydides  vorzugsweise  bewunderte. 
So  häufig  in  dieser  Zeit  das  Veröffentlichen  von  Reden  war,  so 
war  es  doch  auch  jetzt  noch  selten  dass   die  gehaltene  und  die 
herausgegebene  g^nau  übereinstimmte;  denn  'der  Redner  sprach 
zwar  vorbereitet,  aber  in  der  Hauptsache  frei. 

1.  Cato:  orator  est,  Marce  fili,  vir  bonus  dicendi  peritu«;  s.  Sen.  Con- 
trov.  praef.  9,  p.  49,  17  Bu.    Vgl.  Qnintil.  XU,  1,  1  ff.     Plin.  cp.  IV,  7,  5. 

2.  Zu  den  ältesten  Bednern  gehören  P.  Licinins  Crassusr  (Cos.  549)  und 
M.  Cornelius  Cethegus  (Cos.  560).  Schriftlich  herausgegeben  wurden  be- 
sonders Leichenreden  schon  in  der  ersten  Hälfte  des  sechsten  Jahrh.  d.  St. 
und  meist  wohl  für  politische  Zwecke.    Vgl.  42,  3. 

3.  Quintil.  III,  1,  19:  Bomanorum  primus,  quantum  ego  quidem  sciam, 
coudidit   aliqua  in  hanc   materiam  (Theorie  der  Beredtsamkeit)  M.  Cato 


43.  Die  Beredtsamkeit  in  der  Republik.  71 

ille  CensoriuB  (in  seineu  praccepta).  post  M.  Antonius  incohavit.  Aber 
noch  lange  fort  gab  es  Autodidakten,  wie  von  Curio  (Cos.  678)  Cicero 
(Brut.  59,  214)  sagt:  nullum  ille  poetam  noverat,  nullum  legerat  oratorem, 
nuUam  memoriam  antiquitatis  collegerat;  non  publicum  ius,  non  privatum 
et  civile  cognoverat.  quamquam  hoc  quidem  fuit  etiam  in  alüs  —  et 
magnis  quidem  —  oratoribus,  .  .  ut  Sulpicio,  ut  Antonio.  Doch  waren 
solche  Fälle  damals  Ausnahmen,  und  mit  Unrecht  sagt  daher  Aper  (bei 
Tac.  diaU  19)  noch  von  den  Rednern  der  ciceronischen  Zeit:  paucissimi 
praecepta  rhetorum  aut  philosophorum  placita  (Letzteres  ist  eher  richtig) 
cognoverant. 

4.  Cic.  de  or.  II,  22,  92  >  nostri  oratores  .  .  scripta,  ex  quibus  iudicium 
fieri  posset  non  multa  sane  reliqnerunt.  orat.  38,  132:  Crassi  perpauca 
sunt,  nee  ea  indiciorum,  nihil  Antoni,  nihil  Cottae,  nihil  Sulpici.  p.  Cluent. 
50,  140:  M«  Antonium  aiunt  solitnm  esse  dicere,  idcirco  se  nuUam  umqnam 
orationem  scripsisse  ut,  si  quid  aliquando  non  opus  esset  ab  se  esse  dic- 
tum, posset  negare  dixisse.  Dagegen  erwähnt  Cic.  geschriebene  Reden  von 
den  beiden  Gracchen  (Brut.  104.  117),  M.  Aemilius  Scaurus  (ib.  112),  P. 
Rutilius  Rufus  (114),  dem  Sohne  des  Jüngern  Africanus  (77),  Q.  Tubero 
(117),  Curio  (122)  und  dessen  Sohn  (220),  Sulpicius  Galba  (127),  Flavius 
Fimbria  (129),  T.  Albucius  (131),  Q.  Lutatius  Catulus  (132),  Q.  Scaevola 
(163),  Caesar  (262);  dazu  Livius  eine  Rede  des  älteren  Africanus  (J.  569), 
Andere  von  C.  Titius  (J.  593),  Quintil.  X,  1,  116  von  Ser.  Sulpicius  Rufus, 
Sueton  (Caes.  55)  von  Caesar  Strabo,  Ascon.  Cornel.  p.  62  Or.  von  P.  Comi- 
nius.  Auch  extra  urbem,  apud  socios  et  Latinos,  gab  es  Redner  und  von 
ihnen  veröffentlichte  Reden  (Cic.  Brut.  169  f.),  wie  von  L.  Papirius  aus 
Fregellä  und  T.  Betutius  aus  Asculum. 

5.  Der  ältere  Cato  und  noch  (C.)  Gracchus  begann  jede  seiner  Reden 
mit  einer  Anrufung  oder  doch  Erwähnung  von  Göttern,  Serv.  zu  Verg. 
Ae.  VII,  259.  XI,  301.  Symmach.  ep.  III,  44.  Gell.  XIII,  23  (22),  1  (in 
plerisque  antiquis  orationibus).  Vgl.  Val.  Max.  I  praef.  Plin.  pancg.  1. 
Die  Ausnahmslosigkeit  womit  diess  von  den  Reden  des  Cato  ausgesagt 
wird  macht  wahrscheinlich  dass  es  auch  von  dei\jenigen  gilt  welche  er  in 
Civilprocessen  (cansae  privatae)  gehalten  hat,  welche  die  einzigen  derarti- 
gen sind  von  denen  wir  aus  der  Zeit  vor  Cicero  wissen  dass  sie  veröffent- 
licht wurden,  wie  auch  aus  der  Zeit  nach  Cicero  nur  einige  vor  dem 
Centumviralgericht  gehaltene  civilrechtliche  uns  bekannt  sind.  H.  Jordan, 
Caton.  quae  exstant,  p.  LXXXVII. 

6.  L.  AeliuB  Stilo  .  .  scriptitavit  orationes  multis,  orator  ipse  numquam 
fuit,  Cic.  Brut.  169  vgl.  205  f.  M.  Bibulus  scriptitavit  accurate,  cum  prac- 
sertim  non  esset  orator,  ib.  267.  So  C.  Laolius  für  Tubero  und  für  Fa- 
bius  Maximus,  Plotius  Gallus  für  Sempronius  Atratinus  (Suet.  rhet.  2), 
Caesar  für  Metellus  (Suet.  Caes.  55).  Cicero  selbst  verfasste  so  Reden  für 
Cn.  Pompejus  und  T.  Ampius  (Quintil.  III,  8,  50)  und  (J.  700)  für  einen 
Vater  die  Leichenrede  auf  seinen  Sohn  Serranus  (ad  Q.  fr.  III,  8,  5:  laudavit 
pater  scripto  meo).  Fronto  ep.  II,  1  (p.  123  N.):  Ventidius  ille,  postquam 
Parthos  fudit  fugavitque,  ad  victoriam  suam  praedicandam  orationem  a  G. 
Sallustio  mutnatuB  est. 


72  Sachlicher  Theil. 

7.  Cic.  Brut.  96,  328:  id  declarat  totidem  quot  dixit  .  .  scripta  verbiß 
oratio.    Diess  war  aber  nicht  das  Gewöhnliche:  s.  ib.  24,  91:  videmas  aüos 
oratores  inertia  nihil  scripsisse,   ne   domesticus  etiam  labor  accederet    ad 
forensem;  pleraeque  enim  scribuntar  orationes  habitae  iam,  non  nt  habean- 
tur.    Vgl.  ib.  93.    Plin.  ep.  IV,  9,  23.    Sen.   suas.  15:  huic  actioni  (des 
Asinins  PoUio)  qni  interfuenmt  negant  eum  haec  dixisse  .  .  sed  postea  com- 
posuisse.     Plin.  Ep.  I,  20,  7:  .  .  Ciceronis  pro  Murena  (27,  67),  pro  Vareno 
(auch  p.  Quintio),  in  quibus  brevis  et  nuda  quasi  subscriptio  quorondam 
criminum  solis  titulis  indicatur.  ex  bis  apparet  illum  permulta  dixisse,  cum 
ederet  omisisse.   Aehnlich  machte  es  C.  Galba  (Cic.  Brut.  127)  und  L;  Gras- 
sus  (ib.  160.  164),    }n   der  Regel  aber  scheint  Cicero  seine  Reden  so  "wie 
sie  gehalten  waren  vollständig  herausgegeben  zu  haben.    So  war  die  Cor- 
neliana  iisdem  paene  verbis  quibus  edita  est  .  .  perorata  (Comel.  Nep.  fr. 
60  R.).     Kleine  Abänderungen  und  Zusätze,  in  Berücksichtigung  des  Ein- 
druckes bei  dem  Vortrage  der  Rede,   sind  dadurch  nicht  ausgeschlossen. 
Der  jüngere  Plinius  (ep.  IX,  28,  5)  und  Fronto  (ep.  p.  184  N.)  gaben  ihre 
Reden  gewöhnlich  überarbeitet  und  erweitert  heraus. 

8.  Quintil.  X,  7,  30:  plerumque  multa  agentibus  accidit  ut  maxime 
necessaria  et  utique  initia  (von  Reden)  scribant,  cetera  quae  domo  afferunt 
cogitatione  complectantur,  subitis  ex  tempore  occurrant.  quod  fecisse  M. 
Tullium  commentariis  ipsius  apparet.  Sen.  Controv.  III.  praef.  6  von  Cassius 
Severus:  sine  commentario  numquam  dixit,  nee  hoc  commentario  contentus 
erat  in  quo  nudae  res  ponuntur,  sed  maxima  parte  perscribebatur  actio; 
illa  quoque  quae  salse  dici  poterant  adnotabantur;  sed  cum  procedere  nollet 
nisi  instructuB  libenter  ab  instrumentis  recedebat.  In  der  Zeit  des  Cicero 
wurden  die  gehaltenen  Reden  nachgeschrieben  (wie  die  pro  Milone).  Suet. 
Caes.  56  von  Caesars  Rede  pro  Q.  MeteUo:  non  immerito  Augustus  existimat 
magis  ab  actuariis  exceptam  male  subsequentibus  verba  dicentis  quam  ab 
ipso  editam.  Noch  Quintilian  beklagt  sich  (VII,  2,  24)  dass  Buchhändler- 
speculation  Reden  von  ihm  welche  neglegentia  .  .  notariorum  corruptae 
waren  veröffentlicht  habe.  Andererseits  wurden  auch  nicht  gehaltene  Reden 
veröffentlicht  von  Cato  und  von  Cicero  (Verrin.  actio  II,  Miloniana, 
Philipp.  II).  M.  Brutus  schrieb  blos  exercitationis  gratia  eine  Vertheidig- 
ungsrede  [für  Milo  (Quintil.  III,  6,  93  vgl.  X,  1,  23),  Cestius  Pius  in 
Milonem  (Sen.  contr.  III.  praef.  16),  Lucanus  sogar  in  Octavium  Sagittam 
et  pro  eo.  Auch  untergeschobene  Reden  gab  es  frühzeitig.  Sulpici  (tr. 
pl.  666)  orationes  quae  feruntur,  eas  post  mortem  eius  scripsisse  P.  Canu- 
tius  putatur.  .  .  ipsius  Sulpici  nuUa  oratio  est,  Cic.  Brut.  206.  Dann  in 
der  nachciceronischen  Zeit  Reden  gegen  Cicero  unter  dem  Namen  des 
Catilina  und  des  M.  Antonius,  Ascon.  p.  95  Or.  Quintil.  IX,  3,  94. 

9.  Suet.  gramm.  26  =  rhet.  1:  rhetorica  quoque  apud  nos  perinde 
atque  grammatica  (oben  41,  1)  sero  recepta  est,  paulo  etiam  difBcüiue, 
quippc  quam  constet  nonnumquam  etiam  prohibitam  exerceri.  .  .  paulatim 
et  ipsa  utilis  honestaque  apparuit,  multique  (wie  Cicero,  Cn.  Pompejus,  M. 
Antonius,  Augustus  u.  A.)  eam  et  praesidü  causa  et  gloriae  appetivenint. 
.  .  plerique  antem  oratorum  etiam  declamationes  ediderunt.  quare  magno 
studio  hominibus  iniecto  magna  etiam  professorum  ac  doctorum  proflnxit 


•/ 


43  f.   Die  Beredtsamkeit  in  der  Republik  u.  der  augusteischen  Zeit.     73 

copia,  adeoque  floruit  ut  nonnulli  ex  infima  fortuna  in  ordinem  senatorium 
atque  ad  summos  honores  processerint.  Hieronym.  zu  Euseb.  Chr.  a.  1929  »^ 
666  d.  Si:  Plotius  Gallus  primus  Romae  latinam  rhetoricam  docuit.  Vgl. 
Suet.  rhet  2.  Sen.  controv.  II,  8,  5.  p.  116,  22  f.  Bu.  Quintil.  II,  4,  42.  Die 
J.  662  durch  die  Censoren  (worunter  L.  Crassus)  erfolgte  Ausweisung  der 
laidni  rhetores  (Suet.  1.  1.  Gell.  XY,  11,  2)  war  wirkungslos.  Hieron.  1.  1. 
1936  SS  673  d.  St.:  Yultacilius  Plotus  latinus  rhetor,  Cn.  Pompei  libertus 
et  doctor,  scholam  Romae  aperuit. 

10.  Griechische  Lehrer  der  Beredtsamkeit  waren  in  der  cic.  Zeit  der 
ältere  Hermagoras,  Molon,  Apollodoros  aus  Pergamon.  Schüler:  ApoUodori 
praecepta  magis  ex  discipulis  cognoscas,  quorum  diligentissimus  in  tradendo 
fuit  latine  G.  Valgius,  graece  Atticus,  Quintil.  III,  1,  18.  Vgl.  Hieronym. 
1.  1.  1953  =  690  d.  St.:  Apollodorus  Pergamenus,  graecus  orator,  praeceptor 
Calidii  et  Augusti,  clarus  habetur.  Cic.  Brut.  263:  C.  Sicinius,  ex  disci- 
plina  Hermagorae;  ebenso  T.  Accius  aus  Pisaurum,  ib.  271.  Schüler  des 
Molon  auch  T.  Torquatus,  Brut.  246. 

11.  Zur  Charakteristik  der  attischen  und  der  asiatischen  Beredtsam- 
keit vgl.  Cic.  z.  B.  Brut.  61.  326.  or.  27.  Quintil.  XII,  10,  16:  antiqua 
divisio  inter  Atticos  atque  Asianos  fuit,  cum  hi  pressi  et  integri,  contra 
inilati  illi  et  inanes  haberentur,  in  his  nihil  superfuerit,  Ulis  iudicium 
maxime  ac  modus  deesset. 

12.  Fronte  ad  Ver.  p.  127  N. :  omnes  universos  quicunque  post  Ro- 
mam  conditam  oratores  extiterunt  .  .  si  numerare  velis  vix  trecentorum 
numerum  complebis.  Charakteristik  der  Hauptredner  bei  Vellej.  II,  86,  2. 
Tac.  dial.  18  (Cato,  C.  Gracchus,  Crassus,  Cicero,  Corvinus).  Fronte  epist. 
p.  114  N.  (contionatur  Cato  infeste,  Gracchus  turbulente,  TuUius  copiose. 
iam  in  iudicüs  saevit  idem  Cato,  triumphat  Cicero,  tumultuatur  Gracchus, 
Calvus  rixatur).  Apulej.  apol.  96  (neque  Cato  gravitatem  requirat,  neque 
Laelius  lenitatem,  neque  Gracchus  impetum,  nee  Caesar  calorem,  nee  Hor- 
tensius  distributionem ,  nee  Calvus  argutias,  nee  parsimoniam  Sallustius, 
nee  opulentiam  Cicero).  Aus  der  ciceronischen  Zeit  Quintil.  XII,  10,  11: 
vim  Caesaris,  indolem  Caelii,  subtilitatem  Calidii,  diligentiam  Pollionis, 
dignitatem  Messalae^  sanctitatem  Calvi,  gravitatem  Bruti,  acumen  Sulpici, 
acerbitatem  Cassii  reperimus. 

44.  -Die  augusteische  Zeit  enthält  in  Asinius  PoUio  und  M.  37 
Messala  noch  Vertreter  der  republikanischen  Beredtsamkeit,  und 
auch  August  selbst,  sowie  Agrippa  und  Maecenas,  zeigen  sich 
gelegentlich  als  rednerisch  gebildet.  Aber  in  ihr  schwinden  mit 
der  alten  Verfassung  auch  die  Gelegenheiten  und  Stoffe  für  die 
Beredtsamkeit  und  wachsen  in  demselben  Masse  die  Hindemisse 
und  Schranken.  So  tritt  immer  mehr  die  blose  Theorie  an  die 
Stelle  der  Praxis,  rhetores  an  die  der  oratores,  Declamation  an 
die  Stelle  der  Rede.  Noch  in  die  Zeit  Augusts  fallen  daher  die 
frühesten   Vertreter    der    kaiserlichen    Beredtsamkeit,    der    Red- 


74  Sachlicher  Theil. 

ner  Cassius  Severus,  die  Rhetoren  Porcius  Latro,  Albucius  Silus, 
Arellius  Fuscus,  Junius  Gallio,  Cestius  Pins,  Fulvius  Sparsus, 
Argentarius,  Blandus,  Q.  Haterius,  Julius  Bassus^  Pompejus 
Silo,  Varius  Geminus,  u.  A.,  an  die  sich  in  Augusts  letzten 
Jahren  noch  der  Rhetor  Seneca  und  Rutilius  Lupus  anreihten. 
Das  Wesen  dieser  neuen  Beredtsamkeit  besteht  in  ausschliess- 
hchem  Cultus  der  Form  neben  wissentlichem  Verzicht  auf  ernst- 
haften Inhalt  und  praktische  Zwecke.  Die  Rhetorschule  wird 
jetzt  Selbstzweck  und  Mittelpunkt  des  geistigen  Lebens  und 
baut  sich  eine  Welt  von  Fictionen  auf,  meist  aus  den  griechi- 
schen Vorgängern  geschöpft.  Aus  den^  genus  deliberativum 
nimmt  sie  ihre  suasoriae',  vom  iudiciale  ihre  controversiae;  von 
der  epideiktischen  Gattung  sind  die  laudationes  und  vituperatio- 
nes  beliebt.  Die  Manieren  des  rhetorischen  Hörsaals  werden 
dann  auch  auf  die  wenigen  Gelegenheiten  übergetragen  wo  man 
noch  praktisch  thätig  sein  konnte,  und  diese  zu  Schaustellungen 
theatralischer  Declamation  benützt.  Desto  seltener  war  Rechts- 
kenntniss.  Die  namhaftesten  nachaugusteischen  Redner  dieser 
Art  sind  Votienus  Montanus,  Romanius  Hispo,  Crispus  Passienus, 
Domitius  Afer,  Vibius  Crispus,  Galerius  Trachalus,  Julius  Afri- 
canus,  Julius  Secundus,  und  zuletzt  Tacitus  und  Plinius.  Ver- 
gebens weisen  Quintilian  und  Tacitus  (im  dia'logus)  auf  die 
echten  classischen  Muster  hin  und  kämpfen  gegen  die  Richtung 
ihrer  Zeit  an,  von  der  sie  unwissentlich  selbst  mitergrififen  sind. 
Mit  Fronto  wurde  die  Rede  noch  überdiess  geschraubt  und  mit 
Archaismen  geschmacklos  behängt.  Dieselbe  Manier,  aber  mehr 
Geist  hat  Apulejus.  Je  vielseitiger  und  feiner  das  römische 
Recht  sich,  besonders  im  dritten  Jahrh.,  entwickelte,  um  so  un- 
zugänglicher wurde  es  für  die  Phrasenmacher,  die  so  auch  den 
letzten  Rest  von  praktischer  Thätigkeit  einbüssten  und  sich  von 
da  an  auf  Prunkreden  beschränkt  sahen,  auf  den  servilen  Pa- 
negyrikus,  fingierte  Standreden  und  auf  die  Form  von  Briefen. 
Besonders  Gallien  war  hieran  fruchtbar.  Noch  der  bedeutendste 
Veiireter  dieser  Richtung  ist  Symmachus,  nächstdem  Ausonius; 
die  Panegyriker  erstrecken  sich  von  der  Zeit  Diocletians  (Eume- 
nius,  dann  Nazarius)  in  die  des  Julian  (Claudius  Mamertinus)  und 
Theodosius  I  (Drepanius  Pacatus),  und  noch  aus  dem  sechsten 
Jahrh.  haben  wir  des  Ennodius  Lobrede  auf  Theoderich.  Ge- 
haltreicher, aber  in  der  Form  verwahrloster  war  die  Art  der 
afrikanischen  Rednerschule,  welche  im  dritten  und  vierten  Jahrh. 


44.  Die  Beredtsamkeit  in  der  Kaiserzeit.    Die  Rhetorik.  75 

dem  Christentlium  seine  geistvollsten  Vert'eeht<»r  geliefert  hat 
(TertulUan,  Arnobius,  Cyprian,  Augustinus).  Die  Rhetorik  dieser 
Jahrhunderte  beschäftigte  sich  damit  die  alten  Meister  aus- 
zuziehen und  durch  Verwässerung  ihrer  Zeit  mundgerecht  zu 
machen. 

1.  Tac.  dial.  38  extr.:  (orationes)  mediis  d.  Augusti  temporibus  habi- 
tae,  postquam  longa  tempomm  quies  et  coutinuum  populi  otium  et  assi- 
dua  Benatus  tranquillitas  et  maxime  principis  discipliua  ipsam  quoque  elo- 
quentiam,  sicut  omnia,  pacaverat.  Damah  lehrte  zu  Rom  Rhetorik,  neben 
den  Griechen  Theodorus  ans  Gadara  und  Caecilius  auB  Kaie  Akte,  auch 
der  römlBche  Ritter  Blandus.  Sen.  Contr.  IL  praef.  5:  Blandus  rhetor,  qui 
eques  rom.  Romae  docnit.  ante  illum  intra  libertinoB  praeceptores  pulcher- 
rimae  disciplinae  continebantur  et  .  .  turpe  erat  docere  (gegen  Bezahlung) 
quod  hönestum  erat  discere.  Für  die  gewachsene  Bedeutung  der  Rhetorik 
ist  auch  diese  bezeichnend. 

2.  Tac.  dial.  14  extr.;  uovi  rhetores,  veteres  oratores.  Dieser  novi 
werden  von  dem  älteren  Seneca  mindestens  100  genannt.  Geschriebenes 
gab  es  von  ihnen  wenig;  Sen.  controv.  L  praef.  11:  fere  aut  nulli  commeu- 
tarii  maximorum  declamatorum  extant  aut,  quod  peius  est,  falsi.  Spätere 
auch  bei  Juv.  VIT,  143  S.  214.  Nero  war  der  erste  Kaiser  der  julischen 
Dynastie  welcher  alienae  facundiae  bedurfte,  Tac.  A.  XIII,  3.  Die  Haupt- 
redner seiner  Zeit  charakterisiert  Quintil.  XII,  10,  11:  copiam  Senecac, 
vires  Africani,  maturitatem  Afri,  iucunditatem  Crispi,  sonum  Trachali,  ele- 
gantiam  Secundi. 

3.  Lateinische  Schriftsteller  über  Rhetorik  aus  dem  ersten  Jahrh. 
(ausser  Seneca  und  Quintilian):  Celsus,  Laenas,  Luranius  (Quint.  IX,  4,  38), 
Stertinius,  Gallio,  Porcius  Latro,  Cestius  Pius,  Plinius  der  Aeltere  (Quint.  XI, 
3,  143),  Verginius,  Tutilius,  Vettius  (Juv.  VII,  150  f).  Vgl.  Quintil.  III,  1, 
19 — 21.  Quintilian  war  der  erste  von  Staats  wegen  (durch  Vcspasian)  ange- 
stellte Lehrer  der  Beredtsamkeit.  Schon  in  dieser  Zeit  Juv.  VII,  147  f.: 
accipiat  te  Gallia,  vel  potius  nutricula  causidicorum  Africa,  si  placuit  mer- 
cedem  ponpre  linguae. 

4.  Sen.  controv.  I.  praef.  6  f. :  ut  possitis  aestimare  in  quantum  cotidic 
ingcnia  decrescant  et  .  .  eloquentia  se  retro  tulerit.  .  .  in  deterius  .  .  data 
res  est  sive  luxu  temporum  .  .  sive  cum  praemium  pulcherrimae  rei  ceci- 
disset.  Wirklich  lagen  die  causae  corruptae  eloquentiae,  welche  Tacitus 
(dial.)  und  Quintilian  (vgl.  V,  12,  23.  VI,  prooem.  3.  VIII,  6,  76)  in  eigenen 
Schriften  zu  ergründen  suchten,  nicht  blos  in  der  licentia  atque  inscitia 
declamantium  (Quintil.  II,  10,  3),  sondern  diese  war  nur  ein  Symptom,  und 
die  eigentücben  Ursachen  lagen  in  den  Zeitverhältnissen  (vgl.  Sen.  epist. 
114),  wie  denn  eloquentia  saeculo  servit  (Lactant.  inst.  div.  V,  1).  Das 
Publicum  war  nicht  besser  als  seine  Redner  und  verlangte  immer  Neues 
und  Pikantes;  Petron.  sat.  3  f.  Tac.  dial.  19.  Quintil.  IV,  1,  67.  72.  5,  10. 
8, 1.  Ebenso  waren  die  welche  vividam  et  incorruptam  eloquentiam  tuendit? 
civibus  exercebant  (Tac.  A.  XIII,  42),  die  gerichtlichen  Redner,  causidici 
(Martial.  II,  64),  nicht  anders  als  die  Schulredner,  vielmehr  in  ipsa  capitis 


76  Sachlicher  Theil. 

aut  fortunarum  pericula  irrupit  voluptas  (Quint  IV,  2,  122  vgl.  127.  3,  2. 
Sen.  controv.  IX.  praef.  2.  Pers.  I,  83  ff.  Martial.  VI,  19).  So  wurde  auch 
die  Sitte  des  Applaudierens  (sogar  durch  bezahlte  Claqueurs)  von  der 
Schule  (Quintil.  II,  2, 9  ff.)  auf  das  Centumviralgericht  übergetragen  (Plin.  epist. 
n,  14,  4  ff.),  in  Gallien  später  auch  auf  die  Kirche  (Ap.  Sidon.  ep.  IX,  3). 
Für  das  juristisch  Technische  sahen  sich  die  meisten  dieser  Gerichtsredner, 
in  Ermangelung  eigener  Kenntnisse,  auf  pragmatici  als  monitores  ange- 
wiesen, Quint.  XII,  3,  2  ff.  Juv.  VII,  123.  Weichmütig  Plin.  epist.  II, 
3,  5:  scholasticus  (Schulredner)  tantum  est,  quo  genere  hominum  nihil  aut 
sincerius  aut  simplicius  aut  melius,  nos  enim  qui  in  foro  yerisque  litibus 
terimur  multum  malitiae,  quamvis  nolimus,  addiscimus:  schola  et  auditorium 
et  ficta  causa  res  innoxia  est. 

5.  Der  Unterricht  des  rhetor  folgt  auf  den  des  grammaticus  (Suet. 
gramm.  4).  Zur  Praxis  der  Bhetorschulen  vgl.  Körber,  über  den  Bhetor 
Seneca  S.  30  ff.  Begonnen  wurde  mit  dem  genus  demonstrativum  (ini- 
SsiüTLnov;  vgl.  Quintil.  11,  1,  8),  dann  aufgestiegen  2u  dem  deliberativum 
{cviißovXevTiTLOv)  oder  den  suasoriae  und  von  da  zum  iudiciale  (<SvKavL7i6v) 
und  den  controversiae.  Die  letzteren  zerfielen  in  drei  Theile;  die  sententiae 
(Ansichten  über  die  Anwendung  des  Gesetzes  auf  den  einzelnen  Fall), 
divisio  (Zerlegung  in  einzelne  Fragen,  quaestiones)  und  colores  (Mittel  eine 
strafbare  Handlung  zu  beschönigen).  Quintil.  X,  3,  21:  obstant  fere  turba 
discipulorum  et  consuetudo  classium  certis  diebus  audiendarum,  nonnihil  etiam 
persuasio  patrum  numerantium  potius  declamationes  quam  a^stimantium. 

6.  Petron.  sat.  1  f.:  declamatores  .  .  clamant:  haec  vulnera  pro  liber- 
tate  publica  excepi  etc.  . .  rerum  tumore  et  sententiarum  vanissimo  strepitu 
hoc  tantum  proficiunt  ut  cum  in  forum  venerint  putent  se  in  alium  orbem 
terrarum  delatos.  et  ideo  ego  adolescentulos  existumo  in  scholis  stultissimos 
fieri  quia  nihil  ex  his  quae  in  usu  habemus  aut  audiunt  aut  vident,  sed 
piratas  cum  catenis  in  litore  stantes,  sed  tyrannos  edicta  sciibentes,  .  .  sed 
rcsponsa  in  pestilentiam  data  ut  virgines  tres  aut  plures  immolentur  etc. 
Tac.  dial.  35:  tyrannicidarum  praemia  aut  vitiatarum  electiones  aut  pesti- 
lentiae  remedia  aut  incesta  matrum  aut  quidquid  in  schola  quotidie  agitur, 
in  foro  vel  raro  vel  numquam,  ingentibus  verbis  persequuntur..  Auch  die 
abdicati  gehörten  zu  diesen  unpraktischen  Themata;  vgl.  Juv.  VII,  168. 
Quint.  II,  10,  6.  VIII,  3,  23.  Über  das  Donnern  gegen  Tyrannen  auch  Juv. 
VII,  151.  Beliebte  Geschichtsstoffe  waren  z.B.  Sulla  (ib.  I,  16  f.),  Hannibal 
(VII,  161  ff.) ;  aus  der  Literatur  besonders  Vergil  und  Ovid  (namentlich  für 
Übungen  in  gebundener  Form).  Arbeiten  über  solche  Schulthemen  unter 
den  Namen  des  Quintilian  und  Calpurnius  Flaccus,  besonders  wichtig  aber 
der  ältere  Seneca,  auch  des  Philostratos  vitae  sophistarum.  Der  Vortrag 
übertrieben  lebhaft  und  gebärdenreich,  Quint.  II,  12,  9  f.  IV,  2,  37.  39.  XI, 
3,  184.    Sitte  des  Applaudierens,  s.  A.  4. 

7.  Aus  dem  dritten  Jahrh.  Lamprid.  Diad.  4,  2:  solent  pueri  pileo  in- 
signiri  naturali  (Glückskappe),  quod  obstetrices  rapiunt  et  advocatis  cre- 
dulis  vendunt,  siquidem  causidici  hoc  iuvari  dicuntur.  Alex.  Sev.  35,  1  ff.: 
oratores  et  poetas  non  sibi  panegyricos  dicentes,  quod  .  .  stultum  ducebat, 
sed  aut  orationes  recitantes  aut  facta  veterum  canentes  libenter  audivit.  .  . 


44.  Die  Beredteamkeit  in  der  Kaiserzeit.  77 

ad  Athenaeum  audiendorum  et  graecorum  et  latinorum  rhetorum  yel  poe- 
tamm  causa  frequenter  proceasit.  audivit  etiam  forenses  oratores  causas 
recitantes  quas  vel  apud  ipsum  vel  apud  praefectos  urbis  egerant.  44,  4  f. : 
rhetoriboB,  grammaticis^  medicis  etc.  salaria  institnit  et  auditoria  decrevit 
et  discipulos  cum  annonis  .  .  dari  iussit.  etiam  in  provincüa  oratoribus 
foreusibus  multum  detulit,  plensque  etiam  aimonas  dedit,  quos  constitisset 
gratis  agere.  Ib.  68,  1  Claudius  Yenacus,  orator  amplissimus.  Vgl.  Capi- 
tol.  Maximin.  29  (iun.  3),  4:  Messalam  ex  familia  nobili,  oratorem  poten- 
tissimum  eundemque  doctissimum.  Des  Jüngern  Maximin  Lehrer  war  orator 
Titianus,  ib.  27  (iun.  1),  6.  Unter  Gordian  III  Misitheus,  doctissimus  yir, 
quem  causa  eloquentiae  dignum  parentela  sua  putavit  (Capit.  Gord.  23,  6). 
Numerianus  erhielt  Yom  Senat  eine  Statue  mit  der  Inschrift:  Numeriano 
Caesari,  oratori  temporibus  suis  potentissimo  (ib.  11,  3).  Der  jüngere  Po- 
stumus  war  nach  Trebell.  PoU.  XXX  tyr.  4,  2  ita  in  declamationibus  di- 
sertuB  ut.eius  controversiae  Quintiliano  dicantur  insertae. 

8.  Aus  dem  yierten  Jahrh.  die  Lehrer  des  Ausonius,  Ti.  Victor  Miner- 
yius,  dessen  Sohn  Alethius  Minerrius,  dann  Latinus  Alcimus  Alethius,  Lehrer 
des  Kaisers  Julian,  Aemilius  Magnus  Arborius,  rhetor  Tolosae,  Auson.  Profess. 
Burdig.  1.  6.  2.  16.  Stoffe  panegyrici  und  fictae  ludorum  (Schulen)  Utes, 
Auson.  1. 1.  1,  13  fP.  Symmach.  ep.  III,  6:  mitto  decantatas  iudicialium  medita- 
tionum  fictiones  et  inania  simulacra  causarum.  Augustin.  confess.  Y,  8,  14: 
audiebam  quietius  (als  in  Earthcigo)  ibi  (in  Born)  studere  adolescentes  et 
ordinatiore  disciplinae  coercitione  sedari,  ne  in  eins  scholam  quo  magistro 
non  utuntur  passim  et  proterve  irruant,  nee  eos  admitti  omnino  nisi  ille 
permiserit.  contra  apud  Carthaginem  foeda  est  et  intemperans  licentia  scho- 
lasticorum.  irrumpunt  impudenter  et  prope  furiosa  fronte  perturbant  ordi- 
nem  quem  quisque  discipulis  ad  proficiendum  instituerit.  multa  iniuriosa 
faciunt  .  .  et  punienda  legibus,  nisi  consuetudo  patrona  sit. 

9.  Koch  im  sechsten  Jahrhundert  hat  Ennodius  in  seinen  Schulreden 
dieselben  Stoffe,  z.  B.  in  novercam  quae  cum  marito  privigni  odia  suadere 
non  posset  utrisque  venena  porrexit;  in  cum  qui  praemii  nomine  Yestalis 
virginis  nuptias  postulayit;  in  tyrannum  qui  praemii  nomine  parricidae 
statuam  inter  vires  fortes  dedit;  in  eum  qui  in  lupanari  statuam  Minervae 
locavit;  und  als  ethicae:  yerba  Thetidis  cum  Achillem  videret  extinctum; 
Yerba  Menelai  cum  Troiam  videret  exustam;  verba  Didonis  cum  abeuntem 
videret  Aeneam,  u.  dgl.  Dergleichen  wurde  denn  auch  in  Yersen  behandelt, 
z.  B.  sacrilegus  capite  puniatur  etc.  (Anthol.  lat.  21  B.);  verba  Achillis  in 
parthenone,  cum  tubam  Diomedis  audisset  (ib.  198);  Erwägung  des  August 
ob  er  wirklich  die  Aeneis  verbrennen  solle  (ib.  655.  672). 

10.  Sammlung  der  späteren  rhetorischen  Schriften,  bis  auf  Beda  herab, 
von  C.  Halm:  Bhetores  latini  minores,  ex  codd.  maximam  partem  primum 
adhibitis  emendavit.  Lips.  1863.  Sie  enthält  die  scriptores  de  figuris  sen- 
tentiarum  et  elocutionis  (bes.  Rutilius  Lupus,  Aquüa  und  Julius  Bufinianus), 
dann  die  Lehrbücher  der  Bhetorik  von  Fortunatianus,  Augustinus,  Sulpi- 
cius  Yictor,  Julius  Severianus  und  Julius  Yictor,  sowie  die  betr.  Theile  der 
encyclopädischen  Werke  des  Martianus  Capella,  Gasaiodor  und  Isidor;  weiter 
Albini  (vulgo  Alcuini)  dialogus  de  rhetorica,  und  eine  Anzahl  Schriftsteller 


78  Sachlicher  Theil. 

welche  einzelne  Theile  der  Rhetorik  behandelt  haben,  wie  Priscian's  lieber« 
Setzung  der  7tQ0YV(ivd<spLata  des  Hermagoras,  Abhandlungen  von  Emporius 
(de  ethopoeia;  de  loco  communi;  de  demonstrativa  et  de  deliberativa  ma- 
teria),  Rufinus  (de  compositione  et  de  metris  oratorum),  Clodiani  libellus  de 
statibufl;  De  attributis  personis  et  negotiis  (ausCic.  de  inv.  I);  Excerpta  ex 
Grillii  comm.  in  Cic.  de  inv. ;  Bedae  Yen.  Über  de  schematibus  et  tropis,  u.  A. 

45,  Briefe,  amtliche  wie  persönliche,  treten  bei  den  Rö- 
mern frühzeitig  in  die  Literatur  ein,  selbständig  und  in  Gre- 
schichtswerken,  die  von  bedeutenden  Männern  bald  auch  ge- 
sammelt. So  Briefe  des  älteren  Cato  an  seinen  Sohn,  von 
Cornelia  an  ihren  Sohn  C.  Gracchus,  später  von  Caesar,  M.  Brutus 
und  besonders  der  Briefwechsel  des  Cicero,  auch  in  seinem 
jetzigen  Bestände  eine  reiche  Quelle  für  die  Zeitgeschichte. 
Selten  aber  sind  die  erhaltenen  Briefe  so  rein  vertrauliche  Er- 
güsse augenblicklicher  Stimmung  wie  die  meisten  ciceronischen; 
gewöhnlich  dienen  sie  einem  persönlichen  oder  politischen 
Zwecke  und  sind  von  Anfang  für  -die  Veröflfentlichung  geschrie- 
ben. Bald  bemächtigt  sich  auch  dieser  Form  die  Rhetorik  und 
liefert  Suasorien  in  Briefform,  wie  die  des  Seneca  sind;  oder  es 
wird  ein  beliebiger  Stoff  —  sogar  gelehrte  —  in  dieser  Ein- 
kleidung zwanglos  und  populär  behandelt.  Die  des  Plinius  sind 
darauf  angelegt  in  bunter  Abwechslung  Fragen  und  Ereignisse 
zu  besprechen,  vor  Allem  aber  ihren  Verfasser  in  günstiges 
Licht  zu  stellen.  Seit  dem  zweiten  Jahrh.  n.  Chr.  bildet  sich 
der  Brief  zu  einer  eigenen  Stilgattung  aus,  worin  der  Inhalt  oft 
sehr  zurücktritt.  Solcher  Art  sind  die  Briefe  des  Fronto,  Sym- 
machus,  Apollinaris  Sidonius,  im  fünften  Jahrh.  die  von  Salvianus, 
Ruricius  und  Ennodius.  Einen  Theil  ihrer  seelsorgerlichen  Wirk- 
samkeit bilden  die  von  Cyprianus,  Lactantius,  Ambrosius,  Hiero- 
nymus,  Augustinus,  Paulinus  von  Nola  u.  A.,  meist  von  salbungs- 
reicher Wortfülle,  am  inhaltreichsten  die  von  Hieronymus.  Ge- 
schäftlicher Art  sind  auch  die  des  Cassiodor,  zum  Theil  amtliche 
Erlasse  über  weltliche  Gegenstände,  wie  die  Papstbriefe  über 
kirchliche.  Unter  letzteren  sind  die  von  Leo  und  Gregor  dem 
Grossen  auch  literarisch  bedeutsam.  Die  in  solchen  Erlassen 
erstrebte  stilistische  Rundung  führte  in  den  Zeiten  wo  der 
byzantinische  Geschmack  der  herrschende  war  zu  endloser 
Breite. 

1.   Wirkliche  Privatbriefe,   an  Vertraute   und  ohne  den  Gedanken  an 
Veröffentlichung   geschrieben,   lassen   sich  in  Bezug  auf  Inhalt  wie  Form 


46.  Briefe.  79 

gehen.  Cic.  Phil.  II,  4,  7:  quam  multa  ioca  solent  esse  in  epistolis,  quae, 
prolata  si  sint,  inepta  videantar!  qaam  multa  seria,  neque  tarnen  uUo  modo 
divolganda!  ad  Fam.  IX,  21,  1:  epistolas  quotidianis  verbis  texere  Bolemus. 
XV,  21,  4:  ego  illas  Calvo  litterae  n^isi,  non  plus  quam  has  quas  nunc 
legis  existimans  exituras.  aliter  enim  scribimus  quod  eos  solos  quibus 
mittimua,  aliter  quod  multos  lecturos  putamus.    Vgl.  Anm.  8. 

2.  Briefe  mit  pädagogischer  Tendenz  und  persönlichem  Interesse  als 
Ausgangspunkt  die  von  Cato  an  seinen  Sohn  und  der  des  T.  Liyius  gleich- 
falls an  seinen  Sohn.  Mit  politischer  Tendenz  die  von  Cornelia.  Dagegen 
war  die  Briefform  Nebensache  bei  dem  Schreiben  des  älteren  Africanus  an 
König  Philipp  über  seine  eigenen  Leistungen,  dann  des  Scipio  Nasica  Über 
den  von  ihm  mitgemachten  Feldzug  gegen  Perseus  (Plut  Aemil.  Paul.  15), 
auch  wohl  dem  des  C.  Gracchus  an  M.  Pomponius. 

3.  Briefe  in  Geschichtswerken  bei  Antipater,  Quadrigarius ,  Macer  und 
besonders  Sallust.  Fronto  ep.  ad  Ver.  II,  1  (p.  126,  1  ff.  N.):  extant  epis- 
tulae  .  .  in  serie  partim  scriptae  historiarum  vel  a  scriptoribus  (?)  com- 
positae,  ut  illa  Thucydidis  nobilissima  Niciae  ducis  epistula  ex  Sicilia  missa, 
item  apud  G.  Sallustium  ad  Arsacen  regem  Mithridatis  .  .  et  Cn.  Pompei 
ad  senatum  .  .  et  Adherbalis  apud  Cirtam  obsessi  .  .  breves  nee  ullam 
rerum  gestarum  expeditionem  continentes.  inlatae  autem  .  .  extant  Catuli 
litterae.  Spätere  Unkunde  nahm  auch  erdichtete  Briefe  bei  den  Geschicht- 
schreibem  und  bei  Bhetoren  fSr  geschichtliche  Urkunden;  so  ist  das  Meiste 
von  dem  was  sich  in  dieser  Art  bei  den  scriptores  bist.  aug.  findet  wohl 
ein  Erzeugniss  früherer  Bhetoren;  s.  C.  Gzwalina,  de  epistularum  actorum- 
que  quae  a  script.  h.  a.  proferuntur  fide  atque  auct.  P.  I.  Bonn  1870. 
Vgl.  A.  6. 

4.  Häufig  ist  die  Briefform  bei  Schriften  von  Juristen,  wie  Antistius 
Labeo,  Ateius  Capito,  Proculus,  Neratius,  luventius,  lavolenus,  Africanus; 
wohl  ausgehend  von  schriftlichen  Bescheiden  (responsa)  auf  Anfragen  über 
Gegenstände  des  B^chts  (s.  46,  5).  Von  solchen  wurde  die  Sitte  dann  auch 
auf  andere  Grebiete  übergetragen,  wie  auf  Geschichte  und  Grammatik. 
Gellius  Xni,  18,  2:  Erucius  Clarus  .  .  ad  Sulpicium  Apol}inarem  scripsit, 
.  .  quaerere  sese  et  petere  uti  sibi  rescriberet  quaenam  esset  eorum  ver- 
borum  (des  Cato)  sententia.    Vgl.  A.  5. 

6.  Gelehrte  Erörterungen  in  Briefform  in  Varro's  Epistolae  und  Epi- 
stolicae  quaestiones,  bei  Valgius  Bufus,  Valerius  Messala,  Sinnius  Capito, 
Verrius  Flaccus,  M.  Valerius  Probus,  Sulpicius  ApoUinaris,  Lactantius. 

6.  In  den  Bhetorschulen  der  Eaiserzeit  war  das  Abfassen  von  Briefen 
eine  beliebte  Aufgabe,  wobei  man  gern  an  berühmte  Namen  anknüpfte. 
Auf  diesem  Wege  entstanden  viele  untergeschobene  Briefe,  wie  des  Horaz 
epistola  prosa  oratione,  quasi  conunendantis  se  Maecenati,  deren  Unecht- 
heit  schon  Sueton  erkannte,  der  Brief  ad  Caesarem  senem  de  i*ep.  im  Stile 
des  Sallust,  später  auch  die  angeblichen  Briefe  des  Seneca  an  den  Apostel 
Paulus. 

7.  Ai>ollin.  Sidon.  epist.  I,  1:  (Sammlung  meiner  Briefe)  Q.  Symmachi 
rotunditatem,  C.  Plinii  disciplinam  maturitatemque  vestigiis  praesumptiosis 


80  Sachlicher  Theil. 

insecuturus.  nam  de  M.  Tullio  allere  me  in  stilo  epistolari  melius  puto, 
quem  nee  lulius  Titianus  totum  sub  nominibus  illustrium  feminarum  digna 
similitudine  expressit. 

8.  Quintil.  IX,  4,  19:  est  .  .  oratio  alia  vincta  atque  contexta,  soluta 
alia,  qualie  in  sermone  et  epistulis,  nisi  cum  aliquid  supra  naturam  suam 
tractant,  ut  de  phüosophia,  rep.  similibusque.  Plin.  Ep.  VI,  16,  22:  aliud 
est  epistulam,  aliud  historiam,  aliud  amico,  aliud  omnibus  scribere.  VII, 
9,  8:  Yolo  epistulam  diligentius  scribas.  nam  .  .  preasus  sermo  purusque 
ex  epistulis  petitur.  Sjmmach.  ep.  YII,  9:  ingeniorum  yarietas  in  familiari- 
buB  Bcriptia  neglegentiam  quandam  debet  imitari.  Apoll.  Sidon.  epiat.  VII, 
18:  ita  mens  patet  in  libro  (Epp.)  veluti  vultua  in  apeculo.  dictayi  enim 
quaepiam  hortando  etc.  VIII,  16:  in  hoc  stilo,  cui  non  nrbanns  lepos 
inest,  8e4  pagana  simplicitas.  .  .  nos  opuscula  sermone  edidimus  arido, 
exili,  certe  maxima  ex  parte  yulgato.    Vgl.  ib.  IX,  3. 

9.  Symmach.  ep.  II,  36:  olim  parentea  etiam  patriae  negotia,  quae 
nunc  angusta  vel  nuUa  sunt,  in  familiarea  paginas  conferebant.  id  quia 
yersia  ad  otium  rebus  omisimus,  captanda  sunt  nobis  plerumque  intentata 
Bcribendi  semina,  quae  fastidium  tergeB.nt  generalium  litterarum.  Je  küm- 
merlicher aber  der  Inhalt  war,  desto  pompöser  war  seit  dem  vierten  christl. 
Jahrh.  die  Form.  Das  förmliche  Wesen,  das  schon  den  alten  Römern 
eigen,  unter  dem  Einflüsse  des  Despotismus  aber  ins  Schnörkelhafte  ausge- 
artet war,  äussert  seine  Wirkung  und  tritt  uns  stark  ausgeprägt  schon 
in  den  Briefen  des  Symmachus  entgegen.  Mit  einer  Sentenz  den  Brief  zu 
eröffnen  wird  Regel.  Die  einfache  Anrede  Tu  wird  ersetzt  und  verbrämt 
durch  allerlei  ceremoniöse  Wendungen.  Der  Kaiser  wird  von  Symmachus 
mit  tua  (vestra)  aetemitas,  percnnitas,  dementia,  mansuetudo,  serenitas, 
tranquillitas,  maiestas  oder  tuum  numen  angeredet,  für  Andere  sind,  je 
nach  ihrer  Rangstufe,  die  Titulaturen  tua  sanctitas,  religio,  reverentia, 
praestantia,  celsitudo,  sublimitas,  excellentia,  magnificentia,  laudabilitas, 
eximietas  in  regelmässigem  Gebrauche,  und  die  ihm  nahestehenden  Nico- 
machi  filii  nennt  Symm.  wenigstens  tua  (vestra)  unanimitas.  Ebenso  ist 
das  Epitheton  sanctns  überaus  wohlfeil  (z.  B.  Synun.  ep.  V,  16.  21.  31.  41). 
Dazu  gibt  die  Bezeichnung  der  Bekannten,  Freunde  und  CoUegen,  je  nach 
ihrem  Altersverhältnisse,  als  parens,  frater  oder  filius,  meist  in  Verbindung 
mit  dominus  (z.  B.  dominus  et  filius  mens),  den  Umgangsformen  etwas 
Süssliches.  So  tituliert  Honorius  in  den  amtlichen  Erlassen  den  Symm. : 
Symmache  parens  carissime  (atque  amantissime).  In  den  Briefen  christ- 
licher Schriftsteller  kommt  dazu  noch  frater  in  Christo  dilectissime  u.  dgl. 
In  letzteren  ist  gewöhnlich  Anfang  und  Schluss  von  realem  Inhalt,  die 
Mitte  aber  ein  überströmender  pastoraler  Erguss,  durchzogen  von  zahlrei- 
chen Bibelstellen. 

10.  Aeltere  Sammlungen  der  Papatbriefe  von  A.  Carafa  (1591), 
Holstenius  (1662),  in  denen  der  Concilienbeschlüsse ,  Eanones,  BuUarien 
(neuestes  das  Turiner,  mit  Appendix  1867)  u.  A.  Beste  von  dem  Bene- 
dictiner  Coustant:  Epistolae  romanorum  pontificum  et  quae  ad  eos  scriptae 
sunt  a  s.  demente  usque  ad  Innocentium  III  quotquot  reperiri  potuerunt; 
T.  I  ab  a.  Chr.  67  ad  a.  440;  Paris  1721.  Fortgesetzt  (aber  nicht  ver- 
öffentlicht) von  Mopinot  und  Durand.    Aus  deren  Papieren,  adhibitis  prae- 


4ri  f.  Briefe.  Die  Jurisprudenz  boi  den  Römern.  81 

stantissimis  codd.  Italiae   et  Germauiae,    reo.  et  ed.  (die  Briefe  a  b.  Hilario 
ad  Pelagium  II)  A.  Thiel;  T.  I  (Braunsberg  1868.  XL  u.  1018  pp.). 

11.  Zur  Unterhaltungsliteratur  gehört  noch  der  Roman,  als  erdichtete 
kurzweilige  Erzählung  (bes.  erotischer  Verwicklungen).  Bei  den  Römern  ist 
er  fast  so  alt  als  unter  seinem  Adel  die  Langeweile,  und  er  liebt  auch  von 
Anfang  an  die  starke  Würze:  Sisenna's  üebersetzung  der  Mdriaianä  des 
Aristides.  Daher  milesia  (fabula)  für  Roman  überhaupt.  Petronius  fügt  zur 
Schlüpfrigkeit  ein  satirisches  Elemj^nt.  Apulejus  (Metamorph.)  übersetzt 
einen  Zauberroman  und  mischt  ihm  sonstige  Erzählungen  bei,  sowie  heid- 
nische Mystik.  Aus  derselben  Zeit  Capitol.  Clod.  Albin.  11,  8:  milesias 
nonnulli  eiusdem  esse  dicunt,  quarum  fama  non  ignobilis  habetur,  quamyis 
mediocriter  scriptae  sint.  Hieron.  c.  Rufin.  I,  17  (IL  p.  473  Vall.):  quasi 
non  cirratorum  turba  müesiarum  in  scholis  figmenta  decantet  et  Testamen- 
tum  suis  (oben  28,  4)  Bessorum  cachinno  membra  concutiat  atque  inter 
scurrarum  epulas  nugae  istiusmodi  frequententur.  Comment.  in  lesai.  XII  in. 
(IV .  p.  491  Vall.) :  multo  pars  maior  est  milesias  revolventium  quam  Piatonis 
libros.  Martian.  Cap.  11,  100  (p.  28,  7  Eyss.):  mythos  poeticae  diversitatis, 
delicias  milesias  historiasque  mortalium  .  .  se  amissuram  .  .  formidabat. 
Gleichfalls  nach  einem  griechischen  Original  gearbeitet  ist  die  Historia 
Apollonü  regis  Tyri  aus  dem  sechsten  christl.  Jahrb.,  welchem  auch  die 
Schrift  des  angeblichen  Dares  Phryg.  angehört. 

46.  Die  Rechtswissenschaft  ist  das  einzige  Gebiet  der  38 
Literatur  welches  sich  bei  den  Römern  von  Anfang  bis  zu  Ende 
rein  national  entwickelt  hat.  Der  unbeugsame  Sinn  der  auf 
sein  Recht  sich  steift  und  davon  nicht  lässt  war  den  Römern 
immer  eigen  und  für  das  Festwerden  eines  Rechtes  günstig,  zu 
dessen  Ausbildung  dann  die  bei  ihnen  reichlich  vorhandenen 
Eigenschaften  der  Verstandesschärfe,  des  praktischen  Geschickes 
und  des  Ordnungstriebes  vollkommen  ausreichten,  imd  wofür  die 
der  römischen  Rechtsverfassung  eigenthümliche  Vereinigung  von 
Stätigkeit  und  Entwicklungsfähigkeit  bald  höchst  forderlich 
wurde.  Sehr  früh  gab  es  feste  Satzungen,  ursprünglich  von 
sacralem  Charakter  und  im  Besitze  der  patricischen  Pontifices, 
daher  auch  deren  Auslegung,  Anwendung  und  Weiterbildung  in 
der  Hand  der  Patricier  lag.  Nachdem  aber  um  450  d.  St.  die  Klag- 
formen und  das  Verzeichniss  der  Gerichtstage  veröfifentlicht  wor- 
den waren  wurde  das  Recht  allgemein  zugänglich  und  hat  auch 
alsbald  Vertreter  an  den  Plebejern  P.  Sempronius  Sophus  und 
Tib.  Coruncanius.  Bei  der  positiven  Natur  des  Rechts  konnte 
die  literarische  Thätigkeit  anfänglich  nur  im  Sammeln  und  Er- 
läutern der  Rechtsquellen  bestehen;  so  bei  dem  ersten  juristischen 
Schriftsteller,  Sex.  Aelius  Catus  (um  560).  Je  manchfaltiger 
dann    das    Leben    sich    gestaltete,    desto    wichtiger    wurde    die 

Tbvffel,  röm.  Literaturgeschichte.    2.  Anfl.  6 


82  Sachlicher  Theil. 

Rechtskenntniss,  und  die  auctoritas  prudentum,  wie  sie  sich  in 
ihren  Reehtshescheiden  (responsa)  aussprach,  wurde  allmählich  zu 
einer  förmlichen  Rechtsquelle.  Seit  Anfang  des  siebenten  Jahrh. 
d.  St.  finden  wir  die  responsa  aufgezeichnet  und  in  Sammlun- 
gen veröflFentlicht;  so  von  dem  Sohne  des  Cato  Censorius,  von 
M.  Junius  Brutus  und  P.  Mucius  Scaevola  (Cos.  621),  während 
M'.  Manilius  eine  Formularsamm^ng  herausgab.  In  der  Mitte 
des  siebenten  Jahrh.  d.  St.  wurde,  wohl  unter  dem  Einflüsse  des 
stoischen  Systems,  das  römische  Recht  schon  systematisch  dar- 
gestellt durch  Q.  Mucius  Scaevola  (pont.  max.,  Cos.  659).  Dessen 
Schüler  'war  C.  Aquilius  GuUus,  und  durch  des  Letzteren  Schiller, 
Ser.  Sulpicius  Rufus,  wurde  die  Systematisierung  des  Rechts,  zu 
welcher  auch  Cicero  einen  Beitrag  lieferte,  wesentlich  gefordert. 
Dass  bis  dahin  die  Rechtskenntniss  überwiegend  auf  mündlichem 
Wege  fortgepflanzt  worden  war  und  in  manchen  Familien  (wie 
den  Aelii,  Mucii,  Porcii,  Sulpicii,  später  den  Antistii)  gleichsam 
sich  vererbte  hatte  die  Juristen  allmählich  zu  einem  eigenen 
Stande  gemacht. 

1.  Quellen:  Pomponius  de  origine  iuris,  Dig.  I,  2.  Weiterhin  über- 
haupt die  Digesten.  Sammlungen  von  Gneist  (Institutionum  syntagma^ 
Lips.  1858),  G.  Brims  (fontes  iuris  rom.  antiqui,  ed.  II,  Tubing.  1871)  und 
von  Ph.  E.  Huschke  (lurisprudentiae  anteiustinianae  quae  supersunt,  Lips. 
1861.  1867),  und  das  Corpus  iuris  anteiustinianei,  Bonn  1835  ff. 

2.  J.  A.  Bach,  historia  iurisprudentiae  romanae,  Lips.  1754  ff.  editio 
sexta,  ed.  A.  C.  Stockmann,  Lips.  1806.  S.  W.  Zimmern,  Geschichte  des 
römischen  Privatrechts  bis  Justinian;  bes.  I,  1  (Heidelberg  1826).  A.  F. 
Rudorff,  römische  Rechtsgeschichte,  Leipzig  1857,  bes.  I:  Rechtsbildung. 
Auch  in  den  Lehrbüchern  der  Institutionen,  bes.  dem  von  Puchta,  B,  I.  F.  D. 
Sanio,  zur  Geschichte  der  römischen  Rechtswissenschaft,  Königsberg  1858; 
und:  Varroniana  in  den  Schriften  der  röm.  Juristen,  vornehmlich  an  dem 
Enchiridion  des  Pomponius,  nachzuweisen  versucht,  Leipzig  1867.  Momm- 
sen  R.  G.  V.  S.  406,  A.  2.  441  f.  IL  S.  458—460.  —  H.  E.  Dirksen,  Bruch- 
stücke aus  den  Schriften  der  römischen  Juristen,  Königsberg  1814;  und: 
hinterlassene  Schriften  zur  Kritik  und  Auslegung  der  Quellen  römischer 
Rechtsgeschichte  und  Alterthumskunde ,  herausgegeben  von  F.  D.  Sanio, 
2  Bde.,  Leipzig  (Teubner)  1871.  üeber  die  ältesten  römischen  Juristen  auch 
de  Geer,  Verslagen  etc.  der  hoUänd.  Akademie,  VII  (1863)  p.  196—209. 

3.  Bei  den  Griechen  war  die  Rechtsbildung  und  Rechtswissenschaft 
auffallend  vernachlässigt;  s.  Cic.  de  or.  I,  45,  198.  59,  253.  Desto  gün> 
stiger  lagen  die  Verhältnisse  bei  den  Römern;  vgl.  Ihering,  Geist  des  röm. 
Rechts  I.  S.  300  ff.  Bei  ihnen  wurde  die  Rechtskenntniss  sogar  populär: 
vgl.  die  Sponsionsformeln  für  Viehhandel  bei  Cato  (R.  R.  144—150)  und 
Varro  (unten  139,  1).    Je  nationaler  daher  ein  Dichter  ist  nm  so  mehr  tritt 


46.   Die  Jurisprudenz  in  der  Republik.  83 

bei  ihm  das  Recht  hervor.  So  bes.  bei  Plautus.  Aber  auch  Terenz  (Eun. 
prol.  10  ff.)  glaubt  ein  Stück  des  Lnscius  damit  abgethan  dass  er  ihm 
einen  groben  Verstoss  gegen  den  Civilprocess  nachweist.  Vgl,  noch  die 
Togatentitel  Emancipatus,  lurisperita  (auch  Icta?)  vonTitinius  undAfranius. 
Dass  Geschäftsmänner  (wie  M\  Curius,  Cic.  ad  Pam.  VII,  29)  Rechtskunde 
besassen  ist  ohnehin  selbstverständlich;  später  auch  einzelne  Frauen,  Juv. 
VI,  244  f. 

4.  Cic.  de  or.  I,  48,  212:  iuris  consultus  vere  nominaretur  .  .  qui  legum 
et  consuetudinis  eius  qua  privati  in  civitate  uterentur  et  ad  respondendum 
et  ad  cavendum  peritus  esset,  off.  II,  19,  65:  in  iure  cavere,  consilio  iuvare 
atque  hoc  scientiae  genere  prodesse  quam  plurimis  vehementer  et  ad  opes 
angendas  pertinet  et  ad  gratiam.  itaque  cum  multa  praeclara  maiorum 
tum  quod  optime  constituti  im*is  civilis  summo  semper  in  honore  fuit  co- 
gnitio  atque  interpretatio.  Liv.  XXXIX,  40:  ad  summos  honores  alios 
scientia  iuris  .  .  provexit.  Im  Vergleich  mit  der  Beredtsamkeit  nennt  sie 
Cic.  (Brut.  161  vgl.  or.  141.  de  off.  II,  19,  66)  die  zweite  Kunst.  Je  nach 
BedürfhisB  setzt  er  sie  auch  wohl  herunter;  vgl.  de  or.  I,  56,  236.  p.  Mur. 
11,  25.  Zusammenhang  mit  dem  Pontificat  (Cic.  de  leg.  II,  19,  47).  üebri- 
gens  zeichneten  sich  ebenso  viele  Juristen  der  Republik  durch  gesellige 
Talente  und  Witz  aus  (die  Mucii,  Aquilius  Gallus,  Cascellius,  Trebatius)  wie 
durch  Charakter  (Rutilius  Rufus,  die  Mucii,  Sulpicius  Rufus,  Cascellius,  An- 
tistiuB  Labeo). 

5.  Dem  consulere  der  dienten  (consultores)  steht  das  (de  iure)  respon- 
dere  (Cic.  Brut.  30,  113)  der  consulti  gegenüber,  das  entweder  zu  Hause 
erfolgte  (auf  einem  solium  sitzend,  Cic.  de  or.  II,  55,  '226.  III,  33,  133) 
oder  indem  man  transverso  foro  ambulabat  (ib.  III,  33,  133.  vgl.  ib.  I, 
58,  246).  Cic.  p.  Mur.  9,  19:  Servius  .  .  urbanam  militiam  respondendi, 
scribendi,  cavendi,  plenam  sollicitudinis  ac  stomachi,  secutus  est;  .  .  praesto 
multis  fuit,  multorum  stultitiam  perpessus  est,  adrogantiam  pertulit,  difß- 
cultatem  exsörbuit.  Indem  man  bei  diesen  Consultationen  Jüngere  als  Zu- 
hörer zuliess  bildete  man  zugleich  Schüler,  wie  schon  Coruncanius.  So  war 
Cicero  auditor  des  Augurs  Q.  Scaevola.  Dabei  gab  es  viel  (Formeln)  aus- 
wendig za  lernen,  Cic.  de  or.  I,  68,  246. 

6.  An  Trebatius  schreibt  Cic.  (ad  Fain.  VII,  19):  num  ins  civile  ves- 
trnm  ex  libris  cognosci  potest?  qui  quamquam  plurimi  sunt  doctorem 
tarnen  nonnnnqnam  desiderant.  Dagegen  de  or.  I,  43,  192:  neque  ita  multis 
litteris  aut  voluminibus  maguis  continentur.  eadem  enim  sunt  elata  pri- 
mum  a  plnribns,  deinde  paucis  verbis  commutatis  etiam  ab  eisdem  scrip- 
toribus  scripta  sunt  saepius.  Noch  stärker  (aber  im  Scherze)  p.  Mur.  13, 
28:  perpaucis  et  minime  obscuris  litteris  continentur.  itaque  si  mihi  homini 
vehementer  occupato  stomachum  moveritis,  triduo  me  juris  consultum  pro- 
fitebor. 

7.  Der  Schematismus  des  stoischen  Systems  konnte  bei  Juristen  nicht 
ohne  Einfluss  bleiben.  So  war  der  Augur  Q.  Scaevola  mit  Panaitios  be- 
freundet (Cic.  de  or.  I,  11,  45),  und  der  Pontifex  Q.  Scaevola  verräth  stoischen 
Einfluss  in  seiner  Dreitheilung  der  Götterlefare  (Augustin.  civ.  d.  IV,  27) 
uad  in  dem  Buchtitel  T>90i.    Späterhin  zeigte  sich  namentlich  in  der  Auf- 

6* 


.S4  Sachlicher  Theil. 

fassung  den  Naturrechts  (als  q>vasL  8i%aiov)  Einwirkung  des  Aristoteles  und 
der  Stoiker.  M.  Voigt,  das  ius  naturale  L  Leipzig  1856.  Hildenbrand, 
Rechts-  u.  Staats -Philosophie  I.  S.  593  ff.  Laferriäre,  M^m.  concemant 
rinfluence  du  stcicisme  sur  la  doctrine  des  Jurisconsultes  romains,  M^m.  de 
Tacad.  des  sciences  morales  X  (1860)  p.  579 — 685.  Mit  dem  Epikureismus 
hält  die  Jurisprudenz  für  unvereinbar  Cic.  ad  Fam.  VII,  12. 

39  47.    Da  das  Hauptfeld  der  römißchen  Jurisprudenz,  das  Ci- 

vilrecht,  von  der  Staatsverfassung  ziemlich  unabhängig  war,  so 
brachte  deren  Umsturz  keine  Störung  in  die  Entwicklung  jener; 
vielmehr  erforderte  die  monarchische  Concentration  der  Gesetz- 
gebung und  Rechtspflege  um  so  dringender  technische  Rath- 
geber  und  Organe.  Die  Zeit  des  Augustus  besass  ausgezeichnete 
Juristen  an  A.  Cascellius,  C.  Trebatius  Testa,  auch  Q.  Tubero; 
und  unter  ihm  begann  die  Spaltung  der  Juristen  in  Sabinianer 
und  Proculianer,  an  der  Ersteren  Spitze  der  schmiegsame  C.  Ate- 
jus  Capito,  während  das  Haupt  der  Proculianer  der  republika- 
nisch gesinnte  M.  Antistius  Labeo  war.  Schon  August  verlieh 
den  responsa  theilweise  Gesetzeskraft,  machte  aber  zugleich  das 
ius  respondendi  vom  Kaiser  abhängig.  Unter  den  folgenden 
Kaisem  der  julischen  Dynastie  blühten  die  Rechtsgelehrten 
Masurius  Sabinuß,  M.  Coccejus  Nerva,  Vater  und  Sohn,  C.  Cassius 
Longinus  und  Sempronius  Proculus.  Den  Kaisem  unentbehrlich 
und  in  seinem  Privatrecht  auch  in  den  schlimmsten  Zeiten  un- 
gestört, ja  die  höchsten  Stellen  im  Staate  bekleidend,  erhielt 
der  Stand  der  Juristen  fortwährenden  Zufluss  an  begabten  und 
charaktervollen  Männern,  welche  ihre  Wissenschaft  zu  einer  für 
Laien  unerreichbaren  Feinheit  ausbildeten  und  dem  Rechte 
Gleichheit  und  Folgerichtigkeit  verliehen.  War  schon  unter  der 
flavischen  Dynastie  (Caelius  Sabinus,  Pegasus,  Juventius  Celsus 
der  Vater),  dann  unter  Nerva  und  Trajan  (Celsus  Sohn,  Neratius 
Priscus,  Priscus  Javolenus,  Titius  Aristo)  die  Zahl  bedeutender 
Rechtsgelehrten  und  Rechtslehrer  ansehnlich,  so  folgen  sich 
vollends  seit  Hadrian,  etwa  130  bis  230  n.  Chr.,  die  grossen 
Juristen  in  ununterbrochener  Reihe:  Salvius  Julianus,  L.  Volu- 
sius  Maecianus,  Sex.  Pomponius,  L.  Ulpius  Marcellus,  Q.  Cervi- 
dius  Scaevola,  ganz  besonders  aber  die  Koryphäen  und  Classiker 
der  Jurisprudenz:  Gaius,  Aemilius  Papinianus,  Julius  Paullus, 
Domitius  Ulpianus,  sowie  Herennius  Modestinus.  Solche  geistige 
Grössen  erhoben  die  Rechtswissenschaft  zu  einer  Höhe  dass, 
damit  verglichen,  alles  der  republikanischen  Zeit  Angehörige  als 


47.  Die  Jurisprudenz  in  der  augusteischen  und  der  Kaiserzeit.        85 

blose  Vorarbeit  erscheint,  verliehen  ihren  Schriften  die  Klarheit, 
ja  Schönheit  von  wissenschaftlichen  Kunstwerken,  und  schufen 
das  römische  Recht  aus  einem  Bürgerrechte  zu  einem  Menschen- 
rechte um,  in  welchem  die  nationalen  Besonderheiten  nahezu  ab- 
gestreift, die  Rechtsbegriffe  auf  den  klarsten  Ausdruck  gebracht 
sind  und  das,  allenthalben  durchweht  vom  Geiste  der  Humani- 
tät, zu  einem  Horte  der  Bedrängten  geworden  ist.  Manches 
was  ursprünglich  rechtswidrig  und  eine  Härte  war  wussten  sie 
zu  mildem  oder  umzuwandeln  durch  ihre  Auslegung,  die  freilich 
zugleich  den  Worten  Gewalt  anzuthun  lehrte. 

Mit  der  Mitte  des  dritten  Jahrh.  n.  Chr.  erlischt  die  juri- 
stische Production  jählings.  Talente  gab  es  überhaupt  nicht 
mehr,  und  nachdem  das  Edict  durch  Julianus  (unter  Hadrian) 
codificieii  worden  war  konnte  auch  mittelmässige  Begabung  das 
Recht  handhaben.  Erst  im  vierten  Jahrh.  beginnt  wieder  die 
literarische  Thätigkeit,  aber  jetzt  beschränkt  auf  Sammeln  der 
Rechtsqnellen,  besonders  der  kaiserlichen  Verordnungen,  womit 
schon  am  Ende  des  zweiten  Jahrh.  Papirius  lustus  begonnen 
hatte,  unter  Diocletian  aber  entsteht  nun  der  codex  Gregoria- 
nus,  unter  Constantin  die  Fragmenta  vaticana  und  der  codex 
Hermogenianus.  Unter  Theodosius  H  und  Valentinian  IH  wurde 
dann  die  Codification  des  christlich-römischen  Rechts  unternom- 
men, in  dem  codex  Theodosianus,  dem  im  J.  438  Gesetzeskraft 
verliehen  wurde  und  der  von  448  bis  468  an  Novellae  des  Theo- 
dosius und  seiner  Nachfolger  Nachträge  erhielt.  Den  Abschluss 
machte  die  durch  Justinian  angeordnete  und  hauptsächlich  von 
Tribonianus  ausgeführte  Sammlung  der  Rechtsquellen,  zuerst 
(J.  529)  der  Codex  lustinianeus,  dann  (533)  die  Institutionen  und 
die  Digesta,  eine  Auswahl  aus  den  Schriften  der  besten  Juristen 
in  50  Büchern,  darauf  (534)  eine  vermehrte  Auflage  des  Codex 
(repetitae  praelectionis).  Die  Novellae  constitutiones  lustiniani 
endlich  wurden  nach  dem  Tode  Justinians  von  Privaten  zu- 
sammengestellt. 

1.  Populäre  Vorstellungen  von  der  Aufgabe  der  Juristen:  qui  iuris 
nodos  et  legum  aenigmata  solvit,  Juv.  Vlll,  58.  lurisconsulti,  quorum 
summua  circa*  verborum  proprietatem  labor  est,  Quintil.  V,  14,  34.  Wirklich 
blieb  die  Entwicklung  des  Criminalrechts  weit  zurück  hinter  der  des  Privat- 
rechts.  Auch  noch  in  der  Kaiserzeit  war  ein  gewisses  Rechtsverständniss 
lange  verbreitet.  So  sagt  bei  Apulej.  Met.  IX,  27  ein  gewöhnlicher  Mann: 
non  herciscundae  famihae,  sed  communi  dividundo  formula  dimicabo.  Und 
eine  Inschrift  der  appischen  Strasse  (Orelli  5069) :  Iter  privatum  Anni  Largi. 


86  Sachlicher  Theil. 

precario  utitur  Antonius  Astralis  (damtt  keine  Servitut  entstehe).  Anderer- 
seits auch  populäre  Sticheleien  auf  die  Diffcelei  (nimia  et  misera  diligentia, 
üig.  II,  31,  88,  17)  der  Juristen,  wie  auf  den  Grabschriften:  huic  monu- 
mento  dolus  malus  abeato  et  iurisconsultus  (oder  ius  civile),  Orelli  4374. 
4390  f.  4821.  So  wird  ib.  7236  ein  librarius  gerühmt  qui  testamenta  scripsit 
annos  XIY  sine  iuris  consulto.  Auch  das  Testament  eines  Schweins  (oben 
28,  4)  gehört  hieher,  obgleich  es  wohl  aus  juristischen  Kreisen  stammt. 

2.  Der  praefectuB  nrbi  war  ein  Jurist,  und  Juristen  verfassten  die  kai- 
serlichen Verordnungen  (constitutiones).  Capitol.  Ant.  Philos.  11,  10:  habuit 
secum  praefectos,  quonun  et  anctoritate  et  periculo  semper  iura  dictavit. 
usus  autem  est  Scaevola  praecipue  iuris  perito.  Lamprid.  Alex.  Sev.  16, 
1:  neque  ullam  constitutionem  sacravit  sine  XX  iurisperitis  et  doctissimis 
ac  sapientö)us  yiris  isdemque  disertissimis  non  minus  L.  Dieser  Apparat 
war  aber  nicht  das  Gewöhnliche.  Ihre  amtliche  Stellung  brachte  die  Ju- 
risten in  den  Geruch  dass  sie  vorzugsweise  das  Interesse  des  Fiscus  im 
Auge  haben  (Juv.  IV,  53  ff.);  doch  waren  die  ausgezeichnetsten  unter  ihnen, 
ein  Labeo,  Cassius  (Tac.  A.  XIV,  43),  Papinian  (Spartian.  Carac.  8),  von 
Servilismus  weit  entfernt. 

3.  Quintüian  (XII,  3)  verficht  ausdracklich  die  Nothwendigkeit  der 
Rechtskenntniss  für  die  Redner  und  tröstet  (ib.  6  vgl.  9)  diese:  das  Recht 
sei  non  tam  arduum  quam  procul  intuentibus  fortasse  videatur,  polemisiert 
jedoch  (ib.  11)  auch  gegen  die  Juristen  welche  die  Beredtsamkeit  ver- 
schmähen und  se  ad  album  ac  rubricas  transtulerunt  et  formularii  vel  .  . 
leguleii  esse  maluerunt.  In  der  Regel  verstanden  die  Redner  vom  Rechte 
gar  nichts  (vgl.  oben  44,  4),  das  sich  zu  ihren  Phrasen  so  spröd  verhielt; 
ja  sie  glaubten  in  ihrem  Dünkel  sogar  sich  darüber  lustig  machen  zu  können 
(Tac.  dial.  32).  Noch  Apoll.  Sidon.  ep.  VIII,  16:  veternosus  legalium  quae- 
stionum  aenigmatista.  Gegensatz  von  causidici  und  iurisconsulti  schon  bei 
Seneca  apocol.  12.  In  einem  gewissen  Zusammenhang  aber  wurden  Rechts- 
kenntniss und  Beredtsamkeit  doch  fortwährend  gedacht;  vgl.  Lamprid.  Alex. 
Sev.  16,  2:  si  de  iure  aut  de  negotiis  tractabat  solos  doctos  et  disertos 
adhibebat. 

4.  Die  allgemeine  Unkenntniss  der  Eaiserzeit  über  die  Zustände  der 
Republik  (vgl.  oben  39,  1)  betraf  auch  deren  Juristen.  Die  iuris  auctores 
der  Republik  wurden  bald  als  veteres-  bezeichnet  und  vergessen.  Celsua  ist 
der  Letzte  der  noch  einzelne  Schriften  der  veteres  vor  Q.  Mucius  Scaevola 
benützt  zu  haben  scheint.  Auch  die  Schriften  der  veteres  nach  Q.  Scaevola 
haben  wahrscheinlich  schon  Pomponius  und  dessen  Zeitgenossen  nicht  mehr 
im  Original  benützt,  und  Pomponius  begeht  daher  in  seiner  Uebersicht  bei 
der  älteren  Zeit  verschiedene  Fehler. 

5.  In  der  juristischen  Literatur  des  zweiten  und  dritten  christl.  Jahr- 
hunderts unterscheiden  sich  zwei  Hauptarten:  Lehrbücher  und  Responsen 
(Gutachten).  Letztere  geben  durchaus  nur  die  Meinung  des  Respondeuten; 
die  Lehrschriften  aber  nicht  nur  die  ihres  Verfassers  sondern  auch  der 
älteren  auctores  iuris,  sowie  die  betr.  kaiserlichen  Erlasse,  und  erstreben 
darin  eine  gewisse  Vollständigkeit.  Aeusserlich  lehnen  sie  sich  meist  an 
bestimmte  Texte  an,  seien  es  Gesetze  oder  ältere  Lehrbücher.    Daher  die 


47  f.  Die  Jurisprudenz  in  der  Kaiserzeit.   Philosophie.  87 

Häufigkeit  der  Titel  Ad  edictum,  Ad  legem  luliam,  sowie  Ad  Yitelliuni, 
Ad  Plautiüm  oder  die  Anführung  apud  Labeonem;  z.  B.  Cassius  apud  Ur- 
seium  scribit  besagt:  Cassius  in  seiner  Bearbeitung  des  Werkes  vonUrseius; 
Marcellus  apud  lulianum  notat  '^  macht  zu  Julian  (Dig.)  die  Anmerkung. 
So  schrieb  Paulus  Notae  ad  Papinianum,  Ulpian  ad  Marcellum.  £x  Plautio, 
ex  Cassio  bezeichnet  Excerpte  aus  diesen. 

6.  Die  Mitte  zwischen  Lehrbüchern  und  Besponsa  halten  die  Quaestiones, 
hervorgegangen  aus  juristiBchen  Fragen  welche  die  auditores  an  den  Lehrer 
richteten,  theils  über  wissenschaftliche  Bedenken  theils  über  praktische 
BechtsfäUc  die  an  einen  Schüler  oder  auch  an  den  Lehrer  gelangt  waren. 
Diese  Literatur  erstreckte  sich  auf  das  gesammte  Civilrecht.  Zu  ihr  ge- 
hörten schon  Labeo^s  Posteriora.  Mommsen,  Zeitschr.  für  Rechtsgesch.  VIl. 
1869.   S.  83  f.   93—95. 

7.  Ein  häufiger  Buchtitel  ist  auch  Digesta,  z.  B.  von  Alfenus  Varus, 
Juventius  Celsus,  Salvius  Julianus,  Ulpius  Marcellus,  Cervidius  Scaevola.  Er 
bedeutet  die  syst^atische  Zusammenstellung  der  sämmtlichen  rechtswis- 
senschaftlichen Arbeiten  eines  Bechtsgelehrten  oder  eines  Kreises  von  sol- 
chen, sei  es  dass  sie  von  ihm  selbst  oder  von  einem  Späteren  herrührt. 
Die  ursprüngliche  Ordnung  wird  dabei  aufgelöst  zu  Gunsten  der  neuen 
systematischen.  Mommsen,  Zeitschr.  f.  Bechtsgesck.  VII.  S.  477.  480 — 486. 
IX.  S.  82.  Dazu  vgl.  H.  Pernice,  Miscellanea  zu  Bechtsgeschichte  u.  Textes- 
kritik L  (Prag  1870)  S.  1—88. 

8.  Der  Bechtsunterricht  blieb  noch  längere  Zeit  unentgeltlich  oder  doch 
ohne  rechtlichen  Anspruch  auf  Honorierung;  s.  Ulp.  Dig.  L,  13,  1,  6.  Der 
erste  ausschliessliche  Lehrer  des  Bechts  (professor  iuris  civilis)  war  Gajns. 
Durch  ihn  wurde  auch  ein  neuer  juristischer  Literaturzweig  begründet,  die 
Institutiones^  eine  Einführung  in  das  Bechtsstudium.  Nach  ihm  verfass- 
ten  Inst,  auch  Gallistratus,  Ulpianus;  kürzere  Paulus,  ausführlichere  Floren- 
tinus  und  Marcianus.  Abschluss  durch  die  justinianischen.  F.  P.  Bremer, 
die  Bechtslehrer  und  Bechtsschulen  im  römischen  Kaiserreich,  Berlin  1868. 
H.  Dernburg,  die  Institutionen  des  Gajus  (1869)  S.  3—11. 

9.  C.  F.  Hommel,  Palingenesia  librorum  iuris  veterum,  sive  Pandecta- 
rum  loca  integra  .  .  exposita  et  ab  exemplari  Taurellii  Florentino  accura- 
tissime  descripta,  3  Tomi,  Lips.  1767  f.  Dirksen's  hinterlassene  Schriften 
(s.  oben  46,  2),  z.  B.  von  den  Zeugnissen  der  Epigraphik  über  .  .  einzelne 
römische  Bechtsgelehrte,  Abhh.  der  Berliner  Akad.  1852,  S.  105—208.  H. 
H.  Fitting,  über  das  Alter  der  Schriften  römischer  Juristen  von  Hadrian 
bis  Alexander  Severus,  Basel  1860.  55  S.  4.  Mommsen,  die  Kaiserbezeich- 
mmg  bei  den  Juristen,  Ztschr.  f.  Bechtsgesch.  IX.  S.  97 — 116. 

48.  Zum  Betriebe  der  Philosophie  hatten  die  Römer  we-  4o 
nig  natürlichen  Beruf.  Zwar  fehlte  es  ihnen  nicht  an  der  Nei- 
gung aus  den  zerstreuten  Erfahrungen  des  Lebens  eine  Summe 
zu  ziehen;  aber  das  eigentliche  SpecuKeren  erschien  ihrem 
rein  praktischen  Sinne  als  Müssiggehen.  Alles  eigentlich  Phi- 
losophische kam  ihnen  nur  durch  die  Griechen  zu,  und  zu  einer 


88  Sachlicher  Theil. 

Zeit  wo  in  Hellas  selbst  an  die  Stelle  der  grossen  Meister  Epi- 
gonen getreten  waren  welche  auf  Reproduction  und  schulmässi- 
ges  Weiterspinnen  eines  kleinen  Kreises  von  Gedanken  sieli  be- 
schränkten. Der  erste  Vermittler  griechischen  Philosophierens, 
Q.  Ennius,  griff  sogar  (ausser  der  Lebensweisheit  seines  Epi- 
charmus)  nach  einem  Erzeugniss  seichtester  Aufklärung,  der 
Schrift  des  Euhemeros,  und  noch  bei  Pacuvius  und  L.  Attius 
klingt  dieser  Ton  nach.  Die  Unvereinbarkeit  solcher  Lehren  mit 
der  bestehenden  Sitte  und  Religion  veranlasste  J.  581  d.  St.  die  Aus- 
weisung der  Epikureer  Alkaeos  und  Philiskos,  J.  599  =  155  die 
möglichst  baldige,  aber  doch  zu  späte,  Entfernung  der  aus  Athen 
gekommenen  Gresandtschafb,  bestehend  aus  dem  Akademiker 
Kameades,  dem  Stoiker  Diogenes  und  dem  Peripatetiker  Eüto- 
laos,  von  denen  besonders  der  Erstere  durch  seine  Beredtsam- 
keit  und  Freisinnigkeit  auf  die  jüngere  Generation  tiefen  Ein- 
druck machte.  Bald  fand  der  weitsichtige  Stoiker  Panaitios  bei 
dem  jüngeren  Scipio.  Aufnahme  und  durch  ihn  der  Stoicismus 
unter  den  Römern  Eingang.  Anhänger  desselben  waren  der 
jüngere  Laelius,  Q.  Aelius  Tubero,  C.  Fannius,  Sp.  Mummius, 
C.  Blossius,  P.  Rutilius  Rufus,  Valerius  Soranus,  L.  Aelius  Stilo, 
femer  die  Juristen  Q.  Mucius  Scaevola  (der  Augur  wie  der  Pon- 
tifex),  L.  Lucilius  Baibus,  Sex.  Pompejus  und  Ser.  Sulpicius 
Rufus,  sowie  zuletzt  der  jüngere  Cato  und  als  Schriftsteller 
Stertinius.  Andere  Römer  wurden  durch  den  Griechen  -dem  sie 
in  die  Hände  geriethen  für  andere  Systeme  gewonnen;  nament- 
lich die  (neue)  Akademie  fand  durch  ihren  Probabilismus  und 
hieraus  fliessende  advokatische  Nutzbarkeit  manchfachen  An- 
hang, wie  C.  Aurelius  Gotta  (Cos.  679),  L.  LucuUus,  L.  Tubero. 
Zu  den  Peripatetikem  neigten  sich  M.  Piso  (Cos.  693)  und  M. 
Licinius  Crassus  (Cos.  .684).  Den  Epikureismus  empfahl  seine 
Fasslichheit,  ethische  Lässlichkeit  und  Selbstgenügsamkeit  nament- 
lich solchen  Naturen  welche  sich  aus  dem  politischen  Getriebe 
gern  in  behagliche  Müsse  zurückzogen,  wie  in  der  Zeit  des 
Cicero  sein  Atticus,  Papirius  Paetus  und  M.  Marius.  Eben  darum 
fand  dieses  System  auch  am  frühesten  literarische  Vertretung  in 
lateinischer  Sprache,  ausser  Ennius  und  der  communis  historia 
des  Lutatius  in  der  Zeit  vor  Cicero  durch  Rabirius,  Catius  und 
Amafinius,  besonders  aber  durch  Lucretius.  Ausserdem  waren 
Bekenner  des  Epikureismus  C.  Vellejus,  L.  Saufejus,  L.  Manlius 
Torquatus  (Prätor  706),  Statilius,  P.  Volumnius,  theil  weise  auch 


48.  Die  Philosophie  in  der  Republik.  89 

C.  Cassius.  Auch  ein  mit  allerlei  abergläubischen  Bestandtheilen 
zersetzter  Pjrthagoreismus  fand  einen  Apostel  an  Nigidius 
Pigulus  und  Gläubige  (wie  P.  Vatinius).  Zahlreicher  waren 
diejenigen  welche,  nach  dem  Beispiele  der  angesehensten  griechi- 
schen Philosophen  dieser  Zeit,  wie  des  Antiochos  aus  Askalon, 
mehrere  Systeme  synkretistisch  verbanden,  wie  der  Polyhistor 
Varro  in  der  Dialektik,  Theologie  und  Naturphilosophie  zur  Stoa 
hielt,  in  der  Ethik  aber  zur  Akademie,  und  M.  Brutjis,  der  um- 
gekehrt in  der  Ethik  Stoiker,  sonst  aber  Akademiker  war.  Be- 
sonders aber  ist  der  Eklekticismus  vertreten  durch  die  zahlreichen 
phüosophischen  Schriften  des  Cicero. 

1.  üebersicht  bei  Cicero,  Tubc.  IV,  1—3  vgl.  de  or.  II,  37.  Acad.  pr. 
II,  2,  5.  Quintil.  X,  1,  123  f.  —  Hepke,  de  philosophis  qui  Bomae  docu- 
emnt  usqne  ad  Antoninos,  Berlin  1842.  E.  Zeller  in  seiner  Gresch.  der 
griech.  Philosophie,  und  in  dem  Vortrag:  Religion  und  Philosophie  bei  den 
Römern,  Berlin  1866  (in  Virchow's  Sammlung  gemeinverst.  Vortr.  XXIV.), 
bes.  S.  18  ff.  Mommsen  R.  G.  11*.  S.  411—417.  IIP.  S.  550.  Auch  A.  Stahr, 
Aristoteles  bei  den  Römern,  Leipzig  1834. 

2.  Den  Hang  der  Römer  zum  Reflectieren  bezeugt  des  Appius  Caecus 
Lehrgedicht,  der  ältere  Cato  und  der  sententiöse  Charakter  der  bei  ihnen 
populärsten  Dramengattungen.  Namentlich  nahm  ihre  Lebensweisheit  gern 
eine  fatalistische  Färbung  an,  wie  L.  Paullus  bei  Liv.  XLV,  8  und  Scipio 
Africanus  bei  Cic.  off.  I,  26,  90.  Aber  bezeichnend  ist  des  Ennius  Wort: 
phflosophari  est  mihi  necesse,  at  paücis,  nam  omnino  haüd  placet  (Reliq. 
ed.  Vahlen  p.  145).  Die  im  J.  573  d.  St.  ausgegrabenen  angeblichen  Bücher 
des  Numa,  mit  scripta  philosophiae  Pythagoricae,  wurden  verbrannt,  quia 
philoBophiae  scripta  essent,  Plin.  N.  H.  XIII,  27,  86.  Der  ältere  Cato  war 
oXmg  (piXocoipia  nQoaxsHQOvyuog  (Plut.  Cat.  mai.  23).  Cicero  glaubt  seine 
philosophische  Schrifkstellerei  fast  in  jeder  seiner  derartigen  Schriften 
rechtfertigen  zu  müssen  und  thut  diess  besonders  aufrichtig  off.  II,  1,  2  ff . 
Noch  Tacitus  lässt  seinen  Agricola  (Agr.  4)  sagen :  se  prima  in  iuventa  Stu- 
dium philosophiae  acrius,  ultra  quam  concessum  Romano  ac  senatori,  hau- 
sisse,  und  Grellius  meint:  degustandum  ex  philosophia,  non  in  eam  ingur- 
gitandum. 

3.  Was  die  Römer  von  der  Philosophie  verlangten  war  Bildung  des 
Charakters,  Belehrung  über  die  sittlichen  Aufgaben  des  Menschen,  über  die 
Güter  durch  deren  Besitz  seine  Glückseligkeit  bedingt  ist  und  über  die 
Mittel  um  sie  zu  erlangen  "(Zeller  a.  a.  0.  S.  19).  So  gab  Varro  als  causa 
philosophandi  an  dass  der  Mensch  dadurch  bonus  et  beatus  werde,  und 
ComeUuB  Nepos  (bei  Lactant.  Inst.  III,  15,  10)  macht  gegen  das  Betreiben 
der  Philosophie  geltend:  video  magnam  partem  eorum  qui  in  schola  de 
pudore  et  continentia  praecipiant  argutissime,  eosdem  in  omnium  libidinum 
cupiditatibus  vivere.  Und  schon  Pacuvius  (bei  Gell.  XIII,  8,  4)  sagte:  ego 
odi  homines  ignava  opera  et  philosopha  sent^ntia.  Dazu  die  durchschnitt- 
liche Mittelmässigkeit  der  Griechen   welchen  die  Römer  ihre  Philosophie 


90  Sachlicher  Theil. 

» 

yerdankten.  „So  wurden  denn  die  Römer  in  der  Phüosophie  nichts  als 
schlechter  Lehrer  schlechtere  Schüler^'  (Mommsen). 

4.  Abwägung  der  verschiedenen  philosophischen  Systeme  hinsichtlich 
ihrer  Verwendbarkeit  fiir  die  Beredtsamkeit  bei  Quintil.  XII,  2,  24  f.  Am 
wenigsten  förderlich  erschien  hiefür  der  Stoicismus;  Cic.  de  or.  III,  18,  66. 
fin.  IV,  28,  78  f.  Parad.  praef.  2.  Brut.  80,  114.  118  fF.  Quintil.  X,  1,  84 
vgl.  Xn,  2,  26.  Cic.  Parad.  praef.  1:  animadverti  saepe  Catonem  .  .,  cum 
in  senatu  sententiam  diceret,  locos  graves  ex  philosophia  tractare  abhor- 
rentes  ab  hoc  usu  forensi  et  publico,  sed  dicendo  consequi  tarnen  ut  illa 
etiam  populo  probabilia  viderentur.  Am  gunstigsten  dagegen  schien  hiefiir 
die  neue  Akademie;  s.  Cic.  de  or.  III,  21,  80. 

6.  Cic.  in  Vatin.  6,  14:  tu  qui  te  Pythagoreum  soles  dicere  et  hominis 
doctissimi  nomen  tuis  immanibus  et  barbaris  moribus  praetendere.  Zu  den 
Philosophen  kann  aber  darum  Vatinius  nicht  zSMen,  so  wenig  als  etwa 
Caerellia  wegen  Cic.  Att.  XIII,  21,  5:  mirifice  Caerellia^  studio  videlicet 
philosophiae  flagrans,  describit  (libros  meos)  de  tuis;  istos  ipsos  de  finibus 
habet;  vgl.  ib.  22,  3.  So  hat  auch  die  „Dame**  bei  Hör.  Epo.  8,  16  libelli 
stoici  inter  sericos  pulvillos. 

41  49.    Augustiis    begünstigte    das    Studium     der    Philosophie 

planmässig  und  verfasste  sogar  selbst  Hortationes  ad  philoso- 
phiam.  Ausser  ihm  kennen  wir  jedoch  nur  T.  Livius,  Crispi- 
nus  und  den  älteren  Sextius  als  philosophische  Schriftsteller  aus 
seiner  Zeit.  Philosophische  Bildung  aber  besassen  und  bekun- 
deten fast  alle  bedeutenden  Schriftsteller  dieser  Periode,  wie 
Vergil,  Horaz,  L.  Varius,  Viele  verbanden  damit  Interesse  für 
Naturwissenschaften.  Der  Zeitströmung  entsprach  am  meisten 
der  Epikureismus,  der  in  den  ernsteren  Naturen  die  Stimmung 
wehmütiger  Resignation  hervorrief.  Auch  noch  im  ersten  Jahrh. 
n.  Chr.  blieben  der  Epikureismus  und  der  Stoicismus  die  einzigen 
in  Rom  vertretenen  Systeme.  Jetzt  aber  fanden  Wenige  (wie 
Aufidius  Bassus)  in  sich  die  Freiheit  und  Selbstgewissheit  des 
Sinnes  wie  sie  der  Epikureismus  zur  Grundlage  hat;  die  Meisten 
wandten  sich  dem  Stoicismus  zu,  die  Einen  indem  sie,  wie  Se- 
neca,  durch  Weglassung  der  kosmologischen  Grübeleien  und 
Härten  des  Systems  ihn  abschwächten,  Andere,  wie  der  jüngere 
Sextius,  durch  Beimischung  theistischer  und  pythagoreischer  Be- 
standtheile  ihn  vertiefend.  Die  charaktervollsten  Männer,  wie 
Paetus  Thrasea,  Helvidius  Priscus,  und  auch  der  junge  Persius 
Flaccus,  verschärften  sogar  noch  die  Schroffheiten  der  Lehre  und 
Praxis  und  brachten,  da  sie  zugleich  dem  Despotismus  mitzuhul- 
digen  unterliessen,  das  stoische  Bekenntniss  zu  politischer  Miss- 
liebigkeit.     Andere  machten  wenigstens  die  Mode  mit  einen  Phi- 


49.  Die  Philosophie  in  der  aagasteischen  und  der  Kaiserzeit.  91 

losophen  zu  halten  und  mit  ihm  zu  disputieren.  So  sah  sich  Rom 
mit  Philosophen  überschwemmt,  unter  denen  viele  durch  persön- 
liche Verächtlichkeit  die  Philosophie  selbst  in  üblen  Ruf  brachten. 
Klein  war  die  Zahl  derer  die,  wie  der  Kyniker  Demetrios,  Anderen 
das  Beispiel  unabhängigen  Sinnes  gaben.  Yespasian  und  Domitian 
verwiesen  die  Philosophen  aus  Rom  und  Italien.  Auch  noch  im 
zweiten  Jahrh.  tiberwog  die  stoische  Richtung  und  war  in  Rom 
zahlreich  vertreten,  durch  Griechen  wie  Römer,  unter  Letzteren 
besonders  durch  Junius  Rusticus;  mit  M.  Aurel  gelangte  der 
Stoicismus  sogar  auf  den  Thron.  Andere  betrieben  die  Popula- 
risierung der  Philosophie,  indem  sie  ihre  epideiktischen  Vorträge 
auch  auf  dieses  Gebiet  erstreckten,  wie  Apulejus.  Dabei  suchten 
Manche  die  Wirkung  zu  verstärken  durch  einen  nebelhaften 
Mysticismus,  der  sich  willkürlich  Piatonismus  nannte,  wie  Taurus, 
Favorinus,  und  auch  Apulejus.  Der  Neuplatonismus  des  dritten 
Jahrh.  hat  in  der  römischen  Literatur  keinen  namhaften  Ver- 
treter. Der  Sieg  des  Christenthums  im  vierten  Jahrh.  trieb  die- 
jenigen welche  ihm  nicht  zufielen  zu  Wiederauffrischung  der 
Schätze  der  alten  griechischen  Philosophie,  die  durch  Reproduction 
und  üebersetzung  zugänglicher  gemacht  wurden.  So  durch  Augu- 
stin in  seiner  vorchristlichen  Zeit,  so  besonders  durch  Boetius  im 
sechsten  Jahrh.  Durch  solche  Bemühungen  wurden  jene  den 
abendländischen  Völkern  überliefert,  die  das  Mittelalter  hindurch 
davon  zehrten. 

i.  L.  Varus  (Yarius?)  Epicnreus,  Caesaris  (August)  amicus,  Quintil. 
VI,  3,  78.  Er  und  Vergil  hatten  den  Syron  zum  Lehrer.  Horaz  vergpottet 
in  seinen  älteren  Gedichten  die  Wunderlichkeiten  der  Stoa  und  bekennt 
sich  zur  epikureischen  Lehre;  in  den  späteren  lässt  er  dem  Ernste  und  Ge- 
halte des  Stoicismus  Gerechtigkeit  -widerfahren.  Liv,  XLIU,  13,  1:  nihil 
deos  portendere  vulgo  nunc  credunt.  Unter  Caligula  Iloiini^Siog,  ffvynXrixi- 
Kog  ftiv,  tag  aQX^S  ^^  diBXriXvd'mg  exsdov  ndaag^  'Eninovqnog  d\  ciXkaag  xal 
Si  avxo  dnQciyitovog  inixridBvrrig  ßiov,  Joseph.  Antiq.  XIX,  1,  5.  Auch 
auf  Grabschriften  der  Zeit  ist  diese  Richtung  manchfach  vertreten.  Die 
Sextii^  Vater  und  Sohn,  schrieben  in  griechischer  Sprache,  wie  auch 
Comutus. 

2.  Im  ersten  Jahrh.  n.  Chr.  studierten  die  Meisten  Philosophie  ut  nomine 
magnifico  segne  otium  velarent  (Tac.  hist.  IV,  6);  auch  Frauen  cokettierten 
damit,  s.  L.  Friedländer,  Sittengesch.  Borns  V.  S.  292  f.  Von  Nero  erzählt 
Tac.  A.  XIV,  16:  etiam  sapientiae  doctoribus  tempus  impertiebat  post 
epulas  utque  contraria  adseverantium  discordia  frueretur.  nee  deerant  qui 
ore  voltuque  tristi  inter  oblectamenta  regia  spectari  cuperent.  Diese  tri- 
stitia  gehörte  zum  Costüm  der  Philosophen,  sogut  wie  der  lange  Bart  und 
der  schäbige  Mantel,  den  sie,  um  mehr  zu  imponieren,  Ton  den  Eynikern 


92  Sachlicher  Theil. 

entnahmen.  Vgl.  Martial.  IV,  53.  Juv.  XIII,  121  f.  Nur  daes  zu  diesem 
SpiritualismuB  die  servile  Aufdringlichkeit  und  ethische  Verworfenheit  so 
vieler  Exemplare  übel  stimmte.  Quintil.  I.  0.  I.  prooem.  15:  voltum  et 
tristitiam  et  dissentientem  a  ceteris  habitum  pessimis  moribus  (wovon 
Proben  bei  Juv.  II,  4  ff.  65)  praetendebant.  XII,  3,  12:  alii  pigritiae  arro- 
gantioris,  qui  subito  fronte  conficta  immissaque  barba  .  .  paulum  aliquid 
sederunt  in  scholis  philosophorum,  ut  deinde  in  publice  tristes,  domi 
dissoluti  captarent  auctoritatem  contemptu  ceterorum.  Ueber  diesen  Hoch- 
mut auch  V,  11,  39:  inferiora  omnia  praeceptis  suis  ac  litteris  (?)  credunt. 
Dagegen  die  Redner  gewöhnlichen  Schlages  sapientiae  studium  et  praecepta 
prudentium  penitus  reformidant  (Tac.  dial.  32).  Weiter  vgl.  Quintil.  XI, 
1,  33:  philosophiam  ex  professo,  ut  quidam  faciunt,  ostentantibus  etc. 
ib.  35:  at  vir  civilis  vereque  sapiens,  qui  se  non  otiosis  disputationibus, 
sed  administrationibus  reip.  dediderit,  a  qua  longissime  isti  qui  philosophi 
vocantur  recesserunt.  Aehnlich  XII,  2,  6  f.  vgl.  ib.  9:  hanc  artem  superbo 
nomine  et  vitiis  quorundam  bona  eius  corrumpentium  invisam.  Populäre 
Sticheleien:  facilius  inter  philosophos  quam  inter  horologia  conveniet  (Sen. 
apocol.  2,  3),  und  numquam  philosophum  audivit  bei  Petron.  sat.  71.  Aehn- 
liche  Polemik  gegen  die  griechischen  Philosophen  zu  Rom  übrigens  schon 
bei  Plautus,  Cure.  IT,  3,  9  ff.,  und  dieselben  Klagen  noch  bei  Gellius,  z.  B. 
VII  (VI),  10,  5:  nunc  videre  est  philosophos  nitro  currere  ut  doceant  ad 
fores  iuvenum  divitum  eosque  ibi  sedere  atque  opperiri  prope  ad  meridiem, 
donec  discipuli  noctumum  omne  vinum  edormiant.  XIII,  8^  5:  nihil  fieri 
posse  indignius  neque  intolerantius  dicebat  (Macedo,  familiaris  mens) 
quam  quod  homines  ignavi  ac  desides,  operti  barba  et  pallio,  mores  et 
emolumenta  philosophiae  in  linguae  verborumque  artes  converterent  et 
vitia  facundissime  accusarent  intercutibus  ipsi  vitiis  madentes.  Aus  der- 
selben Zeit  Apulej.  Flor.  I,  7.  p.  118  Bip.:  ne  .  .  rüdes,  sordidi,  imperiti 
pallio  tenus  philosophos  imitarentur  et  disciplinam  regalem,  tam  ad  bene 
dicendum  quam  ad  bene  vivendum  repertam,  male  dicendo  (doppelsinnig) 
et  similiter  vivendo' contaminarent.  —  C.  Martha,  les  moralistes  sous  Tem- 
pire  romain  .  .  philosophes  et  poetes,  Paris  1865. 

3.  Ulpian.  Dig.  L,  13,  1,  4:  an  et  philosophi  professorum  numero  sint 
(welche  ein  Klagerecht  auf  ünterrichtsgeld  haben)?  non  putem,  non  quia 
non  religiosa  res  est,  sed  quia  hoc  primum  profiteri  eos  oportet,  mercenariam 
operam  spernere. 

4.  Capitol.  M.  Antonin.  philos.  2,  7:  usus  est  etiam  Commodi  magistro, 
.  .  Apollonio  Chalcedonio  stoico  philosopho.  3,  2  f.:  audivit  et  Sextum 
Chaeronensem  Plutarchi  nepotem,  luuium  Busticum,  Claudium  Maximum 
et  Cinnam  Catulum,  stoicos.  peripateticae  vero  studiosum  audivit  Clau- 
dium Severum  et  praecipue  lunium  Rusticum,  .  .  stoicae  disciplinae  peritissi- 
mum.  L.  lunius  Rusticus,  philosophus  stoicus,  Orelli  1190.  C.  Tutilius 
Hostilianus,  philosophus  stoicus,  domo  Cortona,  ib.  1191.  C.  Matrinius 
Valentins,  philosophus  epicureus,  ib.  1192.  Gaius  Stallius  .  .  ex  epicureio 
gaudivigente  choro,  ib.  1193.  Ceionius  Rufius  Albinus  v.  c.  Consul  (J.  335 
n.  Chr.),  philosophus  etc.  ib.  3111. 

42  50,    Den  hohen  praktischen  Werth  der  Mathematik  und 


50.  Mathematik  und  Astronomie.  93 

der  Astronomie  wussten  die  Römer  nicht  zu  würdigen,  sondern 
betrachteten  sie  als  müssige  Speculation.  Einzelne  Liebhaber 
ausgenommen,  wie  Sex.  Pompejus  und  Sulpicius  Gallus  (Cos.  588), 
beschränkten  sie  sich  auf  das  unmittelbar  im  Leben  Anwendbare^ 
auf  das  niedere  Rechnen  und  auf  das  Messen,  letzteres  für  den 
Bedarf  des  Lagerschiagens  und  des  Vertheilens  von  Ackerlosen 
zur  Feldmesskunst  erweiternd.  Sonst  aber  bestand  die  Mathematik 
der  Römer  in  verflachter  Wiedergabe  griechischer  Fachwerke, 
insbesondere  des  Nikomachus.  Daüä  einzige  einigermassen  erhal- 
tene Werk  eines  Römers  über  Greometrie  ist  das  des  Baibus  unter 
Trajan.  Mit  Astronomie  beschäftigte  sich  Sulpicius  Gallus  aus 
Liebhaberei,  Varro  aus  Polyhistorie,  Nigidius  Figulus  aus  Mysti- 
cismus;  vollends  in  der  Eaiserzeit  herrschte  die  Astrologie.  Unter 
Tiberius  machte  sie  Manilius  zum  Gegenstande  eines  Lehrge- 
dichts. Aus  dem  dritten  christlichen  Jahrhundert  ist  von  Be- 
deutung des  Censorinus  Abhandlung  de  die  natali,  aus  dem 
vierten  besitzen  wir  von  Julius  Firmicus  Matemus  acht  Bücher 
matheseos,  aus  dem  sechsten  des  Boetius  zwei  Bücher  de  insti- 
tutione  arithmetica. 

1.  Das  rechte  Verständniss  von  der  Bedeutung  der  mathematischen 
Wissenschaften  war  auch  im  griechischen  Alterthum  wenig  verbreitet; 
8.  W.  Teuffei  zu  Ariatoph.  Wolken  201.  So  rechnet  noch  Plutarch,  an 
seni  16,  die  ysmiiitqai  und  aQid'iirizLHol  zu  den  ov  nga-Kzinäs  dXXa  d'soDQti- 
tinas  xs%va$  ^xovt^g.  Vgl.  Ulpian.  Dig.  L,  13,  1  pr.:  liberalia  studia  acci- 
pimus  qilae  Graeci  iXsv^^Qict  appellant;  rhetores  continebuntur,  gramma- 
tici,  geometrae.  Die  Vorstellung  der  Römer  erhellt  schon  aus  der  Bedeu- 
tung von  mathematici  =  astrologi.  Die  Vernachlässigung  der  Astronomie 
rächte  sich  in  der  Zeit  der  Bepublik  durch  permanente  Ealenderverwirrung. 
Im  Allgemeinen  Cic.  Tusc.  1,  2,  5:  nihü  (apud  Graecos)  mathematicis  illu- 
strius;  at  nos  metiendi  ratiocinandique  utilitate  huius  artis  terminavimus 
modum.  Das  Rechnen  nahm  auch  im  Schulunterricht  eine  Stelle  ein;  s. 
Hör.  S.  I,  6,  72  ff.  Ep.  I,  1,  56.  11,  3,  325  f.  Vgl.  im  Allgemeinen  M. 
Cantor,  mathematische  Beiträge  zum  Culturleben  (1863)  S.  168—230. 

2.  Pirmic.  Mat.  math.  IL  praef.  (p.  16  ed.  1561):  Fronto  noster,  Hipp- 
archi  secutus  antiscia  {dvriayua),  ita  Apotelesmatum  sententias  protulit 
tamquam  cum  perfectis  iam  et  peritis  loqueretur,  nihil  de  institutione, 
nihü  de  magisterio  praescribens.  sed  nee  aliquis  paene  Latinorum  de  hac 
arte  institutionis  libros  scripsit,  nisi  paucos  versus  lulius  Caesar,  et  ipsos 
tarnen  de  alieno  opere  mutuatus.  M.  vero  Tullius.  .  .  etiam  ipse  de  insti- 
tutione pauca  respondit.  .  .  Antiscia  Hipparchi  secutus  est  Fronto.  .  .  aur 
tiscia  enim  illa  vera  sunt,  sicut  et  Navigius  noster  probat.  Unter  lulius 
Caesar  meint  Firm,  den  Germanicus;  vgl.  VIU,  6:  executus  est  herum 
aiderum  numerum  graece  Aratus,  .  .  latine  vero  Caesar  et  decus  eloquentiae 


94  Sachlicher  Theil. 

TulliuB.  sed  hi  tantiun  nomina  ipsarum  et  ortus,  non  autem  apoteles- 
-  matum  auctoritatem  edidemnt,  ita  ut  mihi  videantar  non  aliqua  astrologiae 
Bcientia,  sed  poetica  potans  elati  licentia  docilis  sermonis  studia  protulisse. 
Von  ManiliuB  hat  Firm,  also  keine  Eenntniss.  Er  hat  sich  zu  seinem 
Werke  entschlossen  ne  omni  disciplinarum  arte  translata  solnm  hoc  opus 
extitisse  videator  ad  quod  romanum  non  affectasset  ingenimn  (V.  praef., 
p.  115). 

44  61.   Auch  für   die  sie  umgebende  Natur  hatten  die  Romer 

kein  reines  Interesse  und  nahmen  sich  weder  die  Zeit  noch  hat- 
ten sie  den  Mut  sie  unbefangen  zu  beobachten.  Daher  sind  sie 
in  den  Naturwissenschaften  immer  zurück  und  von  den 
Griechen  abhängig  geblieben.  Insbesondere  die  von  Aristoteles 
und  Theophrast  zu  so  hoher  Ausbildung  gebrachte  (Zoologie 
und)  Botanik  kam  nach  Rom  spät,  und  erhielt  dürftigen  Anbau, 
hauptsächlich  im  Zusammenhang  mit  der  Landwirtschaft,  weni- 
ger mit  der  Heilkunde,  da  die  römischen  Aerzte  die  Heilmittel- 
lehre noch  mehr  als  Anderes  vernachlässigten.  Die  Schriften  des 
Nigidius  Figulus  •  blieben  ohne  Einfluss.  In  der  augusteischen 
Zeit  übersetzten  Valgius  Rufus  und  Aemilius  Macer  alexandri- 
tiische  Lehrgedichte  botanischen  und  zoologischen  Inhalts.  In 
den  encyclopädischen  Werken  des  Celsus  und  des  altem  Plinius 
waren  auch  die  Naturwissenschaften  vertreten,  und  die  erste 
Eaiserzeit  hatte  für  dieselben  eine  dilettantische  Hinneigung 
indem  sie  an  die  Naturerscheinungen  moralisierende  Betrachtun- 
gen zu  knüpfen  liebte.  Davon  zeugen  auch  Seneca's  Quaestiones 
naturales.  Die  späteren  Jahrhunderte  begnügten  sich  mit  Wie- 
dergabe der  griechischen  Schriften. 

1.  Plin.  N.  H.  XXV,  2  f.:  minus  hoc  (Botanik,  Pharmakognosie,  Toxi- 
kologie u.  dgl.)  quam  par  erat  nostri  celebravere.  .  .  primusque  et  diu  so- 
lus  idem  ille  M.  Cato  .  .  paucis  dumtaxat  attigit.  .  .  post  eum  unus  illu- 
strium  tentayit  C.  Yalgins.  antea  condiderat  solus  apud  nos  .  .  Pompeius 
Lenaeus,  Magni  libertus.  .  .  Pompeius  .  .  transferre  ea  (des  Mithridates 
Eecepte  für  Gifte  und  Gegengifte)  sermone  nostro  libertum  suum  Lenaeum, 
grammaticae  artis,  iussit.  Von  Cornelius  Valerianus  citiert  Plinius  wieder- 
holt (n.  h.  X,  2.  XIV,  3  vgl.  Ind.  auct.  VIII)  zoologische  und  botanische 
Angaben  (vgl.  auch  III,  17),  welche  aber  den  Charakter  des  Anekdoten- 
haften haben. 

2.  Plinius  n.  h.  XXII,  7,  16:  plerisque  nitro  etiam  inrisui  sumus  ista 
(Botanik,  Pharmakologie)  commentantes  atque  frivoli  operis  arguimur  etc. 
Letzteres  besonders  auch  vom  Standpunkte  einer  beschränkten  Rhetorik. 
Vgl.  praef.  13:  sterilis  materia,  rerum  natura  .  .  narratur,  et  haec  sordi- 
dissima  sui  parte,  ut  plurimarum  rerum  aut  rusticis  vocabulis  aut  extemis, 
immo  barbaris  .  .  ponendis. 


51  f.  Die  Naturwissenschaften.    Land-  und  Haus-Wirtschaft.  95 

3.  R.  Albani,  de  historia  naturali  apud  vet^res,  Dresden  1864.  40  pp.  8. 
Ernst  R  F.  Meyer,  Geschichte  der  Botanik  I  (Königsberg  1854)  bes.  S.  334  ff. 
n  (1858)  S.  1  ff. 

63«  Für  die  Landwirtschaft  hatten  die  Römer  ganz  be-  43 
sonderes  Interesse  und  suchten  sich  neben  den  eigenen  Erfahr- 
ungen auch  die  fremder  Völker  nutzbar  zu  machen.  So  liess  der 
Senat  das  landwirtschaftliche  Werk  des  Karthagers  Mago  ins 
Lateinische  übersetzen,  und  das  Einzige  was  wir  von  dem  altem 
Cato  besitzen  ist  seine  Schrift  de  re  rustica.  An  Mamilius  Sura, 
an  Saserna  (Vater  und  Sohn),  sowie  Tremellius  Scrofa  hatte  das 
siebente  Jahrhundert  d.  St.  weitere  landwirtschaftliche  Schrift- 
steller, und  auch  vom  Polyhistor  Varro  haben  wir  noch  eine 
Schrift  dieses  Inhalts.  Vergils  Georgica  sind  eine  Verherrlichung 
dieser  Seite  menschlicher  Thätigkeit.  In  der  nämlichen  Zeit 
schrieb  Hyginus  über  Landbau  und  Bienenzucht  und  widmete 
Sabinus  Tiro  dem  Maecenas  sein  Werk  über  den  Gartenbau. 
Letzteren  behandelte  im  dritten  Jahrhundert  n.  Chr.  auch  Gargilius 
Martialis.  Im  Anfange  der  Kaiserzeit  beschäftigte  die  landwirt- 
schaftliche Schriftstellerei  auch  Männer  von  Ansehen,  wie  lulius 
Graecinus  und  neben  ihm  Cornelius  Celsus,  lulius  Atticus;  erhal- 
ten sind  nur  die  zwölf  Bücher  des  Columella  aus  der  Zeit  des 
Seneca.  Das  Werk  der  Brüder  Quintilii  gegen  Ende  des  zweiten 
Jahrhunderts  n.  Chr.  war  wohl  griechisch  geschrieben;  das  des 
Palladius,  aus  dem  vierten  Jahrhundert,  in  vierzehn  Büchern, 
behandelt  zuletzt  die  Baumzucht  im  elegischen  Masse,  wie  Colu- 
mella seinem  B.  X  über  den  (Jartenbau  epische  Form  gegeben  hatte. 
Das  den  Namen  des  Apicius  tragende  Kochbuch  ist  um  die  Mitte 
des  dritten  christlichen  Jahrhunderts  nach  griechischen  Quellen 
gearbeitet. 

1.  Varro  R.  R.  I,  1,  10:  hos  (graecos  scriptores  de  agricultura)  nobili- 
tate  Mago  Earthaginiensis  praeteriit  punica.  lingaa,  quod  res  dispersas 
comprehendit  libris  XXVII,  quos  Cassius  Dionysius  üticensis  vertit  libris 
XX  ac  graeca  Lingua  Seztilio  praetori  misit.  .  .  hosce  ipsos  utiliter  ad  VI 
libros  redegit  Diophanes  in  Bithynia  et  misit  Deiotaro  regi.  Vgl.  ib.  17,  3. 
38,  1.  n,  1,  27.  in,  2,  13.  Cic.  de  or.  I,  58,  249.  Plin.  N.  H.  XVIII,  5: 
Poenus  Mago,  cni  .  .  tantum  honorem  Senatus  noster  habuit  Carthagine 
capta  ut,  cum  regulis  Africae  bybliothecas  donaret,  unius  eins  XXVm 
Volumina  censeret  in  latinam  lingnam  transferenda,  cnm  iam  M.  Cato  prae- 
cepta  condidisset,  peritisque  linguae  punicae  dandum  negotium,  in  quo 
praecessit  omnes  vir  clarissimae  familiae  D.  Silanus.  Vgl.  ib.  XVII,  11.  16. 
19.  30.  XVra,  7.  28.  XXI,  68. 

2.  Isid.  orig.  XVII,  1,   1:    apud  Romanos  de  agricultura  primus  Cato 


90  Sachlicher  Theil. 

instituit,  quam  deinde  M.  Terentius  (Varro)  expolivit,  mox  Vergilias  laude 
carminum  extulit.  nee  miaus  Studium  habuerunt  postmodum  Cornelius 
Celsus  et  lulius  Atticus,  Aemilianus  (Palladius)  sive  Colmnella,  insignis 
orator,  qui  totum  corpus  disciplinae  eiusdem  complexus  est.  Cassiod.  divin. 
lect.  28 :  in  agris  colendis  .  .  inter  ceteros  Columella  et  Aemilianus  auctores 
probabiles  extiterunt  etc.  Genauer  Colum.  I,  1,  12—14:  ut  agricolationem 
romana  tandem  civitate  donemus  .  .  iam  nimc  M.  Gatonem  Censorium  illum 
memoremus,  qui  eam  latine  loqui  primus  iustituit:  post  hunc  duos  Sasemas, 
patrem  et  filium,  qui  eam  diligentius  erudierunt;  ac  deinde  Scrofam  Tre- 
mellium,  qui  etiam  eloquentem  reddidit,  et  M.  Terentium,  qui  expolivit; 
mox  Yergilium,  qui  carmine  quoque  potentem  fecit.  nee  postremo  quasi 
paedagogi  eins  meminisse  dedignemur,  lulii  Hygini,  veruntamen  ut  Cartha- 
giniensem  Magonem  rusticationis  parentem  maxime  yeneremur.  nam  huius 
XXVIII  memorabilia  illa  volumina  ex  SCto  in  latinum  sermonem  conversa 
sunt,  non  minorem  tamen  laudem  meruerunt  nostrorum  temporum  viri, 
Cornelius  Celsus  et  lulius  Atticus  .  .  .  cuius  velut  discipulus  dua  volumina  .  . 
lulius  Gra^cinus  .  .  posteritati  tradenda  curavit. 

3.  Colum.  XU,  4,  2 :  tum  demum  nostri  generis  postquam  a  bellis  otium 
fuit  quasi  quoddam  tributum  victui  humano  conferre  non  dedignati  sunt, 
ut  M.  Ambivius  et  Maenas  Licinius,  tum  etiam  C.  Matius,  quibus  studium 
fuit  pistoris  et  coci  nee  minus  cellarii  diligentiam  sui  praeceptis  instituere. 
Ist  die  Aufzählung,  virie  glaublich,  eine  chronologische,  so  dürfte  Ambivius 
in  die  erste  Hälfte  des  siebenten  Jahrh.  d.  St.  zu  stellen  sein.  Ein  Monas 
wird  genannt  auch  bei  Varro  R.  R.  II,  3,  11  vgl.  1,  1.  8,  1.  Ueber  Matius, 
den  Zeitgenossen  des  Cicero,  s.  Colum.  XII,  44,  1:  quae  C.  Matius  diligen- 
tissime  persecutus  est;  .  .  illi  enim  propositum  fiiit  urbanas  mensas  et 
lauta  convivia  instruere.  libros  tres  edidit,  quos  inscripsit  nominibus  Coci 
et  Cellarii  et  Salgamarii. 

4.  Plin.  n.  h.  XIX,  67:  Sabinus  Tiro  in  libro  Cepuricon  (Jtiywov^txwv) 
quem  Maecenati  dicavit.  Andere  Verfasser  von  KipiovQLnä:  Caesennius, 
Castricius,  Firmus;  Aehnliches  von  Oppius. 

6.  Sammlungen  der  Scriptores  rei  rusticae  veteres  latini  Venet.  Aid. 
1533.  Basil.  Hervag.  1536.  4.  Ed.  Victorius,  Lugd.  1641.  2  Voll.  Par.  1643. 
Lugd.  1549.  Heidelb.  (Commel.)  1595.  Curante  L  M.  Gesnero,  Lips.  1735. 
2  Voll.  4.  Ed.  secunda  (besorgt  von  I.  A.  Ernesti),  Lips.  1773  f.  4.  In  der 
Zweibrücker  Sammlung  (Bip.  1787)  3  Bde,  virozu  1788  als  vierter  ein  Lexicon 
rusticum.  Dieselben  illustravit  I.  G.  Schneider,  Lips.  1793 — 96.  4  tomi  in 
9  partes. 

45  63.    Die  Heilkunde  war  in  Rom  mehr  als  fünf  Jahrhun- 

derte unbekannt.  Die  einfache  Lebensweise  und  Abhärtung 
Hess  selten  ein  Bedürfniss  davon  aufkommen;  und  geschah  es, 
so  gab  es  Hausmittel  und  Beschwörungsformeln  für  Mensch  und 
Vieh.  So  sah  es  noch  der  ältere  Cato  an  und  eiferte  gegen 
die  griechischen  Aerzte,  die  immer  zahlreicher  nach  Rom  kamen 
und   in   deren   Händen,  auch   die  ärztliche   Praxis    wie   Wissen- 


63  Die  Heilkunde.  97 

Schaft  fast  ausschliesslich  blieb  ^  bis  die  arabische  Medicin  der 
griechischen  an  die  Seite  trat.  Nur  wenige  Schriften  in  latei- 
nischer Sprache  begegnen  uns.  Unter  Tiberius  schrieb  Celsus 
seine  Encyclopädie,  von  der  wir  die  auf  die  Medicin  bezüglichen 
Bücher  noch  haben.  Sie  sind  nach  griechischen  Mustern  gear- 
beitet, mit  gesundem  Urteil  und  in  gebildeter  Sprache.  Auch 
der  ältere  Plinius  bietet  Vieles  für  die  Geschichte  der  Medicin. 
Bedeutender  ist  im  zweiten  Jahrhundert  n.  Chr.  der  Methodiker 
Caelius  Aurelianus  aus  Afrika,  der  in  barbarischer  Sprache, 
aber  anschaulich  die  Krankheitsformen  zeichnete.  Die  Em- 
piriker Scribonius  Largus  im  ersten  Jahrh.  n.  Chr.  und  Serenus 
Samonicus  (zu  Anfang  des  dritten  Jahrh.)  verfassten  Arzneimittel- 
lehren, jener  in  trockenem  Tone  die  zusammengesetzten  Arz- 
neien behandelnd,  dieser  in  gebundener  Form  ein  Volks-  und 
Haus- Arzneibuch  liefernd,  wie  im  vierten  Jahrhundert  Vindicianus. 
Ausserdem  bietet  das  vierte  und  fünfte  Jahrh.  n.  Chr.  eine  An- 
zahl geistloser  Empiriker,  die  in  roher  Sprache  viel  Aberglauben 
vortrugen,  wie  Theodorus  Priscianus,  Sex.  Placitus,  Marcellus 
(Empiricus)  und  die  unter  dem  Namen  des  Apulejus  (Barbarus), 
Antonius  Musa  und  Plinius  (Valerianus)  schreibenden  Fälscher. 
Gleichfalls  aus  dem  vierten  und  fünften  Jahrh.  haben  wir  thier- 
ärztliche  Schriften  von  Pelagonius  und  P.  Vegetius. 

1.  Plin.  N.  H.  XXIX,  5:  millia  gentium  sine  medicis  degant,  nee  tarnen 
Bine  medicina,  sicut  populus  rom.  ultra  sexcentesimum  annum,  nee  ipse  in 
accipiendia  artibus  lentus,  medicinae  vero  etiam  avidus.  6:  CassiuB  Hemina 
.  .  .  auctoT  est  primum  e  medicis  venisse  Romam  Peloponneso  Archaga- 
thum  (J.  535  d.  St.).  ib.  7  Catos  Warnung  vor  den  griechischen  Aerzteii: 
inrarunt  inter  se  barbaros  uecare  omnes  medicina  (vgl.  Plut.  Cato  mai.  23). 
ib.  8:  profitetur  (Cato)  esse  commentarium  sibi  quo  medeatur  filio,  servis, 
familiaribus.  .  .  solam  hanc  artium  graecarum  nondum  ezercet  romana 
gravitas  in  tanto  fructu;  paucisBimi  Quiritium  attigere,  et  ipai  etatim  ad 
Graecos  transfugae;  immo  vero  auctoritas  aliter  quam  graece  eam  tractanti- 
buB,  etiam  apud  imperitos  ezpertesque  linguae,  non  est.  Je  zahlreicher  aber 
unter  den  griechischen  Aerzten  die  Schwindler  und  Charlatans  waren  (einer 
der  klfigsten  am  Ende  der  Republik  Asklepiades  aus  Prusa),  desto  weniger 
gelangte  der  Stand  zu  Achtung;  vgl.  z.  B.  bei  Yopisc.  Firm.  7,  4  die  Zu- 
sammenstellung: sunt  Aegyptii  .  .  mathematici,  haruspices,  medici. 

2.  Auch  die  Augenärzte  deren  Namen  wir  aus  ihren  Stempeln  noch 
kennen  sind,  nach  ihren  cognomina  zu  schliessen,  meist  griechischen  Ur- 
sprungs und,  wegen  der  Häufigkeit  der  Namen  Julius  und  Claudius,  meist 
aus  dem  ersten  und  der  zweiten  Hälfte  des  ersten  christl.  Jahrh.;  C.  L. 
Qrotefend,  die  Stempel  der  griechischen  Augenärzte  gesammelt  und  erklärt, 
Hanover  1867. 

TBxrrtneL,  KOm.  Litcraiurgescliiohte.   2.  Aufl.  7 


98  Sachlicher  Theil. 

3.  Kurt  Sprengel,  pragmatische  Geschichte  der  Arzneikunde,  I  (Halle  1792) ; 

4.  Aufl.  besorgt  von  J.  Rosenbaum,  Leipzig  1846,  I.  S.  199  —  226.    Hecker, 
Gesch.  der  Heilkunde  II.     E.  laensee,   Gesch.  der  Medicin  I  (Berlin  1840). 

5.  103—180.    L.  Choulant,  Handbuch  der  Bücherkunde  der  älteren  Medicin, 
zweite  Aufl.,  Leipzig  1841,  bes.  S.  161  ff. 

46  64.  Kriegswissenschaft  und  Kriegsgeschichte  wurde  erst 
in  der  Kaiserzeit  literarisch  behandelt,  und  wir  haben  aus  dieser 
die  Schrift  des  Hyginus  über  das  Lagerschlagen  (vgl.  unten  56), 
des  Sex.  Julius  Frontinus  (unter  Domitian)  Strategematica,  wo- 
von aber  das  letzte  (vierte)  Buch  aus  dem  vierten  bis  fünften 
Jahrh.  stammt,  sowie  das  Werk  des  Vegetius  (im  vierten  Jahrb.), 
Epitoma  rei  militaris. 

1.  Aus  der  Zeit  der  Republik  ist  nur  etwa  zu  erwähnen  des  älteren 
AfricanuB  Begründung  Beines  strategischen  Verfahrens,  welche  er  in  einem 
an  König  Philipp  gerichteten  Schreiben  (in  griechischer  Sprache)  gab;  s. 
Polyb.  X,  9,  3;  dta  t^g  iniatoXijg  rijs  ngog  ^CUnnov  avxov  xov  TlontCav 
oatpäg  inzB^emorog  Sri  rovzoig  roCg  iaXoyianotg  x(friadi(iBvog  .  .  nad'oXov 
ZB  zoig  iv  'ißrjQCa  7tQccy(iaai,v  ijcißccXoizo  xal  %aza  fiBQog  zij  z^g  KaQXV^^' 
vog  noXioQ%la.    Vgl.  oben  46,  2. 

2.  Veget.  I,  8  (p.  12,  12  fF.  L.) :  compulit  evolutis  auctoribus  ea  in  hoc 
opusculo  .  .  dicere  quae  Cato  Censorius  de  disciplina  militari  scripsit^  quae 
Cornelius  Celsus,  quae  Frontinus  perstringenda  duzerunt,  quae  Patemus 
diligentissimus  iuris  militaris  adsertor  in  libros  redigit,  quae  Augusti  et 
Traiani  Hadrianique  constitutionibus  cauta  sunt.  Laur.  Lyd.  de  magistr.  I, 
47 :  iKXQTVQBg  KeXcog  zb  xttl  IldzBQVog  %al  KaziXlvoLg  {ov%  o  avvcofiozrjg,  dXX' 
BZBQog\  Kdzcav  nQO  clvzAv  6  n^mzogy  nctl  ^Qovzivog,  fiBd'*  ov^  %al  ^Psvcixog 
(Vegetius),  *P(0(iccroi  ndvzsg. 

3.  Aus  Vegetius  ausgeschrieben  ist  des  angeblichen  Modestus  libellus 
de  vocabulis  rei  militaris  ad  Tacitum  Aug.  (vgl.  A.  4).  Aeltere  Abschriften 
davon  als  aus  saec.  XV  gibt  es  aber  nicht.  In  Wahrheit  ist  das  Büchlein  verfasst 
von  Pomponius  Latus  oder  einem  Schüler  desselben,  mit  dessen  Schrift  de 
magistratibus  (und  de  legibus)  es  ursprünglich  (anonym)  zusammen  er- 
schien.   Peyron,  notitia  libr.  bibl.  Taurin.  (1820)  p.  86  f. 

4.  Veteres  de  re  militari  scriptores  quotquot  extant  nunc  prima  vice 
in  unum  redacti  corpus,  Wesel  1617.  (Frühere  Sammlung,  Bonon.  1496  fol.) 
Ausserdem  finden  sich  Frontinus  und  Modestus  (A.  3)  mit  abgedruckt  in 
den  Ausgaben  des  Vegetius  Paris.  1616.  Colon.  1624.  1632.  1680,  von  Fr. 
Modius  (Colon.  1680),  Stewechius  (Antverp.  1586.  4.)  und  P.  Scriverius 
(Antv.  1607.  4.). 

47  66.  Auf  dem  Gebiete  der  Architektur  waren  schon  in  der 
Zeit  der  Republik  Fuficius,  Varro  und  P.  Septimius  schriftsteller- 
isch thätig.  Erhalten  ist  nur  das  Werk  des  Vitruvius  de  archi- 
tectura  (in  zehn  Büchern)  aus  der  Zeit  des  Augustus. 


54—56.  Kriegswissenschaft.    Architektur.    Peldmesskunat.  99 

1.  Vitniv.  Vn.  praef.  14  (p.  160,  7  ff .  R.):  animadverti  in  ea  re  ab 
Graecis  volumina  plura  edita,  ab  nostris  oppido  quam  pauca.  Fuficius  enim 
minuu  de  bis  rebus  ni  primus  instituit  edere  volumen,  item  Terentius 
Varro  de  novem  Disciplinis  (s,  unten  164,  6,  a)  unum  de  arcbitectura,  P.  Sep- 
timius  duo.  Als  Praktiker,  von  denen  er  aber  keine  Schriften  kenne,  nennt 
er  ib.  17  den  Cossutius  und  G.  Mucius. 

2.  Vitruv.  I,  1,  3  fordert  Ton  dem  Architekten  ut  litteratus  sit,  peritus 
grapbidoB,  emditus  geometria,  historias  complures  noverit,  philosophos  di- 
ligenter  andierit,  musicam  scierit^  medicinae  non  sit  ignarus,  responsa 
iurisconsultorimi  noverit,  astrologiam  coelique  rationes  cognitas  habeat. 

3.  Vitruv.  V,  1  f.:  non  de  architectura  sie  scribitur  uti  historia  aut 
poemata.  .  .  vocabula  ex  artis  propria  necessitate  concepta  inconsueto  ser- 
mone  obiciunt  sensibus  obscuritatem. 

66«  Die  Feldmesskunst  wurde,  so  weit  wir  wissen,  48 
zuerst  selbständig  von  Varro  behandelt.  Erwachsen  ist  sie  wohl 
auf  kirchlichem  Boden.  Durch  die  Müitärcolonien  und  die 
Reichsvermessung  unter  August  wurde  dann  ihre  Bedeutung  so 
gesteigert  dass  in  der  Kaiserzeit  eigene  Schulen  dafür  entstan- 
den, sowie  eine  eigene  halb  mathematische,  halb  juristische 
Literatur,  welche  vom  ersten  christlichen  Jahrh.  an  bis  ins 
sechste  herabreicht.  Der  älteste  dieser  schriftstellernden  Feld- 
messer (gromatici,  agrimensores)  ist  Frontinus,  dessen  Werk 
später  von  Aggenus  ürbicus  conmientiert  wurde.  Unter  Trajan 
schrieb  Baibus  seine  expositio,  sowie  Hyginus,  bald  darauf  auch 
Siculus  Flaccus.  In  späte  Zeiten  aber  fallen  M.  Junius  Nipsiis, 
Innocentius  u.  A.  mit  einer  theilweise  barbarischen  Latinität. 
Unter  den  hieher  gehörigen  Schriften  des  Boetius  ist  viel  Un- 
echtes.  Von  Anderem  ist  der  Name  des  Verfassers  nicht  bekannt. 

1.  Verbindung  mit  Kirchlichem;  s.  H.  Nissen,  das  templum,  Berlin  1869. 
S.  llfF.  Verbindung  mit  Jurisprudenz;  vgl.  Cic.  p.  Mur.  9,  22:  tu  (der  Jurist 
Sulpicius)  exercitatns  es  in  finibus  regendis.  Literatur  schon  alt;  vgl. 
Martial.  X,  17,  6:  mensorum  longis  .  .  vacat  ille  libellis. 

2.  Sammlungen:  von  A.  Tumebus  (de  agrorum  condicionibus  libri, 
Paris  1554.  4.),  N.  Bigaltius  (Auetores  finium  regundorum,  Paris  1614.  4.), 
G.  Goesius  (Bei  agrariae  auctores  legesque,  Amsterd.  1674.  4.),  besonders 
aber;  Gromatici  veteres  ex  recensione  C.  Lachmanni,  Berlin  1848.  =  die 
Schriften  der  rOmischen  Feldmesser^  herausgegeben  und  erläutert  von  Blume, 
Lachmann  und  Budorff,  Bd.  I,  wozu  Bd.  ü.  (1852)  die  Erläuterungen  der 
Genannten  und  Th.  Mommsen's,  bes.  S.  320  ff.  die  gromatischen  Institutio- 
nen von  Budorff. 

3.  Paul.  Diac.  p.  96  M.:  groma  appellatur  genus  machinolae  cuiusdam 
quo  regiones  agri  cuiusdam  cognosci  possunt,    quod  genus  Graeci  yvcofiovcc 

7* 


100  Sacblicher  Theil.  ^ 

dicunt.  Also  ein  Visierinstrument.  Vgl.  im  Allgemeinen  Zeiss,  Ztschr.  f. 
Alt.  Wißfl.  1840,  Nr.  106  —  108,  Mommeen  in  den  Schriften  der  röm.  Feld- 
messer IL  S.  174 —  176,  und  den  Art.  Agrimensores  von  W.  Rein  und  E. 
Wölfflin  in  Pauly's  Real-Enc.  T,  1.  S.  594—696. 

4.  Ueber  die  volksthümlichen  Bestandtheile  in  der  Sprache  der  Gro- 
matiker  s.  A.  F.  Pott,  Ztschr.  f.  Alt.  Wiss.  1864,  S.  219  ff. 

40  57.   Erst  in  der  Kaiserzeit  begann  eine  selbständige  Litera- 

tur über  Masse  und  Gewichte,  theil  weise  sogar  in  gebundener 
Form. 

1.  Metrologicorum  scriptorum  reliquiae.  Cellegit,  recenauit,  partim 
nunc  primum  edidit  Fr.  Hultsch.  Vol.  II,  quo  scriptores  romani  et  indices  con- 
ti nentur.  Lipsiae,  Teubner.  1866.  Inhalt:  praefatio  (kritische  Hülfsmittel  und 
Zeichenerklärung)  p.  I — XXXI;  prolegomena  in  scriptores  romanos  (literar- 
historisch) p.  1 — 46.  Auszüge  aus  Varrq  L.  L.  p.  49  —  63;  aus  Golumella 
p.  53 — 56 ;  aus  Frontin.  de  limit. ,  p.  66—69 ;  aus  Hygin.  de  cond.,  p.  59 — 61. 
Volusius  Maecianus  p.  61 — 76.  Auszüge  aus  Festus,  p.  76—82;  aus  Priscian 
p.  82  —  86;  aus  Victorius  p.  87  f.  Das  Carmen  de  ponderibus  p.  88  —  98; 
das  de  lihrae  .  .  partibus  p.  99  f.  Epiphanius,  p.  100 — 106.  Auszüge  aus 
Isidor,  p.  106 — 123  u.  p.  136  —  142.  Varia  fragmenta  p.  123  —  135.  Calvi 
versio  tabularum  Alexandrinarum  p.  142 — 146. 

50  68.   Auch  die  Geographie  wurde  unter  den  Römern  zuerst 

von  dem  Polyhistor  Varro  eigens  abgehandelt,  dann  wohl  von 
Cornelius  Nepos,  sonst  aber  meist  nur  als  Anhang  oder  Beigabe 
zur  Geschichtschreibung.  In  Stoff  und  Behandlung  blieb  sie 
von  den  Griechen  abhängig,  so  weit  ihr  nicht  Autopsie  zu  Gute 
kam,  wie  in  Catos  Origines,  wie  bei  Caesar  und  Sallust.  Ein- 
zelne beschrieben  auch  ihre  Reisen  und  was  sie  darauf  gesehen, 
wie  Trebius  Niger,  Statins  Sebosus,  Turranius  Gracilis.  Indessen 
erst  die  von  Caesar  beabsichtigte,  von  August  durch  Agrippa 
ausgeführte  Vermessung  und  Beschreibung  des  ganzen  römischen 
Reiches,  unter  Entwerf ung  von  Karten  und  geographischen  Ab- 
handlungen, schuf  eine  umfassende  und  zuverlässige  Grundlage. 
Bald  folgte  denn  die  fleissige  und  in  ihrer  Art  kritische  Arbeit 
des  Pomponius  Mela.  Aus  eigener  Anschauung  lieferten  fort- 
während Manche  Einzelbeiträge,  wie  Seneca  in  seinen  Schriften 
über  Indien  und  Aegypten,  Mucianus  über  den  Osten,  sowie  für 
Germanien  und  Britannien  die  Germania  des  Tacitus  und  sein 
Agricola.  Umfassenderes  leistete  des  altem  Plinius  Abriss  der 
Erdbeschreibung  in  B.  III  bis  VI  seiner  N.  H.  Seneca's  Quaest. 
nat.  enthalten  eine  Art  mathematischer  und  physischer  Geogra- 
phie.    Die  ganze  Erdbeschreibung  unternimmt  nach  Plinius  kein 


67  £  Metrologie.  Geographie.  101 

"zweiter  Römer.  Wohl  aber  wurde  seine  Arbeit  um  die  Zeit 
Hadrians  in  einen  Auszug  gebracht  und  mit  Angaben  aus  andern 
Quellen  vermehrt,  womach*  dann  im  dritten  Jahrh.  n.  Chr.  So- 
linus  seinen  eigenen  Auszug  machte.  Gleichfalls  im  dritten 
Jahrh.  schrieb  der  ältere  lulius  Titianus  seine  descriptio  pro- 
vinciarum  imperii  romani.  Aus  dem  vierten  Jahrh.  sind  die 
geographischen  Lehrgedichte  des  Avienus  (orbis  terrae  und  ora 
maritima)  und  die  Mosella  des  Ausonius;  auch  des  Ammianus 
Marcellinus  Geschichtswerk  enthält  viel  Geographisches.  Zu 
Anfang  des  fünften  Jahrh.  verfasste  Rutilius  Namatianus  sein 
Itinerarium  (de  reditu  suo)  im  elegischen  Masse;  um  dieselbe 
Zeit  (oder  noch  zu  Ende  des  vierten  Jahrh.)  Vibius  Sequester 
sein  Schulbuch  über  die  bei  den  gelesensten  Dichtern  vorkom- 
menden geographischen  Namen.  Von  den  beiden  unter  dem 
Namen  des  Aethicus  (jqd'ixdg)  Ister  laufenden  Kosmographien 
ist  die  eine  ein  Auszug  aus  der  Kosmographie  des  Julius  (Ho- 
norius)  Orator  und  bloses  Verzeichniss,  die  andere  eine  zusam- 
menhängende Beschreibung;  eine  dritte  ist  ein  Werk  des  Mittel- 
alters. Aus  dessen  Beginn  ist  der  sogenannte  Geographus  Ra- 
vennas.  Verzeichnisse  der  Strassenzüge,  Stationen  und  Entfer- 
nungen geben  die  Itineraria,  deren  wir  aus  dem  vierten  Jahrh. 
drei  haben,  das  It.  Antonini,  das  Hierosolymitanum  (von  Bur- 
digala  nach  Jerusalem)  und  das  It.  Alexandri.  Das  Original 
der  Peutinger'schen  Landkarte  aber  (Tabula  Peutingeriana)  ge- 
hörte wohl  schon  der  Mitte  des  dritten  christlichen  Jahrh.  an. 
In  dem  engem  Kreise  der  Hauptstadt  bewegt  sich  des  Frontinus 
Schrift  de  aquis  urbis  Romae  (aus  dem  Ende  des  ersten  Jahrh.), 
sowie  das  Regionenverzeichniss  der  Stadt  Rom  aus  dem  vierten 
Jahrh.,  welches  in  einer  doppelten  Redaction  (wahrscheinlich 
aus  334  und  etwa  360  n.  Chr.)  erhalten  ist  und  aus  dessen 
mittelalterlichen  Interpolationen  die  beiden  trügerischen  Schrift- 
steller P.  Victor  und  Sex.  Rufus  entstanden  sind. 

1.  ükert,  Geographie  der  Griechen  und  Römer,  bes.  I,  1.  Gotha  1816. 
Lelewel,  Geschichte  der  Erdkunde,  in  dessen  kleineren  Schrr.  geogr.-hist. 
Inhalts  (ubers.  von  Neu,  Leipzig  1836).  A.  Forbiger,  Handbuch  der  alten 
Geographie,  Leipzig  1842,  und  andere  Lehrbucher  dieser  Art. 

2.  Den  Geographus  Ravennas  pflegt  man  mehr  wegen  seiner  barbari- 
schen Sprache  als  aus  zuverlässigen  sachlichen  Gründen  in  das  siebente 
Jahrh.  zu  setzen.  Dass  ihm  ein  griechisches  Original  zu  Grunde  lag  er- 
hellt aus  den  vielen  Namen  welche  den  Durchgang  durch  das  Griechische 


102  Sachlicher  Theil.    Geographie. 

yerrathen.  A.  v.  Gutschmid,  Rhein.  Mus.  XII.  S.  438  —  441.  Ausgaben  von 
Placidus  Porcheron  (Paris  1688),  J.  Gronov  (an  seinem  Mela,  1696),  A. 
Gronov  (1722),  bes.  aber  von  M.  Pinder  und  G.  Parthey,  Bavennatis  ano- 
nymi  cosmographia  et  Guidonis  geographica,  ex  libris  mss.  ediderunt,  Berlin 
1860.  XYIII  und  674  pp.  (mit  Karte).  M.  Pinder,  über  die  Eosmographie  des 
G.  R.,  Berliner  Akad.  Oct.  1853.  A.  Jacobs,  de  Gallia  ab  Anonymo  Ray.  de- 
scripta,  Paris  1858.  71  pp.  (mit  Karte).  G.  Parthey,  Aegypten  beim  G.  R. 
(Abhandl.  der  Berl.  Akad.  1858.  35  S.  4.) ;  die  Erdansicht  des  G.  R.  (Mo- 
natsber.  der  Berl.  Ak.  1859.  S.  627  ff.);  Geogr.  Ray.  beim  Riccobaldus 
Florariensis  (Hermes  IV.  S.  134—137.) 

3.  Die  tabula  Peutingeriana,  benannt  nach  dem  Augsburger  Raths- 
herm  Konrad  Peutinger,  an  den  sie  durch  ihren  Entdecker  (in  Worms, 
J.  1507)  Konr.  Celtes  kam,  ist  eine  im  J.  1265  zu  Colmar  gemalte  und 
jetzt  (aus  der  Bibliothek  des  Prinzen  Eugen)  in  der  Wiener  Hofbibliothek 
befindliche  Copie  eines  alten  Originals,  auf  zwölf  breiten  Pergamentstrei- 
fen. Es  ist  eine  Reisekarte,  welche  die  ganze  den  Römern  bekannte  Welt 
umfasst  (im  Westen  fehlt  ein  Stück),  von  Nord  nach  Süd  stark  zusammen- 
gepresst,  desto  gedehnter  von  Ost  nach  West.  Verhältniss  der  Breite  zur 
Höhe  2174: 1.  Veröffentlichung  durch  C.  P.  von  Scheyb,  Wien  1753  fol.; 
dann  von  Mannert,  Lips.  1824.  fol.,  auch  in  Katancsichs  Orbis  antiquus  e 
tab.  Peut.  (Buda  1824  f.  4.)  und  im  Recueil  dltin^raires  anciens  von  Fortia 
d'ürban  (Paris  1845.  4),  sowie  von  E.  Desjardins  (Paris  1868  ff.).  Abhand- 
lungen: üeber  den  Strassenzug  der  P.  T.  von  Vindonissa  nach  Sumlocenis 
und  von  da  nach  Regino,  von  A.  Pauly,  Stuttgart  1836.  4.  Mit  1  Karte, 
üeber  die  P.  T.  und  die  zwischen  Rhein  und  Donaumündung  auf  ihr  ver- 
zeichneten Grenz  Völker  s.  E.  v.  Wietersheim,  Gesch.  der  Völkerwanderung, 
Bd.  II,  Excurs  c.  üeber  den  Gallien  betreffenden  Theil  der  Tafel  s.  A. 
Maury  in  Revue  arch.  1864.  I.  p.  60—63.  E.  Paulus,  Erklärung  der  P.  T. 
mit  besonderer  Anwendung  auf  die  Römerstrassen  von  Windisch  (Vindo- 
nissa) nach  Regensburg  (Reginum)  und  von  Pfin  (Ad  fines)  nach  Augsburg 
(Aug.  Vind.),  Stuttgart  1867.    Mit  1  Tafel. 

4.  Für  die  Statistik  des  späteren  römischen  Reiches  ist  von  Wichtig- 
keit das  byzantinische  Staatshandbuch  (Verzeichniss  der  Hof-,  Civil-  und 
Militär- Aemter),  Notitia  dignitatum  et  administrationum  omnium,  tarn  civi- 
lium  quam  militarium,  in  partibus  orientis  et  occidentis,  eine  ofßzielle  Ar- 
beit, verfasst  am  Ende  des  vierten  Jahrh.  Hauptausgabe  von  E.  Böcking 
(Bonn  1839—1850,  wozu  1863  ein  Index).  Der  Text  (nebst  Bildern)  besteht 
aus  116  pp.;  das  Uebrige  fällt  auf  die  Adnotatio. 


B.  Besonderer  und  persönlicher  Theil. 


I. 

Vorgeschichte  der  römischen  Literatur 

bis  zum  J.  514  d.  St. 

59.  Was  in  der  ältesten  Zeit  von  Geschriebenem  über  den  51 
Charakter   von  Registern   hinausgieng   hatte   ohne  Zweifel   alles 
eine  gewisse  rhythmische  Haltung  und  war  in  so  fem  ein  Carmen. 

1.  Alter  der  Schrift  in  Eom:  in  Latium  litteras  attulerunt  Pelasgi, 
Plin.  n.  h.  VII,  57,  193.  Erst  seit  der  Tarquinierherrschaft  aus  Cumä  er- 
halten? Schwegler  I.  S.  26.  Dagegen  für  das  hohe  Alter  der  Schreibekunst 
in  Rom  (mit  Recht)  Mommsen  R.  G.  P.  S.  199  f.  B.  Modestow,  der  Ge- 
brauch der  Schrift  unter  den  römischen  Königen,  Berlin  1871.   139  S. 

2.  Carmen  z.  B.  Liv.  I,  24.  26  (lex  horrendi  carminis).  32.  III,  64  (ro- 
gationis  Carmen).  X,  38  (Schwurformel).  41.  Cic.  p.  Mur.  12,  26  (praetor 
ne  .  .  aliquid  ipse  sua  sponte  loqueretur  ei  quoque  Carmen  compositum 
est),  de  legg.  II,  23,  69  (XII  tabb.).  de  or.  I,  57  extr.  Macrob.  III,  9,  6  ff. 
(Carmen  quo  di  evocantur).  Ritschi,  Sat.  poes.  I.  p.  4  f.  H.  Düntzer,  das 
Wort  Carmen  als  Spruch,  Formel,  Lehre,  in  Mützells  Ztschr.  f.  Gymn.  1857. 
S.  1—33  (vgl.  PhilologuB  XXVIII.  S.  242  ff.)  und  dagegen  0.  Ribbeck  in 
Fleckeisens  Jahrbb.  LXXVII.  S.  201—213. 

3.  C.  Zell,  Ferienschriften  IL  S.  99  ff.  W.  Corssen,  Origines  poesis 
romanae,  Berlin  1846.  W.  Th.  Streuber,  über  die  älteste  Poesie  der  Römer, 
VerhandL  der  Basler  Philol.  Vers.  1847.  R.  Westphal,  über  die  älteste 
Form  der  röm.  Poesie,  Tübingen  1862. 

60.  Jener  Rhythmus  wird  durch  den  Namen  saturnischer,  52 
d.  h.  altitalischer,  Vers  bezeichnet.  In  diesem  tritt  für  das  Ohr 
am  stärksten  hervor  das  Zerfallen  in  zwei  Hälften  von  verschie- 
denem Grundrhythmus,  die  erste  Hälfte  gewöhnlich  ansteigend, 
die  zweite  in  der  Regel  fallend.  Nächstdem  scheinen  das  Mass- 
gebende die  Hebungen  zu  sein,  je  drei  in  einer  Vershälfte,  wo- 
gegen die  Senkung  unterdrückt  werden  kann  und  der  Hiatus 
noch  nicht  bekannt  ist.    Hebung  wie  Senkung  kann  zweisilbig 


104  Die  fünf  ersten  Jahrh.  d.  St. 

sein.  Die  lockere  Fügung  wird  gekräftigt  durch  das  Band  der 
Alliteration.  Eine  andere  Auffassung  legt  unmittelbar  den 
Massstab  griechischer  Metrik  an  und  stellt  als  Grundschema  des 
Saturnius  auf: 

Dabünt  malum  Metelli  Naevio  poetae.  —  Der  Saturnius  lebte, 
noch  lange  nachdem  die  Einführung  der  griechischen  Verskunst 
(mit  den  Massen  der  scenischen  Dichter  und  dann  den  dakty- 
lischen des  Ennius)  ihn  aus  der  Literatur  verdrängt  hatte,  in 
der  Nation  fort  und  scheint  zu  Rom  noch  am  frühesten  ausser 
Gebrauch  gekommen  zu  sein. 

1.  Mar.  Vict.  III,  1.  p.  25S6  P.:  versus  cui  prisca  apud  Latinos  aetas 
tanqaam  Italo  et  indigenae  Saturnio  sive  Faunio  nomen  dedit.  Andere  Ab- 
leitung (von  satura)  bei  Mommsen  R.  G.  P.  S.  206  Anm. 

2.  Serv.  Verg.  Ge.  II,  386:  ad  rhythmum  solum  compositus.  Vgl.  W. 
Teuffei  in  Fleckeisen's  Jahrbb.  LXXVII.  S.  281.  Ansicht  von  Niebuhr,  K. 
F.  Hermann  (Culturgesch.  II.  S.  67),  R.  Westphal  (Dissertation  von  1852; 
etwas  modificiert  AUg.  Metrik,  1865,  S.  261  —  266)  u.  A.  —  Die  Form  der 
späteren  Volkslieder  wäre  dann  nur  eine  Wiederauffrischung  der  ursprüng- 
lichen, durch  die  Kunstpoesie  eine  Zeit  lang  zurückgedrängten.  Ueberhaupt 
reiht  sich  bei  dieser  Auffassung  der  Saturnius  als  gleichartiges  Glied  in  die 
Geschichte  der  Volkspoesie  ein.  Vgl.  Westphal,  a.  a.  0.  S.  264 — 256.  K. 
Bartsch,  der  satumische  Vers  und  die  altdeutsche  Langzeile;  Beitrag  zur 
vergleichenden  Metrik  (Leipzig  1867.  62  S.),  wo  aber  der  Versuch  eine  ur- 
sprüngliche Vierheit  der  Hebungen  in  beiden  Hälften  zu  erweisen  nicht 
gelungen  ist. 

3.  Hellenisierende  Auffassung:  Atil.  Fortunat.  p.  2680  P.:  habet  prima 
parte  iambicum  dimetron  catalecticon,  in  secunda  trochaicon  bittchycata- 
lecton,  quod  ithyphallicum  dicimus  (Pfau:  zwei  trochäische  Tripodien,  die 
erste  mit  Anakrusis);  doch  mit  dem  Geständniss  so  zahlreicher  Abweichun- 
gen ut  vix  invenerim  apud  Naevium  quos  pro  exemplo  ponerem.  Auf 
dieser  Seite  bes.  G.  Hermann  (Metr.  $.  525),  E.  0.  Müller  (alle  Senkungen 
ausser  der  letzten  können  unterdrückt  werden;  vgl.  Corssen  p.  193  ff.  und 
W.  Hertzberg,  Hall.  A.  Lit.  Z.  1847.  April.  S.  765  f.),  F.  Ritschi  (negative 
Grundsätze:  ut  nee  omittatur  unquam  vel  prioris  hemistichü  anacrusis 
vel  alterutrius  thesis  finalis,  nee  unquam  alteri  hemistichio  anacrusis  ad- 
datur,  nee  saepius  quam  in  singulis  hemistichiis  semel  reliquae  theses  sup- 
primantur,  nee  quicquam  offensionis  vel  arsium  solutio  vel  neglectio  cae- 
surae  vel  vocalium  hiatus  habeat;  de  tit.  Mumm.  p.  IL),  vgl.  0.  Ribbeck 
in  Jahns  Jahrbb.  LXXVII.  S.  199  ff.  und  dagegen  Corssen,  Aussprache  IL 
S.  418  ff.  Beschränkungen  und  Berichtigungen  der  Ritschrschen  Theorie  s. 
auch  bei  F.  Bücheier  in  Fleckeisens  Jahrbb.  LXXXVII.  S.  330—342  und  A. 
Spengel,  Philologus  XXIIl.  S.  81 — 113,  welcher  Letztere  die  fünf  „Gesetze" 
aufstellt:  1)  Der  sat.  Vers  ist  ein  asynartetischer.  2)  In  keinem  Verse  kann 
mehr  als  Eine  Thesis  unterdrückt  werden,  und  zwar  nur  die  vorletzte,  ge- 


60.  Der  Saturnius.  105 

wohnlich  des  zweiten  HemiBtichs.  3)  Die  Cäsur  kann  nie  yernachläeeigt 
werden,  sondern  tritt  entweder  nach  der  vierten  Thesis  ein  oder  nach  der 
dritten  Arsis.  4)  Hiatus  wird  häufig  zugelassen.  5)  Die  Arsen  können  auf- 
gelöst, die  Thesen  durch  Pyrrhichien  und  häufiger  noch  durch  Längen  er- 
setzt werden.  Unerlaubt  ist  der  Pyrrhichius  nur  in  der  letzten  Thesis, 
sowie  bedingt  in  der  vierten.  Auch  R.  Westphal,  allg.  Metrik,  bes.  S.  252  f. 
In  der  Mitte  steht  die  Ansicht  von  Mommsen  R.  G.  I.  S.  206  f. 

4.  Flayii  Sosipatri  Charisii  de  versu  Satamio  commentariolus,  ex  cod. 
Neap.  nunc  primum  ed.  a  P.  G.  Schneidewin.  Gott.  1841.  4.  Vgl.  H.  Keil, 
Philologus  III.  S.  90  ff.  Stellensammlung  von  J.  A.  Pfau,  de  numero  sa- 
turnio  Spec.  I  (Quedlinburger  Progr.  1846.  4)  und  de  n.  s.  commentatio 
(Quedlinb.  1864.  8.)  p.  7—49. 

5.  H.  Düntzer  und  L.  Lersch  (de  versu  quem  vocant  Satumio,  Bonn 
1838)  erklärten  für  die  Hauptsache  das  Untergeordnetste,  die  Silben- 
zählung; später  wollte  Düntzer  (Philologus  XXVIII.  S.  230—276),  in  das 
andere  Extreme  gerathend,  dem  Saturnius  keine  anderen  Freiheiten  ein- 
räumen als  die  welche  sich  in  den  übrigen  volksthümlichen  Sprüchen 
und  bei  den  Komikern  nachweisen  lassen,  und  erklärte  (a.  a.  0.  S.  242- 
262)  die  monumentalen  Saturnier  für  Prosa.  C.  H.  Weise,  der  sat.  Vers  im 
Plautus  (!),  Quedlinb.  1839.  Th.  Korsch,  de  versu  saturnio,  Moskau  1868. 
140  pp. 

6.  Die  Erkcnntniss  dass  auszugehen  sei  von  den  monumentalen  Sa- 
turniem   ist  der  bleibende  Gewinn  von  Ritschis  Forschungen.    Die  Satur- 

*  nier  des  Andronikus  und  Nävius  kommen  erst  in  zweiter  Reihe  in  Betracht. 
Aber  wenig  Wahrscheinlichkeit  hat  es  dass  die  einzige  metrische  Form 
deren  sich  ein  literarisch  noch  nicht  cultiviertes  Volk  bediente  in  eine 
Vielheit  künstlicher  und  schwieriger,  mit  dem  blosen  Gehör  nicht  zu  fassen- 
der Bestimmungen  eingeschnürt  gewesen  sei. 

7.  Anwendung  in  Volksliedern  und  Inschriften;  Atil.  Fort.  II,  27 
(p.  2680  P.):  maxime  triumphaturi  in  Oapitolio  tabulas  huiusmodi  versibus 
incidebant.  Bücheier  in  Fleckeisens  Jahrbb.  LXXVII.  S.  61.  vgl.  W.  Teuffei, 
ebend.  S.  281  f.    W.  Fröhner,  Philologus  XIII.  S.  208. 

8.  Festus  s.  V.  navali  Corona  (p.  162  a.  M.).  Atil.  Fort.  p.  2680.  Li- 
viuB  XL,  52  (J.  575  d.  St.).  XLI,  28  (J.  580).  Titulus  Mummianus  (c.  615 
d.  St.)  8.  Ritschl's  Monogr.,  Berlin  1852.  4.  Schol.  Bob.  zu  Cic.  p.  Arch. 
p.  359  Or.  (J.  620).    Vgl.  unten  83;  88,  5;  114  und  136,  1. 

9.  W.  Th.  Streuber,  de  inscriptionibus  quae  ad  numerum  Sat.  referun- 
tur,  Zürich  1846.  Inschrift  von  Sora  (Mommsen  I.  R.  N.  4495),  s.  W. 
Henzen,  Rhein.  Mus.  N.  F.  V.  S.  70  ff.  Diar.  inst.  Arch.  1846.  p.  71  ff. 
Ritschi,  Monumenta  epigraph.  tria,  p.  14  ff.;  Satumiae  poeseos  reliquiae, 
Bonn  1854.  4.;  Rhein.  Mus.  VIII.  S.  288. 

61.   Ihrem  Inhalt  nach   sind  die  Denkmäler  und  Aufzeich-  53 
nungen   der   ältesten  Zeit   vorzugsweise   praktischer   Art,   theils 
rein   gottesdienstlich,   theils  politisch -historisch,   und   sie  haben 


106  Die  fünf  ersten  Jahrh.  d.  St. 

theils  einen  öffentlichen  theils  einen  privaten  Charakter.  Vom 
vierten  Jahrh.  d.  St.  an  gewinnt  auch  das  Recht  Bedeutung  für 
die  Literatur. 

1.  Seit  dem  J.  390  d.  St.  befand  sich  in  Rom  eine  stehende  Bühne; 
8.  oben  6,  3. 

a)  Gottesdienstliches. 

54  62.   An   dem   uralten   Frühlingsfeste    der   Salier   im  März 

wurden  beim  Festzuge  auf  dem  Palatinus  von  jener  Priester- 
schaft alte,  schon  der  ciceronischen  Zeit  unverständliche  und 
daher  in  ihr  commentierte  Cultuslieder  (axamenta),  besonders  zu 
Ehren  des  Lichtgottes  Mars,  abgesungen^  deren  treue  Fortpflan- 
zung auf  frühzeitige  Aufzeichnung  schliessen  lässt. 

1.  Zurückfahrung  auf  Numa,  Varr.  L.  L.  VII,  3.  Cic.  de  or,  III,  51, 
197.  Hör.  Ep.  II,  1,  86.  Liv.  I,  20.  Quintil.  I,  10,  20.  Ter.  Scaur.  p.  2261. 
Diomed.  p.  473  P.  =  p.  476  K.  Im  unterschiede  von  diesen  Salü  palatini 
waren  die  coUini  (oder  agonenses)  jüngeren  Ursprungs,  s.  Scheiffele  in 
Pauly's  Real-Enc.  VI,  1.  S.  690  f. 

2.  XJnverständlichkeit,  Hör.  1.  1.  Quintil.  I,  6,  40.  Daher  Gommentar 
von  L.  Aelius  Stilo  (Varro  L.  L.  VII,  2.  Fest.  p.  141.  146.  210.  329)  und 
7on  Sabidius  (?  Schol.  Mai's  zu  Aen.  X,  241).  Vorliebe  späterer  Alter- 
thümler,  Capitolin.  M.  Ant.  4.    Symmach.  Ep.  III,  44. 

3.  üeberreste  dayon  vielfach  zusammengestellt  und  commentiert,  z.  B. 
Egger,  lat.  serm.  vet  rell.  p.  72  f.  Bergk,  de  carm.  Sal.,  Marburg  1847.  4. 
Corssen,  origg.  poes.  rom.  p.  43.  55— 86. 

4.  Quintil.  I,  10,  20:  versus  quoque  Saliomm  habent  Carmen. 

6.  üeber  den  ganzen  Saliercult  s.  Scheiffele  in  Fauly's  Beal-Enc.  VI, 
1.  S.  688—694.  Becker-Marquardt,  röm.  Alterth.  IV.  S.  369—380.  Ueber 
Mars  als  Sonnengott  s.  Bergk,  Ztschr.  f.  Alt.  Wiss.  1866,  S.  143  f.  vgl. 
Corssen  1.  1.  p.  28 — 36  und  in  Aufrecht  und  Euhn*8  Ztschr.  U.  S.  1—36. 
Schwegler  I.  S.  228  ff.  (Gott  des  Wachsthums). 

6.  In  der  Zeit  des  Verfalls  der  alten  Religion  wurden  auch  preisende 
Erwähnungen  von  Fürsten  in  das  Salierlied  aufgenommen,  wie  des  August 
(Dio  LI,  20.  Mon.  Anc.  II,  19),  Germanicus  (Tac.  A.  II,  83.  vgl.  Henzen 
6382),  Verus  (Jul.  Cap.  M.  Ant.  21). 


oo 


63.  Die  arvalische  Brüderschaft,  welche  im  Mai,  kurz 
vor  der  Ernte,  einen  feierlichen  Flurumgang  hielt,  hatte  gleich- 
falls ihre  feststehenden  uralten  Ritual-Lieder,  von  welchen  eines, 
sammt  dem  Protokoll  einer  Zusammenkunft  dieses  CoUegiums 
aus  der  Zeit  des  Heliogabalus,  auf  uns  gekommen  ist.  Es  wurde 
mit  lebhafter  orchestischer  Bewegung  (tripudium)  und  im 
Wechselgesang  vorgetragen. 


f 


'^  62—64.   Carmen  saliare.   Arvalische  Brüderschaft.  107 

!  1.   Die  zwölf  fratres  arvales  bedeuten  wohl  die  zwölf  Monde,  die  Söhne 

derselben  Sonne.  Vgl.  über  sie  bes.  W.  Hertzberg,  de  ambarvalibus  et 
ambnrbialibuB,  in  Jahn's  Archiv  Y.  S.  414  ff.  £.  Hoffmann,  d.  Arvalbrü- 
der,  Breslau  1858.  4.  (auch  in  denVerhandl.  der  Bresl.  Phil.-Yers.  S.  67  ff.). 
Vgl.  L.  Preller  in  Jahns  Jahrbb.  79,  S.  547  f.  Mommsen  in  d.  Grenzboten 
1870,  I.  S.  161—178. 

2.  Der  im  J.  1777  zu  Rom  gemachte  Fund  ist  herausgegeben  yon  Ma- 
rini,  gli  atti  e  monumenti  de*  fratelli  arvali,  scolpiti  giä.  in  tavole  di  marmo 
ed  ora  raccolti,  diciferati  e  commentati,  Rom  1795.  2  Voll.  4.  (Fascimile 
II.  p.  668  und  bei  Ritschi  F.  L.  M.  E.  XXXVI  A.)  und  seitdem  oft  abge- 
druckt und  erläutert,  z.  B.  G.  Hermann,  El.  d.  metr.  p.  613  ff.  Orelli 
Inscr.  I.  p.  388  ff.  ygl.  IL  p.  444.  R.  H.  Klausen,  de  carmine  fratrum  arva- 
lium,  Bonn  1836.  Corssen,  Origg.  p.  86  ff.  Th.  Bergk,  Zeitschr.  f.  Alt.  W. 
1856,  Nr.  17 — 19.  Melchiorri,  Appendice  agli  atti  e  monumenti  de*  fratelli 
Arvali,  Rom  1855.'  4.  W.  Henzen,  frammenti  di  tavole  arvaliche,  Annal. 
deir  inst.  arch.  XXX  (1858)  p.  47 — 53.  De  Rossi,  vicende  degli  atti  de' 
fratelli  arvali,  ed  un  nuovo  frammento  di  essi,  ebds.  p.  54 — 79.  Corp.  Inscr. 
lat.  I,  28.  p.  9  f.   Borghesi,  Oeuvres  IV.  p.  394  ff, 

3.  Neuer  Fund  von  acta  der  fratres  arvales  J.  1866  u.  1867  beim 
fünften  Meilenstein  der  via  Portuensis,  in  der  Vigna  Ceccarelli;  zuerst 
72  Zeilen,  enthaltend  die  Acten  des  CoUegiums  von  Oct.  58  bis  März  59 
n.  Chr.  Vgl.  Rossi,  Bull.  d.  archeol.  cristiana  1866,  p.  63—62.  W.  Hen- 
zen, im  Hermes  H.  S.  37—65  imd  Th.  Mommsen,  ebds.  S.  56 — 64.  Dann 
29  Bruchstücke,  reichend  vom  J.  38  bis  ungefähr  250  n.  Chr. ;  s.  W.  Henzen, 
scavi  nel  bosco  sacro  dei  fratelli  arvali;  relazione  etc.  Rom  1868.  fol. 
(Annali  dell'  inst,  arch,  XXXIX),  p.  1—99;  nebst  Nachtrag  im  Bull,  deir 
inst.  arch.  1869,  p.  81 — 121.  Vgl.  0.  Hirschfeld  in  d.  Götti.  gel.  Anz.  1869, 
S.  1497—1617.  A.  Klügmann  im  Philologus  XXVIII.  S.  469  —  494.  Grenz- 
boten 1869,  II.   S.  481—498. 

64.  So  hatten  sicherlich  auch  noch  andere  kirchliche  Kör-  56 
perschaften  ihre  uralten  Lieder  und  Litaneien.  Ausserdem  gab 
es  alte  Sprüche  und  Weissagungen  im  satumischen  Mass^  welche 
der  Volksglaube  auf  Faunus,  Carmentis  u.  A.  zurückführte  und 
welche  theilweise  schon  frühzeitig  gesammelt,  noch  mehr  aber 
gefälscht  wurden. 

1.  Ennius  Ann.  y.  222  V.:  versibus  quos  olim  Fauni  vatesque  cane- 
bant.  Fest.  p.  325:  yersus  antiquissimi,  quibus  Faunus  fata  cecinisse 
hominibus  videtur,  Satumii  appellantur.  Ebenso  gab  Carmentis  ififiixQovg 
XQTi^ttovg  (Plut.  quaest.  rom.  66),  nämlich  im  Satumius  (Varr.  L.  L.  VII, 
88).  Similiter  Marcius  et  Publicius  vates  cecinisse  dicuntur  (Cic.  de  diy.  I, 
60,  116).  Hör.  Ep.  U,  1,  26:  annosa  volumina  vatum,  und  dazu  Porphyrio: 
veteres  libros  Marci  yatis  Sibyllaeque  et  similium.  Vgl.  Fest  p.  326, 
b.  M.:  ex  libris  sibyllinis  et  yaticinio  Marci  yatis.  Corssen,  Origg. 
p.  6—16.  162. 

2.  Marcius  (Cic.  1.  1.  Liy.  XXV,  12.    Macrob.  Sat.  1,  17.    Plin.  N.  H. 


108  Die  fünf  ersten  Jahrh.  d.  St. 

VII,  33.  Porphyr.  1.  1.  vgl.  Fest.  p.  165:  Cn.  Marc.)  lebt<;,  unbestimmt  wie 
lange,  vor  dem  zweiten  punischen  Kriege  (vates  hie  Marcius  illustris 
fuerat  etc.  Liv.  1.  1.).  Von  mehreren  dieses  Namens  sprechen  Cic.  de  div. 
I,  40,  89  (Marcii  fratres,  nobili  loco  nati).  II,  55,  113  (nee  Pablicio  nescio 
cui,  nee  Marciis  vatibus).  Serv.  Ae.  VI,  70.  Syramach.  Ep.  IV,  34:  Marcio- 
mm  vatam  divinatio  caducis  corticibus  inculcata  est.  Vgl.  unten  82,  4. 
Reduction  der  Proben  bei  Liv.  1.  1.  auf  Saturnier  von'Westphal,  Form  d. 
ält.  röm.  Poesie  S.  58. 

57  66.  Ritualvorschriften,  Gesänge  und  Gebete  im  umbrischen 
und  zugleich  im  lateinischen  Dialekte  enthalten  die  sieben  im 
J.  1444  in  der  Stadt  Gubbio  (Iguvium,  umbrisch  Ikuvi)  gefundenen 
Tafeln  (tabulae  iguvinae)  von  verschiedenem  Alter.  Satur- 
nischer Rhythmus  mit  Alliteration  tritt  darin  theilweise  •  unver- 
kennbar zu  Tage. 

1.  Erste  vollständige  Veröffentlichung  1723  durch  Bonarota  in  Demp- 
sters  Etruna  regalis.  —  Lanzi,  Saggi  di  lingua  Etrusca  Vol.  III.  B.  Lep- 
siuB,  de  tabulis  eug;ubini8  (Berlin  1833),  im  Rhein.  Mus.  II  (1834)  S.  191  ff. 
und:  Inscriptiones  umbriacae  et  oscae,  ad  ectypa  monumentorum  confectae, 
Lips.  1841.  mit  Atlas.  G.  F.  Grotefend,  Eudimenta  linguae  umbricae^  Han- 
nover 1835—39,  VIII  Partes,  u.  in  Pauly's  Real-Enc.  IV.  S.  95—103.  C. 
Lassen,  Beitrage  zur  Deutung  der  eug.  Tff.,  im  Rhein.  Mus.  I  (1833).  S.  360  ff. 
und  II.  S.  141  ff.  S.  Th.  Aufrecht  und  A.  Eirchhoff,  die  umbrischen 
Sprachdenkmäler,  mit  10  lithogr.  Taff.  Berlin  1849—1851.  4.  2  Bde.  Ph.  E. 
Huschke,  die  iguvin.  Tafeln  nebst  den  kleineren  umbr.  Inschriften,  Leipzig 
1859.  8. 

2.  SatunuuB  und  Alliteration,  s.  G.  F.  Grotefend  in  Pauly's  Real-Enc.  IV. 

5.  98.  99.  100.    Westphal,  älteste  röm.  Poesie  S.  57  f. 

b)  Politisch-Historisches. 

58  66.    Bundesverträge   aus   der   Königszeit   sind    1)  der   apo- 
kryphe hundertjährige  des  Romulus  mit  den  Vejentern;  2)  das 
Bündniss   des   TuUus   Hostilius   mit   den  Sabinem;    3)   das   des 
Servius    Tullius   mit   den   Latinem;   4)  der  Friedensschluss   des  . 
Tarquinius  (Superbus?)  mit  Gabii. 

1)  Dionys.  Antiq.  II,  55:  atriXais  ivBxtxQa^B  rag  hp^oXoyCag,  nach  griechi- 
scher Sitte. 

2)  Dionys.  III,  33:  cxriXag  dvtiyodtpovg  ^ivreg,  vgl.  Hör.  Ep.  II,  1,  24  f. 

3)  Dionys.  IV,  26:  tpa  firjSelg  XQ^^og  avtovg  d(pavtari  atYjlrjv  xatacTx«v- 
daag  xttluriv  iyQarpsv  iv  zavtji  etc.  und  sie  war  yQaiifidizaiv  ^x^vaa  x^9^' 
TizriQag    ilXrivtyimv,    otg   to    icaXatov  17  'EXXag   ixQciTO.     Vgl.  Plin.  ep.  VIII, 

6,  14:  incisa  et  insculpta  sunt  publicis  aetemisque  monumentis  .  .  sie  quasi 
foedera  antiqua,  sie  quasi  sacrae  leges. 

4)  Geschrieben  auf  dem  Fell  des  dabei  geopferten  Stieres,   yQtxfiiiccaiv 


C5— 68.  Tabulae  iguvinae.   Foedera  regnm.   Leges  regiae.  109 

a^jjrai'xoeg,  und  im  Tempel  des  Sancus  aufbewahrt,  Dionys.  IV,  58.  vgl. 
Paul.  Diac.  p.  56  M.  Hör.  l.  1.  Gegen  die  Beziehung  auf  den  letzten  Tar- 
quinius  ist  Mpmmsen  R.  Gesch.  I.  S.  143.  Vgl.  auch  Schwegler  I.  S.  18  f. 
A.  2.  S.  21.  37,  A.  9.  43  E.  789. 

67.  Aus  der  ältesten  Zeit  der  Bepublik  finden  wir  1)  die  59 
Urkunde  des  Schifffahrts-  und  Handelsvertrags  mit  Karthago^ 
angeblich  aus  dem  ersten  Jahre  der  Republik;  2)  Vertrag  mit 
Konig  Porsena;  3)  Bündniss  mit  den  Latinem  vom  J.  261  d.  St.; 
4)  Foedus  Ardeatinum  aus  dem  J.  310.  Dazu  noch  5)  die  lex 
tribunicia  prima  vom  J.  261  d.  St.  und  6)  die  lex  Icilia  de 
Aventino  publicando^  vom  J.  298  d.  St. 

1)  Polyb.  III,  22:  Siad'ri'Kai  .  .  a^  nctd"'  oaov  tjv  dvvaxov  dKQißiaxaxa 
diSQfiTivsvaavtsg  rmeCg  vnoyeyQatpafisv.  ri\Xi%avxri  yäq  rj  diacpoQa  yiyovs 
xrjg  dtaXs%xov  mal  nagä  *Pci)na£oig  xifg  vvv  n(f6g  xr^v  ciQxaiav  Scxs  xovg 
awsxoDxdxovg  ivia  fioXig  i^  Iniaxdatmg  disvriQiVBiv.  Aus  einem  Mi&sver- 
ständnisse  des  Polyb.  erklärt  (und  als  erster  Vertrag  der  des  J.  406  d.  St.) 
von  Th.  Mommsen,  Rom.  Ohronol.  S.  320—325,  2.  Aufl.,  unter  Zustinunung 
von  J.  Aschbach,  Sitzungsber.  der  Wiener  Akad.  XXXI.  S.  421—428,  A. 
Schäfer,  Ehein.  Mus.  XV.  8.  396  f.  488.  XVI.  S.  288—290;  dagegen  be- 
kämpft  von  E.  Müller,  Verhandl.  d.  Frankfurter  Philologenvers.  (1861)  S. 
79—92,  und  H.  Nissen,  in  Fleckeisen's  Jahrbb.  96,  S.  321—332.  Vgl.  auch 
P.  J.  Röckerath,  foedera  Romanorum  et  Oarthaginiensium  critica  ratione 
illnstrantur,  Münster  1860.  74  pp.  H.  Nissen,  de  pace  a.  201  a.  Chr. 
Cartbaginiensibus  data,  Marburg  1870.  4. 

2)  Plin.  N.  H.  XXXIV,  14,  139:  in  foedere  quod  expulsis  regibus 
populo  rom.  dedit  Porsena  nominatim  comprehensum  invenimus  ne  ferro 
nisi  in  agricultura  uterentur. 

3)  Cic  p.  Balb.  23,  53:  foedus  .  .  quod  quidem  nuper  in  columna  ahe- 
nea  meminimus  post  rostra  incisum  et  perscriptum  fuisse.  Vgl.  Liv.  II, 
33.     Fest.  p.  166  M. 

4)  Liv.  IV,  7. 

5)  Fest.  p.  31^,  30. 

6)  Liv.  m,  31.    Dionys.  X,  32. 

68.  Die  sogenannten  leges  regiae,  angeblich  Verordnun-  eo 
gen  und  Entscheidungen  welche  von  den  römischen  Königen 
ausgiengen,  in  ihrer  Form  zum  Theil  Alterthümlichkeit  anstre- 
bend und  von  sacralem  Charakter,  sind  uraltes  Gewohnheitsrecht, 
erst  später  aufgezeichnet  und  willkürlich  unter  die  einzelnen 
Könige  vertheilt. 

1.  H.  E.  Dirksen,  Versuche  zur  Kritik  u.  Auslegung  der  Quellen  des 
röm.  Rechts  (1823),  S.  234—358.  W.  Rein  in  Pauly's  Real-Enc.  IV.  S. 
994  f.     Schwegler  I.  S.  23—27.  vgl.  S.  572,  A.  1.  664,  A.  8. 


110  Die  fünf  ersten  Jahrh.  d.  St. 

^^  69.    Die   Sammlung   dieser   angeblichen    leges   regiae   hiess 

nach  ihrem  Urheber  ius  papirianum.  Da  das  älteste  ius  civile 
mit  dem  ius  sacrum  zusammenfallt,  so  liess  sich  als  Inhalt  jener 
Sammlung,  im  Hinblick  auf  einzelne  Bestimmungen  in  derselben, 
mit  einigem  Rechte  das  ius  civile  bezeichnen,  genauer  aber  be- 
stand sie  aus  sacralen  Normen.  Oeffentlichen  Charakter  scheint 
die  Sammlung  nie  gehabt  zu  haben. 

1.  Pompon.  Dig.  I,  2,  2.  §.  2:  quae  omnes  (leges  regiae)  conacnptae 
exstant  in  libro  Sexti  Papirii,  qui  foit  illis  temporibus  quibns  Superbns.  .  . 
is  liber  appellatnr  ius  civile  papiriannm  .  .  qnod  (Papirins)  leges  sine  or- 
dine  latas  in  unum  composuit.  ib.  §.56:  fuit  in  primis  peritus  (iuris)  P. 
Papirius,  qui  leges  regias  in  nnum  contulit.  Schwanken  über  die  Person 
und  Zeit  des  Pap.,  s.  Schwegler  I.  S.  24  f.  A.  5.  Inhalt  nsQl  t&v  tsQmv 
nach  Dionys.  III,  36.  Des  Granius  Flaccus  liber  de  iure  papiriano  citiert 
Paulus  Dig.  L,  16,  144.   Vgl.  W.  Rein  in  Pauly's  Real-Enc.  IV.  S.  660  f. 

6-  70.    Die  commentarii  regum  nehmen  den  Schein  als  ob 

sie  von  (den)  Konigen  aufgezeichnet  wären  nur  mit  Unrecht 
für  sich  in  Anspruch,  mögen  aber  Bestimmungen  über  könig- 
liche Functionen  enthalten  haben,,  welche,  der  Sache  nach  uralt, 
in  der  historischen  Zeit,  niedergeschrieben  und  gesammelt  wurden. 

1.  Cic.  p.  Bab.  p.  r.  5,  15:  ex  annalium  monumentis  atque  ex  regum 
commentariis.  Besonders  commentarii  Numae  (Liv.  I,  31),  welche  Ancus 
Martins  in  album  elata  proponere  in  publico  iubet  (Liy.  I,  32.  vgl.  Dionys. 
III,  36).  *Tjio(ivripLata  Novna  (Plut.  Marceil.  8)  =  libri  Numae  (Piso  bei 
Plin.  N.  H.  XXVin,  4)  =  leges  Numae  (Serv.  Aen.  VI,  860)  =  lex  Pom- 
pilii  regi^  in  Pontificum  libris  (Festus  p.  189  M.).  Ebenso  commentarii 
Serrii  Tullii  (Liv.  I,  60)  >»  descriptio  classium  (Festus  p.  246.  249  M.),  dem 
Inhalte  nach  auch  =  censoriae  tabulae  (Cic.  orat.  46,  166). 

2.  Schwegler  I.  S.  27  f.  vgl.  646,  A.  2, 

3.  Anderer  Art  sind  die  auf  einer  Unterschiebung  oder  Mystification 
beruhenden  Bücher  Numas  von  religionsphilosophischem  Inhalte,  welche  im 
J.  673  d.  St,  ausgegraben  wurden ;  s.  Yarro  (de  cultu  deorum)  bei  Augustin. 
civ.  dei  VII,  34,  E.  v.  Lasaulx,  über  die  Bücher  des  K.  Numa,  Abhandl. 
der  bair.  Akad.  phil.  Cl.  V.  S.  83  ff.  und  dagegen  Schwegler  I.  S.  664 — 668. 

63  71.   Den  ausgedehntesten  Gebrauch   von  der  Schreibekunst 

machten  die  Priester/  und  zv^ar  theils  in  Bezug  auf  ihren  un- 
mittelbaren Wirkungskreis,  den  Gottesdienst  und  dessen  Ritual; 
sov^ie  das  geistliche  Recht  (libri  pontificii  oder  pontificum 
u.  dgl.),  theils  über  denselben  hinaus  durch  Aufzeichnungen 
von  Vorkommnissen  Staats-  und  sacrabechtlicher  Art  welche  als 
Vorgänge  für  künftige  Fälledienten  (commentarii  pontificum). 


69 — 72.  Leges  regum.  Libri  und  commentavii  pontificum.  Fasti.      Hl 

1.  ünbeatimmte  Anführungen  (pontifices  dicunt,  docent,  apud  p.  legi- 
mu8  etc.)  Varro  L.  L.  V,  23.  Colmn.  II,  21,  5.  Macrob.  Bat.  HI,  20,  2.— 
Val.  Prob,  de  notis  1  (Grammat.  lat.  ed.  Keil  IV.  p.  271,  9):  in  legibus 
publicis  pontificumque  monumentis. 

2.  Pontificum  libri,  Cic.  de  or.  I,  43,  193.  Hör.  Ep.  II,  1,  26.  Fest, 
p.  189,  a,  9  M.:  testimonio  esse  libros  pontificum,  in  quibus  sit  etc.  Ma- 
crob. Sat.  I,  12,  21.  —  pontificii  libri,  Varr.  L.  L.  V,  98.  Cic.  Rep.  II,  31, 
64.  vgl.  N.  D.  I,  30,  84.  Fest.  p.  356.  —  pontificales  libri,  Sen.  epist. 
108,  31.  Serv.  Verg.  Ecl.  V,  66.  Ge.  I,  21.  Ae.  XII,  603.  vgl.  Lyd.  mens. 
rV,  20.  -—  libri  sacri,  Serv.  6e.  I,  272.  libri  sacrorum.  Fest.  p.  141.  Ein 
Tbeil  davon  waren  wohl  die  indigitamenta  (eig.  Anrufungsformeln),,  i.  e. 
pontificales  libri,  Serv.  Ge.  I,  21. 

3.  Commentarii  sacrorum  (pontificalium) ,  Fest.  p.  165.  286.  360.  — 
commentarii  pontificum,  Cic.  Brut.  14,  65.  p.  dom.  53,  136.  Liv.  FV,  3. 
VI,  1.  Plin.  N.  H.  XVIII,  3.  Quintil.  VIII,  2,  12.  —  tsgotpavt^v  yqatpaC, 
Dionys.  Vill,  56.  tsQccl  Siltoi,  ib.  I,  73.  teQcti  ßißloi,  ib.  X,  1. 

4.  Ambrosch,  observationes  de  sacris  Rom.  libris,  Part.  I.  Bresl.  1840.  4. 
und:  über  die  Beligionsbücher  der  Kömer,  Bonn  1843.  Seh  wegler  I. 
S.  31—34. 

72.  Die  Pontifices^  als  Inhaber  der  Zeitmesskunst ^  führten  64 
auch  die  fasti,  da«  Verzeichniss  der  Spruch-  oder  Gerichts-Tage 
(dies  agendi,  dies  fasti),  als  Bestandtheü  der  Monatstafel  (Ka- 
lendarium),  mit  Aufzählung  der  auf  jeden  Tag  fallenden  Feste 
und  Spiele,  Märkte,  Opfer  u.  dgl.,  woran  sich  allmählich,  aus- 
gehend von  den  Jahrestagen  trauriger  Ereignisse,  auch  sonstige 
kurze  Notizen  über  geschichtliche  Vorkommnisse  anschlössen, 
sowie  Bemerkungen  über  den  Aufgang  von  Sternbildern.  Seit 
der  Preigebung  dieser  fasti  (unten  86)  wurden  auch  von  Privat- 
personen fasti  auf  Tafeln  und  in  Büchern  veröffentlicht  und 
zum  Gegenstande  gelehrter  Erläuterung  gemacht.  Nach  Ein- 
führung der  julianischen  Zeitrechnung  (709  d.  St.)  kam  die 
Veröffentlichung  wieder  in  offieielle  Hände,  jetzt  des  Imperator 
als  pontifex  maximus.  Wir  besitzen  aus  dieser  Zeit  eine  Anzahl 
auf  Stein  gegrabener  oder  geschriebener  (gemalter)  Kalender- 
bruchstücke aus  Rom  und  itaHschen  Städten,  und  vom  achten 
Jahrhundert  d.  St.  bis  in  die  Zeit  des  Claudius  herabreichend. 
Als  die  neue  Zeitrechnung  sich  eingelebt  hatte  wurde  wieder 
Baum  für  die  Privatindustrie.  Erhalten  sind  noch  zwei  voll- 
ständige Kalender,  ein  amtlicher  des  vierten  Jahrhunderts,  ge- 
schrieben von  Furius  Dionysius  Philocalus  (aus  dem  J.  354  n. 
Chr.),  und  eine  christliche  Umarbeitung  des  amtlichen  Kalenders, 
verfasst  von  Polemius  Silvius  (aus  J.  448  f.  n.  Chr.). 


112  Die  fünf  ersten  Jahrh.  d.  St. 

1.  Varro  L.  L.  VI,  4.  p.  210  Sp.:  dies  fasti  per  quos  praetoribus 
omnia  verba  sine  piaculo  licet  fari.  contrarii  horum  vocantur  dies  nefasti, 
per  qnofl  dies  nefas  fari  praetor em  Do,  Dico,  Addico.  itaque  non  potest 
agi.  Vgl.  ib.  7.  p.  229.  Ovid.  Fast.  I,  48.  Liv.  I,  19  extr.:  idem  (Numa) 
nefastos  dies  fastcsque  fecit.  —  Suet.  Caes.  40:  fastos  correxit,  iam  pridein 
vitio  pontificum  per  intercalandi  licentiam  turbatos  »=  Einführung  der 
julianischen  Zeitrechnung;  vgl.  Aug.  81.  Capit.  M.  Antonin.  10:  fastis  dies 
iudiciarios  addidit.  —  Petron.  Sat.  30:  altera  (tabula  in  poste  triclinii  de- 
fixa  habebat  inscriptum)  lunae  cursum  stellarumque  septem  imagines  pictas, 
et  qui  dies  boni  quique  incommodi  essent  distinguente  buUa  notabantur. — 
Cic.  Phil.  II ,  34,  87 :  adscribi  iussit  in  fastis  ad  Lupercalia:  C.  Caesari  .  . 
M.  Antonium  .  .  regnum  detulisse,  Caesarem  uti  noluisse.  Bei  Domitians 
Regierangsantritt  wurde  eine  Senatscommission  niedergesetzt  qui  fastos 
adulatione  temporum  foedatos  exonerarent,  Tac.  H.  IV,  40.  Vgl.  C.  I.  lat. 
I.  p.  377  b. 

2.  Fulvius  Nobilior  in  fastis  quos  in  aede  Herculis  Musarum  posuit, 
Macrob.  Sat.  I,  12.  vgl.  13  extr.  Varro  L.  L.  VI,  4.  p.  213  Sp.  Censorin. 
d.  n.  20.  22.     Charis,  I.  p.  112  P.  =  138,  16  K. 

« 

3.  Verrius  Flaccus  statuam  habet  Praeneste,  in  superiore  fori  parte, 
circa  hemicyclium  in  quo  fastos  a  se  ordinatos  et  marmoreo  parieti  incisos 
publicarat,  Suet.  gramm.  17.  Theilweise  erhalten  in  den  fasti  praenestini; 
s.  unten  A.  8,  10.  Vgl.  Mommsen,  C.  I.  lat.  I.  p.  363,  a.  Nachgrabungen  des 
J.  1863  constatierten  dass  das  hemicyclium  worin  nach  Foggini  diese  fasti 
gefunden  wurden  nicht  das  des  Verrius  Flaccus  ist.  Vgl.  Henzen  im  Bull, 
arch.  April  1864. 

4.  Fasti  als  Bücher  (Fest.  p.  87,  19.  Ovid.  Fast.  I,  667)  verfassten 
Junius  Gracchanus,  Cincius,  Cornelius  Labeo,  Ovid,  Nisus,  Masurius  Sabi- 
nus,  Julius  Modestus  (de  feriis)  u.  A.  Festus  p.  67.  Macrob.  Sat.  I,  11 
extr.  Merkel  vor  seiner  Ausg.  der  Fasti  des  Ovid  p.  LIII.  Mommsen  C.  I. 
lat.  I.  p.  363.  —  Astronomische  Fasten  von  Clodius  Tuscus,  Merkel  1.  1.  p. 
LXVI  ff.  —  Aus  der  griech.  Literatur  Joh.  Lydus  de  mensibus. 

5.  Sammlungen  der  epigraphischen  fasti  durch  Jucundus;  J.  Mazochi 
(1509?);  Aldus  Manutius  vor  T.  III  seiner  2.  u.  3.  Ausg.  des  Ovid;  Ge. 
Fabricius  (1687).  Vgl.  C.  I.  lat.  I.  p.^293.  Grftvius  Thesaur.  VIII.  P.  F. 
Foggini,  Fastorum  anni  rom.  a  Verrio  Flacco  ordinatorum  reliquiae  u.  s.  w. 
Rom  1779  fol.  Daraus  in  Orelli  Inscrr.  II.  p.  379  ff.  Vollständige  und 
kritische  Sammlung  dieser  hemerologia  und  menologia  durch  Th.  Monmi- 
sen,  C.  I.  lat.  I.  p.  293 — 360.  Dazu  sachliche  Commentarii,  ib.  p.  361 -— 
412.  Vgl.  dessen  Rom.  Chronologie  S.  208  ff.  (2.  Aufl.),  auch  Ideler,  math. 
Chronol.  IL  S.  136  ff.  Ph.  E.  Huschke,  römische  Studien  I  (Breslau  1869): 
das  alte  römische  Jahr  und  seine  Tage. 

6.  Nur  das  in  unsem  Steinkalendem  mit  grosser  Schrift  Geschriebene 
gehört  zum  ältesten  röm.  Festkalender  (wahrsch.  ursprünglich  ein  Bestand- 
theil  der  XII  Tafeln);  alles  mit  kleiner  Schrift  Beigesetzte  ist  späterer 
Nachtrag.  Th.  Mommsen,  im  Rhein.  Mus.  XIV.  S.  82  f.  86.  C.  I.  lat.  I. 
p.  361  f.    Die  Auszüge  aus   dem  amtlichen  Kalender  sind  auf  den  erhal- 


72.  Fasti  als  Kalender.  113 

tenen    mit    Willkür    und    ünkenntniss   gemacht.     Mommsen   C.   I.  lat.  I. 
p.  363,  b. 

7.  Mommsen,  die  neuen  Fragmente  der  Jahrtafel  des  latinischen 
Festes  (feriale),  im  Hermes  V.  S.  379—385.  Sie  beziehen  sich  auf  die  Jahre 
304—306,  537—542,  652—654  d.  St.  und  J.  40—43  n.  Chr. 

8.  Erhaltene  hemerologia,  nach  ihrer  Entstehungszeit  geordnet: 

1)  Pincianum  (aus  Juli,  Aug.,  Sept.),  zwischen  723  und  725  d.  St.  oin- 
gehauen,  Orelli  p.  418.    C.  I.  lat.  I.  p.  298. 

2)  Allifanum  (aus  Juli  und  Aug.),  vor  725  eingehauen.  Orelli  p.  413. 
C.  I.  p.  299. 

3)  Tusculanum,  vor  734  geschrieben;  C.  I.  p.  300. 

4)  Venusinum  (Mai  u.  Juni),  wohl  aus  726.    Or.  p.  412  f.  C.  I.  p.  360  f. 

5)  Sabinum  (aus  Oct.),  nach  735  eingehauen,  C.  I.  p.  302. 

6)  Kalendarium  der  fratres  arvales  vom  J.  742  (752)  —  767,  enthaltend 
Theile  des  August,  September,  October,  November  und  23  April;  grosse 
Aehnlichkeit  mit  Nr.  14.     W.  Henzen,  Relazione  (1868)  p.  83—93. 

7)  Maifeianum,  Marmortafel,  zwischen  746  und  757  geschrieben.  Orelli 
1.  p.  382  ff.  411.  C.  1.  p.  303—309.  Merkel  zu  Ovid's  Fast.  p.  XII  ff.  Vgl. 
p.  XVII— XXI.  LH. 

8)  Esquilinum  (aus  Mai  u.  Juni),  vor  757  verfasst.  Or.  p.  412.  C.  I.  p.  310. 

9)  Feriale  Cumanum,  bis  739  reichend,  eingehauen  nach  757.  C.  I. 
p.  310.    0.  Eellermann  in  0.  Jahns  Spicil.  epigr.  p.  3  ff.  21. 

10)  Praenestinum  des  Verrius  Flaccus,  geschrieben  zwischen  752  u. 
763  (10  n.  Chr.)  mit  Nachträgen  bis  774  (21  n.  Chr.),  enthaltend  Januar 
bis  April  u.  December;  bei  Foggini  1.  1.  Orelli  11.  p.  379  ff,  408  ff.  C.  I. 
p.  311—319. 

11)  Vallense  (Aug.  u.  Sept.),  geschrieben  nach  760  (7  n.  Chr.)  und  vor 
767  (14),  mit  Nachträgen  bis  784  (31).     Orelli  I.  p.  413.    C.  I.  p.  320  f. 

12)  Ostiense,  geschrieben  noch  vor  dem  Tode  des  August  (767),  C.  I. 
p.  322.     G.  B.  de  Rossi,  Bull.  arch.  1860,  p.  71—80. 

13)  Vaticanum  (aus  März,  Apr.,  Aug.),  geschrieben  nach  768  und  vor 
787,  Orelli  p.  412.     C.  I.  p.  322. 

14)  Amiterninum  (aus  Mai  bis  Dcbr.),  geschrieben  nach  769  (16  n.  Clir.) 
und  wahrscheinlich  vor  772  (19),  Orelli  p.  412.     C.  T.  p.  323—325. 

16)  Pighianum,  geschrieben  zwischen  784  und  790  (31 — 37),  in  den 
letzten  Jahren  des  Tiberius,  C.  I.  p.  326. 

16)  Antiatinum  (aus  den  letzten  6  Monaten),  reichend  bis  19  n.  Chr., 
eingehauen  J.  804  (51),  unter  Claudius.  Orelli  p.  413.  Henzen  6445.  0. 
I.  p.  327—329. 

17)  Farnesianum  (aus  Febr.  u.  März),  Orelli  p.  412.     C.  I.  p.  330. 

18)  Urbinas,  C.  I.  p.  330. 

19)  aus  der  aedes  Concordiae  zu  Rom, 

20)  aus  der  via  Gratiosa  zu  Rom;  Nr.  17—19  noch  wahrscheinlich  aus 
der  Zeit  der  julischen  Dynastie;  C.  T.  p.  331. 

TitüPTEii,  Rftm.  Literatnrgeichiobte.    2.  Aufl.  8 


1 14  Die  fünf  ersten  Jabrh.  d.  St. 

9.  Den  amtlichen  Kalender  der  Mitte  des  vierten  christl.  Jahrb.  achrieb 
am  Ende  des  J.  354  der  Kalligraph  Furius  Dionysius  Philocalus  in  Rom 
ab,  stattete  ihn  mit  zahlreichen  Bildern  aus  und  widmete  seine  Arbeit 
einem  Yalentinua.  Sie  ist  in  zwei  Exemplaren  erhalten,  von  welchen  das 
eine  (Peiresciannm,  saec.  8  oder  9)  wieder  verloren  gieng  und  nur  in  zwei 
Abschriften  des  17  saec.  (in  Brüssel  und  der  Vaticana)  noch  existiert;  vom 
zweiten  (saec.  9),  ursprünglich  in  Strassburg,  jetzt  in  Bern,  ist  nur  der 
December  noch  vorhanden,  dafür  aber  zu  Wien  eine  vollständige  AbschritT. 
aus  1480.  Oefters  herausgegeben,  z.  B.  von  Lambecius,  Bibl.  Caesarea, 
Append.  comm.  1.  IV  (Wien  1671)  p.  271 — 302,  X.  Schier,  Kalendarium 
Furii  D.  Ph.,  Wien  1781.  Montfaucon,  Antiq.  Suppl.  I.  p.  25—37.  Grävius 
Thes.  Vlll.  p.  95—113.  Bes.  aber  Th.  Mommsen,  C.  I.  lat.  I.  p.  334—366. 
Dazu  dessen  Abhandl.  über  den  Ohronographen  des  J.  354,  in  den  Abhaudi. 
der  Sachs.  Ges.  d.  W.  II  (1850)  S.  650—561  (Handschriften).  565—571.  607  f. 
und  die  üebersicht  im  C.  I.  lat.  I.  p.  332  f. 

10.  Der  Kalender  des  Polemius  Silvius  ist  geschrieben  J.  448  f.  unter 
Yalentinian  III  und  gerichtet  an  den  Bischof  Eucherius  (f  zu  Lyon  um  450). 
In  seinem  christlichen  Eifer  hat  der  Verfasser  alles  an  dem  alten  Kalender 
was  ihm  nach  heidnischem  Aberglauben  aussah  weggelassen,  dafür  aber 
geschichtliche  Data,  grammatische  und  meteorologische  Bemerkungen  u.  dgl. 
aus  seinem  eigenen  Wissen  hinzugethau.  Erhalten  in  einer  Brüsseler  Hand- 
schrift; abgedruckt  in  Henschen's  Acta  sanctorum,  Juni,  VII  (1717)  p.  178 
—184  und  daraus  in  Migne's  Patrologia  XIII  (1845)  p.  676  ff.;  jetzt  (je 
neben  dem  des  Philocalus)  von  Th.  Mommsen,  C.  I.  lat.  I.  p.  335 — 357. 
Dazu  dessen  Abb.  über  den  Laterculus  des  Polemius  Silvius,  in  den  Abhh. 
der  sachs.  Ges.  d.  W.  III  (1853)  S.  231—277,  vgl.  dessen  Abb.  über  Cassio- 
dor,  ebds.  VUI.  S.  694 — 696,  und  die  Zusammenstellung  der  Ergebnisse  im 
C.  I.  lat.  I.  p.  333,  b. 

11.  Ausserdem  ist  ein  ländlicher  Monatskalender,  mit  Angabe  der 
ländlichen  Geschäfte,  Feste,  der  Länge  des  Monats  und  Tages  u.  s.  w.  (me- 
nologium  rusticum)  in  doppelter,  materiell  nicht  verschiedener  Fassung  er- 
halten: menol.  rust.  Colotianum  und  Vallense,  abgedruckt  zuletzt  C.  I.  lat. 
1.  p.  368  f.  vgl.  Grävius  Thes.  VIII.  p.  19  ff.     Orelli  Inscr.  II.  p.  380  f. 

65  73.    Von    den    Tages-    (und    Monats-)    Verzeichnissen    her 

wurde  der  Name  f asti  übergetragen  auch  auf  Jahresverzeichnisse 
mit  Angabe  der  eponymen  Magistrate  jeden  Jahres  (fasti  con- 
sulares),  der  in  jedem  Jahre  gehaltenen  Triumphe  (fa^ti  triumpha- 
les), der  jeweiligen  Priester  (fasti  sacerdotales).  Auch  von  fasti 
in  dieser  Bedeutung  des  Wortes  sind  Ueberreste  auf  uns  ge- 
kommen, unter  denen  die  fasti  capitolini  weitaus  die  wichtig- 
sten sind. 

1.  Fasti  als  Verzeichnisse  bes.  von  Behörden  z.  B.  Liv.  IX,  18:  in  an- 
nalibus  magistratuum  fastisque.  Cic.  in  Pis.  13,  30:  hos  consules  fasti  ulli 
ferre  possunt?  ad  Brut.  I,  15:  in  fastis  nomen  adscribitur;  vgl.  Tac.  A.  III, 


72  f.  Fasti  als  Kalender  u.  MagistratsverzeichnisBe.  115 

17:   e  faatifi    rädere.     Trebell.  Gallien.   15:    Gallienum  tyrannum    in  fastos 
publicoß  rettulenint. 

2.  Fasti  capitolini,  so  genannt  von  der  jetzigen  Aufbewahrung  der 
aufgefundenen  Bruclistücke  auf  dem  Capitol;  im  16.  u.  19.  Jahrb.  zu  Rom 
in  der  Nähe  des  Forum  ausgegraben;  ursprünglich  auf  der  marmornen 
Wand  des  Castortempels  oder  der  regia  eingegraben,  und  zwar  zuerst  nach 
718  und  vor  724  d.  St.  (weil  der  Name  des  M.  Antonius  und  seines  Gross* 
Vaters  ausgelöscht  ist,  in  Folge  des  SC.  von  724,  und  dann  wieder  herge- 
stellt), darauf  fortgesetzt  nieht  vor  J.  742;  die  Magistrate  von  742  bis  766, 
sowie  die  Säcularspiele  bis  841  wurden  wahrsch.  unter  Domitian  hinzuge- 
fügt. Weitere  Fortfuhrung  dieses  amtlichen  Verzeichnisses  mochte  wegen 
der  geschwundenen  Wichtigkeit  des  Consulats  und  des  Häufigerwerdens 
der  Jahresbezeichnung  nach  der  trib.  pot.  der  Kaiser  nicht  als  dringlich 
erseheinen;  in  den  Municipien  aber  hatte  man  fortwährend  Interesse  dafür; 
vgl.  die  fasti  Caleni  zum  J.  289  n.  Chr.  bei  Orelli-Henzen  6447.  Über  die 
Geschichte  dieser  amtlichen  fasti,  ihre  Entdeckung  und  Veröffentlichung  s. 
W.  Henzen  im  C.  I.  lat.  I.  p.  415—425. 

3.  Die  fasti  capitolini  waren  ein  Verzeichniss  der  aufeinander  folgen- 
den Consuln,  Censoren,  Dictatoren  und  magg.  e^^q.  (fasti  consulares  nach 
dem  Hauptinhalt),  sowie  (auf  den  Pfeilern  zur  Seite  der  Hauptwand)  der 
vorgekommenen  Triumphe  (f.  triumphales).  Letztere  reichen  von  Romulus 
bis  zum  J.  735  d.  St.,  und  auch  die  ersteren  erstreckten  sich  wohl  ursprüng- 
lich auf  die  Königszeit  mit.  Der  Chronograph  des  J.  354  (Anon.  Noris.) 
ist  der  letzte  Schriftsteller  von  welchem  directe  Benützung  dieser  fasti 
sich  erweisen  lässt. 

4.  Abdruck  der  Fasti  capitolini  mit  Ergänzungen  z.  B.  von  J.  G.  Baiter, 
Zürich  1838,  u.  bes.  von  W.  Henzen  im  C.  I.  lat.  I.  p.  425—442,  wozu  An- 
merkungen ib.  p.  443 — 451.  Die  acta  triumphorum  ib.  p.  463—461,  nebst 
den  commentarii,  ib.  p.  462 — 464.  Eine  vergleichende  Zusammenstellung 
der  Angaben  der  Schriftsteller  und  Fasten  über  die  J.  245—766  d.  St.  von 
Th.  Mommsen  ib.  p.  483 — 552. 

5.  Ausserdem  16  kleinere  Bruchstücke  von  Consular-  und  Triumphal- 
Fasten  aus  der  Zeit  der  Bepublik  und  des  Augustus  herausgg.  u.  commen- 
üert  von  W.  Henzen,  C.  I.  lat.  I.  p.  465—479.  Bes.  wichtig  darunter  die 
fasti  Venusini  (früher  Capuani),  Nr.  VI,  p.  467 — 471,  abgedruckt  auch 
bei  Mommsen.  1.  R.  N.  697;  sowie  die  barberinischen  Triumphalfasteu,  C.  1. 
lat.  T.  Nr.  XVI,  p.  477—479. 

6.  Fasti  der  fratres  arvales  von  J.  752—790  d.  St.,  enthaltend  die  Con- 
suln und  den  praetor  urb.  und  peregr.  d.  J.,  bei  W.  Henzen,  Eelazione  (vgl. 
oben  63,  3)  p.  94 — 99  (frammenti  di  fasti  civili). 

7.  In  die  Sacerdotalfasten  wurden  die  Einträge  alljährlich  gemacht, 
wie  aus  der  verschiedenen  Schrift  derselben  erhellt;  s.  Orelli-Henzen  6063. 
6058.  Th.  Mommsen,  Sacerdotalfasten  aus  Bovillä,  Ztschr.  f.  Alt.  Wias. 
1845,  Nr.  65,  S.  513— 517.  B.  Borghesi,  frammento  di  fasti  sacerdotali,  und 
sul  fi-ammento  di  fasti  sac.  ritrovato  nella  Basilica  Giulia,  Memorie  ITI. 
p.  155—225.     Monumenti  etc.   1856,    p.  48—52.  =  Oeuvres  HI.   p.  391  ff. 

8* 


116  Die  fönf  ersten  Jahrh.  d.  St. 

66  74.   Von   den  ursprünglicli   nicht   zur  Veröflfentlichimg   be- 

stimmten Aufzeichnungen  der  Priester  sind  zu  unterscheiden 
die  von  Anfang  an  mit  Rücksicht  auf  die  Veröffentlichung  ab- 
gefassten  annales  pontificum,  vom  Pontifex  maximus  ge- 
führt (aber  nicht  desshalb  annales  maximi  genannt),  indem  dieser 
alljährlich  eine  weisse  Tafel  öffentlich  aufstellte  worauf  die  denk- 
würdigen Ereignisse  des  Jahres,  besonders  auch  (seit  J.  505 
regelmässig)  die  Prodigien,  in  kürzester  Fassung  verzeichnet 
wurden.  Wer  Lust  hatte  mochte  sich  davon  Abschriften  neh- 
men. Diese  Sitte  war  eine  sehr  alte  und  bestand  bis  ins  siebente 
Jahrhundert  d.  St.  hinein.  Als  aber  die  Aufzeichnungen  und 
Veröffentlichungen  dieser  Art  durch  Schriftsteller  immer  häu- 
figer wurden,  fand  man  jene  amtlichen  entbehrlich.  Wie  man 
sie  jetzt  zusammenstellte  und  ihnen  Buchform  gab  bildeten  sie 
eine  Sammlung  von  80  Büchern.  Indessen  da  ihr  Aufbewahrungs- 
ort, die  Amtswohnung  des  Pontifex  maximus  (Regia),  wiederholt, 
die  ganze  Stadt  aber  durch  die  Gallier  (J.  364  d.  St.)  in  Flam- 
men aufgieng,  so  können  äie  auf  die  älteren  Zeiten  bezüglichen 
Theile  jener  Sammlung  nur  aus  der  Erinnerung  nachgearbeitet 
und  daher  minder  glaubwürdig  gewesen  sein,  und  was  über  die 
ältesten  Zeiten  nachträglich  aufgenommen  wurde  war  ohnehin 
nur  freie  Dichtung. 

1.  Paul.  Diac.  p.  126:  maximi  annales  appellabantur  non  (?  vgl.  Häb- 
*    ner  S.  419)  [a]  magnitudine,   sed  quod  eos  pontifex  maximus  confecisset; 

vgl.  Serv.  Ae.  I,  377  (s.  A.  2).  Macrob.  Sat.  III,  2,  17  und  Cic.  Legg.  T, 
2,  6:  annales  pontificum  maximornm,  sowie  (nach  ihm)  Qnintil.  X,  2,  7: 
pontificum  annales.  Vgl.  6  naga  xotg  dgitegsvai  (nach  Niebuhrs  Verbesse- 
rung statt  ayxtffTfvfft ;  bei  dem  jedesmaligen  pont.  max.)  neifisvog  nivcc^  bei 
Dionys*  Hai.  I,  74.  Annales  publici  bei  Cic.  de  rep.  ü,  15,  28.  Diomed.  III. 
p.  484  E.  Der  Name  maximi  kam  ohne  Zweifel  erst  später  auf,  als  es  auch 
noch  andere  annales,  von  anderen  Urhebern  und  von  kleinerem  Umfang, 
gab  (Hübner  S.  419). 

2.  Serv.  Aen.  I,  377:  ita  annales  conficiebantur:  tabulam  dealbatam 
quotannis  pontifex  maximus  habuit,  in  qua  praescriptis  consulum  nomini- 
bus  et  aliorum  magistratuum  digna  memoratu  notare  consueverat,  domi 
militiaeque,  terra  marique  gesta,  per  singulos  dies  (mit  Angabe  der  Tage 
und  in  chronologischer  Ordnung),  cuius  diligentiae  annuos  commentarios 
in  octoginta  libros  veteres  rettulerunt  eosque  a  pontificibus  maximis,  a  qui- 
bus  fiebant,  annales  maximos  appellarunt.  Gell.  N.  A.  IV,  5,  6:  in  annalibus 
maximis,  libro  undecimo.  Diese  Bedaction  in  Buchform  rührte  vielleicht 
gleichfalls  (s.  A.  3)  von  P.  Mucius  her.    Hübner  S.  422. 

3.  Cic.  de  or.  II,  12,  52:  ab  initio  rerum  romanarum  (rhetorische  Ueber- 
treibung  und  Phrase)    usque  ad  P.  Mucium  pontificem  maximum    (ums  J. 


74  f.   Aunales  pontificum.    Comm.  u.  libri  augurum.  117 

631 — 640  d.  St.)  res  omnes  siiigulorum  annorum  luandabat  litteris  pontifex 
maximns  referebatque  in  album  et  proponebat  tabulam  domi,  potestas  nt 
CBset  populo  cognoscendi:  ii  qui  etiamnunc  annales  maximi  nominantur. 
(H.  Peter,  bist.  rom.  I.  p.  IX  ff.)  Der  offizielle  Charakter  und  die  Bestim- 
mung für  die  grosse  -Menge  brachte  auch  tendenziöse  Entstellungen  des 
Sachverhalts  mit  sich;  s.  H.  Nissen,  krit.  Unters.  S.  97  f. 

4.  Cato  bei  Gell.  N.  A.  II,  28,  6:  non  lubet  scribere  quod  in  tabula 
apud  pontificem  maximnm  est,  quotiens  annona  cara,  quotiens  lunae  aut 
solis  lumini  caligo  aut  [aliut]  quid  obstiterit.  Vgl.  Cic.  de  rep.  I,  16,  25: 
ex  hoc  die,  quem  apud  Ennium  et  in  maximis  annalibus  consignatum  vide- 
mus,  superiores  solis  defectiones  reputatae  sunt.  Die  regelmässige  Auf- 
zeichnung der  Prodigien  durch  die  pontifices  erfolgte  aber  erst  seit  dem 
J.  605  d.  St.    J.  Bernays,  Rhein.  Mus.  XII.  S.  436  f. 

5.  Livius  und  wohl  auch  Dionysius  scheinen  die  ann.  max.  nicht  (un- 
mittelbar) benützt  zu  haben,  s.  Schwegler  I.  S.  8.  A.  4.  vgl.  S.  11  f.  A.  13. 
Zwar  sagt  Dionys.  FV,  30:  iv  zaCg  iviavaioig  civccyQCifpatg  xara  tov  tsöauga 
noarbv  ivMvrov  r^g  TvXXCov  agxrig  tov  ^AqQOvvta  rfrf^fvrijxora  nciQBiXri- 
rpttpkfv.  Doch  kann  er  damit  auch  Annalisten  gemeint  haben;  vgl.  IV,  7 
(L.  Piso  Frugi  iv  tccCg  iviccvaioig  Tc^ayiuctSLaig)  und  15  (derselbe  iv  t^ 
Tcqmzri  zmv  iviavaCmv  dvayQatpmv). 

6.  Nägele,  Studien  über  altital.  u.  röm.  Staats-  u.  Rechtslebou  (Schaff- 
liausen  1849)  S.  269  ff.  F.  D.  Gerlach,  von  den  Quellen  der  ältesten  röm. 
Geschichte  (Basel  1853).  Schwegler  I.  S.  7  ff.  Mommsen  P.  S.  432  f.  J.  G. 
Hulleman,  disp.  critica  de  annalibus  maximis,  Amsterd.  1856.  86  pp.  Lewis, 
Untersuchungen  über  die  Glaubwürdigkeit  der  altröm.  Gesch.  (übersetzt 
von  Liebrecht,  1858)  I.  Cap.  IV  u.*V.  E.  Hübner,  Jahrbb.  für  class.  Philol. 
LXXIX.  S.  401.  407.  411-423.     H.  Peter,  bist.  rom.  L  p.  VIII— XXVI. 

76.  Wie  das  CoUegium  der  Pontifices,  so  hatte  auch  das  67 
der  Augum  seine  Bücher-  (libri  augurales)  und  Denkschriften 
(commentarii  augurum).  Ebenso  gab  es  libri  Saliorum,  com- 
mentarii  XVvirorum.  Ausserdem  hatten  die  einzelnen  Priester- 
schaffcen  ihr  Album  oder  ihre  Fasten,  chronologische  Verzeich- 
nisse der  betreffenden  Priester,  sowie  ihre  Protokolle  (acta)  über 
die  vorgekommenen  Amtshandlungen. 

1.  Libri  augurum  z.  B.  Varr.  L.  L.  V,  21.  33,  58.  VII,  51.  Cic.  Rep.  I,  40, 
63.  II,  31,  64.  N.  D.  I,  33,  72.  II,  4,  11.  p.  dom.  15,  39.  Gell.  N.  A.  XIII, 
14,  1.    Fest.  p.  26lJ.  322.    Serv.  Ae.  IV,  45.   IX,  20. 

2.  Commentarii  augurum,  Cic.  de  div.  II,  18,  42.  Fest.  p.  317.  Serv, 
Ae.  I,  398. 

3.  Libri  Saliorum,  Varr.  L.  L.  VI,  14. 

4.  Commentarii  XVvirorum,  Censorin.  17,  9.  10.  11. 

5.  Priesterverzeichnisse ,  z.  B.  das  album  pontificum  sutrinorum  (Grutcr 
p.  302,  1)  u.  A.  bei  Becker-Marquardt,  röm.  Alterth,  IV,  S.  182. 

6.  Fasti,  Orelli  Inscr.  2207.  Plin.  n.  h.  XI,  71,  186.  lieber  die  Sacer- 
dotalfasten  s.  oben  78,  7. 


118  Die  fünf  ersten  Jahrh.  d.  St. 

7.  Acta  collegii  Aesculapii  et  Hygiae  aus  dem  J.  153  n.  Chr.  bei  Ürelli 
2417.     üeber  die  Acta  fratrum  arvalium  s.  oben  63,  2  f. 

(58  76.    Auch  die  weltlichen  Behörden  hatten  ihre  entsprechen- 

den Aufzeichnungen ;  theils  solche  die  von  ihnen  verfasst  wur- 
den (commentarii  magistratuum),  theils  solche  deren  Ge- 
genstand sie  waren  (libri  magistratuum).  Erstere  bezogen  sich 
auf  die  Amtshandlungen  der  einzelnen  Behörden:  commentarii 
consulum,  quaestorum  u.  a.  Die  wichtigsten  dieser  Art  sind 
die  tabulae  censoriae  (ungenauer  libri  censorii),  Listen  über 
den  Personal-  und  Vermögens -Stand  der  römischen  Bürger- 
schaft, als  Ergebniss  des  abgehaltenen  Census,  sowie  Ueber- 
sichten  über  das  Staatsvermögen.  Einen  Privatcharakter  und 
Privatzweck  scheinen  dagegen  gehabt  zu  haben  die  commentarii 
censorum. 

1.  Commentarii  consulum,  Varro  L.  L.  VI,  8b.  Commentarium  vetus 
anquisitionis  M.  Sergii  M'.  f.  Quaestoris,  ib.  VI,  90.  91.  92. 

2.  Tabulae  censoriae,  Varr.  L.  L.  VI,  86.  Cic.  orat.  46,  156.  de  leg. 
agr.  1,  2,  4.  Plin.  N.  H.  XVIII,  3.  —  Libri  censorii,  ßell.  II,  10,  1.  vgl. 
ti(iriTt%ä  yQcifiyMTtt,  Dionys.  IV,  22.    Einsetzung  der  Censur  J.  311  d.  St. 

3.  Commentarii  slaayoDyLKol  (vgl.  Gell.  XIV,  7,  1)  gewesener  Censoreii, 
in  ihren  Familien  als  Leitfaden  erblich,  Dionys.  I,  74.  vgl.  unten  78,  2. 
Dahin  gehört  auch  der  Saturnier  oridnS  consül  magistrum  povpuli  dicat, 
Vel.  Long.  p.  2234  P.  vgl.  Reifferscheid,  Rhein.  Mus.  XV,  S.  627. 

4.  Schwegler  I.  S.  28—30. 

60  77.    Libri    magistratuum   heissen    die    Verzeichnisse    der 

Behörden  jedes  Jahres,  dergleichen  wohl  geführt  wurden  seit- 
dem die  Behörden  jährlich  wechselten.  Ein  Theil  derselben 
war  auf  Leinwand  geschrieben  und  heisst  daher  libri  lintei. 
Diese  waren  auf  dem  Capitol  im  Tempel  der  Göttin  der  Erin- 
nerung aufbewahrt  und  werden  von  Livius  als  eine  Quelle  seiner 
Gewährsmänner  öfters  erwähnt. 

l.'Liv.  IV,  7:  neque  in  annalibus  priscis  neque  in  libris  magistratuum. 
XXXIX,  52  (in  mag.  libris)  vgl.  IX,  18  (oben  73,  1). 

2.  Leinwand  Schreibmaterial  der  alten  Zeit,  z.  B.  Liv.  X,  38:  ex  libro 
vetere  linteo  der  Samniten.  Plin.  n.  h.  XIII,  60:  postea  publica  monumenta 
plumbeis  voluminibus,  mox  et  privata  linteis  confici  coepta  aut  ceris.  Fronto 
ep.  ad  Caes.  IV,  4  (p.  67  N.):  multi  libri  lintei,  quod  ad  sacra  attinet. 
Symmach.  ep.  IV,  84. 

3.  Magistratuum  libri,  quos  linteos  in  aede  repositos  Monetae  Macer 
LiciniuB  citat,  Liv.  IV,  20,  8.    vgl.  ib.  7,  10.   13,  7.  23,  2.     Urkunden  auf 


76 — 79.  Comm.  u.  libri  magistratuum.    Monum.  priv.    Lobreden.      119 

diesem  Material  werden  den  gallischen  Braud  am  wenigsten  überlebt  haben, 
und  die  welche  Macer  arglos  benützte  waren  daher  ohne  Zweifel  später 
nachgearbeitet.    H.  Peter  bist.  rom.  I.  p.  CCCXLV  f. 

c)  Monumenta  privata. 

78.  Auch  Private  machten  sich  frühzeitig  Aufzeichnungen  70 
für  späteren  Bedarf,  sowohl  in  Zusammenhang  mit  ihren  Haus- 
büchern als  selbständig,  theils  über  Ereignisse  welche  das 
Granze  betrafen  (Stadtchroniken)  theils  über  solche  welche  nur 
für  die  jeweilige  Familie  oder  Person  näheres  Interesse  hatten 
(Haus-  und  Familien -Chroniken).  Während  bei  den  ersteren 
nur  das  Bestreben  das  Geschehene  in  der  Erinnerung  festzu- 
halten leiten  konnte,  so  mischte  sich  bei  den  zweiten  leicht 
persönliche  Vorliebe  und  Verherrlichungstrieb  ein.  Die  letzte- 
ren werden  erst  begonnen  haben  als  der  Sturz  des  Königthums 
die  Bedeutung  der  Adelsfamilien  gehoben  hatte,  und  die  älteste 
derselben  scheint  die  des  fabischen  Geschlechtes  gewesen  zu  sein. 

1.  Privata  monumenta,  Liv.  VI,  1. 

2.  Ipsae  familiae  sua  quasi  ornamenta  ac  monumenta  servabant,  et  ad 
usum  .  .  et  ad  memoriam  laudum  domesticarum  et  ad  illustrandam  nobi- 
litatem  suam,  Cic.  Brut.  16,  62.  Vgl.  Plin.  n.  h.  XXXV,  7:  tabulina  codi- 
cibus  implebantur  et  monimentis  rerum  in  magistratu  gestarum.  Fest.  v. 
tablinum  (p.  356  f.  M.) :  tablinnm  pröxime  atrium  locus  dicitur,  quod  antiqui 
magistratus  in  suo  imperio  tabulis  (eum  implebant). 

3.  Nägele,  Studien  S.  303  ff.  Schwegler  I.  S.  12  ff.  —  Anderes  ö.  oben 
76  Ende,  mit  A.  3. 

79.  Zu  dieser  Gattung  gehören  die  Ahnenlisten  und  Fa-  71 
milienstammbäume  (stemmata),  die  Aufschriften  (indices,  elogia) 
unter  Ahnenbildem,  und  die  Lobreden  auf  gestorbene  Ange- 
hörige (laudationes  oder  orationes  funebres),  bei  welchen  allen 
früh  und  spät  über  dem  panegyrischen  Zwecke  die  Wahrheit 
vielfach  hintangesetzt  wurde. 

1.  Eitelkeit  secundärer  Geschlechter  eine  Verwandtschaft  mit  vorneh- 
men nachzuweisen,  und  der  vornehmen  (wie  der  Antonii,  lulii)  ihre  Ahnen 
bis  auf  Trojaner  und  auf  Götter  zurückzufahren.  Festus  p.  130.  166  M. 
Dionys.  IV,  68.  Plut.  Fab.  1.  Anton.  4.  Num.  1.  Plin.  N.  H.  XXXV,  2,  8: 
etiam  mentiri  clarorum  imagines  erat  aliquis  virtutum  amor.  Comel.  Nep. 
Att.  18.   Suet.  Caes.  6.   Vitell.  1  u.  a. 

2.  Suet.  Galb.  3 :  imagines  et  elogia  generis.  Vitell.  1 :  extatque  elogi 
(nach  M.  Hertz,  de  bist.  1871,  p.  10  f.)  ad  Q.  Vitellium  .  .  libellus.   Solche 


120  Die  fünf  ersten  Jahrh.  d.  St. 

Aufschriften  einer  lleihe  von  Ahnenbildern  (elogia)  wurden  in  späterer  Zeit 
aus  privaten  und  öffentlichen  Quellen  angefertigt,  und  aus  ihnen  schöpften 
wohl  hauiTtsächlich  die  laudationes  fiinebres,  soweit  sie  die  maiores  betrafen. 
Dergleichen  historische  elogia  auf  Männer  der  Republik,  aber  meist  aus  der 
Kaiserzeit,  sind  gesammelt  und  erläutert  von  Mommsen,  C.  1.  lat.  I.  p.  277— 
280.  Auch  Aufschriften  auf  Grabmälern  heissen  elogia.  Aufschriften  auf 
Statuen  oder  Hermen  für  Bibliotheken,  C.  I.  p.  281.    Anderes  s.  unten  81. 

3.  G.  Curtius,  über  die  Etymologie  des  Wortes  elogium,  Berichte  der 
öächs.  Qes.  d.  Wiss.  1864,  S.  1—8.  A.  Fleckeisen  in  seinen  Jahrbb.  93,  S. 
3—9.    Düntzer,  in  Kuhn's  Ztschr.  f.  vergl.  Sprachf.  XVI.  S.  275—278. 

4.  Vitiatam  memoriam  funebribus  laudibus  reor  falsisque  imaginum 
titulis,  dum  familia  ad  se  quaeque  famam  rerum  gestarum  honorumque 
fallente  mendacio  trahunt,  Liv.  VIII,  40,  vgl.  IV,  16,  u.  Cic.  Brut.  16,  62: 
bis  laudationibus  historia  rerum  nostrarum  est  facta  mendosior.  multa 
enim  scripta  sunt  in  eis  quae  facta  uon  sunt  etc.  Die  Sitte  solcher  lauda- 
tiones ist  alt,  Dionys.  V,  17.  Plut.  Poplic.  9  vgl.  Polyb.  VI,  53  u.  Cic.  de 
legg.  II,  24,  62.  vgl.  de  or.  II,  11.  Liv.  II,  47^  11  (J.  274  d.  St.).  Auch  s. 
Quintil.  III,  7,  2.  XI,  3,  153.  Gell.  N.  A.  Xm,  20,  17  (cum  et  laudationes 
funebres  et  librum  commentarium  de  familia  Porcia  legeremus).  Noch  M. 
Aurelius  und  Verus  laudavere  pro  rostris  patrem,  Capitol.  Ant.  phil.  7,  11. 

5.  Verhältnissmässig  frühzeitig  wurden  solche  laudationes  in  Bnchforiu 
herausgegeben.  Solche  gab  es  von  Q.  Caecilius  Metellus  (Plin.  n.  h.  VII, 
139)  auf  seineu  Vater  Lucius  (J.  533  d.  St.),  Fabius  Cunctator  auf  seinen 
Sohn  (zwischen  547  und  551  d.  St.  vgl.  Plut.  Fab.  1),  M.  Claudius  Marcel- 
lus  (Liv.  XXVII,  27)  auf  seinen  Vater  (J.  546),  Laelius  auf  den  Jüngern 
Africanus  u.  s.  w.     Aus  späterer  Zeit  von  Caesar,  M.  Brutus  u.  A. 

6.  Die  erste  nicht  amtliche  (vgl.  Liv.  V,  50,  7.  Plut.  Camill.  8)  Leichen- 
rede auf  eine  Frau  (seine  Mutter)  hielt  Lutatius  Catulus  (Cos.  652),  Cic.  de 
or.  II,  11,  44.  Seitdem  wurde  auch  diess  Sitte  (Suet.  Caes.  6),  wenigstens 
für  Frauen  deren  Söhne  emporgekommen  waren  (Plut.  Caes.  6).  Mommsen, 
zwei  Sepulcralreden  aus  der  Zeit  Augusts  und  Hadrians,  Abhandl.  der  Berl. 
Ak.  1863,  S.  465  ff.  bes.  S.  464.  A.  F.  Rudorff,  über  die  Laudation  der 
Murdia  (Orelli  4860),  Berlin  1869.  4.  (Abhandl.  der  Berl.  Akad.) 

7.  Taylor,  lectiones  Lysiacae  c.  3  (ed.  Lysiae,  London  1739.  4.  p.  680 ff.). 
Döring,  de  laudationibus  fun.  apud  veteres,  in  seinen  Opusc.  p.  100  ff.  Caden- 
bach,  de  Romanorum  laud.  fun.,  Essen  1832.  4.  Schwegler  I.  S.  16  f.  Ger- 
lach, Geschichtschr.  d.  R.  S.  27  —  29.  H.  Graff,  de  Rom.  laudationibus, 
Doi-pat  1862.   96  pp.  8.    E.  Hübner,  Hermes  I  (1866)  S.  440  f. 

72  80.    Auch   Loblieder   auf  Verstorbene    gab   es    schon   in 

alter  Zeit.  Solche  wurden  theils  bei  den  Leichenbegängnissen 
unter  Begleitung  der  tibia  gesungen  (neniae),  theils  bei  fest- 
lichen Gelagen  durch  Knaben,  später  von  den  Theilnehmern 
im  Rundgesang,  gleichfalls  zur  tibia.  Beide  Sitten  sind  uralt, 
und  die  erste  bestand  auch  —  wiewohl  entartet  —  bis  in  späte 


79  f.  Lobreden  u.  Loblieder  auf  Verstorbene.    Inschriften.  121 

Zeiten  fort;  die  zweite  war  schon  einige  Menschenalter  vor  der 
Zeit  des  älteren  Cato  im  Erlöschen.*  Eine  Handhabe  für  Re- 
construction  der  älteren  römischen  Geschichte  bietet  weder  die 
eine  noch  die  andere. 

1.  Veterum  instituta,  .  .  meditata  ad  memoriam  virtutis  carmina  etc. 
Tac.  A.  m,  6. 

2.  Nenia  est  Carmen  quod  in  funere  laudandi  gratia  cantatur  ad 
tibiam,  Fest.  p.  161.  163.  vgl.  Cic.  legg.  II,  24,  62.  Quintil.  VIII,  2,  8.  ^ 
Ursprünglich  wohl  beim  Leichenschmause  (nach  Non.  s.  v.  ist  silicernium 
ein  convivium  funebre  das  antiquo  more  ad  sepulcrum  cum  defuncti  laude 
Statt  fand)  und  durch  die  Angehörigen  (vgl.  Suet.  Aug.  100),  später  vor 
dem  Leichenhause,  beim  Leichenzuge  und  am  Orte  des  Verbrennens  durch 
bezahlte  Klageweiber,  praeficae  (schon  Naevius  bei  Bibbeck  Com.  p.  25 :  haec 

.  .  praeficast,  quae  sie  mortuimi  coUaudat;  Plaut.  Tnic.  II,  6,  14  f.:  praefica, 
quae  alios  coUaudat  etc.  Varro  L.  L.  VII,  70:  mulier  .  .  quae  ante  dorn  um 
]nortui  laudes  eins  caneret  u.  a.  St.),  daher  geschmacklos  und  bald  be- 
rüchtigt (nenia,  ineptum  et  inconditum  carmen  etc.  Non.  p.  145,  vgl.  Plaut. 
As.  IV,  1,  63.  Truc.  II,  1,  3.  Petron.  Sat.  47.  58.  Capitol.  Clod.  Alb.  12: 
neniis  quibusdam  anilibus  occupatus,  u.  a.  St.  bei  W.  Teufifel  in  Pauly's 
Real-Enc.  V.  S.  395  f.).  J.  Wehr,  Abschiedsschrift  für  E.  Curtius  (Götti. 
1868)  p.  11 — 17^  behauptet  asiatischen  Ursprung  der  nenia. 

3.  Cic.  Brut.  19,  75:  utiuam  exstarent  üla  carmina  quae  multis  saeclis 
ante  suam  aetatem  in  epulis  esse  cantitata  (deinceps,  Tusc.  IV,  2,  3)  a 
singulis  convivis  (spätere',  von  den  Griechen  entnommene  Sitte,  Mommsen 
V.  S.  205.  424)  de  clarorum  virorimi  laudibus  in  Originibus  scriptum  reli- 
quit  Cato!  Vgl,  Tusc.  1.  1.  u.  I,  2,  3.  Val.  Max.  II,  1,  10.  Dagegen  Varro 
bei  Non.  s.  v.  assa  voce:  in  convivüs  pueri  modesti  (vgl.  Mommsen  E.  G. 
P.  S.  205)  ut  cantarent  carmina  antiqua,  in  quibus  laudes  erant  maioinmi, 
et  assa  voce  et  cum  tibicine.  Vgl.  auch  Hör.  Od.  IV,  15,  25  ff.:  virtute 
functos  more  patrum  duces  .  .  canemus,  und  I,  12.  Zurückführung  auf 
Numa  bei  Cic.  de  or.  III,  51,  197.  Quintil.  I,  10,  20.  Lobheder  auf  Ro- 
mulus  bei  Dionys.  I,  79.  Plut.  Num.  5;  auf  Coriolan,  Dionys.  VIII,  62. 
Vgl.  C.  Zell,  Ferienschrr.  II.  S.  170  ff.  193  ff. 

4.  Niebuhr  hat  diese  Lieder  für  ein  zusammenhängendes  Epos  gehal- 
ten und  darauf  die  Hypothese  gebaut  dass  dieses  Epos  der  auf  uns  gekom> 
menen  Darstellung  der  ältesten  röm.  Geschichte  als  Quelle  gedient  habe, 
daher  diese  einen  so  poetischen  Charakter  an  sich  trage,  lieber  diese 
jetzt  allgemein  aufgegebene  Ansicht  s.  bes.  W.  Corssen,  Origg.  p.  112  ff. 
162  ff.  Schwegler  L  S.  53  —  63.  H.  Cl.  Willenborg,  de  Diocle  .  .  deque 
Niebuhrio  antiquissimam  gentis  rom.  memoriam  e  carmiuibus  manasse  ad- 
firmante,  Münster  1853. 

81.   Denkmäler  verwandter   Art   sind    die   Aufschriften    auf  73 
Weihgeschenken,  Ehrensäulen  und  Grabmälem,  dergleichen  aus 
den  ersten  Jahrhunderten  der  Republik  uns  eine  Anzahl  theils 


122  I>ie  fünf  ersten  Jahrh.  d.  St. 

literarisch  theils  inschriffclich  erhalten  ist.  Literarisch:  1)  die 
Inschrift  an  dem  leinenen  Panzer  des  Tolumnius  welchen  A. 
Cornelius  Oossus  im  J.  317  (326?)  d.  St.  weihte  und  welchen 
noch  August  sah.  2)  Die  tabula  triumphalis  des  Dictator  T. 
Quintius  vom  J.  374.  3)  Die  Grabschrift  des  A.  Atilius  Caia- 
tinus  (Cos.  496).  Inschriftlich:  4)  die  Inschrift  an  der  colunma 
rostrata  welche  dem  C.  Duilius,  zu  Ehren  seines  Seesiegs  über 
die  Karthager  im  J.  494,  errichtet  wurde.  5)  Von  den  Scipio- 
nengrabschriften  die  drei  ältesten,  die  Namensaufschrift  des  L. 
Cornelius  Cn.  f.  Scipio  (Cos.  456),  die  seines  Sohnes  L.  Cor- 
nelius L.  f.  Scipio  (Cos.  495)  und  des  Letzteren  elogium  in 
iSatumiem.  6)  Von  andern  Inschriften  reichen  wohl  noch  in 
das  fünfte  Jahrhundert  d.  St.  zurück  Grabschriften  von  Fourii 
(C.  I.  lat.  I,  63  ff.),  einzelne  aus  Präneste  (ib.  74  ff.),  sowie 
zwei    Fragmente   eines  Senatusconsult   aus  Venusia  (ib.  185  f.). 

1.  Liv.  IV,  20. 

2.  Liv.  VI,  29.    FeetuB  p.  363. 

3.  Cic.  Cato  17,  61:  Carmen  incisum  in  sepulcro;  vgl.  de  fin.  II,  35,  116. 
Pauly's  Real-Enc.  I,  2.   S.  2017  f. 

4.  Ausser  Aelterem,  das  jetzt  antiquiert  ist,  s.  F.  Ritschi,  Inscriptio  quae 
fertur  colonmae  rostratae  Duellianae,  Berlin  1862.  4;  Comm.  altera,  Bonn 
1861.  4;  P.  L.  M.  E.  XCV,  und  Mommsen  C.  1.  lat.  I,  195  (p.  37—40).  So 
wie  die  Inschrift  vorliegt  ist  sie  keinenfalls  ursprünglich,  sondern  aus  der 
Zeit  des  Kaisers  Claudius;  im  günstigsten  Falle  ist  sie  die  Erneuerung  der 
ursprünglichen  Inschrift  mit  Einmischung  von  Neuerem  (Ritschi,  Rhein. 
Mus.  IX.  S.  19);  indessen  die  neben  den  späteren  Formen  sich  findenden 
hyperantiken,  sowie  zahlreiche  sachliche  Inconvenienzen  (vgl.  auch  Haakh 
in  Pauly's  Real-Enc.  II.  S.  1279  f.  A.)  und  der  ganze  redselige  Ton  machen 
Mommsens  Ansicht  (1.  1.  p.  40  b)  wahrscheinlicher,  dass  die  Säule  ursprüng- 
lich keine  oder  nur  eine  ganz  kurze  und  einfache  Inschrift;  hatte,  die  er- 
haltene aber  erst  bei  einer  Restauration  des  Denkmals  unter  Claudius  nach 
den  vorhandenen  Geschichtsquellen  und  unter  gesuchter  Nachbildung  der 
alterthümlichen  Ausdrucksweise  angefertigt  wurde. 

5.  Die  Scipionengrabschriften  wurden  1614  und  1780  an  der  appischen 
Strasse  ausgegraben  und  sind  oft  abgedruckt  und  erläutert,  z.  B.  von 
Visconti,  Orelli  u.  A.  Jetzt  bei  Ritschi  P.  h.  M.  E.  XXXVII  — XLII  und 
Mommsen  C.  I.  lat.  l,  29—39,  p.  11 — 21.  Die  in  die  Zeit  vor  514  fallen- 
den sind  dort  Nr.  29,  31,  32.  p.  16.  17  f.  Ueber  diese  Grabschriften  s. 
Ritschi,  Rhein.  Mus.  IX.  S.  1-19.  159.  Th.  Mommsen,  ebd.  S.  462  —  468. 
R.  G.  V  S.  426.  F.  Bücheier,  in  Fleckeisens  Jahrbb.  87,  S.  328—330.  336  f. 
Im  Aufbringen  dieser  Sitte  zeigt  sich  mit  die  hellenisierende  Richtung  der 
Scipionen. 

6.  F.  Ritschl,  de  sepulcro  Furiorum  Tusculano,  Berlin  1853.  4.   Ueber 


81 — 83.    Inschriften.   Camiina  triumphalia  und  popularia.  123 

ihre  Zeit  ib.  p.  III.    lieber  die  zwei  Inschriften  aus  Venusia  (I.  R.  N.  715  f. 
=  C.  I.  lat.  I,  185  f.)  Ritachl,  Inscr.  Aletr.  p.  XIV  not. 

7.  Was  aus  dieser  Zeit  durch  Münzen  und  Inschriften  an  Geschriebe- 
nem auf  uns  gekommen  ist  findet  sich  gesammelt  im  C.  I.  lat.  I,  wo  die 
pars  prior  (p.  1  —  40)  die  Inscriptiones  vetustissimae ,  hello  Hannibalico 
quae  videntur  anteriores,  enthält. 

8.  In  Nachbüdnng  der  alten  Sitte  umgab  Augustus  den  im  J.  762  ein- 
geweihten Tempel  des  Mars  Ultor  auf  dem  forum  Augusti  mit  Statuen  von 
Grössen  der  römischen  Geschichte  von  Aeneas  an,  sammt  entsprechenden 
Aufschriften  (elogia).  Diese  Einrichtung  fand  in  manchen  Municipien  (wie 
Arretium,  Pompeji)  Nachahmung.  Die  nach  seiner  Annahme  auf  jene 
augusteischen  zurückgehenden  der  erhaltenen  elogia  s.  bei  Mommsen  C.  I. 
lat.  I.  p.  281 — 292  (mit  Gommentar).  Literarische,  in  gebundener  Form, 
von  Varro,  dem  älteren  Symmachus,  sowie  Anthol.  lat.  831 — 865  R. 

82.    Alt  ist  femer  die  Sitte  dass  beim  Siegeseinzuge  eiiies  74 
Feldherm  dessen  Heer  Lieder  preisenden  und  neckenden  Inhal- 
tes  vortrug  (carmina   triumphalia),   häufig   im   Wechselgesange. 

1.  Liv.  III,  29.  IV,  20.  53.  V,  49.  VII,  10.  17.  38.  X,  30.  XXXIX,  7. 
XLV,  38.  43.  Dionys.  II,  34.  VIT,  72.  App.  Fun.  66.  Plut.  Aemil.  P.  34 
^6  ötQatoe  .  .  &d(ov  tu  filv  (p6dg  uvag  natgiovg  dvafiefiiyfiivag  ysXoDTij  za 
dl  Ttaiavag  imvijiiovg  xal  tmv  SianBnQayfiivatv  inaivovg).  Marcell.  8.  Dio 
XLIII,  20.  Vellej.  II,  67.  Suet.  Caes.  60  f.  Martial.  I,  4,  3  f.  Panegyr. 
incert.  (VDI  bei  Jäger)  18,  3. 

2.  Form  des  Wechselgesangs  (alternis  versibus),  Liv.  IV,  53.  Plin.  N. 
H.  XIX,  8,  144. 

3.  Refrain  io  triumphe,  Varro  L.  L.  VI,  68.  Tibull.  II,  6,  18.  Liv. 
III,  29.   vgL  Hör.  0.  IV,  2,  49  f. 

4.  Zell,  Ferienschriften  II.  S.  148  ff.  Guicherit,  de  carminibus  fratrum 
Marciorum  et  de  carminibus  triumphalibus  militum  Romanorum,  Lugd. 
Bat.  1846. 

.83.     Volksthümlichen    Charakter    und     meist     saturnischen  75 
Rhythmus  hatten  auch  die  alten  Witterungsregeln,  Beschwörungs- 
formeln, Zaubersprüche  u.  dgl. 

1.  Fest.  p.  93:  in  antiquo  carmine:  hiberno  pulvere,  verno  luto  gran- 
dia  farra,  camille,  metes.  Vgl.  Macrob.  Sat.  V,  20,  18:  in  libro  vetustissi- 
morum  carminum  .  .  invenitur  hoc  rusticum  vetus  canticum:  hiberno  u.  s.w. 
Serv.  zu  Georg.  I,  101.  Plin.  N.  H.  XVII,  2,  14,  sowie  XXVIII,  2  (5),  29:  car- 
mina quaedam  exstant  contra  grandines  contraque  morborum  genera  u.  s.  w. 
Ib.  XXVII,  12,  106  (in  freien  trochSischen  Rhythmen:  reseda,  mörbos  re- 
seda!  scisne,  scisne,  quis  hie  puUus  ^gerit  radfces?  ndc  caput  nee  p^es 
habeat).  Cato  R.  R.  160.  Varro  r.  r.  I,  2,  27:  terra  pest^m  ten^to,  s&lus 
hie  mannte  (saturnisch).  Vergil.  Ae.  IV,  487  ff.  Hör.  Ep.  II,  1,  138.  Tibull. 
1,  2,  53  f.    Mommsen  R.  G.  P.  S.  204.  432.     Vgl.  oben  11. 


124  Die  liinf  ersten  Jiihrh.  d.  St. 

(1)  Rechtsquellen  und  Rechtsliteratur. 

76  84.    Die  seit  Abschaffung  des  Königthums  für  die  Plebejer 

immer  diückender  werdende  Rechtsunsicherheit  und  Rechts- 
ungleichheit gegenüber  von  den  Patriciem  führte  nach  langen 
Kämpfen  am  Anfange  des  vierten  Jahrhunderts  d.  St.  zur  Ent- 
werfung und  Einführung  eines  gemeinen  Landrechts  ^  durch 
welches  das  bestehende,  aber  grösstentheils  ungeschriebene,  Ge- 
wohnheitsrecht formell  codificiert,  materiell  durch  die  gemach- 
ten Erfahrungen  und  die  neugewonnene  Kenntniss  auswärtiger 
Staats-  und  Rechts -Verhältnisse  verbessert  wurde:  die  Gesetz- 
gebung der  zwölf  Tafeln.  Sie  regelte  das  Civilrecht  und  Civil- 
verfahren,  umfasste  aber  auch  sacral-  und  criminal- rechtliche, 
sowie  polizeiliche  Bestimmungen.  Mit  der  fortschreitenden  Pra- 
xis und  Sprachentwicklung  vermittelt  wurden  diese  Gesetze  schon 
.  frühzeitig  durch  Commentatoren. 

1.  J.  300  d.  St.  lex  Terentilia,  Absendung  von  drei  Gesandten  nach 
Hellas.  Rückkehr  J.  302,  Wahl  eines  Gesetzgebungsausschusses  (Xviri  legi- 
bus scribundis),  Amtsantritt  im  Mai  303,  Abfassung  von  10  Tafeln,  zu  denen 
im  J.  304  noch  zwei  hinzukamen.    Beihülfe  des  Ephesiers  Hermodoros. 

2.  Einiluss  der  solonischen  Gesetzgebung,  Cic.  de  legg.  II,  23,  59.  25, 
64.  Dig.  X,  1,  13.  XLVII,  22,  4.  Plut.  Sol.  21.  23.  F.  Hofinann,  Beiträge 
zur  Gesch.  d.  griech.  und  röm.  Rechts  (Wien  1870).  S.  1  ff. 

3.  Die  XII  tabulae  wurden  fons  omnis  publici  privatique  iuris,  Liv.  III, 
34.  vgl.  Dionys.  X,  3.  Auson.  Id.  XI,  619.  Tac.  A.  III,  27.  Die  swei  letz- 
ten Tafeln  werden  oft  vom  allgemeinen  Lobe  ausgenommen,  Cic.  de  vep.  II, 
36,  61.  37,  63. 

4.  Diod.  XII,  26:  ßQax^mg  xorl  ansQ^TToag  avyKSifiivri.  Gell.  N.  A.  XX, 
1,4:  eleganti  atque  absoluta  brevitate  verborum  scriptae ,  doch  daneben 
quaedam  obscurissima  aut  durissima  u.  s.  w. 

5.  Auf  Erz  gegraben  (Liv.  III,  57.  Dionys.  X,  57.  Diod.  XII,  26);  das 
ursprüngliche  Original  zwar  wohl  beim  gallischen  Brande  zu  Grunde  ge- 
gangen ,  aber  nachher  aus  dem  Gedächtniss  wieder  hergestellt.  Bis  in  die 
ciceronische  Zeit  in  den  Schulen  auswendig  gelernt,  Cic.  de  legg.  II,  4,  9. 
23,  59.  In  der  Zeit  des  Diodor  (XII,  26:  Siiiisive  d^ccviiaioy^svr]  fi^sxQi'  tmv 
%a&*  TifjMg  KcciQÖiv)  und  des  A.  Gellius  (XX,  1)  noch  vorhanden.  Für  die 
des  Cyprian  geht  es  aus  dessen  rhetorischer  Wendung  (Epist.  U,  2:  incisae 
8 int  leges  XII  tabulis  et  publice  aere  praefixo  iura  praescripta  sint,  — 
inter  leges  ipsas  delinquitur,  inter  iura  peccatur)  keineswegs  hervor. 

6.  Commentatoren:  Sex.  Aelius  Catus  (Cic.  de  legg.  II,  23,  59.  Top. 
2,  10.  Pompon.  Dig.  I,  2,  2.  J.  38),  L.  Acilius  (Cic.  de  legg.  1.  1.),  L.  Aelius 
Stilo  (s.  d.),  Ser.  Sulpicius  Rufus  (Dig.  L,  16,  237.  Fest.  p.  210.  322  vgl. 
p.  174.  321.  376),  Antistius  Labeo  (Gell.  N.  A.  I,  12,  18.  VII,  15,  1.  XX, 
1,  13),  Valerius  (Fest.  p.  321  vgl.  253.   355.     R.  Scholl,  XII  tabb.  p.  35— 


84—86.  Zwölf  Tafeln.  Legis  actiones.  Cn.  Flavius.  125 

38),  Gajus  (von  dessen  Commentar  20  Bruchstücke  in  den  Digesten  erhal- 
ten sind). 

7.  Sammlung  und  Bearbeitung  der  Ueberreste  der  zwölf  Tafeln  nächst 
Gothofredus  (z.  B.  in  Otto's  Thesaur.  iur.  rom.  III.  p.  1  —  254)  bes.  von 
H.  E.  Dirksen,  üebersicht  der  bisherigen  Versuche  zur  Kritik  u.  Herstellung 
des  Textes  der  Zwölftafelfragmente,  Leipzig  1824.  Legis  X-II  tabb.  reli- 
quiae,  edidit,  constituit,  prolegomena  addidit  E.  SchöU,  Lips.  1866.  Auch 
z.  B.  in  Egger,  lat.  serm.  vet.  rell.  (Paris  1844)  p.  89  ff.  R.  Gneist,  Institut, 
syntagma  (Lips.  1858).  Näheres  bei  R.  Klotz,  Lat.  Litt.  Gesch.  I.  S.  328, 
A.  416  u.  S.  342  f.  und  De  XII  tabularum  libello  eiusque  origine,  Lips.  1868.  4. 
R.  Schölls  Prolegg.  capp.  1—4,  p.  1—112. 

8.  Ueber  die  Zwölftafelgesetzgebung  s.  bes.  Schwegler  III.  S.  1 — 47. 

85.  Die  Errungenscliaft  der  zwölf  Tafeln  wurde  den  Ple-  77 
bejem  alsbald  dadurch  wieder  verkümmert  dass  die  Patricier 
sich  in  den  Alleinbesitz  der  Auslegung  und  Anwendung  der- 
selben zu  setzen  wussten.  Insbesondere  die  Kenntniss  der  ge- 
naueren Formen  des  gerichtlichen  Verfahrens  (legis  actiones), 
sowie  der  Tage  an  welchen  ein  Rechtsgeschäft  kirchenrechtlich 
zulässig  sei,  blieb  den  Plebejern  verschlossen. 

1.  Interpretatio  legum,  auctoritas  prudentum,  disputatio  fori  (ius  civile 
im  eng.  S.),  Pompon.  Dig.  I,  2,  2.  $.  5.  Et  interpretandi  scientia  et  actio- 
nes apud  collegium  pontificum  erant,  ib.  ^.  6.  vgl.  Yal.  Max.  II,  5,  2. 

2.  Legis  actiones  theilweise  älter  als  die  12  Tafeln,  bes.  die  per  sa- 
cramentum  und  wohl  auch  die  per  iudicis  (arbitrive)  postulationem;  we- 
niger per  condictionem ,  per  manus  iniectionem,  per  pignoris  capionein. 
Literatur  bei  Rein  in  Pauly's  Real-Enc.  IV.  S.  902—904  u.  dazu  bes.  Schmidt, 
de^riginibus  legis  actionum,  Freiburg  1857.  4. 

3.  Diebus  fastis,  quos  populus  a  paucis  principum  quotidie  petebat, 
Plin.  N.  H.  XXXIU,  6,  17.  vgl.  Cic.  p.  Mur.  11,  25.     Vgl.  oben  §.  72. 

86.  Abhülfe  verschaflFte  ums  J.  450  d.  St.  der  Schreiber  C-n.  78 
Flavius,  welcher  mit  Unterstützung  seines  Patronüs  App.  Clau- 
dius den  Kirchenkalender  und  die  Legisactionen  veröffentlichte: 
Fasti  und  ius  Flavianum. 

1.  Appii  Gaeci  (s.  unten  88)  scriba,  cuius  hortatu  exceperat  eos  dies 
consultando  assidne  sagaci  ingenio,  Plin.  n.  h.  XXXIII,  6, 17.  Cic.  p.  Mur.  11,25. 

2.  Verzeichniss  der  dies  fasti  und  nefasti  durch  ihn  auf  einer  Gipstafel 
auf  dem  Forum  aufgestellt,  Liv.  IX,  46.    Vgl.  Val.  Max.  II,  5,  2. 

3.  Legis  actiones  composuit,  Cic.  ad  Att.  VI,  1,  8.  vgl.  de  or.  I,  41, 
186.  Pompon.  Dig.  I,  2,  2,  7.  Hie  Über,  qui  actiones  continet,  appellatur 
ius  civile  Flavianum,  Pompon.  1.  1.  Später  ergänzt  und  fortgeführt  durch 
Sex.  Aelius,  welcher  alias  actiones  composuit  et  librum  populo  dedit,  qui 
appellatur  ius  Aelianum,  Pomp.  1.  1.     Auszüge  aus  dem   ius  Flavianum  in 


120  Die  fünf  ersten  Jahrh.  d.  St. 

der  Schrift  des  Probus  de  nötig?  Th.  Mommsen,  Berichte  der  sächs.  Ges. 
d.  W.  1853,  S.  133  f. 

79  87.    Nachdem  so  die  Rechtsquellen  alle  öflFentlich  geworden 

waren  hörte  die  Rechtskeuntniss  auf  ein  Monopol  der  Patricier 
zu  sein:  unter  den  ältesten  Rechtsgelehrten  sind  neben  einigen 
Patrieiem  die  bedeutendsten  die  Plebejer  P.  Sempronius  Sophus 
und  Tiberius  Coruncanius,  der  erste  Rechtslehrer. 

1.  Pompon.  Dig.  I,  2,  2.  §.  37:  fuit  .  .  maximae  scientiae  Sempronius, 
lauern  populus  rom.  aotpov  appellavit  (Cos.  460  d.  St.,  unter  den  ersten 
plebej.  Pontifices  454,  Censor  455,  s.  Haakh  in  Pauly's  Real-£nc.  VI,  1.  S. 
974  f.  Nr.  12);  C.  Scipio  Nasica,  qui  Optimus  a  senatu  appellatus  est  (Ver- 
wechslung? Derjenige  welcher,  aber  erst  im  J.  550,  den  Beinamen  Optimus 
erhielt  heisst  sonst  immer  Publ.  und  war  Consul  563  d.  St.  Vgl.  Pauly's 
Iteal-Enc.  II.  S.  666  f.  Nr.  11),  cui  etiam  publice  domus  in  sacra  via  data 
est,  quo  faciliuB  consuli  posset.  deinde  Q.  Mucius  (?  Maximus  vermutet  Byn- 
kershoek).  .  §.  38:  post  hos  fuit  Ti.  Goruncanius,  qui,  ut  dixi  (§.35),  primus 
profiteri  coepit.  cuius  tarnen  scriptum  nullum  extat,  sed  responsa  complura 
et  memorabilia  eins  fuerunt  (Muretus:  feruntur).  Er  war  Cos.  474  d.  St. 
und  der  erste  plebejische  Pontifex  maximus.  Vgl.  Pauly's  Real-Enc.  II. 
S.  722  f.  und  E.  Schrader,  Cor.  der  erste  öffentliche  Rechtslehrer,  Civilist. 
Magazin  V.  S.  187  ff. 

2.  Ob  Sophus  und  Goruncanius  ihrer  Rechtskeuntniss  ihr  Priesteramt 
verdankten  oder  umgekehrt  ihrem  Priesteramte  ihre  Rechtskenntniss ,  mag 
zweifelhaft  sein;  vgl.  Mommsen  P.  S.  442. 

so  88.   Die  heryorragendste  Erscheinung  dieser  Zeit  aber  und 

ihr  um  ein  Jahrhundert  voraus  war  Appius  Claudius  Caecus 
(Censor  442  d.  St.,  Cos.  447  und  458),  der  geniale  Edelmann 
welcher  im  Staate  die  Beschränkung  des  vollen  Gemeindebürger- 
rechts auf  die  Ansässigen  zersprengte,  der  das  alte  Finanzsystem 
]>rach,  von  dem  die  römischen  Wasserleitungen  und  Strassen, 
die  römische  Jurisprudenz,  Eloquenz  und  Grammatik  datieren, 
und  von  dem  auch  die  Anfänge  einer  lateinischen  Schriftprosa 
sowie  einer  Kunstpoesie  herrühren. 

1.  Mommsen  R.  G.  I*.  S.  427.  378.  420  und  Römische  Forschungen  I 
(Berlin  1864)  S.  .301 — 313  (demagogischer  Charakter  bes.  seiner  Censur). 
Vgl.  Haakh  in  Pauly's  Real-Enc.  IL  S.  4ö6  f.  Nr.  11.  N.  Saal,  de  App.  Cl. 
Caeco  comm.  hist.  Köln  1841.  4.  W.  Siebert,  über  App.  Claudius  Caecus, 
luit  bes.  Berücksichtigung  seiner  Censur  und  der  des  Fabius  und  Decius, 
Kassel  1863.    111  S.  8.     W.  Ihne,  röm.  Geschichte  J   (1868). 

2.  Sein  elogium  bei  Orelli  539,  u.  im  C.  I.  lat.  I.  p.  287,  Nr.  XXVIIl. 

3.  Pompon.  Dig.  I,  2,  2.  §.  36:  App.  Claudius  .  .  maximam  scientiam 
habuil.     hie  Ceiitemmanu»   appellatus  est.     Appiam  viam  stravit  et  aquam 


87  f.  P.  SemproniuB.   Tib.  Coruncaniiis.   App.  Claudius.  127 

Claudiam  iuduxit,  et  de  Pyrrho  in  urbem  uon  recipiendo  seutentiam  tulit 
(berühmte  Rede  vom  J.  474,  lange  erhalten,  s.  Cic.  Brut.  16,  61.  Cato  m. 
6,  16.  Sen.  Ep.  114,  13.  Tac.  dial.  18.  21.  Quintil.  II,  16,  7).  hunc  etiani 
actiones  scripsisse  traditum  est  (vielmehr  hat  er  die  legis  actiones  des 
Flavius  veranlasst;  Mommsen  streicht  actiones),  primnm  de  usurpationibus, 
qui  über  non  exstat.  idem  .  .  B  litteram  invenit  (d.  h.  unterschied  die 
beiden  Laute  r  und  s  durch  die  Schrift,  vgl.  Mommsen  P.  S.  443),  ut  pro 
Valesiis  Valerii  essent  et  pro  Fusiis  Furii.  Auch  die  Verbannung  des  Z 
aus  der  Schrift  wird  auf  ihn   zurückgeführt  (Martian.  Cap.  p.  64,  4  Eyss.). 

4.  Sollers  iuris  atque  eloquentiae  consultus,  Liv.  X,  22.  vgl.  19.  Er 
war  der  Erste  welcher  etwas  Prosaisches  niederschrieb  und  herausgab. 
Isidor.  Origg.  I,  37,  2.-  primus  apud  Graecos  Pherecydes  Syrius  soluta  ora- 
tione  scripsit,  apud  Romanos  autem  Appius  Caecns  .  .  (s.  oben  35,  1);  iam 
exhinc  cuteri  prosae  eloquentiam  condideruut. 

5.  Cic.  Tusc.  IV,  2,  4:  mihi  Appii  Caeci  Carmen,  quod  valde  Panaetius 
laudat  epistola  quadam  quae  est  ad  Q.  Tuberonem,  Pythagoricum  videtur. 
Vgl.  Fest.  p.  317:  in  Appii  sententiis.  Ps.  Sali.  Ep.  ad  Caes.  I,  1,  2.:  quod 
in  carminibuB  Appius  ait,  fabrum  esse  suae  quemque  fortunae.  Also  etwa: 
fab^r  suse  fortunae  ünusqufsquest  ipsus.  Priscian.  VIII.  p.  792  P.  =  384, 
3  ff.  Htz.:  Appius  Caecus:  amicum  cum  vid^s  öbliviscere  miserias  u.  s.  w. 
(satumisch).  Der  erste  Anfang  hellenisierender  römischer  Poesie,  Momm- 
sen P.  S.  432. 


n. 

Erste  Periode  der  romisclieii  Literatur. 

Von  Andronikus  bis  in  die  sullanische  Zeit. 

J.  514—670  d.  St. 

89.  Die  Jahrhunderte  wo  Rom  keine  eigentliche  Literatur  8i 
besass  sind  die  seiner  politischen  Grösse.  Die  Literatur  kam 
erst  auf  durch  das  Bedürfniss  der  Schule  und  der  Schaubühne, 
als  die  Unterweisung  durch  Begleiten  des  Vaters  auf  den  Markt 
und  in  den  Rath  nicht  mehr  genügend  erschien,  und  von  der 
Bühne  ausser  den  bisherigen  altnationalen  Possen  und  Tänzen 
auch  zusammenhängende  theatralische  Vorstellungen  erwartet 
wurden.  Die  römische  Literatur  ist  daher  von  vornherein  unter 
dem  Einflüsse  der  griechischen;  sie  ist  durch  diese  ins  Leben 
gerufen,  in  ihrer  Art  fortwährend  von  ihr  abhängig  und  kann 
desshalb  selbst  auch  Boden  gewinnen  nur  auf  Kosten  des  echt 
und  alt  romischen  Wesens*). 

')  Mommsen  R.  G.  I».  S.  860  f. 


128  I^as  sechste  imd  siebente  Jahrh,  d.  St. 

Kenntiiiss  griechischer  Sprache  und  Einrichtungen  ist  zwar 
in  Italien  und  Rom  uralt.  Griechischen  Einfluss  verräth  schon 
die  servianische  Verfassung  und  die  Beschaffenheit  der  ludi 
romani^);  auf  dem  Gebiete  des  Cultus  nährten  ihn  die  sibyl- 
linischen  Bücher.  Auch  Namen  wie  Codes  (XvxAo^),  Cata- 
mitus  (Ganymedes)  deuten  auf  frühe  Zusammenhänge.  Zu  An- 
fang des  vierten  Jahrhunderts  d.  St.  wird  die  römische  Gesetz- 
gebung  verbessert  durch  Benützung  der  solonischen,  im  Laufe 
des  Jahrhunderts  auf  dem  römischen  Forum  ein  eigener  Platz 
für  die  Griechen  (Graecostasis)  eingerichtet.  Seit  der  Eroberung 
Campaniens,  zu  Anfang  des  fünften  Jahrhunderts  d.  St.,  ge- 
winnt dieser  Einfluss  an  Ausdehnung:  Beinamen  wie  Philippus, 
Philo,  Sophus,  Agelastus  haben  nichts  Fremdartiges,  die  Sitte 
bei  Tische  zu  liegen,  Verstorbenen  Grabschriften  und  Denk- 
mäler zu  setzen  u.  A.  wird  von  den  Griechen  her  angenommen*). 
Als  am  Ende  des  fünften  Jahrhunderts  auch  die  Beziehungen  zu  dem 
griechischen  Unteritalien  immer  häufiger  werden,  können  römische 
Grosse  bei  Missionen  sich  schon  der  griechischen  Sprache  be- 
dienen, wie  die  Seefahrer  und  Handelsleute  unter  den  Römern 
es  wohl  schon  früher  verstanden.  Durch  die  zahlreichen  griechi- 
schen Sklaven  und  Freigelassenen  wurden  auch  die  unteren 
Stände  Roms  mit  Griechischem  bekannt.  Nach  solchen  Vor- 
bereitungen war  die  Wirkung  um  so  rascher  und  tiefer  als  der 
erste  punische  Krieg  die  waffenfähige  Mannschaft  Roms  in  Sici- 
lien  mit  griechischer  Bildung  in  engere  und  länger  dauernde 
Berührung  brachte.  Von  dort  nahm  man  Geschmack  für  feinere 
Genüsse  mit  nach  Hause,  und  es  ist  daher  wohl  kein  Zufall  dass 
schon  im  nächsten  Jahre  nach  Beendigung  des  ersten  punischen 
Krieges  (J.  490 — 513)  Andronikus  zu  Rom  mit  Dramen  auftreten 
konnte,  und  seitdem  solche  Aufführungen  ohne  Unterbrechung 
sich  folgten.  Selbst  während  des  hannibalischen  Krieges  ( J.  536 — 
553)  hatten  dieselben  in  der  Hauptsache  ihren  ungestörten  Ver- 
lauf; denn  des  Naevius  schriftstellerische  Wirksamkeit  fällt  zum 
grössten  Theile  und  von  der  des  Plautus  wenigstens  die  grössere 
—  wenn  auch  wohl  minder  fruchtbare  —  Hälfte  in  die  Zeit 
dieses  Krieges.  In  ihm  haben  die  specifisch  römischen  Tugen- 
den sich  nochmals  in  ihrem  schönsten  Glänze  gezeigt.  Aber  als 
die  furchtbare  Anspannung  aller  Kräfte,    welche  er  noth wendig 

')  Mommsen  I^  S.  87.  209  ff. 

«)  Mommsen  I*.  S.  424.     V^l.  oben  §.  81,  5. 


89.  Charakteristik  des  &echsteu  Jahrh.  129 

gemacht  hatte,  nachliess,  das  Crefühl  der  Erlösung  von  einer 
Ungeheuern  Gefahr  und  der  Jubel  über  den  endlichen  Sieg  für 
alle  Genüsse  des  Lebens  zugänglicher  machte^),  schlug  auch  die 
Literatur  tiefere  Wurzeln  in  Rom,  zumal  sie  schon  um  548 
durch  Verleihung  der  Corporationsrechte  an  die  poetae  als  bür- 
gerlich achtbar  anerkannt  worden  war.  Zugleich  traf  es  sich 
dass  J.  550  M.  Cato  den  Ennius  nach  Rom  brachte,  das  künf- 
tige Haupt  der  altrömischen  Partei  denjenigen  welcher  bald  der 
Bannerträger  der  hellenisierenden  Richtung  werden  sollte.  Seit 
dieser  Zeit  wurde  immer  mehr  wahr  was  Porcius  Licinus  bei 
GelHus  XVn,  21  sagt: 

In  dem  zweiten  Pönerkriege  hat  die  Muse  raschen  Schritts 
Sich  hineinbegeben  in  des  Romulus  rauhes  Kriegervolk  ^). 
Mit  Betrübniss  sah  ein  nationalgesinnter  Dichter  wie  Naevius 
das  Verlassen  der  nationalen  Bahn  und  Umsichgreifen  des 
Fremden*),  Der  in  gleichem  Verhältnisse  mit  ihrem  Reichthum 
wachsende  Ehrgeiz  der  Nobilität  kam  der  GafFlust  der  Menge 
wetteifernd  entgegen-,  mit  andern  Volksbelustigungen  wurden 
daher  auch  die  dramatischen  Aufführungen  eifrig  gefördert,  die 
Anfertigung  von  Stücken  für  diese  wurde  zu  einer  leidlich  loh- 
nenden Arbeit,  und  neben  und  nach  Plautus  sehen  wir  daher 
Ennius,  Pacuvius,  Statins  Caecilius,  Terenz  hiefür  thätig.  Die 
Kriege  mit  Philipp  III.  von  Makedonien  (J.  554 — 557)  und  voll- 
ends der  mit  Antiochus  (J.  563  f.)  trugen  zur  Untergrabung 
altrömischer  Sitte  wesentlich  bei,  erweiterten  indessen  auch  den 
Horizont,  rückten  die  Idee  eines  Weltreiches  immer  näher,  damit 
aber  zugleich  die  Nothwendigkeit  die  angestammte  Nationalität 
zu  vertauschen  gegen  die  hellenische  Civilisation  mit  ihrem  kos- 
mopolitischen und  humanitären  Charakter.  Nun  war  aber  deren 
Ueberlegenheit  so  gross  dass  man  sich  zu  ihr  nur  aufnehmend 
und  lernend  verhalten  konnte;  und  dabei  fehlte  es  den  meisten 
Röm_ern  an  der  Fähigkeit  an  dem  Fremden  zu  sondern  zwischen 
dem  WerthvoUen,   Unerlässlichen,    und    dem  Ungeeigneten   und 

*)  Auch   die    oskische   Atellane  acheint  um  diese  Zeit  nach  Rom  ge- 
kommen zu  sein;  8.  oben  §.  9. 

*)  Poenico  hello  secundo  Musa  pinnato  gradu 
intulit  se  hellicosam  in  Romuli  gentem  feram. 
Vgl.  auch  Hör.  Ep.  II,  1,  162  f. 

^)  Diess  hesagt  seine  Grahschrift:  mit  seinem  Tode  obliti  sunt  Romai 
loquier  latina  lingua. 

Tkctpel,  Rom.  LiteTaturgeachichte.   2.  Aiifl.  9 


130  D^  sechste  und  siebente  Jahrh.  d.  St. 

Schädlichen;  ohne  Vorbehalt  und  Wahl  warfen  sie  sich  der  hel- 
lenischen Ciiltur  in  die  Arme  und  eigneten  sich  nicht  blos  ihre 
glänzenden  Lichtseiten  an  sondern  auch  ihre  grellen  Schatten. 
Anfangs  waren  es  ausschliesslich  die  Vornehmen  welche  dem 
neuen  Wesen  sich  zuwandten;  insbesondere  der  Kreis  der  Sci- 
pionen  schätzte  und  forderte  das  Hellenische  und  hielt  sich 
seinerseits  von  den  Ausschreitungen  desselhen  ziemlich^)  ferne. 
Seine  Abkehr  von  der  altrömischen  Denkweise  zeigte  der  ältere 
Africanus  besonders  durch  das  Wort  das  er  im  Munde  führte: 
numquam  se  minus  esse  otiosum  quam  cum  otiosus  esset  ^); 
womit  er  aber  seine  Mussestunden  ausfüllte  erhellt  aus  dem 
Vorwurf  den  ihm  die  Gregenpartei,  an  deren  Spitze  Q.  Fabius 
stand^  im  J.  550  machte,  dass  er  sich  mit  Scharteken  und  Tur- 
nen abgebe^).  Ein  hochachtbarer  Vertreter  der  hellenisierenden 
Richtung  war  auch  L.  Aemilius  Paulus  (c.  527 — 594).  Beide 
schrieben  und  sprachen  geläufig  griechisch,  wie  auch  T.  Quintius 
Flamininus  (Cos.  556),  Ti.  Gracchus  (Cos.  577.  591),  C.  Sulpi- 
cius  Galluö  (Cos.  588),  Cn.  Octavius  und  ohnehin  alle  Annalisten 
des  hannibalischen  Krieges  (Fabius  Pictor,  Cincius,  Acilius). 
Verse  machten  Q.  Fabius  Labeo  (Cos.  571)  und  M.  Popillius 
Laenas  (Cos.  581).  Selbst  Cato  entfaltete  wenigstens  in  lateini- 
scher Prosa  eine  rege  schriftstellerische  Thätigkeit,  und  er  der 
behauptete  dass  die  Romer  über  den  griechischen  Büchern  das 
Handeln  verlernen  werden*)  musste  noch  in  seinen  alten  Tagen 
sich  dazu  verstehen  das  Griechische  zu  erlernen.  Aber  es  mehren 
sich  auch  schon  die  Symptome  des  Verfalls  der  altrömischen 
Sittenstrenge^),  so  dass  ein  Mann  vom  alten  Schlage,  wie  T. 
Manlius  Torquatus,  sich  in  seiner  Vaterstadt  fremd  und  einsam 
fühlte®).  Mit  jeder  Generation,  fast  mit  jedem  Jahre,  werden 
diese  Symptome  bedenklicher,  die  Zerklüftung  des  Familienlebens, 
die  Missachtung  von  Gesetz  und  Ordnung,  und  sogar  der  väter- 


>)  Vgl.  Nävins  bei  Gell.  N.  A.  VII  (VI),  8,  5.    Val.  Max.  VI,  7,  1. 
«)  Cic.  Off.  III,  1,  1. 
8)  Liv.  XXIX,  19  8.  f. 

*)  Vgl.  oben  2,  1  und  bei  Plin.  N.  H.  XXIX,  7:  quandocumque  ista 
gens  suas  litteras  dabit  omnia  corrumpet. 

'^)  Liv.  XXVI,  2,  lö  (aus  J.  543):  enm  (Cn.  Ptilvins)  in  ganea  histrisquo, 
nbi  iuventutem  egerit,  senectatem  actunim. 

**)  Liv.  XXVI,  22, -9  (J.  543):  nequo  ego  vestros  mores  consul  ferre 
potero  neqne  vos  imperiam  meum. 


89.  Charakteristik  des  sechsten  Jahrh.  131 

liehen  Götter.  In  demselben  Masse  steigerte  sich  zwar  auch 
der  Widerstand  der  Anhänger  des  Alten,  wie  des  alten  Cato, 
der  namentlich  in  seiner  Censur  (J.  570)  den  Kampf  rücksichts- 
los durchführte.  Aber  sie  versuchten  Unmögliches,  einen  Process 
aufzuhalten  der  das  Ergebniss  von  tausend  unabänderlichen 
Factoren  war,  der  Umwälzung  sich  entgegenzustammen  die  sich 
mit  unwiderstehlicher  Gewalt  in  Glauben,  Leben  und  Sitte,  im 
Denken  und  im  Handeln  der  Nation  vollzog.  Dazu  waren  die 
Mittel  die  sie  anwandten  vielfach  verkehrt  und  zweckwidrig. 
So  verwies  man  J.  581  die  epikureischen  Philosophen  Alkäos 
und  Philiskos  aus  Bom,  so  vertrieb  man  J.  593  abermals  die 
Philosophen  und  rhetores  latini,  so  schickte  man  J.  599  die 
athenische  Gesandtschaft  an  deren  Spitze  Karneades  stand  mög- 
lichst bald  wieder  nach  Hause.  Dafür  aber  lockte  der  Senat 
J.  587  tausend  vornehme  und  hochgebildete  Achäer  —  worunter 
Polybios  —  nach  Italien  und  hielt  sie  dort  17  Jahre  lang  als 
Geissein  fest,  üeberhaupt  hat  die  Politik  der  schamlosen  Selbst- 
sucht welche  der  römische  Senat  in  dieser  Zeit  befolgte  und 
welche  ihren  Gipfelpunkt  erreichte  in  dem  nichtswürdigen  Ver- 
fahren gegen  das  unglückliche,  zu  Boden  geworfene  Karthago*), 
die  mutwilligen,  nichts  als  Vergrösserung  und  Bereicherung  be- 
zweckenden Kriege  welche  Bom  seit  dem  zweiten  punischen 
fortwährend  führte,  den  altrömischen  Geist  weit  nachhaltiger 
untergraben  als  alle  hellenische  Kunst  und  Weisheit  je  ver- 
mocht hätte.  In  erschreckender  Progression  wuchs  namentlich 
in  den  drei  letzten  Decennien  des  sechsten  Jahrhunderts  das 
innere  Verderben,  die  Sittenlosigkeit^),  Feilheit,  unersättliche  Be- 
reicherungswut, die  um  Nichts  sich  kümmerte,  über  Gesetze, 
Senatsbefehle,  Staatsprocesse  frech  sich  hinwegsetzte,  eigen- 
mächtig Krieg  führte,  ohne  Erlaubniss  Triumphe  feierte,  die  Pro- 
vinzen aussog,  die  Bundesgenossen  beraubte.  Schimpfliche  Ver- 
träge und  Friedensschlüsse  werden  immer  häufiger.  Statt  früher 
durch  virtus  vergrössert  sich  jetzt  Bom  durch  Hinterlist,  Treu- 
losigkeit und  diplomatische  Bänke.  "  Eine  gewisse  Bildung  ver- 
breitet sich  freilich  allmählich  auch  über  die  Masse:    schon  die 


*)  Vgl.  über  diese  machiavellistische  Politik  C.  Peter,  Studien  zur  röm. 
Gcflch.  (Halle  1863)  S.  115  jff.  Selbst  ein  so  warmer  Bewunderer  der  Rö- 
mer wie  Polybios  wird  dadurch  wiederholt  zu  Aufschreien  der  Entrüstung 
veranlasst;  s.  XXXI,  18  vgl.  8.  12.  19  extr.  XXXII,  2. 

^  Vgl.  Polyb.  XXXI,  24  und  bes.  XXXU,  11  (p.  1096  Bk.). 

9* 


132  Das  sechste  und  siebente  Jahrh.  d.  St. 

vielen  griechischen  Fremdwörter  bei  Plautus  (und  Ennius)  zeu- 
gen hiefür  ^),  und  dass  die  ludi  scenid  immer  mehr  das  üeber- 
gewicht  gewinnen  über  die  circenses^).  Aber  was  in  den  dra- 
matischen Spielen  dem  Volke  hauptsächlich  geboten  wurde,  die 
Stücke  der  palliata,  trug  selbst  wiederum  zur  Auflösung  der 
Sitten  erheblich  bei,  und  gelegentlich  trat  auch  unverkennbar  zu 
Tage  dass  diese  Bildung  doch  nur  ein  leichter  Firniss  war,  der 
von  selbst  abfiel  sobald  man  sich  gehen  liess^). 

81  90.   Was  das  sechste  Jahrhundert  gereift   hatte,    das  voll- 

endete das  siebente:  schon  das  J.  608  brachte  Karthago's  und 
Korinths  Zerstörung.  Mit  Karthago  war  eine  Mahnerin  zu  fort- 
gesetzter kriegerischer  Tüchtigkeit  für  immer  verstummt,  und 
weitsichtiger  als  der  alte  Eiferer  Cato  beweinte  daher  der  wel- 
cher sie  zerstören  musste  selbst  ihren  Fall;  Korinths  Untergang 
und  die  Vernichtung  der  hellenischen  Selbständigkeit  trieb  die 
Hellenen  schaarenweise  nach  Rom,  um  dort  Ersatz  zu  finden 
für  die  verlorene  Heimat.  Mit  dem  eigenthümlich  römischen 
Wesen  war  es  jetzt  für  immer  zu  Ende:  Graecia  capta  ferum 
victorem  cepit.  Aus  dem  sechsten  Jahrhundert  herüber  ragt  in 
das  siebente  herein  die  edle  Gestalt  des  jüngeren  Africanus 
(c.  570 — 625),  des  Freundes  von  Panaitios  und  Polybios;  um 
ihn  sammelt  sich  Alles  was  nicht  untergehen  will  in  dem  Strome 
des  Egoismus,  der  Geldgier  und  Sittenlosigkeit:  von  Altersge- 
nossen (ausser  Terenz)  sein  Bruder  Q.  Fabius  Maximus  (Cos. 
609),  sein  Schwager  Q.  Aelius  Tubero,  M'.  Manilius  (Cos.  605), 
der  jüngere  Laelius  (Cos.  614),  D.  Junius  Brutus  (Cos.  616), 
L.  Furius  Philus  (Cos.  618),  Sp.  Mummius,  Sex.  Pompejus,  P. 
Rupilius  (Cos.  622);  von  jüngeren  Männern  C.  Lucilius  (geb. 
606),  die  Schwiegersöhne  des  Laelius,  C.  Fannius  und  Q.  Mu- 
cius,  sowie  der  jüngere  Tubero,  P.  Rutilius,  A.  Verginius  u.  A.*) 
Aber  je  stärker  der  Gegensatz  war  in  welchem  das  Denken  und 
Thun  dieses  Kreises  zu  der  herrschenden  Richtimg  stand,  desto 
mehr  geriethen  sie  in  arist9kratische  Absonderung  hinein  und 
desto  geringer  wurde  ihr  Einfluss.     Der  Bankrott  der  Nobilität, 


')  Mommsen  R.  G.  P.  S.  857,  Anm. 

^)  J.  574  dauern  die  circenses  zwei  Tage,    die  8ceiiici  fünf  (Liv.  XL, 
62);  J.  580  die  circenses  einen  Tag,  die  scenici  vier  (ib.  XLII,  10). 

3)  Vgl.  z.  ß.  Polyb.  XXX,  13  (aun  Athen.  XIV.  p.  615)  vom  J.  587. 
*)  Vgl.  Cic.  Lael.  27,  101. 


90.  Charakteristik  des  siebenten  Jahrb.  133 

die  innere  Fäulniss  der  höheren  Stände  tritt  zu  Tage  im  numan- 
tinischen  Kriege  (J.  611 — 621)  und  regt  die  Gracchen  (J.621 — 631) 
zu  ihren  Anstrengungen  auf;  er  bekundet  sich  grell  im  jugur- 
thinischen  Kriege  (J.  643 — 648)  und  macht  es  der  rohen  Kraft 
des  geistig  wenig  bedeutenden  Marius  möglich  wunderbare  Er- 
folge zu  gewinnen.  Damit  dass  er  griechisch  nicht  versteht 
bildet  dieser  bereits  eine  Ausnahme  in  seiner  Zeit^),  ohnehin 
von  der  regierenden  Classe^);  schon  die  Aufführung  griechischer 
Stücke  zu  Rom  in  griechischer  Sprache  zeigt  die  Verbreitung 
dieser  Kenntniss.  Manche  Inschriften  aus  dieser  Zeit  sind  in 
beiden  Sprachen  verfasst,  und  die  Römer,  früher  in  der  palliata 
sich  selbst  als  barbari  mitbezeichnend,  theilen  jetzt  mit  den 
Griechen  die  Herrschaft,  sie  auf  dem  Gebiete  der  Politik,  die 
Griechen  auf  dem  der  Bildung.  Die  römischen  Schriftsteller  der 
Zeit  erkennen  das  Uebergewicht  der  griechischen  Literatur  an, 
die  einen  indem  sie  auf  Wetteifer  in  der  Form  Verzicht  leisten, 
wie  Lucilius,  Andere  indem  sie  Correctheit  und  Glätte  in  zu- 
nehmendem Masse  erstreben,  wie  L.  Attius;  Manche  lassen  sich 
durch  blinde  Nachahmung  sogar  ins  Tändelnde  führen,  wie  die 
erotischen  Epigrammatiker.  Die  politischen  Verhältnisse  bewir- 
ken zunehmende  Ausdehnung  und  Verfeinerung  der  Volkslust- 
barkeiten ^).  Seit  J.  609  wurden  alljährlich  vollständige  Theater 
in  griechischer  Weise,  mit  umherlaufenden  erhöhten  Sitzreihen, 
errichtet,  wenn  auch  noch  aus  Holz  und  so  dass  das  Theater 
nach  gemachtem  Gebrauche  jedesmal  wieder  abgebrochen  wurde; 
denn  erst  699  wurde  durch  Pompejus  ein  Theater  aus  Stein  ge- 
baut. Portwährend  überwiegt  daher  auch  in  der  literarischen 
Production  das  Drama.  Die  Tragödie  hat  im  siebenten  Jahrh. 
an  L*  Attius  einen  achtbaren  Vertreter;  innerhalb  der  Komödie 
lösen  sich  palliata,  togata,  kunstmässige  Atellane  und  kunst- 
mässiger  Mimus  in  rascher  Folge  ab,  zeigen  aber  eben  in  dieser 
Stufenfolge  ein  immer  tieferes  Herabsteigen  zum  Geschmacke 
der  Masse,  zur  plebejischen  Posse  und  zu  gemeinem  Sinnenkitzel. 


»)  Sali.  Jug.  85,  32. 

*)  P.  CrasBus,  Cos.  623,  versteht  fünf  griechische  Dialekte,  s.  unten  139,  5. 

•)  Tac.  A.  XIV,  21:  possessa  Achaia  Asiaque  ludos  curatius  editos  .  . 
a  L.  Mummii  triumpho  (609),  qui  primus  id  genus  spectaculi  (theatrales 
artes)  in  urbe  praebuerit.  Vgl.  Ritschi  Parerga  S.  227  f.  Mommsen,  Rhein. 
Mns.  X.  S.  127.  Vereinzelt  und  wirkungslos  war  der  Reactions versuch  der 
Censoren  des  Jahrs  639  d.  St.;  s.  ohen  9,  4. 


134  Das  sechste  und  siebente  Jahrh.  d.  St. 

Das  Epos  zehrt  noch  an  dem  Aufschwünge  den  es  nach  der 
Mitte  des  sechsten  Jahrh,  (in.Naevius  und  Ennius)  genommen 
und  findet  in  der  Gregenwart  keinen  Antrieb  zu  neuem  Auf- 
blühen. Ueberhaupt  war  ausserhalb  des  Dramas  die  poetische 
Production  fast  erloschen;  kaum  dass  Lucilius  und.  jene  Erotiker 
eine  Ausnahme  machen.  Der .  Nation  als  solcher  fehlte  es  an 
dichterischem  Vermögen  und  Streben,  und  die  inneren  Unruhen 
Hessen  es  auch  zu  keiner  Sammlung  kommen.  Dagegen  Ge- 
schichtschreibung; Beredtsamkeit  und  Rechtskunde  wachsen  in 
der  Treibhaushitze  der  politischen  Kämpfe  rasch  an  Umfang 
und  Grehalt.  Unter  den  Geschichtschreibem  sind  die  bemer- 
kenswerthesten  im  siebenten  Jahrh.  d.  St.  Piso  Frugi,  Anti- 
pater,  Asellio,  weiterhin  die  jüngsten  Vertreter  der  Annalistik, 
Valerius  Antias,  Sisenna  und  Licinius  Macer.  Die  glänzendsten 
Redner  sind,  nächst  C.  Gracchus,  M.  Antonius  und  L.  Crassus. 
Die  Jurisprudenz  ist  durch  die  beiden  Q.  Scaevola,  Augur  und 
Pontifex,  am  besten  yertreten.  Die  Forschung  wird  von  der 
Mitte  des  siebenten  Jahrh.  an  emsig  nach  allen  Seiten  hin  betrieben, 
in  Prosa  wie  in  gebundener  Form,  meist  zwar  nicht  von  eigent- 
lichen Römern,  ausser  L.  Aelius  Stilo. 

81  91.    In   Bezug    auf    Sprache    und   Metrik    sind   die    beiden 

Jahrhunderte  eine  Zeit  lebendigster  Entwicklung  und  schliessen 
schon  alle  die^  drei  Stufen  in  sich  durch  welche  die  Geschichte 
der  römischen  Poesie  überhaupt  verlaufen  ist,  die  des  Saturnius, 
der  poetae  scenici  und  der  daktylischen  Dichter.  Tief  gewurzelt 
ist  im  Lateinischen  der  Trieb  die  Vocallängen  (besonders  im 
Auslaut)  zu  Kürzen  abzuschwächen,  die  auslautenden  Consonan- 
ten  aber  zu  verdunkeln  und  abzustossen;  schon  im  sechsten 
Jahrh.  war  daher  das  Lateinische  auf  dem  Wege  in  umbrische 
Stumpfheit  zu  verfallen,  die  Flexionsformen  zu  trüben,  die  Decli- 
nation  einzubüssen  und  so  schon  jetzt  zu  einer  romanischen 
Sprache  zu  werden.  Die  poetae  scenici  hatten  in  jenen  Be- 
ziehungen der  nachlässigen  und  schwankenden  Aussprache  des 
gewöhnlichen  Lebens  viele  Zugeständnisse  gemacht.  Während 
der  Saturnius  weder  die  Verlängerung  eines  kurzen  Vocals  durch 
das  Nachfolgen  von  zwei  Consonanten  (die  Positionslänge)  kennt 
noch  den  Hiatus  und  in  die  Senkung  nicht  nur  nach  Belieben 
kurze  oder  lange  Silben  gestellt  sondern  dieselbe  auch  oft  genug 
völlig   unterdrückt    hatte,    so    haben    die    älteren    dramatischen 


91.  Oharakteristik  des  sechsten  u.  siebenten  Jahrli.  135 

Dichter  in  allen  diesen  Beziehungen  wenigstens  lockere  Grund- 
sätze befolgt.  Die  Positionslänge  haben  sie  kaum  anerkannt^ 
für  den  Hiatus  zeigen  sie  geringe  Empfindlichkeit^  die  Senkung 
feUt  zwar  niemals  bei  ihnen,  aber  die  alte  Unbestimmtheit  hin- 
sichtlich der  Quantität  der  Silben  welche  in  sie  fallen  besteht 
auch  bei  ihnen  noch  fort.^)  Erst  Ennius  hat  in  diesen  drei 
Punkten  sich  grosserer  Strenge  beflissen.  Zwar  auslautendes  s 
hat  auch  er  prosodisch  unberücksichtigt  gelassen;  es  war  dem- 
nach schon  in  seiner  Zeit  vor  Consonanten  so  gut  wie  unhör- 
bar; erst  von  den  alexandrisierenden  Dichtern  gegen  Ende  der 
Bepublik  wurde  es  als  voller  Laut  anerkannt^.  Aber  in  allem 
Uebrigen  hat  Ennius  mit  scharfem  Schnitte  der  Unbestimmtheit 
ein  Ende  gemacht,  indem  er  jedem  in  der  gesetzmässigen 
Sprache  vorhandenen  Laute  seine  Geltung  verschaffte,  jede  Silbe 
in  einer  der  beiden  grossen  Kategorien  Lang  oder  Kurz  unter- 
brachte und  diese  Scheidung  in  allen  zweifelhafte!]  Fällen  mit- 
telst feinhöriger  Belauschung  dessen  was  in  correcter  Aussprache 
das  Uebergewicht  hatte  vollzogt).  In  Zusammenhang  damit  er- 
hielt auch  die  Senkung  ihre  feste  Regelung,  und  der  Hiatus 
wurde  grundsätzlich  vermieden.  Diese  neue  Prosodik  war  die 
Folge  davon  dass  Ennius  ein  in  der  römischen  Literatur  neues 
Mass  eingeführt  hatte,  den  daktylischen  Hexameter,  in  welchem 
er  auch  die  Auflösung  der  Hebungen  beseitigte,  die  in  allen  vor 
ihm  angewandten  Massen,  dem  satumischen  wie  den  scenischen, 
geübt  worden  war.  Preihch  erstreckte  sich  sein  Einfluss  nur 
auf  die  Schriftsprache  und  die  nach  dieser  sich  modelnde 
Sprache  der  Gebildeten;  die  kunstlose  Praxis  des  gewöhnlichen 
Lebens  gieng  daneben  noch  geraume  Zeit  ihre  eigenen  alten 
Wege  fort.  Nicht  nur  dass  der  Satumius  auch  nach  Einführung 
des  Hexameters  noch  eine  gute  Weile  fortbestand,  in  den  öffent- 
lichen Denkmälern  und  in  den  volksmässigen  Formen  drama- 
tischer Lustbarkeit:  auch  eine  Art  von  Vulgärmetrik  bestand  im 
siebenten  Jahrb.,  welche -sich  zwar  des  Hexameters  bediente,  auf 
diesen  aber  die  prosodisdilßn  Freiheiten  der  scenischen  Dichter 
des  sechsten  Jahrh.  übertrug  und  namentlich  die  Auflösung  der 
Hebungen  beibehielt;  so  in  der  Inschrift  des  Mummius  und  den 
sortes   Praenestinae.     Selbst  bei   den  Eunstdichtem   zeigte   sich 

')  Vgl.  Ritschi,  OpuBCula  II.  S.  683  f.  A.** 

«)  Vgl.  Cic.  or.  161. 

8)  Ritschi,  Rhein.  Mus.  XIV.  S.  394  flf.  407. 


136  Sechstes  und  siebentes  Jahrhundert  d.  St. 

die  Einwirkung  der  nationalen  Weise  wenigstens  in  ihrer  fort- 
währenden Vorliebe  für  die  Alliteration.  Im  Granzen  aber  hat 
Ennius  das  Verdienst  den  drohenden  Zerfall  des  Lateinischen 
wenigstens  für  die  Schriftsprache  auf  mehrere  Jahrhunderte  auf- 
gehalten zu  haben. 

Wie  die  Sprachformen  selbst  in  dieser  Zeit  fixiert  wurden, 
so  auch  deren  Wiedergabe  durch  die  Schrift.  Das  lateinische 
Alphabet*)  stammt  von  einem  jüngeren  griechischen,  dem  dori- 
schen der  Griechen  in  Kyme  (Cumae)  und  in  Sicilien,  und  wurde 
desshalb  von  Anfang  an  von  Links  nach  Rechts  geschrieben. 
Es  bestand  aus  21  Buchstaben,  worunter  X  und  Z,  aber  nicht  G. 
Im  sechsten  Jahrhundert  führte  der  Freigelassene  des  Cos.  520  u. 
526,  Sp.  Carvilius,  das  Schriftzeichen  G  ein,  liess  aber  das  von 
Anfang  an  unpopuläre  und  allmählich  ausser  Gebrauch  gekom- 
mene Z  weg,  das  erst  in  der  ciceronischen  Zeit,  zusammen  mit 
Y,  (wieder)  in  die  Schrift  kam  und  nun  seinen  Platz  am  Schlüsse 
des  Alphabets  erhielt.  Das  Alphabet  des  Carvilius  bestand  so 
gleichfalls  aus  21  Buchstaben.  Andere  Bestimmungen  der 
Schreibung  knüpfen  sich  an  die  Namen  von  Dichtern  an,  weil 
bei  dem  schwankenden  Zustande  der  lateinischen  Sprache  und 
der  Seltenheit  fliessender  Handhabung  der  Kunst  des  Schreibens 
jeder  Dichter  zugleich  den  Grammatiker  zu  machen  hatte,  um 
die  gesprochene  Sprache  in  der  Schrift  genau  wiederzugeben'^). 
So  soll  Ennius  zuerst  die  Verdoppelung  der  Gonsonanten  in  der 
Bücherschrift  angewandt  haben  ^);  L.  Attius  bezeichnete  die  Länge 
von  Vocalen  durch  Verdoppelung  derselben,  und  Lucilius  unter- 
schied die  Laute  I  und  EI  durch  die  Schrift,  —  alle  mit  dem 
Erfolge  dass  ihr  Vorgang  auf  die  Schreibung  der  wichtigeren 
Urkunden  ihrer  Zeit,  theil weise  auch  griechischer*),  Einfluss 
übte,  wenn  auch  nicht  immer  sogleich  und  noch  weniger  gleich- 
massig^).    Von  den  Vocalen  schrieb  man  vor  J.  520  ausser  A  nur 

0  Vgl.  Mommsen  R.  G.  P.  S.  196—200.  .W.  Corsseu  in  Paul/s  Real- 
Enc.  I,  1.  S.  803 — 805.  F.  Ritschl,  zur  Geschichte  des  lat.  Alphabet«^, 
Rhein.  Mus.  XXIV.  S.  1 — 32.  132  f.  (die  Buchsmbenformen  in  den  Inschriften). 

*)  Etwa  wie  die  ältesten  Setzer  (bes.  des  Griechischen)  Gelehrte  sein 
mussten. 

^)  Vereinzelt  findet  sich  auch  der  Sicilicus  (')  als  Zeichen  der  Conso- 
nantenverdopplung  (Mar.  Vict.  1,  2,  2.  p.  246r>  P.  ==  p.  7  G.)  angewandt; 
8.  Hermes  IV.  S.  413—415. 

*)  H.  Sauppe,  Göttinger  Gel.  Anz.  1867.  Nachr.  Nr.  9.  S.  159. 

*)  W.  Weissbrodt,  specimen  grammaticum,  Coblenz  1868. 


92.    Sechstes  Jahrh.  Dichter:  Andronicuß.  137 

0  und  E;  zwischen  520  und  550  kam  neben  0  auch  V  auf, 
aber  erst  zwischen  550  und  568  siegte  V  und  I  für  die  Dauer  ^), 
doch  so  dass  ihre  Verdopplung  fortwährend  vermieden  wurde. 
Die  Aspiration  der  Consonanten  in  der  Schrift  auszudrücken  be- 
gann man  ums  J.  650,  Anfangs  mit  Uebertreibung  und  auch  am 
unrechten  Orte,  und  von  solchen  MissgriflFen  blieben  manche 
durch  die  ganze  römische  Literatur  hindurch  im  Grebrauche^). 

*)  Ritschi  und  Mommaen,  Rhein.  Mus.  IX.  S.  14—18.  464  ff. 
»)  So  die  Schreibung  Bosphorus.  Vgl.  Catull  84.    Quintil.  I,  6,  20.    A. 
Fleckeisen  in  sn  Jahrbb.  99,  S.  656—658.  101,  S.  458  f. 

A.    Sechstes  Jahrhundert  d.  St. 
I.  Dichter. 

92.  Andronicus  (c.  470 — c.  550  d.  St.)  kam  jung,  vielleicht  82 
bei  der  Eroberung  Tarents  (J.  482  d.  St.),  als  Gefangener  nach 
Rom  und  in  den  Besitz  eines  Livius,  vielleicht  des  nachmaligen 
(J.  547)  Siegers  von  Sena,  M.  Livius  Salinator.  Vom  Unterricht 
im  Lateinischen  und  Griechischen  lebend,  erhielt  er  die  Frei- 
lassung und  damit  den  Namen  (L. ?)  Livius  Andronicus.  Für 
seine  Schüler  übersetzte  er  die  Odyssee  in  lateinischen  Satur- 
niem,  unbehülflich  und  nicht  ohne  schwere  Missverständnisse. 
Daneben  war  er  Schauspieler  und  schrieb  sich  selbst  seine  Texte, 
die  er  gleichfalls  aus  dem  Griechischen  übersetzte  und  heraus- 
gab, vorzugsweise  Tragödien,  unter  Nachbildung  der  leichteren 
griechischen  Masse  und  Beibehaltung  der  volksmässigen  Allite- 
ration. Die  erste  Aufführung  eines  solchen  zusammenhängenden 
Stückes  geschah  im  J.  514  =  240  v.  Chr.  Im  J.  547  wurde  ihm  die 
Anfertigung  des  Dankliedes  für  den  Sieg  bei  Sena  übertragen. 
Auch  wurden  ihm  zu  Ehren  den  poetae  Corporationsrechte  ver- 
liehen und  diesen  für  ihren  Gottesdienst  im  Minervatempel  auf 
dem  Aventin  ein  Platz  eingeräumt. 

1.  Vorname  L.  (Gell.  N.  A.  XVII,  21,  42.  Pest.  v.  surregit,  p.  297  M.) 
entstanden  aus  dem  Anfange  des  Namens  Livius? 

2.  Hieronym.  chron.  ad  a.  1830  (Bongars.  ad  a.  1831)  =  567  d.  St. 
(vielleicht  veranlasst  durch  das  Consulat  des  Salinator):  Titus  Livius  tra- 
goediarum  scriptor  clarus  habetur,  qui  ob  ingenii  meritum  a  Livio  Salina- 
tore  (Cos.  566  d.  St.),  cuius  liberos  erudiebat,  libertate  donatus  est. 
Gassiod.  Chron.  ad  a.  515:  bis  conss.  ludis  romanis  primum  tragoedia  et 
comoedia  a  Lucio  Livio  ad  scaenam  data.  Dagegen  J.  514  bei  Cic.  Brut. 
18,  72  (unter  Berufung  auf  Atticus),  sowie  Cato  mai.  14,  50  und  Gell. 
XVII,  21,  42. 


138  Sechstes  Jahrhundert  d.  St. 

3.  SaetoD.  de  gramm.  1 :  antiquissinü  doctorom,  qui  iidem  et  poetae  et 
semigraeci  erant,  —  Liviuni  et  Ennium  dico,  quos  utraque  lingua  domi 
forisque  docuisse  adnotatum  est  —  nihil  amplius  quam  Graecos  interpreta- 
bantnr  aut  si  quid  ipsi  latine  composuissent  praelegebant. 

4.  Liv.  Vn,  2,  8:  Livins  .  .,  qid  ab  saturis  ausus  est  primus  argnmento 
fabulam  serere,  idem  scilicet,  id  quod  onines  tum  erant,  suomm  canninam 
actor  etc.  Cic  leg.  II,  15,  39:  (theatra)  quae  solebant  quondam  conpleri 
severitate  iucunda  Livianis  et  Naevianis  modis.  Glossae  Salomonis:  tra- 
goedias  comoediasque  primus  egit  idemque  etiam  composuit  Livius  Andro- 
uicus,  duplici  toga  (laena  ==  avQfia'y  s.  Ehein.  Mus.  XXIII.  S.  676  —  678) 
involutus. 

5.  Titel  der  Tragödien  des  Andr.:  Achilles,  Aegisthus,  Aiax  (masti- 
gophorus),  Andromeda,  Danae,  Equus  Troianus,  Hermiona,  Ino,  Tereus. 
Ueberreste  bei  E.  Elussmann,  Rudolstadt  1849.  26  pp.  4.  und  Bibbeck, 
trag.  lat.  p.  1 — 5,  vgl.  p.  243 — 245.  Komödien:  Gladiolus,  Ludius,  Virgua 
(?  Ribbeck  Verpus,  0.  Günther  Auriga).  Ueberreste  bei  Bibbeck,  com. 
lat.  p.  3  f. 

6.  Cic.  Brut.  18,  71:  et  Odyssia  latina  est  sie  tamquam  opus  aliquod 
Dacdali  et  Livianae  fabulae  non  satis  dignae  quae  itermn  legantor.  Gell. 
N.  A.  XVIII,  9,  5:  ojffendi  in  blbliotheca  Patrensi  librum  verae  vetustatis 
Livi  Andronici,  qui  inscriptus  est  'Ödmi^sia.  in  quo  erat  versus  primus: 
virum  mihi,  Camdna,  insecä  versütum.  Auf  die  Odyssia  hauptsächlich  be- 
zieht sich  wohl  die  Benützung  der  carmina  Livi  als  Schulbuch  durch  Orbi- 
lius,  Hör.  Ep.  II,  1,  69  ff.  Die  Ueberreste  der  Od.  gesammelt  von  0. 
Günther,  im  Frogr.  von  Greiffenberg  1864.  10  pp.  4.  J.  A.  Pfau,  de  numero 
satumio  (Quedlinburg  1864)  p.  70—78.  Vgl  Fleckeisen's  Jahrb.  87,  S.  331 
—333.  93,  S.  566—668  u.  A. 

7.  Liv.  XXVII,  37  (J.  547  d.  St):  decrevere  pontifices  ut  virgines  ter 
novenae  per  urbem  euntes  Carmen  canerent.  id  cum  in  levis  Statoris  aedo 
discerent  conditum  ab  Livio  poeta  Carmen  etc.  .  .  carmen  in  lunonem  regi- 
nam  canentes,  illa  tempestate  forsitan  laudabile  rudibus  ingeniis,  nunc 
abhorrens  et  inconditum,  si  referatur.  Fest.  p.  333  M.:  cum  Livius  Andro- 
nicus  belle  Punico  secundo  scripsisset  carmen  quod  a  virginibus  est  can- 
tatum,  quia  prosperius  resp.  populi  rom.  geri  coepta  est,  publice  adtributa 
est  ei  in  Aventino  aedis  Minervae,  in  qua  liceret  scribis  histrionibusque 
consi^re  ac  dona  ponerc,  in  honorem  Livi,  quia  is  et  scribebat  fabulas 
et  agebat.  Wenn  Letzteres  (agere)  wirklich  noch  J.  547  Statt  fand,  so 
müsste  Andr.  etwa  J.  490  d.  St.  geboren  sein.  Vgl.  0.  Jahn,  Berichte  d. 
Sachs.  G.  d.  W.  1856,  S.  294  ff.  AI.  Biese  in  den  Verhandl.  der  Heidelberger 
Philologenvers.  (Leipzig  1866)  S.  161—166. 

8.  H.  Düntzcr,  L.  Livii  Andr.  fragmenta  collecta  et  inlustrata,  Berlin 
1835.    94  pp. 

9.  F.  Osann,  Analccta  critica  (Berlin  1816)  p.  1—28.  Stieve,  de  rei 
Bcen.  ap.  Rom.  origine  (Berl.  1828)  p.  68 — 90.  A.  L.  Dollen,  de  vita  Livii 
Andr.,  Dorpat  1838.  52  pp.  W.  Teuffcl  in  Pauly's  Beal-Enc.  IV.  S.  1118— 
1120.  0.  Günther  in  MützelFs  Ztschr.  1860,  S.  809—814.  Th.  Mommsen, 
B.  G.  P.  S.  861—863. 


92  f.  Dichter:  Andronicus.  Naevius.  139 

93.  Cn.  Naevius,  gebürtig  aus  Campanien,  aber  von  Na-  83 
tionalität  ein  Latiner,  kämpfte  im  ersten  punischen  Kriege  mit 
und  brachte  seit  d.  J.  519  =  235  v.  Chr.  Stücke  zur  Aufführung,  im 
Allgemeinen  in  der  Weise  des  Andronicus,  nur  mit  mehr  Talent 
und  Freiheit  und  unter  Bevorzugung  der  Komödie.  Der  rück- 
sichtslose Freimut  mit  dem  er  darin,  in  echt  romischer  Weise, 
auch  politische  Grossen  angriff  zog  ihm  zuerst  Gefangniss  und 
dann  Verbannung  zu,  in  welcher  er  (um  555)  starb.  In  seinen 
späteren  Lebensjahren  unternahm  er  es  auch  den  nationalen  und 
selbsterlebten  Stoff  des  ersten  punischen  Krieges  poetisch  zu  be- 
handein, und  that  es  im  satumischen  Masse.  Vermöge  dieser 
nationalen  Richtung  wurde  er  femer  innerhalb  des  Dramas 
Schöpfer  der  praetexta,  und  erhielt  sich  Jahrhunderte  hindurch 
im.  freundlichen  Gedächtnisse  seines  Volkes.  Auch  uns  noch 
weht  aus  den  spärlichen  auf  uns  gekommenen  Ueberresten  ein 
frischer,  energischer,  reichbegabter  und  selbstbewusster  Geist 
entgegen. 

1.  Goll.  N.  A.  1,  24,  1  f.:  triiun  poetärum  illustrium  epigrammata, 
Cn.  Naevi,  Plauti,  M.  Pacuvii,  quae  ipsi  fecerunt  et  incidenda  scpulcro  suo 
reliqaerunt.  .  .  epigramma  Kaevi  plenum  superbiae  campanae  (vgl.  Cic.  leg. 
agr.  II,  33,  91.  Liv.  IX,  6,  5)  .  .:  immörtales  mortäles  si  fordt  fas  fldre, 
flerdnt  divad  Camdnae  Nadviüm  po^tam.  it4que  postquam  äst  orcino  trä,- 
ditüs  thesaüro  obliti  sunt  Romai  loquiär  linguä.  latina.  „Wenn  N.  nicht 
römischer  Bürger,  sondern  Bürger  einer  latinischen  Stadt  Campaniens  war, 
so  erklärt  es  sich  leichter  dass  ihn  die  römische  Polizei  so  rücksichtslos 
behandelte.  Schauspieler  war  er  auf  keinen  Fall,  da  er  im  Heere  diente." 
Th.  Mommsen. 

2.  Gell.  XVII,  21,  44  f.-:  anno  post  Romam  conditam  quingentesimo 
undevicesimo  .  .  Cn.  Naevius  poeta  fabulas  apud  populum  [primum?]  dedit, 
quem  M.  Varro  in  libris  [libro?  vgl.  I,  24,  3]  de  poetis  primo  stipendia 
fecisse  ait  hello  poenico  primo,  idque  ipsum  Naevium  dicere  in  eo  carminc 
quod  de  eodem  hello  scripsit.    Vgl.  unten  94,  2. 

3.  Gell.  III,  3,  15:  de  Kaevio  accepimus  fabulas  eum  in  carcere  duas 
scripsisse,  Hariolum  et  Leontem,  cum  ob  aesiduam  maledicentiam  et  probra 
in  primores  civitatis,  de  graecorum  poetärum  moro  dicta,  in  vincula  Ro- 
mae  a  triumviris  eoniectus  esset,  unde  post  a  tribunis  plebis  exemptus 
est,  cum  in  his  quas  supra  dixi  fabulis  delicta  sua  et  petulantias  dictonim, 
quibus  multoB  ante  laeserat,  diluisset.  Ps.  Ascon.  zu  Cic.  Verr.  act.  pr. 
10,  29.  p.  140  Gr.:  dictum  facete  et  contumeliose  in  Metellos  antiquum 
Naevii  est:  fatö  Metdlli  Hömai  fiunt  cönsuMs,  cui  tunc  Metellus  consul  (J. 
548)  iratus  versu  responderat  .  .:  dabünt  malüm  Metälli  Nadviö  poätae.  — 
Plaut,  mil.  gl.  211  f.  B.:  ös  columnatüm  poetae  esse  indaudivi  bärbaro, 
Quoi  bin!  custödes  semper  tötis  horis  öccubant. 


140  Sechstes  Jahrhundert  d.  St. 

4.  Hieron.  chron.  zu  J.  1816  »  663  d.  St.  201  v.  Chr.:  Naeviua  comi- 
cuB  Uticae  moritnr,  pulBiis  Borna  factione  nobilium  ac  praecipue  Metelli 
(Metellorum?).  Cic.  Brut.  15,  60:  his  consulibus  (des  J.  550)^  ut  in  veteribus 
common tariis  (welchen?)  scriptum  est,  Naeviue  est  mortuus;  quamquam 
Varro  noster,  diligentissimus  investigator  antiquitatis,  putat  in  hoc  erratum 
yitamque  Naevi  producit  longius.  Varro  hatte  ohne  Zweifel  Recht.  Ge- 
hören war  N.  etwa  486  oder  490. 

5.  Tragödien:  Andromacha  (?  von  Ennius?),  Danae,  Equus  troianus, 
Hector  proficiacens,  Hesiona,  Iphigenia,  Lycurgus.  Fragmente  bei  Bibbeck 
trag.  p.  6—13.    vgl.  p.  246—247. 

.  6.  Praeteztae:  Clastidium  (auf  den  dortigen  Sieg  des  M.  Marcellus, 
J.  632  d.  St),  Bomulus  s.  Alimonium  Bomuli  et  Bemi.  Bibbeck  trag, 
p.  236  f.  vgl.  p.  348  f.  Grauert  im  Philologus  II.  S.  116—130.  Böper, 
ebds.  VII.  S.  691  f.  Berchem  unterscheidet:  Lupus  s.  Alimonium  B.  et  B., 
und  Bomulus. 

7.  Komödien:  Acontizomenos,  Agitatoria,  Agrypnuntes,  Appella,  Ario- 
lu8,  Astiologa,  Carbonaria,  Colax,  Commotria,  Corollaria,  Dementes,  Deme- 
trius,  (Diobolaria?)  Dolus,  Figulus,  Glaucoma,  Gymnasticus,  Lampadio, 
Leo,  Ludus,  Lupus  (vgl.  Anm.  6),  Nagido,  Nautae,  Nervolaria,  Paclex, 
Personata,  Proiectus,  Quadrigemini,  Satura  (?  Festus  p.  257  M.),  Stalagmo- 
nissa,  Stigmatias,  Tarentilla,  Technicus,  Testicularia,  Tribacelus,  Triphallus, 
Tunicularia.  Die  Ueberreste  bei  Bibbeck,  com.  lat.  p.  6 — 25.  Vgl.  Kluss- 
mann  p.  132  — 181.  Vieles  ist  unsicher,  namentlich  wegen  der  häufigen 
Verwechslung  mit  Laevius,  Livius  und  Novius.  Die  Stücke  mit  lateini- 
schem Titel  sind  wohl  die  späteren.  Alle  aber  gehören  der  palliata  an; 
doch  bewegte  sich  N.  seinen  Originalen  gegenüber,  wie  es  scheint,  freier 
als  selbst  Plautus,  und  nahm  schon  Contamination  vor  (Ter.  Andr.  prol.  7). 
Von  den  Komödien  (und  etwa  dem  Epos)  gilt  wohl  hauptsächlich  des 
Horaz  ärgerliche  Frage  (Ep.  II,  1,  53):  Naevius  in  manibus  non  est  et 
mentibus  haeret  paene  recens? 

8.  Bellum  punicum  (poenicum).  Cic.  Cato  14,  49  f.:  si  habet  aliquod 
iamquam  pabulum  studii  atque  doctrinae,  nihil  est  otiosa  senectute  iucun- 
dius.  .  .  quam  gaudebat  Bello  suo  punico  Naevius!  —  Suet.  de  gramm.  2: 
C.  Octavius  Lampadio  Naevii  Punicum  bellum  .  .  uno  volumine  et  conti- 
nenti  scriptura  expositum  divisit  in  septem  libros.  Santra  bei  Non.  p.  170, 
21:  quod  volumen  unum  uos  lectitavimus,  id  postea  invenimus  septemfariam 
di Visum.  Ein  Cornelius  und  ein  Virgilius  als  Commentatoren  bei  Varro 
L.  L.  VII,  39.  —  Cic.  Brut.  19,  76  f.:  Naevi  .  .  Bellum  punicum  quasi 
Myronis  opus  delectat.  .  .  et  luculente  quidem  (Naevius  rem  scripsit), 
etiamsi  minus  quam  tu  (Ennius)  polite.  Die  beiden  ersten  Bücher  ent- 
hielten die  Urgeschichte  Roms  und  Karthagos  (Aeneas  und  Dido),  das 
dritte  begann  dann  mit  dem  ersten  punischen  Kriege.  Der  Stofl"  war 
in  nüchterner  Weise,  etwa  im  Tone  einer  Beimchronik,  behandelt.  Die 
Ueberreste  ex  recensione  I.  Vahlen,  Lips.  1854.  20  pp.  4.  Auch  bei 
Pfau,  de  numero  sat.  (Quedl.  1864)  p.  79  —  95.  Vgl.  Fleckeisens  Jahrb.  87, 
S.  333—336. 


93  f.   Dichter:  Naevius.    Plautus.  141 

9.  A.  Schütte,  de  Cn.  Naevio  poeta,  P.  I.  Würzburg  1841.  E.  Kluss- 
mann,  Cn.  Naeyii  poetae  rom.  vitam  descripsit,  carminmn  reliquias  coUegit, 
poefiis  rationem  ezposuit,  Jena  1843;  nebst  M.  Hertz,  Berliner  Jahrbb.  1843. 
IL  S.  217—236.  W.  Teuffei,  in  Pauly's  Real-Enc.  V.  1846.  S.  396--400. 
Mommsen,  R.  G.  V.  8.879  —  881.  873  f.  898  f.  M.  J.  Berchem,  de  Gn. 
Naeyii  poetae  vita  et  scriptis,  Münster  1861.    112  pp. 

10.  AuB  der  Zeit  des  Naevius,  aber  nicht  von  ihm  selbst,  ist  das 
Nelei  carmen  priscum,  aus  welchem  durch  Festus  und  Charisius  Bruch- 
stücke im  iambischen  Masse  erhalten  sind;  s.  0.  Müller's  Festus  p.  388,  b. 
Ribbecks  tragici  p.  198  f.  347  f. 

94.  T.  Maccius  Plautus  ist  geboren  um  500  =  254  in  84 
der  umbrischen,  aber  damals  wohl  schon  latinisierten  Landstadt 
Sassina,  als  Freier,  aber  von  niedrigem  Stande.  In  Rom  an  der 
Bühne  beschäftigt,  verlor  er  die  dort  gemachten  Ersparnisse 
durch  Handelspeculationen,  verdingte  sich  zeitweilig  in  eine  Mühle, 
und  erwarb  sich  den  Lebensunterhalt  durch  lateinische  Bearbei- 
tung griechischer  Lustspiele,  bis  er  J.  570  =  184  starb.  Die 
Nothwendigkeit  schnell  zu  arbeiten,  um  sich  etwas  zu  erwerbeu, 
verbunden  mit  der  stofflichen  Unselbständigkeit  seiner  Hervor- 
bringungen, lässt  auf  Fruchtbarkeit  des  Plautus  schliessen.  In- 
dessen über  die  Anzahl  der  von  ihm  bearbeiteten  Stücke  ent- 
stand Unsicherheit,  hauptsächlich  dadurch  dass  man  bald  alle 
Palliaten  aus  der  Zeit  des  Plautus  —  von  denen  viele  nur  noch 
in  Bühnenexemplaren  vorhanden  sein  mochten  —  als  plautiniseli 
zu  bezeichnen  sich  gewöhnte.  Varro  unterschied  unter  diesen 
drei  Classen:  21  allgemein  als  echt  anerkannte,  ferner  wahr- 
scheinlich echte  (wohl  19  Stücke),  und  endlich  unechte.  Die 
der  ersten  Classe  (fabulae  Varroniana«)  sind  ohne  Zweifel  die 
erhaltenen. 

1.  Der  Name  (statt  des  früheren  M.  Accius)  aus  dem  Ambrosianus  und 
Gell.  III,  3,  9  gewonnen  von  Ritschi,  de  nominibus  Plauti,  Parerga  p.  3  — 
43,  und  gegen  Geppert  (Jahns  Archiv  XlX.  S.  262  ff.  vgl.  Ritschl's  Aus- 
gabe des  Mercator  p.  XI  f.)  vertheidigt  von  M.  Hertz,  T.  Maccius  Plautus 
oder  M.  Accius  Plautus?  Berlin  1854.  32  S.  8.  Dazu  (gegen  Vallauri):  de 
Plauti  poetae  nominibus  epimetrum,  Breslau  1867.  16  pp.  4.  Nach  dem 
Prolog  zur  Asin.  (v.  11,  nach  der  Emendation  von  Bücheier  und  L.  Müller) 
war  Macius  (mit  doppel zeitigem  a)  die  ältere,  in  der  Zeit  des  Plautus  ge- 
bräuchliche Namensform,  Maccius  also  die  spätere. 

2.  Cic.  Brut.  15,  60:  Plautus  P.  Claudio  L.  Porcio  coss.  (J.  570)  mor- 
tuus  est,  Catone  censore.  Cato  14,  50  unter  den  Beispielen  von  Beschäfti- 
gungen der  senectus:  quam  gaudebat  .  .  Truculento  Plautus,  quam  Pseu- 
dulo  (aufgeführt  J.  563)1  Diess  stimmt  auch  zu  andern  Daten.  Vgl.  Ritsehl, 
de  aetate  Plauti,  Parerga  p.  45—70.     Daher  ist  jedenfall«   unrichtig  wenn 


142  Sechstes  Jahrhundert  d.  St. 

Hieronym.  zu  Euseb.  chron.  1817  (Boug.  1818)  =»  554  d.  St.  angibt:  Plan- 
tus  ex  ümbria  Sarsinas  Romae  moritur,  wofür  M.  Hertz  moratur  Yor schlug, 
Andere  Verwechslung  mit  clarus  habetur  annehmen.  —  Gell.  I,  24,  3: 
epigramma  Plauti,  quod  dubitasaemus  an  Plauti  foret,  nisi  a  M.  Yarrone 
positum  esset  in  libro  de  poetis  primo:  Postquam  est  mortem  aptus  Plautus 
comoedia  luget,  scaena  est  deserta,  dein  risus,  ludus  iocusque  et  numeri 
innumeri  simul  omnes  coulacrimarunt.  —  Lessing,  Abhandl.  von  dem  Leben 
und  den  Werken  des  PL  (J.  1750),  sämmtl.  Werke  III.  S.  1—27  (Lachmann). 
C.  6.  Andresen,  de  vita  Plauti,  Altona  1843.  4. 

3.  Gell.  III,  3,  14:  Saturionem  et  Addictum  et  tertiam  quandam  .  .  in 
pistrino  cum  scripsisse  Varro  et  plerique  alii  memoriae  tradiderunt,  cum, 
pecunia  omni  quam  in  operis  artificum  scenicorum  pepererat  in  mcrcatibus 
perdita,  inops  Romam  rediisset  et  ob  quaerendum  victum  ad  circumagendas 
molas  quae  trusatiles  appellantur  operam  pistori  locasset.  Hieronym.  1.  1. 
(a.  A.  2):  qui  propter  annonae  difficultatem  ad  molas  manuarias  pistori  se 
locaverat,  ibi  quotiens  ab  opere  vacaret  scribere  fabulas  solitus  ac  yendere. 
Hör.  £p.  II,  1,  175:  (Plautus  ist  formlos:)  gestit  enim  nummum  in  locnlos 
demittere. 

4.  Gell.  III,  3,  11:  feruntur  sub  Plauti  nomine  comoediae  circiter  cen- 
tum  atque  triginta.  Serv.  praef.  ad  comm.  in  Aen.:  Plautum  alii  dicunt  vi- 
ginti  et  unam  fabulas  scripsisse,  alii  qnadraginta,  alii  centum.  Letztere 
Zahl  wohl  (mit  M.  Hertz)  aus  einer  andern  Quelle  als  130;  anders  Bitschi, 
Parerga  S.  126.  173.  Gell.  1.  1.  12:  homo  eruditissimus  L.  Aelius  XXV  eius 
(Plauti)  esse  solas  existimavit.  Ueber  Varro  ib.  1  ff .  dass  er  nach  seinem 
persönlichen  Gefühl  und  Urteil,  ob  ein  Stück  des  Plautus  würdig  sei  oder 
nicht,  seine  Classen  unterschieden  habe:  (3)  nam  praeter  illas  XXI  quae 
Varronianae  vocantur,  quas  idcirco  a  ceteris  segregavit  quoniam  dubiosae 
non  erant,  sed  consensu  omnium  Plauti  esse  censebantur,  quasdam  item 
alias  probavit,  addu'ctus  filo  atque  facetia  sermonis  Plauto  congruentis, 
casque  iam  nominibus  aliorum  occupatas  Plauto  vindicavit.  Ritschi  ver- 
mutet dass  dieser  zweiten  Classe  {dvTiXsyofisva)  Varro  19  Stücke  zutheilte 
(daher  die  Zahl  40  bei  Servius),  etwa  (S.  128  ff.):  22.  Saturio;  23.  Addictus; 
24.  Boeotia;  25.  Kervolaria;  26.  Fretum;  2?.  Trigemini;  28.  Astraba;  29.  Pa- 
rasitus  piger;  30.  Parasitus  medicus;  31.  Commorientes;  32.  Condalium; 
33.  Gemini  lenones;  34.  Feneratrix;  35.  Frivolaria;  36.  Sitellitergus;  37.  Fu- 
gitivi;  38.  Cacistio;  39.  Hortulus;  40.  Artemo.  Zur  dritten  Classe  (vo^a) 
könnten  dann  gehören  (ebd.  S.  154  ff.):  1.  Golax;  2.  Carbonaria;  3.  Acharistio; 
4.  Bis  compressa;  5.  Anus;  6.  Agroccus;  7.  Dyscolus;  8.  Phagon  (? Hertz: 
Paplagon,  d.  h.  Paphlagon);  9.  Cornicula;  10.  Calceolus;  11.  Baccaria; 
12.  Caecus  aut  Praedones.  Dass  aber  die  (mit  Ausnahme  der  letzten.  Vi- 
dularia)  erhaltenen  21  eben  die  Vari'onianae  (der  eraten  Classe,  6fu>Xoyoi;- 
fiBva)  sind  ist  schon  an  sich  höchst  wahrscheinlich.  Varro's  Ansehen  be- 
wirkte dass  man  die  von  ihm  anerkannten  Stücke  im  Abschreiben  und 
Lesen  bevorzugte. 

5.  Zur  Entstehung  der  kritischen  Schwierigkeit  s.  Gell.  III,  3,  13:  non 
dubium  est  quin  istae  (alle?)  quae  scriptae  a  Plauto  non  videntur  et  no- 
mini  eius  addicuntur  vetenim  poctarum  fuerint  et  ab  eo  rotractatae  atque 


94  f.  Dichter:  Plautus.    Seine  Stücke.  143 

expolitae  sint  ac  propterea  resipiant  stilum  plautinum.  Diess  könnte  nur  von 
Stücken  des  Andronikns  und  Naevius  gelten;  s.  Bitschl  Parerga  S.  96 — 113. 
In  $.  10  erwähnt  Gellius  auch  dass  in  Varro's  über  de  comoediis  plautinis 
id  qnoque  scriptum,  Plautium  fuisse  quempiam  poetam  comoediarum,  des- 
sen Stücke  wegen  der  Namensähnlichkeit  (Gen.  Plauti)  mit  denen  des 
Plautos  zusammengeworfen  worden  seien;  was  aber  nicht  weit  hilft;  s. 
Ritschi  S.  95  f.  Hauptursache  (Bitschl  S.  113  f.):  dass  der  Name  plauti- 
nisch  zu  einer  Art  von  CoUectivbezeichnung  für  die  Blütezeit  der  palliata 
wurde,  indem  das  Namenlose  theils  selber  sich  an  den  berühmten  Namen 
anlehnte,  theils  missverständlich,  von  manchen  Schauspieluntemehmem 
auch  wohl  wissentlich,  dem  Plautus  zugeschrieben  wurde.  Vgl.  Mommsen, 
B.  G.  I'.  S.  882:  „solcher  handwerksmässigen  Eomödienbearbeiter  scheint 
es  in  Bom  damals  [zur  Zeit  des  Plautus]  eine  ziemliche  Zahl  gegeben  zu 
haben;  allein  ihre  Namen  sind,  zumal  da  sie  wohl  durchgängig  ihre  Stücke 
nicht  pvblicierten  [d.  h.  nicht  selbständig  und  unter  ihrem  eigenen  Namen 
herausgaben],  so  gut  wie  verschollen  [ein  solcher  Verschollener  wäre  eben 
Plautius] ;  und  was  von  diesem  Bepertoire  sich  erhielt  gieng  späterhin  auf 
den  Namen  des  populärsten  unter  ihnen,  des  Plautus." 

6.  Ueber  die  ganze  Frage  s.  Bitschl,  die  fabulae  Varronianae  des 
Plautus,  Parerga  S.  71--246. 

96.   Die    erhaltenen   zwanzig  Stücke   stehen   in  den  Hand-  85 
Schriften   in  ungefährer  alphabetischer   Ordnung,    nur   dass   bei 
den  Bacchides  diese  jetzt  zu  Gunsten  der  chronologischen  ver- 
lassen ist.   Das  Folgende  zählt  sie  in  dieser  überlieferten  Reihen- 
folge auf. 

1)  Amphitruo,  das  einzige  plautinische  Stück  mit  mytho- 
logischem (komisch-wunderhaftem)  Stoffe,  der  etwas  ethisch  Be- 
denkliches hat,  aber  mit  formeller  Meisterschaft  und  heiterster 
Laune  behandelt  ist.     Original  und  Abfassungszeit  unbekannt. 

1.  Bedenklich  ist  das  &evle  Spiel  das  mit  der  Tugend  der  treuen  und 
edlen  Alkmene  getrieben  wird.  Verwechslungen  wie  in  den  Menaechmi, 
nur  hier  in  Folge  absichlAicher  Nachahmung.  Wegen  der  Mischung  gött- 
licher und  menschlicher  Personen  vom  Prolog  als  tragicomoedia  bezeichnet. 
Das  Original  ohne  Zweifel  aus  der  neuen  Komödie  und  weder  ein  Stück 
des  Archippos  (alte  att.  Komödie)  noch  des  Bhinthon;  s.  J.  Vahlen,  Bhein. 
Mus.  XVI.  S.  472  ff.  AuffClhrungen  vielleicht  noch  im  vierten  und  fünften 
Christi.  Jahrb.;  s.  Arnob.  adv.  g.  IV,  35.  VII,  33.  Prudent.  perist.  X,  226. 
Augustin.  Epist.  202.  Nach  IV,  2  ist  eine  Lücke  von  ungefähr  4  Scenen 
oder  300  Versen,  entstanden  durch  den  Verlust  einer  Blätterlage;  im  15. 
Jahrh.  von  Hermolaus  Barbarus  durch  eine  nach  Form  und  Inhalt  miss- 
glückte Nachdichtung  ausgefüllt. 

2.  Ausgaben  von  P.  Ast  (Landshut  1818),  Th.  Verwaijen  (Utrecht  1827), 
P.  Lindemann  (Lips.  1884),  F.  W.  Holtze  (Lips.  1846). 

3.  F.  Osann,  über  den  A.  des  PI.,  Bhein.  Mus.  von  Weleker  und  NakeJI. 


144  Sechstes  Jahrhundert  d.  St. 

S.  305  —  335.     Em.  Hoffmaun,    de  Plauti  Amph.  exemplari  et  fragmentis, 
Breslau  1848.     Welcker,  griech.  Trag.  S.  1478—1481. 

2)  Asinaria,  von  possenhaftem  Stoffe,  aber  manchfaltiger 
und  lebendiger  Gharakterzeichnung  und  mit  Scenen  von  grosser 
komischer  Wirkung.  Original  wohl  der  ^Ovayog  des  Demophilos 
und  Abfassungszeit  um  560. 

1.  Prolog  V.  11:  Demophilns  scripsit,  Macius  vortit  barbare  (s.  oben 
94,  1).  Den  Vorschlag:  eam  Diphilus  scripsit  hat  Bitschi  zurückgenommen, 
Opusc.  II.  S.  6.83;  vgl.  Fleckeisens  Jahrbb.  97,  S.  212—214. 

2.  Ausgabe  von  E.  J.  Richter,  Nürnberg  1833.  —  Linge  de  As.  PL,  in- 
signi  corruptae  apud  Atticos  sub  novae  comoediae  aevum  puerorum  edu- 
cationis  exemplo,  Hirschberg  1834. 

3)  Aulularia,  eines  der  ausgezeichnetsten  Stücke  d^s  Plau- 
tus,  nach  Anlage  wie  Ausführung,  enthaltend  die  Zeichnung 
eines  Geizhalses  in  einer  Manchfaltigkeit  von  Situationen.  Der 
Schluss  ist  verloren. 

1.  Original  sicher  ein  Stück  der  neuen  Komödie.  Abfassungszeit  wegen 
III,  5  nach  Aufhebung  der  lex  Oppia,  also  nach  559;  Ladewig  in  Ztschr. 
f.  d.  A.  W.  1841,  S.  1085  f. 

2.  Ausgaben  von  Göller  (Cöln  1825),  E.  J.  Richter  (Nümb.  1833),  Deenik 
(Leyden  1835),  vT.  Hildyard  (London  1839),  Th.  Vallauri  (Turin  1853),  W. 
Wagner  (with  notes,  Cambridge  1866). 

3.  Wolif,  prolegomena  ad  PI.  A.,  Naumburg  1836.  4.  Bromig,  Verglei- 
chung  der  A.  des  PI.  und  des  Avare  von  Moli^re,  Burgsteinfurt  1854.  4. 
C.  Humbert,  Moliere's  Avare  und  PI.  A.,  in  Herrig's  Archiv  XVIIL  S.  376 
— 410.  G.  Claus,  de  Aul.  PI.  fabula  iisque  scriptoribus  qui  eam  imitati 
sunt,  Stettin  1862.   74  pp.    W.  Wagner,  de  PL  A.  Bonn  1864.  34  pp. 

4)  Captivi,  ein  Rührstück,  ohne  erotische  Verwicklung  und 
spannendes  Interesse,  doch  mit  schönen  Scenen  und  durch  die 
Figur  des  Parasiten  belebt. 

1.  Contamination  (so  dass  der  Haupttheil  aus^Anaxandrides,  der  Parasit 
aus  Antiphanes  wäre)  ohne  triftige  Grunde  behauptet  von  Ladewig,  der 
Kanon  des  Volc.  Sed.  (1842)  S.  28-  31;  halb  zurückgenommen  in  Pauly's 
Heal-Enc.  V.  S.  1733. 

2.  Ausgaben  von  Avellini  (Neapel  1807.  4.),  Bosscha  (Amsterd.  1817), 
Fr.  Lindemann  (em.,  Lips.  1830;  mit  Mil.  gl.  und  Trinummus,  Lips.  1823. 
1844),  C.  E.  Geppert  (lat.  u.  deutsch,  Berl.  1859),  J.  Brix  (für  den  Schul- 
gebr.  erkl.,  Leipzig  1865.  1870). 

3.  Lessing,  Werke  IIl.  S.  77-122.  127—140.  Vgl.  W.  Hertzberg  vor 
seiner  Uebersetzung  S.  XIX.  ■—  J.  Brix,  Emendatioues  in  PL  Capt.,  Liegnitz 
1862.  22  pp.  4.    B.  Dombart,  in  d.  Blatt,  f.  d.  bair.  Gymn.  V,  6  u.  7  (J.  1869). 

5)  Ourcnlio   (Gurgelnieusch),  komischer  Name   des  Parasi- 


1)5..  Dichter:  Plautus.    Die  erhaltenen  Stücke.  145 

ten  in  dem  Stücke.     Die  Charaktere  sind   die  gewöhnlichen,   die 
Erfindung  ziemlich  dürftig.     Abfassung  bald  nach  561. 

1.  IV,  2,  23  flP.  Anspielung  auf  die  lex  Sempronia  (Liv.  XXXV,  7)  vom 
J.  561.  W.  Teuffei,  Studien  u.  Char.  (1871)  S.  262.  Ausser  IV,  2  ist  merk- 
würdig IV,  1  als  eine  Ai-t  von  Parabase. 

2.  Ausgabe  von  C.  E.  Gcppert  (lat.  u.  deutsch),  Berlin  1845.  Lindemann, 
scena  PI.  ex  Cure,  emeudata,  Zittau  1845.  4.  L.Mercklin,  Symbolae  exeget. 
ad  Cure.  PL,  Dorpater  Lee tionsk atalog  18G1.  14  pp.  4.  A.  Spengel,  das 
canticum  in  Plaut.  Cure.  (I,  2),  Philologus  XXVI.  S.  364—358. 

6)  Casina,  nach  den  KkriQOv^EvoL  des  Diphilos  gearbeitet, 
aber  mit  Zuthat  von  Unsauberkeiten  im  massiv  römischen  Ge- 
schmacke,  die  wohl  auch  den  Wegfall  der  Schlusspartien  zur 
Folge  hatten.  Das  Erhaltene  ist  nämlich  ohne  Zweifel  eine  ab- 
gekürzte spätere  Bühnenbearbeitung,  während  der  Prologschreiber 
noch  das  vollständige  Stück  kannte. 

1.  W.  Teuffei,  Stud.  u.  Charakt.  S.  257— 260.  Abfassung  vor  dem  Verbot 
der  Bacchanalien  (J.  568)  folgert  Mommsen  R.  G.  P.  S.  873,  Anm.  aus  V, 
4,  11  gegen  Ritschi,  Parerga  S.  191  ff.  vgl.  dessen  Opusc.    II.  S.  658—660. 

2.  Unecht  ist  die  angeblich  in  Pompeji  gefundene  Theatermarke  mit 
der  Inschrift:  Casina  Plauti. 

3.  Ausgabe  (in  us.  lectt.)  von  Geppert,  Berlin  1866.  —  Th.  Ladewig, 
Einl.  und  Anm.  zur  Gas.,  Rhein.  Mus.  III.  S.  185  ff.  Th.  Mommsen,  zum 
Prolog  der  Gas.,  ebds.  X.  S.  122—127.  Ueber  Gas.  III,  6  s.  A.  Fleckeisen, 
Kritische  Miscellen  (Dresden  1864)  S.  5  ff.  G.  Fuhrmann,  in  Fleckeiseus 
Jahrbb.  99,  S.  480—484.  Geppert,  über  die  Gas.  im  cod.  Ambr.,  in  Mützells 
Ztschr.  für  Gymn.  XVII.  S.  625  —  636.  W.  Studemund,  ebds.  XVIII.  S. 
526  —  558,  und  Emend.  plaut.  (1871)  p.  3—7.  15. 

7)  Cistellaria,  kaum  zur  Hälfte  erhalten,  vielleicht  gleich- 
falls nach  einem  Theaterexemplar.  Die  Handlung  hat  viele 
Aehnlichkeit  mit  der  des  Epidicus.    Abfassung  vielleicht  um  555. 

1.  Ausgabe  von  L.  E.  Benoist,  Lyon  1863. 

2.  Th.  Ladewig,  Einl.  und  Anm.  zur  Cist.,  Rhein.  Mus.  IH.  S.  520  ff. 
W.  Teuffei,  Stud.  und  Charakt.  S.  260—262.  Studemund,  Emend.  plaut  1871. 
p.  7—14. 

8)  Epidicus,  mit  reicher,  aber  etwas  verwickelter  Hand- 
lung und  ohne  besonderen  Aufwand  von  Witz  und  Lebendigkeit. 
Abfassung  nach  J.  55t). 

1.  Die  Verwickeltheit  der  Handlung  erklärt  sich  vielleicht  (mit  Ladewig, 
Ztschr.  f.  d.  A.  W.  1841,  S.  1086—1090  und  dagegen  R.  Müller,  p.  5—14) 
aus  Gontamination  und  dient  andererseits  vielleicht  der  ungünstigen  Auf- 
nahme   des    Stückes    zur   Erklärung,    während    der   Dichter    (Bacch.  215) 

TEUFFEii,  Rom.  Literaturgeschichte.    2.  Aufl.  10 


146  Sechstes  Jahrhundert  d,  St. 

dem  Darsteller  der  Hauptrolle,  PoUio  (oben  16,  13),  die  Schuld  davon 
zuschiebt.  —  II,  2,  40  ff',  setzt  die  Aufhebung  (J.  559)  der  lex  Oppia  smnp- 
tuaria  voraus. 

2.  Ausgaben  von  Fr.  Jacob  (Lübeck  1835)  und  C.  E.  Geppert,  Berlin  1865. 
—  R.' Müller,  de  PI.  Epidico,  Berlin  1865.  —  Uebersetzung  von  Fr.  Jacob, 
Lübeck  1843. 

9)  Bacchides,  nach  Anlage  wie  Charakterzeichnung  eines 
der  besten  Stücke.  Die  Eingangsscenen  sind  zugleich  mit  dem 
Schlüsse  der  Aulularia  zwischen  dem  vierten  und  dem  sechsten 
Jahrhundert  n.  Chr.  verloren  gegangen.  Original  wohl  Menan- 
der's  ^Ig  i^aitarcSv.     Aufführung  J.  565. 

1.  Ueber  Inhalt  und  üeberreste  der  verlorenen  2 — 3  Scenen  s.  Ritschi, 
Opußc.  II.  S.  292  —  374.  Die  schlechten  Ergänzungen  in  älteren  Ausgaben 
sind  wahrscheinlich  von  Antonio  Beccadelli  aus  Palermo  verfasst. 

2.  Contamination  ist  unwahrscheinlich;  s.  W.  Teuffei,  Stud.  u.  Charakt. 
S.  256  f.  In  V.  1073  R.  Anspielung  auf  die  vier  Triumphe  des  J.  665  (Ritschi 
Parerga  p.  423  ff.). 

3.  Die  jetzige  Stellung  des  Stückes  (nach  Epid.)  kann  erst  dem  fünften 
christl.  Jahrh.  angehören,  gründet  sich  auf  v.  214  f.  R.  und  rührt  vielleicht 
von  Calliopius  her.     Ritschi  Parerga  p.  391  ff.  vgl.  Opusc.  II.  S.  321. 

4.  .Ausgaben  von  F.  Ritschi  (Hai.  1836),  G.  Hermann  (Lips.  1846). 

5.  Abhandlungen:  in  Ritschis  Parerga  p.  391 — 430  (de  PI.  Bacch.)  und 
(die  ursprüngliche  Gestalt  der  pl.  Bacch.)  Opusc.  IL  S.  292  ft*.  F.  V.  Fritzsche, 
Rostocker  Sommerkatalog  1846.  7  pp.  4.  Schneidewin  (zu  I,  2),  Rhein.  Mus. 
IL  S.  415—427.  M.  H.  E.  Meier,  Halle  1853.  4.  =  Opusc.  IL  p.  330—336. 
Th.  Ladewig  im  Philologus  XVII.   1860.  S.  261  ff. 

10)  Mostellaria,  die  Geistergeschichte,  ein  Stück  von  sehr 
correcter  Anlage  und  mit  einer  Manchfaltigkeit  gutgezeichneter 
Charaktere. 

1.  Original  wohl  das  ^aaiia  des  Philemon,  Ritschi  Parerga  S.  159  f. 
272,  Anm. 

2.  Ritschl,  de  turbato  scenarum  ordine  Most.  PL,  Parerga  p.  431 — 
508.    J.  A.  Stamkart,  commentarius  in  PL  Most.,  Amsterdam  1858.  128  pp.  8. 

3.  Erklärt  von  A.  0.  Fr.  Lorenz,  Berlin  1866.  Vgl.  Lorenz  im  Philo- 
logus XXVIL  S.  543  —  547.  A.  Spengel,  ebd.  XXVIIL  S.  726  —  728. 
With  notes,  prolegomena  and  excursus  by  W.  Ramsay,  London  1869. 
CXVI  u.  295  pp. 

11)  Menaechmi,  wohl  das  gelungenste  der  plautinischen 
Stücke,  die  lustigen  Verwechslungen  und  Conflicte  behandelnd 
welche  durch  die  täuschende  Aehnlichkeit  zweier  Zwillingsbrü- 
der herbeigeführt  werden.    Vorbild  und  Abfassungszeit  unbekannt. 

1.  Argumentum  sicelissat  (prol.  12)  bezieht  sich  nur  auf  die  Heimat 
der  beiden  Zwillingsbruder.    Dass  die  Jtöv^ot  des  Poseidippos  zu  Grunde 


95.  Dichter:  Plautus.   Erhaltene  Stücke.  147 

liegen  (Ladewig,  Philologus  I.  S.  275  ff.)  ist  sehr  zweifelhaft;  s.  W.  Teuffel, 
Stud.  S.  263.  Für  die  Abfassungszeit  (vor  J.  539?)  bietet  II,  3,  60  wenig 
Festes. 

2.  Zur  Kritik:  J.  Vahlen,  Rhein.  Mus.  XVI.  S.  631  —  638.  W.  Teuffel, 
Stud.  u.  Charakt.  S.  263—273. 

3.  W.  Claus,  üb.  d.  M.  d.  PI.  und  ihre  Nachbildung,  bes.  durch  Shake- 
speare, Stettin  1861.  48  S.  4. 

4.  Ausgaben  von  J.  Hildyard  (Cantabr.  1840),  Geppert  (lat.  und  deutsch, 
Berl.  1845),  J.  Brix  (f.  d.  Schulgebr.  erkl.,  Leipzig  1866).  Vgl.  A.  0.  F. 
Lorenz,  Götti.  Gel.  Anz.  1868,  S.  1208—1213. 

12)  Miles  gloriosus,  stark  aufgetragene  Zeichnung  eines 
Bramarbas^  nicht  ohne  Gedehntheiten  und  Unwahrscheinlich- 
keiten^  doch  im  Ganzen  wohl  angelegt  und  heiter  ausgeführt. 

1.  Der  überlieferte  Titel  gegen  Fleckeisen,  Rhein.  Mus.  XIV.  S.  628  f. 
Anm.,  vertheidigt  von  W.  Hertzberg,  Ue))ersetzung  S.  356  f.  und  A.  Riese, 
Rhein.  Mus.  XXII.  S.  303  f. 

2.  Original  nach  U,  1,  8  der  'AXaitav  eines  griechischen  Dichters,  und 
daneben  für  die  Eingangsscene  der  Kola^  des  Menander  (W.  A.  Becker) 
oder  der  At^riaizs^x^s  des  Diphllos  (Ritschl).  Vgl.  W.  Teuffel,  Studien  S.  273  f. 

■ 

3.  Abfassungszeit  nach  J.  550  (wegen  y.  211  f.)  und  vor  568  (wegen  1016). 

4.  Ausgaben  von  Danz  (Vimar.  1804),  Lindemann  (em.,  Lips.  1827;  mit 
Capt  und  Trin.  1823.  1844),  Vallauri  (Turin  1855),  A.  0.  F.  Lorenz  (erklärt, 
Berlin  1869). 

5.  RitsAl^  scena  Plaut,  emend.,  Bresl.  1839.  4.;  Bonner  Sommerkat. 
1849;  Opusc.  II.  p.  404  —  422  (de  argumento  acrosticho  Mil.  gl.).  F.  V. 
Fritzsche,  Rostocker  Index  Sommer  1850.  M.  Haupt,  Berliner  Index  Sommer 
18Ö8,  und  Hermes  III.  S.  147  f.  0.  Ribbeck,  Rhein.  Mus.  XU.  S.  594—611. 
A.  Schöne,  ebd.  XVIII.  S.  157—162.  Seitz,  zu  PI.  m.  gl.,  Jever  1867.  4. 
A.  Romberg,  zum  M.  gl.  des  PL,  Coburg  1869.  4.  Fleckeisens  Jahrbb.  101, 
S.  61  —  78.  Literaturübersicht  von  A.  0.  F.  Lorenz,  Philologus  XXX.  S. 
578—614. 

13)  Mercator,  mit  einer  der  Casina  ähnlichen  Handlung, 
aufgefahrt  wahrscheinlich  nicht  vor  558  d.  St.  Original  Phile- 
mon's  "E^JtOQog, 

1.  Abfassungszeit  aus  III,  1,  28  gefolgert  von  Ladewig,  Ztschr.  f.  d.  A. 
W.  1841,  S.  1085;  vgl.  Ritschl  Pnrerga  p.  344. 

2.  Zum  Mercator;  Ritschl,  Opusc.  IT.  p.  395—403.  E.  J.  Brix,  Philo- 
logus Xn.  S.  650  —  657.  F.  Bücheler,  Rhein.  Mus.  XV.  p.  428  —  444.  K. 
Dziatzko,  ebd.  XXVI.  S.  421—439  (Prolog). 

14)  Pseudölus,  nach  Haltung,  Ton  und  Form  von  einer 
gewissen  Gereiftheit,  aufgeführt  J.  563. 

1.  Dass  Pseudolus  =  ^^svdvXog  der  Titel  sei  s.  0.  Seyifert,  Philologus 

10* 


148  Sechstes  Jahrhundert  d.  St. 

XXV.  S.  448  f.  Anm.  lieber  den  Üebergang  von  griech.  v  in  lat.  o  s.  Fleck- 
eisen  Jahrbb.  93,  S.  9—12. 

2.  Erste  Aufführung  bei  der  Einweihung  des  Tempels  der  magna  mater 
(vgl.  II,  4,  19)  nach  der  Didaskalie  (Ritschi,  Parerga  S.  286,  296).  Vgl. 
Cic.  Cato  14,  50:  quam  (gaudebat  in  senectute)  Truculento  Plautus,  quam 
Pseudulo!  —  Bearbeitung  nach  einem  Stücke  der  mittleren  Komödie  be- 
hauptet Bergk,  Rhein.  Mus.  XX.  S.  290. 

3.  Annot.  instr.  Romeijn,  Daventr.  1836.  --  Mit  Rud.  u.  Truc.  denuo 
rcc.  et  expl.  F.  H.  Bothe,  Lips.  1840.  —  H.  üsener,  Pseud.  Plaut,  scaena 
secnnda  recognita,  Greifswalder  Sommerkatal.  1866.  18  pp.  4.  A.  Eiessling, 
Rhein.  Mus.  XXIII.  S.  411—426. 

15)  Poenulus,  in  Erfindung  und  Anlage  nicht  ohne  Män- 
gel, aber  berühmt  durch  das  darin  vorkommende  Phönikische. 
Aufführung  um  565  d.  St.  Original  ein  KaQxriSovioq^  wahr- 
scheinlich des  Menander. 

1.  Ueber  die  Mängel  und  die  Zeitkriterien  s.  W.  Teuffei,  Studien  und 
Charakt.  S.  274  —  276.  Bei  einer  späteren  Aufführung  Umnennung  in 
Patruus  pultiphagonides  (prol.  64).  Die  letzte  Scene  ist  in  doppelter  (un- 
yereinbarer,  aber  ungefähr  gleich  alter)  Fassipg  erhalten,  Ritschi  Parerga 
p.  601.  Th.  Hasper,  de  Poenuli  plautinae  duplici  exitu,  Lips.  1868  (die 
zweite  Fassung  sei  für  eine  Aufführung  zu  Anfang  des  siebenten  Jahrh.  d. 
St. ,  und  in  der  für  diese  gemachten  Umarbeitung  liege  das  ganze  Stück  vor). 

2.  Ausgabe  von  Geppert,  Berol.  1864.  —  Ueber  das  Punische  s.  Pro- 
gramme von  Bellermann  (Berlin  1806  — 1808),  E.  Lindemann  (Schnceberg 
1833  f.  1837),  Wex  (Schwerin  1838).  F.  C.  Movers,  phönikische  lotete,  I.  Berl. 
1845.  Wex  im  Rhein.  Mus.  U.  S.  130  ff.  IX.  S.  312—315.  XII.  S.  627—630. 
F.  Hitzig,  ebds.  X.  S.  77 — 109.  J.  Derenbourg  im  Journal  asiatique  1869, 
p.  84—91. 

16)  Persa,  ein  Bedientenstück  von  einfacher  Erfindung, 
doch  theilweise  sehr  lebendiger  Ausführung.  Abfassungszeit 
wahrscheinlich  J.  557  d.  St. 

Th.  Ladewig,  über  den  Kanon  des  Volc.  Sed.  S.  38 — 40. 

17)  Rudens  (das  Schifftau),  vorzüglicher  durch  die  heitere 
und  witzige  Ausführung  vieler  einzelnen  Scenen  als  durch  die 
Anlage  des  Ganzen.     Abfassung  um  562  d.  St. 

1.  W.  Teuffei,  Stud.  u.  Charakt.  S.  276  f. 

2.  Ausgaben  von  F.  V.  Reiz  (Lips.  1789),  C.  E.  Chr.  Schneider  (Vratisl. 
1824),  F.  H.  Bothe  (s.  Pseud.),  Geppert  (Berlin  1846.  Vgl.  Ritschi,  Rhein. 
Mus.  V.  S.  128  ff.),  E.  Benoist  (Paris  1864). 

3.  Kampmann,  adnott.,  Oels  1830.  4.  Zum  Prolog  C.  Dziatzko,  Rhein. 
Mus.  XXIV.   S.  570-584. 

18)  Stichus,  aufgeführt  554  d.  St.  ludis  plebeis.  Original 
Menander's   ^iXddsXcpoi^  doch  unter  Abänderung  des  Schlusses. 


95.  Dichter:  Plaiitus.   Erhaltene  Stücke.  149 

Ritschi,  Parerga  S.  261—280.  Bergk,  Zeitschr.  f.  A.  W.  1850,  S.  332  ff. 
W.  Teuffei,  Stud.  u.  Charakt.  S.  277—279.  Dziatzko,  Rhein.  Mns.  XXI.  S. 
82  f.    A.  Spengel,  Philologus  XXVIII.  S.  728—731. 

19)  Trinummus,  ein  Familienstück ,  ohne  weibliche  Cha- 
raktere, von  bemessener  Anlage  und  Tonfärbung.  Aufgeführt 
nicht  vor  560  d.  St.     Original  Philemon's  &rj(favQ6g. 

1.  Ausgaben  von  G.  Hermann  (Lips.  1800  n.  1853),  Göller  (Colon.  1824), 
Lindemann  (em.,  Lips.  1830;  mit  Capt.  nnd  Mil.  1823.  1844),  Geppert  (lat. 
u.  deutsch,  ßerl.  1844.  Leipzig  1854),  Th.  Vallauri  (Turin  1856),  J.  Brix 
(für  den  Schulgebrauch  erklärt,  Leipzig  1864;  vgl.  A.  0.  F.  Lorenz,  Götti. 
Gel.  Anz.  1868,  S.  1174—1200;  zweite  Aufl.  1871)  und  bes.  Ritschi  (rec, 
instrum,  crit.  et  prolegomenis  auxit,  Lips.  1871  =  PL  comoed^  I,  1). 

2.  Ritflchl,  de  actae  Trin.  tempore,  in  Parerga  p.  339—354.  De  inter- 
polatione  Trin.,  ebds.  p.  511—579.  Grauert,  Allg.  Schulztg.  1829,  Nr.  4—6. 
M.  H.  E.  Meier,  de  PI.  Tr.,  Opusc.  II.  p.  321—329.  Vollbehr,  de  Tr.,  Rends- 
burg 1862.  16  pp.  4.  Bergk,  Marburger  Ind.  1849  f.  12  pp.  4.  F.  V.  Fritzsche, 
Rostocker  Ind.  1849  f.  W.  Studemund,  der  pl.  Trin.  im  cod.  Ambrosianus, 
Rhein.  Mus.  XXI.  S.  574—621.    Vgl.  Hermes  I.  S.  304  ff.  310  f. 

3.  XJebersetzt  von  F.  Osthelder  (Speier  1852  f.  4.)  und  W.  Wagner 
(Frankf.  1861). 

20)  Truculentus,  aufgeführt  um  565  d.  St.,  voll  guter, 
aber  wilder  Laune,  zum  Theil  etwas  redselig.  Hauptrolle  die 
einer  Hetäre. 

1.  Cic.  Cato  14,  50  (s.  oben  94,  2).   W.  Teuffei,  Stud.  u.  Charakt.  S.  279. 

2.  Ausgaben  von  Göller  (Colon.  1824),  F.  H.  Bothe  (s.  Pseud.),  Geppert 
(Berol.  1863),  A.  Spengel  und  W.  Studemund  (Gotting.'  1868). 

3.  Zur  Kritik:  C.  E.  Chr.  Schneider,  Vratisl.  1834.  4.  A.  Spengel,  lectt. 
Plaut.,  München  1866.  8  pp.  4.  J.  Brix,  Epistula  ad  A.  Spengelium,  Liegnitz 
1868.  4.  A.  Kiessling  in  Fleckeisens  Jalirbb.  97,  S.  609—642.  Th.  Bergk, 
ebd.  99,  S.  478—480.  Fleckeisen,  ebd.  101,  S.  848—852.  B. Dombart,  Phi- 
lologus XXVIII.  S.  731—739. 

4.  C.  E.  Geppert,  über  die  sog.  italienische  Recension  im  Truc,  in  s. 
plautinischen  Studien  I  (1870)  S.  87—111. 


Nr.  21,  Yidularia,  gieng,  als  letztes  Stück  der  Sammlung,  noch  im 
Laufe  des  Mittelalters  verloren.  W.  Studemund,  commentatio  deVidularia 
plautina,  Greifswald  1870.  26  pp.  4. 

Querolus  s.  Aulularia,  in  Prosa,  aus  dem  3.  oder  4.  christl.  Jahrb., 
herausgg.  von  P.Daniel  (Paris  1564),  Klinkhamer  (Amsterd.  1829).  Der  Inhalt 
davon  sowie  der  Stoff  des  Amphitruo  (obwohl  schwerlich  unmittelbar  des 
plautinischen)  in  elegische  Verse  gebracht  von  Vitalis  de  Blois  (Blesensis) 
im  12.  Jahrb.;  herausgegeben  von  F.  Osann,  Darmstadt  1836. 

96.    Diese  plautinischen  Stücke  sind  uns  in  zweierlei  Recen-  86 
sionen  überliefert,  deren  eine  in  dem  ambrosianischen  Pahmpseste 


150  'Sechstes  Jahrhundert  d.  St. 

(A),  die  andere  in  den  Handschriften  des  J.  Camerarius  (BCD) 
uns  erhalten  ist. 

1.  Im  Anfang  des  15.  Jahrh.  waren  die  12  letzten  Stücke  verschollen. 
Belcannt  waren  nur  die  acht  ersten;  sie  waren  in  sehr  vielen  Hdss.  ver- 
breitet, zwar  in  verschiedener  Ordnung,  aber  alle  wesentlich  in  der  alpha- 
betischen (Ritschi,  Opusc.  IL  p.  236  —  238).  Von  den  letzten  zwölf  wurde 
in  Deutschland  um  1428  eine  Handschrift  aufgefunden  (der  Orsini'sche 
Codex  =  Vaticanus  3870;  s.  Ritschi,  Opusc.  IL  S.  19  Anm.),  sowie  im  16. 
Jahrh.  die  beiden  Heidelberger  (Palatini)  Hdss.  des  Camerarius,  der  vetus 
codex  (B),  saec.  XI,  welcher  alle  20  Stücke  enthält  (jetzt  Vaticanus  1615), 
und  der  (von  Pareus)  sogenannte  decurtatus  (C)  saec.  XII,  welcher  nur  die 
12  Stücke  Bacchides  bis  Truculentus  noch  enthält  (seit  1815  wieder  in 
Heidelberg).  Dazu  D  (Vaticanus  3870)  aus  gleicher  Quelle  wie  C,  aber  auch 
Amph.,  Asin.,  Aul.  und  die  erste  Hälfte  der  Captivi  bietend. 

2.  Im  Laufe  des  15.  Jahrh.  wurde  in  Italien,  wahrscheinlich  auf  Ver- 
anstalten von  Alfons  I  in  Neapel  (reg.  seit  1435),  vielleicht  durch  Antonius 
aus  Palermo,  ein  dem  damaligen  Bedürfniss  und  Geschmack  eutsprechendcr 
Text  der  20  Stücke  redigiert,  in  höchst  eigenmächtiger  und  kenntnissloser 
Weise,  mit  unzähligen  Aenderungen,  .Conjecturen  und  Interpolationen,  und 
dieser  in  zahlreichen  Exemplaren  verbreitet.  Eine  der  ältesten  dieser  in- 
terpolierten Hdss.  ist  der  Vindobonensis  vom  J.  1443,  zugleich  mit  dem 
Lipsiensis  der  relativ  correcteste.  Vgl.  Ritschi,  Opusc.  IL  S.  1 — 34;  und 
über  die  Hdss.  des  Camerarius  ebds.  S.  103  ff.  125  ff.  Ausgabe  des  Tri- 
nummus  (1871)  p.  VIIT  ff. 

3.  Jenen  Hdss.  allen,  welche  sich  sämmtlich  auf  die  Recension  des 
Calliopius  gründen,  steht  gegenüber  das  von  A.  Mai  1815  auf  der  ambrosia- 
nißchen  Bibliothek  zu  Mailand  gefundene  Palimpsest  (cod.  Ambros.),  welches 
freilich  7  Stücke  gar  nicht  und  die  andern  zum  Theil  sehr  lückenhaft 
enthält,  aber  von  diesen  einen  älteren  unverdorbeneren  Text  bietet.  Vgl. 
A.  Mai,  M.  Acci  Plauti  fragmcnta  inedita  etc.  Mediol.  1815  (auch  bei 
Osann,  Anal.  crit.  p.  205  —  228).  F.  Ritschl,  Oinisc.  IL  S.  167—197.  und 
Prolegomena  zum  Trinummus  ed.  1  cap.  I,  VT,  VII;  ed.  2  p.  VII  f.  Gep- 
pert,  über  den  cod.  Ambr.  und  seinen  Einfiuss  auf  die  plautinischc  Kritik, 
Leipzig  1847.     W. '  Studemund,  Rhein.  Mus.  XXL  S.  574—579. 

4.  In  gewissen  Formeln  ist  die  Abweichung  zwischen  beiden  Textes- 
recensionen  fast  stereotyp,  z.  B.  dass  A  advenio  hat,  die  Palatini  aber  veni; 
ähnlich  in  der  Wortstellung  (z.  B.  Trin.  466.  470).  Auch  hat  B  oft  alter- 
thümliche  Formen  (wie  quem,  quoius)  bewahrt,  wo  A  bereits  die  späteren 
(cum,  cuius)  zeigt  (z.  B.  Trin  529.  533.  536).  Vgl.  Studemund,  Rhein.  Mus. 
XXL  S.  606  f.  Der  Urheber  der  Recension  des  A  muss  nach  dem  Metriker 
Heliodor  und  vor  dem  Grammatiker  Charisius  gelebt  haben;  s.  Studemund, 
Festgruss  (Würzburg  1868)  S.  40—56. 

5.  Kritische  Geschichte  der  Ausgaben  und  des  Textes  von  Plautus  (bis 
auf  Bothe)  von  Ritschl,  Opuscula  IL  S.  1 — 161.  Von  den  ersten  8  Stücken 
erste  Ausg.  s.  1.  et  a.  Vom  vollständigen  Plautus  ed.  princeps  cura  Georg. 
Merulae,  Vcnet.  1472  fol.  (die  7  letzten  Stücke  aus  einer  nicht  interpolier- 


90.  Dichter:  Plautus.    Erhaltene  Stücke.    Literatur.  151 

tcn  Abschrift  des  cod.  Ursin.).  Revision  durch  Merula's  Schüler  Eusebius 
Scutarius,  Mediol.  1490.  fol.  Ven.  1495.  4.  —  Venet.  1499  fol.  von  Bern. 
Saracenus.  Cum  interpret.  I.  Bapt.  Pii,  Mediol.  1500.  fol.  (aus  seinem  Com- 
mentar  schreibt  sich  die  heutige  Abtheilung  in  Acte  her).  Neue  Textescon- 
stitution  durch  Pylades  Buccardus  aus  Brescia,  Brixiae  1506.  fol.  Dessen 
Text,  aber  interpoliert  und  verstümmelt,  wurde  durch  die  Aldina  (Ven.  1522) 
Vulgate  bis  auf  Joach.  Camerarius  (Kammermeister),  dessen  vollständige 
Ausgabe  Basileae  1552  erschien.  Nachtrag  dazu  1553;  s.  Rhein.  Mus.  XXIII. 
S.  660  f.  Lambins  Commentar  (und  Text)  gab  nach  des  Verf.  Tode  (Lu- 
tetiae 1576)  J.  Helias  heraus.  Fr.  Tanbmanns  Commentar  erschien  Wite- 
bergae  1605,  dann  (mit  reicheren  Angaben  aus  den  seitdem, in  die  Heidel- 
berger Bibliothek  gelangten  Hdss.  des  Camerarius  u.  a.)  1612,  am  besten 
(ex  recognitione  lani  Gruteri)  1021.  4.  —  Ed.  J.  Ph.  Pareus,  Francofurti 
1610.  8.;  mit  Variantensammlung  aus  den  Pfälzer  Hdss.  Neapoli  Nemetum 
(Neustadt  in  der  Pfalz)  1619.  4.  =  Francofurti  1623.  4.,  und  (ohne  die 
Varianten  Sammlung,  'aber  mit  vollständigerer  Aufzählung  der  Fragmente) 
Francof.  1641.  8.  —  Die  weiterhin,  bis  auf  Ritschi,  geltende  Vulgate  (und 
Verszählung)  gründete  sich  auf  die  Ausgabe  von  J.  Fr.  Gronov  (Lugd.  Bat. 
1664.  1669.  1684;  c.  praef.  Ernesti,  Lips.  1760.  2  Bde.  8.).  —  Ed.  Fr.  H. 
Bothe,  Berol.  1809—1811.  4  Voll.  8.,  und  Poetae  scenici  latini  (Halberstadt 
1821.)  Vol.  I  u.  II  =  Stuttgart  1829  f.  4  Voll.  —  Rec,  interpr.  est  C.  W. 
WeJBe,  Quedlinb.  1837.  1847.  2  Voll,  und  bei  Tauchnitz,  ed.  nova  1866.  — 
Ex  recognitione  A.  Fleckeiseni,  Lips.  Teubner.  1859.  2  Voll.  (10  Stücke).  — 
Epochemachend:  ex  rec.  et  cum  apparatu  critico  Fr.  Ritschelii.  Tom.  I. 
(Prolegomena,  Trinummus,  Mil.,  Bacch.),  Bonn  1848  f.  IL  (Stich.,  Pseud., 
Men.,  Most.)  1850  f.  III.  (Persa,  Merc,  Poen.,  Rud.)  1853  if.  Gleichzeitig 
eine  Ausgabe  mit  blosem  Text.  Neue  Bearbeitung  Lips.  1871.  ff.  Vgl.  A. 
Fleckeisen,  in  Jahns  Jahrb.  LX.  S.  234—263.  LXI.  S.  17—66.  Th.  Bergk, 
Ztschr.  f.  d.  Alt.  Wiss.  1848,  S.  1129  ff. 

6.  üebersetzungen:  von  Danz  (lat.  und  deutsch,  4  Bde,  Leipz.  1806 — 
1811);  Kuffner,  Wien  1807  ff.  5  Thle.;  Köpke,  Berl.  1809.  1826.  2  Bde; 
Rost  (9  Stücke),  hrsgg.  von  Lipsius,  Leipz.  1836;  M.  Rapp  (im  Trimeter), 
Stuttg.  (Metzler)  1838  ff.,  vollständig  in  17  Bdchn.;  W.  Hertzberg  (Trinum- 
mus, Mil.,  Capt.,  Rud.),  Stuttg.  1861;  W.  Binder,  Stuttg.  (Hoffmann)  1862  ff.; 
J.  J.  C.  Donner,  Leipzig  u.  Heidelb.  1864  ff.  (bis  jetzt  3  Bde).  Französische 
z.  B.  von  de  Belloy,  Paris  1870  (Amph.,  Rud.,  Aul.). 

7.  Zur  Textkritik  z.  B.:  F.  Ritschi,  Opusc.  II.  S.  274-291  u.  sonst.  A. 
Fleckeisen,  Exercitationes  Plautinae,  Gotti.  1842;  Plautinische  Analekten, 
Philologus  II  (1847)  S.  57—114;  Kritische  Miscellen,  Progr.  des  Vitzthum'- 
schen  Gymnasiums  in  Dresden,  1864;  Plautinisches ,  in  seinen  Jahrbb.  95, 
S.  625 — 637.  J.  Brix,  Emendationes  Plautinae,  Brieg  1847.  4.  Hirschberg 
1854.  4.  Th.  Bergk,  Ztschr.  f.  d.  Alt.  Wiss.  1855,  Nr.  37  f.;  Haller  Programm 
von  1858.  1866;  Philologus  XVII.  S.  38—58  u.  sonst.  M.  Crain,  Philologus 
IX.  S.  646—678;  Progr.  von  Putbus  1858.  4.;  Berliner  Ztschr.  f.  Gymn.  1806, 
S.  471—485.  867—870.  1867,  S.  148—154.  Th.  Ladewig,  Philologus  XVII. 
S.  248—269.  452—480.  C.  Kretschmer,  Quaestiones  PL,  Breslau  1863.  32  pp. 
Andr.  Spengel,    T.  Maccius  Plautus;  Kritik,  Prosodie,    Metrik,    Göttingen 


152  Sechstes  Jalirluiudcrfc  d.  St. 

1865.  240  S.  K.  IL  Weise,  die  Komödien  des  Tl.,  kritisch  nach  Inhalt 
und  Form  beleuchtet,  zur  Bestimmung  des  Echten  imd  Unechten  u.  b.  w., 
Quedlinburg  1866.  189  S.  A.  Kiessling,  plautinische  Miscellen,  in  der  Sym- 
bola  philolog.  Bonn.  S.  833  —  840,  und  Rhein.  Mus.  XXIV.  S.  115—120. 
Sophus  Bugge,  Tidskrift  for  Philologi  (Kopenhagen  1867  f.)  VI.  S.  1—19. 
VII.  S.  1  —  37  (Lorenz,  Philologus  XXVIII.  S.  357  tf.  561  ff.).  W.  Studemund 
im  Festgruss  der  Würzburger  Philologenvers.  (Wörzburg  1868)  S.38 — 76,  und 
Emendationes  plautinae,  Greifswald  1871.  15  pp.  4.  H.  A.  Koch,  Rhein.  Mus. 
XXV.  S.  617—622.  0.  Seytfert,  Philologus  XXV.  S.  439— 470.  XXVIl.  S.  432 
—473.  XXIX.  S.  385—416.  F.  Lorenz,  ebd.  XXVII.  S.  543  —  550.  XXVIII. 
S.  183  —  187.      C.  E.  Geppert,    plautinische  Studien  I  (Berlin  1870)  152  S. 

87  97.   Plautiis   ist   ausschliesslich    komischer   Dichter   und  ist 

ein  Volksdichter  mit  allen  Vorzügen  und  Fehlern  eines  solchen. 
Zwar  entlehnt  er  seinen  Stoff  aus  der  griechischen  Literatur, 
und  hier  scheint  ihn  Philemön  fast  mehr  angezogen  zu  haben 
als  der  feine  Menander.  Aber  Plautus  ist  selbst  so  voll  eigener 
Einfälle  dass  er  immer  wieder  von  seinem  Originale  weg  ge- 
räth  und  seine  eigenen  Witze  einmischt.  Auch  führte  der  ver- 
schiedene Bildungsgrad  des  beiderseitigen  Publicums  auf  Ver- 
gröberung  der  Zeichnung.  Persönliche  Anspielungen  finden  sich 
unter  den  eigenen  Zuthaten  nicht;  wohl  aber  übt  Plautus  an 
Richtungen  und  Verhältnissen  seiner  Zeit  oft  eine  scharfe,  ernst- 
gemeinte Kritik.  Mit  der  Wahrscheinlichkeit  nimmt  er  es  nicht 
immer  geiaau,  und  die  Anlage  seiner  Stücke  ist  oft  lose.  Seine 
Hauptstärke  ist  der  lebendige  Dialog.  Seine  Witze  sind  häufig 
derb,  nicht  leicht  aber  fad;  und  Süssliches  ist  ihm  zuwider.  In 
Handhabung  der  Sprache  zeigt  Plautus  eine  bewundernswerthe 
Leichtigkeit  und  Fülle  und  gibt  die  wirkliche  Umgangssprache 
seiner  Zeit  mit  allen  ihren  Schwankungen  in  Lauten  und  For- 
men treulich  wieder,  sogar  auf  Kosten  der  metrischen  Eleganz. 
Dadurch  bilden  seine  Stücke  eine  wichtige*  Urkunde  für  die  Ge- 
schichte des  Lateinischen.  Im  Metrischen  nehmen  sie  eine 
Mittelstellung  ein  zwischen  dem  altnationalen  Saturnius  und 
den  Griechen:  mit  jenem  theilen  sie  die  Vorliebe  für  Allitera- 
tion, die  prosodische  Lockerheit  (insbesondere  das  Nichtvorhan- 
densein des  Positionsgesetzes)  und  wohl  auch  die  geringe  Em- 
pfiindlichkeit  gegen  den  Hiatus;  mit  diesen  aber  die  Metra  und 
die  allgemeinen  Regeln  über  deren  Gestaltung.  Dieselben  werden 
von  Plautus  in  der  freieren  Weise  der  älteren  poetae  scenici  ge- 
handhabt, aber  mit  vollkommener  Sicherheit  und  oft  mit  wirk- 
lichem Wohlklang, 


Ü7.   Dichter:  Plautus.    Chiiiaktciifc»tik.  153 

1.  Zur  Charakteristik  des  Plautus  vgl.  Hitachi,  praef.  des  Miles  p.  XXI  f. : 
in  praecipuis  virtutibus  Phxuti  praeter  alacrera  vigorem  coUaudari  solitum 
concinna  simplicitas  est  et  facilis  perspicuitas.  Mommsen  11.  G.  P.  S.  881 
— 883.  W.  Hertzberg  vor  seiner  Uebersetzung,  bes.  S.  XXVIII  f.  XXXII  fF. 
Th.  Ladewig  in  Pauly's  Real-Enc.  V.  S.  1728—1739.  Musterung  der  einzelnen 
Stücke  in  Ritschis  Opusc.  IL  S.  732—752,  bei  M.  Rapp,  Gesch.  d.  griech. 
Schauspiels  (Tübi.  f862)  S.  302—365,  und  J.  L.  Klein,  Gesch.  des  Dramas  IL 
(Leipzig  1865)  S.  492—566. 

2.  Unter  den  Alten  übertreibt  Cicero  die  Bcwundcnmg  (wenn  er  Off,  I, 
29,  104  dem  PI.  das  iocandi  genus  elegans,  urbanum,  ingcniosum,  facetuai 
auf  gleicher  Linie  mit  den  Attikern  zuschreibt;  Apoll.  Sidon.  XXllI,  148 
gar:  Graios,  Piaute,  sales  lepore  transis),  Horaz  die  Kritik  (vom  Stand- 
punkte des  Kunstdichters)  Ep.  II,  1,  170  ff.  3,  270  ff.  In  der  augusteischen 
Zeit  priesen  die  Verehrer  der  altlateinischen  Dichter  seine  Lebendiglctiit 
und  Raschheit,  die  sie  mit  der  des  Epicharmos  verglichen,  wohl  damit  zu- 
gleich seine  vielfache  Formlosigkeit  beschönigend;  über  dieses  vielfach 
miss verstandene  properare  ad  exemplar  Epicharmi  (Hör.  Ep.  11,  1,  57  f.)  s. 
Th.  Ladewig,  iiber  den  Kanon  des  Volc.  Scd.  (1842),  S.  19—26  und  Philo- 
logUB  1.  S.  276 — 285.  Auch  vgl.  Linge,  de  Plauto  properante  ad  ex.  Ep., 
Ratibor  1827.  4.  Zu  properare  vgl.  bes.  Aristoph.  Eccl.  583:  log  to  rax'^- 
vf.Lv  xctqCtGiv  ^Lfxi%ii  nXsiCzov  Tia^a  toiai  &satats. 

3.  Abfassungszeit  der  Stücke.  Köpkc  vor  seiner  Uebcrsctzung  S.  Xlll  ff'. 
Windischmann,  Rhein.  Mus.  I.  S.  110  ft'.  F.  Ritter,  Allg.  Schulztg,  1830, 
S.  873  ff.  Petersen,  Ztschr.  f.  Alt.  W.  1836.  S.  615  ff.  Naudet  im  Journal 
des  Savants  1838,  p.  330  ff.  Vissering,  Quaestiones  Plaut.  1.  (Amsterdam 
1842)  p.  94  ff.     Ritschi,  Parerga  1.  S.  177  f.  353  f. 

4.  Verhältniss  zu  seinen  griech., Originalen:  W.  A.  Becker,  de  com. 
rora.  maxime  Plaut,  quaestiones  (Lips.  1837)  p.  82  ff".  Ritschi,  Parerga  S. 
271  ff^.  Fr.  V.  FritzBche,  de  graecis  fontibus  Plauti,  I.  Rostock  1845.  4. 
G.  Boissier,  quomodo  graecos  poctas  Plautus  transtulerit,  Paris  1857.  Fr. 
Schultz,  Plautus  in  seinem  Verhllltniss  zur  mittleren  und  neueren  griechi- 
schen Komödie,  Neustadt  in  Pr.  1866.  24  S.  4.  W.  Hahn,  scaenicao  quae- 
stiones plautinae,  Greifswald  1867.  bO  pp. 

5.  Reichthnm  an  Schimpfwörtern  u.  dgl.  Vgl.  P.  Langen,  de  cxse- 
crandi  formulis  Plautinis  Terentianisque,  Rhein.  Mus.  XII.  S.  426—433. 

6.  Häufigkeit  der  Anspielungen  auf  Kriegswesen  und  Juristisches. 
Kampmann,  res  militares  PL,  Breslau  1839.  Romeijn,  loca  nonnulla  ex  PI. 
com.  iure  civili  illustrata,  Daventr.  1836.  E.  1.  Bekker,  de  emtione  vendi- 
tione  quae  Plauti  fabulis  fuisse  probetur  (Berlin  1853)  und  loci  Plautini  de 
rebus  creditis,  Greifswald  1861.  25  pp.  4.  G.  Demelius,  i>lautinische  Stu- 
dien, Ztschr.  für  Rechtsgeschichte  von  Rudorff,  Bruns  u.  s.  w.  I.  (1862)  S. 
351—372.  II.  S.  177—238.  Vgl.  oben  46,  3.  —  Geppert,  das  plaut,  Münz- 
wesen, plaut.  Studien  L  S.  41—57. 

7.  Am  meisten  gelingt  dem  Plautus  die  Schilderung  von  Personen  der 
niedrigen  Volksclasse,  wie  Sklaven  und  Parasiten.  Die  pessimistische  An- 
schauung vom   gesammten  weiblichen   Goschlechte   ist   zum   einen   Theile 


154  SecliHtt's  Jahrhundert  d.  St. 

volksmässij?,  nach  andern  Seiten  ein  Reflex  der  Blasierllu'it  der  neuen 
attischen  Komödie.  L.  E.  Benoist,  de  pcrsonis  muliebribus  apud  PI.,  Mar- 
seille 1862.  77  pp.  Thatsächliche  Widersprüche  und  Tnconsequenzen  sind 
bei  PI.  nicht  selten.    Geppert,  plaut.  Studien  I.   S.  61 — 85. 

8.  Sprache.  Törnerös,  de  iugenio  sermonis  Plaut.,  Upsala  1833.  Eamp- 
mann,  de  Ab  praep.  usu  Plaut.,  Breslau  1842;  de  In  praep.  usu  PL,  1845. 
F.  Lübker,  de  usu  infinitivi  PI.,  Schleswig  1841  =  Ztschr.  f.  d.  Alt.  W. 
1849,  Nr.  14 — 16.  Fr.  Umpfenbach,  meletemata  Plautina,  Giessen  1860. 
67  pp.  (de  med  et  ted  accusativis,  p.  3  —  47;  de  iussivo  temporis  prae- 
teriti,  p.  48  ff.).  F.  Ritschi,  plautinische  Excurse,  Opusc.  11.  S.  436— 658.  661; 
neue  plautinische  Excurse  I  (auslautendes  d  im  alten  Latein),  Leipzig  1869, 
nebst  Rhein.  Mus.  XXIV.  S.  482—492.  Th.  Bergk,  auslautendes  d  im  alten 
Latein  (Beiträge  zur  lat.  Gramm.  L),  Halle  1870.  168  S.  Fr.  Schultz,  de  obso- 
letis  coniugationum  Plaut,  formis,  Conitz  1864.  23  pp.  4.  H.  Bocksch,  de  ca- 
ßuum  quam  dicunt  attractione  ap.  PL  et  Ter.,  Breslau  1865.  41  pp.  8.  G. 
Schmilinski,  de  proprietate  sermonis  PL  usu  linguarum  romanicarum  illu- 
ßtrata,  Halle  1866.  48  pp.  F.  W.  Holtze,  Syntaxia  priscorum  script.  lat.  usque 
ad  Terentium.  L  II.  Lips.  1861  f.  426  und  396  pp.  E.  Lubbert,  grammatische 
Studien  L  Breslau  1867.  U.  Bresl.  1870.  A.  Spengel,  die  Partikel  nonne  im  Alt- 
lateinischen, München  1867.  4.  E.  Ballaa,  grammatic  plautina  I  (de  particulis 
copulativis),  Greifswald  1867.  50  pp.  C.  Fuhrmann,  die  Versicherungssätze 
bei  PL,  Fleckeisens  Jahrbb.  97,  S.  841 — 854;  de  particularum  comparativaruni 
usu  plaut.  I,  Greifswald  1870.  43  pp.  R.  Jonas,  de  verbis  frequentativis 
et  intensivis  apud  comoediae  lat.  scriptorep  I,  Jena  1871.  20  pp.  4. 

Lexicon  Plautinum  by  L.  Evans,  London  1853. 

9.  Die  verhältnissmässig  nicht  sehr  zahlreichen  technischen  Mängel 
bei  PlautuB  (bes.  die  Härten  in  den  anapäst.  Tetrametern)  haben  ihren 
Grund  in  der  prosodischen  Beschaffenheit  der  Sprache  selbst,  wie  sie  PL 
als  lebendiges  Material  vorfand  (Ritschi  Opusc.  II.  S.  190  A.).  Keine  Mängel 
aber  sind  seine  Abweichungen  von  der  Prosodik  und  Metrik  der  späteren 
daktylischen  Dichter,  vielmehr  Symptome  einer  wichtigen  Uebergangsstufe 
zwischen  diesen  und  dem  Saturnius;  s.  oben  S.  134  — 136.  Diess  würdigt 
(im  Unterschiede  von  dem  in  den  Prolegg.  zur  ersten  Ausg.  des  Trinummus 
dargelegten  mit  seinen  Vocalausstossungen)  das  neuere  System  von  Ritschi, 
Rhein.  Mus.  XIY.  S.  394—407.  vgl.  Opusc.  II.  S.  444—447.  600  ff'.  Modifi- 
cation  des  älteren  Ritschrschen  Systems  (mittelst  der  Lehre  vom  Hochton) 
von  W.  Corssen  (Vocalismus  u.  s.  w.  letzter  Abschnitt)  und  J.  Brix  (vor 
seiner  Ausgabe  des  Trinummus;  vgl.  de  PL  et  Terentii  prosodia,  BrcsL 
1841).  üebertreibungen  des  neuern  Systems  von  Ritschi  bei  W.  Wagner, 
in  sr  Ausg.  der  Aulul.  und  Rhein.  Mus.  XXIL  S.  111—121.  422—428.  Einen 
Vermittlungsversuch  zwischen  diesem  und  dem  älteren  System  unternimmt 
W.  Christ,  Rhein.  Mus.  XXIII.  S.  559—581.  Einen  bei  Ritschl,  Fleckeisen 
n.  8.  w.  mit  Recht  untergeordneten  Umstand,  den  Bau  der  Wörter,  macht 
zur  Hauptsache  die  Casuistik  von  C.  F.  W.  Müller,  plautinische  Prosodie, 
Berlin  1869.  800  S.;  Nachträge  dazu,  Berlin  1871.  159  S.  Sonstige  Literatur 
über  die  plautinische  Prosodie  und  Metrik.  Linge,  de  hiatu  in  vers.  PL, 
Breslau  1817.  E.  Kärchcr,  Prosodisches  zu  PL  u.  Ter.,  Carlsruhe  1846. 
R.  Enger,  zur  Prosodik  des  PL,  Ostrowo  1852.  4. 


97  f.  Dichter:  Plautus.    Fortleben.  155 

10.  F.  V.  Fritzsche,  de  canticis  Plaut.  I.  Rostock  1861.  8.  pp.  4.  (lud. 
lect.)  W.  Studemund,  de  canticis  PI.,  Halle  1863.  94  pp.  8,  Vgl.  A.  Spen- 
gel,  Eos  I.  S.  606—609.  M.  Crain,  über  die  Composition  der  pl.  Cantica, 
Berlin  1865.  53  S.  A.  Spengcl,  de  versuum  creticoruni  usu  plautino,  Berlin 
1861.  0.  SeyfFert,  de  baccbiacorum  versuum  usu  pl.,  Berlin  1864.  48  pp. 
Geppert,  der  sog.  tctr.  cret.  in  syll.,  plaut  Studien  I.  S.  19—38. 

98.  Die  plautinischen  Stücke  erhielten  sich  auch  nach  dem  88 
Tode  des  Dichters  lange  Zeit  auf  der  Bühne,  und  für  Wieder- 
aufführungen zu  Anfang  des  siebenten  Jahrh.  d.  St.  sind  die 
meisten  erhaltenen  Prologe  verfasst.  Auch  wurde  Plautus  bald 
Gegenstand  gelehrter  Behandlung  in '  Sprache  wie  Sachlichem, 
ganz  besonders  durch  Varro. 

1.  Prologe.  Ritschi,  Parerga  I.  S.  180—238.  W.  Teuffei,  Studien  und 
Charakt.  S.  256.  260  f.  263  ff.  273.  A.  L.  R.  Liebig,  de  prologis  Teren- 
tianis  et  Plautinis,  Görlitz  1859.  50  pp.  4.  C.  Dziatzko,  de  prologis  PI. 
et  Ter.  quaestiones  selectae,  Bonn  1864.  38  pp.;  über  die  plant.  Prologe, 
allgemeine  Gesichtspunkte,  Luzern  1867.  16  S.  4.  Th.  Ladewig,  zu  den 
Prologen  der  pL  Kom.,  in  Fleckeisens  Jahrbb.  99,  S.  473—477.  A.  0.  F. 
Lorenz,  Ausgabe  des  miles  S.  44 — 51. 

2.  Metrische  Inhaltsangaben  (argumenta)  zu  den  plaut.  Stücken  haben 
wir  zweierlei:  akrostichische  (zu  allen  Stücken  ausser  Bacch.),  welche  viel- 
leicht noch  aus  dem  7.  Jahrh.  d.  St.  (Aurelius  Opilius)  stammen,  und  nicht- 
akrostichische  (deren  fünf  erhalten  sind),  wohl  aus  der  Zeit  der  Antonine. 
Ritschi  vor  seiner  ersten  Ausg.  des  Trinummus,  p.  316  —  320.  F.  Osann, 
Ztschr.  f.  Alt.  W.  1849,  S.  199  ff. 

3.  Verzeichnisse  (indices)  der  (echten)  plautinischen  Stücke  nach  Gell. 
III,  3,  1  von  L.  Attius,  Aelius  (Stilo),  Aurelius  Opilius,  Volcatius  Sedigitus, 
Serv.  Claudius,  Manilius  und  Varro  (s.  d.). 

4.  Förmliche  Commentatorcn  dos  PI.  waren  Sisenna  und  (unter  Ha- 
drian)  Terentius  Scaurus.    Ritschi,  Parerga  p.  374  ff. 

5.  Einzelheiten  des  plautinischen  Sprachschatzes  erläuterten  die  Glosso- 
graphen  Aurelius  Opilius,  Ser.  Claudius,  so  wie  Aelius  Stilo,  Flavius  Caper, 
Aruntius  Celsus.  F.  Hitachi,  de  veteribus  Plauti  interpretibus,  in  seinen  Par- 
erga I.  p.  357 — 387.  Von  einem  der  Genannten  (oder  doch  jedenfalls  aus 
verhältnissmässig  alter  und  guter  Zeit)  rührte  wohl  her  die  umfängliche  plau- 
tinische  Glossensammlung,  mit  Belegstellen  und  Erklärungen,  woraus  unser 
heutiger  Placidus  nur  ein  magerer  Auszug  ißt  (Ritschi,  Rhein.  Mus.  XXV. 
S.  463;  vgl.  oben  41,  8).  lieber  die  bei  Nonius  benützten  Plautuscom- 
mentare  vgl.  A.  Schottmüller,  Symbola  philol.  Bonn.  S.  823  ff. 

6.  Ein  altes,  vor  der  Zeit  Priscian's  verfasstes  plautinisches  Glossar 
8.  bei  Ritschi,  Opusc.  IL  p.  234  —  236,  vgl.  ebd.  p.  228  ff.  237  —  273.  A. 
Spengel,  T.  Maccius  Plautus  S.  50  ff. 

99.  Q.  Ennius,  geboren  J.  515  =  239  zu  Rudiae  im  Lande  89 
der  Peucetier,  wo  Griechisches  und  Oskisches  sich  vielfach  durch- 


150  Sccbst<?8  Jahrhundert  d.  St. 

drangt  diente  J.  550  auf  römischer  Seite  in  Sardinien,  wo  ihn 
M.  Porcius  Cato  traf  und  mit  nach  Rom  nahm.  Hier  lebte 
auch  er  vom  Unterrichten  im  Griechischen  und  Anfertigen  von 
Uebersetzungen  griechischer  Stücke  für  die  römische  Bühne,  und 
gewann  sich  die  Gunst  des  älteren  Africanus.  M.  Fulvius  No- 
bilior,  Cos.  565,  nahm  den  Dichter  in  seine  Provinz  Aetolien 
mit,  als  Zeugen  und  Herold  seiner  Thaten.  Dessen  Sohn  ver- 
schaffte J.  570  dem  Ennius  das  römische  Bürgerrecht,  indem  er, 
zum  triumvir  coloniae  deducendae  ernannt,  mit  Genehmigung  des 
Volks  demselben  ein  Ackerloos  (in  Potentia)  zuwies.  J.  585 
starb  Ennius  an  der  Gicht. 

1.  Geburtsjahr  bezeugt  durch  Varro,  Gell.  N.  A.  XVII,  21,  43.  vgl. 
Cic.  Brut.  18,  72  f.  Tusc.  I,  1,  3.  —  Strab.  VI.  p.  281  Gas.:  'PoSiai,  noXtg 
tllrivlg  i^  f^ff  ^v  6  »oti^rr/s  "Evviog.  Mela  II,  4,  61.  Sil.  It.  XII,  393  ff. 
Au.son.  Id.  XII  (grammaticom.  17)  u.  A,  Calabrae  Pierides,  Hör.  0.  IV,  8, 
20  vgl.  Ovid.  A.  A.  III,  409.  Suid.  v.  "Evviog:  Ttoiijrr^g  Miaadniog.  Fest. 
V.  solitaur.  p.  293  M.:  quam  cousuctudinem  (non  gcmiaandi  iitteras  in  scri- 
bendo)  Ennius  rautavisse  fertur,  utpote  Graecus  graeco  more  usus.  Suet. 
gramm.  1:  antiquissimi  doctorum,  qui  iidem  et  poetae  et  semigraeci  erant, 
Livium  et  Ennium  dico  u.  s.  w.  Gell.  XVII,  17,  1:  Q.  Ennius  tria  corda 
habere  sese  dicebat,  quod  loqui  graece  et  osce  et  latine  sciret. 

2.  Cornel.  Nep.  Cato  1,4:  praetor  provinciam  obtinuit  Sardiniam,  ex 
qua  quaestor  superiore  tempore  ex  Africa  decedens  Q.  Ennium  poetam 
deduxerat.  Vgl.  Hieron.  z.  Euseb.  Chron.  a.  1777  ==  614  d.  St.:  Q.  Ennius 
poeta  Tarenti  (Missverständniss)  nascitur,  qui  a  Catone  quaestore  Eomam 
translatus  habitavit  in  monte  Aventino  (vgl.  Varro  L.  L.  V,  34,  163:  .  . 
ligioncm  Porcius,  ni^mlich  Licinus,  designat  quom  de  Ennio  scribcns  dicit 
eum  coluissc  Tutilinae  loca),  parco  adraodum  sumptu  contcntus  et  unius 
(?  vgl.  Cic.  de  or.  11,  68,  276)  ancillae  ministerio.  Fr.  Kitter,  Ztschr.  f.  d. 
A.  W.  1840,  S.  370.  ' 

3.  Cic.  p.  Arch.  9,  22:  carus  fuit  Africano  superiori  nostcr  Ennius; 
itaque  ctiam  in  sepulcro  Scipionum  putatur  is  esse  constitutus  ex  marmore. 
Liv.  XXXVIII,  66:  Bomae  extra  portam  Capcnam  in  Scipionum  monumento 
tres  statuae  sunt,  quarum  duae  P.  et  L.  Scipionum  dicuntur  esse,  tertia 
poetae  Q.  Ennii.  Vgl.  Welcker,  Trag.  S.  1360.  —  Vertrauliches  Verhältniss 
zu  Scipio  Nasica,  Cic.  de  or.  II,  68,  276. 

4.  Cic.  p.  Arch.  11,  27:  ille  qui  cum  Actolis  Ennio  comite  bellavit 
Fulvius.  Tusc.  I,  2,  3:  oratio  Catonis,  in  qua  obiecit  ut  probnim  M.  No- 
biliori  quod  is  in  provinciam  poetas  duxisset.  duxerat  autcm  consul  illo 
in  Aetoliam,  ut  scimus,  Ennium.  Aur.  Vict.  ill.  52,  3:  quam  victoriam 
(des  Fulvius  über  die  Actolier),  per  sc  magnificam,  Q.  Ennius,  amicus  eins, 
insigni  laude  celebravit.  Symmach.  cp.  I,  21:  Q.  Ennio  ex  aetolicis  manu- 
biis  captiva  clilamys  tantum  muneri  data  Fulvium  decolorat. 

5.  Cic.  p.  Arch.  10,  22:   ergo  illum,  .  .  Rudinum   hominem,   maiores 


99  f.  Dichter:  Ennius  (Leben  und  Annales).  157 

nostri  in  civitatem  recepenint.  Brut.  20,  79:  Q.  Nobiliorem  M.  f.  .  .,  qul 
etiam  Q.  Ennium,  qui  cum  patre  eius  in  Aetolia  militaverat  (ungenau), 
civitate  donavit,  cum  triumvir  coloniam  deduxisset.  Liv.  XXXIX,  44:  eo- 
dem  anno  (570  d.  St.)  coloniae  duae,  Potentia  in  Picenum,  Pisaurum  in 
gallicum  agrum,  deductae  sunt.  .  .  diviserunt  agrum  coloniasque  deduxe- 
runt  iidem  triumviri,  Q.  Fabius  Labeo  et  M.  et  Q.  Fulvii,  Flaccus  et  No- 
bilior.  Vgl.  Fr.  Ritter  a.  a.  0.  S.  383—385.  In  Folge  dessen  Ennius'  Aus- 
ruf:  nos  sumus  Eomani  qui  fuvimus  ante  Eudini,  Cic.  de  or.  III,  42j  168. 

6.  Cic.  Cato  mai.  5,  14:  annos  septuaginta  natus  —  tot  enim  vixit 
Ennius  —  ita  ferebat  duo  quae  maxima  putantur  onera,  paupertatem  et 
senectutem,  nt  eis  paene  delectari  videretur.  Brut.  20,  78:  hoc  (C.  Sulpi- 
ciiis  Gallud)  praetore  ludos  Apollini  faciente,  cum  Thyesten  fabulam  do- 
cuisset,  Q.  Marcio  Cn.  Servilio  coss.  (585  =  169),  mortem  obiit  Ennius." 
Hieron.  zu  Euseb.  Chr.  ad  a.'  1849  =  586  d.  St.:  Ennius  poeta  septua- 
genario  maior  articulari  morbo  perit  (vgl.  Ennius  bei  Priscian.  VII F.  p. 
829  P.:  numquam  poetor  nisi  si  podager;  auch  vgl.  Hör.  Ep.  I,  19,  7  f.: 
Ennius  ipse  pater  numquam  nisi  potus  ad  arma  prosiluit  dicenda;  Seren. 
Sammon.  713 f.:  Ennius  ipse  pater,  dum  pocula  siccat  iniqua,  hoc  vitio  tales 
fertur  meruisse  dolores)  sepultusque  (?  vgl.  A.  3)  in  Scipionis  monumento, 
via  Appia  intra  primum  ab  urbe  miliarium.  quidam  ossa  eius  Rudiam  ex 
laniculo  translata  adfirmant  (vielleicht  weil  ihm  dort  irgend  ein  Denkmal 
errichtet  war).  Grabschrift  bei  Cic.  Tusc.  I,  15,  34:  aspicite,  o  cives,  senis 
Enni  imaginis  formam.  hie  vestrum  panxit  maxima  facta  patrum  u.  s.  w. 
vgl.  ib.  117.     Cato  mai.  73. 

100«  Den  meisten  Ruhm  gewann  Ennius  als  Epiker,  durch  90 
seine  achtzehn  Bücher  Annales,  welche  die  traditionelle  römische 
Geschichte,  von  Aeneas'  Ankunft  in  Italien  bis  auf  des  Dichters 
eigene  Zeit,  in  chronologischer  Ordnung  darstellten.  Das  Werk 
sollte  ein  Seitenstück  zu  den  homerischen  Epen  werden,  und 
galt  den  Römern  auch  dafür;  der  künstlerische  Werth  desselben 
kann  aber  nur  sehr  untergeordnet  gewesen  sein.  Wichtig  wurde 
es  auch  dadurch  dass  darin,  neben  vielem  Anderen  was  die  ho- 
merische Weise  nachahmte,  der  epische  Vers  der  Hellenen 
erstmals  in  die  römische  Literatur  eingeführt  wurde. 

1.  Ueberreste  (über  600  Verse  und  Verstheile)  am  besten  bei  J.  Vah- 
len,  Ennianae  poes.  reliquiae  (Lips.  1864),  p.  3 — 88.  vgl.  ib.  p.  XVIII — LXXX. 
Würdigung  bei  Mommsen  R.  G.  P.  R.  899—901. 

2.  Diomed.  III.  p.  480  P.  =  484,  3  ff.  K.  (nach  Reifferscheids  Emen- 
dation  in  Jahn's  Jahrb.  79,  S.  157  f.):  epos  latinum  primus  digne  scripsit 
Ennius,  qui  res  Romanorum  decem  et  octo  complexus  est  libris,  qui  vel 
annales  (in)8cribuntur,  quod  singulorum  fere  annorum  actus  contineant, 
sicut  publici  annales  quos  pontifices  scribaeque  conficiunt,  vel  Romais  (nach 
Reifferscheid  in  der  augusteischen  Zeit  aufgebrachter  Titel),  quod  Roma-  . 
norum  res  gestas  declarant. 


158  Sechstes  Jahrhundert  d.  St. 

3.  Erstes  Buch  (fragincnta  emend.,  dispos.,  illustr.  H.  Ilberg,  Bonn 
1852.  Vahlen  p.  XX— XXXIX):  Einleitung,  Vorgeschichte,  Gründung  bis 
zu  Romulus'  Vergötterung.  Zweites  Buch  (Vahlen  p.  XXXIX  f.):  Numa  bis 
Ancus  Martius.  Drittes  (Vahlen  p.  XL — XLIII):  die  drei  letzten  Könige. 
Viertes  (ib.  p.  XLIII — XLV):  Anfang  der  Republik  bis  zur  gallischen  Er- 
oberung. Fünftes  (ib.  p.  XLV — XL VII):  Samniterkriege?  Sechstes  (p. 
XLVII— LV):  Pyrrhus.  Siebentes  (librorum  VII— IX,  s.  de  bellicis  punicis, 
fragmenta  emend.,  disp.,  illustr.  Th.  Hug,  Bonn  1852.  Vahlen  p.  LV — 
LXI):  erster  punischer  Ki-ieg,  in  Kürze,  weil  der  Stoff  schon  von  Naevius 
behandelt  war,  über  welchen  in  gespreizter  Geringschätzung  geurteilt 
wurde;  s.  Cic.  Brut.  19,  75.  Achtes  und  neuntes  (Vahlen  p.  LXI — LXVIII): 
Hannibalischer  Krieg.  Zehntes  und  elftes  (ib.  p.  LXVIII — LXXI):  make- 
donischer  Krieg.  Zwölftes  (ib.  p.  LXXI  f.) :  ?  Dreizehntes  und  vierzehntes 
(p.  LXXII  — LXXIV):  Krieg  mit  Antiochus,  Fünfzehntes  (p.  LXXIVf.): 
Fulvius  Nobilior  in  Aetolicn.  Tod  des  altem  Africanus  (J.  567).  Damit 
Abschluss  ums  J.  570.  —  Plin.  N.  H.  VII,  29,  101  (von  der  fortitudo  welche 
Gegenstand  der  poetica  fabulositas  geworden):  Q.  Ennius  T.  (Liv.  XXXIX, 
56.  XL,  1:  L.)  Caecilium  Dentrem  fratremque  (M.,  s.  Liv.  XLII,  6)  eins 
praecipue  miratus  propter  eos  sextum  decumum  adiecit  annalem.  Das 
Buch  hatte  daher  ein  neues  Proömium,  und  erhielt  weitere  Fortsetzungen 
durch  B.  XVU  u.  XVIII  (Vahlen  p.  LXXV— LXXX),  worin  die  Ereignisse 
von  J.  571  bis  580  behandelt  und  schliesslich  von  der  eigenen  Person  des 
Dichters  gesprochen  wurde;  s.  Gell.  XVII,  21,  43:  consules  Q.  Valerius 
et  C.  Manilius,  quibus  natum  esse  Q.  Ennium  poetam  M.  Varro  in  primo 
de  poetis  Ubro  scripsit  eumque  cum  septimum  et  sexagesimum  annum 
haberet  (also  J.  582)  duodevigesimum  (so  Merula,  F.  Ritter,  Vahlen, 
XIIX  statt  XII)  annalem  scripsisse,  idque  ipsum  Ennium  in  eodem 
libro  dicere. 

4.  Q.  Vargunteius  annalfes  Ennii,  quos  certis  diebus  in  magna  frequen- 
tia  pronuntiabat,  Suet.  gramm.  2.  Vgl.  ib.  8:  M.  Pompilius  Andronicus 
.  .  adeo  inops  atque  egens  ut  coactus  sit  praecipunm  illud  opusculum  suum, 
Annalium  Ennii  elenchorum,  XVI  milibus  nummum  ouidam  vendere.  Cic. 
opt.  gen.  or.  1,  2:  licet  dicere  Ennium  sunmium  epicum  poetam,  si  cui 
ita  videtur.  Martial.  V,  10,  7  f.:  Ennius  est  lectus  salvo  tibi,  Roma,  Ma- 
rone et  sua  riserunt  saecula  Maeoniden.  Vitruv.  IX.  praef.  16:  qui  littera- 
rum  iucunditatibus  instinctas  habent  mentes  nou  possunt  non  in  suis 
pectoribus  dedicatum  habere  sicut  deorum  sie  Ennii  poetae  simulacrum. 
Quintil.  X,  1,  88:  Ennium  sicut  sacros  vetustate  lucos  adoremus,  in  quibus 
grandia  et  antiqua  robora  iam  non  tantam  habent  speciem  quantam  reli- 
gionem.  Vgl.  II,  17,  24:  dicet  notum  illud  (des  Ennius):  Dum  clavom  rec- 
tum teneam;  vgl.  IX,  4,  116.  Vulcat.  Gall.  Avid.  Cass.  5,  7:  scis  versum 
a  bono  poeta  dictum  et  omnibus  frequentatum :  Moribus  antiquis  etc.  Gell. 
XVIII,  5,  2:  (Antonio)  luliano  nuntiatur  anagnosten  quendam,  non  in- 
doctum  hominem,  voce  admodum  scita  et  canora  Enni  Annales  legere  ad 
populum  in  theatro.  ib.  3:  Ennianistam  .  .  se  ille  appellari  volebat.  4: 
quem  cum  iam  inter  ingentes  clamores  legentem  invenissemus  etc.  7: 
eumque  aliquot  eorum  qui  aderant  „quadrupes  equus^*  apud  suum  quisque 
grammaticum  legisse  se  diccrent  etc.    Spart.  Hadr.  16,  C:  Ciceroui  Catonem, 


100  f.  Dichter:  Ennius  (Annalen  und  Dramen).  159 

Vergilio  Ennium,  Sallustio  Coelium  praetulit.  Macrob.  Sat.  VI,  9,  9:  quia 
saeculum  nostnim  ab  Ennio  et  omni  bibliotheca  vetere  descivit,  multa 
ignoramus  quae  non  laterent  ai  veterum  lectio  nobis  esset  familiaris. 

101.  Nächstdem  ist  die  Tragödie  Ennius'  wichtigstes  Ar-  91 
beitsfeld.  Dabei  seheint  er  mit  Vorliebe  Stücke  des  Euripides 
ins  Lateinische  übertragen  zu  haben,  da  ihn  dessen  Aufklärung 
und  rhetorisierende  Manier  angezogen  haben  mag.  Auch  Prae- 
texten  verfasste  Ennius,  sowie  Komödien,  ohne  jedoch  auf  letz- 
terem Gebiete  zu  Bedeutung  zu  gelangen. 

1.  Erhalten  sind  ßruclistücke  von  Achilles  und  (vgl.  Welcker,  Trag. 
S.  1374.  Klussmann  in  Jahns  Jahrb.  Suppl.  XL  S.  325  —  328.  0.  Jahn, 
Hennes  III.  S,  191  f.)  Achilles  Aristarchi,  Aiax,  Alcumaeo,  Alexander, 
Andromacha  Aechmalotis,  Andiomeda,  Athamas  (?  Welcker  a.  a.  0.),  Cres- 
phontes,  Erechtheus,  Eumenides,  Hectoris  lustra,  Hecuba  (F.  Osann,  Ana- 
lecta  crit.,  Berlin  1816,  p.  126  —  140),  Iphigenia,  Medea  exsul  (vgl.  H. 
Planck,  Q.  Ennii  Medea,  commcntario  perp.  illustrata  etc.  Götti.  1807.  4. 
F.  Osann,  1. 1.,  p.  79 — 125),  Medea  Atheniensis,  Melanippa,  Neinea,  Phoenix, 
Telamo,  Telephus,  Thyestes.  Die  üeberreste  bei  Ribbeck,  Trag.  lat.  p. 
13—62  (vgl.  p.  248—278),  und  Vahlen,  Enu.  p.  91—150.  Welcker,  griech. 
Trag.  S.  1373—1380. 

2.  Glossae  Salomonis  (Rhein.  Mus.  XXII.  S.  446):  tragodias  Ennius 
fere  omnes  ex  graecis  transtulit,  plurimas  Euripidis,  nonnuUas  Aristarchi. 
Von  den  uns  bekannten  Stücken  sind  sicher  nach  Euripides:  Andromeda, 
Hecuba,  Iphigenia,  Medea  exsul,  Melanippa,  Telephus,  sowie  Alexander, 
Andromacha;  wahrscheinlich  aber  auch  Alcumaeo,  Cresphontes,  Erechtheus, 
Medea  Ath.,  -Phoenix.  Nach  Aeschylos  nur  Eumenides,  nach  Sophokles 
wahrscheinlich  Aiax,  nach  Aristarchos  der  eine  Achilles.  Die  Yergleichung 
mit  den  betreifenden  Originalen  zeigt  dass  die  Stücke  des  Ennius  freie 
Uebersetzungen  waren,  bei  der  Iph.  mit  Vervollständigung  der  Handlung 
aus  Sophokles  (Contamination).  Vgl.  Cic.  fin.  I,  2,  4:  cum  .  .  fabellas 
latinas  ad  verbum  e  graecis  expressas  non  inviti  legant.  quis  enim  tarn 
inimicus  paene  nomini  romano  est  qui  Ennii  Medeam  aut  Antiopam  Pacuvii 
spemat  aut  reiciat  quod  se  isdem  Euripidis  fabulis  delectari  dicat?  de  opt. 
gen.  6,  18:  eidem  .  .  Andromacham  aut  Antiopam  aut  Epigonos  latinas 
recipiunt;  quod  igitur  est  eorum  in  orationibus  e  graeco  conversis  fasti- 
dium,  nullum  cum  sit  in  versibus?  Gell.  XI,  4:  Euripidis  versus  sunt  in 
Hecuba.  .  .  hos  versus  Q.  Ennius,  cum  eam  tragocdiam  verteret,  non  sane 
incommode  aemulatus  est.  Dass  Ennius  dieser  Thätigkeit  bis  an  sein  Ende 
treu  blieb  zeigt  Cic.  Brut.  20,  78. 

3.  Ambracia  war  höchst  wahrscheinlich  eine  praetexta  und  behandelte 
seines  Gönners  M.  Fulvius  Nobilior  Eroberung  der  gleichnamigen  Stadt, 
J.  565.  Ribbeck,  com.  lat.  p.  IX  f.  vgl.  Vahlen,  Enn.  p.  153.  Eine  zweite 
praetexta  des  Ennius,  Sabinae  (der  Raub  der  Sabinerinnen),  vermutet  Vah- 
len (Rhein.  Mus.  XVI.  S.  580,  vgl.  Enn.  p.  LXXXVIII)  wegen  Jul.  Victor, 
p.  402,  30  Halm:  ut  (in)  Sabinis  Ennius  dixit. 


*f 


160  Sechstes  Jalnhundert  d.  St. 

4.  Gellius  IV,  7,  3:  Ediiü  versum  (trochäisch)  ex  libro  qui  Scipio  in- 
scribitur.  Während  meist  der  Scipio  für  einen  Bestandtheil  der  Satiirae 
angesehen  wird  (Lersch,  Vahlen),  so  hat  G.  Röper,  de  Q.  Ennii  Scipione 
(Danzig  1868.  30  pp.  4.)  wahrscheinlich  gemacht  dass' derselbe,  wie  schon 
Aeltere  annahmen,  gleichfalls  eine  praetcxta  war.  Vgl.  Rhaban.  Manr.  (oben 
14,  2).  Die  ernste  und  gehaltene  Sprache  der  Ueberrestc  ist  dafür  günstig. 
Als  Mass  sind  nur  troch.  Septenarc  erwiesen.  Abfassung  vor  den  Annales, 
etwa  554,  nach  Scipio's  siegreicher  Heimkehr  aus  Afrika  (J.  55:J);  zu  spli- 
terer  Datierung  (Vahlen  p.  LXXXVll)  liegt  kein  wirklicher  Grund  vor.  Die 
Ueberreste  (theilweis  unsichere,  besonders  II)  bei  Vahlen  Knn.  p.  155 — 157. 
Vgl.  L.  Lersch  in'Welcker  u.  Näke  Rhein.  Mus.  V.  1837.  p.  416—421.  F. 
Ritter,  Ztschr.  f.  d.  Alt.  W.  1840.  S.  388— 3V)5. 

5.  Der  leichte  Ton  der  Komödie  scheint  dem  Ennius  wenig  geglückt  zu 
sein.  Von  zwei  Komödien,  Cupuncula  und  Pancratiastes,  haben  wir  schwache 
Spuren;  s.  Ribbeck  com.  p.  4.  Vahlen,  Enn.  p.  LXXXI  und  p.  153  f.  Vol- 
catius  Sedigitus  führte  ihn  unter  den  komischen  Dichtern  nur  antiquitatis 
causa  mit  auf. 

92  102.  Ferner  gab  Ennius  Saturae  heraus,  in  dem  Sinne  einer 

Sammlung  vermischter  Gedichte  in  verschiedenen  Metren.  Be- 
standtheile  derselben  waren  wohl  der  Sota,  Protrepticus,  die  Hedu- 
phagetica,  der  Epicharmus,  Euemerus  und  Epigramme. 

1.  üeber  die  saturae  des  Ennius  s.  Vahlen  Ennius  p.  LXXXI — XC.  Die 
Reste  ib.  i>.  154  tf.  Vier  Bücher  nach  Por^^hyr.  zu  Hör.  Sat.  I,  10,  47; 
aus  einem  sechsten  citiert  Donat.  zu  Ter.  Phorm.  II,  2,  25.  Versmasse: 
Trochäen,  Jamben,  Sotadeen,  daktyl.  Hexameter;  dass  Ennius  auch  Satur- 
nier  gedichtet  habe  ist  an  sich  nicht  wahrscheinlich  und  auch  nicht  er- 
wiesen. Inhalt  lehrhaft,  auch  Fabeln.  —  C.  Petermann,  über  die  Satirc 
des  Ennius,  Hirschberg  1851  f.  4.    Vgl.  oben  28,  1. 

2.  Sota  =  Sotades  {ZatdSrjg)^  nach  welchem  das  sotadische  Mass 
benannt  ist.  In  Sota  Ennii,  Varro  L.  L.  V,  C2;  Sota  Ennianus  bei  Fronto 
ep.  ad  Caes.  IV,  2  g.  E, ;  in  Asota,  Fest.  p.  316  M.  Vahlen  Enn.  p.  164  f.  XC  f. 

3.  Praecepta  s.  Protrepticus ,  Doppeltitel,  in  beiden  Sprachen,  Vahlen 
p.  165  u.  XCI. 

4.  Heduphagetica,  gastronomischen  Inhalts,  nach  dem  Alexandriner 
Archestratos,  Vahlen  p.  166  u.  XCI  f.     Rhein.  Mus.  XVI.  S.  581  Anm. 

5.  Epicharmus,  eine  Art  naturphilosophischen  Lehrgedichtes,  wohl  be- 
titelt nach  demjenigen  welchem  die  in  dem  Buche  ausgesprochene  (pytha- 
goreische) Weisheit  in  den  Mund  gelegt  war.  In  trochäischen  Tetrametern. 
Vahlen  p.  167  f.  und  XCIII  f. 

6.  Euemerus,  sive  Sacra  historia,  lateinische  Bearbeitung  der  lsqcc 
avayQcicpTj  des  EvrifihQog  (um  450  d.  St.),  mit  Uebertragung  dieses  tollen 
blasphemischen  Systems  der  Mythendeutung  auch  auf  die  italischen  Götter. 
Cic.  N.  D.  I,  41,  119:  Euhemerus,  .  .  quem  noster  et  interpretatus  et  se- 
cutus  est  praeter  ceteros  Ennius.     Augustin.  Civ.   D.  VII,    26  (27):    totam 


102  f.  Dichter:  Ennius.  161 

de  hoc  Euhemerus  pandit  historiam,  quam  Ennius  in  latinum  vertit  elo- 
quium.  Aus  den  Ausführungen  des  Lactantius  (nach  einer  Umarbeitung 
in  Prosa)  hört  sich  vielfach  der  ursprüngliche  trochäische  Rhythmus  heraus. 
—  Erahner,  Grundlinien  zur  Gesch.  d.  Verfalls  u.  s.w.  S.  37  ff.  Gerlach,  histor. 
Studien  S.  154  ff.  Mommsen  R.  G.  I*.  S.  843.  Vahlen  p.  XCIII  f.  u.  p.  169  ff. 
B.  ten  Brink,  Varronis  locus  de  urbe  Roma,  accedunt  Q.  Ennii  apologus 
Aesopicus  et  reliquiae  Euemeri  versibus  quadratis,  Utrecht  1865. 

7.  Die  wenigen  Epigramme  (im  elegischen  Mass),  z.  B.  die  Grabschrift 
des  Ennius,  bei  Vahlen  Enn.  p.  162  f.  vgl.  p.  XC. 

108.  Ennius  ist  entschieden  ein  künstlerisches  Talent.  93 
Zwar  scheint  er  rasch  gearbeitet  zu  haben,  und  seine  Gedichte 
verletzen  oft  die  Gebote  der  Schönheit  und  des  guten  Ge- 
schmackes; aber  auf  der  neuen  Bahn  die  er  einschlug  hatte  er 
auch  besonders  grosse  Schwierigkeiten  zu  überwinden  und  war 
durch  das  Kümmerliche  seiner  äusseren  Lage  in  der  gleich- 
massigen  Ausbildung  seiner  reichen  Gaben  gehindert.  Dieses 
Missverhältniss  zwischen  äusserer  Stellung  und  innerer  Lei- 
stungsfähigkeit steigerte  zugleich  sein  Selbstgefühl.  In  seiner 
Zeit  ein  Sendbote  der  Aufklärung,  hat  er  der  römischen  Poesie 
und  Sprache  die  Wege  gezeigt  und  eröfliiet  auf  denen  sie  Jahr- 
hunderte lang  fortwandelte. 

1.  Die  augusteischen  und  kaiserlichen  Dichter  heben  einseitig  und  un- 
dankbar (A.  Zingerle,  Ovid's  Verhältn.  II.  S.  1 — 11)  an  Ennius  hauptsächlich 
seine  relative  Formlosigkeit  hervor:  Horaz  Ep.  II,  1,  50 — 52.  3,  259—262. 
Prep.  IV,  1,  61.  Ovid.  Am.  I,  15,  19.  Val.  Max.  Vm,  14,  1.  Sen.  Ep.  58, 
6  vgl.  Dial.  V,  37,  6.  Fragm.  110—114..  Martial.  XI,  90.  Macrob.  I,  4,  17. 
Gerechtere  Würdigung  bei  Ovid.  Trist.  II,  423  f. :  suo  Martern  cecinit  gravis 
Ennius  ore,  Ennius  ingenio  mazimus,  arte  rudis.  Vgl.  Qnintil.  I.  0.  I,  8,  8. 
X,  1,  40.  Auch  Sen.  fr.  114  H.:  qiiidam  sunt  tam  magni  sensus  Q.  Ennü 
ut,  licet  scripti  sint  inter  hircosos,  possint  tamen  inter  unguentatos  placere. 
Macrob.  Sat.  VI,  3,  9:  nemo  ex  hoc  viles  putet  veteres  poetas  quod  versus 
eomm  scabri  nobis  videntur.  ille  enim  stilus  Enniani  saeculi  auribus  solns 
placebat  etc.  Quintil.  X,  1,  88.  Fronto  p.  114,  2  Naber:  multiformis. 
Cicero,  zu  uneingeschränkt,  de  or.  I,  45,  198  u.  de  prov.  cons.  9,21:  summus 
poeta.  Tusc.  III,  19,  45  f.:  egregius  poeta  .  .  praeclarum  Carmen.  Doch 
Grat.  11,  36:  multa  apud  Ennium  neglegentius.  pro  Mur.  14,  30:  ingeniosus 
poeta  et  auctor  valde  bonus.  Affectierte  Bewunderung  spricht  auch 
Vitruvius  aus;  s.  oben  100,  4.  —  Vgl.  Lucr.  I,  118  ff.  Mommsen  R.  G. 
P.  S.  892—896.   Patin,  etudes  sur  la  po^sie  latine  (Paris  1869)  IL  p.  1—103. 

2.  Sprach-  und  Versfünsteleien,  beziehungsweise  Geschmacksfehler,  z.  B. 
Ann.  113.  586.  452.  Trag.  337.  448.  Sat.  34  f.  Vgl.  L.  Müller  in  Fleckeisen^s 
Jakrbb.  95,  S.  604  f.    Acrostichon  Q.  Ennius  fecit,  Cic.  de  divin.  II,  54,  111. 

3.  Selbstgeföhl.  Vgl.  Grabschrift,  die  Polemik  gegen  Naevius,  Cio.  Brut. 
19,  76.   Ann.  3  f.  15.   Sat  6  f.   Doch  s.  auch  Ann.  551. 

Tkvpfk^  Böm.  Literatiirgeichi eilte.    2.  Aufl.  1  l 


1G2  SechßteB  Jahrhundert  d.  St. 

4.  Aufklärung  (ausser  Euhemerus)  bes.  IVag.  363 — 369  V.:  6go  deum 
genuB  esse  semper  dizi  et  dicam  ca^litnm,  S^d  eos  non  curare  opinor  quid 
agat  humanüm  genus;  N/im  si  cnrent,  bdne  bonis  sit,  m&le  malis,  quod 
nunc  abest.  .  .  S^d  superstitiösi  vates  inpudentesque  ^oli  Aüt  inertes  aüt 
insani  aut  quibus  egestas  ünperat,  Qui  sibi  semit&m  non  sapiunt,  ^Iteri 
monstränt  viam;  Qufbus  divitias  pöllicentur,  ab  eis  drachumam  ipsi  petunt. 

5.  Verdienste  um  die  Sprache  s.  oben  91,  S.  134  ff.  L.  Muller,  metr 
p.  69  f.  üngermann,  Q.  Ennius  poeta  versu  hexametro  in  litteras  latinas 
inducto  quatenus  meritus  sit,  Coblenz  1866.  4.  —  Festus  p.  293  M.:  nuUa 
geniinabatur  littera  in  scribendo.  quam  consuetudinem  Ennius  mutavisae 
fertur,  utpote  Graecus  graeco  more  usus,  quod  illi  aeque  scribentes  ac  le- 
gentes  duplicabant  mutas,  semi[T0Cale8  et  liquidas]. 

G.  Aeltere  (antiquierte)  Sammlungen  der  üeberreste  von  Columna 
(Neapel  1590.  4.)  =  Fr.  Hessel  (Amsterd.  1707.  4.);  der  Annalen  von  P. 
Merula  (Leiden  1695.  4.)  und  K.  S(pangenberg) ,  Lips.  1826.  M.  Hoch,  de 
Ennianorum  Ann.  fragm.  a  P.  Merula  auctis,  Bonn  1839.  Jos.  Lawicki,  de 
fraude  Pauli  Morulae,  Ennianorum  annalium  editoris,  Bonn  1862.  Th.  Bergk, 
Quaestiones  Ennianae,  Marburg  1844.  XVII  pp.  4;  Specimen  novum,  Halle 
1860.  11  pp.  4;  Kritische  Studien  zu  Enn.,  in  Fleckeisens  Jahrb.  83, 
S.  316—334.  496—609.  617—638;  de  Ennianis  reliquiis,  Balle  1863.   4. 

7.  Ennianae  poesis  reliquiae.  Rec.  lo.  Vahlen.  Lips.  1864.  XCIV  u. 
238  pp.  8.  Vgl.  Schneidewin,  Götti.  gel.  Anz.  1866,  S.  666—671.  0.  Rib- 
beck, Rhein.  Mus.  X.  S.  265—292.  Vahlen,  Rhein.  Mus.  XIV.  8.  652—669. 
XVI.  S.  571—685. 

94  104.    M.   Pacuvius,   der   Schwestersohn   des   Ennius,   war 

geboren  um  534  d.  St.  in  Brundisium,  und  betrieb,  von  seinem 
Oheim  nach  Rom  gezogen,  dort  neben  dem  Gewerbe  eines  Ma- 
lers auch  das  Abfassen  von  Bühnenstücken,  insbesondere  von 
Tragödien.  Nachdem  er  noch  J.  614  dort  ein  Stück  aufgeführt 
hatte  kehrte  er  nach  Unteritalien  zurück  und  starb  zu  Tarent 
ums  J.  622.  Wir  kennen  von  ihm  nur  12  Tragödien  und  eine 
praetexta  (Paulus).  Jene  zeigen  Vorliebe  für  Sophokles  neben 
Herabstimmen  des  Tones  zum  Schauspiel,  die  Ueberbleibsel  alle 
nach  Stimmung,  Sprache  und  Versbau  einen  gut  bürgerlichen 
Charakter. 

1.  Cic.  Brut.  64,  229;  AttiuB  isdem  aedilibus  ait  se  et  Pacunum  do- 
cuisse  fahulam,  cum  ille  octoginta,  ipse  triginta  annos  natus  esset.  Attius 
aber  war  684  geboren.  Hieron.  zu  Euseb.  Chr.  a.  1863  ^  600  d.  St.  = 
164  v.  Chr.:  Pacuvius  Brundisinus  tragoediarum ^criptor  darus  habetur, 
Ennii  poetae  ex  filia  (vielmehr  seiner  Schwester,  s.  Plinius)  nepos,  vixitque 
llomae  quoad  picturam  exercuit  ac  fabulas  venditavit.  deinde  Tarentum 
transgressus  prope  nonagenarius  diem  obiit.  Plin.  N.  H.  XXXV,  7:  pro- 
xime  celebrata  est  in  foro  boario,  aede  Herculis,  Paeuvii  poetae  pictura. 
Ennii  sorore  gcuitus  hie  fnit,  clarioremque  eam   artem  Romae  fecit  gloria 


103—105.  Dichter:  Ennius.   Pacuvius.    Statius  Caecilius.        163 

scenae.  Gell.  XIII ,  2,  2:  cum  Pacuyius  grandi  iam  aetate  et  morbo  cor- 
poris diutino  adfectus  Tarentum  ex  urbe  Roma  concessisset  etc.  und 
I,  24,  4;  epigi-amma  Pacuvii  verecundissimnm  et  purissimum  dignumque 
eiuB  elegantissima  gravitate :  .  .   Hie  sunt  poetae  Pä^uvi  Marc!  sita  Ossa  etc. 

2.  Tragödien:  Antiopa,  Armorum  iudicium,  Atalanta,  Chryses,  Dul- 
orestea  (0.  Jahn,  Hermes  H.  S.  229—233),  Hermiona,  Iliona,  Medus,  Niptra, 
PentheuB,  Periboea,  Tencer.  Sammlung  der  üeberreste  bei  Bibbeck,  Trag, 
p.  62—114  vgl.  p.  278—298  nebst  Welcker,  Trag.  S.  1380—1384.  W.  Teuffei, 
Tübinger  Progr.  1858,  S.  7—11.  Der  Paulus  (Bibbeck  p.  236  vgl.  p.  349) 
hatte  wohl  (Bothe,  G.  Böper)  den  Aemilius  Paulus  Macedonicus  (Pydna) 
zum  Gegenstande;  0.  Jahn,  Berichte  d.  sächs.  G.  d.  W.  1856,  S.  301. 

3.  Unsicher  ist  die  Angabe  von  Diomedes  III.  p.  483  P.  =  485,  33  K.: 
satira  .  .  carmen  .  .  quäle  scripserunt  Pacuvius  et  Ennius. 

4.  Gell.  VI  (VII),  14,  6:  exempla  in  latina  lingua  M.  Varro  esse  dicit 
ubertatis  Pacuvium,  gracilitatis  Lucilium,  mediocritatis  Terentium.  Da- 
gegen Fronte  p.  114,  1  (Naber)  nennt  den  P.  mediocris.  Cic.  Brut.  74,258:  illo- 
mm  (des  Laelius  und  jungem  Africanus)  aequales  Caecilium  et  Pacuvium 
male  locutos  videmus;  vgl.  ad  Att.  VII,  3,  10.  Orat.  46,  155.  Lucil.  bei 
Non.  p.  30,  27:  tristis  contorto  aliquo  ex  Pacuviano  exordio.  Hör.  £p.  II, 
1,  66  f.  Quintil.  X,  1,  97.  Pers.  Sat.  I,  77  f.  Martial.  XI,  91.  Tac.  dial. 
20.  Würdigung  dieser  Urteile:  W.  Teuffei  im  Tüb.  Progr.  1868,  S.  11—14. 
Vgl.  0.  Jahn  im  Hermes  IL  S.  234  f. 

5.  H.Stieglitz,  de  Pacuvii Duloreste,  Lips.  1826.  130  pp.  8.  Th.  Ladewig, 
Art.  Pacuvius  in  Pauly's  Beal-Enc.  V.  S.  1042  —  1044.  J.  Wennemer,  de 
Pacuvio,  inprimis  de  eins  Antiopae,  Dulorestis  Ilionaeque  fragmentis,  Mün- 
ster 1863.  50  pp.  8.  Mommsen,  B.  G.  IP.  S.  432  f.  W.  Teuffei,  Caec.  Sta- 
tins, Pacuvius  u.  s.  w.    Tübingen  1868.  4.   S.  5 — 14. 

105.  Statius  Caecilius,  der  ungefähr  gleichaltrige  Zeit-  95 
genösse  des  Pacuvius,  gehorte  durch  Geburt  dem  keltischen 
Stamme  der  Insubrer  an,  kam  nach  Rom  wahrscheinlich  als 
Kriegsgefangener  um  554 — 560,  und  schloss  sich  nach  seiner 
Freilassung  hauptsächlich  an  Ennius  an,  den  er  auch  nur  um 
wenig  überlebte,  ohne  aber  dessen  hohes  Alter  zu  erreichen. 
So  zeitlich  in  der  Mitte  stehend  zwischen  Plautus  und  Terenz, 
scheint  sich  Caecilius  in  den  Komödien  die  er  nach  neuattischen 
Originalen  verfasste  Anfangs  mehr  an  die  Art  des  Plautus  ge- 
halten zu  haben,  während  er  später,  in  Folge  der  hellenisieren- 
den  Richtung  der  Zeit,  immer  regelrechter  wurde,  aber  doch  sich 
mehr  Kraft  bewahrte  als  Terenz  entwickelt.  Die  Üeberreste  zei- 
gen ganz  die  Weise  der  palliata,  aber  weniger  alterthümliche 
Formen  als  bei  Pacuvius. 

1.   Hieronym.  zu  Euseb.  Chr.  a.   1838  =  676  =«  179  v.   Chr.:    Statius 
Caecilius  comoediarmn  scriptor  clarus  habetur,   natione  Insuber  Gallus  et 

11* 


1G4  Sechates  Jahrhundert  d.  St. 

Ennii  primum  contuhernalis.  quidam  Mediolanensem  ferunt.  mortuuB  est 
anno  post  mortem  Ennii  III  (die  Zahl  eingefügt  von  Ritachl,  Sueton.  ed. 
Reitferscheid,  p.  497,  um  den  Caec.  noch  die  Andria  des  Terenz  erleben 
zu  lassen)  et  iuxta  eum  in  laniculo  (so  Bitschi  1.  1.  statt  iuxta  laniculum) 
sepultuB.  Vgl.  K.  P.  Hermann,  de  script.  ill.  p.  3  f.  Gell.  IV,  20,  13:  Cae- 
cilius  ille  comoediarum  poeta  inclutus  servue  fuit  et  propterea  nomen  ha- 
buit  Statius.  sed  postea  versnm  est  quasi  in  cog^nomentum  appellatusque 
.  oöt  Caecilius  Statius.  Caecilius  kurzweg  z.  B.  bei  Cic,  de  or.  II,  10,  40. 
Brut.  74,  258.  de  opt.  gen.  1,  2  ad  Att.  VII,  3,  10;  Statius  allein  niemals, 
auch  nicht  de  or.  II,  64,  257.  —  Starb  Caec.  J.  588  so  mag  er,  da  er  nie 
zu  den  longaevi  gerechnet  wird  (Ritschi,  Parerga  S.  183,  Anm.),  um  535 
geboren  gewesen  sein,  stand  also  554—560  im  kriegstüchtigen  Alter. 

2.  Anfängliche  Misserfolge  als  Dichter,  Prolog  II,  6  fif.  zu  Ter.  Hec. 
Später  Bestellung  zum  Beurteiler  aufzuführender  Stücke,  Suet.  vit.  Ter.  2. 
Ritschi,  Parerga  S.  329  Anm. 

3.  Von  den  39—40  Komödientiteln  die  wir  kennen  (s.  Caecilii  Statii  .  . 
deperd.  fabb.  fragmenta  ed.  L.  Spengel,  München  1829.  62  pp.  4.  und  Rib- 
beck com.  p.  29 — 69)  stimmen  16  mit  menandrischen  überein  (Andria,  An- 
(Irogynos,  Chalcia,  Dardanus,  Ephesius,  Hymnis,  Hypobolimaeus  Rastraria, 
imbrii,  Karine,  Nauclems,  Plocium,  Polumeni,  Progamos,  Synaristosae,  Syn- 
ephebi,  Titthe),  zwei  (Chrysion  und  Epicleros?)  mit  solchen  des  Antipha- 
lies,  einer  (Epistathmos?)  mit  Poseidippos,  und  einer  (Epistula?)  mit  Alexis. 
Die  Titel  selbst  zerfallen  in  drei  Classen  (Ritschi,  Parerga  S.  144  f.):  1)  rein 
lateinische,  wie  Plautus  sie  zu  wählen  pflegte;  2)  Doppeltitel,  lateinische 
und  griechische;  3)  rein  griechische,  in  der  Weise  des  Terenz  und  Tur- 
pilius.  Letztere  bilden  die  weitaus  überwiegende  Zahl.  Hienach  zu  schlies- 
seu,  hätte  „Caecilius,  Anfangs  ganz  auf  plautinischer  Bahn  wandelnd,  sich 
allmählich  emancipiert  und  durch  immer  näheren  Anschluss  an  griechische 
Art  und  Weise  endlich  die  Stufe  herbeigeführt  auf  der  die  Römer  mit 
gänzlicher  Selbstentäusserung  sich  in  eine  fremde  Kunstgattung  hineinzu- 
versetzen und  ein  unvermischt  griechisches  Kunstwerk  mit  Empfänglichkeit 
aufzunehmen  im  Stande  waren"  (Ritschi  a.  a.  0.  S.  145  Anm.). 

4.  Varro  bei  Non.  v.  poscere:  in  argumentis  Caecilius  poscit  palmam; 
bei  Charis.  IL  p.  215  P.  =  241,  28  f.  K.:  m<9r]  Trabea,  Atilius,  Caecilius, 
facile  moverunt.  Vgl.  Hör.  Ep.  II,  1,  59  und  Anderes  bei  W.  Teuffei,  im 
Tübinger  Progr.  von  1858,  S.  3,  A.  16  —  20.  Als  geborener  Insnbrer  und 
spät  nach  Rom  gekommen  konnte  Caecilius  nicht  für  einen  guten  Gewährs- 
mann für  das  was  fein  lateinisch  sei  gelten;  Cic.  ad  Att.  VII,  3,  lo. 

5.  Im  Allgemeinen  s.  Mommsen  l*.  S.  8H3  und  W.  Teuffei,  Caecilius 
Statius  u.  s.  w.    Tübingen  1H58.  4.   S.  1—5. 

9Q  106,    Ein   Palliat^ndichter   aus  der   Zeit  des  Caecilius   war 

auch  Trabea  und  vielleicht  der  ihm  ähnliche  Atilius,  sowie 
der  Urheber  der  Boeotia,  Aquilius,  und  Licinius  Iinbrex. 
Ein  älterer  Zeitgenosse  und  Nebenbuhler  des  Terenz  war  Lus- 
cius  Lavinius, 


105—107.  Dichter;  Caeciliug.    Trabea.    Luscius.    Terentius.       1()5 

1.  Yarro  bei  Cham.  IL  p.  215:  »a^r/  Trabea,  Atilius,  Caeciliua  facile 
moveruni  Vgl.  Biischl,  Parerga  S.  194  f.,  welcher  (S.  196)  demgemass  die 
Blütezeit,  der  beiden  Ersteren  vor  die  des  (erst  erwachsen  nach  Rom  ge- 
kommenen) Caecilius  setzt.  Der  Gentilname  des  Trabea  ist  unbekannt,  der 
Vorname  Q.  ohne  urkundliche  Gewähr.  Zwei  üebcrreste  (aus  Cicero's  Tusc.) 
von  lebhaftem  Tone  und  gebildeter  Sprache  bei  Ribbeck,  com.  p.  26. 

2.  Archaistischer  sind  die  spärlichen  üeberbleibsel  des  Atilius  (p.  27 
bei  Ribbeck),  der  als  Palliatendichter  durch  den  Titel  Misogynos  bezeich- 
net wird.  Da  Cicero  (ad  Att.  XIV,  20,  d)  ihn  poeta  durissimus  nennt, 
ebenso  aber  Porcius  Licinus  bei  Cic.  fin.  I,  2,  5  den  Atilius  welcher  die 
Elektra  des  Sophokles  übersetzte  einen  ferreus  scriptor,  so  sind  wohl  Beide 
identisch.  Weniger  wahrscheinlich  ist  dass  er  derselbe  sei  mit  dem  Schau- 
spieler L.  Hatilius  aus  Präneste  (oben  16,  13)  welcher  (zu  Anfang  des  sieben- 
ten Jahrb.?  Dziatzko,  Rhein.  Mus.  XXT.  S.  1-1,  A.  13)  in  terenzischeu 
Stücken  aufbrat. 

3.  Die  Boeotia,  ihrem  Titel  nach  zur  palliata  gehörig,  für  deren  Ver- 
fasser schon  zu  (vor)  Varro's  Zeit  ein  Aqullius  galt,'  schrieb  Varro  wegen 
ihres  plautinischen  Geistes  dennoch  dem  Plautus  zu  (Gell.  III,  3,  3  f),  wo- 
gegen L.  AttiuB  nachdrücklich  sich  erklärt  hatte  (ib.  9).  Die  Zeitanspie- 
lungen  passen  zu  J.  580  —  600  d.  St.  Ritschi,  Parerga  S.  82  ff.  123  ff.  208. 
Ribbeck,  com.  p.  27—29. 

4.  Licinius  Imbrex,  vetus  comoediarum  scriptor,  in  fabula  quae  Ne- 
aera  (in)scripta  est,  Gell.  XIII,  23,  16.  Vgl.  Paul.  Diac.  p.  109  M.:  Im- 
brex nomen  cuiusdam  comici.  Zur  palliata  weist  ihn  der  Titel  Neaera. 
Ribbeck,  com.  p.  29. 

5.  Luscius  Lavinius  (Lanuyinus),  der  (maJevolus)  vetus  poeta  gegen 
welchen  in  allen  terenzischeu  Prologen,  mit  Ausnahme  derer  zur  Hecyra, 
bitter  polemisiert  wird.  Er  übersetzte  mehrere  Stücke  von  Dichtern  der 
neuen  attischen  Komödie ,  wie  das  ^daii.a  des  Menander  (Ter.  Eun.  prol. 
9)  und  einen  SriaavQos  (ib.  10),  so  wortgetreu  dapss  er  auch  Züge  die  einem 
römischen  Publicum  Anstoss  geben  mussten  mitherübernahm  und  dem  Te- 
renz  die  Abweichungen  von  seinem  griechischen  Original  und  die  Zuthaten 
aus  anderen  griechischen  Stücken  als  Fehler  tadelte.  Ter.  Eun.  prol.  10  ff. 
Vgl.  Andr.  prol.  15  ff.  Haut.  16  ff.  Ad.  1  ff.  Grauert,  Analekten  S.  116  f. 
Ladewig,  über  den  Kanon  des  Volc.  Sed.  S.  12—17.    Ribbeck,  com.  p.  71  f. 

6.  Ueber  Plautius  s.  oben  94,  5. 

107,  P.  Terentius  (Afer)  war  zu  Karthago  J.  569  d.  St.  97 
geboren,  gelangte  aber  frühe  nach  Rom,  wo  er  Sklave  eines 
(Senators)  Terentius  (Lueanus)  war,  der  ihm  die  Erziehung  eines 
Freien  geben  liess  und  bald  ihm  die  Freiheit  schenkte.  Viel- 
leicht als  Africaner  kam  er  mit  dem  jungem  Africanus  in  ein 
niUieres  Verhältniss,  wodurch  das  Gerede  hervorgerufen  wurde 
dass  jener  der  wahre  Verfasser  seiner  Stücke  sei.  Nachdem 
er  sechs  Stücke  zur  Aufführung  gebracht  begab  sich  Terenz 
Studien  halber  nach  Griechenland.    Auf  der  Rückreise  von  dort 


166  Sechstes  Jahrhundert  d.  St. 

starb  er  im  J.  595  ='  159  v.  Chr.,  erst  26  Jahre  alt,  eine  Tochter 
hinterlassend. 

r 

1.  Quelle  der  durch  Donatus  (vor  seinem  Commentar  zu  Terenz)  uns 
erhaltene  Auszug  aus  Suetons  Werk  de  poetis,  vorzugsweise  eine  Zusam- 
menstellung der  (manchfach  widerstreitenden)  Angaben  der  Grammatiker. 
Vgl.  N.  Fritsch,  Suetonii  vita  Ter.  emend.  et  illustr.  Bonn  1852.  K.  L.  Roth, 
Rhein.  Mus.  XII.  S.  174—188.  H.  Borgens,  Philologus  XL  S.  787  f.;  besonders 
aber  Kitschrs  Bearbeitung  dieser  vita  Terentii  in  Reüferschoids  Sueton. 
reliqq.  (Lips.  1860)  p.  26—35  und  p.  479—538.  Dazu  Th.  Bergk,  Philologus 
XVI.  S.  627—636.  H.  Sauppe,  Götti.  Gel.  Anz.  1870,  Nachr.  7,  S.  111—122. 

2.  Was  sich  sonst  noch  Derartiges  findet,  wie  in  Hieronymus*  Bear- 
beitung der  Chronik  des  Eusebius  (zu  J.  1859  =*  596  d.  St.) ,  in  der  von 
G.  V.  Murr  (Nürnberg  1786  ff.)  aus  einer  Nürnberger,  von  A.  Mai  (Modiol. 
1815)  aus  einer  Mailänder  Hdschr.  herausgegebenen  (und  daher  vita  Am- 
brosiana benannten)  vita,  geht  auf  dieselbe  Quelle  zurück,  theilweise  mit 
willkürlichen  Ausmalungen.  Vgl.  Ritschi  1.  1.  p.  534  ff.  Selbständigen  Werth 
hat  nur  der  ganz  kurze  Zusatz  des  Donatus  zu  jenem  Auszug. 

3.  Nach  llom  kam  Terenz  wohl  durch  einen  Sklavenhändler,  der  ihn 
in  Afrika  kaufte  oder  raubte.  Als  Kriegsgefangener  jedenfalls  nicht  un- 
mittelbar, da  er  nach  dem  £nde  des  zweiten  punischen  Kriegs  (563)  ge- 
boren wurde  und  beim  Beginn  des  dritten  (605)  schon  todt  war;  s.  Fcne- 
stülla  bei  Sueton.  Bergk  a.  a.  0.  S.  628:  „es  ist  gar  nicht  unwahrscheinlich 
dass  T.  bei  einem  Streifzuge  der  Numidier  in  das  karthagische  Gebiet  in 
Kriegsgefangenschaft  gerieth  und  so  entweder  auf  dem  Wege  des  Handels 
oder  als  Geschenk  des  Masinissa  oder  eines  seiner  politischen  Agenten  in 
das  Haus  eines  röm.  Senators  kam."  Anthol.  lat  734,  2  R.:  Romanis  du- 
cibus  bellica  praeda  fui. 

4.  Den  Vornamen  Publius  kann  T.  entweder  von  seinem  Freilasser 
haben  oder  von  einem  andern  Gönner,  etwa  dem  jungem  Africanus.  Vgl. 
Cic.  ad  Farn.  XIII,  35,  1.  ad  Att.  IV,  15,  1. 

5.  Cum  multis  nobilibus  famüiariter  vixit,  sed  maxime  cum  Scipione 
Africano  et  G.  Laelio.  quibus  etiam  corporis  gratia  conciliatus  existima- 
tur.  .  .  non  obscnra  fama  est  adiutum  Terentinm  in  scriptis  a  Laelio  et 
Scipione,  eamque  ipse  auxit  numquam  nisi  leviter  (vgl.  Prol.  zu  Haut,  und 
Ad.)  refutare  conatus  (Suet.  1.  1.).  Letzteres  wohl  weil  das  Gerede  für 
keinen  der  beiden  Theile  beleidigend  war.  Erörterungen  darüber  bei  Suet. 
1.  1.  Vgl.  Cic.  ad  Att.  VII,  3,  10:  Terentium,  cuius  fabellae  propter  ele- 
gantiam  sermonis  putabantur  a  C.  Laelio  scribi.  Quintil.  I.  0.  X,  1,  99: 
licet  Terentii  scripta  ad  Scipionem  Africanum  referantur.  Vagellius  in 
Actione  bei  Donatus.  Vielleicht  dass  T.  seine  Arbeiten  vor  ihrer  Veröffent- 
lichung im  Kreise  seiner  Freui^de  vorzulesen  pflegte  und  dabei  deren  Be- 
merkungen und  Mittheilungen  nach  Verdienst  berücksichtigte.  Für  uns 
hat  das  Gerede  jedenfalls  den  Werth  einer  Bürgschaft  für  den  rein  und 
specifisch  römischen  Charakter  von  T.*s  Sprache. 

6.  Post  editas  comoedias  nondum  quintum  atque  vicesimum  (die  Zahl 
XXXVI  beruht   nur  auf  der  depravata  scriptura  interpolatorum  librorum, 


107  f.  Dichter:  Terentius  (Leben).  107 

Kitschi  1.  1.  p.  515)  egressuB  (Hitachi  ingreasus)  anniim,  causa  vitandac 
opinionis  qua  videbatur  aliena  pro  suis  edere  seu  (studio  fügt  Bitschi  ein) 
percipiendi  Graecorum  instituta  moreaque,  quo»  non  perindo  exprimoret 
in  scriptis,  egressus  (6.  Becker:  in  Graeciam  profectus)  est  neque  amplius 
rcdiit.  .  .  Q.  Cosconius  redeuntem  e  Graecia  perisse  in  mari  dicit  cum  (die 
'dann  folgende  Zahl  GVin  ist  nur  eine  eine  Wiederholung  von  CVM,  Eitschl 
p.  519)  fabttlis  conversis  a  Menandro;  ceteri  mortuum  esse  in  Arcadia  (den 
Zusatz  Stymphali  streicht  Bitschi  p.  520)  sive  Leucadiae  tradunt  (Flock- 
eisen, krii  Miscellen,  Dresden  1864,  S.  59—61:  perisse  in  mari  in  sinu 
Leucadiae  dicit),  Cn.  Cornelio  Dolabella  M.  Fulvio  Nobiliore  coss.  (J.  595), 
morbo  implicatum  ex  dolore  ac  taedio  amissarum  sarcinarum,  quas  nave 
praemiserat,  ac  simul  fabularum  quas  novas  fecerat.  Suet.  1.  1.  YgLLucan. 
V,  651  f.:  oraeque  malignes  Ambraciae  portus,  wozu  Schol.:  maUgnos  dixit, 
sive  quia  saxosi  sunt/sive  quia  Terentius  illic  dicitur  periisse.  Auson.  epist. 
18,  16:  Arcadiae  medio  qui  iacet  in  gremio. 

7.  Da  Hecyra  und  Adelphi  J.  594  aufgeführt  sind  und  J.  595  Ter. 
starb,  so  kann  er  nicht  viel  länger  als  ein  Jahr  von  Bom  weg  gewesen 
sein.  War  er  bei  seinem  Tode  26  J.  alt,  so  war  er  569  geboren,  also  um 
dieselbe  Zeit  wie  der  jüngere  Africanus.  Fenestella's  Behauptung  (für  apo- 
logetische Zwecke),  T.  sei  älter  gewesen  als  Scipio  und  Laelius,  scheint 
allein  zu  stehen;  Bitschi  p.  513  f. 

8.  Fnisse  dicitur  mediocri  statura,  gracili  corpore,  colore  fusco  (Suet. 
1.  1.  vgl.  Ps.  Verg.  Moret.  32  f.:  Afra  genus,  tota  patriam  testante  figura, 
torta  comam  labroque  tumens  et  fusca  colore).  Sein  Bild  auf  Contorniaten 
in  Gotha,  sowie  in  einer  vaticanischen  Hdschr.  seiner  Stücke  aus  9  saoc; 
eine  Büste  des  T.  mit  einer  komischen  Maske  auf  dem  rechten  Arme  seit 
1839  im  capitolinischen  Museum.  Visconti  Iconogr.  rom.  I  p.  317  ft'.  O. 
Müller's  Archäologie  von  Welcker  421,  3. 

9.  Beliquit  filiam,  quae  post  equiti  rom.  nupsit,  item  hortulos  XX 
iugerum  via  Appia  ad  Martis  (vgl.  Pauly^s  Beal-Enc.  I,  2.  S.  158  Anm.), 
Sueton. 

108.  Die  sechs  Komödien  welche  Terenz  verfasst  und  zu  98 
Rom  auf  die  Bühne  gebracht  hat  sind  alle  erhalten^  und  in  zahl> 
reichen  Hdss.,  welche  in  zwei  Classen  zerfallen,  den  Bembinus 
und  die  auf  die  Recension  des  Calliopius  zurückgehenden.  Auch 
Commentatoren  fanden  seine  Stücke  in  der  Kaiserzeit;  wir  be- 
sitzen nur  noch  den  Commentar  des  Donatus  und  des  Eugra- 
phius.  Ausserdem  sind  zu  den  Stücken  Didaskalien  auf  uns  ge- 
kommen, aber  in  schwieriger  Fassung,  sowie  metrische  Inhalts- 
angaben. 

1.  Scripsit  comoedias  sex,  ex  quibus  primam  Audriam  etc.  Suet.  1.  1. 
vgl.  Auson.  epist.  18,  15  von  der  Zahl  Sechs:  protulit  in  scenam  quot  dra- 
mata  fabellarum  etc. 

2.  lieber  die  Terenzhandschriften  vgl.  Ritschi,   de  emendatione  fabu- 


168  Sechstes  Jakrhundert  d.  St. 

larum  Torentianaruin,  yör  dem  Breslauer  Index  schol.  für  1838  f.  und  jetzt  die 
Ausgabe  von  F.  Ümpfenbach  p.  I— XXXVII.  Hiemaoli  stehen  der  Haapt- 
quelle,  dem  Bembinus  (A)  saec.  Y,  alle  übrigen  gegenüber,  welche  sämmt- 
lieh  auf  die  Recension  eines  unbekannten  Grammatikers  Calliopius  zurück- 
gehen, nur  dass  Calliopii  recensio  in  Victoriano  (D)  et  Decnrtato  (G, 
saec.  XI— XII),  qnibus,  praeter  partes  nonnullas  Ambrosiani  (F),  iragmen- 
tnm  Vindobonense  (V,  saec.  X^XI),  fragmenta  Colonensia  (W.  Schmitz, 
cölnische  Terentiusfragmente  —  zu  Andr.  u.  Ad.  —  in  Fleckeisene  Jahrbb. 
97,  S.  652—655),  Laurentianus  XXXYIII,  27  (saec.  XII)  addendus  est,  .  . 
reficta  est  ex  commento  Aelii  Donati  (Ümpfenbach  p.  I).  Willkürlich 
umgestaltet  ist  die  Recension  des  Calliopius  wie  des  Donatus  z.  B.  im 
Riccardianus  (E)  saec.  XI.  Der  älteste  und  vollständigste  Vertreter  der 
-Recension  des  Calliopius  ist  Paris.  7859  saec.  X  (P).  Die  Unterschrift  des 
Calliopius  (feliciter  Calliopio)  tragen  der  Vaticanns  3868  (C)  und  sein 
Doppelgänger,  der  Basileensis  (B),  sowie  Ambrosianus  (F),  Paris.  (P),  alle 
saec.  X.  Vgl.  0.  Jahn,  die  Subscriptionen  u.  s.  w.,  Berichte  der  säch's.  G. 
d.  W.  1851 ,  S.  362—364.  Ueber  die  zwei  ältesten  Pariser  Hdss.  s.  Ritschi, 
Rhein.  Mus.  VIII.  S.  289—292.  ümpfenbach  p.  XXIV  ff.  —  Geppert,  zur  Gesch. 
der  terentianischen  Kritik,  Jalms  Jahrb.  Suppl.  XVIII.  S.  28  —  87.  J.  Brix, 
de  Ter.  libris  mss.  a  Bentleio  adhibitis,  Brieg  1852.  4;  de  Ter.  fabulis 
post  Bentleium  emendandis,  Liegnitz  1857.    4. 

3.  Commentatoren:  Valerius  Probus,  Aemilius  Asper,  Helenius  Acro, 
AeliuB  Donatus,  Euanthius;  zweifelhaft  Aruntius  Celsus;  s.  Suringar,  bist, 
crit.  schoL  lat.  I.  p.  77  ff.  Ritschl,  Parerga  p.  361  ff.  Aelius  Donatus' Com- 
mentar  zu  Terenz  ist  werthvoll  auch  durch  Vergleichung  der  griech.  Ori- 
ginale, fehlt  aber  zum  Hautontimorumenos.  Dagegen  der  Commentar  des 
Eugraphius  (nicht  später  als  saec.  X)  hat  keinen  selbständigen  Werth.  Vgl. 
ümpfenbachs  Ausg.  p.  XLIII — XL  VI.  Die  Scholien  des  cod.  Bembinus  s. 
bei  F.  ümpfenbach,  Hermes  II.  S.  337 — 402,  und  dazu  W.  Studemund,  über 
die  ed.  princ.  der  Terenzscholien  des  cod.  Bemb.,  in  Fleckeisens  Jahrbb. 
97,  S.  546—571.     Vgl.  ümpfenbachs  Ausg.  p.  XXXVIU  ff. 

4.  Diejenige  Redaction  der  Didaskalien  welche  jetzt  die  Vulgata  der- 
selben bildet  stammt  aus  den  Emendationen  des  Ant.  Goveanus  (Venedig 
1567)  her.  Ritschl,  Parerga  S.  325,  A.  In  ihr  sind  verschiedene  Redactionen, 
die  des  Bemb.  und  die  calliopische,  vermischt.  Beiden  lag  eine  ursprüng- 
lich vollständigere  Sammlung  von  Nachrichten  (Didaskalien)  zu  Grunde, 
welche  aus  Bühnenexemplaren  der  betr.  Stücke  von  oder  nach  den  Gram- 
matikern des  7.  Jahrh.  d.  St.  zusammengestellt  sein  mochte.  Daraus  hat 
der  Bemb.  eine  lückenhafte  und  verwirrte,  aber  nicht  durch  systematische 
Redaction  oder  willkürliche  Aenderungen  entstellte  Auswahl  erhalten,  die 
calliopische  Recension  eine  überlegte,  je  auf  eine  einzige  (die  erste)  Auf- 
führung sich  erstreckende,  aber  theilweise  mit  Willkür  gemachte.  Dziatzko 
Rhein.  Mus.  XXI.  S.  87  ff.  Vgl.  überhaupt  Ritechl,  Parerga  S.  263  ff.  J. 
A.  Becker  im  Mainzer  Progr.  1852.  4.  Geppert  in  Jahns  Jahrbb.  Suppl. 
XVIII.  S.  550 — 582.  W.  Wilmanns,  de  didascaliis  Terentianis,  Berlin  1864. 
66  pp.  Alfred  Xohl,  didascaliae  Terentianae  explicatae,  Halle  1865.  65  pp« 
C.  Dziatzko,  Rhein.  Mus.  XX.  S.  570—598.  XXI.  S.  64—92. 


108.  Dichter:  Tereutius  (Didaskalieu  u.  s.  w.).  169 

5.  Die  Aufzäbltiug  in  §.  109  folgt  der  herkömmlichen  Ordnung,  welche 
sich  an  den  Bemb.  anschliesst,  der  damit  die  Reihenfolge  der  AbfasBiiu^ 
getroffen  zu  haben  meint.  Die^e  erwähnt  er  allein  regelmässig,  durch 
facta  I  (prima  oder  primo  loco),  II  u.  s.  w.  (Ritschi  Parerga  S.  263  u.  S. 
264,  A.),  während  die  andern  Udss.  die  Numer  nur  dreimal  geben,  aber 
übereinstimmend  mit  Bemb.  Bei  Donat  ist  gleichfalls  Andr.  I,  Phorm.  IV, 
Hec.  Y;  aber  Eon.  ist  bei  ihm  III,  und  Ad.  ist  11.  Die  Hec.  ist  inconse- 
qaent  numeriert,  da  sie  nach  der  Zeit  ihrer  Abfassung  II,  nach  der  ihrer 
vollständigen  Aufführung  VI  sein  müsst«;  vgl.  Ritschi  in  Reifirerscheids 
Saeton,  p.  601.  Zu  Lebzeiten  des  Terenz  erfolgten  nach  den  Didaskalicn 
nachstehende  Aufführungen: 

J.  688.  Andria. 

589.  Hecyra  1  (erstmals) . 
59 1.*  Hautontimorumenos. 
593.  Eunuchus  (lud.  meg.  im  April). 

Phormio  (lud.  rom.  im  September). 
591.  Hecyra  2  (zweiter  Versuch)  und  Adelphi  (bei  den  Leicheu- 
spielen  des  Aemilius  Paulus). 
Hecyra  3  (vollständige  Aufführung,  ludis  romauis). 
Dziatzko,  Rhein.  Mus.  XXL  S.  84—87.    üeber  die  Möglichkeit  früherer  Ab- 
fassung der  Adelphi  s.  unten  §.  109,  6. 

6.  A.  L.  R.  Liebig,  de  prologis  Terentianis  et  Plantinis,  Görlitz  1859. 
50  pp.  4.  C.  Diiiatzko,  de  prologis  Plaut,  et  Ter.  quaestiones  selectae,  Bonn 
1863.  38  pp.  8.  vgl  W.  Wagner  in  Fleckeisens  Jahrb.  91,  S.  279—293. 

7.  Ausgaben  sämmtlicher  Stücke  des  Terenz.  Editio  princeps:  Argento- 
rati  apud  Mentelin.,  1470  fol.  Eine  Ausg.  s.  1.  et  a.,  nach  Salomonsen,  in 
Jahn's  Archiv  IV.  1836.  S.  325  —  330,  in  Italien  um  1470  —  1475  gedruckt. 
Dann  Venet.  1476  mit  Donat;  c.  notis  Mureti,  Venet.  1555.  8.;  emend.  a 
Faerno,  Florent.  1565;  c.  Donati  et  Eugraphii  comm.  ed.  Lindenbrogius, 
Paris.  1602.  Franoof.  1623;  c.  annot.  Boecleri,  accedunt  comm.  Guyeti, 
Argentorati  1657;  Latin  et  fran9.  par  Mad.  Dacier,  Paris  1688.  12.  HI  Voll.; 
ex  reo.  et  c.  not.  R.  Bentleji,  Cantabr.  et  Lond.  1726,  zuletzt  herausg. 
von  YoUbehr,  Kiel  1846;  comm.  perp.  illustr.,  acced.  Donatus,  Eugraphius, 
CalphumiuB  etc.,  cur.  Westerhovius ,  Hag.  Comit.  1726.  4.  II  Voll.,  wieder 
herausg.  von  Stallbaum,  Lips.  1830;  ed.  Zeune,  Lips.  1774.  2  Voll. ;  ed.  Botho 
in  Poet.  scen.  T.  IV.,  Mannhem.  1837;  ed.  Perlet,  Lips.  1821;  ed.  Reinhardt, 
Lips.  1827;  iUustr.  Lemaire,  Paris  1827.  III  Voll.;  ed.  Elberling,  Havniae 
1834;  reo.  A.  Fleckeisen,  Lips.  (BibL  Teubner.)  1857.  With  notes  crit.  and 
exegetical,  an  introduction  etc.  by  W.  Wagner,  Cambridge  1869.  XI  u. 
489  pp.  Edidit  et  apparatu  critico  instruxit  Fr.  Umpfenbach,  Berlin  1870. 
LXXXTX  u.  510  pp. 

8.  Aelteste  Uebersetzung:  Terentius  der  hochgelahrte  Poet.  Zu  tütsch 
transferirt  nach  dem  Text  und  nach  der  Gloss.  Mit  vielen  Holzschnitten. 
Strassburg  1499  foL  Neuere:  von  Th.  Benfey,  Stuttgart  1837  ff.  9  Bdchn, 
umgearbeitet  (Andr.,  Eun.  und  Ad.)  Stuttgart  1854;  von  Fr.  Jacob,  Berlin 
1845;  J.  Herbst,  Stuttg.  (Hoffmann)  1854  ff.  J.  J.  C.  Donner,  Leipzig  und 
Heidelb.  1864,  2  Bde. 


170  SechBtee  Jahrhundert  d.  St. 

9.  Allgemeine  Erliluterungflschriftcn:  Bohnkenü  dictata  cd.  S^hopen, 
Bonn.  1825.  Gronovii  notae  in  Terent.  ed.  Frotecher,  Lips.  1833.  G.  Her- 
mann, de  BenÜejo  eiusque  edit,  Terent.,  in  Opusc.  II.  F.  V.  Fritzsche, 
quaest.  Terent.  spec.  I.,  Bostoch.  1849.  4.;  Lectionee  Terentianae  (I.  Do 
Ter.  codice  Rostochicnsi.  II.  de  graecis  Ter.  fontibus),  Bostoch.  1860.  26  pp.  4. 
1862.  8  pp.  4.  Jos.  ErauBB,  Quaestiones  Terentianae  criticae,  Bonn  1850. 
48  pp.  A.  Klette,  exercitationes  Terentianae,  Bonn  1855.  23  pp.  Rein- 
hardt, über  eine  neue  Bearbeitung  des  Ter.,  Hildburghausen  1855.  19  S.  4. 
J.  Brix,  de  Ter.  fabulis  post  B.  Bentleium  emendandis,  Liegnitz  1857. 
18  pp.  4.  Th.  Ladewig,  Beiträge  zur  Kritik  des  Ter.,  Neustrelitz  1858. 
26  S.  4.    £  a  Bruner,  Quaestiones  terentianae,  Helsingfors  1868.  92  pp. 

»0  109.   Diese  sechs  Stücke  sind  folgende: 

1)  Andria,  aufgeführt  J.  588  an  den  megalensischen  Spie- 
len, eine  Bearbeitung  der  *Av8gCa  des  Menander,  mit  Zuthaten 
aus  der  TlEQvv^La  desselben  Dichters.  Die  Schlussscene  ist  in 
doppelter  Fassung  erhalten. 

1.  Im  Bembinus  ist  die  Didaskalie,  zusammen  mit  dem  Anfang  des 
Stücks,  verloren;  Donats  titulus  aber  berichtet  über  die  erste  Aufführung 
(und  eine  zweite,  zwischen  J.  611 — 620,  durch  Q.  Minucius  und  Valerius, 
Dziatzko,  Bhein.  Mus.  XXI.  S.  64  f.).  Vgl.  Suet.  vit.  Ter.  2:  primam  An- 
driam  cum  aedilibus  daret,  iussus  ante  Caecilio  recitare  ad  cenantem  cum 
venissot,  dicitur  initium  quidem  fabulae,  quod  erat  contemptiore  vestitn, 
subsellio  iuxta  lectulum  residens  legisse,  post  paucos  vero  versus  invitatus 
ut  accumberet  cenasse  una,  dein  cetera  percucurrisse  non  sine  magna  Cac- 
cilii  admiratione. 

2.  Dass  der  Prolog  für  die  erste  Aufführung  sei  bejaht  G.  Dziatzko, 
Bhein.  Mus.  XX.  S.  579  f.  XXI.  S.  64  f.,  gegen  W.  Wagner  im  Bonner 
über  miscell.  1864,  p.  72—82. 

.S.  Verhältnißs  zum  Original:  Grauert,  Analekten  S.  173 — 197.  K.  F. 
Hermann,  Ter.  Andr.  quam  fideliter  ad  Menandrum  expreesa  sit,  Marburg 
1838.  4.  W.  Ihne,  Quaest.  p.  5 — 15.  Th.  Benfey  vor  sr.  Uebersetzung. 
W.  Teuffei,  Stud.  u.  Charakt.  (1871)  S.  280  f. 

4.  Schlussscene:  Döderlein,  lect.  var.  trias,  g.  E.  Grauert,  Analekten 
S.  197 — 204.  Bitschi,  Parerga  p.  583 — 606.  Nach  Letzterem  stammen  beide 
Fassungen  aus  dem  Alterthum,  aber  von  verschiedenen  Verfassern;  die 
kürzere  ist  wohl  die  ältere  und  von  Terenz  selbst,  die  ausführlichere  für 
eine  Aufführung  nicht  lange  nach  Ter.'s  Tod. 

5.  Ausgaben:  mit  ausführl.  Comm.  von  Perlet,  Bonneburg  1805;  cum 
notis  ed.  Fikenscher,  Lips.  1809;  ex  rec.  Fr.  Bitteri,  Berl.  1833;  mit  krit. 
und  exeget;  Anm.  von  B.  Klotz,  Leipzig  1865.  XII  u.  220  S.  8.;  rec.  et 
illustr.  L.  Quicherat,  Paris  1866.  69  pp.  12. 

6.  Boos,  über  den  Charakter  des  Sosia  in  der  Andria,  in:  Versuche 
über  Classiker,  Giessen  1790,  S.  39—93.  Drakenborch,  dictata  ad  Ter. 
com.,  in  Grauerts  Analekten  p.  1—56.   A.  B.  Wolfi'  in  Ter.  A.,  Guben  1811. 


109.  Dichter:  Terentiua  (Andria,  Eunuchua,  Haut.).  171 

J.  Wollenberg,   Collation  der  A.  aus  einem  cod.  der  Bibliothek  zu  Tours, 
in  Mützells  Ztschr.  XIV.  S.  711—718. 

7.  Vogel,  Ter.  Andr.  in  graecum  conversa,  P.  I.  Treptow  1863.  4. 
Üeberaetzt  von  F...x  (Felix  Mendelsohn-Bartholdy),  mit  Einl.  u.  Anm. 
herausgeg.  v.  K.  W.  L.  Heyse,  Berlin  1826.  4. 

2)  Eunuchus,  kunstreich  zusammengesetzt  aus  Menanders 
Evvov%oq  und  Bestandtheilen  von  dessen  Koka^,  Die  Manch- 
faltigkeit  und  Lebendigkeit  seiner  Handlung  versehaifte  dem 
Stücke  schon   bei  Lebzeiten  des  Dichters  entschiedenen  Erfolg. 

1.  Verhältniss  zum  Original:  Grauert,  Analekten  S.  147  —  173.  W. 
Ihne,  Quaest.  p.  15—25.  W.  Teuffcl,  Stud.  u.  Char.  S.  281  —  284.  Nach 
Pers.  Sat.  V,  161  ff.  hiess  Thais  im  Evv.  Chrysis,  Phadria  aber  Chärestra- 
tuB,  Parmeno  dort  Davus,  und  Gnatho  hiess  im  KoX.  Struthias. 

2.  Eunuchus  bis  die  (deinceps,  Eitschl)  acta  est  meruitque  pretiuni 
quantum  nuUa  antea  cuiusquam  comoedla,  i.  e.  (vgl.  Ritschi  Suet.  p.  503  f.) 
octo  milia  nummum,  Suet.  p.  29  R.  Vgl.  Auctar.  Donat.  ib.  p.  35  u.  Do- 
naths praef.  zum  Eun.  Ritschi,  Parerga  S.  330—333.  Dziatzko,  Rhein. 
Mus.  XXL  9.  68,  A.  6. 

3.  Die  Gonsuln  des  Aufführungsjahrs  fehlen  bei  Donat;  die  Didaskaiie 
(der  titulus)  der  calliop.  Recension  gibt  M.  Valerius  (593),  C.  Mummius  (608), 
Fannius  (593);  die  aed.  cur.  bei  Donat  und  in  der  calliop.  Rec.  L.  Postu- 
mius  AJbinus  (Cos.  600,  also  Aedil  um  594),  L.  Cornelius  Morula  (wohl  der 
Vater  des  gleichnamigen  Cos.  von  667)  und  Aufführung  ludis  megalensibus ; 
im  Bemb.  aber  M.  Junius  (Brutus^  der  Rechtsgelehrte,  ein  vir  praetorius?) 
und  L.  Julius  (Caesar,  Vater  des  gleichnamigen  Cos.  von  664?),  ludis  ro- 
manis.  Daher  wohl  zwei  Aufführungen,  J.  593  (Coss.  M.  Valerius  Messala, 
C.  Fannius  Strabo;  Aedilen  Albinus  und  Merula)  und  wieder  608  (Coss.  Cn. 
Cornelius  Lentnlus,  L.  Mummius  Achaicus ;  Aedilen  Junius  und  Julius).  Vgl. 
Dziatzko,  Rhein.  Mus.  XXI.  S.  66—68. 

'4.  F.  Seybold,  über  den  Eunuchen  des  Ter.,  Pirmaaenz  1786.  Roos, 
super  Ter.  quibusdam  locis,  in  seinen  Versuchen  über  Classiker,  p.  131 — 150. 
Böttiger,  spec.  novae  ed.  Ter.,  in  seinen  Opuscula  p.  245 — 284. 

5.   Üebersetzt  von  Gravenhorst,  Hamburg  1852. 

3)  Hautontimorumenos,  der  Selbstquäler,  nach  dem 
gleichnamigen  Stücke  des  Menander,  ohne  Zuziehung  eines  zwei- 
ten; ein  Intrikenstück,  mit  etwas  abenteuerlicher  Handlung,  magerer 
Charakteristik  und  trockenem  Tone. 

1.  Avtbv  (vgl.  Dziatzko,  Rhein.  Mus.  XX.  S.  571,  A.  1)  tL(u»^oviisvog  => 
se  crucians  (1, 1, 29),  se  ezercens  (1, 1, 94) ;  ipse  se  poeniens  (Cic.  Tusc.  III,  27, 65). 

2.  Ex  integra  graeca  integra  comoedia,  prol.  4;  ib.  36  stataria  genannt. 

3.  Consuln  des  Aufführungsjahrs  im  Bemb.:  Cn.  Cornelius,  Marcus 
(vielmehr  Manius)  luvenius  (d.  h.  luvencius,  luventius),  in  den  andern  Hdss. 
M.  lunio,  T.  Sempronio,  wohl  Hinweisung  auf  J.  591,  wo  Ti.  Sempronius 


172  Sechstes  Jahrhundert  d.  St. 

Gracchus  II  uud  M\  luventius  Thalna  Cousuln  waren,  und  auf  Wieder- 
holung im  Consulat  eines  Cornelius  (Cn.  Cornelius  Lentulus  J.  608?  P.  Cor- 
nelius Scipio  Nasica  Serapio  J.  616?).  Bei  der  ersten  Aufführung  (ludis 
uiegalensibus)  wohl  aed.  cur.  L.  Cornelius  Lentulus  (ohne  Zweifel  der  Gre- 
sandte  von  J.  592  bei  Polyb.  XXXI,  23  und  Cos.  698)  und  L.  Valerius  Flac- 
cus  (Cos.  602?).  Vgl.  Dziatzko,  Rhein.  Mus.  XX.  S.  574  f.  XXL  S.  68  f. 
70,.  A.  11. 

4.  Lessing,  Hamburgische  Dramaturgie  Stück  87  f.  Zimmermann, 
über  den  H.  des  T.,  Hamburg  1829. 

4)  Phormio,  betitelt  nach  dem  Parasiten  des  Stücks,  wäh- 
rend das  Original  des  Apollodoros  aus  Karystos  'Ejccdixccionevog 
hiess.  Die  Handlung  ist  spannend,  die  Uharakterzeichnimg 
manchfaltig  und  fein,  die  Ausführung  lebendig  und  heiter. 

1.  lieber  Titel  und  Original  s.  prol.  25 — 28  nebst  Donatus,  nach  wel- 
chem Apollodors  Stück  vielmehr  'EmdtHafof&sVr;  betitelt  war.  Vgl.  Meineke, 
hißt.  crit.  com.  gr.  p.  464 — 466. 

2.  Im  Bemb.  lautet  der  titulus:  acta  ludis  megalensibus  Q.  Caspioue 
Gn.  SeryUio  cos.  Graeca  ApoUodoru  Epidicazomenos.  Facta  est  IUI.  Im 
Vaticanus  sind  die  Coss.  G.  Fannius,  M.  Valerius  angegeben,  wie  bei  Donat 
i.praef.)  M.  Yalerio  et  Cn.  (vielmehr  C.)  Fannio  coss.;  auch  haben  die  Hdss. 
der  calliop.  Rec.  und  Donat  ludis  romanis.  Letztere  berichten  die  erste 
AuiTührung,  J.  593,  unter  den  Aedilen  Albinus  und  Merula;  der  Bemb.  eine 
spätere  Wiederaufführung,  etwa  J.  613  (wo  Coss.  Cn.  Servilius  Caepio  und 
Q.  Pompejus,  wahrscheinlicher  als  614,  wo  Coss.  C.  LaeUus  und  Q.  Servilius 
Caepio).    Dziatzko,  Rhein.vMus.  XX.  S.  675.  XXI.  S.  70—72. 

3.  Ter.  Phormio  ed.  C.  G.  Elberling,  Kopenh.  1861. 

4.  J.  Wollenberg,  Collation  des  Ph.  aus  einer  Hds.  des  13.  saec.  in 
Tours,  in  Mützells  Ztschr.  XIV.  S.  888  —  893.  C.  H.  Humbert,  Lc  Phormion 
de  T^rence  et  les  Fourberies  de  Scapin  de  Meliere,  Elberfeld  (Progr. 
der  Realsch.)  1859.  4. 

5)  Hecyra^  die  Schwiegermutter,  ein  Stück  von  eigenthüm- 
licher  Charakterzeithnung  und  fast  ohne  Handlung,  daher  nicht 
na<^h  dem  Greschmacke  des  römischen  Publicums  und  lai^e  mit 
Schwierigkeiten  der  Aufführung  kämpfend. 

1.  Die  Handlung  verläuft  nur  im  Gemüte,  und  die  sohliessliche  Lösimg 
hebt  nur  gemütliche  Schwierigkeiten.  Mit  der  Charakterzeichnung  scheint 
es  der  griechische  Dichter  auf  Abweichung  von  dem  Hergebrachten  ab- 
gesehen  zu  haben.    Die  Exposition  erfolgt  durch  nQoatana  ngotariucc. 

2.  Da  für  *E%vQa  das  Lateinische  ein  eigenes  Wort  (socrus)  hat,  so  ist 
fast  gewiss  dass  das  Stück  (wie  die  Adelphi)  nach  einem  ^Eytvifa  betitelten 
griechischen  gearbeitet  ist.  Ein  solches  ist  zwar  nicht  bekannt,  doch  nicht 
zu  bezweifeln  die  Angabe  des  Donat:  fabula  Apollodori  (Carystii)  dicitur 


109.  Dichter:  Terentms  (Phormio,  Hec,  Adelphi).  173 

esse  graeca^  zumal  da  derselbe  sie  im  Commentar  fünfmal,  unter  Anführung 
bestimmter  Worte  des  Apollodor,  wiederholt  (vgl.  Meineke  fragm.  com.  gr. 
p.  1104  f.  ed.  min.)-  Wenn  daher  der  Bemb.  sagt:  graeca  Menandru,  so 
ist  diese  vielleicht  veranlasst  durch  Apoll.  Sidon.  £p.  IV,  12,  welcher  Me- 
nanders  'EnitQsnovrsg  als  eine  fabula  similis  argumenti  (wie  die  Hec.)  be- 
zeichnet, wob^  aber  sehr  fraglich  ist  wie  weit  diese  Aehnlichkeit  gieng. 
Höchstens  Hesse  sich  annehmen  dass  die  nQoaatna  nootaxina  aus  dem  me- 
nandrischen  Stücke  seien.  W.  TeufPel  in  Pauly's  Real-Enc.  VI,  2.  S.  1700, 
Anm.  Dziatzko,  Rhein.  Mus.  XXI.  S.  76—78.  80  f.  Vgl.  Fr.  V.  Fritzsche, 
Lectiones  Terentianae,  Rostock  1860.  4.  p.  21 — 26. 

3.  Sachlich  richtig  würde  die  Didaskalie  lauten:  facta  II  (es  heisst 
aber  V).  acta  ludis  megalensibus  Sex.  lulio  Caesare  (Cos.  597),  Cn.  Comelio 
Dolabella  (Cos.  595)  aedilibus  cur.,  Cn.  Octavio  T.  Manlio  coss.  (J.  589  =« 
165).  primum  acta  sine  prologo.  (Störung  durch  fnnambuli,  proL  I,  4.) 
relata  est  iterum  L.  Aemilio  Paulo  ludis  funeralibus  (J.  595;  dazu  prol.  I). 
non  est  placita  (vgl.  prol.  II,  33  S.).  tertio  relata  est  (mit  prol.  II)  Q.  Fulvio 
(Cos.  601)  L.  Marcio  (Cos.  605)  aed.  cur.  (an  den  ludi  romani  des  J.  594 
d.  St.).  placuii  (Darauf  Abreise  des  Terenz  in  den  Osten.)  Vgl.  Dziatzko, 
Rhein.  Mus.  XX.  S.  576  ff.  XXI.  S.  72  —  76.  Ritschi,  in  Reifferscheids 
Sueton  p.  500  f. 

6)  Adelphi^  nach  Menanders  'AdsXtpoi^  unter  ^litbenützung 
einer  Scene  aus  dem  Anfange  der  Svvanodvrjcxovteg  des  Di- 
philos.  Die  einfache,  wohlberechnete  Anlage^  feine  Charakter- 
zeichnung und  Heiterkeit  des  herrschenden  Tones  machen  die- 
ses Stück  des  Terenz  zu  seinem  gelungensten.  Nur  hat  die 
skeptische  Art  wie  schliesslich  die  alte  und  die  neue  Zeit  gegen 
einander  abgewogen  werden  etwas  unbefriedigendes. 

1.  Acta  ludis  funeralibus  Lucio  Aemilio  Paulo,  quos  fecere  Q.  Fabius 
Maxumus,  P.  Cornelius  AMcanus.  .  .  facta  sexta,  M.  Comelio  Cethego, 
L.  (Anicio)  Gallo  cos.  (J.  504  =  160).  So  nach  dem  titulus.  Dass  aber 
diese  Aufführung  nicht  die  erste  war  haben  Wilmanns  und  Dziatzko  wahr- 
scheinlich gemacht  (s.  Rhein.  Mus.  XX.  S.  577  f.  XXT.  S.  78—82).  Donatus, 
praef.  Ad.,  sagt:  hanc  dicunt  ex  Terentianis  secundo  loco  actam;  und  da 
Leichenspiele  wenige  Tage  nach  dem  Tode  des  Betreffenden  gehalten  zu 
werden  pflegten,  für  ein  neues  Stück  aber  die  Vorbereitungen  unmöglich 
so  schnell  sich  hätten  beendigen  lassen,  auch  der  Prolog  noch  einen  be- 
scheidenen Ton  anstimmt,  und  Haut.  prol.  17  (multas  contaminasse  graecas 
etc.)  das  Vorausgehen  mehr  als  Eines  contaminierten  Stückes  voraussetzt, 
Bo  hat  jene  Angabe  Donats  viele  Wahrscheinlichkeit. 

2.  Verhältniss  zum  Original:  prol.  6  ff .  Grauei-t,  Analekten  S.  124 — 147. 
Ihne,  Quaest.  p.  25—38.  W.  Teuffei,  Stud.  und  Char.  S.  284  f.  W.  Fielitz, 
über  Anfiang  und  Ende  der  menandrischen  Adolphen,  in  Fleckeisens  Jahrbb. 
97,  S.  676—682.  Ueber  den  Schluss  s.  W.  Teuffei,  Stud.  und  Charakt. 
S.  285  —  288.  Im  Allgemeinen  vgl.  Lessing,  Hamburgische  Dramaturgie 
Stück  71  f.   97  — 100.    Zimmermann,    Terenz  und  Menander,    ein   Beitrag 


174  Sechstes  Jahrbandert  d.  St. 

zur  Erkl.  der  Ad.,  Clansthal  1824.    E.  Fr.  Hermann,  de  Ter.  Adelphis,  Mar> 
bürg    1838.    4.  =«  Jahns  Jahrbb.  Suppl.  VI.  p.  65—79. 

3.  Holtze,  Bemerkungen  zu  einigen  Stellen  der  Ad.,  in  Jahns  Jahrbb. 
Suppl.  XL  S.  1—23.  Speck,  Obs.  crit,  in  Ter.  Ad.  Bresl.  1847.  Eotter, 
ad  Ter.  Ad.  ezcnrsus  de  sono  versuum,  Bresl.  1846.  4.  A.  Klette,  Adel- 
phon Terentianae  emendationes ,  in  der  Symbola  philolog.  Bonn.  p.  843 — 
848.     D.  Gröhe,  Rhein.  Mus.  XXII.  S.  640—643. 

100  HO.  Die  dichterische  Eigenthümlichkeit  des  Terenz  besteht 
in  dem  negativen  Merkmale  der  Unfreiheit  und  dem  positiven 
der  Correctheit,  theilweise  der  Eleganz.  Er  folgt  seinen  grieclii- 
schen  Originalen  treulich,  und  wo  er  sie  kürzen,  die  Handlung 
reicher  machen  muss  greift  er  abermals  nach  Griechen.  Seine 
StoflFe  sind  ziemlich  einförmig  und  auch  in  den  Personennamen 
wenig  Abwechslung.  Terenz  hat  nicht  die  Lebendigkeit,  Frische 
und  Beweglichkeit  des  Plautus,  aber  auch  nicht  seine  Unarten. 
Der  ruhige  Mittelton  gelingt  ihm  am  besten;  nicht  so  die 
Sprache  des  Aflfects,  und  an  komischer  Kraft  leidet  er  bitteren 
Mangel.  Die  Anlage  seiner  Stücke  ist  ebenmässig  und  glatt, 
die  CHiarakterzeichnung  reinlich  und  consequent.  Er  ist  ein 
Kunstdichter,  mehr  nach  dem  Geschmacke  vornehmer  Kenner  als 
des  Volkes.  Auch  seine  Sprache  zeigt  überall  Glätte  und  Ele- 
ganz. Seine  Verse  sind  nicht  so  manchfaltig  und  belebt  wie  die 
des  Plautus,  aber  geordneter  und  strenger. 

1.  Üeber  Terenz  überhaupt  s.  Th.  Ladewig  in  Pauly's  Real-Enc.  VI,  2. 
S.  1695—1701.  Bohtz,  über  das  Komische  und  die  Komödie,  S.  196  f. 
Mommsen  R.  G.  IP.  S.  433  —  437.  Musterung  der  einzelnen  Stücke  bei 
M.  Rapp,  Gesch.  d.  griech.  Schauspiels  (Tüb.  1862),  S.  269—291.  297—302, 
J.  L.  Klein,  Gesch.  d.  Dramas  11  (Leipzig  1865).  S.  567—635,  und  inBitschrs 
Opusc.  IL  S.  752—764. 

2.  Yerhältniss  zu  seinen  Originalen.  Fabulae  eins  exstant  quatuor  e 
Menandro  transla^ae,  Andria,  Eunuchus,  Adelphi  et  Heautont.,  duae  ex 
Apollodoro  Caricio  (d.  h.  Carystio),  Hecyra  et  Phormio  (vita  Ambros.  bei 
Mai,  Fragm.  Plaut,  et  Ter.  p.  38.  Ebenso  Donaths  Zusatz  zu  Suetons  vita). 
Ueber  die  Art  der  Benützung  s.  Meineke  zu  Menand.  p.  1  —  9.  19—22. 
67—79.  9'8— 100.  140—142.  Grauert,  bist.  u.  philolog.  Analekten,  S.  116 
— 208.  Benfey  in  den  Einl.  zu  seiner  Uebersetzung.  Könighoff,  de  ratione 
quam  Ter.  in  fab.  gr.  lat.  convertendis  secutus  est,  Cöln  1843.  W.  Ihne, 
Quaestiones  terentianae,  Bonn  1843.  Th.  Ladewig,  über  den  Kanon  des 
Volc.  Sedigitus  (1842),  und  Beiträge  zur  Kritik  des  Ter.  (1858)  S.  1—10. 

3.  Ein  Symptom  der  Unselbständigkeit  ist  auch  die  Häufigkeit  der  Con« 
tamination,  so  geschickt  sie  gewöhnlich  ausgeführt  ist.  Die  Personennamen 
seiner  Originale  änderte  Ter.  meist  ab,  hauptsächlich  so  dass  die  Personen 
einen   Namen  führen   dessen   Appellativbedeutung   ihrer  Rolle  entspricht. 


/ 


110  f.    Terentius  als  Dichter.    TitiniuB.  175 

Die  Liebhaber  heissen  Phädria,  ChariniiB,  Chaerea,  Pamphilus;  die  Mädchen 
Pamphila,  Philumena,  Bacchis;  die  Sklaven  Geta,  Syrus,  Parmeno  u.  s.  w. 
Diese  Sitte  hindert  von  den  Charakteren  und  Stacken  ein  festes  Bild  zu 
behalten.  Ohnehin  bildet  die  Liebe  eines  jungen  Mannes  zu  einem  Mäd- 
chen welches  schliesslich  als  Freie  erkannt  und  geheiratet  wird  den  Gegen- 
stand der  Andria,  des  Eun.,  Haut.,  Phormio;  auch  in  der  Hec.  eine  Art 
<xvccyv(OQi.afias,  und  in  den  Ad.  ist  die  Geliebte  wenigstens  eine  obscure 
Person.  —  Auch  die  Metra  seiner  Originale  änderte  Ter.  nach  Bedürfnis» 
und  Belieben  ab.  —  Die  Exposition  erleichterte  sich  Ter.  öfters  durch  ngo- 
atona  n(fOtati%d,  s.  oben  §.  16,  11. 

4.  Quintil.  X,  1,  99:  Terentii  scripta  .  .  sunt  in  hoc  genere  elegantis- 
sima  et  plus  adhuc  habitura  gratiae  si  intra  versus  trimetros  stetissent 
(weil  es  für  Partieen  von  höherem  Stil  dem  T.  an  Schwung  fehlte). 

5.  Magere  Wortspiele:  Andr.  218.  —  Eun.  prol.  42.  45.  Haut.  218.  — 
Haut.  356.  379.  526.     Hec.  543.     Ad.  220  u.  sonst. 

6.  Gell.  VI  (VII),  14,  6:  vera  et  propria  .  .  exempla  in  latina  lingua 
M.  Varro  esse  dicit  .  .  mediocritatis  Terentium. 

7.  Afranius  in  Compitalibus :  Terenti  numne  similem  dicent  quempiam? 
(Ritachl,  Suet.  p.  523.)  und  wohl  auch  v.  30:  ut  quidquid  loquitur  sal  me- 
rumst!  Cicero  ad  Att.  VII,  3,  10:  Terentium,  cuius  fabellae  propter  ele- 
gantiam  sermonis  etc.  und  in  Limone  (bei  Suet.):  .  .  lecto  sermone,  Terenti^ 
.  .  Menandrum  in  medium  nobis  sedatis  motibus  affers  etc.  Caesar  (bei 
Suet.):  .  .  puri  sermonis  amator.  lenibus  atque  utinam  scriptis  adiuncta 
foret  vis,  comica  ut  aequato  virtus  polieret  honore  cum  Graecis  neve  hac 
despectuB  parte  iaceres!  Caesar  erkennt  ihn  daher  nur  als  dimidiatus  Me- 
nander  an. 

8.  E.  Eärcher,  Prosodisches  zu  Plaut,  und  Terenz,  Karlsruhe  1846. 
Liebig,  dQ  hiatu  in  versibus  Ter.,  Bresl.  1848.  8.  und:  de  genitivi  usu  Teren- 
tiano,  Oels  1853.  26  pp.  4;  die  hypothetischen  Sätze  bei  Ter.,  Görlitz  1863. 
36  S.  4.  Heinrichs,  de  ablativi  apud  Ter.  usu  et  ratione,  P.  I.  Elbing  1858. 
28  pp.  4.  n.  Elbing  1860.  26  pp.  4.  B.  Born,  de  diverbii  apud  Ter.  versi- 
bus, Magdeburg  1868.  22  pp.  4. 

111.  Der  erste  Togatendichter  ist  für  uns  Titinius,  ausioi 
einem  geachteten  plebejischen  Geschlechte  in  der  Zeit  des  Te- 
renz, den  er  aber  überlebt  zu  haben  scheint.  Seine  Stücke  ha- 
ben alle  lateinische  Titel  und  waren  stofflich  bereits  tabemariae. 
Die  Ueberreste  zeigen  einen  derben,  volksthümlichen  Ton,  eine 
Sicherheit,  Lebendigkeit  und  Frische  die  an  Plautus  erinnert, 
während  die  methodische  Charakterzeichnung  Titinius  mit  Te- 
renz gemein  hatte  und  sie  namentlich  auch  auf  Frauenrollen 
erstreckte. 

•  1.  Varrö  bei  Charis.  II.  p.  215:  rid'ri  nullis  aliis  servare  convenit  (con- 
tigit?)  quam  Titinio,  Terentio,  Attae.  Mit  Eitschl,  Parerga  S.  194  f.  (vgl. 
Ehein.  Mus.  XXIV.  S.  486)  mag  hieraus  geschlossen  werden  dass  Tit.  vor 


170  Sechstes  Jahrhundert  d.  St. 

Ter.  geboren  war;  da  aber  dieser  schon  sehr  jting  als  Schriftsteller  auftrat 
und  das  Vorhandensein  von  Togaten  schon  während  der  Bühnenthätigkeit 
des  Ter.  unerweislich  und  unwahrscheinlich  ist,  so  wird  die  des  Tit.  erst 
nach  dem  Tode  des  Ter.  begonnen  haben. 

2.  Seren.  Samm.  med.  1046  f.:  allia  praecepit  Titini  sententia  necti, 
qui  veteri  ciaras  expressit  more  togatas. 

3.  Uns  bekannt  sind  15  Titel;  die  Bruchstücke  bei  Bothe,  poet.  scen. 
V,  2.  p.  58—76.    Neukirch,  fab.  tog.  p.  102—152.  Ribbeck,  com.  p.  115—137. 

4.  Ueber  Tit.  vgl.  Neukirch  1.  1.  p.  97—101.  ßitschl,  Parerga  S.  194  f. 
Ladewig  in  Paul/s  Real-Enc.  VI,  2.  S.  2014,  Nr.  11.  Mommsen  R.  G.  I*. 
S.  885  f. 

102  US,  Der  palliata  treu  blieb  Turpilius,  gleichfalls  ein 
Altersgenosse  des  Terenz,  aber  weit  ins  siebente  Jahrh.  d.  St. 
hinein  am  Leben.  Auch  er  bearbeitete  Stücke  der  mittleren 
und  neuen  Komödie  lateinisch.  Der  Ton  seiner  Üeberreste-  ist 
lebhafter  als  bei  Caecilius  und  Terenz,  die  Sprache  reich  an 
volksthümlichen  Bestandtheilen,  der  Versbau  wie  bei  Terenz. 

1.  JBieronym.  zu  Euseb.  Chr.  a.  1914  (Amand.  1915)  ==  651  d.  St.: 
Turpilius  comicus  senex  admodum  Sinuessae  moritur. 

2.  Die  Üeberreste  bei  Bothe,  scen.  lat.  V,  2.  p.  77 — 94.  F.  Grautoff, 
Turpil.  comoediarum  reliquiae,  Bonn  1853.  42  pp.   Ribbeck,  com.  p.  73 — 96. 

3.  Von  den  13  uns  bekannten  Titeln  (alle  griechisch)  stimmen  sechs 
mit  solchen  des  Menander  überein,  Demetrius  war  nach  Alexis  gearbeitet, 
Lemniae  oder  Philopator  nach  Antiphanes.  „Es  ist  wahrscheinlich  dass  T. 
früh  aufhörte  zu  dichten,  weil  mit  dem  Ablaufe  des  sechsten  Jahrh.  d.  St 
die  Zeit  der  palliata  vorbei  war  und  an  der  Gunst  des  Volkes  keine  Auf- 
munterung mehr  fand.^^    Ritschi,  Parerga  S.  188  Anm. 

103  118.  Andere  Palliatendichter  dieser  Zeit  waren  luventius 
und  Valerius;  als  Verfasser  eines  kirchlichen  Liedes  im  J.  554 
d.  St.  wird  Licinius  Tegula  genannt^  und  die  beiden  Consubi 
des  J.  581  d.  St.,  Q.  Fabius  Labeo  und  M.  Popülius  Laenas, 
finden  wir  als  Dichter  bezeichnet. 

1.  luventius  comicus  bei  Varro  L.  L.  VII,  65.  vgl.  VI,  50.  luventius 
in  comoedia.  Gell.  XVIII,  12,  2.  luventius  in  Anagnorizomene  bei  Fest, 
p.  298  V.  summuBsi  beruht  auf  Conjectur  (vgl.  0.  Müller  p.  407).  Paul. 
Diac.  (p.  299  M.)  setzte  dafEir  den  Collectivnamen  für  die  spätere  palliata: 
TerentiuB.  —  Ribbeck,  com.  p.  70  f. 

2.  Valerius  (identisch  mit  Val.  Aedituus?  Vetus  poeta  heisst  dieser  bei 
Gell.  XIX,  9,  10  und  wird  vorLicinus  und  Catulus  genannt),  Verfasser  eines 
Phormio,  Ribbeck,  com.  p.  72.    Vgl.  oben  84,  6  und  unten  1.33,  2. 

3.  Herrenlose  Palliatentitel :  Adelphi,  Hydria,  Georges;  Ribbeck,  com. 
p.  96  f. 


112  ff.  Titinius,  Turpilius  u.  a.  Dichter.   Pabius  Pictor.  177 

4.  Livius  XXXI,  12  g.  E.:  decemviri  .  .  carmen  ab  ter  novenis  virgini- 
bu8  cani  per  urbem  iosseront  (in  Folge  von  Prodigien)  donumque  lononi 
Reginae  ferri.  .  .  carmen  .  .  tum  condidit  P.  Licinius  Tegula.  Vgl.  Bitschi, 
Parerga  S.  197.  104. 

5.  Üeber  Fabius  und  Popillius  vgl.  unten  124,  5. 

114,   Von  den  Inschriften  des  sechsten  Jahrh.  d.  St.  haben  104 
nur  wenige  eine  ausführlichere  und  in  gebundener  Form  gehal- 
tene Passung. 

1.  Ueber  das  in  Satumiem  üeberlieferte  vgl.  oben  60,  8.  Sonst  ge- 
hören hieher  von  den  Scipionengrabschriften  (vgl.  oben  81,  5)  Nr.  33  und 
34  (C.  I.  lat.  I.  p.  19  f.),  sowie  vielleicht  (wenn  sie  nicht  aus  dem  Anfang 
des  7.  Jahrh.  d.  St.  ist)  die  Inschrift  von  Sora  C.  I.  lat.  I,  1175. 

2.  Von  den  literarisch  überlieferten  Grabschriften  des  Naevius  (s.  93, 
1),  Plautus  (s.  94,  2),  Ennius  (s.  99,  6),  Pacuvius  (s.  104,  1),  ist  die  erste  in 
Saturniem,  die  zweite  (schwerlich  plautinische)  in  Hexametern,  die  dritte 
im  elegischen  Masse,  die  vierte  in  iambischen  Senaren  gehalten. 

II.  Prosaisten« 

11&«  Unter  den  ältesten  romischen  Geschichtschreibem^oö 
welche  sich  noch  der  griechischen  Sprache  bedienten  (s.  oben 
36),  ist  dettfrüheste  und  bedeutendste  Q.  Fabius  Pictor  (geb. 
um  500  d.  St.)y  aus  der  Zeit  des  zweiten  punischen  Krieges. 
Seine  t^xoQia  reichte  von  Aeneas  an  bis  auf  seine  Zeit^  letztere 
ausführlicher  behandelnd.  Polybios  und  Dionysius  tadeln  ihn 
zwar  manchfach;  aber  Polybios  hat  ihn  für  den  hannibalischen 
Krieg  doch  als  eine  Hauptquelle  benutzt^  und  Livius  scheint  ihm 
häufiger  zu  folgen  als  er  ihn  nennt.  Neben  der  griechischen 
gab  es  auch  eine  (jüngere)  lateinische  Bearbeitung  seines  Ge- 
schichtswerkes. Mit  weniger  Sicherheit  werden  ihin  Schriften 
über  das  ius  pontificium  beigelegt. 

1.  Dionys.  Ant.  I,  6:  opMiag  Sh  tovtoig  (den  griechischen  Darstellern 
der  römischen  Geschichte)  %al  ovdhv  dia(p6(fovg  i^idta%av  taxoif^ag  xal 
'Pcofia^cav  oaoi  tä  noclaM  iffyoc  trig  noXsmg  iXlrivi%y  dialixtco  Gvviyqa'^av, 
&v  bIci  ngsaßvtaToi  Koimog  tc  ^dßiog  xal  Asvxiog  KCy%tog^  cc(up6t£(foi 
Tuczä  Tovg  (poivmtTiovg  duiuceavTsg  nolifiovg.  xovxwv  8\  roh  (xvSq^v  i%d- 
rsQOs  olg  itlv  avtog  ^(fyoig  nocQSyBvsto  dia  tiiv  ift/nstgiav  d-agißAg  dvi- 
YQatffS,  m  dh  a^;|rara  rd  ftsrd  zriv  %xlciv  xrig  noXstog  ysvofieva  %B<paXaici}- 
dmg  iniSgaiisv.  Polyb.  III,  9:  %ttxd  xovg  %ai^ovg  (des  hannibalischen 
Kriegs)  6  y^dtpuov  (Fab.  P.)  yiyovB  xal  xov  üvvsdqCov  ^i,bxbi%b  xav  *P(o- 
(laimv.  Liv.  XXII,  7,  4  (bei  der  Schlacht  am  Trasimenersee) :  Fabium 
aequalem  temporibus  huiusce  belli  potissimom  auctorem  habui.  Zur  nähereu 
Bestunmung   der  Zeit  des  Fabius  Pictor   vgl.  Eutrop.  III,  6:   L.  Aemilio 

TxüTFBL,  Böm.  Literaturgeachichte.   2.  Aufl.  Vi 


1 78  Sechgtes  Jahrhundert  d.  St. 

COS.  (629  d.  St.)  ingentes  Gallorum  copiae  Alpes  transierant.  sed  pro  Ro- 
manis  tota  Italia  consensit  traditumque  est  a  Fabio  historico,  qni  ei  bello 
interfoit  etc.  Ebenso  Oros.  IV,  13.  Vgl.  Plin.  N.  H.  X,  34.  Nach  der 
Schlacht  bei  Cannä  (J.  538)  Q.  Fabius  Pictor  Delphos  ad  oraculom  missus  est 
(Liv.  XXII,  57,  5  vgl.  XXIII,  11,  1  ff.).  Plut.  Fab.  Max.  18:  sig  JsX<povs 
inififpd'ri  d'sonQonog  W%ta>Q  avyyBviig  ^aßiov  (des  Cunctator).  App.  Hann.  27 : 
Tj  ßavXrj  Koivxov  ^dßiov,  xov  cvyyqatpia  täpSb  tmv  i^ymVj  ig  deiq)ovg 
^nffucB  etc.  üeber  seinen  Vater  und  Sohn  s.  Haakh  in  Pauly's  Beal-Enc. 
VI,  2.  S.  2911  ff.  Nr.  31  u.  38. 

2.  Liv.  I,  44,  2:  scriptorum  antiquissimus  Fabius  Pictor.  II,  40,  10: 
Fabium,  longe  antiquissimum  auctorem.  Dionjrs.  VII,  71:  Kotvznp  ^aßitp 
ßsßaiaz^  XQoilievog  %td  avSs(iiäg  izi  Ssoftsvog  nitnsatg  erigag'  naXaioxaxog 
yaQ  avriif  xmv  tet  (foiucmct  öwra^aiiiveav  %al  niartv  ov%  i^  tov  rj%ovoe  \l6vov 
dXKa  xal  ^|  iv  uvxog  ^yva  nccQexofievog,  Dagegen  IV,  6  und  30  tadelt 
Dionys.  bei  einem  untergeordneten  Puncto  dessen  ^a^vfi^a.  Polyb.  I,  14 
sagt  er  habe  die  Geschichte  des  punischen  Krieges  unternommen  dia  x6 
xovg  ifj^nsLQOxaxa  Sonovvxag  ygatpsiv  vnhQ  avxov,  ^tllvav  nal  ^dßiovy  fiij 
SBOvxmg  Tjpuv  aTeriyyBlitivai  xr^v  ccXt^^biuv.  i%6vxag  (jihv  ovv  iipBva^nci  xovg 
avdgag  ov%  vnoXccitßccvai,  0X0x^^6 fiBvog  in  xov  ßlov  xal  xr^g  atgiaBtog  avxmv, 
wohl  aber  habe  den  Pictor  sein  patriotisches  Interesse  für  die  Römer  irre 
geführt;  vgl.  ib.  58.  III,  8  u.  9  aber  spricht  sich  Polyb.  auch  über  Pictor 
in  seiner  kritteligen  Weise  aus,  vielleicht  zugleich  unter  dem  Einflüsse  der 
Rivalität  zwischen  den  Scipionen  und  Fabiem.  Th.  Lucas  im  Glogauer 
Progr.  1864,  p.  10—18.  H.  Peter,  hißt.  I.  p.  LXXXIII  f.  Livius  I,  55,  8: 
magis  Fabio,  praeterquam  quod  antiquior  est,  crediderim  .  .  quam  Pisoni. 
Liv.  citiert  ihn  sonst  noch  VIII,  30,  9.  X,  37,  14;  aber  auch  wo  er  unbe- 
stimmt antiquissimos  scriptores  oder  priscos  annales  oder  vetustiores  scrip- 
tores  erwähnt  meint  er  wohl  vorzugsweise  den  Pictor.  Vgl.  W.  Harless, 
de  Fab.  p.  33—35. 

3.  Die  Ueberreste  des  Pictor  bei  A.  Krause,  vitae  et  fragm.  vett.  bist, 
rom.  p.  52  ff.  und  C.  L.  Roth  (an  Gerlachs  Sallust  von  1852)  p.  260—259; 
W.  Harless,  de  Fab.  p.  13—33;  H.  Peter,  bist.  I.  p.  5—39.  109  f.  Ab- 
handlungen (ausser  D.  G.  Moller,  Altorf  1689.  4.)  von  H.  K.  Whitte  (Kopenh. 
1832),  A.  Krause  (a.  a.  0.  p.  38  ff.),  Exp.  Baumgart  (Breslau  1842.  62  pp.), 
W.  Harless  (de  Fabiis  et  Aufidiis  rer.  rom.  scriptoribus,  Bonn  1853. 
p.  1—12),  K.  W.  Nitzsch  (Q.  F.  P.  über  die  ersten  Jahre  des  hannibali- 
schen  Krieges,  Allgem.  Monatsschrift,  Braunschweig  1854,  S.  67 — 84),  Du 
Rieu  (Disp.  de  gente  Fabia,  Lugd.  Bat.  1866,  p.  166—199),  L.  Kieserling 
(de  rer.  rom.  script.,  Berlin  1858,  p.  7  —  18).  Auch  W.  A.  Becker,  Rom. 
Alterth.  I.  S.  39  ff.  A.  Schwegler,  R.  G.  L  S.  74—77.  F.  D.  Gerlach,  die 
röm.  G^schichtschr.  S.  34—44.  H.  Nissen  im  Rhein.  Mus.  XXII.  S.  565  ff. 
H.  Peter,  bist.  L  p.  LXIX— C. 

4.  Plut.  Romul.  3:  xa  %vQimxttxa  (der  ältesten  röm.  Geschichte)  ngm- 
xog  Big  xovg  '^EXXrivag  i^BdcaiiB  JwxX'^g  6  Ucna^^to;,  9  %al  0dßiog  IliiixcDQ 
iv  xoCg  nXBiaxoig  inrinoXovdirjaB»  Die  sachliche  Uebereinstimmung  zwischen 
Pictor  und  dem  sonst  ganz  obscuren  Diokles  erklärt  sich  wohl  richtiger 
aus  der  Gemeinsamkeit  ihrer  Quellen  (Schwegler  I.  S.  412—414),  wo  nicht 


115.  Prosaifiten:  älteste  GeschiclitBchreiber:  Fabius  Pictor.         179 

gar  (mit  Schwegler  S.  414).  daraus  dass  Diokles  römische  Amialisten  benützt 
hat.    Vgl.  Kieserling  p.  16  f.    H.  Peter,  hist.  I.  p.  LXXX— LXXXII. 

5.  Da  ans  dem  Werke  des  Fabius  Pictor  Stellen  in  lateinischer  Sprache 
als  Worte  des  Geschichtschreibers  selbst  mehrfach  aufgeführt  werden  (z.  B. 
spelunca  Martis,  lupus  als  Femininum,  duoetvicesimo  anno,  letzteres  bei 
Gell,  y,  4,  3),  so  ist  jedenfalls  auch  eine  lateinische  Bearbeitung  anzu- 
nehmen. Nur  muss  dieselbe  später  gewesen  sein  als  die  griechische,  da 
jene  eine  höhere  Ausbildung  der  lat.  Prosa  zur  Voraussetzung  hat,  deren 
älteste  Urkunde  Cato's  Origines  sind  (daher  bei  Cic.  de  or.  II,  12,  51:  ut 
noster  Cato,  ut  Pictor,  ut  Piso,  und  ib.  53:  talis  noster  Cato  et  Pictor  et 
Piso;  dagegen  de  leg.  I,  2,  6,  wo  es  sich  um  das  Sachliche  handelt,  die 
Ordnung:  ad  Fabinm  aut  Catonem  aut  ad  Pisonem).  Fraglich  kann  dann 
sein  ob  die  lat.  Bearbeitung  noch  yon  dem  Verfasser  selbst  ausgeführt 
worden  ist  oder,  wie  bei  Acilius,  von  einem  Dritten,  vielleicht  gleichfalls 
einem  Fabius.  Aber  die  Annahme  dass  es  zwei  berühmte  Annalisten  des 
Namens  Fabius  (Pictor)  gegeben  habe  (H.  Peter,  hist.  I.  p.  LXXVI— LXXX, 
CLXXVIII  f.)  wird  dadurch  noch  nicht  begründet.  Viele  (wie  Krause, 
Baumgart,  Kieserling)  halten  für  diesen  zweiten  Fabius  den  Juristen  Servius 
Fabius  Pictor,  Andere  den  Fabius  Maximus  Servilianus  (Cos.  612),  der  doch 
wenigstens  sicher  Geschichtliches  verfasst  hat.  Numerius  kann  nicht  mehr 
in  Betracht  kommen  seit  in  der  betreffeuden  Stelle  des  Cicero  (de  div.  I, 
21,  43:  Aeneae  somnium,  quod  in  numerum  Fabi  Pictoris  graecis  annalibus 
eiusmodi  est)  M.  Hertz  (philologisch -klinischer  Streif zug,  S.  32  ff.  vgL 
Rhein.  Mus.  XVII.  S.  579,  A.  8  und  Fleckeisens  Jahrbb.  99,  S.  768)  das 
vorauszusetzende  N.  oder  N,  statt  mit  Sigonius  in  Numeri,  vielmehr  in 
nostri  aufgelöst  hat  (A.  Dederich,  quaest.  phüol.,  Emmerich  1852:  quod 
nimirum  in  F.  P.  gr.  ann.  etc.).  üebrigens  lässt  sich  aus  der  angef.  Stelle 
Ciceros  auch  schliessen  dass  die  lateinische  Bearbeitung  der  Annalen  des 
F.  P.  den  Traum  des  Aeneas  gar  nicht  oder  nicht  in  dieser  Ausführlich- 
keit enthielt,  dieselbe  also  zugleich  eine  abgekürzte  war.  Diese  war  (oder 
wurde)  auch  in  Bücher  eingetheilt;  das  erste  Buch  citiert  Non.  p.  518,  28; 
das  vierte  Gell.  V,  4,  3.  Zweifelhaft  ist  Dionys.  A.  I,  79:  Koivrog  ^dßiog 
o  i7/xTa>9  leyofisvog  .  ,  iv  t^  n^cifg  yi^cpei,  da  Dionys.  sonst  nicht  nach 
Büchern  citiert. 

6.  Dass  Fabius  Pictor  sein  griechisches  Geschichtswerk  nicht  vor  Be- 
endigung des  zweiten  punischen  Krieges  begann  liegt  in  der  Natur  der 
Sache,  sowie  dass  er  es  bis  zu  dessen  Ende  fortgeführt  haben  wird.  Letz- 
teres wird  wahrscheinlich  durch  Appian.  Hann.  27  (s.  A.  1);  positiv  be- 
weisen lässt  sich  aber  Beides  nicht. 

7.  Festus  p.  250,  b.  g.  E.:  puilia  saxa  esse  ad  portum  qui  sit  secun- 
dum  Tiberim  ait  Fabius  Pictor,  quem  locum  putat  Labeo  dici  etc  Da 
Labeo  sicher  der  Jurist  Antistius  Labeo  ist,  und  Macrob.  III,  2,  3  f.  Vera- 
nius  ex  primo  libro  Pictoris  anführt  (vgl.  oben  47,  5),  so  hat  es  alle  Wahr- 
scheinlichkeit dsLss  das  Citat  sich  auf  eine  Schrift  des  F.  P.  de  iure  ponti- 
ficio  bezieht.  Nur  kann  deren  Verfasser  der  Jurist  Servius  F.  P.  (s.  unten 
139,  3)  mindestens  ebenso  gut  sein  als  der  Annalist  Q.  F.  P.  Non.  Marc, 
p.  518:   Favius  Pictor  Herum  gestarum  lib.  I:   „et  simul  videbant  picum 

12* 


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180  SechstCB  Jahrhundert  d.  St. 

Martium".  Idem  iuris  pontificii  libro  III.  DiesB  beweist  nur  dase  der 
Annalist  wie  der  Jurist  Fabius  Pictor  hiessen  und  dass  Nonius  beide  für 
identisch  hielt. 

106  116.  Des  Pictor  jüngerer  Zeitgenosse,  L.  Cincius  Ali- 
rnentus,  Prätor  J.  544  f.,  schrieb  ein  ähnliches  Werk  wie  jener, 
gleichfalls  griechisch,  und  wie  es  scheint  nicht  ohne  Quellen- 
forschung und  Kritik.  Doch  ist  die  Gestalt  dieses  Annalisten 
durch  die  häufige  Verwechslung  mit  einem  viel  späteren  Manne 
dieses  Namens  unsicher  geworden. 

1.  Dionys.  1^  74:  Asvmog  Klyniog,  dvriQ  in  xov  ßovl€vti%ov  avvsSifiov, 
(setzt  die  Gründung  Roms)  nsgi  t6  xizat^ov  hog  trjg  dmdfnazrjg  oXvii- 
niadog  (Mommsen,  röm.  Chronologie'  S.  315  ff.  Plüss  p.  34 ff.),  ^iv.  XXI, 
38,  3:  L.  Cincius  Alimentus,  qui  captum  se  ab  Hannibale  (jedenfalls  nach 
seiner  Prätur,  etwa  J.  546)  scribit.  XXVI,  23,  1:  praetorum  inde  comitia 
habita.  P.  Manlius  Yulso  .  .  et  L.  Cincius  Alimentus  creati  sunt  XXVII, 
7,  12 :  legiones  decretae :  M.  Valerie  cum  Cincio  (bis  quoque  est  enim  proro- 
gatum  in  Sicilia  imperium)  Cannensis  ezercitus  datus.  Vgl.  noch  ib.  XXVI, 
28,  3.  XXVII,  5.  7.  8,  16.  26,  3.  28,  17.  29,  4. 

2.  Dionys.  I,  6  (s.  oben  116,  1)  und  ib.  79:  mql  Sh  tmv  in  z^g  'lUag 
yivoyAvmv  Koivxog  fihv  ^äßiog  .  .  co  ABvytiog  xk  Kiyniog  mal  Kaxmv  Uoi^iog 
xal  niamv  Kalnov^iog  xal  xmv  äXlatv  cvyyqtLfpicav  ot  nlslovg  rjnoXov- 
d'riaav.  Liv.  VII,  3,  7:  Volsiniis  quoque  clavos  indices  numeri  annorum 
fixes  in  templo  Nortiae  etruscae  deae  comparere  diligens  talium  monu- 
mentorum  auctor  Cincius  adfirmat.  Da  Liv.  andere  als  Geschichtswerke 
sonst  nie  citiert,  so  ist  die  Stelle  wohl  mit  M.  Hertz  u.  A.  auf  den  Anna- 
listen Cinc.  zu  beziehen.  Die  Gründe  von  Mercklin,  Plüss  (p.  17  ff.  26  ff.) 
und  H.  Peter  (bist.  I.  p.  CX— CXIV)  beweisen  nur  die  Möglichkeit  sie  auch 
auf  den  Alterthumsforscher  Cinc.  (s.  A.  4)  zu  deuten.  Liv.  XXI,  38,  3 — 5: 
L.  Cincius  Alimentus  .  .  maxime  auctor  me  moveret,  nisi  confunderet  nu- 
merum  Gallis  Liguribusque  additis.  .  .  ex  ipso  autem  audisse  [se]  Hanni- 
bale etc.  Vertheidigung  dieser  Angahe  des  Cincius  bei  F.  Lachmann,  de 
fönt.  Liv.  II.  p.  80  ff.  vgl.  Plüss  p.  5—8.  H.  Peter,  bist.  I.  p.  CIX  ff.  not.  2. 
Dass  andere  Schriftsteller  (z.  B.  Polybios)  ihn  nicht  erwähnen  mag  aus  der 
Gleichheit  des  Stoffes  mit  dem  Werke  des  berühmteren  Fabius  sich  erklären 
und  beweist  jedenfalls  nicht  dass  diese  griech.  Annalen  des  Cinc.  ein  Mach- 
werk aus  augusteischer  Zeit  (Mommsen)  waren. 

3.  Die  Ueberreste  von  Cincius  bei  Krause  p.  63 — 68,  M.  Hertz,  Cinc. 
p.  17—21,  C.  L.  Roth  (1862),  p.  259—262,  und  H.  Peter,  bist  I,  p.  40—43. 
Abhandlungen:  H.  Liebaldt,  bist.  rom.  reliq.  spec.  De  L.  Cincio  AI.  Diss. 
Halle  1833,  p.  9  ff.  M.Hertz,  de  Luciis  Cinciis,  Cinciorum  fragm.  ed.  Berlin 
1842.  112  pp.  Schwegler  R.  G.  I,  S.  78—80.  Gerlach,  röm.  Geschichtschr.  S. 
44 — 52.  Eieserling,  de  rer.  rom.  script.  p.  18 — 22.  J.  Th.  Plüss,  de  Cinciis 
rerum  rom.  scriptoribus,  Bonn  1865.  45  pp.  vgl.  N.  Schweiz.  Mus.  VI  (1866) 
S.  43  ff.    H.  Peter,  bist  I.  p.  CI— CIV.  CIX— CXVII. 

4.  Dem  Cincius  werden  femer  zugeschrieben  (s.  Hertz  p.  32 — 60.  Huschke, 


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116  f.  Prosaisten:  L.  Cinciuß  Alimentus.   M.  Porcius  Cato.  181 

iurisprud.  anteiust.  p.  17 — 24  =  19 — 25)  ein  Buch  de  fastis  (Macrob.  Sat.  I, 
12,  12  vgl.  JUymog  iv  rfl5  nsifl  eoQtäv  beiLyd.  de  mens.  IV,  92  und  ib.  IV, 
44:  IUy%iog  o  ^PwfiaLog  ffoqptffrijg),  de  comitiis  (Fest.  v.  patricios,  p.  241  M.), 
de  consulum  potestate  (Fest.  y.  praetor^  p.  241  M.),  de  officio  iurisconsulti 
(wovon  Festus  v.  nuncupata  pecunia,  p.  173  M.,  und  p.  321,  ein  zweites 
Buch  citiert),  mystagogica  (ein  zweites  Buch  bei  Fest.  v.  trientem,  p.  363  M.), 
de  re  militari  (aus  dem  3.,  6.  u.  6.  Buche  bei  GrelL  XVI,  4),  de  verbis 
priscis  (bei  Fest.  bes.  p.  214.  277.  330.  M.)-  ^^^  ^^^  diese  staatsrechtlich 
antiquarischen  Schriften  von  einem  späteren  gelehrten  Juristen  Namens 
L.  (Fest.  p.  218)  Cincius  verfasst  sein  müssen  ist  augenscheinlich  und  durch 
M.  Hertz  1.  1.  p.  61  fP.  näher  nachgewiesen  worden.  Während  aber  Hertz  (und 
H.  Peter)  diesen  in  die  Zeit  des  Cicero  (und  Varro)  setzt  und  mit  dem  in  den 
Briefen  des  Gic.  vorkommenden  L.  Cincius  identificiert,  hat  Plüss  p.  36  if.  ihn 
bis  in  das  augusteische  Zeitalter  herabgerückt,  wofür  günstig  ist  die  Aufzähl- 
ung beiArnob.  adv.  gent.  lU,  38  und  beiCharis.  inst,  gramm.  I,  21,  124  ^e 
p.  107  P.  =  p.  132,  30  K.  (Varro  et  TuUius  et  Cincius);  vgl.  auch  Gell.  VII, 
15,  5  (Aelii,  Cincii,  Santrae)  u.  Fest.  p.  173  (Cincius  et  Santra).  Dagegen 
aber  s.  Macrob.  I,  12,  12  f.  (Cingius  .  .  Cingio  etiam  Varro  consentit)  und 
Fest.  p.  166.  174.  277  (Cincius  et  Aelius).  170  (Santra,  Aelius,  Cincius).  Er 
müsste  also  mindestens  ein  jüngerer  Zeitgenosse  des  Cicero  gewesen  sein. 
Auch  vermutet  Plüss  dass  dieser  Cincius  zugleich  (um  729  d.  St.)  Annalen 
verfasst  habe,  welche  vielfach  (z.  B.  von  Dionys.  Hai.)  mit  dem  Werke  des 
gleichnamigen  alten  Annalisten  verwechselt  worden  seien,  was  nur  dann 
glaublich  wäre  wenn  auch  der  jüngere  Cincius  griechisch  geschrieben  hätte. 
Vgl.  H.  Peter,  bist.  I.  p.  CIV— CIX.   CXIV  f. 

117,  Der  eifrigste  Vertreter  der  nationalen  Richtung  inio7 
Leben  und  Literatur  ist  im  sechsten  Jahrh.  d.  St.  M.  Porcius 
Cato,  geboren  zu  Tusculum  J.  520  d.  St.,  Quästor  550,  Aedil 
555,  Prätor  556,  Consul  559  =  195  v.  Chr.,  Censor  570  =  184, 
gestorben  605.  Eine  kemhafte,  tüchtige  Natur,  ihrer  Ziele  klar 
bewusst  und  sie  bald  mit  schroffer  Energie,  bald  auch  mit  Schlau- 
heit verfolgend,  kampflustig  und  voll  Mutterwitz,  ist  Cato  das 
Urbild  eines  alten  Römers.  Aber  daneben  verräth  er  den  Ein- 
fluss  seiner  Zeit  in  der  Eitelkeit  womit  er  seine  Person  in  ein 
helles  Licht  zu  stellen  liebte  und  in  seinem  oft  unreinen  Egois- 
mus. Li  der  Politik  besass  er  nicht  die  Weitsichtigkeit-  seiner 
aristokratischen  Gegner,  aber  an  patriotischem  Wohlmeinen  über- 
traf ihn  Keiner.  Trotz  der  geringen  Achtung  die  er  vor  aller 
Schreiberei  bezeigte  war  er  doch  ein  fruchtbarer  Schriftsteller 
und  ist  sogar  der  erste  eigentliche  Prosaist  der  Römer. 

1.  Beinamen  des  Cato  (=»  Sapiens):  Censor,  Censorius,  Orator,  später 
von  dem  üticensis  unterschieden  durch  den  Beisatz  priscus  oder  superior. 
Vielseitigkeit;  s.  Quintil.  XII^  11,  23:  M.  Cato  idem  summus  imperator, 
idem  sapiens,  idem  orator,  idem  historiae  conditor,  idem  iuris,  idem  rerum. 


182  Sechstes  Jahrhundert  d.  St. 

rusticarum  peritiflsimus  fuit.  Vgl.  Cic.  de  or.  III,  33,  135.  Brut.  294,  sowie 
unten  120,  2.  Liv.  XXXIX,  40  (beredte  und  warme  Charakteristik,  welche 
aber  von  den  Origines  nicht  eigens  spricht).  Ueber  sein  Leben  und 
seinen  Charakter  s.  des  Cornelius  Nepos  und  des  Cicero  Cato,  Plutarchs 
ßü>s  Kätcavog,  Victor  vir.  ill.  47;  von  Neueren  bes.  W.  Drumann,  Gesch. 
Roms  V.  S.  97 — 148.  Ausserdem  J.  G.  Schneider,  de  M.  Porcii  Catonis  vita, 
studiis,  scriptis,  in  seinen  Scriptores  rei  rusticae,  T.  I,  2.  G.  C.  Brillenburg, 
de  .  .  Catone  Censorio,  Lugd.  B.  1826.  W.  E.  Weber,  de  .  .  Catonis  vita  et 
moribuB,  Bremen  1831.  4.  Wilms,  Catonis  Censorii  vita  et  fragmenta,  Dortmund 
1839. 1843.  4.  Th.  Benvall,  de . .  Catone  Censorio,  Helsingförs  1845.  H.  Dohrn, 
über  Cato  d.  Aelt.  und  dessen  Lebensverhältnisse,  Itzehoe  1845.  4.  W.  Teuifel, 
in  Pauly's  Real-Enc.  V.  S.  1904—1911.  Mommsen  R.  G.  I«.  S.  846  ff.  F.  D. 
Gerlach,  M.  P.  C.  der  Censor,  Stuttgart  1869.  0.  Jäger,  M.  P.  C,  Halle 
1870.  430  S.   (Darstellungen  aus  d.  röm.  Geschichte,  Stes  Bdchn.). 

2.  J.  H.  V.  Bolhuis,  diatribe  in  .  *  Catonis  scripta,  Utrecht  1826.  A.  Lion, 
Catoniana,  sive  .  .  Catonis  Censorii  quae  snpersunt  operum  fragmenta, 
Götti.  1826.  H.  Jordan,  M.  Catonis  praeter  librum  de  re  rustica  quae  ex- 
stant,  Lips.  1860  (CIX  pp.  Prolegomena  und  135  pp.  fragmenta).  0.  Rib- 
beck, M.  Pore.  Cato  Cens.  als  Schriftsteller,  im  Neuen  Schweiz.  Museum  I 
(Bern  1861)  S.  7  —  33.  Auch  H.  Jordan,  Quaestionum  Caton.  capita  TI, 
Berlin  1856. 

3.  Cic.  Brut.  18,  69  von  Cato:  cum  ita  sit  ad  nostrorum  temporum 
rationem  vetus  ut  nullius  scriptum  extet  dignum  quidem  lectione  quod  sit 
antiquius.  Vgl.  ib.  16,  61:  nee  vero  habeo  quemquam  antiquiorem,  cuius 
quidem  scripta  proferenda  putem,  nisi  quem  Appi  Caeci  oratio  .  .  et  non- 
nullae  mortuorum  ]audationes  forte  delectant.  Aber  der  Erste  welcher  eine 
grössere  Anzahl  von  Schriften  (und  theilweise  von  grösserem  Umfange)  in 
lateinischer  Sprache  verfasste  und  herausgab  ist  Cato  unzweifelhaft.  L. 
Dietze,  de  sermone  Catoniano,  Anklam  1871.  37  pp. 

4.  Plut.  Cato  mai.  7:  svxaQig  ctfut  xal  Sstvog  ffV,  rjdvg  xal  %cctanJiT]v,TL- 
HOff,  qiiloaumfinaiv  aal  avatrufog,  dnotpd'syfiatL'Kog  xal  ayrnviawiiog.  Mit  seinen 
rothen  Haaren,  seiner  gewaltigen  Stimme  und  den  Eeulenschlägen  die  seine 
Rede  in  Ernst  und  Witz  führte  prägte  sich  Cato  Freund  und  Feind  tief  ein. 

108  118.  An  allen  öffentlichen  Angelegenheiten  bis  an  sein 
Lebensende  aufs  Eifrigste  sich  betheiligend  und  mit  der  herr- 
schenden Partei  und  der  hellenisierenden  Zeitströmung  uner- 
müdlich im  Kampfe  liegend  hatte  Cato  reichste  Gelegenheit 
seine  angeborene  Rednergabe  zu  erproben.  Er  war  aber  auch 
der  erste  Römer  welcher  in  grösserem  Massstabe  seine  Reden 
niederschrieb  und  herausgab.  Cicero  kannte  deren  mehr  als  150, 
wir  nur  von  80,  vom  Consulatsjahre  Cato's  ab,  Bruchstücke  oder 
Anlässe.  Diese  80  vertheilen  sich  ungefähr  gleichmässig  zwi- 
schen gerichthche  und  politische  (im  Senat  oder  vor  einer  Volks- 
versammlung gehaltene)  Reden.     Die  üeberreste  zeigen  eine  un- 


117  f.  Prosaisten:  M.  Porcius  Caio  (Leben  iind  Reden).  183 

gekünstelte  Beredtsamkeit,  die  sich  aber  trefflich  versteht  auf 
alle  wirksamen  Tonarten,  Scherz  und  Ernst,  Selbstlob  und 
schneidenden  Spott. 

1.  Ungenau  Gomel.  Nep.  Cat.  3,  3:  ab  adolescentia  confecit  (vielmehr 
haboit)  orationes.  Richtiger  lässt  Cicero  (Cato  mai.  11,  38)  ihn  sagen: 
causarum  illustrium  quascumque  defendi  nunc  (in  senectute)  cum  maxime 
conficio  orationes.  Unter  den  uns  als  veröffentlicht  bekannten  sind  auch 
solche  welche  nachweislich  nicht  wirklich  gehalten  worden  sind  (in  M\  Aci- 
lium  vom  J.  565,  s.  Jordan  p.  LXXVI).    Vgl.  oben  43,  8. 

2.  Cic.  Brut.  17,  65:  refertae  sunt  orationes  amplius  centum  quinqua- 
ginta,  quas  quidem  adhuc  invenerim  et  legerim,  et  verbis  et  rebus  illustri- 
btts.  Die  auf  uns  gekommenen  Titel  und  Bruchstücke  sind  gesammelt 
(ausser  von  Bolhuis  und  Lion,  s.  117,  2)  von  H.  Meyer,  orat.  rom.  fragm. ' 
p.  11 — 151  (der  es  auf  93  Reden  brachte)  und  gesichteter  von  H.  Jordan, 
Caton.  q.  exst.  p.  33 — 74  vgl.  p.  LXI — XCVIII.  Uebersicht  p.  XCV:  earum 
quas  cognovimus  Gatonis  orationum  dimidia  fere  pars  in  iudiciis  causisque 
versatur,  in  suadendis  dissuadendisque  legibus  atque  in  sententiis  senatoriis 
altera  pars.  Civilrechtliche  Fälle  behandelten  mehrere;  ib.  p.  LXXXYII— 
LXXXIX.  Selbstvertheidigungen  (z.  B.  de  innocentia  sua,  Rhein.  Mus. 
XXrV.  S.  331  f.)  kennen  wir  nur  sechs  (Jordan  p.  XCV  f.)  während  wir  doch 
wissen  dass  Cato  44mal  sich  von  Gegnern  angeklagt  sah,  ohne  indessen 
jemals  verurteilt  zu  werden  (Plin.  n.  h.  VII,  27,  100.  Victor  vir.  ill.  47,  7. 
Plut.  Cat.  15.  comp.  2.  Val.  Max.  III,  7,  7.  Ampel,  lib.  mem.  19,  8).  Die 
Reden  dieser  Art  waren  der  Natur  der  Sache  nach  Improvisationen,  und 
Cato  mochte  wohl  auch  nicht  selbst  dazu  beitragen  die  gegen  ihn  erhobe- 
nen Anschuldigungen  auf  die  Nachwelt  zu  bringen.  Ueberdiess  waltete  hier 
der  Zufall,  da  Liv.  XXXIX,  40  unter  seinen  scripta  omnis  generis  auch 
orationes  pro  se  multa  auffuhrt.    Ueber  seine  Proömien  s.  oben  (43,  5). 

3.  Die  Reden  des  Cato  erhielten  sich  durch  die  Rhetoren  und  Gram- 
matiker,  sowie  durch  die  Alterthümelei  des  zweiten  Jahrh.  (wie  Hadrian 
Ciceroni  Catonem  praetulit.  Spart.  Hadr.  16,  6)  verhältnissmässig  lange.  Im 
vierten  christl.  Jahrh.  kannte  sie  Servius  (ad  Aen.  VII,  259.  XI,  301)  und 
Marius  Victorinus  (Boeth.  in  Cic.  Top.  I.  p.  271  Gr.).    Jordan  p.  XCVI. 

4.  Die  beste  (Jordan  p.  XCVII  f.)  Charakteristik  der  Redeweise  des 
Cato  gibt  Gellius,  N.  A.  VI,  3,  17  ff.  52  f.,  wo  z.  B.  (53:)  ea  omnia  distin- 
ctins  numerosiusque  fortassean  dici  potuerint,  fortius  atque  vividius  potuisse 
diel  non  videntur.  Die  Schilderungen  des  Cicero  (bes.  Brut.  16,  63  ff.  85, 
293  f.,  auch  de  or.  I,  37,  171.  orat.  45,  152)  sind  theils  phraseologisch  ver- 
schwommen, theils  getrübt  durch  das  Bestreben  den  Cato  als  Schild  und 
als  Folie  für  sich  selbst  zu  benützen.  Verständig  Quintü.  II,  5,  21.  Im 
Allgemeinen  z.  B.  Ampel.  19,  8:  hie  est  omnium  rerum  peritissimus  et,  ut 
Sallustio  Crispo  videtur,  romani  generis  disertissimus.  Doch  schrieb  schon 
Verrius  Flaccus  de  obscuris  Catonis  (Gell.  XVII,  6,  2  f.).  Neuere  Literatur 
über  Cato  als  Redner:  E.  Schober,  diss.  de  Catone  Cens.  oratore,  Neisse, 
1825.  4.  F.  BUendt,  historia  eloq.  rom.  p.  13 — 15.  A.  Westermann,  Gesch. 
d.  röm.  Beredts.  23—27,  S.  37—53. 


184  Sechstes  Jahrhundert  d.  St. 

109  119.  Cato  verfasste  femer  die  erste  römische  Gescliichte  in 
lateinischer  Prosa,  mit  seinen  sieben  Büchern  Origines,  die  er 
in  seinen  späteren  Lebensjahren  begann  und  fast  bis  zu  seinem 
Tode  fortführte.  Das  Werk  zog  auch  die  übrigen  Volksstämme 
Italiens,  einschliesslich  Oberitaliens,  in  seinen  Kreis  und  be- 
handelte zugleich  das  Ethnographische  und  Culturgeschichtliche  in 
einem  umfange  welcher  gleichfalls  ohne  Nachfolge  blieb.  Im 
üebrigen  war  die  Darstellung  in  der  Weise  der  Annalisten  ge- 
halten, bald  mager,  bald  ausführlich  und  sogar  für  die  Aufnahme 
ganzer  Reden  des  Verfassers  Ilaum  findend. 

1.  Comel.  Nep.  Gat.  3,  3  f.:  senex  (also  wohl  nicht  vor  dem  sechzig- 
sten Lebensjahre,  580  d.  St.)  historias  scribere  instituit.  earum  sunt  libri 
VII.  primus  continet  res  gestas  regum  populi  rom.;  secundus  et  tertius 
unde  quaeque  civitas  örta  sit  italica;  ob  quam  rem  omnes  Origines  videtur 
appcUasse.  in  quarto  autem  bellum  poenicum  est  primum  (wohl  nebst 
summarischer  Darstellung  der  ihm  vorausgehenden  Jahrhunderte  der  Re- 
publik), in  quinto  secundum.  atque  haec  omnia  capitulatim  sunt  dicta 
(nach  den  Hauptsachen,  unter  Hervorhebung  besonders  bezeichnender  Hand- 
lungen und  Aeusserungen ,  Jordan  p.  LIY).  reliqua  quoque  bella  pari  modo 
persecutus  est,  usque  ad  praeturam  Ser.  Galbae  (genauer  bis  J.  605,  s.  A.  2) 
qui  diripuit  Lusitanos.  atque  horum  bellorum  duces  (z.  B.  Hannibal,  Ma- 
harbal;  aber  sicher  auch  die  römischen,  aus  den  dem  Verf.  so  wenig  thenren 
Adelsgeschlechtern;  vgl.  Plin.  N.  H.  VIII,  5,  11:  Cato,  cum  imperatorum 
nomina  annalibus  detraxerit,  eum  qui  fortissime  proeliatus  esset  in  poenica 
acie  Surum  tradidit  vocatum)  non  nominavit,  sed  sine  nominibus  res  notavit. 
in  eisdem  exposuit  quae  in  Italia  Hispaniisque  aut  fierent  aut  viderentur 
admiranda  (bemerkenswerth,  d'ccv[iccaicc,  nccQccSo^ct).  in  quibus  (wohl  über- 
haupt den  Origines)  multa  industria  et  diligentia  comparet,  nulla  doctrina 
(keine  Büchercitate ,  s.  Jordan  p.  LX).  Dionys.  Ant.  I,  11:  /7dpxtog  Kdxiov, 
6  tag  yevealoyiag  tmv  iv  'itaXia  nolsonv  inifisliürcita  cvvccyaymv.  ib.  74: 
Kdttov  IloQüiog  BllrivtyLov  fisv  ovx  oQt^ei  XQ^vov  (als  Gründungsjahr  Roms), 
innieXrig  dl  ysvofievog  el  y,a,C  rtg  aXXog  n^ql  trjv  üvvayoDyrjv  r^g  a^;i;cifto/lo- 
yovfisvrig  tatoqCag  ^teaiv  ccTtotpatvei  Sval  xal  xQui%ovta  %cil  tSTQa%oaioig 
vüTBQOvaav  raiv  'lliaxciv.  6  dh  xgovog  ovtog  dva^stifr}d'elg  raig  'E^atoad'i' 
vovg  (der  die  Zerstörung  Trojas  J.  1183  setzte)  XQOvoyqatpCaig  %axd  xo  nqmzov 
hog  TtCnxBi  xrig  tßSofirig  oXviiniccdog.    (1183 — 432  =  751.) 

2.  Festus  fd.  h.  Ven-ius  Flaccus)  p.  198  M.:  Originum  libros  quod  in- 
scripsit  Cato  non  satis  plenum  titulum  propositi  sui  videtur  amplexus, 
quando  praegravant  ea  quae  sunt  rerum  gestarum  p.  rom.  Fronto  p.  203  N.: 
Cato,  .  .  qui  .  .  italicarum  originum  pueritias.  inlustravit.  Der  Titel  (An- 
fänge, Urgeschichte)  erklärt  sich  am  besten  bei  der  Annahme  dass  die  drei 
ersten  Bücher  zuerst  allein  erschienen  (ähnlich  Lewis;  zustimmend  H.  Peter). 
Vom  siebenten  Buche  wenigstens  ist  gewiss  dass  es  erst  nach  den  andern 
ausgearbeitet  und  veröffentlicht  wurde;  s.  Cic.  Brut.  23,  89:  Lusitanis  a  Ser. 
Galba  praetore  (J.  603)  .  .  interfectis  T.  Libone  tribuno  pl.  (605)  populum 


119.  Prosaisten:  M.  Porcius  Cato  (Origines).  185 

incitaute  .  .  M.  Cato  legem  suadens  in  Galbam  multa  dixit;  quam  oratio- 
nem  in  Origines  snas  rettnlit,  paucis  anteqoam  mortuus  est  diebus  an  men- 
sibus.  Vgl.  Cato  bei  Cic.  Cato  mai.  (Scene  J.  604)  11,  38:  septimus  mihi 
liber  Originnm  est  in  manibus.  Gell.  XIII,  25  (24),  15:  Cato  ex  Originum 
septimo,  in  oratione  quam  contra  Ser.  Galbam  dixit.  Die  Herausgabe  der  drei 
ersten  Bücher  könnte  um  588  erfolgt  sein,  da  das  Alter  von  Ameria  darin 
nach  dem  Kriege  mit  Perseus  bestimmt  war  (Plin.  N.  H.  III,  14,  114:  Ame- 
riam  .  .  Ca^o  ante  Persei  bellum  conditam  annis  DCCCCLXIV  prodit). 
Üebrigena  war  die  ins  fünfte  Buch  aufgenommene  Rede  Catos  pro  Bhodi- 
ensibuB  gleichfalls  schon  aus  J.  586  «»  168  v.  Chr.  Würde  man  daher  die 
ursprüngliche  YeröfFentlichung  auf  5  Bücher  erstrecken,  so  wäre  der  Titel 
a  parte  potiori  gewählt,  da  die  Hereinziehung  der  Urgeschichte  auch  des 
übrigen  Italien  Cato  eigenthümlich  war,  während  er  für  die  Urgeschichte 
Boms  an  Fabius  Pictor  einen  Vorgänger  hatte,  dem  er  hier  manchmal 
folgte  (vgl.  Dionys.  ant.  I,  79),  und  auch  die  Geschichte  der  beiden  puni- 
sehen  Kriege  von  jenem  vorher  bearbeitet  war.  Jordan  p.  XXIV:  qui  li- 
bros  Septem  ab  Aeneae  adventu  ad  Ser.  Galbae  praeturam  pertinentes 
'  Origines'  nominavit  satis  .  .  monstravit  sese  res  romanas  ab  origine  re- 
petitas  vel  ab  origine  libros  VII  composuisse.  Aber  dieselbe  Ausdehnung 
hatten  die  Werke  fast  aller  Annalisten,  ohne  dass  doch  der  Titel  Origines 
sonst  jemals  gewählt  worden  wäre. 

3.  Historiae  das  Werk  zu  nennen  berechtigte  sein  allgemeiner  Inhalt 
sowie  dass  es  von  B.  IV  an  Selbsterlebtes  enthielt;  so  Comel.  Nep.  1.  1. 
und  Serv.  Aen.  VI,  842 :  Cato  Censorius,  qui  scripsit  historias.  Plut.  Cat.  25 : 
öwstdtzsTO  Xoyovg  te  navxodanovs  nctl  taroqücg.  Zusammenstellung  mit  den 
Annalisten  bei  Cic.  de  or.  II,  12,  51:  Graeci  quoque  ipsi  sie  initio  scripti- 
tarunt  ut  noster  Cato,  ut  Pictor,  ut  Piso.  De  leg.  I,  2,  6:  post  annt^^es 
ponti£cum  maximorum  .  .  si  aut  ad  Fabium  aut  ad  .  .  Catonem  aut  ad  Piso- 
nem  aut  ad  Fannium  aut  ad  Vennonium  venias.  Plin.  n.  h.  VIU,  5,  11  (vgl. 
A.  1)  nennt  die  Origines  geradezu  annales.  Abweichend  von  der  Art  der 
bisherigen  Annalisten  war  jedenfalls  auch  die  Aufnahme  von  Reden  des 
Verfassers,  wie  Cato  überhaupt  haud  sane  detrectator  laudum  suarum  (Liv. 
XXXIV,  15,  9)  war.  Diese  Reden  scheinen  später  eigens  zusammengestellt 
worden  zu  sein  und  dadurch  (wie  die  aus  Sallusts  Historiae)  das  Werk  selbst 
dem  sie  ursprünglich  angehörten  überlebt  zu  haben  (vgl.  Jordan  p.  LVIII). 

4.  Das  Fehlen  von  Namen  (A.  1)  wie  die  Ungleichheit  der  Behandlung 
erschwerte  für  die  Späteren  die  Benützung  des  Werkes,  und  sie  zogen  es 
daher  meist  vor  auf  Fabius  Pictor  zurückzugehen. 

5.  Sammlung  der  Ueberreste  der  Origines  bei  Krause  p.  89  ff. ,  C.  L. 
Roth  p.  266—288,  H.  Jordan  p.  3—30  vgl.  p.  XIX— LXI.  A.  Wagner,  .  . 
Orig.  fragmenta  emendata,  disposita,  illustrata,  Bonn  1849.  68  pp.  8.  A.  Bor- 
mann, .  .  Originum  libri  VII.  reliquias  disposuit  et  de  instituto  operis 
disputavit.  Brandenburg  1858.  48  pp.  4.  H.  Peter,  bist.  I.  p.  51—94.  Vgl. 
H.  Jordan  in  Jahns  Jahrbb.  LXXIX.  S.  424—433.  J.  Vahlen,  Ztschr.  für 
östr.  Gymn.  1859.  S.  480—489.    Auch  W.  Fröhner,  Philologus  XV.  S.  350  f. 

6.  Schwegler  R.  G.  I.  S.  81  —  84.  Gerlach,  Geschichtschr.  S.  56—68. 
L.  Kieserling,  de  rer.  script.  p.  23—29.   H.  Peter,  bist.  p.  CXXVII— CLXVH. 


186  Sechatee  Jahrhundert  d.  St. 

110  120,  In  der  Form  von  Lehren  für  seinen  8ohn  veröffent- 
lichte Cato  auf  seine  Erfahrungen  gegründete  Anleitungen  zur 
Landwirtschaft,  Gresundheitspflege,  Beredtsamkeit,  wohl  auch 
zur  Kriegführung,  sowie  vielleicht  zur  Handhabung  des  Rechts. 
Namentlich  aus  den  drei  ersten  Gebieten  zeugt  manches  treffende 
Wort  von  seinem  Scharfblick.  Auch  verfasste  er  für  seinen 
Sohn  Lebensregeln  in  gebundener  Form  und  richtete  an  ihn 
Briefe.  Wie  er  die  Witzworte  Anderer  gesammelt  und  heraus- 
gegeben hatte,  so  sammelte  man  bald  auch  die  seinigen;  über- 
diess  lehnten  sich  im  Mittelalter  Spruchsammlungen  an  seinen 
Namen  an. 

1.  0.  Jahn,  über  römische  Encyclopädien,  Berichte  d.  sächs.  G.  d.  W. 
1850,  S.  263—273.  281.    H.  Jordan,  Caton.  q.  exst.  p.  XCIX  ff. 

2.  Der  Bachlich  passendste  Titel  für  das  didaktische  Hauptwerk  des 
Cato  ist  praecepta  ad  filium  (Non.  v.  mediast.,  p.  143).  Daneben  finden 
sich  allgemeine  Angaben,  wie  ad  filium,  libri  qnos  scripsit  ad  filium  (Serv. 
Georg.  II,  95),  oder  besondere  Bezeichnungen,  die'entweder  der  Form  ent- 
nommen sind  (oratio,  epistula)  oder  dem  Inhalt  (de  agricultura,  de  ora- 
tore).  Zweifelhaft  ist  dann  femer  der  Umfang  dieses  Werkes.  War  Cato 
auch  omninm  bonamm  artium  magister  (Plin.  N.  H.  XXXV,  2,  2  vgl.  XIV, 
4,  44:  insignis  .  .  claritate  litteramm  praeceptisque  omninm  rerum  expe- 
tendarum  datis  generi  romano)  und  konnte  Cic.  (de  or..  III,  33,  136)  von 
ihm  sagen:  nihil  in  hac  civitate  temporibus  Ulis  sciri  discive  potuit  qnod 
ille^  non  com  investigarit  et  scierit  tum  etiam  conscripserit,  so  fragt  es  sich 
doch  ob  diese  umfassende  Schrifkstellerei  in  einem  einzig^en  Werke  bei  ein- 
ander war.  Vorschrifken  über  Landwirtschaft  enthielten  die  libri  ad  filium 
jedenfalls;  s.  Jordan  p.  78  f.  CI  f.;  ebenso  war  die  Polemik  gegen  die 
griechischen  Aerzte  (vgl.  oben  53,  1)  und  mancherlei  Cfesundheitsregeln  an 
seinen  Sohn  gerichtet  (0.  Jahn  S.  265 — 268.  Jordan  p.  77  f.);  nicht  minder 
Kegeln  für  den  Redner  (Jordan  p.  80),  um  deren  willen  ihn  Quintil.  III,  1, 
19  (oben  43,  3)  für  den  ersten  Römer  erklärt  der  condidit  aliqua  in  hac 
materia.  Dass  die  Anleitung  sich  auch  auf  das  Kriegswesen  erstreckte, 
somit  der  liber  de  re  militari  (Jordan  p.  80 — 82  vgl.  p.  CII  f.)  ein  Bestand- 
theil  der  praecepta  ad  filinm  gewesen  wäre  (Jalin  S.  270  f.)  ist  an  sich 
ganz  glaublich,  wird  aber  durch  die  üeberreste  nicht  unterstützt,  da  sich 
in  diesen  weder  eine  Anrede  noch  eine  besondere  Berücksichtigung  des 
Standpunktes  eines  Lernenden  erkennen  lässt.  Vgl.  Eöchly  und  Rfistow, 
griech.  Kriegsschriftsteller  II  (1856)  S.  61—65.  Noch  mehr  gut  dies  von 
Cato's  juristischen  Schriften,  deren  er  jedenfalls  verfasst  hat  (Cic.  de  or.  III, 
33,  135:  num  quia  ins  civile  didicerat  causas  non  dicebat?  aut  quia  poterat 
dicere  iuris  scientiam  neglegebat?  utroque  in  genere  et  elaboravit  et  prae- 
stitit.  Pompon.  Dig.  I,  2,  2,  38:  deinde  —  nach  den  Aelii  —  M.  Cato, 
princeps  Porciae  familiae,  cuius  et  libri  exstant,  sed  plurimi  Marci  filii  eins, 
ex  quibus  ceteri  oriuntur,  Monunsen  ordiuntur).  Aber  da  sein  Sohn  auf 
diesem  Gebiete  berühmter  wurde,   so  ist  das  Citat  bei  Festus  p.  157  M. 


120  f.  Prosaisten:  M.  Porcius  Cato  (Praecepta,  de  re  nistica  u.  A.)     187 

(Cato  in  commentariis  iaris  civilis),  sowie  Cio.  de  or.  II,  33,  142  eher  auf 
diesen  zu  beziehen;  s.  124,  6.  Was  sicher  den  praecepta  angehört  lässt 
diese  als  eine  Art  Noth-  und  Hülfs-Bfichlein  fcir  einen  jungen  Römer  er- 
scheinen, eigenthümlich  geförbt  durch  die  originelle  energische  Persönlich- 
keit des  Verfassers,  zeugend  (wie  auch  die  dicta)  von  einer  merkwürdigen 
Gabe  den  Nagel  auf  den  Kopf  zu  treffen  (z.  B.  rem  tene,  verba  sequentur; 
nihil  agendo  homines  male  agere  discunt),  und  in  kategorischem,  fast  ora- 
kelhaftem  Tone  gehalten. 

3.  Dass  der  liber  Catonis  qui  inscriptus  est  Carmen  de  moribus  (Gell. 
XI,  2,  2  vgl.  Non.  p.  466)  den  praecepta  angehört  habe  macht  liber  wie 
Carmen  unwahrscheinlich.  Wenn  es  ein  Yersmass  hatte  (vgl.  oben  59,  2), 
so  war  diess  ohne  Zweifel  das  satumische  (Bitschi,  Vahlen,  Jordan);  doch 
lassen  die  wenigen  Ueberreste  (Jordan  p.  82  f.)  dieses  nur  theilweise  er- 
kennen. Vgl.  Bitschi,  poes.  Saturn,  spicileg.  I.  Bonn  1854.  4.  p.  7  ff. 
J.  Vahlen,  Ztschr.  f.  d.  östr.  Gymn.  1869,  S.  469—477.  H.  Jordan  p.  CHI  f. 
Für  trochäische  Septenare  sprachen  E.  Kärcher  (Philologps  VIII.  S.  727 — 
731  vgl.  IX.  S.  412—425)  und  A.  Böckh  (Monatsber.  der  Berl.  Akad.  Mai 
1854,  S.  264 — 282),  für  Sotadeen  A.  Fleckeisen  (Catonianae  poesis  reliquiae, 
Lips.  1864). 

4.  Briefe  des  Cato  an  seinen  Sohn  werden  erwähnt  von  Cic.  (de  off.  I, 
11,  10)  und  Plutarch  (Cato  maL  20.  Quaest.  rom.  39),  ohne  dass  die  Art 
der  Anführung  auf  einen  Bestandtheil  der  praecepta  hinwiese.  Ob  Cato 
auch  an  Andere  gerichtete  Briefe  veröffentlichte  ist  unsicher.  Jordan  p.  83  f. 

vgl.  p.  crv  f.       ^ 

5.  Cic.  off.  I,  29,  104:  multa  multorum  facete  dicta,  ut  ea  quae  a  sene 
Catone  collecta  sunt,  quae  vocant  'Anocp&iypMta.  Plut.  Cato  mai.  2  extr.: 
fis^riQfirjvBVfjuiva  (aus  dem  Griechischen)  noXXa  xata  Xi^iv  iv  zoig  'Ano~ 
(p0'6yfioc(it  «al  ratg  yvmiLoloyicci^g  (Witzworte  und  Sentenzen,  wohl  zwei 
Arten  derselben  Gattung)  tita%xai,.  Vgl.  Jordan  p.  CVI  und  83,  Bhein. 
Mus.  XIV.  S.  261—283,  und  in  Jahns  Jahrb.  73,  S.  384—391. 

6.  Die  eigenen  dicta  des  Cato  scheinen  bald  nach  seiner  Zeit  gesam- 
melt worden  zu  sein,  aus  persönlicher  Erinnerung  wie  aus  seinen  Schriften 
(bes.  Beden).  Cicero  und  Cornelius  Nepos  kannten  ohne  Zweifel  schon  eine 
solche  Sammlung;  die  meisten  aber  hat  Plutarch  überliefert;  Zusammen- 
stellung bei  Jordan  p.  97  — 111  vgl.  p.  CVI  f.  Viel  später  wurden  aus 
seinen  Schriften  (bes.  Beden)  scharfe  Unterscheidungen  synonymer  Aus- 
drücke von  Grammatikern  ausgehoben,  was  das  Missverständniss  erzeugte 
als  hätte  er  selbst  über  Synonymik  (differentiarum  liber)  geschrieben; 
Jordan  p.  CVII  f. 

7.  lieber  die  metrische  Spruchsammlung  unter  dem  Namen  Cato  s. 
oben  24,  2  ff. 

121.   Vollständig  erhalten  ist  uns  von  sämmtiichen  Schriften  in 
des  Cato  nur  das  Buch  de  re  rustica,  eine  für  ein  bestimmtes 
Gut   (des   L.  Manlius)    bei   Casinum   und   Venafrum   berechnete 
Anleitung   zu    dessen   Bewirtschaftung.     Auf  den   ersten    syste- 


188  Sechstes  Jahrhundert  d.  St. 

matischen  Theil  folgt  in  ziemlicher  Unordnung  eine  bunte  Menge 
von  Recepten,  Haushaltungsregeln,  Formeln  für  Kauf  und  Miethe, 
für  Opfer  und  sympathetische  Ouren.  Der  Ton  entspricht  der 
schroffen  Weise  des  Cato:  aphoristisch  hingeworfene  kurze  Sätze 
von  grosser  Bestimmtheit  lösen  einander  ab.  Die  Sprache  hat 
nicht  viel  Alterthümliches;  daher  in  der  Schrift  uns  eine  spätere 
Ueber arbeitung  vorliegen  wird,  zu  welcher  der  Inhalt  wie  der 
Mangel  eines  erkennbaren  Planes  einlud. 

1.  Text  in  den  Sammlungen  der  Bcriptores  rei  rusticae;  s.  oben  52,  5. 
Besonderer  Abdruck  cura  Haynisch^  Schleiz  1743.  üebersetzt  von  6.  Gross 
(Halle  1787),  Ganter  (Donaueschingen  1844).  Erhaltung  in  der  ursprüng- 
lichen Gestalt  (allmähliche  Entstehung  aus  gelegentlich  gemachten  Auf- 
zeichnungen für  den  Privatgebrauch)  behaupten  B.  Klotz  (über  die  ur- 
sprüngliche Gestalt  von  Cato*s  Schrift  de  r.  r.,  in  Jahns  Jahrbb.  Suppl.  X. 
1844.  S.  5  if .  vgl.  seine  lateinische  Literaturgeschichte  I.  S.  22 — 24)  und 
L.  Dietze,  de  serm.  Gat.  (1871)  p.  4  f.;  modernisierende  Ueberarbeitung 
H.  Keil,  observationes  criticae  in  Catonis  et  Varronis  de  r.  r.  libros  (Halle 
1849.  101  pp.  8.),  bes.  p.  66—76.  Zur  Textkritik  Keil  l.  l.  und  Monatsber. 
d.  Berl.  Akad.  1852,  S.  160  f.  H.  Usener  im  Rhein.  Mus.  XIX.  S.  141—144. 

2.  Die  Beziehung  auf  ein  bestunrntes  Gut  hat  nachgewiesen  K.  W. 
Nitzsch,  über  Cato's  Buch  vom  Landbau,  Zeitschr.  f.  d.  Alt.  Wiss.  1845, 
Nr.  62—64,  S.  493—511.  Daraus  erklärt  sich  die  besondere  Berücksichti- 
gung des  WeinbauB  (Casinum)  und  Olivenbaus  (Venafrum),  während  vom 
Getreidebau  wenig  die  Bede  ist,  weil  auf  dem  Gute  des  L.  ManhuB  die 
Aecker  verpachtet  waren,  ungenau  daher  Varro  (R.  R.  I,  2,  28):  in  magni 
illius  Catonis  libro  qui  de  agri  cultura  est  editus.   H.  Aurel.  an  Fronte  lY, 

-6  (p.  69  N.):  legi  ex  agricultura  Catonis.  Dagegen  bei  Cic.  Cato  m.  15,  54: 
in  eo  libro  quem  de  rebus  rusticis  scripsL  Ein  Theil  des  Gutes,  der  zur 
Winterwaide  bestimmte,  bestand  auch  aus  ager  publicus.  Sogar  Hand- 
werkeradressen aus  Casinum  und  Venafrum  c.  135.  üeber  die  in  der  Schrift 
vorkommenden  Pflanzen  s.  E.  Meyer,  Gesch.  der  Botanik  L  S.  841 — 347. 

3.  Bezeichnend  'für  den  Geist  und  Ton  ist  namentlich  c.  143  über  die 
vilica,  z.B.:  ea  te  metuat.  facito  ne  nimium  luxuriosa  siet.  vicinas  aliasque 
mulieres  quam  minimum  utatur,  neve  domum  neve  ad  sese  recipiat.  ad 
cenam  ne  quo  eat  neye  ambulatrix  siet.  rem  divinam  ni  faciat.  .  .  scito 
dominum  pro  tota  familia  rem  divinam  facere.  munda  siet.  villam  con- 
versam  mundamque  habeat.  u.  s.  f. 

112  122.  Zeitgenossen  des  Cato  die  wir  als  Redner  kennen  sind 
Q.  Fabius  Maximus  (Cunetator),  Q.  Caecilius  Metellus,  M.  Cor- 
nelius Cetbegus,  P.  Licinius  Crassus  (Dives),  der  ältere  Africa- 
nus,  der  Vater  der  beiden  Gracchen,  sowie  L.  Papirius  und  L. 
Paulus. 

1.    Q.  Fabius  Q.  f.  Q.  n.  Maximus  Verrucosus,  Cos.  521,  526,  539,  640, 


121  f.  ProsaiBien:  Cato.  Fabius  Cnnctator,  A^canus  d.  alt.  u.  A.       189 

545;  Censor  524;  Dictator  537;  s.  A.  Haakh  in  Pauly's  Beal-Enc.  VI,  2. 
S.  2901  —  2911.  Cic.  Cato  m.  4,  12:  malta  m  eo  viro  praeclara  cognovi, 
sed  nihil  est  admirabilius  quam  quo  modo  ille  mortem  filii  tulit,  clari  viri 
et  consularis.  est  in  manibus  laudatio;  quam  cum  legimus,  quem  pbijo- 
sophum  non  contemnimus?  Plut.  Fab.  1:  diaamistai  ävtov  loyog  ov  slnsv 
iv  xa  Srifim,  tov  npcidbg  avzov  fiBd"'  vnatBCav  dnoQ'avovtog  iy%<6fLiov. 
ib.  25:  z6  ^  iyamiiiov  .  .  avxog  slns  natccatäg  iv  ccyoQoi  xal  yifdipag  tov 
loyov  i^id(o%fv.  Ob  „Fabius  Maximus:  amitti  quam  apisci"  bei  Priscian. 
Yin.  p.  380,  16  f.  Htz.  daraus  ist  steht  nicht  fest;  s.  Hertz  zu  d.  St.  Der 
Sohn  (Cos.  541)  wird  nicht  vor  J.  548  gestorben  sein;  s.  Haakh  a.'  a.  0. 
S.  2911,  Nr.  32. 

2.  Q.  Metellus,  Cos.  548;  s.  Haakh  a.  a.  0.  II.  S.  23,  Nr.  3.  Plin.  N.  H. 
Yn,  43:  Q.  Metellus  in  ea  oratione  quam  habuit  supremis  laudibus  patris 
sui  L.  Metelli  (Cos.  503;  Dictator  530)  .  .  scriptum  reliqnit  etc.  Vgl.  Cic. 
Brut.  14,  57. 

3.  M.  Cornelius  Cethegns,  Cos.  550,  gestorben  558;  s.  C.  Errafft  in 
Pauly's  Beal-Enc.  II.  S.  686,  Nr.  1.  Als  Bedner  gepriesen  von  Q.  Ennius, 
8.  Cic.  Brut.  15,  67—59.    Cato  m.  14,  50.    Enn.  ed.  Vahlen  p.  45  f.  IV  f. 

4.  P.  Licinius  Crassus  Dives,  Cos.  549,  t  571;  s.  W.  Teuffei  in  Pauly's 
Beal-Enc.  IV.  S.  1054  f.  Nr.  10.  Liv.  XXX,  1,  5:  facundissimus  habebatur 
seu  causa  oranda  seu  in  senatu,  ad  populum  suadendi  aut  dissuadendi  locus 
esset;  iuris  pontificü  peritissimus.  Vgl.  Cic.  de  or.  III,  33,  134.  Cato  mal. 
20,  50  (et  pontificü  et  civilis  iuris  Studium). 

5.  Der  ältere  Africanus  (Cos.  549.  u.  560),  f  um  570;  s.  C.  Erafft  a.  a. 

0.  n.  S.  654—661.  F.  D.  Gerlach,  Scipio  Afr.  der  ältere  und  seine  Zeit, 
Basel  1868.  176  S.  Cic.  Brut.  19,  77:  ipsum  Scipionem  accepimus  non  in- 
fantem  fuisse.  Liv.  XXXIX,  52,  3:  tribunus  pl.  M.  Naevius  (J.  567  oder 
669),  ad  versus  quem  oratio  inscripta  P.  Africani  est.  vgl.  XXXYIII,  56. 
Gell.  IV,  18,  6:  fertur  etiam  oratio  quae  videtur  habita  eo  die  a  Scipione; 
et  qni  dicunt  eam  non  veram  u.  s.  w.  Cicero  glaubte  nicht  an  ihre  Echt- 
heit; s.  Off.  in,  1,  4:  nulla  eins  ingenii  monumenta  mandata  litteris;  und 
sicher  war  sie  apokryph,  s.  Nissen,  krit.  Unters.  S.  51.  lieber  seinen  Sohn 
s.  126,  3|  über  seinen  Schwiegersohn  Nasica  s.  126,  4.  Den  Laelius  auch 
dieses  Africanus  rühmt  als  politischen  Bedner  Sil.  It.  XV,  453—458. 

6.  TL  Sempronius  P.  f.  Ti.  n.  Gracchus,  Cos.  577  u.  591,  Censor  585; 
8.  A.  Haakh  a.  a.  0.  VI,  1.  S.  978—981.  Cic.  Brut.  20,  79:  erat  isdem 
temporibns  Ti.  Gracchus  .  .  cnius  exstat  oratio  graeca  apud  Bhodios  (J.  589 
oder  693).  quem  civem  cum  gravem  tum  etiam  eloquentem  constat  fuisse. 
Auch  von  ihm  (vgl.  A.  5)  gab  es  eine  apokryphe  (Vertheidigungs-)  Bede 
in  dem  Processe  seines  Schwiegervaters,  des  älteren  Africanus;  s.  Liv. 
XXXVni,  56,  2  ff.  Von  seiner  Gattin,  Cornelia,  sind  in  den  Hdss.  des 
Cornelius  Nepos  (wohl  aus  dessen  Abschnitt  de  oratoribus  romanis)  zwei 
grössere  Bruchstücke  eines  Briefes  an  ihren  Sohn  Gajus  (vom  J.  630)  er- 
halten. Dass  es  Briefe  von  ihr  im  Alterthum  gab  ist  unzweifelhaft  (Cic. 
Brut.  58,  211:  legimus  epistulas  Comeliae,  matris  Gracchorum:  apparet 
fiÜos  non  tarn  in  gremio  educatos  quam  in  sermone  matris.   Vgl.  Quintil.  I, 

1,  6.    Plut.  C.  Gracch.  18:  iv  toig  imctoX^oig  avTTJg);   ob  aber  die  auf  uns 


190  Sechstes  Jahrhundert  d.  St. 

gekommenen  echt  seien  ist  schon  bezweifelt  worden  (A.  G.  Lajige,  Ver- 
mischte Schrifben  S.  108  ff.  S.örgel,  Comeliae  .  .  epistolarum  fragmenta 
genuina  esse  non  posse,  in  W.  Bauer  und  G.  Friedlein,  Blätter  für  das 
b^erische  Gymnaflialscholwesen,  III.  1866.  p.  101  ff.  144  ff.),  wenn  auch 
gewiss  mit  Unrecht.  Ein  Rhetor  hätte  die  Mutter  der  Gracchen  wohl  eher 
'  für  Freiheit  und  für  Bache  an  den  Mördern  des  Bruders  declamieren 
lassen  (vgl.  oben  44,  6);  nimmermehr  aber  w&re  einem  solchen  diese  Ver- 
bindung von  altrömisch-mftnjilicher  Energie  des  Gedankens  mit  weiblicher 
Weichheit  und  Sorglosigkeit  der  Stilisierung  gelungen.  Vgl.  auch  L. 
Mercklin,  de  Comeliae  vita,  moribus,  epistolis,  Dorpat  1845.  Nipperdej, 
spicileg.  p.  84 — 105.  Sörgel,  Cornelia  d.  Mutter  d.  Gr.,  ein  römisches 
Frauenbild,  Erlangen  1869. 

7.  Cic.  Brut.  46,  170:  apud  maiores  nostros  video  disertissimum  habi- 
tum  ex  Latio  L.  Papirinm  Fregellannm,  TL  Gracchi  P.  f.  fere  aetate;  eins 
etiam  oratio  est  pro  Fregellanis  colonüsque  latinis  habita  in  senatu. 

8.  L.  Aemilius  L.  f.  M.  n.  Paulus,  Cos.  572  und  586,  f  694;  s.  W. 
Teuffei  in  Pauly's  Real-Enc.  I,  1.  S.  368  —  370.  Cic.  Brut.  20,  80:  etiam 
L.  Paulus,  Africani  pater,  personam  principis  civis  facile  dicendo  tuebatur. 
Vgl.  Liv.  XLV,  8.  Val.  Max.  V,  10,  2:  quem  casum  (Tod  seiner  Söhne) 
quo  robore  animi  sustinuerit  oratione  quam  de  rebus  a  se  gestis  apud  po- 
pulum  habuit  hanc  adiciendo  clausulam  nulli  ambiguum  reliquit.  Vgl.  Liv. 
XLV,  41.  Plui  Aem.  P.  36.  Decret  von  ihm  (L.  Aimilius  L.  f.  inpeirator) 
aus  der  Zeit  seines  Oberbefehls  in  Spanien  (vom  19.  Januar  565  d.  St.), 
utei  quei  Hastensium  servei  in  Turri  Lascutana  habitarent  liberei  essent, 
auf  einer  Erztafel  J.  1867  gefunden;  s.  C.  I.  lat.  n.  Add.  5041,  nebst  Her- 
mes III.  S.  243—260.  261—267. 

113  128«  Uüter  den  jüngeren  Zeitgenossen  des  Cato  welche  im 
sechsten  Jahrh.  d.  St.  Redner  waren  sind  besonders  bemer- 
kenswerth  C.  Sulpicius  Gallus  und  C.  Titius,  jener  wegen 
der  Gründlichkeit  seiner  Bildung,  dieser  weil  er  auch  Tragödien 
verfasste. 

1.  C.  Sulpicius  C.  f.  C.  n.  Gallus,  Cos.  588,  f  «04  (s.  Cic.  Brut.  23,  90) ; 
vgl.  Haakh  in  Pauly's  Beal-Enc.  VI,  2.  S.  1493  f.  Nr.  29.  Cic.  Brut.  20,  78  : 
de  minoribus  C.  Sulpicius  Qallus  maxime  omnium  nobilium  graecis  litteris 
studuit,  isque  et  oratorum  in  numero  est  babitiis  et  fmi  reliquis  rebus 
omatus  atque  elegans.  Off.  I,  6,  19:  Tidebamus  in  studio  dimetiendi  paene 
caeli  atque  terrae  C.  Gallum.  .  .  quam  delectabat  eum  defectiones  solis  et 
lunae  multo  ante  nobis  praedicere!  Seine  angebliche  VorausYerkündigung 
der  Mondsfinstemiss  in  der  Nacht  vor  der  Schlacht  bei  Pydna  (vom  21 — 
'22.  Juni  586  d.  St.  *»  168  v.  Chr.  nach  dem  proleptischen  julianischen 
Kalender)  hat  Th.  H.  Martin,  Revue  aroh^ol.  1864.  I.  p.  192  ff.^  wohl  mit 
Recht  auf  eine  nachträgliche  Erklänmg  der  Naturerscheinung  am  darauf- 
folgenden Tage  beschränkt.  Als  astronomischen  Schriftsteller  führt  ihn 
Plinius  im  Ind.  auct.  zu  Buch  11  auf,  vgL  N.  H.  II,  19,  21 :  in  qua  sententia 
(des  Pythagoras  über  die  Entfernung  der  Qestime  von  einander)  et  Gallus 


123  f.  Redner  und  Juristen:  Gallus.  Titins.  Aelii.  191 

Sulpicius  noster  foit.   Vgl.  ib.  c.  9:  ab  imperatore  productus  ad  praedicen- 
dam  eclipsim,  mox  et  composito  volnmine. 

2.  Macrob.  11,  12  »  III,  16,  14:  C.  Titins,  yir  aetatis  Lncilianae,  in 
oratione  qna  legem  Fanniam  (J.  693)  snasit.  Cic.  Brut.  45,  167:  eiusdem 
(wie  M.  Antonios  and  L.  Grassus)  fere  temporis  foit  eques  rom.  C.  Titins, 
qni  meo  indicio  eo  pervenisse  videtnr  quo  potuit  fere  latinus '  orator  sine 
graecis  litteris  et  sine  multo  usu  pervenire.  huius  orationes  tantum  argu- 
tiarum,  tantum  exemplomm,  tantum  urbanitatis  habent  ut  paene  attico 
stilo  scriptae  esse  videantur.  easdem  argutias  in  tragoedias  satis  quidem 
ille  acute,  sed  pamm  tragice  transtulit.  Ist  die  lex  Fannia  die  vom  J.  593 
(und  eine  andere  dieser  Art  kennen  wir  nicht),  so  muss  Titins  erst  in 
seinen  späteren  Lebensjahren  sich  der  Tragödie  zugewandt  haben.  Vgl.  die 
Ordnung  bei  Fronto  Epist.  I,  7.  p.  20,  6  N. :  contigisse  quid  tale  M.  Porcio 
aut  Q.  Ennio  aut  C.  Graccho  aut  Titio  poetae?  Bücheier  bezieht  auf  ihn 
NoviuB  Y.  68  It.:  in  tragoedia  Titi.  Ein  Anderer  ist  der  C.  Titins  des 
J.  666  (vgl.  Pauly's  Eeal-Enc.  VI,  2.  S.  2009,  Nr.  4).  üebrigens  leiden  die 
Angaben  Ciceros  zum  Theü  an  Ünwahrscheinlichkeit.  Wer  Tragödien 
verfasste  kann  nicht  ohne  Kenntniss  der  griechischen  Literatur  überhaupt 
(wohl  aber  vielleicht  der  rednerischen)  gewesen  sein;  imd  wenigstens  der 
erhaltene  grössere  üeberrest  einer  Rede  des  Titins  zeugt  weniger  von 
argutiae,  Urbanität  und  attischem  Stil  als  derber  Energie  und  drastischer 
Detailmalerei.  Jedenfalls  aber  wird  Titius  J.  593  noch  jung  gewesen  sein. 
—  Haym,  de  C.  Titio,  Lauban  1832.  4.  Momnusen  R.  G.  II*.  S.  403  f. 
vgl.  456.    Bücheier  im  Greifswalder  Ind.  lect.  f.  1868  f.  p.  4. 

124.  Namhafte  Juristen  aus  dem  sechsten  Jahrh.  d.  St.ll4 
sind  die  beiden  Aelii,  PubKus  und  besonders  dessen  jüngerer 
Bruder  Sextus,  der  erste  Verfasser  eines  juristischen  Buches, 
betitelt  Tripertita,  weil  es  die  zwölf  Tafeln,  deren  Auslegung, 
und  das  Klagformulajr  zum  Inhalt  hatte.  Ausserdem  Scipio  Na- 
sica,  L.  Atilius  (oder  Acilius),  Q.  Fabius  Labeo  und  Cato's  Sohn. 

1.  P.  Aelius  Q.  f.  P.  n.  Paetus,  Cos.  663,  Censor  555,  t  580.  W.  TeuiFel 
in  Pauly's  Real-Enc.  I,  1.  S.  332,  Nr.  6.  Pompon.  Dig.  I,  2,  2,  38:  deinde 
(nach  Ti.  Coruncanius)  Sex.  Aelius  et  frater  eins,  P.  Aelius,  et  P.  Atilius 
TnaTJTnaTn  scientiam  in  profitendo  habaerunt,  ut  duo  Aelii  etiam  consules 
fuerint.    Atilius  autem  primus  a  populo  Sapiens  appellatus  est. 

2.  Sex.  Aelius  Paetus  Catus,  Cos.  556,  Censor  560.  W.  Tcuffel  a.  a.  0. 
S.  332  f.  Nr.  6.  Cic.  de  or.  I,  48,  212:  sin  quaereretur  quisnam  iuris  con- 
sultus  vere  nominaretur,  eum  dicerem  qui  legum  et  consuetudinis  eins  qua 
privati  in  civitate  uterentur  et  ad  respondendum  et  ad  agendum  et  ad 
cavendum  peritus  esset;  et  ex  eo  genere  Sex.  Aelium^  M\  Manilium,  P.  Mu- 
cium  nonunarem.  Brut.  20,  78:  Sex.  Aelius,  iuris  quidem  civilis  omnium 
peritissimus,  sed  etiam  ad  dicendum  paratus.  Cato  mai.  9,  27:  nihil  Sex. 
Aelius  tale  (über  das  Alter),  nihil  multis  annis  ante  Ti.  Coruncanius,  nihil 
modo  P.  Crassufl  (s.  122,  4),  a  quibus  iura  oivibus  praescribebantur,  quo- 
rom  ttsque  ad  extremum  spiiitum  est  provecta  prudentia.    Pompon.  1.  1.: 


192  Sechstes  Jahrhundert  d.  St. 

Sex.  Aelium  etiam  Ennius  laudavit,  et  ezstat  illius  liber  qui  inscribitur 
Tripertita,  qui  über  veluti  cnnabula  iuris  continet.  Tripertita  autem  dici- 
tur  quoniam  lege  XII  tabularum  praeposita  iungitur  interpretatio  (vgl. 
B.  Scholl,  Legis  XII  tabb.  reliqq.  p.  22—25),  deinde  subtezitur  legis  actio, 
eiusdem  esse  tres  alii  libri  referuntur,  quos  tarnen  quidam  negant  eiusdem 
esse,  sed  hos  sectati  ad  aliquid  Aeli  Gati  (nach  Huschke's  Verbesserung). 
Vgl.  ib.  7:  augescente  ciyitate,  quia  deerant  quaedam  genera  agendi,  non 
post  multum  temporis  spatium  (nach  Cn.  Flavius)  Sex.  Aelius  alias  actio- 
nes  composuit  et  librum  populo  dedit,  qui  appellatur  (in  der  späteren  Zeit) 
ius  Aelianum. 

3.  Pomponius  Dig.  I,  2,  2,  37:  fuit  maximae  scientiae  (als  Jurist)  .  . 
Graius  (?)  Scipio  Nasica,  qui  Optimus  a  senatu  appellatns  est  (J.  550; 
Cos.  561),  cui  etiam  publice  domus  in  sacra  via  data  est,  quo  facilius  con- 
suli  posset.    Vgl.  oben  87,  1. 

4.  L.  Atilius  bei  Pomponius,  s.  A.  1.  Dagegen  Cic.  Lael.  2,  6:  scimus 
L.  Acilium  apud  patres  nostros  appellatum  esse  Sapientem  .  .  quia  pru- 
dens  esse  in  iure  civili  putabatur.    Leg.  II,  23,  59:   hoc  (lessum  der  XII 

.    Tafeln)  veteres  interpretes  Sex.  Aelius,  L.  Acilius  non  satis  se  intellegere 
dixerunt. 

5.  Q.  Fabius  Labeo,  Cos.  571;  s.  A.  Haakh  in  Pauly's  Real-Enc.  VI,  2. 
S.  2912  f.  Nr.  37.  Cic.  Brut.  21,  81:  Ser.  Fabius  Pictor  et  iuris  et  litterarum 
et  antiquitatis  bene  peritus;  Quintusque  Fabius  Labeo  fuit  omatus  eisdem 
fere  laudibus.  Suet.  yita  Terent.  4  (p.  31  f.  Bffsch.):  Santra  Terentium 
putat .  .  uti  potuisse  .  .  Q.  Fabio  Labeone  et  M.  Popillio,  consulari  utroque 
ac  poeta.    Vgl.  oben  113,  5. 

6.  M.  Porcius  Cato  (Licinianus),  geb.  um  562,  f  602;  s.  W.  Teuffei  m 
Pauly's  Real-Enc.  V.  S.  1910,  Nr.  11.  Pomponius  s.  oben  120,  2.  Gell.  XIII, 
20  (19),  9:  ex  maiore  Catonis  filio,  qui  praetor  designatus  patre  viyo  mor- 
tuus  est  et  egregios  de  iuris  disciplina  libros  reliquit.  Inst.  I,  11,  12: 
apud  Catonem  bene  scriptum  refert  antiquitas  etc.  Ulp.  Dig.  XXI,  1,  10,  1 : 
Catonem  scribere  lego  etc.  Paul.  ib.  XXIV,  3,  44  pr.:  Nerva  et  Cato 
responderunt,  ut  est  relatum  etc.  u.  XLV,  1,  4,  1 :  Cato  libro  XV  scribit  etc. 
Besonders  bekannt  ist  er  durch  die  regula  Catoniana,  dass  für  die  Gültig- 
keit von  Legaten  der  Stand  zur  Zeit  ihrer  Errichtung  massgebend  sei; 
8.  darüber  den  Digestentitel  XXXIV,  7  und  Majansius  ad  Ict.  fragm.  I. 
p.  83 — 110.    E.  L.  Hamier,  de  regula  Catoniana,  Heidelberg  1820. 

115  125.  Einer  der  aristokratischen  Gegner  des  Gato^  M.  Ful- 
vius  Nobilior,  verfasste  und  veröfifentlichte  fasti.  Audi  dessen 
Sohn  Q.  bethätigte  Interesse  für  die  Literatur. 

1.  Der  Vater  war  Cos.  565  (in  AetoHen),  Censor  575.  Macrob.  Sat.  1, 12,  16 : 
Fulvius  Nobilior  in  fastis  (oben  72, 2)  quos  in  aedp  Herculis  Musarum  (gestiftet 
wohl  aus  der  atolischen  Beute,  vgl.  Plin.  N.  H,  XXXV,  10,  66.  G.  B.  de 
BoBsi,  sul  tempio  d'Ercole  e  delle  Muse  nel  portico  di  Filippo,  Bull,  dell' 
inst.  arch.  1869,  p.  3 — 12)  posuit  Bomulum  dicit  .  .  lunium  mensem  vocasse. 
Vgl.  ib.  13,  21:  Fulvius  id  egisse  M\  Acilium  cos.  dicit  a.  u.  c.  a.  DLXU, 


125  f.  Proßaistcn:  Fulviiis  Nobilior.  C.  Acilias.  Albinus.  193 

inito  niüx  Lello  aetolico.  Varro  L.  L.  VI,  33:  iit  Fulvius  scribit  et  lunias 
(über  den  Nanieu  Aprilis).  Cenaorin.  d.  n.  20,  2:  magis  lunio  Gracchano 
et  Fnlvio  et  Varroni  et  Suetonio  aliisque  crcdenduui.  ib.  4:  sive  a  Numa, 
ut  ait  Fulvius,  sive,  ut  lunius,  a  Tarquinio.  22,  9:  Fulvius  et  lunius 
auctores  sunt  (über  die  röm.  Monatsnamen).  Charis.  I.  p.  112  P.  =  p.  138, 
15  f.:  Nobiliore.  comparativa  Pliniiis  e  putat  ablativc  finiri;  antiquos 
tarnen  ait  per  i  locutos,  quippe  fastoa  omnes  et  libros  „a  Fulvio  Nobiliori" 
scriptum  rettulisse.  Vgl.  oben  72,  2  und  über  sein  Ycrbältniss  zu  Ennius 
A.  2.  u.  oben  99,  4.  5. 

2.  Cic.  Brut.  20,  79:  Q.  Nobiliorem  M.  f.  iam  patrio  instituto  deditum 
studio  littoraruui,  qui  etiam  Q.  Enuium,  qui  cum  patrc  eins  in  Aetolia  mili- 
taverat  (vgl.  oben  99,  4),  civitate  donavit  cum  triumvir  coloniam  deduxisset 
(J.  570,  wo  coloniae  duae,  Potentiam  in  Picenum,  Pisaurum  in  gallicum 
agrum  deductae  sunt,  Liv.  XXXIX,  44,  10;  vgl.  oben  99,  5).  Liv.  XLIX: 
Q.  Fulvius  Nobilior  ei  (dem  Cato)  saepe  ab  eo  in  senatu  laceratus  respondit 
pro  Galba  (J.  606,  auf  die  Klage  der  Lusitani).  Cos.  war  Quintus  J.  601, 
und  wahrscbeinlich  Censor  J.  618. 

126.    Geschichtschreiber  in  Cato's  Zeit  waren  ferner  C.  Aci-ii6 

lius,    A.   Postumius   Albinus,    sowie    der   Sohn    des    älteren 

Africanus,   welche    aber   alle    in  griechischer  Sprache  schrieben. 

Auch   der  ältere  Africanus,    sowie  Scipio   Nasica   lieferte   einen 

Beitrag  zur  Geschichte. 

1.  Cic.  off.  III,  32,  115:  Acilius  autem,  qui  graece  scripsit  historiam, 
pliures  ait  fuisse  qui  in  castra  revertissent  (nach  der  Schlacht  bei  Cannae). 
Das  "Werk  gieng  aber  (einleitungaweise?)  bis  auf  die  Gründung  Roms  zu- 
rück; 8.  Plut.  Eomul.  21  {Faios  'AniXiog  tatOQSt,  nffo  t^s  iir^ascag  etc.). 
Dionys.  Ant.  III,  67  (Fdiov  'AxClXiov  noiTiadfisvog  .  .  ^B^airnzriv).  Strab. 
y,  3,  3.  p.  230  (falls  hier  statt  des  handschriftlichen  oys  KvXio$  oder 
6  yiBKvXtog  mit  Schwegler,  R.  G.  I.  S.  80,  A.  1  'A%vXi,og  zu  schreiben  ist). 
Portgeführt  hatte  A.  seine  Geschichte  mindestens  bis  J.  560  (Liv.  XXXV, 
14,  5),  wahrscheinlich  aber  herab  bis  in  seine  eigene  Zeit,  falls  er  (was 
ziemlich  sicher)  der  C.  Acilius  Senator  ist  der  nach  Gell.  VI  (VII),  14,  9 
(vgl.  Plut.  Cat.  mal  22)  im  J.  599  bei  einer  griechischen  Gesandtschaft 
im  Senat  den  Dollmetscher  machte,  und  (was  ziemlich  wahrscheinlich)  bei 
Liv.  LIII  die  überlieferte  Schreibung  C.  lulius  Senator  graece  res  romanas 
scribit  (um  J.  612  d.  St.)  mit  M.  Hertz  (de  Cinc.  p.  12.  Rhein.  Mus.  XVII. 
S.  579  f.  A.  9)  in  Acilius  Senator  abzuändern  ist.  Später  wurde  das  Werk 
von  einem  Claudius  lateinisch  bearbeitet  und  in  dieser  Gestalt  von  Livius 
benützt;  s.  Liv.  XXV,  39,  12:  Claudius,  qui  annales  Acilianos  ex  graeco  in 
latinum  sermonem  vertit.  Vgl.  XXXV,  14,  5:  Claudius  secutus  graecos 
Acilianos  libros.  Dieses  Werk  war  sicher  nicht  identisch  mit  den  Annalen 
des  Cl.  Quadr.,  da  diese  mit  dem  gallischen  Brande  begannen,  Acilius  aber 
mit  der  Gründung  Roms.  Wahrscheinlich  sind  jedoch  auch  die  Personen 
dieser  beiden  Claudii  verschieden  (Sigonius,  F.  Lachmann,  H.  Nissen, 
Kieserling,  H.  Peter  bist.  I.  p.  CCXCVIIf.);  wenigstens  gibt*  es  für  ihre 
Identificiening  (Giesebrecht,  Plüss,    Mommsen  u.  A.)  keine  entscheidenden 

TsvrrsL,  KOm.  Literatiurgeechichte.   2.  Aufl.  13 


'■,'.;■  't. 

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194  Sechstes  Jahrhundert  d.  St. 

Gründe.  Im  Allgemeinen  vgl.  Gerlach,  Qeschichtschr.  S.  53  f.  Kieserling, 
rer.  rom.  script.  p.  29  f.  A.  Preuner  in  Pauly's  Real-Enc.  I,  1.  .S.  109 .f. 
Nr.  4.  H.  Nissen,  krit.  Untersuch.  S.  39—41.  H.  Peter,  hist.  I.  p.  CXIX— 
CXXII  u.  p.  44—48. 

2.  A.  Postumius  A.  f.  Albinus,  Cos.  603;  vgl.  A.  Haakh  in  Pauly's 
Real-Enc.  V.  S.  1941,  Nr.  33.  Polyb.  XL,  6:  AvXog  UoatovfjLiog  .  .  olyiiag 
fisv  fiv  v,al  ysvovg  tt^üotov,  xara  dl  xr^v  IdCav  cpveiv  at<oyLvXog  %al  Xdlog 
%al  7CS(fn6Q0g  SiacpsQOvxmg.  ini&vfn^oag  8h  sv&'ioag  Ix  nccldav  xrjg  sXXTjvinTJg 
dycoy^g  xal  diaXintov  noXvg  filv  f^v  iv  zovtoig.  .  .  tsXog  8s  xai  KOtrma 
yqdfpsiv  xal  nffay(iocTi%7iv  latOQiccv  insxsigriaev,  Cic.  Acad.  pr.  II,  45,  137: 
A.  Albinnm,  .  .  doctum  sane  hominem,  ut  indicat  ipsius  historia  scripta 
graece.  Brut.  21,  81:  vivo  Catone  minores  natu  multi  uno  tempore  ora- 
tores  flomerunt.  nam  A.  Albinus,  is  qui  graece  scripsit  historiam,  .  .  et 
litteratus  et  disertus  fuit.  Gell.  XI,  8,  2  ff.  (welchen  Macrob.  praef.  14  ff. 
wörtlich  ausschreibt):  Albinus  .  .  res  romanas  oratione  graeca  scriptitavit. 
Aus  Macrob.  (II,  16  =)  III,  20,  5:  Postumius  Albinus  Annali  primo  de 
Bruto:  ea  causa  sese  stultum  brutumque  faciebat  könnte  man  auf  das  Vor- 
handensein einer  lateinischen  üebersetzung  auch  dieses  Werkes  schliessen; 
doch  könnte  die  Üebersetzung  jener  Worte  ebenso  gut  von  dem  GewSJirs- 
manne  des  Macrob.  herrühren  wie  die  in  praef.  14  ff.  von  Cornelius  Nepos 
(Gell.  XI,  8,  5).  Jedenfalls  aber  scheint  es  hienach  dass  auch  Post,  irgend- 
wie auf  die  Anfänge  Roms  zurückgieng.  Serv.  Ae.  IX,  710:  Postumius  De 
adventu  Aeneae  et  Lutatius  Communium  historiarum  Boiam  .  .  dicunt  wird 
durch  die  Uebereinstimmung  mit  dem  falschen  Vict.  de  orig.  g.  rom.  15,  4 
nicht  empfohlen  und  scheint  auf  einem  Missverständniss  zu  beruhen.  Vgl. 
H.  Peter,  hist.  I.  p.  CXXV  f. 

3.  Cic.  Brut.  19,  77:  filius  eins  (des  älteren  Africanus),  .  .  si  corpore 
valuisset,  in  primis  habitus  esset  disertus;  indicant  cum  oratiunculae  tum 
historia  quaedam  graeca,  scripta  dulcissime.  Cat.  mai.  11,  35:  ad  pater- 
nam  magnitudinem  animi  doctrina  uberior  accesserat.  Vellej.  I,  10,  3: 
P.  Scipioni,  P.  Africani  filio,  nihil  ex  paterna  maiestate  praeter  specieni 
nominis  vigoremque  eloquentiae  retinenti.  Augur  ward  er  J.  574  (Liv.  XL, 
42,  13).     Seine  Grabschrift  in  Satumiern  im  C.  I.  lat.  I,  33  Q).  19). 

4.  Plut.  Aemil.  Paul.  15:  6  Naaiyiccg  iniKaXovfisvog  Zurjn^av  (Cos.  592 
u.  599,  Censor  595;  s.  C.  Krafft  in  Pauly's  Real-Enc.  IL  S.  667,  Nr.  12)  .  . 
ysy(faq)€i)g  negl  rav  ni^d^scav  zovtav  (im  Kriege  mit  Perseus)  iniatoXiov 
TtQog  TLva  tav  ßaciXioav.  Vgl.  ib.  16.  Cic.  Brut.  20,  79:  P.  etiam  Seipio- 
nem  Nasicam  .  .  habitum  eloquentem  aiunt.  Vgl.  Cato  mai.  20,  50.  üeber 
die  ähnliche  Schrift  des  älteren  Africanus  s.  oben  54,  1. 

117  127.  Eine  literarhistorisch  erwähnenswerthe  Persönlichkeit 
aus  dem  sechsten  Jahrh.  d.  St.  ist  auch  der  Freigelassene  Sp. 
Carvilius,  einer  der  Ersten  die  in  Rom  eine  öfifentliche  Schule 
errichteten  und  der  Ordner  des  römischen  Alphabets  von  21 
Buchstaben. 

1.    Plut.  Qnaest.  rom.  59,  p.  278  D:  ngcÖTog  dvsto^e   ygctfifiatoöiöaüTia' 


126  S.  Albinus.  Sp.  Carvilius.  L.  Attius.  195 

XsCov  ZnuQLog  Koc(fßtliog,  dnsXsvd'SQOs  Ka(fßiXiov  xov  ngtotov  ya{Ji,BtriV  i%ßct- 
lovTog,  üeber  die  Zeit  dieser  ersten  (willkürlichen)  Ehescheidung  schwan- 
ken die  Angaben  zwischen  J.  519  und  524;  s.  Ritsch!  Parerga  p.  68—70. 
Auch  W.  Rein  in  Pauly's  Real-Enc.  IL  S.  1188.  üeber  das  Alphabet  des 
Caryilius  s.  oben  S.  136. 

128.  Unter    den    Inschriften    des    sechsten    Jahrh.    welche  118 
keine  gebundene  Form  haben  nimmt  sprachlich  wie  sachlich  das 
SC.  de  Bacanalibus  die  hervorragendste  Stelle  ein.    Im  üebrigen 
ist  deren  Zahl  klein  ^   und  ihre  Bedeutung  gehört  theils  der  po- 
litischen Geschichte  theils  der  der  Schrift  an. 

1.  Das  SO.  de  Bacanalibus  vom  J.  568  in  Facsimile  bei  Ritschi  P.  L. 
M.  E.  XVm,  aufgeführt  und  erläutert  im  C.  I.  lat.  I,  196.  p.  43  f. 

2.  Ueber  das  Decret  des  L.  Aemilius  Paulus  vom  J.  565  d.  St.  s. 
oben  122,  8. 

3.  Von  den  Scipionengrabschriften  gehört  hieher  Nr.  36  (p.  20)  im 
C.  I.  lat.,  für  L.  Cornelius  Scipio,  Quaestor  587,  t  iiDi  5^3,  sowie  vielleicht 
Nr.  36  (c.  600?)  für  Scipio  Asiagenus.  Von  den  elogia  bezieht  sich  auf 
das  sechste  Jahrh.  das  des  L.  PauUus  (C.  I.  lat.  I.  p.  278,  I  vgl.  p.  289, 
XXX),  des  P.  Claudius  Pulcher  (ib.  p.  279,  IX),  des  älteren  Africanus 
(p.  280,  XIV),  Q.  Fabius  Maximus  (p.  288,  XXIX),  sowie  des  Vaters  der 
Gracchen  (p.  289,  XXXI). 

4.  Die  übrigen  datierbaren  Inschriften  des  sechsten  Jahrh.  (vom  An> 
fang  des  hannibalischen  Kriegs  an)  s.  im  C.  I.  lat.  I,  530 — 539,  p.  145 — 148. 

B.  Siebentes  Jahrhundert  d.  St. 
I.  Dichter. 

129.  ungefähr  zu  Anfang  des  siebenten  Jahrh.  d.  St.,  wie 1 19 
es  scheint,  hatte  das  Epos  einen  Vertreter,  Ennius  einen  Fort- 
setzer seiner  Annalen  an  Hostius  mit  seiner  Bearbeitung 
des  istrischen  Kriegs  der  Jahre  576  S,  Bedeutender  war 
L.  Attius,  geboren  J.  584  d.  St.  und  gestorben  um  650, 
berühmt  hauptsächlich  als  Verfasser  von  Tragödien,  welche 
Nachbildungen  von  griechischen  waren.  Die  Auswahl  welche 
Attius  unter  diesen  traf  zeugt  von  richtigem  Verständniss 
des  wahrhaft  Tragischen,  auch  einiger  Vorliebe  für  das  Ro- 
mantische, sowie  für  den  troischen  Sagenkreis.  Der  Ton  der 
Ueberreste  ist  lebhaft  und  bewegt,  häufiger  verständig  zuge- 
spitzt als  pathetisch.  Auch  original  römische  Stoffe  behandelte 
er  in  den  Prätexten  Aeneadae  s.  Decius  und  Brutus.  Ausserdem 
verfasst«    er    in    gebundener   Form    neun    Bücher   Didascalicon, 

13* 


m 


196 


Siebentes  Jahrhundert  d.  St. 


Pragmaticon  libri,  Parerga  und  Annales.  In  Vielseitigkeit,  Fonu- 
gewandtheit,  aufgeklärter  Richtung  luid  auch  künstlerischem 
Selbstgefühl  dem  Eniiius  ähnlich,  übertrifft  Attius  diesen  Vor- 
gänger an  Sorgfalt  und  Feile. 

1.  Das  bellum  istricum  des  Hoatius  ncheint  mindestens  aus  drei  Bü- 
chern bestanden  zu  haben;  vgl.  Macrob.  VI,  3,  6  und  5,  8  (libro  II  belli 
hiatrici).  Serv.  Aen.  XII,  121  (belli  histrici  primo).  Vgl.  Fest.  v.  scaevam 
und  tuesca,  p.  325.  356  M.  Diesen  relativ  unwichtigen  Krieg  eigens  zu 
behandeln  konnte  kaum  etwas  Anderes  bestimmen  als  die  Absicht  die 
Annales  des  Ennius  fortzusetzen.  Würde  man  aber  den  Titel  mit  Bergk 
(Fleckeisens  Jahrbb.  83,  S.  322)  auf  die  Kämpfe  des  J.  G25  beziehen,  so 
fiele  auch  dieser  Erklärungsgrund  weg.  Für  die  Ansicht  dass  hienach 
Hostius  der  früheste  Fortsetzer  des  Ennius  ist  spricht  auch  die  Aufführung 
desselben  bei  Serv.  1.  1.  nach  Ennius  und  vor  Asellio,  bei  Macrob.  VI,  5,  8 
nach  Naevius,  und  die  Beschaffenheit  der  Citate  aus  dem  Epos  (sient,  auch 
die  Messung  Dia  Minerva,  semol  autem  tu,  invictus  Apollo,  wenn  sie  sicher 
wäre)  ist  mindestens  nicht  dagegen.  Unzweifelhaft  würde  jene  Datienmg 
wenn  ganz  feststünde  dass  bei  Priscian.  VI.  p.  719  P.  =  270,  8  f.  Htz. 
(vetustissimi  etiam  „hoc  pecu",  und  „haec  pecua"  plurale,  dicebant.  Hosti- 
lius  in  I  annali:  saepe  greges  pecuum  ex  hibemis  pastibus  pulsae)  das 
handschriftliche  Hostilius  abzuändern  sei  in  Hostius.  Hiezu  würde  endlich 
stimmen  Prop.  III,  20,  8:  splendidaque  a  docto  fama  refulget  avo,  voraus- 
gesetzt dass  die  dort  angeredete  Cynthia  in  Wirklichkeit  Hostia  hiess  und 
eine  Römerin  war.  Vgl.  im  Allgemeinen  A.  Weichert,  poetar.  latin.  vitae 
p.  3—18. 

2.  Hieron.  zu  Euseb.  Chr.  a.  1878  =  616  d.  St.:  L.  Accius  tragoediarum 
scriptor  clarus  habetur,  natus  Mancino  et  Serrano  coss.  parentibus  liber- 
tinis  et  seni  iam  Pacuvio  Tarenti  sua  scripta  recitavit.  a  quo  et  fundus 
Accianus  iuxta  Pisaurum  dicitur,  quia  illuc  inter  colonos  fuerat  (sein  Vater, 
denn  die  deductio  geschah  schon  J.  570)  ex  urbe  deductus.  Der  Frcilasscr 
seines  Vaters  war  vielleicht  ein  Vorfahr  des  Ritters  T.  Attius  (Accius)  aus 
Pisaurum  in  der  Zeit  des  Cicero.  Accii  (und  Attii)  auf  Inschrr.  aus  Pisau- 
rum, Olivieri  marm.  Pisaur.  1738.  Die  gleicherweise  beglaubigten  Schrei- 
bungen Attius  und  Accius  sind  wohl  dialektisch  verschieden.  In  der  Kaiser- 
zeit wurde  die  mit  tt  allmählich  die  herrschende:  die  Griechen  schreiben 
immer  Attiog. 

3.  Cic.  Brut.  64,  229:  Accius  isdem  aedilibus  (um  614)  ait  se  et  Pacu- 
vium  docuisse  fabulam,  cum  ille  LXXX,  ipse  XXX  annos  natus  esset, 
p.  Arch.  11,  27:  D.  Brutus,  summus  vir  et  imperator  (Cos.  616),  Accii  ami- 
cissimi  sui  carminibus  templorum  ac  monumentorum  aditus  exomavit  suo- 
rum,  wozu  Schol.  Bob.  p.  369:  eins  versus  Satumii  a  D.  Bruto  Gallaeco 
vestibnlo  templi  Marias  superscripti.  —  Cornif.  ad  Her.  I,  14,  24:  mimus 
quidam  nominatim  Accium  poetam  compellavit  in  scena.  cum  eo  Accius 
niuriarum  egit.  hie  nihil  aliud  defendit  nisi  licere  nominari  eum  cuiua 
nomine  scripta  dentur  agenda.  Vgl.  ib.  II,  13,  19:  P.  Mucius  (iudex)  eum 
qui  L.  Accium  poetam  nominaverat  condemnavit.  —  Plin.  N.  H.  XXXIV, 


129.  Dichter:  Hostius.  L.  Attiuß.  197 

10:  notatum  ab  auctoribus  est  L.  Accium  i)oetam  in  Camenarum  aede  ma- 
xima  forma  stataam  sibi  posuisse,  cum  brevis  admodum  fuiaset.  —  Cic. 
Brut.  28,  107:  D.  Brutus  M.  filiu8,  ut  ex  familiari  eius  (vgl.  leg.  II,  21,  54) 
L.  Accio  poeta  »um  audire  solitus,  u.  s.  vr.  —  Val.  Max.  III,  7,  11:  poeta 
Accius  .  .  luUo  Caesari,  amplissimo  ac  florentissimo  viro  (selbst  auch  Ver- 
fasser von  Tragödien^  aedilis  J.  664,  starb  J.  667),  in  conlegium  poetarum 
venienti  numquam  adsurrexit,  .  .  quod  in  comparatione  communium  stu- 
diorum  aliquanto  se  superiorem  esse  confideret.  üeberdiess  war  Attius  um 
etwa  40  J.  älter  als  dieser  Eunstgenosse.  —  Tod  des  Attius  sexagesimo 
anno  (rund)  vor  der  Wiederholung  seines  Tereus  im  J.  710  d.  St.,  Cic. 
Phil.  I,  15,  36  vgl.  ad  Att.  XVI,  2,  3  und  5  in. 

4.  Quintil.  V,  13,  43:  aiunt  Attium  interrogatum,  cur  causas  non  age- 
ret,  cum  apud  eum  in  tragoediis  tanta  vis  esset  optime  respondendi,  hanc 
reddidisse  rationem:  quod  illic  ea  diceret  quae  ipse  vellet,  in  foro  dicturi 
adversarii  essent  quae  minime  vellet.  Bei  Cic.  p.  Plane.  24,  59  heisst  er 
gravis  et  ingeniosus  poeta,  Sest.  56,  120:  summus  poeta.  Die  Epitheta  al- 
tus  (Hör.  Ep.  II,  1,  56),  animosi  oris  (Ovid.  Am.  I,  15,  19)  u.  dgl.  bezeichnen 
ebenso  allgemein  seine  Eigenschaft  als  Tragiker.  Vgl.  Gell.  XIII,  2,  2: 
cum  Pacuvius  .  .  Tarentum  concessisset,  Accius,  tunc  haud  parvo  iunior, 
proficiscens  in  Asiam  cum  in  oppidum  venisset,  devertit  ad  Pacuvium  co- 
miterque  invitatus  plusculisque  ab  eo  diebus  retentus  tragoediam  suam 
ctd  Atreus  nomen  est  desideranti  legit.  (3.)  tum  Pacuvium  dixisse  aiunt, 
sonora  quidem  esse  quae  scripsisset  et  grandia,  sed  videri  tamen  ea  sibi 
duriora  paulum  et  acerbiora.  (4.)  ita  est,  inquit  Accius,  uti  dicis:  neque 
id  me  sane  paenitet;  meliora  enim  fore  spero  quae  deinceps  scribam. 

5.  Von  den  Tragödien  des  A.  sind  uns  noch  mindestens  37  Titel  bekannt, 
wohl  so  ziemlich  alle  die  er  überhaupt  verfasst  hat;  die  berühmtesten 
waren  etwa  Atreus,  Epigoni,  Epinausimache,  Philocteta,  Teiephus.  Die 
üeberreste  bei  Ribbeck,  trag.  p.  114—194.  Vgl.  p.  298—346.  H.  Grote- 
meyer,  de  L.  Attii  tragoediis,  Münster  1851.  Aufzählung  der  Titel  und 
des  Inhalts  der  Stücke  bei  W.  Teuffei  im  Tübinger  Univ.  Progr.  1858, 
S.  17 — 28.  Die  Epinausimache  und  die  Nyctegresia  waren  vielleicht  nicht 
nach  einer  griech.  Tragödie,  sondern  nach  der  Ilias  (also  in  der  Form  selb, 
ständig)  gearbeitet. 

6.  Von  seinen  Prätexten  (Ribbeck  Trag.  p.  237—240  vgl.  p.  349—351) 
behandelte  Decius  den  Opfertod  des  jüngeren  P.  Decius  Mus  (J.  459  d.  St.), 
Brutus  den  Sturz  des  Tarq.  Superbus  und  die  Einsetzung  von  Gonsuln. 

7.  Didascalica,  eine  Geschichte  der  griech.  und  röm.  Poesie,  mit  be- 
sonderer Berücksichtigung  der  Dramatik^  wahrscheinlich  (nach  Analogien) 
in  trochäischen  Tetrametern  (G.  Hermann;  nach  Lachmann,  Ritschi  u.  A. 
vielmehr  Sotadeen).  Madvig,  Opusc.  acad.  (Kopenh.  1834)  p.  96  ff.  W. 
Teuffei,  Tübinger  Progr.  von  1858,  S.  35  f. 

8.  Pragmaticon  libri,  (gleichfalls)  in  troch.  Tetrametem  und  literarisch- 
kunstgeschichtlichen  Inhalts. 

9.  Aus  den  Parerga  bei  Non.  p.  61  v.  porcae  ein  Bruchstück  land- 
wirtschaftlichen Inhalts.    Vielleicht  auf  diese  oder  die  Pragmatica  ist  zu  be- 


198  Siebentes  Jahrhundert  d.  St. 

ziehen  Accius  in  Praxidico  mit  einer  iambischen  Vorschrift  über  das  Säen 
bei  Plin.  N.  H.  XVIII,  6,  55  vgl.  Ind.  auct.  libri  XVIII. 

10.  Annales  im  epischen  Mass,  mindestens  drei  Bacher,  woraus  mytho- 
*  logische  Anführungen  (über  Hermes  und  die  Kgovia)  erhalten  sind. 

11.  Reflectieren  über  die  Sprache  beweisen  so  manche  Wortkünsteleien 
in  Attius' Tragödien,  insbesondere  die  Art  der  Anwendung  der  Alliteration 
(W.  Teuffei,  Progr.  von  1858,  S.  32  f.),  die  Nachricht  (bei  Mar.  Vict.  p.  2456  P.) 
dass  er  aggulus  (statt  ang.)  schrieb,  z  und  y  nicht  anwandte,  die  Länge 
von  Vocalen  durch  Gemination  bezeichnete  (was  der  ältere  Plinius,  wenig- 
stens bei  den  Endungen  der  vierten  Declination,  wieder  befolgt  zu  haben 
scheint;  s.  Detlefsen  in  der  Symbola  philol.  Bonn.  S.  712  f.);  M.  Varro 
widmete  ihm  seine  Schrift  de  antiquitate  litterarum.  Vgl.  Varr.  L.  L.  X, 
70:  Accius  haec  in  tragoediis  largius  a  prisca  consuetndine  movere  coepit 
et  ad  formas  graecas  verborum  magis  revocare,  a  quo  Valerius  (s.  unten 
134,  1)  ait:  Accius  Hectörem  nolet  facere,  Hectora  malet;  und  V,  21:  apud 
Accium  non  terminus,  sed  termen.  Daher  hat  auch  Wahrscheinlichkeit  die 
Vermutung  von  Detlefsen  (Rhein.  Mus.  XVIII.  S.  236—238)  dass  bei  Plin. 
N.  H.  VII,  39,  128:  pretium  hominis  in  servitio  geniti  maximum  ad  hanc 
diem  fuit  grammaticae  artis  Daphni  (vgl.  156,  1),  Accio  (die  Hdss.  Natio, 
also  wohl  L.  Atio)  Pisaurense  vendente  et  M.  Scauro  principe  civitatis  HS 
DCC  licente,  der  Tragiker  gemeint  sei,  dessen  Unterricht  dem  Daphnis  seinen 
grossen  Werth  verliehen  habe. 

12.  J.  Stahlberg,  de  L.  Attii  vita  et  scriptis,  Halle  1844.  G.  Boissier, 
le  poete  Attius.  etude  sur  la  tragddie  latine  pendant  la  r^publique.  Paris 
1856.  W.  Teuffel,  Caecilius  Statins  u.  s.  w.,  Tübinger  Universitätsprogramm 
1858.  4.   S.  14—37,  und  Pauly's  R^al-Enc.  I,  2.   S.  2008—2010. 

120  130.  T.  Quintius  Atta,  Togatendichter  in  der  ersten 
Hälfte  des  siebenten  Jahrh.,  gestorben  677  d.  St.  Die  elf  Titel 
welche  wir  von  ihm  kennen  sind  alle  römisch;  die  spärlichen 
üeberreste  zeigen  viel  Archaistisches  und  einen  lebhaften,  kecken 
Ton.   Consequente  Charakterzeichnung  rühmte  man  auch  von  ihm. 

1.  Hieronym.  zuEuseb.Chr.  a.  1940  (Freh.  1939)  =  677  d:St.:  T.  Quintius 
(bei  Schöne  Quinticius)  Atta  scriptor  togatarum  Romae  moritur  sepultusque 
via  Praenestina  ad  miliarium  U.  —  Diomed.  III.  p.  490,  8  E:  Atta  toga- 
tarum scriptor;  ib.  p.  490,  16  f.:  togatas  tabernarias  in  scenam  dataverunt 
praecipue  duo,  L.  Afranius  et  G.  Quintius. 

2.  üeberreste  bei  Bothe  scen.  lat.  V,  2.  p.  97  — 102;  Neukirch,  fab. 
tog.  p.  153—164;  Ribbeck,  com.  p.  137 — 140. 

3.  Varro  bei  Charis.  II.  p.  215  (241,  27  f.  K.):  Tjd-ri  nullis  aliis  servare 
convenit  quam  Titinio,  Terentio,  Attae.  Fronto  Epist.  IV,  3.  p.  62  Naber: 
animadvertas  particulatim  elegantis  Novium  et  Pomponium  et  id  genus  in 
verbis  rusticanis  et  ioculariis,  Attam  in  muliebribus. 

4.  Bei  Hör.  Ep.  II,  1,  79  fi'.  ist  Atta  Beispiel  eines  der  antiqui  die  noch  in 
die  Gegenwart  hereinwirken  und  sie  (nach  seiner  Meinung)  beeinträchtigen. 


130  f.  Dichter:  L.  Attius.  Quintiuß  Atta.  L.  Afranius.  199 

5.  Non.  Marc.  v.  crines,  p.  202  M.:  Atta  in  Epigrammatibus. 

6.  Neukirch,  de  fab.  tog.'p.  153—164.   W.  Teuffei  in  Pauly's  Real-Enc. 
I,  2.   S.  2049. 

131,  Nach  Fruchtbarkeit  wie  nach  künstlerischem  Werthel2i 
der  bedeutendste  Dichter  der  togata  ist  L.  Afranius,  geboren 
600 — 610  d.  St.  Von  seinen  Stücken  kennen  wir  so  ziendich 
alle  Titel,  da  das  Interesse  für  sie  lange  wach  blieb.  Er  be- 
arbeitete national-römische  StoflFe,  aber  im  Geiste  des  Menander 
und  mit  Benützung  desselben.  Seine  Stücke  bewegten  sich  vor- 
herrschend in  den  mittleren  Kreisen  und  dem  Familienleben» 
In  der  Form  wusste  er,  wie  Titinius,  die  Volksthümlichkeit  des 
Plautus  mit  der  correcten  Eleganz  des  Terentius  zu  verbinden. 

1.  Cic.  Brut.  45,  167:  quem  (den  C.  Titius)  studebat  imitari  (hat  wohl 
nur  den  Werth  eines  Uebergangs)  L.  A&anins  poeta,  homo  perargutus,  in 
fabulis  quidem  etiam  .  .  disertus.  Vellej.  II,  9,  3:  clara  etiam  per  idem 
aevi  spatium  fuere  ingenia,  in  togatis  Afrani,  in  tragoediie  Pacuvii  atquc 
Attii,  usque  in  graecorum  ingeniorum  (0.  Jahn :  tragicorum)  comparationem 
evecti.  Vgl.  I,  17,  1.  Quintil.  X,  1,  100:  togatis  excellit  Afranius;  utinam 
non  inquinasset  argumenta  puerorum  foedis  amoribus,  mores  suos  fassus 
Danach  Auson.  epigr.  71,  2  ff.:  repperit  obscenas  veneres  vitiosa  libido,  .  . 
quam  toga  facundi  scenis  agiiavit  Afrani.  Dergleichen  Stoffe,  der  neuen 
Komödie  in  der  Hauptsache  fremd  geblieben,  entsprachen,  wie  die  Atella- 
nendichter  zeigen,  den  Durchschnittssitten  des  damaligen  Rom.  —  Macrob. 
Sat.  VI,  1,  4:  Afranius  togatarum  scriptor  in  ea  togata  quae  Compitalia 
inscribitur  non  inverecunde  respondens  arguentibus  quod  plura  sumpsisset 
a  Menandro  Fateor,  inquit,  sumpsi  non  ab  illo  modo  Sed  ut  quisque  habuit 
conveniret  quod  mihi  Quodque  me  non  posse  melius  facere  credidi,  Etiam 
a  Latino.  Cic.  fin.  I,  3,  7:  locos  quosdam,  si  videbitur,  transferam,  .  . 
cum  inciderit  ut  id  apte  fieri  posset,  ut  ab  Homero  Ennius,  Afranius  a 
Menandro  solet.  Zu  seiner  ganzen  Richtung  (vgl.  oben  17)  stimmte  auch 
seine  Bewunderung  des  Terenz  (Afran.  v.  29  f.). 

2.  Mehr  als  40  Titel  kennen  wir;  die  berühmtesten  waren  Divortium, 
Emancipatus,  Epistula,  Fratriae,  Privignus,  Vopiscus.  Die  üeberreste  bei 
Bothe,  scen.  V,  2.  p.  160—200;  Neukirch,  fab.  tog.  p.  176—279;  Ribbeck, 
com.  p.  140—187.  Dazu  vgl.  Philologus  XXI.  S.  122.  480.  Miguel,  Cues- 
tion  filolögica:  un  fragmento  de  Afranio^  Madrid  1864.  60  pp.  8.  und: 
Nueva  disertacion  acerca  de  un  fragm.  de  Afr.,  Madrid  1864.   113  pp.  8. 

3.  Aufführung  seines  Simulans  J.  696  (Cic.  p.  Sest.  55,  118),  seines  In- 
cendium  unter  Nero  (Suet.  Ner.  11).  In  der  augusteischen  Zeit  stellten 
Enthusiasten  ihn  dem  Menander  gleich  (Hör.  Ep.  II,  1,  57);  ungefähr  in 
der  des  Hadrian  widmete  sich  (Julius?)  Paulus  seiner  Erklärung  (Charis.  IL 
p.  214  P.  =  241,  1  f.  K.  Vgl.  unten  142,  4.  Noch  Apulej.  apol.  12:  per- 
eleganter Afranius  hoc  scriptum  reliquit. 

4.  Bothe,  scen.  V,  2.  p.  156—159.    Neukirch,  fab.  tog.  p.  165—175. 


200  Siebenteß  Jahrhundert  d.  ßt. 

Mommaen,  R.  G.  H».    S.  438.    W.  TeufFel,   Caecilius  Statius  u.  s.  w.    Tu- 
bingen 1858.   4.   S.  37—43. 

122  132.  C.  Luciliiis,  geboren  um  606  d.  St.  iii  der  Latiuer- 
stadt  Suessa  Aurunca  in  Campanien,  aus  einem  wohlhabenden 
ßittergeschlechte,  und  schon  jung  in  den  Kreis  des  jüngeren 
Africanus  aufgenommen.  Als  Latiner  ohne  das  ius  honorum, 
aber  in  unabhängiger  Stellung,  legte  Lucilius  seine  Gedanken 
über  Alles  was  er  sah  und  hörte  und  las  in  seinen  vermischten 
(ledichten  (Saturae)  nieder,  und  unterwarf  darin  das  Leben  der 
Gegenwart  nach  allen  Seiten  hin  —  nach  Politik,  Sitten  und  Lite- 
ratur —  einer  freimütigen  Kritik,  wie  sie  weder  ein  Komiker 
vor  ihm  noch  ein  Satiriker  nach  ihm  gewagt  hat.  Die  üeber- 
reste  verrathen  vielseitige  Bildung,  scharfen  Verstand,  sittliche 
Tüchtigkeit,  heitere  Laime  und  treflFenden  Witz,  aber  auch 
Gleichgültigkeit  gegen  die  äussere  Form.  Ein  hochachtbarer 
und  liebenswürdiger  Vertreter  des  neurömischen  Wesens,  starb 
Lucilius  im  J.  651  d.  St. 

1.  Hieron.  zu  Euseb.  Chr.  a.  Abr.  1870  (Freher.  u.  Amand.  1869)  =  607 
d.  St.:  Lucilius  poeta  nascitur.  Vellej.  II,  9,  4:  celebre  et  Lucilii  nomen 
fuit,  qui  sub  P.  Africano  (J.  620  f.  d.  St.)  Numantino  hello  eques  milita- 
verat.  Hieron.  1.  1.  ad  a.  Abr.  1914  =  661  d.  St.:  G.  Lucilius  (die  Hdss. 
Lucius)  satirarum  scriptor  Neapoli  moritur  ac  publico  funere  effertur  anno 
aetatis  XL  VI.  Eine  sichere  Spur  welche  über  651  hinausdeuten  würde  ist 
nicht  vorhanden,  da  die  von  Lucilius  erwähnte  (Gell.  II,  24^  10)  lex  Licinia 
spätestens  650  fällt  (s.  Rein  in  Pauly's  Real-Enc.  VI,  2.  S.  1509)  und  die 
Bezeichnung  des  Lucil.  als  senex  bei  Hör.  Sat.  II,  1,  34  nichts  über  dessen 
Lebensdauer  aussagt;  s,  Teuffel's  Comm.  zu  d.  St.  (Leipzig  1867),  S.  22  f. 
Der  im  J.  663  spielende  Dialog  von  Cic.  de  orat.  (s.  I,  16,  72.  II,  6,  26) 
setzt  den  Lucilius  als  gestorben  voraus.  Vgl.  im  Allgemeinen  Varges,  Rhein. 
Mus.  1835,  p.  15—69. 

2.  Juv.  I,  20:  magnus  Auruncae  alumnus.  Auson.  Epist.  15,  9:  rüdes 
Camenas  qui  Suessae  praevenis.  —  Hör.  S.  II,  1,  75  nennt  sich  infra  Lucili 
censum,  wozu  Porph.:  constat  enim  Lucilium  fuisse  maiorem  avunculum 
Pompei.  etenim  avia  Pompeii  soror  Äucilii  faerat.  Lucilius  besass  zu  Rom 
sub  Velia  das  Haus  quae  Antiochi  regis  filio  obsidi  publice  aedificata  fue- 
lat  (Ascon.  p.  13  Or.). 

3.  Verhältniss  zum  jüngeren  Africanus  (J.  570—625)  und  Laelius  (Cos. 
G14) :  Hör.  S.  II,  1,  71—74.  Ungenau  ib.  v.  62—68;  s.  W.  TeuffeVs  Comm. 
dazu  S.  28  f.  Andere  Freunde:  (Postumius)  Albinus,  L.  Aelius  Stilo,  Granius. 
Gegner  oder  doch  von  Lucilius  Angegriffene:  Mucius  Scaevola,  L.  Cornelius 
Lentulus  Lupus  (Pers.  I,  115),  Q.  Caecilius  Metellus  (s.  unten  137,  7;  Hör.  S. 
II,  1,  67),  T.  Albucius,  Hostilius  Tubulus,  Papirius  Carbo  u.  A.  —  Comif.  ad 
Her.  II,  13,  19:  C.  Caelius  iudex  absolvit  iniuriarum  eum  qui  Lucilium 
poetam  in  scena  nominatim  lacserat. 


132.  Dichter:  C.  Lucilius.  201 

4.  Cornif.  ad  Her.  IV,  12,  18:  quo  in  vitio  (in  Bezug  auf  verborum 
traiectio)  est  Lucilius  assiduus,  ut  hoc  est  in  priore  (Lachmann  primore) 
libro.  (Ps.  Acro  zu  Ilor.  S.  II,  1,  22  spricht  von  Hör.,  nicht  von  Lucilius.) 
Wenn  daneben  sicher  30  Bücher  citiert  werden  (nur  vom  B.  21  fehlen 
Bruchstöcke ;  vgl.  L.  Müller  in  Fleckeisens  Jahrbb.  95,  S.  798  f.),  so  ist  eine 
doppelte  Eintheilungsweise  vorauszusetzen:  eine  ältere,  in  zwei  grosse 
Theile  oder  Sammlungen,  und  eine  spätere,  in  30  Bücher.  Vgl.  van  Heusde, 
Lucil.  p.  251  ff.  Lersch,  Ztschr.  f.  d.  Alt.  W.  1839,  S.  403— 40Ö.  J.  Becker, 
ebds.  1843.  Nr.  30—33.  K.  Fr.  Hermann,  Götti.  GeL  Anz.  1843,  S.  380— 
384.  Petermann,  Jahns  Jahrb.  XXXIX.  S.  161  ff.  und  Ztschr.  f.  d.  Alt.  Wiss. 
1846,  Nr.  37  f. 

6.  Die  Art  der  Eintheilung  und  die  Urheber  derselben  sind  nicht  sicher. 
Jedenfalls  aber  fanden  die  Satiren  des  L.  frühzeitig  gelehrte  Bearbeitung. 
Suet.  gramm.  2:  (studium  grammaticae  beschränkte  sich  zu  Bom  anfäng- 
lich darauf)  ut  carmina  parum  adhuc  divolgata  vel  defunctorum  amicorum, 
vel  si  quorum  aliorum  probassent,  diligentius  retractarent  ac  legendo  com- 
mentandoque  eüam  ceteris  nota  facerent;  .  .  ut  Laelius  Archelaus  Vet- 
tiusque  Philocomus  Lucilii  satiras  familiaris  sui,  quas  legisse  se  apud  Ar- 
chelaum  Pompeius  Lenaeus,  apud  Philocomum  Valerius  Cato  praedicant. 
Und  c.  14:  huius  (des  Curtius  Nicia  in  der  Zeit  Ciceros)  de  Lucilio  libros 
etiam  Santra  comprobat. 

6.  Die  saturae  des  L.  waren  manchfaltig  wie  in  der  Form  (die  Hexa- 
meter überwiegen,  doch  auch  viele  Trochäen  und  lamben)  so  auch  im  In- 
halte. Vorherrschend  aber  war  bei  letzterem  die  ethisch-kritische  Tendenz, 
durch  welche  L.  der  erste  Satiriker  wurde.  Daher  Hör.  S.  II,  1,  62:  est 
Lucilius  ausus  primus  in  hunc  operis  componere  carmina  morem;  I,  10,  48 
nennt  er  ihn  inventor,  ib.  66  Graecis  intacti  carminis  auctor. ,  Vgl.  K.  Fr. 
Hermann,  de  satirae  auctore  ex  sententia  Horatii,  Marburg  1841.  4;  wo- 
gegen C.  Petermann,  Hirschberger  Progr.  1846  und  1851.  4.,  vergebens 
wieder  die  Stelle  auf  den  (Nachahmer  der  Griechen)  Ennius  beziehen  wollte. 
Noch  anders  M.  Crain  (Philologus  IX.  S.  675  ff.)  und  A.  Riese  (Varr.  satt, 
menipp.  p.  5,  n.  2).  Hör.  S.  I,  4,  6:  hinc  (von  der  alten  Komödie)  omnis 
pendet  Lucilius  ist  unrichtig  und  ungerecht;  die  Behauptung  von  Lydus 
(de  mag.  I,  41:  rov  ^Pivd'oavoCy  og  i^aiiit^fOLg  ^y^ctips  TtQoaTog  nonfmSiav,  i^ 
ov  ngärog  Xaßißv  tag  dcpOQfucg  Aov%iXLog  o  *P(0(iaLog  TiQtoiyioig  ^nsatv  imo- 
fifodrias),  Lucilius  habe  sich  an  Rhinthon  angeschlossen,  beruht  sichtlich 
auf  Verwechslung. 

7.  Gegenstände  der  Kritik  des  L.  Dass  er  primores  populi  arripuit 
populumque  tributim  (Hör.  S.  II,  1,  69)  bestätigen  die  Ueberreste.  Vgl. 
Trebonius  bei  Cic.  Fam.  XII,  16:  qui  magis  hoc  Lucilio  licuerit  adsumere 
libertatis  quam  nobis?  Apul.  apol.  10:  C.  Lucilium,  quamquam  sit  iambi- 
cus,  tarnen  improbarim  quod  Gentium  et  Macedonem  pueros  directis  no- 
minibuB  carmine  suo  prostituerit.  E.  Szeliuski,  de  nominibus  personarum 
apud  poetas  sat.  rom.  (Königsberg  1862)  p.  1 — 10.  Aber  auch  Literarisches 
und  Grammatisches.  Gell.  XVII,  21,  49:  Pacuvius  et  Pacuvio  iam  sene  Ac- 
cius  clariorque  tunc  in  poematis  eorum  obtrectandis  Lucilius  fuit.  Hör.  S. 
I,  10,  63:  nil  comis  tragici  mutat  Lucilius  Atti?  wozu  Porph.:  facit  autem 


202  Siebentes  Jahrhundert  d.  St. 

haec  Lucilius  cum  alias  tum  vel  maxime  in  tertio  libro,  meminit  et  nono 
et  decimo.  Insbesondere  polemisierte  er  gegen  des  Attius  Neuerungen  in 
Sprachgebrauch  (quare  pro  facie,  pro  statura  Accius  status ,  bei  Non.  p.  226) 
und  Schreibung,  wobei  er  die  von  Attius  eingeführte  Doppelschreibung 
langer  Vocale  (oben  129,  11)  verdrängte  und  nur  ei  für  i  beibehielt;  Ritschi, 
Monum.  epigr.  tria  (1852)  p.  30  f.  W.  Corssen,  Philologus  XVIII.  S.  723—726. 
—  Quintil.  X,  1,  94:  eruditio  in  eo  (L.)  mint  et  libertas  atque  inde  acerbitas 
et  abundantia  salis. 

8.  Mittlere  Haltung.  Cic.  de  or.  II,  6,  25:  C.  Lucilius,  homo  doctus 
et  perurbanus,  dicere  solebat,  neque  se  ab  indoctissimis  neque  a  doctissimis 
legi  volle;  .  .  quo  etiam  scripsit:  Persium  non  curo  legere,  .  .  Laelium  Decu- 
mum  volo.  Fin.  I,  3,  7:  nee  vero,  ut  noster  Lucilius,  recusabo  quominus  om- 
nes  mea  legant.  utinam  esset  ille  Persius!  Scipio  vero  et  Rutilius  multo 
etiam  magis.  quorum  ille  iudicium  reformidans  Tarentinis  ait  se  et  Consen- 
tinis  et  Siculis  scribere.  facete  is  quidem,  sicut  alia;  sed  neque  tam  docti 
tum  erant  .  .  et  sunt  illius  scripta  leviora,  ut  urbanitas  summa  appareat, 
doctrina  mediocris.  Petron.  Sat.  4  extr.:  schedium  Lucilianae  humilitatis. 
Gell.  VI  (VII),  14,  6:  vera  et  propria  .  .  exempla  in  latina  lingua  M.  Varro 
esse  dicit  .  .  gracilitatis  Lucilium.    Vgl.  Fronto  p.  113  f.  und  p.  62  Naber. 

9.  Vernachlässigung  der  Form.  Vgl.  Hör.  S.  I,  4,  9  ff.  10,  1  ff.  50  ff. 
Was  dieser  behauptet  (S.  L,  4,  9  f.),  L.  in  'hora  saepe  ducentos  .  .  versus 
dictabat  stans  pede  in  uno,  bestätigt  L.  selbst,  z.  B.  fr.  XI,  6:  conicere  in 
versus  dictum  praeconis  volebam  Grani.  Besonders  der  Versbau  ist  sehr 
locker,  ohne  aber  den  Ereis  des  Zulässigen  im  Ernste  zu  überschreiten; 
vgl.  L.Müller  metr.  lat.  p.  71  f.  R.  Bouterwek,  quaest.  lucil.;  comm.  proso- 
diaca,  metrica,  critica,  Elberfeld  1867.  Worauf  Ausonius  anspielt  (Epist. 
5,  36  ff*. :  villa  Lucani-  mox  potieris  -aco.  rescisso  disces  componere  nomino 
versum;  Lucili  vatis  sie  imitator  eris)  bezieht  sich  auf  Scherze. 

10.  Das  Ansehen  das  Lucilius  noch  in  der  augusteischen  Zeit  (bes.  bei 
der  nationalen  Partei)  genoss  erhellt  aus  den  häufigen  und  angelegentlichen 
Auseinandersetzungen  des  Horaz  mit  ihm.  Noch  später  gab  es  Leute  welche 
Lucilium  pro  Horatio^  Lucretium  pro  Vergilio  legunt  (Tac.  dial.  23);  und 
wer  auf  Energie  und  Originalität  den  Hauptwerth  legte  hatte  darin  ganz 
Recht.  —  Quintil.  X,  1,  93:  satira  quidem  tota  nostra  est,  in  qua  primus 
insignem  laudem  adeptus  Lucilius  quosdam  ita  deditos  sibi  adhuc  habet 
amatores  ut  eum  non  eiusdem  modo  operis  auctoribus  sed  omnibus  poetis 
praeferre  non  dubitent.    üeber  seine  ethische  Wirkung  Juv.  I,  165  ff. 

11.  Sammlung  der  Fragmente  (über  800)  von  Janus  Dousa  (mit  Anm. 
von  Franz  Dousa),  Lugd.  B.  und  Amst.  1661.  4.  Patav.  1735.  8.  (besorgt 
von  Vulpi),  an  Havercamps  Censorinus  (Lugd.  B.  1643.  1767.),  in  der  Zwei- 
brücker  Ausg.  von  Persius  u.  Juvenal,  u.  sonst,  Fragmens  revus,  traduits 
etc.  par  E.  F.  Corpet,  Paris  1845.  Edidit,  auxit,  emendavit  Fr.  D.  Gerlach, 
Zürich  1846.    Angekündigt  ist  eine  neue  Bearbeitung  von  L.  Müller. 

Beiträge  zur  Kritik:  E.  Klussmann,  Philologus  XVI.  p.  166—168.  L. 
Müller,  metr.  lat.  passim  (s.  p.  483),  Rhein.  Mus.  XVII.  S.  195—200,  Fleck- 
eisens Jahrbb.  97,  S.  424  ff.  438  f.  u.  sonst;  J.  Iltgen,  Luciliana,  Bonn  1865. 


132  f.  Dichter:  C.  Lucilius.    Epigrammatibten.  203 

31  pp.  Quaestiones  Lucilianae  von  A.  Fürth  (Bonn  1866.  34  pp.)  und  R. 
Bouterwek  (s.  A.  9).  Zum  B.  I:  R.  Bouterwek,  Rhein.  Mub.  XXI.  S.  339— 
361.  B.  m  bearbeitet  von  Varges,  Stettin  1836.  4.  B.  IX  von  L.  F.  Schmidt, 
BerUn  1840.  4. 

12.  üeber  Lucilius:  Manso  in  den  Nachträgen  zu  Sulzer  lY.  S.  419 — 
442.  Patin,  cours  sur  Lucile,  Paris  1836.  Herrn.  Schönbeck,  Quaestionum 
Lncilianarum  Part.  I.  Halle  1841.  8.  Petermann,  de  Lucilii  vita  et  car- 
minibus,  Breslau  1842.  8.  Dziadek,  sat.  rom.  imprimis  Luciliana  ant.  Gr. 
comoediae  non  dissimilis,  Conitz  1842.  4.  J.  A.  G.  van  Heusde,  Studia  cri- 
tica  in  C.  Lucilium,  Trai.  ad  Rh.  1842.  321  pp.  8.  Vgl.  E.  Fr.  Hermann, 
Gott.  G.  A.  1843.  Stück  37—40.  S.  361  —  392  (worauf  Heusde  replicierte: 
Epistola  ad  C.  F.  H.,  de  Lucilio,  Trai.  ad  Rh.  1844.  52  pp.  8.),  Petermann 
in  Jahns  Jahrbb.  XXXIX.  S.  146—169,  und  Gerlach,  ebds.  XLIII.  S.  371— 
388.  F.  D.  Gerlach,  C.  Lucilius  u.  d.  röm.  Satura,  Basel  1844.  4.  S.  11— 
22.  =»  Historische  Studien  (Basel  1847)  S.  3  £P.  Gh.  Labitte ,  les  satires  de 
Luc,  Revue  d.  deuz  mondes  1845.  III.  p.  721 — 745.  Patin,  Journal  des 
Savans  1846,  Fövr.  p.  65  —  76.  Mai  p.  281  —  296.  Gh.  Elsperger,  comm.» 
de  satira  Lucilii,  Ansbach  1851.  21  pp.  4.  Duykers,  l^tude  sur  Luc,  Revue 
de  rinstr.  publ.  en  Belgique,  1861,  Nr.  2—4.  W.  Teuffei  in  Pauly's  Real- 
Enc.  IV.  S.  1181—1187.    Mommsen,  R.  G.  II*.   S.  444—448. 

133.  Epigramme  meist  erotischen  Inhalts  und  nach  grie-i23 
chischen  (alexandrinischen)  Vorbildern  verfassten  Pompilius  und 
Valerius  Aedituus  in  der  ersten  Hälfte  des  siebenten  Jahrh., 
Porcius  Licinus  und  Q.  Lutatius  Catulus  (Cos.  652)  in 
der  Mitte  desselben,  Licinius  überdiess  ein  Gedicht  literar-histo- 
rischen  Inhalts  in  trochäischen  Tetrametem,  Catulus  auch  eine 
Autobiographie.  Letzterem  befreundet  war  der  Epiker  A.  Furius 
aus  Antium.  Ausserdem  verfasste  C.  Julius  Caesar  Strabo  um 
diese  Zeit  Tragödien,  Laevius  Lyrisches,  Cn.  Matius  Mim- 
iamben  u.  A. 

1.  Papini  (vielmehr  Pompili)  iniyQafifidxtov  quod  in  addlcscentem 
fecerat  Cascam,  Varro  L.  L.  VII,  28  (zwei  Distichen);  vgl.  Pompilius  (so 
M.  Hertz  statt  Pomponias)  in  epigranunate ,  Priscian.  III.  p.  602  P.  =  p. 
90,  2  Htz.  Nonius  Marc.  p.  88  (nach  Lachmann's  Verbesserung,  Lucret. 
p.  306):  Varro  ovog  XvQccg:  Pacvi  discipulus  dicor,  porro  is  fuit  Enni,  En- 
nius  Musarum.  Pompilius  clueor.  Varro  L.  L.  VII,  93:  apud  Pompilium 
(ein  Senar).  A.  Riese,  Varr.  satt.  p.  183  hält  daher  P.  für  einen  Verfasser 
von  Tragödien. 

2.  Gell.  N.  A.  XIX,  9,  10:  versus  cecinit  Valeri  Aeditui,  veteris  poe- 
tae,  item  Porcii  Licini  et  Q.  Catuli,  quibus  mundius,  venustius,  limatius, 
tersius  graecum  latinumve  nihil  quidquam  reperiri  puto  (sehr  übertrieben). 
Zu  dem  ersten  Epigramm  des  Val.  Aed.  (ib.  §.  11)  vgl.  H.  üsener,  Rhein. 
Mus.  XIX.  S.  150  f.  XX.  S.  147—151.   R.  Peiper,  ebds.  XIX.  S.  311. 

3.  Das  Epigramm  des  Porcius  Licinus  bei  Gell.  XIX,  9,  13.    Vgl.  XVII, 


204  Siebentes  Jahrhundert  d.  St. 

21,  45:  Porcius  Licinu»  serius  poeticam  Eomae  coepisse  dicit  in  his  yersi- 
bns:  Poänico  boll6  secundo  u.  s.  w.  (oben  S.  129,  A.  2).  Elf  trochäiache 
Septenare  von  ihm  über  Terenz  in  Suetons  vita  Terentii  c.  1  f.  (p.  292, 
16  ff.  lloth,  p.  27,  9  ff.  llffsch.),  von  diesem  wohl  aus  Varro's  Schrift  de 
pocltis  geschöpft;  s.  Ritschi,  Parerga  S.  244.  622.  637  f.;  in  Rcifferscheids 
Sucton  p.  489—497.  Die  vier  letzten  wiederholt  ib.  p.  294,  18  ff.  Roth  = 
p.  33,  7  ff.  Rffsch.  Auch  vgl.  Charis.  I.  p.  103  P.  =  p.  129  K.:  huius  fre- 
tus,  Porcina  Licinus. 

4.  Zwei  halb  erotische  Epigramme  des  Q^  Catulus  (unten  146,  4)  bei 
Gell.  XIX,  9,  14  und  bei  Cic.  deor.  nat.  I,  28,  79.  Daher  mit  aufgezählt 
bei  Plin.  Ep.  V,  3,  6.  Vgl.  oben  31,  1.  Seine  Autobiographie  richtete  er 
ad  A.  Furinm  poetam,  familiärem  suum  (Cic.  Brut.  35,  132).  Aus  dieses  A. 
Furius  Annales  führt  Macrob.  Sat.  VI,  1,  31—34.  44.  Hexameter  an  welche 
Vergil  nachgeahmt  habe ;  höchstes  Citat  Furius  in  undecimo  (annali),  ib.  34. 
Archaistisch  sind  sie  so  wenig  dass  sie  ebenso  gut  von  Vergil  selbst  sein 
könnten.  Weniger  gilt  diess  von  den  Versen  bei  Gell.  N.  A.  XVIII,  11,  4. 
Vgl.  ib.  2:  Furium  veterem  poetam,  und  im  ind.  capp.:  ex  carminibus  Furi 
Antiatis.  Vgl.  Weichert  poet.  lat.  rel.  p.  348  —  353.  Ein  anderer  Vers  bei 
Schol.  Veron.  Aen.  IX,  379:  in  annalibus  belli  gallici:  hie  qua  ducebant 
vastae  divortia  fossae.  J.  Becker,  A.  Furius  Antias,  Zeitschr.  f.  d.  Alt.  Wiss. 
1848,  S.  697  ff. 

6.  Üeber  L.  Julius  Caesar  Strabo  (Aedil  664)  s.  unten  150,  3;  über  Cn. 
Matius  und  Laevius  unten  148,  4  ff. 

6.  üeber  Valerius  Valentinus  s.  unten  145,  1. 

12t  184.  In  gebundener  Form  schrieb  in  der  ersten  Hälfte  des 
siebenten  Jahrh.  auch  der  gelehrte  Q.  Valerius  aus  der  Latiner- 
stadt  Sora,  und  vielleicht  Terentius  Libo,  weiterhin  Volcatius 
Sedigitus. 

1.  Bei  Cic.  de  or.  III,  11,  43  sagt  L.  Crassus:  nostri  (die  eigentlichen 
Römer)  minus  student  litteris  quam  Latini.  Dennoch  übertreffe  leicht 
auch  der  ungelehrteste  geborene  Römer  litteratissimum  togatorum  omnium, 
Q.  Valerium  Soranum,  lenitate  vocis  atque  ipso  oris  pressu  et  sono.  — 
Varro  L.  L.  VII,  31:  apud  Valerium  Soranum:  vetus  adagio  est,  o  P.  Scipio 
(gestorben  J.  625).  Hienach  ist  er  auch  noch  Zeitgenosse  des  L.  Attius 
und  daher  es  möglich  dass  er  der  Valerius  ist  von  welchem  Varro  L.  L. 
X,  70  den  Vers  anführt:  Accius  Hectorem  nolet  facere,  Hectora  malet,  wo 
0.  Müller  auch  an  den  Aedituus  denkt.  Zwei  Hexameter  (stoischen  Inhalts, 
über  Juppiter  als  höchsten  und  einen  Gott)  bei  Augustin.  civ.  d.  VE,  9. 
g.  E.  (vgl.  Mythogr.  Vat.  p.  152  Bode):  in  hanc  sententiam  etiam  quosdam 
versus  Valerii  Sorani  exponit  idem  Varro  in  eo  libro  quem  seorsum  ab 
istis  de  cultn  deorum  scripsit.  Plin.  N.  H.  praef.  (extr.):  hoc  ante  me 
fecit  (nämlich  seinem  Buche  eine  Inhaltsübersicht  beizugeben)  in  litteris 
nostris  Valerius  Soranus,  in  libris  quos  inontidtov  inscripsit.  In  diesem 
war  es  wohl  auch  wo  er  den  geheimen  Namen  der  Stadt  Rom  (Plin.  N.  H. 
III,  5,  9.  Solin.  2)  oder  (nach  Plut.  quaest.  rom.  58  s.  61)  ihrer  Schutzgott- 
heit enuntiavit  und  dafür  bald  (durch  einen  elenden  Tod,  Plut.  1.  1.)  büsste 


134  f.  Dichter:  Scdigitns  n.  A.    Novius.    L.  Pomponius.  205 

(Plin.  1.  1.).  Er  kann  auch  der  Valerius  sein  welchen  Varro  L.  L.  Vy  65 
wegen  der  Ableitung  des  plautinißchen  scnipipedae  anfuhrt,  sowie  der- 
jenige welcher  die  XII  Tafeln  commentierte  (oben  84,  6.)  Vgl.  Haakli  in 
Pauly's  Eeal-Enc.  VI,  2.  S.  2342,  Nr.  50.  Seine  beiden  Söhne,  Q.  u.  D., 
nennt  Cic.  Brut.  46,  169:  vicini  et  familiäres  mei,  non  tara  in  dicendo  ad- 
mirabiles  quam  docti  et  graccis  littcris  et  latinis. 

2.  Donats  Zusatz  zu  Snetons  Leben  des  Terenz:  quos  Terentios  poctas 
fuisse  scribit  Metius  (Maecius),  quorum  alter  Fregellanus  fuerit  Terentius 
Libo,  der  andere  der  Komiker. 

3.  Gell.  XV,  24,  1:  Sedigitus  (im  ind.  capp.:  Volcatius  Sedigitus),  in 
libro  quem  scripsit  de  poetis,  quid  de  bis  sentiat  qui  comoedias  fecerunt 
et  quem  ex^  omnibns  pracstare  ceteris  putet  ac  deinoeps  quo  quomque  in 
loco  et  honore  ponat  bis  versibus  suis  demonstrat.  Folgen  13  iambische 
Senare,  worin  zehn  Palliatendichter  in  einer  überaus  wunderlichen  Location 
aufgezählt  werden;  s.  oben  15,  3.  Ist  bei  Suet.  vit.  Terent.  p.  294  Roth 
=  p.  33  Rffsch.  die  Reihenfolge  Porcius  (Licinus),  Afranius,  Volcatius, 
Cicero,  Caesar  die  chronologische,  wie  wahrscheinlich,  so  wird  Volcatius 
nach  der  Mitte  des  7.  Jahrh.  geblüht  haben.  Doch  scheint  der  Zeit- 
genosse des  Cicero,  P.  Nigidius  Figulus,  jene  Verse  bereits  in  eines  seiner 
Werke  aufgenommen  zu  haben,  da  dieselben  in  Hdss.  des  Plautus  dem 
Nigidius  zugeschrieben  werden;  Ritschi,  Parerga  S.  65  f.  240  f.  M.  Hertz j 
de  Nig.  Fig.  p.  47—49.  Drei  andere  Senare  von  ihm  über  Terenz  bei 
Sueton.  V.  Ter.  p.  294,  4  ff.  Roth  =  p.  32,  10  ff.  Rffsch.  mit  Ritschi 
p.  517  f.  Er  scheint  hienach  das  Leben  und  die  Schriften  der  betr.  Dichter 
kurz  behandelt  und  eine  Art  ästhetischer  Würdigung  derselben  gegeben  zu 
haben.  Ueber  die  Zeit  der  ]3alliata  scheint  er  aber  nicht  herabgestiegen  zu 
sein,  und  auch  darum  ist  nicht  rathsam  ihn  in  die  ciceronische  Zeit  hinein- 
zurücken. 

136.  Nach  der  Mitte  des  siebenten  Jahrh.  d.  St.  blühten  125 
auch  die  beiden  Dichter  welche  die  Atellane  aus  einem  Volks- 
spiel zu  einem  Zweige  der  komischen  Literatur  machten,  Novius 
und  L.  Pomponius  aus  Bononia,  Letzterer,  wie  es  scheint, 
der  originellere  und  noch  fruchtbarere.  Beider  Ueberreste  lassen 
in  tiefen  Sittenverfall  auch  bei  den  niederen  Volksclassen 
hineinblicken. 

1.  Macrob.  S.  I,  10,  3:  Novius,  Atellanarum  probatissimus  scriptor,  und: 
post  Novium  et  Pomponium  (oben  10,  2).  Dieselbe  Ordnung  bei  Fronte 
(oben  130,  3).  Vorname  unbekannt :  häufig  Verwechslung  mit  Naevius.  No- 
vianae  Atellaniolae  excerpiert  von  M.  Aurelius  nach  Fronto  £p.  II,  10.  p.  34 
Naber.  Ueberreste  (43  Titel)  bei  Munk,  fab.  Atell.  p.  166  vgl.  p.  117  iF. 
Ribbeck,  com.  p.  216—230. 

2.  Stoffe  des  Novius:  personae  oscae  (Duo  Dossenni;  Maccus  copo, 
exsul;  Mania  medica;  Pappus  praeteritus) ,  Stände  und  Gre werbe  (Agricola, 
Bubulcus,  Ficitor,  Vindemiatores ;  Bubulcus  cerdo,  Fullones;  Milites,  Optio, 


206  Siebentes  Jahrhundert  d.  St. 

Hetaera),  Landstädter  (Milites  Pometinenses) ,  Literarisches  (v.  5.  26.  38. 
67.  116,  vielleicht  auch  eine  Travestie  Phoenissae),  parodisch  Mythologi- 
sches (Hercules  coactor).  Scheinbar  in  der  Weise  der  alten  PaUiata  sind  die 
Titel  Dotata,  Gallinaria,  Lignaria,  Tabellaria,  Togularia,  in  der  der  neuen 
Paediun^.  Bemerkenswerth  auch  Mortis  et  vitae  iudicium;  Malivoli, 
Parcus,  Surdus. 

3.  Die  possenhafte  Haltung  und  die  ObscÖnitäten,  die  Häufigkeit  der 
Alliteration  und  volksmässigen  Formen  und  Constructionen,  aber  auch  die 
Versmasse  hat  Novius  mit  Pomponius  gemein.  Dem  Novius  eigenthümlich 
ist  vielleicht  die  verhältnissmässige  Häufigkeit  von  Bildern  aus  dem  Einder- 
leben (v.  41.  62.  65). 

4.  Hieron.  zu  Euseb.  Chr.  ad  a.  Abr.  1928  =  J.  665  d.  St.:  L.  Pom- 
ponius Bononiensis,  Atellanarum  scriptor,  clarus  habetur.  Vellej.  11,  9,  6: 
sane  non  ignoremus  eadem  aetate  (wie  Valenus  Antias  u.  A.)  fuisse  Pom- 
ponium,  sensibus  celebrem,  verbis  rüdem  et  novitate  inventi  a  se  operis 
commendabilem.  Vgl.  Schober,  de  loco  Yellei,  Neisse  1831.  4.  Macrob. 
Sat.  VI,  9,  4:  Pomponius,  egregius  Atellanarum  poeta.  Vgl.  Fronto  ad 
M.  Caes.  IV,  3.  p.  95  Mai.  =  62  Naber  (s.  oben  130,  3).  Sen.  Contfov.  VIT, 
18,  9.  p.  206,  21  f.  Bu.:  auctorem  huius  viti  quod  ex  captione  unius  verbi 
plura  significantis  nascitur  aiebat  (Cassius  Severus)  Pomponium  Atella- 
narum scriptorem  fuisse.  E.  Munk,  de  L.  Pomponio  Bononiensi  Atella- 
narum poeta,  Glogau  1826.  8.  und  de  fab.  Atell.  (Lips.  1840)  p.  93  ff.  Th. 
Ladewig  in  Pauly's  Real-Enc.  V.  S.  1876  f.  Seine  Ueberreste  bei  Munk, 
fab.  At.  p.  135 — 164.  Ribbeck  com.  p.  191 — 215.  Zu  den  65  dort  aufge- 
führten kommt  auch  noch  Dotalis,  s.  L.  Müller,  metr.  lat.  p.  429. 

5.  Stoffe  ausser  den  oskischen  Figuren  (Bucco  auctoratus,  adoptatus; 
hirnea  Pappi,  Pappus  agricola,  praeteritus,  sponsa  Pappi;  Maccus,  Macci 
gemini,  Maccus  miles,  Sequester,  virgo)  besonders  Stände  (Rustici,  FuUones, 
Leno,  Pictores,  Piscatores,  Pistor,  Praeco,  Medicus,  Aeditumus,  Aruspex, 
Augur  u.  A.),  Stammesunterschiede  (Campani,  Galli  Transalpini),  Politi- 
sches (Petitor,  Pappus  praeteritus,  Praefectus  morum).  Literarisches  (Phi- 
loBophia;  vgl.  v.  83.  138.  181),  auch  Mythologisches  (Agamemno  suppositus, 
Marsya,  wohl  auch  Atalanta,  Sisyphos,  Ariadne,  Vahlen  im  Bhein.  Mus. 
XVI.  S.  473  f.,  und  vielleicht  Atreus).  Manche  Titel  klingen  wie  von 
Palliaten  (Adelphi,  Synephebi,  Syri,  Dotata).  Persönliche  Anspielungen 
v.  15.  Erotische  Verwicklungen  derbster  Art,  wie  Verkleidung  als  Mäd- 
chen, V.  57  ff.  67  f.;  Maccus  Virgo;  Nuptiae;  Prostibulum.  Zahlreiche 
ObscÖnitäten  und  sonstiger  Schmutz;  Wortwitze,  sehr  häufige  Alliteration; 
Sprüchwörtliches  und  anderes  Volksmässige.  Versmasse:  iambische  Senare 
und  Septenare,  trochäische  Septenare,  auch  (v.  164  f.)  Eretiker. 

126         136.    Inschriften   in   gebundener   Form   aus   dem  siebenten 

Jahrh.   gibt   es   thieils   im   satumischen   Masse   theils   im    volks- 

mässig  gehandhabten  Hexameter   oder   in   anderen   griechischen 

Metren,  besonders  dem  iambischen  Senar. 

1.  Im  Saturnius:  der  titulus  Mummianus  vom  J.  609  (C,  I.  lat.  I,  541. 
p.  150  f.  vgl.  oben  60,  8),  die  Grabschrift  des  Maarcus  Caicilius  (ib.  1006, 


135  ff.  L.  Pomponius.   Inachriften  in  gebundener  Form.  207 

p.  218),  die  Inschrift  von  Sora  (ib.  1176,  p.  240;  vgl.  oben  60,  9.  114,  1), 
wie  auch  die  Grabschrift  der  Atistia  (ib.  1016,  p.  222)  wohl  so  gemeint 
ist,  sowie  vielleicht  ib.  1080:  amä.nti88ima  suis,  fide  maxsuma,  pia. 

2.  Im  populären  Hexameter:  der  titulus  Mummianus  im  C.  I.  lat.  I, 
542.  p.  151  f.,  sowie  die  sortes  Praenestinae  (ib.  1438 — 1454,  p.  268—270). 
Ausserdem  die  Grabschrift  des  Cn.  Taracius  (ib.  1202,  p.  244)  und  des 
Protogenes  (ib.  1297,  p.  253).  Ein  daktylischer  Oktometer  ib.  1480,  p.  273. 
Auch  Nr.  1038  lässt  daktylisches  Mass  erkennen.  lamben  und  Hexameter 
in  Nr.  1019;  Distichen  Nr.  1011  und  1220,  sowie  von  den  Scipionengrab- 
schriften  Nr.  38  (p.  21). 

3.  Im  iambischen  Masse  gehalten  sind  von  den  Inschriften  des  C.  I. 
lat.  Nr.  1007—1010.  1012.  1027.  1059?  1267?  1273.  1306.  1431.  1479;  tro- 
chäisch wohl  ib.  1459;  s.  L.  Müller  in  Fleckeisens  Jahrb.  97,  S.  214  A. 
Die  Inschrift  auf  dem  Denkmal  Marcei  Yergilei  Eurysacis  pistoris  redem- 
ptoris  und  seiner  Gattin  Atistia  (C.  I.  lat.  I,  1014—1018,  p.  222  f.),  aus  der 
augusteischen  Zeit,  hat  eine  Art  rhythmischer  Prosa. 

n.  Prosaisten« 

137.  Die  beiden  ersten  Jahrzehnte  des  siebenten  Jahrh.i27 
(600 — 620  d.  St.)  waren  für  Rom  ausgefüllt  durch  Kriege,  ins- 
besondere den  lusitanischen  (601 — 620;  Viriathus)  und  den  nu- 
mantinischen  (611 — 621),  in  deren  schmachvoller  Führung  sich 
bereits  die  Folgen  des  J.  608  =  146  (Karthaga,  Korinth)  zeigen. 
Die  literarische  Thätigkeit  war  daher  in  dieser  Zeit  sehr  unter- 
geordnet. Redner  haben  diese  beiden  Jahrzehnte  an  dem 
•  jüngeren  Africanus  und  dessen  Bruder  Fabius  Aemilianus,  sowie 
dem  jüngeren  Laelius,  an  Sulpicius  Galba,  M.  Lepidus,  Furius 
Philus,  Q.  Metellus  Macedonicus,  auch  den  beiden  Mummii. 

1.  P.  Cornelius  Scipio  Aemilianus,  geb.  570  (Liv.  XLIV,  44,  3),  Cos. 
607  und  620,  Censor  612,  f  625;  vgl.  C.  Krafft  in  Pauly's  Real-Enc.  II. 
S.  662 — 666.  Cic.  Brut.  21,  82:  C.  Laelius  et  P.  Africanus  in  primis  elo- 
quentes, quorum  exstant  orationes.  Lael.  25,  96:  quanta  üla  (Scipionis) 
fuit  gravitas^  quanta  in  oratione  niaiestas!  .  .  sed  .  .  est  in  manibus  oratio. 
Vgl.  p.  Mur.  28,  58.  de  inv.  I,  4,  5.  de  or.  I,  49,  216.  Brut.  74,  258.  off.  I, 
32,  116.  Scipionis  oratiunculae  excerpiert  von  M.  Aurelius,  nach  Fronto 
Ep.  II,  10.  p.  34  N.  Unter  den  üeberreste^  seiner  Beden  (Meyer  ed.  I. 
p.  101 — 106)  sind  zwei  etwas  umfangreichere,  bei  Gell.  VI  (VII),  11,  9. 
Macrob.  (II,  10  =)  III,  14,  7.  Die  meisten  geissein  in  schneidender  Weise 
die  einreissende  Verweichlichung  der  Sitten.  Art  des  Vortrags  s.  Cic.  de 
or.  I,  60,  255:  multi  oratores  fuerunt,  ut  illum  Scipionem  audimus  et  Lac- 
.lium,  qui  omnia  sermone  (Gesprächston)  conficerent  pauUo  intentiore.  — 
Allgemeine  Bildung  des  Africanus.  Cic.  Tusc.  I,  3,  ö:  Galbam,  Africanmn, 
Laelium  doctos  fuissc  traditum  est.  II,  26,  62:  semper  Africanus  Socrati- 
cum  Xenophontem  in  manibus  habebat.    Insbesondere  die  Kvqov  naidfCcc^ 


208  Siebentes  Jahrhundert  d.  St. 

Cic.  ad  Q.  fr.  I,  1,  8,  23.  (Sokratische)  Ironie  hatte  ihm  C.  Fannius  in 
AnnaJibus  zugeschrieben;  vgl.  142,  4.  Cic.  Acad.  II,  5,  15.  de  or.  II, 
67,  270.  Brut.  87,  299.  ÜAgang  mit  Polybioß  (Polyb.  XXXII,  9  f.)  und 
Panaitios  (Cic.  Acad.  II,  2,  5.  pro  Murena  31,  66.  vgl.  de  or.  II,  37,  154. 
Vellej.  Pat.  I,  13,  3).  Freundschaft  mit  G.  Laeliua  (z.  B.  Cic.  de  or.  II, 
6,  22.  Hör.  S.  II,  1,  71  ff.),  Terenz  (oben  107,  5)  und  dem  jungen  Lucilins 
(oben  182,  1  u.  .3). 

2.  Q.  Fabius  Maximus  Aemilianus,  alterer  (Polyb.  XXXII,  9  f.  Cic. 
Lael.  19,  69)  Bruder  des  Scipio  Africanus;  Cos.  609;  s.  A.  Haakh  in  Pauly's 
Real-Enc.  VI,  2.  S.  2914,  Nr.  44.  Geistig  weit  weniger  bedeutend  als  sein 
jüngerer  Bruder  (Cic.  1.  1.),  spielte  er  auch  eine  wenig  hervorragende  Rolle. 
Er  hielt  die  Leichenrede  auf  (den  Jüngern)  Africanus  (Cic.  pro  Mur.  36,  76), 
welche  C.  Laelius  verfasst  hatte  und  npäter  unter  seinem  eigenen  Namen  her- 
ausgab; s.  Schol.  Bob.  zu  Cic.  p.  Mil.  7,  2.  p.  283  Or.:  super  Africani  laudi- 
bus  exstat  oratio  C.  Laeli  Sapientis,  qua  usus  videtur  Qu.  Fabius  Maximus 
in  laudatione  mortui  Scipionis.  Vgl.  Cic.  de  or.  11,  84,  341:  Q.  Tuberoni 
Africanum  avunculum  laudanti  scripsit  C.  Laelius. 

3.  G.  Laelius  (Sapiens),  Sohn  des  Gleichnamigen  (oben  122,  5),  etwas 
älter  als  sein  Freund  Scipio  Aemilianus  (Cic.  de  rep.  I,  12,  18);  Cos.  614; 
8.  H.  Hanna,  de  C.  Laelio  Sapiente,  Lugd.  B.  1832.  A.  Haakh  in  Pauly's 
Real-Enc.  IV.  S.  725—727,  Nr.  2.  —  Cic.  Brut.  21,  84:  ingeni,  litterarum, 
eloquentiae,  sapientiae  denique,  etsi  utrique  (dem  Africanus  und  dem  Lae- 
lius) primas,  priores  tarnen  lubenter  deferunt  Laelio.  Vgl.  ib.  82  (oben 
A.  1)  und  de  or.  I,  60,  255.  Brut.  21,  83:  plurimum  tribuitur  ambobus, 
dicendi  tamen  laus  est  in  Laelio  illustrier,  at  oratio  Laelii  de  collegiis  non 
melior  quam  de  multis  quam  voles  Scipionis;  .  .  multo  tamen  vetustior 
et  horridior  ille  quam  Scipio.  de  or.  I,  13,  58:  Ser.  Galbae  et  .  .  C.  Lae- 
lio, quos  constat  dicendi  gloria  praestitisse.  Brut.  24,  94:  hanc  ob  causam 
(weil  Laelius  limatius  dicendi  consectabatur  genus)  videtur  Laeli  mens  spi- 
rare  etiam  in  scriptis  (orationibus) ,  Galbae  autem  vis  occidisse.  86,  295: 
de  Laelio,  cuius  tu  oratione  negas  fieri  quidquam  posse  dulcius,  addis  etiam 
nescio  quid  augustius.  nomine  nos  capis  summi  viri  vitaeque  elegantissimae 
verissimis  laudibus.  Vgl.  de  rep.  VI,  2,  2  (Laelii  oratio  exstat).  N.  D.  III, 
17,  43  (in  illa  aureola  oratiuncula).  Anklagereden  von  Laelius  kennen  wir 
nicht,  wohl  aber  politische,  Vertheidigungen  und  Lobreden  (s.  A.  2).  Vgl. 
H.  Meyer,  orat.  fragm.  p.  96  —  100  ed.  1.  —  Cic.  ad  Att.  VII,  3,  10: 
Terentii  fabulae  propter  elegantiam  sermonis  putabantur  a  C.  Laelio  scribi; 
vgl.  oben  107,  5.  Fin.  11,  8,  24:  Diogenem  stoicum  adulescens,  post  autem 
Panaetium  audierat  Laelius..  Von  seiner  Vorliebe  für  Philosophie  aotpos 
(Lucil.  ib.),  Sapiens  genannt  (Brut.  58,  213.  oflf.  II,  11,  40.  III,  4,  16).  Anti- 
pater  widmete  ihm  sein  Geschichtswerk  (orat.  69,  230). 

4.  Ser,  Sülpicius  Galba,  geb.  um  565  (aetate  paulum  his  —  dem  Lae- 
lius und  Jüngern  Africanus  —  antecedens  heisst  er  bei  Cic.  Brut.  21,  82), 
J.  605  wegen  einer  Handlung  schmählicher  Treulosigkeit  die  er  604  als 
Proprätor  in  Lusitanien  begangen  angeklagt  und  nur  durch  künstliche 
Mittel  freigesprochen;  trotzdem  Cos.  610.  Vgl.  A.  Haakh  in  Pauly's  Real- 
Enc.  VI,  2.   S.  1494  f.  Nr.  31.     Als  Redner  war  er  nach  Cic.  Brut.  21,  82 


137.  Prosaisten  J.  600-  620.  Redner.  209 

der  erste  ROmer  welcher  künstliche  Figuren  anwandte  (ut  egrederetur  a 
proposito  ornandi  causa,  .  .  ut  communibus  locis  uteretur),  wohl  um  die 
Schlechtigkeit  der  Sache  zuzudecken.  Dagegen  war  er,  der  divinus  homo 
in  dicendo,  ignarus  legum,  haesitans  in  maiorum  institutis,  rudis  in  iure 
civili  (Cic.  de  or.  I,  10,  40).  Sein  Vortrag  zeichnete  sich  aus  durch  grosse 
Lebhaftigkeit  (in  agendo  .  .  vehemens  atque  incensus,  Brut.  22,  88;  inci- 
tata  et  gravis  et  vehemens  oratio,  ib.  24,  93;  latenbus  et  clamore  con- 
tendebat,  de  or.  I,  60,  255;  nihil  leniter  dixit,  or.  30,  106;  vgl.  Brut.  22,86: 
atrocior  acriorque  Laelio;  23,  89:  elegantia  in  Laelio,  vis  in  Galba;  de 
or.  III^  7,  28:  gravitatem  Africanus,  lenitatem  Laelius,  asperitatem  Galba, 
profluens  quidquam  habuit  Carbo  et  canorum),  daher  seine  Beden  ge- 
schrieben minderen  Eindruck  machten  (Brut.  24,  93  f.).  Auch  war  sein 
sprachlicher  Ausdruck  minder  gefeilt  (exiliores  orationes  sunt  et  redolentes 
magis  antiquitatem  quam  aut  Laelii  aut  Scipionis  aut  etiam  ipsius  Catonis; 
itaque  evanuerunt,  vix  iam  ut  appareant,  Brut.  21,  82  vgl.  ib.  86,  295. 
Tac.  dial.  18). 

5.  M.  Aemilius  Lepidus,  qui  est  Porcina  dictus  (Cic.  Brut.  25,  95), 
Cos.  617;  8.  W.  TeuflPel  in  Pauly's  Real-Enc.  I,  1.  S.  357,  Nr.  8.  Cic.  1. 1.: 
isdem  temporibus  fere  quibus  Galba,  sed  paulo  minor  natu,  et  summus 
orator  est  habitus  et  fuit,  ut  apparet  ex  orationibus,  scriptor  sane  bonus. 
Vgl.  ib.  86,  295.  97,  333.  Doch  theilte  auch  er  Galba's  Unkenntniss  des 
Rechts  (de  or.  I,  10,  40).  Aemilius  Porcina  orator,  in  oratione  uti  lex 
Aemilia  abrogetur,  Priscian.  IX.  p.  474,  20  f.  Htz. 

6.  L.  Purins  Philus  (Cos.  618)  perbene  latine  loqui  putabatur  littera- 
tiusque  quam  ceteri,  Cic.  Brut.  28,  108.  Freund  des  Jüngern  Africanus; 
Umgang  mit  gelehrten  Griechen  (de  or.  II,  37,  164).  Unter  den  durch  die 
Stoa  angeregten  und  praktisch  Weisen  (sapientes)  neben  Cato  und  Laelius 
aufgefOlhrt  de  leg.  agr.  II,  24,  64  vgl.  de  or.  II,  37,  154.  p.  Mur.  31,  66. 
de  rep.  III,  3,  5.  Vielleicht  (M.  Hertz  in  Fleekeisens  Jahrbb.  85,  S.  64) 
war  er  Verfasser  einer  Schrift  aus  dem  Sacralrecht  und  bezieht  sich  auf 
ihn  Macrob.  S.  III,  9,  6  ff.:  carmen  (quo  di  evocantur)  quod  ille  (Samoni- 
cus  Serenus)  se  in  cuiusdam  Furii  vetustissimo  libro  repperisse  pro- 
fessus  est. 

7.  Q.  Caecilius  Metellus  Macedonicus,  Cos.  611,  Censor  623,  f  639; 
politischer  Gegner  des  jungem  Africanus;  s.  A.  Haakh  in  Pauly's  Real- 
Enc.  II.  S.  23  f.  Nr.  6.  Cic.  Brut.  21,  81:  Q.  Metellus  .  .  in  primis  est 
habitus  eloquens  .  .  cuius  et  aliae  sunt  orationes  et  contra  Ti.  Gracchum 
exposita  est  in  C.  Fanni  annalibus. 

8.  Cic.  Brut.  25,  94:  fuerunt  etiam  in  oratorum  numero  mediocrium 
L.  et  Sp.  Mummii  fratres,  quorum  exstant  amborum  orationes;  simplex 
quidem  Lucius  et  antiquus,  Spurius  autem  nihilo  ille  quidem  omatior,  sed 
tamen  astrictior;  fuit  enim  doctus  ex  disciplina  Stoicomm.  Lucius  ist  der 
Cos.  608  und  Zerstörer  Korinths;  s.  W.  Teuffei  in  Pauly's  Real-Enc.  V. 
S.  199—202,  Nr.  3.  Sein  jüngerer  Bruder  Spurius  begleitete  ihn  als  Legat 
nach  Achaja  und  schrieb  epistolas  versiculis  facetis  ad  familiäres  missas  a 
Corintho  (Cic.  ad  Att.  XIII,  6,  4).  Vgl.  oben  26,  1.  W.  Teuffei  a.  a.  O. 
S.  202,  Nr.  4. 

Teuffel,  Böm.  liiteraturgoBchichte.   2.  Aufl.  14 


2 1 0  Siebentes  Jahrhundert  d.  St. 

9.  Cic.  Brut.  26,  94:  multae  sunt  8p.  (Postumii)  Albini  (Coa.  606)  ora- 
tiones.  —  Andere  s.  138,  2.  4.  139,  4  u.  5. 

128  138.  Die  Geschichtschreiber  in  dem  ersten  Fünftel  des 
siebenten  Jahrh.  d.  St.  halten  sich  noch  an  die  Weise  der  altern 
Annalisten,  schreiben  aber  nach  Cato's  Vorgange  alle  lateinisch. 
Der  früheste  unter  ihnen  ist  Cassius  Hemina,  der  bedeutendste 
L.  Calpumius  Piso  Frugi;  beide  beginnen  mit  der  Entstehung 
Roms  und  schliessen  mit  der  eigenen  Zeit.  Ausserdem  gehören 
dazu  Fabius  Maximus  Servilianus  und  vielleicht  L.  Scribonius 
Libo.  Ueber  naturhistorische  Gegenstände  schrieben  Trebius 
Niger,  sowie  (wohl  etwas  später)  der  Spanier  Turranius  Gracilis. 

1.  Censorin.  d.  n.  17,  11  (über  die  vierten  Säcularspiele) :  at  Piso  cei^- 
soriuB  etCn.  Gellius,  sed  et  Cassius  Hemina,  qui  illo  tempore  vivebat, post 
annum  factos  tertium  adfirmant,  nämlich  im  J.  608  d.  St.  Yetustissimus 
auctor  annalium  heisst  Cass.  bei  Plin.  N.  H.  XIII,  27,  84.  vgl.  XXIX,  G: 
Cassius  Hemina  ex  antiquissimis  auctor  est.  L.  Cassius  Emina  bei  Prisciaii. 
IX.  p.  482,  15  H.  Das  Citat  Cassius  Hemina  de  censoribus  libr.  II  (bei 
Nonius  p.  346,  22)  hat  nichts  Unglaubliches  (Hertz,  de  bist.  1871,  p.  2  f.). 
Von  dem  Geschichtswerk  des  Cass.  H.,  das  bald  Annales  bald  (ungenau) 
Historiae  genannt  wird,  werden  vier  Bücher  angeführt.  Die  Urgeschichte 
war  ausführlich  behandelt  und  auch  auf  andere  Städte  Italiens  erstreckt. 
Das  vierte  Buch  hatte  den  Titel  bellum  punicum  posterior  (d.  h.  posterios) ; 
das  dritte  Buch  behandelte  also  wohl  den  ersten  punischen  Krieg,  während 
das  zweite  die  röm.  Geschichte  bis  zum  ersten  pun.  Kriege  kurz  zusammen- 
gefasst  haben  wird  (Vahlen  Enn.  p.  LI  not.).  Da  Plinius  in  seinem 
Quellenverzeichniss  ihn  zu  B.  XII  (arborum  naturae),  XIY  (de  peregrinis 
arboribus  et  unguentis),  XXXII  (Heilmittel)  mit  auiTührt,  so  scheint  er 
auch  Curiositäten  mitbehandelt  zu  haben.  Ebenso  Kirchliches  und  Staats- 
rechtliches, sowie  Versuche  zu  etymologisieren.  Die  Ueberreste  von  ihm, 
die  sich  theilweise  gegen  andere  Cassk  schwer  abgrenzen  lassen,  bei  Krause 
p.  166—166,  C.  L.  Roth  (1862)  p.  288—295,  J.  E.  Schmitter  (Cassii  He- 
minae  annalium  fragmenta  emendata  etc.,  Düsseldorf  1861),  zuletzt  H. 
Peter,  bist.  I.  p.  96—108.  Ueber  ihn  Schwegler  B.  G.  I.  S.  87  f.  Gerlach, 
(^eschichtfichr.  S.  69  f.    H.  Peter,  bist.  I.  p.  CLXVIII— CLXXVII. 

2.  L.  Scribonius  Libo,  Volkstribun  J.  605.  Cic.  Brut.  23,  90:  Libonem 
)ion  infantem  video  fuisse,  ut  ex  orationibus  eins  intellegi  potest.  Er  i^t 
wohl  auch  gemeint  ad  Att.  XIII,  30,  3  (in  Libonis  annali  XIV);  vgl.  32,  3. 
44,  3  (Libonem  mecum  habeo  et  habueram  ante  Cascam). 

3.  Q.  Fabius  MaximuB  Servilianus,  Cos.  J.  612.  Macrob.  I,  16,  26:  FabiuB 
Maximus  Servilianus  pontifex  in  libro  XII  negat  oportere  atro  die  paren- 
tare.  Möglicher  Weise  Verwechslung  mit  Ser.  Fabius  Pictor  (139,  3). 
Öchol.  Veron.  zu  Georg.  EI,  7:  .  .  Servilianus  historiarum  scriptor.  Serv. 
zur  Aen.  I,  3:  Fabius  Maximus  annalium  primo.  Dionys.  Ant.  I,  7:  äg  ot 
n^og    ammv    iitccLVOVfievoi  'Pa)fuxi<ov    avviyi^oLtpav  ^    TIoQmog   rf    Kaxfov    «al 


138.  ProBaisten  der  J.  600—620  d.  St.   Piso  Frugi  u.  A.  211 

0dßios  Md^niog  %al  OvccliQLog  6  'Avxuvq  u.  b.  w.  Da  Polyb.  III,  8  ausser 
FabiuB  Pictor  noch  keinen  Geschichtschreiber  der  gens  Fabia  zu  kennen 
scheint,  so  wird  Servilianus  mit  seinen  Aufzeichnungen  erst  in  späteren 
Jahren  begonnen  haben.  W.  Harless,  de  Fabiis  p.  37—44.  vgl.  ib.  p.  3. 
H.  Peter,  bist.  I.  p.  CLXXXH-CLXXXIV  u.  114  f. 

4.  L.  Oalpumius  Piso  Frugi,  trib.  pl.  606,  Cos.  621,  Censor  wahr- 
scheinlich 634  (censoriuB,  A.  1.  Plin.  N.  .H.  XIII,  13  vgl.  Tliatov  Asvxiog  o 
rifiriTt%6g  bei  Dionys.  Ant.  II,  38.  39.  XII  fr.),  Gegner  der  Gracchen.  Sein 
Geschichtswerk  begann  mit  Aeneas  und  reichte  im  siebenten  Buche  min- 
destens bis  J.  608  d.  St.  (Censorin.  17,  13:  Piso,  in  cuius  annali  septimo 
scriptum  est  sie  etc.).  Als  Titel  gewöhnlich  Annales  angegeben;  nur  dass 
Plin.  1.  1.  sagt:  L.  Piso  censorius  primo  commentariorum ;  daher  0.  Jahn 
(Berichte  der  sächs.  G.  d.  W.  1848,  S.  429  f.)  und  Plüss,  de  Cinc.  p.  28, 
not.  83  (auch  bei  Dionysios)  einen  zweiten  Piso,  M.  Hertz  (philologisch - 
klinischer  Streifzug,  1849,  S.  15 — 19)  wenigstens  eine  zweite  Schrift  dieses 
Piso  (antiquarischen  Inhalts)  unterscheidet;  vgl.  dagegen  H.  Peter,  bist.  T. 
p.  CXCIII  f.  An  Wahrheitsliebe  fehlte  es  dem  Piso  gewiss  nicht  (gravis 
auctor  nennt  ihn  Plinius,  N.  H.  II,  63,  140),  und  die  Anführungen  des- 
selben, die  besonders  in  den  zwei  ersten  Büchern  des  Livius  und  bei  Dio- 
nysios häufig  sind,  verrathen  zwar  nicht  immer  guten  Geschmack,  im 
Ganzen  aber  einen  schlichten,  nüchternen,  treuherzigen  Sinn,  auch  einen 
Anflug  von  Bationalismus,  der  dem  Eomanüker  Niebuhr  so  antipathisch 
war.  Ueber  die  Darstellung  des  Piso  urteilt  Cicero,  vbm  Standpunkte  des 
Stilisten,  ungünstig;  Gellius,  als  Bewunderer  alles  Alterthümlichen,  findet 
das  einfache  Nebeneinander  seiner  Sätze  reizend.  Brut.  27,  106:  Piso  et 
causas  egit  et  multarum  legum  aut  auctor  aut  dissuasor  fuit,  isque  et  ora- 
tiones  reliquit,  quae  iam  evanuerunt,  et  annales  sane  eziliter  scriptos.  Vgl. 
de  leg.  I,  2,  6.  de  or.  II,  12,  61  ff.  oben  37,  6.  Dagegen  Gellius  VII  (VI), 
9,  1:  res  perquam  pure  et  venuste  narrata  a  Pisone.  XI,  14,  1:  simpli- 
cissima  suavitate  et  rei  et  orationis  L.  Piso  Frugi  usus  est  in  primo  annali. 
Seine  beiden  Beispiele  zeigen  dass  Piso  sich  in  anekdotenhaftes  Detail 
einliess;  auch  fuhrt  ihn  Plinius  als  Quelle  an  zu  Buch  XII  bis  XVIII  (Bäume), 
XXVIII  u.  XXIX  (medicinae),  XXXIIl  f.  (MetaUe),  XXXVI  (Steine).  Vgl. 
A.  1.  Seine  üeberreste  bei  Krause  p.  139  ff.,  C.  L.  Roth  p.  295—304,  und 
H.  Peter  I.  p.  118 — 137.  Liebaldt,  de  L.  Calpurnio  Pisone  annalium  scriptore, 
Naumburg  1836.  4.  Schwegler  I.  S.  88  f.  Gerlach,  Geschichtschr.  S.  60—62. 
Kieserling,  rer.  script.  p.  30—35.   H.  Peter,  bist.  I.  p.  CLXXXVIII— CCI. 

5.  Plin.  n.  h.  IX,  30,  48  (89):  L.  LucuUo  proconsule  Baeticae  (J.  604 
d.  St.)  comperta  de  polypis  quae  Trebius  Niger  e  comitibus  eins  prodidit. 
Vgl.  ib.  (93):  ut  ipsius  Trebi  verbis  utar.  ib.  25,  41  (80):  Tr.  N.  u.  X,  18, 
20  (40) :  Trebius  auctor  est.  Ausser  für  B.  IX  (de  aquatilium  natura)  wird  er 
auch  für  B.  XXXII  (medicinae  ex  aquatilibus)  als  Quelle  genannt. 

6.  Plin.  n.  h.  III.  pr.  3:  a  vico  Mellaria  Hispaniae  ad  promunturium 
Africae  Album,  auctore  Turranio  Gracile  iuxta  genito.  Daher  wird  er 
im  Quellenverzeichniss  zu  B.  III  an  erster  Stelle  genannt,  wie  auch  zu  B.  IX 
(vgl.  A.  6),  sowie  zu  B.  XVIII  (naturae  frugum).  Vgl.  IX,  6,  11:  Turraniuß 
prodidit  expulsam  beluam  in  Gaditano  litore. 


212  Siebentes  Jahrliundcrt  ä.  St. 

129  139.  Bedeutende  Juristen  haben  diese  zwei  Jahrzehnte 
an  Manius  Manilius,  M.  Junius  Brutus,  Ser.  Fabius  Pietor,  und 
besonders  dem  Consul  des  J.  621,  P.  Mucius  Scaevola,  einem 
scharfsinnigen,  jedoch  mehr  bedächtigen  und  behaglichen  als 
energischen  Ehrenmanne,  der  auch  die  offiziellen  annales  ab- 
schloss  und  in  Buchform  brachte.  Er  wie  Manilius  und  Brutus 
waren  angesehene  Schriftsteller  in  ihrem  Fache,  insbesondere 
Manilius  Verfasser  von  Formularen  zu  Eaufcontracten.  Auch 
des  Scaevola  Bruder,  der  Cos.  622,  P.  Licinius  Crassus  Mu- 
cianus,  war  ein  genauer  Kenner  des  Rechts,  sowie  C.  Marcius 
Figulus. 

1.  M\  Manilius,  Cos.  605,  zum  Freundeskreise  des  jungem  Africanus 
gehörig;  s.  L.  Bröcker  in  Pauly'a  Real-Enc.  IV.  S.  1481  f.  Nr.  4.  —  Pompon. 
Dig.  I,  2,  2j  39:  post  hos  (Cato  und  sein  Sohn)  fuerunt  F.  Mucius  et  Bru- 
tus et  Manilius,  qui  fundaverunt  ins  civile.  ex  bis  .  .  libellos  reliquit  .  . 
Manilius  tres.  et  exstant  volumina  scripta,  Manilii  monunienta.   Cic.  de  or. 

I,  58,  246:  Manilianas  venalium  vendendorum  leges  ediscere.    Varro  R.  K. 

II,  3,  5:  Manilius  scriptxun  reliquit  (Sponaionsformel  über  den  Kauf  von 
Ziegen)  sie.  ib.  5,  11:  paulo  verbosius  haec  (Stipulationsform)  qui  Manilii 
actiones  sequuntur.  7,  6:  emtio  equina  similis  fere  ac  boum,  .  .  ut  in 
Manilii  actionibus  sunt  perscripta.  L.  L.  VII,  5,  106.  p.  161  M.:  nexum 
Manilius  scribit  omne  quod  per  libram  et  aes  geritur.  Bei  Varro  immer  mit 
der  Var.  Mamilius.  Cic.  iin.  I,  4,  12:  partus  ancillae  sitne  in  fructa  habendus 
disseretur  inter  principes  civitatis,  P.  Scaevolam  Maniumque  Manilium,  ab 
iisque  M.  Brutus  dissentiet,  .  .  nosque  ea  scripta  .  .  legimus  libenter.  ad 
Fam.  VII,  22:  ut  scires  id  .  .  Sex.  Aelium,  M\  Manilium,  M.  Brutum  sen- 
sisse.  Vgl.  ib.  8,  2.  p.  Caecin.  24,  69:  si  ut  Manilius  statuebat,  sie  est 
iudicatum.  Gell.  XVII,  7,  3 :  Q.  Scaevola  patrem  suum  et  Brutum  et  Mani- 
lium, vires  adprime  doctos,  quaesisse  ait  u.  s.  w.  Dig.  XLI,  2,  3,  3: 
Brutus  et  Manilius  putant  u.  s.  w.  Als  Jurist  heisst  er  bei  Cic.  (rep.  I, 
12,  18.  vgl.  Brut.  28,  108)  vir  prudens.  Brut.  28,  108:  nee  multo  minus 
(als  P.  Scaevola)  prudenter  (loqui  putabatur)  M\  Manilius.  de  or.  III,  33, 
133:  M\  Manilium  .  .  vidimus  transverso  ambulantem  foro,  quod  erat  insignc 
eum  qui  id  faceret  facere  civibus  omnibus  consilii  sui  copiam. 

2.  M.  Junius  Brutus,  iuris  peritissimus  (Cic.  Brut.  34,  130  vgl.  47,  175; 
iuris  civilis  in  primis  peritus,  Off.  II,  14,  50).  Pompon.  1.  1.  39  heisst  er 
praetorius  und  wird  gesagt  dass  er  septem  libellos  reliquit.  Dagegen  Cic. 
de  or.  II,  66,  223:  tres  Bruti  de  iure  civili  libros  tribus  legendes  dedit. 
p.  Cluent.  51,  141:  tres  excitavit  recitatores  cum  singulis  libris  quos  M. 
Brutus  .  .  de  iure  civili  reliquit.  Quintil.  VI,  3,  44:  tris  excitavit  lectores 
hisque  (M.  Bruti)  dialogos  dedit  legendos.  Die  dialogische  Einkleidung 
erhellt  aus  Cic.  de  or.  II,  65,  224,  wo  es  auch  heisst:  ex  libro  teiiio,  in 
quo  finem  scribendi  fecit  (M.  Brutus);  tot  enim,  ut  audivi  Scaevolam  dicere, 
sunt  veri  Bruti  libri.  Also  waren  nach  Scävola  die  vier  weiteren  Bücher 
Fortsetzungen  des  ursprünglichen  Werkes  durch  einen  Juristen  des  sieben- 


139.  Juristen  der  J.  600—620  d.  St..   P.  Scaevola  ii.  A.  213 

tcn  Jahrb.  —  Cic.  de  or.  II,  33,  142:  video  in  Catonis  (des  Sohnes)  et  inBruti 
libris  nominaüm  fere  referri  quid  alicui  de  iure  yiro  aut  mulieri  respon- 
derint.  Gell.  VI  (VII),  16,  1.  XVII,  7,  3.  Big.  XLIX,  15,  4  (inter  Brutum 
et  Scaevolam  varie  tractatum  est). 

3.  Cic.  Brut.  21,  81:  Ser.  Fulvius  (Cos.  619)  et  una  Ser.  Fabius  Pictor 
et  iuris  et  litterarum  et  antiquitatis  bene  peritus.  Gell.  I,  12,  14:  in  libro 
I  Fabii  Pictoris  quae  verba  pontificem  maximum  dicere  oporteat  .  .  scri- 
ptum est.  X,  15,  1:  in  libris  qoi  de  sacerdotibus  publicis  compositi  sunt, 
item  in  Fabii  Pictoris  primo  scriptos  legimus.  Non.  Marc.  v.  picumnus 
(p.  618):  F.  P.  in  iuris  pontificii  libr.  III.  Nach  der  Art  der  Nennung  scheint 
auch  Gellius  (vgl.  oben  115,  7)  dieses  Werk  de  iure  ponti^cio  dem  berühm- 
ten Annalisten  Fabius  Pictor  zugeschrieben  zu  haben.  Vgl.  H.  Peter,  bist.  I. 
p.  CLXXIX— CLXXXI  u.  p.  111--113. 

4.  P.  Mucius  Scaevola,  6  vofjbOÖsiKTJig  (Plut.  Gracch.  9),  Cos.  621,  f  um 
640  (vgl.  Ascon.  in  Milon.  p.  46  Or.);  s.  W.  Teuffei  in  Pauly's  Real-Eno.  V. 
S.  181—183,  Nr.  8.  —  Pompon.  1.  1.  39  (s.  A.  1).  Ist  die  dortige  Reihen- 
folge der  Aufzählung  (Mucius,  Brutus,  Manilius)  nicht  etwa  dignitär,  son- 
dern wollte  chronologisch  sein,  so  würde  Pomp,  den  Vater  und  den  Sohn 
verwechseln;  s.  W.  Teuffei  a.  a.  0.  S.  182  Anm.  vgl.  S.  180  Anm.  Ausser- 
dem Pomp.  1.  1.:  ex  his  P.  Mucius  etiam  decem  libellos  reliquit.  .  .  illi  duo 
(Manilius  u.  P.  Mucius)  consulares  fuerunt,  P.  autem  Mucius  etiam  ponti- 
fex  maximus.  Letzteres  war  er  mindestens  seit  631 ;  s.  Cic.  de  dom.  63,  136. 
Als  solcher  scheint  er  die  Abfassung  der  offiziellen  Annales  durch  den  ponti- 
fex  maximus,  welche  durch  die  Privat- Annalisten  überflüssig  geworden,  ab- 
geschafft zu  haben;  wenigstens  giengen  jene  (nach  Cic.  de  or.  II,  11,  52)  nur 
usque  ad  P.  Mucium  pontificem  maximum.  Gleichzeitig  wird  er  wohl  für 
die  Sammlung  der  bisher  geführten  annales  und  deren  Herausgabe  in  Buch- 
form Sorge  getragen  haben;  s.  oben  74,  2  u.  3.  Mommsen,  R.  G.  IP.  S.  453. 
Zusammenhang  des  Pontificats  mit  Jurisprudenz:  Cic.  de  leg.  II,  19,  47 
(vgl.  21,  52):  .  .  Scaevolae  (Vater  und  Sohn,  Letzterer  Cos.  669),  pontifi- 
ces  ambo  et  eidem  iuris  peritissimi  (vgl.  de  leg.  II,  21,  62).  saepe,  inqnit 
P.  fllius,  ex  patre  audivi  pontificem  bonum  neminem  esse  nisi  qui  ius  ci- 
vile  cognosset.  de  or.  I,  37,  170:  P.  Crassus,  ille  Dives,  .  .  cum  P.  Scae- 
volae frater  esset,  solitus  est  ei  persaepe  dicere ,  neque  illum  in  iure  civil! 
satis  facerc  posse  nisi  dicendi  copiam  assumpsisset  .  .  neque  se  ante  cau- 
sas  amicorum  tractare  atque  agere  coepisse  quam  ius  civile  didicisset. 
Brut.  28,  108:  latine  loqui  putabatur  .  .  P.  Scaevola  valde  prudenter  et 
acute,  paulo  etiam  copiosius.  de  or.  I,  56,  240  (von  Crassus):  id  quod 
ipse  diceret  et  in  P.  Mucii,  fratris  sui,  libris  et  in  Sex.  Aelii  commentariis 
scriptum  protulisse.  Die  Proben  seiner  Entscheidungen  und  Aeusserungen 
die  uns  erhalten  sind  zeigen  ihn  eben  so  scharf  im  Definieren  (Cic.  Top.  4, 
24.  6,  29.  8,  37.  9,  38)  als  stark  in  der  Casuistik  (Cic.  de  leg.  II,  22,  57. 
fin.  I,  4,  12.  Gell.  XVII,  7,  3.  Dig.  XXIV,  3,  66  pr.  XLIX,  15,  4.  L,  7, 
17.  vgl.  XL VII,  4,  1,  15),  insbesondere  auch  bereits  im  Anleiten  zu  gesetz- 
licher Umgehung  der  gesetzlichen  Bestimmungen  (Cic.  leg.  II,  21,  53). 
Nur  eine  Parteiansicht  aber  war  es  wenn  Nasica  ihm  den  Grundsatz  fiat 
iustitia,  pereat  mundus  zuschrieb  (Val.  Max.  III,  2,  17:  tum  Scipio  Nasica 


214  Siebentes  Jahrhundert  d.  St. 

quoniam,  inquit,  consul,  dum  iuris  ordinem  sequitur,  id  agit  ut  cum  oinni- 
bU8  legibus  romanum  imperium  corruat  etc.).  In  seinem  Umgange  bildete 
sich  Rntilius  Rufus  (Cos.  649);  s.  unten  146,  2.  Sein  glänzendster  Schüler 
aber  war  sein  Sohn,  der  Cos.  669  (unten  151,  1  ff.). 

.5.  P.  Licinius  Crassus  Dives  Mucianus^  leiblicher  Bruder  des  Vorigen, 
aber  adoptiert  von  P.  Crassus  (Cos.  649;  s.  oben  122,  4);  Cos.  623,  f  624. 
8.  W.  Teuffei  in  Pauly's  Real-Enc.  IV.  S.  1057  f.  Nr.  15.  —  Gell.  I,  13,  10:  is 
Crassus  .  .  traditur  habuipse  quinque  rerum  bonarum  maxima  et  praecipua: 
quod  esset  ditissimus,  quod  nobilissimus,  quod  eloquentissimus,  quod  iuris- 
consultissimus ,  quod  pontifez  maximus.  Cic.  de  or.  I,  60,  216:  P.  Crassus 
idem  fuit  eloquens  et  iuris  peritus  (ebenso  Brut.  33,  127.  Cato  mal.  14, 
50).  Ib.  66,  240:  fuit  Crassus  in  numero  disertorum,  sed  par  Galbae  (oben 
137,  4)  nuUo  modo.  ib.  37,  170  (s.  A.  4).  Brut.  26,  98:  P.  Crassum  valde 
probatum  oratorem  .  .  accepimus,  qui  et  ingenio  valuit  et  studio  et  habuit 
quasdam  etiam  domesticas  disciplinas.  nam  .  .  cum  esset  P.  Muci  (Cos. 
579)  filius  fratremque  haberet  P.  Scaevolam  (s.  A.  4)  domi  ins  civile  cogno- 
verat.  in  eo  industriam  constat  summam  fuisse  maximamque  gratiam,  cum 
et  consuleretur  plurimum  et  diceret.  Unter  den  Juristen  nennt  ihn,  aber  mit 
dem  Vornamen  L.  (wohl  durch  Verwechslung  mit  dem  Redner  L.  Crassus, 
unten  149,  3  f.)  und  an  unrechter  Stelle  (nach  Sex.  Pompejus  u.  A.) ,  Pompon. 
Dig.  I,  2,  2,  40:  L.  Crassus,  frater  P.  Mucii  (des  Cos.  621,  s.  A.  4),  qui  Mu- 
eianus  dictus  est.  Ausserdem  s.  Val.  Max.  VIII,  7,  6:  P.  Crassus,  cum  in 
Asiam  ad  Aristonicum  regem  debellandum  consul  venisset,  tanta  cura  grac- 
cac  linguae  notitiam  comprehendit  ut  eam  in  quinque  divisam  genera  (d.  h. 
Dialekte)  .  .  penitus  cognosceret.  Natürlich  verstand  er  das  Griechische 
schon  vorher  vollständig. 

6.  Valer.  Max.  IX,  3,  2:  G.  Figulum  mansuetissimum ,  pacato  iuris 
iudicio  (studio?)  celeberrimum ,  Sohn  des  Cos.  592  und  598,  aber  selbst 
nicht  zum  Consulat  gelangt;  daher  die  ärgerliche  Frage  an  seine  consul- 
tores:  an  vos  consulere  scitis,  consulem  facere  nescitis? 

130  140.  Die  Zeit  der  Gracchen  (J.  620 — 635  d.  St.)  "war 
eine  Periode  innerer  Stürme,  die  den  Staat  in  seinen  Grund- 
festen erschütterten.  In  diesen  leidenschaftlichen  Parteikämpfen 
war  die  Rede  eine  mächtige  WaflFe,  obwohl  sie  gegen  brutale 
Gewalt  nichts  ausrichtete.  Am  gewaltigsten  handhabte  die  Rede 
in  dieser  Zeit  der  jüngere  Gracchus  (J.  600 — 633  d.  St.),  Die 
zündende  Energie  seiner  Beredtsamkeit  tritt  uns  aus  den  weni- 
gen Proben  die  wir  von  ihr  besitzen  noch  ergreifend  entgegen. 
Wie  überhaupt  so  auch  als  Redner  viel  weniger  bedeutend  war 
des  Caius  älterer  Bruder,  Tiberius  (J.  591 — 621  d.  St.). 

1.  Personalien  und  Literatur.  Tiberius  Sempronius  Gracchus,  geb.  591 
oder  592  d.  St.,  Quästor  des  Cos.  Hostilius  Mancinus  im  numantinischen 
Kriege  (J.  617  =  137),  Volkstribun  621  =  133,  als  welcher  er,  ungeduldig 
über   den  Widerstand   welchen   er  bei  seinen  wohlgemeinten  Vorschlägen 


140.   Prosaisten  J.  620— -636:  die  Graccheß.  215 

fand,  bald  aus  der  gesetzlichen  Bahn  gerieth  und  von  dem  Pontifex  maxi- 
mus  P.  Nasica  erschlagen  wurde  {ovnm  TQux%ovra  yeyovmg,  Plut.  C.  Gracch. 
1).  Cajus  war  neun  Jahre  jünger  (Plut.  Ti.  Gr.  3.  C.  Gr.  1),  somit  600 
oder  601  geboren,  621  ff.  triumvir  agris  dividundis,  628  f.  Quästor  des  Cos. 
Aurelius  Orestes  in  Sardinien,  Volkstribun  631(123) — 633(121),  in  welchem 
letztem  Jahre  er  dem  Cos.  L.  Opimius  erlag.  A.  Haakh  in  Pauly's  Real- 
Enc.  VI,  1.  S.  983—987.  Dieckmann,  die  beiden  Gracchen,  Hanover  1851. 
Th.  Lau,  die  Gracchen  und  ihre  Zeit^  Hamburg  1854.  287  S.  8.  J.  Sörgel, 
deTi.etC.  Gracchis,  T.  Erlangen  1860.  24  pp.  4.  II.  Erlangen  1868.  21  pp.  4. 
III.  Erlangen  1866.  24  pp.  4.  A.  G.  G.  Lundenius,  de  Ti.  Sempronio 
Graccho,  Helsingfors  1850.  159  pp.  8.  A.  G.  Kok,  quo  anno  aetatis  Ti. 
Gracchus  quaestor  fuerit,  in  seinen  Quaestiones  Plutarcheae,  Lugd.  Bat  1863. 

2.  Gemeinsames  und  Vergleichung  Beider.  Plut.  Ti.  Gr.  2:  Idia  n^oa- 
(onov  wxl  ßliiJLiLcczi  %cci  %ivrj(Utti.  n^aog  xal  %aTttütrj(i€Ctiii6s  ^v  o  Tcßigiog, 
fvtovog  dl  Tuxl  aq>o9Q6g  6  Fatog.  .  .  6  Xoyog  tov  fihv  Fcctov  q>oßsif6g  hccI 
nBQinad"rig  slg  Ssivmaiv,  rjÖicav  6*  o  tov  TißsQ^ov  xal  (läXXov  inaymyog 
oFutov.  t^  dh  li^si  na&aQog  tukI  dianenovrifiivog  dnQißäg  i%sivog,  6  äh 
Fcctav  ntd'avog  xal  ysyav<oiiivog.  re»  6'  tj^bl  .  .  o  fiBv  inismiig  xofl  ngSiog, 
b  de  tQaxvg  xal  ^fiofirdv^g.  Mag  hier  der  Unterschied  allzusehr  geschärft 
sein,  so  war  doch  jedenfalls  Cajus  der  lebhaftere  und  durch  die  Erfahrun- 
gen seines  Bruders  verbittert.  Liv.  LX:  G.  Gracchus  .  .  eloquentior  quam 
frater.  Dio  fr.  85  Bk.:  6  FQixTixog  trjv  fihv  yvcifiriv  ofLoiav  xA  dSsltp^  bI%bv  .  . 
T^  d^  noLQuayLBv^  t(ov  Xoytov  noXv  avtov  nqoBtpB^Bv.  Yellej.  II,  6,  1:  ingenio 
eloquentiaque  longe  praestantior.  Cic.  Brut.  97,  333 :  Gracchi  in  contionibus 
multo  faciliore  et  liberiore  genere  dicendi  (usi  sunt  quam  superiores).  Plin. 
N.  H.  XIII,  26:  longinqua  monumenta  Tiberii  Caique  Gracchorum  manus, 
quae  apud  Pomponium  Secundum  .  .  vidi. 

3.  Tiberius.  Cic.  Brut.  27,  103:  foit  uterque  (Carbo  und  Tib.)  sum- 
mus  orator.  104:  et  Carbonis  et  Gracchi  habemus  orationes  nondum  satis 
splendidas  verbis,  sed  acutas  prudentiaeque  plenissumas.  fuit  Gracchus  .  . 
graecis  litteris  eruditus.  nam  semper  habuit  exquisitos  e  Graecia  magistros, 
in  eis  iam  adolescens  Diophanen  Mytilenaeum  (vgl.  Plut.  Ti.  8.  20),  Grae- 
ciae  temporibus  Ulis  disertissumum.  de  harusp.  resp.  19,  41:  Ti.  Gracchus 
convellit  statum  civitatis:  qua  gravitate  vir,  qua  eloquentia,  qua  dignitate! 
Appian.  b.  c.  I,  9:  TißsQiog  2BfiitQoivLog  r^daxog,  dviiQ  litifpavrig  %aX  Xayi,- 
itQog  ig  <piXoTifiiav ,  bIubiv  tb  dwardrccTog.  Dass  seine  Stellung  zum  nu- 
mantinischen  Vertrag  in  den  Bhetorschulen  frühzeitig  ausgebeutet  wurde 
zeigt  Quintil.  VII,  4,  13:  interdum  culpa  in  hominem  relegatur:  ut  si 
Gracchus  reus  foederis  numantini  .  .  missum  se  ab  imperatore  suo  diceret. 
Martian.  Cap.  V.  p.  149,  18  ff.  Eyss.:  remotio  est  cum  obiectum  crimen 
in  alterum  vel  in  aliud  .  .  removetur.  in  alium,  ut  Ti.  Gracchus  in  Man- 
cinum,  qui  auctor  faciendi  foederis  foit.  Man  kann  daher  auch  zweifelhaft 
sein  ob  das  was  Plutarch  (Ti.  Gr.  9.  15)  und  Appian  (b.  c.  I,  9),  Ersterer 
(c.  15)  als  Probe  der  ni%'CLv6trig  und  nvnvotrig  tov  dvö^og,  den  Tib.  zur 
Begründung  seiner  Anträge  sprechen  lassen  wirklich  aus  Beden  desselben 
geschöpft  ist  oder  Ausmalung  von  Bhetoren  und  rhetorisierenden  Histori- 
kern (wie  FanniuB  oder  Livius).    Die  Quelle  des  Plutarch  scheint  wirklich 


216  Siebentes  Jahrhundert  d.  St. 

Proben  ans  den  Reden  wenigstens  des  Cajus  gegeben  zu  haben;  vgl.  C.  (>r. 
4  eztr.:  toiavtrj  (isv  rj  niTiQ^a  rmv  Xoytov  rjv  avtov,  nal  Ttollci  Xaßeiv  in 
rav  ysyifafifiivatv  laxiv  ofioia. 

4.  CaiuB.  Allgemeine  Charakteristik  seiner  Beredtsamkeit.  Plut.  C. 
Gr.  1:  tov  Xoyov  acnSQ  mnyms^a  naraCTLBvaioftsvos  iitl  rriv  noXivBiav  .  . 
ditidsi^s  Tovg  ällovg  fritoQag  ncciSav  (infantium)  firjdhv  6iaq)iQ0VTag. 
3:  la%v<ßv  tm  XsyBiv  ag  aXXog  ovSsig.  4:  r^v  de  xorl  fifyaXoqxovozatog  ntti 
QmfiaXscrcatog  iv  tc9  Xiyeiv.  Vgl.  Anm.  2.  Cic.  de  harusp.  resp.  19,  41: 
C.  Gracchus  quo  ingenio,  qua  eloquentia,  quanta  vi,  quanta  gravitate  di- 
cendi!  pro  Font.  17,  39:  exstat  oratio  hominis,  ut  opinio  mea  fert,  nostro- 
rum  hominum  longe  ingeniosissimi  atque  eloquentissimi,  C.  Gracchi.  Brut. 
33,  125:  vir  et  praestantissumo  ingenio  et  flagranti  studio  et  doctus  a 
puero,  C.  Gracchus,  noli  enim  putare  quemquam  pleniorem  aut  uberiorem 
ad  dicendnm  foisse.  .  .  damnum  illius  immaturo  interitu  res  romanae  la- 
tinaeque  litterae  fecerunt.  126:  eloquentia  nescio  an  habuisset  parem  ne- 
minem, grandis  est  verbis,  sapiens  sententiis,  genere  toto  gravis:  manu^ 
extrema  non  accessit  operibus  eius;  praeclare  incohata  multa,  perfecta  non 
plane.  Tac.  dial.  18 :  Catoni  seni  comparatus  C.  Gracchus  plenior  et  uberior. 
26:  malim  C.  Gracchi  impetum.  In  der  Zeit  des  Fronto  erneuerte  sich 
das  Interesse  für  Gracchus.  Fronto  Epist.  p.  145  N.:  tribunalia  Catonis 
et  Gracchi  et  Ciceronis  orationibus  celebrata.  p.  114:  contionatur  Cato 
infeste,  Gracchus  turbulente,  TuUius  copiose.  iam  in  iudiciis  saevit  idem 
Cato,  triumphat  Cicero,  tumultuatur  Gracchus,  Calvus  rixatur.  p.  54:  ora- 
tores  veteres,  quorum  aut  pauci  aut  praeter  Catonem  et  Gracchum  nemo 
tubam  infiat.  Beschäftigung  mit  Beden  des  (C.)  Gracchus  ib.  p.  56.  61. 
105.  Diesem  neuerwachten  Interesse  verdanken  wir  die  Erhaltung  kost- 
lieber  Proben  seiner  Beredtsamkeit  durch  Gellius,  bes.  N.  A.  X,  3,  3 — 5. 
XI,  10.  13,  3.  XV,  12.  Dio  hat  bereits  wieder  aus  secundären,  dem 
C.  Gracchus  politisch  abgeneigten  Quellen  geschöpft;  s.  fr.  85  Bk.,  wo 
auch:  noXXy  iilv  nvnvozrizi  ivd'Vftrjfidtaav ,  noXXy  Sh  xal  atpoSqoxTiTi  ovo- 
IMXxmv  Inlnav  idrjiirjyoQSv. 

5.  Art  der  Beredtsamkeit  des  C.  Gracchus:  Lebendigkeit  des  Vortrags 
(Plut.  C.  Gr.  4;  monitor  zum  Massigen  oder  Steigern  der  Stimme,  Cic.  de 
or.  III,  60,  225.  Plut.  C.  Gr.  4  extr.  de  cohib.  ira  6.  vgl.  Val.  Max.  VIII, 
10,  1.  Quintil.  I,  10,  27.  Gell.  I,  11,  10  ff.  Dio  fr.  85  Bk.)  und  der  Action 
(Auf-  und  Abgehen,  Entblösen  des  Armes,  Plut.  Ti.  Gr.  2.  Dio  1.  1.).  Cic. 
de  or.  III,  56,  214:  quae  sie  ab  illo  esse  acta  constabat  oculis,  voce,  gestu, 
inimici  ut  lacrimas  tenere  non  possent.  Einschneidende  Polemik  gegen  den 
Uebermut  der  Oligarchie  und  auch  einzelnen  Gegnern  gegenüber  (Schol. 
Vat.  in  Cic.  or.  p.  Place.  2,  16.  p.  233  Or.:  gegen  Piso  C.  Gracchi  extat 
oratio  maledictorum  magis  plena  quam  criminum;  vgl.  Cic.  p.  Font.  17,  39). 
Cic.  Tusc.  III,  20,  48:  lege  orationes  Gracchi:  patronum  aerarii  esse  dices. 
Wahl  der  treffendsten  Ausdrücke,  Cic.  de  or.  I,  34,  154. —  Gell.  XI,  13,  2: 
in  eius  orationis  principio  collocata  verba  sunt  accuratius  modulatiusque 
quam  veterum  oratorimi  consuetudo  fert.  Ueber  seine  exordia  oben  43,  5. 
Angebliche  Benützung  des  Rhetors  Menelaus  aas  Marathus,  Cic.  Brut.  26, 
100.  Die  üeberreste  von  (17)  Reden  bei  Meyer,  or.  rom.  fragm.  p.  116 — 
128  =  227—249  ed.  IL 


140  f.   Die  Gracchen.  Audere  lledner  der  Gracchenzeit.  217 

6.  Cic.  de  divin.  I,  18,  36:  Ti.  Gracchus  P.  f.  .  .  nonne,  ut  C.  Gracchus, 
filius  eius,  scriptum  reliquit,  duobus  anguibus  domi  conprehensis  haruspices 
conyocavit?  Genauer  ib.  II,  29,  62:  C.  Gracchus  ad  M.  Pomponium  scripsit 
duobus  anguibus  domi  conprehensis  haruspices  a  patre  convocatos.  Vgl. 
Plut.  Ti.  Gr.  1.  Die  betreffende  Schrift  hatte  also  Briefform,  war  somit 
keinenfalls  eine  Rede,  sondern  wohl  eine  politische  Schutz-  und  Streit- 
schrift. Auf  sie  kann  sich  daher  gleichfalls  beziehen  Plut.  Ti.  Gr.  8:  6  ^ 
dSelqfOs  ccvtov  Fdiog  Jtv  rtt/t  ßißUa)  yiyi^atpsv  (was  dem  Tib.  den  Anstoss 
zu  seinen  leges  agrariae  gegeben  habe).  Vgl.  H.  Peter,  bist.  I  p.  CLXXXV 
— CLXXXVn. 

141«  Von  den  Rednern  der  gracchischen  Zeit  standen  aufisi 
Seiten  der  Gracchen  nur  die  Brüder  Crassus  (Cos.  623)  und  Scae- 
vola  (Cos.  621),  des  Tiberius  Schwiegervater  Appius  Claudius 
(Cos.  611),  sowie  M.  Fulvius  Flaccus  (Cos.  629),  C.  Papirius 
Carbo  (Cos.  634)  und'  P.  Decius  (Prätor  639),  vielleicht  auch 
C.  Scribonius  Curio  (Prätor  633);  auf  der  Gegenseite  aber  T. 
Annius  Luscus  (Cos.  601),  Q.  Metellus  (oben  137,  7),  P.  Nasica 
(Cos.  616),  L.  Piso  Frugi  (oben  138,  4),  P.  Popüius  (Cos.  622), 
C,  Fannius  (Cos.  632),  Q.  Aelius  Tubero  (unten  144,  2),  der 
princeps  senatus  M.  Scaurus  (Cos.  639),  M.  Livius  Drusus 
(Cos.  642). 

1.  Cic.  Acad.  pr.  II,  5,  13:  duo  sapientissimos  et  clarissimos  fratres, 
P.  Crassum  et  P.  Scaevolam  (oben  139,  4  u.  5),  aiunt  Ti.  Graccho  leguni 
auctores  fuisse,  alterum  quidem  palam,  alterum  obscurius. 

2.  Appi  Claudi  volubüis,  sed  paulo  fervidior  erat  oratio,  Cic.  Brut.  28, 
108.  Ap.  Claudius  C.  f.  Polc(er)  auf  einem  limes  Gracchanus;  Censor  618; 
A.  Haakh  in  Pauly's  Beal-Enc.  IL  S.  410,  Nr.  26. 

3.  Cic.  Brut.  28,  108:  in  aliquo  numero  (erant)  etiam  M.  Fulvius 
Flaccus  et  C.  Cato  .  .,  mediocres  oratores,  etsi  Flacci  scripta  sunt,  sed  nt 
studiosi  litterarum  (dilettantischer  Forscher  auf  dem  Gebiete  der  Literatur). 
Pauly's  Real-Enc.  III.  S.  632  vgl.  534. 

4.  C.  Papirius  C.  f.  Carbo,  tr.  pl.  623,  praetor  629,  Cos.  634;  C.  Fuchs 
in  Pauly^s  Eeal-Enc.  V.  S.  1145  f.  Nr.  2.  Cic.  Brut.  27,  104:  et  Carbonis  .  . 
habemus  orationes  (oben  140,  3).  105:  Carbo  .  .  est  in  multis  iudiciis  cau- 
sisque  cognitus.  hunc  .  .  L.  Gellius  .  .  canorum  oratorem  et  volubilem 
(vgl.  de  or.  III,  7,  28)  et  satis  acrem  atque  eundem  et  vehementem  et 
valde  dulcem  et  perfacetum  (vgl.  Lael.  25,  96)  fuisse  dicebat;  addebat  in- 
dustrium  etiam  et  diligentem  et  in  ezercitationibus  commentationibusque 
multum  operae  solitum  esse  ponere  (vgl.  Quintil.  X,  7,  27:  C.  Carbo  etiam 
in  tabemaculo  solebat  hac  uti  exercitatione  dicendi).  106:  hie  optimus 
illis  temporibus  est  patronus  habitus.  Vgl.  43,  159  u.  62,  221  (eloquentis- 
sumuB  homo);  27,  103  (summus  orator).  Seine  Bildung  muss  aber  einseitig 
rednerisch  gewesen  sein,  wenn  er,  wie  Galba  und  Porcina  (oben  137,  4  u.  5), 
von  den  leges,  instituta  maiormn  und  dem  ins  civile  wenig  verstand  (Cic, 


218  Siebentes  Jalirhandert  d.  St. 

de  or.  I,  10,  40).  Auch  war  er  eben  so  charakterlos  wie  talentvoll:  er,  der 
Genosse  des  C.  Gracchus  (Cic.  Lael.  11,  39.  Mil.  3,  8.  Val.  Max.  VI,  2,  3), 
vertheidigte  und  pries  als  Consnl  dessen  MOrder  L.  Opimius  (Cic.  de  or.  II, 
25,  106.    39,  166.   40,  169). 

5.  Cic.  Brut.  28,  108:  Flacci  (Anm.  3)  aemulus  P.  Decius  fuit,  non  infans 
ille  quidem,  sed  ut  vita  sie  oratione  etiam  turbulentus  (weil  er  J.'  634  den 
L.  Opimius  belangte).    Vgl.  A.  Haakh  in  Pauly's  Real-Enc.  II.  S.  879,  Nr.  7. 

6.  Cic.  Brut.  20,  79:  et  T.  Annium  Luscum,  Q.  Fulvi  collegam  (im 
Consulat),  non  indisertum  dicunt  fuisse.  Vgl.  Flut.  Ti.  Gr.  14:  Titos ''jIv- 
viog,  ov%  inieinrig  fikv  ovSh  amipQmv  av^Qionog,  iv  dl  Xoyo)  nsgl  tag  ^^mr^- 
ötig  xal  dnoxqlcBig  äfiaxog  slvui  donmv.  Festus  v.  satura  (p.  314,  b  M.): 
T.  Annius  Luscus  in  ea  .  .  quam  dixit  adversns  Ti.  Gracchum.  Er  ist  viel- 
leicht der  Annius  gegen  welchen  der  ältere  Cato  eine  Rede  hielt  (Festus 
p.  305  M.)    Vgl.  W.  Teuffei  in  Pauly's  Real-Enc.  I,  1.  S.  1022,  Nr.  11. 

7.  P.  Cornelius  Scipio  Nasica  Serapio  (Cos.  616).  Cic.  Brut.  28,  107: 
Attius  .  .  illum  .  .  cum  omnibus  in  rebus  vehementem  tum  acrem  aiebat 
in  dicendo  fuisse.    C.  Krafft  in  Pauly's  Real-Enc.  II.  S.  667  f.  Nr.  13. 

8.  P.  Popillius  C.  f.  Laenas,  Cos.  622  (vgl.  C.  I.  lat.  I,  650  f.  p.  164. 
A.  Haakh  a.  a.  0.  V.  S.  1900  f.  Nr.  10),  cum  civis  egregius  (als  Verfolger 
der  Anhänger  des  Ti.  Gracchus)  tum^non  indisertus  fuit,  Cic.  Brut.  25,  95. 

9.  Cic.  Brut.  26,  99:  C.  F annius  C.  f.,  qui  consul  cum  Domitio  fuit 
(J.  632  d.  St.;  doch  vgl.  unten  142,  4),  unam  orationem  de  sociis  et  nomine 
latino  contra  C.  Gracchum  reliquit  sane  et  bonam  et  nobilem.  100:  cum 
FanniuB  numquam  sit  habitus  elinguis.  nam  et  causas  defensitavit  et 
tribunatuB  eins  (J.  612  oder  613),  arbitrio  et  auctoritate  P.  Africani  gestus, 
non  obscurus  fuit.  Stellen  aus  seiner  Rede  gegen  C.  Gracchus  bei  Cic. 
de  or.  III,  47,  183.  Jul.  Victor  in  Halms  Rhet.  lat.  min.  p.  402.  Chans.  I. 
p.  143,  13  K.  üebrigens  halten  Mommsen  (C.  I.  lat.  1.  p.  158)  und  H.  Peter 
(bist.  I.  p.  CCIII — CCV)  Cicero's  Unterscheidung  zwischen  einem  Fannius 
C.  f.  (welcher  nie  existiert  habe)  und  einem  Fannius  M.  f.  (unten  142,  4) 
für  einen  Irrthum  und  beziehen  alle  Angaben  (auch  Cic.  de  rep.  I,  12,  18) 
auf  Fannius  M.  f.    Vgl.  ad  Att.  XVI,  13,  2. 

10.  M.  Aemilius  M.  f.  L.  n.  Scaurus,  geboren  J.  592  d.  St.  aus  einem 
vornehmen,  aber  verarmten  Geschlechte,  durch  seine  Energie,  Gewandt- 
heit und  Klugheit  allmählich  zum  Vorkämpfer  der  Oligarchie  in  der  nach- 
gracchischen  Zeit  geworden;  Cos.  639  u.  647,  Censor  645,  seit  640  princeps 
senatus,  t  nm  665.  Vgl.  W.  Teuffei  in  Pauly's  Real-Enc.  I,  1.  S.  370—372. 
H.  Peter,  bist.  I.  p.  CCLllI — CCLX.  Wie  er  immer  auf  den  guten  Schein 
Werth  leg^,  so  verfasste  er  wohl  auch  desshalb  eine  Selbstbiographie 
(tres  ad  L.  Fufidium  libri  scripti  de  vita  ipsius,  Cic.  Brut.  29,  112  vgl. 
35,  132.  Plin.  n.  h.  XXXIII,  21  und  Val.  Max.  IV,  4,  11  nach  Köchly's 
Verbesserung),  die  aber  (vielleicht  eben  wegen  ihrer  sichtlich  apologeti- 
schen Haltung)  wenig  Verbreitung  fand  (Cic.  1.  1.).  Möglich  dass  Cicero's 
Empfehlung  (1.  1.)  der  Schrift  um  einige  Jahrhunderte  das  Dasein  fristete; 
wenigstens  werden  seltsame  Formen  (wie  sagittis  confictus,  poteratur,. 
possitur)  aus  Scaurus  de  vita  sua  noch   bis   zu  der  Quelle  von  Charisius 


141  f.  Andere  Redner  der  Gracchenzeit.    Greschichtschreiber.        219 

■ 

(p.  146,  36  K.:  Scaums  libro  III)  und  Diomedes  herab  citiert  (Historicormii 
reliquiae  von  C.  L.  Roth  p.  327  f.,  von  H.  Peter  I.  p.  185  f.),  und  nicM 
nur  bei  Valer.  Max.  (TV,  4,  11)  und  Frontinus  (Strat,  IV,  3,  18)  finden  sich 
Nachrichten  daraus  sondern  noch  bei  Aurelius  Victor  geht  das  Gapitel 
über  Scaurus  (iU.  72)  mittelbar  wohl  auf  diese  Quelle  zurück.  Daneben 
kannte  Cicero  Beden  von  ihm  (Brut.  29 ,  112:  huius  et  orationes  sunt),  wie 
es  scheint  sowohl  gerichtliche  als  politische.  Brut.  29,  111:  in  Scann  ora- 
tione  .  .  gravitas  summa  et  naturalis  quaedam  inerat  auctoritas.  .  .  112: 
hoc  dicendi  genus  ad  patrocinia  mediocriter  aptum  videbatur,  ad  sena« 
toriam  vero  sententiam  .  .  vel  maxime.  de  or.  I,  49,  214:  quamquam  est 
in  dicendo  minime  contemnendus,  prudentia  tamen  rerum  magnarum  magis 
quam  dicendi  arte  nititur  (in  seiner  Oifentlichen  Stellung). 

11,  M.  Livius  C.  f.  DruBus,-  trib.  pl.  J.  632,  Cos.  642;  W.  Teuffei  in 
Pauly's  Real-Enc.  IV.  S.  1108  f.,  Nr.  6.  Vir  et  oratione  gravis  et  auctori- 
tate,  Cic.  Brut.  28,  109  vgl.  Plut.  C.  Gr.  8:  rjd'st.  xal  Xoyto  %al  nkovxtp  roig 
luiUaxa  tifimfLivois  •  •  ^vdtiMog. 

12.  C.  Scribonius  Curio,  Prätor  633,  der  erste  von  drei  Rednern  aus 
der  familia  Curionum,  in  qua  tres  continua  serie  oratores  ezstiterunt  (Plin. 
N.  H.  Vn,  41  vgl.  Schol.  Ambr.  in  Cic.  or.  in  Clod.  et  Cur.  p.  330  Or.). 
de.  de  or.  II,  23,  98  nennt  ihn  vel  eloquentissimus  temporibus  illis.  Ge- 
nauer Brut.  32,  122:  fuit  .  .  sane  illustris  orator,  cuius  de  ingenio  ex  ora- 
tionibus  eius  existumari  potest.  sunt  enim  et  aliae  et  pro  Ser.  Fulvio  de 
incestu  nobilis  oratio,  nobis  quidem  pueris  haec  omnium  optuma  puta- 
batur.  Vgl.  ib.  124.  Eine  Stelle  daraus  bei  Cic.  de  inv.  I,  43,  80  =  ad 
Herenn.  U,  20,  33.  Scripsit  etiam  alia  nonnuUa  (Reden)  et  multa  dixit  et 
illustria  et  in  numero  patronorum  fuit,  Brut.  32,  124.  Consul  wurde  er 
nicht  (Cic.  Brut.  122):  vielleicht  hatte  er  zu  den  Gracchen  hingeneigt. 

142.  Die  Geschichtschreiber  in  diesen  Jahrzehnten  stre-l32 
ben  meist  empor  aus  der  Weise  der  alten  Annalistik.  Zwar 
nicht  Cn.  Gellius  und  wohl  auch  nicht  Tuditanus,  Vennonius 
und  Cn.  Aufidius,  der  sogar  wieder  griechisch  schrieb,  desto  ge- 
wisser aber  C.  Fannius  mit  seiner  Beschränkung  auf  die  nächste 
Vergangenheit  und  seiner  Wahrheitsliebe,  in  stilistischer  Hin- 
sicht L.  Coelius  Antipater  mit  seiner  rhetorisch  ausgeschmück- 
ten Geschichte  des  zweiten  punischen  Kriegs,  und  stofflich  Sem- 
pronius  Asellio,  welcher  sich  gleichfalls  auf  das  Selbsterlebte 
beschränkte,  dabei  auch  die  innere  Geschichte  mit  zu  behandeln 
suchte  und  eine  Art  von  Pragmatismus  erstrebte.  Fannius  und 
Asellio  nähern  sich  so  dem  Memoirenartigen  und  grenzen  an 
die  Autobiographen.  In  die  gleiche  Zeit  fällt  wohl  auch  der 
Abschluss  der  bisher  amtlich  geführten  annales  und  deren  Ver- 
öffentlichung in  Buchform  (oben  139,  4). 

1.    Fvaiog  FMios  in  der  Geschichte  der  Königszeit  erwähnt  bei  Dio- 


220  Siebentes  Jahrhundert  d.  St. 

uys.  Hai.  II,  31.  76  vgl.  riXXLog  IV,  6.  VI,  11  (ot  negi  rilhov).  VII,  1. 
Cn.  Gellii  annalem  tertimn  mit  einem  Gebete  der  Hersilia  bei  Gell.  N.  A. 
Xni,  23  (22),  13  vgl.  XVIII,  12,  6:  Cn.  GelUuB  in  annalibus.  ib.  VIII,  14 
enthielt  verba  qnaedam  ex  Naevio  poeta  et  Cn.  Gellio  non  usitate  collo- 
cata.  Censorin.  d.  n.  17,  11:  Piao  cenBOrius  et  Gn.  Gellias.  Macrob.  Sat.  I, 
16,  21:  GelliuB  annalium  libro  XV  et  CassiuB  Hemina.  Charis.  I,  15.  p.  54, 
13  ff.  K. :  GelliuB  in  II  .  .  et  in  V  .  .  et  in  VII  .  .  idem  Gelliua  XCVII 
(?  exe.  Cauchii:  XXVII).  p.  55,  7  (wie  auch  p.  139,  2):  GeUiuB  libro  XXIII 
(?  Cauch.:  XXXVI;  bei  Priscian.  VII,  37.  p.  750  P.  =»  p.  318,  4  f.  Htz. 
dasselbe  Fragment  Gellius  libro  XXX).  Umfangreich  und  umständlich 
muBB  das  Werk  jedenfalls  gewesen  sein.  Möglicherweise  ist  dieser  Annalist 
der  Cn.  Gellius  gegen  welchen  der  alte  Cato  eine  Bede  hielt  (Gell.  N.  A. 
XIV,  2,  21.  26).  Vgl.  A.  Haakh  in  Pauly's  Real-Enc.  III.  S.  661  f.  Ueber 
Cic.  leg.  I,  2,  6  8.  oben  37,  6.  —  Krause,  fragm.  hist.  p.  202  ff.  C.  L.  Both 
p.  304—308.  H.  Peter,  hist.  I.  p.  CCXXXVUI  — CCXLIV  und  p.  165—175. 
Vgl.  M.  Hertz,  de  hist.  rom.  reliqq.  p.  1,  not.  2. 

2.  Cic.  leg.  I,  2,  6:  Fabium  aut .  .'Catonem  ant  Pisonem  aut  Fannium 
aut  Vennonium.  ad  Att.  XII,  3,  1:  moleste  fero  Vennonii  me  historiam 
non  habere.    Dionys.  Hai.  IV,  15:   (og  Ovsvvmviog  tatOQfi'nsv. 

3.  Cn.  Aufidius  praetorius  (seine  Prätur  wird  um  650  fallen)  pueris 
nobis  (also  etwa  660  d.  St.)  et  in  senatu  sententiam  dicebat  nee  amicis 
deliberantibuB  deerat  et  graecam  scribebat  historiam  et  videbat  (Bentley 
vivebat)  in  litteris,  Cic.  Tusc.  V,  38,  112  .vgl.  fin.  V,  19,  54:  equidem  e 
Cn.  Aufidio  praetorio,  erudito  homine  oculis  capto,  saepe  audiebam.  Er 
erlebte  ein  hohes  Alter  (Cic.  p.  dom.  13,  35).  C.  I.  gr.  2349  b  {vno  Fvatov 
AvfpMov  FvaCov  vlov  zov  dvtiaTgazriyov)  aus  Adramyttion  bezieht  sich 
wahrscheinlich  auf  seinen  Sohn  (W.  Teuffei  in  Pauly's  Real-Enc.  I,  2. 
S.  2128,  Nr.  5).  Von  jener  graeca  historia  haben  wir  keine  üeberreste; 
doch  war  ihr  Inhalt  ohne  Zweifel  die  Geschichte  Boms.  W.  Harless,  de 
Fabiis  et  Aufidiis  rerum  rom.  scriptoribus  (Bonn  1853)  p.  46 — 49. 

4.  Cic.  Brut.  26,  101:  alter  C.  Fannius,  M.  f.,  C.  Laeli  gener,  et 
moribus  et  ipso  genere  dicendi  durior.  is  soceri  instituto  .  .  Panaetium 
audiverat.  eins  omnis  in  dicendo  facultas  ex  historia  ipsius  non  ineleganter 
scripta  perspici  potest.  Vgl.  ib.  31,  118  und  oben  A.  2.  KriegsgefÄhrte 
des  Ti.  Gracchus  im  dritten  punischen  Kriege  (Plut.  Ti.  Gr.  4)  und  (J.  612) 
in  Hispanien  (Appian.  Hisp.  67).  Trib.  pleb.  J.  613  (Cic.  ad  Att.  XVI, 
13  C)  ?  vgl.  oben  141,  9.  Um  625—629  Prfttor  {^dvvog  Afwpxov  vtog  ötgar- 
riyog,  Joseph,  ant.  XIII,  9,  2).  Er  ist  wohl  auch  der  C.  Fannius  M.  f. 
(C.  I.  lat.  I,  560)  Strabo,  Cos.  632,  und  dann  geboren  um  580  d.  St. 
Victorin.  in  Cic.  rhet.  I,  20.  p.  57  Or.  =  203,  27  Halm:  Sallustius  .  .  in 
libro  I  Historiarum  dat  Catoni  brevitatem,  .  .  Fannio  vero  veritatem.'  Höchste 
bekannte  Bücherzahl:  C.  Fannius  in  VIII  annali  (Schol.  Ver.  ad  Aen.  III, 
707)  oder  G.  Fannius  annalium  VIII  (Charis.  I,  21.  p.  124,  1  K.).  Und  da 
die  Darstellung  breitspurig  genug  gewesen  zu  sein  scheint  (vgl.  Cic.  Brut. 
21,  81:  des  Metellus  Bede  contra  Ti.  Gracchum  exposita  est  in  C.  Fanni 
annalibus)  und  kein  üeberrest  auf  die  entfernte  Vergangenheit  hinweist, 
wohl  aber  Alles  auf  die  selbsterlebte  (z.  B.  Cic.  de  or.  II,  67,  270:  Fannius 


142.  Geschichtschreibcr  aus  der  Gracclicnzeit:  C.  Fannius.  Aiitipater.  221 

in  annalibus  suis  Africanum  Aemilianam  .  .  appellat  stgoava  »  Brut.  87, 
299:  ut  ait  in  historia  sua  C.  Fannius),  so  wird  sich  auf  letztere  das  Werk 
beschränkt  haben,  wenn  auch  (nach  dem  Titel  Annales)  in  annalistischer 
Anlage.  Für  die  gracchische  Zeit  wird  es  dann  besonders  wichtig  gewesen 
sein.  M.  Brutus  (unten  209,  1)  brachte  es  in  einen  Auszug:  epitome  Bruti 
Fanniana  an  (?)  Bruti  epitoma  Fanniorum,  Cic.  ad  Att.  XII,  5,  3.  —  0.  L. 
Roth,  bist.  p.  311-.313.  H.  Peter,  bist.  I.  p.  138—140.  A.  Haakh  in 
Paulys  Beal-Enc.  III.  S.  421,  Nr.  5.    H.  Peter  I.  p.  CCII— CCVm. 

5.  Cic.  leg.  I,  2,  6:  Fannii  actate  (Dativ)  coniunctus  Antipater  paulo 
infiavit  yehementius  habuitque  vires  agrestis  ille  quidem  atque  horridas, 
sine  nitore  ac  palaestra  etc.  de  or.  II,  12,  64:  paululum  se  erexit  et  addidit 
historiae  maiorem  sonum  vocis  vir  optimus,  Crassi  familiaris,  Antipater. 
Brut.  26,  102:  L.  Caelius  Antipater  scriptor  .  .  fuit  ut  temporibus  illis 
luculentus,  iuris  valde  peritus,  multorum  etiam,  ut  L.  Crassi  (geboren  614), 
magister.  Pompon.  Big.  I,  2,  2,  40:  Caelius  Antipater,  qui  historias  con- 
scripsit,  sed  plus  eloquentiae  quam  scientiae  iuris  operam  dedit.  Seine 
Rechtskenntniss  lässt  auf  römische  Nationalität  schliessen.  Freigelassener 
war  er  jedenfalls  nicht;  s.  Suet.  rhet.  3  (oben  36,  3).  Dass  er  der  gracchi- 
schen  Zeit  angehört  zeigt  Cic.  de  divin.  I,  26,  56:  6.  Gracchus  multis  dixit, 
ut  scriptum  apud  eundem  Caelium  est,  sibi  in  somnis  .  .  fratrem  visum 
esse.  .  .  hoc  antequam  tribunus  pl.  G.  Gracchus  factus  esset  et  se  audisse 
scribit  Caelius  et  illum  dixisse  multis.  Vgl.  Val.  Max.  I,  7,  6:  Caelius 
etiam,  certus  romanae  historiae  auctor,  sermonem  de  ea  re  ad  snas  aures 
illo  adhuc  vivo  pervenisse  scribit.  Antipater  verfasste  somit  sein  Werk 
nach  dem  Tode  des  C.  Gracchus.  Vellej.  II,  9,  6:  vetustior  Sisenna  fuit 
Caelius.  Cic.  orat.  69,  230:  quod  (traicere  verba,  quo  melius  cadat  oratio) 
se  L.  Caelius  Antipater  in  prooemio  belli  punici  nisi  necessario  facturum 
negat.  .  .  et  hie  quidem,  qui  hanc  a  Laelio  (Popma  u.  A.  unnöthig: 
L.  Aelio),  ad  quem  scripsit,  .  .  veniam  petit,  et  utitur  ea  traiectione  ver- 
borum  et  nihilo  tamen  aptius  explet  concluditque  sententias.  Es  ist  wahr- 
scheinlich dass  eine  derartige  Erklärung  am  Anfange  des  Ganzen,  nicht 
eines  Theiles,  abgegeben  wurde  und  das  Werk  sonach  den  (zweiten)  puni- 
schen  Krieg  behandelte,  die  wenigen  nicht  auf  diesen  sich  beziehenden 
Ueberreste  also  Digressionen  angehörten.  Vgl.  Cic.  de  divin.  I,  24,  49: 
hoc  item  in  Süeni,  quem  Caelius  sequitur,  graeca  historia  est;  is  antem 
diHgentissume  (sehr  ausführlich)  res  Hannibalis  persecutus  est.  Sonst  wird 
das  Werk  in  den  Quellen  bald  ungenau  als  historiae  bezeichnet;  bald  nach 
Anlage  und  Charakter  als  annalis  oder  annales.  Bücherzahl  wohl  sieben, 
da  eine  höhere  niemals,  das  7.  Buch  aber  öfters  angeführt  wird.  Dem 
Antipater  fehlte  es  nicht  an  Kritik  (Caelius:  ex  scriptis  eorum  qui  veri 
arbitrantur,  Priscian.  VIII,  4,  18.  p.  383,  11  Htz.)  und  Sinn  für  die  Wahr- 
heit (Liv.  XXI,  46,  10.  XXVII,  27,  13);  aber  nach  dem  verdächtigen  Lobe 
Cicero*s  scheint  es  als  wären  bei  ihm  jene  Vorzüge  durch  Rhetorik  Über- 
wuchert worden.  Auch  zeigen  die  Ueberreste  Einflechtung  selbstverfasster 
Reden  (z.  B.  von  Pönem),  sowie  Hang  zu  Ausmalung,  Beschlreibungen 
(Liv.  XXIX,  27,  13  ff.  Non.  Marc.  p.  137,  16),  üebiertreibungen,  nnd  Gleich- 
gültigkeit gegen  Zahlen  (Liv.  XXIX,  26,  3:  Caelius  ut  abstinet  numero  ita 
ad   immensum   multitudinis    speciem   äuget).     Livius  mag   ihn   daher   (i» 


222  Siebenies  Jahrhundert  d.  St. 

seiner  dritten  Dekade)  häufiger  verwendet  haben  alfi  er  ihn  nennt.  Vgl. 
H.  Peter,  hiat  I.  p.  CCXXV— CCXXX.  M.  Brutus  hatte  auch  dieses  Werk 
(vgl.  A.  4  £.)  excerpiert  (Cic.  ad  Att.  XIII,  8:  epitomen  Bruti  Caelianorum 
velim  TOihi  mittas,  vgl.  Charis.  II.  p.  195  P.  =a  220,  12:  Brutus  et  Coelius 
frequenter  eo  usi  sunt).  Auch  ^inen  Commentator  (alterthümlicher  Formen) 
fand  Antipater  (in  der  Zeit  ^adrians?)  an  (Julius?)  Paulus;  s.  Charis.  I. 
p.  115  P.  s»  143,  9  f.  K.:  Paulus  in  Coelii  hist(oriarum  oder  -ae)  libr.  I; 
vgl.  ib.  n.  p.  101  P.  ==  126  K.  p.  193  P.  =»  217  f.  K. 

6.  Sammlung  der  üeberreste  des  Antipater  bei  Krause  (p.  190 — 201), 
C.  L.  Roth  (p.  313—322),  Meltzer  (p.  16—39),  H.  Peter,  hist.  I.  p.  147—164. 
Ueber  ihn  die  Preisarbeiten  von  W.  Groen  van  Prinsterer  (Lugd.  B.  1821. 
4.)  und  B.  A.  Nauta  (Lugd.  B.  1822.  4.);  A.  Krause,  bist,  fragm.  p.  182 — 
189;  L.  Kieserling,  de  scriptoribus  p.  35 — 38;  0.  Meltzer,  de  L.  Coelio 
Antipatro  belli  punici  secundi  scriptore  u.  s.  w.  Lips.  1867.  H.  Peter  I. 
p.  CCXIII— CCXXXVIL 

7.  Festus  V.  Mamertini  (p.  158  b,  M.):  cuius  historiae  auctor  est  Alfiu» 
Ubro  I  belli  carthaginiensis.  Gegen  den  Vorschlag  (Philologpis  VI.  S.  133) 
Caelius  zu  schreiben  (statt  Alfius)  s.  H.  Peter,  hist.  I.  p.  CCXXXVI. 
CCCLXVn  f. 

8.  Der  von  Cic.  leg.  I,  2,  6  (vgl.  oben  37,  6)  als  Nachfolger  des  Anti- 
pater genannte  Clodius  erinnert  an  KXmSiog  rtff  iv  iUyx^P  xffovmv  bei  Plut. 
Num.  1,  vgl.  Appian.  Gall.  I,  3:  iv  ^j^^ovtxatg  avvtd^Bai  Sotisi  IJavlto  ta 
KXavdio),  Doch  ist  dieser  Chronogroph  Clodius  schwerlich  identisch  mit 
dem  Clodius  bei  Cicero  1.  1.  Vgl.  H.  Peter,  hist.  I.  p.  CCXLV.  CCXCVHI  flf. 
und  p.  176. 

9.  Sempronius  Asellio.  Vorname  unbekannt;  der  A.  Sempronius 
Asellio  welcher  J.  665  als  Prätor  erschlagen  wurde  kann  er  nicht  sein,  da 
sein  Werk  Über  diese  Zeit  hinausreichte;  eher  der  L.  Asellio  welcher  J.  654 
in  Sicilien  Prätor  war.  Is  Asellio  sub  P.  Scipione  Africano  tribunus  mili- 
tum  ad  Numantiam  (J.  620  f.  vgl.  oben  132 ,  1)  fuit  (wie  Butilius  Bufus 
und  C.  Lucilius)  resque  eas  quibus  gerendis  ipse  interfuit  conscripsit  (Gell. 
II,  13,  3).  Geboren  also  um  595  d.  St.  Nächst  dem  problematischen  Citat 
Asellio  rerum  romanarum  XL  (XI?  XX?)  bei  Charis.  II,  14,  31.  p.  195, 
18  K.  (welches  sich  auf  J.  668  oder  671  d.  St.  bezieht)  ist  die  höchste 
Bücherzahl  ib.  p.  220,  14:  Sempronius  Asellio  historiarum  XIV;  genauer 
der  Titel  bei  Gell.  XIII,  22  (21),  8:  Sempronius  Asellio  in  libro  rerum 
gestarum  XIV.  Der  Tod  des  Ti.  Grachus  (J.  621)  war  im  fünften  Buche 
erzählt  (Gell.  II,  13,  2.  4  f.),  der  des  Livius  Drusus  (J.  663)  im  vierzehnten. 
Polemik  des  Asellio  gegen  die  gewöhnliche  Geschichtsbehandlung  der 
Annalisten  und  Darlegung  seiner  eigenen  Grundsätze  bei  Gell.  V,  18,  8  f. 
(vgl.  oben  37,  8):  nobis  non  modo  satis  esse  video  quod  factum  esset,  id 
pronuntiare,  sed  etiam  quo  consilio  quaque  ratione  gesta  essent  demon- 
strare.  .  .  nam  neque  alacriores  ad  remp.  defendundam  neque  segniores  ad 
rem  perperam  faciundam  annales  libri  commovere  quidquam  possunt. 
scribere  autem  bellum  initum  quo  consule  .  .  sit  etc.  .  .  non  praedicare 
autem  interea  quid  senatus  decreverit  aut  quae  lex  rogatiove  lata  sit,  .  . 
}d  fabulas  pueris  est  narrare,  non  historias  scribere.    Dass  Cic.  leg.  I,  2,  6 


142  f.  Geachichtschreiber  und  Alterthumsforscher  der  Gracchenzeit.     223 

ihn  neben  Gellius  und  ClodiuB  tief  unter  Antipater  stellt  geschieht  aus  ein- 
seitiger Hervorhebung  der  stilistischen  Seite  oder  aus  ungenügender  Eennt- 
niss  des  Werkes  von  Asellio.  Die  Fragmente  bei  Krause  p.  218 — 221, 
Roth  p.  323—326,  H.  Peter  I.  p.  178—184.  Vgl.  W.  Stelkens,  der  römische 
Geschichtschreiber  S.  A.,  Crefeld  1867.  4.  H.  Peter,  bist.  I.  p.  CCXLVIII— 
COLI.  W.  Eggert,  S.  A.  quem  locum  quamque  yim  inter  historicos  rom. 
habuerit,  Rostock  1869.  35  pp. 

143*  Alterthumsforscher  haben  diese  Jahrzehnte  an  dem  1 33 
Annalisten  C.  Sempronius  Tuditanus  (Cos.  625)  und  dem  Gxaccha- 
ner  M.  Junius;  jener  neben  einem  eigentlichen  Geschichtswerke 
Verfasser  von,  libri  magistratuum,  dieser  einer  Schrift  de  potesta- 
tibus.  Ausserdem  lunius  Congus.  Auch  der  Dichter  L.  Attius,  der 
um  diese  Zeit  blühte,  war  zugleich  Gelehrter  (oben  129,  7.  8.  11). 
Andere  verwandten  ihre  Thätigkeit  vorzugsweise  darauf  die 
ältere  Literatur  zugänglich  und  verständlich  zu  machen,  wie 
Lampadio  und«  Yarguntejus. 

1.  C.  Sempronius  C.  f.  C.  n.  Tuditanus,  triumphierte  als  Cos.  Eal. 
Oct.  625  de  lapudibus  (C.  I.  lat.  I.  p.  459,  XXI).  A.  Haakh  in  Pauly's 
Keal-Enc.  VI,  1.  S.  976  f.  Nr.  20.  Cic.  Brut.  25,  95:  G.  Tuditanus  cum 
omni  vita  atque  victu  excultus  atque  expolitus  tum  eins  elegans  est  habi- 
tum  etiam  orationis  genus.  Dionys.  Hai.  I,  11:  ot  Xoyir<ozaToir  röiv  fcopLccC- 
%(hv  cvyyQa(ps<ov  y  iv  olg  loxi  IIoQTiLog  re  Kdxcav  .  .  %ctl  FaXog  SsfiTCQmnog 
aal  aXXoi  avxvoC,  Vgl.  ib.  I,  13.  Die  dortige  Angabe  über  die  Urein- 
wohner Italiens  wird  aus  dem  Geschichtswerke  sein,  sowie  die  über  Eegu- 
lus  bei  Gell.  VII  (VI),  4,  1  und  über  den  Triumph  des  Flamininus  (J.  560 
d.^St.)  bei  Flut.  Flam.  14.  Dasselbe  scheint  somit  in  der  Weise  der  Anna- 
listen Urzeit  wie  nähere  Vergangenheit  befasst  zu  haben.  Daneben  wird 
genannt  Tuditanus  libro  III  magistratuum  (Macrob.  Sat.  I,  13,  21)  über  die 
Schaltzeiten  und  in  commentario  XIII  C.  Tuditani  (Messala  bei  Gell.  XIII, 
15,  4)  über  den  Prätor;  und  diesem  Werke  werden  auch  die  Angaben  über 
die  nundinae  (Macrob.  S.  I,  16,  32)  und  die  tribuni  pl.  (Ascon.  ad  Cornel. 
p.  76  Or.)  angehören.  Aus  Anlass  des  Einschaltens,  das  Manche  auf  Numa 
zurückführten,  kann  dort  auch  von  den  J.  573  d.  St.  gefundenen  angeb- 
lichen Büchern  des  Numa  (oben  70,  3)  die  Rede  gewesen  sein,  so  dass 
sich  gleichfallB  auf  dieses  Werk  beziehen  lässt  Plin.  K.  H.  XIII,  13,  27: 
hoc  idem  tradit  L.  Piso  censorius  primo  commentariorum  .  .  Tuditanus 
tertio  decimo,  Numae  decretorum  fuisse  (anders  H.  Peter  I.  p.  CCXI).  Die 
Ueberreste  von  Tuditanus  bei  Krause  p.  179—182,  Roth  p.  309—311,  H, 
Peter  I.  p.  142—146. 

2.  Plin.  N.  H.  XXXIII,  2,  9:  idque  duravit  ultra  C.  Gracchum.  lunius 
-certe,  qui  ab  amicitia  eins  Gracchanus  appellatus  est,  scriptum  reliquit. 
Censorin.  d.  n.  20,  2:  magis  lunio  Gracchano  et  Fulyio  et  Varroni  et  Sue- 
tonio  credendum;  vgl.  ib.  4.  22,  9.  oben  125,  1.  Varro  L.  L.  VI,  33:  ut 
Fulvius  scribit  et  lunius;  vgl.  ib.  V,  42.  48.  55.  VI,  95:  in  M.  lunii  com- 
mentariis.  Ulp.  Dig.  I,  13,  1  pr.:  Gracchanus  denique  lunius  libro  septimo 


224  Siebentes  Jahrhundert  d.  St. 

de  poteatatibus,  womaeh  Ljd.  de  magiBtr.  I,  24:  'lovvu>s  rgctKxtavöt  Iv  19 
nfpl  i^oveuöv.  Das  Werk  war  au  seinen  Freund  Pomponins,  den  Vater 
des  Ätticoa,  gerichtet  (Cic.  leg,  III,  20,  49;  de  poteEtatom  iare  .  ,  pluribiu 
verbis  acripsit  ad  patrem  tanm  M.  Tuniiis  sodalis,  perite  meo  qnidem  iadicio 
et  diligenter).  Die  späilichen  Ueberreste  zeigen  wie  Junius  Sacherfoiachuug 
und  WorterklBxmig  zu  vereinigen  bemüht  war;  gracchische  Parte itendenz 
aber  l&ast  sich  daraus  nicht  erweisen;  Gellins  XIV,  8,  1  f.  schliesst  eine 
solche  Bogat  aus.  Ebenso  wenig  erweislich  ist  unmittelbare  Benützung 
der  Schrift  des  Gracchanus  noch  nach  Varro.  Niebuhra  Phantasien  haben 
hier  viel  Yerwirrong  angerichtet,  Sammlung  der  Fragmente  des  Qrac- 
chanue  und  Erörterungen  über  ihn:  E,  E,  Dirksen,  Bruchstficke  aus  den 
Schriften  der  rOm,  Juristen  (Königsberg  1814)  8,  56—60,  A.  Krause,  bist, 
p,  221  f.  L,  Mercklin,  de  lunio  Gracchano,  Part,  I,  II.  Dorpat  1840.  IB41, 
M,  Hertz,  de  Cinciis  (1842)  p.  88—109,  W.  Teuffei  in  Pauly'a  Real-Enc. 
rV.  (1844).  S.  634  f,  J,  Becker  in  d.  Zeitachr.  f.  Alt.  Wist,  1854,  Nr,  16. 
F.  D,  Gerlach,  die  röm.  Geschichtachreiber  (1856)  S.  84—88, 

3.  InniuB  Congua,  befreundet  mit  C.  Luciliua  (Plin.  n.  h.  praef,  T), 
homo  cnriOBUB  et  diligens  eruendae  vetustafis,  nam  higt«ricua  (neu  fuit?), 
Schol.  Bob.  zu  Cic.  p,  Plane,  p.  264  Or.  Vgl.  C.  L.  Roth,  Ehein.  Mus.  VIl. 
S,  613 — 615.    J.  Becker  (a,  Ä.  2  E,)  identificiert  ihn  mit  Gracchanus. 

4.  Ueber  C,  Octavius  Lampadio  a.  oben  93,  6;  über  Q.  Yargusteius 
oben  100,  4, 

34  144.  Die  stoische  Philosophie  hatte  in  der  grafichiBchen 
Zeit  Bekenner  an  dem  treuen  Freunde  des  Tiberius  Gracchus, 
C.  Blossius  aus  Kuinä,  und  an  dem  charaktervollen,  aber  ein-  . 
seitigen  Q.  Tubero  (Cos.  636),  welcher  auch  Jurist  war.  Bei 
dem  Augur  Q,  Scaevola,  Cos.  637,  Überwog  die  Rechtskennt- 
nies  über  den  Stoicismus.  Juridische  Schriften  verfasste  in  dieser 
Zeit  C.  Livius  Drusus. 

1.  Plut,  Ti,  Gr,  8:  ,^i<Hpavovg  xov  f'^iOQOg  xtcl  Blonaiov  toi  (ftXoaö- 
tpov  jtttpoppijoavKü*  aviöv.  äv  .  .  -^v  .  .  0  Bl.  avrö^ev  i^  'liaUat  Kv- 
ftatoi,  AvTinaTQOv  xov  Tagaitas  ycyoväis  Iv  Saxfi  avvri&Tii  xnl  TcnftTiftivOi 
im  avToii  Ttt/ompiovrjatti  ygafifiÜTDiv  tpiXoaöipmv.  Vgl.  ib.  20.  Cic,  Lael. 
11,  37.     W.  Tenffel  in  Pauly's  Real-Enc.  I,  2,  S.  2399,  Nr.  2, 

2.  Q,  Aelius  Tubero,  Enkel  des  L.  AemUius  Paulus  und  Scbweeter- 
Bohn  des  jflngereu  Africanns,  Fr&ter  wohl  631,  cos.  suff.  636,  Liehlings- 
schüler  dea  Panaitioa.  Sein  Stoicismus  war  ihm  nicht  ungünstig  in  der 
Jurisprudenz,  hinderlich  aber  in  der  Beredtsamkeit,  und  liesB  ihn,  bei  der 
Schroffheit  womit  er  ihn  auch  im  Leben  durchführt«,  in  seiner  Zeit  als 
Sonderling  erscheinen;  a.  W.  Tenffel  in  Pauly's  Real-Eno,  1,  1.  S.  384  f., 
Nr.  4.  Cic.  Lael,  11,  37:  Ti,  Qtaochum  remp,  vexantem  a  Q.  Taberone  .  . 
dereliotum  videbamns.  Brut,  31,  117:  Q.  Äeliua  Tubero  fuit  .  .  nullo  in 
oratArum  numero,  sed  vita  severuB  et  congmens  cum  ea  disciplina  quam 
colebat,  paulo  etiaro  durior,    .  .  nt  vita  sie  oratione  dnruB,  iucultus,  hör- 


144  f.  Stoiker  u.  Juristen  der  Gracchenzeit:  Tubero.  Scaevola  u.  A.    225 

ridus.  .  .  fdit  autem  constans  civis  et  fortis  et  in  primis  G.  Graccho  mo- 
lestus,  quod  indicat  Gracchi  in  eum  oratio,  sunt  etiam  in  Gracchum 
Tuberonis.  is  fnit  mediocris  in  dicendo,  doctissumns  in  disputando.  •  Die 
Leichenrede  ftlr  seinen  Oheim  Africanus  Hess  er  sich  daher  durch  C.  Lae- 
lius  verfertigen  (Cic.  de  or.  11,  84,  341).  Pompon.  Dig.  I,  2,  2,  40:  Q.  Tu- 
bero, ille  stoicus,  Panaetii  auditor,  qui  et  ipse  consnl.  Cic.  bei  Gell.  I, 
22,  7:  nee  vero  scientia  iuris  maioribus  suis  Q.  Aelius  Tubero  defuit,  doc- 
trina  etiam  superfuit,  was  Gellius  erläutert:  disciplinas  enim  Tubero  stoi- 
cas  et  dialecticas  percalluerat.  Panaitios  selbst  und  Hekaton  und  Posei- 
donios  richteten  an  ihn  philosophische  Schriften.  Die  staatsrechtlichen 
Schriften  des  Q.  Tubero  in  der  ciceronischen  Zeit  (s.  d.)  beziehen  Manche 
auf  ihn. 

3.  Q.  Mucius  Q.  f.  Q.  n.  Scaevola,  von  seinem  gleichnamigen  Neffen 
(unten  151,  1)  unterschieden  durch  die  Bezeichnung  als  Augur,  geboren 
um  695  (J.  625  ist  er  iam  aetate  quaestorius,  Cic.  de  rep.  I,  12,  18),  Cos. 
637,  gestorben  nach  666  (Val.  Max.  UI,  8,  6).  Vgl.  W.  Teuffei  in  Pauly's 
Real-Enc.  V.  S.  183  f.  Nr.  10.  Eigentlicher  Bedner  war  er  nicht  (Cic. 
Brut.  26,  102:  oratorum  in  numero  non  fuit;  vgl.  de  or.  I,  10,  39.  49,  214. 
55,  234),  noch  weniger  Philosoph,  doch  dem  Panaitios  befreundet  (Cic.  de 
or.  I,  11,  45).  Seine  StSarke  war  das  respondere  de  iure;  Schriften  aber 
scheint  er  nicht  verfasst  zu  haben.  Yellej.  11,  9,  2 :  Q.  Mucius  iuris  scientia 
quam  proprie  eloquentiae  nomine  celebrior  fuit.  Cic.  Brut.  26,  102:  iuris 
civilis  intellegentia  atque  omni  prudentiae  genere  praestitit.  58,  212:  peri- 
tissimus  iuris  idemque  percomis  est  habitus.  Atticus  und  Cicero  pflegten 
als  adolescentuli  seinen  Consultationen  anzuwohnen  (Cic.  legg.  I,  4,  13. 
Lael.  1,  1.  Brut.  89,  306).  Bei  aller  Charaktertüchtigkeit  war  er  zugleich 
persönlich  liebenswürdig  (comiter,  ut  solebat,  Cic.  de  or.  I,  9,  35  und  55, 
234:  ezimia  suavitate),  sogar  ein  ioculator  (ad  Att.  lY,  16,  3),  und  kann 
daher  ganz  wohl  der  Q.  Scaevola  sein  welchen  Plin.  £p.  V,  3,  5  zwischen 
Q.  Catulus  und  Ser.  Sulpicius  als  Verfasser  von  lasciva  carmina  nennt. 
Dann  könnte  er  auch  allenfalls  der  Movmog  SusvoXag  sein  von  welchem 
Anthol.  Pal.  IX,  217  (Anth.  gr.  ed.  Jacobs  II.  p.  241)  ein  Epigramm  auf 
ein  Bild  des  Pan  inmitten  von  Ziegen  erhalten  ist.  Das  rühmende  Epi- 
gramm auf  Cicero^s  Jugendgedicht  Marius  (Q.  Cic.  bei  Cic.  de  legg.  I,  1,  2: 
ut  ait  -Scaevola  de  fratris  mei  Mario:  canescet  saeclis  innumerabilibus) 
könnte  der  Zeit  und  den  sonstigen  Verhältnissen  nach  gleichfalls  von  ihm 
sein.  Wahrscheinlicher  aber  wird  Beides  (mit  M.  Haupt,  Berichte  der 
Sachs.  G.  d.  W.  II.  S.  52)  auf  seinen  Sohn  Q.  Scaevola  (trib.  pl.  700)  zu 
beziehen  sein,  der  sich  J.  695  unter  der  cohors  amicorum  des  Dichterlinges 
Q.  Cicero  befand  (Pauly's  Real-Enc.  V.  S.  188,  Nr.  17). 

4.  C.  Livius  C.  f.  Drusus,  des  Vornamens  wegen  älterer  Bruder  des 
Cos.  von  642  (oben  141,  11).  Cic.  Tusc.  V,  38,  112:  C.  Drusi  domum  com- 
pleri   a   consultoribus   solitam    accepimus;  .  .  caecum   adhibebant    ducem. 

,  Val.  Max.  VIII,  7,  4:  Livius  Drusus,  qui  et  aetatis  viribus  et  acie  oculorum 
defectus  ins  civile  populo  benignissime  interpretatus  est  utilissimaque  di- 
Bcere  id  cupientibus  monumenta  composuit. 

145*    Die  blutige  Unterdrückung  der  gracchischen  Reform- 135 

Tbuffsl,  Böm.  Litoraturgescbiohie.    2.  Aufl.  15 


22G  Siebentes  Jahrhundert  d.  St. 

versuche  steigerte  den  Ueberinut  der  Nobilität  auf  den  höchsten 
Grad  und  machte  die  Schlechtigkeiten  des  jugurthinischen  Krie- 
ges (J.  643 — 648)  möglich,  erweckte  aber  auch  in  C.  Marius 
den  Rächer.  Literarisch  bilden  die  Jahre  635  bis  650  d.  St.  die 
Blütezeit  des  C.  Lucilius  und  des  L.  Afranius.  Redner  dieser 
Zeit  waren  des  alten  Cato  Enkel,  Cos.  636,  Q.  Metellus  (Cos. 
645),  der  von  Lucilius  gegeisselte  Epikureer  T.  Albucius,  C.  Galba, 
C.  Fimbria  (Cos.  650)  u.  A. 

1.  Ausser  Lucilius  (oben  132),  L.  Afranius  (oben  131)  fallen  in  diese 
Zeit  auch  noch  Atta  (oben  130),  die  Erotiker  Pompilius,  Valerius  Aedituus 
und  Catulus  (oben  133),  der  gelehrte  Q.  Valerius  Soranus  (oben  134,  1), 
sowie  A.  Furius  (oben  133,  4)  und  Porcius  Licinus  (oben  133,  3).  Auch 
der  seltsame  Humorist  Valerius  Valentinus  scheint  dieser  Zeit  anzuge- 
hören. Festus  p.  363  M.:  Tappulam  legem  conyivalem  ficto  nomine  con- 
scripsit  iocoso  carmine  Valerius  Valentinus,  cuius  meminit  Lucilius.  Val. 
Max.  VIII,  1,  8:  C.  Cosconium  Servilia  lege  renm  .  .  Valeri  Valentini 
accusatoris  eins  recitatum  in  iudicio  carmen,  in  quo  puerum  praetextatum 
et  ingenuam  yirginem  a  se  corruptam  poetico  ioco  signiiicaverat,  erexit. 
Vgl.  A.  Haakh  in  Pauly's  Real-Enc.  VI,  2.  S.  2346,  Nr.  65. 

2.  Gell.  XIII,  20  (19),  10:  M.  Cato  M.  f.  M.  n.  is  satis  vehemens  ora- 
tor  fuit  multasque  orationes  ad  exemplum  avi  scriptas  reliquit  et  consul 
cum  Q.  Marcio  Rege  fuit  (J.  636  =  118)  inque  eo  consulatu  in  Africa  .  . 
mortem  obit.  Auffallend  ist  dass  Cicero  im  Brutus  seiner  nicht  gedenkt. 
Vielleicht  dass  seine  Reden  mit  denen  seines  Grossvaters  vermengt  wurden. 
Vgl.  noch  Festus  p.  154,  25  ff.  Priscian.  IIT.  p.  602  P.  =  p.  90,  12  ff.  Htz. 
(Cato  nepos  de  actionibus  ad  populum  ne  lex  sua  abrogetur). 

3.  Q.  Caecilius  Metellus  Numidicus,  Cos.  645  =  109  (gegen  Ju- 
gurtha),  Censor  652;  vgl.  A.  Haakh  in  Pauly's  Real-Enc.  IT.  S.  30  f.  Nr.  21. 
Vellej.  II,  9,  1  nennt  ihn  und  Scaurus  als  Redner  zweiten  Ranges  in  ihrer 
Zeit.  Vgl  .Cic.  Brut.  35,  135.  Gell.  I,  6,  1:  oratio  Metelli  Numidici,  gravis 
ac  diserti  viri,  quam  in  censura  dixit  ad  populum  de  ducendis  uxoribus. 
Liv.  LIX:  Q.  Metellus  censor  censnit  ut  cogerentur  omnes  ducere  uxores 
liberorum  creandorum  causa,  extat  oratio  eins,  quam  Augnstus  Caesar  .  . 
in  senatu  recitavit.  Suet.  Aug.  89:  libros  totos  senatui  recitavit,  .  .  ut 
orationem  Q.  Metelli  de  prole  augenda. 

4.  Cic.  Brut.  35,  131:  doctus  etiam  Graecis  T.  Albucius,  vel  potius 
paene  Graecus.  .  .  licet  ex  orationibus  iudicare.  fuit  autem  Athenis  ado- 
lescens,  perfectus  Epicureus  (vgl.  de  d.  nat.  I,  33,  93)  evaserat.  So  hatte 
ihn  J.  633  Q.  Scaevola  dort  getroffen  und  ihn  verspottet,  welche  Scene 
Lucilius  in  seinen  Satiren  schilderte;  s.  Cic.  de  fin.  I,  3,  8  f.  or.  44,  149. 
Im  J.  651  der  Erpressung  angeklagt  und  verurteilt  begab  er  sich  wieder 
nach  Athen  und  philosophierte  in  aller  Gemütsruhe  (Cic.  Tusc.  V,  37,  108).* 
A.  Preuner  in  Pauly's  Real-Enc.  I,  1.   S.  652,  Nr.  1. 

5.  Cic.  Brut.  33,  127:  C.  Galba  (Quästor  634),  Servi  (oben  137,  4)  .  . 
filius,  P.  Crassi  (oben  139,  5)  .  .  gener,   .  .  rogatione  Mamilia,  lugurthinae 


145  f.  Nacbgracchische  Redner.   Rutilius  Rufus.  227 

coniarationis  invidia^  cum  pro  sese  ipse  dixisset,  oppressuB  est  (J.  644). 
extat  eias  peroratio,  qui  epilogus  dicitur;  qui  tanto  in  honore  pueris  nobis 
erat  ut  eum  etiam  edisceremtis. 

6.  Cic.  Brut.  34,  129:  C.  (Flavius)  Fimbria  .  .  bonns  auctor  in  senatu. 
idem  tolerabilis  patronns  nee  mdis  in  iure  ciyili,  et  cum  virtute  tum  etiam 
ipso  orationis  genere  über,  cuius  orationes  pueri  legebamus,  quas  iam 
reperire  vix  possumus.    Vgl.  de  or.  II,  22,  91. 

7.  Aus  derselben  Zeit  werden  von  Cicero  als  Redner  genannt,  aber 
ohne  von  ihnen  herausgegebener  Reden  zu  erwähnen,  P.  Scipio  und  L.  Bestia 
(Brut.  128),  C.  Licinius  Nerya  (ib.  129),  C.  Sextius  Calvinus,  M.Brutus  und 
L.  Caesulenus  (ib.  130),  M.  Silanus,  M.  Aurelius  Scaurus,  A.  Postumius  Al- 
binus,  der  flamen  Albinus,  Q.  Caepio  (ib.  135),  C.  und  L.  Memmii  (vgl. 
Sali.  lug.  30,  4),  Sp.  Thorius,  M.  Marcellus  und  sein  Adoptivsohn  P.  Lentulus 
(Brut.  136),  L.  Cotta  (ib.  137);  ferner  L.  Apulejus  Satuminus  (seditiosorum 
omnium  post  Gracchos  eloquentissimus,  ib.  62,  224),  C.  Servilius  GFlaucia  (ib.). 

146.  Eine  mehrseitige  literarische  Thätigkeit  entfalteten  iniso 
dieser  Zeit  die  beiden  Optimaten  P.  Rutilius  Rufus  (Cos.  649) 
und  Q.  Lutatius  Catulus  (Cos.  652):  der  edle  Rufus  ein  Anhänger 
der  Stoa,  Redner^  Kenner  des  Rechts  und  Schriftsteller  auf  diesem 
Gebiete,  endlich  Verfasser  von  geschichtlichen*  Werken,  insbe- 
sondere einer  Selbstbiographie;  der  wenig  energische  Catulus 
neben  seiner  politischen  und  kriegerischen  Wirksamkeit  Verfasser 
erotischer  Epigramme,  sowie  gleichfalls  einer  Selbstbiographie 
und  Ton  sonstigem  Geschichtlichem. 

1.  P.  Rutilius  Rufus,  geb.  ums  J.  596  (vgl.  Cic.  Brut.  22,  85  mit 
Appian.  Hisp.  88),  im  Kreise  des  jüngeren  Airicanus  aufgewachsen,  unter 
welchem  er  auch  (wie  Asellio,  oben  142,  9)  im  numantinischen  Kriege  (J. 
620  f.)  als  trib.  mil.  diente  (Appian.  Hisp.  88  vgl.  Cic.  de  rep.  I,  11,  17). 
Als  Prätor  (in  unbekanntem  Jahre)  Urheber  der  actio  (Gai.  Inst.  IV,  35) 
oder  constitutio  (fragm.  Yat.  1)  Rutiliana,  sowie  des  Edicts  über  die  Pa- 
tronatsrechte  (Dig.  XXXVIII,  2,  1,  1),  und  wohl  früher  der  lex  Rntilia 
über  die  rufuli  (Festus  p.  261  M.).  Cos.  649  =«  105,  später  (J.  662?)  zur 
Strafe  für  seine  strenge  Rechtlichkeit  nach  sokratisch  stolzer  Vertheidigung 
von  den  Ritter-Geschwornen  verurteilt  und  nach  Smyrna  sich  verbannend, 
wo  er  das  Bürgerrecht  erhielt  (Cic.  p.  Balb.  11,  28.  Tac.  A.  IV,  43),  noch 
im  J.  676  lebte  (Cic.  Brut.  22,  85  vgl.  de  rep.  I,  8,  13  und  de  d.  nat.  III, 
32,  80),  und  wo  er  auch  (nach  J.  677)  gestorben  zu  sein  scheint;  s.  A. 
L'Oisel,  vie  de  P.  R.  R.,  jurisconsulte  stoicien,  in  seinen  divers  opuscules 
(Paris  1652.  4.)  p.  161  ff.  und  in  Meermanns  Thesaur.  iur.  1.  p.  369  ff. 
Majansius  Comment.  II.  p.  1  ff.  A.  Haakh  in  Pauly's  Real-Enc.  VI,  1.  S.  586  f. 
Nr.  7.  Löwe,  P.  Rutilii  Rufi  vita  narrata,  Züllichau  1853.  4.  Ph.  E.  Huschke 
in  der  Zeitschr.  für  Civürecht  N.  F.  XIV.  (1856.)  S.  1—21.  H.  Peter,  bist. 
I.  p.  CCLXI— CCLXV. 

2.  Vellej.  II,  13,  2:  P.  Rutilium,  virum  non  saeculi  sni  sed  omnis  aevi 

16* 


228  Siebentes  Jahrhundert  d.  St. 

Optimum.  Vgl.  noch  Capitol.  Gordian.  5,  6.  Ammian.  XXX,  4,  6.  Cic.  Brut. 
30,  113:  Butilius  in  quodam  triati  et  severo  genere  dicendi  versatus  est. 
.  .  multa  Opera  multaque  industria  Rutilius  foit;  quae  erat  propterea  gra- 
tior  quod  idem  magnum  muniis  de  iure  respondendi  sustinebat.  (114.)  sunt 
eiuB  orationes  ieiunae,  multa  praeclara  de  iure;  doctus  vir  et  graecis  Ht- 
teris  eruditus,  Panaeti  auditor,  prope  perfectue  in  stoicis.  Suet.  Aug.  89: 
libros  totoB  .  .  recitavit  .  .  ut  orationem  .  .  Rutili  de  modo  aedificiorum. 
Diomed.  I.  p.  372  P.  ==  376,  4  K,:  P.  Rutilius  .  .  pro  L.  Cesutio  ad  popu- 
lum.  H.  Meyer,  oratt.  p.  263  ff.  ed.  II.  Seine  Rechtskenntniss  verdankte 
er  dem  P.  Scaevola  (oben  139,  4),  s.  Cic.  off.  II,  13,  47  vgl.  Pompon.  Dig. 

I,  2,  2,  40.  Aus  seinen  juristischen  Schriften  wird  in  den  Digesten  (aus 
Schriften  des  Ulpianus)  Einiges  angefahrt,  aber  ohne  nähere  Angabe;  s. 
Dig.  VII,  8,  10,  3.  XXXm,  9,  3,  9  (vgl.  Gell.  IV,  1,  22).  XLIII,  27,  1,  2. 
S.  W.  Zimmern,  Gesch.  d.  röm.  Privatrechts  I,  1.  S.  280—282.  Auch  was 
Macrob.  Sat.  I,  16,  34  (Rutilius  scribit  etc.)  über  die  nundinae  anführt 
könnte  durch  Vermittlung  des  Varro  aus  einem  juristischen  Werke  des 
Rutilius  stammen  (oder  aus  seiner  Selbstbiographie). 

3.  P.  Rutilius  Rufus  de  vita  sua  citieren  Charisius  (p.  120,  17.  126,  11. 
130,  18.  139,  18.  146,  3ö.  196,  16  Keil)  und  Diomedes  (p.  374,  13.  376,  3  K.), 
Ersterer  wiederholt  (p.  120.  139)  aus  dem  fünften  Buche  desselben.  Auf 
eine  Darstellung  von  Selbsterlebtem  fährt  auch  Appian.  Hisp.  88:  'PovtCliov 
'Povtpov,  avyyqatpitL  zavSe  tmp  ^ifymv  (vor  Numantia),  tots  jjUiÄ^jrovyra, 
hiXBvcB  u.  s.  w.  (daraus  Suid.  s.  v.  'PovT£kios)y  und  was  Isidor.  Orig.  XX, 

II,  4  aus  Rutilius  Rufus  de  vita  sua  anfährt  stimmt  gleichfalls  mit  App. 
Hisp.  85.  Ebenso  kann  aus  der  Schrift  de  vita  sua  sein  Plut.  Mar.  28: 
cjg  ÖS  'PovrCliog  tazoQSi,  tä  fihv  aXla  (pUaX'qd'Tjs  oivrjQ  %al  XQ'H^'^^^f  ^^ 
dh  T09  Maqlea  nQOü%B%i(OV%<oi ,  sowie  Plut.  Pompei.  37  (6  ^PqvxÜllo^  iv  raig 
taxoqCaig).  Dagegen  f&llt  die  Gesandtschaft  des  J.  699  (aiunt  Rutilius  et 
Polybius,  Gell.  VI  (VII),  14,  10)  in  seine  früheste  Kindheit,  und  der  Tod 
des  älteren  Scipio  (Scipionem  et  Polybius  et  Rutilius  hoc  anno  mortuum 
scribunt,  Liv.  XXXIX,  52,  1)  sicher  vor  seine  Geburt,  ohne  dass  aber  un- 
möglich wäre  dass  beide  Ereignisse  irgendwie  in  die  Selbstbiographie  her- 
eingezogen worden  wären.  Jedenfalls  muss  neben  der  lateinischen  Be- 
arbeitung eine  in  griechischer  Sprache  angenommen  werden,  worin  vielleicht 
der  persönliche  Standpunkt  mehr  zu  einem  historischen  erweitert  und  der 
allgemeinere  Titel  'latoQioci  gewählt  war.  Vielleicht  aber  war  diess  auch  ein 
ganz  selbständiges  Werk.  Vgl.  Athen.  IV,  66,  p.  168  E.  (aus  Poseidonios 
Apam.):  'PovTiXlei)  zm  xriv  ^tofMcHriv  IcxoQlav  ixdc^caxoTt  t^  ^EXkrivtav  qxov^. 
VI,  108.  p.  274  C:  ^PovtiXiog  *Pov(pog  6  tr^v  ndxQiov  IcxoqCav  yeyqa(ptog. 
XII,  61.  p.  543  B:  diaßorjxog  fiv  naqä  'Paiia^otg  wxl  SCxxiog  inl  XQvq)^  .  ., 
Sg  (prici  'PovxÜiog,  was  aus  Anlass  von  Rutüius'  Ankläger  Apicius*(vgl.  ib. 
p.  168  E)  bemerkt  sein  konnte.  Beide  Arbeiten  scheinen  in  Smyma  ver- 
fasst  zu  sein;  vgl.  Oros.  V,  17  extr.:  Smyrnam  commigrans  litterarum 
studiis  intentus  consenuit.  Im  Allgemeinen  s.  Krause^  bist.  p.  227  —  231. 
C.  L.  Roth  p.  328 — 330.  Suringar,  de  rom.  autobiogr.  p.  8  ff.  Gerlach, 
Geschichtschreiber  S.  77 — 79.  Nissen,  krit.  Untersuchungen  (1863)  S.  41 — 43. 
H.  Peter,  bist.  I.  p.  CCLXV— CCLXIX  u.  p.  187—190. 


146  f.  J.  635—650.  Rutilins  RufuB.  Q.  CatuluB.  Aelius  Stilo.        229 

4.  Q.  LutatiüB  Catulus,  geboren  um  602J  Cos.  652=102,  mit  Marius 
Sieger  über  die  Kimbern  bei  Vercellä  658,  f  667,  einer  Hinrichtung  durch 
Marius  zuvorkommend.  Cic.  Brut.  35,  132:  non  antiquo  illo  more,  sed  hoc 
nostro  .  .  eruditus  (ygl.  de  or.  II,  7,  28).  multae  litterae,  summa  non  yitae 
Bolum  atque  naturae  sed  orationis  etiam  comitas,  incorrupta  quaedam  latini 
sermonis  integritas  (vgl.  74,  259.  de  or.  ni,  8,  29.  ofif.  I,  37,  133.  Quintil. 
XI,  3,  35).  quae  perspici  cum  ex  orationibus  eins  (vgl.  oben  79,  6)  potest 
tum  facillume  ex  eo  libro  quem  de  consulatu  et  de  rebus  gestis  suis  con- 
scriptum  molli  et  xenophonteo  genere  sermonis  misit  ad  A.  Furium  poetam, 
familiärem  snum.  Plut.  Mar.  25:  ofiouc  dh  %al  tov  KdzXov  etvxov  anoXo- 
ystcQ'at  .  .  tatOQOvai  (Sulla?),  vgl.  26:  mg  tov  KdxXov  avxov  tfftOQBiv  Xiyovci, 
und  27:  ra  ovv  XdtpvQot  .  .  dvsvsx^iivfx''  Xiyovciv,  H.  Jordan  (Hermes  VI. 
S.  68—81)  identificiert  diesen  über  mit  den  latae  Catuli  litterae  bei  Fronto 
p.  126  N. ,  als  einer  politischen  Broschüre  in  Briefform,  in  Stil  und  Umfang 
das  Mass  des  eigentlichen  Briefs  überschreitend.  Auch  verfasste  L.  C.  Com- 
munes  historiae  (oder  eine  Communis  historia)  in  mindestens  vier  Büchern 
(Philargyr.  zu  Verg.  Ge.  IV,  564),  welche  nach  den  üeberresten  (vgl.  C.  L. 
Roth,  bist.  p.  332  f.  H.  Peter,  bist.  I.  p.  192  f.)  euhemeristische  Richtung 
gehabt  zu  hiaben  scheinen,  so  dass  der  Titel  weltliche  Gesehichte  (im  Ge- 
gensatze 2ur  historia  sacra)  bedeuten  könnte  (AI.  Riese,  Rhein.  Mus.  XVIII. 
S.  448 — 450)  oder  auch  (wie  des  Timaios  Koival  tatogiat)  Geschichte  meh- 
rerer Völkerschaften  (H.  Peter,  bist,  I.  p.  CCLXXIV).  Zweifelhaft  ist  ob 
daraus  oder  aus*  einem  antiquarischen  Werke  des  Catulus  (H.  Peter)  die 
Angaben  sind  über  den  lacus  Curtius  (Cornelius  et  Lutatius  scribunt  etc. 
Varro  L.  L.  V,  150)  und  über  das  Gründungsjahr  Roms  (Nepoti  et  Lutatio, 
Solin.  I,  27).  Zu  der  skeptischen  Haltung  welche  Catulus  auch  in  der  Phi- 
losophie (als  Anhänger  der  neuen  Akademie)  einnahm  (Cic.  Acad.  II,  48,  148) 
stimmt' jene  Richtung  vollkommen.  Üeber  die  Epigramme  des  Catulus  s. 
oben  133,  4.  Im  Allgemeinen  L.  0.  Bröcker  in  Pauly's  Real-Enc.  IV.  8. 
1246  f.    Nr.  8.    H.  Peter,  bist.  I.  p.  CCLXX— CCLXXV,  vgl.  p.  191—194. 

147«  Einen  Gelehrten  hat  diese  Zeit  an  dem  römischen  137 
Ritter  L.  Aelius  Praeconinus  Stilo  aus  Lanuvium.  Er  hielt  zur 
Stoa  und  war  der  Erste  welcher  (Befreundeten)  in  lateinischer 
Literatur  und  lateinischer  Redekunst  eigentliche  Unterweisung 
gab  und  die  lateinische  Sprach-  und  Alterthumsforschung  wissen- 
schaftlich begründete^  indem  er  auf  die  ältesten  Denkmäler  zu-  • 
rückgieng  und  sie  commentierte.  Der  erste  römische  Philolog, 
vererbte  er  Umfang  und  Ziel  seiner  Forschung  auf  seinen  Schüler 
Varro.  Gleichzeitig  mit  Stilo  wirkten  in  ähnlichem  Sinne  auch 
Gelehrte  griechischen  Ursprunges,  wie  Laelius  Archelaus  und 
Vettius  Philocomus. 

1.  Suet.  de  gramm.  2  (p.  101  f  Rffsch.):  instruxerunt  auxeruntque  ab 
omni  parte  grammaticam  L.  Aelius  Lanuvinus  generquo  Aelii  Ser.  Clodius, 
uterque  eques  rom.  multique  ac  varii  et  in  doctrina  et  in  rep.  usus.  (3.) 
Aelius  cognomine  duplici  fuit;   nam  et  Praeconinus,   quod  pater  eius  prae- 


230  Siebeutes  Jahrhundert  d,  St. 

conium  fecerat,  vocabatur  et'Stilo,  quod  orationes  nobilisBuno  cuique  scri- 
bere  solebat;  tantua  optimatium  fautor  ut  Metellom  Namidicum  (oben  145,  3) 
in  exsüinm  comitatus  Bit  (J.  654).  Cic.  Brut.  66,  205:  L.  Aelius  .  .  fuit 
vir  egregius  et  eques  rom.  oum  primis  honeatus,  idemque  eruditissimua  et 
graecia  litteris  et  latinia  antiquitatiaque  noatrae  et  in  inventia  rebua  et  in 
actis  acriptorumque  veterum  litterate  peritua.  quam  acientiam  Yarro  noater 
acceptam  ab  illo  anctamque  per  aeae  .  .  ploribua  et  illustrioribua  litteria 
explicavit.  (206.)  aed  idem  Aeliua  atoicua  eaae  Yoluit,  orator  autem  nee 
atuduit  umquam  nee  fuit;  scribebat  tarnen  orationea  quas  alii  dicerent, 
ut  (205:  Cottae  pro  ae  lege  Yaria,  J.  663,)  Q.  Metello  *F.,  ut  Q.  Caepioni 
(vgl.  ib.  169),  ut  Q.  Pompeio  Rufo.  .  .  (207.)  hia  acriptia  etiam  ipae  iuter« 
fui,  cum'  eaaem  apud  Aelium  aduleacena  eumque  audire  perstudioae  aolerem. 
Cornif.  ad  Herenn.  lY,  12,  18:  Luciliua  .  .  in  priore  llbro:  Haa  res  ad  te 
acriptaa,  Luci,  miaimua,  Aeli.  Yarro  bei  Gell.  N.  A.  I,  18,  2:  L.  Aeliua 
noater,  litteria  omatiaaimua  memoria  noatra,  nnd  L.  L.  Yll,  2:  homo  in  pri- 
mia  in  litteria  latinia  exercitatua.  Ygl.  auch  noch  Gell.  X,  21,  2:  qui  do- 
ctiaaimna  eorum  temporom  fuerat,  L.  Aeliua  Stilo.  Plin.  N.  H.  XXX,  1,  7 
(L.  Aelii  Stilonia,  Praeconini  ob  id  cognominati).  XXXYU,  1,  4  (Stilo  Prae- 
coninua).  Oefteca  in  den  Hdaa.  Laeliua  statt  L.  Aeliua,  z.  B.  Cic.  ad  Farn.  IX, 
15,  2.  Acad.  poat.  I,  2,  8.  (or.  69,  230?  a.  oben  142,  5.  de  or.  I,  62,  265? 
Plin.  N.  H.  XI Y,  18,  15?).  Da  hienach  L.  Aeliua  eineraeita  noch  Freund  dea 
Luciliua  war,  andereraeita  Cicero  noch  bei  ihm  in  die  Schule  gieng,  ao  muaa 
er  etwa  J.  610  geboren  aein  und  ein  hohes  Alter  erreicht  haben.  Ygl. 
Ritachl  Parerga  S.  239. 

2.  Literariache  Thätigkeit:  Aeliana  atudia  (antiquitatia  romanae),  Cic. 
de  or.  I,  43,  193?  vgl.  Acad.  poat.  I,  2,  8.  Berufung  auf  mündliche  Aeua- 
aerungen  bei  Yarro  R.  R.  IH,  12.  L.  L.  Y,  66.  101.  YI,  7.  Gell.  N.  A. 
XII,  4,  5.  Schriften:  Aelii  .  .  interpretationem  carminum  Saliorum  vi- 
debia  et  exiliter  (?)  expeditam  et  praeterita  obacura  multa,  Yarro  L.  L. 
YU,  2.  Ygl.  Feat.  v.  manuoa,  molucmm,  peacia.  Coraaen,  Orig.  poea.  rom. 
p.  48  ff.  und  oben  62,  2.  —  Erklärung  der  XII  Tafeln:  Cic.  Legg.  II,  23, 
59.  Feat.  v.  aonticua  morbus.  R.  Scholl,  Leg.  XII  tabb.  reliqq.  p.  29  f.  will 
hierbei  den  Stilo  überall  verstanden  wiaaen  wo  achlechtweg  Aeliua  citiert  ist. 
—  Commentarium  de  proloquiis  L.  Aelii,  docti  hominis,  qui  magiater  Yar- 
ronia  fuit,  .  .  legimua.  aed  in  eo  nihil  edocenter  neque  ad  inatituendum 
explanate  acriptum  eat,  feciaaeque  videtur  eum  librum  Aeliua  aui  magia 
admonendi  quam  aliorum  docendi  gratia.  Gell.  N.  A.  XYI,  8,  2  f.  —  Zur 
Kritik  und  Aualegung  älterer  lateiniacher  Dichter.  Bewunderer  dea  Plautus, 
Quintil.  X,  1,  99.  Indicea  Aelii  (u.  A.)  auper  hia  fabulia  (Plauti)  quae  di- 
cuntur  ambiguae.  Gell.  lU,  3,  1  und  ib.  12:  homo  eruditisaimus  L.  Aeliua 
XXY  (comofediaa)  eiua  (Plauti)  eaae  solaa  exiatimavit.  Ygl.  oben  94 ,4.  98 ,  3 
II  5.  Zahlreiche  etymologiache  (in  quo  .  .  erravit  aliquotiena,  Yarro  bei  Gell. 
I,  18,  2)  und  grammatiache  Bemerkungen  dea  Stilo  zuaammengeatellt  bei  van 
Heufide  p.  64—81. 

3.  Hauptachrift:  Diaquiaitio  de  L.  Aelio  Stilone,  Ciceronia  in  rhetoricia 
magistro,  Rhetoricorum  ad  Herenn.  ut  videtur  auctore  (letzterer  Beweia- 
versuch  iat  miaslongen).    inaerta  aunt  Aelii  Stilonia  et  Servii  Claudii  frag- 


147  f.  Die  Jahre  650—670.  Stilo.    Matius.  231 

menta.     scripsit  J.  A.  C.  van  Heusde.     Traj.  ad  Rh.  1839.    VIII  u.  109  pp.. 
Vgl.  Mommsen,  R.  G.  II*.   S.  426.  457. 

4.  Sueton.  gramm.  2  (vgl.  oben  41,  1):  ut  Laelius  Archelans  Vettius- 
que  FhilocomuB  Lucili  saturas  familiaribns  suis  (pronuntiabant) ,  qiias  le- 
gisse  se  apnd  Archelaum  Pompeius  Lenaens,  apud  Philocomum  Valerius 
Cato  praedicant.  Da  im  Folgenden  dieser  niedrigeren  Stufe  gelehrter 
Thätigkeit'die  höhere,  durch  Stilo  vertretene  gegenübergestellt  vnrd  (in- 
struxerunt  etc.,  oben  A.  1),  andererseits  die  Schüler  der  Genannten  (Le- 
naeus  und  Cato)  der  ciceronischen  Zeit  angehören,  so  werden  Archelaus  und 
Philocomus  ungefähr  gleichzeitig  mit  Stilo,  etwa  J.  645 — 675,  zu  setzen  sein. 

148.  Die  beiden  Jahrzehnte  650 — 670  d.  St.  umschliesseniss 
abermals  heftige  innere  Kämpfe  theils  mit  den  Bundesgenossen, 
welche  sich  im  marsischen  Kriege  .  völlige  Gleichstellung  mit 
den  Römern  erstritten,  theils  zwischen  der  wieder  erstarkten 
Volkspartei  und  der  für  ihre  Vorrechte  sich  wehrenden  und 
schliesslich  durch  Sulk  siegreichen  Nobilität.  Das  rege  Leben 
das  sich  in  diesen  Kämpfen  entfaltet  bringt  auf  den  nationalen 
Gebieten  geistiger  Thätigkeit,  in  Beredtsamkeit  und  Rechts- 
gelehrsamkeit, glänzende  Früchte  hervor.  Die  Kunst  zu  reden 
wird  Unterrichtsgegenstand  und  auch  von  Einheimischen  ge- 
lehrt. Die  Geschichtschreibung  ist  in  den  Händen  der  jüngeren 
Annalistik  und  verräth  bei  den  Einen  Einfluss  der  Rhetorik, 
bei  Andern  überdiess  Parteifärbung.  Auch  auf  dem  Gebiete  der 
Poesie  herrscht  Leben:  die  atellanische  Volksposse  wird  durch 
Novius  und  Pomponius  schriftmässig,  Cn.  Matius  verfasst  Mim- 
iamben  und  übersetzt  die  Hias;  Laevius  beginnt  in  scherzhaften 
erotischen  Gedichten  die  manchfaltigen  Formen  der  griechischen 
Melik  nachzubilden;  ihren  Epiker  hat  die  Zeit  an  A.  Furius,  ihren 
Tragiker  an  C.  Julius  Caesar  Strabo.  Zugleich  sind  diese  Jahr- 
zehnte die  Jugendzeit  von  Cicero  (geb.  648)  und  Caesar  (geb.  654). 

1.  Latini  rhetores  zu  Born,  s.  oben  43,  9. 

2.  Ueber  die  jüngere  Annalistik  s.  oben  37  (S.  55  ff.)- 

3.  Ueher  Novius  und  Pomponius  s.  oben  135. 

4.  Varro  L.  L.  VIT,  95:  apud  Matium:  Corpora  Graiorum  maerebat 
mandier  igni.  Vgl.  ib.  96.  Gellius,  der  den  Matius  fast  nie  nennt  ohne  vor 
ihm  als  einem  doctus  vir,  homo  impense  doctus,  vir  ernditus  u.  dgl.  sich  zu 
verneigen,  citiert  Cn.  Matium  .  .  in  seöundo  Iliadis  (YII,  6,  5)  und  Cn. 
Matius  in  Iliadis  XXI  (IX,  14,  14  vgl.  15).  Vgl.  Charis.  p.  117,  13.  345,  8  K. 
Priscian.  YII.  p.  334,  19  f.  Htz.:  Gn.  Matius  in  Diade:  celerissimus  advolat 
Hector.  Die  mimiambi  waren  possenhafte  (mimusartige)  lamben,  eine  Mo- 
dification  der  lambik,  nicht  des  Mimus.  An  Aufführung  auf  der  Bühne  ist 
nicht  zu  denken.  Dem  possenhaften  Charakter  des  Inhalts  entspricht  auch 
das  Versmass  (senarii  claudi).    Die  Ueberreste  aus  den  mimiambi  des  Cn. 


232  Siebentee  Jahrhnndert  d.  St 

MatiuB  in  L.  MfiUer'B  Aosg.  des  CatuU  (Lipa.  1870)  p.  91  f.    Vgl  Prücian. 

VI.  p.  274,  26  f.  Htz.  Mftcrob.  111,  20,  6.    Terent.  Manr.  v,  2416  ff.   Ziegler, 

de  mimiB  p.  66  S.   Weraadorf,  poett-  latt.  min.  IT.  p.  668  ff.  L.  C.  M.  Anbert, 

de  Haido  mimiamb.  auctore,  Cbristiania  1844.  4. 

6.  Ausooiaa  im  Nachworte  zu  Heinem  cento  nnptialiB,  in  deseen  Becht- 
f.  quid  antiqniaHimi  poetae  LaevÜ  Gtotopaegniou  Ubioi  loqoar? 
1  ist  nicht  wahTscheinlich  dass  LaeviuB,  wie  L.  UQller  meint,  erat 
des  Varro  und  LucretiuB  angebOrt,  so  sehr  dazD  die  Mancbfaltig- 
Elaganz  seiner  Metrik  passea  wüide.  Für  unsere  Datierung  spricht 
r  Charakter  der  Sprache  des  Laevius  (vgl.  bes.  GeUius  XIX,  7,  2  ff.), 
chterwElhnung  in  der  Aufzählung  von  Erotikem  der  letzten  Zeit  bei 
ist.  II,  427  ff.,  sowie  die  Ordnung  in  welcher  Oellius  XIX,  9,  7  ihn 
en  n)m.  Erotikem  auffuhrt:  Laevius  .  .  Hortensins  .  .  Ciima  .  . 
«  (vgl.  oben  31,  1).  Weniger  beweist  ib.  U,  24,  8:  huius  legis  (der 
aomptuaria,  gegeben  vor  dem  Consulat  des  Licinius,  also  vor  6&7 
.  W.  Bein  in  Pauly's  Real-Eno.  VI,  2.  S.  1509)  Laevius  poeta  me- 
Erotopaegnüs  (vgl.  ib.  10:  Lucilius  qnoque  legü  istins  meminit), 
len  Worten  des  L.  (lex  Licinia  introduoitur,  lux  liquida  baedo  red- 
icht  mit  Sicherheit  erhellt  daas  er  von  seiner  eigenen  Zeit  spricht. 
III,  8,  3  nennt  ihn  Laevinus;  dagegen  vgl.  Gell.  XIX,  7,  2  (in  Lae- 
nnine)  and  12  (verbonim  Laevianorum).  Häufige  Verwechslung  seines 
mit  Liviua,  Naevius,  Laelius  (z.  B.  Apulej.  apol.  30).  Porphyr. 
0.  UI,  I,  2.  p.  245  vgl.  241  H.:  Romanis  utdque  non  prius  audita, 
Laevius  lyrica  ante  Horatium  scripserit,  sed  videntur  illa  non 
im  lege  ad  iyricum  cbarocterem  exocta.  Je  weiter  des  Laevius  Art 
t  von  der  seinigen  entfernt  war,  um  so  eher  hatte  Horaa  ein 
on  diesem  Vorgänger  abzusehen.  Gell.  XEX,  7,  2;  figuras  habitus- 
ttomm  nove  ant  insigniter  dicterom  in  Laeviano  illo  carmine.  Na- 
1  liebte  L.  kühne  Wortznsammensetsnngen  in  der  Weise  der  älteren 
chter.  Die  üeberreste  zeigen  scherzhafte  Behandlung  der  griechi- 
jthologie  nnd  vielerlei  lyrische  Masse  (iambische  Dimeter,  Trochäen, 
en,  Anapäste,  daktylische  Tetrameter,  phaläkische  Verse,  loniker  u.  a.) 
'  Behandlung  und  Mischung. 

Sechste  BQcherzahl:  Laevius  'Epmconui/vföiv  VI  bei  Charia.  II.  p. 
-  204,  16  K.  Vgl.  Charis.  IV.  p.  288,  6  f.  K:  in  pterygio  PhoeniciB 
lOvissimae  ödes  Erotopaegnion.  Wahrscheinlich  ünterabtheÜungen 
resanuntliteU  (Weichert  p.  40  vgl.  57)  sind  die  Citate  Laevius  in 
Priscian.  p.  269,  6  3.tz.),  in  lone  (ib.  p.  281,  3),  in  Protesitaodamia 
II,  10,  5.  NoniuB  p.  116.  209.  Priscian.  p.  242,  13  vgl.  in  Protesilao 
.  p.  484,  9;  in  Landamia,  p.  496,  27),  in  Sirenocirca  (Priscian.  p. 
Non.  p.  120),  in  Centauria  (Fest.  p.  206  M.),  Alcestis  (Gell.  XIX,  7, 
rine  in  Polymetria  bei  Priscian  p.  2GS,  12. 

)ie  cormpten  Citate  Vaeius  und  Veina  Pullis  oder  Pulis  bei  Nooius 
hl  vielmehr  auf  Sueius  (vgl.  oben  89,  2)  zu  beziehen.  Ebenso  sind 
lameter  aus  Laerina  Cypria  lUas  wohl  dem  Ninnius  Crasana'  zu- 
a.  Tgl.  Priscian.  IX.  p.  478,  12  f:  Ninnius  Crassus  in  XXIV  Uia- 
i  Non.  p.  475,    14:    Craasns  lib.  XTI  IliadoB.^Daher  bat  wohl  mit 


148  f.  Die  Jahre  650 — 670.    Laeviiis.   M.  Antonius.  233 

Recht  Hertz  bei  Priscian  X.  p.  502,  24  statt  neuius  in  Iliadis  secundo  ge- 
schrieben: ninnins,  und  L.  Müller  ebenso  bei  Charis.  1.  p.  145,  21  K.  statt 
Laevius  Cypriae  Iliadis  libro  I  vorgeschlagen:  Ninnius.  Dieser  wird  dann 
wohl  ein  Zeitgenosse  des  Furius  Bibaculus  sein. 

8.  Stoffsammlung  bei  A.  Weichert,  de  Laevio  poeta,  in  den  poett.  latt. 
vitae  etc.  p.  31—88.  Dazu  Fr.  WüUner,  de  Laevio  poeta,  Münster  1829.  4. 
und  in  der  AUg.  Schulzeitung  1830.  II.  S.  1259  ff.  W.  Teuffei  in  Pauly's 
Beal-£nc.  IV.  S.  732.  L.  Müller,  de  re  metr.  p.  75—77  und  in  seiner  Aus- 
gabe des  CatuU  (Lips.  1870)  p.  76—83,  vgl.  p.  XXXVIII— XL. 

9.  üeber  A.  Furius  s.  133,  3;  über  Caesar  Strabo  s.  unten  150,  3. 

149,  Die  Hauptredner  dieser  Zeit  sind  M.  Antonius  (Cos.  139 
655)  und  L.  Licinius  Crassus  (Cos.  659),  jener  ein  Autodidakt 
der  das  was  er  war  seinem  trefflichen  Gedächtniss,  seiner  ange- 
borenen  Lebendigkeit  und  beweglichen  Phantasie  verdankte  und 
hauptsächlich  durch  glänzenden  Vortrag  wirkte;  Crassus  aber 
ein  Mann  von  feinem  Verstände  und  juris|pcher  Bildung,  als 
Redner  daher  weniger  hinreissend  als  Antonius,  dafür  aber  über- 
zeugend durch  die  Klarheit  seiner  Auseinandersetzungen  und 
gewinnend  durch  heiteren  Witz  und  Gewähltheit  der  Sprache. 

1.  M.  Antonius  C.  f.  Orator,  geboren  611,  Prätor  650,  Consul  655  =» 
09,  Censor  657,  durch  die  Marianer  getödtet  667;  s.  E.  J.  G.  Bruner,  de 
M.  Antonio  et  L.  Crasso  oratoribus  rom.,  Helsingfors  1853.  4.  W.  Teuffei 
in  Pauly's  Real-£nc.  I,  1,  S.  1169--1171,  Nr.  6.  Charakteristik  seiner  Bede- 
weise (ausser  de  oratore,  wo  er  und  Crassus  die  Hauptträger  des  Gesprächs 
sind)  bes.  Cic.  Brut.  37,  139—38,  142  (vgl.  57,  207.  59,  215.  88,  801.  89,  304), 
z.  B.:  erat  memoria  summa,  nuUa  meditationis  suspicio.  .  .  verba  ipsa 
non  illa  quidem  elegantissimo  sermone.  .  .  sed  tamen  in  verbis  et  eli- 
gendis  .  .  et  collocandis  .  .  nihil  non  ad  rationem  et  tamquam  ad  artem 
dirigebat;  yerum  multo  magis  hoc  idem  in  sententiarum  ornamentis  et 
conformationibus.  .  .  actio  singularis.  .  .  gestus  erat  .  .  cum  sententiis 
congruens.  .  .  vox  permanens,  verum  subrauca  natura,  sed  hoc  vitium 
.  .  in  bonum  convertebat.  habebat  enim  ilebile  quiddam  in  questionibus 
aptumque  cum  ad  fidem  faciendam  tum  ad  misericordiam  commovendam. 
Gesammtergebniss:  omnium  eloquentissimus  quos  ego  viderim  (Cic.  Tusc. 
V,  19,  56).  Vgl.  de  or.  I,  38,  172:  Antonii  incredibilis  quaedam  .  .  vis  in- 
genii  videtur,  etiamsi  scientia  iuris  nudata  sit,  posse  se  facile  ceteris  armis 
prudentiae  tueri. 

2.  Seine  Bieden,  unter  welchen  die  für  M\  Aquilius  (J.  656)  die  be- 
rühmteste gewesen  zu  sein  scheint,  gab  M.  Antonius  grundsätzlich  nicht 
heraus,  nicht  sowohl  —  womit  er  selbst  es  scherzhaft  zu  begründen  pflegte 
—  aus  advocatischer  Schlauheit  (oben  43,  4)  als  vielmehr  wohl  haupt- 
sächlich in  der  Erkenntniss  dass  geschrieben  dieselben  unmöglich  gleichen 
Eindruck  machen  könnten  wie  von  ihm  vorgetragen.  Nur  eine  kleine, 
wenig  bedeutende  Schrift  de  ratione  dicendi  veröffentlichte  er  gelegentlich ; 


234  Siebentes  Jahrhundert  d.  St. 

s.  Cic.  orst.  5,  18.  Brut.  44,  163.  Quintil.  III,  1,  19  (hoc  solum  opus  eius, 
atque  id  ipBom  imperfectum,  manet).  6,  45.  Eine  Aeusserung  daraus  bei 
Cic.  de  or.  I,  21,  94.  orat.  6,  18.  Quintil.  VIII.  prooem.  13.  XII,  1,  21. 
Plin.  Ep.  V,  20,  5.  Die  Nachrichten  über  die  von  Antonius  gehaltenen 
Reden  s.  bei  H.  Meyer  oratorum  fragm.  p.  280 — 291  ed.  II. 

3.  L.  Licinius  L.  f.  GrassuB,  geboren  614  (Cic.  Brut.  43,  161),  J.  635 
erstmals  als  Redner  aufgetreten  (annos  natus  XXI,  Cic.  de  or.  III,  20,  74; 
unrichtig  XIX  bei  Tac.  dial.  34;  s.  Rhein.  Mus.  XIX.  S.  675—677),  636 
Führer  der  Colonie  nach  Narbo  Martins,  Cos.  660,  Censor  662,  als  welcher 
er  bei  der  Ausweisung  der  rhetores  latini  (oben  43,  9)  mitwirkte  (Cic,  de 
or.  III,  24,  93  f.  Tac.  dial.  35),  f  663.  Vgl.  A.  Haakh  in  Pauly's  Real- 
Enc.  IV.  S.  1058—1063,  Nr.  18.  Die  Darstellung  welche  Cic.  de  or.  von 
CrasBUB  gibt  ist  getrübt  dadurch  dass  Cic.  sichtlich  sich  selbst  mit  ihm 
identificiert;  wie  er  denn  auch  die  Komödie  mit  dem  kilikischen  Triumph 
ihm  nachgemacht  hat.  Jene  Identification  geht  so  weit  dass  dem  Crassus 
sogar  (ü,  33,  142  vgl.  I,  42,  190  f.)  die  Absicht  beigelegt  wird  ein  Werk 
de  iure  civili  in  artem  redigpindo  zu  schreiben.  Ebenso  werden  I,  34,  164  f. 
ihm  die  Stilübungen  zoj^schrieben  welche  Cic.  in  seiner  Jugend  gemacht 
hat  (vgl.  Quintil.  X,  5,  2).  Namentlich  die  Betonung  der  Nothwendig- 
keit  vielseitiger  Bildung  für  den  Redner  (z.  B.  I,  34,  156  ff.)  stammt  aus 
dieser  Quelle;  denn  in  Wahrheit  spricht  nichts  dafür  dass  sich  Crassus 
in  dieser  Hinsicht  von  Antonius  und  andern  Vornehmen  seiner  Zeit  wesent- 
lich unterschied.  Treuer  ist  die  Schilderung  Brut.  38,  143 — 39,  145. 
40,  148.  43,  168 — 44,  166.  Z.  B.  143:  erat  summa  g^ravitas,  erat  cum  gpravi- 
tute  iunctuB  facetiarum  et  urbanitatis  .  .  lepos;  latine  loquendi  accurata 
et  sine  moleBtia  diligens  elegantia;  in  disserendo  mira  explicatio;  cum  de 
iure  civili,  cum  de  aequo  et  bono  disputaretur,  argfumentorum  et  simili- 
tudinum  copia.  145:  ut  eloquentium  iurisperitissimuB  Crassus,  iurisperi- 
torum  eloquentissimus  Scaevola  (unten  151,  1  f.)  putaretur.  168:  vehemens 
et  interdum  irata  et  plena  iusti  doloris  oratio  .  .  idem  et  peromatus  et 
perbrevis.  159:  iam  in  altercando  invenit  parem  neminem,  versatus  est 
in  omni  fere  genere  causarum.  162:  quin  etiam  comprehensio  et  ambitus 
ille  verborum  (der  Satzbau)  .  .  erat  apud  illum  contractus  et  brevis,  et 
in  membra  quaedam,  quae  naXa  Graeci  vocant,  dispertiebat  orationem 
libentius  (vgl.  orat.  66,  223).  Tac.  diaL  18:  Graccho  politior  et  omatior 
CrassuB.  26:  C.  Gracchi  ünpetum  aut  L.  Crassi  maturitatem.  Macrob. 
Sat.  V,  1,  16  f.:  sunt  stili  duo:  .  .  unus  est  maturus  et  gravis,  qualis  Crasso 
adsignatur,  .  .  alter  huic  contrarius,  ardens  et  erectus  et  infensus,  quali  est 
usus  Antonius. 

4.  Herausgegebene  Reden  des  Crassus.  Cic.  orat.  38,  132:  Crassi  per- 
pauca  sunt,  nee  ea  iudiciorum.  Brut.  43,  160:  orationis  eins  (für  die  Ve- 
stalin  Licinia,  J.  641)  scriptas  quasdam  partes  reliquit.  .  .  exstat  in  eam 
legem  (de  colonia  Narbonem  deduoenda)  .  .  oratio.  161:  haec  Crassi  (pro 
lege  Servilia)  cum  edita  oratio  est  (J.  648),  .  .  XXXIV  tum  habebat  annos. 
44,  162:  est  etiam  L.  Crassi  in  consulatu  (J.  659)  pro  Q.  Caepione  .  .  non 
brevis  ut  laudatio,  ut  oratio  autem  brevis.  postrema  censoris  oratio,  in 
his  Omnibus  inest  quidam  eine  ullo  fuco  veritatis  color.    163  l  vellem  plura 


149  f.  Redner  aus  650 — 670.  L.  Crassus,  L.  Philippus,  C.  Strabo  u.  A.    235 

Crasso  Kbuisaet  scribere.  164:  multa  in  illa  oratione  (pro  lege  Servilia)*.  . 
dicta  sunt,  plura  etiam  dicta  quam  scripta,  quod  ex  quibusdam  capiiibuB 
expositis  nee  explicatis  intellegi  poiest.  ipea  illa  censoria  contra  Cn.  Do- 
mitium  collegam  non  est  oratio,  sed  quasi  capita  rerum  et  orationis  com- 
mentarium  paulo  plenius.  Vgl.  oben  43,  7.  Die  Einfachheit  seiner  Bede- 
weise war  nicht  nach  dem  Geschmacke  der  späteren  Rhetorik.  Nur  durch 
Cicero  sind  uns  einzelne  Stellen  aus  seinen  Beden  erhalten;  s.  H.  Meyer 
oratorum  fragm.  p.  291 — 317  ed.  II.  Diese  Proben  zeigen  häufige  Anwen- 
dung der  Anaphora  und  der  rhetorischen  Frage  und  sind  eben  wegen  ihrer 
Lebendigkeit  angeführt,  geben  daher  nur  von  einer  Seite  an  der  Bercdt- 
samkeit  des  Grass us  ein  Bild. 

150,  Neben  diesen  beiden  hervorragenden  besass  diese  Zeiti40 
tüchtige  Redner  an  dem  Juristen  Q.  Scaevola  (Cos.  659)  und  an 
L.  Marcius  Phiüppus  (Cos.  663);  unter  den  etwas  Jüngern  waren 
die  bedeutendsten  Redner  C.  Julius  Caesar  Strabo,  welcher  auch 
Tragödien  verfasste,  C.  Aurelius  Cotta  (Cos.  679)  und  P.  Sulpi- 
cius  Rufus,  nächst  welchen  auch  C.  Scribonius  Curio  (Cos.  678) 
erwähnenswerth  ist. 

1.  Ueber  Scaevola  s.  unten  151,  1. 

2.  L.  Marcius  Philippus,  geboren  um  610  d.  St.,  Cos.  663,  Censor 
668,  gestorben  nach  677;  s.  W.  TeuflFel  in  Pauly's  Real-Enc.  IV.  S.  1538— 
1640,  Nr.  4.  Cic.  Brut.  47,  173:  duobus  summis,  Crasso  et  Antonio,  L.  Phi« 
lippus  proxumus  accedebat,  sed  longo  intervallo  tarnen  proxumus.  .  .  erat 
in  Philippo  .  .  summa  libertas  in  oratione,  multae  facetiae;  .  .  erat  .  . 
graecis  doctrinis  institutus,  in  altercando  cum  aliquo  aculeo  et  maledicto 
facetuB.  Vgl.  45,  166:  summa  nobihtate  hominem,  .  .  summa  etiam  elo- 
quentia.  Da  er  zu  improvisieren  pflegte  (Cic.  de  or.  II,  78,  316),  so  kennen 
wir  nnr  einige  aus  der  Erinnerung  angeführte  Worte  aus  Reden  von  ihm, 
bei  Cic.  off.  II,  21,  73.  de  or.  III,  1,  2.  Sallust  (Hist.  I)  legt  ihm  eine 
Bede  gegen  Lepidus  (J.  676  f.)  in  den  Mund. 

3.  C.  lulius  L.  f.  Caesar  Strabo  (C.  I.  lat.  I.  p.  278,  IV;  auch  Sesqui- 
culuB  und  Vopiscus,  Mar.  Victor,  de  orthogr.  I.  p.  2456.  Varro  R.  R.  I, 
7,  10.  Cic.  Phil.  XI,  5,  11),  aed.  cur.  (J.  664  =  90;  Cic.  Brut.  89,  305. 
Ascon.  in  Scaur.  p.  24  Or.),  Q.,  tr.  mil.  bis,  Xvir  agr.  dand.  adtr.,  iud., 
pontif.  (nach  dem  elogium  im  C.  I.  lat.  1.  1.),  J.  667  mit  seinem  älteren 
Bruder  Lucius  (Cos.  664)  von  den  Marianern  erschlagen.  Cic.  Brut.  48, 
177:  festivitate  et  facetiis  C.  lulius  L.  f.  et  superioribus  et  aequalibus 
suis  Omnibus  praestitit,  oratorque  fuit  minume  ille  quidem  vehemens, 
sed  nemo  umquam  urbanitate,  nemo  lepore,  nemo  suavitate  conditior 
(vgl.  de  or.  II,  23,  98.  off.  I,  37,  133.  Tusc.  V,  19,  55).  sunt  eins  ali- 
quot orationes,  ex  quibus,  sicut  ex  eiusdem  tragoediis,  lenitas  eius  sine 
nervis  perspici  potest.  de  or.  III,  8,  30:  novam  quandam  rationem  attulit 
orationis.  .  .  res  .  .  tragicas  paene  comice,  tristes  remisse,  severas  hilare, 
forenses  scenica  prope  venustate  traotavit.  Ascon.  zu  Cic.  p.  Scaur.  p.  24 
Or.:   idem  inter  primos  temporis  sui  oratores  et  tragicus  poeta  bonus  ad- 


236  Siebentes  Jahrhundert  d.  St. 

zDodum  habitus  est.  huius  sunt  enim  tragoediae,  quae  inscribuntnr  luli. 
Von  letzteren  kennen  wir  die  Titel  Adrastus,  Teuthras,  Tecmessa;  Welcker, 
griech.  Trag.  S.  1398—1400.  Bibbeck  tragg.  p.  194.  Vgl.  oben  129,  3. 
Die  üeberreßte  seiner  Reden  bei  Meyer  p.  330  ff.  ed.  11.  Vgl,  C.  KraflPt  in 
Pauly's  Real-Enc.  IV.  S.  426,  Nr.  8. 

4.  C.  AureliuB  M.  f.  Cotta,  geboren  um  630  (Cic.  Brut.  88,  301), 
663—672  in  der  Verbannung,  Cos.  679,  t  680.  W.  Teuffei  in  Pauly's  Real- 
Enc.  I,  2.  S.  2164  f.  Nr.  10.  Cic.  Brut.  49,  182  f.:  aetate  inferiores  paulo 
quam  Julius,  sed  aequales  propemodum  fuerunt  C.  Cotta,  P.  Sulpicius, 
Q.  Varius,  Cn.  Pomponius  (ygl.  ib.  62,  221.  90,  308;  dagegen  de  or.  III, 
13,  60),  C.  Curio  (A.  6),  C.  Carbo  (Prator  669,  t  672;  Brut.  62,  221),  L. 
FufiuB  (Brut.  222),  M.  Drusus  (ib.),  P.  Antistius  (ib.  226  f.).  .  .  ex  bis  Cotta 
et  Sulpicius  cum  meo  iudicio  tum  omnium  facile  primas  tulerunt.  Vgl.  de 
or.  I,  8,  30.  orat.  56,  204.  Ascon.  in  Comel.  p.  66  Or.  Cic.  Brut.  55,  202: 
inveniebat  acute  Cotta,  dicebat  pure  ac  solute.  .  .  nihil  erat  in  eins  ora- 
tione  nisi  sincerum,  nihil  nisi  siccum  atque  sanum.  Vgl.  92,  317  (remissus 
et  lenis  et  propriis  yerbis  comprehendens  solute  et  facile  sententiam).  orat. 
30,  106,  de  or.  II,  23,  98.  III,  8,  31.  Zu  dieser  yerständigen  Weise  stimmte 
CS  auch  dass  er  Interesse  für  die  Philosophie  hatte  und  sich  an  die  neue 
Akademie  (und  Antiochos)  anschloss;  s.  Cic.  de  deor.  nat.  I,  7,  16.  II,  1,  1. 
de  divin.  I,  5,  8.  Veröffentlicht  hat  er  keine  Beden  (orat.  38,  132).  Cottae 
pro  se  lege  Varia  ]quae  inscribitur,  eam  L.  Aelius  (oben  147,  1)  scripsit 
Cottae  rogatu,  Brut.  66,  205  vgl.  207:  Cottam  miror,  summum  ipsum  ora- 
torem  minumeque  ineptum,  Aelianas  levis  oratiunculas  voluisse  existumari 
suas.  Sallust  (Eist.)  legt  ihm  eine  oratio  ad  populum  rom.  in  den  Mund. 
Sammlung  der  Nachrichten  über  ihn  und  seine  Beden  bei  Meyer,  oratt. 
p.  339—343  ed.  II. 

5.  P.  Sulpicius  Bufu 8,  Altersgenosse  des  Vorigen,  etwa  633  geboren, 
al8  Volkstribun  J.  666  von  den  Sullanern  geächtet  und  getödtet;  b. 
A.  Haakh  in  Pauly's  Real-Enc.  VI,  2.  S.  1496  f.  Nr.  35.  Cic.  Brut.  55,  203: 
fuit  Sulpicius  yel  maxime  omnium  quos  quidem  ego  audiverim  grandis  et, 
ut  ita  dicam,  tragicus  orator.  yox  cum  magna  tum  suavis  et  splcndida; 
gestus  et  motus  corporis  venustus;  .  .  incitata  et  volubilis,  nee  ea  redun- 
dans  tamen  et  circumfluens  oratio.  Crassum  hie  volebat  imitari,  Cotta 
malebat  Antonium  (nach  Cicero's  Schilderung  der  Redeweise  Beider  mQchte 
man  diess  eher  umkehren);  sed  ab  hoc  vis  aberat  Antoni,  Crassi  ab  illo 
lepos.  Vgl.  de  or.  I,  29,  131.  II,  21,  88.  23,  96.  III,  8,  31.  de  harusp.  resp. 
19,  41.  Brut.  56,  205  (vgl.  orat.  38,  132):  Sulpici  orationes  quae  feruntur, 
eas  post  mortem  eins  scripsisse  P.  Canutius  putatur.  ipsius  Sulpici  nuUa 
oratio  est,  saepeque  ex  eo  audivi  cum  se  scribere  neque  consuesse  neque 
posse  diceret. 

6.  Cic.  Brut.  57,  207:  bis  duobus  (Cotta  und  Sulpicius)  eiusdem  aetatis 
annumerabatur  nemo  tertius,  sed  mihi  placebat  (Cn.)  Pomponius  (s.  A.  4) 
maxume,  vel  dicam,  minume  displicebat.  58,  210:  erant  tamen  quibus 
videretur  illius  aetatis  tertius  Curio,  quia  splendidioribus  fortasse  verbis 
utebatur  et  quia  latine  non  pensime  loquebatur,  ubu,  credo,  aliquo  dorne- 
stico.     nam  litterarum  admodum  nihil  sciebat.    Vgl.  59,  213.    Volkstribun 


160  f.  Redner  der  J.  650—670 :  Cotta,  P.  Sulpicius  u.  A.  237 

war  dieser  C.  ScriboniuB  664,  Gonsnl  678,  und  starb  701;  s.  A.  Haakh 
in  Pauly'ß  Real-Enc.  VI,  1.  S.  879  f.  Nr.  11.  Er  war  ein  erbitterter 
Feind  des  Caesar  (Suet.  Caes.  9.  49.  50.  52)  und  verfaeste  gegen  ihn  eine 
politische  Streitschrift  in  dialogischer  Form;  s.  Cic.  Brut.  60,  218  f. 
Auch  war  er  Pontifex  maximus;  daher  Varro's  Logistoricus  Curio  de 
cultu  deorum. 

7.  Cic.  Brut.  47,  174:  horum  (Antonius,  Crassus,  Philippus)  aetati  prope 
coniunctus  L.  Gellius  .  .  nee  erat  indoctus  .  .  nee  romanarum  rerum 
immemor  et  verbis  solutus  satis.  sed  in  magnos  oratores  inciderat  eins 
aetas.  .  .  ita  diu  vizit  (etwa  J.  615 — 700  d.  St.)  ut  multarum  aetatum 
oratoribus  impUcaretur.  Vgl.  ib.  27,  105  (familiaris  noster  L.  Gellius). 
Consul  war  er  682,  Censor  684  d.  St.  Vgl.  A.  Haakh  in  Pauly^s  Real- 
Enc.  III.  S.  662  f. 

8.  Ausser  den  Grenannten  erwähnt  Cicero  im  Brutus  noch  eine  grosse 
Anzahl  von  Solchen  welche  Reden  hielten  (qui  tantum  in  dicentium  numero, 
non  in  oratorum,  fuerunt,  s.  47,  176)  oder  gar  nur  clamatores  (49,  182) 
waren.  Er  konnte  hiebei  nahezu  Jeden  aufführen  welchen  die  Magistrats- 
yerzeichnisse  enthalten,  kümmert  sich  aber  ziemlich  wenig  um  die  chrono- 
logische Ordnung,  sondern  schüttet  ab  und  zu  einen  Sack  voll  Namen 
mit  magerer  Charakteristik  aus,  wie  165  f.  168  f.  175.  178 — 180.  Noch 
am  ehesten  erwähnenswerth  sind  die  welche  in  dieser  Zeit  apud  socios  et 
Latinos  oratores  habiti  sunt  (46,  169),  nämlich  Q.  Yettius  Yettianus  e  Mar- 
sis,  Q.  und  D.  Yalerii  Sorani,  die  Söhne  des  oben  184,  1  Besprochenen, 
C.  Rusticelius  Bononiensis,  und  besonders  omnium  eloquentissimus  extra 
haue  urbem  T.  Betutius  Barrus  Asculanus,  cuius  sunt  aliquot  orationes 
Asculi  habitae  et  illa  Romae  contra  Caepionem  nobilis  sane,  cui  orationi 
Caepionis  ore  respondit  Aelius  (oben  147,  1),  Brut.  46,  169.  Ib.  89,  304 
heissen  oratores  non  illi  quidem  principes  L.  Memmius  (ygl.  ib.  36,  136. 
70,  247)  et  Q.  Pompeius,  sed  oratores  tamen.  Letzterer,  Q.  Pompeius 
Rufus  (Cos.  666),  etiam  ipse  scripsit  eas  (orationes)  quibus  pro  se  est  usus, 
sed  non  sine  Aelio  (ib.  56,  206). 

151«  Nächst  der  Beredtsamkeit  entfaltete  die  mit  ihr  un-i4l 
mittelbar  zusammenhängende  Rechtsgelehrsamkeit  in  dieser 
Zeit  das  meiste  Leben.  Sie  hatte  einen  glänzenden  Vertreter 
an  dem  Pontifex  Q.  Scaevola  (Cos.  659),  einer  der  wohlthuend- 
sten  Gestalten  des  Römerthums,  ebenso  gründlich  wie  vielseitig 
gebildet  und  freisinnig,  ein  Ideal  yon  einem  Manne  des  Rechts, 
dem  er  sein  Leben  weihte  als  Sachwalter,  Rathgeber,  Lehrer 
und  Schriftsteller;  der  Erste  welcher  eine  systematische  Bear- 
beitung der  Rechtswissenschaft;  unternahm,  die  allen  Nachfolgern 
als  Grundlage  diente,  und  dabei  frei  von  aller  Pedanterie,  rede- 
gewandt und  ein  Charakter  von  unbeugsamer  Rechtlichkeit  und 
ungetrübter  Lauterkeit.  Neben  seinen  Schriften  lebte  er  auch 
durch  zahlreiche  Schüler  fort,  unter  denen  die  hervorragendsten 


238  Siebentes  Jahrhundert  d.  St. 

waren  Lucilius  BaJbus  und  Aquilius  Gallus.  Neben  ihm  wirkten 
als  Juristen  besonders  Sex.  Pompejus^  Aeuleo  und  Q.  Cornelius 
Maximus. 

1.  Q.  MnciuB  P.  f.  (Sohn  des  oben  139,  4  Besprochenen)  P.  n.  Scae- 
Yola,  Freund  des  Redners  L.  Crassus  (oben  149,  3  f.)  und  sein  College  in 
allen  Aemtem  (z.  B.  dem  Consulat  659),  ausser  der  Censur  und  dem  Yolks- 
tribunat,  von  den  Marianern  ermordet  672;  vgl.  S.  W.  Zimmern,  Gesch. 
d.  röm.  Priyatrechts  I,  1.  S.  284—287.  W.  Teuffei  in  Pauly's  Real-Enc.  V. 
S.  184 — 187,  Kr.  11.  Von  seinem  gleichnamigen  Oheim  (oben  144,  3)  unter- 
schieden durch  die  Bezeichnung  als  pontifex  maximus,  z.  B.  Ascon.  p.  67 
Or.:  significat  Q.  Mucium  Scae^olam  pontificem  maz.  eundemque  et  ora- 
torem  et  iurisconsultum.  L.  Crassus  nennt  ihn  bei  Cic.  de  or.  I,  39,  180: 
aequalis  et  collega  mens,  homo  omnium  et  disciplina  iuris  civilis  eruditis- 
simus  et  ingenio  prudentiaque  acutissimus  et  oratione  maxime  limatus  .  . 
atque,  ut  ego  soleo  dicere,  iuris  peritorum  eloquentissimus,  eloquentium 
iuris  peritissimus.  Seine  Redeweise  zeichnete  sich  aus  durch  Klarheit, 
Eleganz  und  Bündigkeit  des  Ausdruckes;  s.  Cic.  de  or.  I,  63,  229.  Brut. 
39,  145.  40,  148.  44,  163  (Scaevolae  dicendi  elegantiam  satis  ex  iis  oratio- 
nibus  quas  reliquit  habemus  cognitam).  Wie  an  den  Stellen  wo  ein  Scae- 
vola  kurzweg  und  fast  sprüchwörtlich  genannt  ist  (wie  bei  Hör.  Ep.  II,  2, 89) 
vorzugsweise  an  ihn  als  den  berühmtesten  Träger  dieses  Namens  zu  den- 
ken sein  wird,  so  könnte  er  auch  der  von  Quintil.  XI,  2,  38  wegen  seiner 
Gedächtnissstärke  erwähnte  Scaevola  sein.  Sein  Interesse  für  Systematisier 
rung  des  ins  civile,  zumal  die  Schrift  nsgl  oqodv  (A.  2.  g.  E.),  macht 
glaublich  dass  er  zur  Stoa  bielt  und  dass  er  daher  wirklich  der  doctissimus 
pontifex  (maximus)  Scaevola  ist  von  welchem  Augustin.  de  civ.  dei  lY,  27 
(nach  Varro)  die  stoische  Dreitheilung  der  Götterlehre  (Götter  der  Dichter, 
der  Philosophen,  der  Staatsmänner)  und  sehr  aufgeklärte  Aeusserungen 
über  die  Yolksreligion  anführt;  s.  E.  Zeller,  die  Philosophie  bei  den 
Römern  (1866),  S.  32 — 36,  wo  nur  nicht  aus  der  Ungefährlichkeit  solcher 
Aeusserungen  abgeleitet  sein  sollte  was  vielmehr  Ausfluss  der  allezeit  be- 
währten Offenheit  und  Charakterfestigkeit  des  Scaevola  war. 

2.  Pompon.  Dig.  I,  2,  2,  41:  Q.  Mucius,  P.  f.,  pontifex  maximus,  ins 
civile  primus  constituit,  generatim  in  libros  XVIII  redigendo.  Vgl.  Gell. 
VI  (VII),  16,  2 :  Q.  Scaevola  in  librorum  quos  de  iure  civili  composuit  XVP. 
„Zum  ersten  Mal  erschien  hier  ein  umfassendes,  einheitliches  und  geglie- 
dertes System  anstatt  der  früheren  Gesetzesinterpretation  und  Casuistik, 
der  Gutachten  und  PräJudicien."  A.  F.  Rudorff,  röm.  Rechtsgeschichte  I. 
S.  161.  Es  war  getragen  von  dem  specifisch  römischen  Grundgedanken 
des  freien  Verfügungsrechtes,  letztwillig  und  unter  Lebenden  (uti  legassit 
super  familia  tutelave,  ita  ins  esto,  Dig.  L,  16,  120  vgl.  122.  Gell.  IV,  1,  17. 
Dig.  XXXm,  9,  3  pr.  XXXIV,  2,  27  pr.),  woran  sich  die  Verpflichtung 
Anderer  aus  Verletzungen  und  Verträgen  (Gell.  VI  (VII),  16,  2.  Dig.  XVÜ, 
2,  30.  XLVn,  2,  76,  1),  sowie  die  Rechtsverfolgung  (Dig.  XIX,  6,  11)  an- 
schloss;  s.  Rudorff  a.  a.  0.  S.  161  f.  An  dieses  Werk  lehnte  sich  die 
Rechtsschriftstellerei  der  nächsten  Zeit  an,  ergänzend,  weiterbildend  und 
berichtigend.    Vgl.  oben  47,  5.   So  schrieb  Ser.  Sulpicius  Notata  Mncii  (Dig. 


k. 


151  f.  Rechtsgelehrte  d.  J.  650—670:  Q.  Scaevola  Pontifex  u.  A.      239 

XVII,  2,  30  vgl.  Gell.  IV,  1,  20:  in  reprehensis  Scaevolae  capitibus.  Gaj.  Inst. 
I,  188.  III,  149),  Laelius  Felix  Ad  Q.  Mucimn  (Gell.  XV,  27,  1.  4),  Gajua  (I, 
188)  Ex  Q.  Mucio,  und  Sex.  Pomponins  (nach  Hadrian,  s.  Dig.  VII,  8,  22)  Ad 
Q.  Mucium  lectionom  libn  XXXIX,  welches  letztere  Werk  in  den  Pandek- 
ten statt  des  Q.  Mucius  selbst  sehr  häufig  excerpiert  und  wohl  auch  Dig. 
XLI,  1,  53  f.  gemeint  ist  (Zimmern  a.  a.  0.  S.  287,  A.  28).  Ausser  diesem 
Hauptwerke  yerfasste  Scaevola  ein  Compendium,  über  singularis  "ÖQcav 
(definitionum) ,  welches  in  den  Pandekten  viermal  angeführt  ist  (Dig.  XLI, 

1,  64.  XLIII,  20,  8.  L,  16,  241.  17,  73;  vgl.  XXXV,  1,  7  pr.  Muciana  cautio), 
als  das  älteste  dorthin  übergegangene  Werk. 

3.  Pompon.'  Dig.  I,  2,  2,  42:  Mucii  auditores  fuerunt  complures,  sed 
praecipuae  auctoritatis  Aquilius  Gallus,  Baibus  Lucilius,  Sex.  Papirius, 
G.  Inventius.  .  .  omnes  tarnen  hi  a  Ser.  Sulpicio  nominantur^  alioquin  per 
se  eorum  scripta  non  talia  exstant  ut  ea  omnes  appetaut;  denique  nee  ver- 
santur  omnino  scripta  eorum  inter  manus  hominum,  sed  Servius  (iis)  libros 
suos  complevit.  Unter  diesen  gehört  sicher  Gallus  (unten  171,  1)  der  cicero- 
nischen  Zeit  an,  wie  Cicero  selbst  auch  eine  Zeit  lang  Zuhörer  bei  den 
responsa  dieses  Q.  Scaevola  war  (Lael.  1,  1).  Sex.  Papirius  und  G.  Inven- 
tius sind  sonst  nicht  bekannt,  wohl  aber  wird  bei  Cic.  Brut.  48,  178  einem 
T.  luventius  zwar  Trockenheit  als  Redner,  dabei  jedoch  magna  iuris  civilis 
intellegentia  zugeschrieben.  L.  LuciHus  Baibus,  doctus  et  eruditus  homo 
von  bedächtlicher  Langsamkeit  (Cic.  Brut.  42,  154),  war  der  frühere  Lehrer 
des  Ser.  Sulpicius  (unten  171,  2).    ^^u^.  )t  Ct^^  f'U  '^ö 

4.  Juristen  neben  Scaevola  waren,  ausser  Antipater  (oben  142,  5), 
Q.  Tubero  (oben  144,  2)  und  Rutilius  Bufus  (146,  2),  auch  Q.  Lucretius 
Vfspillo  (in  privatis  causis  et  acutus  et  iurisperitus,  Cic.  Brut.  48,  178)  und 
Paulus  (Pompon.  1.  1.  40;  richtiger  nach  Cic.  Lael.  27,  101  Aulus)  Ver- 
ginius,  sowie  Volcatius,  der  Lehrer  des  A.  CascelUus  (Plin.  N.  H.  VIII, 
40,  61),  und  wohl  auch  C.  Sextius  Calvinus  (oben  145,  7),  Pontidius  (Cic. 
de  or.  II,  68,  276),  sowie  M.  Buculeius  (ib.  I,  39,  179). 

5.  Sex.  Pompeius,    Cnei   Pompei  (Magni)  patmus  (Pompon.  Dig.  I, 

2,  2,  40);  praestantissimum  ingenium  contulerat  ad  summam  iuris  civilis 
et  ad  perfectam  geometriae  et  rerum  stoicarum  scientiam  (Cic.  Brut.  47, 175 
vgl.  de  or.  I,  15,  67.  TII,  21,  78.   off.  I,  6,  19). 

6.  Der  römische  Ritter  C.  (Visellius)  Aculeo,  der  Freund  des  Redners 
L.  Craasus  (Cic.  de  or.  II,  1,  2),  nach  Cic.  de  or.  I,  43,  191  ita  tenens  ius 
civile  ut  ei  (ausser  Q.  Scaevola)  nemo  de  iis  qui  peritissimi  sunt  antepo- 
natur,  und  (Brut.  76,  264)  seine  Rechtskenntniss  auf  seinen  Sohn  C.  Visel- 
lius Varro  vererbend. 

7.  Q.  Cornelius  Maximus,  mu:  bekannt  als  der  Lehrer  des  Trebatius 
Testa  (s.  d.),  und  Cic.  ad  Fam.  VII,  17,  3  (idem  Q.  Cornelio  videbatur, 
vgl.  ib.  8,  2).  Vgl.  auch  Gaj.  Inst.  I,  136  (Maximus).  Dig.  XXXIII,  7,  16,  1 
(CoAelius). 

162.    Unter    den    Annalisten     dieser    Jahrzehnte    maehtei42 
Q.  Claudius  Quadrigarius   den  Fortschritt  seine  römische  Ge- 


240  Siebentes  Jahrhundert  d.  St. 

schichte  erst  mit  dem  gallischen  Brande  zu  beginnen^  unter- 
scheidet sich  aber  im  üebrigen  wenig  von  Valerius  Antias, 
welcher  mit  seinem  sehr  ausführlichen  Werke  der  bedeutendste 
unmittelbare  Vorgänger  des  livius  ist,  jedoch  in  seinen  aben- 
teuerlichen Ausmalungen  und  ungeheuerlichen  Zahlangaben,  sowie 
dem  Bestreben  seine  gens  zu  verherrlichen,  zugleich  ein  bezeich- 
nender Vertreter  der  jüngeren  Annalistik.  Archaistisch  scheint 
dessen  Darstellung  nicht  gewesen  zu  sein. 

1.  Yellej.  Uy  9,  6:  aeqaalis  Sisennae  Rutilius  (oben  146,  If.)  Claudinsque 
QuadrigariuB  et  Yalerins  Antias.  Person  des  Gl.  unbekannt.  Identisch 
mit  dem  üebersetzer  des  Acilius?  s.  oben  126,  1.  Als  Titel  seines  Werkes 
ist  Annales  durch  GeUius  verbürgt.  Die  höchste  uns  bekannte  Buchzahl 
ist  Q.  Claudius  in  XXIII  annali  bei  Gell.  X,  13,  4.  Dass  schon  das  erste 
Buch  von  der  Eroberung  Borns  durch  die  Gallier  handelte  zeigen  dessen 
Ueberreste;  der  hierdurch  entstandene  Schein  von  historischer  Kritik  wird 
aber  dadurch  wieder  zerstört  dass  auch  Gl.  bei  Schlachtberichten  auf 
feindlicher  Seite  ungeheure  Verlustzahlen  angab  (Liv.  XXXIIl,  10,  9. 
XXXVm,  28,  8.  Oros.  V,  20)  und  sachlich  (Rhetorik)  auch  sonst  sich  von 
seinen  Vorgängern  wenig  unterschied.  Nach  sonstiger  Analogie  wird  er 
sein  Werk  bis  auf  seine  Zeit  fortgeführt  haben;  in  B.  XIX  kam  Sulla's 
Krieg  gegen  Archelaos  und  Marius*  siebentes  Consulat  (J.  667)  vor.  Spä- 
teste sichere  Angabe  aus  J.  672  bei  Oros.  Y,  20  (Claudius  historicus).  Da 
das  dritte  Buch  bereits  den  ersten  punischen  Ejrieg  erzählte,  so  muss  die 
Behandlung  des  Stoffes  sehr  ungleichmässig  gewesen  sein:  Anfangs  ganz 
übersichtlich,  in  zunehmender  Breite  je  näher  der  Verfasser  seiner  eigenen 
Zeit  kam,  so  dass  er  auch  Beden  und  sicher  (Gell.  I,  7,  9.  III,  8,  8)  ganze 
Briefe  seiner  Erzählung  einverleibte.  Auch  im  Einzelnen  war  die  Dar- 
stellung umständlich  und  schlug  öfters  (z.  B.  Gell.  X,  13,  4)  einen  räson- 
nierenden  Ton  an.  Die  Sprache  war  archaistisch  trocken,  ohne  Satebau, 
und  daher  sehr  nach  dem  Greschmacke  der  Zeit  des  Fronto;  s.  Fronto  bei 
Gell.  XUI,  29  (28),  2  und  Epist.  p.  114,  3  f.  N.:  historiam  scripsere  .  . 
Claudius  lepide,  Antias  invenuste,  Sisenna  longinque.  Gell.  XV,  1,  4: 
Q.  Claudi,  optumi  et  sincerissimi  scriptoris;  IX,  13,  4:  Q.  Claudius  .  . 
purissime  atque  inlustrissime  simplicique  et  incompta  orationis  antiquae 
suavitate  descripsit.  Cicero  und  Dionys.  Hai.  erwähnen  ihn  nicht;  Livius 
nennt  ihn  zehnmal,  immer  kurzweg  Claudius  und  theilweise  gegen  ihn 
polemisierend.  Er  scheint  ihn  besonders  in  der  zweiten  Hälfte  der  ersten 
Dekade  neben  Yal.  Ant.  verglichen  zu  haben.  Die  meisten  ueberreste  ver- 
danken wir  dem  GeUius.  Sammlung  derselben  bei  Krause  p.  249 — 266, 
Roth  p,  339—361,  H.  Peter,  im  Progr.  von  Frankfurt  a.  d.  0.  1868. 
33  pp.  4.  und  bist.  I.  p.  205—236.  Vgl.  Plüss  in  Fleckeisens  Jahrbb.  103, 
S.  66 — 68.  üeber  Claudius  s.  Giesebrecht,  über  Q.  Cl.  Quadr.,  Prenzlau 
1831.  4.  Krause  p.  243 — 249.  Kieserling,  de  rer.  script.  p.  43 — 46.  Nvsen, 
krit.  Unters.  S.  39—41.    H.  Peter  hist.  I.  p.  CCLXXXVH— CCXCVÜ. 

2.  Valerius  Antias  (wohl  Nachkomme  des  L.  Valerius  Antias  bei 
Liv.  XXni,  34,  9),  Verfasser  eines  bald  Annales  bald  Historiae  (oder  Hi- 


152.  Annalisten  der  J.  650 — 670:  Quadrigarius,  Valerius  Antias.     241 

storia)  genannten  Geschichtswerkcß  von  mindestens  75  Büchern  (B.  LXXV 
citiert  Gell.  VI  (VIl),  9,  17;  B.  LXXIV  Priscian.  IX,  53.  p.  872  P.  =  489, 
6  ntz.),  das  mit  der  Urzeit  Eoms  begann  (Gell.  VII  (VI),  7,  6;  erst  das 
zweite  Bnch  handelte  von  Numa,  das  22ste  von  der  sponsio  des  Ti.  Gracchus) 
und  bis  in  die  sullanische  Zeit  herabreichte  (er  hatte  noch  von  den  Erben 
des  J.  663  gestorbenen  Redners  L.  Crassus  gesprochen,  PHn.  N.  H.  XXXIV, 
3,  14).  Dionys.  Hai.  nennt  ihn  II,  13  und  I,  7  (s.  oben  37,  6)  unter  den 
inaivovfisvoi  der  rOm.  Geschichtschreiber  und  hat  aus  ihm  Vieles  was  zur 
Verherrlichung  von  Valerii  dient,  bes.  bei  den  ersten  Sabinerkriegen ; 
A.  Kiessling,  de  Dionys.  Hai.  auct.  p.  20—29.  Auch  Plutarchs  Poplic.  scheint 
vorzugsweise  aus  ihm  geschöpft  zu  sein;  H.  Peter,  die  Quellen  Plut.  S.  45 — 51 
und  bist.  I.  p.  CCCXVin  ff. 

3.  Den  Val.  Ant.  kennen  wir  besonders  durch  Livius,  der  ihn  häufiger 
nennt  als  irgend  einen  Vorgänger  (in  den  erhaltenen  Büchern  35  Mal)  und 
den  Rahmen  seines  Werkes  von  ihm  entnommen  zu  haben  scheint.  In 
den  ersten  Dekaden  folgt  er  ihm  arglos  nnd  gibt  daher  nicht  blos  dessen 
kolossale  Bürgerzahlen  (bei  den  lustra)  sondern  spricht  auch  Vü,  36, 13  gutes 
Mutes  von  30000  Erschlagenen,  ib.  37,  16  von  ad  quadraginta  milia  scu- 
torum;  IX,  27,  14  ad  triginta  milia  caesa  aut  capta;  ib.  43,  17  tnginta 
milibus  hosüum  caesis;  ib.  37,  11  gar  caesa  aut  capta  eo  die  hostium 
milia  ad  sexaginta  u.  s.  w.  Nur  HI,  5,  12  die  schüchterne  Bemerkung: 
difBcile  ad  fidem  est,  in  tarn  antiqua  re,  quot  pugnaverint  ceciderintve 
exacto  adfirmare  numero;  audet  tamen  Antias  Valerius  concipere  summas. 
Vgl.  ib.  8,  10.  In  den  helleren  historischen  Zeiten  aber,  wo  er  auch 
bessere  Quellen  hat  (wie  Polybios),  entdeckt  Liv.  die  Unzuverlässigkeit 
und  Aufschneiderei  seines  bisher  fast  blind  befolgten  Gewährsmannes  und 
tadelt  ihn  nun  mit  um  so  grösserer  Bitterkeit  je  weniger  die  im  Früheren 
durch  Antias  veranlassten  Irrthümer  gut  gemacht  werden  konnten,  da  die 
betr.  Bücher  (Dekaden)  schon  veröffentlicht  waren.  Vgl.  XXVI,  49,  3: 
scorpiones  maiores  minoresque  ad  LX  captos  scripserim  si  auctorem  grae- 
cum  sequar  Silenum,  si  Valerium  Antiatem,  maiorum  scorpionum  sex  milia, 
minorum  tredecün:  adeo  nullus  mentiendi  modus  est.  XXX,  19,  11:  Va- 
lerius Antias  quinque  milia  hostium  caesa  ait.  quae  tanta  res  est  ut  ant 
impudenter  ficta  sit  (von  Antias)  aut  neglegenter  (von  Andern)  praeter- 
missa.  XXXVI,  38,  6:  duodetriginta  milia  hostium  caesa  Antias  Valerius 
scribit,  capta  tria  milia  et  quadringentos ,  signa  militaria  CXXFV,  equos 
MCCXXX  .  .  ubi  nt  in  numero  scriptori  parum  fidei  sit,  quia  in  augendo 
eo  non  alius  intemperantior  est,  magnam  victoriam  fuisse  adparet.  XXXIII, 
10,  8:  si  Valerio  quis  credat,  omnium  rerum  immodice  numerum  augenti, 
quadraginta  milia  hostium  eo  die  sunt  caesa,  capta,  ubi  modestius  men- 
dacium  est,  quinque  milia  septingenti.  XXX VUI,  23,  8:  Valerius  Antias, 
qui  magis  (als  Claudius)  immodicus  in  numero  augendo  esse  solet.  Vgl. 
'  auch  XXXIX,  43,  1 :  Valerius  Antias,  ut  qui  nee  Catonis  orationem  legisset 
et  fabulae  tantum  sine  auctore  editae  credidisset.  Wenn  daher  für  eine 
Angabe  Valerius  der  einzige  Gewährsmann  ist  fügt  Livius  häufig  si  Valerio 
credamus  (credas)  bei  (XXXVI,  19,  12.  XXXIX,  41,  6.  XLIV,  13,  12)  oder 
nennt  nur  den  Gewährsmann  (XXXVHI,  60,  6.  XXXIX,  22,  9.  66,  7),  theil- 
weise   unter  ausdrücklicher  Verwahrung,    wie  XXXVII,  48,  1  ff.   (Valerius 

TBvrFXL,  Röiu.  Literaturgeschichte.    2.  Aafl.  16 


242  Siebentes  Jahrhundert  d.  St. 

Antias  auctor  est  rumorem  celebrem  Romae  fuisse.  .  .  nimoris  huius  quia 
neminem  alium  auctorem  habeo,  neque  adfirmata  tes  mea  opinione  sit  nee 
pro  vana  praetermissa)  und  XLV,  43,  8  (HS  ducenties  ex  ea  praeda  re- 
dactum  esse  auctor  est  Antias.  .  .  qnod  quia  nnde  redigi  potuerit  non 
apparebat  auctorem  pro  re  posui).  In  der  That  geht  bei  Valerius  die 
Zahlenluge  ins  Absurde:  40000  Feinde  und  darüber  in  einer  Schlacht  er- 
schlagen  zu  lassen  ist  ihm  ganz  geläufig  (Liv.  XXXIII,  10,  8.  36,  13. 
XXXIV,  15,  9.  XXXVI,  19,  12.  Oros.  IV,  20).  Bei  Tolosa  aber  Hess  er, 
sich  selbst  überbietend,  gar  octoginta  milia  Bomanorum  sociorumque, 
.  .  quadraginta  milia  calonum  atque  lixarum  getödtet  werden  (Oros.  V,  16). 
Dass  diess  uiid  andere  Ausmalungen  von  ihm  einfach  erdichtet  wurde 
erhellt  auch  daraus  dass  er  mit  seinen  Angaben  sehr  häufig  ganz  allein 
stand;  8.  Gell.  VI  (Vn),  19,  8:  Valerius  Antias  contra  decretorum  memoriam 
contraque  auctoritates  veterum  annalium  dixit.  Vgl.  ib.  8,  6.  Liv.  XXXII, 
6,  5:  Valerius  Antias  tradit  .  .  XII  milia  hostium  eo  proelio  caesa  u.  s.  w. 
ceteri  graeci  latinique  auctores  .  .  nihil  memorabile  actum  .  .  tradunt. 

4.  Unglückliche  Versuche  den  Antias  zu  vertheidigen  bei  Krause 
p.  269  ff.  und  Liebaldt  p.  12  ff.  Sammlung  der  Ueberreste  bei  Krause 
p.  272—288,  Roth  p.  361—363  und  H.  Peter  bist.  I.  p.  237—276;  über  ihn 
s.  Liebaldt,  de  Valerie  Antiate  annalium  scriptore,  Naumburg  1840.  22  pp.  4. 
Schwegler  R.  6.  I.  S.  90—92.  Nissen,  krit.  Untersuchungen.  S.  43—46. 
Kieserling,  de  scriptoribus  p.  46 — 49.  H.  Peter,  bist.  I.  p.  CCCV— CCCXXII. 

143  163.  L.  Cornelius  Sisenna  (J.  635 — 687)  verfasste  neben 
anderen  Schriften  insbesondere  eine  Geschichte  seiner  Zeit  in 
geschraubt  alterthümelndem  Stile,  wogegen  dessen  Freund  C.  Li- 
cinius  Macer  wieder  auf  die  ältesten  Zeiten  zurückgieng  und 
deren  Darstellung  in  Folge  fleissiger  Quellenforschung  manch- 
fach  berichtigte,  dabei  aber  zugleich  der  Rhetorik  und  wohl 
auch  der  Vorliebe  für  seine  gens  zu  viel  Einfluss  gestattete. 

1.  Sisenna  muss  um  636  geboren  sein  (Roth,  Sis.  vita  p.  4—10),  war 
Prätor  676  (SC.  de  Asclepiade  im  C.  I.  lat.  I.  p.  110  f.:  Cos.  Q.  Lutatio 
Q.  f.  Catulo  et  M.  Aemilio  .  .  Lepido,  pr.  urbano  et  inter  peregrinos  L.  Cor- 
nelio  .  .  f.  Sisenna,  vgl.  Cic.  Comel.  I,  18  mit  Ascon.  p.  74  Or.)  und  starb 
687  auf  Kreta  als  Legat  des  Pompejus  im  Seeräuberkriege  (Dio  XXXVI,  1  Koq- 
vriXiog  Ztaivvagy  ygl.  Appian.  Mithr.  96  Aiwutos  £iüiwäg).  C.  L.  Roth,  L.  Cor- 
nelii  Sisennae . .  vita,  Basel  1834.  4.  H.  Peter  bist.  I.  p.  CCCXXIII— CCCXXVÜI. 

2.  Vellej.  II,  9,  6:  historiarum  auctor  iam  tum  (ums  J.  646  d.  St.) 
Sisenna  erat  iuvenis;  sed  opus  belli  civilis  (=»  socialis?  A.  Riese  S.  54  f.) 
SuUanique  post  aliquot  annos  ab  eo  seniore  editum  est  (also  wohl  nicht 
vor  J.  680).  Cic.  Brut.  64,  228:  inferioris  aetatis  (als  P.  Antistius)  erat  ' 
prozimus  L.  Sisenna,  doctus  vir  et  studiis  optumis  deditus,  bene  latine 
loquens  (dagegen  74,  269  f.:  Sisenna  quasi  emendator  sermonis  usitati  cum 
esse  vellet  non  .  .  deterreri   potuit   quo  minus   inusitatis   verbis   uteretur. 

.  .  ille  familiaris  mens  recte  loqui  putabat   esse   inusitate   loqui),   gnarus 
reip.,  non  sine  facetiis,  sed  neque  laboris  multi  nee  satis  versatus  in  causis 


153.  Cornelius  Sisenna.  243 

(doch  vertheidigte  er  den  C.  Rutilius  nach  Brut.  260,  und  J.  684  den  VerreB, 
8.  Cic.  Verr.  Acc.  II,  4ö,  110.  IV,  20,  43  vgl.  ib.  16,  33;  Letzteren  gemein- 
sam mit  Hortensins,  mit  dem  er  auch  sonst  befreundet  war,  Sen.  Controv.  I. 
prooem.  19  und  unten  154,  2);  interiectusque  inter  duas  aetates  Hortensi 
et  Sulpici  nee  maiorem  consequi  poterat  et  minori  necesse  erat  cedere. 
httius  omnis  facultas  ex  historia  ipsius  perspici  potest;  quae  cum  facile 
omnis  vincat  superiores  (?),  tum  indicat  tamen  quantum  absit  a  summo 
quamque  genus  hoc  scriptionis  nondum  sit  satis  latinis  litteris  illustratum. 
Leg.  I,  2,  7:  Sisenna,  eins  (des  Macer)  amicus,  omnes  adhuc  nostros  scri- 
ptores  .  .  facile  superavit.  is  tamen  neque  orator  .  .  umquam  est  habitus 
et  in  historia  puerile  quoddam  consectatur,  ut  unum  Clitarchum  neque 
praeterea  quemquam  de  Graecis  legisse  videatur.  Diese  Vergleich  ung  mit 
einem  der  abenteuerlichen  Geschichtschreiber  Alexanders  d.  Gr.  kann  nicht 
wohl  treifend  sein  wenn  der  Fachmann  Sallust  Recht  hat,  lug.  95,  2:  L. 
Sisenna  optume  et  diligentissime  omnium  qui  eas  (Sullae)  res  dixere  per- 
secutus  parum  mihi  libero  ore  locutus  yidetur. 

3.  Für  die  Anlage  des  Werkes  von  Sisenna  bezeichnend  ist  die  Aeus- 
senmg  (bei  Gell.  XII^  15,  2):  nos  una  aestate  in  Asia  et  Graecia  gesta 
litteris  idcirco  continentia  mandavimus  ne  vellicatim  aut  saltuatim  scri- 
bendo  lectorum  animos  impediremus.  Titel  Historiae.  Umfang  jedenfalls 
12  Bücher;  über  diese  Zahl  nur  ein  vereinzeltes  Citat  bei  Non.  p.  468,  10: 
Sisenna  Eist.  lib.  XXIII  (aus  J.  672  d.  St.?)^  statt  dessen  XIIII,  von  Riese 
S.  63  XVIIl  vorgeschlagen  worden  ist.  Doch  ist  auch  aus  B.  9  u.  12  nur 
je  ein  Citat  bekannt.  Ueber  das  Jahr  663  zurück  weisen  nur  einige  Frag- 
mente welche  über  die  Urzeit  (Aeneas  u.  s.  w.)  handeln  (Serv.  Aen.  I,  108. 
242.  XI,  316)  und  wahrscheinlich  aus  einem  Frooemium  (in  der  Weise  des 
Sallust)  stammen.  Denn  die  Annahme  einer  eigenen  Schrift  des  Sisenna 
über  die  Gründung  Roms  (wegen  Non.  p.  127,  29:  Sisenna  ab  urbe  condita: 
iuxtim  Numicium  flumen  obtruncatur,  näml.  Aeneas)  hat  wenig  Glaubliches. 
Die  Ueberreste  zeigen  viel  Detailbeschreibung,  auch  Spuren  von  Reden 
(bes.  B.  rV)  und  Excursen  (Philosophisches  im  Sinne  des  Epikur),  so  dass 
die  Behandlung  umständlich  gewesen  sein  muss  (longinque,  Fronto,  oben 
152,  1).  Das  Meiste  bezieht  sich  auf  den  marsischen  Krieg  (vgl.  Cic.  de 
div.  I,  44,  99)  und  ist  uns  durch  Nonius  erhalten,  der  (aber  fast  nur  aus 
B.  III  u.  IV)  die  alterihümlichen  Formen  des  Sisenna  auffuhrt.  Sie  geben 
uns  von  der  capriciös  archaisierenden  Sprache  des  Sisenna  einen  Begriff:  vgl. 
Anm.  2  Cic.  (Brut.)  und  Varro  bei  GeU.  II,  25,  9:  Sisenna  nnus  „adseutio" 
(nicht  adsentior)  in  senatu  dicebat;  vgl.  Quintil.  I,  5,  13.  Tac.  dial.  23. 
Sammlung  bei  Krause  p.  303  —  817,  Roth  p.  368  —  377  und  H.  Peter  I. 
p.  277—296.  A.  Riese,  über  das  Geschichtswerk  des  L.  Cornelius  Sisenna, 
in  der  Festschrift  zur  Begrüssung  der  XXIV  Philologenversammlung  (Leipzig 
1866)  S.  53—64. 

4.  Die  Alterthümelei  des  Sisenna  steht  in  Wechselwirkung  mit  seiner 
Thätigkeit  als  Grammatiker.  Rufinus  p.  2711  P.  =»  384  Gaisf.  führt  Stellen 
an  aus  Sisenna  in  commentario  Poenuli,  Sisenna  in  Rudente,  S.  in  Amphi- 
tryone,  in  Captivis,  in  Aulularia.  Er  ist  so  der  erste  uns  bekannte  Com- 
mentator  des  Plautus;  s.  Ritschi  Parergap.  374  f.  376—384.  Sisenna's  Com- 
mentar   zum  Amphitruo  erwähnt  auch  Charis.  p.  178.  182.  196  P.  s»  198, 

16* 


244  Siebentes  Jahrhundert  d.  St. 

26.  203,  27.  221,  6.  9  K.  vgl  p.  83.  96  P.  =  107,  Uß.  120,  10  ff.  K.  Ritschi 
1.  1.  p.  385  f.  Drei  von  den  letzteren  vier  Stellen  beziehen  sich  auf  Adver- 
bia  auf  -im,  für  welche  Sisenna  auch  in  seinem  Geschichtawerk  eine  Vor- 
liebe zeigte.  Von  der  Gelehrsamkeit  desselben  einen  hohen  Begriff  zu 
geben  sind  aber  diese  Bemerkungen  nicht  geeignet.  Dagegen  zeigt  ihn 
als  Lebemann  im  Geschmacke  des  Sulla  die  Thatsache  dass  er  des  Aristei- 
des  schlüpfrige  Erzählungen  (Md'^üiaita)  übersetzte;  Ovid.  Trist.  II,  443  f.; 
vertit  Aristiden  Sisenna,  nee  obfuit  illi  historiae  (seiner  Erzählung)  turpes 
inseruisse  iocos.  Fronto  Epist.  p.  62  N.:  animadvertas  particulatim  ele- 
gautis  .  .  Sisennam  in  lasciviis.  Diese  Schrift  scheint  aus  15  Büchern  be- 
standen zu  haben;  wenigstens  citiert  Charis.  II  mehrmals  (p.  194.  196.  200. 
207.  209  Keil)  B.  XIII  und  (nach  den  exe.  Cauch.)  p.  223,  14  K.  Sisenna 
Milesiarum  XIIII,  sowie  p.  208,  4:  Sisenna  Milesiarum  XV.  Im  Allgemeinen 
vgl.  Krause,  bist.  p.  299—303.  Wernicke,  Sisenniana,  s.  Sisennae  vita  et 
fragmenta,  Thom  1839.  4.  Gerlach,  Geschichtschreiber  S.  90 — 92.  H.  Peter, 
bist.  I.  p.  LU.  CCCXXVIII— CCCXXXVU. 

5.  C.  LiciniusL.  f.  Macer  (auf  Denaren  aus  der  Zeit  des  Sulla,  J.  670 — 
673,  8.  Mommsen,  röm.  Münzwesen,  S.  607,  C.  I.  lat  I.  p.  137.  434),  Vater  des 
im  J.  672  geborenen  Redners  und  Dichters  Calvus  (s.  d.),  tr.  pleb.  681, 
als  welchen  Sallust  (Hist.)  ihn  eine  Rede  ad  populum  halten  lässt;  J.  688 
wegen  Erpressungen  in  seiner  prätorischen  Provinz  vor  dem  Prätor  Cicero 
angeklagt  und  von  ihm  verurteilt,  gab  er  sich  selbst  den  Tod;  s.  W.  Teuffei 
in  Pauly's  Real-Enc.  IV.  S.  1075,  Nr.  1.  Ihn  als  Redner  charakterisiert 
Cic.  Brut.  67,  238:  C.  Macer  auctoritate  semper  eguit,  sed  fuit  patronus 
propemodum  diligentissimas.  huius  si  vita,  si  mores,  si  voltus  denique 
nou  omnem  commendationem  ingeni  everteret,  maius  nomen  in  patronis 
faisset.  non  erat  abuiidans,  non  inops  tarnen,  non  valde  nitens,  non  plane 
horrida  oratio;  vox,  gestus  et  omtda  actio  sine  lepore;  at  in  inveniendis 
componendisque  rebus  mira  accuratio.  .  .  hie  etsi  etiam  in  publicis  causis 
probatur,  tamen  in  privatis  illustriorem  obtinebat  locum. 

6.  Noch  deutlicher  tritt  Cicero's  Abneigung  zu  Tage  in  dem  Urteil 
über  Macer  als  Geschichtschreiber,  de  leg.  I,  2,  7:  quid  Macrum  numerem? 
cuius  loquacitas  habet  aliquid  argutiarum,  nee  id  tamen  ex  illa  erudita 
Graecorum  copia,  sed  ex  librariolis  latinis,  in  orationibus  autem  (folgt  eine 
corrupte  Stelle,  welche  jedenfalls  einen  starken  Tadel  enthielt;  Mommsen 
schreibt:  multa,  sed  inepta,  elatio,  summa  impudentia).  Hienach  hätte 
Maoer  gleichfalls  Reden  (und  vielleicht  Briefe,  vgl.  Nonius  p.  259:  Licinius 
Macer  in  epistola  ad  senatum,  falls  sich  diess  nicht  auf  Sallust's  Hist.  be- 
zieht) seinem  Werke  einverleibt  und  war  dasselbe  überhaupt  redselig  ge- 
halten. Erheblicher  und  in  sich  glaublicher  sind  die  Ausstellungen  von 
Livius,  VII,  9,  5:  quaesita  ea  propriae  familiae  laus  leviorem  auctorem  Li- 
cinium  facit.  cum  mentionem  eins  rei  in  vetustioribus  annalibus  nullam 
inveniam  etc.,  und  von  Dionys.  Hai.  Ant.  VI,  11:  AiycLvvtog  xal  ot  ns^l 
riXXiov  ovSlv  i^riranotss  ovre  tav  bI%6x(ov  ovrs  tav  Svvatoiv ,  und  VII,  1 : 
Ainivvios  xal  PeXliog  xccl  aXXoi  <sv%vol  rmv  ^PtofiaLcov  GvyyQacpiav  ovöhv 
i^Tfcayiottg  tav  ns^l  tovg  XQOvovg  dtiQißcag.  Wenigstens  würde  die  Gleich- 
gültigkeit gegen    das  Chronologische   zu   dem  rhetorischen   Charakter  des 


153  f.  Licinius  Macer.    Sulla  und  Lucullus.  245 

Werkes  stimmen.  Auch  ist  sehr  glaublich  dass  die  lebhaft  antiopiimatische 
Richtung  des  Verfassers  in  seinem  Geschichtswerke  sich  nicht  verleugnete, 
obwohl  es  in  die  eigene  Zeit  nicht  hinabgereicht  zu  haben  scheint.  An- 
dererseits hatte  er  vor  fast  allen  seinen  Vorgängern  den  grossen  Vorzug 
unmittelbarer  Quellenforschung,  wenn  er  sich  auch  dabei  von  Fälschungen 
täuschen  Hess.  Vgl.  Liv.  IV,  7,  12:  Licinius  Macer  auctor  est  et  in  foedere 
Ardeatino  et  in  linteis  libris  (s.  oben  77,  3)  ad  Monetae  inventa.  20,  8: 
quod  tarn  veteres  annales  quodque  magistratuum  libros,  quos  linteos  in  aede 
repositos  Monetae  Macer  Licinius  citat  identidem  auctores.  23,  2  f.:  in  tarn 
discrepante  editione  (der  Consuln)  et  Tubero  et  Macer  libros  linteos  aucto- 
res profitentur.  neuter  tribunos  mil.  eo  anno  fuisse  traditum  a  scriptoribus 
anüquis  dissimulat.  Licinio  libros  haud  dubie  sequi  linteos  placet  et  Tu- 
bero incertus  veri  est. 

7.  Titel  des  Geschichtswerks  von  Macer  ohne  Zweifel  Annales,  wo- 
neben auch  ungenauer  Historiae.  Das  Werk  umfasste  jedenfalls  die  älte- 
sten Zeiten  (Macrob.  Sat.  I,  10,  17.  Dionys.  II,  52)  und  wird  von  Livius 
nur  in  der  ersten  Dekade  (7  mal)  genannt;  das  letzte  Datum  wobei  er  es 
anführt  ist  aus  Jahr  455  d.  St.  Auch  die  Bücherzahl  ist  unbekannt;  nur 
aus  B.  l  u.  11  werden  sichere  Anführungen  gemacht;  dann  folgen  gleich 
Priscian.  X.  p.  895  P.  =  p.  525,  3  f.  Htz.  (vgl.  Diomed.  I.  p.  366  P.  = 
369,  15  K.:  Aemilius  Macer:  omnium  etc.):  Aemilius  Macer  in  XVI  anna- 
lium:  omnium  etc.,  wo  Verwechslung  mit  Licinius  Macer  mindestens  ebenso 
glaublich  ist  wie  die  umgekehrte  bei  Plin.  N.  H.;  endlich  Nonius  p.  221, 
11:  Licinius  Rerum  romanartun  lib.  XXI,  wo  Name  und  Zahl  gleich  unsicher 
ist;  G.  J.  Vossius,  Weichert,  Giesebrecht  und  Hertz  denken  an  Clodius 
Licinus. 

8.  Sammlung  der  Ueberreste  von  M.  bei  Krause  p.  237 — 242,  Roth  p.  363 
—367  und  H.  Peter  I.  p.  300—309.  üeber  Macer  vgl.  Weichert,  poetar.  lat. 
vitae  p.92 — 104.  Einseitige  Urteile  von  Liebaldt,  C.  Licinius  Macer,  Naumburg 
1848.  19  pp.  4.  und  (in  entgegengesetzter  Richtung)  vonMommsen  R.  G.  III*. 
S.  591,  vgl.  Rom.  Chronol.  S.  88  ff.  94,  und  Rom.  Forschungen  l.  S,  315  ff. 
Gerechter  Schwegler,  R.  G.  I.  S.  92  f.,  Kieserling,  de  rer.  script.  p.  38 — 43, 
und  H.  Peter,  bist.  I.  p.  CCCXXXVIII  — CCCLIII.  Vgl.  auch  Gerlach,  Ge- 
schichtschreiber S.  87 — 90. 

154«  Wie  in  den  vorangehenden  Jahrzehnten  Scaurus,  Rutiliusui 
Ruf  US  und  Catulus,  so  verfasste  jetzt  der  Dictator  L.  Cornelius 
Sulla  (J.  616 — 676)  eine  Selbstbiographie,  commentarii  rerum 
suarum,  in  22  Büchern,  welche  nach  seinem  Tode  von  seinem 
Freigelassenen  Epicadus  ergänzt  und  abgeschlossen  wurde.  Lu- 
cullus (J.  640 — 697),  an  den  sie*gerichtet  war,  schrieb  in  seiner 
Jugend  selbst  auch  eine  Geschichte  des  marsischen  Krieges,  in 
griechischer  Sprache;  und  später  behandelte  ein  C.  Piso  den 
Krieg  zwischen  Sulla  und  Marius. 

1.  Sulla  war  Cos.  666  u.  674,  Dictator  672—675;  f  676.  Vgl.  C.  Krafft 
in  Pauly's  Real-Enc.  II.    S.  669  —  677.    Th.  Lau,   C.  Cornelius  Sulla,  eme 


246  Siebentes  Jahrhundert  d.  St. 

Biographie,  Hamburg  1855.  Die  Phthiriasis,  an  welcher  n.  A.  auch  Sulla 
gestorben  sein  soll,  ist  höchst  wahrscheinlich  überhaupt  eine  Fabel;  s.  bes. 
Th.  Husemann,  in  d.  Zeitschr.  der  k.  k.  Gesellschaft  der  Aerzte  zu  Wien 
(Red.  Hebra),  XII  (Wien  1856).  S.  497—533. 

2.  Plut.  Luculi.  1:  SvXXccg  zag  avtov  ngd^fig  dvaygcetpcov  lyteCvco  (Lu- 
cullus)  TtQoascpcovriöBv.  Vgl.  ib.  4.  SuU.  6.  Sulla  37:  t6  slytoötov  xal  Sev- 
xfQOv  TCDv  vnoiivriiidvciv  tcqo  dvftv  rifisQmv  rj  izdsvra  yQccqxov  iTcavaazo. 
Sueton.  gramm.  12,  p.  110  RfFsch.:   Cornelius  Epicadus  (unten  166,  8),  L. 

•Corneli  Sullae  dictatoris  libertus  calatorque  in  sacerdotio  augurali,  .  . 
librum  quem  Sulla  novissimum  de  rebus  suis  imperfectum  reliquerat  (die 
anderen  waren  also  vollendet)  ipse  supplevit.  Als  Titel  wird  rerum  gesta- 
rum  (Gellius)  oder  suarum  libri  oder  commentarii  {vnoiivruujcza)  genannt. 
Sulla  in  vicesimo  primo  renim  suarum,  Priscian.  IX,  39.  p.  864  P.  =  p.  476, 
4  Htz.  Sachlich  ist  letzterer  Titel  der  passendste.  Sulla  hatte  in  dem 
Werke  sich  als  besonders  begnadeten  Götterliebling  hinzustellen,  seine 
Gegner  aber  (bes.  den  Marius)  herabzusetzen  sich  bemüht.  Trotzdem  hat 
Plutarch,  besonders  in  seinem  Leben  des  Sulla  und  des  Marius,  diese  Me- 
moiren sehr  stark  und  imvorsichtig  ausgebeutet,  und  auch  sonst  haben  sie 
zur  Entstellung  der  geschichtlichen  Wahrheit  beigetragen.  H.  Peter,  bist. 
I.  p.  GCLXXVI— CCLXXXIV.  Die  Reste  daraus  bei  Krause  p.  290  —  295, 
Roth  p.  334—338  und  H.  Peter  L  p.  195—204. 

3.  Ein  griechisches  Epigramm  von  Sulla  auf  ein  Bild  der  Aphrodite, 
bestehend  aus  zwei  Hexametern  und  einem  Pentameter,  findet  sich  in  der 
Anthol.  graeca  II.  p.  66  ed.  lacobs.  Ueber  die  (angeblich)  vtc*  avtov  yQa- 
(puaai  eazvqi'nal  %(o(ia)SLat.  zij  nazqiai  fpaovy  s.  oben  8,  1.  Vielleicht  beruht 
diese  Angabe  auf  einem  Missverständniss  der  Thatsache  dass  unter  Sulla 
die  Atellanen  geschrieben  zu  werden  anfiengen;  s.  oben  10  u.  135. 

4.  L.  Licinius  L.  F.  LucuUus,  geb.  um  640,  Cos.  680,  f  697;  s.  sein 
clogium  im  C.  I.  lat.  I.  p.  292.  W.  Drumann,  G.  R.  IV.  S.  120—174.  W. 
Teuffei  in  Pauly's  Real-Enc.  IV.  S.  1070  —  1074.  Berühmt  durch  seinen 
Reichthum,  auch  fem  gebildet.  Besungen  von  Cordubae  nati  poetle  (Cic. 
p.  Arch.  10,  26).  Plut.  Luculi.  1:  6  AovnovXXog  rjai^rjzo  ytal  Xiyeiv  [navag 
Snazigav  yXmzzav,  coazs  xfti  2^t;Ho;s  (s.  A.  2)  .  .  insivip  nQocBtpmvriasv  dtg 
avvza^oiisvco  xal  öia&rjaovzL  zr]v  lazoQiav  dfieivov.  .  Xiyszat  viov  ovta 
(ums  J.  666  d.  St.)  nqog  ^Oqziiaiov  zbv  8i,%oX6yov  xal  Siatvväv  zov  iütOQinbv 
i-K  naiSidg  zivog  sig  anovdrjv  7CQ0sX9'0VGrig  OfuoXoyrjaai,  rcQod'SfievGiv  no^rjfta 
xal  Xoyov  iXXrjvLttov  zs  xal  Q(o^a'C%QV,  elg  o  zi  dv  Xd%ri  zovzcav,  zov  MaQ- 
ßixov  inzfXsiv  noXffiov.  Hai'jccog  ioinBv  slg  Xoyov  ^XXrivmov  6  TcX^gog  dfpi- 
•aiüd'at.  Siaaci^Bzat  ydg  BXXtivmri  zig  tczoqCa  zov  Maqaniov  noXiiiov.  Vgl. 
Cic.  ad  Att.  I,  19,  10:  non  dicam  quod  tibi  ut  opinor  Panhormi  Lucullus 
de  stiis  historiis  dixerat,  se,  quo  fiicilius  illas  probaret  romani  hominis 
esse,  idcirco  barbara  quaedam  et  aoXoma  dispersisse.  Wie  er  überhaupt 
seine  Talente  wenig  verwerthete,  so  brachte  er  es  auch  nie  zu  streng 
knnstmäasiger  Beredtsamkeit,  obwohl  Plut.  Luc.  33  ihn  dsivog  stnsiv  nennt. 
Vgl.  Cic.  Brut.  62-,  222  (oratorem  acutum)  und  Tac.  dial.  37  (unten  168,  3). 

5.  Auch  für  die  Philosophie  fehlte  es  dem  LucuUus  nicht  an  Interesse, 
vgl.  Plut.  Luc.  1:    yevofiBvog    n^saßvzsQOg    r]dri    navzdnaaiv   .  .   dcprJHS  zrjv 


154  f.    Sulla  und  Lucullus.   L.  Manlius.   Pilatus.  247 

öioLvoictv  iv  (piXoaofpltf  c%oXdJ^Bi,v  lial  dvanctvsad'aiy  to  d'scoQriTL'KOv  avTt^g 
iys^Qag.  Cic.  Acad.  pr.  11,  2,  4:  maiore  studio  Lucullus  cum  omni  litte- 
rarum  generi  tum  philosophiae  deditus  fuit  quam  qui  illum  ignorabant 
arbitrabantur,  nee  yero  ineunte  aetate  solum  sed  et  pro  quaestore  aliquot 
annos  et  in  ipso  bello.  .  .  cum  autem  e  philosophis  .  .  putaretur  Antio- 
chnS)  Ffailouis  auditor,  excellere,  eum  secom  et  quaestor  habuit  (J.  667  f.) 
et  post  aliquot  annos  Imperator.  .  .  delectabatur  autem  mirifice  lectione 
librorum  de  quibus  audiebat.    Vgl.  de  fin.  111,  2,  7  f. 

6.  Plut.  Mar.  45:  FaCos  tig  IlsiaaiVy  dvriQ  £atOQi%6gy  über  den  Tod  des 
Marias  mit  als  Quelle  genannt  Da  er  sonst  nie  wieder  erwähnt  wird,  so 
ist  unbekannt  welcher  der  Calpurnii  Pisones  er  war.  Der  oben  138,  4  be- 
handelte L.  Piso  ist  es  jedenfalls  nicht;  eher  der  Cos.  687  s»  67  v.  Chr. 
H.  Peter,  bist.  I.  p.  CCCLXVllI. 

155.  Der  sullanischen  Zeit  gehört  auch  der  Senator  L.  Man- 1 15 
lius  an,  welcher  ein  euhemeristisch  gefärbtes  Reise-  und  Wunder- 
Buch  yerfasste;  sowie  der  Freigelassene  L.  Voltacilius  Pilutus, 
der  erste  nicht  frei  Geborene  welcher  sich  zu  Rom  an  die 
Geschichtschreibung  wagte.  Seiner  sonstigen  Stellung  gemäss 
scheinen  seine  derartigen  Arbeiten  rhetorisch  angelegt  und 
apologetisch  unterthänig  gewesen  zu  sein. 

1.  DionjB.  Ant.  1,  19:  XiffiafUig  ov  iprifsi  Abviuos  MdlXiog,  dvriQ  ovx 
äarifiogy  avtog  iÖeiv  (in  Dodona).  Plin.  N.  H.  X,  2,  4:  primus  atque  dili- 
gentissime  togatorum  de  eo  (den  Phönix)  prodidit  Mamilius  (im  Autoren- 
verzeichniss  zu  B.  X:  Manilius)  Senator  üle  maxumis  nobilis  doctrinis  doc* 
tore  nuUo.  .  .  prodit  idem  Mamilius  .  .  fuisse  eins  conyersionis  annum 
prodente  se  P.  Licinio  Cn.  Cornelio  cos.  (657  d.  St.)  ducentesimum  quintum 
decumum.  Varro  hat  dieses  Buch  vielfach  benützt;  s.  L.  L.  V,  31  (Mal- 
lius).  Vll,  16  u.  28  (Manilius);  vgl.  Amob.  111,  38  (Manilius).  Macrob. 
Sai  I,  10,  4  (Mallius).  Th.  Mommsen,  Rhein.  Mus.  XVI.  S,  284—287,  wel- 
cher für  möglich  hält  dass  es  der  L.  Manlius  sei  den  wir  aus  Münzen 
Sullas  als  dessen  Proquästor  um  670  (röm.  Münzwesen  S.  695)  und  aus 
Schriftstellern  (Liv.  XC.  Oros.  V,  110.  Caes.  b.  c.  111,  20.  Plut.  Sertor.  12) 
als  Statthalter  von  Gallia  Narbonensis  um  677  kennen.  Auch  ist  wahr- 
scheinlich (Ritschi  Parerga  8.  242)  dass  er  identisch  ist  mit  dem  Manilius 
welchen  Gellius  (s.  oben  98,  3)  als  Verfasser  eines  Verzeichnisses  der  ech« 
ten  plantinischen  Stücke  aufführt. 

2.  Suet.  gramm.  27  =»  rhet.  3,  p.  124  Rffsch.:  L.  Voltacilius  Pilatus 
(Hieronymus:  Plotus)  servisse  dicitur  .  .  donec  ob  Ingenium  et  studium 
litterarum  manumissus  accusanti  patrono  subscripsit.  deinde  rhetoricam 
professuB  Cn.  Pompeimn  Magnum  (geboren  J.  648)  docuit  patrisque  eius  (Cn.  ] 
Pompeius  Strabo,  Cos.  665,  f  667)  res  gestas  nee  minus  ipsius  (ohne  Zweifel 
bei  dessen  Lebzeiten)  compluribus  libris  exposuit,  primus  omnium  liberti- 
norum,  ut  Cornelius  Nepos  opinatur,  scribere  historiam  orsus  (s.  oben  36,  3). 
Hieronymus  zu  Euseb.  Chron.  1936  =  673  =  81  v.  Chr.:  Vultacilius  Plotus 


il 


■  ■»w. 


248  Siebentes  Jahrhundert  d.  St. 

latinuB  rhetor,  Cu.  Pompei  libertus  et  doctor,  ucholam  Romae  aperuit.    Dass 
er  vielmehr  Freigelassener  eines  Voltacilius  war  zeigt  sein  Name. 

3.  Ueber  Trebius  Niger  und  Tarranias  Gracilia  s.  oben  138,  5  u.  6. 

116  156.  Seit  der  Mitte  des  siebenten  Jahrh.  d.  St.  scheint  der 
Jugendunterricht  allmählich  in  ein  festes  Greleise  gekommen  zu 
sein;  es  mehren  sich  daher  die  Namen  Solcher  welche  zu  Rom 
und  im  übrigen  Italien  als  Lehrer  der  Grammatik  und  Rhetorik 
wirkten,  grossentheils  freilich  Freigelassene  und  von  fremder 
Nationalität.  Die  Meisten  waren  auf  jenen  Gebieten  zugleich 
schriftstellerisch  thätig  und  verbanden  mit  grammatischer  For- 
schung auch  antiquarische  und  literarhistorische.  Einzelne  ga- 
ben ihren  gelehrten  Werken  gebundene  Form;  so  L.  Attius, 
Porcius  Licinus,  Q.  Valerius  Soranus  und  Volcatius  Sedigitus. 
Die  bedeutendsten  Gelehrten  waren  in  dieser  Zeit  L.  Plotius  Gallus, 
Saevius  Nicanor,  Aurelius  Opilius,  Antonius  Gnipho  und  Pompilius 
Andronicus,  weiterhin  Q.  Cosconius,  Ennius,  Epicadus^  Hypsi- 
crates,  Nicostratus,  Servius  Clodius  und  Staberius  Eros. 

1.  Sueton.  gramm.  3,  p.  102  Rffsch.  (oben  41,  1). 

2.  L.  Plotius  Gallus  (Suet.  rhet.  2  =»  gramm.  26)  primus  Romae  latinam 
rheioricam  docuit;  s.  oben  43,  9.  Die  Zeitbestimmung  des  Sueton  (bei 
Ilicronymus),  J.  666  —  677,  stimmt  zu  Cicero's  Angabe  pueris  nobis  (bei 
Suet.  1.  1.  vgl.  Sen.  controv.  II,  8.  p.  116,  23  Bu.)  oder  extremis  L.  Crassi 
temporibus  (Quintil.  II,  4,  42).  Vgl.  M.  Varro  bei  Non.  p.  79:  Autumedo 
mcus,  quod  apud  Plotium  rhetorem  bubulcitarat,  „erili  dolori  non  defuit". 
Nach  Quintil.  XI,  1,  143  hatte  er  de  gestu  eine  Schrift  herausgegeben. 
IIuQc  eundem  (nam  diutissime  vixit)  M.  Caelius  .  .  significat  dictasse  Atra- 
tino  accusatori  suo  actionem  (Suet.  rhet.  2.). 

3.  Saevius  Nicanor  primus  ad  famam  dignationcmque  docendo  per- 
vcnit  fecitque  praeter  commentarios ,  quorum  tamen  pars  maxima  inter- 
ccpta  dicitur,  satnram  quoque,  in  qua  libertinum  se  ac  duplici  cognomine 
esse  .  .  indieat,  Sueton.  gramm.  5,  p.  104  Rffsch.  Seine  Satire  war  also 
(wie  die  des  Lucilius  und  Horaz)  eine  Selbstdarstellung  seiner  Persönlich- 
keit. Sueton  führt  daraus  zwei  Hexameter  an,  worin  auslautendes  s  proso- 
disch  ignoriert  ist. 

4.  Sueton.  gramm.  6,  p.  105  Rffsch.:  Aurelius  Opilius,  Epicurei  cu- 
iusdäm  libertus,  philosophiam  primo,  deinde  rhetoricam,  novissime  gram- 
maticam  docuit.  dimissa  autem  schola  Rutilium  Rufum  (oben  146,  1—3) 
damnatum  in  Asiam  secutus  (ums  J.  660)  ibidem  Smyrnae  simulque  conse- 
nuit  composuitque  variae  eruditionis  aliquot  volumina,  ex  quibus  novem 
unius  corporis  .  .  Musarum  .  .  inscripsisse  se  ait  ex  numero  divarum  et 
appellatione  (vgl.  Gell.  I,  25,  17:  Aurelius  Opilius  in  primo  librornm  quos 
Musarum  inscripsit).  Die  Musae  enthielten  nach  der  Probe  bei  Gellius 
Worterklärungen,  daher  wohl  auf  dieses  Werk  die  zahlreichen  AnfiLhrungen 


156.   Plotius  Galius,  Nicanor,  Opilius,  Gnipho  u.  a.  Gelehrte.        249 

bei  Varro  L.  L.  und  besonders  Festus  zu  beziehen  sind,  wo  er  bald  Aurelius 
genannt  wird  (Varro  VII,  65.  70.  106.  Fest.  p.  68.  U7  u.  sonst)'  bald 
Opilius  (Varro  VII,  50.  67.  79.  Fest.  p.  85),  von  Festus  auch  Aurelius 
Opilius  (p.  141)  oder  Opilius  Aurelius  (p.  163).  Vgl.  Egger,  serm.  lat.  reliqq. 
p.  27  ff.  Rhein.  Mus.  XXIII.  S.  682.  Als  Glossograph  hatte  er  Plautiis  be- 
sonders zu  berücksichtigen,  ohne  dass  er  desswegen  für  einen  eigentlichen 
Scholiasten  desselben  gelten  kann.  Auch  zählt  Gellius  III,  3,  1  ihn  unter 
den  Verfassern  von  indices  der  plantinischen  Stücke  auf,  wohin  ohne 
Zweifel  sein  libellus  qui  inscribitur  Pinax  mit  der  akrostichischen  Aufschrift 
Opillius  (Suet.  1.  1.)  gehört.  F.  Osann  (Ztschr.  f.  d.  Alt.-W.  1849,  S.  199  ff.) 
vermutete  daher  mit  Wahrscheinlichkeit  dass  daraus  die  akrostichischen 
Argumente  der  plautinischon  Stucke   entnommen  seien.     Ritschi,    Parerga 

5.  180.  239  f.  321.  364  f.  XV  f.  F.  Osann,  Aurelius  Opilius  der  Gramma- 
tiker, Ztschr.  f.  d.  Alt.-Wi8s.  1849,  Nr.  25—28. 

5.  M.  Antonius  Gnipho,  ingenuus  in  Gallia  natus,  sed  expositus,  .  . 
fuisse  dicitur  ingenii  magni,  .  .  nee  minus  graece  quam  latine  doctus.  .  . 
docuit  prinium  in  D.  lulii  (geb.  654)  domo  pueri  adhuc,  deinde  in  sua  pri- 
vata.  docuit  autem  et  rhetoricam,  ita  ut  quotidie  praecepta  eloquentiae 
traderet,  declamaret  vero  nonnisi  nundinis.  scholam  eins  claros  quoque 
viros  frequentasse  aiunt,  in  bis  M.  Ciceronem,  etiam  cum  praetura  funge- 
retur  (J.  688,  vgl.  Macrob.  Sat.  III,  12,  8).  scripsit  multa,  quamvis  annum 
aetatis  quinquagesimum  non  excesserit.  etsi  Ateius  Philologus  (sein  Schüler, 
Suet.  gramm.  10)  duo  tantimi  volumina  De  latino  semione  (vgl.  Quintil.  I, 

6,  23)  reliquisse  eum  tradit,  nam  cetera  scripta  discipulorum  eins  esse,  non 
ipsius.     Suet.  gramm.  7,  p.  105  f.  Rffsch. 

6.  M.  Pompilius  Andronicus,  natione  Syrus,  studio  Epicureae  sectae 
desidiosior  in  professione  grammaticae  habebatur.  .  .  itaque  cum  se  in 
urbe  non  solum  Antonio  Gniphoni  sed  ceteris  etiam  deterioribus  postponi 
viderct  Cumas  transiit  ibiquo  in  otio  vixit  et  multa  composuit,  besonders 
Annalium  Enni  Elenchi,  die  später  Orbiliue  unter  dem  Namen  ihres  Ver- 
fassers  herausgab.     Sueton.  gramm.  8,  p.  106  Rffsch. 

7.  Q.  Cosconfus,  als  Gewährsmann  angeführt  in  der  suetonischen 
vita  Terentii  (p.  32,  13  Rffsch.);  s.  oben  107,  6.  Er  ist  ohne  Zweifel  iden- 
tisch mit  dem  von  Varro  L.  L.  VI,  36  und  89  (Cosconius  in  Actionibus)  er- 
wähnten Grammatiker.    Ritschi  in  Reifferscheids  Sueton  p.  518. 

8.  Cornelius  Epicadus  *(v^l-  oben  154,  2)  in  eo  libro  quem  de  metris 
scripsit,  Mar.  Victorin.  p.  1957  P.  Epicadus  de  cognominibus,  Charis.  I. 
p.  85  P.  =  110,  3  K.  Aus  einem  antiquarischen  Werke  desselben  scheint 
entnommen  Macrob.  I,  11 ,  47  (de  sigillaribus  .  .  Epicadus  refert  Herculem 
etc.);  vgl.  H.  Peter,  bist.  I.  p.  CCLXXVII.  not.  1. 

9.  Ser.  ClodiuB,  eques  rom.  und  Schwiegersohn  des  L.  Aelius;  s.  oben 
147,  1.  Plin.  N.  H.  XXV,  7,  24:  tradit  M.  Varro,  Ser.  Clodium  eq.  rom. 
etc.  Suet.  gramm.  3,  p.  102  Rffsch.:  cum  librum  soceri  nondum  edituni 
frande  intercepisset,  ob  hoc  repudiatus  secessit  ab  urbe.  Nach  seinem 
Tode  schenkte  sein  (Halb-)  Bruder  Papirius  Paetus  seine  hinterlassenen  Pa- 
piere und  Bücher  dem  Cicero;    s.  ad  Att.  I,  20,  7  (Ser.  Claudius)  und  II, 


250  Siebentes  Jahrhundert  d.  St. 

1,  12  (beide  vom  J.  694).  Vgl.  ad  Farn.  IX,  16,  4  (an  Paetus):  Servius, 
frater  tuus^  quem  litteratissimum  fuisse  iudico,  facile  diceret  ,,hic  versus 
Plaut!  non  est,  hie  est*',  quod  tritas  aures  haberet  notandis  generibus  poe- 
tarum  et  consuctudine  legendi.  Yarro  L.  L.  VII,  106  (vgl.  70  u.  66)  nennt 
ihn  nach  Aurelius  (oben  A.  4),  dessen  ganze  Richtung  er  getheilt  zu  haben 
scheint,  da  er  auch  ebensowohl  Glossograph  war  (s.  Varro  1.  1.  vgl.  Gell. 
XIII,  23,  19  in  commentario  Ser.  Claudii.  Serv.  Aen.  I,  52  und  II,  229: 
Clodius  commentariorum.  I,  176:  Clodius  scribit,  commentariorum  IV*^)  als 
Verfasser  eines  Verzeichnisses  der  echten  plautinischen  Stücke  (Gell.  III,  3, 
1).  Vgl.  Ritfichl,  Parerga  S.  242  f.  p.  365  f.  Auf  ihn  bezieht  Fr.  Ochler, 
Rhein.  Mus.  XVIII.  S.  253—261  (Glossae  Servii  grammatici)  die  im  Glos- 
sarium des  Labbäus  mit  S  bezeichneten  (ungefähr  2000)  Glossen.» 

10.  Staberius  Eros  .  .  emptus  de  catasta  (vgl.  Plin.  N.  H.  XXXV,  18, 
58)  .  .  temporibus  Sullanis  proscriptorum  liberos  .  .  gratis  in  disciplinam 
recepit,  Suet.  gramm.  13.  Fronto  p.  20  Naber:  quorum  (der  älteren  römi- 
schen Schriftsteller)  libri  pretiosiores  habentur  .  .  si  sunt  a  Lampadione 
aut  Staberio  (scripti).  Priscian.  VIII.  p,  385,  1  Htz.:  Staberius  de  propor- 
tione.  Er  war  noch  Lehrer  des  Brutus  und  Cassius  (Suet.  1.  1.).  Ein  Mythus 
war  wohl  dass  Publilius,  Manilius  und  er  eadem  nave  nach  Italien  kamen 
(Plin.  L  1.,  der  ihn  übertreibend  conditor  grammaticae  nennt). 

11.  Festus  V.  senacula  (p.  347  a.  M.):  Nicostratus  in  libro  qui  inscri- 
bitur  de  senatu  habende. 

12.  Varro  L.  L.  V,  88:  cohortem  in  villa  Hypsicrates  dicit  esse 
graece  x^Q^^^-  Vgl.  Festus  v.  aurum  (Paul.  p.  8  M.),  wo  irrig  Hippocrates. 
Gell.  XVI,  12,  6:  id  dixisse  ait  (Cloatiua  Veras)  Hypsicraten  quempiam 
grammaticum,  cuius  libri  sane  nobiles  sunt  super  bis  quae  a  Graecis 
accepta  sunt. 

13.  Suet.  gramm.  1:  quod  nonnuUi  tradunt  duos  libros  de  litteris  syl- 
labisque,  item  de  metris  ab  eodem  Ennio  (dem  Dichter,  oben  99  ff.)  editos, 
iure  arguit  L.  Cotta  (also  ein  Literaturhistoriker  des  ersten  christlichen 
Jahrb.),  non  poetae,  sed  posterioris  Enni  esse,  cuius  eüam  de  augurandi 
disciplina  volumina  feruntur.  Dieser  Grammatiker  Ehnius  war  es  auch 
wohl  der  die  notae  Tironianae  ausbildete.  Festus  v.  topper  (p.  352  b.  M.): 
Ennius  vero  sie:  topper  fortasse  valet  in  Enni  et  Pacuvi  scriptis.  Auf 
ihn  ist  wohl  auch  Varro  L.  L.  V,  86  (foedus,  quod  fidus  Ennius  scribit 
dictum)  zu  beziehen.  Vgl.  noch  Charis.  p.  76  P.  =  98  K.:  eramnam  Ennius 
ait  per  e  solum  scribi  posse.    M.  Hertz,  Sinnius  Cap.  S.  9  f. 

14.  Ueber  Cincius  s.  oben  116,  4. 

147  157.  Schriftsteller  über  Land-  und  Hauswirtschaft 
waren,  spätestens  in  der  sullanischen  Zeit,  die  beiden  Sasema 
und  darauf  Scrofa,  vielleicht  auch  Mamilius  Sura  und  Licinius 
Maenas. 

1.    Sasema  ist   ein  cognomen  in   der  gens  Hostilia  (s.  A.  Haakh  in 
Pauly's  Real-Enc.  III.  S.  1530,  Nr.  13).     Colum.  I,  1,  12  (vgl.  oben  52,  2)r 


157  f.  Saserna.  Scrofa.  Philosophie.  251 

« 

post  hnnc  (Catonem)  duos  Sasemas,  patrem  et  filinm,  qui  eam  dlllgentius 
erudierunt.  Varro  R.  R.  I,  2,  22:  sequar  Saseraarum,  patris  et  filÜ,  libros. 
Sasemae  in  dem  Quellenverzeichnisse  von  Plin.  N.  H.  X,  Sasernae  pater 
et  filins  ib.  XIV,  XV,  XVII,  XVIII,  vgl.  XI  (Saserna)  und  XVE,  U,  22: 
arbusti  ratio  niiram  in  modum  damnata  Sasemae  patri  filioque,  celebrata 
Scrofae,  vetustissimis  post  Catonem  peritissimisque.  Vgl.  Varro  R.  R.  I, 
16,  5:  Sasemae  liber  praecipit.  18,  2:  Saserna  scribit.  Columella  I,  1,  4 f.: 
id  non  spernendus  auctor  rei  rusticae  Saserna  videtur  adcredidisse.  nam 
eo  libro  quem  de  agricultnra  scriptum  reliquit  u.  s.  w.  Vielleicht  dass 
der  Sohn  das  vom  Vater  unvollendet  hinterlassene  Werk  abschloss  und 
herausgab. 

2.  Varro  R.  R.  I,  2,  10:  coUegam  (des  Varro),  XX vir  qui  fuit  ad  agros 
dividundos  Campanos,  .  .  Cn.  Tremellium  Sero f am,  virum  omnibus  vir- 
tutibus  politum,  qui  de  agricultura  Romanus  peritissimus  existimatur. 
II,  1,  11:  Scrofa  noster,  cui  haec  aetas  defert  remm  rusticarum  omnium 
palmara.  Auf  diesem  Gebiete  war  er  auch  Schriftsteller;  s.  A.  1.  Colum.  II, 
1,  2:  Tremellii  auctoritatem  revereri,  qui  cum  plurimarum  rusticarum  rerum 
praecepta  simul  eleganter  et  scite  memoriae  pfodiderit  etc.  Vgl.  ib.  I, 
1,  12  (Scrofa  Tremellius).  6.  II,  1,  4  (Tremellius).  Von  Plinius  wird  er  in 
dem  Quellenverzeichniss  zur  N.  H.  XI.  XIV.  XV.  XVII.  XVIII  genannt, 
immer  als  Scrofa. 

3.  Mamilius  Sura,  von  Plinius  N.  H.  in  den  Quellenverzeichnissen  zu 
Buch  VIII,  X,  XI,  XVII,  XVIII,  XIX  aufgefährt,  im  Texte  selbst  aber  nur 
XVIII,  42  genannt  (Cato  .  .  Sura  Mamilius  .  .  Varro).  Vgl.  Th.  Mommsen, 
Rhein.  Mus.  XVI.  S.  282. 

4.  Ueber  M.  Ambivius,  Licinius  Maenas,  sowie  C.  Matius  s.  oben  52,  3. 

158.  Zum  Philosophieren  bot  die  ganze  Zeit  von  650bisi48 
675  wenig  Müsse;  die  sich  damit  befassten  vertheilen  sieh  ziem- 
lich regelmässig  so  dass  die  Juristen  der  Stoa,  die  Redner  der 
neuen  Akademie  oder  den  Peripatetikem  zufielen.  Der  Epikureis- 
mus  fand  nur  unter  Solchen  Anhang  die  dem  öffentlichen  Leben 
fern  standen. 

1.  Cic.  de  or.  III,  21,  78:  quid  .  .  C.  Velleius  afferre  potest  quam  ob 
rem  voluptas  sit  summum  bonum  quod  ego  non  possim  vel  tutari  .  .  vel 
refellere  .  .  hac  dicendi  arte  in  qua  Velleius  est  rudis?  .  .  quid  est  quod 
aut  Sex.  Pompeius  (oben  151,  5)  aut  duo  Balbi  aut  .  .  qui  cum  Fanaetio 
vixit  M.  Vigellius  de  virtute  homines  stoici  possint  dicere?  de  deor.  nat. 
I,  6,  15:  cum  C.  Velleio  senatore,  ad  quem  tum  Epicurei  primas  ex  nostris 
deferebant.  .  .  etiam  Q^Lucilius  Baibus,  qui  tantos  progressus  habebat 
in  Stoicis  ut  cum  excellentibus  in  eo  genere  Graecis  compararetur.  Gleich- 
zeitig waren  Q.  Catulus  (oben  146,  4),  C.  Cotta  (oben  150,  4)  und  L.  Lu- 
cuUus  (oben  154,  4  ff.)  Anhänger  des  Antiochos  (Akademie),  etwas  später  der 
SJtere  Zeitgenosse  Cicero's  (Cic.  Brut.  64,  230  vgl.  Ascon.  in  Pis.  p.  15  Or.) 
M.  Piso  (Cos.  693)  durch  den  Peripatetiker  Staseas  (Cic.  de  or.  I,  22,  104) 
Anhänger  dieses   Systems   (Cic.  de  deor.  n.  I,  7,  16.  ad  Att.  XITl,  19,  4), 


252  Picbeütes  Jahrhundert  d.  St. 

und  ähnlich  der  Triumvir  M.  Crasßus  diurch  Alexander  Polyhistor  (Plut. 
Crass.  3).  Zur  Sioa  aber  hielt  ausser  den  Genannten  besonders  Q.  Scae- 
vola  (oben  151,  1),  und  aus  den  noch  Aelt«ren  P.  Rutilius  Rufus  (146,  2) 
und  L.  Stilo  (147,  1).  Epikureer  kennen  wir  (ausser  Vellejus)  in  T.  Albu- 
cius  (145,  4)  und  Pompilius  Andronikus  (156,  6).  Philosophisches  Interesse 
hatte  auch  der  Verf.  der  Rhetorik  ad  Herenuinm  (159,  2). 

2.  Die  frühesten  epikureischen  Schriftsteller  unter  den  Römern,  Ama- 
finiuK,  Rabirius,  Catius,  gehören  —  nach  der  Art  zu  schliessen  wie  bei  Cic. 
Acad.  post.  I,  2,  5  von  ihnen  die  Rede  ist  —  erst  der  ciceronischen  Zeit 
an;  s.  unten  170. 

140  159.  Eine  bemerkenswerthe  literarische  Erscheinnng  der 
suUanischen  Zeit  sind  die  vier  Bücher  Rhetorica  ad  C.  Her- 
ennium,  eine  vollständige  Rhetorik  nach  'griechischen  Quellen, 
aber  vom  römisch-nationalen  Standpunkte,  mit  Weglassung  alles 
dessen  was  dem  Römer  als  unpraktische  Diftelei  erschien  und 
die  Beispiele  für  die  rednerischen  Figuren  den  römischen  Red- 
nern der  glänzenden  letzten  Jahrzehnte  entnehmend,  theil weise 
auch  sie  selbst  bildend.  Die  Art  der  Behandlung  des  Stoffes 
zeugt  ebenso  von  Klarheit  und  Selbständigkeit  des  Denkens  als 
von  Charakter  und  nationalem  Selbstgefühl.  Auch  muss  der 
Veri'asser  äusserlich  in  unabhängiger  Stellung  gewesen  sein.  Sein 
Name  ist  nicht  überliefert:  aber  die  Annahme  dass  er  Corni- 
ficius  hiess  hat  an  Quintilian  eine  gewichtige  Unterstützung. 

1.  Zur  Charakteristik  des  Werks  vgl.  bes.  I,  1,  1:  illa  quae  graeci 
scriptores  inanis  adrogantiae  causa  sibi  adsumpserunt  reliquimus;  .  .  nos 
ea  quae  videbantur  ad  rationem  dicendi  pertinere  sumpsimus;  non  enim 
spe  quaestus  aut  gloria  commoti  venimus  ad  scribendum,  quemadmodum 
ceteri  etc.,  und  IV,  7,  10:  nomina  rerum  g^raeca  convortimus.  .  .  reÜquum 
scripturae  consumetur  in  exemplis.  haec  si  aliena  posuissemus ,  factum 
esset  ut  etc.  his  de  causis,  cum  artis  inventionem  probassemus  Graecorum, 
excmplorum  rationem  secuti  non  sumus.  lY,  1,  1:  nihil  neque  ante  rem 
neque  praeter  rem  locuti  sumus. 

2.  Persönliche  Verhältnisse  des  Verfassers.  I,  1,  1:  etsi  negotiis  fami- 
liaribus  impediti  vix  satis  otium  studio  suppeditare  possumus,  et  id  ipsum 
quod  datur  oti  lubentius  in  philosophia  consumere  consuevimus,  tarnen 
tua  nos,  C.  Herenni,  voluntas  commovit  ut  de  ratione  dicendi  conscribere- 
muB.  rV,  56,  69:  simul  lubenter  exercemur  (Herennius  und  der  Verfasser) 
propter  amicitiam,  cuius  initium  cognatio  fecit,  cetera  philosophiae  ratio 
conti rmavit.  IIl,  2,  3:  si  quando  de  re  militari  aut  de  administratione 
rcip.  scribere  velimus.  IV,  12,  17:  haec  qua  ratione  vitare  possimus  in 
arte  grammatica  dilucide  dicemus.  Das  Beispiel  IV,  54,  68:  modo  consul 
quondam  is  deinde  primus  erat  civitatis,  und:  proficiscitur  in  Asiam,  deinde 
hostis  est  dictus,   post  imperator  et  populi  rom.  consul  factus  est  deutet 


169.  Rhetorica  ad  Herenninm.  253 

auf  AbfaBsung  des  letzten  Buches  nach  Sulla's  Tode  (oder  mindestens  unter 
seiner  Dictatur). 

3.  Zahlreiche  Partien  des  Werks  sind  wörtlich  benützt  von  Cicero  in 
seiner  Jugendschrift  de  inventione;  s.  179,  1.  Die  Dreitheilung  der  insi- 
nuatio  z.  B.,  welche  ad  Her.  I^  9,  16  als  neu  und  eigene  Erfindung  be- 
zeichnet ist,  wird  von  Cic.  de  inv.  I,  17,  23  kurzweg  angenommen.  Auch 
die  Verschiedenheit  in  vielen  Hauptpunkten  (C.  L.  Eayser,  Ed.  p.  IX  f. 
und  in  den  Münchner  Gel.  Anz.  1852,  S.  482 — 487)  ist  ein  Beweis  dass 
die  üebereinstinimung  nicht  etwa  blos  aus  Gemeinsamkeit  der  Quellen 
sich  erklärt. 

4.  Dass  Hieronymus,  Fortunatianus,  Priscianus  u.  A.  das  Werk  für 
eiceronisch  hielten  (Kayser,  Ed.  p.  XII  f.)  beweist  nur  deren  Akrisie. 
Andere  Vermutungen  über  die  Person  des  Verfassers  (dass  es  Antonius 
Gnipho  sei  oder  Aelius  Stilo  u.  dergl.)  brachten  es  kaum  bis  zu  einiger 
Wahrscheinlichkeit.  Die  durch  C.  L.  Kayser  (Münchner  Gel.  Anz.  1852, 
S.  492  IF.  und  in  seiner  Ausgabe)  wieder  aufgebrachte  Autorschaft  des 
CornificiuB  stützt  sich  auf  Quintilian.  Vgl.  I.  0.  III,  1,  21  nach  Nennung 
von  Cicero:  scripsit  de  eadem  materia  (Rhetorik)  non  pauca  Comificius, 
aliqua  Stertinius.  Aus  des  Cornif.  Werke  fuhrt  er  Verschiedenes  an,  ins- 
besondere lateinische  Bezeichnungen  für  griechische  Eunstausdmcke  (vgl. 
A.  1),  was  sich  genau  so  in  der  Khetorik  ad  Herennium  findet.  So  V^  10, 2  : 
ideo  illud  Comificius  contrarium  appellat  ==  ad  Her.  IV,  18;  IX,  2,  27: 
oratio  libera,  quam  Comificius  licentiam  vocat  =»  Her.  IV,  36,  48;  3,  71: 
Comificius  hanc  traductionem  vocat  »=  Her.  IV,  14,  20;  3,  91;  et  hoc  Cor- 
nificius  atque  Kutilius  ciripLu  iBitwq  putant  =  Her.  IV,  25,  35;  3,  98: 
adicit  his  .  .  Comificius  interrogationem  etc.  =s  Her.  IV,  15 — 30.  An  an- 
dern Stellen  entnimmt  Quintil.  demselben  Werke,  ohne  es  zu  nennen, 
Beispiele,  wie  IX,  3,  81  (=  Her.  IV,  14,  20).  56  («Her.  IV,  26,  34). 
70  (=  Her.  IV,  21,  29).  72  (=  Her.  IV,  22,  30).  Um  die  Zeit  des  Cicero 
sind  uns  mehrere  Comificii  bekannt.  So  einer  der  J.  680  scriba  des  Prä- 
tors Verres  war  (Verr.  Acc.  I,  67,  160),  ein  Senator  P.  Comificius  (Ascon. 
in  Mil.  p.  37)  und  Q.  Comificius,  welcher  685  tr.  pleb.  war  (Verr.  act. 
prima  10,  30:  Q.  Manlium  et  Q.  Cornificium^  duos  severissimos  atque  inte- 
gerrimos  iudices,  quod  tribuni  pl.  tum  erunt,  iudices  non  habebimus;  vgl. 
Ascon.  in  tog.  cand.  p.  82  Or.:  vir  sobrius  ac  sanctus),  690  Ciceros  Mitbe- 
werber um  den  Consulat  (Cic.  ad  Att.  I,  1,  1)  und  auch  bei  Sali.  Cat.  47,  4 
und  Cic.  ad  Att.  I,  13,  3  als  Senatsmitglied  genannt.  Eayser  Ed.  p.  VI 
hält  den  Letzteren  für  den  Verfasser. 

5.  Das  Werk  wurde  im  Mittelalter  viel  gebraucht  und  abgeschrieben; 
über  die  Hss.  davon  s.  Kayser  Ed.  p.  XV— XXX.  C.  Halm,  Analecta  Tul- 
liana,  Fase.  I:  lect.  var.  ad  iibros  rhet.  qui  ad  Her.  inscripti  sunt  ex  codd. 
coli,  cum  brevi  adnot.  critica,  München  1852.  J.  Simon,  die  Hdss.  der  Rh. 
an  Her.  I.  Schweinfurt  1863.  4.  II.  Schweinfurt  1864.  4. 

6.  Ausgaben  von  P.  Burmann  (mit  Cic.  de  inv.),  Lugd.  Bat.  1761,  und 
besonders  Cornifici  Khetoricorum  ad  C.  Herennium  libri  IV;  rec.  et  inter- 
pretatus  est  C.  L.  Kayser,  Lips.  1854.  XXX  und  328  pp.  8.  Vgl.  Kayser, 
Heidelb.  Jahrbb.  1854,  S.  411  —  413  und  Philologus  XII.  S.  271—279.     C. 


254    Siebentes  Jahrh.  d.  St.    160.  Prosaische  Inschrr.  aus  d.  J.  600 — 670. 

Halm,  zur  Textkritik  der  Rhetorik  ad  Her.,  Rhein.  Mus.  XV.  S.  536—573. 
L.  Spengel,  die  Interpolation  in  der  Rh.  ad  Her.,  ebend.  XVI.  S.  391—413. 
C.  Hansel,  zu  Comif.  Rh.,  Fleckeisens  Jahrbb.  93,  S.  851— 854k 

7.  üeber  das  Werk  s.  C.  L.  Kayser,  Münchner  Gel.  Anz.  1852,  Nr. 
59 — 62.  A.  Kammrath,  de  librorum  rhett.  ad  C.  Herenninm  auctore,  Holz- 
minden 1858.  23  pp.  8.  J.  Forchhammer,  Kort  udsigt  etc.  1858  f.  (s.  Philo- 
logus  XVI.  S.  674).  Mommsen,  R.  G.  II«.  S.  457  f.  W.  Teuffei,  über  €ic. 
Schriften  (Tübi.  1863.  4.)  S.  23—26.  F.  Blass,  Gesch.  d.  griech.  Bcredts. 
(1865)  S.  121  f. 

150         160.    Unter  den    prosaischen   Inschriften    aus   den  Jahren 

600 — 670  d.  St.  sind   besonders   erwähnenswerth   die  amtlichen 

Urkunden,  wie  die  tabula  Bantina,  lex  repetundarum,  lex 
agraria  u.  a. 

1.  Tabula  Bantina,  gefunden  zu  Bantia  in  Apulien,  auf  der  einen 
Seite  mit  lateinischem,  auf  der  andern  mit  einem  (nicht  identischen)  oskischen 
Texte,  auB  den  J.  621 — 636  d.  St.,  erstmals  veröffentlicht  1795.  Der  er- 
haltene Theil  enthält  Bestimmungen  zur  Sicherung  der  Verfassung  (von 
Bantia).  Pacsimile  bei  Ritschi  P.  L.  M.  E.  XIX;  Text,  Literatur  (z.  B. 
A.  Eirchhoff,  das  Stadtrecht  von  Bantia,  Berlin  1853)  und  Erläuterung  von 
Th.  Mommsen,  C.  I.  lat.  I  (1863).  p.  45—48. 

2.  Lex  (Acilia,  früher  unrichtig  Servilia)  repetundarum  vom  J.  631  oder 
632  d.  St.,  zuerst  vollständig  veröffentlicht  von  F.  ürsinus,  Rom  1583,  am 
besten  erläutert  von  C.  A.  C.  Klenze  (Berlin  1825.  4.).  Facsimile  (mit  unten 
Nr.  5)  bei  Ritschi  P.  L.  M.  E.  XXIII— XXVIII  j  Abdruck  und  Erläuterung 
im  C.  I.  lat.  I.  p.  49—72. 

3.  Gleichfalls  aus  der  Zeit  der  Gracchen  sind  wohl  die  Ueberreste 
einer  lex  de  quaestione  perpetua  bei  Ritschi  Tf.  UI,  bei  Mommsen  Nr. 
207  f.  p.  126;  sowie  wohl  die  Inschrift  des  L.  Betilienus  L.  f.  Vaarus  aus 
Aletrium,  ib.  1166,  p.  239. 

4.  Schiedsrichterlicher  Spruch  von  Q.  und  M.  Minucius  in  einer  Grenz- 
streitigkeit zwischen  den  Genuates  und  Viturii,  vom  J.  637  d.  St.,  gefunden 
1506;  bei  Ritschi  Tf.  XX,  im  C.  I.  lat.  I.  p.  72—74. 

5.  Lex  agraria  vom  J.  643  d.  St.,  früher  lex  Thoria  genannt  (die  aber 
in  635  oder  636  fiel),  vielleicht  von  dem  trib.  pl.  C.  Baebius  (Sali.  lug. 
32  f.);  erhalten  auf  der  Rückseite  der  lex  repet.  (Nr.  2),  im  C.  I.  lat.  I. 
p.  75—106. 

6.  Erlass  des  Prätors  L.  Cornelius  Cn.  f.  an  die  Tiburter,  wahrschein- 
lich aus  der  Mitte  des  siebenten  Jahrh.  d.  St.,  erstmals  gedruckt  1583,  im 
C.  I.  lat.  L  p.  107  f. 

7.  Lex  parieti  faciendo  aus  Puteoli  vom  J.  649,  aber  erst  in  der 
Kaiserzeit  eingehauen,  C.  I.  lat.  I,  577.  p.  163 — 165. 


161.  Charakter  der  ciceronischen  Zeit.  255 


m. 

Zweite  Periode. 
.  Das  goldene  Zeitalter  der  römischen  Literatur. 

Ciceronisches  und  augusteisches  Zeitalter,  J.  671 — 770  d.  St. 
A.  Cioeronisohe  Zeit,  J.  671—711  d.  St. 

16L  Das  goldene  Zeitalter  der  romischen  Literatur  ist  diei5i 
Periode  wo  sie  in  Bezug  auf  Formvollendung,  grossentlieils  auch 
in  sachlicher  Gediegenheit,  ihren  Höhepunkt  erreicht.  Diess 
vertheilt  sich  an  zwei  Grenerationen;  die  Prosa  ersteigt  ihren 
Gipfel  in  der  ciceronischen  Zeit,  die  Poesie  aber  in  der  augu- 
steischen. 

Zu  Anfang  der. ciceronischen  Zeit  ist  die  Niederwerfung 
der  Volkspartei,  der  Sieg  der  Nobilitat  eine  vollendete  That- 
Sache.  Aber  dieser  Zustand  war  ebenso  unhaltbar  wie  unbe- 
rechtigt. Die  Nobilitat  war  zu  entartet  und  zu  sehr  durch 
Selbstsucht  zerrissen  als  dass  ihre  Herrschaft  hätte  von  Bestand 
sein  können;  das  Volk  aber,  durch  die  Ausdehnung  des  römi- 
schen Bürgerrechts  auf  alle  Italiker  äusserlich  zu  einer  furcht- 
baren Macht  geworden,  war  thatsächlich  nunmehr  das  blinde 
Werkzeug  in  der  Hand  kühnen  Ehrgeizes.  Es  lag  Alles  fertig 
für  die  Herrschaft  eines  Einzigen,  welche  zu  behalten  Sulla  zu 
unbequem  gefunden  hatte,  so  dass  sogar  Abenteurer  wie  Catiüna 
es  wagen  konnten  danach  zu  greifen,  und  dem  Cn.  Pompejus 
bei  mehr  Festigkeit  des  Willens  sie  nicht  entgangen  wäre-,  aber 
den  verwöhnten  Günstling  des  Glückes  brachte  seine  Eitelkeit 
und  Empfindlichkeit  zu  einem  Schaukelsystem  das  damit  endete 
dass  er  bei  beiden  Parteien  Achtung  und  Vertrauen  eingebüsst 
und  dem  klaren  willensstarken  Caesar  in  die  Hände  gearbeitet 
hatte.  Die  nächste  Frucht  davon  war  das  erste  Triumvirat 
(694=60  v.Chr.),  die  weitere  der  Krieg  zwischen  Pompejus  und 
Caesar,  des  Erstem  Tod,  des  Caesar  Sieg  und  Alleinherrschaft. 
Die  hirnlose  Ermordung  Caesars  bewirkte  nur  dass  die  fast 
schon  todte  Republik  nochmals,  durch  einen  neuen  Bürgerkrieg, 
sterben  musste;  die  Agonie  begann  von  Neuem,  abermals  bildete 
ein  Triumvirat  die  Zwischenstufe  zur  Monarchie,  und  wie  das 
erste  dem  Cicero  die  Verbannung  gebracht  hatte,  so  kostete  das 
zweite  ihn  das  Leben. 


256  Ciceronisches  Zeitalter.   J.  671—711  d.  St. 

Die  Zeit  hat  nicht  die  fieberhafte  Erregtheit  der  gracchi- 
schen:  dazu  war  die  innere  Erschöpfung  des  einen  der  streiten- 
den Theile,  der  Nobilitat,  bereits  zu  gross;  aber  an  Leben 
hat  sie  keinen  Mangel.  Die  Parteien  kämpfen  gegen  einander 
noch  lange  mit  den  Waffen  des  Geistes,  mit  Wort  und  Feder, 
auf  dem  Forum  und  im  Senat,  auch  noch  als  bereits  die  rohe 
Grewalt  sich  geltend  machte  und  zuerst  Gladiatorenbanden,  dann 
formliche  Heere  die  Entscheidung  herbeiführten.  Die  Beredt- 
samkeit,  die  Geschichtschreibung,  die  politische  Literatur  hat 
daher  auch  in  dieser  Zeit  noch  fortwährend  das  Uebergewicht. 
Neu  ist  aber  dass  jetzt  ein  Zweig  der  Literatur  um  den  andern 
die  Hohe  der  Kunst  erklimmt,  indem  das  Vorurteil  schwindet 
als  sei  das  Schriftstellern  etwas  Unwichtiges  und  komme  es  da- 
bei fast  nur  auf  die  Sache  an.  Hierin  zeigt  sich  die  Unterwer- 
fung des  Römerthums  unter  den  hellenischen  Geist,  die  in  dieser 
Zeit  zum  festen  Ergebniss  wird  und  über  immer  mehr  Gebiete 
sich  ausbreitet.  Zwar  fehlt  es  noch  immer  nicht  an  Männern 
welche  treu  zur  nationalen  Fahne  stehen,  wie  Varro;  aber  sie 
sind  schon  weit  zurückgedrängt  und  stark  in  der  Minderheit. 
In  den  herrschenden  Kreisen  ist  die  Entfremdung  vom  Volke 
und  der  Abfall  vom  römischen  Wesen  ein  allgemeiner;  nur  dar- 
nach trachtet  ein  Jeder  dass  er  möglichst  rasch,  auf  irgend  wel- 
chem Wege,  durch  Baub  oder  durch  Käuflichkeit,  selbst  auch  zu 
der  Möglichkeit  gelange  es  Andern  gleichzuthun  in  toller  Ver- 
schwendung. Den  unnatürlich  gesteigerten  Gelüsten  kam  die 
überfeinerte  hellenische  Cultur  entgegen  und  ward  zur  Mode  wie 
zum  Bedürfniss.  Hellenen  sind  in  allen  Häusern,  als  Lehrer  der 
Jugend,  als  Vorleser,  als  Gesellschafter  im  Hause  und  auf  der 
Beise;  und  oft  sind  es  durch  Geist  und  Wissen  bedeutende 
Männer  die  sich  in  den  Dienst  der  römischen  Grossen  begeben 
und  ihnen  zu  imponieren  wissen:  Luculi  hat  seinen  Antiochos, 
M.  Crassus  dto  Alexander  Polyhistor,  L.  Piso  den  Philodemos. 
Auch  Staseas  bei  M.  Piso,  Philagros  bei  Metellus  Nepos  scheinen 
sich  über  das  Gewöhnliche  etwas  erhoben  zu  haben;  Cicero  hat 
Diodotos,  Lyson,  ApoUonios  in  seiner  Umgebung;  M.  Brutus 
den  Aristos,  Straton,  Poseidonios  und  Empylos.  Den  Meisten 
ist  es  zwar  wenig  Ernst,  hüben  und  drüben:  der  Grieche  will 
der  Nahrungssorgen  überhoben  sein,  und  der  Kömer  in  seinem 
Hofstaat  auch  einen  Philosophen,  Poeten  und  eine  dienstwillige 
Feder  haben.    Aber  tüchtigere  Naturen  und  Solche  deneji  Reich- 


161.  Charakteristik  und  Uebersicht.  257 

thum  und  hohe  Stellung  nicht  schon  als  Erbe  zugefallen  war 
erkennen  in  der  hellenischen  Bildung  ein  treffliches  Mittel  durch 
eigene  Leistungen  ihre  Vorgänger  zu  überbieten  und  so  empor- 
zukommen. Hatten  schon  bisher  Verbannte  ihren  Aufenthalt 
mit  Vorliebe  in  hellenischen  Städten  genommen ,  wie  Metellus, 
Rutilius  Rufus,  so  wurde  es  jetzt  immer  häufiger  dass  strebsame 
junge  Römer  Bildungsreisen  in  den  Osten  unternahmen,  nament- 
lich an  die  damaligen  Hauptsitze  der  philosophischen  und  rhe- 
torischen Studien,  nach  Athen,  Rhodus,  Mytilene,  und  am  Ende 
der  ciceronischen  Zeit  war  das  Beziehen  einer  griechischen  Hoch- 
schule schon  ein  anerkanntes  Erfordemiss  der  höheren  Bildung^ 
wie  das  Beispiel  des  jungen  Cicero  und  Horaz,  des  L.  Bibulus, 
Messala  u.  A.  zeigt.  Andererseits  ergossen  sich  über  Rom  ausser 
den  Hellenen  der  Gegenwart  auch  die  der  Vergangenheit,  in 
ihren  Büchern:  wie  schon  früher  Aemilius  Paullus  nach  seinem 
Siege  über  Perseus  eine  griechische  Bibliothek  nach  Rom  ge*- 
bracht  hatte,  so  kam  jetzt,  nach  der  Eroberung  Athens  durch 
Sulla,  die  Bibliothek  des  Apellikon  nach  Rom,  und  mit  ihr  be- 
sonders die  meisten  Schriften  des  Aristoteles  und  Theophrast; 
durch  Lucullus  ebenso  reiche  Bücherschätze  aus  der  pontischen 
Beute,  so  dass  es  von  jetzt  an  Bibliophilen  gab  (wie  Varro  und 
Cicero)  und  allmählich  ein  Buchhandel  sich  ausbildete,  wie  ihn 
z.  B.  Atticus  betrieb.  Auch  das  Uebersetzen  griechischer  Schrif- 
ten ins  Lateinische  wurde  hiedurch  gefordert.  Zwar  die  Vor- 
nehmeren bedurften  dessen  nicht,  da  sie  des  Griechischen  voll- 
kommen mächtig  waren  und  sogar  gerade  da  wo  sie  vertraulich 
und  gemütlich  wurden  mit  Vorliebe  sich  der  weichen  griechi- 
schen Sprache  bedienten*,  aber  auf  weitere  Kreise  war  doch  nur 
durch  Uebersetzungen  zu  wirken.  Indessen  waren  es  jetzt  nicht 
mehr  Dramen  worauf  sich  die  Uebersetzer  vorzugsweise  warfen: 
die  vornehme  Welt  liess  dem  Volke  seine  nationalen  Belusti- 
gungen und  amüsierte  sich  selbst  in  griechischen  Schauspielen. 
Wohl  aber  wurden  die  Erzeugnisse  hellenischer  Sittenlosigkeit 
und  Aufklärung  jetzt  ins  Lateinische  übertragen;  so  durch  Si- 
senna  die  Romane  des  Aristeides,  durch  Amafinius  u.  A.  epiku- 
reische Schriften.  Erst  später  übersetzten  Cicero  und  dann  Mes- 
sala auch  ernstere  griechische  Schriften.  Es  war  begreiflich  und 
durch  die  griechischen  Lehrer  selbst  verschuldet  dass  überhaupt 
nicht  sowohl  die  alte  echte  classische  Literatur  der  Hellenen 
den  Römern  in  die  Hände  kam,    sondern  die  leichtwiegende  der 

Tkvpfsl,  Rom.  Literaturgetckichte.    2.  Aufl.  17 


258  CiceronischcB  Zeitalter.  J.  671—711  d.  St. 

Gegenwart  und  letzten  Vergangenheit.  So  bildeten  die  Redner 
sich  nicht  sowohl  nach  Demosthenes  als  nach  den  hellenischen 
Rhetoren  Eleinasiens^  wo  das  Griechische  mit  Orientalischem 
zersetzt  war;  und  als  später  eine  jüngere  Schule  auf  Lysias  zu- 
rückgieng  ward  dieser  Missgriff  dadurch  noch  gesteigert  dass 
dieselben  Männer  in  der  Poesie  sich  die  Alexandriner  zu  Vorbildern 
wählten.  Aber  so  wunderbar  reich  und  unverwüstlich  war  der 
hellenische  Geist  dass  er  trotz  alledem  noch  mächtige  Wirkun- 
gen übte,  und  nicht  blos  zerstörende:  vielmehr  geht  er  jetzt  mit 
dem  Römerthum  einen  Bund  ein  dessen  Früchte  die  meisten 
literarischen  Erscheinungen  dieser  Periode  sind.  Zwar  verleugnen 
diese  ihren  romischen  Ursprung  nicht:  er  verräth  sich  theils  in 
dem  Ueberwiegen  der  praktischen  Richtung  in  der  Literatur 
theils  auch  in  dem  Mangel  an  Feinheit  welcher  den  Einen,  wie 
Lucretius  und  (.-atuU,  dem  Capriciösen  welches  Anderen,  wie 
dem  Sallust,  anhaftet.  Aber  noch  unverkennbarer  sind  die  Spu- 
ren der  griechischen  Einwirkung  in  dem  Reichthum,  der  Manch- 
faltigkeit,  der  Achtung  und  Popularität  welche  die  Literatur  all- 
mählich gewinnt  und  ganz  besonders  in  der  Sorgfalt  welche  jetzt 
der  Form  zugewendet  zu  werden  anfängt  und  welche  am  Ende 
der  ciceronischen  Zeit  theilweise  sogar  in  einseitigen  C'ultus  der 
Form  ausartet. 

Die  praktische  Richtung  der  Literatur  und  der  Einfluss  der 
politisch  bewegten  Zeit  tritt  besonders  hervor  an  den  Gebieten 
welche  jetzt  hauptsächlich  Anbau  iSnden.  Die  Beredtsamkeit 
vor  Allem  erreicht  jetzt  in  kunstmässigem  Betriebe  ihren  Gipfel- 
punkt. Schon  bisher,  wo  griechischer  Geschmack  und  griechische 
Kunst  nur  vereinzelt  eingewirkt,  hatte  sie  es  zu  Leistungen 
gebracht  welche  in  Verarbeitung  und  Verwerthung  der  politi- 
schen und  der  Rechtsfragen  und  in  packender  Kraft  die  Hellenen 
weit  hinter  sich  Hessen;  und  noch  zu  Anfang  dieser  Periode  ist 
Hortensius  ein  glänzender  Beweis  was  romisches  Talent  auch 
bei  einseitiger  Schulung  erreichen  konnte.  Ein  Fortschritt  war 
kaum  möglich  von  Seiten  der  Natur  und  Begabung;  er  war  es 
aber  auf  Seiten  der  Kunst,  und  hier  geschah  er  durch  Cicero. 
Unersättlich  im  Lernen,  unermüdhch  arbeitend  an  seiner  geisti- 
gen Vervollkommnung,  hat  er  den  Gesichtskreis  und  die  Stoffe 
der  Beredtsamkeit  erweitert,  reiche  Kenntnisse,  klares  Bewusst- 
sein  der  Kunstgesetze  und  ein  verfeinertes  Gefühl  für  das  Schöne 
und   Passende   im   sprachlichen   Ausdruck    in   ihren   Dienst   ge- 


161.  Charakteristik  und  Ueberaicbt.  259 

bracht  und  dadurch  anstatt  der  bisherigen  Zerfahrenheit  dem 
lateinischen  Stile  Gesetz  und  Ordnung  und  Reinlichkeit  verliehen. 
Willig  erkannten  auch  Zeitgenossen  wie  Caesar  hierin  seine 
üeberlegenheit  und  Mustergültigkeit  an.  Zwar  musste  er  am 
Abende  seines  Lebens  die  Erfahrung  machen  dass  die  jüngere 
Generation  sich  über  ihn  hinausgeschritten  dünkte^  ihn  zu  asia- 
tisch fand  und  den  Namen  Atticisten  ausschliesslich  für  sich  in 
Anspruch  nahm;  und  auch  in  der  Zeit  unmittelbar  nach  ihm 
sträubten  sich  Sallust  und  Asinius  PoUio  gegen  seine  Stilistik. 
Aber  in  der  Hauptsache  blieb  diese  siegreich;  sein  Sprachschatz^ 
Wortgebrauch  und  Satzbau  wurde  der  classische  und  fand^  nach- 
dem Rom  selbst  allmählich  davon  abgefallen  war^  in  späten  Jahr- 
hunderten ehrenvolle  Wiederaufrichtung. 

In  Zusammenhang  mit  der  kunstmässigen  Ausbildung  der 
Beredtsamkeit  gewann  auch  die  Theorie  derselben^  die  Rheto- 
rik, an  Bedeutung.  Hier  aber  herrschten  jetzt  die  Griechen, 
Hermagoras,  Molon,  ApoUodoros,  Theodoros;  und  deren  Lehr- 
bücher wurden  beim  Unterrichte  entweder  im  Original  zu  Grunde 
gelegt  oder  in  einer  lateinischen  Uebersetzung,  dergleichen  Val- 
gius  anfertigte.  Cicero,  der  in  seiner  Jugendschrift  de  inven- 
tione  den  gleichen  Weg  gegangen  war,  verfolgte  in  seinen 
reiferen  Jahren  eher  die  Bahn  der  Rhetorik  ad  Herennium,  in- 
dem auch  er  die  Streitfragen  der  Schulen  bei  Seite  liess,  steigerte 
aber  dabei  das  Popularisieren  des  Stoffes.  Denn  an  die  Stelle 
der  knappen  strengen  Methodik  jener  Schrift  setzte  er  unter- 
haltendes, durch  die  Vielseitigkeit  seiner  Kenntnisse  und  den 
Reichthum  seiner  eigenen  Erfahrungen  anziehendes  und  be- 
lehrendes Reden  über  die  Fragen  der  Rhetorik. 

Nächstdem  gedieh  in  dieser  Zeit  die  politische  Literatur. 
Mit  der  Verbreitung  der  Bildung  war  der  Griffel  immer  mehr 
zu  einer  Macht  geworden,  und  an  Händen  die  bereit  waren  ihn 
zu  führen  war  Ueberfluss.  Um  alle  bedeutenden  Persönlichkeiten 
und  Vorgänge  der  Zeit  setzt  sich  daher  alsbald  eine  Literatur 
an  von  Plug-  und  Streit -Schriften,  von  Memoiren  und  Biogra- 
phien. Auch  die  auffallend  zahlreiche  Bearbeitung  welche  die 
sacralen  Gebräuche  in  dieser  Zeit  fanden  —  durch  A.  Caecina, 
Appius  Pulcher,  Valerius  Messala,  Trebatius  —  erklärt  sich  wohl 
aus  deren  politischer  Bedeutung.  Ebenso  steht  der  Briefwechsel 
zu  einem  guten  Theile  in  solchem  Zusammenhang,  noch  mehr 
die  Geschichtschreibung,   wie  Caesars  Beispiel  zeigt.     Neben 

17* 


260  Ciceronisches  Zeitalter.   J.  671—711  d.  St. 

dieser  politisch  gefärbten  Historiographie  hat  die  alte  anna- 
listische  Weise  noch  ihre  Ausläufer,  den  vollkommensten  in  Cor- 
nelius Nepos.  Reichsten  Stoflf  lieferten  Varro's  geschichtliche 
Werke.  Uebersichten  verfassten  M.  Varro,  Atticus  und  Cornelius 
NepoS;  diese  drei  zugleich  Vertreter  der  vergleichenden  Geschicht- 
schreibung (Griechen  und  Römer).  Für  die  stoffliche  Seite  der 
Geschichte  war  die  Einführung  einer  amtlichen  Zeitung  (acta 
diurna)  durch  Caesar  (J.  695  =  59)  sowie  das  Aufkommen  der 
Stenographie  (notae  Tironianae)  höchst  förderlich.  Andrerseits 
enthält  diese  Zeit  in  Sallust  den  ersten  Vertreter  der  neuen 
Weise,  welche,  in  dem  Bewusstseih  dass  Geschichte  zu  schreiben 
auch  eine  Kunst  sei,  in  Schilderung  der  Begebenheiten  und  han- 
delnden Charaktere  den  griechischen  Vorbildern  nachstrebt. 

Mit  der  Geltung  der  Bildung  wuchs  auch  die  der  Forschung 
und  Gelehrsamkeit,  zumal  da  sie  einen  Varro  hatte,  der  in 
einem  langen  Leben  eine  erstaunliche  Fülle  des  Wissens  sich 
erwarb  und  in  Schriften  niederlegte,  in  ehrlichem  nationalem 
Sinne,  und  so  reich  dass  Jahrhunderte  davon  zehrten.  Nächst 
ihm  genossen  Valerius  Cato,  Nigidius  Figulus  und  Santra  das 
meiste  Ansehen;  auch  Aristokraten  wie  Valerius  Messala  (C6s. 
701)  betheiligten  sich  an  der  Erforschung  des  vaterländischen 
Alterthums.  Die  Werkzeuge  der  Civilisation,  die  Lehrer,  zogen 
persönlich  noch  wenig  Vortheil  aus  dem  wachsenden  Eifer 
für  Bildung.  Selten  widmeten  sich  Freie  diesem  Berufe,  wie 
Orbilius  Pupillus,  und  dieser  ward  nie  des  Lebens  froh;  die 
meisten  waren  noch  immer  Freigelassene  griechischen  Ursprunges, 
wie  Curtius  Nikias,  Lenäus,  Attejus  Praetextatus,  Caecilius  Epirota. 

Ausser  den  Lehrern  lieferte  Hellas  nach  Rom  hauptsächlich 
Philosophen,  und  durch  diese  fand  philosophisches  Dispu- 
tieren und  Schriftstellern  in  Rom  immer  mehr  Eingang.  Eine 
Seltenheit  war  es  aber  dass  man  es  damit  so  wichtig  nahm  wie 
Cato  mit  seinem  Stoicismus  oder  Lucretius  mit  seinem  epikurei- 
schen Bekenntniss;  die  Meisten  pflückten  aus  den  verschiedenen 
Systemen  die  ihnen  zusagenden  Früchte.  Auch  die  Schrift- 
steller auf  diesem  Gebiete  entschieden  sich,  wie  die  Hauptphilo- 
sophen des  damaligen  Hellas  selbst,  für  einen  Eklekticismus 
dessen  einzelne  Bestandtheile  je  nach  der  Individualität  des  Ver- 
fassers gemischt  waren.  So  hielt  Varro  in  der  Ethik  zur  Aka- 
demie, sonst  zur  Stoa,  M.  Brutus  umgekehrt  in  der  Ethik  zur 
Stoa,  sonst  zur  Akademie,  und  Cicero  liess  am  liebsten  die  ver- 


161.  Charakteristik  und  Üebersicht.  261 

scliiedenen  Systeme  gegen  einander  reden.  Ausser  Lucretius 
haben  wir  aus  dieser  Zeit  nur  von  Cicero  Schriften  philosophi- 
schen Inhalts,  und  deren  Werth  liegt  lediglich  in  ihrer  Form, 
in  der  Gewandtheit  womit  die  lateinische  Sprache  den  neuen 
Stoffen  angepasst  ist. 

Die  Poesie  spielte  in  dieser  Zeit  lange  eine  untergeordnete 
Rolle  und  hat,  ausser  dem  was  M.  Varro  und  M.  Cicero  in  dieser 
Art  unternahmen,  nur  die  Arbeiten  des  Valerius  Cato,  Furius 
Bibaculus  und  Q.  Cicero  aufzuweisen.  Das  Bedeutendste  unter 
diesen  leistete  M.  Varro,  der  durch  die  Manchfaltigkeit  der  von 
ihm,  besonders  in  seinen  saturae  Menippeae,  angewandten  metri- 
schen Formen  und  die  Strenge  die  er  sich  dabei  auferlegte  ein 
Vorgänger  der  alexandrinisierenden  Dichter  war.  In  der  zweiten 
Hälfte  des  Zeitraums  macht  sich  der  Einfiuss  des  Hellenismus 
auch  darin  bemerklich  dass  der  Poesie  grössere  Aufmerksamkeit 
geschenkt  wird.  Die  erste  bedeutende  Frucht  dieser  Bewegung 
ist  das  Lehrgedicht  des  Lucretius,  zwar  durch  und  durch  römisch 
in  seiner  ehrlichen  Schroffheit  und  alterthümlichen  Sprache, 
aber  zugleich  erfüllt  von  einem  Geiste  der  Aufklärung-  und  in 
seiner  Form  auf  der  Bahn  des  Ennius  weiter  wandelnd.  Die 
jüngere  Generation  sodann  verbreitete  sich  über  die  verschiedenen 
Zweige  der  Poesie  und  versuchte  sich  in  den  manchfaltigsten 
Formen,  mit  Geist  und  Erfolg  CatuU,  neben  ihm  seine  Freunde 
Licinius  Calvus  und  Helvius  Cinna,  auch  Varro  Atacinus  und 
Cassius  aus  Parma.  Nur  das  Drama  blieb  von  diesen  unange- 
baut:  in  ihrer  selbstgenügsamen  Abkehr  von  der  eigenen  Nation 
verschmähten  sie  es  für  das  Volk  zu  dichten  und  bildeten  lieber 
die  geistesarmen,  aber  formcorrecten  alexandrinischen  Dichter 
nach.  Die  Bühne  sah  sich  so  auf  die  Vergangenheit  angewiesen, 
und  ausgezeichnete  Schauspieler,  wie  der  Tragöde  Aesop  und  der 
Komöde  Roscius,  hauchten  den  Stücken  der  Tragiker  und  Pal- 
liatendichter  des  sechsten  Jahrh.  d.  St.  neues  Leben  ein.  Unter 
den  volksmässigeren  Gattungen  gewann  im  Laufe  der  ciceroni- 
schen  Zeit  der  Mimus  die  Herrschaft,  als  die  entsprechendste 
Darstellung  der  hauptstädtischen  Zügellosigkeit.  Für  ihn  arbeitete 
der  römische  Ritter  D.  Laberius,  sowie  der  Freigelassene  und 
Schauspieler  Publilius  Syrus.  Durch  Laberius  wurde  der  Mimus 
zugleich  in  die  Literatur  eingeführt. 

In  dieser  Zeit  wurde  auch  der  letzte  Rest  der  nationalen 
Prosodik  beseitigt.      Das    im    Leben    fast   unhörbare    und    daher 


262  Ciceronisches  Zeitalter.   J.  671—711  d.  St. 

von  Ennius  vor  Consonanten  unberücksichtigt  gelassene  auslau- 
tende s  wurde  von  den  alexandrinisierenden  Dichtem  dieser  Zeit 
grundsätzlich  und  regelmässig  als  voller  Consonant  behandelt, 
nachdem  noch  M.  Varro  und  Lucretius  das  prosodische  Ignorie- 
ren desselben  sich  erlaubt  hatten,  obwohl  verhältnissmässig  nicht 
allzuhäufig.  ^)  Nur  die  Verschleifung  von  auslautendem  m  vor 
anlautendem  Vocal  blieb  für  alle  Zeit  bestehen-  Auch  das  ist 
ein  Symptom  des  Sieges  den  der  Hellenismus  gewonnen  dass 
das  lateinische  Alphabet  in  dieser  Zeit  um  die  griechischen  Buch- 
staben y  und  z  vermehrt  wird  und  die  griechischen  Aspirate 
jetzt  in  der  lateinischen  Schrift  (durch  th,  ph,  ch)  wiedergege- 
ben werden.*)  Lang  i  wird  seit  der  suUanischen  Zeit  theils 
durch  ein  über  die  Höhe  der  Zeile  verlängertes  I  theils  durch 
einen  Apex  bezeichnet.^) 

Unter  den  literarischen  Persönlichkeiten  der  ciceronischen 
Zeit  besteht  ein  stark  ausgeprägter  Unterschied  je  nachdem  sie 
der  ersten  oder  der  zweiten  Hälfte  derselben,  der  älteren  oder 
der  jüngeren  Generation,  angehören.  Die  Aelteren,  deren  Jugend 
in  die  Schreckenszeit  der  Kämpfe  zwischen  Sulla  und  Marius  fiel, 
haben  in  Literatur  und  Leben  noch  eine  gewisse  ernste  Haltung, 
die  auch  dem  Furius  Bibaculus  nicht  abzusprechen  ist.  Das 
Ende  des  siebenten  Jahrh.  d.  St.  und  den  Anfang  des  achten 
kennen  wir  aus  Cicero  und  Catull  als  eine  stürmische  entfesselte 
Zeit;  es  ist  die  Zeit  eines  Clodius  und  der  Clodia,  wo  Zucht- 
losigkeit  für  Genialität  galt  und  die  altrömische  Ehrbarkeit  aus 
Leben  und  Literatur  geschwunden  war.*)  Die  jüngere  Genera- 
tion, die  in  dieser  Atmosphäre  aufwuchs  und  frühzeitig  in  den 
Strudel  hineingerieth,  wurde  von  ihm  auch  verschlungen,  ver- 
zehrte in  Sinnentaumel  rasch  ihre  Kräfte  und  fand  ein  frühes 
Ende.  Gegenüber  von  den  altrömischen  Dichtem,  die  auch 
durch  das  hohe  Alter  das  sie  erreichten  als'  wahre  Patriarchen 
dastehen,  ist  es  auffallend  wie  kurzlebig  die  Schriftsteller  dieser 


^)  Vgl.  J.  Jessen,  Quaestiones  Lacretianae  p.  22 — 26. 

*)  Cic.  orat.  48,  160.     Quintil.  XII,  10,  27. 

')  Ol.  Kellermann  in  0.  Jahn's  Spec.  epigraph.  (Kiel  1841)  p.  105  ff. 
F.  Bitschl  im  Rhein.  Mus.  XIV.  S.  299  ff.  378  ff.  487  f.  und  P.  L.  M.  E.  Suppl. 
V  (Bonn  1864).  p.  XIV  f.  W.  Schmitz,  studia  orthogp.  et  orthogr.  lat., 
Düren  1860.  4. 

*)  Cic.  p.  Cael.  17,  40:  haec  genera  yirtutum  non  solum  in  moribus 
nostris  sed  vix  iam  in  libris  reperiuntur. 


161.  Charakteristik  und  üeberaicht.  263 

Zeit  sind,  ein  CatuU,  Calvus,  Caelius  Rufas,  theilweise  auch  Lu- 
cretius  und  Sallust.  Sie  sind  auch  in  dieser  Hinsicht,  wie  in 
ihrer  literarischen  Richtung,  die  Vorläufer  der  Augusteer,  eines 
TibuUus  und  Propertius,  nur  dass  diese  an  den  politischen  Ver- 
hältnissen eine  Art  Gegengewicht  besassen.  Diejenigen  unter 
ihnen  denen  ein  längeres  Leben  beschieden  war  erreichten  theil- 
weise erst  in  der  augusteischen  Zeit  den  Höhepunkt  ihrer  Wirk- 
samkeit, wie  Trebatius,  Asinius  Pollio,  Q.  Tubero,  C.  Matius. 

Innerhalb  der  beiden  Generationen  selbst  besteht  wiederum 
ein  Unterschied  hinsichthch  der  nationalen  und  der  politischen 
Richtung.  In  der  älteren  ist  der  Gegensatz  zwischen  Alterthüm- 
lich  und  Fortgeschritten  verkörpert  auf  dem  Gebiete  der  Prosa 
in  Varro  und  Cicero,  bei  der  jüngeren  innerhalb  der  Poesie 
durch  Lucretius  und  CatuU;  die  Einen  sind  national  und  auf  die 
Sache  gerichtet,  die  Andern  hellenisieren  und  streben  nach  voll- 
endeter Form.  Cicero  und  der  Kreis  des  Catull  stehen  so  prin- 
cipiell  auf  demselben  Boden;  aber  das  gleiche  Princip  wird  dort 
mit  Mass  durchgeführt,  hier  mit  schroffer  Einseitigkeit,  so  dass 
die  Epigonen  die  Nase  rümpfen  über  den  zurückgebliebenen 
Consularen,  und  Cicero  sich  mokiert  über  die  neumodischen 
Dichterlinge  die  in  der  Beredtsamkeit  nichts  Höheres  kennen  als 
Lysias  und  in  der  Poesie  dem  Euphorion  nachleiern.^)  In  der 
Pohtik  geht  dann  die  jüngere  Generation  wieder  auseinander,  je 
nachdem  sie  republikanisch  gesinnt  ist  —  wie  Catull,  Calvus 
und  die  bedeutendsten  Theilnehmer  der  Verschwörung  gegen 
Caesar,  M.  und  D.  Brutus,  C.  Cassius  und  Cassius  aus  Parma  — 
oder  auf  Caesars  Seite  steht,  wie  Sallust,  C.  Matius,  Q.  Tubero, 
M.  Antonius,  Curio,  Trebatius,  Asinius  Pollio  u.  A. 

Auch  das  ist  eine  Eigenthümlichkeit  dieser  Zeit  dass,  nach- 
dem mit  dem  marsischen  Kriege  die  letzten  Schranken  zwischen 
Rom  und  Italien  gefallen  sind,  die  italischen  Landstädte  in  zu- 
nehmendem Masse  an  der  Literatur  sich  betheiligen  und  diese 
allmählich  aus  einer  römischen  zu  einer  italischen  wird.  Als 
vollends  auch  das  diesseitige  GaUien  in  den  Verband  gezogen 
war  und  Italien  nunmehr  seine  natürlichen  Grenzen  hatte,  so 
strömen  auch  von  dort  die  Talente  auf  den  grösseren  Schauplatz. 

Catull,   Cornelius  Nepos,   Furius  Bibaculus,   Cassius  (Parmensis) 

— — ^— ^— — — —  , 

*)  Cic.  orat.  48,  161  (poetae  novi).  ad  Att  VII,  2,  1  (vsoategot  und 
anovdstd^ovxeg).  Tusc.  III,  19,  45  (cantores  Euphorionis),  Vgl.  auch 
Quintil.  XU,  10,  12  ff. 


2fj4  Ck»n0iii£cbe«  Zeitalter,   t.  671—711  d.  St. 

und  w^tterfain  Äenübns  Macer,  Cornelias  (talluB,  T.  Livins  sind 
aiu  Oberitalien  gebürtig,  Varro  (Atacinos)  und  Pompeius  Trogus 
US  dem  jenseitigen  Gallien.')  Wollten  feinere  Ohren  auch 
»en  Xeorömem  etwas  heraashören  was  sie  von  der 
IS  unterschied,  *)  so  beeassea  Letztere  am  so  mehr  Frische 
Ter.  Die  langsamere  Entwicldnng  der  femer  stehenden 
[taUens  bot  dazn  den  Yortheil  dass  sie,  unabhängiger  von 
ich  wechselnden  Moden  Borns,  um  so  treaer  festhielten 
wahrhaft  ClassischeD^),  und  aas  dieser  Quelle  schöpfend 
sie  in  der  folgenden  Zeit  oft  genug  neue  Lebenskraft 
Ton  der  ewigen  Unruhe  anfgeriebenen  und  erschöpften 
der  Weltstadt 

rch  Umfang  und  nachhaltigen  Einfluss  seiner  schritl- 
chen  Thätigkeit  nimmt  Cicero  in  dieser  Zeit  eine  Central- 
;  ein.  Um  ihn  gruppieren  sich  die  Aelteren  und  ein 
ler  JOngeren.  Etwas  älter  als  Cicero  sind  Varro  (geb. 
iquilins  Gallus,  die  Optimaten  M.  Crassus  (geb.  vor  639), 
illus  (geb.  uro  640),  Hortensius  (geb.  640),  M.  Piso  (geb. 
),  sowie  Atticns  (geb.  645),  die  epikureischen- Uebersetzer 
Albucius.  Gleichaltrig  mit  Cicero  sind  Cn.  Pompejus  und 
e  (beide  geboren  648),  Sulpicius  Rufus,  sowie  ongefahr 
!ejns,  Q.  Tubero,  Q.  Cicero  (geb.  652)  und  Furius  Biba- 
geb.  651).  Auch  Tiro,  Trebatius  Testa  {geb.  um  665) 
ra  Nigidius  Figulus  (Prätor  696)  gehören  noch  zu  seinem 
Sonst  aber  übt  auf  die  Jüngeren  Caesar  (geb.  654) 
i  Anziehungskraft.  Unter  diesen  stehen  an  Lebensjahren 
icero  näher  Lueretius  (geb.  655),  Cato  Uticensis  (geb. 
j.  Memmius  (Prätor  696),  Cornelius  Nepos  (geboren  um 
P'alerius  Cato  (geb.  um  664),  Hirtius,  Oppius,  Munatius 
:,  M.  Calidiua,  C  Trebonius,  Maecius  Tarpa,  C.  Cassius, 
a  Messala.  Orbilius  Pupillus,  obwohl  schon  640  geboren, 
t  erst  jetzt  seine  Wirksamkeit.  Die  noch  Jüngeren 
soweit  sie  Gegner  der  werdenden  Monarchie  sind,  viele 
ingspunkte  mit  Cicero  gemein,  sind  aber  fast  noch  mehr 
II  umworben  als  dass  sie  seine  Gunst  suchten.   Dahin  ge- 

agua,  stndia  latina  provincialiuin,  Helsingfora  1849. 
ic.  Brut.  171  f. 

ocb   Suoton.   gmmm.  'H  aa^t:    in   proviiicia  .  .  duraut«    adhac   ibi 
,  necdiiTn  ornuinu  ikUolilii  aicut  Romae. 


162.  Varro's  Leben  und  Charakter.  265 

hören  M.  Brutus  (geb.  669),  D.  Brutus  (geb.  nach  670),  Calvus 
(geb.  672),  auch  Catull  (geb.  667).  unter  den  Caesarianem 
dieses  Alters  hat  Cicero  zu  C.  Matius  (geb.  um  670)  und  Caelius 
Ruf  US  (geb.  um  666)  ein  freundliches  Verhältniss,  ein  zweifel- 
haftes zu  Asinius  Pollio  (geb.  670),  ein  feindseliges  zu  Sallust 
(geb.  667)  und  M.  Antonius  (geb.  um  671).  Von  Varro  Ata- 
cinus  (geb.  um  672)  sind  die  persönlichen  und  politischen  Be- 
ziehungen unbekannt. 

Das  Consnlatsjahr  Ciceros  (691)  bildet  einen  gewissen 
Wendepunkt  wie  in  Ciceros  Leben  so  |auch  in  der  Stellung  der 
Parteien.  Wir  zerlegen  hienach  die  ciceronische  Zeit  in  zwei 
Hälften  und  theilen  der  ersten  diejenigen  Schriftsteller  zu  deren 
persönliche  oder  literarische  Blütezeit  vor  jenes  Jahr  fällt,  der 
zweiten  die  erst  nach  691  zur  Blüte  gelangten. 

Erste  Hälfte  der  clceronischen  Zeit. 

Die  Jahre  671—691  d.  St. 

• 

162.  M.  Terentius  Varro,  geboren  J.  638  in  der  sabini-152 
sehen  Stadt  Reate,  aus  einem  altsenatorischen  Geschlechte,  wid- 
mete sich  von  Anfang  an  hauptsächlich  der  Forschung  und 
literarischer  Thätigkeit,  blieb  aber  auch  dem  öffentlichen  Leben 
nicht  fem  und  wurde  namentlich  von  Pompejus  in  amtlichen 
Stellungen  verwendet  wo  es  auf  Zuverlässigkeit  und  Tüchtigkeit 
ankam.  Auch  im  Bürgerkriege  kämpfte  er  auf  Seiten  der  Ver- 
fassungspartei in  Spanien  gegen  Caesar,  wurde  vom  Sieger  zum 
Vorstande  der  zu  gründenden  öffentlichen  Bibliothek  bestimmt, 
von  M.  Antonius  aber  (J.  711)  auf  die  Aechtungslinie  gesetzt.  Der 
Gefahr  entgangen,  erreichte  er,  bis  an  sein  Ende  arbeitsam,  fast 
das  neunzigste  Lebensjahr.  Varro  ist  ein  Schriftsteller  von 
wunderbarer  Fruchtbarkeit  und  Vielseitigkeit  der  Stoffe  wie  der 
Form,  dabei  eine  eigenthümliche  Mischung  von  Volksmässigkeit 
und  universellster  Bildung,  Lustigkeit  und  Pedanterie;  ein  ehren- 
hafter Charakter,  bieder  und  nüchtern  und  heiter,  der  alten  Zeit 
anhängend  imd  von  römischem  Patriotismus  erfüllt,  aber  auch 
für  griechische  Bildung  offen,  ohne  jedoch  um  Ebenmässigkeit 
und  Schönheit  der  Darstellung  sich  zu  bemühen;  insbesondere 
gefallt  sich  sein  Humor  in  phantastischen  und  barocken  Ein- 
kleidungen. 

1.   Hieronym.   in   Euseb.   chron.  ad  a.  Abr.  1901  =  638  d.  St..  =  116 
V.  Chr.:    M.  Terentius  Varro  filosofus  et  poeta  nascitur.    Derselbe  ad  1990 


266  Ciceronische  Zeit.  Erste  Hälfte,  J.  671—691. 

SS  727  =  27  V.  Chr.:  M.  Terentius  Varro  filosofos  prope  nonagenarius 
moritur.  BeatinnB  nennt  ihn  Symmachos  Epist.  I,  2;  vgl.  Yarr.  R.  E.  IL 
praef.  6.  II,  8,  3.  5.  6.  Von  sich  wohl  sagte  er  im  Catus:  mihi  puero  mo- 
dica  nna  fait  tanica  et  toga,  sine  fasciis  calciamenta,  equus  sine  ephippio, 
balneum  non  cotidianmn,  alveus  rarus.  Schüler  des  Stilo  (s.  147,  1)  und 
des  Antiochos  aus  Askalon  (Cic.  Acad.  post.  I,  3,  12),  wie  Cicero,  aber  vor 
diesem.  Befreundet  mit  Cn.  Pompejus  (Q«ll.  XIY,  7,  2)  und  Atticus  (Cic. 
ad  Att.  II,  26,  1.  Varro  R.  R.  II,  1,  25.  2,  2),  mit  Cicero  aber,  bei  der 
Yerschiedenartigkeit  d^s  beiderseitigen  Wesens,   nie  besonders  intim  (Roth 

5.  8).  Briefe  Cicero's  an  ihn,  ad  Farn.  IX,  1—8.  Volkstribun  (Gell.  XHI, 
12,  6);  aedil.  cur.  (Vitruv.  II,  8,  9  vgl.  Plin.  N.  H.  XXXV,  14,  49).  Nach 
Münzen  Pro  Q(uaestore)  des  Procos.  Pompejus,  wahrscheinlich  678  in  Spa- 
nien gegen  Sertorius  (Roth  S.  12,  A.  21),  wo  er  um  diese  Zeit  diente  (Sali. 
Hist.  II.  fr.  42:  haec  postquam  Varro  in  maius  more  rumorum  accepit), 
sicher  im  Seeräuberkriege  (J.  687)  sein  Legat  (Varr.  R.  R.  II,  praef.  7)  und 
mit  einer  Corona  navalis  geehrt  (Plin.  N.  H.  VII,  30,  51),  wahrscheinlich 
(Roth  S.  17)  auch  im  mithridatischen  (J.  688  f.).  Wohl  nach  diesem  war 
er  Prätor  (Themist.  p.  453  Dd.:  Bdffciy»  triv  i^aniXs%w  i^pz^v  uqxi^v^  vgl. 
Appian.  b.  c.  IV,  47  icxQazriyri'tuog).  3.  695  Mitglied  der  Zwanzigercom- 
mission für  AusfCihrung  der  von  den  Triumvim  durchgesetzten  lex  lulia 
agraria  (Varr.  R.  R.  I,  2,  10  vgl  Plin.  N.  H.  VII,  53).  J.  705  mit  Afranius 
und  Petrejus  Legat  des  Pompejus  in  Spanien,  musste  er,  nach  dem  Abfall 
der  einen  seiner  Legionen,  sich  Caesar  ergeben  (Caes.  b.  c.  I,  38.  II,  17 — 20) 
und  scheint  sich  nun  am  weiteren  Kriege  gegen  diesen  nicht  betheiligt  zu 
haben.   J.  707  widmete  Varro  ihm  seine  Antiquitates  rerum  div.  (Lactant.  I, 

6,  7.  Augustin.  Civ.  D.  VQ,  35).  Bestimmung  zum  Bibliothekar,  Suet. 
Caes.  44  vgL  Isid.  Orig.  VI,  5,  1.  M.  Antonius,  der  707  auf  Caesars  Befehl 
dem  Varro  ein  schon  geraubtes  Gut  wieder  hatte  herausgeben  müssen  (Cic. 
Phil.  II,  40,  103)  und  J.  710  desselben  sich  abermals  bemächtigte  (ib. 
41,  104  f.),  proscribierte  ihn  711;  aber  Fufius  Calenus  rettete  ihm  das 
Leben  (App.  b.  c.  IV,  47),  wogegen  ein  Theil  seiner  Bibliothek  (Gell.  III, 
10,  17)  und  sein  reicher  Grundbesitz,  wie  es  scheint,  für  ihn  verloren  blieb 
(Roth  S.  28  f.).  Val.  Max.  VIII,  7,3:  Terentius  Varro  .  .  non  annis,  qui- 
bus  saeculi  tempus  aequavit,  quam  stilo  vivacior  fuit.  in  eodem  enim 
lectulo  et  Spiritus  eins  et  egregiorum  operum  cursus  exstinctus  est.  Plin.  N. 
H.  XXIX,  19:  nisiM.  Varronem  scirem  LXXXIH  (L.  v.  Jan;  früher  LXXXVIII) 
vitae  anno  prodidisse  etc.  Vgl.  unten  163,  1.  J.  G.  Schneider,  de  vita  M. 
Ter.  Varr.,  in  seinen  Scriptores  rei  rusticae  I,  2.  p.  217—240.  A.  Haakh  in 
Pauly's  Real-Enc.  VI,  2.  S.  1688  f.,  Anm.  K.  L.  Roth,  über  das  Leben  des 
M.  Terentius  Varro,  ein  biographischer  Versuch;  Basel  1857.  33  S.  8. 
G.  Boissier,  fitude  sur  la  vie  et  les  ouvrages  de  .  .  Varron,  Paris  1861. 

2.  Allgemeine  Charakteristik.  Cic.  Brut.  15,  60:  diligentissimns  in- 
vestigator  antiquitatis.  Acad.  post.  I,  3,  9:  nos  in  nostra  urbe  peregri- 
nantes  .  .  tui  libri  quasi  domum  reduxerunt.  .  .  tu  aetatem  patriae,  tu 
descriptiones  temporum,  tu  sacrorum  iura,  tu  sacerdotum,  tu  domesticam, 
tu  bellicam  disciplinam,  tu  sedem  regionum,  locorum,  tu  omnium  divina- 
rum  humanarumque  rerum  nomina,  genera,  officia,  causas  aperuisti  plu- 
rimumque  idem  poetis  nostris  omninoque  latinis  et  litteris  luminis  et  verbis 


162  f.  Varro's  Charakter  und  poetische  Schriften.  267 

attuliati,  atque  ipse  variom  et  elegans  omni  fere  numero  poema  fecisti 
philoBophiamque  multis  locis  incohasti,  ad  impellendom  satis,  ad  edocen- 
dum  parum.  Phil.  II,  41,  105.  Bei  August,  civ.  d.  VI,  2:  homo  omnium 
facile  acutissimus  ei>  sine  ulla  dubitatione  doctissimus.  Empfindlich  ad 
Att.  XIII,  18  (J.  709):  homo  TtolvYQdfptotccTog  numquam  me  lacessivit  (durch 
Widmung  eine/ Schrift  behelligt).  Dionys.  II,  21:  Tsgevtiog  Ovaggtov  .  . 
civTjQ  x&v  %aza  trjv  avtrjv  7iXi%l(iv  a%yMoavz(ov  TtoXvnstQOtaxog,    Quintil.  X, 

I,  95:  TerentiuB  Varro,  vir  Eomanorum  eruditissimus.  plurimos  hie  libros 
et  doctissimos  composuit,  peritissimus  b'nguae  latinae  et  omnis  antiquitatis 
et  rerum  graecarum  nostrarumque ,  plus  tamen  scientiae  coUaturus  quam 
eloquentiae.  Xn,  11,  24:  quam  multa,  paene  omnia,  tradidit  Varro! 
Augustin.  civ.  d.  VT,  2:  M.  Varro  .  .  tametsi  minus  est  suavis  eloquio, 
doctrina  tamen  atque  sententiis  ita  refertus  est  ut  in  omni  eruditione  .  . 
studiosum  rerum  tantum  iste  doceat  quantum  stüdiosum  verborum  Cicero 
delectat.  Weiterhin:  yir  doctissimus  undecumque  Varro,  qui  tarn  multa 
legit  ut  aliquid  ei  scribere  vacasse  miremur,  tam  multa  scripsit  quam 
multa  vix  quemquam  legere  potuisse  credamus.  Sen.  oons.  ad  Helv.  8,  1. 
Apulej.  apol.  42  u.  A.  Plut.  Eomul.  12:  Ovaggava  zov  tpCkoeotpoVy  ävÖga 
'P(o(ia£(ov  iv  laxogla  ßLßluxmoxoctov, 

3.  L.  Mercklin,  die  varronische  Literatur  seit  dem  J.  1826,  im  Philo- 
logus  XIII.  S.  683—751.  A.  Riese,  die  varr.  Lit.  seit  1858,  ebd.  XXVII. 
S.  286—331. 

163.  Die  Gesammtzalil  der  Schriften  Varro's,  wie  siei63 
durch  ein  wohl  auf  ihn  selbst  zurückgehendes  Verzeichniss  uns 
bekannt  ist,  belief  sich  auf  ungefähr  620  Bücher,  welche  74 
verschiedenen  Werken  angehorten.  Unter  diesen  hatten  gebun- 
dene Form  6  Bücher  pseudotragoediarum,  10  poematorum  in 
lyrischen  und  dem  elegischen  Mass,  150  Bücher  saturae  Menip- 
peae,  eine  Mischung  von  Prosa  und  Poetischem,  doch  mit  üeber- 
gewicht  der  ersteren,  endlich  4  Bücher  Saturarum  und  vielleicht 
ein  Lehrgedicht  naturphilosophischen  Inhaltes. 

1.  Gell.  III,  10,  7:  tum  ibi  addit  (M.  Varro  in  primo  librorum  qui  in- 
scribuntur  Hebdomades) ,  se  quoque  iam  duodecimam  aunorum  hebdoma- 
dam  ingressum  esse  (also  über  77  J.  alt)  et  ad  eum  diem  septuaginta 
hebdomadas  librorum  (also  490)  conscripsisse.  Auson.  Profess.  Bardig.  20, 
9  f.:  omnis  doctrinae  ratio  .  .  quantam  condit  sexcentis  (rund)  Varro  vo- 
luminibus.  Ein  Verzeichniss  der  Schriften  des  Varro,  welches  wohl  aus 
Varro's  Büchern  de  sua  vita  entnommen  war  (Ritschl  S.  69—61  =  S.  549  ff.), 
gab  Hieronymus  in  einem  Briefe  ad  Paulam  (s.  de  vir.  illustr.  =  scriptor. 
eccl.  c.  54).    Ein  grösseres  Citat  daraus  enthält  Bufin.  apolog.  (=»  invectiv.) 

II,  20.  Das  Verzeichniss  des  Hieronymus  selbst  aber  fand  sich  in  einer 
Handschrifb  der  Stadtbibliothek  zu  Arras  in  der  praefatio  von  Origenes' 
Commentar  zur  Genesis  und  ist  daraus  zuerst  veröffentlicht  und  erläutert 
worden  von  F.  Ritschl,  die  Schriftstellerei  des  M.  Terentius  Varro,  Bonn 
1847.  83  S.  =  Rhein.  Mus.  VI.  S.  481—660.   EinFacsimile  der  Handschrift  an 


268  Ciceronische  Zeit.   Erste  Hälfte,  J.  671—691. 

dem  Bonner  Vorlesungsverz.  für  1849  f.  Dann  von  J.  B.  Pitra,  im  Spicilegium 
Solesmense,  Vol.  III  (Paris  1855),  p.  311 — 313  (vgl.  p.  I  f.)  und  (nach  zwei 
Pariser  Handschriften  der  Homiliae  in  Genesim)  von  Ch.  Chappuis,  Sen- 
tences  de  M.  Ter.  Yarron  et  liste  de  ses  ouvrages  ^'apr^s  difiPdrents  ma- 
nuscrits  (Paris  1856)  p.  117—124.  Vgl.  Ritschi,  Rhein.  Mus.  XII.  S.  149  ff. 
Das  Verzeichniss  gibt  sich  selbst  als  unvollständig  (et  alia  plura,  quae 
enumerare  longum  est.  vix  medium  descripsi  indicem,  et  legentibus  fasti- 
dium  est),  und  enthält  38  oder  (bei  Einzelzählung  der  libri  singulares)  46 
Numern  (mit  520 — 522  einzelnen  Büchern),  worin  aber  21  uns  aus  sonsti- 
gen Anfahrungen  bekannte  fehlen.  Hienach  hat  Ritsch! ,  die  Schrifbstellerei 
S.  545  ff.  =  65—88,  die  Gesammtzahl  der  von  Varro  überhaupt  verfassten 
Werke  auf  74,  die  Zahl  der  Bücher  annäherungsweise  auf  620  berechnet, 
60  dass  also  auf  die  letzten  in  vollständiger  Müsse  verbrachten  11 — 12  Le- 
bensjahre Varro's  130  Bücher  fallen  würden.  Letzterem  Theile  seines 
Lebens  gehören  die  wichtigsten  und  umfangreichsten  seiner  Werke  an, 
Varro's  früheren  Jahren  aber  die  poetischen  und  rednerischen  Arbeiten, 
namentlich  die  saturae  Menippeae  und  die  logistorici  (Ritschi,  Rhein.  Mus. 
VI.  S.  554  f.  A.  11). 

2.  Von  Varro's  Arbeiten  in  metrischer  Form  waren  vor  dem  Verzeich- 
niss des  HieronymuB  nur  Epigramme  zu  den  Imagines  und  Verse  aus  den 
satirae  Menippeae  (Hexameter  und  elegische  Distichen)  bekannt.  Die 
Pseudotragoediae  (nach  den  Pariser  Handschriften)  werden  den  Hilarotrag- 
oediae  (vgl.  oben  18,  1  u.  2)  ähnlich  zu  denken  sein  (Ritschi,  Rhein.  Mus. 
XII.  S.  151  f.),  und  zwar  wahrscheinlich  in  Versen.  Vgl.  Riese,  Varr.  Satt, 
p.  31  f.  Die  poemata  waren  wohl  kurze  Gedichte  (verba  plura  modice  in 
quandam  coniecta  formam,  Varro  bei  Non.  p.  428)  in  der  Weise  der  ca- 
tullischen,  und  auf  sie  bezieht  sich  wohl  Diomed.  L  p.  395  P.  «s  400,  29  E.: 
Varro  in  poetico  libro.  Im  Unterschiede  von  den  saturae  Menippeae  (s. 
A.  3)  müssen  die  Saturae  schlechtweg  genannten  durchgängige  metrische 
Form  gehabt  haben,  etwa  in  der  Art  der  lucilischen.  Vgl.  Bitschl,  Rhein. 
Mus.  VL  S.  493,  Anm.  Auf  ein  Lehrgedicht  Varro's  de  rerum  natura 
sollte  man  schliessen  aus  Quintil.  I,  4,  4  (die  Grammatik  könne  nicht 
ignara  philosophiae  sein  vel  propter  Empedoclem  in  Graecis,  Varronem  ac 
Lucretium  in  Latinis,  qui  praecepta  sapientiae  versibus  tradiderunt).  und 
Lactant.  div.  inst.  II,  12,  4  (Empedocles  .  .  de  rerum  natura  versibus 
Bcripsit,  ut  apud  Romanos  Lucretius  et  Varro ;  zu  Vellej.  II,  36,  2 :  auctores 
carminum  Varronem  ac  Lucretium  vgl.  Riese,  Varr.  p.  50),  wofern  nicht 
Quintilian,  und  nach  ihm  Lactantius,  selbst  erst  auf  ein  solches  aus  Cicero's 
Worten  (Acad.  post.,  s.  oben  162,  2)  geschlossen  haben.  VgL  A.  Riese, 
Varr.  Satt.  Men.  p.  16.    Reifferscheid's  Sueton  p.  408. 

3.  Ueber  die  saturae  Menippeae  vgl.  oben  28,  3.  Dazu  Prob,  zu 
Verg.  Ecl.  VI,  31.  p.  14,  19  K.:  Varro  .  .  Menippeus  . .  nominatus  . .  a  societat« 
ingenii,  quod  is  quoque  (Menippus)  omnigeno  carmine  satiras  suas  (un- 
glückliche Uebertragung  eines  römischen  Begriffs  auf  Menippos)  expoliverat. 
Dass  bei  Menippos  und  so  auch  in  Varro's  satirae  Menippeae  überhaupt 
Prosa  und  Verse  gemischt  waren  kann  auch  nach  dieser  Stelle  für  erwiesen 
gelten.    Für  Varro  erhellt  es  überdiess  für  jeden  Unbefangenen  aus  den  be- 


163.  Varro's  poetische  Schriften  (Satirae  Menippeae).  269 

treffenden  Ueberresten.  Ausser  diesem  formalen  Merkmale  hatten  die  var- 
ronischen  ^turae  menippeae  (wie  manche  Schriften  des  Lukianos)  mit  den 
Arbeiten  des  Menippos  gemein  hauptsächlich  den  Inhalt  und  den  Ton,  den 
philosophischen  Standpunkt  des  Kynikers,  4er  ein  freies  Verhalten  zu,  den 
verschiedenen  Systemen  und  Betonen  der  praktischen  Seiten  mit  sich 
brachte,  sowie  das  Spielen  zwischen  Ernst  und  Scherz.  Wegen  dieses  phi- 
losophischen Ausgangspunktes  der  Saturae  menippeae  des  Varro  können 
diese  von  Cicero  gemeint  sein  mit  seinem  varium  et  elegans  omni  fere 
numero  poema  (oben  162,  2),  obwohl  poema  von  einem  150  Bücher  umfas- 
senden und  zugleich  Prosa  enthaltenden  Werke  nach  Ausdruck  und  Nume- 
rus auffallend  bleibt.  Sonst  finden  wir  in  den  Ueberresten  besonders  hfi-ufig 
Rügen  des  Abfalls  der  Gegenwart  von  der  Einfachheit  der  alten  Zeit,  und 
damit  Anschluss  an  die  polemische  Richtung  der  luciHschen  Satire.  Uebri- 
gens  muss  auch  Inhalt  wie  Einkleidung  bunt  gewesen  sein,  Gelehrsamkeit 
und  Leben,  Mythologie  und  Geschichte,  Vergangenheit  und  Gegenwart  um- 
spannend. Die  Anlage  ist  häufig  dialogisch,  und  Varro  scheint  dabei 
manchmal  in  eigener  Person  aufgetreten  zu  sein  (Anreden  Varro,  Marce; 
vgl.  die  Titel  Marcopolis,  Marcipor  und  Bimarcus).  Auch  Erzählungen  einer 
Reihe  von  Erlebnissen  scheinen  vorgekommen  zu  sein  (z.  B.  im  Sexagessis). 
Den  Gedankengang  werden  wir  uns  in  der  Weise  der  horazischen  Satiren, 
locker  und  abspringend,  vorzustellen  haben.  Neben  vielem  Volksmässigen 
(Sprüchwörtliches,  Derbes,  Alliteration)  findet  sich  auch  Griechisches  zahl- 
reich eingemischt,  einzelne  Worte  wie  ganze  Verse.  Die  angewandten 
Versmasse  sind  sehr  manchfaltig  und  wirklich  omni  fere  numero  gehalten; 
dabei  meist  sehr  correct  durchgeführt.  Die  iambischen  Senare  überwiegen; 
nächstdem  Trochäen,  Skazonten,  Hexameter  (und  Disticha),  Anapäste;  aber 
auch  Sotadeen,  Galliamben,  Choriamben,  Hendekasyllaben,  Glykoneen,  Ere- 
tiker,  Bakchien.  A.  Riese,  Varr.  reliqq'.  p.  55 — 90.  Dass  Varro,  wie  er 
(nach  dem  Vorgange  des  Lucilius)  jvom  Lateinischen  ohne  Weiteres  ins 
Griechische  übergeht,  so  auch  manchmal  mitten  im  Satze  von  Prosa  zu 
Versen,  behauptet  A.  Riese  in  Fleckeisens  Jahrb.  95,  S.  646—648,  bestreitet 
aber  lebhaft  L.  Müller,  de  re  metr.  lat.  p.  78  ff.  und  Rhein.  Mus.  XXIV. 
S.  312  —  314.  Die  meisten  Ueberreste  sind  durch  Nonius  erhalten;  die 
grösste  Zahl  fällt  auf  die  Eumenides.  Für  die  Ausscheidung  des  zu  den 
Saturae  menippeae  Gehörigen  gibt  Gellius  die  besten  Anhaltspunkte,  wor- 
nach  die  Verzeichnisse  bei  Oehler  p.  42  ff.,  Vahlen  p.  203  f.  und  A.  Riese 
p.  38  ff.  Die  Titel  sind  meist  wunderlich  und  willkürlich  (z.  B.  Sesculixes, 
Papiapapae,  Zniafioexia,  *In7co%v(oVy  *Td^oitv<ov),  bald  griechisch  bald  latei- 
nisch, gern  aus  einem  Sprüchwort  bestehend  (nescis  quid  vesper  serus 
vehat;  post  vinum  seplasia  fetet;  mutuum  muH  scabunt;  aXXog  ovtog 
^HQatiXijgi  dlg  naidsg  %t  yiQovtsg  u.  A.),  keinenfalls  aber  alle  doppelt,  viel- 
mehr hat  die  Vermutung  von  A.  Riese  (p.  26.  43  ff.  Symb.  S.  481  ff.),  dass 
die  mit  nsQl  beginnenden  Nebentitel  (wie  bei  den  -platonischen  Dialogen) 
von  einem  späteren  Grammatiker  herrühren,  viele  Wahrscheinlichkeit.  Die 
Doppeltitel  scheinen  das  Merkmal  der  Logistorici  zu  sein.  Die  Abfassungs- 
zeit ist  nur  vom  T^iwxQuvog  (s.  164,  3)  bekannt  (J.  694);  J.  709  lässt  Cicero 
(Acad.  I,  2,  8)  den  Varro  diese  Satiten  vetera  sua  nennen.  Sammlung  der 
Satt.  Men.  reliquiae  durch  Fr.  Oehler  (Lips.  1844)  und  A.  Riese  (Lips.  1865; 


270  Ciceronische  Zeit.  Erste  Hälfte,  J.  671—691. 

vgl.  Rhein.  Mus.  XX.  S.  401—443.  XXL  S.  109—122.  Fleckeisen's  Jahrbb.  95, 
,  S.  488—496.  507—609).  Kritische  Beitrage  von  G.  Köper  (Philologus  IX. 
p.  223—278.  567—573.  XV.  S.  267—302.  XVII.  S.  64—102.  XVIU.  S.  418— 
486.  Eumenidmn  reliquiae,  Danzig  1858.  1861.  1862),  J.  Vahlen  (in  Yarr. 
S.  M.  reliqoias  coniectanea,  Lips.  1858.  230  pp.  8.  Dazu  die  Beiträge  von 
Ribbeck  und  Bücheier,  Rhein.  Mus.  XIV.  S.  102—130.  419—452),  C.  L.  Kayser 
(Heidelb.  Jahrb.  1860,  S.  241  -252),  L.  Müller  (metr.  poet.  lat.  und  Fleckeisen's 
Jahrbb.  a.  a.  0.),  M.  Crain  (Berliner  Zeitschr.  für  Gymn.  1866,  S.  606—618), 
J.  Mähly,  Varroniana  (bes.  zum  Modius),  Basel  1865.  39  S.  4.  u.  A.  —  L. 
MerckKn,  die  Boppeltitel  der  varronischen  Menippeae  und  Logistorici,  Rhein. 
Mus.  XII.  S.  372—398;  vgl.  Philologus  XIII.  S.  713—728.  AI.  Riese- in  den 
prolegomena  seiner  Ausgabe,  in  der  Symbola  philolog.  Bonn.  S.  479 — 488, 
und  im  Philologus  XXVII.    S.  316—331.   Mommsen,  R.  G.  HI*.  S.  584—590. 

154  164.  Die  prosaischen  Schriften  Varro's  erstreckten  sich  fast 
über  alle  Gebiete  des  Wissens  und  der  literarischen  Thätigkeit, 
Beredtsamkeit,  allgemeine  und  Literaturgeschichte,  Jurisprudenz, 
Grammatik,  Philosophie,  Geographie,  Landwirtschaft  u.  s.  f. 
Bei  aller  seiner  encyclopädischen  Richtung  aber  hat  Varro  doch 
immer  vorzugsweise  das  eigene  Vaterland  und  dessen  Vergan- 
genheit im  Auge  behalten  und  durch  diesen  Theil  seiner  Schrift- 
stellerei  mittelbar  und  unmittelbar  noch  lange  fort  einen  grossen 
Einfluss  ausgeübt.  Namentlich  die  christlichen  Kirchenväter, 
und  unter  diesen  ganz  besonders  Augustinus,  haben  ihn  fleissig 
gelesen  und  benützt.  Die  bedeutendsten  unter  den  prosaischen 
Schriften  Varro's,  und  die  sich  auch  am  längsten  im  literari- 
schen Verkehr  behaupteten,  waren  die  Antiquitates  rerum  huma- 
narum  et  divinarum,  die  Büchfer  de  lingua  latina,  rerum  rusticarum, 
die  Encyclopädie  der  artes  liberales  (Disciplinarum  libri)  und 
die  Imagines. 

1.  Reden:  Orationum  libri  XXII,  und  Suasionum  libri  III,  erstere 
wahrscheinlich  nicht  gehaltene  Uebungsreden  (bzhgsw.  Flugschriften),  mög- 
licher Weise  z.  B.  in  Laudationes  bestehend  (Varro's  laudatio  Porciae  bei 
Cic.  ad  Att.  XIII,  48,  2),  die  Suasiones  vielleicht  politischen  Inhalts.  Jedes 
Buch  bestand  wohl  aus  einer  Rede.  Ritschi,  Rhein.  Mus.  VI.  S.  495 — 497. 
652,  A.  3. 

2.  ADyiGtofffKav  libri  LXXYI,  ErGrtenmgeif  philosophischen  (be- 
sonders ethischen)  Inhalts  (loyoi) '  mit  einem  reichen  Beiwerk  geschichtli- 
cher Belege  (tcTOQlai)  aus  Mythus  und  Historie,  vielleicht  in  der  Weise  des 
Herakleides  aus  Pontus,  und  vne  Cicero's  Cato  und  Laelius  ernsthaft  und 
populär  gehalten  und  in  Prosa,  mindestens  theilweise  dialogisch.  Jedes 
Stück  hatte  einen  Doppeltitel,  dessen  erste  Hälfte  der  Name  einer  lebenden 
oder  gestorbenen  Person  bildete  die'  mit  dem  Thema  in  irgend  welcher 
Beziehung  stand  und  die  vielleicht  jedesmal  hauptsächlich  das  Wort  führte, 


164.  Varro's  prosaische  Schriften,  271 

während  die  zweite  Hälfte  den  Inhalt  in  lateinischer  Sprache  angab;  z.  B. 
Catua,  de  liberis  edncandis;  Messala,  de  valetudine;  Cnrio,  de  deortun  cultu; 
Marius,  de  fortnna;  Orestes,  de  insania;  (Fundanius)  Gallns,  de  admirandis; 
Sisenna,  de  historia.  Abfaasungszeit  wohl  nach  den  Saturae  menippeae,  Ende 
des  7ten  und  Anfang  des  8ten  Jahrhunderts  d.  St.  Noch  Apoll.  Sidon.  ep. 
YIII,  6  E. :  Varronem  logistoricnm  .  .  misi.  Bitschi,  im  Bonner  Katalog  für 
1845  f.  nnd  im  Ehein.  Mus.  VI.  S.  501  —  503.  643  f.  A.  662  f.  A.  4.  Riese, 
Yarr.  satt.  Menipp.  p.  32 — 38.  53,  und  die  Ueberreste  (besonders  zahlreich 
aus  dem  Catus)  ib.  p.  247 — 259.  L.  Erahner,  Yarronis  Curio  de  cultu 
deorum,  Priedland  1861.  28  pp.  4.  L.  Mercklin,  Philologus  XIU.  S.  728— 
731.  Chappuis,  fragments  des  ouvrages  de  Y.  intitul^s  Logistorici,  Hebdo- 
mades, .  .  de  forma  philosophiae,  recueillis  etc.  Paris  1868.  112  pp. 

3.  Zeitgeschichtliches:  Legationum  libri  III  und  De  Pompeio  III, 
sowie  De  sua  vita  libri  III;  die  ersteren  ohne  Zweifel  Yarro's  Thätigkeit 
als  Legat  des  Pompeius  behandelnd,  im  Seeräuberkriege,  gegen  Mithrida- 
tes  und  in  Spanien;  s.  162,  1.  Die  Schrift  über  Pompejus  war  wohl  apo- 
logetisch gehalten.  Ritschi,  Rhein.  Mus.  YI.  S.  498 — 601.  Appian.  b.  c.  n, 
9  (vom  J.  694  d.  St.) :  %al  xiq  avxmv  (der  Triumvim  Pompeius ,  Caesar  und 
Crassus)  xrivSs  triv  avfKpQoavvriv  avyy(faq)evgj  Ovdgffiov,  svl  ßißX^tp  nsQiXocßtav 
iniyoarps  TQiiMQavov. 

4.  Werke  zur  römischen  Geschichte,  a)  Antiquitatum  libri 
XLI  (Hieronymus  unrichtig  XLY),  eine  römische  Alterthumskunde,  nach 
sachlichen  Gesichtspunkten  in  zwei  Hälften  zerfallend,  rerum  humanarum 
in  25jBüchem  (4  Theile  von  je  6  Büchern,  nebst  Einleitungsbuch),  und 
sodann  (quod  prius  exstit^rint  civitates,  deinde  ab  eis  res  divinae  institutae 
sint,  August.  C.  D.  YI,  4)  16  rerum  divinarum  (6  Theile  Yon  je  3  Büchern, 
nebst  einem  Buche  Einleitung) ;  s.  die  genaue  Inhaltsübersicht  bei  Augustin. 
de  civ.  dei  YI,  3:  quadraginta  unum  libros  scripsit Antiquitatum;  hos  in  res 
humanas  divinasque  divisit,  rebus  humanis  viginti  quinque,  divinis  sedecim 
tribuit,  istam  secutus  in  ea  partitione  rationem  üt  rerum  humanarum  libros 
senos  quattuor  partibus  daret.  intendit  enim  qui  agant^  ubi  agant,  quando 
agant,  quid  agant.  in  sex  itaque  primis  de  hominibus  scripsit,  in  secundis  sex 
de  locis,  sex  tertios  de  temporibus,  sex  quartos  eosdemque  postremos  de  rebus 
absolvit.  quater  autem  seni  viginti  et  quattuor  fiunt.  sed  unum  singula- 
rem,  qui  conmiuniter  prius  de  omnibus  loqueretur,  in  capite  posuit.  In 
divinis  identidem  rebus  eadem  ab  illo  divisionis  forma  servata  est,  quan- 
tum  adtinet  ad  ea  quae  diis  exhibenda  sunt,  exhibentur  enim  ab  homini- 
bus in  locis  et  temporibus  sacra.  haec  quattuor  quae  dixi  libris  complexus 
est  ternis:  nam  tres  priores  de  hominibus  scripsit,  sequentes  de  locis,  ter- 
tios de  temporibus,  quartos  de  sacris,  etiam  hie,  qui  exhibeant,  ubi  exhi- 
beant,  quando  exhibeant,  quid  exhibeant,  subtilissima  distinctione  commen- 
tans.  sed  quia  oportebat  dicere  maximeque  id  exspectabatur  quibus  ex- 
hibeant, de  ipsis  quoque  diis  tres  conscripsit  extremes,  ut  quinquies  temi 
quindecim  fierent.  sunt  autem  omnes,  ut  diximus,  sedecim,  quia  et  istorum 
exordio  unum  singularem,  qui  prius  de  omnibus  loqueretur,  apposuit;  quo 
absoluto  consequenter  ex  illa  quinquepertita  distributione  tres  praecedentes, 
qui  ad  homines  pertinent,  ita  subdivisit  ut  primus  sit  de  pontüicibus,  se- 


272  Ciceronißclie  Zeit.   Erste  Hälfte,  J.  671— 691. 

cundus  de  auguribus,  tertius  de  quindecim  viria  eacrorum;  secundos  tres 
ad  loca  pertinentes,  ita  ut  in  uno  eorum  de  sacellis,  altero  de  sacris  aedi- 
bus  diceret,  tertio  de  locis  religiosis;  tres  porro,  qui  istos  sequuntur  et  ad 
tempora  pertinent,  id  est  ad  dies  festos,  ita  ut  nnum  eorum  faceret  de 
feriis,  alterum  de  ludis  circensibus,  de  Bcaenicis  tertium.  quartorum  trium 
ad  sacra  pertinentiuxa  uni  dedit  consecrationes,  alteri  sacra  privata,  ultimo 
publica,  hanc  velut  pompam  obsequiorum  in  tribus  qui  restant  dii  ipsi 
sequuntur  extremi,  quibus  iste  universus  cultus  inpensus  est:  in  primo  dii 
certi,  in  secundo  incerti,  in  tertio  cunctorum  novissimo  dii  praecipui  atque 
selecti.  Die  rer.  human,  libri  suchten  dem  Verfalle  der  Staatsreligion  ent- 
gegenzuwirken und  waren  ad  Caesarem  pontificem  gerichtet  (Augustin.  de 
civ.  dei  VII,  35.  Lactant.  Inst.  I,  6,  7),  somit  wohl  Ende  707  herausge- 
geben. Davon  auch  eine  kürzere  Bearbeitung,  *Enixofi7j  Antiquitatum  in  9 
(4  +  0)  Büchern.  Priscian  ist  der  Letzte  dem  das  Werk  selbst  noch  vor- 
gelegen zu  haben  scheint.  Bitschi,  Rhein.  Mus.  VI.  S.'506.  L.  H.  Erahner, 
comm.  de  Varr.  antiqq.  .  .  libris  XLI,  Halle  1834;  und  über  das  zehnte  Buch 
der  Antiqq.  rer.  div.  des  Varro,  Ztschr.  f.  d.  Alt.-Wiss.  1852,  S.  385—412. 
L.  Mercklin,  Philologus  XHI.  S.  731—730.  Zusammenstellung  und  Erläu- 
terung der  Ueberreste  bei  B.  Merkel  in  seiner  Ausg.  von  Ovids  Fasti  p. 
CVI— CCXLVII.  Vgl.  auch  C.  fl.  J.  Francken,  fragmenta  Varr.  quae  inve- 
niuntur  in  libris  s.  Augustini  de  civ.  dei,  Lugd.  Bat.  1836.  Lüttgert,  Theo- 
logumena  Varroniana,  a  s.  Augustino  in  iudicium  vocata,  Sorau  1858. 
1859.  4.  L.  Mercklin,  de  Varrone  coronarum  Rom.  militarium  interprete 
praecipuo,  Dorpat  1859.  4. 

b)  Annalixun  libri  lU,  wohl  ein  chronologischer  Abriss  wie  der  annalis 
des  Atticus  und  die  chronica  des  Cornelius  Nepos.  Eitschl,  Rhein.  Mus. 
VI.  S.  508 — 510.    L.  Urlichs,  die  Anfänge  der  griech.  Eünstlergeseh.  S.  35  f. 

c)  de  vita  populi  romani  (vgl.  Dikäarchs  Biog  'Ellccdog)  in  4  Büchern, 
an  Atticus  gerichtet  (Charis.  I.  p.  101  P.  <=  126 ,  25  E.) ,  nach  den  Ueber- 
resten  daraus  (gesammelt  von  Eettner  p.  21 — 39)  eine  Art  Culturgeschichte, 
sachliche  und  chronologische  Anordnung  künstlich  combinierend ,  so  dass  I 
die  Zustände  des  Einzelnen,  II  Familie  und  Staat,  III  Eriegswesen,  IV  den 
Untergang  des  Staats  (der  Republik)  behandelte.  Abfassung  vielleicht  um 
711  (Ritschi,*  Rhein.  Mus.  VI.  S.  512).  H.  Eettner,  Varronis  de  vita  pop. 
rom.  .  .  quae  ezstant,  Halle  1863.  42  pp. 

d)  de  gente  populi  rom.  4  Bücher;  s.  Amob.  adv.  nat.  V,  8:  Varro  .  . 
in  librorum  quattuor  primo  quos  de  gente  conscriptos  rom.  pop.  dereli- 
quit,  curiosis  computationibus  edocet  ab  diluvii  tempore  (der  deukalioni- 
schen)  adusque  Hirti  consulatum  et  Pansae  (J.  711)  annorum  esse  milia 
nondum  d\io.  Verfasst  im  J.  711  oder  kurz  darauf  (s.  Arnob.  1.  1.),  ein 
Versuch  die  römische  Zeitrechnung  in  den  universalhistorischen  Synchro- 
nismus einzureihen  und  damit  gleichsam  den  geschichtlichen  Stammbaum 
des  römischen  Volkes  aufzurichten  (Roth,  Leben  d.  V.  S.  27).  Diese  Genea- 
logie wm-de,  nach  einer  chronologischen  Einleitung,  über  die  sikyonische 
und  athenische  Eönigsreihe  (B.  I  u.  II)  auf  die  lateinische  (B.  III)  und 
dann  die  römische  (B.  IV)  weiter  geführt,  mit  besonderer  Berücksichtigung 
der  ethnographischen  Zusammenhänge  der  Einrichtungen  Roms  (Serv.  Aen. 


164.  Varro's  prosaische  Schriften,  273 

Vn,  176).  Die  Schrift  ist  in  der  ersten  Hälfte  von  Augnstin.  de  civ.  d. 
XYIII  stark  benutzt:  s.  bes.  c.  2.  13.  Francken,  fragm.  Varr.  p.  124 — 150. 
H.  Kettner,  varronische  Studien  (Halle  1865)  S.  38—63  und  die  üeber- 
reste  S.  63—78. 

e)  de  familiis  troianis  (römische  Patricierfamilien  die  von  Aeneas  oder 
Genossen  desselben  abstammen  wollten)  in  mehreren  Büchern  (Serv.  Aen. 
V,  704:  Varro  in  libris  quos  de  familiis  troianis  scripsit).  Vgl.  liitschl, 
Rhein.  Mus.  VI.  S.  607  f.  W.  Hertzberg  zu  seiner  üebersetzung  der  Aeneis 
V,  116  ff.  S.  369. 

f)  Aetia  {Atxiccj  nach  dem  Vorgange  des  Kallimachus) ,  Erklärung  (der 
ratio,  causae,  des  cur)  römischer  Gebräuche  bes.  des  Privatlebens,  wohl 
die  Hauptquelle  für  Plutarchs  Atrtcc  ^cnfia'CTui.  L.  Mercklin,  Philologus  HI. 
S.  267—277.  XIH.  S.  710  f.  G.  Thilo,  de  Varrone  Plut.  Quaest.  rom.  auctore 
praecipuo,  Bonn  1853.  J.  J.  W.  Lagus,  Plutarchus  Varronis  studiosus, 
Helsingfors  1847.    Ritschi,  Rhein.  Mus.  VI.  S.  612. 

g)  rerum  urbanarum  libri  III,  vielleicht  eine  Geschichte  der  Stadt  Rom 
hauptsächlich  aus  topographischen  Gesichtspunkten.  Ritschi  a.  a.  0.  S.  510  f. 
0.  Jahn,  Hermes  II.  S.  235. 

h)  tribuum  liber  (angeführt  von  Varro  L.  L.  V,  66),  benützt  in  den 
Tribusartikeln  des  Festus;  s.  L.  Mercklin,  Quaestiones  Varronianae  (Dorpat 
1852.  4.)  p.  5  ff. 

Alle  diese  Schriften  (b — h)  sind  Ergänzungen  und  weitere  Ausfühi-un- 
gen  des  in  den  Antiqq.  rerum  humanarum  behandelten  Stoffes,  zu  welchem 
gehört  auch  der  schon  J.  683  (Pompeius  cum  initurus  foret  consulatum.  Gell.) 
verfasste  Elcay(oyi,yi6g  ad  Pompeium,  ex  quo  disceret  quid  facere  dicere- 
que  deberet  cum  senatum  consuleret  (Gell.  XIV,  7,  2).  Dagegen  der  in 
den  res  divinae  erörterte  Stoff  kehrt  in  keiner  Specialschrift  wieder,  da 
Varro  in  augurum  libris  (Macrob.  Sat.  I,  16,  19)  von  zweifelhaft;er  Rich- 
tigkeit (statt  libro,  nämlich  Antiquitatum)  ist;  s.  Ritschi,  Rhein.  Mus.  VI. 
S.  540. 

5.  Literarhistorische  Schriften  (Ritschi  a.  a.  0.  S.  513 — 524):  de 
bibliothecis  III;  de  proprietate  scriptorum  III  (stilistisch?  Ritschi  S.  524); 
de  poetis  (die  römischen)  in  mehreren  Büchern  (Gell.  I,  24,  3:  epigramma 
Plauti  .  .  a  M.  Varrone  positum  in  libro  de  poetis  primo;  vgl.  XVII,  21, 
43.  45);  de  poematis  III  (wohl  eine  Art  Poetik);  de  lectionibus  III  (wahr- 
scheinlich über  die  Recitationen,  Ritschi  S.  521  ff.);  de  compositiono  satu- 
rarum  (Non.  p.  67).  Insbesondere  die  dramatische  Literatur,  und  inner- 
halb dieser  namentlich  Plautus,  wurde  von  Varro  in  einer  Reihe  von 
Schriften  behandelt  (Ritschi  S.  516  ff.).  So  de  originibus  scenicis  III;  de 
scenicis  actionibus  (Aufführungen)  HI  (nach  Hieronymus;  bei  Charis.  I. 
p.  74  P.  =  95,  18  K.:  Varro  de  actionibus  scenicis  V;  vgl.  den  Anonymus 
de  generibus  nomin  um  ed.  Otto,  Giessen  1850.  4.,  Nr.  306);  de  actibus 
scenicis  III;  de  personis  (Masken)  III;  de  descriptionibus  (Charakterschil- 
derungen) III;  quaestionum  Plautinarum  V  (wohl  zur  Erklärung  einzelner 
dunkler  Ausdrücke)  und  de  comoediis  Plautinis  (über  echte  und  unechte 
Stücke?)  mehrere  Bficher  (M.  Varro  in  libr.  de  comoediis  PI.  primo,  Gell. 

TsurrBL,  Rom.  Iiiteraturgeschicbte.    2.  Aufl.  18 


274  Cicerouißche  Zeit    Erafce  Hälfte,  J.  671—691. 

III,  3,  9).  Servius  Ae.  X,  894  (ut  etiam  Varro  in  ludis  theatralibus  docet) 
meint  eher  das  Bach  der  Antiqq.  rer.  lium.  das  de  ludis  seenicis  handelte 
(s.  oben  S.  272,  Z.  5)  als  die  Monographie  de  seenicis  actionibus.  Ein  be- 
sonders merkwürdiger  Bestandtheil  der  literarhistorischen  Schriften  Varro's 
sind  seine 

Imaginnm  libri  XV  oder  Hebdomades,  ein  biographisches  Bilderbuch, 
herausgegeben  um  715  d.  St.  (Gell.  III,  10,  17),  enthaltend  700  Porträt- 
bildnisse griechischer  und  römischer  Berühmtheiten  (Könige  und  Feldherren; 
Staatsmänner;  Dichter;  Prosaiker;  Fachmänner;  Künstler;  tm£  andern  Ge- 
bieten) mit  je  einem  (metrischen)  elogium.  Das  erste  Buch  bildete  wohl 
die  Einleitung  nebst  den  14  Urvätern  der  in  den  folgenden  Büchern  auf- 
gestellten Gattungen;  die  weiteren.  14  Bücher  (oder  7  Dyaden,  die  geraden 
Zahlen  für  die  Griechen,  die  ungeraden  für  die  Römer?)  werden  je  7  Heb- 
domaden oder  49  imagines  entifaltcn  haben  (14mal  49  »  686  -|-  14  =»  700). 
Von  demselben  Werke  veranstaltete  Varro  (wohl  später)  eine  wohlfeüere 
( Volks-) Ausgabe ,  wahrscheinlich  ohne  Porträts,  'Enitoiiriv  ex  Imaginum 
libris  XV  libros  IUI  (Hieronymus) ,  welche  letztere  Zahl  Ritschi  zuerst 
(Rhein.  Mus.  XII.  S.  160)  in  VII  (Uli)  abgeändert,  dann  (Epimetrum  1858) 
belassen  und  auf  vier  Hauptkategorien  (Staat,  Literatur,  Kunst,  Sonstiges) 
bezogen  hat.  Plin.  N.  H.  XXXV,  2,  11:  imaginum  amorem  flagrasse  quon- 
dam  testes  sunt  Atticus  iUe  Ciceronis  (s.  unten  169,  2,  d)  et  M.  Varro 
benignissimo  invento,  insertis  voluminum  suorum  fecunditati  septingentorum 
inlustrium  aliquo  modo  imaginibus.  Gell.  lU,  10,  1:  M.  Varro  in  primo 
librorum  qui  inscribuntur  Hebdomades  vel  de  imaginibus.  11,  7:  M.  Varro 
in  libro  de  imaginibus  primo  Homeri  imagini  epigramma  hoc  adposuit. 
Symmach.  Ep.  I,  2:  scis  Terentium  .  .  tleatinum  .  .  Hebdomadum  libros 
epigrammatum  adiectione  condiisse.  .  .  in  socerum  .  .  tibi  delegamus  epi- 
grammata.  nam  et  Varronis  libri  diversis  notantur  auctoribus.  Vgl.  ib.  I,  4. 
AuBon.  Mosell.  305  ff.:  forsan  et  insignes  hominumque  operumque  labores 
(der  griechischen  Architektur)  hie  habuit  decimo  celebrata  volumine 
Marci  hebdomas.  F.  Creuzer,  Ztschr.  f.  d.  Alt.-Wiss.  1843,  Nr.  133—147 
=  Deutsche  Schriften,  zur  Archäologie  III.  S.  531  ff.  Elster,  in  Jahn's 
Archiv  XVIÜ.  S.  202—206.  XIX.  S.  31—52.  M.  Hertz,  in  Gerhard's  Denk- 
mälern, Forschungen  1850,  S.  142  f.  F.  Ritschi,  Rhein.  Mus.  VI.  S.  513  f. 
XII.  S.  163  f.  160.  XIII.  S.  317—319;  de  ordine  quo  Varr.  Hebd.  dispositae 
fuerint,  Bonner  Katalog  1856  f.;  Epimetrum  disput.  de  Varr.  Hebd.  libris, 
Bonner  Katalog  1858.  L.  Mcrcklin  im  Dorpater  Katalog  1857,  Rhein.  Mus. 
Xni.  S.  460  ff.  und  Philologus  XIII.  S.  742—751.  XV.  S.  709—712.  L.  Ur- 
lichs, Rhein.  Mus.  XIV.  S.  607—612.  J.  Vahlen  in  Jahn's  Jahrb.  LXXVII. 
S.  737—746. 

Auch  auf  kunstgeschichtliche  Schriften  des  Varro  lassen  Bruchstücke 
aus  ihm  bei  Plinius  schliessen.     Ritschi,  Rhein.  Mus.  VI.  S.  520,  A. 

6.   Fachwissenschaftlicho  Schriften  (Ritschi  a.  a.  0.  S.  503—505): 

a)  Disciplinarum  libri IX,  bei  den  Römern  die  erste  cnkyklopädische 
Zusammenfassung  der  artes  liberales,  wie  sie  durch  griechische  Wissen- 
schaft ausgebildet  waren,  nämlich  1)  grammatica  (Wilmaniis,  Varr.  gramm. 
p.  98—116.  208 — 218),  2)  dialcctica,  3)  rhetorica,  4)  geometria,  6)  arithme- 


164.  Varro's  prosaische  Schriften.  275* 

tica,  6)  astrologia,  7?)  musica,  8)  medicina,  9)  architectura  (vgl.  oben  55, 1), 
woraus  die  sieben  artes  liberales  des  Mittelalters  wurden,  wie  sie  schon 
bei  Augustinus  und  Martianus  Capella  sich  finden.  Bezieht  sich  auf  das 
achte  Buch  die  Angabe  von  Plinius  N.  H.  XXIX,  4,  65  (cunctarer  in  pro- 
ferendo  ex  his  remedio  ni  M.  Varro  LXXXIII  vitae  anno  prodidisset) ,  so 
wäre  dieses  Werk  eines  der  spätesten  des  Varro.  F.  Ritschi,  Quaestiones 
Varronianae,  Bonn  1845.  55  pp.  4.  Vgl.  Rhein.  Mus.  VI.  S.  603  f.  536. 
L.  Mercklin,  Philologus  XIII.  S.  736—738. 

b)  Die  in  Discipl.  zusammengefassten  Fächer  hat  Varro  überdiess 
groBsentheils  auch  in  Einzelschriften  behandelt;  so  die  Grammatik  (s.  e), 
die  Philosophie  (de  forma  philosophiae  libri  lü;  vielleicht  auch  ein  ein- 
zelnes Buch  de  philosophia,  nach  Augustin.  civ.  d.  XIX,  1  ff.  vgl.  Ritschi, 
Rhein.  Mus.  VI.  S.  503),  .zu  welcher  (wie  zur  arithmetica)  auch  die  ohne 
Zweifel  pythagorisierenden  neun  Bücher  de  principiis  numerorum  gehören. 
Vgl.  L.  Krahner,  de  Varrone  ex  Martiani  satura  supplendo;  c.  1:  de  Var- 
ronis  philosophia,  Friedland  1846.  4.  Diese  philosophischen  Schriften  sind 
sicher  nach  Ciceros  Academica,  also  nach  J.  709,  verfasst  (Wilmanns, 
Varr.  gramm.  libr.  p.  9).  Femer  eine  eigene  Rhetorik  (Varro  .  .  in  libro 
III  Rhetoricorum ,  Priscian.  IX.  p.  872  =  489,  2  Htz.).  Die  geometria  zer- 
fiel bei  Varro  nach  der  theoretischen  Seite  in  nccvovmri  (quae  ad  aures 
pertinet,  Grundlage  der  Musik;  s.  Ritschi,  Quaest.  Varr.  p.  30  f.)  und  onttKr} 
(quae  ad  oculos  pertinet,  Optik  nebst  iTtmsdoitszQia  und  ateQSO(i£rQLa, 
Ritschi  p.  37—39),  nach  der  praktischen  Seite  in  Gromatik  und  Geogra- 
phie (Ritschi  p.  39 — 48).  Die  Gromatik  oder  Kunst  und  Lehre  der  Agri- 
mensoren  war  dann  ohne  Zweifel  in  der  Schrift  de  mensuris  (Priscian.  VIII. 
p.  818  P.  =  420,  15  Htz.  Ps.  Boeth.  de  geometr.  p.  1234)  eigens  behan- 
delt (Ritschi,  Rhein.  Mus.  VI.  S.  535  f.  554,  A.  8),  wie  vielleicht  auch  die 
Länderkunde  (Ritschi  S.  555,  A.  12),  in  deren  Gebiet  weiter  einschlagen 
de  ora  maritima  libri  (Serv.  Ae.  I,  108.  111.  V,  19.  VIII,  710),  wohl 
identisch  mit  dem  opus  quod  de  littoralibus  est  (Solin.  11).  Zweifelhaft 
aber  ist  ob  das  von  Hieronymus  genannte  Buch  de  valitudine  tuenda 
eine  selbständige  Ausführung  oder  vielmehr  ein  logistoricus  war  (Ritschi 
S.  502.  536). 

c)  Aus  praktischen  Gebieten  sind  ausser  den  Hbri  rerum  rusticarum 
(unten  166)  die  Schrift  de  aestuariis  (in  libro  quem  de  aest.  feci,  Varr. 
L.  L.  IX,  26),  sofern  damit  solche  aestuaria  gemeint  sind  welche  Meer- 
wasserfischteiche speisen  (Ritschi  S.  554,  A.  10),  sowie  die  beiden  Witte- 
rungskalender für  den  Landmann  und  für  Seefahrer:  Ephemeris  (rustica 
oder  agrestis),  verfasst  nach  dem  J.  708  (Kitschi  S.  533),  und  Ephemeridis 
navalis  libri  ad  Pompeium  (Non.  p.  71,  19.  Itin.  Alex.  M.  6),  verfasst  um 
677  (Varro  Cn.  Pompeio  per  Hispanias  militaturo  librum  illum  Ephemeri- 
dos  sub  nomine  elaboravit,  Itin.  1.  1.),  Schifffahrtsprognostica,  von  Vege- 
tius  V,  11  kürzer  libri  navales  genannt  (Ritschi  S.  532  f.).  Th.  Bergk, 
Rhein.  Mus.  I  (1842).  p.  307—374. 

d)  de  iure  civili  libri  XV,  wohl  in  dem  Sinne  als  römisches  Privat- 
recht; Ritschl  S.  505.  Für  eine  allgemeine  juristische  Propädeutik  und  die 
Hauptquelle  von  Pomponius  hält  das  Werk  F.  D.  Sanio,  Varroniana  in  den 

18* 


276  Ciceromache  Zeit.   Erste  Hälfte,  J.  671—691. 

Schriften  der  rom.  Juristen,  vornehmlich  an  dem  Enchirid.  des  Pomponius 
nächzuweisen  versucht  (Leipzig  1867),  S.  134  vgl.  S.  211  ff.  Verwandten 
Inhalts  sind  wohl  auch  die  libri  de  gradibus  (Verwandtschaftsgrade)  bei 
Serv.  Ae.  V,  410.  Antiquarische  und  staatsrechtliche  Fragen  neben  gram- 
matischen finden  sich  erörtert  in  den  üeberresten  der  Epistolicae  quae- 
stiones,  mindestens  in  acht  Büchern  (Ritschi  S.  537),  und  wohl  auch  der 
Epistulae,  falls  diese  überhaupt  von  jenen  verschieden  sind,  in  welchem 
Falle  sie  in  graecae  und  latinae  (Non.  p.  141:  Varro  ejustula  latina;  p.  121: 
Varro  epistula  latina  libro  I;  p.  473:  Varro  ep.  lat.  libro  II;  vgl.  p.  419: 
Varro  .  .  epistulis  Latiniae)  werden  eingetheilt  gewesen  sein  (Ritschi 
S.  537—640.   553,  A.  5  f.).    • 

e)  Grammatischen  Inhalts  waren,  ausser  dem  Gesammtwerke,  den 
2.5  Büchern  de  lingua  latina  (unten  166)  und  der  epitome  daraus  in  9  Bü- 
chern, folgende  Einzelschriften:  de  antiquitate  litterarnm  (Priscian.  I. 
p.  .540  P.  =  p.  8,  2  Htz.:  Varro  in  II  de  antiquitate  litterarum),  an  (den 
Tragiker  L.)  Attius  gerichtet  und  daher  wohl  eine  der  ältesten  Schriften 
Varro's  (Ritschi  S.  629  f.  657,  A.  21.  Wilmanns  p.  117—125.  218—220); 
de  origine  linguao  latinae  III  (an  Pompejus  gerichtet?  Ritschi  S.  530  f.); 
n^gl  ;(;a^axT7^90(>v  (=  tvnotVy  Formen  der  Wortbildung,  Usener  in  Fleckeisena 
Jahrb.  XCV,  S.  247  f.),  mindestens  drei  Bücher  (Charis.  II.  p.  170P.  =  189, 
25  K.:  Varro  in  III  n.  %.);  de  similitudine  verborum  III  (==  de  analogia, 
Ritschi  S.  629);  de  utilitate  sermonis  (Charis.  p.  98  P.  =  123,  3  K.:  Varro 
de  ut.  8.  mi),  die  anomalia  in  den  Vordergrund  stellend  (Ritschi  S.  529); 
endlich  de  sermone  latino  V  (Hieronymus;  dagegen  Rufin.  p.  2707  P.  ==  p.  378 
Gaisf.:  Varro  de  lingua  latina  ad  Marcellum,  und  ib.  p.  380  G.:  Varro  in 
Hb.  VII  de  lingua  latina  ad  Marcellum,  vgl.  Gell.  XII,  6,  3.  10,  4.  XVI, 
12,  7  f.  XVm,  12,  8.  Wibnanns  p.  47—97.  170—208),  die  Metrik  mit  be- 
handelnd (Ritschi  S.  524,  vgl.  Westphal,  griech.  Metrik  I*.  S.  116  f.  173) 
und  für  die  Orthographie  Hauptquelle  der  späteren  Grammatiker.  Ein 
Exeerpt  des  Abschnittes  über  die  Accente  enthält  des  Sergius  Explan,  in 
Donat.  in  den  Analect.  gramm.  Vindob.  p.  526  und  bei  Keil  gramm.  IV. 
p.  525  ff.  vgl.  Wilmanns  p.  49  ff.  und  Lentz  zu  Herodiau  I.  p.  XXXI  ff.  Ein 
anderes  wohl  in  der  Orthographie  des  Terentius  Scaurus  p.  2262 — 2264  P., 
vgl.  Usener  im  Rhein.  Mus.  XXIV.  S.  94 — II4.  Im  Allgemeinen  A.  Wil- 
manns, de  Varr.  libris  grammaticis  scripsit  relliquiasque  subiecit,  Berlin 
1864.  226  pp.  8. 

7.  Singulares  (libri)  X  bei  Hieronymus,  (wvoßißla  unbekannten  Inhalts 
(Ritschi  S.  502). 

155  166.  Von  der  gesammten  literarischen  Thätigkeit  Varro's 
sind  nur  zwei  Schriften  auf  uns  gekommen,  de  lingua  latina 
und  rerum  rusticarum  libri  III.  Aber  von  den  ursprünglich  25 
Biichern  de  lingua  latina  ist  uns  nur  Buch  V  bis  X  erhalten, 
und  auch  diese  am  Ende  von  VI,  VIII  und  X,  sowie  am  An- 
fang von  VII  und  IX  verstümmelt,  ausserdem  vielfach  inter- 
poliert und  sonst    verderbt.     Das   vollständige  Werk  behandelte 


164  f.  Varro's  prosaische  Schriften  (de  ling.  lat.).  277 

in  seiner  ersten  Hälfte  die  Lehre  von  der  Bildung  und  Flexion 
der  Wörter,  in  der  zweiten  die  Syntax,  unter  starker  Benützung 
der  Alexandriner  und  Stoiker.  Vom  fünften  Buche  an  war  das 
Werk  dem  Cicero  gewidmet  und  ist  daher  spätestens  J.  711  ver- 
fasst  und  wohl  auch  herausgegeben.  Der  sprachwissenschaftliche 
Standpunkt  ist  sehr  ungleich,  die  Schreibweise  alterthümelnd 
abgerissen  und  ungefüg. 

1.  Die  strenge  mechanische  Symmetrie  der  Disposition  wie  in  den  Anti- 
qiiitatum  libri  (s.  oben  164,  4,  a)  so  auch  in  den  Büchern  de  lingua  latina 
erhellt  aus  der  wiederholten  Hervorhebung  derselben.  VII,  110:  quoniam 
omnis  operis  de  lingua  latina  tris  feci  parteis,  primo  quemadmodum  voca- 
bula  imposita  essent  rebus  (Etymologie),  sccundo  quemadmodum  ca  in 
casus  declinarentur  fDeclination  und  Conjugation) ,  tertio  quemadmodum 
coniungerentur  (Syntax).  V,  1:  quemadmodum  vocabula  essent  imposita 
rebus  in  lingua  latina  sex  libris  cxponerc  institui.  de  his  tris  (ausser  dem 
ersten,  die  Einleitung  enthaltenden  Buche,  also  B.  H — IV)  ante  hunc  feci, 
quos  Scptumio  misi.  in  quibus  est  de  disciplina  quam  vocant  STVfioloyLTii^v, 
quae  contra  eam  dicerentur,  volumine  primo  (B.  II);  quae  pro  ea,  secundo 
(B.  III);  quae  de  ea,  tertio  (B.  IV).  in  his  ad  te  (Cicero)  scribam,  a  quibus 
rebus  vocabula  imposita  sint  in  lingua  latina,  et  ea  quae  sunt  in  consuetu- 
dine  apud  poetas.  VI,  97:  quoniam  de  hisce  rebus  tris  libros  ad  te  mittcre 
institui,  de  oratione  soluta  duo,  de  poetica  unum,  et  ex  soluta  ad  te  misi 
duo,  priorem  (B.  V)  de  locis  et  quae  in  locis  sunt,  hunc  (B.  VI)  de  tem- 
poribus  et  quae  cum  his  sunt  coniuncta:  deinceps  in  proxumo  (B.  VII)  de 
poeticis  verborum  originibus  scriberc  institui.  VII,  5:  dicam  in  hoc  libro 
de  verbis  quae  a  poetis  sunt  posita,  primum  de  locis,  dein  de  his  quae  in 
locis  sunt,  tertio  de  temporibus,  tum  quae  cum  temporibus  sunt  coniuncta. 
VIII,  24:  de  quibus  utriusque  generis  {dvaloyiag  und  dvmficcUccg)  dccli- 
nationibus  libros  faciam  bis  ternos:  prioris  tris  (B.  VIII,  IX,  X)  de  earum 
declinatiouum  disciplina,  posterioris  (B.  XI,  XII,  XIII)  ex  eins  disciplinac 
propaginibus.  de  prioribus  primus  (B.  VIII)  erit  hie:  quae  contra  simili- 
tudinem  (Analogie)  dcclinationum  dicantur,  sccundus  (B.  IX),  quae  contra 
dissimilitudincm  (Anomalie),  tertius  (B.  X)  de  similitudinum  forma,  de 
quibus  quae  expediere,  singulis  tribus;  tum  de  alteris  totidem  scribere  ac 
dividere  incipiamus.  Buch  XIV  bis  XXV  behandelte  dann  die  Syntax.  Vgl. 
Ritschi,  Rhein.  Mus.  VI.  S.  525  f.  Wilmanns,  de  Varr.  libris  gramm. 
p.  22  ff.  Zusammenstellung  der  Ueberreste  aus  den  verlorenen  Büchern  bei 
Wilmanns  p.  141—170. 

2.  Die  Widmung  an  Cicero  erstreckte  sich  auf  B.  V  —  XXV.  Vgl. 
Gell.  XVT,  8,  6:  M.  Varro  de  lingua  latina  ad  Ciceronem  quarto  vicesimo; 
auch  Priscian  X,  50.  p.  540,  4  Iltz.:  Varro  in  XXIII  ad  Ciceronem.  Daraus 
dass  die  ersten  Bücher  einem  Andern  gewidmet  waren  ist  wohl  zu  schliessen 
dass  sie  schon  verfasst  waren  als  Varro  sich  entschloss  mit  Cicero  eine 
Art  Tauschhandel  der  Widmungen  einzugehen.  Schon  J.  707  versprach 
er  dem  Cicero  magnam  et  gravcm  TtQoacptovrjaiv  (Cic.  ad  Att.  XIII,  12,  3), 
wurde  aber  damit  nicht  so  schnell  fertig  wie  Cicero   mit  seinen  Büchern, 


278  Ciceronische  Zeit.    Erste  Hälfte,  J.  071-691. 

80  dass  dieser  J.  709  ungeduldig  wurde  (biennium  praeteriit  cum  ille  KaXX- 
mnlSrig  assiduo  cursu  cubitum  nulluni  processerit,  1.  1.)  und  erst  auf  des 
Atticus  Zureden  sich  entschloss  selber  den  Anfang  zu  machen  durch  Wid- 
mung seiner  Academica  an  Varro  (ad  Att.  XIII,  12,  3.  16,  1  f.  18).  Das 
Werk  Varro's  wurde  also  erst  nach  dem  Ei'scheinen  von  Cicero's  Academica 
(J.  709)  fertig,  ohne  Zweifel  aber  vor  Cicero's  Tod  (Ende  711).  Wenigstens 
hat  0.  Müllers  Vermutung,  es  sei  erst  nach  Varro's  Tod  unfertig  veröffent- 
licht worden,  die  Thatsache  gegen  sich  dass  Varro  selbst  eine  Epitome 
davon  herausgab.  Vgl.  0.  MüUcr's  Praef.  i>.  I — XI  und  dagegen  L.  Spen- 
gel,  Abhandl.  der  bair.  Akad.  VII,  2.  S.  443  ff.;  Roth,  Leben  Varro's  S.  25, 
und  Wilmanns,  Varr.  libr.  gramm.  p.  37 — 46.  Verrius  Flaccus  scheint  das 
Werk  nicht  benützt  zu  haben,  vielleicht  weil  er  es  missachteto.  Vgl. 
Schwegler,  Eöm.  Gesch.  I.  S.  127:  „die  Schrift  wimmelt  von  unsinnigen, 
kindischen,  selbst  gegen  die  Anfangsgründe  der  lateinischen  Grammatik 
verstossenden  Etymologiecn." 

3.  Die  ziemlich  zahlreichen  Handschriften  des  Werkes  de  lingua  lat. 
stammen  sämmtlich  aus  dem  15ten  Jahrh.  und  sind  Abschriften  der  medi- 
ceischen  in  Florenz,  Laur.  51,  10  saec.  XI.  C.  Liichmann,  Rhein.  Mus. 
1835,  S.  104.  1845,  S.  611.  H.  Keil,  Rhein.  Mus.  VI.  (1848.)  S.  142—145. 
Editio  princeps  von  Pomponius  Lactus,  Rom  um  1471.  Neuere  Ausgaben 
hauptsächlich  von  L.  Spengcl  (Berol.  1826)  und  C.  0.  Müller  (Lips.  1833); 
nach  Letzterem  A.  E.  Egger  (Paris  1837).  Neucrc  Beiträge  zur  Kritik 
(s.  Philologus  Xlll.  S.  684  —  692  und  XXVII.  S.  303  —  307)  besonders  von 
L.  Spengel,  über  die  Kritik  der  varron.  Bücher  de  l.  1.,  München  1854.  4. 
(Abhandl.  der  bair.  Ak.  VII,  2.  S.  429—482);  de  emendanda  ratione  libro- 
rum  .  .  de  1.  1.,  München  1858.  4.;  Philologus  XVII.  S.  288—306.  W.  Christ, 
Philologus  XVI.  S.  450-464.  XVII.  S.  59—63.  H.  Kettner,  krit  Bemer- 
kungen zu  Varro  u.  lat.  Glossaren,  Rossleben  1868.  4.  Zur  Sacherklärung 
L.  Lersch,  Sprachphilosophie  d.  Alten  III.  S.  169  ff.  C.  .E.  L.  Oxe,  de 
Varr.  etymis  quibusdam,  Kreuzmvch  1859.  4.  A.  Wilmanns,  de  Varr.  libr. 
gramm.  p.  1—46. 

1.56  166.  Varro's  drei  Bücher  rerum  nisticarum  besitzen  wir, 
mit  Ausnahme  einer  Lücke  zu  Anfang  des  zweiten  Buchs,  voll- 
ständig. Das  erste  handelt  vom  Ackerbau,  das  zweite  von  der 
Viehzucht,  das  dritte  von  den  auf  einem  Gute  gezogenen  Vögeln 
und  Fischen.  (Gelehrsamkeit  und  lange  Lebenserfahrung  liefern 
hier  dem  achtzigjährigen  Verfasser  reichen  Stoff.  Die  Einklei- 
dung ist  dialogisch  in  der  Weise  der  philosophischen  Schriften 
Oicero's,  aber  mit  lebhafterer  Scenerie  und  Handlung,  und  ist 
von  Varro  dazu  benützt  seinen  etwas  zopfigen,  aber  in  seiner 
gutmütigen  Behaglichkeit  ansprechenden  Witz  spielen  zu  lassen, 
besonders  hinsichtlich  der  Namen  seiner  Personen. 

1.  R.  li.  I,  1,  1:  annus  octogesimus  admonet  me  ut  sarcinas  coUigam 
ante  quam  proficiscar  e  vita.     Die  Abfassung  fallt  somit  ins  J.  717  d.  St. 


165  f.  Varro's  prosfiische  Schriften  (rer.  rust.).  279 

Die  Scenerie  des  Gesprächs  von  B.  II  wird  ins  J.  687  (21  April),  die  von 
13.  III  ins  J.  700  versetzt;  s.  II.  praef.  7.  III,  2,  3  (vgl.  Cic.  ad  Att.  IV, 
15,  5).  Ibid.  I,  1,  4:  scribam  tibi  (seiner  Gattin  Fundania)  tres  libroa  in- 
dices  (übersichtliche).  Diess  blieb  stehen,  obwohl  Buch  II  und  III  andere 
Adressaten  erhielten,  jenes  den  Turranins  Niger,  dieses  den  Q.  Pinnius. 
I,  1,  11:  quo  brevius  (wogen  der  grossen  Zahl  der  Vorgänger)  de  ea  re 
conor  tribuB  libris  exponere,  uno  de  agricultura,  altero  de  re  pecuaria, 
tertio  de  villaticis  pastionibus.  Tl.  praef.  6:  quoniam  de  agricultura  libruro 
Fundaniae  uxor^i  propter  eins  fundum  feci,  tibi^  Niger  Turrani  noster,  qui 
vehementer  delectaris  pecore,  .  .  de  re  pecuaria  breviter  ac  summatim 
percurram.  III,  1,  9:  cum  putarem  esse  rerum  rusticarum  .  .  tria  genera, 
unum  de  agricultura,  alterum  de  re  pecuaria,  tertium  de  villaticis  pastio- 
nibus, tres  libros  institui,  e  queis  duo  scripai:  primum  ad  Fundaniam 
uxorem  de  ligricultura,  secundum  de  pecuaria  ad  Turranium  Nigrum.  qui 
reliquus  est  tertius,  de  villaticis  fructibus,  hunc  ad  te  (Q.  Pinnius)  mitto, 
quod  Visus  sum  debcre  pro  nostra  vicinitate  et  amore  scribere  potissimum 
ad  te.  Wie  diese  fortwährende  Einprägung  der  Disposition  specifisch  varro- 
nisch  ist  (vgl.  165,  1),  so  kehrt  in  diesem  Werke  auch  die  Polemik  gegen 
den  Untergang  der  alten  Sittcneinfalt  oftmals  wieder.  Ausführung  über  die 
Namenwitze  (Fundania,  Fundilius,  Agrasius,  Agrius,  Stolo,  Scrofa,  Vaccius, 
Merula,  Passer,  Pavo  u.  A.)  bei  A.  Schleicher,  Meletematon  Varron.  spec.  I 
(Bonn  1846)  p.  1^12. 

2.  Da  die  Lücke  nach  der  praef.  von  lib.  II  sich  in  allen  Handschriften 
findet,  so  stammen  diese  sämmtlich  aus  der  gleichen  Quelle.  Diese  ist 
wohl  die  von  P.  Victorius  benützte,  später  aber  verloren  gegangene  Hand- 
schrift der  Marcusbibliothek  zu  Florenz  (Marcianus).  Die  beste  Abschrift 
davon  ist  Laur.  51,  4,  geschrieben  zwischen  1420  und  1430.  A.  Schleicher, 
Melet.  Varr.  I.  p.  13  ff.  (p.  20—32  index  codicum)  und  besonders  H.  Keil, 
Obser^ationes  criticae  in  Catonis  et  Varronis  de  re  rustica  libros,  Halle 
1849.  Vgl.  L.  Mercklin,  Philologus  Xlll.  S.  694—698.  Der  Text  in  den 
Scriptores  rei  rusticae  (s.  oben  52,  5)  und  in  den  opera  Varronis  (s.  167,  3). 
üebersetznng  von  G.  Grosse,  Halle  1788.  A.  Fremy,  quid  in  libris  M.  T.  V. 
de  re  rustica  ad  litteras  attineat,  Paris  1843.  Diss. 

167.    Die    übrigeu    Schriften    Varro's    scheinen    über    das  157 

sechste   christliche   Jahrhundert   hinaus    sich    nicht   erhalten    zu 

haben.     Unter  den   sogenannten  sententiae  Varronis    sind  nicht 

wenige    welche    wirklich    aus    Schriften    des    VaiTO    entnommen 

sein  könnten. 

1.  Ueber  das  Vorhiiltniss  des  Martianus  Capella  zu  Varro  s.  Ztschr. 
f.  d.  Alt.-Wis8.  1845,  S.  1126  ff.  Jahns  Archiv  Xlll.  S.  590  ff.  Krahncr, 
de  Varrone  ex  Martiani  satura  supplendo^  Friedland  1846.  4.  Dass  Isidor 
Hisp.  die  36  Stellen  an  denen  er  den  Varro  nennt  nicht  aus  diesem^  selbst, 
sondern  erst  mittelbar  duroh  andere  Ciowährsmänner  aus  ihm  geschöpft 
hat  ist  theils  wahrscheinlich  theils  gewiss  gemacht  worden  durch  H.  Kett- 
ner, varronischo  Studien  (Halle  1865)  S.  2—37.  Daraus  ist  mit  ziemlicher 
Sicherheit  zu  schliessen  dass  dem  Zeitalter  des  Isidor,  dem  siebenten  Jahrh. 


280  Ciceronische  Zeit.    Erste  Hälfte,  J.  671—691. 

n.  Chr.,  von  dem  varronischen  Nachlasse  nicht  mehr  vorlag  als  uns.  Diess 
begreift  sich  um  so  leichter  wenn,  ut  traditur  a  maioribus  (Joh.  Saresber. 
Policrat.  II,  26.  VITI,  19),  Papst  Gregor  I  (J.  590—640)  eine  ganze  Samm- 
lung von  Büchern  aus  dem  Alterthum  auf  dem  Palatinus  verbrannt  hätte. 
Petrarca  spricht  in  einem  Briefe  den  er  (1  Oct.  1343)  an  Varro  richtet 
die  unerfüllt  gebliebene  Hoffnung  aus:  divinarum  et  humanarum  rerum 
libros  XLI,  qui  nomen  tibi  sonantius  pepererunt,  hos  adhuc  alicubi  forsitan 
latitare  suspicor,  eaque  multos  iam  per  annos  me  fatigat  cura.  Roth, 
Lebeu  Varro's  S.  4  f.  A. 

2.  Die  Sententiae  Varronis,  ungefähr  160  an  Zahl  (abgedruckt  z.  B. 
bei  A.  Riese,  Varr.  Satt.  p.  265 — 272),  finden  sich  in  den  Handschriften 
unter  verschiedenen  Titeln  (Sententiae  Varronis  ad  Papiriauum  Athen is 
audiontem;  Proverbia  Varronis  ad  Paxianum;  Sententiae  Varronis  ad  Athe- 
niensem  auditorem  morales  atque  notabiles;  Varro  ad  Athenieusem  audi- 
torem;  Liber  moralis  quem  VaiTO  scripsit  ad  Ath.  aud.;  Varro  in  Morali- 
bu8  oder  in  libro  Moralium).  Ueber  sie  muss  unbefangene  Betrachtung 
dem  Urteile  von  Riese  beistimmen  (1.  1.  p.  X  f.):  non  absonum  puto  con- 
icere  aliqua  certe  ex  parte  eas  c  Varronis  libris  derivandas  esse,  nam 
in  sunt  sententiae  quales  liberalior  tantum  excultiorque  medio  aevo  aetas 
invcuire  potuit  quaeque  Varronis  ingenio  aptissimae  sunt  (z.  B.  1:  di 
esscmus  ni  moreremur.  4:  cum  natura  litigat  qui  mori  grave  fort.  10:  in 
mnltis  contra  omnes  sapere  desipere  est.  37:  eo  vultu  ^imittendae  sunt 
divitiae  quo  accipiendae.  39:  philosophiae  non  accommodari  tempus,  sed 
dari  oportet;  ipsa  enim  praecipuus  est  dei  cultus.  62:  eo  tantum  studia 
iutermittantur  ne  omittantur.  84:  nil  novit  qui  aeque  omnia.  85:  cito 
transcursa  citius  labuntur.  86;  sie  multi  libros  degustant  ut  convivae  de- 
liciiis.  151 :  sie  studendum  ut  propter  id  te  put-es  natum ;  noch  mehr  freilich 
erinnert  dergleichen  an  Gleist  und  Ausdrucksweise  des  Seneca).  nee  obstat 
seiiuo,  qui  profecto  illius  aevi  barbarie  foede  infectus  est,  cum  in  talibus 
florilegiis  sentcntias  tantum  rcspiccre,  verba  neglegere  suoquo  usui  accom- 
modare  possent.  So  ist  56  (omnia  nosse  impossibile)  inhaltlich  identisch 
mit  Varr.  R.  R.  II,  1,  3  (nemo  omnia  potest  scire).  Manche»  isf  metrisch 
oder  leicht  in  ein  Metrum  zu  bringen  (wie  9.  21.  84.  98.  101),  daher  die 
varronischen  saturae  hauptsächlich  zu  der  Sammlung  beigesteuert  haben 
mögen.  Mercklin  vermutet«  dass  der  obscure  Grammatiker  Varro  (bei 
Vergilius  Maro  de  VIII  partibus  or.)  aus  der  karolingischen  Zeit  der  Ver- 
fasser sei.  In  den  encyclopädischen  Schriften  des  Mittelalters  (z.  B.  Vincen- 
tius  Bellovacensis  Speculum  historialc  und  doctrinale,  Arnoldi  de  Hollandia 
Libor  Vaticani)  wurden  diese  Sentenzen  viel  benützt.  Literatur:  Senten- 
tias  M.  T.  V.  .  .  edidit  et  commentario  illustravit  Vinc.  Bevit,  Padua  1843. 
R.  Klotz,  über  die  dem  Varro  beigelegten  Denksprüche,  Jahns  Archiv  IX. 
S.  .^82—603.  Düntzer,  ebds.  XV.  S.  193  ff.  vgl.  Jahns  Jahrb.  LIV.  S.  1^5  ff. 
L.  Mercklin  im  Philologus  II.  S.  480— 4S3.  XUl.  S.  739—742.  Quicherat, 
penseea  inddites  de  Varron,  Bibl.  de  Tecole  des  chartes  III,  1.  (Paris  1849) 
p.  3  ff.  Sentences  de  M.  T.  V.  et  liste  de  sc?  ouvrages,  d'apres  diffdrents 
manuscrits,  par  Ch.  Chappuis,  Paris  1856,  p.  1 — 116.  Ritschi,  Rhein. 
Mus.  XII.  S.  147—149. 

3.  Eine  verlässliche  Sammlung  und  Bearbeitung  des    ganzen  varroni- 


167  f.  Sententiae  VaiTonis.    Q.  Hortensius.  281 

sehen  Nachlasses  gibt  es  noch  nicht.  Aelteres:  Varronis  opera  cum  notis 
J.  Scaligeri,  A.  Turnebi  all.,  Paris  1569.  1573.  1581.  1585.  Von  Ausonius 
Popma,  Lugd.  Bat.  1601.  Dortrecht  1619.  Amsterdam  1623.  Editio  Bipon- 
tina  1788.    2  Voll. 

168.  Unter  den  Rednern  der  Optimatenpartei  war  der  be-i58 
deutendste  Q.  Hortensius  üortalus  (J.  640 — 704  d.  St.),  als 
Mensch  weich  bis  zur  Verschwommenheit,  als  Redner  durch  Ge- 
dächtnissstärke und  kunstreiche  Gewähltheit  des  Vortrags  lange 
Zeit  die  erste  Rolle  spielend,  bis  Cicero  ihn  überholte.  Auch 
literarisch  war  er  thätig:  nicht  nur  dass  er  einen  Theil  seiner 
Reden  herausgab,  sondern  er  verfasste  auch  eine  Schrift  über 
allgemeine  Fragen  aus  dem  Gebiete  der  Beredtsamkeit,  ausserdem 
Annales  und  erotische  Gedichte.  Neben  ihm  sind  unter  den 
Optimaten  als  Redner  nennenswerth  der  Triumvir  M.  Licinius 
Crassus  (J.  638—701),  L.  Licinius  LucuUus  (J.  640—698),  M. 
Pupius  Piso  Calpurnianus  (Cos.  693),  sowie  auch  Cn.  Pompejus 
Magnus  (J.  648 — 706)  und  einige  Andere. 

1.  Hortensius  war  Aedil  679,  Prätor  682,  Consul  685,  f  704,  nach 
Seren.  Sammon.  261  ff.  an  einem  Halsleiden.  Cic.  Brut.  88,  301:  (erat 
Hortensius)  primum  memoria  tanta  quantam  in  nuUo  cognovisse  me  arbi- 
tror  (Probe  bei  Sen.  Controv.  1.  praef.  19.  p.  54,  3  ff.  Bu.),  ut  quae  secmn 
commentatus  esset,  ea  sine  Bcrii)to  verbis  eisdem  redderet  quibus  cogita- 
visset.  .  .  302:  attulcratque  minume  volgarc  genus  dicendi,  duas  quidem 
res  quas  nemo  alias,  partitiones,  quibus  de  rebus  dicturus  esset,  et  col- 
lectiones  eorum  quae  essent  dicta  contra  quaeque  ipse  dixisset.  .  .  303:  vox 
canora  et  suavis,  motus  et  gestus  etiam  plus  artis  habebat  quam  erat 
oratori  eatis.  95,  326:  Hoiiensius  genere  (orationis  asiatico)  florens  clamores 
faciebat  adolescens.  habebat  enim  et  Meneclium  illud  studium  crebrarum 
venustarumque  seutentiarum  .  .  et  erat  oratio  cum  incitata  et  vibrans  tum 
etiam  accurata  et  polita.  327:  erat  excellens  iudicio  volgi  et  facile  primas 
tenebat  adolescens.  .  .  aed  cum  iiim  honores  et  illa  senior  auctoritas  gra- 
vius  quiddam  rcquircret,  remanebat  idem  nee  decebat  idem;  quodque  ex- 
ercitationem  studiumquc  dimiserat,  quod  in  co  fuerat  acerrimum,  concin- 
nitas  illa  crebritasqiie  seutentiarum  .  .  vestitu  illo  orationis  quo  consueverat 
ornata  non  erat.  Quintil.  XI,  3,  8:  diu  princeps  orator,  aliquando  aemulus 
Ciceronis  existimatus  est,  novissime,  quoad  vixit,  secundus.  Dem  Cicero 
gegenüber  benahm  er  sich  immer  neidlos  anerkennend  und  wohlwollend, 
wiewohl  er  von  dem  reizbaren  Nebenbuhler  vielfach  verkannt  wurde. 

2.  Von  den  zahllosen  Reden  welche  Hortensius  im  Laufe  von  44  Jahren 
gehalten  hat  kennen  wir  von  26  die  Anlässe;  s.  Luzac  p.  119 — 146.  Meyer, 
orat.  rom.  p.  168 — 172  =  p.  361 — 378  ed.  IL  Herausgegebene  Reden  (z.B. 
pro  Verre,  Quintil.  X,  1,  23):  Cic.  Brut.  94,  324  (discendi  genus  quod  fuerit 
in  utroque  orationes  utriusquc  etiam  posteris  nostris  indicabunt).  96,  328 
(id  declarat  totidem  quot  dixit,  ut  ainnt,  scripta  verbis  oratio),   or.  37,  132 


282  Ciceronische  Zeit.  Erste  Hälfte,  J.  671—691. 

(dicebat  melius  quam  scripsit).  Quintil.  XI,  3,  8  (actione  valiüsee  plurimum 
.  .  fides  est  quod  eius  scripta  tantum  intra  famam  sunt,  .  .  ut  ax>parGat  pla- 
cuiäse  aliquid  co  diccnte  quod  legentes  non  invenimus).  Ausserdem  Quintil. 
II,  1,  11:  loci  .  .  quibus  quaestiones  generaliter  tractantur,  quales  simt 
editi  a  Q.  quoque  Hortensio,  nt  Sitne  parvis  argumentis  credendum?  vgl. 
ib.  4,  27.  Priscian.  VIII.  p.  792  P.  «  381,  10  Htz.  Vellej.  II,  16,  S  (ma- 
xime  dilucide  Q.  Hortensius  in  Annalibus  suis  rettulit).  Cic.  ad  Att.  XII, 
5,  3  (de  bono  auetore  Hortensio  sie  acceperam;  mündlich?  vgl.  XIII,  32,  3 
ex  Hortensio  audieram;  33,  3  non  temere  dixit  Hortensius).  Erotische  Ge- 
dichte; s.  Plin.  Ep.  V,  3,  6  (oben  31,  1).  Ovid.  Trist.  II,  441  (nee  minus 
Ilortensi  nee  sunt  minus  improba  Servi  carmina).  Gell.  XIX,  9,  7  (oben 
31,  1).  Varr.  L.  L.  VIII,  14  (Ortensius  in  poematis:  cervix).  Vgl.  ib.  X,  78. 
Gatidl.  05,  3  f.  Im  xVIlgemeincn  L.  G.  Luzac,  de  Q.  II.  oratore  Ciceronis 
aemulo,  Lugd.  Bat.  1810.  161  pp.  Linsen,  de  H.  oratore  Cic.  acmulo,  Abo 
1822  f.  4.  W.  Drumann,  Gesch.  Eoms  III.  S.  81  —  108.  W.  Teuffei  in 
Pauly's  Real-Enc.  III.  (1843.)  S.  1497—1503. 

3.  Cic.  Brut.  64,  230:  Hortensius  .  .  suos  inter  aequalis  M.  Pisonem 
(A.  5),  M.  Crassum,  Cn.  Lentulum  (Cos.  682\  P.  Lentulum  Suram  (Cos. 
683)  longe  praestitit.  Tac.  dial.  37:  ex  his  (den  vetera  quae  et  in  anti- 
quariorum  bybliotbecis  adhuc  manent  et  cum  maxime  a  Muciano  contra- 
huntur  ac  iam  .  .  edita  sunt)  intellegi  potest  Cn.  Pompcium  (A.  6)  et  M. 
Crassum  non  viribus  modo  et  ai*mis  sed  ingenio  quoque  et  oratione  valu- 
isse,  Lentulos  (A.  7)  et  Metellos  (A.  8)  et  Lucullos  (A.  4)  et  Curioncs  (s. 
141,  12.  150,  6  und  den  Volkstribun  des  J.  704)  et  ceterani  procerum  ma- 
num  multum  in  his  studiis  operae  curaeque  posuisse.  Unter  diesen  war 
M.  Licinius  P.  f.  Crassus  Dives  im  J.  699  über  60  J.  alt  (Plut.  Crass.  17) 
Priltor  682,  Cos.  684  und  699,  Censor  689,  Mitglied  den  ersten  Triumvirats 
694,  fiel  gegen  die  Parther  8  Juni  701;  s.  W.  Drumann,  Gesch.  Boms  IV. 
S.  71  —  115.  W.  Teuffei  in  Pauly's  Real-Enc.  IV.  S.  1064—1068,  Nr.  29. 
Cic.  p.  Mur.  23,  48:  vir  summa  dignitate  et  diligentia  et  faoiütate  dicendi. 
Brut.  66,  233:  mediocriter  a  doctrina  instructus,  angustius  etiam  a  natura, 
labore  et  industria  .  .  in  principibus  patronis  aliquot  annos  fuit.  Starker 
trägt  die  Farben  auf  Plut.  Crass.  3:  naideiccg  zrig  nsgl  Xoyov  ^Xiaxct  filv 
to  QTjtoQLMv  yial  XQsmdsg  slg  noXlovg  rjati^Ge,  xal  yevofiEvog  deivog  slnsfv 
iv  totg  itaXiaxa  ^Pioiiaitov  inifieXfia  x«l  novco  rovg  svtpveaTccTOvg  vneQspccXsv. 

4.  Ueber  L.  Luculi us  s.  oben  154,  4  f.  Dessen  Bruder,  M.  Licinius 
LucuUus,  nach  seiner  Adoption  (durch  M.  Terentius  Varro)  M.  Terentius 
M.  f.  Licinianus  Varro,  Cos.  681  (s.  W.  Teuffei  in  Pauly's  Real-Enc.  IV. 
S.  1074  f.  Nr.  9),  wird  von  Cicero  (Brut.  62,  222)  neben  M.  Octavius  Cn.  f. 
und  Cn.  Octiwius  M.  f.  (Cos.  678)  unter  den  politischen  Rednern  aufgeführt. 

5.  Cic.  Brut.  67,  236:  M.  Piso  (Cos.  693)  quidquid  habuit  habuit  ex  di- 
äciplina,  maximeque  ex  omnibus  qui  anto  fuerunt  graecis  doctrinis  eniditus 
fuit.  habuit  a  natura  genus  quoddam  acumiuis,  quod  etiam  arte  limave- 
rat,  quod  erat  iu  reprehendendis  verbis  versutum  et  sollers  (vgl.  ad  Att. 
I,  13,  2).  .  .  is  cum  satis  floruisset  (als  Redner)  adolescens,  minor  haberi 
est  coeptus  postea;  deinde  ex  Virginum  iudicio  (J.  681?)  magnam  laudem 
est  adeptus  et  ex  eo  temiiore  .  .   temut  locum  tam  diu  quam  ferro  potuit 


168.  Q.  HortensiuB,  M.  CrassuB,  M.  Piso  u.  a.  Optimaten.  283 

laborem.  Ascon.  zu  Cic.  in  Pis.  p.  15:  Pupiiis  Piso  eisdem  temporibus 
quibus  Cicero,  sed  tanto  aetate  maior  ut  adolescentulum  Ciceronem  pater 
ad  euni  deduceret,  quod  in  eo  .  .  multae  inerant  litterae.  Cic.  fin.  V,  1, 
1:  cum  audissem  (zu  Athen)  Aniiocfium,  ut  solebam,  cum  M.  Pisone.  de 
deoT.  nat.  I,  7,  16:  M.  Piso  si-adesset,  so  wäre  auch  die  peripatetische 
Schule  verti-eten.  ad  Att.  XIII,  19,  4  (J.  709,  wo  Piso  hiemach  schon  todt 
war):  confeci  V  libros  nsgl  reXmv,  ut  .  .  nsQiTtatritLyia.  M.  Pisoni  darem. 
de  or.  I,  22,  104:  est  apud  M.  Pisonem  .  .  Peripateticus  Staseas. 

6.  Cn.  Pompeius  Magnus,  geb.  30  Sept.  648,  Cos.  684,  699  und  (sine 
coUega)  702,  Triumvir  694,  f  29  Sept.  706;  vgl.  W.  Drumann,  Gesch.  Roms 

IV.  S.  324—556.  W.  Teuffei  in  Pauly'a  Real-Enc.  V.  S.  1848—1854.  IjTach 
Tac.  diaL  37  (s.  A.  3)  gab  es  geschriebene  Reden  von  ihm.  Cic.  Brut. 
68,  239:  maiorem  dicendi  gloriam  habuisset  nisi  eum  maioris  gloriae  cu- 
piditas  ad  bellicas  laudes  abstraxisset.  erat  oratione  satis  am^ilus,  rem 
pmdenter  videbat;  actio  vero  eins  habebat  et  in  voce  ma>gnum  splendorom 
et  in  motu  snmmam  dignitatem.  Vellej.  II,  29,  3:  sanctitate  praecipuus, 
eloquentia  medius.  Quintil.  XI,  1,  36:  Pompeius  abunde  disertus  rerum 
suarum  narrator.  Plut.  Pompei.  1:  nt&avoTfis  loyov.  Schreiben  von  ihm 
aus  dem  Anfange  des  Bürgerkriegs  (J.  705)  bei  Cic.  ad  Att.  VIU,  11  und 
12,  je  A— D. 

7.  Die  Lentuli  bei  Tac.  dial.  37  werden  wohl  die  bei  Cic.  Brut.  64, 
230  (s.  A.  3)  genannten  sein,  von  welchen  Cn.  Cornelius  Lentulus  Clodianus 
ib.  66,  234  und  der  Catilinarier  P.  Cornelius  Lentulus  Sura  ib.  235  als 
Redner  charakterisiert  wird  (vgl.  ib.  90,  308  Lentuli  duo).  Ausserdem  Cn. 
(Cornelius)  Lentulus  Marcellinus  (Cos.  698)  ib.  70,  247;  P.  Cornelius  Len- 
tulus Spinther  (Cos.  697)  und  L.  Cornelius  Lentulus  Crus  (Cos.  705)  ib. 
77,  268. 

8.  Zu  den  Metelli  bei  Tac.  dial.  37  (A.  3)  vgl.  Cic.  Brut.  70,  247: 
duo  Metelli,  Celer  (Cos.  694,  s.  A.  Haakh  in  Pauly's  Real-Enc.  II.  S.  26  f. 
Nr.  15)  et  Nepos  (Cos.  697;  s.  Haakh  a.  a.  0.  S.  27—29,  Nr.  16),  non  nihil 
in  causis  versati,  nee  sine  ingenio  nee  indocti.  ad  Att.  VI,  3,  10  (J.  704): 
orationem  Q.  Celeris  mihi  velim  mittas  contra  M.  Servilium.    Vgl.  ad  Farn. 

V,  4,  2. 

9.  Ueber  L.  Lucceius  s.  169,  5. 

10.  Andere  Redner  dieser'  Zeit,  von  denen  aber  die  Veröffentlichung 
ihrer  Reden  nicht  erwähnt  wird,  zählt  Cicero  auf,  im  Brutus  67,  237  (P. 
Murena,  C.  Censorinus,  L.  Turins).  68,  239  (C.  Piso,  M\  Glabrio,  L.  Tor- 
quatus).  240  (D.  Silanus,  Q.  Pompeius  A.  f.  Bithynicus).  241  (P.  Autro- 
nius,  L.  Octavius  Reatinus,  C.  Staieniis).  69,  242  (C.  und  L.  Caepasii,  C. 
CosconiuB  Calidianus,  Q.  Arrius).  70,  245  (T.  Torquatus  T.  f.,  doctus  vir 
ex  Rhodia  disciplina  Molonis).  246  (M.  Pontidius;  M.  Valerius  Messala, 
Cos.  693).  Erucius,  der  Ankläger  des  Sex.  Roscius  (s.  unten  176,  Nr.  2), 
beisst  Antoniaster  (geschmackloser  Nachahmer  des  Redners  Antonius)  bei 
Cic.  p.  Varen.  fr.  8.  p.  443  =  930  Or. 

169«    Auf  dem  Gebiete  der  Geschichtschreibung  war  unter  159 
den  älteren  Zeitgenossen  Cicero's  thätig  besonders  sein  Freund 


284  Ciceronißche  Zeit.    Erste  Hälfte,  J.  671-691. 

T.  Pomponius  Atticus  (J.  G45 — 722),  hauptsächlich  mit  seiiiem 
Annalis,  einer  synchronistisch  angelegten  römischen  Geschichte 
in  magerer  Tabellenform.  Aussefdem  Procilius,  Hortensius,  Luc- 
cejus,  Sulpicius,  L.  Tubero  u.  a.  noch  weniger  Bedeutende. 

1.  T.  Pomponius  Atticus,  seit  der  Adox)tion  durch  seinen  Oheim  Q.  Cac- 
cilius  Q.  f.  Pomponianus  Atticus,  der  durch  Cicero's  Briefwechsel  mit  ihm 
(unten  181,  2)  und  des  Cornelius  Nepos  xianegyrische  Biographie  bekannte 
Geldmann  und  Buchhändler.  J.  G.  Üulloman,  diatribe  in  T.  Pomp.  Att., 
Utrecht  1838.  G.  Boissier  in  Ciceron  et  ses  amis  (Paris  1866).  W.  Teuffei 
in  Pauly's  Real-Enc.  I,  2.    S.  2004—2096. 

2.  Schriften  des  Atticus:  a)  unus  liber  graoce  confectus,  de  consulatu 
riceronis  (Cornel.  Nep.  Att.  18,  6  vgl.  Cic.  ad  Att.  II,  1,  1  vom  J.  604: 
tuus  puer  .  .  mihi  litteras  abs  te  et  commentarium  consulatus  mei  graece 
scriptum  reddidit). 

b)  Aunalis.  Cic.  Brut.  3,  13  f.:  sahitatio  .  .  illius  libri  quo  me  hie 
(Atticus)  affatus  .  .  excitavit.  .  .  quo  omnem  rernm  (nostrarum  fügt  0. 
Jahn  aus  5,  19  ein;  vgl.  aber  auch  or.  34,  120)  memoriam  breviter  et  .  . 
perdiligenter  complexus  est.  4,  15:  .  .  ut  explicatis  ordinibus  temporum 
uno  in  conspectu  omnia  viderem.  5,  19:  eis  (durch  Cicoro's  Schrift  de 
rep.  vom  J.  700)  .  .  ad  veterum  rerum  nostrarum  memoriam  comprehend- 
ondam  .  .  inccnsi  sumus  (Atticus).  Vgl.  ib,  10,  42.  11,  44  (te,  quem  rerum 
rem.  auctorem  laudarc  possum  religiosiesiuium).  18,  72.  19,  74.  orat.  34, 
120:  quem  laborem  (nicht  blos  die  römische  Geschichte  sed  etiam  imperi- 
osonim  populorum  et  rogum  illustrium  kennen  zu  lernen)  nobis  Attici  nostri 
Icvavit  labor,  qui  conservatis  notatisque  temporibus  .  .  annorum  septingen- 
toriun  memoriam  uno  libro  colligavit.  ad  Att.  XII,  23,  2:  scriptum  est  in 
tuo  Annali.  Vgl.  Cornel.  Nep.  Hann.  13,  1  und  Ascon.  zu  Cic.  in  Pis.  p.  13 
(Atticus  in  Annali).  Schol.  Ver.  zur  Aen.  II,  717.  Solin.  Polyh.  2.  C.  L. 
Roth,  bist.  lat.  p.  382 — 385.  Cornel.  Nep.  Att.  18,  1  f.:  summus  .  .  fuit  .  . 
antiquitatis  amator;  quam  adeo  diligenter  habuit  cognitam  ut  eam  iotam 
in  eo  volumine  cxposuerit  quo  magistratus  ordinavit.  nulla  enim  lex  neque 
pax  neque  bellum  neque  res  illustris  est  populi  rom.  quae  non  in  eo  suo 
tempore  sit  notata,  et  .  .  sie  familiarum  originem  subtexuit  ut  ex  eo  cla- 
rorum  virorum  propagines  possimus  cognoscere. 

c)  Corn.  Nep.  Att.  18,  3  f.:  fecit  hoc  idem  separatim  in  aliis  libris,  utM. 
Bruti  rogatu  luniam  familiam  a  stirpe  ad  hanc  aetatem  ordine  enumeraverit 
(wozu  aber  viel  Erfindung  oder  unkritische  Aufnahme  der  Familiendichtun- 
gen erforderlich  war;  vgl.  oben  78,  2.  70,  1.  3),  notans  qui  a  quoque  ortus 
quos  honores  quibusque  temporibus  cepisset.  pari  modo  Marcelli  Claudii 
de  Marcellorum,  Scipionis  Cornelii  et  Fabii  Maximi  Fabiorum  et  Aemilio- 
rum.  Hienach  überwog  bei  Atticus  die  freundschaftliche  Dienstwilligkeit 
über  das  Interesse  für  geschichtliche  Wahrheit. 

d)  Imagines.  Plin.  N.  H.  XXXV,  3,  11:  imaginum  amorem  flagrasse 
quondam  testes  sunt  Atticus  ille  Ciccronis  edito  de  iis  volumine  et  M. 
Varro.    Nep.  Att.  18,  5  f.:  attigit  poeticen  quoque  .  .    namque  de  viris  qui 


169.  AtticuB  n.  a.  Geschicbtschreiber.  285 

honore  reruraque  gestarum  amplitudine  ceteros  rom.  populi  praestiterunt 
cxposuit  ita  ut  sub  siogulonim  imaginibus  facta  magigtratnsquc  eoram  .  . 
quatemis  quinisue  vereibna  deecripBerit. 

3.  Cic.  ad  Att.  II,  2,  2  (J.  694):  Dicaearcbus  .  .  a  quo  molto  plura 
didiceris  quam  de  Procilio.  Varro  L.  L.  V,  148  (a  Procilio  relatum).  154 
(ut  Procilius  aiebat).  Plin.  N.  H.  VIII,  2,  4  (Nacbricbt  aus  J.  673  d.  St). 
Ind.  XII.  XIII.  Ps.  Ascon.  zu  Cic.  Verr.  p.  171  Or.:  legimus  de  Oppio  et 
Procilio.    Möglicherweiße  der  trib.  pleb.  698  d.  St.  Procilius. 

4.  Ueber  die  Annalen  des  Q.  Hortensius  s.  168,  2.  Ueber  Luculis  Ge- 
schichte des  marsischen  Kriegs  s.  154,  4. 

5.  Cic.  ad  Fam.  V,  12,  1  (J.  698)  an  L.  Lucceius  Q.  f.:  genus  scrip- 
torum  tuorum,  .  .  vicit  opinionem  meam,  .  .  ut  cuperem  quam  celerrime 
res  nostras  monumentis  commendari  tuis.  (2.)  .  .  videbam  italici  belli  et 
civilis  historiam  iam  a  te  ])aeue  esse  perfectam,  dixeras  autem  mihi  te 
reliquas  res  ordiri.  (3.)  .  .  gratiam  illam  de  qua  .  .  in  quodam  prooemio 
scripsisti.  Nach  Ascon.  p.  92  f. ,  der  ihn  (orator)  paratus  eruditnsque  nennt, 
hielt  und  veröffentlichte  er  J.  690  orationes  in  Catilinam.  Vielleicht  sind 
diess  die  scripta  die  dem  Cicero  gefielen  und  in  ihm  den  Wunsch  erregten 
sein  Consulat  von  ihm  behandelt  zu  sehen,  was  Luccejus  halb  versprach, 
aber  nie  ausführte.  Ein  Brief  von  ihm  an  Cicero  (aus  J.  709)  ad  Fam.  V, 
14.    Vgl.  W.  Teuffei  in  Pauly's  Keal-Enc.  IV.  S.  1156  f.  Nr.  3. 

6.  Cic.  ad  Att.  XIII,  30,  3  (J.  709):  in  Libonis  Annali  (II?)  quattuor- 
decim  annis  post  praetor  est  factua  Tuditanus  quam  consul  Mummius. 
32,  3:  eum  (den  Tuditanus)  video  in  Libonis  (II?)  praetorem.  Diess  könnte 
derselbe  Libo  sein  an  welchen  Varro  eine  Schrift  von  mehreren  Büchern 
gerichtet  hat  (Varro  ad  Libonem  primo,  Macrob.  (II,  14  =)  III,  18,  13), 
also  wohl  sein  und  des  Pompejus  Freund  L.  Scribonius  Libo  (Haakh  in 
Pauly's  Real-Enc.  VI,  1.  S.  881  f.  Nr.  13).  Dann  wEre  aber  bei  Appian.  b. 
c.  III,  77  (oaäs  fisv  riai  nsgl  rov  Baaaov  äo%si^,  AißoDvi  d'  ori)  auf  einen 
Andern «u  beziehen  oder  mit  Pcrizonius  Aißim  zu  schreiben,  da  das  dort 
Erzählte  (aus  J.  708)  eher  auf  einen  Caesarianer  schliessen  lilsst.  Vgl.  M. 
Hertz,  Breslauer  Ind.  lect.  1864  f.  p.  13-— 17. 

7.  Cornel.  Nep.  Hann.  13,  1 :  quibus  consulibus  interierit  (Hannibal)  non 
convenit.  namque  Atticus  (gibt  das  J.  571  an)  .  .  at  Polybius  (das  J.  572), 
.  .  Sulpicius  autem  Blitho  (das  J.  573). 

8.  L.  (Aelius)  Tubero,  Jugendfreund  und  Schwager  des  M.  Cicero, 
J.  693  —  696  Legat  des  Q.  Cicero  in  Asien.  Vgl.  W.  Teuffei  in  Pauly's 
Beal-Euc.  I,  1.  S.  335  f.  Nr.  6.  Cic.  p.  Lig.  4,  10:  homo  cum  ingenio  tum 
etiam  doctrina  excellens.  ad  Q.  fr.  I,  1,  3,  10  (J.  694):  legatos  habes  .  . 
de  quibus  honore  et  dignitate  et  aetate  jiracstat  Tubero,  quem  ego  arbi- 
tror,  praesertim  cum  scribat  historiam,  maltos  ex  suis  annalibus  posse  de- 
ligere  quos  velit  et  possit  imitari.  Zweifelhaft  ist  ob  dieses  Geschichts- 
werk fertig  und  herausgegeben  wurde  oder  als  Stoffsammlung  auf  seinen 
Sohn  Q.  Tubero  übergieng.  Das  Erstere  ist  nicht  zu  schliessen  aus  dem 
Plural  AHioi  bei  Dionys.  Hai.  Ant.  I,  7  (oben  37,  6).    Wie  Cicero  hielt  auch 


286  Ciceroniscbe  Zeit.    Erste  Hälfte,  J.  G71— 691. 

Tubero  sich  zur  (neuen)  Akademie,  und  der  Skeptiker  Ainesidemos  richtete 
an  ihn  seine  IIvQQoiveioi  loyoi  (Phot.  Bibl.  212.  I.  p.  169  ßk,). 

160  170.  Vorgänger  Cicero's  in  populärer  Behandlung  philo- 
sophischer Gegenstände  in  lateinischer  Sprache  waren  Amafinius, 
Rabirius  und  Catius,  alle  drei  auf  das  epikureische  System  sich 
beschränkend,  ohne  stilistischen  Aufputz,  treu  nach  den  griechi- 
schen Quellen,  und  auch  nicht  ohne  Erfolg. 

1.  Cicero's  Aeusserungen  über  diese  Vorgänger  zeigen  wenig  Unbe- 
fangenheit. Acad.  post.  I,  2,  5:  vides  ipse  .  .  non  posse  nos  Amafinii  aut 
Rabirii  similes  esse,  qni  nulla  arte  adhibita  de  rebus  ante  oculos  positis 
volgari  sermone  dispntant.  nihil  defininnt,  nihil  partiuntur,  nihil  apta  in- 
terrogatione  concludnnt,  nullam  denique  artem  esse  nee  dicendi  nee  dis- 
serendi  putant.  (6.)  iam  vero  physica,  si  Epicurum,  i.  e.  si  Democritum, 
probarem,  possetn  scribere  ita  plane  ut  Amafinius.  quid  est  enim  magnum 
.  .  de  corpusculomm  (ita  enim  appellat  atomos)  concursione  fortuita  loqui? 
Tusc.  I,  3,  6:  multi  iam  esse  libri  latini  dicuntur  scripti  inconsiderate  ab 
optimis  illis  quidem  viris  sed  non  satis  eruditis.  fieri  autem  potest  ut 
recte  quis  sentiat  et  id  quod  sentit  polite  eloqui  non  possit .  .  nee  delecta- 
tione  aliqua  allicere  lectorem.  .  .  itaque  suos  libros  ipsi  legunt  cum  suis, 
nee  quisquam  attingit  praeter  eos  qui  eandem  licentiam  scribendi  sibi  per- 
mitti  volunt.  II,  3,  7:  est  quoddam  genus  eorum  qui  se  philosophos  ap- 
pellari  Tolnnt,  quorum  dicuntur  esse  latini  sane  multi  libri,  quos  non 
contemno  equidem,  quippe  quos  numquam  legerim;  sed  quia  profitentur 
ipsi  illi  .  .  se  neque  distincte  neque  distribute  neque  eleganter  neque  Or- 
nate scribere,  lectionem  sine  ulla  delectatione  neglego.  IV,  3,6:  C.  Ama- 
finius exstitit  dicens,  cuius  libris  cditis  commota  multitudo  contulit  se  ad 
eam  potissimum  disciplinam.  (7.)  post  Amafinium  multi  eiusdem  aemuli 
rationis  multa  cum  scripsissent  Italiam  totam  occupaverunt  .  .  et  facile 
ediscuntur  et  ab  indoctis  probantur. 

2.  Rabirius  wird  ausser  Acad.  I,  2,  5  (s.  A.  1)  nicht  genannt^  da  er 
mit  dem  Dichter  C.  Rabirius  (s.  d.)  nicht  wohl  identisch  ist. 

3.  Cic.  ad  Fam.  XV,  16,  1  (J.  709):  Catius  Insuber  (vgl.  unten  195,  1), 
Epicureus,  qui  nuper  est  mortuus,  quae  ille  Gargettius  (Epikur)  et  iam 
ante  Democritus  eidcoXa,  hie  spectra  nominat.  19,  2:  Epicurus,  a  quo 
omnes  Catii  et  Amafinii,  mali  vcrborum  interpretes,  proficiscuntur.  Quintil. 
X,  1,  124:  in  Epicureis  levis  quidem  sed  non  iniucundus  tamen  auctor  est 
Catius.  Porphyr,  zu  Hör.  Sat.  II,  4  (p.  292  H.):  Catius  Epicureus  fuit  qui 
scripBit  quattuor  libros  de  rerum  natura  et  de  summo  bono.  ib.  Acro  zu 
V.  48  (p.  287  H.):  irridet  eum  qui  de  opere  pistorio  in  libro  scripsit  Car 
tius  Miltiades ;  wo  Cruquius  hat:  irridet  eum  quod  de  op.  pist.  in  suo  libro 
scribit  de  se  ipso:  haec  primus  invenit  et  cognovit  Catius  Miltiades.  Vgl. 
W.  Teuffei  Comm.  zu  Hör.  Sat.  II.  S.  114 — 116.  In  den  Aufschriften  der 
Satire  wird  der  Redende  theilweise  M.  Catius  (Cacius)  genannt  (s.  Hauthals 
Schol.  p.  280),  bei  Plin.  Ep.  IV,  28,  1  T.  Catius. 

^^^         171.    Nach    f^haraktertüchtigkeit   ein    würdiger  Schüler   des 


170  f.   Amafiniua  und  Catins.    AquiliuB  G^allu9.  287 

Pontifex  Q.  Scaevola  war  der  Jurist  C.  Aquilius  Gallus,  in 
seiner  Gleichgültigkeit  gegen  politische  Th'ätigkeit  ein  Symptom 
ebenso  der  zunehmenden  Abkehrung  vom  Staate  wie  der  be- 
ginnenden Ausbildung  der  Jurisprudenz  zu  einem  selbständigen 
Berufe.  Desto  vielseitiger  und  fruchtbarer  war  sfein  Schüler 
Servius  Sulpicius  Rufus  (J.  649 — 711  d.  St.),  eine  friedliche 
Natur,  den  Extremen  abhold,  als  Redner  tüchtig,  achtbar  als 
Gelehrter,  und  auch  der  Poesie  nicht  fremd,  weitaus  am  bedeu- 
tendsten aber  als  Kenner  und  Lehrer  des  Rechts  und  Verfasser 
zahlreicher  Schriften,  durch  die  er  auf  die  Ausbildung  der 
Rechtswissenschaft  einen  lange  fortwirkenden  Einfluss  gewann. 
Gleichzeitige  Juristen  waren  P.  Orbius  und  Precianus,  mindestens 
ein  Rechtskenner  C.  Furius  Camillus. 

1.  Plin.  N.  H.  XVII,  1:  multo  pulcherriina  domuB  consensu  omniuin 
in  colle  Viminali  C.  A quill i  equitis  rom.,  clarioris  illa  quam  iuris  civilis 
scientia.  Prätor  688  mit  Cicero,  f  vor  710;  s.  W.  Teuffei  in  Pauly's  Beal- 
Enc.  I,  2.  S.  1388  f.  Nr.  9.  Cic.  p.  Caecin.  27,  78  (J.  685):  iuris  civilis  ra- 
tionem  numquam  ab  aequitate  seiunxit,  tot  annos  ingenium,  laborem,  fidem 
suam  populo  rom.  promptum  .  .  praebuit,  .  .  ita  iustus  est  et  bonus  vir 
ut  natura,  non  disciplina,  consultus  esse  videatur,  ita  peritus  ac  prudens  ut 
ex  iure  civil!  non  scientia  solum  quaedam  verum  etiam  bonitas  nata  videa- 
tur. Brut.  42,  164:  Galli,  hominis  acuti  et  exercitati,  promptam  et  para- 
tam  in  agendo  et  in  respondendo  celeritatem.  Pompon.  Dig.  I,  2,  2,  42: 
ex.  quibus  (den  auditores  Mucii)  Gallum  maximae  auctoritatis  apud  popu- 
lum  fuisse  Servius  dicit.  Vgl.  oben  151,  3.  Auch  ülpian  kennt  ihn  nur 
aus  zv^eiter  Hand  (Dig.  XIX,  1,  17,  6:  Gallus  Aquilius,  cuius  Mela  refert 
opinionem,  recte  ait),  und  in  den  Digesten,  wo  er  etwa  ein  Duzendmal 
genannt  wird,  ist  niemals  ein  bestimmter  Buchtitel  namhaft  gemacht. 
Vielleicht  gehen  daher  diese  Erwähnungen  auf  Anführungen  zurück  welche 
sein  Schüler  Sulpicius  Rufus  über  mündliche  responsa  des  Aquilius  machte. 
Einige  rechtliche  Formulare  sind  das  Einzige  wovon  wir  mit  Sicherheit 
wissen  dass  Aquilius  es  selbst  schriftlich  veröffentlicht  hat.  So  besonders 
die  Aquiliana  stipulatio  et  acceptilatio  (Inst.  III,  29,  2.  Dig.  XL  VI,  4,  18,  1), 
die  Formel  für  Erbeinsetzung  nachgeborener  Enkel  (Dig.  XX VIII,  2 ,  29  pr.), 
und  formulae  de  dolo  malo  aus  seiner  Prätur  (Cic.  off.  III,  14,  60.  15,  61. 
deor.  nat.  III,  30,  74).  Majansius,  ad  XXX  ict.  comm.  II.  p.  57—126. 
Heineccius,  de  C.  Aquillio  Gallo  icto  celcberrimo,  Opusc.  II.  p.  777  ff. 
S.  W.  Zimmern,  Gesch.  d.  röm.  Privatrech ts  I,  1.   S.  287  f. 

2.^Ser.  Sulpicius  Q.  f.  Rufus,  mit  Cicero  ungefähr  gleichaltrig  (aeta- 
tes  vestrae  .  .  nihil  aut  non  fere  multum  differunt,  Cic.  Brut.  40,  150), 
Prator  689,  Cos.  (nach  Scheitern  für  692)  703,  J.  708  von  Caesar  zum  Pro- 
consul  von  Achaia  ernannt;  f  711  auf  einer  Sendung  von  Mutina.  A.  Haakh 
in  Pauly's  Real-Enc.  VI,  2.  S.  1497  f.  Nr.  41.  Ursprünglich  zusammen  mit 
Cicero  zum  Redner  sich  ausbildend  verzichtete  Rufus  erst  vom  J.  677  an 
auf  Wetteifer   mit  Cicero   und  wandte  sich  vonsugsweise  der  Jurisprudenz 


Ciceroniache  Zeit.   Erste  HUlft«,  J.  CT  1—691. 

der  er  durch  die  Vielseitigkeit  seiner  Bildung  einen  wiaeenachafl- 
'ortechritt  begründete.  Cic.  Brut.  41,  162  f.:  exiutumo  iaris  civilis 
I  nsum  .  .  apud  multOB  fuisse,  artem  [Systematik)  in  hoc  uno  (?). 
mqiiam  efFecisset  ipsius  iuris  Bcicntia,  niai  praet«rea  didiciaset  .  . 
am.  42,  163:  scd  adiuuiit  etiam  et  litterarum  scientiam  et  loquendi 
Utt,  qnae  es  seriptis  eius,  quorum  Bimilia  nulla  (volumina  multa 
'gl.  Pompon.  1.  1.)   snnt,    facillume  perspici  potest.    (154.)  cumque 

causa  dnoboa  peritissumis  0})cram  dedisaet,  L.  Lucilio  Balbo  (oben 
et  C.  Aquilio  Gallo,  Galli  .  .  celerital«m  subtdlitate  diligentiaque 
t,  Balbi  .  .  tarditat«m  vicit,  expedicndis  couEcieudiaque  rebus. 
.  Dig.  T,  2,   2,   43:    institutus    a    Balbo   Lucilio,    inatmctus    autem 

a  Gallo  Aquiiio,  qui  fuit  Cercinae,  itaque  libri  complures  eius  (dee 
esstant  Cercinae  coufccti.  .  .  huiua  volumina  complura  exataat 
1  der  Zeit  des  Pompouiaa).  reliquit  autem  prope  CLXXX  libros. 
tei  Cic.  Brut.  4a,  16C:  audivi  nuper  (J.  707)  eum  (den  Sulp.  Rufua) 

et  frequenter  Sami,  cum  ex  eo  ius  noatnim  pontiflciura,  qua  ex 
m  iure  civili  coniunctum  eaact,  velteni  cognoscere.  Correspondenz 
ro;  Ser.  Sulpiciue,  iuris  civilis  auctor,  vir  bcne  litteratiis,  scripsit 
arronem.    .  .  Vorro  teacripait  etc.    Gell.  II,  10,  1  f. 

line  Probe  der  redneriechen  Bildung  des  Rufus  gibt  besonders  sein 
reiben  an  Cicero  über  den  Tod  der  Tullia  (J.  709),  ad  Farn.  IV, 
Unater  sachlicher  Erzilhlung  ist  sein  Bericht  über  den  Tod  dea 
3llna  ib.  IV,  12  (J.  709).  Quintil.  X,  1,  116;  Ser.  Sulpiciua  inaignem 
lerito  famam  tribus  orationitius  meruit.  7,  30:  fcruntur  aliorum 
[als  des  Cicero  commentarii,  Entwürfe  von  Reden)  et  inventi  forte, 
ictarus  quisqnc  coniposucrat,  et  in  liliros  digesti,  ut  caiisaram 
nt  actoe  a  Ser.  Snlpicio,  cuiua  trea  orationes  (vollständige,  von 
«t  heranagcgebenc)  exstant.    sed  hi  de  qiiibus  ioquor  commentarii 

exocti  ut  ab  ipao  (Sulp.)  mihi  in  mcmoriam  poateritatia  Tideantnr 
ipoaiti  (andera  als  die  erat  von  Tiro  herausgegebenen  commentarii 
ro).     Von  jenen   trcs  orationea   ueuut  Quintilian    (IV,   2,    lOG,    vgl. 

und  Fcatus  p.  Iü3  M.)  eine  pro  Autidia,  und  eine  andere,  in  einem 
^streite,  contra  Aufidiam  (VI,  1,  20),  fiills  die  letztere  nicht  mit 
3ren  identisch  ist  und  auf  einem  Sehreib-  oder  GedilchtnifiBfehk'r 
na  beruht.  Üb  die  Rede  gegen  Murena  (J.  G91)  eine  dieaei  her- 
>eueu  Redeu  war  ist  nicht  bekannt.  Im  Allgemeinen  s.  Mejer, 
om.'  p.  398—402;  auch  oben  43,  8.  —  Quiutil.  X,  ö,  4:  et  illa  ex 
onveraio  multum  et  ipsa  contulerit.  ac  de  carminibus  quidem 
llung  lateinischer  Gedichte  in  Prosa)  neminem  crcdo  dubitare,  quo 
cre  exercitutiouia  dicitur  uaua  esae  Sulpiciua  (falls  die»»  nicht  der 
) ,    5    besprochene   Redner    ist).     Unter    den    Verfassern    erotiacher 

führt  Plin.  Ep.  V,  3,  ö  (s.  oben  31,  1)  auch  Ser.  Sulpicinm  auf 
d.  Trist  11,  441  (oben  108,  2). 
uristischc  Schriften  des  Sulpicius  liufus.    Ser.  Sulpicius  inrcconsul- 

aetatia  suae  doctissimua,  in  libro  de  sacris  detcstandis  sccundo, 
'.  (VI),  12,  1.  Ser.  SulpiciiiB  in  libro  quem  coraposuit  de  dotibus, 
,2.    4,  1  f.    Vgl.  Dig.  XII,  4,  8.    XXIII,  :i.  T'J,  1.    Ser.  Sulp,  in 


.   171.  Ser.  Sulpicins  BufuB  u.  a.  Juriaten.  289 

reprebensis  Scaevolae  capitibu3,  Gell.  IV,  1, 20.  Commentar  zu  den  XII  Tafeln 
(oben  84,  6).  Servlus  duos  libros  ad  Brutum  perquam  (Ad  Brutnm  item- 
que?)  brevisßimos  Ad  edictum  subBcriptos  reliquit,  Pompon.  Dig.  I,  2,  2,  44. 
Vgl.  XJlp.  ib.  XIV,  3,  5,  1 :  Seryius  libro  primo  ad  Brutum.  Vielleicht  auch 
bei  Varro  L.  L.  V,  40:  diyidit  in  eo,  ServiuB  Bcribit  Sulpicius,  u.  s.  w. 
Ableitung  des  Wortes  religio  von  relinquere  bei  Macrob.  Sat.  III,  3,  8  dem 
Ser.  Sulpicius,  von  Gell.  IV,  9,  8  dem  (späteren)  Masurius  Sabinus  in  com- 
mentariis  quos  de  indigenis  composuit  zugeschrieben.  Plin.  N.  H.  XXVIII,  2 
(5),  26:  Seryii  Sulpicii,  principis  yiri,  commentatio  est,  quamobrem  mensa 
linquenda  non  sit.  In  den  Digesten  wird  er  öfters  angefahrt,  ohne  dass 
sich  aber  directe  Auszüge  aus  seinen  Werken  fänden.  Ev.  Otto,  über  sing, 
de  Tita,  studiis,  scriptis,  honoribus  Ser.  Sulpicii  Bufi,  in  Otto  Thesaur.  V. 
p.  1556—1630.  S.  W.  Zimmern,  Gesch.  d.  röm.  Privatrechts  I,  1.  S.  290— 
292.  R.  Schneider,  Quaestionum  db  Ser.  Sulp.  Rufo  icto  rom.  spec.  I  u.  II, 
Lips.  1834.    A.  P.  Rudorff,  röm.  Rechtsgesch.  I.  S.  163.  236. 

5.  Pompon.  Dig.  I,  2,  2,  44:  ab  hoc  plurimi  profecerunt,  fere  tamen 
hi  libros  conscripserunt:  Alfenus  Varus  Ca  ins  (Catus  nach  Huschke's  Vor- 
schlag, 8.  unten  205,  2),  A.  Ofilius,  T.  Caesius,  Aufidius  Tncca,  Aufidius 
Namusa,  Flavius  Priscus,  G.  Ateius,  Pacuvius  Labeo,  Labeonis  Antisti 
päter,  Ciuna,  Publicius  Gellius  (?).  ex  his  decem  libros  octo  conscripserunt, 
quorum  omnes  qui  fuerunt  libri  digesti  sunt  ab  Aufidio  Namusa  in  CXXXX 
libros.  Unter  den  Genannten  sind  keine  Schriften  bekannt  von  T.  Caesius 
und  Flavius  Priscus.  Zu  den  weniger  berühmten  gehört  auch  Cinna,  als 
juristischer  Schriftsteller  angeführt  Dig.  XXIII,  2,  6.  XXXV,  1,  40,  1 ;  sowie 
Publicius,  ib.  XX»XI,  50,  2.  XXXV,  1,  61,  1.  XXXVIU,  17,  2,  8  (Afri- 
canus  et  Publicius),  der  aber  wohl  einer  späteren  Zeit  angehört,  so  dass 
bei  Pompon.  1.  1.  eher  mit  Mommsen  Publius  Gellius  zu  lesen  sein  wird. 
G.  Ateius  ist  wohl  derselbe  von  welchem  es  Dig.  XXIII,  3,  79,  1  heisst: 
Ateius  scribit  Servium  respondisse,  und  vielleicht  der  Täter  des  berühmten 
Juristen  C.  Ateius  Capito,  da  Letzterer  bei  Pompon.  1.  1.  47  Schüler  des 
Ofilius  heisst.  Der  Vater  war  Volkstribun  699  und  Prätor  (vielleicht  702); 
s.  Pauly's  Real-Euc.  I,  2.  S.  1964  f.  Nr.  2.  Collectiv  Servii  auditores  wer- 
den, wohl  nach  dem  Sammelwerke  des  Aufidius  Namusa,  angeführt  Dig. 
XXXIII,  4,  6,  1.   7,  12  pr.   7,  12,  6.    XXXIX,  3,  1,  6: 

6.  Cic.  Brut.  48,  179:  cuius  (des  T.  Juventius,  oben  161,  3)  auditor 
P.  Orbius,  mens  fere  aequalis,  in  dicendo  non  nimis  exerdtatus,  in  iure 
autem  civili  non  inferior  quam  magister  fuit.  Im  J.  691  war  er  Prätor  i.n 
Asien;  Cic.  p.  Place.  31,  76:  P.  Orbius,  homo  et  prudens  et  innocens. 

7.  Ein  Precianus  iureconsultus  bei  Cic.  ad  fam,  VII,  8,  2  (J.  700). 
Einen  Volcatius  s.  oben  151,  4. 

8.  Cic.  ad  fam.  V,  20,  3  (J.  705):  docuerunt  me  periti  homines,  in  his 
cum  omnium  peritissimus  tum  mihi  amicissimus  C.  Camillus,  .  .  praedes 
ValerianoB  teneri.  Vgl.  ib.  XIV,  6,  2  (J.  704):  si  auctio  .  .  fiet,  eures  ut 
PomponiuB  (Atticus)  aut  .  .  Camillus  nostrum  negotium  curet.  14,  2  (J.  705): 
cum  Pomponio,  cum  Camillo  .  .  consideretis.  Auch  sonst  wird  er  als  ge- 
schäftlicher Berather  von  Cicero  und  seiner  Familie  genannt;  s.  ad  Att. 
V,  8,  3.     VI,  1,  19.   5,  2.    XI,  16,  5.  23,  l.    Er  ist  wohl  identisch  mit  dem 

Tnnmu«,  BOm.  Literaturgeschichte.   2.  Aufl.  19 


290  Ciceromsche  Zeit.   Erste  H&lfte,  J.  671^691. 

scherzhafb  als  Gonnnand  (ad  fam.  IX,  20,  2.  vom  J.  708)  und  Keuigkeits- 
krilmer  (ad  Att.  Xm,  33,  4  ygl.  ib.  6,  1  ans  709)  bezeichneten  Camillus. 

162  172.  M.  TuUias  Cicero  war  geboren  den  3.  Januar  648 
=  106  V.  Chr.  auf  seinem  väterlichen  Gute  bei  Arpinum  als 
Sohn  eines  römischen  Ritters.  Nachdem  er  sich  allseitig  vor- 
gebildet trat  er  als  Redner  erstmals  unter  Sulla's  Dictatur  auf. 
Zu  seiner  v^eiteren  Vervollkommnung  brachte  er  zwei  Jahre 
(675 — 677)  in  Griechenland  und  Kleinasien  zu,  war  679  Quä- 
stor  in  Sicilien,  682  curulisch«r  Aedil,  688  Prätor  (urbanus), 
691  =  63  Consul.  Die  in  seinem  Consulatsjahre  ausgebrochene 
und  von  Cicero  unterdrückte  catilinarischo  Verschworung  bot 
den  Triumvim  des  J.  ^5  den  Vorwand  um  den  unbequemen 
Consular  durch  seinen  Feind  P.  Clodius  entfernen  zu  lassen. 
Ende  April  696  verliess  Cicero  Italien  und  lebte  zu  Thessalonich 
und  Dyrrhachion  als  Verbannter.  Am  4.  August  697  zur  Rück- 
kehr ermächtigt  langte  er  am  4.  September  wieder  in  Rom  an. 
Vom  31.  Juli  703  bis  30.  Juli  704  hatte  er  die  Provinz  Küi- 
kien  als  Proconsul  zu  verwalten.  Nach  Rom  zurückgekommen, 
traf  er  den  Kampf  zwischen  Caesar  und  der  Senatspartei,  Pom- 
pejus  an  deren  Spitze^  bereits  ausgebrochen.  Nach  langem 
Schwanken  begab  er  sich  im  Juni  705  zu  Pompejus  nach  Dyr- 
rhachion, wo  'fer  sich  auch  während  der  Schlacht  bei  Pharsalos 
(9.  August  706)  befand.  Vom  Ende  Septembers  706  bis  Septem- 
ber 707  lebte  Cicero  zu  Brundisium, .  des  Siegers  Ankunft  und 
Erlaubniss  zur  Rückkehr  nach  Rom  erwartend.  Die  Jahre 
708  und  709,  in  unfreiwilliger  Müsse  rerbracht,  waren  um  so 
fruchtbarer  an  literarischen  Arbeiten.  Der  15.  März  710  rief 
den  Cicero  in  die  politische  Thätigkeit  zurück,  verwickelte  ihn 
aber  bald  in  Kämpfe  mit  M.  Antonius,  die  mit  seiner  Proscription 
durch  das  xweite  Triumvirat  und  seiner  Todtung  (7.  December 
711  =  43)  endigten. 

1.  Biographie  des  t^lntarch.  Von  Neueren  Con.  Middleton,  history  of 
the  life  of  Cicero,  Dublin  1741.  4.  2  Bde.  Basel  1790.  4  Bde.  8.;  Deutsch 
z.  B.  Altona  1759.  3  Bde.  W.  Dnunann,  Geschichte  Borns  Y.  S.  216->716. 
VI.  S.  1 — 880.  H.  M.  Flemmer,  Atfnales  Oioeroniani,  Kopenhagen  1848 
(dänisch  geschrieben).  W.  Teuffei  in  Pauly*s  Real-Enc.  VI,  2.  (1860.)  S. 
2182 — 2206,  sowie  (ausgefOhrter  und  ohne  Quellennach  Weisungen)  in  den 
Studien  und  Charakt.  (1871)  S.  289—888.  C.  A.  F.  Brückner,  Leben  des 
Cicero.  I:  das  bflrgerliche  und  Priyatleben  Cicero's,  GOttingen  1852.  W.  H. 
D.  Suringar,  M.  Tullii  Cic.  comm.  rerum  suarum  s.  de  vita  sna.  aocessertiBt 
annales  Ciceroniani,  Lugd.  Bat.  1854.  854  pp.    W.  Forsyth,  Life  of  M.  Tul- 


172  f.   Cicero's  Leben  und  Charakter.  291 

lins  Cicero,  London  1864.   2  Bde.    G.  Boissier,  Cic^ron  et  ses  amiSi  Paris 
1865;  deutsch  bearbeitet  von  E.  Döhler,  Leipzig  1869. 

2.  Opi>enrieder,  de  Cic.  proconsule  Ciliciae,  Augsburg  1853.  4.  G. 
d^fiugues,  de  Cic.  in  Cilicia  provincia  proconsulatu ,  Strassburg  1859.  Fr. 
Hoffmann,  Cic.  in  Eilikien,  Philologus  XV.  S.  662—671.  C.  Härtung,  de 
proconsulatu  Cic.  ciliciensi,  Würzburg  1868. 

173*  Cicero  ist  eine  geistig  reichbegabte  Natur ^  Tielseitig,l63 
gewandt^  dabei  wohlwollend,  auf  das  Edle  gerichtet  und  mit 
rastlosem  Eifer  dem  selbstgesteckten  hohen  Ziele  nachstrebend, 
überaus  achtungswerth  in  einer  Zeit  wo  die  Meisten  niedriger 
Selbstsucht  frönten.  Aber  er  war  aus  weichem  Stoffe  gebildet, 
allen  Eindrücken  von  aussen  zugänglich,  ohne  die  Festigkeit 
des  Innern  um  ihnen  gegenüber  das  Gleichgewicht  zu  bewahren. 
Seine  bewegliche  Phantasie,  seine  Feinfühligkeit  und  unendliche 
Erregbarkeit  hat  ihn  zu  einem  liebenswürdigen  Menschen  ge- 
macht und  zu  einem  grossen  Redner,  aus  welchem  jede  ange- 
schlagene Saite  voll  und  reich  widerklang;  sie  machte  ihn  vor- 
züglich geeignet  zum  Vermittler  und  DöUmetscher  hellenischer 
Feinheit  und  Formschünheit,  aber  zugleich  auch  zu  einem  schwan- 
kenden Charakter,  rasch  wechselnd  zwischen  Aufschwung  und 
Abspannung,  empfindlich,  launisch,  eitel,  durch  jede  Schärfe  ver- 
wundet, ängstlich  vor  Gefahren  und  verzagt  in  bösen  Tagen. 
Wohl  mochten  auch  Andere  ihre  schwachen  Stunden  haben; 
aber  lücht  bei  Vielen  kehrten  .sie  so  regehnässig  wieder  und 
Keiner  hatte  wie  er  das  Unglück  dass  das  Auf-  und  Abwogen 
seiner  Stimmungen  in  authentischen  Belegen  auf  die  Nachwelt 
kam.  Immer  vom  Augenblicke  völlig  hingenommen,  eignete  sich 
Cicero  wenig  zum  Staatsmanne  und  hatte  doch  nicht  Selbst- 
kenntniss  genug  um  diess  einzusehen,  noch  Entsagung  genug 
um  darnach  zu  handeln.  So  dienten  die  Anläufe  die  er  machte 
um  eine  politische  Rolle  zu  spielen  nur  dazu  seine  Schwäche 
an  den  Tag  zu  bringen.  Auch  hier  voll  guten  Willens,  besass 
er  doch  nicht  die  Ruhe  und  den  Scharfblick  um  den  rechten 
Weg  zu  erkennen,  noch  den  Mut  und  die  Ausdauer  um  darauf 
fortzuwandeln.  Abwechselnd  sah  er  sich  daher  benützt  und  bei 
Seite  geschoben,  angezogen  und  abgestossen,  enttauscht  durch 
die  Schwäche  der  Freunde  un4  die  Stärke  der  Gegner,  und 
schliesshch  gleich  sehr  bedroht  von  den  Extremen  zwischen  denen 
hindurch  er  einen  Weg  gesucht  hatte. 

1.  Von  Urteilen  der  Alten  s.  bes.  Asinius  PoUio  he\  Sen.  suas.  VI. 

19* 


292  CiceroniBche  Zeit.   Ente  Hälfte,  J.  671—691. 

36,  16  ff.  Bu.:  huiuB  viri  tot  tautisque  operibuB  manfiuri  in  omne  aevum 
praedicare  de  ingenio  atque  industria  aupervacuum  est.  .  .  utinam  mode- 
ratioB  Becundas  res  et  fortius  adTersas  ferre  potuisset!  namqne  utraeque 
cum  yeneraat  ei,  mutari  eas  non  posse  rebatur.  .  .  maiore  simultateB  ad- 
petebat  animo  quam  gerebat.  sed  quando  mortalium  nulli  Yirtus  perfecta 
contigit,  qua  maior  pars  vitae  atque  ingenii  stetit,  ea  iudicandum  de  ho- 
mine  est.  Quintil.  XII,  1,  16:  nee  M.  Tullio  defuisse  video  in  ulla  parte 
civis  optimi  yoluntatem.  Schrift  des  ABinius 'Oallus  (s,  d.)  gegen  Cic.  und 
die  GegenBchrifb  des  (nachmaligen  Kaisers)  Claudius  (s.  d.),  sowie  die  des 
Suetonius  (s.  d.)  gegen  Didjmos. 

2.  In  früheren  Jahrhunderten  trübte  die  Bewunderung  des  Stilisten 
den  Blick  für  unbefangene  Beurteilung  des  Charakters  und  Staatsmanns. 
Die  versäumte  Kritik  wurde  aber  überreichlich  nachgeholt  durch  W.  Dru- 
mann,  der  in  seiner  Gesch.  Borns  Bd.  VI  den  Charakter  Cicero^s  (S.  411— 
526  als  Mensch;  S.  526 — 588  als  Staatsmann)  nach  allen  Seiten  hin  zwar 
gründlich  aber  übellaunig  und  unter  Yerkennung  aller  entschuldigenden 
Umstände  beleuchtet  hat  Ihn  suchte  Th.  Mommsen  (R.  0.  III*.  S.  597— 
600)  zu  überbieten  durch  Masslosigkeit  des  Ausdruckes  und  unhistorische 
Gereiztheit.  Billig  C.  Peter,  Gesch.  Roms  II«.  S.  174-180.  Auch  vgl.  W. 
Teuffei,  Studien  und  Charakt.  (1871)  S.  338—343.  F.  D.  Gerlach,  M.  Tullius 
Cicero,  Redner,  Staatsmann,  Schriftsteller;  Basel  u.  Ludwigsburg  1864.  66  S. 

1C4  174.  Cicero  besass  in  wunderbarem  Masse  die  Gabe  Frem- 
des in  sich  aufzunehmen  und  es  innerlich  verarbeitet  in  leichter 
fliessender  Sprache  aus  sich  herauszusetzen.  Er  hat  in  Folge 
dessen  die  römische  Literatur  um  mehrere  Gebiete  bereichert 
welche  für  dieselbe  bis  dahin  kaum  erschlossen  gewesen  waren 
und  ist  der  Schöpfer  einer  Sehriftprosa  geworden  deren  Fülle 
und  Rundung  und  Angemessenheit  an  den  Geist  der  lateinischen 
Sprache  für  lange  Jahrhunderte  mustergültig  wurde.  Aber  die 
Leichtigkeit  der  Hervorbringung  schloss  die  Gefahr  in  sich 
rasch  und  viel  und  über  alles  Mögliche  zu  schreiben  und  mit 
der  blosen  Formgewandtheit  auch  da  durchkommen  zu  wollen 
wo  ernstliche  Studien  und  sachliche  Gediegenheit  erforderlich 
waren.  Dieser  Versuchung  erlag  Cicero  wenigstens  in  der  Müsse 
der  Jahre  709  und  710.  Seinen  Lebensberuf  setzte  Cicero  in 
seine  Thätigkeit  als  Redner,  und  hier  zeigte  sich  sein  Talent  in 
vollstem  Glänze.  Sorgfältig  vorbereitet,  wurden  die  gehaltenen 
Reden  grossentheils  nachher  herausgegeben.  Nächstdem  wurden 
die  hier  gewonnenen  Kenntnisse  und  Erfahrungen  verwerthet  in 
rhetorischen  Schriften.  Dann  wurde  die  reflectierende  Schrift- 
stellerei  auch  auf  andere  Gebiete  erstreckt,  zunächst  auf  die 
Staatswissenschaft,  darauf  die  Ethik,  Religionsphilosophie,  und 
siQ  versuchte  sich  sogar  in  den  fasslicheren  Fächern  der  theore- 


174.    Cicero  als  Schriftsteller.   Gesammtansgaben.  293 

üschen  Philosophie.  Daneben  führten  ausgebreitete  persönliche 
Besdehungen  und  die  Gewohnheit  mit  der  Feder  zu  denken  fort- 
während zu  einem  überaus  regen  Briefwechsel. 

1.  A.  Denerling,  Cicero's  Bedeutung  fQr  die  römische  Literatur,  Augs- 
burg 1866.  104  8.  —  y.  Clavel,  de  Cic.  Graecorum  interprete,    Paris  1869. 

2.  Zeitliche  Aufeinanderfolge  der  Hauptschriften  Cicero's,  abgesehen 
von  den  Stüübungen  seiner  Jugend  in  Prosa  und  Versen.  J.  673 :  pro  Quintio. 

—  674:  pro  Roscio  Amerino.  —  684:  Verrinen.  — .685:  pro  Caecina.  — 
688:  de  imperio  Cn.  Pompei.  —  691:  Consulatsreden ,  de  lege  agraria,  pro 
Rabirioi  in  Catilinam,  pro  Murena.  —  692:  pro  Sulla,  Archia.  —  695:  pro 
Flacco.  —  697  f.:  Reden  post  reditum.  —  698:  pro  Sestio,  in  Vatinium, 
pro  Gaelio,  de  provinciis  cons.,  pro  Balho.  —  699:  in  Pisonem,  de  oratore. 

—  700:  de  rep.,  pro  Plancio,  Rabirio  Postume.  —  702:  pro  Milone,  de  le- 
^bus.  —  708:  Brutus,  Paradoxa,  Orator,  pro  Marcello,  Ligario,  partitiones 
oratoriae.  —  709:  pro  Deiotaro,  de  finibus,  Academica,  Tusculanae.  — 
710:  de  deorum  natura,  Cato  maior,  de  divinatione,  de  fato,  Topica,  de 
optimo  genereor.,  Laelius,  de  officiis,  Philipp.  I— IV.  —  711:  Philipp. 
V— XIV. 

3.  Üeber  Cicero  als  Stilisten  s.  F.  Hand,  Lehrbuch  des  lat.  Stils  S.  54  ff. 
und  bei  Ersch  tmd  Gruber  I,  17.  S.  241  f.  J.  Bake,  Schol.  hyponmemata 
(Lugd.  Bat.  1837)  p.  1  ff. 

4.  C.  Halm,  zur  Handschriftenkunde  der  ciceron.  Schriften,  München 
1850.  24  S.  4.  und  denselben  im  Rhein.  Mus.  IX.  S.  321—350.  Jahn*6  Archiv 
XV.  S.  165  ff.    J.  G.  Baiter,  Philologus  XX.   S,  335—362.  507—509. 

5.  Zur  ciceronischen  Bibliographie  s.  Schweiger,  class.  Bibliogr.  II,  1. 
S.  102  ff.    Orelli  Onomast.  Tüll.  VI,  1.    p.  193  ff.  3.  p.  344  f.    W.  Wagner, 

.  class.  Bibliogr.  S.  367  ff. 

6.  Gesammtansgaben:  Ed.  princeps,  Mediol.  1498.  IV  Voll.  fol.  — 
Venet.,  Junt.  1534  ff.  IV  Voll,  fol.,  von  P.  Victorius.  —  Venet.  Aid.,  be- 
sorgt von  P.  Manutius  1540 — 1546.  9  Voll.  8.  —  A  Dion.  Lambino  emend. 
et  aucta,  Paris  1566.  IV  Voll.  fol.  und  sonst.  —  Cum  notis  varr.  cura 
J.  G.  Graevii,  Amstelod.  1684  ff.  XI  Voll.  8.;  nicht  vollständig.  —  Cum 
clavi  Cic.  ed.  J.  A.  Emesti,  Lips.  1737  ff.  6  Voll.  8.;  Halle  1757.  4  Voll.; 
1774  ff.  6  Voll.;  1820.  9  Voll.  —  Cum  delect.  comm.  (stud.  Jos.  Oliveti), 
Paris  1749.  9  Voll.  4.;  Genev.  1743  ff.  —  E  rec.  Graevii  (cura  G.  Gara- 
tonii),  Neap.  1777  ff.  (unvollständig;  nur  Vol.  1—11.  14—17.  23.  24  er- 
schienen). —  Cum  notit.  lit.  et  clavi,  Bipont.  1780.  13  Voll.  8.  —  Cum 
indd.  et  varr.  iectt.,  Oxon.  1783.  10  Voll.  4.  nebst  Oliveti  del.  comm.,  ibid. 
1824.  4.,  Halle  1825«:  3  Voll.  —  Recogn.  Ch.  G.  Schütz,  Lips.  1814  ff. 
20  Voll.  —  Rec.  J.  C.  Orelli,  Turici  1826  ff.. IV  Voll.  gr.  8.  Editio  altera 
emendatior.  Vol.  I.  (libri  rhetorici).  curaverunt  I.  C.  Orellius  et  I.  G.  Bai- 
teruB,  Turici  1845.  H.  Orationes.  ad  codd.  ex  magna  parte  primum  aut 
itemm  coUatos  emendaverunt  I.  G.  Baiterus  et  C.  Halmius.  Pars  prior. 
Tnr.  1854.  Pars  posterior  1856.  III.  Epistolae.  curav.  Orellius  et  Baiterus 
1845.  IV.  (libri  qui  ad  philosophiam  et  remp.  speclant)  ex  libris  mss.  par- 


294  Ciceronißche  Zeit.   Erste  Hälfte,  J.  671—691. 

tim  primnm  partim  iterum  excuBsie  emend.  Baiterus  et  Halmius  1861 ;  dazu 
nachträglich  1862  Deperditorum  fragmenta  (ohne  Mitwirkung  von  Baiter 
und  Halm,  ausser  bei  Timaeus).  Zur  Ed.  I.  (als  Vol.  V)  Cic.  Scholiastae, 
C.  Marina  Yictorinus,  Bufinus,  G.  Julius  Victor,  Boethius,  Fayonius  Eulo- 
gius,  AsconiuB.  Pedianus,  Scholia  Bobiensia,  Scholiasta  Gronovianus  (über 
welchen  letzteren  s.  Th.  Mommsen,  Rhein.  Mus.  XYI.  S.  140 — 145),  edd. 
J.  C.  Orelli  et  J.  G.  Baiter,  2  Partes,  1833.  und  Onomast.  TuUianum  (als 
Vol.  VI — VIÜ),  continens  Cic.  vitam,  bist,  litterariam,  ind.  geograpb.  et 
bist.,  ind.  legum  et  formularum,  indicem  graecolat.,  fastos  consulares,  1836 
—1838.  8  Voll.  —  Ex  rec.  C.  F.  A.  Nobbe,  Lips.  1828.  1  Vol.  in  4.  und 
10  Voll,  in  8.  Iterum  ed.,  Lips.  1849.  11  u.  32  Voll.  kl.  8.  —  Cur.  N.  E. 
Lemaire,  Paris  1827  ff.  19  Voll.  8.  —  C.  L,  F.  Panckoucke  (mit  französ. 
Uebers.),  Paris  1835  ff.  36  Voll.  —  Recognovit  R.  Klotz,  11  Voll,  in  V  Par- 
tes (scripta  rhet.;  Orationes;  Epp.;  scripta  philosophica;  Indices),  in  der 
Bibliotheca  Teubneriana  (editio  II  emendatior,  1863 —-1871).  —  Edd.  I.  G. 
Baiter  et  C.  L.  Kayser  (Lips.,  B.  Tauchnitz,  1861—1869,  11  Voll.). 

7.  Lezica  zu  Cic:  Marii  Nizolii  Thesaur.  Cic,  Basil.  1559.  Venet. 
1570.  fol.  und  oft,  z.  B.  Patav.  1734.  fol.  (cur.  J.  Facciolati),  Lond.  1820. 
3  Voll.  8.  —  Clayis  Ciceroniana,  ed.  Ernesti  (bei  seiner  Ausg.  und  sonst, 
zuletzt  YOn  A.  H.  Rein,  Halae  1831).  —  Lex.  Cic.  von  C.  G.  Schütz,  Lips. 
1817.  4  Voll.  Auch  Orelli's  und  Baiters  Onomast.  TuU.  und  Pars  V.  von 
Klotz  (Lips.  1856),  sowie  Vol.  XI^  (1869)  von  Baiter -Kayser  (Fragmenta 
und  Index  nominum). 

165  175.  Zum  Redner  hatte  den  Cicero  schon  die  Natur  reich 
ausgestattet:  die  ausserordentliche  Beweglichkeit  seines  Geistes, 
seine  lebhafte  Einbildungskraft,  die  Entzündbarkeit  und  Wärme 
seines  Gefühls,  ein  ganz  ungewöhnliches  Formtalent,  eine  un-. 
erschopfiiche  Fülle  des  Ausdrucks,  ein  glückliches  Gedächtniss, 
die  Gabe  des  schlagenden  und  erheiternden  Witzes,  dazu  gün- 
stige Stimmmittel  und  eine  würdevolle  Gestalt,  —  durch  dieses 
Alles  war  Cicero  wie  Wenige  zum  Redner  berufen.  Aber  er 
that  auch  seinerseits  Alles  um  auf  diesem  Gebiete  das  Höchste 
zu  erreichen:  erst  nach  langer  mühseliger  Vorbereitung,  theo- 
retischer wie  praktischer,  begann  er  die  öffentliche  Thätigkeit 
als  Redner,  und  stand  nie  stille,  sondern  arbeitete  fortwäh- 
rend an  seiner  Vervollkommnung,  trat  immer  wohl  vorbereitet 
auf,  betracht/ete  jede  gelungene  Leistung  als  eine  Stufe  und 
einen  Sporn  zu  einer  noch  vollendeteren,  und  suchte  sich  der 
Aufgabe  und  der  Mittel  -  sie  zu  erreichen  durch  fortgesetztes 
Nachdenken  und  Studium  bewusst  zu  werden.  Dadurch  hat  er 
nach  allgemeinem  Urteil  den  Platz  zur  Seite  des  Demosthenes 
oder  gleich  nach  ihm  erreicht,  wiewohl  er  an  dessen  sittlichen 
Ernst   und   daraus   fliessende   Kraft   entfernt   nicht    hinanreicht. 


176.    Cicero  als  Redner.  295 

Dafür  übertrifiFt  Cicero  ihn  an  Manchfaltigkeit  und  Glanz  ^  wo- 
durch er  sich  der  asiatischen  Schule  mehr  nähert  als  der  atti- 
schen. Die  Worte  strömen  ihm  so  reichlich  zu  dass  er  manch- 
mal breit  wird,  oft  ist  aber  seine  Redseligkeit  auch  Mittel  um 
die  Schwäche  seiner  Gründe  zu  verdecken.  In  der  Form  liegt 
seine  Stärke:  sie  ist  klar,  gewählt,  rein,  rund,  sachgemäss,  an- 
schaulich, geschmackvoll  und  blendend.  Alle  Tonarten,  vom 
leichten  Scherz  bis  zum  tragischen  Ausdrucke,  stehen  ihm  zu 
Gebot,  besonders  aber  gelingt  ihm  die  Sprache  der  scheinbaren 
üeberzeugung  und  Empfindung,  die  er  durch  feurigen  Vor- 
trag noch  wirkungsreicher  zu  machen  wusste,  daher  er  ganz 
überwiegend  in  Criminalprocessen  thätig  war.  Freilich  artet  dieser 
Vorzug  manchmal  auch  in  Effecthascherei  aus,  und  der  Prunk 
der  Worte  verhüllt  oft  die  Armut  der  Gedanken,  die  Bedenk- 
lichkeit der  Sache.  Dass  er  in  der  Annahme  von  Vertheidig- 
ungen  nicht  sehr  wählerisch  war  hat  Cic.  mit  den  Sachwaltern 
aller  Zeiten  gemein.  Als  Ganzes  sind  seine  Reden  oft  nicht 
befriedigend,  es  fehlt  ihnen  nicht  selten  an  Schärfe  der  Auf- 
fassung und  Anordnung;  desto  wirksamer  aber  sind  viele 
Einzelheiten. 

1.  Cicero'B  Selbstschilderung  Brut.  93,  322  vgl.  Quintil.  X,  1,  106—112. 
XII,  1,-19-^21.  10,- 12—15. 

2.  Cic.  orat.  30,  108:  nemo  orator  tarn  mnlta  ne  in  graeco  quidem 
otio  scripsit  quam  multa  sunt  nostra,  eaque  hanc  ipsam  habent  quam 
probe  varietatem. 

3.  Quintil.  VI,  3,  3:  non  solum  extra  iudicia  sed  in  ipsis  etiam  ora- 
tionibus  habitus  est  (Cic.)  nimius  risus  affectator.  Vgl.  Macrob.  Sat.  II, 
1,  13.    Drumann  VI.  S.  599  ff. 

4.  F.  Hand  bei  Ersch  und  Gruber  I,  17.  S.  213—217.  Jenisch,  ästhe- 
tisch-kritische Parallele  des  Demosthenes  und  Cicero,  Berlin  1801.  Dru- 
mann VI.  S.  588  —  644.  Cadenbach,  de  Cicerone  oratore,  Essen  1847.  4. 
F.  BlasSy  die  griech.  Beredtsamkeit  (1866)  S.  125—129.  A.  Deuerllng, 
Cicero*s  Bedeutung  S.  21—28. 

5.  Auf  eine  Sammlung  der  Reden  Cicero's  worin  jede  Bede  ein  eigenes 
Buch  bildete  weisen  Citate  wie  Charie.  p.  368,  28  K.:  Cicero  causarum  de- 
cimo  tertio;  Quintil.  V,  10,  98:  Cicero  pro  Caecina  .  .  et  alia  in  eodem 
libro  plurima.    Commentar  des  Asconiais  (s.  d.). 

6.  Ausgaben  sänuntlicher  erhaltenen  Beden  des  Cic.  von  B.  Klotz 
(3  Bände,  Leipz.  1835.  1837.  1839)  und  besonders  von  Baiter,  Halm  u.  A. 
im  zweiten  Bande  ihrer  Umarbeitung  der  Orelli'schen  Gesammtausgabe 
des  Cicero  (Turic.  1854.  1856).  Vgl.  Halm  in  den  Münchner  gel.  Anz.  1854, 
JJr,  19—21. 


Ciceronische  Zeit.    Erste  Hälfte,  J.  671—691. 

7.  Ausgewählte  Reden  fQr  den  Schulgebranch  z.  B.  von  B.  Weiske 
(13;  Lips.  1807),  Matthiä  (13;  Lips.  1830  f.),  Madvig  (12;  Eopenh.  1830.  | 
1841.  1848.  1858),  Steinmetz  (13;  Mainz  1832),  Orelli  (15;  Zürich  1836), 
E.  y.  Zorck  (ed.  sexta,  Lugd.  Bat.  1836),  C.  Halm  (Leipzig  und  Berlin 
1850 — 1866^  7  Bändchen,  Weidmännische  Sammlung)  u.  A.  Neuere  Text- 
ausgaben der  or.  sei.  die  des  Haller  Waisenhauses,  welche  in  einer  grossen 
Anzahl  yon  Auflagen  verbreitet  ist  (ed.  XX  cur.  0.  Heine,  1870);  von  | 
6.  Linker  (or.  Tullianarum  decas,  I.  Wien  1857),  Fr.  Pauly  (Prag  1860), 
C.  Habn  (18  Beden;  Berlin  1868). 

8.  Cicero's  sämmtliche  Beden,  übersetzt  von  C.  N.  Oslander  (in  der 
Metzler'schen  Sammlung,  27  Bändchen).  Ausgewählte,  übersetzt  von  C.  F. 
Wolff  (5  Bände,  Altona  1807—1819),  G.  Wendt,  Stuttgart  (Metzler)  1858 
(Class.  d.  Alt.);  von  £.  Jenicke  (in  der  Engelmann^schen  Sammlung), 
Leipzig  1858  ff.;  von  J.  Siebelis  (Stuttgart,  Hoffmann,  1861  ff.). 

166        176.    Die  erhaltenen  Beden  Cicero's  sind  in  chronologischer 
Ordnung  folgende: 

1)  pro  Quintio,  gehalten  J.  673  d.  St.,  eine  Verhandlung 
in  iudicio^  wobei  Cicero's  Client  in  die  Stellung  eines  Klägers 
gedrängt  ist  und  auf  Entscheidung  der  eingegangenen  sponsio 
praeiudicialis  zu  seinen  Gunsten  klagt.  Die  Verhandlung  ist 
nur  eine  Episode  in  dem  Hauptprocesse,  welcher  eine  gegen 
Quintius  angestellte  Schuldklage  betrifft^  die  sich  auf  einen 
Societätsvertrag  gründet.  Gesiegt  scheint  Cicero  nicht  zu  haben. 
Die  Rede  hat  eine  etwas  breite  Ausführung;  aber  schulmässig 
strenge  Disposition. 

1.  Den  dritten  Theil,  welcher  einen  Punkt  von  untergeordneter  Wich- 
tigkeit und  wenig  Interesse  ausfiihrte,  scheint  Cicero  selbst  bei  der  Ver- 
öffentlichung der  Rede  weggelassen  zu  haben;  vgl.  oben  43,  7. 

2.  Drumann,  Gesch.  Roms  III.  S.  82—84.  V.  S.  232—234.  F.  L.  Keller, 
Semestria  ad  M.  TuU.  Cic.  I,  1.  (Zürich  1842)  mit  den  Recc.  von  Bachofen, 
in  Richter's  Jahrb.  1842.  S.  961—1007,  und  Th.  Monmisen,  Zeitschr.  f.  d. 
Alt.- Wies.  184Ö.  S.  1086—1099.  Zeyss,  Zeitschr.  für  d.  Alt-Wiss.  1846. 
Nr.  61  f.  S.  J.  E.  Rau,  disputat.  iuridica  ad  Cic.  or.  p.  Qu.,  Lugd.  Bat. 
1825.  J.  Frei,  der  Rechtsstreit  zwischen  P.  Quinctius  und  S.  Naevius;  eine 
Einleitung  zu  Cic.  Rede  für  P.  Q.,  Zürich  1852.  38  S.  4.  S.  Benfey,  zur 
juristischen  Erklärung  der  Bede  pro  Q.,  Philologus  X.  S.  126—133.  E. 
Klotz,  Adnotatt.  ad  Cic.  or.  Quinct.,  Lips.  1862.  4. 

3.  Besonders  herausgegeben  mit  der  pro  Sex.  Rose,  von  J.  Facciolati, 
Padua  1728.  1731. 

2)  pro  Sex.  Roscio  Amerino,  J.  674  gehaltene  erfolg- 
reiche Vertheidigungsrede  gegen  die  Anschuldigung  des  Vater- 
mords.   Der  Fall  war  dadurch  erschwert  dass  ein  Günstling  des 


176.    Cicero'ß  Reden.  297 

Dictators  Sulla  die  Gegenpartei  bildete^  und  schon  dass  Cicero 
trotzdem  die  Yertheidigung  übeniahm  empfahl  ihn^ .  sowie  auch 
die  —  wenn  auch  schonende  so  doch  dabei  freimütige  —  Art 
der  Ausführung.  Auch  diese  Rede  theilt  die  Eigenschaften  der 
▼origen;  ausserdem'  hat  sie  manchen  entbehrlichen  rhetorischen 
Aufputz.  Die  Lücke  nach  c.  45  scheint  nicht  von  Cicero  selbst 
herzurühren. 

1.  Cic.  Brut.  90,  312.  316.    Orat  30,  107.    Quintil.  XII,  6,  4. 

2.  EriauteningBschriften.  Schol.  Gronov.  bei  Orelli  IV.  p.  424  —  437. 
Programme  von  8.  N.  J.  Bloch,  Kopenhagen  1814.  1816.  Roeskild  1827  f.  4. 
C.  J.  T.  Assen,  histor.-krit.  Bemerkungen,  gelesen  am  20.  August  1828  im 
Amsterd.  Institut.  A.  Niki,  abundantiam  Iuvenilem  in  Cic.  or.  p.  R.  A. 
apparentem  notayit,  Kempten  1836.  4.    Drumann  V.  S.  234—244. 

3.  Sonderausgaben  von  H.  B.  Matth&i  (Schleswig  1799),  W.  Bachner, 
(rec.  emend.  etc.  Lips.  1835),  J.  C.  Orelli  (Zürich  1837.  4.),  £.  Osenbrüggen 
(mit  Einl.  und  Gommentar,  Braunschweig  1844),  G.  W.  "Gossrau  (Quedlinb. 
1863),  C.  Halm  (in  der  Weidmännischen  Sammlung  I.,  6te  Auflage  1870), 
S.  Karsten  (Utrecht  1861),  Fr.  Richter  (Leipzig,  Teubner,  1864).  —  üeber- 
setzt  Yon  Gliemann,  in  Jahn's  Archiv  XI.  6.  677—616. 

3)  pro  Q.  Roscio  Comoedo,  nach  der  gewöhnlichen  An- 
nahme gehalten  im  J.  678  ^  nach  Drumann  aber  erst  im  Jahr 
682  d.  St.  Gregenstand  der  Rede  ist  ein  Sklave  (Panurgus)  wel- 
chen der  Kläger,  C.  Fannius  Chaerea,  dem  Roscius  zur  Aus- 
bildung in  der  Schauspielkunst  übergeben  hatte,  unter  der  Be- 
dingung dass  der  Gewinn  den  dann  einst  die  Kunst  des  Sklaven 
eintrüge  zwischen  Herr  und  Lehrer  getheilt  werden  sollte.  Nun 
hatte  aber  ein  gewisser  Flavius  diesen  Panurgus  get5dtet  und 
dafür  zuerst  dem  Roscius  und  dann  dem  Fannius  Schadenersatz 
bezahlt;  um  dessen  Theilung  es  sich  handelt. 

1.  ünterholzner,  über  die  Rede  des  Cic.  f.  den  Schansp.  R.,  in  Sa- 
vigny's  Zeitschr.  I.  S.  248  ff.  F.  A.  C.  Rovers,  de  Cic.  or.  p.  R.  C,  Utrecht 
1826.  N.  München,  or.  p.  R.  G.  iuridice  exposita,  Colon.  1829.  Puchta, 
über  den  der  Rede  .  .  zu  Grunde  liegenden  Rechtsfall,  Rhein.  Mus.  V. 
S.  316—328.  G.  E.  Heimbach,  observatt.  iur.  rom.  (Lips.  1834)  p.  18  ff. 
Huschke  in  Richter's  krit.  Jahrb.  1840.  S.  481  ff.  A.  Hanedoes,  diss.  de 
Cic.  p.  R.  C.  oratione,  Lugd.  Bat.   1844.    Drumann,  G.  R.  V.  S.  346—348. 

2.  Or.  p.  R.  C.  ed.,  comm. ,  adnott.  illustr.  C.  A.  Schmidt,  Lips.  1839. 
—  Uebersetzt  von  E.  Osenbrüggen,  in  Jahn's  Archiv  XL  S.  654—676. 

4)  pro  M.  Tullio,  gehalten  vor  reciperatores  J.  682  oder 
683,  Klage  im  Namen  des  TuUius  gegen  einen  Nachbar  von 
diesem,  den  sullanischen  Veteranen  P.  Fabius,  welcher  dessen 
Landhaus  (im  Gebiete  von  Thurii)  zerstört  hatte. 


298  Ciceronische  Zeit   Erste  Hälfte,  J.  671—691. 

1.  Tac.  diaJ.  20:  qaiA  (nunc)  de  exceptionc  et  formata  per|>etietur  illa 
immensa  volumina  quae  pro  M.  Tullio  aut  A.  Caecina  legimu«?  Vgl.  Jul. 
Victor  p.  240  Or.  =  419  Halm.  Schol.  Bob.  pr.  Mil.  p.  278  Or.  —  Für 
J.  682  spricht  Dromann,  G.  R.  V.  S.  258,  A.  64  b. 

2.  Ausgaben  yon  Mai,  Peiron,  Beier,  s.  unten  177,  2.  Ph.  E.  Huschkc, 
in  J.  6.  HuBchke's  Anal.  lit.  (Lips.  1826)  p.  98  ff.  872  ff.  E.  J.  Richter, 
Nürnberg  1834.  12.  Keller,  Semestr.  1,8.  p.  653  ff.  In  Orelli's  sweiter 
GesammtauBgabe  p.  88 — 102. 

3.  C.  Beier,  iurisprud.  in  Cic.  or.  p.  T.  ezponitur,  in  Jahn's  Jahrb.  I. 
p.  214—220.  Savigny,  über  Cic.  or.  p.  T.  und  die  actio  vi  bon.  rapt.,  in 
der  Zeitschr.  f.  gesch«  Rechtsw.  V.  Nr.  3. 

5)  Diyinatio  in  Caeciliuni;  wodurch  Cicero  (Jahr  684 
d.  St.)  sich  selbst  das  Becht  erkämpfte  als  Ankläger  des  Verres 
wegen  dessen  Prätor  in  Sicilien  (gegen  Hortensius  und  Sisenna) 
aufzutreten^  statt  des  von  dem  Bedrohten  vorgeschobenen  un- 
gefährlichen Q.  Caecilius  Niger;  und 

6 — 11)  in  Verrem,  bestehend  aus  zwei  actiones,  von  wel- 
chen die  erste  am  5.  August  684  als  Einleitung  zur  eigent- 
lichen Klage  gesprochen  ist^  worauf  Cicero  die  einzelnen  Elag- 
punkte  in  der  Weise  vorbrachte  dass  er  gleichsam  nur  die 
Uebersehriften  gab,  den  Text  aber  durch  Zeugenabhor  und 
Verlesen  von  Urkunden  sich  von  selbst  bilden  liess;  dagegen 
verarbeitete  er  seinen  reichhaltigen  Stoff  später,  nach  der  Ver- 
urteilung des  Beklagten,  zu  den  fünf  Büchern  der  actio  secunda: 
de  praetura  urbana,  de  iurisdicüone  Siciliensi,  de  frumento,  de 
signis,  de  suppliciis.  Diese  actio  secunda  ist  aber  nur  sehrift- 
lieh  herausgegeben,  nie  wirklich  gehalten  worden,  obwohl  der 
Verfasser  sich  den  Anschein  gibt  als  sei  das  Urteil  noch  nicht 
gefällt  und  sollte  durch  diese  Beden  auf  dessen  Findung  noch 
eingewirkt  werden. 

1.  Caecilius  war .  ein  §iiteltv^iQi%6g  ai^Qentog,  ivo%0£  z^  lov^tct^sip 
(Plnt.  Cic.  7);  daher  des  Cicero  Wit«:  quid  ludaeo  cum  verre?  —  J.  W. 
Sluiter,  spec.  acad.  in  Cic.  div.  in  Caec,  Lugd.  Bat.  1832.  Ffir  den  Schul- 
gebraueh  heransgeg.  von  Fr.  Richter,  Leipzig  (Teubner)  1870.  Vgl.  Fr. 
Richter  in  Fl«ckeiBen*8  Jahrbb.  103,  8.  421—431. 

2.  Dnunann  V.  S.  263  ff.  327.  Fs.-Ascon.  p.  97—213  Or.  ßchol.  Gron. 
p.  382 — 405  Or.  Francke,  prolegg.  in  Cic.  orr.  Verr.,  Wittenb.  1823,  und 
in  Friedemaan  und  Seebode  Mise.  crit.  II.  p.  293  ff.  Madvig,  Opnsc.  acad. 
I.  p.  323  ff.  P.  C.  Massd,  disp.  lit.  iurid.  de  Cic.  or.  in  V.  de  inrisd.  Sic, 
Lugd.  Bat  1824.  Brauneisen,  Bemerkungen  über  die  verrin.  Reden,  Ha- 
dersleben  1840.  4.  Eramarczik,  die  Eunstränbereien  des  Verres,  zur  ErU. 
▼on  Verr.  IV.,  Heiligenstadt  1849.  4.  EOnig,  de  Cic.  in  Verr.  artis  openoa 
aestimatore,  Jever  1863.  4.    L.  Bchwabe  (zu  Verr.  IV)  im  PUk>k)gQB  XXX. 


176.    Cicero'ß  Reden.  299 

S.  311—346.  U.  Degenkolby  die  lex  Hieronica  .  .,  Beitrag  zur  Erklärung 
der  Verrinen,  Berlin  1861.  G.  Halm,  fiber  die  Hdss.  der  Yerrinischen  Reden 
des  Cicero,  insbesondere  den  vaticanischen  Palimpsest,  in  den  Munchener 
gel.  Anz.  1858,  Nr.  29 — 33.  W.  G.  Pluygers,  Spec.  emendat.  in  Cic.  Verr. 
act.  n.  libr.  2  et  3.    Lugd.  Bai  1855.  4. 

3.  Ausgaben  der  Verr.  von  C.  G.  Zumpt  (Berlin  1831 ;  Text  besonders,  ib. 
1830),  G.  Long  (with  a  commentary,  ed.  II.  London  1862).  Einzeln  Lib.  II  von 
Creuzer  und  Moser,  Göttingen  1847;  IV  von  N.  G.  EichhofF,  Giessen  1825, 
und  übersetzt  in  Jahn's  Archiv  XIII,  1  f.;  V  von  Orelli,  Leipzig  1831. 
Rede  gegen  Caecilius  und  gegen  Verres  IV  und  V,  erklärt  von  C.  Halm 
(Weidmännische  Sammlung).  1852  (mit  einer  Karte),  bis  jetzt  5  Auflagen. 
Viertes  (Leipzig,  Teubner  1866)  und  fönftes  (ebds.  1868)  Buch  erklärt  von 
Fr.  Richter. 

12)  pro  M.  Ponteio,  vom  Jahr  685,  in  einer  Repetunden- 
klage;  nur  unvollständig  erhalten. 

1.  Die  Ueberreste  der  Rede  wurden  J.  1820  von  Niebuhr  aus  einem 
vaticanischen  Palimpsest  vermehrt  durch  Bruchstücke  des  ersten  Theiles 
(Rom  1820.  8.;  auch  in  Mai's  Class.  auct.  II.  p.  363  iF.),  durch  neue  Bruch" 
stdcke  aus  dem  Anfang  der  Rede  naeh  einer  Handschrift  des  Nicolaus  von 
Cues  (Cusanus)  von  Jos.  Klein  (Berlin  1866),  S.  57—78. 

2.  üeber  den  Inhalt  der  Rede  s.  Drumann  V.  S.  329—335. 

13)  pro  Caecina^  vom  Jahr  685,  gehalten  vor  redpera- 
tores,  über  eine  Erbsehaftsstreitigkeit ,  wobei  mindestens  das 
formelle  Recht  auf  Seiten  Cicero's  war. 

1.  Cic.  orat.  29,  102.  Vgl.  Tac.  dial.  20  (oben  S.  298,  Z.  1  f.).  Quintil. 
V,  10,  98.    Vertheidiger  der  Gegenpartei  (des  L.  Aebutius)  war  C.  Piso. 

2.  H.  C.  Gras,  diss.  iurid.  qua  .  .  Cic.  iustam  pro  Caec.  causam  dixisse 
ostenditur,  Lugd.  Bat.  1769.  4.  Rumpf,  Observ.  in  Cic.  or.  p.  Caec, 
Giessen  1810.  4.  Ph.  £.  Huschke,  Analect.  lit.  p.  164  ff.  R.  Klotz,  adnot. 
crit.  ad  Cic.  or.  Caecin.  partes  I.  II.  Lips.  1866  f.  51  pp.  4.  Drumann  V. 
S.  335—344.  F.  L.  Keller,  Semestr.  lib.  II.  (Zürich  1843)  und  dazu  Th. 
Mommsen,  Zeitschr.  für  d.  Alt.-Wiss.  1845.  Nr.  136  ff.  C.  A.  Jordan  in 
den  Prolegg.  vor  seiner  Ausgabe  der  Rede  (Lips.  1847),  und  gegen 
Jordan:  Zeyss,  Cic.  hat  den  Process  des  Caecina  verloren,  Zeitschr.  f.  d. 
Alt.-Wiss.  1848.  Nr.  109  — 111.  A.  H.  G.  Zimmermann,  de  A.  Caecina 
(1852),  p.  6—10. 

14)  de  imperio  Cn.  JPompei,  gehalten  im  Jahr  688  als 
Prätor^  zur  Unterstützung  der  lex  Manilia.  Das  Lob  des  Pom* 
pejus  ist  stark  aufgetragen,  die  Darstellung  aber  meisterhaft. 

1.  Cic.  de  or.  29,  102.  Fronte  de  bell,  parth.  p.  221  f.  Naber.  Vgl. 
Schol.  Gronov.  p.  437—442  Or. 

2.  A.  Mühlich ^  geschichtl.  Einl.  nebst  Plan  zu  Cic.  R.  u.  s.  w.  Bam- 
berg 1826.  4.    C.  W.  Haun,   Versuch  einer  Würdigung  der  Rede,  Merseb, 


300  Ciceronische  Zeit.   Erste  Hälfte,  J.  671—691. 

1827.  4.  Dnunann  V.  S.  366—359.  A.  Niki,  levitateni  et  fallaciam  argu- 
mentationis  in  Cic.  or.  etc.  oetend.,  Kempten  1842.  4.  J.  A.  Reinhard,  de 
aliqaot  locomm  in  Cic.  or.  p.  I.  M.  fide  historica,  Freibarg  i.  Br.  1852. 
33  pp.  8.  Bauenneister,  Cic.  Rede  de  imp.  Gn.  P.  nach  ihrem  rhetorischen 
Werthe  erl&utert,  Luckau  1861.  31  S.  4.  . 

3.  Aasgaben  von  C.  Beneke  (Lips.  1834),  Halm  (Lips.  1849  and  in  der 
Weidmännischen  Sammlung  mit  Rose.  Am.),  G.  W.  Gossrau  (Quedlinburg 
1854.  183  S.  8.,  wovon  140  S.  Einleitong). 

15)  pro  A.  Cluentio  Habito,  Vertheidigung  eines  Gift- 
mörders, aus  dem  J.  688. 

1.  Qnintil.  II,  17,  21:  Cicero  se  tenebras  offudisse  iudicibus  in  causa 
Clucntii  gloriatus  est.  Vgl.  ib.  IV,  6,  11.  VI,  5,  9.  XI,  1,  61  —  63.  74. 
Apoll.  Sid.  ep.  VHI,  10:  M.  Tullius  .  .  pro  Cluentio.  ipse  se  yicit. 

2.  Drumann  V.  S.  360  ff.  C.  J.  van  Assen,  disp.  iurid.  lit.  de  Cic.  or. 
pr.  ein.,  Franeker  1809.  8.  —  Kritische  Ausg.  von  J.  Classen,  Bonn  1831. 

16 — 18)  Drei  Reden  de  lege  agraria  contra  P.  Servilium 
RuUom,  die  frühesten  von  Cicero's  Consulatsreden  (J.  691),  ent- 
haltend die  Bekämpfung  des  masslosen  Vorschlages  des  Yolks- 
tribunen  Servilius,  für  den  Ankauf  und  die  Vertheilung  von 
Ländereien  in  Italien  einen  (demokratischen)  Zehnerausschuss 
mit  den  ausgedehntesten  Befugnissen  niederzusetzen.  Den  zu- 
gleich gegen  Pompejus  gerichteten  Vorschlag  bekämpft  Cicero 
scheinbar  vom  demokratischen  Standpunkte  aus.  Die  erste  Bede 
ist  am  1.  Jan.  im  Senat  gehalten  (erhalten  nur  der  letzte  Theil), 
die  zweite  und  .(kurze)  dritte  an  das  Volk  gerichtet,  eine  vierte 
(gleichfalls  kurze)  nicht  auf  uns  gekommen. 

1.  Cic.  ad  Att.  II,  1,  3.    Quintil.  II,  16,  7. 

2.  Or.  III  de  lege  agr.  in  usum  schol.  rec.  J.  L.  Ussing,  Kopenhagen 
1850.  Rec.  et  expl.  A.  W.  Zumpt,  Berlin  1861.  Vgl.  F.  Richter  in  Jahn's 
Jahrbb.  87,  S.  251—272. 

3.  B.  Thorlacius,  de  lege  RuUi  agraria,  in  dessen  Proluss.  et  opusc. 
acad.,  Kopenh.  1806,  p.  259—312.  Drumann  III.  S.  152  ff.  0.  Zeyss,  die 
Umtriebe  des  P.  Servilius  Rullus,  eine  Erläuterung  der  agrarischen  Reden 
des  Cicero,  Reval  1846.  4.    Mommsen  R.  G.  IIP.  S.  169  f. 

4.  H.  C.  Gebhart,  Obss.  crit.  in  Cic.  orr.  de  l.  agr.,  Hof  1851.  4. 
H.  Ebeling,  codicis  Lagomarsini  IX  quae  sit  auctoritas  in  oratt.  Tüll,  de 
lege  agr.  recensendis,  cum  mantissa  de  cod.  Paris.  7774,  Braunschveig  1863. 

19)  pro  G.  Rabirio  perduellionis  reo,  aus  J.  691. 
1.   üeber  die  Sache  vgl.  Mommsen  R.  G.  ni.  S.  158  f.  2.  Ausg. 

20 — 23)  Die  vier  Reden  in  L.  Catilinam,  in  Sachen  der 
catilinarischen   Verschwörung,    die   erste   gehalten   am   7.  Nov. 


176.   Cicero^B  Reden.  301 

691  im  Senat  und  dem  Gatilina  seine  neuesten  Schritte  im  Ein- 
zelnen vorhaltend;  die  zweite,  vom  8.  November,  dem  Volke 
von  den  Vorgängen  im  Senat  und  Catilina's  Abreise  aus  Rom 
Nachricht  gebend;  die  dritte,  vom  Abend  des  3.  December, 
theilt  dem  Volke  die  Verhaftung  der  in  Born  befindlichen  Cati- 
linarier  auf  Grund  der  den  Allobrogem  abgenommenen  Brief- 
schaften mit;  die  vierte  ist  am  5.  December  im  Senat  gehalten 
und  unterstützt  den  Antrag  auf  Hinrichtung  der  Verhafteten. 

1.  Zur  Sache  vgl.  bes.  Dnimaiin  V.  S.  877—677.  E.  Hagen,  Catilina, 
eine  biatorische  Untersuchung,  Königsberg  1854.  Mommsen  B.  G.  III*. 
S.  162  — 182  und  im  Hermes  I.  3.  434.  Fr.  Banr,  im  Correepondensblatt 
f.  d.  gel.  Schulen  Würtembergs  1868,  S.  189—199.  1870,  S.  24—40.  193— 
209.    252—269. 

2.  F.  A.  Wolf  machte  sich  den  Scherz  mit  ernster  Miene  die  Unecht- 
heit  von  einer  dieser  Beden  anzudeuten,  und  behauptete  diess  später,  immer 
noch  doppelsinnig,  von  altera  ex  mediis  duabus.  Demgem&ss  bewies 
H.  G.  J.  Cludius  (im  Frogr.  von  Gumbinnen,  1826.  4.  und  wiedergedr.  in 
Seebode's  Archiv  II.  p.  47  if.)  die  Unechtheit  der  zweiten  (obwohl  Wolf 
selbst,  falls  es  ihm  überhaupt  irgendwie  Ernst  war,  eher  die  dritte  meinte» 
s.  Körte,  Wolfs  Leben  L  S.  332),  B.  A.  Morstadt  (Schaffhauser  Progr.  18421 
1844.)  die  der  ersten,  Zimmermann  (im  Hamburger  Progr.  1829)  und 
E.  A.  Ahrens  (Coburg  1832  und  1837.  4.)  u.  A.  die  der  vierten,  gegen 
welche  letztere  Behauptung  aufbraten  C.  F.  Schnitzer  (Quaest.  Cic,  Aarau 
1836.  Heilbronn  1837.  4.),  G.  H.  Kblster  (Itzehoe  1839.  4.),  £.  P.  Hinrichs 
(Hamburg  1839.  4.),  Drumann  (V.  S,  612—517.  520  f.)  u.  A.  Orelli  und 
Paldamus  (Zeitschr.  f.  d.  Alt.-Wiss.  1837.  Nr.  65  f.  1838.  S.  112)  verdach- 
tigten gar  die  drei  letzten.  In  Holland  aber  glaubte  sp&ter,  ermutigt 
durch  den  Vorgang  von  Bake  —  der  ihm  dann  auch  zu  Hülfe  kam  (Over 
de  method  van  onderzoek  naar  de  echtheid  of  de  onechtheid  van  Cic.  I 
Cat.,  Amsterdam  1859.  44  pp.  4.)  — ,  ein  junger  Gelehrter  sich  an  der 
ersten  cat.  Bede  die  Sporen  verdienen  zu  können,  s.  S.  H.  Binkes,  disp.  de 
or.  I  in  Cat.  a  Cicerone  abiudicanda,  Lugd.  Bat.  1856.  L  u.  66  pp.  8.  An- 
dere seiner  Landsleute  nahmen  sich  die  Mühe  seine  Scrupel  zu  widerlegen, 
s.  J.  0.  G.  Boot,  or.  I  in  Cat.  rec.  et  a  Cic.  male  abiudicari  demonstravit 
etc.,  Amsterdam  1857.  XXV  u.  78  pp.  8.  und  in  den  Verslagen  der  holländ. 
Akademie  V,  1  (1860).  E.  J.  Kiehl,  Catilina,  Deventer  1857.  P.  Epkema, 
Epist.  crit.  de  or.  I  in  Cat.  frustra  a  Cic.  abiudicata,  Amsterdam  1857. 
101  pp.  8.  Karsten  in  den  Verslagen  der  holL  Akademie  IV,  2.  Auch 
C.  Franke,  I.  Bakium  or.  I  in  Catil.  a  Cic.  male  abiudicasse,  Sagan  1863.  4. 
Ueber  diese  ganze  Frage  vgl.  die  verständigen  Bemerkungen  von  Dru-  ' 
mann  V.  S.  470 — 474.  Auch  Madvig  Opusc.  acad.  IT.  p.  338—351.  Bäum-  v 
lein  in  der  Zeitschr.  f.  Alt.-Wiss.  1838.  S.  66  ff.  E.  Hagen,  de  Cic.  Catili- 
nariis  ad  .  .  Gottholdium,  Königsberg  1851.  4.  Zur  materiellen  Verthei* 
digung  der  ersten  Bede  (gegen  Drumann  und  Hagen,  Catil.  S.  213  f.)  vgl. 
auch  Adam  im  Heilbronner  Progr.  1855.  4.    Eine  besonnene  Kritik,  welche 


302  Ciceronische  Zeit.  Ente  Hälfte,  J.  671—601. 

nicht    ouB    scheinbaren    oder  wirklichen    Anstössen    den  FehlschlasB   der 
Unechtheit  zieht,  wird  diese  Beden  unangefochten  lassen. 

3.  Ausgaben  von  C.  Morgenstern  (Dorpat  1804), ~£.  Anton  (Leipzig 
1827),  C.  Beneke  (Leipzig  1828),  J.  Ph.  Krebs  (mit  pro  Sulla,  in  us.  schol., 
Giessen  1829),  C.  Halm  (mit  p.  Sulla  u.  Arch.  in  der  Weidmännischen 
Sammlang,  bis  jetzt  6  Auflagen),  Fr.  Richter  (Leipzig,  Teubner,  1869). 

24)  pro  L.  Murena^  erfolgreiche  Vertheidigung  des  nach  lex 
TuUia  de  ambitu  belangten  designierten  Cos.  L.  Licinius  Murena 
(Nov.  691),  wenig  überzeugend,  aber  geistreich  und  heiter,  mit 
allerlei  Witzen  über  Jurisprudenz  und  Stoicismus,  deren  Ver- 
treter dem  Cicero  in  Ser.  Sulpicius  Rufus  und  M.  Cato  gegen- 
überstanden; ausserdem  die  Furcht  der  ^schworenen  vor  einem 
Consulat  des  Catilina  eifrig  ausbeutend.  Die  Rede  scheint  jedoch 
nicht  ganz  so  gehalten  zu  sein  wie  sie  geschrieben  ist. 

1.  In  27,  57  sind  de  Postnmii  criminibus,  de  Serrii  adolescentis  nur 
die  Ueberschriften  gegeben;  s.  oben  43^  7.  Ausserdem  hat  gegen  das  Ende 
der  überlieferte  Text  durch  den  Zufall  verschuldete  Lücken,  wie  73.  80.  86. 
Die  Handschriften  stammen  alle  ab  von  einer  welche  zu  Anfang  von  saec. 
XY  Poggio  aus  Deutschland  nach  Italien  brachte. 

2.  Quinta.  XI,  1,  69  f.  Flut.  Cic.  36.  Dmmann  V.  S.  477,  A.  66  f. 
J.  Luzac,-  observ.  apologett.  pro  Ictis  rom.  ad  Cic.  p.  Mur.  c.  11 — 13, 
Lugd.  Bat.  1768.  4.  Niebuhr,  Rhein.  Mos.  I,  3.  S.  223  ff,  F.  Winiewski, 
quo  tempore  Murena  ambitus  sit  reus  fadbus,  Milnster  (Sommerkatalog) 
1863.  88  pp.  4.  Matern,  de  ratione  ea  qua  Cic.  in  or.  p.  Mur.  habita  cum 
Stoicos  tum  M.  Catonem  tractavit  etc.,  Lissa  1864.  31  pp.  4.  Boot,  de 
emendanda  et  explicanda  Cic.  or.  p.  Mur.,  Mnemosyne  Y.  p.  347 — 364. 
C.  Hahn,  über  die  Handschriften  zu  Cic.  Bede  p.  Mur.,  München  1861. 
48  S.  8.  (aus  den  Sitzungsberichten  der  Münchner  Akad.  1861.)  G.  Sorof, 
de  Cic.  p.'M.  or.  commentatio  critica.  I.  Potsdam  1861.  4.  Andere  kritische 
Beitrfige  von  J.  F.  C.  Campe  (in  Fleckeisen's  Jahrbb.  93,  S.  179—190)  und 
W.  Tenffel  (ebd.  101,  S.  821  f.  103,  S.  264.  604). 

0 

3.  Bec.  et  explicavit  A.  W.  Zumpt,  Berlin  1859.  Yerhandlungen  dar- 
über zwischen  C.  Halm  und  A.  W.  Zumpt  in  der  Berliner  Zeitschr.  f.  Gymn. 
XIV.  S.  881—905.  XY.  S.  337--360.  XYL  S.  337—366.  833—840.  Erklärt 
von  G.  Tischer  (Berlin  1861),  C.  Halm  (Berlin  1866),  H.  A.  Koch  (Leipzig, 
Teubner  1866).    üebersetzt  von  G.  Wend^  Stuttgart  (Hoffmann)  1869. 

25)  pro  P.  Comelio  Sulla^  aus  dem  J.  692,  erfolgreiche 
Vertheidigung  gegen  die  Anklage  auf  Theilnahme  an  der  cati- 
linarischen  Verschwörung. 

1.  Schol.  Bob.  p.  359  —  369  Or.  Gell.  XIT,  12,  2  f.  G.  E.  J.  Everta, 
spec.  acad.  in  Cic.  or.  p.  Sylla,  Noviomag.  1835.  8.  M.  Seyffert,  Ep.  crit. 
de  Cic.  p.  Sulla  et  Sestio  orr.,  Berlin  1848.  4.  C.  Campe,  Beiträge  cur 
Kritik  des  Cicero  I  (Greiffenberg  1860.  4.)  S.  21—25.' 


176.  Cicerone  Reden.  303 

2.  Ausgaben  tob  Frotecher  (Lipe.  1831.  Cammentar  1832),  C.  Hahn, 
(Lipg.  1846  und  in  der  Weidmännischen  Sammlung,  Bd.  III)  und  Fr.  Richter 
(für  den  Schulgebrauch  erkl.,  Leipzig,  Teubner  1869). 

26)  pro  Archia^  gehalten  im  Jahr  692  zur  Vertheidigung 
von  Archias'  bestrittenem  Bürgerrechte. 

1.  Die  Rede  enthält  viel  Declamation  und  ist  desswegen  zuerst  von 
G.  W.  Schröter  (rec.,  suas  obss.  adiec.  M.  C.  B.,  Lips.  1818),  gegen  wel- 
chen Fr.  putz  auftrat  (in  Seebode's  krit.  Bibl.  1820.  p.  774  ff.  1821. 
p.  220  ff.  783  ff.  1822.  p.  165  ff.  335  ff.  656  ff.  1089  ff.),  dann  von  J.  C.  W. 
Büchner  (Schwerin  •  18B9.  1841.  4.),  welchem  J.  Lattmann  entgegentrat 
(Oöttingen  1847.  8.),  dem  Cic.  abgesprochen  worden  —  als  ob  dieser  nicht 
auch  h&tte  Declamatorisches  schreiben  können!  Auch  ygl.  Tac.  dial.  37: 
nee  Ciceronem  magnum  oratorem  P.  Qnintius  defensus  aut  Licinius 
Arehiaa  faciunt:  Gatilina  et  Milo  et  Yerrcs  et  Antonius  hanc  illi  famam 
circnmdedemnt. 

2.  Ausgaben  von  G.  E.  Schelle  (Text,  Uebers.  u.  Comm.,  mit  p.  Mil. 
n.  Lig.,  Leipzig  1797—1808.  3  Thle.),  H.  0.  F.  Hülsemann  (c.  carmin.  Ar- 
chiae,  Lemgo  1800),  C.  C.  G.  Wiss  (Leipz.  1814),  M.  C,  B.  (s.  A.  1),  C.  Leve- 
zow  (Berlin  1823),  R.  Stürenburg  (Lips.  1832.  Leipz.  1839),  C.  Halm  (Weid- 
männische Sammlung,  Bd.  III). 

3.  Zur  Erklärung:  Schol.  Bob.  p.  353—359  Gr.  P.  Manutius,  comm., 
Rom  1572.  4.  G.  van  Walwyk,  exerc.  iur.  philol.  ad  Cic.  or.  p.  A.,  Lugd. 
Bat.  1776.  4.  C.  D.  Ilgen,  Opp.  var.  11,  1  (Erfurt  1797).  J.  Th.  Netscher, 
disp.  iur.  lit.  de  Cic.  or.  p.  A. ,  Lugd.  Bat.  1808.  E.  H.  Frotscher,  krit.  u. 
erklär.  Bemerk.,  Schneeberg  (Leipz.)  1821.  Jacobs  in  Ersch  und  Gruber  I,  5. 
S.  137  ff.  Drumann  IV.  S.  199—204.  Schneither,  Mnemosyne  V.  p.  113— 
128.    G.  Autenrieth  in  den  Blatt,  f.  d.  bair.  Gymn.  III  (1867).   S.  322  ff. 

27)  pro  L.  Valerie  Placco,  aus  dem  J.  695,  erfolgreiche 
Yertheidigong  gegen  eine  Bepetundenklage,  welche  D.  Laelius 
erhoben  hatte. 

1.  Auch  nach  den  Vervollständigungen  der  Rede  aus  einer  ambrosia- 
nischen  und  einer  vaticanischen  Handschrift  (Mai,  Auetor.  class.  11.  p.  1 — 36) 
ist  zwischen  c.  2  und  3  noch  eine  Lücke.  Macrob.  II,  1,  13:  pro  L.  Flacco, 
quem  repetundarum  reüm  ioci  opportunitate  de  manifestissumis  crimini- 
bus  exemit.  is  locus  in  oratione  non  ezstat:  mihi  ex  libro  Fusü  Vivaculi 
notus  est. 

2.  C.  A.  Poortmann,  diss.  lit.  iurid.  de  Cic.  or.  p.  Fl.,  Lugd.  Bat.  1835. 
Drumann  V.  S.  619—631. 

28 — 31)  Vier  Reden  post  reditum,  nämlich  (28)  oratio 
cum  senatui  gratias  egit^  (29)  or.  cum  populo  gratias  egit,  (30) 
de  domo  sua  ad  pontifices,  um  die  Ungültigkeit  der  Weihung 
seines  Hausplatzes  durch  Clodius  und  somit  die  Statthaftigkeit 
von  dessen  Bückgahe  zu  beweisen^  diese  drei  aus  dem  Sept.  697, 


304  Ciceroniflche  Zeit.   Erste  H&lfte,  J.  671—601. 

(31)  de  haruspicum  responsis,  letztere  aus  dem  J.  698  und  ver- 
anlasst durch  die  Erklärung  der  haruspices,  das  Heilige  werde 
missachtet,  was  Clodius  auf  Cicero's  Hausbau  (auf  geweihter 
Statte)  gedeutet  hatte,  Cicero  nun  aber  auf  Clodius  bezieht. 

1.  Die  erste  Bede  ist  eine  Danksagung  ffir  das  was  der  Senat  zu  Gun- 
sten von  Cicero's  Bückberufung  gethan  habe  (ad  Att.  lY,  1,  5).  Zur  dritten 
vgl.  ad  Att.  IV,  2,  2.  Quintil.  X,  1,  23;  zur  vierten  Ascon.  p.  69  Or.  und 
Quintü.  V,  11,  42. 

2.  Der  zweiten  Bede,  ad  populum,  fehlt  es  an  äusserer  Beglaubigung, 
um  so  weniger  aber  an  inneren  Verdachtsgründen.  Die  andern  drei  sind 
unzweifelhaft  echt,  obwohl  früher  vielfach  bestritten.  J.  Markland  (Be- 
marks  on  the  epistles  of  Cic.  to  Brutus  etc.  with  a  dissertation  upon  fonr 
orations  adscribed  to  Cic,  London  1745,  vgl.  Wolfs  Ausg.  p.  XLVII  ff.) 
fand  mit  seinen  Zweifeln  gewichtige  Unterstützung  an  F.  A.  Wolf  (Cic. 
quae  vulgo  feruntur  oratt.  lY  etc.,  Berl.  1801),  dessen  Ansicht  fDr  Schütz, 
Orelli  u.  A.  massgebend  wurde.  Dagegen  wurde  die  Unzulänglichkeit  der 
sprachlichen  und  sachlichen  Einwendungen  und  das  Gewicht  der  äussern 
Gründe  für  die  Echtheit  nachgewiesen  theils  gegen  Markland  von  Boss 
(durch  eine  deductio  ad  absurdum,  in  der  diss.  in  which  the  defense  of 
Sulla  etc.,  Lond.  1746)  und  Gesner  (Cic.  restitutus,  in  den  Conmi.  soc. 
Gott.  III.  p.  223—284),  theils  gegen  Wolf  von  J.  A.  Savels,  disp.  de  vin- 
dicandis  Cic.  V  oratt.  (auch  pro  Marcello),  Köln  1828.  4.  und  in  seiner 
Ausg.  der  or.  p.  r.  in  sen.  (Köln  1840)  und  de  Cic.  or.  pro  domo  ad  pon- 
tifices  (Essen  1833.  4.),  Th.  Lucas,  Quaest.  TuU.  spec.  (Hirschberg  1837.  4.), 
Drumann  II.  S.  300  f.  A.  69.  S.  311  ff.,  G.  Lahmeyer,  orat.  de  hsrusp.  resp. 
habitae  originem  Tullianam  etc.,  Göttingen  1849.  Meerdeivort,  ann.  ad 
or.  q.  Cic.  fertur  de  har.  resp.,  Lugd.  Bat.  1850.  A.  Dietzsch,  über  die 
Halm'sche  Ausgabe  der  Beden  Cicero's  in  ihrer  Bedeutung  fClr  die  Unter- 
suchung der  angefochtenen  Beden,  Bhein.  Mus.  N.  F.  XII.  S.  529  ff. 

3.  Parallele  Dankreden  an  das  Volk  u.  an  d.  Senat,  deutsch  mit  einem 
Comm.  von  B.  Weiske,  Leipz.  1800.  Bede  an  d.  Sen.  (c.  1 — 8)  mit  Comm. 
von  F.  F.  Frenzel,  Soest  1801.  H.  Wagner,  Cic.  or.  post  red.  in  senatu 
rec,  scripturae  var.  adiecit,  prolegomenis  instruxit,  annotationibus  .  .  ex- 
planavit,  defendit,  Lips.  s.  a.  (1858)  74  pp.  8. 

32)  pro  P.  Sestio,  vom  März  .698,  erfolgreiche  Verthei- 
digung  gegen  die  Anklage  auf  vis,  mit  Aufbietung  aller  Mittel 
der  Beredtsamkeit.  Mehr  noch  aber  als  von  der  Anklage  und 
dem  Angeklagten  spricht  der  Redner  von  sich  selbst  und  der 
Partei  der  Optimaten. 

1.  ad  Q.  fr.  U,  4,  1:  Sestius  noster  absolutus  est  a.  d.  Y.  Id.  Mart.  et 
.  .  Omnibus  sententiis  absolutus  est.  .  .  scito  nos  in  eo  iudicio  consecutos 
esse  ut  onmium  gratissimi  videremur.  nam  defendendo  et  moroso  homini 
cumulatissime  satis  fecimus  et  .  .  Yatinium  .  .  concidimus.  Schol.  Bob. 
p.  291 — 313  Or.   J.  D.  van  Dam,  spec.  lit.  in  Cic.  or.  p.  S.,  Lugd.  Bat.  1824. 


176.   Cicero's  Reden.  305 

Madvig,  OpuBC.  acad.  p.  411—524.  524  ff.  T.  Baden  in  Jahn's  Archiv  IJT. 
S.  197  ff.  Drumann  V.  S.  664  ff.  C.  F.  Hermann,  Vindiciae  lect.  Bern,  in 
Cic.  or.  p.  Sestio,  Göttingen  1852.  4.  Bacher  in  der  Berl.  Ztschr.  f.  Gymn. 
XVI.  S.  840—864.  913—929.  H.  Probat  in  Fleckeißen's  Jahrbb.  97,  S.  351— 
S54.  H.  Wrampelmeyer,  librormn  mss.  qni  Cie.  orr.  p.  Seat,  et  pro  Cael. 
continent  ratio  qnalia  ait,  Götti.  1868.  30  pp.  4. 

2.  Anagaben  YOn  0.  M.  Müller  (Eöalin  1827.  Cnrae  «ec.  ib.  1831), 
J.  C.  W.  Lotzbeck  (Baireuth  1829,  mit  p.  leg.  Man.),  Orelli  (mit  der  pro 
Cael.,  Zürich  1832.  8.,  sodann  vor  dem  Züricher  Lectionskatal.  1834.  4., 
zum  dritten  Male  Heidelberg  1835.  4;),  C.  Halm  (Lips.  1845  und  1853  ff. 
in  der  Weidmännischen  Sammlung,  Bd.  IV,  wo  bis  jetzt  drei  Auflagen), 
H.  A.  Koch  (für  den  Schulgebrauch  erklärt,  Leipzig,  Teubner,  1863). 

33)  in  P.  Vatinium,  mit  dem •  Processe  des  Sestius  zusam- 
menhängend^  in  welchem  Yatinius  als  Belastungszeuge  aufge- 
treten war.     Auch  diese  Rede*  erreichte  ihren  Zweck. 

1.  Cic.  ad  Qu.  fr.  H,  4,  1  (a.  Nr.  32,  1).  Schol.  Bob.  p.  315—325  Or. 
Drumann  V.  S.  682  ff.  • 

2.  Auagabe  von  Halm,  Lipa.  1846. 

34)  pro  M.  Caelio,  aus  dein  J.  698,  voll  Geist  und  bos- 
haften Witzes,  besonders  gegen  die  eigentliche  Klägerin,  die 
berüchtigte  Clodia;  für  die  Sittengeschichte  von  Wichtigkeit. 

1.  J.  Elerk,  de  Cic.  or.  p.  C,  Lugd.  Bat.  1825.  'Madvig,  Opuac.  acad. 
p.  375  ff.  Schwabe,  Quaeat.  Catull.  p.  63  .f.  66  f.  VoUenhoven,  Emend., 
Lugd.  Bat.  1839.  H.  Wrampelmeyer  (a.  Nr.  32,  A.  1).  W.  Oetling,  libro- 
rum  maa.  qui  Cic.  or.  p.  C.  continent..  .  condicio,  .  .  eiuadem  Caelianae 
virtutea  et  yitia  .  .  inveatigantur  et  .  .  illuatrantur,  GGtti.  1868.  65  pp.  4. 
C.  L.  Kayaer  in  den  Heidelb.  Jahrbb.  1870,'  S.  417 — 429.  C.  Barwea,  quaeat. 
tull.  apec.  I  ad  Cael.  or.  apectana,  Götti.  1868.  39  pp. 

2.  Ausgabe  von  Orelli,  Zürich  1832  (mit  p.  Seat.). 

35)  de  proyinciis  consula'ribus,  gehalten  Ende  Mai's 
698,  zur  Unterstützung  des  Vorschlags  dass  dem  Caesar  die 
Statthalterschaft  in  Gallien  verlängert  werde. 

1.  Drumann  V.  S.  706  ff.  Mommaen  R.  G.  IIP.  S.  305.  Anm.  Madyig 
Opuac.  II.  p.  1  ff. 

2.  Ed.  Orelli,  Zürich  1833.  4.  Erklärt  von  ö.  Tiacher,  Berlin  1861 
(Weidmann). 

36)  pro  L.  Balbo  vom  J,  698,  Vertheidigung  eines  Ver- 
trauten von  Caesar  (und  Pompejus)  gegen  die  Anklage  auf  An- 
massung  des  Bürgerrechts. 

1.  Rumpf,  Obaa.  in  Cic.  p.  Balbo,  Qieaaen  1814.  4.  P.  J.  Elout,  de 
Cic.  or.  p.  B.  Lugd.  Bat.  1828.  121  pp.  4.  Madvig  Opuac.  II.  W.  Bachner, 
annott.  critt  ad  or.  p.  B.    Schwerin  1866.  4. 

Tsutfxij,  BOm.  liiteraturgeschichU.   2.  AoA.  20 


306 


Ciceronische  Zeit.   Erste  Hälfte,  J.  671 — 691. 


37)  in  L.  Pisoneni;  aus  dem  J.  699,  im  Senat  gehalten, 
eine  Rede  von  monströser  Massivität. 

1.  Der  Anfang  ist  nicht  erhalten.  Elf  Bmchstflcke  daraus  hat  aus  der 
Handschrift  des  Nicolaus  Cusanus  erstmals  herausgegeben  J.  Klein,  d.  Hand- 
sehr,  des  Nie.  C.  (Berlin  1866)  8.  49  f.  Vgl.  Göttinger  Gel.  Ans.  1866,  S.  1682 
—1586.    C.  Halm  in  Fleckeisen's  Jahrbb.  93,  S.  623—628. 

2.  Ascon.  p.  1 — 17  Or.  H.  Lagomarsini,  in  Friedemann  und  Seebode 
Mise.  crit.  I.  p.  329  ff.    Dmmann  VI.  S.  4  ff. 

38)  pro  Cn.  Plancio,  vom  J.  700,  gegen  die  Anklage  auf 

Bestechung. 

1.'  Schul.  Bob.  p.  253  —  273  Or.  G.  de  Man,  de  Cic.  or.  p.  PI,  Utrecht 
1809.  4.  Dmmann  VI.  S.  45  ff.  H.  Keil,  obss.  oritt.  in  etc.  Erlangen  1864.  4. 
C.  Campe,  zur  B.  f.  PI.,  in  Fleckeisen^s  Jahrbb.  95,  S.  266—273. 

2.  Ausgaben  von  G.  Garatoni  (Bologna  1815.  4.),  Orelli  (Lips.  1826X 
£.  Wunder  (Lips.  1830.  4.),  E.  Köpke  (fQr  den  Schulgebrauch  erklärt, 
Leipz.  1856). 

39)  pro  C.  Rabirio  Postumo,  vermutlich  erfolglose  Ver- 
theidigung  dieses  Gaesarianers  gegen  eine  sehr  begründete  Klage 
wegen  Erpressungen,  aus  dem  J.  700. 

1.  Quintil.  m,  6,  11-  IV,  2,  10. 

2.  Drumann  VI.  S.  71  ff.  C.  Halm,  über  Cicero's  Rede  pro  C.  R.  P., 
eine  kritische  Abhandlung,  München  1855.  52  S.  4.  (Aus  den  Abhandl.  der 
bair.  Akademie  VII,  3.)  B.  ten  Brink,  loci  quidam  corruptiores  in  Cic.  or. 
etc.,  Philologus  XL  p.  92—100. 

40)  pro  T.  Milone  wegen  der  Tödtung  des  Clodius,  welche 
als  eine  Handlung  der  Nothwehr  dargestellt  wird,  aus  dem 
J.  702;  nicht  die  wirklich  gehaltene  (erfolglose)  Rede,  sondern 
nachträglich  mit  grosser  Sorgfalt  ausgearbeitet,  ein  rednerisches 
Meisterwerk. 

1.  Ascon.  p.  81—65  Or.  (ed.  ill.  Frotscher,  Freiberg  1845.  4.).  Quin- 
til. VI,  5,  10.    X,  5,  20.     Schol.  Bob.  p.  275—290.     Schol.  Gron.  p.  443  f. 

2.  CA.  Schwarz,  an  Cic.  ob  Mil.  defensum  sit  reprehendendus,  Gör- 
litz 1789.  4.  F.  W.  Hagen,  exercit.  acad.  in  Cic.  or.  p.  M.,  Erlang.  1792. 
J.  L.  Puttmann,  de  moderatione  inculpatae  tutelae,  ad  Cic.  or.  Mil.  (Opusc. 
iur.  crim.  p.  111  ff.).  A.  F.  G.  Curth,  de  artificiosa  forma  or.  p.  M.,  Berlin 
1833.  Spengel,  Ztschr.  f.  Alt-Wiss.  1843.  S.  432  ff.  C.  W.  Elberling,  nar- 
ratio  de  T.  Annio  Milone,  Kopenh.  1840. 

3.  Bierregaard,  de  supplem.  Peyron.  lacunae  or.  Mil.  XII.,  Kopenh. 
1830.  C.  Wex,  zu  Cic.  p.  M.,  Jahn^s  Jahrbb.  83,  S.  207—213.  L.  Lange, 
Obss.  ad  Cic.  or.  Mil.,  I.  Giessen  1864.  H.  ib.  1865.  4. 

4.  Ausgaben  von  Schelle  (s.  Nr.  26),  G.  Garatoni  (Bologna  1817),  Orelli 
(Lips.  1826),  W.  Freund  (Breslau  1828.  4.),  E.  Osenbrüggen  (Hamb.  1841), 


176.  Cicero's  Reden.  307 

C.  Halm  (Weidmann'sche  Saminlung,   Bd.  V,  Aufl.  5),   J.  Wagener  (Paris 
1860),  Fr.  Richter  (f.  d.  Schulgebr.  erkl.,  Leipzig,  Teubner  1864). 

5.  Dentech  von  J.  P.  Brewer  (mit  Einl.  und  Anm.,  Düsseid.  1830),  G. 
F.    Strodtbeck    (Ulm    1852.    4.);    ins  Griechiache  übers,   yon   W.   Birkle^ 
(Stattg.  1860.  4.). 

41)  pro  M.  Marcello,  im  J.  708  im  Senat  an  Caesar 
gerichtet  zu  Grünsten  der  Zurückberufung  dieses  seines  alten 
Gegners. 

1.  Auch  diese  Rede  hat  ihre  Beglaubigung  durch  Citate  und  Zeugnisse 
nicht  vor  Anfechtungen  der  Hyperkritik  bewahren  können,  in  welcher  Be- 
ziehung namentlich  F.  A.  Wolf,  mit  seinem  Zweifel  Nachfolger  des  spani- 
schen Jesuiten  Juan  Andres,  allen  seinen  Scharfsinn  aufgeboten  hat  um  zu 
beweisen  dass  die  Rede  schlecht  —  und  desswegen  nicht  von  Cicero  — 
sei,  8.  die  Vorrede  zu  dessen  Ausg.  der  Rede  (Berlin  1802.  8.).  Anhänger 
fand  diese  Ansicht  an  Spalding  (de  or.  MarcelL,  in  Wolfs  und  Buttmanns 
Mus.  antiq.  stud.  I.  1808),  Schütz,  Orelli  u.  A.,  Bekämpfer  von  ungleichem 
Werthe  an  Ol.  Worm  {vod^siag  suspic.  liberare  conatus  est,  Eopenh.  1803), 
F.  Ealau  (ad  Wolfianas  or.  p.  M.  castigati,  Frankf.  1804.  4.),  B.  Weiske 
(comment.  in  or.  .  .  cum  append.,  Lips.  1805),  Barbier-Vemars  (in  seinem 
Mercure  latin,  Paris  1813.  V.  und  in  Seebode's  Archiv  18t4.  p.  475  ff.), 
L.  Hug  (Lucubr.  de  or.  Cic.  p.  Marc,  Freiburg  1817.  4.),  Savels  (s.  oben  Nr. 
28  ff.),  F.  Passow  (Verm.  Schrr.,  Leipz.  1843.  g.  258  ff.),  Drumann  VI.  S. 
266  ff.  Einen  sogenannten  Mittelweg  (Annahme  von  Interpolationen  in  der 
vorhandenen  Rede  n.  s.  w.)  schlug*  A.  L.  G.  Jacob  ein  (de  or.  quae  inscrib. 
p.  Marc.  Ciceroni  vel  abiudicanda  vel  adiud.,  Berl.  u.  Halle  1813),  welchem 
Hand  u.  A.  folgten.  Vgl.  noch  Schol.  Ambr.  p.  370  f.  Schol.  Gronov.  p. 
418  ff.  Or.    Drumann  VI.  S.  262  ff. 

2.  Sonderausgabe  von  Seebode  (Braunschw.  1815).  G.  Keller,  nonnulla 
de  Cic.  or.  p.  Marc.  (Ratibor  1845.  4.)  und*  lateinisch  und  deutsch  mit  Anm. 
(Ratibor  1860.  4.).  Für  den  Schulgebrauch  erklärt  (mit  Ligar.  und  Deiot.) 
von  Fr.  Richter,  Leipzig  (Teubner)  1870. 

42)  pro  Q.  Ligario,  öffentliche  Fürsprache  bei  Caesar  für 
diesen  verbannten  Pompejaner,  vom«J.  708. 

1.  B.  Weiske  (an  seiner  Ausg.  der  Marcell.)  hat  die  Rede  grundloser 
Weise  verdächtigt.  Zur  Erklärung  vgl.  Schol.  Ambros.  p.  371  f.  Schol. 
Gron.  p.  414  ff.  Or.    P.  H.  A.  Zillesen,  de  or.  p.  L.,  Lugd.  B.  1826. 

2.  Ausgaben  von  Schelle  (s.  Nr.  26),  Soldtui  (Hanau  1889),  C.  Halm 
(Weidmännische  Sammlung,  Bd.  V,  Aufl.  5),  Fr.  Richter  (s.  Nr.  41,  2). 

3.  Nach  einer  neuen  Constitution  des  Textes  übersetzt  von  E.  W.  Nauck, 
Cottbus  1844.  38  S.  4.  Uebersetsst  und  mit  kritisch- cxeget.  Anmerkungen 
begleitet  von  H.  Eratz,  Stuttgart  1869.  18  S.  4. 

43)  pro  rege  DeiotarO;  Yertheidigong  dieses  galatischen 
Fürsten  gegen  die  Anschuldigung  eines  Mordversuches  auf  Cae- 
sar, gehalten  in  des  Lietzteren  Wohnung,  October  709. 

20* 


308  CiceroniBche  Zeit.   Erste  Hälfte,  J.  671—691. 

1.  Schol.  Ambr.  p.  372.  Schol.  Gron.  p.  421  ff.  Or.  Muret'e  nott.  in  or. 
p.  D.,  in  dessen  Opusc.  III.  p.  858  ff.  C.  J.  G.  Mosche,  de  Cic.  in  scri- 
benda  or.  p.  D.  consilio  etc.,  Lübeck  1815.  4.  und  in  Friedemann  und  See- 

ibode  Mise.  crit.  I.  p.  218  ff. 

2.  Ausgaben  yon  Frotscher  (Lips.  1835),  Soldan  (Hanau  1836),  C.  Halm 
(Weidmännische  Sammlung,  Bd.  V.  Aufl.  5),  Fr.  Richter  (s.  Nr.  41,  2.). 

44 — 57)  Die  14  Philippicae  (Antonianae);  aus  den  J.  710 
und  711  d.  St.  Die  erste  derselben  (vom  2.  Sept.  710)  sucht 
den  Redner  wegen  seiner  langen  Abwesenheit  vom  Schauplatze 
der  politischen  Thätigkeit  zu  rechtfertigen  und  beklagt  sich  über 
einen  neuesten  Angriff  seines  „Freundes"  M.  Antonius.  Als 
dieser^  hierüber  aufgebracht^  am  19.  September  im  Senat  eine 
Rede  hielt  worin  er  des  (ausgebliebenen)  Cicero  ganze  politische 
Laufbahn  beleuchtete,  arbeitete  der  Angegriffene  eine' Gegenrede 
aus,  welcher  er  die  Einkleidung  gab  als  sei  sie  auf  der  Stelle 
zur  Erwiderung  im  Senate  gehalten  worden,  welche  er  aber  erst 
nach  des  Antonius  Abgang  aus  Rom  veröffentlichte,  —  die 
zweite  philippische.  Die  dritte,  vom  20.  December,  beantragt 
dass  der  Senat  den  D.  Brutus  und  Octavian  für  ihren  Wider- 
stand gegen  den  Consul  Antonius  belobe;  als  diess  geschah, 
theilte  Cicero  den  gefassten  Beschluss  noch  an  demselben  Tage 
dem  Volke  mit,  in  der  vierten  Rede.  Die  fünfte  (vom  1.  Jan. 
711)  stellt  den  Antrag  jenen  Qegnern  des  Antonius  Auszeich- 
nungen zu  verleihen,  diesen  selbst  aber  für  einen  Reichsfeind  zu 
erklären.  Nachdem,  am  4.  Jan.  die  erste  Hälfte  dieses  Antrags 
angenommen,  statt  der  zweiten  aber  noch  ein  gütlicher  Versuch 
beschlossen  war,  verkündete  diess  Cicero  dem  Volke  an  demselben 
Tage,  in  der  sechsten.  Die  siebente  (Ende  Januars)  dringt 
abermals  auf  Kriegserklärung  gegen  Antonius.  Dass  auch  nach 
dem  Scheitern  jenes  Versuchs  nur  eine  halbe  Massregei  be- 
schlossen wurde  tadelt  die  achte  (Anfangs  Februar)  und  macht 
positive  Vorschläge.  Die  neunte  befürwortet,  unter  neuen  Aus- 
fällen auf  Antonius,  Ehrenbezeugungen  für  Ser.  Sulpicius.  Die 
zehnte  beantragt  die  nachträgliche  Bestörtigung  der  von  M. 
Brutus  in  Makedonien  und  Griechenland  getroffenen  Massregeln. 
Die  elfte  (Mitte  März  711)  spricht  (vergebens)  dafQr  dass  die 
Bestrafung  des  Dolabella  (der  den  Caesarmorder  C.  Trebonius 
hingerichtet  hatte)  dem  (Caesarmorder)  C.  Cassius  übertr^en 
werde.  In  der  zwölften  sucht  Cicero  die  beschlossene  aber- 
malige Gesandtschaft   an  Antonius   rückgängig   und  sich   selbst 


176  f.  Cicero's  Reden.  309 

von  der  Theilnahme  daran  frei  zu  machen.  Die  dreizehnte 
(20  März  711)  vertheidigt  seine  Eriegspolitik  gegen  die  Frie- 
densmahnungen des  M.  Lepidus  und  Munatius  Plancus.  Endlich 
die  vierzehnte  (22  April  711)  beantragt  ein  grosses  Dankfest 
wegen  des  Siegs  über  Antonius  bei  Forum  Grallorum  und  Aus- 
zeichnungen für  die  siegreichen  Feldherren. 

1.  Besonders  berühmt  ist  die  zweite  Philippica,  s.  Juvenal  X,  125  f. 

2.  Ausgaben  der  Philippicae  von  G.  G.  Wemsdorf  (Lips.  1821  f.  2 
Bände,  verb.  Text  ib.  1825),  Orelli  (Zürich  1827);  die  zweite  besonders 
herausgegeben  Ton  Wernsdorf  (mit  Uebersetzung,  Leipz.  1816),  H.  A.  G. 
Winckler  (Cassel  1829),  Frotscher  (Lips.  1833;  nebst  Probe  von  einem 
Comm.,  Leipz.  und  Annab.  1836).  Die  erste  und  .zweite  erklärt  von  C.Halm 
(Weidmannsche  Sammlung,  Bd.  VI.  Aufl.  3)  und  &.  A.  Koch  (Leipzig, 
Teubner,  1870). 

3.  J.  Mittermayr,  Beiträge  zur  Erkl.  der  ersten  phil.  R.  (Aschaffenb. 
1841.  4.);  zur  ^zweiten  (ebend.  1843.  1846.  4.).  C.  Campe,  Philologus  X. 
S.  627  ff.  und  Fleckeisens  Jahrbb.  91,  S.  163—174.  F.  G.  Jentzen,  über  des 
Cic.  vierte  phil.  R.,  Lübeck  1820.  Gegen  A.  Krause's  zwecklose  Ver- 
dächtigung der  vierten  (Cic.  quae  fertur  Phil.  lY  expl.  et  Ciceroni  dero- 
gavit,  Berl.  1839,  und  üeber  Cic.  vierte  phil.  Rede,  Neustettin  1847.  4.  = 
Jahn's  Jahrbb.  Suppl.  XIIL  p.  297  —  313)  s.  Schuster,  Vindiciae  Cic.  or. 
Phil,  quartae,  Lflneb.  1861  f.  4.  Schirlitz,  Cic.  phil.  nona,  Wetzlar  1844.  4. 
y.  F.  Deycks,  de  Cic.  Phil.  orr.  cod.  vaticano,  Münster  1844. 

177.  Ausser  diesen  57  Reden  sind  Bruchstücke  erhalten  167 
von  ungefähr  zwanzig  weiteren,,  und  von  33  anderen  wissen  wir 
wenigstens  dass  Cicero  sie  gehalten  hat.  Dazu  kommt  noch 
eine  Anzahl  nur  geschriehener  (nicht  gehaltener)  Lobreden,  näm- 
lich auf  Caesar  (vom  J.  698),  den  jüngeren  Cato  (J.  708)  und 
dessen  Schwester  Porcia  (J.  709). 

1.  Unter  den  Bruchstücken  sind  die  erheblichsten  die  zu  den  zwei  Cor- 
nelianae  (pro  C.  Comelio,  de  maiestate,  vom  J.  689,  s.  Ascon.  p.  66  —  81 
Or.  und  Quintil.  VIII,  3,  3  f.  vgl.  VI,. 6,  10.  X,  6,  13),  zur  oratio  in  toga 
Candida  (J.  690  im  Senat  gehalten,  vgl.  Bücheier,  Q.  Cic.  p.  9  f.)  und  zur 
Scanriana  -(pro  M.  Aemilio  Scauro,  vom  J.  700,  s.  Drumann  VL  8.  36— 
46.   Ascon.  p.  18— -30.    Schol.  Bob.  p.  373—376  Or.). 

2.  Sammelausgaben  der  Bruchstücke  einzelner  Reden:  Sex  orationum 
partes  ineditae,  ed.  A.  Mai.  ed.  alt.,  Maü.  1817.  8.;  Auetor.  class.  IL  p. 
277  —  326.  Oratt.  p.  Fonteio  et  C.  Rabir.  fragmenta  ed.  Niebuhr,  Rom 
1820.  Oratt.  p.  Scaur.,  Tüll,  et  in  Clod.  fragmenta  inedita  ed.  A.  Peyron, 
Stuttg.  1824.  4.  Oratt.  p.  Tüll.,  in  Clod.,  p.  Scauro,  p.  Flacco  fragmenta 
ined.  coli.  C.  Beier,  Lips.  1826,  nebst  Indd.  (herausgg.  von  G.  Hertel),  Lips. 
1831.  Oratt.  p.  Tüll.,  in  Clod.,  p.  Scauro,  p.  Flacco  ed.  et  expl.  E.  C. 
d'Engelbronner,  Rotterdam  1830.    Die  Bruchstücke  s&mmtlicher  Reden  sind 


310  Ciceronische  Zeit.    Erste  Hälfte,  J.  671—691. 

zusammengestellt  in  den  Gesammtaasgaben  von  Nobbe  (p.  1119  ff.),  Klotz 
(IV,  3.  p.  201—249),  Orelli  IV,  2.  p.  4*9—459  —  IV.  p.  929  —  966.  1011. 
1055  f.  der  zweiten  Aasgabe  (Torici  1861),  und  Baiter-Eayser  Vol.  XI.  p. 
1 — 38.  C.  Halm,  Beiti^e  zur  Berichtigung  und  Ergänzung  der  cic.  Frag- 
mente (Leipz.  1862),  bes.  S.  16—31. 

3.  Ueber  die  33  Beden  a.  Orelli  IV,  2.  p.  460  f.  »  p.  966  f.  der  zweiten 
Ausgabe.    Westermann,  Gesch.  der  rOm.  Beredtsamkeit  S.  341  f. 

4.  Skizzen  und  Goncepte  von  Reden  des  Cic.  veröffentlichte  aus  dessen 
Nachlass  sein  Freigelassener  Tiro.  Quintil.  X,  7,  30:  quod  fecisse  M.  Tul- 
lium  commentariis  ipsius  apparet.  ib.  31:  Ciceronis  ad  praesens  modo 
tempus  aptatos  (commentarios)  libertus  Tiro  contraxii  Vgl.  ib.  IV,  1,  69: 
Cicero  pro  Scauro  ambitus  reo,  quae  causa  «st  in  commentariis  (nam  bis 
eundem  defendit),  prosopopoeia  .  .  utitur.  Hieronyn.  apol.  ad  Rufin.  II. 
p.  469  Vall.  (in  commentariis  eausamm,  pro  Gabinio). 

5.  Ueber  Cicero's  laudatio  Caesaris  s.  ad  Att.  IV,  5;  über  seine  lau- 
datio Porciae  ib.  XIII,  37,  3.  48,  2. 

6.  Plut.  Caes.  54:  iy^aipe  Kmi^v  iy%üi(uov  Katmvog,  6itoiiM  xm  Xoytp 
d-iiuvog  Kmtotva,  Fr.  Schneider,  de  Ciceronis  Catone  minore,  Zeitschrift 
für  die  Alt.-Wiss.  1837.  Nr.  140  f.  H.  Wartmann,  Cato  von  Utika  (Zfirich 
1858)  S.  145—153.  C.  GOttling,  de  Cic.  laudatione  Catonis  et  de  Caesaris 
Anticatonibus,  Jena  1865.  4.  »  Opusc.  acad.  p.  153 — 166.  Orelli  IV.  p.  987  f. 
Baiter-Eayser  XI.  p.  67 — 69.  Der  Inhalt  dieser  Lobrede  auf  Cato  erregte 
bei  Caesar  einigen  Anstoss  (ad  Att.  XII,  40,  1.  XIII,  27,  1),  obwohl  er  ihre 
formelle  Vorzüglichkeit  anerkannte  (ib.  XIII,  46,  2);  er  veranlasste  daher 
zuerst  den  EUrtius  zu  einer  Gegenschrift  und  schrieb  dann  selbst  eiaen 
Anticato.  Dagegen  dem  M.  Brutus  war  Cicero's  Schrift  zu  wenig  warm 
und  zu  eng,  da  Cicero  sich  yorsichtiger  Weise  hauptsächlich  an  Cato's 
Privatcharakter  gehalten  hatte;  er  schrieb  daher  selbst  auch  (Anfangs  709) 
einen  Cato. 

7.  Die  Untergeschobene  Rede  pridie  quam  in  exilium  iret  s.  z.  B.  in 
der  zweiten  Orelli^schen  Ausgabe  Cicero'»  II.  p.  1412  ff.  und  bei  BaSter> 
Kayser  XL  p.  156  — 164.  Ueber  die  fingierten  Streitreden  zwischen  Sallust 
und  Cic.  (z.  B.  bei  Baiter-Eayser  XI.  p.  147—155)  s.  unten  203,  6. 

168  178.  In  der  Theorie  der  Beredtsamkeit  war  Cicero  Schüler 
der  Griecheu  und  übersetzte  sogar  in  seiner  Jugend  ein  grie- 
chisches Lehrbuch.  In  reiferen  Jahren  trat  er  mit  selbständigen 
rhetorischen  Schriften  auf,  nicht  um  die  Theorie  weiter  zu  för- 
dern^ sondern  um  seine  eigene  Stellung  in  der  Geschichte  der 
römischen  Beredtsamkeit  darzulegen  und  seine  rednerische  Weise 
gegen  Widersacher  zu  vertheidigen.  Dabei  weiss  er  die  Haupt- 
lehren der  Rhetorik  in  anziehender  Weise  zu  popularisieren.  In 
seinem  Kampfe  gegen  den  abstracten  Doctrinarismus  und  den 
leeren  Schematismus   der  Schulrhetorik   geräth  Cicero   sogar  in 


178  f.  Cicero'ß  rhetorische  Schriften.  311 

das  Extrem  des  blosen  Empirismus  und  lässt  öfters  Schärfe  der 
Begriffe  vermissen. 

1.  Die  Bänuntliohen  rhetorischen  Schriften  Cicero*8  sind  herausgegeben 
von  C.  G.  Schütz  (Lips.  1804.  1808,  3  Bände)  und  bilden  Vol.  I.  der  Orel- 
li'schen  Ausgabe  (Ed.  II.  Tur.  1846);  die  kleineren  von  J.  F.  Wetzel  (Lieg- 
nitz  1807.  1823)  und  Orelli  (Zürich  1830). 

2.  C.  W.  Piderit,  über  den  Kunstwerth  der  rhetorischen  Schriften  Ci- 
cero's^  in  Jahns  Jahrbb.  82,  S.  603—516.  L.  Spengel,  Rhein.  Mus.  XVIII. 
S.  495 — 498.  H.  Jentsch,  Aristotelis  ex  arte  rhetorica  quid  habeat  Cicero, 
Berlin  1866.   8.  - 

179«    Die    erhaltenen    rhetorischen    Schriften   Cicero's    sind  169 
nach  der  Zeit  ihrer  Abfassung  folgende. 

1)  Rhetorica,  eine  unreife  Jugendarbeit,  hauptsächlich, 
wie  es  scheint,  nach  Hennagoras  und  Comificius.  Die  zwei 
Bücher,  welche  allein  fertig  gemacht  sind,  handeln  vom  redneri- 
schen Stoffe,  de  inventione,  und  werden  daher  gewöhnlich  so 
betitelt. 

1.  Gic.  de  or.  I,  2,  6:  quoniam  quae  pueris  aut  adolescentulis  nobis 
ex  commentariolis  nostris  incohata  ac  rudia  exciderunt  vix  hac  aetate 
digna  et  hoc  nsu,  quem  ex  causis  quas  diximus  tot  tanti^que  consecuti 
sumus.  Vgl.  6,  23.  Quintil.  II,  14,  4.  15,  6  (in  rhetoricis,  quos  sine  dubio 
ipse  non  probat).  III,  1,  20  (rhetoricos  suos).  3,  6  (Gic.  in  Rhetoricis). 
5,  14  f.  (ex  Gic.  rhetorico  I.  .  .  ipse  hos  libros  improbat).  6,  50  (Gicero 
in  libris  rhetoricis  =-  de  inv.  I,  8)  und  68  (in  primo  Giceronis  rhetorico). 
59  f.  (Gic.  his  pulcherrimos  illos  de  oratore  libros  substituit).  64.  Hieronjm. 
adv.  Rufin.  I.  p.  137. 

2.  Gic.  de  inv.  II,  2,  4:  quoniam  nobis  quoqae  voluntatis  accidit  ut 
artem  dicendi  perscriberemus,  non  unum  aliquod  proposuimas  exemplum, 
cuius  omnes  partes  .  .  exprimendae  nobis  necessario  viderentur,  sed  Om- 
nibus unum  in  locum  coactis  scriptoribus  quod  quisque  commodissime 
praecipere  videbatur  excerpsimus  etc.  Hermagoras  wird  genannt  I,  6,  8. 
9,  12.  11,  16.  51,  97.  Quintil.  III,  6,  59:  sunt  velut  regestae  in  hos  com- 
mentarioB  quos  adolescens  deduxerat  scholae,  et  si  qua  est  in  his  culpa, 
tradentis  est.  ib.  11,  10.  18  (in  Rhetoricis  Hermagoran  est  sccutus).  Vgl. 
F.  Bader  p.  18—24,  und  über  die  Benützung  des  Gomificius  ib.  p.  6—11. 

3.  „Der  Verfasser  hatte  die  Rhetorik  ad  Herennium  (s.  oben  159)  vor 
sich  liegen  und  benütst  sie  häufig,  sucht  auch  fortwährend  es  anders  und 
besser  zu  machen  als  jene,  macht  es  aber  gewöhnlich  schlechter."  „Das 
ganze  genus  demonstrativum  wird  in  einem  einzigen  Gapitel,  dem  letzten, 
abgemacht,  zum  Beweise  dass  der  junge  Verfasser  selbst  den  Plan  auch 
die  anderen  vier  Theile  auszufahren  bereits  aufgegeben  hatte."  L.  Spengel, 
Rhein.  Mus.  XVin.  S.  496. 

4.  Gommentar  des  Marius  Victorinus  (s.  d.)  zu  der  Schrift.  Excerpta 
ex  Grillii  commento  in  Gic.  de  inv.  bei  Halm,  Rhet.  lat.  min.  p.  596 — 606. 


312  Ciceronische  Zeit.   Erste  Hälfte,  J.  671—691. 

5.  Sonderausgabe  mit  den  Anmerkungen  von  Lambin,  Gronov  u.  s.  w. 
von  P.  Burmann,  Lugd.  Bat.  1761,  neu  herausgeg.  von  F.  Lindemann, 
Leipz.  1828  (Schulausg.  1829.).  üebersetzt  von  G.  H.  Moser,  in  der  Metz- 
ler^schen  Sammlung,  röm.  Pros.  127  f. 

6.  A.  Linsmayer,  Variae  lectiones  ad  Cic.  libr.  I.  de  inventione  ex  IV 
codd.  exscriptae,  congessit  et  brevi  annot.  instr.,  München  1853  (VIII  und 
27  pp.  8.)  B=  C.  Halm,  Analecta  Tulliana,  fasc.  II.  F.  A.  Eckstein,  Varietas 
lectionis  codicis  Leidensis  ad  Cic.  de  inv.  libros  II.  Halle  1854.  4.  F.  Bader, 
de  Cic.  rhett.  libris,  Greifswald  1869.  30  pp. 

2)  De  oratore  libri  tres,  verfasst  J.  699,  eingekleidet  in 
die  Form  eines  Gesprächs  welches  die  beiden  grössten  Redner 
der  früheren  Zeit,  L.  Grassus  und  M.  Antonius,  mit  Anderen 
im  J.  663  gehalten  hätten.  Durch  diese  Einkleidung  hat  die 
Behandlung  an  Leichtigkeit,  Vielseitigkeit  und  Lebendigkeit  ge- 
wonnen, Cicero  die  Trockenheit  systematischer  Darstellung  und 
die  Aufstellung  eines  eigenen  Glaubensbekenntnisses  vermieden, 
so  unverkennbar  ist  dass  seine  Personen  nur  seine  eigenen  An- 
sichten aussprechen.  Obwohl  die  dramatische  Kunst  eines  pla- 
tonischen Dialogs  bei  weitem  nicht  erreicht  ist,  so  ist  das  Werk 
doch  durch  den  Reichthum  seines  Inhaltes  und  die  Gefeiltheit 
der  Darstellung  zu  den  vollendetsten  des  Cicero  zu  rechnen. 
Das  erste  Buch  erörtert  die  Bildung  zum  Redner,  das  zweite 
die  Behandlung  des  Stoffes,  das  dritte  die  Form  und  den  Vor- 
trag der  Rede. 

1.  Cic.  adAtt  XIII,  19,  4.    Fam.  I,  9,  23  vgl.  VII,  32,  2.  Oben  149,  3. 

2.  J.  A.  Emesti,  de  praestantia  librr.  Cic.  de  or.,  Lips.  1736.  4.  J.  F. 
Schaarschmidt,  de  proposito  etc.,  Schneeb.  1804.  H.  A.  Schott,  comm.  qna 
III  de  or.  libri  examinantur,  Lips.  1806.  4.  G.  E.  Gierig,  vom  ästhetischen 
Werthe  der  Bücher  de  or.,  Fulda  1807.  C.  F.  Matthiä,  Prolegg.  äh  ii.  s.  w. 
Frankf.  1812.  4.  Schölten,  animadvv.  in  Cic.  de  or.  libros, -Utrecht  (1828) 
72  pp.  8.  E.  L.  Trompheller,  Versuch  einer  Charakteristik  der  u.  s.  w.,  Co- 
burg 1830.  4.  Busch,  Obss.  ad  Cic.  de  or.,  Rostock  1830.  4.  Rhode,  de 
anacoluthis  in  Cic.  de  or.,  Breslau  1833.  C.  G.  König,  Opuscc.  latt.  (Meis- 
sen  1834)  p.  869  ff.  Paul,  de  Cic.  de  or.,  Th6m  1840.  4.  Ellendt  vor  seiner 
Ausg.  II.  p.  VII  ff.  C.  Kuniss,  quaedam  de  Cic.  de  or.,  Dresden  1842. 
Brückner,  quid  Cic.  in  libris  de  or.  ex  Isocrate  et  Aristotele  mntuatus  sit, 
Schweidnitz  1849.  4.  F.  Th.  Adler,  locos  quosdam  libr.  I  et  II  emend., 
illustr.,  Halle  1869.  32  pp.  4. 

3.  Ausgaben  z.  B.  von  Z.  Pearce  (Cambridge  1716,  zuletzt  Lond.  1795), 
G.  C.  Harless  (Lips.  1816),  0.  M.  Müller  (ZüUichau  1819.  1838),  R.  J.  F. 
Henrichsen  (Kopenhagen  1830),  C.  G.  Kuniss  (Leipz.  1837),  und  ganz  be- 
sonders von  Fr.  Ellendt  (Eönigsb.  1840.  2  Bände).  Dazu  C.  Fräokel,  Nach- 
träge und  Berichtigungen  zu  Fr.  Ellendt's  Comm.  über  Cic.  de  or. ,  5  Hefte, 


179.   Cicero'ß  rhetorische  Schriften.  313 

• 

DoTpat  1855—1860.  C.  W.  Piderit,  zur  Kritik  uad  Exegese  von  Gic.  de 
or.,  Hanau  1857.  1858.  4.  Bake  (zu  B.  III)  in  Mnemosyne  VII.  p.  97—123. 
G.  Sorof,  PhilologuB  XXI.  p.  .654— 674,  und  Vindiciae  Tullianae,  Beriin 
1866.  4.  Erklärt  von  C.  W.  Piderit,  Leipz.  1859.  1862.  1868.  Bec.  lo.  Bake, 
Amsterdam  1863. 

4.  Uebersetzt  von  Dilthey  (Stuttgart,  Metzler  1828;  umgearbeitet  von 
F.  Baur,  ebend.  1859,  Gl.  d.  Alt.);  von  R.  Kühner  (Stuttgart,  Hoffmann  1858). 

3)  Brutus  de  claris  oratoribus,  verfasst  zu  Anfang  des 
J.  708  9  eine  pragmatische  Darstellung  der  Greschichte  der  römi- 
schen Beredtsamkeit,  höchst  werthvoU  durch  die  Fülle  des  darin 
ausgeschütteten  historischen  Materials,  viele  treffende  und  leben- 
dige Charakteristiken,  so  wie  die  Aufschlüsse  über  Cicero^s 
eigenen  Bildungsgang.  Die  dialogische  Form  ist  mit  mehr 
Ernst  und  Geschick  behandelt  als  in  den  philosophischen  Schrif- 
ten; doch  fehlt  es  nicht  an  grösseren  und  kleineren  stilistischen 
ünfertigkeiten. 

1.  Die  Zahl  der  besprochenen  Redner  betiUgt  gegen  200,  mit  grund- 
sätzlicher Beschräi^kung  auf  die  gestorbenen  (s.  65,  231).  Von  den  lebenden 
werden  nur  Caesar,  M.  Marcellus  und  Cicero  selbst  abgehandelt.  Vgl.  93, 
319.    Or.  7,  23.    Quintil.  X,  1,  38.    Oben  150,  8.  168,  10. 

2.  Alle  vorhandenen  Handschriften  des  Brutus  und  des  Orator  sind  aus 
der  'zweiten  Hälfte  des  15.  Jahrhunderts  und  gehen  auf  diejenige  zurück 
welche  ums  J.  4 420  in  Lodi  gefunden  wurde,  später  aber  wieder  verloren 
gieng  und  für  uns  nur  durch  Abschriften  existiert.  Am  Schlüsse  fehlt 
Einiges. 

3.  Ausgaben  von  Wetzel  (Nürnberg  1776,  Halle  1793),  Orelli  (mit  den 
übrigen  kleineren  rhetor.  Schrr.,  Zürich  1830),  H.  Meyer  und  G.  Bemhardy 
(Halle  1838),  Euniss  (Leipz.  1838),  C.  Peter  .(Leipz.  1839),  Fr.  EUendt  (Kö- 
nigsberg 1825  und  besonders  1844),  0.  Jahn  (Leipz.  1849,  Berlin  1856,  1865), 
C.  Beck  (third  edition,  Cambridge  in  Massachussets  1853.  195  pp.  8.),  C. 
W.  Piderit  (für  den  Schulgebrauch  erklärt,  Leipz.  1862). 

4.  E.  L.  Trompheller,  Bemerkungen  Über  Cic.  Br.,  Coburg  1832.  4. 
£.  Marggraff,  Obss.  criticae  in  0.  Jahnii  editionem  Bruti  Cic,  Berlin 
1855.  4.  G.  Schwister,  Quaestiones  aetiologicae  in  Cic.  Brutum,  Bonn  1857. 
Bake,  Curae  secundae  in  Cic.  Br.,  Mnemosyne  VI.  p.  421—438.  Piderit,  zur 
Kritik  und  Exegese  von  Cic.  Brut.,  Hanau  1860.  1862.  4.  (Campe,)  Beiträge 
zur  Kritik  des  Cic.  I  "(öreiffenberg  1860.  4.)  S.  1—21.  J.  Mähly,  Rhein. 
Mus.  XX.  S.  637—640.    G.  Hänel,  ad  Cic.  Brut.  27,  106.  Lips.  1867.  4. 

5.  Uebersetzt  von  C.  A.  Mebold  (Stuttg.  1829),  neu  bearbeitet  von  W. 
S.-  Teuffei,  Stuttgart  1859  (Cl.  d.  Alt). 

4)  Orator  ad  M.  Brutum,"  Cicero's  rednerisches  Vermächt- 
niss,  sein  Ideal  eines  Redners  ausmalend,  von  Werth  aber  mehr 
durch  einzelne  Erörterungen  und  Bemerkungen  als  durch  Voll- 


314  Ciceronische  Zeit.   Erste  Hüifte,  J.  671—691. 

ständigkeit  und  planmässige  Anlage  des  Ganzen;  verfasst  gleich- 
falls noch  im  J.  708.       • 

1.  Cic  ad  Fam.  VI,  18,  4.  JiY,  20,  1.  de  diyin.  II,  1,  4.  ad  Att.  XIV, 
20,  S  a.  Fam.  XII,  17,  2  seinem  Inhalte  nach  de  optimo  genere  dicendi 
genannt. 

2.  Ausgaben  von  H.  Meyer  (Lips.  1827),  Orelli  (Zfirich  1830),  F.  Göller 
(Lips.  1838),  Peter  und  Weller  (Leipz.  1838),  0.  Jahn  (Leipz.  1851.  Berlin 
1859.  1869),  Pidcrit  (Leipzig,  Teubner,  1865). 

3.  G.  Weller,  Symb.  critt.  ad  Cic.  or.,  Heiningen  1837.  4.  Paul,  de 
or.,  Thom  1844.  4.  Bake,  de  emendando  Cic.  or.,  Lugd.  B.  1856.  82  pp.  4. 
Piderit,  Eos  I.  S.  401—409.  II.  S.  168—181;  Jahns  Jahrbb.  91,  S.  372—374. 
765—772.     Vollbehr,  ad  Cic.  or.  symbb.  criticae,  Glückstadt  1864.   4. 

4.  Uebersetzt  von  Hauff  (in  seiner  Philologie  II,  1.  S.  111  ff.),  Brewer 
(Düsseldorf  1824),  Mebold  (Stuttgart  1829),  W.  S.  Teuffei,  Stuttgart  1861. 
(Cl.  d.  Alt.) 

5)  Partitiones  oratoriae  (oder  de  partitione  oratoria), 
im  J.  708  oder  709  verfasst,  eine  Uebersicht  über  das  Gesammt- 
gebiet  der  Rhetorik  in  Form  von  Fragen  (die  er  seinen  Sohn 
stellen  lässt)  und  Antworten,  ein  ziemlich  trockener  Katechismus. 

1.  Quintil.  III,  3,  7.    Drumann  VI.  S.  293. 

2.  E.  Reusch,  disquis.  de  Cic.  partt.  or.,  Helmstedt  1723.  4.  Piderit, 
zur  Kritik  von  Cic.  p.  or.,  Hanau  1866.  4.  und  in  Fleckeisens  Jahrbb.  95, 
S.  275—283.     H.  Sauppe,  Götti.  Gel.  Anz.  1867,  S.  1863—1877' 

3.  Ausgabe  von  Hauptmann  (Lips.  1731)  und  Piderit  (für  den  Schul- 
gebr.  erklärt,  Leipz.  1867).  Uebersetzt  (mit  Topik)  von  G.  H.  Moser,  Metz- 
ler ^sche  Sammlung,  röm.  Pros.  137. 

6)  Topica  ad  C.  Trebatium,  eine  Erläuterung  der  Topik 
des  Aristoteles,  im  J.  710  auf  der  Reise  aus  dem  Gedächtniss 
niedergeschrieben. 

1.  Cic.  ad  Fam.  VII,  19.  Quintil.  III,  11,  18.  V,  10,  64  (scribens  ad 
Trebatium  ex  iure  ducere  ezempla  maluit). 

2.  Von  einem.  Commentar  des  Boethius  dazu  sind  noch  sechs  Bücher 
erhalten  (in  dessen  Opp.  und  in  vielen  älteren  Ausgaben  der  Schrift  des 
Cicero,  auch  bei  Orelli  V,  1.  p.  269  fF.). 

3.  F.  G.  van  Lynden,  interpr.  iurispr.  Tüll,  in  Topp,  rxpositae,  Lugd. 
Bat.  1805.  180  pp.  8.  W.  A.  Macejowski,  obss.  in  Cic.  Topp.  (Opusc, 
Warschau  1824.  p.  63—84),  Brandis  im  Rhein.  Mus.  III  (1829).  S.  547  ff. 
J.  Klein,  de  fontibus  Topp.  Cic,  Bonn  1844.  F.  Bücheier,  Philologus  XXL 
S.  123—126. 

7)  De  optimo  genere  oratorum,  Vorwort  zu  einer 
Uebersetzung   der  Reden   des   Demosthenes   und   dos   Aeschines 


179  f.   Cicero's  rhetoriscbe  Schriften  und  Briefe.  315 

für  und  wider  Ktesiphon,  über  den  attischen  und  den  asiatischen 
Redestil,  vielleicht  gleichfalls  aus  dem  J.  710. 

1.   Ascon.  p.  31  Or. 

3.  Heraosg^^ben  (nebst  Top.  nnd  partitt.)  von  G.  H.  ^aalfrank  (Ra- 
tisb.  1823)  und  von  0.  Jahn  an  seinem  Orator. 

180«  Die  vier  auf  uns  gekommenen  Sammlungen  ciceroni-l70 
scher  Briefe  enthalten,  mit  Einschluss  von  90  an  Cicero  ge- 
richteten, im  Ganzen  864  Stücke,  und  sind  sowohl  persönlichen 
wie  politischen  Inhalts,  ein  unerschöpflicher  Schatz  für  die 
Zeitgeschichte,  zum  Theil  aber  von  der  Art  dass  die  Veröffent- 
lichung nicht  im  Interesse  Cicero's  lag;  denn  bei  einem  Manne 
der  80  rasch  zu  denken,  und  so  lebhaft  zu  fühlen  pflegte  wie 
Cicero,  und  dem  es  Bedürfniss  war  seine  jedesmaligen  Gredanken 
und  Empfindungen  mündlich  oder  in  Briefen  an  einen  vertrauten 
Freund  wie  Atticus  auszusprechen,  gewährt  ein  solcher  Brief- 
wechsel einen  oft  nur  allzutiefen,  ja  sogar  manchfach  täuschen- 
den Einblick  in  sein  Innerstes^  wie  denn  Drumann  den  Stoff  , 
zu  seiner  Anklage  zum  grössten  Theile  diesen  Briefen  entnom- 
men hat. 

1.  Der  früheste  Brief  ist  vom  J.  686,  der  späteste  vom  28.  Juli  711; 
aus  Cicero's  Gonsulat  ist  keiner  erhalten.  Fronto  ad  M.  Antonin.  II,  5.  p.  107 
Naber:  omnes  Ciceronis  epistolas  legendas  censeo,  mea  sententia  vel  magis 
quam  omnes  eins  orationes.  epistolis  Ciceronis  nihil  est  perfectius.  Vgl. 
auch  oben  45,  1. 

2.  B.  B.  Abeken,  Cicero  in  seinen  Briefen  u.  s.  w.,  Hannover  1835. 
J.  V.  Gruber,  quaestio  de  temporibus  atque  serie  epistolarum  Ciceronis, 
Stralsund  1836.  4.  A.  Stinner,  de  eo  quo  Cic.  in  epistolis  usus  est  sermonc, 
Oppehi  1849.  18Ci^.  1864.   4. 

3.  Cicero  selbst  hat  die  von  ihm  geschriebenen  Briefe  nicht  gesam- 
melt, noch  weniger  sie  herausgegeben;  aber  schon  bei  seinen  Lebzeiten 
trugen  üun  Nahestehende  sich  mit  derartigen  Gedanken.  Vgl.  ad  Att. 
XVI,  6  extr.  (vom  J.  710):  mearum  epistolarum  nuUa  est  ifwccyrnyi^,  sed 
habet  Tiro  instar  LXX.  et  quidem  sunt  a  te  quaedam  sumendae.  eas  ego 
oportet  perspiciam,  corrigam;  tum  denique  edentur;  und  an  Tiro  (Fam. 
XVI,  17,  1  vom  J.  708):  tuas  quoque  epistolas  vis  referri  in  volumina. 
Nach  Cicero's  Tode,  wo  durch  die  Rhetorenschnlen  sein  Ansehen  immer 
höher  stieg,  wurde  das  Sammeln  und  Herausgeben  seiner  Correspondenz 
um  so  eifriger  betrieben,  theilweise  wohl  aus  buchhändlerischer  Specula^ 
tion.  Cornelius  Nepos,  in  dem  vor  dem  J.  720  verfassten  Theile  seiner 
Biographie  des  Atticus  (Att  16,  3),  kennt  durch  private  Mittheilung  — 
denn  dass  sie  noch  nicht  herausgegeben  waren  sagt  er  selbst  —  die  XVI 
Volumina  epistolarum  an  Atticus;  und  von  einer  langen  Reihe  anderer 
Sammlungen  wissen  wir  durch  Citate.    So  citiert  Macrob.  Sat.  II,   1,   H 


316  Ciceronißche  Zeit.   Erste  Hälfte,  J.  671—691. 

Cicero  in  libro  epifitolanim  ad  Corneliam  Nepotem  secundo,  Nonius  Mar- 
cellus  (ed.  Gerlach  et  Roth)  p.  286  ein  neantes  Buch  von -Briefen  ad  Bru- 
tarn  (ad  Brut.  I,  1,  1),  p.  306  ein  neuntes  ad  Hirtium,  p.  201  Mn  viertes 
ad  Pompeium,  p.  196  ein  drittes  ad  Caesarem,  pl  225  und  289  ein  drittes 
ad  Caesarem  iuniorem,  p.  65  ein  drittes  ad  Pansam,  p.  348  ein  zweites 
ad  Axium,  p.  188  ein  zweites  ad  iilium,  p.  190  ein  erstes  (und  somit  min- 
destens zweites)  ad  Gassium  (^  ad  Farn.  XV,  16,  3);  ausserdem  p.  319  ad 
Calvum  (nach  Priscian.  11.  p.  490,  12  Keil  mehrere  Bücher),  p.  297  epistola 
ad  Catonem;  Suet.  rhet.  2  ad  M.  Titinnium,  Quintü.  VI,  3,  112  ad  Gae- 
relliam,  Charisius  p.  85  P.  o*  p.  no  Keil  (quamvis  Cicero  requietem  dixerit) 
ad  Hostilium,  ib.  p.  108,  26  (Keil)  ad  Marcellum,  wozu  noch  die  illtivi%al 
{ngog  'HQoidrjv,  ngbg  TliXonci  %ov  Bv^avtiov  etc.)  bei  Plut.  Cic.  24  kommen 
(Nake  p.  10  f.).  Von  allen  diesen  Sammlungen  ist  an  sich  wahrscheinlich 
dass  sie  schon  in  der  augusteischen  Zeit  veranstaltet  wurden,  wo  noch 
wenig  verloren  gegangen,  die  Empf&nger  selbst  aber  fast  alle  todt  waren. 
Die  kümmerlichen  Ueberreste  dieser  umfangreichen  Samminngen  sind  zu- 
sammengestellt bei  Orelli  IV,  2.  p.  461—468  =»  p.  968  —  974  ed.  II  (vgl. 
C.  Halm,  Beiträge  zu  den  cicer.  Fragm.  S.  31  f.),  besser  bei  Baiter-Kayser 
XL  p.  38—50. 

4.  Neben  diesen  umfassenden  Sammlungen  erscheint  sehr  frühe  auch 
eine  kürzere,  deren  einzelne  Bücher  nach  den  vorwiegenden  Adressaten 
citiert  zu  werden  pflegen,  s.  z.  B.  Gell.  N.  A.  I,  12,  19  von  dem  Schreiben 
des  PoUio  an  Cicero  (Fam.  X-,  33,  5):  in  libro  epistolarum  M.  Giceronis  ad 
L.  Plancum  et  (und  genauer)  in  epistola  (M.)  Asini  Pollionis  ad  Cic;  vgl. 
Gell.  XII,  13,  21:  in  libro  M.  TuUii  epp.  ad  Ser.  Sulpicium  =  Fam.  IV, 
4,  4;  Non.  Marc.  v.  comedim  (p.  83,  30  M.  =■  p.  59  Gerl.):  Cicero  ad  Var- 
ronem  epistola  Peti  (d.  h.  ad  Paetum,  s.  Fam.  IX,  20,  3),  während  Nonius 
den  Brief  Fam.  XV,  16  aus  der  vollständigeren  Sammlung  (ad  Cassium  I) 
citiert,  was  freilich  nicht  beweist  dass  sie  zu  seiner  Zeit  noch  existierte. 
Diese  kürzere  Sammlung  ist  erhalten  (ad  Fam.). 

5.  Die  Briefe  des  Cicero  wurden  mehrere  Jahrhunderte  fleissig  gelesen 
(s.  die  Uebersicht  der  Anfahrungen  bei  Nake,  bist.  crit.  p.  38  f.)  und  auch 
excerpiert  (Fronto  ad  Antonin.  II,  5.  p.  107  Naber:  memini  me  excerpsisse 
ex  Giceronis  epistulis  ea  dumtaxat  quibns  inesset  aliqua  de  eloquentia  vel 
philosophia  vel  de  rep.  disputatio;  praeterea  si  quid  elegantius  aut  verbo 
notabili  dictum  videretur  excerpsi);  doch  weitaus  nicht  in  dem  Grade  und 
so  lange  fort  wie  die  meisten  andern  ciceronischen  Schriften.  Wir  finden 
daher  nur  vereinzelte  Spuren  des  Vorhandenseins  von  Handschriften  der- 
selben und  deren  Benützung  in  den  Jahrhunderten  des  Mittelalters  (Orelli 
vor  seiner  Ausg.  p.  VI  f.),  insbesondere  vom  10 — 14.  Jahrhundert  (ib.  p.  VH 
—XII;  über  Job.  Saresber.  ib.  p.  VII  f.;  Über  Petrus  von  Blois  ib.  p.  IX  f.). 
Erst  Petrarca  hat  sie  wieder  entdeckt,  und  zwar  im  J.  1345  bei  Verona 
die  an  Atticus,  Q.  Cicero,  Brutus  und  Octavius,  etwas  später  in  Vercelli 
die  Briefe  ad  famüiares  (vgl.  Orelli  1.  1.  p.  XII  f.  XXXIX  f.  M.  Haupt, 
dno  epistolae  ineditae  de  inventione  Giceronis  epp.  ad  Fam. ,  Berl.  1856.  4. 
F.  Hofmann,  der  kritische  Apparat  u.  s.  w.  S.  1—6.  Detlefsen,  in  Jahns 
Jahrb.  87 ,   S.  550  ff.).    Von   den  Epp.  ad  &m.  ist  der  Urcodex  (saec.  XI, 


180.   Cicero*B  Briefe.  317 

die  Quelle  aller  Übrigen  Handflcbriften)  noch  vorhanden  (Ck>d.  Medic. 
plut  XLIX,  Nr.  IX),  wie  auch  die  Abschrift  des  Petrarca  (Cod.  Medic. 
pl.  XLIX,  Nr.  VII);  dagegen  von  den  ad  Att.  etc.  ist  die  in  Verona  ge- 
fundene Handschrift  wieder  verloren  gegangen  und  nur  die  grOsstentheils 
von  Petrarca  gemachte  Abschrift  erhalten  (ib.  plut.  XLIX,  cod.  XVIII), 
welche  zugleich  zahlreiche  Gorrecturen  von  Coluocio^  Salutato  enthält, 
meist  Vermutungen  dieses  Gelehrten,  theilweise  auch  Besserungen  auf 
Grund  der  Vergleichung  der  Urhandschrift  (vgl.  Hofmann  S.  6  f.  und 
8—25).  Indessen  der  cod.  Tumesianus  (z),  aus  welchem  Lambinus  die  ver- 
hältnissmftssig  zuverlässigsten  Mittheilungen  gibt,  der  aber  jetzt  verloren 
ist,  stammt  nicht  aus  dieser  Abschrift  Petrarca's  (M)  ab  (F.  Hofmann 
S.  26 — 30),  sowenig  als  ein  cod.  Escurial.  saec.  XIV  oder  XV;  und  auch 
die  Bandnoten  in  Cratanders  Ausgabe  (c),  Basel  1528,  scheinen  sich  auf 
eine  üeberlieferung  zu  gründen  welche  älter  ist  als  Med.  (Fr.  Hofinann 
S.  26.  30—47),  nämlich  entweder  auf  dieselbe  Handschrift  zu  welcher  die 
Würzburger  und  Münchner  Blätter  (Spengel,  Münchner  Gel.  Anz.  1846, 
S.  917  ff.  926  ff.  Halm,  Rhein.  Mus.  XVm.  S.  460—463)  gehören  oder  doch 
eine  ihr  ganz  entsprechende,  üeber  die  Handschriften  aus  dem  15.  Jahr- 
hundert und  die  edd.  principes  vom  Jahr  1470  (die  Bomana  und  die  Jen- 
soniana  »■  B  und  I)  s.  Fr.  Hofinann  S.  48 — 65,  und  über  die  diplomatische 
Geschichte  der  Briefe:  Orelli  Prolegg.  vor  T.  III.  seiner  zweiten  Ausgabe 
des  Cicero,  nebst  D.  DeÜefsen  in  Jahns  Jahrbb.  87,  S.  551 — 571.  Populär 
G.  ^oissier,  surla  maniäre  dont  furent  recueillies  et  publikes  les  lettres  de 
Cic^ron,  Paris  1863. 

6.  H.  A.  Koch,  EmendationeB  Ciceronis  Epistolarum,  Putbus  1855. 
10  pp.  4.  Rhein.  Mus.  XII.  p.  268—279.  F.  Bücheier,  zur  Kritik  der  cice- 
ron.  Briefe^  Rhein.  Mus.  XI.  S.  509 — 535.  J.  Krauss,  Cic.  Epp.  emenda- 
tiones.  I.  Cöln  1866.  4.  H.  Lips.  1869.  44  pp.  8.  Br.  Nake,  historia  critica 
M.  TuUi  Ciceronis  epistolarum,  Bonn  1861. 

7.  Anagaben  sämmtlicher  Briefe  in  chronologischer  Ordnung:  von 
C.  G.  Schütz  (Halle  1800.  6  Bde.),  Lünemann  (Göttingen  1820.  4  Bde.),  FrT 
Bentivoglio  (Mailand  1826  ff.  10  Bde.),  Bülerbeck  (Hannover  1836.  4  Bde.), 
auch  von  A.  Thospann  (Leipz.  1833.  Th.  I.).  —  Uebersetzungen  von  C.  M. 
Wieland  (Zürich  1808—1821.  7  Bde.,  wovon  Bd.  VI  und  VII  herausgg.  von 
Gräter;  s.  dazu  die  Bemerkungen  zu  Wieland's  Uebersetzung  u.  s.  w.  von 
C.  F.  D.  Moser,  Ulm  1828),  G.  H.  Moser,  C.  H.  Dörner,  Fr.  Rauchenstein 
und  F.  Baur  (in  der  Metzler'schen  Sammlung,  Bdchn.  51 — 76),  C.  L.  F. 
Mezger  (Stuttgart,  Hoffmann  1859  ff.). 

8.  Schulauswahlen  z.  B.  von  A.  Matthiä  (ed.  IV.  besorgt  von  F.  H. 
Müller,  Leipz.  1849),  S.  N.  J.  Bloch  (Kopenh.  1818),  B.  A.  Pflanz-  (Rottweil 
1831),  C.  F.  Süpfle  (Karlsruhe  1836,  5.  Ausg.  1861),  R.  Dietsch  (Lips., 
Teubner  1854,  2  Partes),  F.  Hofmann  (I.  Berlin  1860.  Weidmännische 
Sammlung),  Jos.  Frey  (Leipzig,  Teubner,  1864). 

181.    Die  erhaltenen  Sammlungen  sind  folgende:  ^71 

1)    ad    Familiäres,    16    Bücher    aus  den    J.  691  —  711, 
nach  den  Personen  der  Empfanger  geordnet  (mit  einziger  Aus- 


318  CiceroniBcho  Zeit.   Erste  Hälfte,  J.  671—691. 

nähme  von  Buch  Xm),  doch  ohne  consequente  Befolgung  der 
Abfassungszeit^  wahrscheinlich  von  Tiro  herausgegeben,  in  der 
Weise  dass  er  zuerst  die  zwölf  ersten  Bücher  utid  dann  erst 
nachträgUch  die  yier  letzten  veröffentHchte.- 

1.  Der  Titel  ist  sweifelhaft  (P.  Yictorins:  M.  Talli  Cicerosis  epistola- 
rom  libri  XVI) ,' jedenfalls  aber  nicht  Ad  divenoe,  was  gar  nicht  latei- 
nisch ist. 

2.  Das  dritte  Buch  enthält  nnr  Briefe  an  Appins  Claudius  Pnlcher, 
das  achte  nur  Briefe  des  M".  Caelius  (unten  206,  4)  an  Cicero,  B.  XIV  nur 
Briefe  des  Cicero  an  Terentia  und  die  übrige  Familie,  B.  XVI  ausschliess- 
lich Briefe  an  Tiro;  B.  XIII  lauter  (weitere)  Empfehlungsschreiben,  B.  XV 
Nachträge  zu  den  zwölf  ersten  Büchern. 

3.  Die  Sammlung  scheint  gleich  nach  Cicero*8  Tod  herausgegeben, 
ehe  noch  die  ganze  Fülld  von  Briefen  erschlossen  war  aus  welcher  später 
die  umfassenderen  Sammlungen  hervorgiengen  (so  F.  Hofmann).  Die  ent- 
gegengesetzte Ansicht  (von  B.  Nake),  dass  die  ausfiihrlichen  Sammlungen 
früher  seien,  die  erhaltene  (ad  Fam.)  aber  nur  aus  diesen  (von  verschie- 
denen Händen)  excerpiert,  hat  gegen  sich  dass  dieser  Auszug  gar  zu  kopflos 
gemacht  sein  müsste,  indem  z.  B.  aus  den  vier  Büchern  ad  Pompeium  nur 
der  einzige  Fam.  V,  7,  aus  den  drei  an  Caesar  nur  VII,  6  f.  aufgenommen 
wäre.  Wohl  aber  scheint  die  Eigenthümlichkeit  von  B.  XIII  und  XV  eine 
vermittelnde  Ansicht  zu  erfordern  wie  sie  oben  aufgestellt  worden  ist. 
Auch  wäre  die  Aeusserung  über  Atticus,  Fam.  XVI,  23,  2,  schwerlich  bei 
Lebzeiten  des  Atticus  (welcher  722  starb)  verMFentHcht  worden. 

4.  War  der  Herausgeber  'Hro  oder  Atticus?  Für  Atticus  entscheiden 
sich  Tunstall,  £p.  ad  Middleton.  p.  16,  Drumann  VI.  S.  409  und  Nake 
p.  32 — 34,  der  aber  gegen  Tiro  nichts  anzuführen  weiss  als  die  mangelhafte 
Ordnung  der  Sammlung,  welche  sich  aus  der  Schwierigkeit  der  Aufgabe 
(und  der  oben  angenommenen  doppelten  VerOffentliehong)  hinreichend  er- 
klärt. Für  Tiro  spricht  die  Gewissbeii  dass  er  eine  Sammlung  veranstalten 
wollte,  die  Thatsache  dass  Buch  XVI  auch  ganz  unbedeutende  Briefe  an 
ihn  enthält,  auch  solche  die  nicht  von  M.  Cicero  herrühren  und  solche 
die  nar  über  Tiro  handeln,  nicht  an  ihn  gerichtet  sind  (16);  ferner  der 
Umstand  dass  diese  Sammlung  keinen  Brief  von  Tiro  enthält,  wie  die  un- 
zweifelhaft von  Atticus  herrührende  keinen  von  Atticus.  Vgl.  F.  Hofmann, 
ausgew.  Briefe  Cicero^s  I.  S.  6 — 11.  Ebenso  ist  auf  gleichzeitige  Entstehung 
der  beiden  Sammlungen  ad  Fam.  und  ad  Att.  daraus  zu  scMiessen  dass 
grundsätzlich  (die  beiden  Ausnahmen  Fam.  VIII,  16  »»  Att  X,  9  A;  Fam. 
IXf  14  3s  Att.  XIV,  17  A  bestätigen  nur  die  Begel)  sie  sich  zu  einander 
ausschliessend  verhalten. 

&.  Aosgaben  z.  B.  von  P.  Mamitius  (Aid.  1676.  Ven.  1579.  1689  fol.; 
dessen  Commentar  herausgegeben  aoch  von  C.  G.  Richter,  Leipz.  1779. 
2  Bände),  J.  G.  Graevins  (Amsterdam  1677.  1693.  und  sonst,  2  Bde.)»  J.  A. 
Bengel  (Stuttg.  1719),  Cellarius  und  Corte  (Leipz.  1771  und  sonst),  T.  F. 
Benedict  (Leipz.  1790—1796.  2  Bde.),  J.  0.  F.  Weteel  (Liegnitz  1794),  J.  A. 
Hartyni-Lagnna  (Vol.  I.  Lip5.  1794.  4.    Anfang  des  Commentars  in  Jabn's 


181.   Cicero's  erhaltene  Briefe.  319 

Archiy  1833.  IL  S.  249  ff.  365  ff.  und  mit  Petri  Victorii  curae  terüae  in 
Epp.  ad  Farn.  II.  herausgegeben  von  Orelli,  Zürich  1840.  4).  C.  £.  G. 
Schneider,  de  cod.  Med.  epp.  Cic  ad  Farn,  auctoritate,  Breslau  1832.  4. 
und  ludicinm  de  Cic.  ep.  ad  Farn.  V»  12  (Breslau  1837.  4.).  Kle^jn^  Obss. 
critt.  in  Cic.  epp.  ad  Fam.,  Lugd.  Bai.  1860. 

6,  Die  nicht  von  Cicero  herrührenden  Briefe  (Clarormn  virormn  epist. 
etc.)  mit  Comm.  von  B.  Weiske  (Lips.  1792).  Die  Familienbriefe  (ad  snos) 
von  F.  Miesberg,  Glogau  1839.  Ep.  ad  L.  Lucceinm  (V,  12)  ed.  ill.  C.  H.  Frot- 
scher,  Annaberg  1838.  B.  Jacobs,  ad  Cic.  epp.  ad  Farn,  librum  XIII,  Jahn's 
Jahrb.  86,  S.  782—734.  J.  Müller,  Beiti^e  snr  Kritik  nnd  Erkl.  der  Br. 
Cic.  an  P.  Lentulas,  Insbmck  1862.  Oudendorpii  scholia  in  selectaa  epp. 
ad  Fam.  ed.  J.  A.  Liebmann  (Lips.  1839).  M.  Caelii  Bufi  et  M.  Tallii 
Ciceroaia  epp.  mntoae  ed.  W.  H.  D.  Suringar,  Lugd.  Bat.  1845.  B.  Nake, 
der  Briefwechsel  zw.  Cic.  und  Caelins,  Fleckeisens  Jahrbb.  89,  S.  60—68, 
und  De  M.  Caeli  Bufi  epist.  libro,  in  der  Symb.  philoL  Bonn.  p.  373—384. 
B.  Nake,  de  Planci  et  Cic.  epistulis,  Berlin  1866.  4. 

2)  Ad  Atticnm^  gleichfalls  16  Bücher^  mit  dem  J.  686 
d.  St.  beginnend  und  einige  Monate  vor  Cicero's  Tod  aufhörend^ 
zum  Theil  mit  dem  Werthe  von  SelbstgespräGhen  und  oft  in 
einer  nur  dem  Empfanger  verständlichen  andeutenden  Aus- 
drucksweiae.  Auch  hier  lässt  die  Ordnung  viel  zu  wünschen 
übrig.  Die  Veröffentlichung  (ohne  die  entsprechenden  Briefe 
des  Atticus)  erfolgte  ohne  Zweifel  erst  nach  dem  Tode  des 
Adressaten^  aber  auf  seine  Veranlassung. 

1.    Cic.  ad  Att.  YIII,  14,  2:  e^  tecum  tamquam  mecum  loquor. 

•2.  Den  Anfang  hestimmt  Corn.  Nep.  Att.  16,  3  ungenau:  XVI  (die 
Hdss.  XI)  yolumina  epistolarum  ab  consulatu  eius  (des  Cic.)  usque  ad  ex- 
tremum  tempus  ad  Atticum  missarum.  Charakteristik  der  Correspondene 
ib.  16,  4.  Die  Briefe  aus  den  letzten  Monaten  Cicero's  sind  vielleicht  aus 
Rücksichten  auf  Octavian  unterdrückt  (vgl.  Ifake,  bist.  crit.  p.  17,  n.  30). 
Ans  der  gleichen  ängstlichen  Vorsicht  sind  die  Briefe  des  Atticus  wegge- 
lassen, obwohl  sie  zum  YerstAndnisse  der  ciceronischen  oft  unentbehrlich 
sind  nnd  Cicero  sie  sorgfältig  aufbewahrt  hatte  (ad  Att.  IX,  10,  4  ff.).  Aus 
derselben  Eigenschaft  des  Atticus  erklart  sich  die  Zurückhaltung  der 
Sammlung  bis  nach  dem  Tode  des  Empfängers  (J.  722),  was  ans  Com. 
Nep.  1. 1.  erhellt,  üebrigens  sind  Theile  der  Sammlung  verloren  gegangen; 
E.  B.  Sen.  de  brev.  vit.  5  citiert  aus  quadam  ad  Att.  epistola  eine  Stelle 
die  sich  im  heutigen  Texte  nicht  findet. 

3.  Ausgaben  vop  P.  Manutius  (Venet.  1547  und  oft),  P.  Victorius  (Flo- 
renz 1671),  J.  G.  Graevius  (Amsterd.  1684.  1693.  1727.  2  Bde.),  J.  C.  G. 
Boot  (rec.  et  adn.  ill.,  Amsterdam  1865  f.  2  Bde.). 

4.  Dass  die  beiden  angeblichen  Handschriften  des  Sim.  Bosius  von 
Cicero's  Briefen  an  Atticus  (Cmsellinns  und  Decurtatos)  nicht  existiert 
haben  und  seine  Angaben  über  ihre  Lesarten  erdichtet  sind,  wie  auch  seine 


320  Ciceroniache  Zeit   Ente  Hälfte,  J.  671—691. 

Angaben  über  den  TameBianus,  soweit  sie  nicht  durch  Lambin  bestätigt 
werden,  Misstranen  verdienen,  hat  M.  Haupt  nachgewiesen  vor  dem  Ber- 
liner Sommerkatalog  1865.  Vgl.  D.  Detlefsen,  in  Fleckeisens  Jahr  b.  förclass. 
Philol.  Suppl.  III,  1.  8.  111—131.  (Leipzig  1867).  Fr.  Hofmann,  der  kri- 
tische Apparat  zu  Cicero's  Briefen  an  Atticus  geprfifb,  Berlin  1863.  Auch 
vgl.  oben  180,  5. 

3)  Ad  Quintum  fratrem,  3  Bücher,  aus  den  J.  694 — 700. 
Ohne  Zweifel  ist  nie  mehr  herausgegeben  worden. 

1.  Ueber  Blattversetzungen  in  dieser  Sammlung  (und  theil weise  in  der 
ad  Att.)  s.  Th.  Mommsen  in  der  Zeitschr.  f.  Alt.-Wi8s.  1844.  Nr.  76  ff.  vgl. 
1846.  Nr.  98  f.    Orelli  p.  LXVÜI  seiner  zweiten  Ausgabe. 

2.  Herausgegeben  von  J.  Hoffa  (Heidelb.  1843),  und  mit  ad  Brut,  von 
P.  Manutius  (Frankfurt  1680  und  sonst),  Valerius  Palerm.  (Hagae  Com.  1726). 

3.  £p.  I,  1  vom  J.  694,  mit  der  Ausdehnung  und  Feile  einer  Ab- 
handlung (Aber  Provinzialverwaltnng),  eine  Art  von  Gregengeschenk  Mr  des 
Bruders  Sendschreiben  de  petitione,  besonders  herausgegeben  von  J.  Faccio- 
lati,  Padua  1738. 

4)  Bnefwechsel  zwischen  M.  Brutus  und  Cicero,  zwei  Bü- 
cher, deren  einzelne  Stücke  in  grosser  Unordnung  stehen. 

1.  Die  Briefe  des  zweiten  Buchs  beziehen  sich  auf  die  Zeit  vor  der 
Schlacht  bei  Mutina,  die  des  ersten  auf  die  nach  derselben.  Im  ersten 
Buche  steht  das  Trostschreiben  über  den  Tod  der  Porcia  (I,  9)  vor  der 
Nachricht  von  ihrem  Kranksein  (I,  17,  7).  1,  11  wird  von  Antistius  Vetus 
nach  Rom  gebracht,  welcher  I,  9,  3  schon  dort  ist,  u.  dgl. 

2.  Das  zweite  Buch  verdankt  seine  Nachstellung  dem  Umstände  dasa 
es  erst  nach  dem  ersten  (in  Deutschland)  aufgefunden  (und  von  Cratan- 
der  erstmals  herausgegeben)  wurde;  eine  Handschrift  desselben  ist  nicht 
bekannt. 

3.  Plut.  Brut.  63:  to  iniaroliov  {Bifovtov),  stnsQ  ä(fa  tmv  yvrfiCmv 
iati.  Die  Unechtheit  beider  Bücher  hat  zuerst  Tunstall  behauptet  (Cam- 
bridge 1741,  und  Observations  on  the  present  collection  etc.,  Lond.  1744), 
dann  besonders  Markland  (Bemarks  on  the  epistles  etc.,  Lond.  1746),  auch 
F.  S.  Huldrich  (de  fide  et  auctoritate  epp.  Cic.  et  Bruti,  Zürich  1797.  4.), 
wogegen  ihre  Echtheit  an  Middleton  (Lond.  1743)  und  neuerdings  an  K.  Fr. 
Hermann  warme  Vertheidiger  fand;  vgL  des  Letzteren  Vindioiae  latinitatis 
epp.  Cic.  ad  Br.,  Gotting.  1844.  4.;  Göttinger  gel.  Anzeig.  1844.  St.  196  f. 
1846.  St.  96  f.  S.  961—981;  Zur  Rechtfertigung  der  Echtheit  des  Briefw. 
u.  8.  w.,  Göttingen  1846  (Abhandl.  der  Gott.  Ges.  d.  Wiss.  II.  S.  189  ff. 
III.  S.  143  ff.) ;  Vindiciamm  Brutianarum  epimetrum,  GK^tti.  1846.  4.  Gegen 
ihn  vgl.  A.  W.  Zumpt,  de  Cic.  et  Bruti  mutuis  epf^  quae  vulgo  feruntur, 
Berlin  1846.  4.  Berl.  Jahrb.  1846.  H.  Nr.  91—94.  Orelli  (adn.  zu  p.  766 
u.  776)  meint,  B.  I  sei'  aus  der  Zeit  des  Augustus,  B.  .II  aus  dem  16ten 
Jahrh.  Aehnlich  Niebuhr,  Vorles.  über  röm.  Gesch.  von  Schmitz  H.  S.  106  f.; 
Fr.  Hofmann,   a.  a.  0.  S.  3  f.  glaubt,   beim   ersten   Buche   sei   die   Echt- 


181  f.  Cicero's  Briefe  und  philosophische  Schriften.  321 

heit  möglich,  beim  zweiten  unwahi-scheinlich.  Nipperdey  (Abhandl.  der 
Sachs.  Ges.  d.  Wisa.  1866,  S.  71,  A.  15)  behauptet  die  Unechtheit  nur  der 
beiden  Schmähbriefe  gegen  Octavian,  Ep.  I,  16  u.  17.  In  der  That  ist  das 
was  man  gegen  die  Sammlung  geltend  gemacht  hat  von  wenig  Erheblich* 
keit,  besonders  die  Widersprüche  von  Cicero's  vertraulichen  Urteilen  über 
Personen  mit  seinen  öffentlichen,  oder  mit  Aeusserungen  zu  anderer  Zeit. 
Der  schlichte  Charakter  dieser  Briefe,  ohne  rhetorische  Gebläh theit,  sieht 
nicht  nach  Fälschung  aus,  stimmt  vielmehr  ganz  zu  Brutus'  attischer 
Richtung.  Vgl.  unten  209,  1.  Dass  sie  eine  Auswahl  aus  der  grösseren 
Sammlung  sind  macht  das  Citat  bei  Non.  Marc.  p.  286  (Ep.  ad  Brut.  IX 
==  ad  Brut.  I,  1)  wahrscheinlich. 

5)  Sicher  ist  die  Unechtheit  des  Briefes  ad  Octavianum, 
welcher  im  Mediceus  zwischen  den  Briefen  ad  Quintum  fratrem 
und  denen  ad  Atticum  in  der  Mitte  steht. 

Anderes  ist  so  augenscheinlich  spätes  Machwerk  dass  es  mit  Recht  aus 
den  Q^uef^n  Ausgaben  der  Briefe  weggeblieben  ist.  Vgl.  auch  R.  Uercher, 
Philologus  IX.  S.  592. 

182.    Die    philosophischen    Studien    betrieb    Cicero    ur-i7L> 
sprünglich   als   Mittel   zu    seiner   rednerischen   Ausbildung,    und 
erst  in  seinen  letzten  Jahren,  als  er  in  seiner  staatsmännischen 
und  rednerischen  Thätigkeit  sich  gehemmt  sah,   schrieb  er,  um 
sich    zu    beschäftigen    und   zu   vergessen,    in    kurzer   Zeit    eine 
Menge   von   Büchern    philosophischen   Inhalts.     Er    gibt    darin 
seine  griechischen  Quellen  in  freier,  unmethodischer  Weise  wie- 
der,   aber    unter   zahlreichen   Missverständnissen,    wie    er   z.   B. 
häufig  die  Akademiker  und  die  Peripatetiker  verwechselt.     Seine 
Quellenstudien    erstrecken    sich    vorzugsweise    auf   neuere    grie-  \ 
chische  Philosophen;   von  Piaton   aber  und  vollends  Aristoteles  j 
hat  er  nur  ungenügende  Kenntniss.     Die   schwierigen  Probleme  / 
liess   er   bei    Seite,    und   präcise   scharfe   Definitionen   sind  ihm   j 
fast   antipathisch.     Zu  den  verschiedenen    Systemen   verhielt   er   | 
sich  eklektisch.     Am  meisten  sprach  ihn  das  Probabilitätssystem   .' 
der  neueren  Akademiker  an  wegen  seiner  Brauchbarkeit  für  den  i 
Advokaten,  so  wie  auf  dem  Gebiete  der  Ethik  der  stoische  Idea-  ^ 
lismus,    dessen  Schroffheiten  Cicero  aber  wegliess,   wogegen  er 
von  der  laxen  Moral  und  dem  trägen  Indifierentismue  der  Epi- 
kureer sich  abgestossen  fühlte.     Erheblicher   als    der   materielle 
Werth  dieser  Schriften   ist  der   formale  Nutzen  welchen  Cicero 
gestiftet  hat,    indem  er  zuerst  unter  den  Römern  philosophische 
Gegenstände  in  der  Muttersprache   auf  fassliclie  und  geHcluiiack- 
volle  Weise  behandelte  und  so  den  Römern  Schöpfer  einer  philo- 

TfcL'FPcx,  Rom.  Literaturgeschichte.    ?.  Aufl.  21 


322 


Ciceronische  Zeit.   Erste  Hälfte,  J.  671—691. 


sophischen  Sprache  wurde.  Die  Form  seiner  philosophischen 
Schriften  ist  meist  die  dialogische^  aber  etwas  eintönig  und  ohne 
rechten  Ernst  durchgeführt: '  es  sind  Excerpte  denen  die  Grestalt 
von  Dialogen  gegeben  ist. 

1.  Paradox,  prooem.  2:  nos  ea  philoaophia  plus  utimur  quae  peperit 
dicendi  copiam  et  in  qua  dicuntur  ea  quae  non  multmn  discrepent  ab 
opinione  populari.  Vgl.  Brut.  43,  161.  91,  315.  93,  322.  Tusc.  IV,  4  in.  V, 
29,  82.     D.  N.  I,  3—6. 

2.  ad  Att.  XII,  52  eztr.:  dices,  qni  talia  conscribis?  'AnoyQaipa  sunt, 
minore  labore  fiunt;  verba  tantum  affero,  quibus  abundo;  vgl.  Farn.  XÜI, 
63  in.  Die  Zuthat  seines  eigenen  Urteiles  und  Geschmackes  hebt  er  her- 
vor in  der  Öffentlichen  Aensserung  de  finn.  I,  2,  6.  3,  7.  off.  I,  2,  6. 

3.  Missverständniss  über  das  Wesen  der  platonischen  Ideen  im  Qrat. 
/    2,  7—10.    In  Bezug  auf  Aristoteles'  nikomachische  Ethik  heisst  es   de  fin. 

V,  5,  12:  quare  teneamus  Aristotelem  et  eins  filium  Nicomachum,  cuius 
accurate  scripti  de  moribns  libri  dicuntur  illi  quidem  esse  AristcJtelii^  sed 
non  video  cur  non  potuerit  patris  similis  esse  filius,  eine  Aensserung  welche 
\^  es  zweifelhaft  macht  ob  Cicero  je  dieses  Werk  selber  gesehen  hat,  s.  Mad- 
vig's  Excurg.  ad  1.  Anderes  s.  Brut.  31,  120.  40,  149.  de  fin.  V,  3.  5  extr. 
8,  21  (antiquis,  quos  eosdem  Academicos  et  Peripateticos  nomlütamus). 
23  extr.  und  oft. 

4.  Literatur,  ausser  anderem  Aelterem:  Brucker,  bist.  crit.  phil.  T.  II. 
p.  33  ff.  J.  G.  Zierlein,  de  philosophia  Cic,  Halle  1779.  4.  Meiners,  Venu. 
Schriften  I.  p.  274  ff.  H.  G.  F.  Hulsemann ,  de  indole  philosophica  Cic, 
Lüneb.  1799.  4.  Ciceronis  bist,  philosophiae  antiquae  etc.,  coUegit  Fr.  Ge- 
dicke, Berl.  1815.  Herbart,  über  die  Philosophie  des  Cic,  in  dessen  kl. 
philos.  Schrr.  (Leipz.  1842)  I,  11.  R.  Kühner,  Cic  in  philosophiam  merita, 
Hamb.  1825.  Gniard,  de  Cic.  phüosophi  in  cives  suos  meritis,  Landsberg 
1832.  4.  Bitter  und  Preller,  bist,  philosophiae  graeco-romanae  (Hamburg 
1838)  p,  416—433.  Krische,  Forschungen  auf  d.  Gebiete  d.  alten  Philo- 
sophie, Götting.  1840.  J.  A.  C.  van  Heusde^  Cic.  q^Xonlazonv,  Utrecht  1836. 
H.  Ritter,  Gesch.  d.  Philosophie  IV.  S.  103  ff.  Drumann  VI.  S.  650—677. 
E.  Zeller,  Philosophie  der  Griechen  III,  1.  S.  674 — 693.  Baumhauer,  de 
Aristotelia  vi  in  Cic.  scriptis,  Utrecht  1841.  Ritter,  über  Cicero's  Bekannt- 
schaft mit  aristotel.  Philosophie,  Zerbst  1846.  4.  Leglaj,  Cic.  philosophiae 
historicus,  1846.  Eleemann,  Cicero's  Leistungen  in  der  Philosophie  und 
seine  Verdienste  um  dieselbe,  1851.  C.  Creme,  quid  Graecis  Cicero  in 
philosophia,  quid  sibi  debuerit,  Düsseldorf  1855.  4.  Burmeister,  Cicero  als 
Neuakademiker,  Oldenburg  1860.  W.  Thomas,  de  Aristotelis  l^tox^qixoig 
Xoyoiq  deque  Ciceronis  Aristotelio  more,  Göttingen  1860.  Bernhardt,  de 
Cic  graecae  philosophiae  interprete,  Berlin  1865.  4. 

6.  Die.  Gesammtausgaben  der  philosophischen  Schriften  Cicero^s  von 
J.  Davis  (Cambridge  1736  ff.  6  Bände;  ed.  Rath,  Halle  1804—1820)  und 
J.  A.  Görenz  (Leipz.  1809  —  1813.  3  Bände)  sind  unvollendet  geblieben. 
In  Orelli's  Cic.  bilden  sie  Vol.  IV.  Die  Bruchstücke  der  verlorenen  philo- 
sophischen Schriften  am  besten  bei  Baiter-Kayser  XI.  p.  50 — 83. 


182  f.   Cicero's  philosophische  Schriften.  323 

6.  L.  Vancher,  in  Cic.  libros  philosophicos  curae  criticae.  I.  Lausanne 
1864.  M.' Haupt,  Emendationes  Oiceronianae ,  Berlin  1867.  4.  J.  Jeep,  de 
löcis  nonnullis  philosoph.  Cic.  librorum  emendandis,  Wolfenbüttel  1868.  4. 

183.    Eine  Aufzählung  seiner  philosophischen  Schriften  gibt  173 
Cicero  selbst,   de  divin.  II,  1.     Nach  der  Zeit  ihrer  Abfassung 
sind  es  folgende: 

1)  De  republica,  den  üebergang  bildend  aus  Cicero's 
praktischer  Wirksamkeit,  verfasst  im  J.  700  S,  und  vor  seiner 
Abreise  nach  Eilikien  (J.  703)  herausgegeben,  in  sechs  Büchern, 
von  denen  aber  kaum  ein  Drittel  auf  uns  gekommen  ist. 

1.  Cic.  de  div.  11,  1,  3:  his  libris  adnumerandi  sunt  sex  de  rep.,  quos 
tum  Bcripsimus  cum  gubemacula  reip.  tenebamus.  Vgl.  ad  Farn.  Vni,  1 
extr.    Att.  V,  12,  2.    VI,  1,  8.    de  legg.  III,  2,  4.    Tusc.  IV,  1,  1. 

2.  Die  Entstehungsgeschichte  des  Werkes  können  wir  aus  Cicero's 
Briefen  verfolgen.  Den  ursprünglichen  Plan,  nur  Verstorbene  redend  ein- 
zufahren, änderte  Cic.  auf  das  Zureden  des  Cn.  Sallustius  dahin  ab  dass 
er  darin  selbst  mit  seinem  Bruder  das  Wort-  führte,  kehrte  aber  bald  wieder 
zu  der  ursprünglichen  Anlage  zurück,  verlegte  die  Scene  ins-J.  625  d.  St. 
und  machte  zu  Sprechern  den  jüngeren  Africanus,  Laelius  u.  A.  Vgl.  ad 
Qu.  fr.  III,  5  und  6,  1  f.  Bicharz,  de  politicorum  Cic.  librr.  tempore  natali, 
Würzb.  1829.  4.  Die  Form  ist  ein  Versuch  die  platonischen  Dialoge  nach- 
zuahmen.   Vgl.  Drumann  VI.  S.  83— -87. 

3.  Cicero  hat  für  das  Werk  besonders  Piaton  und  Aristoteles,  aber 
auch  Polybins,  Theophrast  u.  A.  benutzt  und  seine  eigenen  politischen  Er- 
fahrungen darin  niedergelegt.  M.  S.  Gratama,  de  Cic.  de  rep.  et  de  legg. 
libris  diss.  iuridica,  Groningen  1827.  J.  v.  Persiijn,  de  politica  Cic.  doctrina 
in  libris  de  rep.,  Amsterd.  1827.  E.  S.  Zachariä,  staatswiss.  Betrachtungen 
über  Cicero's  Bücher  vom  Staat,  Heidelberg  1823. 

4.  Ein  Theil  des  sechsten  Buchs,  der  Traum  des  Scipio,  ist  durch  Ma- 
crobius'  Commentariorum  in  Somnium  Scipionis  libri.  duo  aufbehalten. 
Gemhard,  de  Cic.  Somn.  Scip.,  Weimar  1834  f.  und  in  dessen  Opuscc.  latt. 
p.  373  ff.  Eine  alte  griechische  üebersetzung  davon  (von  Planudes)  s.  bei 
C.  P.  Hess,  Cic.  Cato  etc.  ex  gr.  interpr.,  Halle  1832.  p.  70  ff. ,  auch  heraus- 
gegeben von  Brüggemann,  Conitz  1840.  4.  Für  den  Schulgebrauch  erklärt 
von  C.  Meissner,  Berlin  1869. 

5.  Das  Meiste  hat  A.  Mai  in  einem  vaticanischen  Palimpsest  entdeckt 
und  herausgegeben  (Rom  1822.  4.  und  Stuttg.  1822.  8.;  auch  in  Class. 
auct.,  Rom  1828.  I.  p.  1^386.  und  abermals  Rom  1846),  nach  ihm  C.  G. 
Schütz  (Leipz.  1823),  F.  Steinacker  (Leipz.  1823),  C.  F.  Heinrich  (Bonn 
1823),  G.  H.  Moser  (Frankf.  1826),  C.  Zell  (Stuttg.  1827),  F.  Osann  (Götti. 
1847).  G.  N.  du  Bieu,  Schedae  Vaticanae,  in  quibus  retractatur  palim- 
psestus  Tullianus  de  rep.  (Lugd.  Bat.  1860)  p.  1  — 126  und  dazu  Giraud, 
S^ances  de  Tacad.  des  sc.  mor.  et  pol.  1861,  Februar  und  März  (Philolo- 
gus  XVIII.  S.  669  f.).     In  Orelli's   zweiter  Ausgabe  IV.  p.  759—853.  925  f. 

21* 


324  Ciceroniscbe  Zeit.    Erste  Hälfte,  J.  671—691. 

6.  Uebersetzt  von  G.  H.  Moser  (in  der  Metzler'schen  Sammlung,  Rom. 
Pros.  22  f.).  Villemain,  la  R^p.  de  Cic.  traduite  .  .  avec  un  discours  pr^- 
liminaire  etc.    Paris  1858. 

2)  De  legibus,  angefangen  wohl  im  J.  702  f.,  unmittelbar 
nach  der  Beendigung  des  vorigen  Werkes,  um  seiner  Politeia 
nun  auch  Nomoi  von  sich  an  die  Seite  zu  geben,  wieder  auf- 
genommen J.  708,  aber  nicht  zu  Ende  geführt  und  auch  von 
Cicero  selbst  nicht  mehr  herausgegeben;  wenigstens  erwähnt  er 
des  Werkes  weder  in  seinen  Briefen  noch  sonst  jemals.  Es  be- 
stand wohl  ursprünglich  aus  sechs  Büchern,  auf  uns  gekommen 
sind  aber  nur  drei,  nebst  einigen  Bruchstücken  des  Weiteren. 
Auch  das  Erhaltene  hat  Lücken;  und  hätte  Cicero  das  Werk 
selbst  herausgegeben,  so  würde  er  ohne  Zweifel  aus  seinem  Vor- 
rathe  von  Vorreden  eine  hinzugefügt  haben,  während  jetzt  das- 
selbe sogleich  dialogisch  beginnt.  Das  erste  Buch,  eine  Art 
Naturrecht  enthaltend,  ist  mit  Sorgfalt  ausgearbeitet,  leidet  aber 
an  Oberflächlichkeit  und  Unklarheit  der  Begriffe;  im  Späteren 
dagegen  ist  Vieles  nur  Entwurf  und  Skizze.  Als  Quelle  scheint 
neben  Piaton  besonders  Chrysij^pos  gedient  zu  haben;  auch  in 
der  dialogischen  Form  wurde  wieder  Piaton  nachzuahmen  ver- 
sucht; doch  nimmt  Cicero  fortwährend  auf  Sie  concreten  Ver- 
liäitnisse  Roms  ganz  besondere  Rücksicht.  Das  zweite  Buch 
handelt  vom  Entwerfen  der  Gesetze  und  dem  ius  sacrum  und 
])ildet  vielfach  mit  Glück  die  Sprache  der  alten  Gesetze  nach; 
das  dritte  de  magistratibus;  das  vierte  sollt«  handeln  de  pote- 
statum  iure,  das  fünfte  vielleicht  de  iure  publico,  und  das  sechste 
de  iure  civili. 

1.  Auf  das  J.  702  (als  Zeit  des  Anfangene)  führen  auch  die  Zeitau- 
spielungen  (z.  B.  Augurat  des  Cic,  s.  II,  13,  32;  Tod  des  Clodius,  ib.  17, 
42),  wiewohl  nicht  mit  Yoller  Sicherheit,  da  sie  auch  blos  der  Einkleidung 
angehören  können.  Damals  aber  wurde  das  Werk  nicht  vollendet  (Unter- 
brechung durch  die  kilikische  Verwaltung  und  dann  die  Bürgerkriege); 
vgl.  Brut.  5,  19:  ut  illos  de  rep.  libros  edidisti  nihil  a  te  sane  accepimns, 
und  TuBC.  IV,  1,  1  wird  wohl  die  Schrift  de  rep.  erwähnt,  nicht  aber  de 
legibus.  Wiederauftiahme  708,  s.  Farn.  IX,  2,  &:  modo  nobis  stet  .  .  et 
scribere  et  legere  noXitsiag  et,  si  minus  in  curia  atque  in  foro,  at  in  litterls 
et  libris  .  .  navare  remp.  et  de  moribus  ac  legibus  quaerere.  Aber  auch 
jetzt  blieb  das  Werk  liegen,  vielleicht  in  Folge  des  zunehmenden  Interesses 
lör  systematische  Philosophie  oder  überhaupt  wegen  anderer  literarischer 
l'Iane  und  Arbeiten.  Fehlen  einer  Vorrede  gegen  den  Grundsatz  in  sin- 
gulis  libriß  utor  prooemüs,  ad  Att.  IV,  6,  2,  vgl,  XVI,  6.  —  Für  die  ur- 
tpriingliche  Erstreckung  aui  sechs  Bücher  spricht  theils  die  Analogie  der 


183.    Cicero*8  philosophische  Schriften.  325 

Schrift  de  rep.  theils  das  Citat  bei  Macrob.  Sat.  VI,  4,  8:  Cicero  in  quinto 
de  legibus. 

2.  üeber  die  Abfassungszeit  s.  ausser  den  Prolegg.  der  verschiedenen 
Ausgaben  C.  Peter  in  seiner  Ausgabe  des  Brutus  (1839)  p.  264—270.  Horr- 
mann,  de  tempore  quo  Cic.  libros  de  legg.  scripsisse  videatur,  Detmold 
1845.  4.  Im  Allgemeinen  Th.  Kelch,  comm.  de  legg.  Cic.,  Elbing  1826.  4. 
C.  F.  Feldhiigel,  über  Cicero's  Bücher  de  legg.,  Zeitz  1841.  4.  Drumann  VI. 
S.  104—  107.  Kritische  Beiträge  von  A.  W.  F.  Krause  (Deutsch -Krone 
1842.  4.  und  in  Jahns  Archiv  XV.  p.  234—239),  C.  Halm  (Jahn's  Jahrb.  79, 
S.  759—778),  J.  Vahlen  (Zeitschr.  für  Ostreich.  Gymn.  1860,  S.  1— 32.  1861. 
S.  19—24),  Reifferscheid  (Rhein.  Mus.  XVII.  S.  269—296),  A.  Baumstark. 
(Philologus  XIX.  S.  633—649). 

3.  Ausgaben  von  J.  Davis  (Cambridge  1727.  1745,  wiederherausgegeben 
von  R.  G.  Rath,  Halle  1818.  T.  V.),  J.  F.  Wagner  (Göttingen  1804), 
J.  A.  Görenz  (Leipz.  1803),  G.  H.  Moser  und  Fr.  Creuzer  (Frankf.  1824), 
J.  Bake  (Lugd.  Bat.  1842),  C.'F.  Feldhügel  (Zeiz  1852  f.  2  Voll.),  'in 
Orelli's  zweiter  Ausg.  IV.  p.  855  —  924.  Ex  recognitione  lo.  Vahlen, 
Berlin  1871. 

4.  Uebersetzt  von  Hülsemann  (Leipz.  1802),  C.  A.  F.  Seeger  (in  der 
Metaler'schen  Sammlung,  Rom.  Pros.  29)  und  A.  W.  Zumpt  (in  der  Klotz- 
sehen  Uebers.  der  philos.  Schriften,  Thl.  II). 

3)  Paradoxa,  verfasst  im  April  des  J.  708,  unmittelbar 
nach  dem  Brutus,  ehe  noch  die  Kunde  vom  Tode  des  M.  Cato 
nach  Rom  gelangt  war,  und  vor  dem  Orator.  Wegen  seines 
geringen  Umfanges  ist  das  Schriftchen  de  divin.  II,  1  nicht  eigens 
aufgeführt.  Der  Inhalt  ist  eine  mehr  rhetorische  als  eigentlich 
philosophische  Darstellung  von  sechs  auffallenden  Sätzen  der 
stoischen  Lehre. 

1.  Aus  der  obigen  Datierung  erklären  sich  die  Berichtigungen  welche 
für  Parad.  2.  in  de  fin.  IV,  19,  52  und  für  Parad.  3.  in  de  fin.  III,  10  f. 
liegen. 

2.  Morgenstern,  Prolegg.  in  Cic.  P.,  Dorpat  1819  fol.  und  in  Seebode's 
Mise,  critt.  I,  1.  p.  386  ff.  Bardili  in  Hauffs  Philologie  II,  2.  S.  1  ff.  Dru- 
mann VI.  S.  288—290.  0.  Heine,  kritische  Bemerkungen  zu  Cic.  Parad., 
Philologus  X.  S.  116 — 125.  Detlefsen,  über  eine  Cicerohandschrift  der  k.  k. 
Hofbibliothek,  Sitzungsber.  der  Wiener  Akad.  1855.  XXI.  S.  110—129. 

3.  Ausgaben  von  A.  G.  Oernhard  (mit  Cato,  Leipz.  1819),  J.  Borgers 
(Lugd.  Bat.  1826.  4.),  Orelli  (mit  Tusc,  Zürich  1829),  G.  H.  Moser  (Göttin- 
gen 1846);  bei  Orelli  IV.  p.  743  —  758   ed.  II. 

4.  Uebersetzt  von  F.  Baur  (Stuttgart,  Metzler  1854,  Class.  d.  Alt),  R. 
Kühner  (Stuttgart,  Hoffmann  1864).  Griechische  Uebersetzung  von  Dionysius 
Petavius  (Paris  1653.  und  bei  Hess,  Cic.  Cato  etc.,  so  wie  Cic.  Parad.  graece 
versa  etc.  ab  J.  Morisoto,  ed.  Wensch,  Halle  1841). 

4)  Wie  Cicero  mit  den  Paradoxen  den  Standpunkt  des  Red- 


326  Ciceronische  Zeit.   Ente  Hälfte,  J.  671—691. 

nen  noch  nicht  yerhusHsen  hatte,  so  war  seine  Consolatio, 
falls  man  die  Schrift  zn  den  philosophischen  rechnen  will,  rein 
aus  personlichem  Bedürfhiss  und  angenblicklichen  Verhältnissen, 
dem  Tode  seiner  Tochter,  hervorgegangen.  Sie  wurde  yerfasst 
im  J.  709,  unter  Benützung  von  Erantor's  Schrift  xsqI  xdv^ovg 
und  andern  griechischen  Werken. 

1.  Vgl.  ad  Att  XII,  14,  ^.  21  extr.  Tusc.  I,  26  extr.  m,  31,  76.  IV, 
29,  63.     divin.  II,  1,  3.  9,  22.    Plin.  N.  H.  praef.  u.  A. 

2.  Die  erhaltenen  Bmcbstücke  der  Schrift  am  besten  bei  Baiter- 
Kayser  XL  p.  71 — 76.  Vgl.  Halm,  Beiträge  zn  den  ciceronischen  Fragm. 
H.  32—36.  Fr.  Schneider,  de  Congolatione  Cic,  Breslau  1836.  Dmmann  VI. 
S.  319— 321.   B.  A.  Schultz,  de  Cic.  Consolatione ,  Greifswald  1860.  102  pp. 

3.  Eine  Fälschung  ist  M.  Tnllii  Cic.  Consolatio.  Liber  nunc  primum 
re^vertus  et  in  lucem  editus.    Colon.  1683.  - 120  pp.  8. 

5)  Erst  in  seinem  Hortensius  gab  Cicero  eine  Vorrede 
zu  den  beabsichtigten  eigentlichen  philosophischen  Schriften, 
um  diese  Art  von  Thätigkeit  vor  sich  und  Andern  zu  recht- 
fertigen und  womöglich  dabei  Nachfolger  zu  finden.  Indessen 
int  der  Hortensius  bis  auf  eine  Anzahl  Bruchstücke  verloreu 
gegangen. 

1.  Cic.  de  div.  II,  1,  1:  cohortati  sumns  ut  maxime  potuimus  ad  phi- 
loHOphiae  Studium  eo  libro  qui  est  inscriptus  Hortensius.  Vgl.  Augustin. 
conf.  III,  4,  7  f.  VIII,  7,  17  (lecto  Ciceronis  Hortensie  oxcitatus  eram  studio 
bapientiae  etc.). 

2.  Der  Hortensius  war  noch  im  11.  Jahrhundert  auf  der  Insel  BiCi- 
(lienau  vorhanden,  und  noch  im  zwölften  in  einem  Kloster  des  westlichen 
Frankreich  (in  Abbatia  Bevensi).  Vgl.  Rhein.  Mus.  1.  S.  128  —  130.  Die 
Ucberroste  am  besten  bei  Baiter-Kayser  XL  p.  55—67.  Vgl.  Crecelius,  in 
Jahn's  Jahrb.  75,  S.  79  f.  und  Halm,  Beiträge  u.  s.  w.  S.  35—39.  Fr.  Schnei- 
der, Tremesno  1841.  4.    Drumann  VI.  S.  322. 

H)  De  finibus  bonorum  et  malorum,  fünf  Bücher,  ver- 
tasst  in  der  ersten  Hälfte  des  J.  709,  unmittelbar  vor  den  Aca- 
(lemica,  und  dem  Brutus  gewidmet,  eine  Zusammenstellung  der 
Lehren  der  griechischen  Schulen  über  das  höchste  Gut  und 
U(»bel,  also  über  eine  Hauptfrage  der  praktischen  Philosophie, 
wie  die  Academica  die  Hauptlehre  der  theoretischen  Philosophie 
heliandelu,  die  Erkenntnisslehre.  Eingekleidet  ist  das  Werk  in 
drei  Gespräche,  in  welchen  Cicero  nach  der  Weise  des  Aristo- 
tt»les  sich  selbst  die  Hauptrolle  zugetheilt  hat,  im  Uebrigen  aber 
nur  Gestorbene  auftreten  lässt,  nämlich  im  ersten  Gespräche 
(B.  I.  und  n.),  welches  ins  J.  704  gesetzt  wird,  den  L.  Manlius 


183.    Cicero's  philosophische  Schrifbea.  327 

Torquatus  und  C.  Valerius  Triarius,  von  denen  der  Erstere  die 
epikureische  Lehre  vorträgt  (B.  I.),  die  dann  Cicero  (B.  IL)  zu 
widerlegen  sucht;  im  zweiten  (B.  III.  IV.),  ins  J.  702  gesetzt, 
den  jüngeren  Cato,  welcher  die  stoische  Lehre  darlegt  (B.  IIL), 
worauf  Cicero  (B.  IV.)  zeigt  dass  diese  von  der  des  Antiochus 
aus  Askalon  nicht  wesentlich  abweiche;  im  dritten  (B.  V.),  das 
sich  als  im  J.  675  gehalten  gibt,  M.  Pupius  Piso,  der  die  Lehre 
der  Akademiker  und  Peripatetiker  darstellt,  L.  Tullius  Cicero 
u.  A.  Cicero's  Quellen  hiebei  sind  nicht  die  primären  (nament- 
lich nicht  Aristoteles  und  Epikur),  sondern  jüngere  Vertreter 
der  betreffenden  Schulen,  wie  Phaedrus,  Chrysippus,  Antiochus, 
Kameades,  und  der  Beurteilung  fehlt  es  an  festen  Gesichts- 
punkten; doch  ist  dieses  Werk  durch  Sorgfalt  der  Darstellung 
vielleicht  das  vorzüglichste  unter  den  eigentlich  philosophischen 
Schriften  des  Cicero. 

1.  Cic.  de  div.  II,  1,  2:  com  fnndamentum  esset  philosophiae  in  finibus 
bonorum  et  malorum,  perpurgatus  est  is  locus  a  nobis  quinque  libris,  ut 
quid  a  quoque  et  quid  contra  quemque  philosophum  diceretur  intellegi 
pOBset.  ad  Att.  XIII,  12,  3:  ntf^l  rslmv  övvxaiig.  Vgl.  ib.  19,  3  f.  21,  4. 
XII,  6,  2.     de  legg.  I,  20.     Drumann  VI.  S.  323  f. 

2.  Im  Allgemeinen  vgl.  die  Prolegg.  von  Görenz  und  Madvig  u.  A. 
Göring,  primi  Cic.  de  finn.  libri  descriptio  etc.,  Lübeck  1831.  4.  Schneider, 
Cod.  Glogav.  in  C.  d.  f.  discrep.  lectio,  Breslau  1841.  4.  G.  F.  Schömann, 
ad  Cic.  de  fin.  libri  V.,  in  s.  Opusc.  p.  390 — 401.  Andere  kritische  Beiträge 
von  G.  F.  Unger  (Philologus  XX.  S.  872  —  377.  XXL  S.  481  —  496),  F.  P. 
Waldenström  (Annotationes,  Upsala  1863.  4.),  F.  F.  Waldenström  (Annota- 
tiones,  üpsala  1863),  L.  Vaucher  (s.  182,  6),  D.  Böckel  (Progr.  der  Thur- 
gauer  Eantonsschule  1863.  4.),  0.  Heine,  Fleckeisen's  Jahrbb.  93,  S.  2^6 — 
263),  Iw.  MfiUer  (I.  Erlangen  1869.  IL  1870.  4.). 

3.  Ausgaben  von  Davis  (Cambridge  1728.  1741.  Oxford  1809.  in  Rath's 
Ausg.  T.  L),  Bremi  (Zürich  1798.  L),  Görenz  (Leipz.  1813),  Orelli  (mit 
Acadd.,  Zürich  1827),  Fr.  Otto  (Leipz.  1831),  J.  N.  Madvig  (Kopenh.  1839; 
ed.  altera  emendata,  Kopenh.  1869.  LXIX  u.  868  pp.),  H.  Alanus  (Dublin 
1866);  bei  Orelli  IV.  p.  76—206  ed.  H. 

4.  Uebersetzt  von  C.  V.  Hauff  (Tüb.  1822),  G.  C.  Kern  (in  der  Metzler- 
sehen  Samml.,  röm.  Pros.  118 f.;  neu  bearbeitet  von  F.  Baur,  Class.  d.  Alt.  1864). 

7)  Academica,  verfasst  im  J.  709,  zuerst  in  zwei  Büchern, 
welche  nach  (Q.  Lutatius)  Catulus  und  (L.  Licinius)  LucuUus 
benannt  waren,  neben  welchen  in  der  ersten  Fassung  noch 
Hortensius  und  Cicero  am  Gespräche  Theil  nahmen;  bald  aber 
setzte  Cicero  an  deren  Stelle  den  Cato  und  M.  Brutus;  als 
darauf  Atticus  schrieb,   Yarro   nehme   es  übel  dass  Cicero  ihm 


328  Ciceronische  Zeit.    Erste  Hälfte,  J.  671—691. 

noch  nie  eine  Schrift  gewidmet  habe,  so  wurde  das  ganze  Werk 
noch  einmal  völlig  umgearbeitet,  in  vier  Bücher  abgetheilt  und 
dem  Varro  gewidmet.  In  dieser  zweiten  Bearbeitung  liess  Cicero 
den  Värro  die  Ansichten  des  Antiochus  vortragen  und  führte 
selbst  die  des  Philon  aus.  Von  der  ersten  Bearbeitung,  welche 
Atticus  schon  hatte  abschreiben  lassen  als  Cicero  sich  zu  ihrer 
Umschmelzung  entschloss,  ist  das  zweite  Buch  (LucuUus)  erhal- 
ten, von  der  zweiten  (Academica  posteriora)  der  erste  Theil  des 
ersten  Buches  und  einzelne  Bruchstücke.  Der  LucuUus  enthält 
(He  (Erkenntniss-)  Lehre  des  Antiochus  und  Philon,  während  der 
Catulus  die  des  Karneades  nebst  einer  allgemeinen  Darstellung 
der  alten  und  neuen  Akademie  umfasst  haben  mag.  Der  An- 
fang der  zweiten  Bearbeitung  gibt  allgemeine  Erörterungen  und 
eine  Uebersicht  über  die  Geschichte  der  Philosophie  von  Sokrat^s 
bis  Arkesilas,  dem  Vorgänger  von  Karneades  und  Philon.  Cicero 
widmete  der  akademischen  Lehre  desswegen  eine  besondere  Dar- 
stolhmg  weil  er  durch  dieses  System  überhaupt  sich  am  meisten 
angezogen  fühlte,  und  für  unsere  Kenntniss  desselben  bildet 
seine  Schrift,  bei  dem  Mangel  anderer,  eine  Hauptquelle. 

1.  lieber  das  Verhältniss  der  beiden  Bearbeitungen  e.  besonders  ad 
Att.  XIII,  13,  1:  ex  duobus  libris  contuli  in  quattiior.  grandiores  sunt 
omnino  quam  erant  illi,  sed  tarnen  multa  detracta.  .  .  multo  haec  erunt 
spleudidiora,  breviora,  meliora.  16,  1:  illam  dytaSrifiaCtiriv  avvta^iv  totam 
ad  Varronem  traduxiinus.  primo  fuit  Oatuli,  Luculli,  Hortensii.  deinde  .  . 
eosdem  illos  aermones  ad  Catonem  Brutumquc  transtuli.  ecce  tuae  litterac 
de  Varrone.  nemini  visa  est  aptior  'AvTtrOXitcc  ratio.  Vgl.  ib.  12,  3.  18.  19, 
3.  5.  21,  4.  32,  3.  ad  Farn.  IX,  8.  de  off.  II,  2,  8.  Quintil.  III,  6,  64. 
Oben  165,  2. 

2.  A.  C.  Rauitz,  couim.  de  libr.  Acad.,  Leipz.  1809.  4.  und  in  Acta  eem. 
Lips.  II,  1.  p.  165  — 173.  Brandis  im  Rhein.  Mus.  III.  S.  543  ff.  Görenz 
vor  seiner  Ausg.  Dnunann  VI.  S.  327 — 330.  Krieche,  über  Cicero's  Aka- 
demika,  Göttingen  1845.  K.  F.  Hermann,  Beiträge  zur  Kritik  von  Cic. 
LucuUus,  im  Philologus  VII.  S.  466  —  476.  C.  J.  H.  Engstrand,  de  libris 
Ciceronis  academicis,  Upsala  1860.    32  pp.  8. 

3.  Ausgaben  von  Davis  (Cambridge  1725.  1736;  bei  Rath  T.  Hl.),  Fr. 
Hülsemann  (Magdeburg  1806),  Görenz  (T.  11.  1810),  Orelli  (mit  de  finn., 
/iürich  1827);  in  Orelli's  Gesammtausgabe  Vol.  IV.  p.  1 — 55  (LucuUus)  und 
p.  56-  74  (Acad.  post.),  vgl.  p.  854  ed.  II.  —  Uebersetzt  von  G.  H.  Moser 
(in  der  Metzler 'sehen  Sammlung,  Rom.  Pros.  77.  80). 

8)  Tusculanae  disputationes,  so  benannt  nach  Cicero's 
Gut  bei  Tusculum,  auf  welchem  die  Gespräche  als  gehalten 
dargestellt   werden   und   auf  dem   sie  geschrieben  worden  sind. 


183.    Ciccro*8  Philosoph Lsclie  Schriften.  329 

Angefangen  wurden  sie  J.  709,  beendigt  und  herausgegeben 
J.  710,  nach  de  finibus  und  vor  de  divinatione  und  de  fato, 
in  fünf  Büchern,  und  sind  dem  M.  Brutus  gewidmet.  Ueber 
ihren  Inhalt  sagt  Cicero  selbst,  de  divin.  11,  1,  2:  libri  Tuscu- 
lanarum  disputationum  res  ad  beate  vivendum  maxime  necessa- 
rias  aperuerunt.  primus  enim  (liber)  est  de  contemnenda  morte, 
secundus  de  tolerando  dolore,  de  aegritudine  lenienda  tertius, 
quartus  de  reliquis  animi  perturbationibus,  quintus  .  .  docet  ad 
beate  vivendum  virtutem  se  ipsa  esse  contentam.  Seine  Quel- 
len dabei  waren  Piaton  und  die  Stoiker,  zum  Theil  auch  die 
Peripatetiker. 

1.  Cic.  ad  Att.  XIII,  32,  2:  Dicaearchi  nsgl  tpvx^g  ütrosque  velim 
niittas  et  KaraßdöSios.  TffinoXixinov  iion  invenio  et  epistolam  eins  quam 
ad  Aristoxenum  misit.  tres  cos  libros  maxime  nunc  vellem;  apti  essent 
ad  id  qiiod  cogito  (vgl.  Tusc.  1,  11,  24).  XV,  2,  4:  quod  prima  disputatio 
Tusculana  te  confirmat  sane  gandeo.   4,  3. 

2.-  Kühner  8  Prolegg.  und  Cic.  in  phil.  mer.  p.  111  ff.  Drumann  VI. 
S.  347  f.  Emendationcn  von  A.  F.  Wesenberg  (Viborg  1830.  1841.  1843  f.  4.), 
Bake  (Schol.  hypomn.  IV.).  0.  Heine,  de  Cic.  Tusc.  dispp.,  Halle  1854.  8. 
Bogen,  de  locis  aliquot  e  Cic.  Tusc.  etc.,  Neuss  1856.  4.  1861.  4.  J,  Schien- 
ger, Coniecturae  in  etc.,  Philologus  XII.  p.  280 — 291.  IL  Muther  und  0. 
Heine  zu  Cic.  Tusc,  in  Jahn's  Jahrb.  85,  S.  491 — 501.  J.  Jeep,  de  locis 
quibusdara  Tusc.  disp.  quaestiones  criticae,  Wolfenbüttel  1865.  4.  H.  Muther, 
über  die  (rhetorische)  Composition  des  ersten  und  fünften  Buchs  von  Cic. 
Tusc,  Coburg  1862.  4.  0.  Heine,  de  fontibus  Tusc  disp.,  Weimar  1863.  4. 
G.  Zietzschmann,  de  Tusc.  disp.  fontibus,  Halle  1868.  70  pp. 

3.  Ausgaben  von  Davis  (Cambridge  1709.  1723.  1730.  1738.  Oxford 
1806,  bei  Rath  T.  IL),  F.  A.  Wolf  (Leipz.  1792.  1807.  1826),  R.  Kühner 
(Jena  1829.  1836.  1846.  1853),  Orelli  (mit  den  Paradoxa,  Zürich  1829),  R. 
Klotz  (Leipz.  1836.  Nachträge  und  Berichtigungen,  Leipzig  1843),  G.  H. 
Moser  (3  Bände,  Hannover  1836  ff.),  P.  H.  Tregder  (Koiienh.  1841),,  C. 
Jöurdain  (Paris  1842),  C.  F.  Süpfle  (Mannheim  1845),  G.  Tischer  (Weid- 
männische Sammlung  1850  fl".;  Aufl.  5,  besorgt  von  G.  Sorof,  1868),  G.  A. 
Koch  (zwei  Hefte,  Hannover  1864.  185'Ü;  Orelli-Baiter  (IV.  p.  207—368  ed. 
II);  M.  Seytfert  (emend.,  comment.  criticos  adi.,  Lips.  1864),  0.  Heine  (für 
den  Schulgebr.  erkL,  Leipzig,  Teubner,  1864),  S.  G.  Cavallin  (Lund  1870). 

4.  Uebersetzt  von  F.  H.  Kern  in  der  Metzler'schen  Sammlung,  röm. 
Pros.  3—5;  umgearbeitet  von  F.  Baur,  Stuttgart  1854  (Class.  d.  Alt.),  R. 
Kühner  (Stuttg.,  Hoffmann,  1855);  latein.  und  deutsch  mit  Anm.  (Engel- 
mann'sche  Sammlung),  Leipz.  1861. 

0)  Timaeiis,  freie  Bearbeitung  des  gleichnamigen  plato- 
nischen Dialogs  mit  selbstgemachter  Einkleidung  und  nach  den 
Academica,  also  J.  709  oder  710,  geschrieben. 


330  Ciceronische  Zeit.   Erste  Hälfte,  J.  671—691. 

1.  Priflcian.  XII.  p.  1220  P.  =  p.  463,  19  f.  Htz.:  Cicero  in  Timaeo. 
Die  Ueberßchrift  De  universo  hat  keine  Beglaubigung.  Wahrachcinlich 
sollte  diese  Uebersetzung  einem  grösseren  Werke  einverleibt  werden  worin 
Nigidius  Figulus  den  Pythagoreismus  vertreten  hätte  (Hermann  p.  8.  18  f.). 
Das  erhaltene  grössere  Bruchstück  s.  bei  Orelli  IV,  2.  p.  495—613  =  IV. 
p.  995—1010  ed.  H. 

2.  Dnunann  VI.  S.  353  f.  E.  F.  Hermann,  disp.  de  interpretationc 
Timaei  Plat  dial.  a  Cic.  relicta,  Göttingen  1842.  4. 

10)  De  deorum  natura,  drei  Bücher,  geschrieben  J.  710, 
nach  den  Tusculanen,  nachdem  sie  schon  J.  709  begonnen 
worden  waren.  Sie  sind  gleichfalls  dem  M.  Brutus  zugeeignet. 
Das  Gespräch  wird  in  die  latinischen  Ferien  ungefähr  des 
J.  677  gesetzt,  und  0.  Vellejus  vertritt  dabei  die  epikureische, 
Q.  Lucilius  Baibus  die  stoische,  C.  Aurelius  Cotta  die  aka- 
demische Schule.  Hauptquelle  für  das  erste  Buch  (epikureische 
Ileligionsphilosophie)  war  die  Schrift  des  Epikureers  Phaedrus 
nsQl  d'E^v.  Zur  Kritik  der  Epikureer  benützte  Cicero  die  Schrift 
des  Stoikers  Posidonius  über  diesen  Gegenstand,  und  für  das 
zweite  Buch  (stoische  Lehre)  die  Werke  des  Kleanthes,  Chry- 
sippos,  Zenon,  für  das  dritte  die  Akademiker  Eameades  und 
Klitomachos,  also  lauter  späte  und  zum  Theil  unreine  Quellen. 
Die  Darstellung  ist  daher  manchfach  unklar,  und  die  Kritik  ver- 
fehlt oft  die  Hauptsache. 

* 

1.  Cic.  de  div.  II,  1,  3:  quibuß  (Tuac.)  editis  trcs  libri  perfecti  sunt  de 
natura  deorum.  ad  Att.  KIII,  39,  2:  libros  mihi  .  .  mittas,  et  maxime 
^uISqov  mql  d'BÄv  et  TlaXldSog.    Drumann  VI.  S.  349  f. 

2.  P.  van  Weselen- Schölten,  de  philosophiae  Cic.  loco  qui  est  de  divina 
nat.,  Amsterd.  1783.  4.  (Franke,)  über  den  philosophischen  Charakter  von 
Cicero's  Büchern  von  d.  N.  d.  G.,  Altona  und  Leipzig  1799.  Eindervater, 
philosophische  Abhandl.  über  Cic.  v.  d.  N.  d.  G.,  Leipz.  1790.  A.B.  Krische, 
Forschungen  auf  dem  Gebiete  der  alten  Phil.  I.  S.  34  ff.  E.  Müller,  Cic. 
libris  de  N.  D.  non  extremam  manum  accessisse,  Bromberg  1839.  4.  Schultze, 
spec.  codd.  Lagomars,  de  n.  d.,  Liegnitz  1847.   4. 

3.  Ausgaben  von  J.  Davis  (Cambr.  1718.  1723.  1733.  1744.  Oxf.  1807, 
bei  Rath  T.  VI),  Kindervater  (Lips.  1796),  Wideburg  (Heimst.  1811),  Hein- 
dorf (Lips.  1815),  G.  H.  Moser  und  F.  Creuzer  (Lips.  1818;  kleine  Ausgabe 
von  Moser,  Lips.  1821),  C.  G.  Schütz  (Halae  1820),  Ast  (Monac.  1829),  H. 
Alanns  (Lond.  1836),  G.  F.  Schömann  (Weidmännische  Sammlung  1850  ff. 
3.  Aufl.),  Orelli-Baiter  IV.  p.  369—480  ed.  II.  Kritische  Beiträge  von  Schö- 
mann (Opusc.  III.  p.  274—279.  280 — 383),  Heidtmann  (zur  Kritik  und  In- 
terpretation von  Cic.  N.  D.,  Neustettin  1858.  4.),  I.  Befcker  (comm.  critt, 
Büdingen  1865.  4.),  R.  Klotz  (adn.  critt.  P.  I  — lU.  Lips.  1867.  1868.  4.). 

4.  Uebersetzt  von  J.  F.  v.  Meyer  (Frankf.  1832),  G.  H.  Moser  (in  der 


183.   Cicero's  philosophische  Schrifben.  331 

Metzler'Bchen  Sammlung,  röm.  Pros.  43  f.  und  Class.  d.  Alt.  1855),  B.  Küh- 
ner (Stuttg.,  Hermann,  Nr.  137.  142). 

5.  Ein  miasglückter  Täuschungsversuch  ist:  Cic.  de  N.  D.  über  quartus 
etc.  ed.  F.  Seraphinus  (d.  h.  der  naqhmalige  Superintendent  H.  H.  Cludius 
in  Hildesheim,  gest.  1835;  nach  Andern  Ph.  Marheineke),  Bonn  1811. 

11)  Gato  maior  oder  de  senectute,  au  Atticus  gerichtet^ 
Anfangs  710  verfasst.  Das  Gespräch  wird  ins  J.  604  gesetzt^ 
ist  aber  vielmehr  ein  zusammenhängender  Vortrag  zum  Lobe 
des  Alters,  für  welchen  Piaton,  Xenophon,  Hippokrates,  der 
Stoiker  Ariston  u.  A.  den  Stoff  lieferten;  daneben  hat  Cicero 
auch  auf  die  Zeichnung  von  Gato^s  Gharakter  Soi^alt  verwendet. 

1.  Cic  de  div.  II,  1,  3:  interiectus  est  etiam  nuper  liber  is  quem  ad 
nostrum  Atticum  de  senectute  misimus.  ad  Att.  XIV,  21,  3:  legendus 
mihi  saepiuB  est  Cato  maior  ad  te  missus.  amariorem  enim  me  senectus 
facit.  XVI,  3,  1:  idem  avvxayfna  misi  ad  te  retractatius ,  et  quidem  AfiX^- 
tvnov  ipsum  crebris  locis  inculcatum  et  refectum. 

2.  W.  Richter,  de  laudandis  et  vitupcrandis  in  Cic.  de  sen.,  Guben 
1803.  P.  J.  van  der  Ton,  C.  m.  explicatur  et  e  graecis  potiss.  fontibus 
illustr.,  Löwen  1821.  206  pp.  4.  und:  comm.  ad  quaest.  de  Cic.  Cat.,  Löwen 
1822.  4.  Nassau,  adnotatt.  in  libr.  Cic.  de  sen.,  Groningen  1829.  Drumann 
VI.  S.  360  f. 

3.  Th.  Mommsen,  über  eine  Leydner  Handschr.  von  Cic.  C.  m.,  Mo- 
nateber, der  Berl.  Ak.  1863,  S.  10 — 21.  J.  G.  Sauppe,  ein  Bheinauer  cod. 
des  C.  m.,  Philologus  XXI.  S.  535—539.  675—679.  G.  Lahmeyer,  zur  Wür- 
digung der  Leydner  und  der  zweiten  Bheinauer  Hds.  von  Cic.  Cm.,  Phi- 
lologus XXm.  S.  478—481,  vgl.  XXI.  S.  284—307.  Rüdiger,  zur  Handschrif- 
tenkunde des  Cic.  de  sen.,  Berl.  Zeitschr.  f.  Gymn.  1864,  S.  798  f.  Zu  Cic. 
C.  m.  von  J.  Mähly  (Neues  Schweiz.  Mus.  VI.  1866.  S.  243—250)  und  C. 
Meissner  (Fleckeisens  Jahrbb.  103,  S.  57—65). 

4.  Ausgaben  von  J.  F.  Wetzel  (Liegnitz  1792.  1808  mit  Lael.),  J.  A. 
Götz  (mit  Somn.,  Nümb.  1801),  A.  G.  Gemhard  (mit  Parad.,  Lips.  1819), 
P.  A.  Reijnders  (mit  Lael.,  Groningen  1825),  F.  W.  Otto  (Lips.  1830),  R. 
Klotz  (Leipz.  1831),  J.  B.  Hutter  (München  1832),  J.  J.  de  Gelder  (Lugd. 
Bat.  1832),  J.  N.  Madvig  (Kopenh.  1835),  G.  Tischer  (Halle  1847),  J.  Som- 
merbrodt  (Weidmännische  Sammlung  1851  ff.,  fünf  Auflagen),  C.  Nauck 
(Berlin  1855),  G.  Lahmeyer  (Leipz.,  Teubner,  3.  Aufl.  1871),  G.  Long  (New- 
York  1861),  C.  Meissner  (für  den  Schulgebrauch  erklärt,  mit  Somn.  Scip., 
Berlin  1870).    Bei  Orelli  IV.  p.  584—611  ed.  II. 

5.  Griechische  Uebersetzung  von  Th.  Gaza  (bei  Hess  p.  3  ff.);  deutsche 
von  Pahl  (in  den  Metzler'schen  Sammlungen),  K.  G.  Bauer  (Leipz.  1841), 
F.  Jacobs  (in  Klotz's  Uebers.  von  Cicero's  philosoph.  Schriften,  Th.  IL), 
in  der  Engelmann'schen  Sammlung,  Leipzig  1860. 

12)  De  divinationO;  zwei  Bücher,  zur  Vervollständigung 
der  Schrift  über  das  Wesen  der  Gottheit,   die  Selbstoffenbarung 


332  Cicerouische  Zeit.    Erste  Hälfte,  J.  671—691. 

der  Gottheit  und  deren  Erfassung  durch  den  Menschen  behan- 
delnd; im  J.  710,  nach  dem  Cato  maior  und  nach  Caesars  Er- 
mordung, herausgegeben;  eingekleidet  in  eine  Unterredung  auf 
dem  Tusculanum -zwischen  Cicero  und  seinem  Bruder.  Das  erste 
Buch  gibt  die  betreffenden  Lehren  der  Stoiker  (aus  Chrysippos 
ttsqI  xQTjö^av,  Ttsgl  (iccvrixrjg,  Diogenes,  Antipater),  das  zweite 
die  Grundsätze  der  Akademiker  über  den  Gegenstand  (nach 
Karneades,  unter  Benützung  des  Stoikers  Panaetius).  Die  Volks- 
vorstellungen und  einschlägigen  politischen  Institute  werden 
möglichst  geschont,  doch  gibt  der  Augur  Cicero  auch  so  noch 
manchen  dankenswerthen  Aufschluss;  seine  eigene  skeptische 
Betrachtung  der  Sache  blickt  durch  die  oft  humoristische  Be- 
handlungs weise  sattsam  hindurch. 

1.  Definition  der  divinatio  1,  5,  9:  carum  reruin  quae  fortiütae  puian- 
tui*  praedictio  atque  praesensio;  vgl.  Gell.  N.  A.  IV,  11,  1. 

2.  Tennemann,  Geschichte  der  Philosophie  V.  S.  121  ff.  Drumann  VI. 
S.  352.     Höfig,  Cic's  Ansichten  von  der  Staatsreligion,  Krotoschin  186.5.   4. 

'3.  Ausgaben  von  Davis  (Cantabr.  1721.  1730.  1740;  ed.  Rath,  Halle 
1807),  J.  J.  Hottinger  (Lips.  1793),  G.  H.  Moser  (Frankf.  1828),  L.  diese 
(Lips.  1829),  H.  Alanus  (Lond.  1839);  Orelli  IV.  p.  481  -566  ed.  II. 

4.  Uebersetzt  von  G.  H.  Moser  (in  der  Metzler'schen  Sammlung,  Rom. 
Pros.  16  f.),  R.  Kühner  (Stuttgart,  Hoffmann,  1868). 

13)  De  fato,  Schlussstein  der  religionsphilosophischen 
Abhandlungen  Cicero's  und  gleiclifalls  J.  710  geschrieben. 
Das  Schriftchen  bekämpft  die  Ansichten  der  Stoiker  über  die 
eifiaQfievri  vom  Standpunkte  der  Akademiker  aus,  ist  aber 
lückenhaft  auf  uns  gekommen.  Als  Quellen  werden  genannt 
besonders  Chrysippos,  auch  Poseidonios,  Kleanthes,  Diodoros, 
Karneades  u.  A.  Als  Stoffsammlung  hat  die  Schrift  Werth, 
doch  verräth  die  Darstellung  Flüchtigkeit;  ein  festes  Ergebniss 
wird  nicht  erzielt. 

1.  Cic.  de  div.  II,  1,  3:  quibiis  (de  n.  d.  und  de*  divin.),  ut  est  in 
animo,  de  fato  si  adiunxeriraus,  erit  abunde  Bati6fa<?tum  toti  huic  quaestioni. 
de  fat.  1,2:  Hirtius  noster,  cos.  designatus  .  .  post  interitum  Caesaris. 
Gell.  VII  (VI),  2,  15.  Macrob.  Sat.  (II,  12  =)  HI,  16,  4.  Dnimann  VI. 
S.  353  f. 

2.  Ausgaben  (mit  de  divin.)  von  Davis,  Moser,  Alan;  besonders  von 
J.  H.  Bremi  (Lips.  1795).  Orelli  IV.  p.  567—583  ed.  TL.  —  Uebersetzt  von 
Moser  (hinter  de  divin.). 

3.  Nuovi  frammenti  del  libro  di  Cicerone  de  fato  di  recenti  scoperti 
in    pergamene    palimpseste,    dal   Ch.  Cav.   L.  Crisost.  Ferrucci,    Modena 


188.    Cicero'e  philosophische  Schriften.  333 

1853.  4.  Diese  angebliche  Entdeckung  findet  sich  abgedruckt  (S.  469 — 
472)  und  (von  F.  Ritschi)  nach  Verdienst  gezüchtigt  im  Rhein.  Mus.  IX. 
S.  473—477.  XIII.  S.  163-173.  Vgl.  auch  F.  W.  Schneidewin,  Göttinger 
gel.  Anz.  1853,  S.  1917—1926.  G.  Linker,  Zeitschrift  für  die  Ostreich. 
Gymn.  V.  (1864.)  S.  81—84.  423—426.  H.  Alanus,  in  fragraenta  libri  Cic, 
de  f.  quae  nuper  Modenae  edita  sunt  observationes,  Dublin  1854. 

14)  Laelius  oder  de  amieitia^  dem  Atticus  zugeeignet, 
nach  dem  Cato  maior  und  vor  dem  Werk  über  die  Pflichten, 
ebenfalls  noch  im  J.  710  geschrieben.  Der  Dialog  wird  ge- 
führt von  dem  jüngeren  Laelius  und  dessen  Schwiegersöhnen 
C.  Fannius  Strabo  und  Q.  Mucius  Scaevola  und  zu  dem  eben 
(J.  625  d.  St.)  erfolgten  Tode  des  Freundes  von  Laelius,  des 
jüngeren  Africanus,  in  Beziehung  gesetzt.  Benützt  ist  dabei 
vornehmlich  Theophrast's  Schrift  über  den  Gegenstand,  auch 
Chrysippos  und  (mittelbar?)  die  Ethik  des  Aristoteles.  Die  logische 
Anlage  hat  Mängel,  sonst  ist  aber  die  Ausführung  lebendig  und 
praktisch. 

1.  Cic.  off.  II,  9,  31:  de  amicitia  alio  libro  dictum  est.  Gell.  XVII, 
5,  1:  Cicero  in  dialogo  cui  titulus  est  Laelius  vel  de  amicitia.  ib.  I,  8,  10: 
eum  librum  (des  Theophrast  ns^l  (ptXiag)  M.  Cicero  videtur  legisse  cum 
ipse  quoque  librum  de  amicitia  componeret. 

2.  Gemhard,  quaedam  ad  recognoscenda  ea  quae  Cic.  in  Lael.  dii«)). 
pertinentia,  Weimar  1823.  4.  (Opusc.  p.  323  ff.)  Vogel,  coUatio  triam 
codd.  mss.  Cic.  de  am.  Monacensium,  Zweibrucken  1839.  4.  0.  F.  Kleine, 
Adnott.  in  Cic.  Cat.  mai.  et  Laelium,  Wetzlar  1865.  10  pp.  4.  C,  K. 
Putsche,  über  einige  Stellen  u.  s.  w.,  Philologus  XII.  S.  293—301.  Th. 
Mommsen,  de  Laelii  Cic.  codice  Didotiano  (saec.  IX — X),  Rhein.  Mus.  XVI 11. 
p.  694—601. 

3.  Ausgaben  von  Wetzel  (mit  Cato,  s.  Nr.  11,  A.  4),  J.  G.  Lenz  (Hildburgh. 
1778),  A.  G.  Gemhard  (Lips.  1826),  C.  Beier  (Lips.  1828),  J.  B.  Hutter 
(Augsb.  1833),  R.  Klotz  (Lips.  1833),  M.  Seyffert  (Brandenb.  1844  f.  2  Ab- 
theil.), C.  W.  Nauck  (Weidmann'sche  Sammlung  1852  ff.,  Aufl.  6.  1870), 
G.  Lahmeyer  (Leipzig,  Teubner  1861.  1870);  Orelli  IV.  p.  612—640  ed.  II. 

4.  üebersetzungen  von  Fahl  (in  den  Metzler' sehen  Sammlungen),  A.  A. 
Schreiber  und  G.  F.  W.  Grosse  (Halle  1827),  F.  K.  v.  Strombeck  (Braun- 
schweig  1827,  mit  den  übrigen  sogen,  kleinen  Schriften),  in  der  Engel- 
mann'schen  Sammlung  (Leipz.  1854).  Griechische  von  Dionysius  Petaviiis 
bei  Hess  (Halle  1833)  p.  99  ff. 

15)  De  gloria,  zwei  Bücher,  Ende  Juli  des  J.  710  feriig 
gemacht,  aber  nicht  erhalten. 

1.  Cic.  de  off.  II,  9,  31:  nunc  dicamus  de  gloria,  quamqnam  ea  quoque 
de  re  duo  sunt  uostri  libri.    Vgl.  ad  Att.  XV,  27,  2.  XVI,  2,  6.  6,  4.    Gell. 


( 


I 


334  Ciceronische  Zeit.  Erste  Hälfte,  J.  671—691. 

XV,  6,  1.  Drumann  VI.  S.  365  f.  Fr.  Schneider,  Meletemata  in  Cic.  de  gl. 
libros,  Ztechr.  f.  d.  Alt.- Wies.  1839,  Nr.  28  f. 

2.  Noch  Petrarca  las  die  Schrift  (Epist.  XV,  1),  und  Gelehrte  des 
fun&ehnten  Jahrhunderts  (wie  Franc.  Philelphus  und  F.  Alcyonius)  wurden 
beschuldigt  dieselbe  für  eigene  Schriften  benützt  und  dann  verbrannt  zn 
haben,  s.  Hand  bei  Ersch  und  Gruber  I,  17.  S.  238.  Die  Bruchstücke 
8.  Vi  Orelü  IV,  2.  p.  487  f.  (=»  IV.  p.  988  f.  ed.  H)  und  Baiter-Kayser  XL 
p.  69—71. 

16)  De  officiis,  in  drei  Büchern,  von  Cicero  an  seinen 
Sohn  gerichtet  Auch  diese  Schrift  ist  in  der  unfreiwilligen 
Müsse  verfasst  welche  M.  Antonius  dem  Cicero  nach  Caesars 
Tod  im  J.  710  verschaffte  «und,  wie  die  andern  aus  dieser  Zeit, 
sehr  rasch  auf  das  Papier  geworfen.  Als  HauptqueHe  dienten 
dabei  die  Stoiker,  besonders  Panaitios  in  den  zwei  ersten  Bü- 
chern, im  dritten  Poseidonios,  ausserdem  Diogenes  aus  Babylon, 
Antipater  aus  Tyrus,  Hekaton,  ferner  Piaton  und  Aristoteles. 
Grewürzt  und  belebt  hat  Cicero  seine  Darstellung  durch  zahl- 
reiche Beispiele  aus  der  römischen  Greschichte,  aber  auch 
dadurch  Ungleichheit  in  die  Behandlung  gebracht.  Der  sittliche 
Standpunkt  ist  der  eines  praktischen  Politikers  und  erhebt  sich 
schon  darum  wenig  über  die  Conventionellen  romischen  Begriffe. 

1.  Off.  I,  2,  6:  sequimur  .  .  potissimum  Stoicos,  non  ut  interpretes, 
sed,  ut  solemus,  e  fontibus  eorum  iudicio  arbitrioque  nostro  quantum  quo- 
que  modo  videbitur  hauriemus.  Vgl.  II,  24,  86.  III,  2,  7.  12,  51  f.  15,  63. 
23,  89.  91.  ad  Att.  XV,  13,  6:  nos  hie  q)iXoüO(povfisv  (quid  enim  aliud?) 
et  tä  nsql  Tov  %ad'ri%ovrog  magnifice  explicamus  nQogtpmvovusvque  Giceroni. 

XVI,  11,  4:  Tce  nsgl  tov  xa^ijxorro?,  quatenus  Panaetius,  absolvi  duobus. 
illius  tres  sunt.  .  .  etim  locum  Posidonius  persecutus.  ego  autem  et  eins 
librum  arcessivi  et  ad  Athenodorum  Calvum  scripsi  ut  ad  me  ra  %s(pula ta 
mitteret.    Gell.  XIII,  28  (27),  1. 

2.  Garve,  philosophische  Anmerk.  und  Abhandl.  (6.  Aufl.,  Breslau  1819). 
Bardili,  Briefe  über  Cicero's  Bücher  von  den  Pflichten,  in  Hauff's  Philo- 
logie I,  2.  S.  1—39.  3.  S.  41—64.  II,  1.  S.  25—66.  E.  G.  Rath,  Cic.  de 
off.  in  brevi  conspectu,  Halle  1803.  Fr.  Binkes,  de  analysi  et  constitutione 
doctrinae  in  etc.,  Lugd.  Bat.  1819.  Lilie,  de  stoicorum  philosophia  morali^ 
ad  Cic.  librr.  de  off..  Alt.  1800.  Thorbecke,  principium  philosophiae  mor. 
e  Cic.  opp.  phil.  exp.,  Lugd.  Bat.  1817.  J.  F.  Sachse »  de  libror.  Cic.  de  off. 
indole  atque  proposito,  Quedlinb.  1825:  4.  B.' Kühner,  Cic.  mer.  p.  108  ff. , 
Drumann  VI.  S.  357 — 369.  Grysar,  Prolegg.  ad  Cic.  libr.  de  off.,  Köln 
1844.  4.  Dahlbäck,  de  Off.  Cic.  comm.,  üpsala  1860.  A.  Desjardins,  les 
Deyoirs,  essai  sur  la  morale  de  Ciceron,  Paris  1865. 

3.  Kritische  Beiträge  von  J.  Heller  (Philologus  XH.  p.  302  —  315), 
H.   Sauppe    (Coniect.    TuU.,    Gott.    1857.    4.),     G.   F.   Unger    (Philologus 


188.   Cicero's  philoeophische  Schriften.  335 

Suppl.  in.  S.  3 — 106),  W.  Maler  (nonnulli  loci  ex  .  .  tractantur,  b.  1.  et  a. 
Carlsr.  1867?). 

4.  Ausgaben  von  J.  G.  Graevius  (Amsterd.  1688.  1710.  Neapel  1771. 
Graevii  scholia  in  Cic.  off.  prim.  ed.  Röther,  Wittenberg  1824),  J.  Faccio- 
lati  (Padua  1720.  Vened.  1747,  wie  Graevius  mit  den  kleinen  Schriften), 
J.  F.  Heusinger  (Braunschw.  1783;  repet.  suisq.  animadverss.  auxit  C.  Th. 
Zumpt,  Braunschw.  1888),  J.  F.  Degen  (Berl.  1800.  1820.  1825;  4.  Ausg., 
umgearb.  von  E.  Bonnell,  Berl.  1848),  A.  G.  Gemhard  (Lips.  1811),  0.  Beier 
(Lips.  1820  f.  2  Bde.  nebst  Indd.,  Lips.  1831),  G.  Olshausen  (Schlesw.  1823), 
R.  Stürenburg  (Lips.  1834.  1843),  C.  G.  Zumpt  (kleinere  Ausgabe,  Braun- 
schweig 1837.  1849),  0.  Bredberg  (Kopenh.  1839),  C.  Wordsworth  (London 
1841),  Bf.  Alanus  (Dublin  1841),  G.  F.  W.  Lund  (Kopenh.  1849),  G.  F.  Unger 
(Leipzig  1852),  J.  v.  Gruber  (Leipzig,  Teubner  1856.  1866),  0.  Heine  (Ber- 
lin, Weidmann,  1857  ff.  3  Aufl.);  Orelli  IV.  p.  641—742  ed.  IL 

5.  Uebersetzungen  von  J.  J.  Hottinger  (Zürich  1820),  G.  G.  üebelen 
(Stuttg.,  Metzler  1834,  Rom.  Pros.  88.  92;  umgearbeitet  Yim  F.  Baur,  1856, 
Gl.  d.  Alt.),  R.  Kühner  (Stuttg.,  Hofiinann,  1859). 

17)  De  yirtutibuS;  wegen  der  Verwandtschaft  des  Inhal- 
tes wohl  kurz  vor  oder  nach  der  Schrift  über  die  Pflichten,  also 
gleichfalls  im  J.  710,  verfasst,  aber  nicht  erhalten.^ 

Hieron.  in  Zach.  1,  2.  Augustin.  de  trin.  XIV,  11.  Charis.  II.  p.  186  P. 
=  208,  15  f.  K.  Orelli  IV,  2.  p.  492  =  IV.  p.  992  f.  ed.  11;  Baiter-Kayser 
XL  p.  76.    Drumann  VI.   S.  359. 

Nicht  genau  zu  datieren  sind  folgende  Schriften  philoso- 
phischen Inhalts  von  welchen  nur  Bruchstücke  auf  uns  gekom- 
men sind: 

18)  Uebersetzung  von  Xenophon's  Oeconomicus,  in  einem 
Alter  von  ungefähr  zwanzig  Jahren  verfasst,  in  drei  Büchern. 

Vgl.  Cic.  de  off.  II,  24,  87.  de  sen.  17,  69.  Plin.  n.  h.  XVIII,  25,  60. 
Colum.  XII.  praef.  7  u.  1,  6.  Gell.  N.  A.  XV,  5,  8.  Macrob.  Sat.  (II,  16  =-) 
ni,  20,  5.  Serv.  zu  Georg.  I,  43.  Hieron.  apol.  adv.  Ruf.  II.  p.  227  Bas; 
Die  Bruchstücke  bei  Orelli  IV,  2.  p.  472—477  (=  IV.  p.  974—979  ed.  II) 
und  bei  Baiter-Kayser  XL  p.  50—54. 

19)  Uebersetzung  von  Platon's  Protagoras,  wohl  gleich- 
falls eine  Jugendarbeit. 

Van  Heusde,  Cic.  <pdo7KXat<av  p.  92  ff.  Drumann  VI.  S.  354,  A.  74. 
Orelli  1.  1.  p.  477  =  IV.  p.  979.    Baiter-Kayser  XI.  p.  54  f. 

20)  De  aüguriis^  aus  unbekannter  Zeit^  jedenfalls  nach 
dem  J.  703;  wo  Cicero  Augur  wurde,  verfasst. 

Nach  Drumann  VI.  S.  352  f.  im  J.  710  nach  der  Schrift  de  divin.  ver- 
fasst.  Die  üeberrestc  bei  Orelli  IV.  p.  980  ed.  IL;  Baiter-Kayser  XL  p.  55. 


336  Ciceronische  Zeit.    Erste  Hälfte,  J.  G71— 091. 

Charis.  p.  98.  112  P.  =  122,  22.  139,  11  K.:  Cicero  deauguriis,  vgl.  augu- 
rales  libri  bei  Serv.  Aen.  V,  738. 

171  184.  Auf  dem  Gebiete  der  Rechtsgelehrsamkeit,  wie 
auf  dem  der  Philosophie,  war  Cicero  nur  Dilettant,  wenn  auch 
ein  unterrichteter.  Er  war  zu  sehr  Redner  und  zu  wenig  ge- 
schaffen für  scharfe  Begriffsbestimmung  als  dass  er  hier  ein 
dankbares   Feld    seiner   Thätigkeit   hätte   finden  können.     Doch 

•  verfasste  er  eine  Schrift  de  iure  civili  in  artem  redigendo, 
vielleicht  ursprünglich  dazu  bestimmt  das  sechste  Buch  des 
Werkes  de  legibus  zu  bilden,  bei  dessen  NichtvoUendung  aber 
besonders  bearbeitet. 

1.  ad  Farn.  VII,  30,  2  verwechselt  Cicero  in  der  Definition  von  pro- 
prius  Besitz  und  Eigenthnm.  Ueber  Cicero  als  Rechtsgelehrten  ältere 
ControversBchriften  von  A.  Schulting  (Opusc,  Franeker  1708  und  sonst), 
Bynkershoek  (Opuscc.  IL  p.  60),  J.  G.  Hornemann  (Lips.  1797.  4.),  femer 
J.  L.  E.  Püttmann  (Miscell.,  Lips.  1783.  p.  143  ff.),  F.  A.  van  der  Mark,  de 
meritis  Cic.  circa  ins  naturae,  Groningen  1797.  G.  Dedel,  Cic.  doctrina  de 
iure  etc.,  in  den  Annal.  acad.  Gron.  (Groningen  1824.  4.).  Bach ,  bist,  iuris- 
pnid.  rom.  p.  258  ff.  Zimmern,  Gesch.  d.  röm.  Privatr.  I,  1.  S.  288—290. 
u.  A.  Drumann  VI.  S.  644  —  650.  Platner,  de  partt.  Cic.  rhett.  quae  ad 
ius  spectant,  Marburg  1829.  4.  G.  de  Caqueray,  Explication  des  passages 
de  droit  privä  contenus  dans  les  oeuvres  de  Cic^ron,  Rennes  1857.  XV  und 
601  pp.  A.  Desjardins,  de  scientia  civili  apud  Cic,  Beauvais  1858.  Vgl. 
oben  46,  4  u.  6. 

2.  Quintil.  XII,  3,  10:  componere  aliqua  de  iure  coeperat.  Gell.  I, 
22,  7 :  M.  Cicero  in  libro  qui  inscriptns  est  de  iure  civili  in  artem  redigendo. 
Vgl.  was  Cicero,  de  or.  II,  33,  1^2  ff.  unter  der  Maske  des  Crassus  ^oben 
149,  3)  von  sich  sagt,  besonders:  est  nobis  poUicitus  ius  civile,  qnod  nunc 
diffusum  et  dissipatum  esset,' in  certa  genera  coacturum  et  ad  artem.  fa- 
cilem  redacturum.  Ueber  die  Schrift  vgl.  H.  E.  Dirksen  in  seinen  hinter- 
lassenen  Schriften  I.  S.  1  ff.  Drumann  VI.  S.  107  f.  Orelli  IV.  p.  979  f. 
ed.  IL    Baiter-Eayser  XL  p.  55. 

175  185.  Auch  als  Geschichtsclireiber  war  Cicero  thätig, 
und  de  legg.  I,  2  f.  (vgl.  de  or.  II,  12 — 15)  gibt  er  eine  scharfe 
Charakteristik  der  ganzen  bisherigen  Geschichtschreibung  und 
die  Andeutung  dass  er  der  Mann  wäre  auch  auf  diesem  Gebiete 
epochemachend  aufzutreten.  Ein  ungewönliches  Mass  geschicht- 
licher Kenntnisse  besass  Cicero  allerdings,  und  seine  Reden  wie 
philosophischen  und  rhetorischen  Schriften  (insbesondere  der 
Brutus)  sind  Zeugen  davon;  indessen  stand  ihm  auch  hier  wieder 
seine  rednerische  Natur  und  seine  Unfähigkeit  von  der  eigenen 
Person  abzusehen  hindernd  im  Woge,  und  manche  gelegentliehe 


•     184  f.  Cicero  als  Jurist  und  Geschichtschreiber.  •     337 

Aeusserungen  zeigen  wie  wenig  streng  er  über  die  Aufgabe  des 
Geschichtschreibers  dachte.  Es  ist  wohl  glaublich  dass  er  bei 
längerem  Leben  diesem  Gebiete  sich  zugewandt  hätte;  wirklich 
verfasst  hat  er  aber  nur  Schriften  über  sein  Consulat,  eine  (viel- 
leicht nie  vollendete)  Geheimgeschichte ^  und  Admiranda,  was 
aber  alles  für  uns  verloren  ist. 

1.  Plut.  Cic.  41:  SiavoovpkBvog,  a>g  Xiy st ai,  trjv  ndxqiov  taxoQ^av  yQ€C(pij 
nSQiXaßsiv  xal  nolla  avpLn^^at  tav  iXXi}vir%oiv  %al  olavg  zovg  slQTjuivovg 
Xoyovg  avzäv  xal  iiv^'ovg  ivtavd'a  y^dtpai  etc.  Corn.  Nep.  fragm.  Guelf.: 
ille  (Cic.)  fiiit  unus  qui  potuerit  et  etiam  debuerit  historiam  digua  voce 
pronuntiare^  quippe  qui  oratoriam  eloquentiam  rudern  a  maioribus  acce- 
ptam  perpoliverit,  philosophiam  ante  eum  incomptam  latinam  sua  confor- 
marit  oratione. 

2.  Zwar  weiss  Cicero  wohl  primam  esse  historiae  legem  ne  quid  falsi 
dicere  audeat  (de  or.  II,  15,  62  vgl.  ib.  62—64),  aber  in  praxi  handelt  er 
anders.  So  mutet  er  dem  Luccejus  zu  (ad  Farn.  V,  12,  3):  amori  nostro 
plusculum  etiam  quam  concedit  veritas  largiare;  und  orat.  11,  37.  20,  66 
(vgl.  36,  124)  rechnet  er  die  historiae  zum  yivog  iTcidsixtinov  der  Beredt- 
samkeit,  wie  wenn  er  keine  andere  Axt  der  Geschichtschreibung  kennen 
würde  als  die  der  isokratischen  Schule.  In  Folge  dessen  behauptet  er 
(Brut.  17,  66),  Philistos  und  —  Thukydides  sei  verdunkelt  worden  durch  — 
Theopomp.    Anderes  s.  oben  36,  6. 

3.  Drumann  VI.  S.  677—680.  J.  G.  Linsen  und  S.  G.  Bergh,  de  Cic. 
historico,  Abo  1826.  4.  F.  Buchholtz,  über  Cicero's  Ansicht  von  der  Ge- 
schichte, Eunomia  (1802.  August)  S.  390—403.  Schwegler,  röm.  Gesch.  I. 
S.  93—96.    F.  D.  Gerlach,  die  röm.  Geschichtschreiber  S.  96  f. 

4.  Commentarius  consulatus  sui  graece  compositus  (ad  Att.  I^  19, 10. 
II,  1  in.),  im  J.  694  ausgearbeitet  (ad  Att.  1.  1.),  zu  welcher  Zeit  sich  Cicero 
auch  mit  einer  lateinischen  Schrift  über  denselben  Gegenstand  beschäftigte 
(ad  Att.  I,  19,  10).    Vgl.  Plut.  Caes.  8.    Cass.  Dio  XLVI,  21. 

5.  'Avi%dota,  schon  im  J.  695  begonnen  (ad  Att.  II,  6,  2),  nach  Cae- 
sars Tode  auf  Atticus'  Betreiben  wieder  aufgenommen  (ad  Att.  XTV,  14,  5. 
17,  6.  XV,  2,  2.  4,  3.  13,  3.  27,  2.  XVI,  2,  6)  und  nach  dessen  Tode 
herausgegeben.  Denn  nach  Dio  XXXIX,  10  (vgl.  XLVI,  8)  ist  dieses 
ßißXiov  dnoffi^ritov  identisch  mit  dem  tmv  iavtov  ßovXsvfUctatv  dnoXoyiafibog 
oder  der  ratio  (Charis.  I.  p.  146,  31  f.  K.)  oder  expositio  consiliorum  suo- 
rum  (Ascon.  in  or.  in  tog.  cand.  p.  83  Or.  Augustin.  contra  lulian.  V,  5. 
Orelli  IV,  2.  p.  491  =«  IV.   p.  992  ed.  IL).   Vgl.  Drumann  VI,  S.  360  f. 

6.  Admiranda  (Plin.  N.  H.  XXXI^  8,  2.  28,  1),  aus  unbekannter  Zeit. 
Die  Ueberreste  bei  Orelli  IV,  2.  p.  493  f.  (=  IV.  p.  994  ed.  11).  Baiter- 
Eayser  XI.  p.  76. 

7.  Priscian.  VI,  16,  83.  p.  267,  6  Htz.:  Cicero  in  Chorographia,  mit 
den  Varianten  ortogr.,  hortogr.,  cosmogr. ,  chosmogr. ,  chronogr.  und  cronogr. 
Wirklich  hatte  sich  Cic.  im  J.  695  auf  Atticus'  Veranlassung  mit  geogra- 

TsuPFBL,  Barn.  Literata^escliichte.  2.  Aufl.  22 


338  .  Ciceronißche  Zeit.   Erste  Hälfte,  J.  671—691. 

« 

phischen   Studien   beschäftigrt;   g.  ad  Att.  II,  4,  1.  3.  ep.  6.  7.  9  f.  12,  8. 
14,  2. 

8.  Andere  apokryphe  Schriften.  Synonyma,  eine  för  den  ciceronischen 
Sprachgebrauch  nicht  unwichtige  Schrift  eines  unbekannten  alten  Gramma- 
tikers; bei  Orelli  IV.  p.  1063  f.  W.  L.  Mahne,  Gic.  quae  vulgo  feruntur 
Synonyma  ad  L.  Yeturium  secundum  editiones  Romanas  denuo  excudi 
curayit,  Lugd.  Bat.  1851.  und:  secundum  editionem  Parisinam  denuo  exe. 
cur.,  ib.  1851.  Eine  ähnliche  Schrift  sind  die  Differentiae  sermonum  Ci* 
ceronis,  aus  Bemer  Hdss.  saec.  IX  u.  X  herausgegeben  von  H.  Hagen, 
Bupplem.  gramm.  latt.  (Lips.  1870)  p.  275—290;  vgl.  ib.  p.  CXVII— CXXIV. 
Femer  de  notis  (Orelli  IV.  p.  993)  u.  A. 

9.  Eine  Sammlung  von  Cicero's  Witzen  (liber  iocularis)  erwähnt' Quin- 
til.  VI,  3,  5.  Vm,  6,  73.     Vgl.  unten  188,  2.  R.  Klotz,  Fragm.  p.  295  fiF. 

176  186.  Innerhalb  der  Poesie  hat  es  Cicero  über  die  Versifi- 
cation  nicht  hinausgebracht ,  die  ihm  vermöge  seiner  ganzen 
Leichtigkeit  in  der  Form  fast  von  selbst  kam  und  die  er  auch 
Anfangs  nur  als  Stilübung  betrieb.  Später  aber  veranlasste  ihn 
sein  brennendes  Verlangen  nach  Lob  sich  selbst  und  seine  Er- 
lebnisse zum  Gregenstande  von  Epen  zu  machen^  nicht  zum  Yor- 
theile  für  seinen  Ruf. 

1.  üeber  Cicero  als  Dichter  vgl.  Sen.  exe.  controv.  III.  praef.  8.  Sen. 

de   ira   III,  37,  5.    Tac.  dial.  21.    Juvenal.  X,  124  f.    Martial.  n,  89,  3  f. 

Plut.  Cic.  4a     Schol.  Bob.  p.  306  Or.     Drumann  VI.  S.  681  —  684.    J.  F. 

Jugler,  de  poesi  Cic,   Lips.  1744.   4.    J.  Baden,  de  poetica  facultate  Cic, 

Eopenh.  1789  und  in  dessen  Opuscc  (Kopenhagen  1793)  p.  421  ff.    f*.  M. 

Frantzen,  de  Cic.  poeta,  Abo  1800.    van  Heusde,  Cic.  (pilonldtmv  (Utrecht 

1836)  p.  25  ff.  34  ff.   V.  Faguet,  de  poetica  Ciceronis  facultate,  Poitiers  1857. 

> 

2.  Jugendversuche.  Plut.  Cic.  2:  iffifvrj  nmg  nifoG'v(i^ttQOv  inl  noiri~ 
tmrjvy  %ai  ti  noirjiidTiov  in  naMg  avrov  diaaaaitxaiy  Uovtios  rXorvxo^, 
iv  xezQafiBTQa}  nsnoirjiLivov.  Jul.  Capitol.  Gordian.  3,  2:  adolescens  cum 
esset  Gordianus  .  .  poemata  scripsit  .  .  et  quidem  cuncta  illa  quae  Cicero, 
i.  e.  Marium  (so  Peter  statt  et  de  merio  oder  ex  de  merio)  et  Aratum  et 
Halcyonas  (daraus  wohl  die  zwei  Hexameter  bei  Non.  p.  65,  v.  praevius)  et 
Uxorium  et  Nilum  (Casaubonus :  Limona,  s.  A.  3).  quae  quidem  ad  hoc  scripsit 
ut  Ciceronis  poemata  nimis  antiqua  viderentur.  —  Serv.  zu  Verg.  Ecl.  I, 
58:  Cicero  in  elegeia  quae  Talea  Masta  (Talemasta,  taliamastas,  taha  ma- 
stas,  thalamasta)  inscribitur:  (folgt  ein  Hexameter).  R.  Unger,  Subsicivo-* 
rum  capita  tria  (Friedland  1854.  4.),  c.  1  (de  Ciceronis  quibusdam  carmi- 
nibus)  will  hier  Cinna  statt  Cicero,  und  Halimastys  statt  Tamelastis  lesen, 
ürlichs,  Eos  I  (1864).  S.  151  schlägt  vor:  in  elegia  quae  Italia  maesta  in- 
scribitur, was  er  dann  mit  dem  Epos  de  suis  temporibus  identificiert.  — 
üeber  das  Epos  Marius,  aus  dem  J.  667,  vgl.  ad  Att.  XII,  49,  1.  de  leg. 
I,  1,  1  f.  Drumann  V.  S.  221.  Orelli  IV,  2.  p.  667  =-  IV.  p.  1048.  Baiter- 
Eayser  XI.  p.  129  f.  —  Ueber  Cicero's  metrische  Uebersetznng  von  Aratus 
0atv6fievK  und  dioarffista,  wovon  noch  namhafte  Stücke  erhalten  sind,  s. 


186  f.   Cicero  als  Dichter.    Q.  Cicero.  3H9 

Orelli  IV,  2.  p.  616—666  -=  IV.  p.  1014—1083.  ed.  II.  Baiter-Kayser  XL 
p.  96  — 129.  G.  Schulz,  quaestiones  criticae  ad  Cic.  Aratea,  Neuiuppin 
1868.  4.  Aach  Abschnitte  ans  Homer  übersetzte  Cic.  metrisch;  s.  de  fin. 
V,  18,  49.    Orelli  p.  614  f.  =  1012  f.    Bait^r-Kayser  XL  p.  89—91. 

3.  Femer  fährt  Suet.  Terent.  6.  ans  Cicero  in  Limone  (AtiiKov,  Pra- 
tum)  vier  Hexameter  über  Terenz  an  (vgl.  Bitschi  in  Beifferscheid's  Siieton 
p.  624);  Epigramme  Plin.  Epp.  VII,  4,  3  und  QuintiL  VHI,  6,  73. 

4.  Qnintil.  XI,  1,  24:  in  carminibus  utinam  pepercisset  (das  Selbstlob 
sparsamer  angebracht),  qnae  non  desiemnt  carpere  maligni.  Dahin  ge-_ 
hören  aus  dem  J.  694  die  drei  Bücher  de  suo  consulatu  im  epischen  Vers- 
mass.  S.  ad  Att.  II,  3,  3.  vgl.  I,  19,  10.  de  divin.  I,  11  fP.  Orelli  IV,  2. 
p.  568—670=  IV.  p.  1048—1061.  Baiter-Kayser  XL  p.  130—136.  Dru- 
mann  V.  S.  601  f.  J.  M&hly,  Philologus  XXV.  S.  644—651.  Femer  das 
(ums  J.  699)  verfasste  Epos  über  seine  Leidenszeit  (de  temporibus  meis), 
gleichfalls  in  drei  Büchern.  Vgl.  ad  Fam.  I,  9,  23.  ad  Q.  fr.  IH,  1,  24. 
II,  15,  2.  16,  6.  Att.  IV,  8^,  3.  Dramann  VI.  S.  20  f.  Orelli  IV.  p.  1061  f. 
—  Endlich  verfasste  Cicero  auch ,  im  J.  700  d.  St. ,  ein  Lobgedicht  auf 
Caesar;  ad  Qu.  fr.  lü,  1,  11  (po&ma  ad  Caesarem).  VgL  4,  4.  8,  3.  9,  6 
{inog  ad  Caesarem).  II,  16,  2.  Ob  es  jemals  zu  Ende  geführt  wurde  ist 
freilich  mehr  als  zweifelhaft.    Vgl.  Drumann  ÜI.  S.  322. 

6.  Eine  Fälschung  ist  das  Lehrgedicht  Orpheus,  oder  de  adolesceute 
studioso,  angeblich  von  Cicero  für  seinen  in  Athen  studierenden  Sohn  ver- 
fertigt; 8.  A.  Weichert,  de  L.  Vario  etc.  p.  297. 

6.  Sammlung  der  ciceronischen  Fragmente  von  Andr..  Patricius  (fragm. 
ed.  illustr,,  Venet.  1666.  4.),  Orelli,  ISfobbe-Klotz ,  Baiter-Kayser  (XL  1869). 
F.  Schneider,  de  Cic.  fragm.,  Tremesno  1844.  4.  C.  Halm,  BeitrSge  zur 
Berichtigung  und  Ergänzung  der  ciceron.  Fragmente,  München  1862.  8. 
(aus  den  Sitzungsberichten  der  Münchner  Akademie). 

187.  Cicero's  jüngerer  Bruder,  Quintus  (J.  652 — 711),  zeigtei77 
lebhaftes  literarisches  Interesse,  besonders  för  Geschichtschrei- 
bung  und  Poesie,  und  scheint  seines  Bruders  Leichtigkeit  der 
Production  getheilt  zu  haben.  Er  verfasste  ein  annalistisches 
Werk  sowie  eine  Anzahl  Tragödien,  wie  es  scheint  Uebersetzun- 
gen  griechischer  Originale.  Wir  haben  von  ihm  noch  das  com- 
mentariolum  petitionis,  in  Form  eines  Sendschreibens  an  seinen 
Bruder  Marcus,  verfasst  Anfangs  690  d.  St.,  und  einige  Briefe. 

1.  Auf  J.  652  als  Geburtsjahr  des  Q.  Cicero  ist  aus  seiner  Amtslauf- 
bahn zu  schliessen.  Aedü  war  er  68&,  Pr&tor  692,  verwaltete  693—696 
Asien,  war  Legat  des  Pompejus  in  Sardinien  698,  des  Caesar  in  Gallien 
und  Britannien  700 — 702,  seines  Bruders  in  Eilikien  703,  und  wurde  mit 
Letzterem  proscribiert  und  pammt  seinem  Sohne  getödtet  J.  711;  s.  Dru- 
mann, Gesch.  Roms  VI.  S.  719—751.  C.  H.  Blase,  de  Q.  Tullii  Cic.  vita, 
Cöln  1847.  4.  A.  Haakh  in  Pauly's  Real-Enc.  VI,  2.  S.  2284—2240.  Bücheier, 
Q.  Cic.  reliqq.  p.  1 — 24. 

22* 


340  Ciceronißche  Zeit.    Erste  Hälfte,  J.  671—691. 

2.  Schol.  Bob.  zu  Cic.  p.  Arch.  2.  p.  354  Or.:  foit  enim  Q.  TuUins  non 
solum  epici  verum  etiam  tragici  canninis  scriptor.  Cic.  ad  Att.  II,  16,  4 
(J.  695):  Q.  frater  .  .  me  rogat  ut  Annales  suos  (in  gebundener  Form  2) 
emendem  et  edam.  ad*  Q.  fr.  11,  13,  4  (J.  700):  Gallisthenem  et  Philistum 
.  .  in  quibus  te  videp  volutatum.  .  .  sed  qnod  adscribis:  aggrederisne  ad 
historiam?  me  auctore  potes.  16,  4  (J.  700):  o  iucundas  milu  tuas  de 
Britannia  litteras!  .  .  te  vero  vno&eaiv  scribendi  egregiam  habere  video. 
quos  tu  Situs,  quas  naturas  rerum  et  locorum,  quos  mores ^  quas  gentes, 
quas  pugnas,  quem  yero  ipsum  imperatorem  habes!  (Also  sollte  es  ein 
Epos  werden.)  ego  te  libenter  .  .  adiuvabo  et  tibi  versus  quos  rogas  .  . 
mittam.  III,  4,  4  (J.  700):  sine  uUa  mehercule  ironia  loquor,  tibi  istius 
generis  in  scribendo  priores  partes  tribuo  quam  mihi.  Vgl.  III,  5.  ib.  6,  7 
(J.  700):  quattuor  tragoedias  XYI  diebus  absolvisse  cum  scribas  tu  quidquam 
ab  alio  mutuaris?  et  ndd-og  quaeris,  cum  Electram  et  Trodam  (Troilum? 
A^ropam  Bücheier)  scripseris?  .  .  sed  et  istas  et  Erigonam  mihi  velim 
mittas.  ib.  1,  13:  in  ea  (epistola) -nihil  erat  novi  praeter  Erigonam,  quam 
si  .  .  accepero  scribam  ad  te  quid  sentiam;  nee  dubito  quin  mihi  placitura 
sit.  9,  6:  ne  accidat  quod  Erigonae  tuae,  cui  soli  Caesare  imperatore  iter 
ex  Gallia  tutum  non  fuit.  Eine  'HQiyovrj  gab  es  z.  B.  von  Sophokles.  Cic. 
de  fin.  y,  1,  3:  tum  Quintus:  .  .  Sophocles  .  .,  quem  scis  quam  admirer 
quamque  eo  delecter.  ad  Q.  fr.  11^  16 ,  3  (J.  700) :  Ilvvdsinvovs  ^tpo%Xiovgy 
quamquam  a  te  factam  fabellam  video  esse  festive,  nullo  modo  probavi. 
ad  Fam.  XYI,  8,  2:  ego  (Q.)  certe  singulos  eins  (des  Euripides)  versus  sin- 
gula  aXifiUaq  (?)  testimonia  puto. 

3.  Drei  Briefe  des  Q.  Cicero  an  Tirö,  ad  Fam.  XVI,  8  (J.  705)  26  f. 
(J.  710),  und  einer  (ib.  XVI,  16)  an  seinen  Bruder  Marcus  (J.  694?).  Zu- 
sammen bei  Büoheler  p.  64 — 67.  Vgl.  noch  Cic.  ad  Qu.  fr.  II,  15  b,  2: 
in  brevi  epistula  nqayii,axi%^q  valde  scripsisti.  III,  1,  19:  epistulam  tuam 
.  .  aristophaneo  modo  valde  et  suavem  et  gravem. 

4.  Das  Sendschreiben  an  seinen  Bruder  Marcus,  als  derselbe  sich  J.  690 
um  den  Consulat  bewarb,  veranschaulicht  den  damals  besonders  schwung- 
haft betriebenen  ambitus,  vielleicht  unter  Mitbenützung  von  .Theophrast 
nB(jX  (fdoriiUag  (Cic.  ad  Att.  II,  3,  3).  Die  Anlage  ist  geordnet,  aber  ein- 
förmig, die  Darstellung  trocken  und  nüchtern  (Bücheier  p.  3.  7  f.).  Heraus- 
gegeben ist  es  wohl  nach  dem  Tode  beider  Brüder,  aus  dem  Briefwechsel 
des  Marcus  heraus  und  daher  auch  in  diesem.  Aelteste  bekannte  Hds. 
Berolin.  saec.  XI — XII  (aus  Corvey).  Ausgaben,  ausser  denen  der  Briefe 
des  M.  Cicero  (z.  B.  von  Orelli,  p.  359 — 370),  von  Valerius  Palermus  (oben 
181,  3),  C.  G.  Schwarz  (cum  animadv.,  Altdorf  1719,  Nürnberg  1791),  J.Hoffa 
(cum  lect.  var.,  Lips.  1837).  J.  W.  Tijdeman,  in  Q.  Cic.  de  pet.  cens.  ad- 
nottat.,  Lugd.  Bat  1838  f.  Q.  Ciceronis  reliquiae,  recogn.  F.  Bücheier, 
Lips.  1869.  70  pp. 

5.  Durch  den  codex  Vossianus  111  (saec.  IX)  werden  20  Hexameter  de 
XII  signis  (vgl.  Bücheier  p.  68  f.  Riese  Antfa.  lat.  642),  mit  sehr  wenig 
Beglaubigung  aber  zwei  (von  Pentadius  verfasste)  Distichen  gegen  die 
Weiber  (lliese  268)  dem  Q.  Cicero  zugeschrieben;   sie  stehen  in  der  Anth. 


187  f.    Q.  Cicero.    Tiro.  341 

lat.  von  Burmann  HI,  88.  V,  41;  bei  Meyer  Anfch.  lat.  I.  p.  16.    Vgl.  Orelli's 
Cic. '  IV.  p.  1053  f.   Baiter-Kayser  XI.  p.  138. 

188.  Cicero's  Freigelassener  und  Freund,  M.  TuUius  Tiro, 178 
überlebte  seinen  Patronus  lange  und  sorgte  pietatsvoU  für  dessen 
Andenken,  indem  er  dessen  Leben  beschrieb.  Reden  und  Briefe 
desselben  herausgab,  auch  vielleicht  seine  Witzworte  sammelte. 
Ausserdem  verfasste  er  selbständige  Schriften  encyclopädischen 
und  grammatischen  Inhalts  und  scheint  sich  auch  mit  Dicht- 
kunst befasst  zu  haben.  Besonders  berühmt  aber  ist  sein  Name 
geworden  durch  die  notae  Tironianae. 

1.  Cic.  ad  Farn.  XVI,  4,  3:  innumerabilia  tua  sunt  in  me  officia:  do- 
mestica,  forensia;  urbana,  provincialia;  in  re  privata,  in  publica;  in  studiis, 
in  litteris  nostris.  17,  1:  %avmv  esse  meorum  scriptorum  soles.  Vgl.  ad 
Att.  VII,  ö,  2.  Gell..  VI  (Vn),  3,8:  Tiro  Tiülius,  M.  Ciceronis  libertus, 
sane  quidem  fuit  ingenio  homo  eleganti  et  haudquaquam  rerum  littera- 
rumque  yeterum  indoctus,  eoque  ab  ineunte  aetate  liberaliter  insütuto  ad- 
miniculatore  et  quasi  administro  in  studiis  litterarum  Cicero  usus  est.  ib. 
XIII,  9,  1.  XV,  16,  2.  Freigelassen  wurde  er  J.  7D0  d.  St.  (Cic.  ad  Farn, 
XVI,  16).  J.  704  war  er  noch  adolescens  (ad  Att.  VI,  7  extr.).  Hieronym. 
zu  Euseb.  Chron.  ad  a.  Abr.  2013  (Freher.  2012)  ==  760  d.  St.:  M.  Tul- 
lius  Tiro,  Ciceronis  libertus,  qui  primus  notas  commentus  est,  in  Puteolano 
praedio  (vgl.  Cic.  Farn.  XVI,  21,  7)  usque  ad  centesimum  annum  conse- 
nescit.  J.  C.  d'Engelbronner,  de  M.  TuUio  Tirone,  Amsterdam  1804.  4.  A. 
Lion,  Tironiana,'in  Seebodes  Archiv  1824,  p.  246  ff.  und  ed.  alt.,  Gotting. 
1846.  Drumann,  G.  R.  VI.  S.  405—409  W.  Teuffei  in  Pauly's  Real-Enc. 
VI,  2:   S.  2207  f. 

2.  Ascon.  in  Milon.  p.  49  Or.:  ut  legimus  apud  Tironem  libertum  Ci- 
ceronis in  libro  IUI  de  yita  eins.  Die  Tendenz  der  Schrift  war  eine  apo- 
logetische. Plutarch,  welcher  (Cic.  41.  49)  dieselbe  anführt,  hat  sie  jeden- 
falls bei  einem  Theile  seines  Biog  Kinigcovog  benützt;  s.  H.  Peter,  Quellen 
Plutarchs  S.  129—136.  Tac.  dial.  17.  Gell.  IV,  10,  6.  —  ib.  XV,  16,  2:  a 
Tirone  .  .  librorum  patroni  sui  studiosissimo.  Eine  auf  ihn  zurüclfgehende  ' 
Handschrifb  der  Beden  des  Cic.  ib.  I,  7,  1  (in  oratione  Cic.  V  in  Verr., 
libro  spectatae  fidei,  Tironiana  cura  atque  disciplina  facto)  u.  Xm,  21,  16 
(in  uno  atque  in  altero  antiquissimae  fidei  fibro  Tironiano).  Quintil.  X,  7, 
31  (oben  177,  4).  Wahrscheinlich  war  Tiro  auch  der  Herausgeber  cicero- 
nischer  Briefsammlungen;  s.  oben  180,  3.  181,  4.  Endlich  galt  er  far  den 
Urheber' der  Sammlung  von  ioci  Ciceronis.  Quintil.  VI,  3,  6:  utinam  libertus 
eius  Tiro,  aut  alius  quisquis  fuit,  qui  tris  hac  de  rO  libros  edidit,  parcius 
dictorum  numero  indulsissent  etc.  Macrob.  S.  II,  1,  12:  liberti  eius  libros 
qnos  is  de  iocis  patroni  composuit.  Schol.  Bob.  in  Sest.  p.  309  Or.:  hoc 
etiam  dictum  .  .  Tullius  Tiro  .  .  inter  iocos  Ciceronis  adnumerat. 

3.  Gell.  VI  (VII),  3,  10:  (Tiro)  epistulam  conscripsit  ad  Q.  Axium,  fa- 
miliärem patroni  sui,  confidenter  nimis  et  calide,  in  qua  sibimet  visus  est 
orationem    (des   alten  Cato)   pro  Rhodiensibus  acri  subtilique  iudicio  per- 


342  Ciceronische  Zeit.   Erste  Hälfte,  J.  671—691. 

ceoBuisse  (wahrscheinlich  in  maiorem  gloriam  patroni).  X,  1,  7:  quod  .  . 
Tiro  Tullios  .  .  in  epistula  qnadam  jenarratius  scripsit  ad  hunc  ferme  mo- 
dum.  Xin,  9,  2  ff.:  (Tnllins  Tiro)  libros  complures  de  usn  atqne  ratione 
lingnae  latinae,  item  de  variis  atque  promiscais  qnaesüonibus  composnit. 
in  his  esse  praecipae  videntnr  quos  graeco  titolo  Uavdixiag  inscripsit. 
ibi  de  his  stellis  .'.  hoc  scriptum  est.  Charis.  II.  p.  186  P.  ==  207,  30  E.: 
„novissime"  Tiro  in  Pandecte  non  recte  ait  dici  etc.  —  Cic.  Fam.  XVI,  18,  3 
(J.  709):  tn  (Tiro)  nullosne  tecum  libellos?  an  pangis  aliquid  Sophocleum? 
fac  opus  appareat. 

4.  Suetonius  (ed.  Beifferscheid  p.  135  f.)  und  aus  ihm  Isidor  Orig.  I, 
21  und  eine  Casseler  Hdschr.  der  Notae  Tironis  et  Senecae  (W.  Schmitz, 
Symb.  phüol.  Bonn.  S.  532) :  vulgares  notas  Ennius  primus  mille  et  centum 
inyenit.  notarum  usus  erat  ut  quidquid  pro  contione  aut  in  iudicüs  dice- 
retur  librarii  scriberent  simul  astantes,  divisis  inter  se  partibus  quot  quis- 
que  verba  et  quo  ordine  exciperet.  (Vgl.  Manil.  Astr.  IV,  197  ff.  Quintil. 
XI,  2,  26.  Auson.  epigr.  146.)  Bomae  primus  TuUius  Tiro,  Ciceronis  li- 
bertus,  commentatus  (wohl  commentus,  wie  bei  Hieronymus,  s.  A.  1)  est 
notas,  sed  tantum  praepositionum.  post  eum  Vipsanius,  Philargyrus  et 
Aquila,  libertus  Maecenatis  (auch  bei  Dio  LV,  7;  s.  unten  217,  8)  alius 
alias  addiderunt.  denique  Seneca  contracto  omnium  digestoque  et  aucto 
numero  opus  effecit  in  quinque  milia.  Der  hier  genannte  Ennius  ist  wohl 
nicht  der  Dichter  (wie  noch  W.  Schmitz,  de  Eom.  tachygr.  1869.  p.  6  ff. 
annimmt),  sondern  der  Grammatiker  (oben  156, 13),  welcher  bei  vernünftigerer 
Anordnung  vor  „denique  Seneca"  aufzuführen  gewesen  wäre.  Unter  der 
Aufschrift  Notae  Tironis  (Tyronis)  et  Senecae  ist  eine  reichh£dtige  Samm- 
lung solcher  Abkürzungen,  aus  verschiedener  Zeit  und  in  sechs  commen- 
tarii  zerfallend,  auf  uns  gekommen,  veröffentlicht  zuerst  1603  von  Gruter 
in  seinem  Thesaurus  inscriptionum  (vgl.  W.  Schmitz,  Rhein.  Mus.  XVIII. 
S.  145—148.  XXV.  S.  161—163.  312.  429—431),  wornach  ü.  F.  Kopp  in 
meiner  Palaeographia  critica  (Mannheim  1817.  4.)  II  ein  Lexicon  Tironiai^imi 
ausarbeitete.  Ein  Verzeichniss  der  Handschriften  dieser  notae  bei  Kopp  I. 
§.  331—354  und  bei  Zeibig  S.  57  ff.  Dazu  Th.  Sickel,  Urkunden  der  Ka- 
rolinger I.  S.  326^-339,  und:  das  Lexicon  Tironianum  der  Göttweiger  Stifts- 
bibliothek, Sitzungsber.  der  Wiener  Ak.  XXXVITI.  1861.  lieber  die  (älteste) 
Casseler  und  die  Wolfenbüttler  Handschrift  s.  W.  Schmitz,  Tironiana,  in 
der  Symb.  philol.  Bonn.  S.  531 — 650.  Zur  Sache  vgl.  G.  Michaelis,  über 
das  den  tironischen  Noten  unterstellte  Princip  der  Prädicatskürzung,  in 
seiner  Zeitschr.  f.  Stenographie  1859,  Nr.  1.  J.  W.  Zeibig,  Geschichte  und 
Literatur  der  Geschwindschreibekunst,  Dresden  1863;  Nachträge  dazu, 
Dresden  1867. 

170  189.  Der  gebundenen  Form  bedienten  sich  in  dieser  Zeit 
ausser  Varro,  Hortensius,  den  beiden  Cicero  u.  A.  auch  der  Sa- 

'  tiriker  L.  Albucius  und  der  Didaktiker  Egnatius  (de  rerum 
natura),  sowie  Sueius  und  Ninnius  Crassus.  Ein  Nachzügler 
der  palliata  scheint  Quintipor  Clodius  gewesen  zu  sein.  Bedeu- 
tender  war   der  römische  Ritter   D.  Laberius    (J.  649  —  711), 


188  f.   Notae  Tironianae.   Laberius  u.  a.  Dichter.  343 

welcher  in  seinen  Mimen  griechische  Büdung  mit  volksmässiger 
Derbheit  zn  verbinden  wusste^  sowie  M.  FuFius  Bibaculus  aus 
Cremona  (geb.  651  d.  St.),  Verfasser  von  Spottgedichten  in  der 
Weise  des  Catull,  namentlich  gegen  die  Monarchisten,  femer 
eines  Sammelwerkes  (Lucubrationes),  vielleicht  auch  eines  Epos 
über  den  gallischen  Krieg. 

1.  Yarro  B.  B.  III,  2,  17:  L.  Albucius,  homo,  ut  scitis,  apprime  do- 
ctus^  cuias  Luciliano  charactere  sunt  libelli,  dicebat  etc.  vgl.  ib.  6,  6:  Hör- 
tensiuB,  .  .  quem  secuti  multi,  ut  qoidem  Albucius  aiebat.  Fronto  p.  113  f. 
Naber:  in  poetis  quis  ignorat  ut  gracilis  sit  Lncilius,  Albucius  aridus^,  su- 
blimis  Lucretius  ? 

2.  Macrob.  Sat.  VI,  5,  2:  Egnatius  de  rerum  natura  libro  primo  (nach 
Accius  in  Philoctete  und  vor  LucretiuB  in  secundo);  ebenso  ib.  12  (nach 
Livius,  EnniuB,  Accius,  vor  Comificius).  Von  den  dort  angefahrten  Hexa- 
metern zeigt  einer  prosodisches  Ignorieren  des  auslautenden  s. 

3.  Cic.  ad  Qu.  fr.  IT,  11,  4  (J.  700):  si  Sallustii  Empedoclea  legeris, 
hominem  non  putabo.  Auf  den  Geschichtschreiber  Sali,  bezieht  diess  A. 
Schöne  in  Fleckeisens  Jahrbb.  93,  S.  761  —  756,  auf  Cn.  Sallustius  (in  Ci- 
cero's  Briefen)  W.  Teuffei  in  Pauly.'s  Beal-Enc.  VI,  1.  S.  703,  Nr.  3. 

4.  üeber  Sueius  (Moretum)  s.  oben  29,  2.  M.  Hertz,  Berl.  Jahrbb.  1843. 
IL  S.  232  f. 

5.  Ueber  Ninnius  Crassus  s.  oben  148,  7. 

6.  Varro  in  Bimarco:  cum  Quintipor  Clodius  tot  comoedias  sine  uUa 
fecerit  Musa  etc.  Non.  p.  448.  Die  Bezeichnung  als  comoediae  macht 
wahrscheinlich  dass  es  Palliaten  waren.  Vgl.  oben  16,  1.  Vielleicht  sind  daher 
Varro's  Worte  bei  Non.  p.  117  mit  AI.  fidese  zu  schreiben:  Quintdporis  Clodi 
Antipho  fies  ac  poemata  eins  gargaridians  dices:  0  Fortuna  etc.  (aus  Ter. 
Phorm.  841,  wo  Geta  den  Vers  spricht). 

7.  Sueton.  Caes.  39:  ludis  (des  J.  709  d.  St.)  D.  Laberius  eques  rom. 
mimum  suum  egit.  Vgl.  Macrob.  S.  H,  7,  2:  Laberium,  asperae  libertatis 
(nach  dem  Massstabe  der  Eaiserzeit)  equitem  rom.,  Caesar  .  .  invitavit  ut 
prodiret  in  scenam  et  ipse  ageret  mimos  quos  scriptitabat,  wo  mimum 
quem  scripserat  sachlich  richtiger  wSxe.  Denn  Lab.  hatte  bis  dahin  mimi 
für  die  von  Magistraten  gegebenen  ludi  (vgl.  Macrob.  II,  6,  6)  verfasst, 
ohne  selbst  aufzutreten,  und  wird  ein  zweites  Mal  auch  nicht  aufgetreten 
sein.  Vgl.  Sen.  Controv.  VII.  p.  207  und  (besser)  414  f.  Bu.  Damals  hatte 
Lab.  sein  sechzigstes  Lebensjahr  vollendet  (v.  109  Bb.),  war  somit  648—649 
geboren.  Hieron.  zu  Eus.  Chr.  ad  a.  Abr.  1794  =  711  d.  St.:  Laberius  mimo- 
rum  scriptor  decimo  mense  post  C.  Caesariß  interitum  (also  Januar  711) 
Puteolis  moritur.  Ergreifender  Prolog  zu  dem  (unfreiwilligen)  Auftreten 
des  J.  709,  erhalten  durch  Macrob.  11,  7,  3  (aus  Gell.  VHI,  16).  Politische 
Anspielungen  ib.  4  f.  Vgl.  Gell.  XVÜ,  14,  2:  C.  Caesarem  ita  Laberii 
maledicentia  et  adrogantia  (nach  Caesars  Meinung)  offendebat  ut  acceptiores 
sibi  esse  Publilii  quam  Laberii  mimos  praedicaret.    Auch  im  Leben  führte 


344  Ciceronische  Zeit.   Erste  Hälfte,  J.  671—691. 

Lab.  eine  scharfe  Zunge;  s.  Sen.  1.  1.  und  Macrob.  II,  3,  10.  6,  6.  Die  44 
Titel  die  wir  von  seinen  Stücken  kennen  und  die  sonstigen  Ueberreste 
zeigen  wie  der  mimus  alle  früheren  Gattungen  der  Komödie  in  sich  auf- 
genommen hat,  das  Griechenthum  der  palliata,  das  Familienleben  und  den 
römischen  Boden  der  togata,  die  Derbheit  und  Schamlosigkeit  der  Atellane. 
Neben  den  palliatenähnlichen  Titeln,  (vgl.  oben  8,  4)  auch  von  Ständen 
und  Beschäftigungen  entnommene,  wie^Augur,  Catularius,  Gentonarius,  Co- 
lorator,  Fullo,  Piscator,  Bestio,  Salinator^  Staminariae;  Intriken-  und  Cha- 
rakterstücke wie  Aries,  Cancer,  Carcer,  Imago,  Nuptiae,  Paupertas,  Taurus; 
Aulularia,  Caeculi,  Galli,  Gemelli,  Late  loquentes,  Sorores,  Strictnrae, 
Virgo;  Cretensis,  Tusca;  Anna  Perenna,  Lacus  Avemus;  Compitalia,  Natal, 
Purilia,  Saturn  alia.  Dass  der  mimus  auf  der  Höhe  der  Zeitbildung  steht 
erhellt  aus  Anspielungen  auf  Pythagorea  dogma,  Cynica  haeresis,  Demo- 
critus;  aber  auch  die  Sittenlosigkeit  der  Zeit  ist  reichlich  vertreten.  Kühne 
Wortbildungen  des  Laberius,   z.  B.  Gell.  XYI,  7,  1  f.    Tertull.  de  pall.  1. 

'  Manches  aus  der  Sprache  des  Pöbels  (Gell.  XIZ,  13,  3).  Y.  55  Bb.  das 
Bekenntniss:  versorum,  non  numerum  numero  studuimus.  Die  Senare  sind 
gebaut  wie  die  der  bisherigen  poetae  scenici  und  meist  sehr  fliessend;  ausser- 

.  dem  Trochäen,  vereinzelt  Bacchien.  Die  Ueberreste  bei  Bothe  scen.  p.  205  ff. 
und  in  Ribbecks  com.  lat.  p.  237  —  268.  Ueber  Lab.  s.  besonders  C.  J. 
Grysar,  der  röm.  Mimus  (1864)  S.  290—296. 

8.  Hieron.  in  Euseb.  Chron.  ad  a.  Abr.  1914  =  651  d.  St.  (Todesjahr 
des  Turpilius  und  Lucilius):  M.  Furius  poeta  cognomento  Bibaculus 
Cremonae  nascitur.  Willkommen  wäre  die  Ahnahme  von  C.  Nipperdey,  in 
Hör.  Satt.  I  comm.  altera  (Jena  1858.  4.)  p.  12—15,  dass  Hieron.  das  Ge- 
burt^ahr  des  Bib.  um  mindestens  20  Jahre  zu  früh  angesetzt  habe,  falls 
sie  durch  etwas  Anderes  begründet  wäre  als  den  Wunsch  die  eigene  Vor- 
stellung von  dem  Dichter  mit  dessen  Lebenszeit  in  Einklang  zu  bringen. 
—  Quintil.  X,  1,  96:  iambus  .  .  cuius  acerbitas  in  Catullo,  Bibaculo,  Ho- 
ratio  .  .  reperietur.  Diomed.  III.  p.  842  P.  »  486,  17  K.  (s.  oben  33,  1). 
Tac.  A.  IV,  34:  carmina  Bibaculi  et  CatuUi  referta  contumeliis  Ca^sarum 
leguntur;  sed  ipse  divus  lulius,  ipse  divus  Augustus  et  tulere  ista  et  reli- 
quere.  Die  Ueberreste  des  Bib.  (Hendekasyllaben ,  Jamben,  Hexameter)  in 
L.  Müller's  CatuUus  (1870)  p.  89  f.  Ribbeck,  Append.  Verg.  p.  7  f.  hält 
ihn  auch  fär  den  Verfasser  von  Vergil.  Catal.  5.  Der  Hexameter  bei  Schol. 
Juv.  VIII,  16  (Bibaculus:  Osce  senex  Catinaeque  puer,  Cumana meretrix)  wird 
aus  einem  Epigramm  sein.  Plin.  N.  H.  praef.  24  über  die  Wahl  von  Bücher- 
titeln: nostri  .  .  facetissimi  Lucubrationum  (inscripserunt) ,  puto  quia  Bi- 
baculus erptt  et  vocabatur.  Darnach  wohl  Macrob.  S.  II,  1,  13:  is  locus  (des 
Cicero)  .  .  mihi  ex  libro  Fasii  Vivaculi  notus  est.  Mit  Beziehung  auf  dieses 
Werk  wohl  Messala  Corvinus  in  quadam  epistola  .  .  non  esse  sibi  dicit 
rem  cum  Furio  Bibaculo,  ne  cum  Ticida  quidem  aut  litteratore  Catone 
(Suet.  gramm.  4). 

9.  Die  Literatur  über  den  leeren  Streit  ob  bei  Plinius  praef.  24  (A.  8)  Biba- 
culus oder  (zur  „Ehrenrettung"  des  Dichters)  Vivaculus  zu  schreiben  sei  s.  bei 
W.  Teuffei  zu  Hör.  Sat.  II,  5,  40.  S.  135.  Dass  Bib.  lange  lebte  zeigt  Suet. 
gramm.  9:   Orbilius  (geb.  642)  vixit  prope  ad  centesimum  aetatis  annum, 


180  f.   Bibaculus.    Uebersicht.  345 

amissa  tarn  pridem  memoria,  ut  versus  Bibaculi  docet:  Orbilifis  nbinam 
est,  litterarum  oblivio?  Sollte  dieses  iam  pridem,  was  physisch  kaum 
denkbar,  sogar  auf  16  Jahre  ausgedehnt  werden,  so  könnte  Bib.  das  betr. 
Gredicht  um  726  verfasst  haben.  Von  dieser  Seite  wäre  sonach  kein  Hin- 
demiss  die  Worte  des  Horaz  (S.  II ,  6,  40  f.  vom  J.  724  d.  St.):  seu  pingui 
tentus  omaso  Furius  hibemas  cana  nive  conspuet  Alpes  auf  Bib.  zu  be- 
ziehen. Porphyr,  z.  d.  St.:  hie  versus  Furii  Vivaculi  est.  ille  enim,  cum 
vellet  Alpes  nivibus  plenae  describere,  alt:  luppiter  hibemas  cana  nive 
conspuit  Alpes,  welchen  Vers  auch  Quintil.  VIII,  6,  17  als  Beispiel  einer 
harten  Met-apher  anführt.  Specieller  Acro  ad  1. :  Furius  Vivaculus  in  präg- 
matia  belli  gallici:  luppiter  u.  s.  w.  Ist  diess  richtig,  so  wäre  Bib.  an- 
fänglich ein  Bewunderer  Caesars  gewesen  und,  wie  Andere,  erst  als  seine 
monarchischen  Bestrebungen  hervortraten  sein  bitterer  Gegner  geworden. 
Diess  ist  ebenso  leicht  möglich  wie  dass  derselbe  Schriftsteller  früher 
ein  schwülstiger,  später  und  in  einer  anderen  Gattung  ein  schneidiger 
Dichter  gewesen  sei.  Zweifelhafter  ist  ob  auf  Bib.  auch  zu  beziehen  ist 
Hör.  S.  I,  10,  86  f.:  turgidus  Alpinus  iugulat  dum  Memnona,  dumque  de- 
fingit  Rheni  luteum  caput,  wozu  zwar  bei  Acro:  Bibaculum  quendam  poe- 
tam  gallum  tangit,  der  demnach  auch  eine  Aethiopis  verfasst  haben  müsste ; 
aber  Porphyrie:  Cornelius  Alpinus  Memnona  hexametris  nimirum  descri- 
psit.  Gewiss  ist  dass  die  Verse  bei  Gell.  XVIII,  11  nicht  von  Bib.  her- 
rühren; s.  oben  138,  4.  Eirchner's  Vermutung  (Comm.  zu  Hör.  S.  I.  1865. 
S.  329),  dass  die  acht  Eingangsverse  vor  Hör.  S.  I,  10  den  Bib.  zum  Ver- 
fasser haben,  hat  wenig  für  sich. 

10.  Unkritische  Stoffsammlung  bei  A.  Weichert,  de  M.  Furio  Bibaculo 
poeta,  in  seinen  poett.  latt.  vitae  p.  831 — 364.  Das  andere  Extrem  ist  ver- 
treten durch  C.  Nipperdey,  1.  1.,  welcher  auch  behauptet  dass  Hör.  unmög- 
lich einen  so  berühmten  Dichter  wie  Bib.  habe  verspotten  können,  sondern 
ein  unbekannter  Furius  Alpinus  von  ihm  gemeint  sei.  A.  Wissowa,  über 
die  den  Dichter  Furius  betreffende  Stelle  in  Hör.   S.  II,  5.  Berlin  1867.  4. 

Zweite  Hälfte  der  eiceronischeii  Zeit. 

Die  Jahre  691—711  d.  St. 

190.  In  diesen  Jahren  tritt  Caesar  in  den  Vordergrund,  igo 
Es  ist  eine  Zeit  wo  die  politischen  Stürme  sich  im  Bürgerkriege 
austoben.  Innerhalb  dieser  Zeit  selbst  aber  heben  sich  wiederum 
zwei  Generationen  gegen  einander  ab.  Zur  älteren  gehören  von 
Geschichtechreibem,  ausser  Caesar  selbst,  Cornelius  Nepos  und 
Caesars  Forteetzer  Hirtius,  sowie  Oppius;  von  Gelehrten  und 
Lehrern  Nigidius,  Valerius  Cato,  Orbilius;  der  Stoiker  Cato;  die 
Juristen  Ofilius  und  Cascellius;  die  Redner  Calidius  und  Mem- 
rnius;  endlich  der  Dichter  Lucretius. 

1.  Zu  derselben  (älteren)  Generation  (§.  190—201)  scheint  Maecius 
Tarpa  zu  gehören,  welcher  schon  J.  699  als  dramatischer  Kritiker  thatig 


34Ü  Cicerouische  Zeit.   Zweite  Hälfte,  J.  691—711. 

war  (Cic.  ad  fam.  YII,  1,  1:  nobis  eraut  ea  perpetienda  quae  Sp.  Maecius 
probayisset) ,  ohne  dass  bekannt  w&re  ob  diese  Verwendung  desselben  sich 
auf  literarische  Leistungen  gründete.  Denn  sehr  zweifelhaft  ist  seine  Iden- 
tität mit  dem  in  Donats  Zusatz  zur  yita  Ter.:  duos  Terentios  poetaa  fuisse 
scribit  Metius.  Später  nahm  er  gleichfalls  eine  Amtsstellnng  bei  Becita- 
tionen  im  collegium  poetarum  ein  (Hör.  S.  I,  10,  46  und  dazu  die  Verhandl. 
der  Heidelberger  Philologenvers.  S.  163 — 166)  und  wird  daher  von  Horaz 
(Ep.  II,  3,  387)  sprüch wörtlich  fOr  einen  Eunstrichter  genannt. 

181  191.  C.  lulins  C.  f.  C.  n.  Caesar  war  geboren  den  12  Juli 
654  (100)  als  Sohn  eines  Vaters  der  schon  nach'  der  Prätur  ge- 
storben war  und  der  trefflichen  Aurelia.  Als  Verwandter  des^ 
Marius  gerieth  er  nach  SuUa's  Sieg  in  Gefahr,  diente  J.  674  ff. 
in  Asien,  begann  seine  rednerische  und  politische  Laufbahn  mit 
Anklagen  gegen  Mil^lieder  der  Nobilität  wegen  Erpressungen, 
bildete  sich  J.  679  in  Rhodos  weiter  aus,  wurde  Quästor  (687) 
in  Hispania  ulterior,  Aedil  689,  pontifex  maximus  691,  war 
Prätor  692,  Proprätor  in  Hispania  ulterior  693  f.,  Consul  695 
(59),  nachdem  er  694  mit  Pompejus  und  Crassus  das  erste  Tri- 
umvirat geschlossen  und  von  jeher  durch  alle  Mittel  sich  als 
Mann  des  Volkes  hinzustellen  gewusst  hatte.  Die  Jahre  696 — 
704  war  Caesar  Proconsul  in  Gallien,  dieses  Land  den  Römern 
unterwerfend  und  innerlich  ordnend,  zugleich  aber  sich  selbst 
reiche  Mittel  verschaffend  und  ein  kriegsgewohntes,  ergebenes 
Heer  heranbildend.  Mit  diesem  erkämpfte  er  sich  J.  705 — 708 
die  Alleinherrschaft  (Cos.  H  707,  lU  708),  die  er  J.  709  f.  be- 
kleidete, als  Consul  sine  collega  (IV  J.  709,  V  710)  und  dicta- 
tor  reip.  constituendae,  bis  er  am  15.  März  710  den  Streichen 
seiner  Mörder  erlag. 

m 

t.  Quellen  für  das  Leben  Caesars  ausser  seinen  commentarii  besonders 
Sueton's  d.  lulius,  nächstdem  Plutarchs  ßiog  KaCaaqoq^  letzterer  wohl  aus 
denselben  Quellen  wie  Appian's  'E{KpvXia^  wahrscheinlich  Asinius  Pollio 
und  Livius;  s.  H.  Peter,  Quellen  Plutarchs  (1866)  S.  119—129. 

2.  Gesammtdarstellungen  des  Lebens  von  Caesar:  W.  Drumann  G.  B. 
in.  (1837.)  S.  129—762;  im  Auszuge  von  C.  Krafft,  Pauly's  Real-Enc.  IV. 
S.  427—483.  P.  van  Limburg-ßrouwer,  Cesar  en  zjjne  tijdgenooten,  3  Theile, 
Groningen  1844—1846.  Mommsen  R.  G.  III.  Eöchly  und  Rflstow,  Einl. 
zu  Caes.  Comm.  üb.  d.  gall.  Krieg  (1857)  S.  9  —  60  (bis  J.  703).  C.  Peter, 
G.  R.  II.  S.  209  £F.  Merivale's  Gesch.  d.  R.  unter  dem  Kaiserthum,  Bd.  I 
der  deutschen  üebersetzung  (Leipzig  1866).  Napoleon's  III  histoire  de 
Jules  C^sar,  bis  jetzt  zwei  Bände,  Paris  1866  (mit  Atlas)  u.  1866.  Zugleich 
in  deutscher  üebersetzung  (Wien,  Gerold). 

3.  Die  überlieferte'  Datierung  von  Caesars  Geburtsjahr  hat  gegen 
Mommsen  III'.    S.  15  f.  A.    (welcher  652  wollte)   vertheidigt  C.  Nipperdey, 


J 


191  f.   Caesar'B  Leben  und  Charakter.  347 

Abhandl.  d.  sächs.  Ges.  d.  Wiss.  1866.  V.  S.  Sff.,   indem  er  vielmehr  die 
gewöhnliche  Ansicht  von  den  leges  annales  als  unrichtig  nachwies. 

192.  Caesar's  Begabung  ist  von  wunderbarer  Vielseitigkeit:  182 
ebenso  gross  als  Staatsmann  wie  als  Feldherr^  war  er  durch 
Klarheit  des  Greistes  und  eiserne  Energie  des  Willens  zum 
Herrscher  über  eine  ihrer  selbst  nicht  mehr  mächtige  Zeit  be- 
rufen ^  erkannte  diesen  Beruf  frühzeitig  und  verfolgte  ihn  mit 
dem  ganzen  Aufwand  seiner  geistigen  Mittel,  durch  List  wie 
Kühnheit,  mit  ruhiger  Stätigkeit  und  weitsichtigster  Berechnung. 
Aber  die  Eigenschaften  die  ihn  zum  Herrscher  Roms  empor- 
hoben waren  wenig  geeignet  ihn  zum  glänzenden  Schriftstellei;' 
zu  machen.  Obwohl  er  die  Sprache  mit  vollkommenster  Sicher- 
heit in  Rede  wie  Schrift  handhabte,  so  war  ihm  doch  beides 
immer  nur  Mittel  für  bestimmte  politische  Zwecke  und  nach 
Gegenstand  wie  Art  bedingt  durch  diese  Zwecke  und  seine 
ganze  phantasiefreie  Persönlichkeit.  Darum  legte  er  selbst  nur 
geringen  Werth  auf  seine  Beredtsamkeit,  obwohl  er  darin  in 
seiner  Zeit  nur  dem  Cicero  nachstand  und  durch  Schärfe,  Ge- 
schmack und  Lebhaftigkeit  der  Sprache  und  des  Vortrags  sich 
auszeichnete;  noch  geringeren  gewiss  auf  die  Verse  die  er  nicht 
blos  in  seiner  Jugend  machte.  Den  nüchternen  Denker  bekun- 
det das  Schriftstellern  über  Sprachrichtigkeit,  den  heitern  ge- 
winnenden Lebemann  das  Sammeln  von  Witzen;  dagegen  die 
Abfassung  eines  astronomischen  Werkes  (de  astris)  stand  wohl 
mit  Caesars  Kalenderverbesserung  in  Zusammenhang,  und  ganz 
unzweifelhaft  dienten  der  Politik  die  Schriften  gegen  den  zum 
Märtyrer  der  Republik  erhobenen  Cato,  sowie  Caesars  commentarii. 

1.  Caesar  als  Redner.  Cic.  Brut.  72,  262:  de  Caesare  .  .  itä  iudico, 
.  .  illum  omninm  fere  oratorum  latine  loqni  elegantissime.  (vgl.  unten  A. 
4),  nee  id  solum  domestica  consuetudine  .  .  sed  .  .  multis  litteris,  et  eis 
qnidem  reconditis  et  exquisitis,  summoqjie  studio  et  diligentia  .est  conse- 
cutus.  76,  261:  splendidam  quandam  minumeque  veteratoriam  rationem 
dicendi  tenet,  voce,  motu,  forma  etiam  magnifica  et  generosa  quodammodo. 
Fronto  Epist.  p.  123  Nab.:  Caesari  facultatem  dicendi  video  imperatoriam 
füisse.  Quintil.  X,  1,  114:  C.  Caesar  si  foro  tantum  vacasset,  non  alius  ex 
nostris  contra  Ciceronem  nominaretur.  tanta  in  eo  vis  est,  id  acumen,  ea 
concitatio  ut  illum  eodem  animo  dixisse  quo  bellavit  appareat;  exomat 
tarnen  haec  omnia  mira  sermonis,  cuius  proprio  studiosus  fuit,  elegantia. 
Tac.  A.  XIII,  3:  dictator  Caesar  summis  oratoribus  aemulus.  Suet.  Caes. 
55:  post  accusationem  Dolabellae  (J.  677;  unrichtig  die  Hdss.  bei  Tac. 
dial.  34)  haud  dubio  principibus  patronis  annumeratus  est.  Vgl.  noch 
Quintil.  XII,    10,    11  (oben  43,  12).    Vellej.  II,   36.     Tac.  dial.  21  (A.  2). 


348  Ciceronieche  Zeit.    Zweite  Hälfte,  J.  691— 711. 

Apulej.  apol.  95.  Flut.  Caes.  3.  lieber  Caesar  als  Stilisten  überhaupt 
Hirtius ,  b.  g.  VUI.  praef .  7 :  erat  in  Caesare  facultas  atque  elegantia 
summa  scribendi. 

2.  Caesars  Beden.  Cic.  Brut.  75,  262:  orationes  eins  mihi  vehementer 
probantur,  compluris  autem  legi.  Tac.  dial.  21  Iftsst  seinen  Lobredner  der 
neuen  (kaiserlichen)  Beredtsamkeit  sagen:  concedamus  C.  Caesan  ut  propter 
magnitudinem  cogitationum  et  occupationes  rerum  minus  in  eloquentia 
effecerit  quam  divinum  eins  Ingenium  postulabat,  .  .  nisi  forte  quisquam 
Caesaris  pro  Decio  Samnite  .  .  ceterosque  eiusdem  lentitudinis  ac  teporis 
libros  legit.  .Gell.  lY,  16,  8:  C.  Caesar,  gravis  auctor  linguae  latinae,  .  . 
in  Dolabellam  actionis  1  lib.  I  (die  Hdss.:  actionis  111:  ibi).  V,  13,  6:  in 
oratioue  quam  pro  Bithynis  (J.  677,  s.  Rhein.  Mus.  XIX.  S.  577 — 681)  dixit 
hoc  principio  usus  est  (vgl.  Jul.  Rufus  8,  p.  40,  24  Halm).  Xlll,  3,  5:  rep- 
peri  in  oratione  C.  Caesaris  qua  Plautiam  rogationem  suasit  (J.  684?). 
Vgl.  Non.  p.  354.  Schol.  Bob.  p.  297  Gr.:  Caesaris  orationes  contra  hos 
(Memmius  und  Domitius,  J.  696)  exstant,  quibus  et  sua  acta  defendit  et 
illos  insectatur.  ib.  p.  317:  ibi  (im  Senat)  habitae  sunt  tres  ülae  orationes 
contra  Domitium  et  Memmium.  Suet.  Caes.  6:  in  amitae  laudatione  (J. 
686)  .  .  sie  refert.  55:  orationes  aliquas.  reliquit,  inter  quas  temere  quae- 
dam  feruntur,  wie  die  pro  Metello  (oben  43,  8)  und  apud  milites  in  Hispania. 
Zusammenstellung  der  Ueberreste  von  Caesars  Reden  und  der  Nachrichten 
über  siß  bei  Meyer,  oratt.  rom.  *  p.  408 — 420  und  in  Nipperdey's  Caes.  von 
1847,  p.  749—751. 

3.  Caesars  Gedichte.  Tac.  dial.  21 :  nisi  qui  et  carmina  eorundem  (des 
Caesar  und  M.  Brutus)  miratur.  fecerunt  enim  et  carmina  et  in  bjblio- 
thecas  rettulerunt,  non  melius  quam  Cicero,  sed  felicius,  quia  istos  fecissc 
pauciores  sciunt.  Suet.  Caes.  56:  feruntur  et  a  puero  et  ab  (ut  ait  Varro, 
ab  Bentley)  adulescentulo  quaedam  scripta,  ut  Landes  Herculis,  tragoedia 
Oedipus,  item  Dicta  coUectanea.  quos  omnis  libellos  vetuit  Augustus  pu- 
blicari.  ib.:  reliquit  et  .  .  poema  quod  inscribitur  Iter,  (quod  fecit)  .  . 
dum  ab  urbe  in  Hispaniam  ulteriorem  quarto  et  vicesimo  die  pervenit 
(J.  708).  Sechs  Hexameter  über  Terenz  bei  Suet.  v.  Terent.  5.  Plin.  N.  H. 
XIX,  8,,  144:  olus  .  .  d.  lulii  carminibus  .  .  celebratum.  Plin.  Ep.  V,  3,  5 
(oben  31,  1)  lässt  auf  erotische  Gedichte  (Epigramme?)  schliessen.  Vgl. 
noch' Plut.  Caes.  2:  noii^fucta  y^cptov, 

4.  Si](eton.  Cae6.  56:  reliquit  et  de  analogia  duos  libros,  .  .  (quos) 
in  transitu  Alpium,  cum  ex  citeriore  Gallia  conventibus  peractis  ad  exer- 
citum  rediret,  .  .  fecit  (J.  699?).  Fronto  Ep.  p.  221  Naber:  .  .  G.  Caesarem 
.  .  duos  de  analogia  libros  scrupulosissimos  scripsisse,  .  .  de  nominibus 
declinandis,  de  verborum  aspirationibus  et  rationibus.  Cic.  Brut.  72,  253: 
qui  etiam  in  maxumis  occupationibus  ad  te  (Cic.)  .  .  de  ratione  latine  lo- 
quendi  accuratissime  scripserit.  Gell.  XIX,  8,  3:  G.  Caesar,  .  .  vir  ingenii 
praecellentis,  sermonis  praeter  alios  suae  aetatis  castissimi,  in  libris  quos 
ad  M.  Ciceronem  de  analogia  conscripsit.  Wie  Caesar  auch  hier  Militär 
und  Regent  war  zeigt  der  Grundsatz  der  ib.  I,  10,  4  nach  dem  ersten  Buch 
angeführt  vrird,  ut  tamquam  scopulum  sie  fugias  inauditum  atque  insolens 
verbum.  ■  Zusammenstellung  der  Ueberreste  aus  dem  Werke  bei  Nipperdey 


192  f.   Caesar  als  Redner  und  Schrifteteller.   Caesara  Schriften.     349 

Caea.  (1847)  p.  753—757.  Lerach,  Sprachphilosophie  d.  Alten  I.  S.  129  ff. 
Fr.  Schütte,  de  G.  lulio  Caeaare  grammatico,  Halle  1865  (die  Fragmente 
p.  13—36). 

5.  Cic.  ad  Farn.  IX,  16,  4  (J.  708):  audio  Caeaarem,  cum  volumina 
iam  confecerit  'Anotp^syfuiztov ,  si  quod  afferatur  ad  eum  pro  meo  quod 
meum  non  sit  reicere  aolere.  Bei  Suet.  Caea.  66  (oben  A.  3)  Dicta  col- 
lectanea. 

6.  De  astria.  Macrob.  I,  16,  39:  luliua  Caesar  aiderum  motua,  de  qui- 
bua  non  indoctoa  libroa  reliquit,  ab  aegyptiia  diaciplinia  hauait.  Plin.  N. 
H.  im  QueUenverzeichniaa  (B.  I)  zu  B.  XVIII  unter  den  einheimiacben:  ex  .  . 
L.  Tarutio,  qui  graece  de  aatria  acripsit,  Caeaare  dictatore,  qui  item.  Wirk- 
lich iat  er  in  B.  XVIII  dann  öfbera  genannt,  ao  wie  von  Ptolemäua  und 
Lydua;  a.  Nipperdey  (1847)  p.  757—762.  Wie  die  Worte  dea  Pliniua  zwei- 
felhaft laaaen  ob  daa  Werk  griechiach  oder  lateiniach  geschrieben  war,  ao 
möchte  auch  daa  Schweigen  Sueton'a  über  dieaea  Werk  darauf  fähren  daaa 
ea  nicht  eigentlich  von  Caeaar  verfaaat,  aondem  in  aeinem  Auftrag  und 
nach  den  von  ihm  gegebenen  Gesichtspunkten  von  einem  Andern  (einem 
Griechen?)  ausgearbeitet  und  (unter  seinem  Namen?)  herausgegeben  war. 
Ueber  die  Augurien  aber  schrieb  L.  Caeaar,  a.  unten  196,  12. 

* 

7.  Suet.  Caea.  56:  reliquit  et  de  analogia  duoa  libroa  et  Antiaato»- 
nea  totidem  .  .  (quoa)  aub  tempua  Mundenaia  proelii  (17  März  709)  fecit. 
Juv.  VI,  338:  duo  Caesaria  Anticatonea.  Die  Schrift  war  gegen  Cicero'a 
Lobachrifb  auf  Cato  (oben  177,  6)  gerichtet,  unter  starken  Schmeicheleien 
gegen  Cicero  (Plut.  Caes.  3.  Cic.  39.  Plin.  N.  H.  VII,  30,  117),  aber  mit 
desto  grösserer  Bitterkeit  gegen  Cato,  den  er,  um  den  Heros  der  republi- 
nischen  Partei  seines  Nimbus  zu  entkleiden,  als  eine  lächerliche  Person  - 
hinstellte  und  nichts  Gutes  an  ihm  liess  (Plut.  Caes.  54.  Cato  min.  36.  52. 
54.  Plin.  £p.  III,  12).  Cicero  äusserte  sich  gegen  Caesar  selbst  über  diese 
Schrift  anerkennend  (ad  Att.  XIII,  50,  1.  51,  1),  anders  freilich  nach  Cae- 
sars Tod  (Top.  25,  94).  Vgl.  H.  Wartmann,  Leben  des  Cato  (1868)  S. 
161—175. 

8.  Dass  ein  Mann  von  Caesars  Stellung  einen  ausgebreiteten  Brief- 
wechsel hatte  ist  selbstverständlich,  und  es  gab  mehrere  Sammlungen  seiner 
Briefe,  die  naeh  seinem  Tode  gemacht  und  veröffentlicht  waren,  theilweise 
in  einer  Geheimschrift  gehalten,  zu  welcher  Sueton  (Caes.  56  vgl.  Gell. 
XVII,  9,  3  f.)  den  Schlüssel  gibt.  Suet.  1.  l.t  epistulae  quoque  eins  ad  se- 
natum exstant.  .  .  ezstant  et  ad  Ciceronem,  item  ad  familiäres  domesticis 
de  rebus  u.  s.  w.  Gell.  XVII,  9,  1:  libri  sunt  epistularum  C.  Caesar is  ad 
C.  Oppium  et  Balbum  Comelium,  qui  rebus  eins  abaentia  curabant.  Zu- 
aammenatellung  der  Anführungen  von  Briefen  dea  Caeaar  an  die  Genann- 
ten und  viele  Andere  bei  Nipperdey,  Caea.  (1847)  p.  766 — 783.  Briefe  von 
Caesar  an  Cic.  u.  A.  bei  Cic.  ad  Att.  IX,  6  A.  7  C.  13  A.  16.  X,  8  B. 

9.  F.  W.  Otto,  Nachlese  zu  der  Sammlung  von  Fragmenten  Caesara, 
Ztschr.  f.  d.  Alt.-W.  1850,  Nr.  39  f.  nebat  M.  Hertz,  Philologua  V.  S.  764  ff. 

193.   Erhalten   ist   von  Caesars   schriftlichen  Arbeiten   nuri83 
die   wichtigste,    seine    Denkwürdigkeiten    (commentarii).     Sie 


350  Ciceronieche  Zeit.    Zweite  Hälfte,  J.  691—711. 

erzählen  die  Geschichte  der  ersten  sieben  Jahre  des  gallischen 
Kriegs  in  sieben  und  die  Geschichte  des  Bürgerkriegs  bis  zum 
alexandrinischen  in  drei  Büchern  und  halten  die  Mitte  zwischen 
einer  blosen  Stoffsammlung  oder  den  flüchtig  hingeworfenen 
Bemerkungen  eines  Tagebuchs  und  einem  sorgfaltig  ausgefeilten 
historischen  Werke.  Aber  so  kunstlos  und  schlicht  die  Form 
ist,  so  reiflich  erwogen  ist  der  Inhalt.  Ohne  jemals  plump  die 
Wahrheit  zu  verletzen  versteht  der  Verfasser  meisterhaft  die 
Kunst  die  Thatsachen  zu  seinen  Gunsten  zu  gruppieren  und  am 
rechten  Orte  zu  schweigen;  ohne  je  in  Prahlerei  zu  verfallen 
oder  auch  nur  den  Schein  der  Objectivität  aufzugeben  weiss  er 
seine  Person  und  Verdienste  aufs  Trefflichste  ins  Licht  zu  setzen, 
sein  Handeln  als  berechtigt,  seine  Beweggründe  al«  rein  hinzu- 
stellen. Die  Bücher  über  den  gallischen  Krieg  veröffentlichte 
Caesar  nach  dessen  Beendigung,  J.  703;  die  über  den  Bürgerkrieg 
scheinen  nicht  vollendet  zu  sein. 

%  1.  Suet.  Caes.  56  in.:  reliquit  et  rerum  suarum  commentarios  gallici 
civilisqne  belli  pompeiani.  Cic.  Brat.  76,  262:  etiam  commentarios  quos- 
dam  BcripBit  rerum  suarum  valde  quidem  probaudos,  nudi  enim  sunt  recti 
et  venusti,  omni  ornatu  orationis  tamquam  veste  detracta.  Hirtius  b.  g. 
VIII.  praef.:  Caesaris  nostri  commentarios  rerum  gestamm  Galliae  .  . 
contexui  u.  s.  w.  constat  inter  omnes,  nihil  tam-operose  ab  aliis  esse 
perfectum  quod  non  horum  elegantia  commentariorum  superetur.  qui  sunt 
editi  .  .  adeo  probantur  .  .  ut  praerepta,  non  praebita  facultas  scriptoribus 
videatur.  .  .  ceteri  quam  bene  atque  emendate,  nos  etiam  quam  facile 
atque  celeriter  eos  perfecerit  scimus.  Sueton.  Gaes.  66:  Pollio  Asinius 
parum  diligenter  parumque  integra  veritate  compositos  putat,  cum  Caesar 
pleraque  et  quae  per  alios  erant  gesta  temere  crediderit  et  quae  per  se 
yel  consulto  vel  etiam  memoria  lapsus  perperam  ediderit,  existimatque 
rescripturum  et  correcturum  fuisse.  Letzteres  kann  nur  etwa  vom  bell, 
civ.  gelten;  s.  KOchly-Rüstow,  Einl.  z.  gall.  Krieg  S.  93.  Nachweisung 
einer  Anzahl  von  Entstellungen  des  Thatsächlichen  bei  Drumann  III.  S. 
756  f.  Dass  man  das  Werk  als  einseitige  Parteischrift  betrachtete  war 
vielleicht  mit  ein  Grund  warum  wir  es  so  wenig  berücksichtigt  finden. 
Strabon  IV.  p.  177  nennt  es  vTcofi/vi^nata ,  Plut.  Caes.  22  (sowie  Symmach. 
Epist.  IV,  18  und  Arator  ep.  ad  Parthen.  39  f.)  iq>rjfisQ£Sss  (vgl.  Appian. 
Celt.  18:  iv  taCg  IBCaig  avayqatpatq  rmf  U^cdv  l^ytov),  wie  Ap.  Sidon.  IX, 
14  missverständlich  beU.  gall.  VIII  als  Balbi  ephemeris  bezeichnet  Letz- 
terer (Ep.  IX,  14)  kennt  das  Werk  nur  dem  Titel  nach,  und  er  wie  Gros. 
VI,  7  missversteht  libri  C.  Caesaris  de  hello  gallico  so  als  ob  es  die  Bücher 
von  Caesars  gallischem  Kriege  bedeutete,  und  hält  Caesars  Biographen, 
Sueton,  für  den  Verfasser.    Vgl.  Roth's  Ausg.  des  Sueton  p.  CI  f. 

2.   Die   Handschriften  der   commentarii   zerfallen  in  zwei  Classen, 
von  denen  die  eine,   ältere  (saec.  IX  f.)  und  bessere,  nur  die  acht  Bücher 


193.   Caesars  Schriften.   Commentarii.  351 

de  bello  gallico  enthält,  die  andere,  jüngere  (saec.  XI  ff.)  und  qualitativ 
geringere,  sämmtliche  Bacher.  Zur  ersteren  gehören  besonders  Bongars.  I, 
Paris.  I,  Voss.  L,  Vat.,  auch  der  Moysiacensis  (M);  zur  zweiten  {jd  bei 
Dübner)  der  Thuaneus  (Par.  II),  Leidensis  I,  Ursinianus,  Yindobonensis  I, 
Andinus  und  Oxoniensis.  Der  Schluss  von  bell.  gall.  VIII  und  von  b. 
Hispan.  ist  in  keiner  'Handschrift  erhalten;  bell.  civ.  zeigt  auch  sonst 
Lücken,  üeber  die  Handschriften  beider  Classen  s.  Nipperdey  Ed.  1847, 
p.  37—50.  H.  J.  Heller  im  Philologns  XVII.  p.  492—609;  über  die  der 
ersten  A.  Frigell  in  der  Nordisk  ünivers.  Tidskr.  (Upsala  1857)  IH.  S.  50— 
58.  D.  Detlefsen,  Philologus  XVII.  ^.  649-660.  Whitte,  coli.  codd.  II  mss. 
Hayn.  Caes.  de  b.  g.,  Kopenhagen  1847. 

3.  Ausgaben  der  commentarii  (einschliesslich  der  Fortsetzungen). 
Ed.  princeps,  Rom.  1469.  fol.  lensoniana,  Yen.  1471.  fol.  Cura  Ph.  Bero- 
aldi  (Bonon.  1504.  fol.),  lo.  lucundi  (Aid.  1513,  1519),  Florentina  1508.  Ed. 
F.  Ursinus  (Antv.  1570),  I.  Lipsius  (Antv.  1585),  los.  Scaliger  (Lugd.  Bat. 
1606).  Sammelausgabe  (mit  den  Erklärungen  von  Glareanus,  Manutius  u. 
A.)  von  G.  Jungermann  (Frankfurt  1604.  4.).  Ex  rec.  lo.  Davisii,  Gantabr. 
1706.  1727.  4.  Cum  annotatt.  Sam..  Clarkii,  London  1712.  fol.  Cum  not. 
var.  ed.  I.  G.  Graevius,  Lugd.  Bat.  1713.  2  Voll.  Ebenso  cura  Fr.  Guden- 
dorpii,  Lugd.  Bat.  1737.  4.  (u.  Stuttgart  1822.  8.  2  Voll.).  Ed.  S.  F.  N.Mo- 
rus,  Lips.  1780  (cur.  I.  I.  Gberlin,  Lips.  1805.  1819). 

Kritische  Ausgaben:  Bec,  optimorum  codd.  auct.  ann.^  quaestiones 
criticas  (251  pp.)  praemisit  C.  Nipperdey,  Lips.  1847.  Annot.  crit.  instruxit 
Fr.  Dübner,  Paris  1867.  2  Voll.  Vgl.  W.  Dittenberger,  Götti.  Gel.  Anz. 
1870,  S.  6—28. 

Schulausgaben  mit  kurzen  Anmerkungen  (oder  Wörterbuch)  von  J.  Ch. 
Dähne  (Lips.  1825),  A.  Möbius  (Hannover  1826.  1830.  2  Bde.),  J.  C.  Held 
(Sulzbach  1822  ff.),  C.  G.  Herzog  (Leipzig  1825  ff.),  A.  Baumstark  (Freiburg 
1832),  Fr.  Kraner  (Berlin,  Weidmann),  A.  Doberenz  (Leipzig,  Teubner). 

Textabdrücke  von  C.  Nipperdey  (Lips.  1847.  1856),  E.  Hoffmann  (Vin- 
dob.  1856  f.).  Fr.  Kraner  (Lips,  Tauchn.,  1861),  B.  Dinter  (Lips,  Teubner, 
1864.  1870),  '^i.  Dübner  (Paris  1866)  u.  A. 

4.  üebersetzungen  gibt  es  in  alle  Sprachen.  Eine  in^s  Griechische  wurde 
im  16ten  Jahrh.  nach  der  Ausgabe  des  B.  Stephanus  (Paris  1544)  wahr- 
scheinlich in  Paris  von  einem  Franzosen  gemacht  und  von  Jungermann 
1606  erstmals  herausgegeben;  s.  H.  J.  Heller  im  Philologus  XIL  p.  107 — 
149.  Deutsche  z.  B.  von  Baumstark  (Stuttgart,  Metzler),  sowie  (gall.  Kiieg) 
von  Köchly  und  Rüstow  (Stuttgart,  Hoffmann,  1856). 

5.  Erläuterungsschriften  über  Caesar  und  seine  Memoiren  überhaut)t. 
C.  E.  Schneider,  über  Caesars  Charakter,  aus  seinen  Schriften,  in  Wach- 
ler's  Philomathie  I.  S.  180  ff.  D.  Henne,  de  Caes.  rerum  a  se  gestamni 
scriptore,  Paris  1843. 

J.  F.  ROsch,  über  die  Comm.  des  C.  nebst  Beiträgen  zur  röm.  Taktik, 
Haue  1783.  Napoläon  (I),  pr^cis  des  guerres  de  C^ar,  Paris  1835;  deutsch 
Stuttgart  1836.  W.  Rüstow,  Heerwesen  und  Kriegführung  Caesars,  Gotha 
1855.    Nordhausen  1862.    A.  v.  Cohausen,   Caesars  Rheinbrücken,  philolo- 


352  Ciceronische  Zeit.   Zweite  Hälfte,  J.  691— 711. 

g^sch,  militärisch  und  technisch  untersucht,  Leipzig  1867.  Schulkarten 
zum  b.  g.  und  civ.  von  H.  Rheinhard,  Stuttgart  1859.  W.  Rflstow,' Atlas 
zu  Caes.  gall.  Kr.  in  15  Karten  u.  Plänen,  Stuttg.  1868. 

üeber  die  Glaubwürdigkeit  der  Comm.  Caesars  Bresemer  (Berlin  1835.  4.), 
F.  Winkelmann '  (JahnH  Archiv  IL  S.  533  —  550),  F.  Eyssenhardt  (Jahns 
Jahrbb.  LXXXV.  S.  756—764),  F.  Seck  (de  .  .  fide,  Essen  1860  u.  1864.  4.). 

6.  Fl'.  H.  Th.  Fischer,  die  Rectionslehre  bei  Caesar,  Halle  1853.  1854.  4. 
C.  Kossak,  de  ablat.  absol.  usu  ap.  Caes.,  Gumbinnen  1858.  4.  Reinhardt, 
diÖ  tempora  und  modi  bei  Caesar,  Heilbronn  1859.  4.  W.  Dittenberger  im 
Hermes  IIL  S.  375—381  (esse  beim -Partie,  fut.  act.).  Ph.  A.  Proksch,  Ge- 
brauch der  Nebensätze  bei  Caes.  L  Bautzen  1870.  40  S.  4. 

Beiträge  zur  Kritik  von  Fr.  Kindscher  (Zerbst  1860.  1864.  4.),  Beck 
(Lauenburg  1863.  4.)  u.  A. 

7.  Üeber  die  Zeit  der  Herausgabe  der  Bücher  vom  gallischen  Kriege 
8.  C.  E.  Schneider  in  Wachler's  Philomathie  L  8.  184  ff.  (verfasst  im  Winter 
702  f.,  yeröffenÜicht  wohl  Frühjahr  703;  unwahrscheinlich  Kraner  u.  A.: 
704 — 705).  Die  drohenden  Stürme  sollte  die  Rechtfertigungsschrift  be- 
schwichtigen, dem  Volke  Caesar  als  den  höchsten  Aufgaben  gewachsen 
zeigen.  Da  Caesar  seine  Kriegsuntemehmungen  ohne  Auftrag  des  Senates 
ausgeführt  hatte,  so  bemüht  er  sich  fortwährend  sie  als  noth wendige  Ver- 
theidigungsmassregeln  hinzustellen.  Sein  Bericht  beschränkt  sich  auf  die 
kriegerischen  Vorkommnisse.  Diese  erzählt  er  als  Römer  für  Römer,  ohne 
eine  Regung  von  Mitgefühl,  aber  auch  ohne  Schönfärberei,  bei  all  den 
Grausamkeiten  und  Treulosigkeiten  gegen  Völker  welche  nichts  als  ihr 
Recht  und  ihre  Unabhängigkeit  wider  den  ehrgeizigen  Störer  ihres  Frie- 
dens yertheidigten.  Eine  gewisse  Wärme  fühlt  sich  durch  nur  bei  tüchtigen 
Leistungen  seiner  Getreuen.  Auch  hütet  sich  Caesar  durch  aUzu  technisch 
militärische  Haltung  die  populäre  Wirkung  seines  Berichts  zu  beeinträch- 
tigen. Die  DarsteUung  ist  knapp,  ohne  karg  zu  sein,  durchsichtig  und  le- 
bendig, schlicht  ohne  einförmig  zu  werden,  und  anziehend  auch  wo  sie  sich 
gehen  lässt.  Räsonnierende  Inhaltsübersichtbei  Köchly  und  Rüstow,  Einl.  z. 
gall.  Krieg  S.  51—85;  Charakteristik  ebds.  S.  85—94. 

8.  Ausgaben  des  bellum  gallicum  mit  Anm.  (bzhgsw.  Wörterbuch, 
Karten  u.  dgL)  von  C.  G.  Elberling  (Havn.  1827),  J.  C.  Held  (Sulzbach 
1825  ff.  1832),  C.  G.  Herzog  (Leipzig  1825.  1831),  J.  Apitz  (Berlin  1835), 
C,  E.  C.  Schneider  (rec.  et  ill.,  Halle  1840—1855.  2  Voll.;  nur  B.  I— VlI), 
M.  Seyffert  (2.  Aufl.  Halle  1851),  Eichert  (Breslau  1859  f.),  Stüber  und 
Rheinhard  (Stuttgart  1860),  A.  Frigell  (rec,  codd.  contulit,  comm.  instr., 
üpsala  1861,  3  partes),  F.  W.  Hinzpeter  (8.  AufL,  Bielefeld  1868),  Fr.  Kra- 
ner (1853;  6.  Aufl.,  bes.  von  W.  Dittenberger,  Berlin,  Weidmann),  A.  Do- 
berenz  (5.  Aufl.,  Leipzig,  Teubner,  1871),  J.  Quosseck  (Cöln  1866)  u.  A. 

9.  Erläuterungsschriften.  H.  Köchly  und  W.  Rüstow,  Einleitung  zu 
Caesars  Commentarien  über  den  gallischen  £jieg,  Gotha  1857. 

C.  W.  Glück,  die  bei  Caesar  vorkommenden  keltischen  Namen,  München 
1857.  H.  J.  Heller,  de  nominibus  celticis  in  Caes.  comm.  traditio,  Philolo- 
gus  XVn.  p.  270—287. 


193.    Caesar'ß  commeniÄrii.  353 

J.  Reichard,  geograph.  Nachweis  der  Kriegsvorf&Ue  .  ,  in  Gallien, 
Leipzig  1832.  Geographie  des  transalpinischen  Gallien  von  F.  A.  M.  Fiedler 
(Essen  1828)  und  J.  v.  Hefner  (München  1836).  M.  A.  Fischer,  Gergovia, 
Leipzig  1856.  A.  v.  Göler,  Caesars  gall.  Krieg  in  den  J.  58—63  v.  Chr., 
Stuttgart  1858;  im  J.  52,  Carlsruhe  1859;  im  J.  61,  Heidelberg  1860.  A.  v. 
Cohausen,  Caesars  Feldzüge  gegen  die  Germanen  am  Rhein,  in  den  Jahrbb. 
der  rheinl.  Alt.  Fr.  XLHI.  S.  1—66. 

10.  Zahllos  wurden,  seitdem  Napoleon  III  diesemGegenstande  seine  Stu- 
dien zugewandt,  die  geographischen  und  militärischen  Beiträge  dazu  aus 
Frankreich.  Zu  dem  Bedeutenderen  gehört  F.  de  Saulcy,  les  campagnes  de 
Jules  Cesar  dans  les  Gaules.  IStudes  d'arch^ologie  militaire.  I.  Paris  1862. 
L.  Fallue,  Conquete  des  Gaules,  Paris  1862.  Creuly,  carte  de  la  Gaule  sous 
le  proconsulat  de  C^sar,  Paris  1864.  Aufzählung  und  Beurteilung  der  ein- 
schlägigen Arbeiten  in  der  Literaturübersicht  von  Ö!  J.  Heller,  Philologus 
XIX.  S.  465—676.  XXIL  S.  99—174.  285—330.  XXVI.  S.  652—700.  K.  Tho- 
mann,  der  französische  Atlas  zu  Caes.  gall.  Kr.,  Zürich  1868.  4.  1871. 
25  S.  4.  (belgischer  Feldzug,  Expedition  ins  Wallis,  Seekrieg  mit  Venetien). 

A.  Platen,  de  fide  et  auctoritate  Caes.  de  b.  gall.  comm.,  Liegnitzl854.  4. 

11.  Die  drei  Bücher  des  bellum  civile  sind  unverkennbar  schwächer 
und  flüchtiger  gearbeitet  und  enthalten  manche  unzweifelhafte  Nachlässig- 
keiten und  Unrichtigkeiten.  Uebrigens  ist  d^r  Text  ganz  besonders  ver- 
dorben überliefert.  Zur  Sache  Fr.  Hofinann,  de  origine  b.  c.  Caesariani, 
Berlin  1857,  und  Th.  Mommsen,  die  Rechtsfrage  zwischen  Caesar  und  dem 
Senat,  Abhandl.  der  Breslauer  hist.-philol.  Ges.  I  (1867)  S.  1 — 58.  A.  v. 
Göler,  d.  Bürgerkrieg  zwischen  Caesar  und  Pompejus  im  J.  60 — 49  v.  Chr., 
Heidelberg  1861;  die  Kämpfe  bei  Dyrrhachium  und  Pharsalus,  Karlsruhe 
1854;  Treffen  bei  Ruspina,  Karlsruhe  1856.  Möhring,  Quaest.  Caesarianae, 
Kreuznach  1858.    4. 

J.  V.  Hefner,  Geographie  zu  Caesars  b.  c,  München  1836.  H.  Glöde, 
über  die  historische  Glaubwürdigkeit  Caesars  in  den  Comm.  vom  Bürger- 
krieg, Kiel  1871.  50  S. 

12.  Ausgaben  des  b.  c.  mit  Anmerkungen  u.  s.  w.  von  J.  C.  Held  (Sulz- 
bach 1822  ff.  4.  Aufl.  1857),  C.  G.  Herzog  (Leipzig  1834),  J.  Apitz  (Berlin 
1837),  A.  Doberenz  (Leipzig  1854.  1863.  1871),  Fr.  Kraner  (4.  Aufl.,  bes. 
von  Fr.  Hofmann,  Berlin  1868). 

Bestreitungen  der  Authentie  in  einem  Programm  aus  Culmbach  1864.  4. 
und  von  Heidtmann,  Essen  1867.  4. 

Kritische  Beiträge  von  Elberling  (obss.  er.,  Havn.  1828,  und  varr.  lectt. 
Roeskild  1853),  Whitte  (collatio  codd.,  Havn.  1847),  J.  N.  G.  Forchhammer 
(de  vera  .  .  emendandi  ratione,  Havn.  1862),  Hartz  (Adnotatt.,  ZüUichau 
1864),  L.  Vielhaber  (Wien  1864.  4.)  u.  A. 

194.   Nach  Caesars  Tode  betrachtete  der  Kreis  seiner  näch-i84 
sten  Vertrauten  es  als  Pflicht  auch  diejenigen  Feldzüge  dessel- 
ben zu  beschreiben  welche  Caesar  selbst  nicht  mehr  geschildert 
hatte y   also   sein   letztes  Jahr   in  Gallien^   den   alexandrinischen^ 
africanischen    und    spanischen  Krieg.     Diese    sind    sichtlich    von 

Txumii,  Böm.  Literatarg««cliichte.    2.  Aufl.  23 


354  Ciceronische  Zeit.  Zweite  Hälfte,  J.  691—711. 

dreierlei  Verfassern.  Völligen  Mangel  an  stilistischer  Befähigung 
zeigt  der  des  spanischen  Krieges;  in  weit  geringerem  Masse 
der  des  africanischen;  bei  jenem  zerhackt  und  stammelnd  ist 
die  Darstellung  bei  diesem  geschmacklos  gewunden  und  schwül- 
stig. Dagegen  die  Erzählung  des  achten  Kriegsjahres  in  Gal- 
lien und  des  alexandrinischen  Feldzugs  verräth  einen  gebildeten 
Verfasser  und  das  Bestreben  die  Schreibweise  des  Caesar  nach- 
zuahmen; sie  hat  ohne  Zweifel  den  A.  Hirtius  zum  Urheber. 
Von  G.  Oppius  kann  weder  der  africanische  herrühren  noch  der 
spanische ;  vielmehr  jeder  nur  von  einem  Manne  der,  obwohl  in 
untergeordneter  Stellung,  den  Krieg  mitgemacht  hatte  und  daher 
von  Hirtius  ersucht  worden  war  seine  Erinnerungen  aufzuzeich- 
nen,  um  sie  dereinst  seiner  eigenen  Darstellung  zu  Grunde  zu  legen. 

1.  Suet.  Caes.  56:  Alexandrini  Africique  et  Hispaniensis  (belli)  incer- 
tus  auctor  est.  alii  Oppium  putant,  alii  Hirtium,  qui  etiam  Gallici  belli 
noviBsimum  imperfectumque  librum  suppleverit.  Vgl.  die  praefatio  zu  b. 
g.  VUI:  coactuB  adBidois  tuis  vocibus,  Balbe,  .  .  rem  difficillimam  suscepi. 
Caesaris  nostri  commentarios  remm  gestarum  GaUiae  non  cohaerentibus 
BuperioribuB  atque  insequentibna  eins  scriptis  contexui,  novisBimnmque  im- 
perfectum  ab  rebus  gestis  Alexandriae  confeci  UBque  ad  exitum  non  qui- 
dem  civilis  dissensionis ,  cuius  finem  nullum  videmus,  sed  vitae  CaesariB. 
.  .  mihi  ne  illud  quidem  accidit  ut  Alexandrino  atque  Africano  bello  inter- 
essem.  quae  bella  .  .  ex  parte  nobis  Caesaris  sermone  sunt  nota.  Hieraus 
erhellt  dass  diese  Fortsetzung  nach  Caesars  Tod  verfaest  ist,  zu  einer  Zeit 
wo  der  Krieg  mit  Antonius  wahrscheinlich  geworden »  somit  für  den  Bür- 
gerkrieg in  der  That  kein  £nde  abzusehen  war,  und  von  einem  Vertrau- 
ten des  Caesar,  aber  nicht  von  Cornelius  Balbus,  also  entweder  von  G. 
Oppius  oder  A.  Hirtius.  Letzteren  bezeichnet  Sneton  (Caes.  66:  Hirtius  ita 
praedicat)  [entschieden  als  Verfasser  von  b.  g.  VIll.  Da  nun  Hirtius  am 
27  April  711  fiel,  und  die  Beschreibung  des  bellum  africanum  sichtlich 
einen  anderen  Charakter  hat  als  b.  g.  VIII  und  alexandrin.  (s.  A.  3),  wäh- 
rend doch  der  Verfasser  der  praefatio  zum  b.  g.  VUI  die  Absicht  hatte 
auch  bell.  afr.  zu  beschreiben,  so  hat  viele  Wahrscheinlichkeit  die  Combi- 
nation  (von  Nipperdey)  dass  Hirtius  wie  b.  g.  VIII  so  auch  bell.  alex.  J.  710 
— 711  verfasst  habe,  an  der  beabsichtigten  Beschreibung  des  bell,  afric. 
und  hisp.  aber  durch  seinen  Tod  verhindert'  worden  sei,  worauf  die  für  ihn 
von  Subalternen  gemachten  Aufzeichnungen  über  diese  Kriege,  so  wie  sie 
sich  in  seinem  Nachlasse  fanden,  mit  herausgegeben  wurden.  Vgl.  Dru- 
mann  III.  S.  76.  C.  Nipperdey,  de  snpplementis  commentariorum  Caesaris, 
Berlin  1846  =  ed.  Caes.  1847,  p.  8—34.  Köchly-Rüstow,  Einl.  z.  gall.  Krieg 
S.  106—110. 

2.  Sowohl  Hirtius  als  Oppius  besassen  die  Bildung  welche  das  Abfas- 
sen eines  G^schichtsworkes  voraussetzt.  Beide  aber  auch  zu  viel  literarische 
Uebung  als  dass  sie  die  Verf.  des  bell.  hisp.  und  afr.  sein  konnten.  Hir- 
tius verfasste  auf  Caesars  Veranlassung  J.  709  von  Spanien  aus  eine  Ge- 


194.   Fortsetzungen  von  Caesar  s  commentarii.  355 

genschrift  gegen  Cicero's  Lobrede  auf  Cato,  in  Form  eines  Sendschreibens 
an  Cicero,  toII  Schmeicheleien  für  den  Letzteren  (Cic.  ad  Att.  XII,  40,  1. 
41,  4.  44, 1.  46,  3.  47,  3).  Ein  kurzer  Brief  von  Hirtius  an  Cicero  bei  Cic.  ad 
Att  XV,  6.  Aber  auch  Oppius  verfasste  Schriften.  Vor  Allem  *ein  Leben 
Caesars,  angeführt  von  Plut.  Pompei.  10  (Chtnlto  iilv,  otav  nBql  Kaicaqog 
nolBftianf  r  (piltov  diaXiyritaiy  aipodga  9si  niaxsveiv  ftsr'  evlaßsiae)  u.  17 
(über  Caesars  persönliche  Tapferkeit),  sowie  Suet.  Caes.  53  (circa  victum 
G.  Oppius  adeo  indifferentem  docet  ut  etc.).  Daraus  mag  auch  sein  was 
Plin.  N.  H.  XI,  46,  104  (C.  Marium  .  .  Oppius  auctor  est)  über  des  Marius 
Härte  gegen  sich  selbst  anführt.  Vgl.  Suet.  Caes.  62:  G.  Oppius  .  .  librum 
edidit,  non  esse  Caesaris  filium  quem  Cleopatra  dicat.  Ausserdem  Charis. 
I.  p.  119  P.  =»  147,  3  E.:  Oppius  De  vita  Cassii,  idem  De  vita  prioris  Afri- 
cani  (Gell.  VI,  1,  2).  Es  ist  zu  vermuten  dass  die  erstere  Schrift  direct 
oder  indirect  gegen  den  (^aesarmörder  C.  Cassius  gerichtet  war,  die  letztere 
aber  eine  Vergleichung  des  Caesar  mit  dem  JQteren  Africanus  anstellte,  die 
wohl  zu  Caesaris  Gunsten  ausgefallen  sein  wird.  Aber  auch  L.  Cornelius 
Baibus  aus  Gades,  an  welchen  b.  g.  VIII  gerichtet  ist,  scheint  selbst  über 
Caesar  geschrieben  zu  haben;  s.  Suet.  Caes.  81:  cnius  rei  (Vorzeichen  von 
Caesars  Tod)  .  .  auctor  est  Cornelius  Baibus,  familiarissimus  Caesaris,  wel- 
cher letztere  Ausdruck  Beziehung  auf  den  Baibus  minor  (unten  206,  4) 
nicht  empfiehlt.  Briefe  des  Baibus  maior  an  Cicero  aus  J.  706  bei  Cic. 
ad  Att.  VIII,  16  A.  IX,  7  B.  13  A;  ein  gemeinschaftlich  mit  Oppius  ver- 
fasster  ib.  IX,  7  A. 

3.  Bell.  gall.  Vm  trägt  am  Schlüsse  im  Par.  11  den  Namen  A.  Hirtii, 
wie  auch  im  Bongars.  I  und  Scaligeranus.  Die  Anlage  ist  wohlgeordnet, 
die  Sprache  die  der  besten  Zeit,  doch  die  Darstellung  ohne  Caesars  Frische; 
sie  hat  vielmehr  etwas  Mattes,  Lebloses  und  Eintöniges  (Nipperdey  1847, 
p.  13).  So  namentlich  im  Satzbau  (Vorliebe  für  cum,  Verbindung  durch 
Belative  u.  dgl.)  und  in  der  Wortstellung.  Das  bellum  alexandrinum 
zeigt  bereits  grössere  stilistische  Gewandtheit  und  (wohl  in  Folge  des  an- 
ziehenderen Stoffes)  lebhaftere  Färbung,  theilt  aber  mit  b.  g.  VIII  so  viele 
sprachliche  Eigenheiten  dass  die  Identität  des  Verfassers  nicht  zu  bezwei- 
feln ist  (Nipperdey  p.  14  f.).  Dagegen  im  belL  africanum  ist  die  Erzäh- 
lung  umständlicher  und  befolgt  mechanisch  die  Zeitordnung;  der  Partei- 
standpunkt des  Verf.  ist  naiv,  seine  Loyalität  täppisch;  die  Sprache  zeigt 
viele  Nachlässigkeiten  und  vulgäre  Wendungen  (z.  B.  unrichtigen  Gebrauch 
des  Plqpf.),  Streben  nach  Grossartigkeit  ohne  die  Befähigung  dazu,  einen 
beschränkten  Wortschatz  (Interim  z.  B.  steht  68  mal),  Anwendung  von  Aus- 
drucken und  Constructionen  (z.  B.  sehr  oft  Inf.  bist.)  die  bei  Hirtius  fehlen 
(Nipperdey  p.  16^24).  Umständlich,  bis  zur  Unfähigkeit  Wesentliches  und 
Unbedeutendes  zu  unterscheiden,  ist  auch  bell,  hispaniense,  und  ebenso 
ist  das  Mechanische  der  Anlage  hier  ins  Unleidliche  gesteigert;  die  Vul- 
garismen sind  hier  zahlreicher  und  erstrecken  sich  ausser  dem  Plqpf.  auch 
auf  falsche  Anwendung  des  Conjunctiv  und  viele  einzelne  Wendungen  (wozu 
auch  wohl  bene  multi  u.  dgl.  gehört);  sogar  grobe  Sprachschnitzer  sind 
häufig  genug.  Von  Satzbau  und  Stil  ist  kaum  eine  Spur.  Mit  dieser  Un- 
cultur  bilden  einen  heitern  Contrast  die  manchfachen  Cittfte  (bes.  aus  En- 

23* 


356  Ciceronische  Zeit.  Zweite  Hälfte,  J.  G91— 711. 

nius)  welche  der  Vgrf.  anbringt  (Nipperdey  p.  24 — 30).  Aus  dem  flüchtigen 
Charakter  der  ursprünglichen  Schrift  mag  sich  theilweise  auch  ihr  verdor- 
bener Text  erklären.  Der  Verfasser  focht  selbst  in  dem  Kriege  mit,  kann 
also  Oppins  nicht  sein,  der  sich  damals  in  Rom  befand,  wie  auch  der  ältere 
Balbns.  Ebenso  verräth  bell.  afr.  eine  zu  niedrige  Bildungsstufe  als  dass 
es  von  Oppius  yerfasst  sein  könnte,  vielmehr  wird  es  gleichfalls  von  einem 
subalternen  Theilnehmer  am  Kriege  herrühren,  dessen  Aufzeichnungen 
Hirtius  zu  benützen  gedachte.    Vgl.  Nipperdey  p.  33  f. 

4.  0.  E.  C.  Schneider,  nova  comment.  de  hello  hisp.  recensio,  und  de 
indagando  belli  hisp.  scriptore,  Breslau  1837.    4. 

186  195.  Cornelius  Nepos,  gebürtig  aus  Oberitalien  und  be- 
freundet mit  Atticus  und  Cicero,  wie  mit  seinem  jüngeren  Lands- 
mann CatuUus.  Seine  Lebenszeit  fällt  wohl  zwischen  660  und 
730  d.  St.  Neben  erotischen  Gedichten  waren  drei  Bücher  Chro- 
nica sein  frühestes  Werk;  auch  ein  geographisches  scheint  er 
verfasst  zu  haben.  Seine  übrigen  Schriften  zeigen  Einfluss  des 
Varro  in  ihrem  Interesse  für  das  Culturgeschichtliche,  ihrer  bio- 
graphischen und  moralisierenden  Richtung.  So  die  fünf  Bücher 
Exempla,  die  ausführlichen  Lebensbeschreibungen  des  älteren 
Cato  und  des  Cicero,  besonders  aber  sein  letztes  und  umfas- 
sendstes Werk,  de  viris  illustribus,  mindestens  sechszehn  Bücher, 
worin  Römer  und  Auswärtige  in  parallelen  Abtheilungen  be- 
handelt waren.  Was  davon  erhalten  ist,  das  Buch  de  excellen- 
tibus  ducibus  exterarum  gentium-  und  (aus  dem  Buche  de  latinis 
historicis)  die  Lebensbeschreibungen  des  Cato  und  des  Atticus, 
zeugt  weder  von  geschichtlicher  Kritik  noch  von  stilistischer 
Vollkommenheit,  ist  aber  bei  dem  Mangel  besserer  Quellen  öfters 
von  Werth  und  empfiehlt  sich  durch  Uebersichtlichkeit  und  An- 
spruchslosigkeit  der  Darstellung. 

1.  Vorname  unbekannt.  Heimat:  Plin.  N.  H.  III,  18,  127:  Nepos,  Padi 
accola.  Plin.  Ep.  IV,  28,  1  an  Vibius  Severus:  Herennius  Sevenis  .  . 
magni  aestimat  in  bybliotheca  sua  ponere  imagines  municipum  tuorum, 
Comelii  Nepotis  et  T.  Catii  (des  Insubrer's,  oben  170,  3).  Da  von  den  vier 
Städten  des  Insubrergebietes  (Ptol.  III,  1,  33)  nur  Ticinum  am  Po  liegt, 
so  könnte  diess  die  Vaterstadt  des  C.  N.  sein  (Hermes  III.  S.  C2,  A.  1). 
Ostiglia  (Hostilia)  bei  Mantua,  das  neben  anderen  Orten  darauf  Anspruch 
macht  seine  Gebnrtsstätte  zu  sein,  hat  ihm  am  2  Mai  1868  ein  Standbild 
errichtet. 

2.  Lebenszeit.  Hieronym.  ad  Pammach.  12  (II.  p.  419  ValL):  refert  .  . 
Cornelius  Nepos  se  praesente  .  .  eam  pro  Comelio  .  .  defensionem  peroratam 
(J.  689  d.  St.,  s.  oben  177,  1).  Plin.  N.  H.  IX,  39,  137:  Nepos  Cornelius, 
qui  divi  Augusti  principatu  obiit,  me,  inquit,  iuvene  violacea  purpura  vi- 


195.    Cornelius  Nepos.  357 

gebat  .  .  nee  multo  poet  rubra  Tarentina,  huic  successit  dibapha  T^ria.  .  . 
hac  P.  LentuluB  Spinther  aedilis  curulis  (J.  691  d.  St.)  primus  in  praetexta 
usus  improbabatur.  Vgl.  ib.  XXXVI,  7,  59.  J.  710  d.  St.  starb  ihm  ein 
Sohn  als  puer  (Cic.  ad  Att.  XVI,  14,  4).  Diess,  sowie  die  Bewunderung 
womit  er  an  Atticus  (geb.  645)  emporblickt,  macht  wahrscheinlicher  dass 
Kcpos  um  660  geboren  war  als  (wie  Mommsen  und  Andere  ihn  ansetzen) 
um  650.  Corn.  XXV,  19,  1  (quoniäm  fortuna  nos  superstites  ei  esse  voluit) 
beweist  keine  Altersgleichheit  mit  Atticus.  Aus  unerkennbarem  Grunde 
berichtet  Hieron.  zu  Eus.  Chron.  erst  ad  a.  Abr.  1977  =  714  d.  St.:  Cor- 
nelius Nepps  scriptor  historicus  clarus  habetur.  Er  überlebte  den  CatuU 
(Att.  12,  4)  und  Atticus  (f  722;  Att.  19,  1),  ohne  dass  aber  bekannt  ist  wie 
lange  er  nach  Herausgabe  des  Zusatzes  zum  Atticus  (s.  A.  5,  Schluss)  noch 
lebte, 

3.  Verhältnisß  zu  Atticus,  Cicero  und  Catull.  Att.  13,  7:  saepe  propter 
familiaritatem  domesticis  rebus  interfuimus.  Da  Atticus  668— 689  in  Athen 
lebte,  kann  die  familiaritas  nicht  vor  690  begonnen  haben.  —  Gell.  XV, 
28,  1  zu  stark:  Cornelius  Nepos  .  .  M.  Cicoronis  ut  qui  mazime  amicus 
familiaris  fuit.'  Briefwechsel  des  Cicero  mit  Nepos  (oben  180,  3).  Best 
daraus  bei  Suet.  Caes.  55 ;  von  einem  Briefe  des  Nepos  an  Cic.  bei  Lactant. 
Inst.  III,  15,  10  (oben  48,  3).  Anderes  bei  Cic.-  ad  Att.  XVI,  5,  6.  14,  4. 
Catull  mochte  an  den  Landsmann  von  der  Heimat  aus  empfohlen  sein  und 
fand  an-  ihm  einen  Gönner,  der  seiner  auch  in  seinen  Chronica  rühmend 
gedachte;  s.  Catull  1,  3  ff. 

4.  Nicht  erhaltene  Schriften.  1)  erotische  Gedichte.  Plin.  Ep.  V,  3,  6: 
a  bonis,  inter  quos  vel  praecipue  numerandus  est  P.  Vergilius,  Cornelius 
Nepos,  .  .  npn  quidem  hi  senatores,  sed  sanctitas  morum  non  distat  ordi- 
nibus.  —  2)  Chronica.  Catull  1,  5  £P.:  iam  tum  cum  ausus  es  unus  Ita- 
lorum  Omne  aevum  tribus  explicare  chartis,  Doctis,  luppiter,  et  laboriosis. 
Auson.  Epist.  16:  apologos  Titiani  et  Nepotis  chronica,  quasi  alios  apologos 
(nam  et  ipsa  instar  sunt  fabularum)  .  .  misi.  Dass  Saturn  als  Mensch  be- 
handelt war  deutet  auf  naiven  Euhemerismus.  Das  Ganze  war  wohl  ein 
chronologischer  Abriss  dergleichen  auch  Atticus  und  Varro  verfasst  hatten, 
nur  vielleicht  gleichmässiger  auf  die  ausserrömischen  Daten  erstreckt.  Die 
Anführungen  daraus  in  C.  Halm's  Ausgabe  (1871)  p.  119  f.  —  3)  Exempla. 
Gell.  VI,  18,  11:  Cornelius  Nepos  in  libro  Exemplorum  quinto  .  .  litteris 
mandavit.'  Nach  den  Anführungen  daraus  (bei  Halm  p.  120  f.)  scheii^t  es 
dass  darin,  im  Geiste  des  Varro,  die  Einfachheit  des  alten  Bom  den  ent- 
arteten Sitten  der  Gegenwart  gegenübergestellt  war.  Mamurra  (f  709?) 
war  darin  genannt,  und  vielleicht  ist  daraus  auch  Suet.  Aug.  77:  non  am- 
plius  ter  bibere  eum  solitum  super  cenam  in  castris  apud  Mutinam  Cor- 
nelius Nepos^  tradit.  —  4)  Leben  des  Cato.  Com.  Nep.  Cat.  3,  5:  huius 
de  vita  et  moribus  plura  in  eo  libro  persecuti  sumus  quem  separatim  de 
eo  fecimus  rogatu  T.  Pomponii  Attici.  —  5)  Leben  des  Cicero  (in  mehreren 
Büchern),  wohl  nach  dessen  Tod  verfasst.  Gell.  XV,  28,  2:  Cornelius  Nepos 
.  .  in  librorum  primo  quos  de  vita  illius  (Cic.)  composuit  errasse  videtur. 
—  6)  Geographisches  Werk,  wie  es  scheint  in  der  Weise  der  Paradoxo- 
graphen,  ohne  Sichtung  der  Nachrichten,   doch  mit  Angabe  der  Ortscnt- 


^Pi  CV^grewMitte  Zeit,   Zweite  HJLfie.  J.  «>l— 711 


FÜL  ¥.  H.  V«  1.  4:  iciciB  prcüfecUr  Kirectsr  postessosa  Gxaedae 
.  q^  0!>git£x.i  fiOftrc»  mifKi^j^  paoiO  mi^TU  cooftiiSea  quae- 
MidiMCr.   .  .   qsjeqoe  alia  Comelist  Xepc«  aridianBe  cxedidiL 
£i»(  Mtt^ijBea  Enrä&ncDgea  des  Werket  bei  Hahs  pi  13S — 1±«. 

$.    Hierü^jai.  IL  p.  ^1  ValL:     de  Tim  ÜIostrib^B  scripaenu:!    apad 
L^Iiy>i     ,  Tarn>    üi  <kn  Imagines  ,  Sactra.  Xepot,  HTginns  et  .  .  Tran- 
q«L.:2f.    Gell.  XI.  ^.  5:   in  libro  Comeli  Xepotis  de  icl^iftribTu  Tim  XIII 
^Uer  Cat^> .     Cham.  L  p.  141  K.:    Cornelia«  Nepos  inlostriam  iV,  und: 
C<c^L:a  y*rpOi  inltistriiim  Tirorum  libro  XVL   TgL  IL  p.  52»3,  12:   Xepos 
d«  izJLrjiUTf,T»ä  rliiä  TL   Serr.  Aen.  I.  36«:    Comelioi  Xepos  in  eo  libro  qni 
Vha  iLüftri^mi  icicribitnr.    VerweÜTicgen  bei  Com.  Xepoi  selbst-  ~X  3,  2: 
Msd   de  b^iC  in  eo  libro  plara  bnat   exposita  qoi  de  hiÄtoricis  graecis  con- 
•eriptua  est,    praef.  8:    in  boc   exponemiu  libro  de  Tita  ezceilenüani  im- 
peratorum.    XXIII,  13,  4:   aed  no«  tempos  est  hnius  liljn  fiieere  finem  et 
iU/nzaorum  ezplicare  imperatorea,  qno  facilios,  collatis  ntrommqne  fiictia, 
qtä  Tiri  ptaefereodi  sint  poeeit  indicarL    Unter  den  nicfatrömischen  impe- 
ratorea werden  znervt  die  griechischen  behandelt,  dann,  nach  einer  Ueber- 
«tfrht   fib<T   die   griechucben   Könige   welche   zugleich  imperatorea  waren, 
Hamilear  and  HannibaL    VgL  XXI,    1,    1:   hi  fere  fnemnt  graecae  gentis 
doeea  'damnter  aoch  Datamet ^  qni  memoria  digni  Tideantnr,  praeter  reges, 
namqoe  eot  attingere  nolmmns,   qnod  omninm  res  gestae  separatim  sont 
relatae    in  dem  Boche  de  regibns).   Anf  Bacher  de  poetis  nnd  de  gramma- 
tieaa   weisen   Anführungen   bei   Sneton,   Tita  Terent.  1.  3.   gramm.  4   Tgl. 
Diomed.  L   p.  405  P.  »  410,  9  K.    Hienach  waren  die  viri  illustres  nach 
den   Gebieten   nnterschieden   worin    sie   sich   auszeichneten  und  innerhalb 
dieser  wiederum  Xichtrömer  'exterarum  gentium  oder  graeci)   nnd  Römer 
in  parallelen  Büchern  behandelt,  ganz  wie  in  den  Imagines  des  Yarro  (oben 
H.  274,.    Die  Anführnngen  aus  nichterhaltenen  Büchern  bei  Halm  p.  121 -- 
126,    Zo»  Charakteristik   des  voll  ständigen  Werkes  Tgl.  auch  XTI,  1,    1: 
Tereor  .  ,  oe  non  Titam  eins  enarrare,   sed  historiam  \'idear  scribere.   XV, 
1,  3:   cum  exprimere  imaginem  consuetudinis  atque  Titae  velimus.    XXV, 
t9,  1:  remm  exemplis  lectores  decebimus  .  .  snos  cuiqne  mores  plemmque 
eonciliare  fortanam.    MoralLiieren  auch  VIII,  2,  3.  3,  2.    Widmung  an  At- 
ticns,   s,  praef.  L    Herausgabe  zwischen  719  und  721;    Zusatz  zum  Leben 
des  Atticus  ^nach  dessen  Tode)  7^5  oder  726  d.  St.,  jedenfalls  Tor  727,  wo 
Octavian  Clmperator  seit  725)  den  Titel  Angustus  erhielt;   s.  XXV,  19,  2: 
in  afBoitatem  penrenit  Imperatoris,  DiTi  filii. 

6.  IGUsig  ist  das  Lob  bei  GeU.  XV,  28,  1:  Cornelius  Nepos  rerum 
memoriae  non  indiligens.  Quintilian  nennt  ihn  in  seiner  Aufzählung  der 
römischen  Geschicht^chreiber  nicht,  und  Plinins  (s.  A.  4,  Schluss)  besich- 
tigt ihn  der  Leichtgläubigkeit.  Zu  der  Vorstellung  die  wir  hienach  von 
seiner  Grösse  als  Geschichtschreiber  erhalten  stimmt  Tollkommen  was  von 
ihm  anf  uns  gekommen  ist.  Man  begreift  nicht  warum  er  unter  den  duces 
oder  imperatores  gerade  diese  ausgewählt,  andere  (und  darunter  einen 
Bratidaa,  Aratos,  Philopömen,  Kleomenes  III)  übergangen  hat;  ebenso  steht 
die  Ausführlichkeit  der  Behandlung  keineswegs  immer  im  Verhältniss  zur 
Wichtigkeit  des  Geschilderten;   wesentliche  Quellen  (wie  Herodot)  bleiben 


195.    Cornelius  Nepos.  359 

unbenfitzt,  die  benutzten  werden  vielfiEich  flüchtig  behandelt  und  missver- 
standen.  Die  Reihenfolge  der  ducea  und  die  Anordnung  des  Stoffes  in 
ihren  vitae  ist  planlos;  Wichtig^  und  Unwichtiges  wird  nicht  gehörig 
unterschieden;  das  Chronologische  wird  oft  vemachlässigt,  um  so  grösseres 
Interesse  dem  Curiosen  und  Anekdotenhaften  zugewendet.  Die  Anlage  ist 
rhetorisch,  die  Chcurakteristik  d^r  Einzelnen  meist  einseitig,  vorzugsweise 
die  Lichtseiten  hervorkehrend,  und  gewöhnlich  wird  der  gerade  Geschilderte 
als  der  GrÖsste  in  seiner  Art  hingestellt.  Der  Stil  gehört  zu  dem  genus 
tenue'und  hat  etwas  Zierliches  so  lange  er  sich  in  kurzen  Sätzen  bewegt; 
unternimmt  der  Verfasser  grössere  Perioden,  so  verwickelt  er  sich  in  der 
Regel  und  stolpert.  Sprachschatz  und  Wortstellung  zeigen  wenig  Abwechs- 
lung. Einzelne  Wörter  und  Constructionen  weichen  von  dem  Sprachge- 
brauche  der  mustergültigen  Prosaisten  der  Zeit  ab.  Aber  wer  desshalb  den 
Schriftsteller  in  einen  andern  Zeitraum  verlegen  wollte  würde  weit  über 
das  Ziel  hinansschiessen.  Eine  Zeit  welche  neben  einem  Cieero  und  Caesar 
nicht  nur  einen  Yarro  umschliesst  sondern  auch  die  Verfasser  des  bell, 
afr.  und  hisp.  und  die  bald  darauf  einen  Vitruv  sah  hat  sehr  gut  Raum 
auch  für  einen  Stilisten  wie  Cornelius  Nepos.  Allem  nach  war  er  ein  gut- 
mütiger, wohlwollender,  ehrlicher,  aber  geistig  ziemlich  beschränkter 
Mensch  und  Schriftsteller.  Vgl.  Nipperdey's  Einleitung  (1849)  S.  XXI  f. 
XXVm— XXXII. 

7.  Viel  Verwirrung  angerichtet  hat  ein  (incorrectes)  Epigramm  von 
sechs  Distichen  (z.  B.  in  Riese*s  Anth.  lat.  783,  in  Halms  Ausg.  des  C.  N. 
p.  101)  welches  in  den  Handschriften  hinter  dem  Hannibal  steht  und  worin 
ein  Probus  sein  Buch  dem  Theodosius  (I?)  überreicht,  worauf  die  (missver- 
ständliche) Unterschrift  folgt:  Aemilii  Probi  de  exe.  duc.  ext.  gent.  Über 
explicit.  Darnach  hat  sich  namentlich  Fr.  W.  Rinck  grosse  Mühe  gegeben 
diesen  Aemilius  Probus  unter  Theodosius  als  den  Verfasser  der  fraglichen 
vitae  zu  erweisen.  Da  aber  eine  solche  Datierung  des  Werkes  literar- 
historisch und  stilistisch  unmöglich  ist,  und  die  unbestritten  von  Cornelius 
Nepos  herrührenden  vitae  des  Cato  und  Atticus  genau  die  gleichen  histo- 
riographischen  und  sprachlichen  Eigenthümlichkeiten  zeigen  wie  die  der 
duces,  so  ist  sicher  der  Name  des  Aemilius  Probus  nur  auf  die  Urheber- 
schaft des  Epigramm  zu  beziehen  womit  derselbe  die  von  ihm  (sowie  sei- 
nem Vater  und  Grossvater)  gefertigte  Abschrift  des  Cornelius  Nepos  be- 
gleitete. Möglich  dasB  (wie  Bergk,  Philologus  XII.  S.  580,  vermutet)  der 
eine  Theil  des  Namens  überdiess  aus  Missverständniss  von  EM(endavi) 
PROBVS  entstanden  ist.  Auch  für  die  Annahme  dass  das  uns  vorliegende 
Werk  ein  später  gemachter  Auszug  aus  dem  urspi'üoglichen  des  Cornelius 
Nepos  sei  gibt  es  keinen  irgend  haltbaren  Grund.  Vgl.  Madvig,  Opusc.  IL 
p.  123,  n.  1.  Lachmann,  Rhein.  Mus.  II  (1843)  S.  144.  Fleckeisen,  Philo- 
logus IV.  S.  346.    Nipperdey  (1849)  S.  XXXVI— XXXVHI. 

8.  De  librorum  numero  et  auctoritate  in  C.  L.  Roth's  Ausgabe  (1841) 
p.  207—243.  251 — 257.  So  zahlreich  die  Handschriften  sind,  so  geht 
doch  keine  über  das  12te  Jahrh.  zurück;  die  meisten  sind  aus  dem  15ten, 
haben  alle  im  Lysander  dieselbe  Lücke  und  stammen  alle  aus  derselben 
Urhandschrift.    Die  ältesten,  besten  und  vollständigsten  Abschrifben  äieses 


360  Ciceronische  Zeit.    Zweite  Hälfte,  J.  691—711. 

archetypus  sind  die  des  Gifanius  oder  des  Daniel,  der  Leidensis,  der  Par- 
censis  zu  Löwen  (Rhein.  Mus.  Vlll.  S.  626  —  639.  W.  Vischer,  Philologus 
XXVL  S.  706  f.),  sowie  eine  ütrechter  Ausgabe  von  1642. 

9.  Die  Ausgaben  sind  zahllos;  s.  Schweiger,  class.  Bibliographie  II, 
1.  S.  294  ff.  Bardili's  Praef.  p.  XIX  ff.  und  über  die  ältesten  Eoth  (1841) 
p.  243—251.  Ed.  princeps  ap.  lensonum,  Venet.  1471  fol.  Hauptausgaben 
von  Lambin  (Paris  1569.  4.),  A.  Schott  (cum  notis  varr.,  Prankf.  1608.  fol.), 
Böcler  (Argentor.  1640),  J.  A.  Bos  (cur.  Fischer,  Lips.  1759),  A.  van  Sta- 
veren  (Lugd.  Bat.  1734.  1773.  Stuttg.  1820,  2  Bde,  cur.  W.  H.  Bardili),  J. 
M.  Heusinger  (cum  perp.  ann.,  Eisenach  1747),  J.  H.  Bremi  (ed.,  illustr., 
Zürich  1796.  1812.  1819.  1827),  J.  Ch.  Dähne  (ed.  et  ann.  adi.,  Lips.  1827). 
Erste  kritische  Ausgabe  von  C.  L.  Roth,  Aemilius  Probus  etc.  praemissa 
sunt  Einckii  prolegomena  (p.  1  -CLXII),  Basel  1841.  Erklärt  von  C.  Nip- 
perdey,  Leipzig  1849.  Avec  un  commentaire  etc.  par  A.  Monginot,  Paris 
1868.    Apparatn  critico  adiecto  cd.  C.  Halm,  Lips.  Teubner.  1871. 

Schulausgaben  (mit  deutschen  Anmerkungen,  bzhgsw.  Wörterbuch)  von 
F.  S.  Peldbausch  (Heidelberg  1828),  Dähne  (Helmstedt  1830),  Fr.  Billerbeck 
(Hannover  1830  u.  sonst),  C.  W.  Reinhold  (Pasewalk  1839.  1854),  J.  Siebeiis 
(Leipzig,  Teubner,  1861  ff.  7.  Aufl.  1871),  C.  Nijiperdey  (kleine  Ausg.,  6.  Aufl. 
Berlin  1868),  C.  W.  Nauck  (Königsberg  1856),  R.  M.  Horstig.  (Wittenberg 
1862),  F.  W.  Hinzpeter  (4.  Aufl.  Bielefeld  1870),  H.  Ebeling  (Berlin  1870)  u.  A. 

Texte  von  G.  A.  Koch  (Lips.  Tauchn.  1855),  R.  Dietsch  (Lips.,  Teub- 
ner, 1863;  mit  Wörterbuch  von  H.  Haacke,  1868),  C.  Nipperdey  (Berlin 
1867),  C.  Halm  (Bibl.  Teubner.  1871). 

10.  Uebersetzungen  von  J.  A.  B.  Bergsträsser  (z.  B.  Frankfurt  1815),  J. 
Siebeiis  (Stuttgart,  Hoffmann,  1856),  J.  Dehlinger  u.  R.  Stern  (Stuttgart, 
Metzler  1859)  u.  A. 

Cornelius  Nepos  zum  Uebersetzen  aus  dem  Lat.  ins  Griechische  bear- 
beitet von  R.  Yolkmann,  Leipzig  1862. 

11.  Beiträge  zur  Textkritik  von  A.  Fleckeisen  (Philologus  IV.  S.  308— 
351),  Heerwagen  (Collect.,  Baireuth  1849.  4.),  C.  Nipperdey  (Spicilegium 
crit.  in  C.  N.,  Lips.  1850;  Spie,  alterius  P.  I.  II.  Jena  1868.  4.  111.  1869. 
IV  u.  V.  1870.  VI.  1871). 

12.  W.  F.  Rinck,  saggio  di  un  esame  critico  etc.,  Venedig  1818;  über- 
setzt von  D.  Hermann,  Leipzig  1819;  umgearbeitet  in  C.  L.  Roth's  Ausgabe. 
C.  F.  Ranke,  comm.  de  C.  N.  vita  et  scriptis,  Quedlinburg  1827.  4.  A. 
Walicki,  de  C.  N.,  Dorpat  1832.  G.  E.  F.  Lieberkühn,  de  auctore  vitt. 
quae  sub  nomine  C.  N.  feruntur,  Lips.  1837;  Vindiciae  librorum  iuiuria 
suspectorum,  Lips.  1844  (defensio  C.  N.  contra  Aem.  Pr.  librarium).  J.  Th. 
Lütkenhus,  de  C.  N.  vita*et  scriptis,  Münster  1838.  A.  F.  Nissen,  de  vitis 
quae  vulgo  C.  N.  nomine  feruntur,  Rendsburg  1839.  4.  H.  Peck,  Jahns 
Archiv  X.  S.  73—98.  Heerwagen,  Münchner  GeL  Anz.  1846,  Nr.  28—32. 
A.  Linsmayer,  de  vit.  exe.  duc,  München  1858.  4.  R.  Winckler,  Beiträge 
zu  der  Streitfrage  u.  s.  w.,  Berl.  Ztschr.  f.  Gymn.  XIX.  S.  433—443.  L.  Gras- 
berger,  zur  Würdigung  des  C.  N.,  Eos  I.  S.  225—242. 

De  fontibus  et  auctoritate  C.  N.  von  *J.  F.  Hisely  (Delft  1827),   R.  H. 


195  f.    Cornelius  Nepos.    Nigidius  Figiilus.  361 

Eye.  Wichers  (Groningen  1828),  A.  Ekker  (Acta  soc.  Rheno-Traiect.  111. 
1828.  p.  193  ff.).  Quaestiones  hisioricae  in  C.  N.  Titas  von  Freudenberg 
(Cöln  1839.  Bonn  1841.  4.),  Biedermann  (Bonn  1842.  4.).  Vgl.  W.  Fricke, 
d.  Quellen  Plutarchs  im  Leben  des  Alkibiades,  Leipzig  1869. 

Zur  yita  Alcibiadis  J.  Wiggers  (Lips.  1833),  Catonis  A.  F.  B.  S.  van 
Heemfra  (Lugd.  Bat.  1826),  Attici  J.  Held  (Prolegomena,  Breslau  1826). 

13.  Domheim,  Beiträge  zur  Latinität  des  C.  N.,  Detmold  1861.   4. 

14.  R.  Hanow,  de  C.  N.  a  loco  quem  in  scholis  obtinet  removendo 
Züllichau  1850.  4.  Dagegen  z.  B.  Pomtow,  Berliner  Ztschr.  f.  Gymn.  XIV. 
S.  897—925. 

196.  Unter  den  Gelehrten  der  Zeit  nahm  die  nächste  Stelle  186 
nach  Varro  P.  Nigidius  Figulus  (Prätor  J.  696)  ein,  welcher 
in  umfassenden  Werken  nicht  blos  die  Grammatik  sondern  auch 
die  Theologie  und  verschiedene  Zweige  der  Naturforschung  be- 
handelte, aber  bei  seiner  Richtung  auf  das  Entlegene  und  Ab- 
sonderliche wenig  Einfluss  gewann  und  bald  durch  Varro  völlig 
in  Schatten  gestellt  wurde.  Mit  Astrologie  befasste  sich  auch 
L.  Tarutius,  und  Appius  Claudius  (Cos.  700)  trieb  Nekromantie 
und  schrieb  über  das  Auguralwesen,  üeber  das  Letztere  ver- 
fassten  gleichfalls  Schriften  C.  Marcellus,  M.  Messala  (Cos.  701),  . 
L.  Caesar  und  A.  Caecina.  Ueber  verwandte  Gegenstände 
schrieben  Veranius,  Granius  Flaccus,  Aufustius  und  ein  Manilius. 

1.  P.  Nigidius  (Cic.  p.  SuU.  14,  42.  Timae.  1.  Plut.  Cic.  20.  an  seni 
27  u.  sonst)  Figiilus  (vgl.  Schol.  Lucan.  I,  639),  Prätor  696  (Cic.  ad  Qu. 
fr.  1,  2,  5,  15),  also  spätestens  656  geboren.  Als  eifriger  Pompejaner  von 
Caesar  verbannt  (Cic.  ad  fam.  IV,  13  vom  J.  708).  Hieron.  zu  Eus.  Chrou. 
a.  Abr.  1972  =»  709  d.  St.:  Nigidius  Figulus  Pythagoricus  et  magus  in 
exilio  moritur.  Als  Pythagoreer  war  er  politisch  conservativ  und  leistete 
dem  Cic.  gegen  Catilina  viresentliche  Dienste  (p.  SuU.  u.  Plut.  1.  1.).  Orphisch 
mystische  und  magische  Richtung  des  damaligen  Pythagoreismus,  auch  bei 
Nig.  Fig.  Geheimkünste,  HerbeischaflFen  von  Gestohlenem  (Apulej."  mag.  42), 
Nativitatsstellen  (Suet.  Aug.  94.  Dio  XLV,  1).  Vielleicht  auf  hiedurch 
herbeigeführte  Conflicte  mit  der  Polizei  bezieht  sich  das  sacrilegium  Nigi- 
dianum  bei  Ps.  Cic.  in  Sali.  resp.  5.    Vgl.  Mommsen  R.  G.  111*.  S.  652  f. 

2.  M.  Hertz,  de  P.  Nigidii  Figuli  studiis  atque  operibus,  Berlin  1845. 
Quaestiones  Nigidianae  von  J.  Klein  (de  vita  Nigidii,  Bonn  1861)  und  J. 
Frey  (Rössel  1867.  4.).  Sammlung  seiner  Fragmente  von  A.  Riccobonus 
(Basel  1679),  J.  Rutgers  (Var.  lect.,  Lugd.  B.  1618,  El,  16.  p.  246-— 298); 
der  astronomischen  bei  R.  Merkel,  Ovid.  Fast.  p.  LXXXVI  ff.  A.  Breysig, 
de  N..  F.  fragmentis  apud  schol.  Germanici  servatis,  Berlin  1864.  F.  Bü- 
cheier, Rhein.  Mus.  Xffl.  S.  177  ff. 

3.  Cic.  Timae.  1:  fuit  vir  ille  cum  ceteris  artibus,  quae  quidem  dignae 
libero   essent,    ornatus   Omnibus,   tum  acer  investigator  et  diligens  earum 


3()2  Ciceronische  Zeit.    Zweite  Hälfte,  J.  691—711. 

rerum  quae  a  natura  involutae  videntur.  denique  sie  iudico,  post  illos 
nobiles  Pythagoreos  .  .  bunc  exstitisse  qui  illam  (disciplinam)  renovaret. 
Gell.  IV,  9,  1:  Nigidius  Figulus,  homo,  ut  ego  arbitror,  iuxta  M.  Varro- 
nem  doctissimus.  Vgl.  ib.  16,  1.  X,  11,  2  (bomo  in  omnimn  bonarom  ar- 
tium  disciplinis  egregius).  XI,  11,  1.  XIII,  26,  1.  6.  XV,  3,  5.  XVII,  7,  4. 
Schol.  Bob.  Cic.  Vatin.  p.  317  Or.  Serv.  Ae.  X,  175:  Nigidius  est  solus 
post  Varronem,  licet  Varro  praecellat  in  theologia,,  bic  in  communibos  lit- 
teris.    nam  uterque  atrumque  scripsit. 

4.  Commentarii  grammatici  wabrscbeinlicb  in  30  Büchern  (Gell.  X,  6, 
1:  P.  Nigidius  dicit  in  commentariorum  nndetricesimo),  die  Grammatik  in 
ihrem  ganzen  Umfange  behandelnd,  auch  Orthographie,  Synonymik,  Ety- 
mologie, und  gern  auf  die  Ursachen  der  Erscheinungen  zurückgehend, 
vielfach  .im  Anschluss  an  Varro.  In  der  Etymologie  Purist  (frater  z.  B. 
von  fere  alter).  Gell.  XVII,  7,  5:  anguste  perquam  et  obscure  disserit,  nt 
Signa  rerum  ponere  videas  ad  subsidium  magis  memoriae  suae  quam  ad 
legentium  disciplinam.  XIX,  14,  3:  Nigidianae  commentationes  non  pro- 
inde  (wie  die  des  Varro)  in  vulgus  exeunt  et  obscuritas  subtilitasqne  eamm 
tamquam  parum  utilis  derelicta  est.  Vielleicht  von  ihm  her  die  Bezeich> 
nung  der  Vocallänge  durch  einen  apex,  Rhein.  Mus.  XXIV.  S.  107  f. 

6.  Quintil.  XI,  3,  143:  qui  de  gestu  scripsemnt  circa  tempora  illa  (der 
veteres),  Plotius  Nigidiusque. 

6.  P.  Nigidius  in  libro  quem  de  extis  composuit,  Gell.  XVI,  6,  12. 
Nigidius  Figulus  in  libro  primo  augurii  privati,  ib.  VII  (VI),  6,  10.  Lyd. 
de  ostent.  45:  6  NtyiSiog  iv  zij  tmv  6vsCq(ov  inic%iipii.  Vgl.  ib.  27  ff. 
(^fprj^BQog  ßQOvtoanonCa  .  .  naza  rov  'Pcafiaiov  0£yovlov  i%  täv  Tayrjfcoq). 

7.  Macrob.  III,  4,  6:  Nigidius  de  dis  libro  nono  decimo.  Es  werden 
also  wohl  mindestens  20  gewesen  sein.  Sie  erstreckten  sich  auch  auf  den 
Cultns,  einheimischen  wie  ausländischen.  Sammlung  der  Ueberreste  in 
Merkel's  Ausg.  der  Pasten,  p.  CLXXXV  ff. 

8.  Naturwissenschaftliche  Schriften.  Cic.  Timae.  1  (s.  oben  A.  3).  a) 
Astronomisches.  Serv.  Ge.  I,  43:  Nigidius  in  Sphaera  graecanioa;  218: 
Nigidius  commentario  Sphaerae  graecanicae.  ib.  19:  Nigidius  .  .  Sphaerae 
barbaricae.  Ueber  deren  Verhältniss  s.  Bücheier,  Rhein.  Mus.  Xm.  S.  177 
—188.  —  b)  P.  Nigidii  in  secundo  librorum  quos  de  vento  composuit  verba, 
Gell.  II,  22,  31.  Nigidius  de  ventis  IUI  ait,  Schol.  Bern.  Georg.  I,  428. 
Nach  C.  Wachsmuth  (Lyd.  de  ost.  p.  XXIV  — XXVI)  ist  daraus  was  sich 
bei  Lydus  ost.  p.  19  f.  über  die  Wetterzeichen  findet.  —  c)  Zoologisches. 
Gell.  VI  (VII)  9,  5:  P.  Nigidius  de  animalibus  libro  II.  Macrob.  lil,  16, 
7:  Nigidius  Figulus  .  .  in  .  .  libro  de  animalibus  quarto.  Rutgers  p.  270  ff. 
Serv.  Ae.  I,  178:  Nigidius  de  hominum  naturalibus  IUI  (über  die  Zeu- 
K^ng);  vgl.  Plin.  N.  H.  VII,  15,  66  f.  —  Eine  Schrift  de  terris  behauptet 
J.  Klein  p.  26. 

9.  Cic.  de  divin.  II,  47,  98:  L.  Tarutius  Firmanus,  familiaris  noster, 
in  primis  Chaldaeicis  rationibus  eruditus;  urbis  nostrae  natalem  diem  re- 
petebat  etc.  Vgl.  Plut.  Romul.  12.  Lyd.  de  mens.  I,  14  (Ta^^otJwoff  6 
yM%'7iiutTi%6g).    Oben  192,  6.    Mommsen,  röm.  Chronol.'  S.  145  ff. 


196.   Nigidius  Figulus,  Ap.  Claudius,  Caecina  u.  A.  363 

10.  Appius  Claudius  Ap.  f.  Pulcher,  Augur  seit  695,  Prätor  697, 
Cos.  700,  als  ProcoB.  von  Eilikien  Cicero's  Vorgänger,  Censor  704,  f  706; 
ein  rechtes  Prototyp  des  Durchschnittsschlags  der  damaligen  No\)ilitllt, 
sich  selbst  Alles  erlaubend,  gegen  Andere  aber  eine  strenge  Amtsmiene 
annehmend,  und  von  einer  Halbbildung  welche  allem  Aberwitze  Baum  liess. 
Vgl.  A.  Haakh  in  Pauly's  Real-Enc.  II.  S.  412—415,  Nr.  41,  und  Bull,  dell' 
inst.  arch.  1860,  p.  225  —  233.  1861,  p.  63  f.  C.  I.  lat.  I,  619.  p.  181  f. 
Cic.  Brut.  77,  267:  Appius  Claudius,  coUega  et  familiaris  mens,  .  .  et  satis 
Studiosus  et  valde  cum  doctus  tum  etiam  exercitatus  orator  et  cum  augu- 
ralis  tum  omnis  publici  iuris  antiquitatisque  nostrae  bene  peritus  fuit. 
Tusc.  I,  16,  37:  ea  quae  mens  amicus  (zeitweise)  Appius  vs'KvoiJMvzsta 
faciebat.  de  divin.  I,  58,  132:  psychomantia,  quibus  Appius  .  .  uti  solebat. 
ad  fam.  III,  4,  1  (J.  703)  an  ihn:  illo  libro  augurali  quem  ad  me  aman- 
tissime  scriptum  suavissimum  misisti.  de  legg.  11,  13,  32:  est  .  .  inter 
Marcellum  (C.  Claudius  Marcellus,  der  Cos.  704  oder  der  705  d.  St.)  et 
Appium,  optimos  augures,  magna  dissensio  (nam  eorum  ego  in  libros  incidi), 
cum  alteri  placeat  anspicia  ad  utilita^m  esse  reip.  composita,  alteri  dis- 
ciplina  vestra  (augurum)  quasi  divinari  videantur  posse.  Dass  Letzteres  die 
Ansicht  des  Appius  war  erhellt  aus  de  divin.  11,  35,  75,  Fest.  v.  soUisti- 
mum,  p.  298  M.:  Ap.  Pulcher  in  augnralis  disciplinae  libro  I  ait.  Vgl. 
noch  Cic.  ad  fam.  III,  9,  3.  11,  4. 

11.  M.  Valerius  Messala,  Cos.  701;  s.  A.  Haakh  in  Pauly's  Beal-£nc. 
VI,  2.  &  2347—2349,  Nr.  77.  Macrob.  I,  9,  14:  M.  Messala,  Cn.  Domitü 
in  consulatu  coUega  idemque  per  annos  LV  augur,  de  lano  ita  incipit  (vgl. 
Lyd.  mens.  4,  1).  Gell.  XIII,  14,  5  f.  (über  das  pomoerium).  15, -3  (liber 
M.  Messalae  auguris  de  auspiciis  primus).  16,  1  (Messala  in  eodem  libro). 
Fest.  p.  157.  161  (Messala  augur  in  explanatione  auguriorum).  253  (.  .  ssalla 
in  espla-).  351  (Messala  augur  ait).  Vgl.  ib.  p.  290.  293.  348  u.  unten  218, 
g.  E.  Zweifelhaft  ist  ob  er  es  war  welcher  de  dictis  involute  schrieb  (Fest. 
p.  321).    Vgl.  R.  Scholl,  XII  tabb.  p.  37. 

12.  Priscian.  VIII.  p.  791  P.  =»  380,  3  f.  H:  Lucius  Caesar:  certaeque 
res  augnrantur.  Fest.  p.  161  M.:  maiorem  consulem  L.  Caesar  putat  dici 
eum  qui  etc.  Dadurch  erhalten  ihre  genauere  Beziehung  die  Anführun- 
gen bei  Priscian.  VI.  p.  719  P.  =  270,  5  H.  (Caesar  in  Auguralibus)  und 
Macrob. "l,  16,  29  (lulius  Caesar  XVP  Auspiciorum  libro  negat  nundinis 
contionem  advocari  posse). 

13.  Plinius  N.  H.  I,  Quellen  zu  B.  U.:  Caecina,  qui  de  etrusca  disci- 
plina  (scripsit).  Cic.  ad  fam.  VI,  6,  3  (J.  708  oder  709  an  Caecina):  si 
te  ratio  quaedam  etruscae  disciplinae,  quam  ä  patre  .  .  acceperas,  non 
fefellit.  Sen.  nat.  quaest.  II,  56,  1:  haec  (über  fulguratio)  apud  Caecin- 
nam  invenio,  facundum  virum  et  qui  habuisset  aliquando  in  eloquentia 
nomen,  nisi  illum  Ciceronis  umbra  pressisset.  Vgl.  ib.  39,  1.  49,  1.  Schol. 
Veron.  zu  Aen.  X,  198  (p.  103  f.  ed.  Keil).  Cic.  ad  fam.  VI,  9  (J.  708):  et 
patre  eins  .  .  plurimum  usi  sumus  et  hunc  a  puero,  quod  et  spem  magnam 
mihi  afferebat  summae  .  .  eloquentiae  et  vivebat  mecum  coniunctissime  .  . 
etiam  studiis  communibus,  semper  dilexi.  Jene  Schrift  scheint  er  erst  später 
verfasst  zu  haben.    Die  Vertheilung  der  Nachrichten  zwischen  Vater  und 


366  Ciceronische  Zeit.    Zweite  Hälfte,  J.  691—711. 

weitere  Persönlichkeit.  Sichtlich  ist  geschichtlicher  Ausgangspunkt  und 
Verfasser  bei  beiden  Gedichten  derselbe  (vgl.  auch  Dir.  20  mit  Lyd.  13); 
dass  die  Trennung  von  der  auf  dem  Gute  zurückbleibenden  Lydia  (y.  41. 
89.  95  fif.)  den  Verlust  des  letzteren  besonders  schmerzlich  mache  sagen 
schon  die  Dirae,  ohne  d:  ss  der  Zusammenhang  der  Lydia  mit  dem  Gute 
klar  würde.  Die  „Lydia"  beneidet  das  Gut  um  den  Besitz  der  Geliebten 
und  beklagt  deren  unverschuldeten  Verlust,  unter  Aufwand  von  mytholo- 
gischer Gelehrsamkeit  und  in  dem  tändelnden,  Menschen-  und  Manneswürde 
verkennenden  Tone  eines  Theiles  der  Elegiker  der  augusteischen  Zeit,  deren 
AnfUngen  beide  Gedichte  ohne  Zweifel  angehören.  Sie  dem  Vergil  zuzu- 
schreiben bestimmte  die  Thatsache.  dass  auch  dieser  im  J.  713  sein  Gut 
eingebüsst  hatte.  Sonstige  Uebereinstimmung  mit  dessen  Verhältnissen, 
Denkweise  »und  dichterischer  Eigenthümlichkeit  ist  aber  nicht  vorhanden. 
—  Ausgaben:  Catalecta  Viigilii  .  .  cum  comm.  los.  Scaligeri,  Lugd.  Bat. 
1617,  p.  169  fP.;  in  Burmanns  Anthol.  lat.  11.  p.  649  fif.  und  V^ernsdorfs 
poetae  lat.  min.  III  in.  Cum  brevi  annot.  crit.  ed.  H.  C.  A.  Eichstaedt,  Jena 
1826.  4.  Reo.  et  .  .  illustr.  C.  Putsche,  Jena  1828.  Daraus  in  Meyer's 
Anthol.  lat.  108  und  bei  F.  A.  Giles,  London  1838.  V.  C.  carmina  cum 
animadv.  A.  F.  Naekii.  accedunt  .  .  de  V.  C.  eiusque  vita  ac  poesi  .  . 
diss.  cura  L.  Schopeni,  Bonn  1847.  Dirarum  Carmen  enarratum  et  reco- 
gnitum  ed.  0.  Bibbeck,  Eiel  1867.  4.  und  in  seiner  Appendix  Vergiliana 
(1868)  p.  165—178.  vgl.  p.  »2  f.  50—61.  Kritische  Beiträge  von  M.  Schmidt 
(Philologus  Vni.  S.  190—192)  und  F.'C.  Göbbel  (Berl.  Ztschr.  f.  Gymn. 
1866,  S.  684—590  u.  1868,  S.  750—761).  • 

3.  Suet.  gramm.  9:  (L.?)  Orbilius  Pupillus  Beneventanus  .  .  primo 
»apparituram  magistratibus  fecit,  deinde  in  Macedonia  corniculd,  mox  equo 

meruit,  functusque  militia  studia  repetit,  quae  iam  inde  a  puero  non  le- 
viter  attigerat;  ac  professus  diu  in  patria  quinquagesimo  demum  anno 
Romam  co^sule  Cicerone  (J.  691  d.  St.)  transiit,  docuitque  maiore  fama 
quam  emolumento.  namque  iam  persenex  pauperem  se  .  .  quodam  scripto 
fatetur.  librum  etiam  cui  est  titulus  Tlefftalyrig  edidit  continentem  querelas 
de  iniuriis  quas  professores  neglegentia  aut  ambitione  parentum  acciperent. 
fuit  autem  naturae  acerbae  .  .  etiam  in  discipulos,  wofür  das  Zeugniss  des 
Horatius  (Ep.  II,  1,  71)  und  des  Domitius  Marsus  beigebracht  wird,  ac  ne 
principum  quidem  virorum  insectatione  abstinuit.  .  .  vixit  prop3  ad  cen- 
tesimum  aetatis  annum.  .  .  statua  eins  Beneventi  ostenditur  in  Capitolio. 
Aus  einer  Schrift  von  ihm  ib.  4  u.  8.  Er  ist  vielleicht  (Wiss,  Reisig  u.  A.) 
der  grammaticorum  equitum  doctissimus  dessen  Herbigkeit  in  den  Ein- 
gangsversen von  Horaz  Sat.  I,  10,  4  ff.  der  Feinheit  und  Milde  des  Valerius 
Cato  gegenübergestellt  wird  und  welcher  puerum  (etwa  den  Scribonius 
Aphrodisiensis,  Suet.  gramm.  19)  mit  aller  Gewalt  zum  Verfechter  der  alten 
Dichter  heranbilden  will.  —  A.  G.  Lange,  Andenken  an  Orbilius,  in  dessen 
vermischten  Schriften  S.  182—188. 

4.  Suet.  gramm.  14:  Curtius  Nicia  adhaesit  Cn.  Pompeio  et  C.  Mem- 
mio;  sed  cum  codicillos  Memmi  ad  Pompei  uxorem  de  stupro  pertnlisset 
proditus  ab  ea  Pompeium  offendit  domoque  ei  interdictum  est.  fuit  et 
Ciceronis   familiaris,   wofür  Belege  beigebracht  werden  aus  dessen  Briefen 


197  f.    Orbiliua.    Cato  Uticensis.  367 

ad  Dolabellam  (wo  Niciam  nostrmn)  und  ad  Atticuin  (XII,  26,  2  vom  J.  709: 
de  Nicia  quod  scribis,  9i  ita  me  haberem  ut  eiua  humanitate  fnii  possem 
in  primis  vellem  illum  mecum  habere.  .  .  praeterea  nosti  Niciae  nostri  im- 
becillitatem,  mollitiam,  consuetudinem  victus).  huius  de  Lucilio  libros  (vgl. 
oben  132,  5)  etiam  Santra  comprobat. 

198.  Den  Stoicismiis  brachte  der  jüngere  Cato  (J.  659 — 188 
708)  zu  Ehren,  indem  er  sich  zü  ihm  oflFen  bekannte  und  in 
Wort,  Leben  und  Sterben  dessen  Grundsätze  verwirklichte.  Die 
Starrheit  des  stoischen  Systems  stimmte  trefflich  zu  der  ünbeug- 
samkeit  von  Cato's  Charakter,  wovon  eine  gewisse  Einseitigkeit 
und  Selbstbeschränkung  ujizertrennlich  war. 

1.  M.  Pordas  Cato,  Urenkel  des  Censorius,  geb.  659,  Quaestor  689, 
Yolkatribnn  692,  Prätor  700,  gab  sich  nach  der  Schlacht  bei  Thapsus, 
April  708,  um  nicht  die  Republik  zn  überleben,  zu  ütica  selbst  den  Tod. 
Bei  allem  Mangel  an  Weitsichtigkeit  und  geistiger  Beweglichkeit  war  er 
doch  überaus  ehrenwerth  durch  die  Treue,  Festigkeit  und  üneigennützig- 
keit  womit  er  der  Sache  der  Bepublik  diente.  Vgl.  Plutarchs  Cato  minor 
(wohl  nach  Paetus  Thrasea).  Charakteristik  bei  Sali.  Catil.  54.  W.  Dru- 
mann,  G.  R.  V.  S.  153—198.  W.  Teuffei  in  Pauly's  Real-Enc.  V.  S.  1911 
—1916,  Nr.  20.  H.  Köchly,  akad.  Vorträge  I.  S.  63—152.  H.  Wartmann, 
Leben  des  Cato  von  Utica,  Zürich  1868.  F.  D.  Gerlach,  M.  Porcius  Cato 
der  jüngere,  Basel  1866. 

2.  Willkürlich  zu  a.  Abr.  1948  (Amand.  1949)  =  686  d.  St.  Hieronym. 
Eus.  Chron.:  M.  Porcius  Cato  stoicus  philosophus  agnoscituv.  Cic.  Brut. 
31,  118:  stoici  .  .  traducti  a  disputando  ad  dicendum  inopes  repennntur. 
unum  excipio  Catonem ,  in  quo  perfectissimo  stoico  summam  eloquentiam 
non  desiderem.  119:  habet  a  stoicis  id  quod  ab  illis  petendum  fuit,  sed 
dicere  didicit  a  dicendi  magistris  eorumque  more  se  exercuit.  legg.  III, 
18,  40:  nee  est  umquam  longa  oratione  utendum,  nisi  aut  peccante  senatu 
.  .  tolli  diem  utile  est  aut  cum  tanta  causa  est  ut  opus  sit  oratoris  copia; 
.  .  quorum  generum  in  utroque  magnus  noster  Cato  est.  Verwendung  der 
Philosophie,  s.  oben  48,  4.  Quintil.  XI,  1,  36:  Cato  eloquens  Senator 
fuit.  Plut.  Cato  min.  6:  o  X6*^o^  vsagov  filv  ovdsv  ovdh  nofji^ov  elxsv, 
nXX'  r^v  Bg^tog  ttal  nsQinad'rig  aal  XQaxvg.  ib.  23:  rovtov  y^vov  &v  Kdtmv 
sItcs  duiaoiSsad'ai  q>aal  zov  Xoyov  (die  Rede  gegen  die  Catilinarier) ,  da  sie 
der  Cos.  Cicero  habe  nachschreiben  lassen,  falls  diess  nicht  etwa  Ver- 
wechslung mit  derjenigen  ist  welche  Sallust  (Catil.  52)  ihm  in  den  Mund 
legt.  Schneider,  de  Catone  Üticensi  oratore,  Ztschr.  f.  d.  Alt.-Wiss.  1843, 
112  f.  Üeber  Cato's  lamben  gegen  Metellus  Scipio,  der  ihm  seine  Braut 
entfahrt  hatte,  s.  oben  33,  2.  Das  einzige  Schriftliche  was  von  ihm  auf 
uns  gekommen  ist  sein  Brief  an  Cicero  vom  J.  704,  ad  fam.  XV,  6. 

3.  Plin.  N.  H.  Vn,  30,  113:  Uticensis  Cato  unum  ex  tribunatu  militmn 
(J.  687)  philosophum ,  alterum  ex  Cypria  legatione  (J.  696)  deportavit  (nach 
Rom).    Besonders  befreundet  war  Cato   mit  den  Stoikern  Antipatros  aus 


368  Ciceronische  Zeit.    Zweite  Hälfte,  J.  691—711. 

Tyros  (Plut.  4.),    Athenodoroa  (ib.  10  u.  16),    ApoUonidea  (ib.  65  f.);    doch 
auch  mit  dem  Peripatetiker  Demetrios  (ib.),  sowie  mit  Philostratos  (ib.  67). 

4.  Schon  gleich  nach  seinem  Tode  wurde  Cato's  Gestalt  ein  Streitgegen- 
stand für  die  politischen  Parteien;  s.  oben  192,  7  und  unten  212,  2.  217,  3, 
Auch  noch  unter  den  julischen  Kaisem  war  bei  der  Opposition  die  Ver- 
herrlichung Cato's  und  seines  Todes  in  Prosa  und  Versen  ein  beliebtes 
Thema;  s.  Riese's  Anthol.  lat.  397  ff. 

189  199»  Innerlialb  des  Rechts  hatte  Caesar  den  Plan  gefasst 
das  gesammte  geltende  ius  civile  in  ein  Gesetzbuch  zu  sammeln^ 
und  sein  Gehülfe  dabei  war  der  gelehrte  Jurist  A.  Ofilius, 
dessen  schriftstellerische  Thätigkeit  das  gesammte  Gebiet  des 
Rcfchts  umspannte.  Nächst  diesem  war  der  bedeutendste  Rechts- 
kenner der  vielseitig  gebildete  witzige  jüngere  Freund  des  Ci- 
cero, C.  Trebatius  Testa,  der  noch  weit  in  die  augusteische 
Zeit  hinein  lebte  und  Lehrer  des  Antistius  Labeo  war.  Unge- 
fähr gleichaltrig  mit  Trebatius  war  der  republikanisch  gesinnte, 
charaktervolle  und  gleichfalls  witzige  Jurist  A.  Cascellius, 
sowie   L.  Valerius. 

1.  Suet.  Caes.  44:  (destinabat)  ins  civile  ad  certum^  modum  redigere 
atque  ex  immensa  diffusaque  legum  copia  optima  quaeque  et  necessaria 
in  paucissimOB  conferre  libros.  Isid.  Orig.  V,  1,  5:  leges  redigere  in  libros 
primus  cos.  Pompeius  instituere  voluit,  sed  non  perseveravit,  obtrectato- 
rum  metu  (wohl  vor  den*  Juristen),  deinde  Caesar  coepit  id  facere,  sed 
ante  interfectus  est. 

2.  A.  Ofilius,  Schüler  des  Ser.  Sulpicius,  s.  oben  171,  6.  Pompon.  Dig. 
I,  2,  2,  44:  ex  his  auditoribus  plurimum  auctoritatis  habuit  Alfenus  Varus 
et  A.  Ofilius,  ex  quibus  .  .  Ofilius  in  equestri  ordine  perseveravit.  is  fuit 
Caesari  familiarissimus  et  libros  de  iure  civili  plurimos  et  qui  omnem 
IDärtem  opens  fundarent  reliquit.  nam  de  legibus  vicesimae  (vielmehr  mit 
Sanio,  rechtshist.  Abb.  1845,  S.  78:  XX  ==  de  legibus  viginti  libros)  con- 
scripsit  (et)  de  iurisdictione  (über  das  obrigkeitliche  Recht;  vgl. -Dig.  XXVI, 
7,  36),  idem  edictum  praetoris  (vgl.  Dig.  II,  7,  1,  2.  XLIII,  20,  1,  17.  21, 
3,  10)  primus  diligenter  composuit.  (45.)  .  .  ex  his  Tre])atius  peritior  Cas- 
cellio,  Cascellius  Trebatio  eloquentior  fuisse  dicitur,  Ofilius  utroque  doctior. 
Schüler  von  ihm  waren  Tubero  (ib.  46)  und  Atejus  Capito  (ib.  47).  In  den 
Digesten  wird  angeführt  Ofilius  libr.  V  iuris  partiti  (XXXII,  55,  1.  4.  7), 
Of.  libr.  XVI  actionum  (XXXIII,  9,  3,  5.  8),  Of.  ad  Atticum  (L,  16,  234,  2). 
Als  Jurist  erwähnt  ihn  Cic.  ad  Fam.  VII,  21  (J.  710)  und  vielleicht  ad  Att. 
XIII,  37,  4  (J.  709)  vgl.  Fam.  XVI,  24,  1  (J.  710).  Rudorff,  röm.  Rechts- 
geschichte I.  S.  164. 

-3.  Pompon.  Dig.  I,  2,  2,  45:  fuit  eodem  tempore  (wie  Ofilius)  et  Tre- 
batius, qui  idem  (item  oder  quidem?  oder  Trebatius,  Quinti  C.  M.  auditor. 
fuit  ex  etc.)  Cornelii  Maximi  (oben  151,  4)  auditor  fuit.  ex  his  Trebatius 
peritior  u.  s.  w.  (s.   A.  2).    .  .  Trebatii  complures  (libri  exstant),  sed  minus 


199.   Ofiliua.   Trebatius.   Cascelliua.  369 

freqaentantur.  47:  AutistiuB  Labeo  .  .  institutus  est  a  Trebatio.  Geboren 
war  C.  Trebatius  Testa  um  665  zu  Yelia  in  Lucanien,  kam  als  adolescens 
nach  Rom  und" in  Verbindung  mit  Cicero,  der  ihn,  zur  Verbesserung  siiner 
Vermögensumstände,  J.  700  nach  Gallien  an  Caesar  empfahl  (ad  fam.  VU, 
5),  wo  er  mindestens  ein  Jahr  blieb.  Aus  dieser  Zeit  sind  Cicero's  Briefe 
an  ihn,  ad  fam.  VII,  6—18;  dazu  aus  J.  710  ib.  19—21,  und  unbekannten 
Datums  ib.  22.  Von  daher  blieb  er  auf  Caesars  Seite,  aber  vermittelnd 
und  mässigend;  so  dann  auch  unter  August;  s.  Hör.  S.  IT,  1.  Justinian. 
Inst.  II,  26  pr.:  dicitur  Augustus  convocasse  prudentes,  inter  quos  Treba- 
tium  quoque,  cuius  tunc  auctoritas  maxima  erat.  Er  scheint  noch  ums  J. 
740  gelebt  zu  haben.  Porphyrio  zu  Hör.  1.  1.  (p.  200  Hauth.):  ad  Treba^ 
tium  scribit  equitem  romanum  (Letzteres  durch  Octavian  geworden?  W. 
TeuflFel  zu  Hör.  S.  H,  1,  29).  hie  est  Trebatius-  iuris  peritus,  qui  locum 
obtinuit  inter  poetas  (was  ganz  zu  dem  Bilde  des  heiteren  Lebemannes 
stimmt)  et  aliquot  libros  de  civili  iure  composnit  et  de  religionibus  novem 
(vielmehr  XI?).  Letztere  bei  Gell.  VII  (VI)  12,  4:  C.  Trebatius  .  .  in  libro 
de  religionibus  secundo;  Macrob.  IH,  7,  8  (Trebatius  Religionum  libro 
nono)  und  3,  6  (Trebatius  libro  decimo  Eeligionum);  vgl.  ib.  I,  16,  28.  III, 
3,  2.  4.  6,  1.  Serv.  Aen.  XI,  316  (Trebatius  de  religionibus  libro  VII). 
Unter  seinen  juridischen  Schriften  finden  sich  namentlich  von  seinem  Com- 
mentar  zum  Edictum  aedilium  curulium  Spuren  in  den  Digesten  (IV,  3,  18, 
3  f.  XXI,  1,  6,  1.  12.  4.  14,  3.  vgl.  Gell.  IV,  2,  9  f.).  Ausserdem  vgl.  Dig. 
XI,  7,  14,  11.  XXXII,  100,  1.  3.  XLI,  2,  3,  6.  XLIII,  24,  22,  3.  S.  W. 
Zimmern,  Gesch.  d.  röm.  Privatrechts  I,  1.  S.  297—299.  0.  Stange,  de 
C.  Tr.  T.  et  de  eo  loco  quem  inter  aequales  tenuerit,  Berlin  1849.  A.  Haakh 
in  Pauly's  Real-Enc.  VT,  2.  S.  2078—2080.  W.  Teuffei  im  Commentar  zu 
Hör.  Sat.  II  (Leipzig  1867),  S.  10—14. 

4.  Pompon.  1.  1.  45:  A.  Cascellius,  Quintus  Mucius  Volusii  auditor, 
denique  in  illius  honorem  testamento  Publium  Mucium  nepotem  eins  reli- 
quit  heredem.  Hier  ist  Volusii  wohl  abzuändern  in  Volcatii,  nach  Plin. 
N.  H.  Vin,  40,  144:  Volcatium  nobilem,  qui  Cascellium  ius  civile  docuit. 
Fraglich  ist  sodann  das  Verhältniss  in  welches  Q.  Mucius  (oben  151,  1) 
zum  üebrigen  zu  setzen  ist:  entweder  Q.  Mucii  et  Volcatii  auditor  (vgl. 
W.  Teuffei  in  Pauly's  Real-Enc.  V.  S.  188  f.  Nr.  21)  oder  Q.  Mucii  audi- 
toris  Volcatii  auditor  (Mommsen).  Weiter  berichtet  Pomp.  1.  1.  über  Cas- 
cellius: fuit  autem  quaestorius,  nee  ultra  proficere  voluit,  cum  illi  etiam 
Augustus  consulatum  offerret.  ex  his  etc.  (s.  A.  2).  Cascellii  scripta  non 
exstant  nisi  unus  liber  bene  dictorum  (Sammlung  seiner  Witzworte  durch 
einen  Andern?  vgl.  oben  120,  6.  188,  2.).  Val.  Max.  VI,  2,  12:  Cascellius, 
vir  iuris  civilis  scientia  clarus,  quam  pericnlose  contumax!  nullius  enim 
aut  gratia  aut  auctoritate  compelli  potuit  ut  de  aliqua  earum  rerum  quas 
triumviri  dederant  formulam  componeret*  hoc  animi  iudicio  universa  eorum 
beneficia  extra  omnem  ordinem  legum  ponens.  idem  cum  multa  de  tem- 
poribus  liberius  loqueretur  (unter  August)  .  .  duas  res  .  .  magnam  sibi 
licentiam  praebere  respondit,  senectutem  et  orbitatem.  Vgl.  noch  Hör.  Ep. 
II,  3,  371  (als  lebend  vorausgesetzt).  Quintil.  VF,  3,  87.  Macrob.  H,  6,  1 
(Cascellius   iuris    consultus   urbanitatis  mirae  libertatisque  habebatur,    mit 

TsuFFXii,  Körn.  Literaturgeschichie.    2.  Aufl.  24 


370  Ciceronische  Zeit.    Zweite  Hälfte,  J.  691— 711. 

Anführang  eines  Witzes  von  ihm  aus  dem  J.  698  d.  St.)-  Er  ist  wohl  der 
Urheber  des  iudicium  Cascelliantmi  sive  secntorium  bei  Gaj.  Inst.  IV,  166. 
169.  Angeführt  wird  erDig.  XXXII,  100  pr.  XXXIII,  6,  7  pr.  XXXV,  1,  40, 1. 
E.  G.  Lagemans,  de  A.  Cascellio  icto,  Lugd.  Bat.  1^23.  4.  Zimmern, 
Gesch.  d.  röm.  Privatrechts  I,  1.  S.  299  f.  H.  £.  Dirksen,  der  Bechtsgelehrte 
A.  Gase,  ein  Zeitgenosse  Cicero's,  Berlin  1868.  4.  a»  Hinterlassene  Schriften 
II,  Abth.  4,  Nr.  3. 

6.  L.  Valerius  iureconsultus,  ex  domesticis  atqae  intimis  familiaribus 
des  Cicero  (ad  fam.  IQ,  1,  3  vom  J.  702),  auch  witzig  wie  sein  Alters- 
und Fachgenosse  Trebatius  (ib.  I,  10),  wie  es  scheint  aus  Apulien  gebürtig 
(Apuliam  tuam,  ib.  vom  J.  700).  Nicht  unwahrscheinlich  ist  es  dass  er 
gemeint  ist  auch  ib.  VII,  11,  2  (J.  701,  an  Trebatius):  si  diutius  frustra 
abfueris,  non  modo  Laberium  sed  etiam  sodalem  nostrum  Valerium  per- 
timesco.  mira  enim  persona  induci  potest  Britannici  iureconsulti;  woraus 
nicht  mit  Sicherheit  zu  schliessen  ist  dass  auch  er  Mimen  verfasst  habe. 
Möglicher  Weise  (vgl.  134,  1)  ist  er  auch  der  Valerius  weicher  als  Com- 
mentator  der  zwölf  Tafeln  erwähnt  wird  (oben  84,  6). 

6.  Antistius  Labeo,  Vater  des  berühmten  Juristen  dieses  Namens  und 
selbst  auch  Jurist  (Pompon.  Dig.  I,  2,  2,  44).  Er  war  einer  der  zu  Caesars 
Ermordung  Verschworenen ,  f  712.  Vgl.  Appian.  b.  c.  IV,  136  (in)  aotpia 
yvoigiiiog).  Pauly's  Beal-Enc.  I,  1.  S.  1163,  Nr.  21.  Hatte  er  den  Vornamen 
Pacuvius  (M.  Hertz  zu  Priscian.  p.  384  und  in  Fleckeisens  Jahrbb.  91,  S. 
216),  so  wird  er  gemeint  sein  auch  bei  Gell.  V,  21,  10:  prima  epistula  (des 
SinniuB  Capito)  scripta  est  ad  Pacuvinm  Labeonem. 

7.  üober  Alfenus  Varus  s.  unten  206,  2. 

190  200.  Unter  den  Rednern  dieser  Generation  erwatben  sich 
Anerkennung  besonders  M.  Calidius  (Prätor  697)  und  der  ta- 
lentvolle, aber  sittenlose  C.  Memmius  (Prätor  696),  Letzterer  zu- 
gleich in  gebundener  Form  sich  versuchend  und  bekannt  durch 
seine  Verbindung  mit  Lncretius  und  wohl  auch  CatuUus.  Aus- 
serdem sind  als  Redner  zu  nennen  C.  ManiliuS;  P.  Sestius,  L. 
Herennius  Baibus  und  der  bekannte  Bedränger  des  Cicero,  P. 
Clodius. 

1.  Hieron.  Eus.  Chron.  ad  a.  Abr.  1960  =»  697  d.  Si:  M.  Calidius 
orator  clarus  habetur,  qui  bello  postea  civili  (J.  707)  Caesariauas  partes 
secutus  (vgl.  Caes.  b.  c.  I,  2),  cum  togatam  Galliam  regere t,  Placentiae 
obiit.  Nach  ib.  a.  Abr.  1963  *=  690  d.  St.  war  ApoUodorus  Pergam.  sein 
(und  des  Octavian)  Lehrer  in  der  Beredtsamkeit.  Ausführliche  Schilderung 
seiner  rednerischen  Eigenthümlichkeit  bei  Cic.  Brut.  76,  274 — 80,  278,  wo 
z.  B.:  non  fuit  orator  unus  e  multis,  potius  inter  multos  prope  singularis 
fuit,  ita  reconditas  exquisitasque  sententias  moHis  et  pellucens  vestiebat 
oratio.  .  .  accedebat  ordo  rerum  plenus  artis,  actio  liberalis,  totumque 
dicendi  placidum  et  sanum  genus.  .  .  nee  erat  ulla  vis  atque  contentio. 
Vgl.  Vellej.  II,  36,  2.  Quintil.  XII,  10,  11  (subtilitas).  39.  Hienach  hielt  er 
zu  der  neuattischen  Richtung.    XJeberreste  aus  seiner  Rede  in  Q.  Gallium 


200  f.   Memmius  und  andere  Redner.   Lucretius.  371 

(vom  J.  690  d.  Si)  bei  Festus  v.  sufer,  p.  309  M.  und  Nonius  p.  208,  27. 
Vgl.  noch  Quintil.  X,  1,  23.  A.  Haakh  in  Pauly's  Beal-Enc.  II.  S.  74.  H. 
Meyer,  orat.  fragm."  p.  436—439.       ^ 

2.  Cic.  Brut.  70,  247:  C.  Memmius  L.  f.  perfectus  litteris,  sed  graeciB, 
fastidiosus  sane  latinarum;  argutue  orator  verbisque  dulcis,  sed  fugiens 
non  modo  dicendi  verum  etiam  cogitandi  laborem.  Die  erotischen  Gedichte 
desselben  (oben  31,  1.  vgl.  Ovid.  Trist.  II,  433:  Memmi  Carmen)  scheinen 
aber  doch  nicht  griechisch  gewesen  zu  sein.  Yolkstribun  688.  Als  Prätor 
(J.  696)  trat  er  gegen  Caesar  auf,  liess  sich  aber  später  von  ihm  gewinnen 
(Suet.  Caes.  73:  Gai  Memmi,  cuius  asperrimis  orationibus  non  minore  acer- 
bitate  rescripserat,  etiam  suffragator  mox  in  petitione  consulatns  fuit). 
Proprätor  in  Bithynien  J.  697  f.,  wo  Helvius  Cinna  und  Catull  in  seiner 
cohors  waren  (unten  211,  3).  J.  701,  wegen  ambitus  bei  der  Bewerbung 
um  den  Consulat  belangt,  gieng  er  nach  Griechenland  in  die  Verbannung, 
wo  er  um's  J.  706  starb.  W.  TeuflFel  in  Pauly's  Beal-Enc.  IV.  S.  1766  f. 
Nr.  8.    Vgl.  Grenzboten  1869.  II.  S.  129—143. 

3.  G.  Manilius,  als  tr.  pleb.  688  Urheber  der  lex  Manilia,  wofSr  ihn 
Livius  eine  contio  bona  halten  Hess  (Liv.  ep.  100).  L.  0.  Bröcker  in  Pauly*s 
Real-Enc.  IV.  S.  1482  f.  Nr.  6. 

4.  P.  Sestius,  Quästor  691,  tr.  pl.  697,  Proprätor  in  Kilikien  J.  704 
(Plut.  Brut.  4),  später  auf  Caesars  Seite  getreten,  üeber  die  Langweilig- 
keit seiner  Rede  gegen  Antius  in  einer  Civilklagsache  s.  Catull  44^  10  ff. 
Cicero,  der  ihn  J.  698  vertheidigte  (s.  oben  176,  32),  dachte  gleichfalls 
von  seinen  Fähigkeiten  gering  {tdimtrigj  Plut.  Cic.  26;  nihil  umquam  legi 
scriptum  ariatimöiazsQOv ,  ad  Att.  VII,  17,  2).  W.  Teuffei  in  Pauly's  Real- 
Enc.  VI,  1.  S.  1128  f.  Nr.  6. 

5.  L.  Herennius  Baibus,  J.  698  d.  St.  Mitankläger  des  M.  Caelius  (Cic. 
p.  Cael.  11,  26  ff.)  und  J.  702  Mitankläger  des  Milo  (Ascon.  p.  36.  Gr.). 

6.  P.  Clodius  Pulcher,  Quästor  J.  693,  trib.  pleb.  696,  f  702;  s.  Dru- 
mann  G.  R.  II.  S.  199—370.  Haakh  in  Pauly's  Real-Enc.  IL  S.  416—420. 
C.  W.  Elberling,  narratio  de  P.  Cl.  P.,  Kopenhagen  1839.  Cic.  p.  Cael.  11, 
27:  P.  Clodius  .  .  cum  inflammatus  ageret .  .  voce  maxima,  tametsi  proba- 
bam  eius  eloquentiam ,'  tarnen  non  pertimescebam;  aliquot  enim  in  causis 
eum  videram  frustra  litigantem.  J.  700  trat  er  als  Ankläger  des  Procilius 
auf,  sowie  als  Vertheidiger  des  M.  Scaurus. 

201.  T.  Lucretius  Carus  (wahrscheinlich  J.  656 — 699)i9i 
behandelte  in  seinem  aus  sechs  Büchern  bestehenden  Lehrge- 
dichte de  rerum  natura  die  Physik,  Psychologie  und  —  obwohl 
kurz  —  Ethik  des  Epikur,  in  Anlehnung  an  die  Weise  des  Em- 
pedokles  und  Ennius.  Hat  der  Dichter  auch  unzweifelhaft  sich 
vergriffen  indem  er  eine  so  trockene  mechanische  Lehre  zu  be- 
arbeiten unternahm  y  so  hat  doch  die  Begeisterung  womit  er  sie 
als  Erlösung  aus  der  Nacht  des  Abei-glaubens  predigt  und  der 
ehrliche  Eifer  womit  er  auf  die  falschen  Grotzen  losschlägt  etwas 

24* 


372  Ciceronische  Zeit.   Zweite  Hälfte,  J.  691— 711. 

Erhebendes,  und  bewundernswürdig  ist  die  geistige  Bjraft  und 
Ausdauer  die  sich  im  Kingen  mit  dem  spröden  StofiPe  kundgibt. 
Ueberdiess  bricht  des  Dichters  grosse  Begabung  sich  oft  genug 
Bahn  durch  die  Fesseln  des  Planes.  Der  Grundton  ist  ernst 
und  trüb  und  nicht  selten  bitter,  die  Darstellung  ungleich  und 
oft  schwerfallig,  die  Sprache  scharf,  kühn  und  von  einer  Her- 
bigkeit  die  einen  eigenthümlichen  Reiz  hat.  Mit  seiner  Art  zu 
denken  und  zu  schreiben  Ton  der  Gegenwart  ab  und  einer  bes- 
sern Vergangenheit  zugekehrt  fand  der  Dichter  in  seiner  eige- 
nen Zeit  wenig  Beachtung-,  aber  auf  die  Augusteer  hat  er  ent- 
schiedenen Einfluss  ausgeübt.  Manche  Anstösse  in  dem  Werke 
erklären  sich  auch  daraus  dass  dasselbe  von  seinem  Verfasser 
nicht  zu  Ende  gearbeitet  werden  konnte. 

1.  Uieronym.  Euseb.  Chr.  ad  a.  Abr.  1923  (Amand.  u.  Freh.  a.  1922) 
SB  660  d.  St.:  T.  Lucretius  poeta  nascitur.  postea  amatorio  poculo  in  furo- 
rem  versus,  cum  aliquot  libros  per  intern alla  insaniae  conscripsiaset,  quos 
postea  Cicero  emendavit,  propria  se  manu  interfecit  anno  aetatis  XLIV. 
Hienach  wäre  das  Todesjahr  703 — 704  d.  St.  Dagegen  Donat.  vita  Vergil. 
2:  XV^  anno  virilem  togam  cepit,  illis  consulibus  iterum  quibus  natus.  erat 
(nämlich  699,  Cn.  Pompeio  U  und  M.  Licinio  Crasso  II),  evenitque  ut  eo 
ipso  die  Lucretius  poeta  decederet.  Diess  würde,  die  Richtigkeit  des  er- 
reichten Lebensalters  vorausgesetzt,  auf  J.  655 — 656  als  Geburtsjahr  führen. 

4 

Das  Begensburger  Glossar  im  Anhange  der  Glossae  Salomonis:  Titus  lu- 
cretius poeta  nascitur  sub  consulibus.  ann  XX  Ü:  II  an  uirgilium.  Dabei 
ist  aber  die  dortige  Datierung  des  Todes  von  Vergil  zu  Grunde  zu  legen; 
s.  üsener,  Rhein.  Mus.  XXII.  S.  444  f.  vgl.  ebd.  XXIII.  S.  678—680.  —  Für 
die  Richtigkeit  von  Donats  Datierung  spricht  dass  Cicero's  Aeusserung  über 
Lucretius  vom  J.  700  (s.  A.  2),  im  Zusammenhange  mit  seiner  Thätigkeit 
als  Herausgeber,  den  Tod  des  Dichters  voraussetzt.  Wird  hienach  ein  Irr- 
thum  des  Hieronymus  angenommen,  so  bedarf  es  dazu  kaum  einer  so 
nothdürftigen  Erklärung  wie  sie  die  Verwechslung  der  Coss.  von  666  Q. 
Caecilius  und  T.  Didius  mit  den  etwas  ähnlich  heissenden  von  660  (C.  Cae- 
lius  und  L.  Domitius)  bieten  würde.  Ueber  den  Werth  der  übrigen  Angaben 
des  Hieronymus  ist  gleichfalls  Meinungsverschiedenheit.  Lachmann  zu  Lucr. 
p.  63:  ego  in  Hieronjmianis  nihil  omnino  quod  credi  non  possit  invenio: 
neque  enim  totam  poSsin  per  intervalla  insaniae  compositam  dicit,  sed 
aliquam  partem.  Aber  doch  aliquot  libros,  deren  es  im  Ganzen  nur  sechs 
sind,  und  dass  es  gerade  ein  Epikureer  und  Atheist  ist  der  auf  so  schreck- 
hafte Weise  endet  und  ein  Werk  dieses  *  Inhaltes  das  in  den  (verhältniss- 
mässig)  lichten  Augenblicken  eines  Tollhäuslers  verfasst  wurde  muss  doch, 
ganz  abgesehen  von  dem  märchenhaften  Liebestrank,  zur  Vorsicht  gegen 
die  Angaben  mahnen.  —  Fr.  Polle,  Philologus  XXV.  S.  499  ff.  XXVI. 
S.  561—565.    J.  Jessen,   Festgruss  (Kiel  1869)  S.  52  ff. 

2.  unter  „Cicero"  schlechtweg  hat  Hieronymus  (s.  A.  1)  sicher  den  be- 


201.   LucretiuB.  373 

rühmieu  Bedner  verstanden,  nicht  dessen  Bruder  Quintns,  und  auch  sonst 
spricht  fßr  Letzteren  gar  nichts.  Aber  gegen  die  Geschichtlichkeit  der  ganzen 
Nachricht  könnte  Bedenken  erregen  dass  Cicero,  dessen  Fehler  Schweig- 
samkeit über  seine  Leistungen  doch  gewiss  nicht  ist,  hierüber  nie  eine 
Silbe  sagt,  von  Lucretius  nie  Verse  anfahrt  und  über  ihn  ziemlich  kühl 
urteilt,  ad  Q.  fr.  II,  11,  4  (J.  700):  Lucretü  poömata  (vgl.  Gell.  I,  21,  6: 
in  carminibus  Lucreti  und  Yellej.  II,  36,  2)  ut  scribis  ita  sunt:  multis 
luminibus  ingenii,  multae  etiam  artis.  sed  cum  ad  umbilicum  veneris  (so 
Bergk  statt  cum  veneris;  M.  Hertz:  com  finieris),  virum  te  putabo;  si 
Salln&tii  Empedoclea  legeris,  hominem  non  putabo.  Tk  Bergk,  Cic.  do 
Lucr.  iudicium,  Marburg  1846.  4.  Jedenfalls  war  Cicero's  Thätigkeit  dabei 
eine  untergeordnete,  und  es  scheint  fast  als  hätte  er  der  Pathenschaft  bei 
einem  so  polizeiwidrigen  Werke  sich  halb  geschämt.  Sicher  war  sie  kein 
starker  Beweis  fnr  die  auch  sonst  zweifelhafte  Behauptung  (bei  Plin.  Ep. 
III,  15,  1),  M.  TuUium  mira  benignitate  poetarum  ingenia  fovisse.  Eher 
ist  aus  Lucretius'  Nachahmung  von  Cicero's  Aratea  (s.  Munro  zu  Lucr.  Y, 
619.  p.  598)  auf  ein  Yerhältniss  Beider  zu  schliessen.  Vgl.  noch  Gornel. 
Nep.  Att.  12,  4:  quem  post  Lucretii  Catullique  mortem  multo  elegantissi- 
mum  poetam  nostram  tulisse  aetatem  etc.  Ovid.  Am.  I,  15,  23.  Trist.  II, 
425.  Vitruv.  IX,  3.  Yellej.  II,  36,  2:  auctores  carminum  Yarronem  ac 
Lucretium.  Quintil.  X,  1,  87:  Macer  et  Lucretius  legendi  quidem,  sed  non 
ut  phrasin,  i.  e.  corpus  eloquentiae  faciant.  elegantes  in  sua  quisque  ma- 
teria,  sed  alter  humilis,  alter  (Lucr.)  dif&cilis.  St^t.  Silv.  II,  7,  76:  docti 
furor  arduus  Lucreti.  Horaz  verräth  besonders  in  seinen  Satiren  Yertraut- 
heit  mitLucrez,  z.  B.  1, 1,  13  (Lucr. II,  104.  Y,  164).  118  f.  (Lucr.  III,  938). 
3,^38  ff.  (Lucr.^IY,  1153  ff.).  5,  101  (Lucr.  Y,  82).  6,  4  (Lucr.  III,  1028).  18 
(Lucr.  III,  69).  0.  I,  26,  6  ff.  (Lucr.  lY,  2  ff.).  Noch  0.  lY,  7,  15  kehrt  der 
bonus  Ancus  (Lucr.  III,  1025)  wieder.  E.  Göbel,  Ztschr.  für  östr.  Gymn. 
1857,  S.  421 — 427.  GelL  I,  21,  7:  non  verba  sola,  sed  versus  prope  totos 
et  locos  quoque  Lucreti  plurimos  sectatum  esse  Yergilium  videmus.  Ygl. 
unten  224,  6  g.  E.  So  mag  auch  Yergil.  Ge.  II,  490  ff.  vorzugsweise  an  Lucrez 
denken.  Einfluss  auf  Ovid,  s.  A.  Zingerle,  Ovid's  Yerhältn.  II.  S.  12—47; 
bedeutender  auf  Manilius  (s.  248,  5).  Die  Archaisten  des  ersten  christli- 
chen Jahrh.  zogen  Lucr.  dem  Yergil  vor  (T^.  dial.  23). 

3.  Zur  Charakteristik  des  Werkes.  Lucrez  ist  von  seiner  Lehre  so  fest 
überzeugt  dass  er  mit  mitleidigem  Behagen  dem  Irregehen  der  Andern 
zusieht  (n,  7 — 13),  und  au  die  Yerdienstlichkeit  seines  Unternehmens  glaubt 
er  so  sicher  dass  er  Tag  und  Nacht  (I,  143.  lY,  966  f.)  sich  damit  be- 
schäftigt und  über  alle  Schwierigkeiten  des  Gegenstandes  (I,  413  ff.  921) 
und  der  lateinischen  Behandlung  (propter  egestatem  patrii  sermonis  I,  140. 
832.  ni,  261)  sich  hinwegsetzt,  aus  Hoffnung  auf  Ruhm  (I,  922),  den  er 
mit  seiner  liebenswürdigen  Naivität  in  Anspruch  nimmt  primum  quod 
magnis  doceo  de  rebus  et  artis  relligionum  (vgl.  63  ff.  84  ff.  II,  44,  wo 
parallel  damit  mortis  timores  stehen)  animos  nodis  exsolvere  pergo;  deinde 
quod  obscura  de  re  tarn  lucida  paugo  carmina,  musaeo  contingens  ouncta 
lepore  (I,  930 — 933);  auch  wegen  der  Neuheit  seines  Beginnens  (I,  925— 
929.  vgl.  II,  1023  ff.),  welche  relativ  zu  verstehen  ist,  für  die  römische  Li- 
teratur.   Ein  Zug  von  Schwermut  geht  durch  seine  ganze  Weltanschauung, 


374  CiceroniBche  Zeit   Zweite  H&lfte,  J.  691—711. 

2.  B.  III»  870—077  und  oft.  J.  Beisacker,  der  Todesgedanke  .  .  bes.  bei 
Epikur  und  Lncretius,  Trier  1862.  4.  Dabei  bekunden  ein  warmes  edles 
Gemüt  so  viele  ergreifende  Schilderungen  aus  dem  Menschenleben  (I,  938  ff. 
n,  1163  ff.  m,  907  ff.  V,  223  ff.)  wie  aus  der  leblosen  Natur  (II,  29  ff. 
144  ff.  352  ff.). 

4.  System.  E.  y.  Suckau,  de  Lucr.  metaphysica  et  morali  doctrina, 
Paris  1857.  J.  W.  Braun,  Lucr.  de  atomis  doctrina,  Münster  1857.  F.  Hilde- 
brandt, Lucr.  de  primordüs  doctrina,  Magdeburg  1864.  4.  P.  Mont^e,  Lucr. 
consid^r^  comme  moraliste,  Paris  1861.  Fr.  Siemering,  Quaestionum  Lu- 
cretianarum  Part«.I  et  II,  Königsberg  1867  (I.  de  philosophia  Epicurea  etc. 
p.  1 — 23,  II.  de  aliorum  philosophorum  quae  apud  Lucr.  Epicureum  occur- 
runt  sententiis  etc.  p.  23 — 49).  Th.  Bindseil,  quaestiones  lucret.,  Anclam 
1867.  4. 

Yerhältniss  zu  seinen  Quellen.  A.  J.  Reisacker,  Quaestiones  lucret. 
(Bonn  1847)  und  Epicuri  de  animorum  natura  doctrina  a  Lucretio  discipulo 
tractata,  Cöln  1855.  4.  E.  Hallier,  Lucr.  carm.  e  iragmentis  Empedoclis 
adumbratum,  Jena  1857. 

5.  Sprache.  F.  W.  Altenburg,  de  usu  antiquae  locutionis  in  Lucr.  car- 
mine  obviae,  (xotha  1857.  4.  G.  W.  F.  Proll,  de  formis  antiquis  Lucretianis, 
Breslau  1859.  B.  Schubert,  de  Lucretiana  verborum  formatione,  Halle  1865. 
B.  Bouterwek,  Lucretianae  quaestiones  grammaticae  et  criticae,  Halle  1861. 
Fr.  Polle,  de  artis  vocabulis  (philosophische  Eunstausdrücke)  quibusdam 
Lucretianis,  Dresden  1866.  F.  W.  Holtze,  syntaxis  Lucretianae  lineamenta, 
Lips.  1868.  204  pp.  C.  G.  L.  SlÄdler,  de  sermoAC  Lucr.,  Jena  1869.  51  pp. 
G.  Kühn,  quaest.  lucr.  grammaticae  et  metricae,  Bresl.  1869.  64  pp. 

6.  Nichtvollendung.  Ueber  das  Mass  derselben  und  die  Sorgfalt  des 
Herausgebers  sind  die  Ansichten  getheilt  (s.  Purmann  in  Jahn's  Jahrbb.  67, 
S.  658  ff.  Polle,  im  Philologus  XXV.  S.  503  f.),  nicht  aber  über  das  Dass 
und  darüber  dass  die  (drei)  ersten  Bücher  der  Vollendung  näher  gebracht 
worden  sind  als  die  letzten. 

7.  Üeber  Lucrez  und  sein  Werk :  Bayle  dictionnaire  s.  v.  Nachträge  zu 
Sulzer  Vn.  S.  310—336.  Bruner,  de  carmine  didasc.  (Helsingfors  1840.  4.) 
p.  20—41.  W.  Teuffei  in  Pauly's  Real-Enc.  IV.  (1845.)  S.  1195  —  1198. 
L.  Grasberger,  de  Lucr.  carminö, -München  1856.  61  pp.  (bes.  de  Li.  philo- 
sophia, p.  5 — 21;  de  arte  Li,  p.  21 — 41).  C.  Martha,  Bevue  des  deux  mondes, 
März  1863,  p.  187 — 215;  le  po^me  de  Lucr.  morale,  religion,  science,. Paris 
1869.  Mommsen  B.  G.  III*.  S.  573—677,  und  danach  J.  Mähly,  im  neuen 
Schweiz.  Mus.  V.  1865.  S.  167 — 188.  Fr.  Polle,  die  Lucrezliteratur  seit 
Lachmann  und  Bernays,  Philologus  XXV.  S.  489—530.  XXVI.  S.  290—345. 
524—565. 

8.  Alte  Commentatoren:  Valerius  Probus  (s.  d.).  Hieronym.  in  Buf.  I. 
(H.  p.  472  Vall.):  puto  quod  puer  legeris  Aspri  .  .  commentarios  .  .  et  alio- 
rum in  alios,  Plautum  videlicet,  Lucretium,  Flaccum  etc.  Vgl.  J.  Steup, 
de  Probis  p.  81  f.  not.  2.  Das  Mittelalter  hindurch  war  Lucr.  verschollen; 
J.  Jessen,  Philologus  XXX.  S.  236—238. 

9.  Die  Handschriften  des  Lucr.  gehen  alle  zurück  auf  einen  arche- 
typus  saec.  IV  oder  V  in  Capitalschrift,   ohne  Wortabtheilung  (Lachmann 


201.   LucretiuB.  375 

zu  Lucr.  p.  3;  vgl.  Philologus  XXV.  S.  528 — 530).  Von  diesem  wurden  seit 
saec.  IX  drei  Abschriften  gemacht,  von  welchen  die  drei  Familien  stammen 
in  die  sich  alle  erhaltenen  Hdss.  vertheilen  (Lachmann  p.  4 — 11).  Der  ein- 
zige Vertreter  der  ersten  ist  der  oblongus  (oder  Leidensis  1);  s.  £.  Göbel, 
Rhein.  Mus.  XV.  S.  401—418.  Die  zweite  Familie  besteht  aus  den  italici 
(acht  Laurent.,  worunter  Nr.  30  die  Hds.  von  Niccoli,  sechs  Vatic;  auch 
eine  Cambridger),  welche  alle  aus  der  einen  (dem  oblongus  sehr  ähnlichen) 
Handschrift  stammen  welche  Poggi  aus  Deutschland  brachte.  Vgl.  Philo- 
logus XXV.  S.  517  f.  Ein  stark  interpolierter  Vertreter  dieser  zweiten 
Familie  ist  der  Münchner  Pergamentcodex  der  einst  im  Besitze  des  P.  Victo- 
rius  war  (cod.  Victorianus)  und  dessen  Correcturen  wahrscheinlich  von  Pon- 
tanus*  Schüler,  Marullus  (t  1500),  herrühren;  s.  L.  Spengel,  Münchner  Gel. 
Anz.  XXXIII  (1851).  S.  771  ff.  W.  Christ,  quaest  Lucr.,  München  1855. 
E.  Göbel,  quaest.  Lucr.  crit.,  Salzburg  1857.  4.  Rhein.  Mus.  XII.  S.  453  f. 
De  cod.  Victor,  von  H.  Sauppe  (Götti.  1864.  4.)  und  Bouterwek  (Halle  1865.  4.). 
Munro*S  Ausg.  p.  7—15.  27.  Fr.  PoUe,  Philologus  XXV.  S.  518—528.  Die 
dritte  Familie  besteht  aus  dem  quadratus  (Leid.  2)  und  zwei  Bruchstücken, 
den  (acht)  Schedae  Havnienses  und  den  (zehn)  Schedae  Vindobonenses;  s. 
R.  J.  F.  Henrichsen,  de  fragm.  Gottorpiensi  Lucr.,  Eutin  1846.  E.  Göbel, 
Rhein.  Mtfs.  XII.  S.  449  ff. 

10.  Auf  dieser  handschriftlichen  Grundlage,  nur  unter  Einmischung 
mancher  nichtberechtigte'n  sprachlichen  Voraussetzungen  (Philologus  XXVI. 
S.  294 — 298),  ist  der  Text  des  Lucretius  erstmals  von  Lachmann  bearbeitet 
worden  (1850),  welchem  die  Revision  von  J.  Bemays  (1852)  folgte.  Die 
nächst  Lachmann  bedeutendste  Leistung  für  die  Textkritik  ist  die  von 
Munro  (1860.  1864),  zugleich  die  einzig  erhebliche  seit  langer  Zeit  für  die 
Erklärung  des .  Dichters.  Zahlreiche  kritische  Beiträge  in  Quaestiones  Lu- 
cretianae  von  H.  Purmann  (Breslau  1844.  Lauban  1858.  4.  1860.  4.), 
J.  Siebeiis  (Lips.  1844),  Oppenrieder  (Augsburg  1848),  H.  Lotze  (Philologus 
VII.  1852.  S.  696—732),  W.  Christ  (München  1865),  J.  Jessen  (Göttingen 
1868,  p.  10 — 40);  Observationes  Lucretianae  von  P.  E.  Göbel  (Bonn  1854), 
und  Abhandlungen  verschiedenen  Titels  von  J.  N.  Madvig  (Opusc.  I.  p.  305 
—322),  J.  Bernays  (Rhein.  Mus.  V.  p.  533—587;  VIH.  S.  159  f.),  H.  Pur- 
mann (Naumburg  1849.  4.  Cottbus  1867.  4.),  F.  W.  Altenburg  (Schleusin- 
g^n  1845.  4.),  J.  Roos  (Groningen  1847),  Th.  Bergk  (Jahns  Jahrbb.  67, 
S.  315—330.  83,  S.  316—334.  495—509.  617—638;  im  Haller  Ind.  lect. 
1865),  C.  Winckelmann  (Salzwedel  1857.  4.),  Fr.  Susemihl  und  A.  Brieger 
(Philologus  XIV.  S.  650—567.  XXIIL  S.  456—472.  623—643.  XXiV.  S.  422— 
453.  XXV.  S.  67—91.  XXVII.  S.  28—57.  XXTX.  S.  417—447),  L.  MüUer 
(ebds.  XV..  S.  157—162),  Th.  Bindseil  (Halle  1865),  F.  Polle  (Philologus 
XXV.  S.  269—283),  F.  Bockmüller  (Lucretiana,  Stade  1868.  26  pp.  4.)  u.  A. 
Vgl.  die  Uebersicht  von  F.  Polle,  Philologus  XXVI.  S.  298—345.  524  ff. 

11.  Ausgaben  (vgl.  Munro  L  p.  3 — 23).  Ed.  princeps  s.  1.  et  a.  (wahr- 
scheinlich Brix.  1473).  fol.  Aldina  I  (1500.  4.)  cura  H.  Avancii;  cum  comm. 
I.  B.  Pii,  Bonon.  1511  fol.  luntina  (cura  P.  Candidi),  Flor.  1512.  Cum 
comm.  D.  Lambini,  Paris  1564.  4.  1570.  4.  Prancof.  1583.  8.  und  oft. 
Cum  collectan.  Ob.  Gifanii,  Antverp.  1566.  8.  und  oft.  Cum  notis  Th.  Creech, 


376  Ciceronische  Zeit.   Zweite  Hälfte,  J.  691—711. 

Ozon.  1695,  zuletzt  1807.  1818.  1835.  Cum  notis  varr.  ed.  S.  Havercamp, 
Lugd.  B.  1725.  4.  2  VoU.  Ed.  G.  Wakefield,  Lond.  1796.  4.  3  Bde.  Glasg. 
1813.  8.  4  Bde.  (vgl.  Madvig  OpuBC.  I.  p.  306  f.).  Ed.  H.  G.  A.  Eichstaedt, 
Lipa.  1801.  Vol.  I.  (Prolegg.,  Text,  Index).  Ed.  A.  Forbiger,  Lips.  1828.  Rec. 
et  einend.  C.  Lachmann,  cum  comm.,  2  Bde.,  Berlin  1850.  1853—1855. 
1860—1866.  Ed.  J.  Bernays,  Lipa.  1852.  With  notes  by  H.  A.  J.  Munro, 
Cambridge  1860.  ed.  II.  1866;  Vol.  II  (translation  in  Prosa)  1866.  Text 
von  Munro  (recogn.),  Cambridge  1860.  1864. 

12.  Deutsche  Uebersetzungen  von  J.  H.  F.  Meineke  (Leipz.  1795.  2  Bde.), 
C.  L.  V.  Knebel  (Leipzig  1821  u.  1831),  G.  Bossart -Gerden  (Berlin  1866), 
W.  Binder  (Stuttgart,  Hofifmann  1868  f.).  Uebersetzungsproben  von  L.  Gras- 
berger  (in  Terzinen,  Würzburg  1862.  4.)  und  A.  Brieger  (I,  1 — 369,  Posen 
1866.  4.). 

192  202.  Die  jüngere  Generation,  deren  beste  Lebensjahre  in 
die  stürmische  Zeit  des  Bürgerkriegs  zwischen  Caesar  und  Pom- 
pejus  hineinfielen  und  die  sich  genöthigt  sah  selbst  auch  Stel- 
lung zu  nehmen  in  diesen  Kämpfen,  erhält  dadurch  einen  lei- 
denschaftlich erregten  Charakter,  wie  im  Leben  so  grossentheils 
auch  in  der  Literatur.  Getragen  von  den  Ergebnissen  der  bis- 
herigen Entwicklung,  mit  hellenischer  Bildung  gesättigt  und  der 
eigenen  Kraft  sich  bewusst,  schlug  man  mutig  neue  Bahnen 
ein  und  suchte  es  den  Griechen  auch  in  der  Literatur  gleich 
zu  thun.  Sallust  in  der  Geschichte,  CatuU  in  der  Poesie  zeigen 
wie  erfolgreich  dieses  Streben  war;  und  beide  Altersgenossen 
waren  nur  die  hervorragendsten  unter  einer  grossen  Zahl  von 
Mitstrebenden:  in  der  gebundenen  Form  Varro  Atacinus  und 
Licinius  Calvus  dem  CatuU  nahezu  gleichkommend  und  auf  an- 
derem Gebiete  der  Syrer  Publilius,  in  prosaischel:  Darstellung 
durch  Rede  und  Schrift  M.  und  D.  Brutus,  Caelius  Rufus,  Cor- 
nificius,  Curio,  Fumius  und  viele  Andere.  Sogar  eine  Frau, 
Hortensia,  zählt  unter  den  Rednern,  und  andere  Frauen,  wie 
Catulls  Lesbia,  machen  Gedichte.  Diese  Zeitgenossen  verfolgen 
in  der  Beredtsamkeit  alle  wesentlich  die  gleiche  Geschmacks- 
richtung auf  das  Natürliche,  Einfache  und  Schmucklose,  zum 
Theil  mit  solcher  Absichtlichkeit  dass  es  selbst  wieder  zur 
Künstlichkeit  wird.  In  der  Poesie  streben  sie  den  alexandrini- 
schen  Dichtem  nach  und  begegnen  sich  theilweise  auch  in  den 
Stoflfen.  So  verfassen  Epen  mit  mythologischem  Stoflfe  Valerius 
Cato  (Diana),  Catull  (Epithal.  Pelei),  Calvus  (lo),  Cinna  (Zmyr- 
na),  Comificius  (Glaucus),  Caecilius  (Cybele);  Epithalamien  und 
Hymenäen   Catullus,    Calvus    und  Ticidas.     Auch    entsprach    es 


202  f.   Die  jüngere  Generation.    SalluBtius.  377 

ebenso  dem  alexandrinischen  Vorgang  als  den  lockeren  Sitten 
der  Zeit  und  dieser  Kreise  dass  fast  ein  Jeder  zur  erotischen 
Poesie  seinen  Beitrag  lieferte.  In  der  Politik  aber  gehen  sie 
auseinander,  und  diese  beherrscht  Alles.  Wie  bedeutende  Zeit- 
ereignisse alsbald  eine  ganze  Literatur  hervorrufen,  so  begleitet 
die  Poesie  die  Mäni\er  und  Vorgänge  des  Tags  mit  ihren  Gra- 
ben; die  Geschichtschreibung  verräth  den  Einfluss  der  Politik 
in  Ausgangspunkt  wie  Ziel,  und  die  Beredtsamkeit  fangt  bereits 
an  ihn  darin  zu  empfinden  dass  das  gewohnte  Feld  der  Wirk- 
samkeit ihr  verkümmert  wird. 

1.  Ueber  die  Juristen  Trebatias  Testa  und  A.  Cascellius  b.  oben  199,  3  u.  4. 

2.  Anonyme  Epigramme  zum  Preise  Caesars  und  bes.  seines  Zuges 
nach  Britannien  aus  dem  cod.  Voss.  86  in  der  Anthol.  lat.  419 — 426  R. 
Anderes  s.  unten  212,  4. 

3.  Im  Nachstehenden  sind  zwischen  die  beiden  grössten  Literatur- 
erscheinungen die  kleineren  so  verteilt  dass  an  Sallust  sich  die  caesarisch 
gesinnten  Schriftsteller  Q.  Tubero,  Alfenus  Varus,  G.  Matius  anreihen,  darauf 
die  Redner,  Tagsschriftsteller  und  sonstigen  Prosaisten  (meist  von  der 
Gegenseite)  folgen,  den  Beschluss  aber  und  Uebergang  zur  augusteischen 
Zeit  CatuU  und  die  anderen  Dichter  bilden. 

203,  C.  Sallustius  Crispus  aus  Amitemum  (J.  667—720193 
d.  St.)  widmete  nach  einem  bewegten  Leben  seine  letzten  Jahre, 
nach  Caesars  Tode,  der  Geschichtschreibung.  Zuerst  verfasste 
er  eine  Monographie  über  die  Verschwörung  des  Catilina, 
mehr  nach  literarischen  als  archivalischen  Quellen,  mit  sichtli- 
chem Streben  nach  Unparteilichkeit,  doch  ohne  Verleugnung 
seiner  Sympathie  für  Caesar.  Die  Behandlung  ist  pragmatisch- 
psychologisch und  rhetorisch,  im  Chronologischen  aber  weniger 
genau.  Gleichmässigere  Anlage  und  glattere  Sprache  hat  der 
lugurtha,  der  mit  ruhiger  Objectivität  die  römische  Oligarchie 
in  ihrer  tiefsten  Entwürdigung  vorführt,  unter  sorgfaltiger  Be- 
nützung aller  Quellen.  Endlich  fünf  Bücher  Histofiae,  begin- 
nend mit  Sulla's  Todesjahre  (676  d.  St.)  und  fortgeführt  bis 
687,  vielleicht  aber  ohne  zum  Abschluss  gelang  zu  sein.  Das 
Werk  war  ebenso  angelegt  wie  die  beiden  kleineren  Schriften, 
ist  uns  jedoch  nur  in  Bruchstücken  erhalten.  Dadurch  dass, 
vielleicht  im  zweiten  christlichen  Jahrb.,  die  sämmtlichen  in  den 
drei  Geschichtswerken  Sallusts  sich  findenden  Reden  und  Briefe 
für  rhetorische  Schulzwecke  zusammengestellt  wurden  retteten 
sich  auch  aus  den  Historiae  vier  Reden  und  zwei  Briefe.     Fälsch- 


378  Ciceronische  Zeit.   Zweite  Hälfte,  J.  691—711. 

lieh  den  Namen  des  Sallust  tragen  zwei  Briefe  ad  Gaesarem 
senem  de  republica  und  die  invectiva  Sallustii  in  Ciceronem^  an 
welche  Ciceronis  in  Sallustium  responsio  angeschlossen  isi 

1.  Die  Schreibang  SaJlustiuB  ist  die  bestbeglaubigte  uad  etymologisch 
richtige.  —  Hieronym.  zu  Euseb.  ehr.  ad  a.  Abr.  19S0  =  667  =  87  y.  Chr. 
(im  cod.  Freher.  erst  zu  1931  «=  668):  Sallustius  Crispus  scriptor  historicus 
in  Sabinis  Amiterni  naecitur;  und  ad  1981  es  718  d.  St.:  Sallustius  diem 
obiit  quadriennio  ante  actiacum  bellum.  Chron.  pasch.  I.  p.  347  (vielleicht 
nach  Phlegon's 'Olvfimof  ncat,  Reifferscheid  Suet.  p.  381):  .  .  vitaxtav  Magiov 
TO  ^'  xal  Klwa  xo  ß'  (668  d.  St.)  ZaXovariog  iysvvrjd'rj  naldvSaig  oxroo- 
ßQiatg,  und  p.  359:  Zalovatiog  dns^avs  jcqo  xgi&v  Idmv  fuctmv.  Gell.  XVII, 
18:  M.  Varro  .  .  in  libro  quem  [in]8cripsit  „Pius  aut  de  pace"  C.  Sallustium 
scriptorem  seriae  illius  et  severae  orationis,  in  cuius  historia  notiones  cen- 
sorias  fieri  atque  exerceri  videmus,  in  adulterio  deprehensum  ab  Annio 
Milone  loris  bene  caesum  dicit  et  cum  dedisset  pecuniam  dimissum.  Vgl. 
Porph.  zu  Hör.  S.  I,  2,  41.  Serv.  Ae.  VI,  612.  Respons.  5.  —  Volkstribun 
702  (Ascon.  Mil.  p.  38  Or.).  Durch  die  Censoren  704,  wohl  aus  politischen 
Parteigrunden,  aus  dem  Senat  gestossen  (Eesp.  6.  Dio  XL,  63);  von  Caesar 
705  wiedereingesetzt  durch  üebertragung  der  Quästur  (Resp.  6  7gl.  8)  und 
(707?)  der  Prätur;  durch  Caesar  Proconsul  von  Africa  J.  708;  s.  bell.  air. 
8.  34.  97.  Als  solcher  sich  bereichernd;  s.  Resp.  7.  Dio  XLIQ,  9.  Besitz 
der  horti  Sallustiani. 

2.  Catilina  (bellum  Catilinarium,  de  coniuratione  Catilinae),  erste 
Frucht  der  Müsse  des  Sallust  (Cat.  4,  l^ff.),  verfasst  nicht  vor  711,  heraus- 
gegeben etwa  712.  Sachliche  (namentlich  chronologische)  üngenauigkeiten 
sind  der  Darstellung  mehrfach  nachgewiesen  worden ,  bes.  von  W.  Drumann 
und  E.  Hagen;  vgl.  H.  Wirz,  Catilina's  und  Cicero's  Bewerbung  (Zürich  1864) 
S.  32  ff.  Fr.  Baur,  Correspondenzbl.  1870,  S.  193  ff.  D^m  Cicero  gegenüber 
hält  sich  Sali,  tactvoll,  weder  je  ihn  tadelnd  noch  warm  ihn  fobend;  die 
persönliche  Vorliebe  für  Caesar  aber  bricht  manchmal  hindurch.  Zahl- 
reiche reflectierende  Einleitungen;  nach  dem  Vorgange  griechischer  Schrift- 
steller C.  Sallustius  in  hello  iugurthino  et  Catilinae  nihil  ad  historiam 
pertinentibus  principiis  orsus  est  (Qnintil.  III,  8,  9).  R.  Dietsch,  quo  tem- 
pore quoque  consilio  Sallustius  Catilinam  scripserit,  Grimma  1856.  4.  Hane- 
graat,  de  temporum  computatione  in  libro  de  coniuratione  Catilinae,  Zut- 
phen  1846.  Friedr.  Baur,  Chronologisches  und  Apologetisches  zum  Catilina 
(s.  oben  176,  20,  1).  W.  Ihne  in  den  Verhandlungen  der  Würzburger  Phi- 
lologenversammlung (Leipzig  1869)  S.  106 — 116. 

Ausgaben  von  J.  Ch.  W.  Dahl  (Braunschweig  1800),  Ch.  G.  Herzog 
(Leipzig  1828),  Fr.  Kritz  (ed.  illustr.,  Lips.  1828),  G.  v.  Wieringhen-Borski 
(ed.  ill.,  Groning.  1831),  R.  Dietsch  (erklärt,  Leipzig  1864).  Mit  Anm.  zum 
Uebersetzen  ins  Griechische  von  Holzer  u.  Rieckher,  Stuttgart  1869. 

Uebersetzt  (mit  Text)  von  Ch.  G.  Herzog  (bei  seiner  Ausg.)  und  C. 
Holzer  (Stuttgart  1868).  Ins  Griechische  von  /C.  Holzer  und  J.  Rieckher, 
Stuttgart  1869. 

Beiträge   zur  Kritik  und  Erklärung  von  C.  W.  Nauck   (das  Vorwoi't, 


203.   Sallustius  (Schriften).  379 

Königsberg  in  d.  N.  1860.  4.),  Kvicala  (Ztschr.  f.  östr.  Gym.  1863,  S.  579— 
626),  Th.  Wiedemann  (Philologus  XXII.  S.  495—604)  u.  A. 

3.  lugurtha  (bellam  iugorthinum),  wohl  hauptsächlich  nach  den  Me- 
moiren des  Sulla,  Scaurus  und  Butüius,  mit  Benützung  des  Sisenna  (Jug. 
95,  2)  und  anderer  Quellen  (ib.  17,  7),  doch  in  Ortsschilderungen  und 
Ethnographie  nicht  sehr  zuverlässig.  Der  politische  Gesichtspunkt  (vgl. 
ib.  5,  1)  überwiegt,  verführt  aber  nicht  zur  Parteilichkeit.  Meisterhafte 
Zeichnung  der  politischen  Verhältnisse  in  den  Reden  des  Memmius  (c.  31) 
und  MariuB  (c.  85).  Mit  dem  Ausblick  auf  Letzteren  schliesst  die  Schrift. 
Anlage  (Einleitung,  Excurse,  Reden)  wesentlich  dieselbe  wie  im  Catilina; 
sogar  Wiederholung  von  Wendungen  aus  diesem  und  dem  lug.  selbst; 
doch  ist  das  Yerhältniss  der  einzelnen  Theile  mehr  ausgeglichen.  Aus- 
gaben von  Ch.  G.  Herzog  (Leipzig  1840),  0.  Gehlen  (Regensburg  1862), 
0.  Sichert  (Breslau  1867).  R.  Dietsch^  Obss.  criticae  in  lug.  partem  ez- 
tremam,  Grimma  1845.  4:  Widmann,  de  Memmii  oratione,  Blaubeuren 
1857.  4.  Mommsen,  Hermes  I.  S.  427  —  430.  Uebersetzt  von  C.  Holzer, 
Stuttgart  (Neff)  1868. 

4.  Historiae,  ihrem  Stoffe  nach  thatsächlich  eine  Fortsetzung  des 
Werkes  von  Sisenna.  Absichtliche  Uebergehung  der  Geschichte  des  Sulla, 
lug.  95,  2.  Der  Inhalt  erstreckte  sich  bis  senos  per  annos  (Auson.  Idyll. 
rV,  61  ff.).  Der  Beginn  mit  J.  676  ist  sicher  (Anfangsworte:  res  populi 
rom.  M.  Lepido  Q.  Catulo  coss.  ac  deinde  militiae  et  domi  gestas  com- 
posui),  und  Nichts  in  den  üeberresten  weist  über  J.  687  hinaus.  Auch 
hier  Streben  nach  geschichtlicher  Unparteilichkeit;  s.  unten  204,  2.  Durch 
die  rhetorische  Sammlung  (im  Ganzen  15  Reden  und  6  Briefe  aus  Sallust) 
sind  aus  den  Hist.  erhalten  4  Reden  (Lepidi,  Philippi,  Cottae^  Macri)  und 
2  Briefe  (Cn.  Pompei,  Mithridatis).  A.  Fabricius,  de  M.  Lepidi  ap.  Sali, 
oratione,  Moskau  1848.  Andere  grössere  Ueberreste  das  fragmentum  Bero- 
linense  (von  Heine  gefunden,  von  G.  H.  Pertz  zuerst  herausgegeben,  als 
vermeintliehes  Fragment  des  Livins),  auf  J.  681  und  B.  II  sich  beziehend 
(vgl.  H.  Jordan,  Hermes  II.  S.  81 — 85) ,  und  die  fragmenta  Vaticana  aus  B.  HI, 
von  dem  Kriege  gegen  Spartacus  handelnd.  Vgl.  Jordan  in  seiner  Ausgabe 
des  Sali.  (1866)  p.  111—128,  und  de  vaticanis  Sali.  hist.  1.  lU  reliquiis  im 
Hermes  Y.  p.  396—412.  Anderes  in  der  Nachbildung  des  Inline  Exuperan- 
tius.  Sammlung  der  Ueberreste  der  Hist.,  nach  früheren  Arbeiten  von  J. 
Th.  Kreyssig,  1811  bis  1852,  besonders  von  Fr.  Kritz  (disposita  suisque 
coram.  illustrata,  Lips.  1853;  und:  neu  geordnet  und  erklärt,  Erfurt  1856). 
Nachträge  im  Rhein.  Mus.  XVIU.  S.  478  f.  XIX.  S.  147  f.  Erklärt  und  über- 
setzt von  0.  Gehlen  (Wien  1865).  G.  Linker,  Sali.  Hist.  prooemium  .  . 
restituere  tentavit,  Marburg  1850.  J.  G.  Schlimmer,  hist.  rerum  gest.  in 
Hist.  Sali,  libris,  Utrecht  1860.  Reden  und  Briefe  der  Hist.,  rec.  et  ed. 
OreUi  (Zürich  1830;  dazu  die  historia  critica  eclogarum  ex  Sali.  Hist., 
Zürich  1833).  Darüber  von  R.  Klotz  (Leipzig  1849)  und  besonders  H.  Jordan, 
Rhein.  Mus.  XVIII.  S.  584—593. 

5.  Die  zwei  Briefe  ad  Caesarem  (der  erste  hat  aber  vielmehr  die 
Form  einer  Rede)  sind  sicher  aus  der  Eaiserzeit  und  der  Rhetorschule 
(suasoriae),  beide  unpraktisch  und  die  Redeweise  des  Sallust  nachahmend. 


.-^80  Ciceronische  Zeit.    Zweite  Hälfte,  J.  691—711. 

zudem  in  übertreibend  archaistischer  Orthographie.  Der  zweite  ist  weit- 
schweifig und  enthält  theil weise  die  gleichen  Vorschläge  wie  der  erste, 
ohne  doch  an  ihn  anzuknüpfen.  Daher  scheinen  sie  Bearbeitungen  des 
gleichen  Schulthemas  von  verschiedenem  Standpunkte,  aber  (bei  der  Gleich- 
heit der  Anlage,  des  Geistes,  der  Sprache  und  vieler  einzelnen  Wendun- 
gen) jedenfalls  aus  derselben  Zeit,  wenn  nicht  von  demselben  Verfasser, 
wie  Orelli  und  Jordan  annehmen,  indem  Letzterer  denselben  in  die  Zeit 
zwischen  den  Flaviem  und  Antoninen  setzt,  Orelli  in  die  des  Fronto  und 
ihn  für  den  Urheber  der  Zusammenstellung  der  sallustischen  Beden  und 
Briefe  hält.  Vgl.  W.  Teuffei  im  Tübinger  Doctorenverzeichniss  von  1868, 
S.  13  f.  H.  Jordan,  de  suasoriis  ad  Caes.  senem  de  rep.  inscriptis,  Berlin 
1868.  32  pp.  Den  sallustischen  Ursprung  verficht  wieder  C.  Spandau,  eine 
Salluststudie,  Baireuth  1869.  31  S.  4. 

6.  Die  Invectiva  Sallustii  in  Ciceronem  (angeblich  im  Senat)  ist 
kurz,  roh  und  theilweise  offen  verleumderisch.  Da  besonders  bitter  Cicero's 
Verfahren  gegen  die  Catilinarier  besprochen  wird,  so  könnte  sie  von  einem 
der  Letzteren  herrühren  (vgl.  Ascon.  p.  95  Or.).  Quintilian  kannte  sie  und 
glaubte  an  ihre  Echtheit  (vgl.  XI,  1,  24).  Die  Besponsio  (Ciceronis  in  Sal- 
lustium)  ist  ausführlicher  und  declamatorischer ,  enthält  aber  manche  sonst 
nicht  bekannte  und  innerlich  glaubhafte  Nachrichten,  verräth  auch  eine 
energisch  anticaesarische  Gesinnung,  so  dass  sie  aus  dem  Anfange  der 
Eaiserzeit  zu  stammen  scheint.  Schwache  Spuren  führen  auf  einen  Didius 
(Linker:  Epidius)  als  Verfasser.  Dio  benützte  wohl  die  Schrift.  Vgl.  Cor- 
radi  Quaestura  p.  85— 128^  die  Programme  von  Ch.  G.  Herzog  (Gera  1834  ff.  4.) 
und  W.  Teuffei  a.  a.  0.  (1868)  S.  14  f. 

7.  Alte  Erklärer.  Aemilius  Asper  (Lyd.  de  magistr.  HI,  8:  AlfUltos  iv 
TC9  vTCOfivrifiaxi  tmv  IJaXXovaTLOv  tatOQiav,  Charis.  p.  216,  28  K.:  Asper 
commentario  Sallustii  Historiarum  1)  und  Statilius  Maximus  (?s.  d.).  Suidas 
V.  ZrivoßLog:  ZfivoßLOs  aofpiazrjg  TcaiSsvaag  ini  'ASqucvov  KaCaaqog  ^ygatps  .  . 
fietdtpQaaiv  iXirivinrng  tav  *IöTOQiav  £aiovatiov  tov  Q(0(ia'ixov  taroQixov 
töiv  nalov^iivoiv  avtov  BsXmv  (Bella).  Ein  Anonymus  zum  Catil.  bei  Su- 
ringar,  bist,  schol.  L  p.  254. 

8.  Handschriften.  Die  Reden  und  Briefe  (auch  die  ad  Caesarem)  sind 
überliefert  durch  Vatic.  3864  saec.  IX.  Die  Hss.  der  Bella  zerfallen  in  zwei 
Classen.  Die  ältere  (meist  aus  saec.  X)  hat  den  besseren  Text,  aber  lug. 
103,  2  bis  112,  3  eine  Lücke.  Bester  Vertreter  Paris.  Sorb.  Nr.  500  saec. 
IX — X.  Die  jüngere  Classe  ist  vielfach  interpoliert,  füllt  aber  jene  Lücke 
aus.  Bester  Vertreter  Monac.  saec.  XI.  In  einem  Theile  der  ersten  Classe 
sind  die  fehlenden  Capitel  am  Schlüsse  nachgetragen;  ein  Theil  der  zweiten 
hat  an  einigen  Stellen  Worte  die  in  den  anderen  fehlen  und  doch  echt 
sind.  Abweichende  Ansichten  über  das  Verhältniss  der  zwei  Classen  zu 
einander  von  C.  L.  Roth  (Rhein.  Mus.  N.  F.  IX.  S.  129—135  nebst  S.  630  f.), 
R.  Dietsch  (Ausgabe  von  1869),  E.  Wölfflin  (Philologus  XVH.  S.  154—159. 
519—548  und  dagegen  E.  Brentano,  de  C.  Sallustii  Crispi  codicibus  recen- 
sendis,  Prankfurt  1864.  p.  2  ff.),  H.  Jordan  (über  Vat.  3864,  im  Hermes  I. 
S.  231—240;  über  cod.  Nazarianus , .  ebds.  S.  240  ff.  vgl.  III.  S.  460  f.). 
Sonstige  Beiträge  aus  Handschriften:    Thorlacius,  HI  codd.  pergam.  descr.. 


203.   SaJlustius  (Schriften).  381 

Kopenhagen  1815.  4.   Birnbaum,  spec.  lectt.  Sali,  e  codd.  Trevirens.,  Trier 

1822.  4.  Bojesen,  de  duobus  codd.  Sali.  Havniensibus,  Eopenh.  1847.  Ga- 
tenäcker,  Variae  lectt.  ex  111  codd.  maa.,  Würzburg  1837.  1839.  4.  A.  Alanus, 
lectiones  codd.  trium,  Dublin  1865.  Gollaüon  einer  Handschrift  aus  Bar- 
celona, Philologus  XIV.-  S.  7^9  f.  J.  C.  Wirz,  de  fide  atque  auctoritate 
codicis  Sali,  qui  Parisiis  in  Bibl.  imp.  n.  1576  asservatur,  Aarau  1867.  4. 
A.  Eussner,  Philologus  XXV.  S.  343  f.  und  im  Würzburger  Festgruss  (1868) 
S.  168  flF.  184  flF. 

9.  Ausgaben.  Ed.  princeps  s.  1.  (Ven.)  1470.  4.  Rom.  1490.  4. 
Venet.  Aid.  1509.  8.  Paris.  1509.  4.  (von  Ascensius).  Basel  1538.  8.  (von 
Glareanus).  Ed.  L.  Carrio,  Antv.  1573.  1580.  Jan.  Gruter,  Frankf.  1607. 
J.  Wasse,  Cantabr.  1710.  4.  £  rec.  et  c.  notis  G.  Cortii,  Lips.  1724.  4. 
(Wiederabdruck  Lips.  1825  if.).  Rec.  et  cum  notis  varr.  ed.  S.  Havercamp, 
Haag  1742.  2  Bde.  4.  (Wiederabdruck  durch  Frotscher,  Lips.  1828  f.). 
Ferner  von  G.  Ch.  Harles  (Nümb.  1778.  1797)^  in  der  Zweibrücker  Samm- 
lung (1779.  1796),  von  H.  Eunhardt  (Lübeck  1809),  O.  M.  Müller  (Leipzig 
u.  Züllichau  1821),  W.  Lange  (Halle  1815.  1824.  1833),  F.  D.  Gerlach 
(recogn.,  varr.  lectt.,  commentarios  atque  indices  adiecit,  3  Bde.    4.    Basel 

1823.  1827.  1831;  denuo  rec.  atque  ed.,  Basel  1832;  rec;  adnot.  crit.,  in- 
dicibus  bist,  et  gramm.  instruxit;  Vol.  I.  Basel  1852;  berichtigter  Text, 
einl.  Abb.,  ausgew.  Lesarten,  Stuttg.  1870),  C.  H.  Frotscher  (Lips.  1825  ff. 
3  Bde.  8.),  F.  Eritz  (ad  fid.  codd.  rec.  c.  comm..  Lips.  1828.  1834  f.  2  Bde. 
nebst  Ind.,  wozu  die  Frag^enta  1853;  recogn.  et  succincta  annot.  iliustr., 
Lips.  1856),  E.  W.  Fabri  (mit  Anmerkungen,  Nürnberg  1831  f.  Zweite  Aufl. 
1845),  C.  H.  Weise  (Lips.  1831),  H.  E.  Allen  (London  1832),  J.  C.  Orelli 
(Zürich  1840  und  1853),  R.  Dietsch  (Lips.  1843.  1846;  grosse  Ausgabe,  in 
zwei  Bänden,  Lips.  1859;  mit  deutschen  Anmerkungen,  I.  Leipzig  1864), 
A.  Hedner  (notis  ill.,  Orebro  1848),  Tho.  Heightley  (with  notes  and  ex- 
cursus,  London  1848),  R.  Jacobs  (Leipzig  1852.  Vierte  Aufl.,  Berlin  1864), 
F.  W.  Hinzpeter  (mit  Anmerkungen,  Bielefeld  1867). 

Texte  von  E.  F.  Bojesen  (Eopenh.  1837.  1852),  G.  Linker  (Wien  1855), 
Gerjagh-^fliips^  Tauchn. ,  1856),  R.  Dietsch  „Bibliotheca  Teubner.,  ed.  V. 
1867),  und  besonders  H.  Jordan  (mit  kurzer  adnot.  critica,  Berolin.  1866). 

10.  Eritische  und  exegetische  Abhandlungen.  G.  St.  Lechner,  Observa- 
tiones  in  noimullos  Sali,  locos,  Hof  1828.  4.  Selling,  lectionum  Sali,  decades 
III.,  Augsburg  1831.  4.;  Emendationes  Sali.,  Ansbach  1835.  4.  G.  Linker, 
Emendationen  zu  Sallust,  Wien  1855  (Sitzungsber.  der  Akad.).  F.  Hitzig, 
in  der  Monatsschrift  des  wiss.  Vereins  in  Zürich  1856,  lOtes  Heft.  G.  Wagner, 
disp.  de  locis  quibusdam  Sali.,  Ratibor  1861.  4.  F.  Gründel,  quaestiones 
Sallustianae,  EOnigsberg  1861.  H.  Jordan,  im  Hermes  I  (1866)  S.  229—250. 
A.  Eussner,  im  Würzburger  Festgruss  (1868)  p.  158—194,  und  Exercitationes 
Sallust.,  Würzburg  1868. 

11.  üebersetzungen  von  Schlüter  (Münster  1806  f.  2  Theile),  v.  Wolt- 
mann  (Prag  1814),  v.  Strombeck  (Göttingen  1817),  J.  E.  Hock  (3.  Aufl., 
Frankfurt  1818),  L.  Neuffer  (Leipzig  1819),  E.  Göriz  (Stuttgart,  Metzler, 
1829),  A.  Hauschild  (mit  lat.  Text,  Leipzig  1852),  C.  Cless  (Stutt^rt,  Hoff- 
mann, 1855  f.  und  1865,  2  Bde.),  R.  Dietsch  (Stuttgart,  Metzler,  1858). 


382  CiceroniBche  Zeit.    Zweite  Hälfte,  J.  691—711. 

194  204.  Sallust  ist  der  erste  kunstmässige  Greschichtschreiber 
der  Römer.  Die  Bahn  seiner  römischen  Vorgänger  verlassend 
hat  er  viebnehr  unter  den  Griechen  seine  Vorbilder  gesucht. 
Unter  diesen  hat  ihn  besonders  der  ernste  Thukydides  angezo- 
gen und  zur  Nachahmung  gereizt.  Ihm  folgte  er  schon  in  der 
Wahl  seiner  Stofife,  indem  auch  er  vorzugsweise  die  eigene  Zeit 
und  Selbsterlebtes  in  seinen  Geschichtswerken  schilderte.  Ist  es 
ihm  auch  nicht  gelungen  den  hohen  Standpunct  seines  Vorbil- 
des, seine  durchdringende  Kritik  und  seine  objective  Haltung 
zu  erreichen,  so  hat  er  ihm  doch  redlich  nachgestrebt  in  Wahr- 
heitsliebe und  Unparteilichkeit.  Auch  in  der  Anlage  seiner 
Werke  hat  er  Manches  dem  Thukydides  nachgemacht,  insbeson- 
dere die  Sitte  der  Einleitungen  und  die  Einflechtung  von  Reden 
zur  Charakteristik  der  Situation  und  der  handelnden  Personen. 
Nur  hat  bei  dem  Römer  das  rhetorische  Element  ein  Gewicht 
wodurch  vielfach  das  historiographische  beeinträchtigt  wird,  na- 
mentlich durch  das  Uebermass  von  Reflexionen  und  eine  gewisse 
Gleichgültigkeit  gegen  das  äusserlich  Thatsächliche  gegenüber 
von  dem  Psychologischen.  In  der  Gharakterzeichnung  hat  Sal- 
lust seine  Hauptstärke,  und  er  ist  auch  darin  unter  den  Römern 
ohne  Vorgänger,  sowie  in  der  Sorgfalt  die  er  auf  die  Form  ver- 
wendete. Wie  Thukydides,  obwohl  schwerlich  in  demselben 
Ma^se,  hat  auch  Sallust  langsam  gearbeitet  und  die  Ausfeilung 
seiner  Schriften  sich  Mühe  kosten  lassen.  Wie  sein  Vorbild 
bemüht  er  sich  kurz,  knapp,  gedrängt  zu  sein,  in  einem  Grade 
dass  er  darüber  oft  dunkel  und  geschraubt  wird*,  und  im  Einzel- 
nen des  Sprachgebrauchs,  hat  er  von  dem  in  seiner  Zeit  Grewöhn- 
lichen  mit  Bewusstsein  sich  entfernt  und  nach  griechischen  Ana- 
logien, besonders  aber  aus  der  Weise  des  älteren  Cato,  sich 
eine  eigene  Schreibart  gebildet.  Dieses  archaistische  Element 
seiner  Darstellung,  zusammen  mit  ihrer  rhetorischen  Färbung, 
hat  dem  Sallust  namentlich  in  der  Zeit  des  Fronto  und  dann 
wieder  am  Ende  des  vierten  und  im  fünften  christl.  Jahrh.  grosse 
Verehrung  verschafft. 

1.  Primus  romana  Crispua  in  historia,  Martial.  XIY,  191.  Quintil.  II, 
5,  19:  Livium  a  pueris  magis  (legi  velim)  quam  Sallustium,  et  hie  historiae 
maior  est  auctor,  ad  quem  tarnen  intellegendum  iam  profectu  opus  sit.  — 
Vellej.  II,  36,  2:  aemulum  Thucydidis  Sallustium.  Quintil.  X,  1,  101: 
nee  opponere  Thueydidi  Sallustium  verear.  San.  Rhet.  suas.  6,  21:  hoc 
(Nekrolog  beim  Berichten  des  Todes  einer  bedeutenden  Person)  semel  aut 
iterum    a  Thucydide   factum,   item   in   paucissimis  personis   usurpatum  a 


204.    Sallustins  (Charakteristik).  383 

SallaBtio.  Dass  Sali,  unter  allen  griechischen  Oeschichtschreibem  gerade 
den  Thuk.  sich  anserkor  ist  bezeichnend,  zugleich  aber  ein  Erklärungsgrund 
dafür  dass  im  eigentlich  Innerlichen  die  Nachbildung  nicht  gelingen  konnte. 
Nicht  nur  dass  Sallust  den  entgegengesetzten  politischen  Standpunct  ein- 
nimmt und  ebenso  entschieden  zur  (imperial-)demokratischen  Partei  hielt 
wie  Thukydides  Aristokrat  war,  sondern  es  ist  auch  der  Ernst  und  das 
Würdevolle  bei  Thukydides  tiefgewurzelt  und  naturwüchsig,  bei  Sallust 
aber  etwas  erst  spät  und  künstlich  Angeeignetes.  Dass  dieser  Ton  zu  den 
Antecedentien  von  Sallusts  Leben  wenig  stimme  ist  oft  bemerkt  worden. 
Am  lärmendsten  schon  von  Lenäus^  welcher  tanto  amore  erga  patroni  (des 
Cn.  Fompejus)  memoriam  exstitit  ut  Sallustium  historicum,  quod  eum  oris 
probi,  animo  inverecundo  (also  als  einen  Tugendheuchler)  scripsisset,  acer- 
bissima  satura  laceraverit,  lastaurum  et  lurchonem  et  nebulonem  popino- 
nemque  appellans  et  vita  scriptisque  mönstrosum,  praeterea  priscorum 
Catonis  verborum  ineruditissimum  furem  (Sueton.  gramm.  15).  Aber  auch 
der  ehrliche  Gellius  (oben  203,  1)  bemerkt  dass  man  Vorkommnisse  wie  das 
im  Hause  des  Milo  nach  dem  streng  aburteilenden  Tone  in  den  Schriften 
dss  Sallust  nicht  für  möglich  halten  sollte;  Macrobius  nennt  desshalb 
(Sat.  II,  9»III,  13,  9)  den  Sallust  gravissimus  alienae  luzuriae  obiurgator 
et  censor.  Auch  Symmachus  bezeichnet  ihn  (Epist.  V,  68)  als  einen  scriptor 
stilo  tantum  probandus;  nam  morum  eins  damna  non  sinunt  ut  ab  illo 
agendae  vitae  petatur  auctoritas.  Das  Urteil  des  Lactantius  (Inst.  d.  II,  12. 
p.  143  f.  Bip.:  quod  quidem  non  fugit  hominem  nequam  Sallustium,  qui  ait: 
nostra  omnis  vis  etc.,  Cat.  1,  2.  recte,  si  ita  vizisset  ut  locutus  est.  servivit 
enim  foedissimis  voluptatibus  suamque  ipse  sententiam  vitae  pravitate 
dissolvit)  ist  in  so  fem  ungerecht  ils  die  moralischen  Aeusserungen  auf  die 
Tmmoralitäten  des  Lebens  erst  nachfolgen,  also  nicht  jene  durch  diese 
widerlegt  werden  können,  sondern  eher  als  Kundgebungen  der  gewonnenen 
besseren  Einsicht  und  nachträglicher  Keue  aufgefasst  werden  müssen.  Die 
Aufrichtigkeit  dieser  Sinnesänderung  zu  bezweifeln  ist  kein  Grund  vor- 
handen, wenn  sie  auch  etwas  spät  eintrat,  als  Sallust  die  Früchte  seiner 
Vergangenheit  geborgen  hatte  und  das  Leben  ihm  nicht  viel  Weiteres 
bieten  konnte  als  schriftstellerischen  Ruhm.  Eine  Nachwirkung  der  eigenen 
Vergangenheit  darf  aber  wohl  gefunden  werden  in  einem  gewissen  Pessi- 
mismus welchen  der  Geschichtschreiber  verräth,  einer  Neigung  minder  edle 
Beweggründe  bei  den  Handelnden  vorauszusetzen,  einem  AnBuge  von 
Blasiertheit  und  Jlenschenverachtung.  Vgl.  auch  J.  W.  Löbell,  zur  Beur- 
teilung des  Sallust,  Breslau  1818. 

2.  Wahrheitsliebe.  Catil.  4,  2:  statui  res  gestas  populi  rom.  .  .  per- 
scribere,  eo  magis  quod  mihi  a  spe,  metu,  partibus  reip.  animus  über  erat. 
4,  3  und  18,  1:  quam  verissume  potero.  Hist.  I,  6:  neque  me  divorsa  pars 
in  civilibus  armis  movit  a  vero.  Dem  entsprechend  Augustin.  Civ.  dei  I,  5: 
Sallustius,  nobilitate  veritatis  historicus.  Isidor.  Orig.  XUI,  21,  10:  Salin- 
stius,  auctor  certissimus.  Vgl.  Avien.  ora  marit.  32  ff.  Vollständigkeit  und 
Genauigkeit  des  Einzelnen  hat  aber  Sali,  nicht  erstrebt;  namentlich  die 
Zeitangaben  sind  häufig  unbestimmt  (interea,  isdem  temporibus,  dum  haec 
aguntur),  und  nicht  leicht  opfert  er  eine  ideelle  Beziehung  dem  chrono- 
logischen Zusammenhange.    Oft  werden  auch  die  verbindenden  Mittelglieder 


384  Ciceronische  Zeit.    Zweite  Hälfte,  J.  691—711. 

der  Thatsachen  weggelassen.  Seine  nüchterne,  aufgeklärte  Denkweise  hat 
den  Sallust  hinsichtlich  der  Prodigien  und  der  sonstigen  Romanticismen 
des  Livius  sehr  schweigsam  gemacht. 

3.  Ueber  die  Proömien  s.  oben  203,  2.  W.  M.  Fahl,  de  prooemiis  SalL, 
Tübingen  1859.  4.  B.  Kuhn,  Bemerkungen  über  die  Einl.  zu  Sali.  Cat.  u.  Jug., 
Tauber bischofsheim  1868.  Von  den  bei  Sallust  vorkommenden  Briefen 
ist  der  des  Lentulus  an  Catilina  (Cat.  44)  seinem  Inhalte  nach  historisch 
(vgl.  Cic.  Catil.  III,  5,  12);  und  ähnlich  scheint  es  sich  mit  dem  des  C&ti- 
lina  (c.  35)  und  dem  des  Pompejus  an  den  Senat  zu  verhalten.  Die  Reden 
bei  Sallust  haben  alle  etwas  Eindringliches  und  Ergreifendes  und  sind  der 
Eigenthümlichkeit  und  Stellung  des  jedesmal  Redenden  weit  mehr  ange- 
passt  als  die  des  Livius.  Urkundlich  sind  sie  aber  darum  doch  nicht.  So 
ergäbe  sich  für  Catilina's  Anrede  an  seine  Genossen  ein  anderer  Inhalt 
aus  Cic.  p.  Muren.  25  und  Plut.  Cic.  14;  und  von  dem  was  bei  Cic.  ad 
Att.  XII,  21  (vgl.  p.  Sest.  28,  61.  Vellej.  II,  36,  3  f.  Plut.  Cato  min.  23)  aus 
Cato^s  Rede  im  Senat  mitgetheilt  wird  findet  sich  Nichts  in  derjenigen 
welche  SaUust  dem  Cato  in  den  Mund  legt.  Daher  werden  wohl  auch  die 
übrigen  Reden  bei  Sallust  in  demselben  Sinne  gemeint  sein  wie  Thuky- 
dides  (I,  22)  von  den  seinigen  aussagt.  Dabei  zeigen  jene  eine  viel  grössere 
rednerische  Uebung,  Fähigkeit  und  Kunst  als  die  des  altattischen  Historikers. 
Von  SaUust's  redneiischer  Bildung  zeugt  auch  die  Nachricht  bei  Fronto 
Epist.  ad  Yer.  II,  1.  p.  123  Naber:  Ventidius  iUe,  postquam  Parthos  fudit 
fugavitque  (J.  716  d.  St.),  ad  victoriam  suam  praedicandam  orationem  a 
G.  Sallustio  mutuatus  est.  Wenn  daher  der  Rhetor  Seneca  Controv.  lU. 
praef.  8,  p.  361,  15  f.  sagt:  orationes  Sallustii  in  honorem  historiarum 
leguntur,  so  ist  diess  das  einseitige  Urteil  eines  Schulrhetors  der  von  seinen 
unpraktischen  Finessen  und  Figuren  in  den  energischen  Reden  des  Histo- 
rikers zu  wenig  wiederfand.  Andererseits  ist  mindestens  in  seiner  Moti- 
vierung verkehrt  der  Ausspruch  des  Licinianüs  (p.  42  f.  ed.  Bonnensium): 
Sallustium  non  ut  historicum  puto  sed  ut  oratorem  legendum.  nam  et 
tempora  reprehendit  sua  et  delicta  carpit  et  contiones  inserit  et  dat  in 
censum  loca,  montes,  flumina  et  hoc  genus  amoena  et  culta  et  comparat 
disserendo.  Nach  Justin.  XXXVHI,  3,  11  Pompeius  Trogus  .  .  in  Livio  et 
in  Sallustio  reprehendit  quod  contiones  directas  pro  sua  oratione  operi  suo 
inserendo  historiae  modum  excesserint,  worin  derselbe,  vom  Standpunct 
objectiver  Geschichtsschreibung,  Recht  hatte,  wenn  wir  gleich  diese  Reden, 
als  theilweis  rhetorische  Meisterwerke,  nicht  entbehren  möchten.  —  A.  Euss- 
ner,  Sallust  in  der  Schule,  Berl.  Zeitschr.  f.  Gymn.  1«68,  S.  801—812. 

4.  Urteile  aus  dem  Akerthum  über  die  Sprache  des  Sallust.  Atejus 
ermahnte  den  Asinius  PoUio  (ut)  vitet  maxime  obscuritatem  Sallustii  et 
audaciam  in  translationibus  (Suet.  gramm.  10  extr.).  Zur  letztern  Eigen- 
schaft vgl.  Quintil.  IX,  3,  12  f.  Sen.  Controv.  IX.  p.  249,  16  f.  Bu.  GeU.  X, 
26,  1  ff.  —  GeU.  N.  A.  IV,  16,  1 :  eleganti^  orationis  Sallustii  verborumque 
fingendi  et  novandi  studium  (vgl.  I,  15,  18:  novatori  verborum  Sallustio;  ib. 
VI,  17,  8.  X,  21,  2)  cum  multa  prorsus  invidia  fuit,  multique  non  mediocri 
ingenio  viri  conati  sunt  reprehendere  pleraque  et  obtrectare.  in  quibus 
plura  inscite  aut  maligne  vellicant.    Vgl.  X,  26,  1  ff.    Quintil.  X,  3,  8:  sie 


204.    Sallustius  (diarakteristik).  385 

« 

(langsam)  scripsisBe  SaUustium  accepimus,  et  sane  manifestns  est  etiam  ex 
opere  ipso  labor. 

Kürze.  Sen.  Controv.  IX.  p.  249,  9  ff.  (ygl.  p.  433,  12  ff.)  Bu.:  cum 
Sit  praecipua  in  Thncydide  yirtas  brevitas,  hac  enm  Sallustius  yicit  et  in 
suis  illum  castris  cecidit.  .  .  ex  Sallusti  sententia  nihil  demi  sine  detri- 
mento  sensus  potest.  L.  Sen.  Epist.  XIX,  5  (»«  114),  17:  Sallustio  yigente 
amputatae  sententiae  et  yerba  ante  exspeetatnm  cadentia  et  obscura  bre- 
yitas  fuere  pro  cultu.  Quintil.  lY,  2,  45:  vitanda  est  etiam  illa  Sallustiana, 
quamquam  in  ipso  yirtutis  locum  obtinet,  brevitas  et  abmptum  sermonis 
genus.  X,  1,  32:  illa  Sallustiana  brevitas,  qua  nihil  apud  aures  vacuas 
atque  eruditas  potest  esse  perfectius.  102:  immortalem  illam  Sallustii 
velocitatem.  Gell.  III,  1,  6:  SaUustium,  vel  subtilissimum  brevitatis  arti- 
ficem.  Macrob.  Sat.  Y,  1,  7:  breve  (dicendi  genus),  in  quo  Sallustius  regnat. 
Stat.  Silv.  lY,  7  extr.:  Sallusti  brevis.  ApolL  Sidon.  carm.  II,  190.  XXIII,  151. 
Apulej.  apol.  95  (parsimonia). 

5.  Gräcismen.  Quintil.  IX,  3,  17:  ex  graeco  translata  vel  Sallustii 
plurima.  Gerlach's  Ausg.  IIL  p.  331  f.  Poppo's  Thucyd.  Yol.  YI.  p.  372—381. 

Die  Archaismen  bestehen  hauptsächlich  in  Wendungen  die  dem  Cato 
entnommen  sind  (wie  multi  mortales,  prosapiau.  A.).  Ygl.  Lenäus  (oben  A.  1). 
August  (bei  Suet.  Oct.  86):  verbis  quae  C.  Sallustius  excerpsit  ex  Originibus 
Catonis.  Asinius  Pollio  in  libro  quo  Sallustii  scripta  reprehendit  ut  nimia 
priscorum  verborum  affectatione  oblita  (Suet.  gramm.  10;  vgl.  unten  207,  1). 
Ygl.  Gell.  X,  26,  1:  Asinio  Pollioni  in  quadam  epistala  quam  ad  Plancum 
seripsit  et  quibusdam  aliis  C.  Sallustii  iniquis.  Epigramm  bei  Quintil. 
Yni,  3,  29:  et  verba  antiqui  multum  fnrate  Catonis,  Crispe,  iugurthinae 
conditor  historiae.  Fronto  Epist.  lY,  3.  p.  62  Naber:  M.  Porcius  eiusque 
frequens  sectator  C.  Sallustius.  Ygl.  ib.  U,  13.  p.  36.  Serv.  Ae.  I,  6:  Cato 
in  Originibus  hoc  dicit,  cuius  auctoritatem  Sallustius  sequitur  (Catil.  6). 
So  lug.  31,  1  =i  Caton.  reliq.  p.  27,  1  Jordan.  85,  8  =«  p.  50  J.  F.  Deltour,  de 
Sallustio  Catonis  imitatore,  Paris  1859.  Einzelne  Archaismen  nachgewiesen 
z.  B.  bei  Priscian.  YI,  12.  p.  707  P.  =  p.  249,  10  ff.  Htz.  (vis  als  Plural), 
Non.  Marc.  p.  82  (daritudo  statt  claritas)  u.  sonst.  Auf  Yorcatonisches  gehen 
sie  aber  nicht  zurück  und  sind  dazu  bestimmt  die  Darstellung  feierlicher, 
pathetischer  zu  machen.  P.  Schnitze,  de  archaismis  Sallusüanis ,  Halle 
1871.  83  pp. 

6.  Der  Bau  und  die  Yerbindung  der  Sätze  ist  bei  Sallust  höchst  einfach 
und  schmucklos,  theilweise  sogar  einförmig,  namentlich  durch  das  häufig 
an  die  Spitze  gestellte  igitur.  Ueberhaupt  wiederholt  Sallust  gewisse 
Lieblingswendungen  nsennüdlich.  Manches  ist  offenbar  geziert,  wie  paucis 
tempestatibus  (lug.  96,  1)  statt  brevi  tempore.  Der  Eindruck  der  Einfachheit 
wird  namentlich  auch  durch  die  ausgedehnte  Anwendung  des  infinitivus 
historicus  herbeigeführt.  Innerhalb  des  Satzes  aber  liebt  Sallust  jähen 
Wechsel  der  Construction,  des  Subjeets  und  Ausdrucks.  Nachweisnngen 
bei  Gerlach  III.  p.  307 — 382.  N.  Ostling,  de  elocutione  C.  Sallustii, 
Upsala  1862.  F.  Bussmann,  de  temporum  et  modorum  apud  Sali,  usu, 
Greifswald   1862.     Badstübner,    de    Sali,   dicendi  genere,    Berlin  1863.    4. 

TEXTTFBii,  BOm.  Literatarg«8cbioh\e.   2.  Aufl.  25 


386  Ciceronische  Zeit.   Zweite  Hälfte,  J.  691— 711. 

A.  Laws,  de  dicendi  genere  Sali.,  Bössei  1864.  4.   Zeitfachs,  de  orthograpbia 
Sallustiana,  Sondershausen  1841.   4. 

7.  Die  scharf  ausgeprägte  Eigenthümlichkeit  des  Sallust  forderte  ebenso 
zum  Widerspruch  heraus  wie  sie  in  einer  Zeit  wo  man  das  Absonderliche 
bewunderte  und  aufsuchte  ihre  Anziehungskraft  ausüben  musste.  Den 
Widerspruch  vertritt  nicht  jaloss  Lenäus  und  Asinius  PoUio  (A.  1  u.  5)  sondern 
auch  Sallust's  Gegenfössler  in  der  Geschichtschreibung,  T.  Lirius.  Sen.  Con- 
trov.  IX.  p.  249,  15  ff.  vgl.  p.  433  f.  Bu. :  T.  Livius  tarn  iniquus  Sallustio  fuit 
ut  hanc  ipsam  sententiam,  et  tamqnam  translatam  et  tamquam  corruptam 
dum  transfertur,  obiceret  Sallustio.  Dagegen  fühlte  Tacitus  sich  wahl- 
yerwandtschafblich  zu  Sallust  hingezogen.  Er  nennt  ihn  (A.  III,  SO)  rerum 
romanarum  florentissimus  auctor,  und  der  Einfluss  des  Sallust  auf  seine 
eigene  historische  Art  ist  ganz  unrerkennbar.  Einen  geschmacklos  übertrei- 
benden Nachahmer  fand  Sallust  in  der  Zeit  des  Augustus  an  Arruntius  (s.  d.). 
Für  die  Zeit  des  Fronte  musste  ein  so  pikanter,  mit  dem  haut-goüt  der 
Alterthümlichkeit  ausgestatteter  Schriftsteller  wie  Sallust  ganz  besonderen 
Beiz  haben.  Er  spielt  denn  auch  in  der  Correspondenz  zwischen  Fronte 
und  M.  Aurelius  eine  grosse  Bolle.  Wiederholt  findet  sich  die  Zusammen- 
stellung Cato,  Sallust  und  Cicero  (p.  93.  105.  149  N.),  indem  sie  an  Sallust 
die  rednerische  Seite  hauptsächlich  hervorheben.  Namentlich  werden  seine 
Antithesen  (p.  107.  TgL  108  ff.  162)  und  seine  Sentenzen  (p.  48  N.)  bewundert. 
Unter  dem  Einfluss  dieser  Zeitrichtung  und  seiner  natürlichen  Gutmütigkeit 
nimmt  auch  Gellius  mehrmals  (III,  1.  IV,  15.  X,  26)  für  Sallust  Partei  gegen 
seine  Widersacher.  Im  vierten  und  fünften  chribtl.  Jahrh.  fand  Sali,  aber- 
mals viele  Nachahmer,  wie  Septimius  (Dictys),  den  Pseudo-Hegesippus;  auch 
Sulpicius  Severus  bedient  sich  gern  saUustischer  Wendungen,  und  Exupe- 
rantius  ist  fast  ein  saUustischer  Cento. 

,  8.  Literatur  über  Sallust  überhaupt.  J.  J.  H.  Nast,  de  virtutibus  historiae 
Sallustianae,  Stuttgart  1785.  4.  »  Opusc.  lat.  IL,  Tübingen  1821,  p.  90—103. 
0.  M.  Müller,  über  C.  Sallustius,  ZüUichau  1817.  F.  D.  Gerlach,  über  den 
Geschichtschreiber  Sallust,  Basel  1831  »  Historische  Studien  (Hamburg  1841) 
S.  286  ff.;  die  Geschichtschreiber  der  BOmer  (Stuttgart  1855)  S.  103—107; 
de  Sali,  vita  et  scriptis,  vor  seiner  Ausgabe  1852,  p.  XIII  ff.  Blum,  Ein- 
^  leitung  in  d.  rOm.  Gesch.  S.  141  ff.  H.  Ülrici,  Charakteristik  der  antiken 
Historiographie  S.  125  ff.  Lerminier,  £tudes  sur  Thistoire  I.  p.  309  ff.  Dreis, 
prolegomena  in  C.  Sali,  opera,  I.  Kiel  1837.  4.;  über  Sallust  als  Geschicht- 
schreiber, Itzehoe  1843.  4.  De  Gerlache,  ^tudes  flur  Salluste,  Brüssel  1847;  J 
D  Edition,  Brüssel  1859.  W.  Teuffei,  in  Pauly's  Beal-Enc.  VI,  1.  S.  696—702 
und  im  Tübinger  Doctorenverzeichniss  (1868)  S.  1—21.  B.  Dietsch,  in  den 
Verhandlungen  der  Stuttgarter  Philologen -Versammlung  (Stuttgart  1857.  4.) 
S.  27—39.    Th.  Vogel,  de  Sali,  vita,  moribus  ac  scriptis,  Mainz  1857.  4. 

195  205.  Ein  Geschichtswerk  das  bis  auf  seine  Zeit  heral)- 
reichte  yerfasste  auch  Q.  Aelius  Tubero^  der  zugleich  Redner 
war,  am  meisten  Anerkennung  .  aber  als  juristischer  Schriftstel- 
ler fand.  Nach  der  formellen«  Seite  wurde  er  auf  letzterem  Gre- 
biete  übertrofifen  von  P.  Alfenus  Varus  aus  Cremona  (Cos.  715). 


204  f.   Sollnstius.   Q.  Tabero.   Alfenus  Vartis.  387 

Mit  den  Grammatikern  berührte  sich  am  nächsten  der  Jurist 
C.  Aelius  GalluS;  als  Verfasser  eines  Verzeichnisses  juristischer 
Ausdrücke  mit  Sacherklärungen.  Der  dem  Caesar  und  noch  dem 
Augustus  eng  befreundete  Ritter  C.  Matius  hatte  Interesse  für 
Literatur  und  schrieb  selbst  über  Gastronomie. 

1.  Pompon.  Dig.  I,  2,  2,  46:  post  hos  (OfiliuB,  Trebatios)  quoque 
(Mommsen:  Q.?)  Tubero  fuit,  qui  Ofilio  operam  dedit;  fuit  autem  patri- 
cius  (prias  patronus?  die  Aelii  waren  plebejisch)  et  transiit  a  causis 
agendis  ful  ius  civile,  mazime  postquam  (Ende  708)  Q.  Ligarium  accusavit 
nee  obtinnit  apud  C.  CaeBarem.  .  .  Tubero  doctissimuj  qnidem  habitus 
est  iuris  publici  et  privati  et  complores  utriasque  operis  libros  reliquit; 
sermone  tarnen  antiquo  usus  afifectavit  seribere  et  ideo  parum  libri  eins 
grati  habentur.  Alterthümelnden  Stil  hatten  auch  die  übrigen  Schriften 
des  Tubero.  Seine  Anklagerede  gegen  Ligarius  kannte  noch  Quintilian  (X, 
1,  23.  XI,  1,  80  vgl.  78.  V,  13,  20.  31).  Von  seinen  juristischen  Schriften 
nennt  GeU.  XIY,  2,  20  (praecepta  Aelii  Tuberonis)  super  officio  iudicis, 
woraus  vielleicht  ib.  7,  13 :  in  libro  IX  Tuberonem  dicere  ait  (vgl.  ib.  8,  2). 
Auffahrung  von  Ansichten  des  Tubero  Dig  XXXII,  29,  4.  XXXIII,  6,  7  pr. 
(Ofilius,  Cascellius,  Tubero).  10,7,  1.2.  P.  H.  Saaymans  Yader,  de  Q.  Aelio 
Tub.  icto  eiusque  quae  in  Pandectis  exstant  fragmentis,  Lugd.  B.  1824.  4. 
Als  Greschichtschreiber  wird  er  {Tov^BQtav  Aüiog,  was  nicht  auf  seinen  Vatet 
zu  beziehen  ist,  s.  oben  169,  8)  von  Dionys.  I,  80  Ssivog  dvriQ  %al  m^l  xriv 
avvay(oyriv  xriq  taroQÜKg  inifulrje  genannt;  vgl.  ib.  7  u.  Liv.  lY,  23, 1  (Yalerius 
Antias  et  Q.  Tubero).  Tubero  IIb.  XIY  Historiarum  citiert  Nonius  p.  481. 
Das  Werk  reichte  von  den  ältesten  Zeiten  bis  (mindestens)  zum  Beginn  des 
£jrieg8  zwischen  Caesar  und  Pompejus.  Die  Anfahrungen  daraus  bei  Krause 
p.  325—328,  Roth  p.  437—439,  H.  Peter  I.  p.  311— 316  nebst  Suet.  Caes.  56. 
Auch  scheint  er  der  Q.  Tubero  zu  sein  welchen  Plinius  unter  den  Quellen 
von  Buch  II,  XYin  (vgl.  ib.  26, 64  u.  Schol.  German.  p.  132  Br.)  und  XXXYIII 
nennt  Gell.  YI  (YII),  9,11:  Aelium  quöque  Tuberonem  libro  ad  C.  Oppium 
Scripte  ,occecurrit*  dixisse  Probus  adnotavit.  W.  Teuffei  in  Pauly's  Real- 
Enc.  I,  1.  S.  336  f.  Nr.  7.    H.  Peter,  bist.  I.  p.  CCCLY— CCCLXI. 

2.  Sueton.  Galb.  3:  avus  (des  am  24.  Decbr.  751  geborenen  Kaisers 
Galba)  clarior  studiis  quam  dignitate  (non  enim  egressus  praeturae  gradum) 
multipUcem  nee  incuriosam  historiam  edidit.  Plut.  Bomul.  17:  mg  *l6ßag 
q>rial  FdXßav  JSovXnUtov  tctOQsCv,  Oros.  Y,  23:  fuisse  tunc  (J.  678  d.  St.) 
Pompeio  XXX  milia  peditum  .  .  Galba  scribit,  Sertorium  autem  LX  m. 
ped.  .  .  babuisse  commemorat. 

3.  Pompon.  Dig.  I,  2,  2,  44:  ex  bis  auditoribus  (des  Ser.  Sulpicius, 
oben  171,  2  ff.)  plurimum  auctoritatis  habuit  AlfenusYarus.  .  .  ex  qnibus 
YaruB  et  consul  fuit  (suff.  J.  715  d.  St.  nach  den  Fasti  Biond.,  s.  Orelli- 
Henzen  6438.  C.  I.  lat  I.  p.  467,  Y).  Er  ist  wohl  der  Alfenus  bei  Catull 
30^  1  und  der  Yarus  der  mit  Yergil  bei  Siron  Philosophie  hörte  (Schol. 
Yeron.  zu  Yerg.  Ecl.  YI,  9.  Serv.  zu  Ecl.  YI,  13.  Ae.  YI,  264),  sowie  der 
Alfenus  Yarus  der  als  Legat  des  Octavian  J.  714  dem  Yergil  (Ecl.  YI)  sein 
v&terliches  Gut  bei  Mantua  zu  schützen  versprach  (vgl.  Ecl.  IX,  27),  und 

25* 


388  Ciceronische  Zeit.   Zweite  Hälfte,  J.  691—711. 

der  Alfenus  vafer  bei  Hör.  S.  I,  3,  130  ff.  welcher  omni  abiecto  instrumento 
artis  clansaque  tabema  doch  noch  (potentialiter)  sutor  erat,  wozu  Porphyrio 
(p.  72  f.  Hth.) :  urbane  Alphenum  Yarum  Cremonensetn  deridet,  qui  abiecto 
Butrino  quod  in  municipio  sno  ezercnerat  Romam  petiit  magistroque  nsus 
Salpicio  icto  ad  tantam  scientiam  pervenit  nt  conBulatum  gereret  et  publico 
fnnere  efferretur.  Vgl.  ib.  p.  63  f.:  Alfenns,  sutoris  filius,  qui  ita  iuris 
studio  intendit  ut  beneficio  artis  huius  latum  clavum  sumeret  u.  s.  w. 
Gellius  YII  (VI),  5,  1:  Alfenus  ictus,  Ser.  Sulpicii  disdpulus  rerumque  anti- 
quarum  non  incuriosus,  in  libro  Digestorum  XXXiy<>,  Coniectaneorum 
autem  II».  Ueber  das  Yerhältniss  beider  Titel  vgl.  L.  Mercklin,  Philo- 
logus  XIX.  S.  653  f.  A.  3.  Im  Ganzen  waren  es  (nach  dem  Flor.  Index)  der 
Digesta  40  Bücher,  eine  Sammlung  von  Besponsen  (des  Serv.  Sulpicius, 
Heimbach  in  der  Ztschr.  f.  Rechtsgesch.  U.  S.  340.  Mommsen  zu  Dig.  XIX, 
2,  27),  welche  von  Aufidius  Namusa  in  seine  Sammlung  (oben  171,  5)  auf- 
genommen, von  Paulus  epitomiert  worden  ist;  in  seiner  ursprünglichen 
Gestalt  ist  das  Werk  bis  zum  siebenten  und  in  der  paulinischen  Epitome 
(als  libri  Dig.  Alfeni  a  Paulo  epitomatorum)  bis  zum  achten  Buche  in  den 
Pandekten  excerpiert.  Vgl.  Hommel,  Palingenesia  libr.  iuris  vett.  (Lips. 
1767)  I.  p.  27  —  38.  Bemerkenswerth  ist  besonders  das  längere  Excerpt 
Dig.  y,  1,  76  als  von  philosophischer  Bildung  zeugend  (quod,  ut  philosophi 
dicerent,  ex  particulis  minimis  consisteremus);  andere  verrathen  Eenntniss 
des  Griechischen,  fast  alle  einen  einfachen  und  fliessenden  Stil.  Ev.  Otto, 
P.  Alfenus  Yams  ab  iniuriis  veterum  et  recentiorum  liberatus,  im  Thesaur. 
iur.  rom.  Y.  p.  1631—1688.  S.  W.  Zimmern,  Gresch.  d.  röm.  Privatrechts  I,  1. 
S.  296—297.  Huschke,  Ztschr.  f.  histor.  Rechtsw.  XY.  S.  187  (welcher  bei 
Pomponius  1.  1.  Alfenus  Yams  Caius  in  das  agnomen  Catus  umändern 
möchte).    W.  Teuffei  in  Pauly's  Eeal-Enc.  I,  1.  S.  768  f.  Nr.  8. 

4.  Gell.  XYI,  6,  3:  C.  Aelius  Gallus  in  libro  De  significatione  ver- 
borum  quae  ad-  ins  civile  pertinent  secundo  (Definition  von  vestibulum)  =» 
Macrob.  YI^  8, 16,  nur  mit  dem  Beisatze  yon  vir  doctissimus.  Dig.  L,  16, 157: 
C.  Aelius  Gallus  libro  I  de  yerborum  quae  ad  ius  civile  pertinent  signifi- 
catione  (Definition  von  paries  und  via).  Abgekürzter  Titel  bei  Serv. 
Georg.  I,  264:  Aelius  Gallus  de  verbis  ad  ius  civile  pertinentibus  vallos  .  . 
appellat;  und  Festus  p.  218^:  postliminium  receptum  Gallus  Aelius  in  libro 
primo  significationum  quae  ad  ins  pertinent  ait  esse  eum  qui  etc.;  p.  273': 
reus  nunc  dicitur  qui  causam  dicit.  .  .  at  Gallus  Aelius  libro  H  significa- 
tionum verborum  quae  ad  ius  pertinent  ait:  reus  est  qui  etc.;  p.  302'*: 
saltum  Gallus  Aelius  1.  U.  significationum  quae  ad  ius  pertinent  ita  definit; 
p.  352^:  flimien  recte  dici  ait  Aelius  Gallus  libro  H  quae  ad  ius  pertinent. 
Mehr  als  ein  zweites  Buch  wird  niemals  angefahrt,  da  Festus  p.  862,  5  M. : 
(nota)vit  Aelius  in  XII  (tabulis)  signi(ficare),  auf  Aelius  Stilo  (oben  147,  2) 
sich  bezieht;  s.  R.  Scholl,  De  legis  XII  tabb.  reliqq.  p.  29.  Yielleicht  war 
die  Anlage  alphabetisch.  Aelius  Gallus  oder  Gallus  Aelius  kurzweg  citiert 
Festus  ausserdem  noch  19  Male.  Diese  ausgedehnte  Benützung,  sowie  die 
Gegenüberstellung  von  nunc  mit  st  Gallus  Aelius  p.  273*  zeigt  dass  das 
Werk  des  Gallus  schon  dem  Yerrius  Flaccus  als  Yorarbeit  vorlag.  Gallus 
Aelius  bei  Gajus  Dig.  XXII,  1,  19  pr.;  0.  Aelius  bei  Priscian  YIII.  p.  382,  1  H. 
C.  W.  E.  Heimbach,  C.  Aelii  Galli  Icti  fragroenta  rec.  et  illustr.,  Lips.  1823. 


205  f.  Aelius  Gallus.  C.  Matius.  C.  Curio.  389 

Ph.  E.  HuBchke,  iurisprad.  anteiust.  (Lips.  1861)  p.  28—32  =»  p.  29—33  (1867). 
W.  Teuffei  in  Pauly'a  Real-Enc.  I,  1.  S.  337,  Nr.  1. 

6.  C.  MatiuB,  geb.  um  670  d.  St.,  der  treue  Freund  des  Caesar,  durch 
sein  mildes  und  besonnenes  Wesen  vorzüglich  geeignet  zu  der  Vermittler- 
rolle die  er  spielte,  ohne  in  das  politische  Parteigetriebe  oder  auf  amt- 
liche Thätigkeit  sich  einzulassen.  Er  trug  seine  Liebe  zu  Caesar  auch  auf 
Octavian  über  und  scheint  erst  ums  Jahr  750  gestorben  zu  sein;  s.  Plin. 
N.  H.  XII,  2,  6,  13:  primus  C.  Matius  ex  eqnestri  ordine,  divi  Augusti  ami- 
cuB,  invenit  nemora  tonsilia  intra  hos  LXXX  annos.  E.  v.  iiCutsch ,  Ztschr. 
f.  d.  Alt.-Wiss.  1834,  S.  164—166  (welcher  C.  und  Cn.  Matius  nicht  unter- 
scheidet). W.  Teuffei  in  Pauly's  Real-Enc.  IV  (1845).  'S.  1643—1646.  Cic. 
ad  Fam.  VII,  16,  2  (J.  701):  C.  Matii,  suavissimi  doctissimique  hominis. 
XI,  27,  6  f.  (J.  710):  ut  haec  (piXoaotpovfLSva  scriberem  tu  me  impulisti. 
.  .  omnia  me  tua  delectant,  sed  maxime  maxima  cum  fides  in  amicitia  .  . 
tum  lepos,  humanitas,  litterae.  Apollodoros  aus  Pergamum  widmete  ihm 
seine  Ars  (Rhetorik),  Quintil.  III,  1, 18.  Sein  Brief  an  Cicero  (ad  fam.  XI,  28 
vom  J.  710)  ist  ein  treues  Spiegelbild  seines  edlen  Gemütes  und  fein- 
gebildeten Geistes.  Ein  mit  Trebatius  zusammen  an  Cicero  gerichtetes 
Schreiben  des  Matius  (J.  706)  ad  Att.  IX,  16  A.  Wohl  erst  unter  August 
verfasste  er  sein  gastronomisches  Werk  (oben  62,  3),  dessen  Gegenstand' 
bezeichnend  ist  für  seine  Harmlosigkeit  und  seine  Richtung  auf  verfeinerten 
Lebensgenuss. 

206.  Unter  den  übrigen  Anhängern  Caesars  haben  literar-196 
historisches  Interesse^  meist  als  Redner  oder  Verfasser  erhalte- 
ner Briefe,  der  reichbegabte  Taugenichts  C.  Scribonius  Curio 
(Volkstribun  704),  Q.  Comificius,  der  Triumvir  M.  Antonius  (J. 
671 — 724),  sowie  L.  Baibus;  von  schwaukenden  Politikern  der 
talentvolle  Abenteurer  M.  Caelius  Rufus  und  der  charakterlose 
L.  Munatius  Plauens  (Cos.  712).  Auch  des  Letztem  langjäh- 
riger Legat,  C.  Fumius,  war  ein  Redner,  sowie  der  junge  L. 
Sempronius  Atratinus  (Cos.  720),  Q.  Volusius,  Annius  C*imber, 
und  von  Hortensia  gab  es  noch  im  ersten  Jahrh.  n.  Chr.  eine 
veröffentlichte  Rede. 

1.  Vellej.  II,  48,  3:  C.  Curio  trib.  pl.  (704,  f  705),  .  .  vir  nobilis,  ' 
eloquens,  audax,  suae  alienaeque  et  fortunae  et  pudicitiae  prodigus,  homo 
ingeniosissime  nequam  et  facundus  malo  publico,  cuius  cupiditatibus  vel 
libidinibus  neque  opes  uUae  neque  voluptates  sufficere  possent.  Vgl. 
A.  Haakh  in  Pauly's  Real-Enc.  VI,  1.  S.  880  f.  Nr.  11.  Ueber  ihn  als  Redner 
Cic.  Brut.  81, 280:  ita  facile  soluteque  verbis  volvebat  satis  interdum  acutas, 
crebras  quidem  certe  sententias  ut  nihil  posset  ornatius  esse,  nihil  expeditius. 
atque  hie  parum  a  magistris  institutus  naturam  habuit  admirabilem  ad 
dicendmn;  industriam  non  suih  expertus;  Studium  certe  fuit.  Reden  von 
ihm  gab  es  noch  in  der  Zeit  des  Tacitus;  s.  dial.  37  (oben  168,  3).  Vgl. 
Meyer,  orat.  rom.*  p.  481 — 484.  Briefe  von  Cic.  an  ihn  ad  fam  II,  1—7 
(aus  J.  701  und  703). 


390  Ciceronische  Zeit.   Zweite  HSlfte,  J.  691—711. 

2.  Hieron.  zu  Eus.  Chron.  a.  Abr.  1976  =  Ol.  184,  4  =  713  d.  St.: 
Cornificius  poeta  a  militibus  desertus  interiit.  .  .  hnins  soror  Gornificia, 
cuius  in&ignia  exstant  epigrammata.  Diese  kann  der  Zeit  nach  nur  der  in 
Africa  gegen  T.  Sextius  gefallene  ehemalige  Quästor  des  Caesar  (Pro- 
prätor 706)  sein,  der  auch  mit  Cicero  befreundete  (an  ihn  ad  fam.  XII, 
17—30  aus  J.  709—711)  Q.  Cornificius  (W.  Drumann  G.  R.  II.  S.  617—621. 
Haakh  in  Pauly's  Real-Enc.  IL  S.  710,  Nr.  3),  welchen  Cic.  (ib.  18,  1)  etwas 
spitzig  zu  den  magni  orateres  zählt  und  (ib.  17,  2)  ihm  seinen  Orater  zu 
freundlicher  AuQiahme  empfiehlt:  in  quo  saepe  suspicatus  sum  te  ab  indicio 
nostro,  sie  scilicet  ut  doctum  hominem  ab  npn  indocte,  paullulum  dissidere. 
ib.  20:  me  amabis  et  Scripte  aliquo  lacesses.  Ohne  Zweifel  ist  dieser 
identisch  mit  dem  dichterischen  Freunde  Catulls  (c.  38),  Verf.  erotischer 
Gedichte  (leve  Comifici  .  .  opus,  Ovid.  Trist.  U,  436)^  woraus  ein  Hendeka- 
syllabus  bei  Macrob.  VI,  4,  12  und  ein  daktylischer  Rest  (aus  einem  Epos?) 
ib.  5,  13  (Cornificius  in  Glauco).  Vgl.  Schwabe,  Quaest.  Catull.  p.  298—800. 
Zweifelhaft  aber  ist  ob  auf  ihn  zu  beziehen  ist  Cornificius  in  primo  de 
etymis  deorum  (Priscian  VI.  p.  711  P.  «»  257,  6  Htz.),  woraus  wundersame 
Ableitungen  von  Göttemamen  und  eine  Verweisung  auf  Cic.  D.  N.  bei 
Macrob.  I,  9,  11  (Cornificius  Etymorum  libro  tertio).  17,  62.  17,  9.  33.  23,  2. 
Anderes  bei  Fest.  p.  123.  194.  282  und  sonst,  Servius,  Lactantius  u.  A. 
Wie  aber  Comif.  zwischen  709  und  713  in  Syrien  und  Africa  zu  einer 
solchen  Schrifbstellerei  Zeit  und  Stimmung  gefunden  hätte  ist  nicht  abzu- 
sehen. Vielmehr  werden  diese  Schriften  einem  Grammatiker  Cornificius 
der  augusteischen  Zeit  zuzutheilen  sein,  der  Spottvers  auf  Vergil  bei 
Cledonius  (Eeil  V.  p.  45,  2  f.)  jdem  Cornelius  Gallus.  Alles  auf  den  Dichter 
Cornif.  bezieht  Th.  Bergk,  Marburger  Sommerkatalog  1843.  4.  Dagegen 
J.  Becker,  Cornificius  Longus  und  Cornificius  Gallus,  Ztschr.  f.  d.  Alt.-Wiss. 
1847,  Nr.  133  f.  S.  1060  ff. 

3.  M.  Antonius  der  Triumvir,  vgl.  Drumann  G.  R.  I.  S.  64  —  517. 
Pauly's  Real-Enc.  1,  1.  S.  1174—1180.  Als  Redner  gerieth  er,  bei  seiner 
mangelhaften  Bildung,  leicht  in  ein  falsches  Pathos  hinein,  wurde  dann 
schwülstig,  dunkel  und  oft  auch  incorrect  (Suet.  Aug.  86:  M.  Antenium 
.  .  ea  scribentem  quae  mirentur  potius  homines  quam  intellegant;  vgl. 
Cic.  Phil.  III,  9.  Xm,  10  f.  ad  Att.  X,  8  f.  XIV,  3  f.).  Zu  viel  Ehre  war  es 
wohl  wenn  man  ihn  desshalb  einen  Anhänger  der  asianischen  Redeweise 
nannte  (Plut.  Ant.  2.  43  vgl.  Suet.  1.  1.).  Seine  Briefe  an  Cicero  aus  dem 
J.  706  (ad  Att.  X,  8  A.  10,  2)  und  7ip  (XIV,  13  A)  zeigen  einen  ungekün- 
stelten Stil.  Plin.  N.  H.  XIV,  22,  148:  M.  Antenio.  is  enim  .  .  avidissime 
adprehenderat  hanc  palmam  (der  Leistungsfähigkeit  im  Trinken),  edite 
etiam  volumine  de  sua  ebrietate.  .  .  exiguo  tempore  ante  proelium  acti- 
acum  id  volumen  evomuit.  Darauf,  sowie  auf  seine  Correspondenz  mit 
Octavian  (wovon  Proben  bei  Sueten,  z.  B.  Aug.  69),  bezieht  sich  Ovid  ex 
Pont.  I,  1,  23:  Anteni  scripta  leguntur. 

4.  Asinius  Pollio  an  Cicero  (ad  fam.  X,  32,  3)  J.  711:  Balbus  quaester 
.  .  ludis  praetextam  de  suo  itinere  (J.  705)  ad  L.  Lentulum  procos.  solli- 
citandum  (um  ihn  zum  Verlassen  des  Pompejus  imd  zur  Rückkehr  nach 
Rom  zu  bewegen,  ad  Att!  VIII,  9,  4.    11,  6.  15  A,  2.   IX,  6,  1.   VeUej.  II, 


206.   Cornificius.  M.  Antonius.    Baibus  minor.   Ca^lius  Bufus.       391 

51,  3)  posuit.  et  quidem  cum  ageretur  flevit,  memoria  rerum  g^starum  com- 
motuB.  ib.  5:  praetextam  (desB.)  si  voles  legere,  Gallum  Cornelium,  familiä- 
rem meum,  poscito.  Vgl.  Welcker,  griech.  Tragödie  S.  1402.  Dieser  Baibus 
ist  der,  zum  Unterschiede  von  seinem  Oheim  (oben  194,  2),  Baibus  minor 
genannte,  nämlich  L.  Cornelius  P.  f.  Baibus,  welchefr  noch  lange  in  die 
augusteische  Zeit  hinein  lebte  (jedenfalls  noch  741)  und  J.  735  als  Pro- 
consul  ex  Africa  triumphierte;  s.  W.  Drumann,  G.  R  II.  S.  608 — 610.  A. 
Haakh  in  Pauly's  Real-Enc.  II.  S.  694  f.  Nr.  3.  Da  er  nach  Vellej.  1.  1. 
auch  ad  pontificatum  adsurrexit  und  literarische  I^clination  besass,  so  ist 
es  nicht  unmöglich  dass  er  der  Cornelius  Baibus  ist  aus  welchem  Serv. 
Ae.  lY,  127  etwas  über  den  Hymenäus  anführt  und  auf  welchen  sich  be- 
zieht Macrob.  III,  6,  16:  Cornelius  Baibus  'E^riytirinmv  libro  XYIII». 

5.  M.  Caelius  M.  f.  Bufus.  Plin.  N.  H.  VII,  49,  165:  C.  Mario  Cn. 
Carbone  III  cos.  ( J.  672  =»  82  y.  Chr.)  a.  d.  V  Eal.  lunias  (28  Mai)  M.  Caelius 
Bufus  et  C.  Licinius  Calyus  eadem  die  geniti  sunt,  oratores  quidem  ambo, 
sed  tarn  dispari  eventn.  Hiegegen  hat  Nipperdey,  Bhein.  Mus.  XIX.  S. 
289—291  eingewendet  dass  nach  der  Art  wie  Cicero  (Brut.  79,  273.  81, 
279  f.)  von  Beiden  spricht  dieselben  nicht  wohl  ganz  gleichaltrig  sein  kön- 
nen, und  Caelius  seiner  politischen  Laufbahn  (trib.  pl.  702,  Quästor  und 
30  J.  alt  also  frühestens  700;  aed.  cur.  704)  nach  älter  sein  müsse.  Statt 
Caelius  wäre  vielleicht  Curio  zu  nennen  gewesen,  oder  waren  Caelius 
und  Calvus  zwar  an  demselben  Tage  geboren,  aber  nicht  in  demselben 
Jahre,  Caelius  etwa  669  (85),  Calvus  672  (82),  indem  Plinius  die  beiden 
Consulate  des  Carbo  yerwechselte.  Und'  da  Cael.  schon  J.  696  die  legitina 
aetas  für  Aemter  hatte  (Cic.  p.  Cael.  7,  16.  18),  also  27  (vgl.  ib.  8,  19)  oder 
30  J.,  kann  er  nicht  nach  669  geboren  sein. 

6.  Lange  Zeit  hielt  Caelius  zur  Senatspartei  und  Cicero.  Diese  politische 
Correctheit  machte  den  Cic.  nachsichtig  gegen  des  Caelius  lockere  Sitten 
und  verschwenderische  Lebensweise,  und  er  vertheidigte  ihn  -J.  698  (s.  oben 
176,  34)  gegen  Anschuldigungen  der  Clodia,  zu  deren  ausschweifendem 
Kreise  er  längere  Zeit  gehört,  dann  aber  mit  ihr  gebrochen  hatte.  Wäh- 
rend Cicero's  Abwesenheit  in  Kilikien  (703  f )  hatte  Caelius  ihm  die  Neuig- 
keiten aus  Bom  zu  berichten.  Diese  Correspondenz  (17  Briefe)  füllt  B.  VIII 
von  Cic.  ad  fam.  Caelius  zeigt  darin  ein  scharfes  (etwas  medisantes)  Urteil 
über  Personen  und  Zustände,  bei  allem  Schwanken  in  Bezug  auf  die  eigene 
Stellung  dazu,  lebhafte  Darstellung,  einen  humoristischen  Ton,  originelle 
Schreibweise.  Vgl.  oben  181,  2  n.  6.  Dazu  der  Brief  an  Cicero  ad  Att.  X, 
9  A  (J.  705).  Nach  Ausbruch  des  Bürgerkriegs  trieben  den  Cael.  seine 
Schulden  in  das  Lager  des  Caesar,  und  dieser  ernannte  ihn  zum  Prätor  für 
706.  Als  solcher  wollte  er  tabulae  novae  einführen,  ward  aber  abgesetzt 
und  bald  darauf  erschlagen.  Er  ist  wohl  der  Bufus  des  Catull  (c.  77  vgl. 
69),  zuerst  -mit  dem  Dichter  befreundet,  dann  (etwa  696)  als  Nebenbuhler 
bei  Clodia  gehasst.  Vgl.  Schwabe,  Quaest.  Catull.  p.  64—67.  85—89.  133  f. 
Drumann  G.  B.  II.  S.  411—422.  A.  Haakh  in  Pauly's  Beal-Enc.  II.  S.  477 
— 480,  Nr.  7.  G.  Boissier,  Caelius  et  la  jeunesse  romaine  au  temps  de 
C^sar,  Bevue  des  deux  mondes  XLIX  (1864)  p.  41  ff. 

7.  Ueber  Caelius  als  Bedner  Cic.  Brut.  79,  273:   splendida  et  grandis 


392  Ciceronische  Zeit.    Zweite  Hälfte,  J.  691—711. 

et  eadem  inpriiais  faceta  et  perurbana  .  .  oratio,  graves  eius  contiones 
aliquot  fuerunt  (auch  de  aquis,  Froutin.  aq.  76),  acres  accusatioDeB  tres 
(gegen  C.  Antonius  695,  L.  Sempronius  Atratinus  den  Vater,  iterum,  698, 
Q.  Pompejus  Rufus  703),  .  .  defensiones  (besonders  698  pro  se  gegen  Atra- 
tinus, auch  pro  Saufeio  702  und  pro  M.  Servilio  703)  .  .  sane  tolerabiles. 
Darnach  Quintil.  VI,  3,  69.  X,  1,  115;  asperitas  Caelii  ib.  X,  2,  25  vgl.  Tac. 
dial.  18.  21. 25  (amarior).  Er  scheint  also  mehr  zu  den  Atticisten  gehalten  zu 
haben  als  zu  Cicero's  Bedeweise,  obwohl  er  in  seiner  Jugend  von  Letzterem 
Anleitung  zur  Beredtsamkeit  bekommen  hatte  (p.  Cael.  4,  9).  Vellej.  U,  68,  1 : 
M.  Caeliu8,yir  eloquio  animoque  Curioni  (A.  1)  simiUimus,  sed.in  utroque  per- 
fectior,  nee  minus  ingeniöse  nequam.  Sen.  de  ira  III,  8,  6:  Caelium  ora- 
torem  fuisse  iracundissimum  constat.  Seine  Beden  kannten  noch  Quintilian, 
Piinius  (Ep.  I,  20,  4)  und  Tacitus  (dial.  21.  25).  Zusammenstellung  der 
Üeberreste  und  Nachrichten  davon  bei  Meyer,  Orat.  rom.'  p.  460 — 470.  Sehr 
anschauliche  Schilderung  aus  einer  solchen  bei  Quintil.  IV,  2,  123  f.  Witze 
über  Clodia  ib.  VIII,  6,  53. 

8.  L.  Munatius  Flancus,  Caesars  Legat  und  für  J.  712  von  ihm  zum 
Cos.  ernannt;  nach  Caesars  Tod  schlug  er  sich,  nach  einigem  Schwanken, 
auf  die  Sefte  des  Senats,  dann  auf  die  des  Antonius,  später,  als  es  diesem 
schlecht  zu  gehen  anfieng,  auf  die  des  Octavian,  wobei  zu  bleiben  dessen 
Glück  ihm  gestattete.  Censor  732,  aber  allgemein  missachtet.  W.  Teufifel 
in  Paul/s  Beal-Enc.  V  (1846).  S.  204  —  208,  Nr.  9.  C.  L.  Both,  über  M. 
PL,  Erklärung  der  Inschrift  auf  dem  Mausoleum  in  Gaeta  (Mommsen  I. 
B.  N.  4089),  in  den  Mittheilungen  der  Basler  Alterth.-Ges.  IV  (Basel  1852). 
A.  W.  de  Klerck,  Disq.  de  etc.,  Utrecht  1855.  H.  A.  Eleijn,  de  L.  et  T. 
Munatiis  Plancis,  Lugd.  Bat.  1857.  Bei  Suet.  rhet.  6  und  Plin.  N.  H.  VII, 
12,  55  heisst  er  orator;  orator  insignis  habetur  bei  Hieronymus  zu  a.  Abr. 
1992  =  729  d.  St.;  summa  eloquentia  bei  Cic.  ad  fam.  X,  3,  3  vgl.  XIII, 
29,  1.  Ascon.  in  Mil.  p.  33  Or.  Seine  rhetorische  Bildung,  aber  auch  seine 
Eitelkeit,  erhellt  aus  seinen  Briefen  an  Cicero  (ad  fam.  X,  4.  7—9.  11.  15. 
17  f.  21.  23  f.)  aus  J.  710  und  711,  welche  sehr  wohl  stilisiert  sind,  mit 
Cadenzen,  Antithesen  u.  dgl.  trefflich  ausgestattet  (verborum  et  sententia- 
rum  gravitasj  ib.  12,  1.  16,  1.  19,  1),  aber  mit  ihren  schönen  Worten  oft 
eine  sehr  zweideutige  Gesinnung  bemänteln. 

9.  Hieronym.  zu  Euseb.  Chron.  a.  Abr.  1980  =  717  d.  St.:  Furnii 
pater  et  filius  clari  oratores  habentur,  quorum  filius  consularis  ante  patrem 
moritur.  Vgl.  die  Furnii  (de  populo  oratores)  bei  Tac.  dial.  21.  Der  Vater 
(C.  Furnius)  war  mit  Cicero  befreundet;  trib.  pleb.  704.  Legat  des  L. 
Plancus  (A.  8)  J.  710  f.  und  mit  ihm  zu  Antonius  übertretend,  bei  dem  er 
bis  Actium  blieb.  Von  Octavian  wurde  er  amnestiert  und  J.  725  adlectus 
inter  consulares  (Dio  LU,  42).  Dass  er  Bedner  war  bestätigt  auch  Cic.  ad 
fam.  X,  26,  2  (qui  alienas  causas  tarn  facile  discas).  Plut.  Auton.  58  nennt 
ihn  gar  dsivotatos  bIxbZv  'Patfuclmv,  Auf  ihn  bezieht  sich  wohl  Hör.  Sat. 
I,  10,  86:  te,  candide  Furni,  wozu  Acro:  hie  historiarum  elegantia  damit 
(später).  Von  dem  Sohne  (Cos.  737)  berichtet  eine  raffinierte  Schmeichelei 
gegen  Octavian  Sen.  de  benef.  II,  25,  1.  Vgl.  A.  Haakh  in  Pauly's  Beal- 
Enc.  III.  S.  659  f.  Nr.  1  u.  2. 


206  f.   Munatius.   Fumii.   Aieius  Fhilologus.  393 

10.  L.  SemproniuB  AiratinuB,  durch  M.  Antonius  Cos.  720  d.  St.,  aber 
bald  (vor  Actium)  zu  Octavianus  übergetreten  und  durch  ihn  Procos.  von 
Afrika,  als  welcher  er  IV  id.  Octobr.  733  (Yarr.)  ex  Africa  triumphierte 
(fasti  tr.  ad  a.).  Hieronymus  zu  Eus.  chron.  ad  a.  Abr.  1996  >»=  733  d.  St.: 
Airatinus,  qui  XVII  natus  annos  Caelium  (s.  A.  7)  accusaverat  (J.  698  d.  St. ; 
also  geboren  681),  clarus  inter  oratores  habetur,  ad  extremum  morborum 
taedio  in  balneo  voluntate  exanimatus  heredem  reliquit  Augustum.  Cicero 
nennt  ihn  (p.  Cael.  1,  2)  seinen  necessarius,  sagt  von  ihm  (ib.  3,  8): 
Ornate  docteque  dixiati  und  nennt  (ib.  7,  15)  ihn  diaertus  adolescens.  Als 
Bedner  im  Senat  J.  714  neben  Messala  genannt  bei  loseph.  b.  iud.  I,  14,  4. 
Vgl.  A.  Haakh  in  Pauly's  Real-Enc.  VI,  1.  S.  973  f.  Nr.  8. 

11.  Vatinius  an  Cicero,  ad  fam.  V,  10  a,  2  (J.  709)  r  defenditur  (Cati- 
lius)  a  Q.  Volusio,  tuo  discipulo.  Vgl.  Haakh  in.  Pauly's  Real-Enc.  VI,  2. 
S.  2746,  Nr.  6. 

12.  T.  Annius  Cimber,  Lysidici  filius  (Cic.  Phil.  XI,  6,  14),  durch  M. 
Antonius-  zur  Prätur  gelangt  (ib.  XIII,  12,  26),  als  Redner  und  Schriftsteller 
von  affectierter  Alterthümlichkeit;  s.  Quintil.  VIII,  3,  28  f.  =  Vergil.  Catal. 
2.  Octavian  bei  Suet.  Oct.  86  an  M.  Antom'us:  tu  dubitas  Cimberne  Annius 
an  Veranius  Flaccus  imitandi  sint  tibi?  d.  h.  wohl:  du  schwankst  nur 
zwischen  A.  C.  und  den  pontificalia  verba  des  Ver.  (oben  196,  14)  und 
schreibst  daher  in  der  Sprache  des  Cato.  J.  G.  Huschke ,  de  Annio  Cimbro, 
Rostock  1824.  4. 

13.  Auch  Caesar's  Freund,  der  Bitter  Mamurra  aus  Formiae,  f  709, 
war  literarisch  thätig,  wie  es  scheint  in  gebundener  Form;^.  Catull  57,  7 
und  105:    Schwabe,  Quaest.  Catull.  p.  ia.7  f.  226. 

14.  Val.  Max.  VIII,  3,  3:  Hortensia,  Q.  Hortensi  (oben  168,  1)  filia, 
cum  ordo  matronarum  gravi  tributo  a  triumviris  (J.  711)  esset  oneratus 
nee  quisquam  virorum  patrocinium  eis  accommodare  änderet,  causam  femi- 
narum  apud  trium vires  et  constanter  et  feliciter  egit;  repraesentata  enim 
patris  facundia  impetravit  ut  etc.  Vgl.  Appian.  b.  c.  IV,  32  f.  Quintil.  I, 
1,6:  Hortensiae  Q.  filiae  oratio  apud  triumviros  habita  legitur  non  tantum 
in  sexus  honorem. 

207.  Die  Gelehrten  und  Lehrer  waren  an  den  politischen  197 
Kämpfen  unmittelbar  nur  wenig  betheiligt.  Der  bedeutendste 
unter  ihnen  ist  der  Grieche  Atejus  ^rätextatus,  ein  vielsei- 
tiger und  fruchtbarer  Schriftsteller,  der  sich  selber  Philologus 
nannte;  nächstdem  Santra,  welcher  Literarhistorisches  schrieb; 
ferner  des  Cn.  Pompejus  Freigelassener,  Lenäus,  sowie  Epidius, 
Sextus  Clodius  und  Guvius  Bassus.  Vielleicht  gehört  auch  der 
Beisebeschreiber  Statins  Sebosus  dieser  Zeit  an. 

1.  Sueton.  gramm.  10:  Ateius  Philologus  libertinus  Athenis  est 
natus.  hunc  Gapito  Ateius,  notus  iuris  consultus,  inter  grammaticos  rhe- 
torem,  inter  rhetores  grammaticum  fuisse  ait.    de  eodem  Asinius  PoUio, 


394  Ciceronische  Zeit.   Zweite  Hälfte,  J.  601—711. 

in  libro  quo  Salliistii  scripta  reprehendit  ut  nimia  priscorum  verborum 
affcctatione  oblita,  ita  tradit:  ,in  eam  rem  adiutorium  ei  fecit  maxime 
qoidem  Ateius  Praetextatus,  nobilia  grammaticus  latinus,  declamantium 
deinde  auditor  atqqe  praeceptor,  ad  summam  Philologus  ab  semet  nomi- 
natuB.*  ipse  ad  Laelium  Hermam  scripsit  se  .  .  audisse  Antonium  Gnipho* 
Dem  (oben  166,  5),  .  .  praecepisee  antem  multis  et  claris  iuyenibas,  in  quia 
Appio  quoque  et  Pulchro  Glaudiis  fratribus  (vgl.  oben  196,  10).  .  .  Philo- 
logi  ^ppellationem  assumpaisBe  videtur  quia  .  .  multiplici  variaque  (loctrina 
censebatur.  quod  sane  ex  commentariis  eins  apparet,  quamquam  paucis- 
simi  exB^nt.  de  quorum  tamen  copia  sie  altera  ad  eundem  Hermam  epi- 
stola  significat:  ,Hylen  nostram,  .  .  quam  omnia  generia  coegimua,  uti  acia, 
octingentoa  in  libroa.*  coluit  postea  familiariaaime  C.  Salluatium  et  eo 
defuncto  Asinium  Pollionem,  quoa  hiatoriam  componere  aggreaaoa  alterum 
breviario  rerum  omnium  romanarum,  ex  quibua  quaa  vellet  eligeret,  in- 
struxit,  alterum  praeceptis  de  ratione  acribendi.  quo  magia  miror  Aainium 
credidiase  antiqua  eum  verba  et  figuraa  aolitum  eaae  colligere  Salluatio, 
cum  aibi  aciat  nil  aliud  suadere  quam  ut  noto  civilique  et  proprio  aermone 
utatur  vitetque  maxime  obscuritatem  Salluatii  et  audaciam  in  tranalatio- 
nibua.  Seine  peraönliche  Ueberzeugung  von  dem  besten  Stile  konnte  den 
AtejuB  nicht  hindern  für  Salluat,  auf  deaaen  ausdrückliche  Bestellung,  eine 
Sammlung  von  Archaiamen  zu  machen.  ^ 

2.  Suet.  gramm.  14:  huiua  (dea  Curtiua  Nicia,  oben  197,  4)  de  Lucilio 
libroa  etiam  Santra  comprobat.  Vgl.  Martial.  XI,  2,  7:  aalebrosum  San- 
tram.  Hieronym.  de  vir.  illuatr.  (II.  p.  821  Yall.)  praef.:  fecerunt  hoc  idem 
(literarhiatoriache  Schriften  verfassen)  .  .  apud  Laünoa  Varro,  Santra, 
Nepoa,  HyginuB.  Gell.  YII,  15,  5:  ne  si  Aelii  quidem,  Cincii  et.Santrae 
dicendum  ita  censuiaaent.  Verriua  Flaccua  (bei  Featua  p.  277  M.)  und 
Quintil.  XII,  10,  16  erwähnen  den  Santra  bei  literarhiatoriachen  Fragen. 
Sueton.  vit.  Terent.  4  (p.  31 ,  10  BfFach.) :  Santra  Terentium  exiatimat  etc. 
Featua  p.  277  M.:  quam  rem  (über  reciniati  mimi  planipedea)  diligenter 
exaequitur  Santra  libro  II  de  antiquitate  verborum.  Schol.  Veron.  Aen.  V, 
95  (p.  95,  4  f.  E.):  Santra  de  antiquitate  verborum  libro  III  ait  etc.  ad 
Aen.  II,  171  (p.  86,  15  E.):  ut  Santra  antiquitatium  libria.  Non.  p.  170,  21: 
Santra  de  verborum  antiquitate  III  (oder  1.  ll):  quod  (dea  Naeviua  b.  pu- 
nicum,  s.  oben  93,  8)  volumen  unum  noa  lectitavimus  et  poatea  (in  anderen 
Handschriften)  invenimus  septemfariam  divisum.  Aus  Santra  Nuntiis  Bacchi 
führt  NoniuB  (s.  Tragg.  latt  reliqq.  p.  195  Bb.  vgl.  p.  347,  ed.  II  p.  228) 
vier  (nicht  ganz  vollständige)  Senare  an,  von  denen  mindeatena  drei  helle- 
nisch, correcten  Bau  haben.  —  L.  Lerach,  Sprachphiloaophie  III.  S.  165  ff. 
und  Ztachr.  f.  d.  Alt.  Wisa.  1839,  Nr.  13  f.  43.  A.  E,  Egger,  lat.  aerm.  vet. 
reliqq.  p.  18—21.    L.  Preller,  ausgew.  Aufaätze  S.  377  f. 

3.  Suet.  gramm.  15:  Lenaeua,  Magni  Pompei  libertus  et  paene  omnium 
expeditionum  comes,  defuncto  eo  filiiaque  eiua  (zuletzt  atarb  Sextus,  J.  719) 
aehola  ae  auatentavit  .  .  ac  tanto  amore  erga  patroni  memoriam  exatitit 
ut  Salluatium  historicum  .  .  acerbissima  satura  laceraverit  (s.  oben  204 ,  1). 
traditur  autem  puer  adhuc  Athenia  aubreptua  refugiaae  in  patriam,  .  . 
verum  .  .  gratia  manumisaua.  Auch  über  Pharmakologie  schrieb  Lenaeua 
(Plin.  n.  h.  XXV,  3);  s.  oben  61,  1. 


207.    Santra,  Sex.  Clodius  u.  a.  Lehrer.  395 

4.  Säet,  gramm.  28  =»  rhet.  4:  (M.)  Epidius  calumnia  notatus  ludum 
dicendi  aperait  docuitque  intcr  ceteros  M.  Antonium  et  Augustutn  (aach 
den  Vergil,  s.  unten  220,  3).  quibus  quondam  C.  Cannutius  .  .  malle  [se]  re- 
spondit  Isaürici  esse  discipulum  quam  Epidii  calumniatoris.  hie  Epidius 
ortum  se  a  C.  Epidio  Kucerino  praedicabat.  Bei  Plin.  N.  H.  XVII,  38, 
243  (qualibus  ostentis  Aristandri  apud  Graecos  volumen  scatet,  .  .  apud 
nOB  vero  C.  Epidii  commentarii,  in  quibus  arbores  locutae  quoque  reperi- 
untur)  möchte  H.  Peter  (Rhein.  Mus.  XXII.  S.  163)  eher  an  Epicadus  (oben 
154,  2)  denken.    Vgl.  noch  oben  208,  6. 

6.  Snet.  gramm.  29  =  rhet.  5:  Sex.  Clodius  e  Sicilia,  latinae  simul 
graecaeque  eloquenüae  professor,  male  oculatus  et  dicax  par  oculomm  in 
amicitia  M.  Antonii  triumviri  extrisse  (?)  se  aiebat.  .  .  a  quo  (M.  Antonio) 
moz  consule  (J.  710)  ingens  etiam  congiarium  accepit.  Vgl.  Cic.  Phil.  IT, 
47,  43  (fhetorem  .  .  salsum  hominem).  ITT,  9,  22.  ad  Att.  lY,  15,  2-(J.  700): 
yereor  ne  lepore  te  suo  detineat  diutius  rhetor  Clodius.  Lactant.  Inst.  1, 
22,  11:  Sex.  Clodius  in  eo  libro  quem  graece  scripsit.  Arnob.  adv.  gent. 
V,  18:  Sex.  Clodius  sexto  de  diis  graeco.  Dagegen  der  bei  Servius  (zu 
Aen.  I,  176:  Clodius  commentariorum  quarto,  vgl.  ib.  52.  11,229)  angeführte 
Clodius  ist  wohl  Clodius  Tuscus  (s.  d.).  M.  Bernays,  Theophrasts  Schrift 
über  die  Frömmigkeit  S.  10  ff. 

6.  Von  einem  Grammatiker  Gavius  Bassus  werden  angeführt  Schriften 
de  origine  verbornm  et  vocabulorum  (Gellius  II,  4,  3  ff .  III,  19,  1  f.  V,  7) 
in  mindestens  7  Büchern  (ib.  XI,  17,  4),  de  verborum  significatione  (Macrob. 
ÜI,  18,  2)  commentaria  (Gell.  Ill,  9.  18,  3  f.),  de  diis  (Macrob.  I,  9,  13  vgl. 
ITT,  6,  17.  Lyd.  de  mens.  IV,  2.  vgl.  Quintil.  I,  6,  36.  Lactant.  inst.  I,  22, 
9).  Da  er  nach  Gell.  III,  9,  8  den  equus  Seianus  noch  zu  Argos  sah,  dessen 
letzter  Eigenthümer  C.  Cassius  J.  718  den  Tod  fand,  so  scheint  er  dieser 
(spätestens  der  augusteischen)  Zeit  anzugehören.  Eretzschmer,  de  fönt. 
Gell.  p.  99  f. 

7.  Statins  Sebosus,  von  Plinius  genannt  im  Quellenverzeichniss  zu 
B.  II  und  IX,  sowie  als  Sebosus  zu  B.  III,  V,  VI,  VU,  XII,  XIII.  Nach- 
richten aus  ihm  ib.  VI,  36  (Angabe  der  Fahrzeit  zu  den  insulae  Hespcri- 
dum)  und  IX,  17  (Wunder  des  Flusses  Ganges).  F.  F.  Hudeman,  der 
römische  Seefahrer  Statins  Sebosus,  Zt^chr.  f.  d.  Alt.  Wiss.  1852,  Nr.  3. 
Einen  Sebosus  nennt  als  Freund  des  Lntatius  Catulus  und  lästigen  Nachbar 
Cicero,  ad  Att.  II,  14,  2.    15,  3  (J.  695  d.  St.). 

208.  Dichter  dieser  Zeit  von  denen  wir  keine  Betheiligung  i98 
an  den  politischen  Kämpfen  kennen  waren  P.  Terentius  Varro 
aus  Atax  (J.  672 — 717  d.  St.)  und  Publilius  Syrus;  jener  zuerst 
Epiker  in  der  Weise  des  Ennius  (bellum  Sequanicum)  und  Ver- 
fasser Yon  Saturae^  dann  berühmter  geworden  als  Bearbeiter 
alexandrinischer  Epen  und  Lehrgedichte  (Argonautae^  Chorogra- 
phia,  Ephemeris),  ausserdem  Elegiker;  Publilius  Syrus,  aus 
Antiochia  gebürtig,  dichtete  für  das  Theater  mimi  die  noch  in 
der  neronischen  Zeit  aufgeführt  wurden  und  deren  reicher  Schatz 


396  .  CiceroniBche  Zeit.   Zweite  Hälfte,  J.  691—711. 

an  Sprüchen  der  Lebensweisheit  im  ersten  christlichen  Jahrh. 
ausgezogen^  im  Beginne  des  Mittelalters  aber  mit  Sentenzen  aus 
andern  Quellen  vermischt  wurde.  Beiden  Dichtem  gleichzeitig 
war  der  durch  CatuU  in  üblen  Geruch  gebrachte  Epiker  Tanusius 
Geminus  aus  Oberitalien. 

1.  Hieronym.  in Euseb.  Chron.  ad  a.  Abr.  1935  =  672  d.  St.  »  82  y.  Chr.: 
P.  Terentius  Yarro  vico  Atace  in  provincia  Narbonensi  nascitur.  qui 
postea  XXXV"™  annmn  agens  graecas  litteras  cum  summo  studio  didicit. 
Hör.  S.  1,  10,  46:  hoc  (die  Satire)  erat  experto  frustra  Varrone  Atacino  .  . 
melius  quod  scribere  possem.  Hienach  war  Yarro  zur  Zeit  der  Abfassung 
dieser  Satire  (J.  718,  s.  W.  TeufFel  im  Rhein.  Mus.  lY.  S.  111—113)  bereits 
nicht  mehr  am  Leben.  Dieses  Yerfassen  von  Satiren  fällt  wohl  in  die 
frühere,  nationale  Periode  des  Yarro,  wohin  auch  sein  bellum  Sequani- 
cum  gehören  wird  (Priscian.  X.  p.  877  P.  =»  497  Htz.:  P.  Yarro  belli 
Sequanici  libro  II),  welcher  Stoff  dem  Yarro  nach  Zeit  und  Schauplatz 
besonders  nahe  lag  und  vielleicht  durch  Caesar's  britannische  Unterneh- 
mungen mitveranlasst  war  (Bemays).  Porphyrie  ad  Hör.  1. 1.  (p.  186  Hth.): 
Terentius  Yarro  Narbonensis,  qui  Atacinus  ab  Atace  fluvio  dictus  est. 
Quintil.  X,  1,  87:  Atacinus  Yarro  in  iis  per  quae  nomen  est  assecutus  in- 
terpres  operis  alieni,  non  spemendus  quidem,  verum  ad  augendam  facul- 
tatem  dicendi  {Tärum  locuples.  Diess  bezieht  sich  auf  die  Argonautae  oder 
Argonautica  des  Yarro,  eine  freie  Bearbeitung  des  Epos  von  Apollonius  aus 
Rhodos  in  vier  Büchern,  welches  preisend  erwähnt  Ovid  Am.  I,  15,  21  (Yarro- 
nem  .  .  quae  nesciat  aetas?).  A.A.  III,  336  f.  Trist.  II,  439  f.  ex  Pont.  lY,  16, 
21.  Ygl.  unten  247,  Ig.E.  Prop.  II,  34,  86.  Stat.  Silv.  II,  7,  77.  Sen.  Con- 
trov.  XYI,  28  (p.  195,  8  ff.  Bu.):  illos  optimos  versus  Yarronis.  Die  Ueber- 
reste  bei  Wüllner  p.  12  ff.  und  zuletzt  bei  A-  Biese,  Yarr.  Sat.  Menipp. 
p.  261 — 263.  B.  Unger,  Epistola  de  Yarrone  Atacino,  Friedland  1861.  4. 
Ausserdem  eine  Chorographia  (Yar.  bei  Priscian  cosmographia),  worin  nach 
einem  metrischen  prooemium  Europa,  Asien  und  Africa  der  Reihe  nach 
behandelt  waren;  Original  das  Werk  des  Alexander  aus  Ephesos  (mit  dem 
Beinamen  6  Av%voi),  Die  Ueberreste  bei  Riese  p.  263  f.  Femer  eine 
Ephemeris  (Witterungskunde)  in  Hexametern,  nach  Aratos;  s.  Bergk,  Rhein. 
Mus.  I  (1842).  S.  372  ff.  Riese  p.  264.  Beschreibungen  werden^  in  dem 
Epos  eine  grosse  Rolle  gespielt  haben.  Als  Elegiker  theilte  Yarro  die 
erotische  Richtung  der  Alexandriner  und  seiner  unmittelbaren  Nachfolger. 
Propert.  II,  34,  85  f.:  haec  quoque  perfecto  ludebat  lasone  Yarro,  Yarro 
Leucadiae  maxima  fiamma  suae.  Ovid.  Trist.  II,  439  f.:  is  quoque  phasi- 
acas  Argo  qui  duxit  in  undas  non  potuit  Yeneris  furta  tacere  suae.  Diess 
sind  aber  die  einzigen  Spuren  seiner  Elegieen,  sei  es  weil  seine,  Nachfolger 
ihn.  verdunkelten  oder  weil  ihn  seine  ausserrömische  Abkunft  zu  keinem 
EinfiuBs  gelangen  Hess.  Das  Epigramm  (Anthol.  lat.  414  R.)  auf  das  Grab 
des  reichen  Galliers  Licinus  (der  erst  unter  Tiberius  starb;  s.  W.  Teuffei 
in  Pauly's  Real-Enc.  lY.  S.  1081  f.)  wurde  wohl  wegen  der  Landsmann- 
schafb  dem  Yarro  zugeschrieben  (Schol.  Pers.  11,  36:  non  invenustum  Yar- 
ronis  epigramma).    Ebenso   wissen  wir   von  Yarro's  Satiren  einzig  durch 


208.   Varro  Atacinus.   Publilius.  397 

Horaz  1.  1.  Im  Allgemeinen  b.  Fr.  Wüllner,  de  P.  Tereniii  Yarronis  Atacini 
Tita  et  Bcriptis,  Münster  1829.    4. 

2.  Hieronym.  zu  Eus.  Chron.  1974  =  Ol.  184,  2  =  711  d.  St.  (Laberius' 
Todesjahr,  s.  oben  189,  7):  Publilius  (so  Amand.)  mimograpbus  natione 
Syrus  Bomae  scaenam  tenet.  Den  Namen  Publilius  hat  (statt  Publius)  als 
den  bestbeglaubigten  und  richtigen  erwiesen  E.  WölMin,  Philologus  XXII. 
S.  439  f.  Plin.  N.  H.  XXXV,  17,  68:  talem  (pedibus  cretatis)  Publilium 
Lochium  (0.  Jahn:  Antiochium),  mimicae  scaenae  conditorem,  et  astrologiae 
consobrinum  eins  Manilium  Antiochum,  item  grammaücae  Staberium  Erotem 
eadem  nave  advectos  Tidere  proavi.  Macrob.  II,  7,  6  f.:  Publilius,  natione 
Syrus,  cum  puer  ad  patronum  domini  esset  adductus,  promeruit  eum  non 
minus  salibus  et  ingenio  quam  forma.  (7.)  ob  haec  et  alia  manumissus  et. 
maiore  cura  eruditus,  cum  mimos  componeret  ingentique  adsensu  in  Italiae 
oppidis  agere  coepisset,  productus  Bomae  per  Caesaris  ludos  (J.  709)  omnes 
qui  tunc  scripta  et  operas  suas  in  scenam  locaverant  provocavit  ut  singuli 
secum  posita  inyicem  materia  pro  tempore  contenderent.  nee  ullo  recusante 
superayit  omnes,  in  quis  et  Laberium.  (8.)  unde  Caesar  .  .  Publilio  palmam 

.  .  dedit.  Hier  scheinen  zweierlei  Wettkämpfe,  die  mit  einem  Mimus  und 
im  Improvisieren,  durcheinandergemischt.-  In  der  Kunst  des  Improvisierens 
war  Syrien  stark,  s.  Wölfflin  S.  443  f.  Gell.  XVII,  14,  1 :  Publilius  mimos 
scriptitavit.  dignus  habitus  est  qui  subpar  Laberio  iudicaretur.  (3.)  huius 
Publilii  sententiae  feruntur  pleraeque  lepidae  et  ad  communem  sermonum 
usum  (Macrob.  II,  7,  10:  sensum)  commendatissimae  (Macrob.  adcommoda- 
tissimae).  Sen.  Controv.  VII,  18,  8  f.  (Publilianae  sententiae).  Sen.  de 
tranq.  an.  11,  8:  Publilius,  tragicis  comicisque  vehementior  ingeniis,  quotiens 
mimicas  ineptias  et  yerba  ad  summam  caveam  sx>ectantia  reliquit,  inter 
mnlta  alia  cothumo,  non  tantum  sipario,  fortiora  et  hoc  ait.  Epist.  8,  8: 
quantnm  disertissimomm  yersuum  inter  mimos  iaoetl  quam  multa  Publilii 
non  ezealceatis,  sed  oothurnatis  dicenda  sunt!  Vgl.  oben  8,  6.  Auch  Zeit- 
anspielungen scheint  Publilius  gelegentlich  angebracht  zu  haben;  s.  Cic.  ad 

Att.  xrv,  2,  1. 

3.  Dass  von  den  Stücken  des  Publilius  nur  zwei  apokryphe  Titel  be- 
kannt sind  (Non.  p.  133,  7:  Publilii  Putatoribus,  und  Priscian.  X.  p.  632,  25 
Htz.:  Publius  in  Murmidone)  erklärt  sich  daraus  dass  er  vorzugsweise 
Schauspieler  und  Improvisator  war  und  seine  Stücke  daher  fast  nur  in 
Theaterezemplaren  existierten.  Die  zahlreich  darin  enthaltenen  kernigen 
Sprüche  sammelte  im  ersten  chrisÜ.  Jahrh.  (denn  Gellius  1.  1.  kennt  die 
Sanmilung  bereits)  ein  Liebhaber  und  gab  sie  heraus,  so  dass  erst  jetzt 
PubliHiis  ein  Gtogenstand  der  Literaturgeschichte  zu  sein  anfängt.  Mono- 
stichische  Proben  daraus  bei  Gell,  und  Macrob.  1.  1.  Diese  Sammlung  ist 
uns  erhalten,  am  vollständigsten  (aber  ohne  Uebersdirift)  im  cod.  Fri- 
singensis  (jetzt  Monac.  lat.  6292),  für  die  Buchstaben  A  bis  N  auch  in 
andern  alten  Handschriften  (aus  saec.  IX  und  X),  im  Ganzen  über  650'  echte 
Verse.  Da  sie  fast  durchaus  aus  allgemeinen  Klugheitsregeln  und  Sätzen 
all^licher  confessionsloser  Lebensanschanung  bestehen,  und  Seneca  (Ep. 
33,  7)  schreibt:  pueris  sententiaa  ediscendas  damus,  so  ist  glaublich  dass 
die   Sammlung   in    den   Schulen   verwendet   wurde.      Manche   Variationen 


398  Ciceronische  2eit.   Zweite  Hälfte,  J.  691—711. 

desselben  Gedankens  können  daher  stammen,  aber  anch  schon  von  Publiliua 
selber.  Ebenso  mag  die  alphabetische  Ordnnng  von  dem  ursprünglichen 
Sammler  herrühren^  da  die  Art  derselben  (Berücksichtigung  nur  des  ersten 
Buchstabens,  nicht  aber  der  weiteren)  der  Gewohnheit  des  Alterthums  ent- 
spricht; jedenfalls  findet  sich  diese  Ordnung  am  Beginne  des  Mittelalters. 
Schon  Tor  saec.  IX  gieng  die  zweite  Hälfte  verloren;  dafür  wurden  (pro- 
saische) Sentenzen  aus  dem  damals  noch  vollständigeren  Pseudo-Seneca  de 
moribus,  zur  ungefö.hren  Länge  eines  Verses  zugestutzt,  aufgenommen,  und 
dieses  Conglomerat  erhielt  nach  dem  bekannteren  Verfasser  den  Titel  Sen- 
tentiae  (oder  Proverbia)  Senecae  und  wurde  weiterhin  aus  andern  Schrift- 
stellern noch  manchfach  interpoliert,  besonders  saec.  XIV  und  XV.  In- 
zwischen war,  etwa  saec.  X,  die  echte  zweite  Hälfte  (N  bis  V)  wieder  auf- 
gefunden worden.  Sie  lag  dem  Schreiber  des  cod.  lE^risingensis  vor  und 
wurde  von  ihm  in  die  zu  seiner  Zeit  bereits  traditionelle  aus  Prosa  und 
Versen  gemischte  Sammlung  eingereiht,  je  hinter  den  unmetrischen  Pro- 
verbien  eines  Buchstabens.  Wölfflin  a.  a.  0.  S.  444 — 463.  In  den  gedruckten 
Ausgaben  (ed.  princeps,  von  Erasmus,  Argent.  1516)  wurden  dann  die  ver- 
schiedenen Bestandtheile  bald  mehr  bald  weniger  geschieden  (WOlfFlin 
S.  464 — 456);  das  blühendste  Durcheinander  in  F.  H.  Bothe's  Sammlung 
(Fragm.  com.  lat.  p.  220  ff.)  und  darnach  von  G.  Zell  (Stuttgart  1829)  u.  A. 
Anfang  einer  Scheidung  in  Ribbecks  Comic!  latini  p.  261 — 308.  Vgl.  dazu 
Wölfflin,  Philologus  XI.  S.  191.  XVI.  S.  618.  XXII.  S.  437  4.  449.  466—468. 
Publilii  Syri  sententiae  ad  fidem  codicum  opt.  nunc  primum  recensuit 
E.  Wölfflin,  Lips.  (Teubner)  1869.  Unkritisch  Grysar,  über  den  mimus 
(oben  7,  1)  S.  306—310. 

4.  Sen.  Epist.  93,  9:  paucorum  versuum  Über  est  (des  Metronaz),  et 
quidem  laudandus  atque  utilis.  annales  Tanusii  scis  quam  ponderosi  sint 
et  quid  vocentur.  hoc  est  vita  quorundam  longa  quod  Tanusii  sequitnr 
annales.  Dass  hier  mit  quid  vocentur  hingewiesen  werde  auf  Catull  36,  1 : 
annales  Volusi,  cacata  charta  (vgl.  6:  electissima  pessimi  poetae  scripta; 
19 :  plena  ruris  et  inficetiarum,  und  95,  7 :  Volusi  annales  Paduam  morientur 
ad  ipsam,  wo  also  wohl  der  Verfasser  lebte)- und  Volusius  eine  Maskierung 
des  wirklichen  Namens  Tanusius  sei  ist  eine  alte  Vermutung^  welche  sehr 
viel  Wahrscheinlichkeit  hat;  s.  Schwabe,  Quaest.  GatuU.  p.  278 — 281. 
Weiterhin  wäre  dieser  Tanusius  ohne  Zweifel  identisch  mit  Tanusius 
Geminus  welchen  Sueton  (Gaes.  9  vgl.  Plut.  Gaes.  22)  unter  seinen  Quellen 
for  die  Biographie  Gaesars  aufführt.  E.  ünger,  de  Tanusio  Gemino  annalium 
scriptore,  Friedland  1865.  4. 

5.  In  ähnlicher  Weise  erwähnt  Gatull  noch  andere  (schlechte)  Dichter 
seiner  Zeit,  wie  Aquinus  (Gatull  14,  18.  Gic.  Tusc.  V,  22,  68),  Gaesius 
(Gatull  14,  18),  Suffenus  (Gatull  14,  19.  22,  1  ff.).  Schwabe,  Quaest.  Gatull. 
p.  267  f. 

6.  Gomel.  Nep.  Att.  12,  4:  L.  lulium  Galidum,  quem  post  Lucretii 
GatuUique  mortem  multo  elegantissimum  poetam  nostram  tulisse  aetatem 
vere  videor  posse  contendere,  neque  minus  virum  bonum  optimisque  arti- 
bns  eruditum,  post  proscriptionem  equitum  (nachdem  die  Liste  der  Pro- 
scribierten  aus  dem  Ritterstande  bereit«  geschlossen  war)  propter  raagnas 


208  f.  Pnblilius  u.  a.  Dichter.   M.  Brutus.  399 

eiu8  Africanas  possessioneB  in  proscriptorum  numeruzn  a  P.  VolumDio 
praefecto  fabrum  Antonii  absentem^  relatum  eipedivit  (Atticus).  Einleuchtend 
ist  die  freundschaftliche  Ueberschätzung  dieses  ganz  obscuren  Dichters,  der 
vielleicht  identisch  ist  mit  dem  L.  lulius  ans  Alrica  welchen  Cicero  (ad 
fam.  XIII,  6,  3  f.  J.  698)  dem  Valerius  Orca  empfiehlt.  Auf  diesen  Galidus 
(nicht:  Calidius)  bezieht  Biese  AnthoL  lat.  776  (vgL  II.  p.  XXIX). 

20Ö,  Von  den  Theilnehmem  der  Verschwörung  gegen  Cae-199 
sar  war  der  redliche^  aber  geistig  nicht  hochstehende  M.  lunius 
Brutus  der  literarisch  bedeutendste  und  thätigste^  namentlich 
auf  dem  Gebiete  der  Philosophie  und  der  Beredtsamkeit;  des 
D.  Brutus  und  C.  Cassius  Schreibweise  kennen  wir  aus  Briefen 
an  Cicero;  ebenso  den  Cassius  aus  Parma  und  C.  Trebonius^ 
welche  beide  überdiess  Verfasser  von  Poetischem  waren.  Ausser- 
dem verfassten  Geschichtswerke  in  einem  dem  Caesar  abgeneigt 
ten  Sinne  Ampius  Baibus  und  Actorius  Naso. 

1.  M.  lunius  Brutus.  Vgl.  W.  Dxumann,  G.  R.  IV.  S.  18—44.  W.  Teuffei 
in  Paulj's  Real-Enc.  IV.  8.  518—627.  532  f.  Cic.  Brut.  94, 324  von  Hortensius: 
annis  ante  decem  causas  agere  coepit  (nämlich  J.  659,  s.  Brut.  64,  229: 
L.  Crasso  Q.  ßcaevola  coss.  primum  in  foro  dixit)  quam  tu  (Brutus)  es  natus. 
Das  hiernach  sich  ergebende  Geburt^ahr  669  »s  85  hat  gegen  sich  dass 
dabei  die  Sage,  Caesar  (geb.  654)  sei  selbst  Vater  des  Brutus,  eine  hand- 
greifliche Absurdität  gewesen  wäre;  auch  sagt  Vellej.  II,  72, 1 :  hunc  exitum 
M.  Bruti  septimum  et  tricesimum  annum  agentis  (J.  712)  fortuna  esse  voluit 
(vgl.  Liv.  CXXrV:  annomm  erat  circiter  XL).  Diess  würde  auf  675  oder  676 
(79  oder  78  v.  Chr.)  als  das  Geburtsjahr  des  Brutus  fQhren.  Daher  mit 
vieler  Wahrscheinlichkeit  Nipperdey,  Bhein.  Mus.  XIX.  S.  291,  bei  Cic.  1.  1. 
ante  sedecim  schreibt  Vgl.  Comel.  Nep.  Att.  8^  1  f.:  occiso  Caesare  .  .  sie 
M.  Bruto  usus  est  ut  nullo  ille  adolescens  aequali  familiarius  quam  hoc 
sene  (Atticus  geb.  645).  J.  703  war  Brutus  bereits  Schwiegersohn  (Cic.  ad 
fam.  III,  4,  2)  des  App.  Claudius  (oben  196,  10).  Aur.  Victor  ill.  82:  Athenis 
philosophiam,  Rhodi  (sonst  nicht  bezeugt)  eloquentiam  didicit  (Lehrer  in 
Athen  Pammenes,  sowie  Aristos,  der  Bruder  des  Antiochos,  Cic.  Brut.  97, 332. 
Orat.  30,  105.  Acad.  post.  I^  3, 12.  Plut.  Brut.  2).  Cytheridem  mimam  cum 
Antonio  et  Gallo  poeta  amavit.  .  .  civili  hello  .  .  Pompeium  secutus  est. 
quo  victo  veniam  a  Caesare  accepit  et  procos.  (?)  Galliam  (cisalp.)  rexit 
(J.  708).  J.  710  durch  Caesar  praetor  (urb.)«  t  nach  der  Schlacht  bei 
Philippi,  J.  712. 

2.  Cicero  pflegt  den  M.  Brutus  fibertrieben  zu  loben  (z.  B.  Brut.  6,  22), 
zuerst  als  den  Liebling  des  Caesar^  dann  als  dessen  Mörder;  er  widmete 
ihm  de  finibus,  Paradoxa,  de  deor.  nat.,  Tusc,  den  Orator  und  den  Brutus. 
Die  stilistischen  Grundsätze  Beider  waren  aber  verschieden;  vgl.  Cic.  ad 
Att.  XV,  1  b,  2 :  ego  secutus  (Med. :  solus)  aliud  (iudicium  de  optimo  genere 
dicendi)  sum,  und  Tac.  dial.  18:  legistis  et  Calvi  et  Bruti  ad  Ciceronem 
missas  epistulas,  ex  quibus  facile  est  deprehendere  Calvum  quidem  Ciceroni 
Visum   exsanguem   et   aridum,.   Brutum   autem   otiosum   atqae   diinnctum. 


400  Ciceronische  Zeit.   Zweite  Hälfte,  J.  691— 711. 

rursusque  Oiceronem  a  Calvo  quidem  male  audisse  tamqnam  solatoiu  et 
enervem,  a  Bruto  autem  .  .  tamquam  fractom  atque  elombem.  Als  Cha- 
rakter seiner  Bedeweise  wird  gravitas  angegeben  (Quintil.  XII,  10,  10. 
Tac.  dial.  25).  Namentlicli  strebte  er  nach  rhythmischem  Fall  der  Prosa 
(Quintil.  IX,  4,  76);  daher  Cicero 's  Polemik  hiegegen  im  Orator.  üeberein- 
stimmend  urteilen  Qoinial.  X,  1,  12^  dass  er  in  seinen  philosophischen 
Schriften  multo  quam  in  orationibus  praestantior  suffecit  ponderi  remm, 
und  Tac.  dial.  21:  Brutum  philosophiae  suae  relinquamus.  nam  in  oratio- 
nibus minorem  esse  fama  sua  etiam  admiratores  eins  fatentur.  nisi  forte 
quisquam  .  .  Bruti  pro  Deiotaro  rege  (vgl.  Cic.  Brat.  6, 21.  ad  Att.  XIV,  1, 2) 
ceterosque  eiusdem  lentitudinis  ac  teporiB  libros  legit,  nisi  qui  et  carmina 
eorundem  miratur;  fecerunt  enim  et  carmina  (s.  oben  192,  3).  Vgl.  Stat. 
Silv.  IV,  9,  20:  Bruti  senis  oscitationes  (langweilige  Reden).  Andere  yer- 
Öffentlichte  Reden  des  Brutus:  de  dictatura  Pompe!  (Quintil.  IX,  3,  95) 
Tom  J.  703,  die  am  17.  März  710  auf  dem  Capitol  gehaltene  (Cic.  ad 
Att.  XV^  1  b,  2),  sowie  sonstige  contiones  Bruti  (falsa  quidem  in  Augnstum 
probra,  sed  multa  cum  acerbitate  habent,  Tac.  A.  IV,  34);  femer  die  Stil- 
übung pro  Milone  (orationem  Brutus  ezercitationis  gratia  scripsit,  Quintil. 
X,  1,  23  vgl.  6,  20.  III,  6,  93.  Ascon.  in  Mil.  p.  42  Or.  Schol.  Bob.  p.  276); 
laudatio  ~  seines  Schwiegervaters  App.  Claudius  (Diomed.  p.  367  E.)  und 
seines  Oheims  M.  Cato  (Cic.  ad  Att.  XÜI,  46,  2.  vgl.  XII,  21, 1).  Vgl.  Meyer, 
orat.  rom.*  p.  446—452. 

3.  üeber  des  Br.  philosophische  Schriften  s.  Cic.  Acad.  post.  I,  3,  12. 
Hinneigung  zur  alten  Akademie,  Cic.  Brut.  31, 120.  40, 149.  Erwähnt  werden 
die  Schriften  de  virtute  (an  Cicero  gerichtet,  s.  fin.  I,  3,  8.  Tusc.  V,  1,  1. 
Sen.  consol.  ad  Helv.  9,  4  ff.  vgl.  8,  1),  ns^l  xad-i^xavtag  (Sen.  £p.  95,  45; 
vgl.  M.  Brutus  de  ofßciis  bei  Priscian  VI.  p.  679  P.  =»  199  Htz.),  de  patientia 
(Diomed.  I.  p.  378  P.  =»  383  K,).  Eine  jugendliche  Uebung  war  wohl  der 
Auszug  aus  den  AnnjQen  von  Fannius  und  Antipater  (s.  oben  142,  4  u.  5), 
wie  Br.  auch  den  Polybios  ezcerpie]:te  (Plut.  Brut.  4). 

4.  Briefe.  (M.)  Brutus  in  epistolis  (Quintil.  IX,  4,  75.  Diomed.  I. 
p.  388  K.  Priscian.  IX.  p.  474  Htz.  vgl.  Plin.  N.  H.  XXXHI,  12:  M.  Bruti 
in  Philippicis  campis  epistolae  reperiuntur,  frementes  fibnlas  tribunicias  ex 
auro  geri),  ad  Caesarem  (Charis.  I.  p.  ISO  E.),  ad  Ciceronem  (Tac.  dial.  18). 
Ueber  den  Briefwechsel  des  Brutus  mit  Cicero  s.  oben  181,  4.  Das  Er- 
zeugniss  eines  Rhetors  sind  die  auf  uns  gekommenen  Briefe  des  Brutus  in 
griechischer  Sprache,  zuletzt  herausgegeben  von  A.  Westermann  (Bruti 
epistolae  graecae  ex  rec.  A.  W.,  Lips.  1856.  4).  Vgl.  Phot.  cod.  158,  p. 
101  Bk.  R.  Hercher,  Philologus  Vm.  S.  187—190.  Seine  Verse  (s.  Tac'. 
dial.  21 ,  oben  A.  2)  scheinen  erotischen  Inhalts  gewesen  zu  sein  nach  der 
Aufzahlung  bei  Plin.  Ep.  V,*3,  5  (oben  31,  1.) 

5.  D.  lunius  Brutus,  als  adolescens  bei  Caesar  J.  698  ff.  in  Gallien  (b. 
g.  III,  11.  VII,  9.  87)  und  auch  im  Bürgerkriege  auf  seiner  Seite,  von  ihm 
mit  Vertrauen  beehrt  und  zum  Cos.  für  712  bestimmt;  im  Sommer  711 
durch  M.  Antonius  hingerichtet.  Seine  Briefe  an  Cicero  aus  J.  710  und  711 
(ad  fam.  XI,  1—4.  9—11.  13.  13  a.  19.  20.  23.  26)  sind  traurige  Belege  der 
Eopflosigkeit  und   Hasenherzigkeit   die   er  seit  seiner  Theilnahme  an  der 


71 


209.   Anticaeearische  Redner  nnd  Geschichtachreiber.  401 

Ermordung  Caesars  fortwährend  bewies.    W.  Drumann  G.  R.  IV.  S.  9 — 13. 
W,  Teuffei  in  Pauly's  Real-Enc.  IV.  S.  513—616,  Nr.  19. 

6.  G.  Cassius  Longinus,  etwas  älter  als  M.  Brutus  (Plut.  Brut.  29. 
40),  J.  701  ff.  Quästor  in  Parthien,  706  tr.  pleb.;  im  Bürgerkriege  auf  der 
Seite  des  Pompejus,  von  Caesar  besiegt  und  dann  zu  seinem  Legaten  er- 
nannt, später  für  710  mit  M.  Brutus  zum  Prätor;  f  nach  der  Schlacht  bei 
Philippi  (712).  Eine  schroffe,  schneidige  Natur,  aber  selbstsüchtig,  ohne 
höhere  Ziele  (vgL  Plut.  Brut.  29.  comp,  cum  Dione  1.  Brut.  87:  Kaöaiog 
TOig  'EniTuyüQOv  Xoyoig  xQciii^svog  xal  neql  tovrav  i^og  i%tav).  Von  seinen 
Briefen  an  Cicero  ist  ad  fam.  XV,  19  (J.  709)  ein  gutgelaunter  Widerhall 
von  Cicero's  Schreiben;  XII,  11 — 13  (aus  711)  geschäftliche  Berichte,  zum 
Theil  mit  berechneter  Schmeichelei  gegen  Cicero,  13  vielleicht  (J.  Erauss) 
von  seinem  Neffen  L.  Cassius.  Vgl.  W.  Drumann  G.  R.  II.  S.  117  — 162. 
A.  Haakh  in  Pauly's  Real-Enc.  II.  S.  194—198,  Nr.  11. 

7.  Cassius  Parmensis,  nach  seiner  Theilnahme  an  der  Ermordung  Cae^ 
sars  Befehlshaber  über  einß  Flottenabtheilung  in  Asien  (J.  711).  Ueber 
seine  Thätigkeit  als  solcher  berichtet  er  an  Cicero  in  dem  kriecherischen 
und  auch  die  Schreibweise  des  Consularen  nachahmenden  Briefe  ad  fam. 
XI [,  13.  Später  bei  Sex.  Pompejus  und  M.  Antonius,  nach  der  Schlacht 
bei  Actium  723  hingerichtet.  Drumann  IT.  S.  161  —163.  A.  Haakh  in 
Pauly's  Real-Enc.  II.  S.  200  f.  Nr.  20.  Porphyrio  zu  Hör.  Ep.  I,  4,  3  (scri- 
bere   quod   Cassi  Parmensis   opuscula   vincat),   p.  393  Hth.:   in   partibus 

*  Cassii  et  Bmti  cum  Horatio  tribunus  mil.  militavit.  .  .  scripserat  multas 
tragoedias  Cassius.  Acro  (p.  390  H.):  Epicureus  fuit  et  poeta.  .  .  saüras 
scripsit.  .  .  aliquot  generibus  stilum  exercuit.  inter  quae  opera  ,Elegia 
et  epigrammata*  eins  laudantur.    lambischer  Vers  von  Cassius  bei  Quintil. 

V,  11,  24.    Ein  anderer,   noch  mehr  in  der  alten  spondeenreichen  Weise 
gehaltener  Senar  aus  einer  Prä^zta  Brutus  eines  Cassius  bei  Varro  L.  L. 

VI,  7.  VII,  72.    Aus  einem  schmähenden  Briefe  des  Cass.  Parm.  an  Octa- 
vian  eine  Stelle  bei  Suet.  Aug.  4.    Ans  einer  epistula  Cassi  Parmensis  ad 

.    M.  Antonium  bei  Plin.  n.  h.  XXXI,  11.    A.  Weichert,  de  L.  Yarii  et  Cassii 
Parmensis  vita  et  carminibus  (Grinuna  1836),  p.  176 — 300. 

8.  Dem  Cassius  Parm.  ungefähr  gleichzeitig  ist  der  Schnelldichter 
Cassius  Etruscus  bei  Hör.  S.  I,  10,  69—71 ;  s.  Kirchner  zu  d.  St.  (S.  364  f.). 

9.  C.  Trebonius,  .Qnästor  694,  trib.  pl.  699,  J.  700  ff.  Caesars  Legat  in 
Gallien  und  im  Bürgerkriege  auf  dessen  Seite;  praet.  urb.  706;  Cos.  709; 
Febr.  711  durch  Dolabella  get^^dtet.  A.  Haakh  in  Pauly's  Real-Enc.  VI, 
2.  S.  2083  f.,  Nr.  9.  J.  707  scheint  er  eine  Sammlung  der  Witzworte  Ci- 
cero's  verfasst  zu  haben;  s.  ad  fam.  XV,  21,  1 — 3,  z.  B.:  liber  iste  quem 
mihi  misisti  quantam  habet  declarationem  amoris  tui!  primum  quod  tibi 
facetum  videlur  quidquid  ego  dixi,  .  .  deinde  quod  illa  .  .  fiunt  narrante 
te  venustissima.  quin  etiam  ante  quam  ad  me  veniatur  risus  omnis  paene 
consumitur.  Sein  eigener  Brief  an  Cicero  (ad  fam.  XII,  16)  vom  J.  710 
ist  sehr  innig  gegen  den  alten  und  den  jungen  Cicero  und  begleitet  versiculi 
(lamben  gegen  M.  Antonius?),  in  Bezug  auf  deren  Ungeniertheit  er  meint: 
turpitudo  pcrsonae  eins  in  quam  liberias  invehimur  nos  vindicabit  (16,  3). 

TxuTFXL,  ROm.  liiteratnrgeschichte.  2.  Aufl.  26 


402  Ciceronische  Zeit.    Zweite  Hälfte,  J.  691— 711. 

Auch  bittet  er  (16,  4):  tu,  eicut  mihi  pollicitus  ee,  adiunges  me  quam  pri- 
mum  ad  tuos  sermones. 

10.  Suet.  Caes.  75  extr.:  Pitholai  carminibus  maledicentissimis  lacera- 
tarn  existimationem  suam  civili  animo  tulit.  Dieser  Pith.  ist  wohl  der  M.  Vol- 
taciliuB  (nach  den  Hdas.;  v.  Jan  Otacüius,  vgl.  aber  oben  166,  2)  Pitholaus 
von  welchem  Macrob.  U,  10,  13  einen  Witz  auf  den  eintägigen  Consul 
(J.  709)  Caninius  Rebilus  anfährt,  sowie  (nach  Bentley)  der  Rhodius  Pi- 
tholeo  bei  Horaz  (S.  I,  10,  22),  welcher  nach  Acro  (zu  Hör.  1.  1.,  p.  170 
Hth.)  dicitur  epigrammata  ridicula  scripsisse  in  qoibus  graeca  verba  mixta 

■ 

erant  cum  latinis. 

11.  T.  Ampius  Baibus,  trib.  pl.  691,  Prfttor  696,  Freund  des  Cicero 
(Bede  pro  T.  Ampio,  Quintil.  III,  8,  50),  eifriger  Pompejaner;  s.  W.  Teuffei 
in  Pauly's  Real-Enc.  I,  1.  S.  920  f.  Nr.  2.  Aeusserungen  Über  Caesar  aus 
dem  Geschichtswerke  des  Ampius  bei  Suet.  Caes.  77;  vgl.  Cic.  ad  fam.  VI, 
12,  5  (J.  708):  cum  Studium  tuum  consumas  in  virorum  fortium  factis 
memoriae  prodendis. 

12.  M.  Actorius  Naso,  nach  Sueton.  Caes.  9  (vgl.  52  Naso)  Verfasser 
eines  Werkes  über  Caesar  oder  die  Zeit  des  Bürgerkrieges. 

200  210.  Demselben  Kreise  gehörte  wohl  auch  Ticidas  an,  der 
Verfasser  erotischer  Gedichte  (auf  Perilla),  sowie  C.  Helvius 
Cinna,  welcher  besonders  in  seinem  mythologischen  Epos 
Zmyma  mühsam  auf  den  Pfaden  der  gelehrten  alexandrinischen 
Dichter  fortwandelte,  und  sicher  ein  anderer  Freund  CatuUs, 
der  reichbegabte  und  charaktertüchtige  C.  Licinius  Calvus  (J. 
672 — 707),  ebenso  bedeutend  als  geschichtlicher  Redner  wie  als 
Dichter  und  auf  beiden  Gebieten  seine  grosse  natürliche  Leb- 
haftigkeit mit  Bewusstsein  durch  Formstrenge  zügelnd.  In  der 
Beredtsamkeit  huldigte  Calvus  der  neuattischen  Richtung,  und  in 
der  Poesie  wusste  er  alexandrinische  Correctheit  mit  Leidenschaft- 
lichkeit des  Inhaltes,  in  Liebe  wie  in  Hass,  zu  vereinigen,  in 
der  Weise  des  Catull  und  ihm  am  meisten  ebenbürtig.  Dagegen 
war  Anser,  welcher  gleichfalls  in  dieser  Zeit  erotische  Gedichte 
verfasste,  ein  Anhänger  des  M.  Antonius,  und  ihn  rettete  seine 
politische  Richtung  in  die  augusteische  Zeit  hinüber. 

1.  Ovid.  Trist.  II,  433  f.  (nach  Catullus  und  Calvus,  vor  Cinna):  quid 
referam  Ticidae,  quid  Meiumi  Carmen,  apud  quos  rebus  abest  nomen 
nominibusque  pudor?  Apulej.  apol.  10:  accusent  .  .  Ticidam  similiter,  quod 
quae  Metella  erat  PeriUam  scripserit.  Pentameter  des  Ticidas  zum  Preise 
von  Valerius  Cato's  Lydia  bei  Suet.  gramm.  11.  Ticidas  neben  Furius 
Bibaculus  und  (Valerius)  Cato  genannt  ib.  4.  Priscian.  V.  p.  189,  2  ff. 
(Htz.):  sole  (als  Vocativ)  quoque  antiqui.  Ticidas  in  hymenaeo:  felix  lectule 
talibus  sole  amoribus. 


210.   Helvius  Cinna.  403 

2.  G.  (Catull  10,  30)  Helvius  Cinna,  mit  Catull  im  Gefolge  des  Prä- 
tors  Memmius  (oben  200,  2)  in  Bithynien  (Catull  10,  29  f.).  Sonst  ist  aus 
seinem  Leben  sehr  wenig  bekannt.  Auch  seine  Parteistellung  im  Bürger- 
kriege kennen  wir  nicht  positiv;  doch  zeigt  der  Gegensatz  zu  Anser  und 
die  Zusammenstellung  mit  L.  Varius  bei  Yergil.  Ecl.  IX,  86  f.  dass  er 
schliesslich  auf  Seiten  Octavians  stand,  wohl  nachdem  er  mit  seinen  Freun- 
den ursprünglich  anticaesarisch  gewesen  war  und  für  die  „Befreier"  ge- 
schwärmt hatte.  Ueber  das  Jahr  710  hinaus  lebte  er  und  war  also  nicht 
der  caesarisch  gesinnte  Yolkstribun  C.  Helvius  Cinna  der  bei  Caesars 
Leichenfeier  aus  Missyerständniss  erschlagen  wurde.  Wenn  Plut.  Brut.  20 
letzteren  einen  noiriri%6g  dvrjQ  nennt,  so  beruht  das  auf  Verwechslung 
mit  dem  bekannteren  Träger  des  Namens,  dem  Dichter.  Yergil.  Ecl.  IX, 
36  (wahrscheinlich  vom  J.  714)  ist  der  Dichter  noch  als  lebend  erwähnt; 
auch  das  Propempticon  Pollionis  weist  zum  Mindesten  über  J.  710  hinaus. 
Nach  716  wird  Cinna  nicht  mehr  genannt;  er  mag  also  um  diese  Zeit 
gestorben  sein.  » 

3.  Hauptwerk  des  Cinna:  Smyrna  (Zmjma),  den  Mythus  von  der  un- 
natürlichen Liebe  der  Myrrha  zu  ihrem  Yater  Einyras  behandelnd,  also 
schon  nach  seinem  Stoffe  alexandrinisch.  Dass  Cinna  an  diesem  Epos, 
trotz  seines  geringen  Umfangs  (Catull  96,  9),  zehn  Jahre  feilte  (Catull.  96. 
Quintil.  X,  4,  4.  Serv.  und  Philargyr.  zu  Yerg.  Ecl.  1.  1.  Porphyr,  und 
Acro  zu  Hör.  £p.  II,  3,  388)  ist  ebenso  bezeichnend  für  seinen  Mangel  an 
wirklichem  poetischem  Talent  wie  für  seine  Richtung  auf  Ausdifteln  der 
Form.  Nach  den  Ueberresten  gehörte  Cinna  auch  zu  den  anovSsidiovrsg. 
Was  die  Folge  von  alledem  war  sagt  Philargyr.  1.  l.  (in  Lion's  Servius 
II.  p.  327):  fuit  autem  über  obscurus  adeo  ut  et  nonnulli  eins  aetatis 
grammatici  (besonders  L.  Crassitius)  in  eum  scripserint  magnamque  ex 
eins  enarratione  sint  gloriam  consecuti.  quod  obscurus  fuerit  etiam  Mar- 
tialis  ostendit  in  illo  versu  (X,  21,  4):  iudice  te  melior  Cinna  Marone  fuit. 
Unter  den  erotischen  Dichtern  nennt  ihn  Ovid  Trist.  H,  436  (Cinna  quo- 
que  his  comes  est,  vgl.  A.  1);  dass  die  betreffenden  Gedichte  illepida 
waren  ist  dem  Gellius  (s.  oben  31,  1)  ebenso  zu  glauben  wie 'dass  er  non 
ignobilis  neque  indoctus  poeta  (G^U.  XIX,  13,  6)  war.  Poem  ata  (also 
lyrische)  von  ihm  bei  Gell.  IX,  12,  12  (senarius  claudus)  und  XIX,  13,  6 
(Hendekasyllaben).  Cinna  epigrammatis  Non.  Marc.  p.  .87,  27  vgl.  Isidor. 
Orig.  YI,  12,  2  (zwei  Disticha  zur  Begleitung  eines  Geschenks,  bestehend 
in  einem  aus  Bithynien  mitgebrachten  Exemplar  von  Aratos*  ^aivofiBvcc). 
Yier  Hexameter  aus  einem  Propempticon  Pollionis  (Charis.  I.  p.  99  P.  = 
124  K.)  bei  einem  von  dessen  Kriegszügen  (etwa  J.  716  d.  St.  gegen  die 
Parthiner?).  Commentar  oder  Einleitung  dazu  von  Hyginus  (Charis.  I.  p.  134, 
12  E. :  Inlius  Hyginus  in  Cinnae  propemptico).  Im  Allgemeinen  A.  Weichert, 
de  C.  Helvio  Cinna  poeta,  in  dessen  poett.  latt.  vitae  etc.  (Lips.  1830) 
p.  147 — 187;  über  die  üeberreste  von  Cinna's  Gedichten  ib.  p.  187—202  und 
in  L.  Müller's  Catull  p.  87—89. 

4.  Gleichfalls  mit  einem  Gedichte  (Epos?)  mythologischen  Inhalts,  auf 
Eybele,  beschäftigte  sich  —  nach  Catull  36,  13  ff.  —  ein  anderer  Freund 
CatuUs,  Caecilius  in  Novum  Comum,  ohne  dass  aber  bekannt  wäre  ob  es 
jemals  fertig  und  veröffentlicht  worden  ist. 


404  Ciceronische  Zeit.   Zweite  Hälfte,  J.  691—711. 

5.  C.  LiciniuB  Macer  (Cic.  ad  Qu.  fr.  IT,  4,  1)  CalvuB  (mit  doppeltem 
Zunamen;  s.  Drumann  6.  R.  IV.  S.  195,  A.  72),  Sohn  des  Annalisten  Li- 
cinius  Macer  (oben  153,  6),  Val.  Max.  IX,  12,  7.  Geboren  am  28.  Mai  672; 
8.  oben  206,  5.  Andererseits  setzt  Cicero*s  Brief  an  Trebonius,  ad  fam. 
XV,  21,  4  (J.  707),  den  CaLvns  als  inzwischen  gestorben  voraus.  Allge- 
meine Charakteristik.  Cic.  Brut.  81,  279:  facienda  mentio  est  .  .  duorum 
adolescentium  qui,  si  diutius  vizissent,  magnam  essent  eloqüentiae  laudem 
consecuti,  nämlich  C.  Curio  (oben  206,  1)  und  C.  Licinius  Calvus.  82,  283: 
Calvus  .  .  orator  fuit  cum  litteris  eruditior  quam  Curio  tum  etiam  accura- 
tius  quoddam  dicendi  et  exquisitius  afferebat  genus.  quod  quamquam 
scienter'  eleganterque  tractabat,  nimium  tamen  inquirens  in  se  atque  ipse 
sese  observans  metuensque  ne  vitiosum  colligeret  etiam  verum  sanguinem 
deperdebat.  itaque  eins  oratio  nimia  religione  attenuata  doctis  et  attente 
audientibus  erat  illustris,  a  multitudine  autem  et  a  foro  .  .  devorabatur. 
(284.)  Tum  Brutus,  atticum  se,  inquit,  Calvus  noster  dici  oratorem  volebat; 
indc  erat  ista  exilitas,  qu^  ille  de  industria  consequebatur.  ad  fam.  1.  1.: 
genus  quoddam  sequebatur  in  quo,  iudicio  lapsus,  quo  valebat,  tamen  as- 
Bcqucbatur  quod  probaret.  multae  erant  et  reconditae  litterae,  vis  non 
erat.  .  .  de  ingenio  eins  valde  existimavi  bene.  Vgl.  Tac.  dial.  18  (oben 
209,  2).  Quintil.  X,  1,  115:  inveni  qui  Calvum  praeferrent  onuiibus.  .  .  est 
(Calvi)  et  sancta  (vgl.  XII,  10,  11)  et  gravis  oratio  et  frequentcr  vchemens 
quoque.  imitator  autem  est  Atticorum  fecitque  illi  properata  mors  iniuriam. 
Sen.  controv.  VII,  19.  p.  210  f.  Bu:  Calvus,  qui  diu  cum  Cicerone  iniquis- 
simam  litem  de  principatu  eloqüentiae  habuit,  usque  eo  violentus  accusator 
et  concitatus  fuit  ut  in  media  eins  actione  surgeret  Vatinius  reus  et  excla- 
maret:  rogo  vos,  iudices,  num  si  iste  disertus  est  ideo  me  damnari  oportet? 
.  .  solcbat  practcrea  cxcedcre  subsellia  sna  et  impetu  latus  usque  in  ad- 
versariornm  partem  transcurrere.  .  .  compositio  quoque  eins  in  actionibun 
ad  excmplum  Demosthenis  vigct:  nihil  in  illa' placidum ,  nihil  lene  est, 
omnia  excitata  et  fluctuantia.  Die  andere  Seite,  die  gehaltene  Form,  heben 
hervor  auch  Tac.  dial.  25  (adstrictior),  Apulej.  apol.  95  (argutiac);  dagegen 
Fronte  p.  114  Naber:  in  iudiciis  .  .  Calvus  rixatur. 

6.  Seneca  1.  1.  (p.  211,  7  f.  Bu.):  erat  (Calvus)  parvolus  statura,  propter 
quod  etiam  CatuUus  in  hendecasyllabis  (53,  5)  vocat  illum  „salaputtium 
disertum".  Daher  Ovid.  Trist.  II,  431:  exigui  Calvi.  Tac.  dial.  21:  ipso 
mihi  (einem  Verfechter  der  neumodischen  Beredtsamkeit)  Calvus,  cum 
unum  et  vigenti,  ut  puto,  libros  (d.  h.  B«den)  reliquerit,  vix  in  una  et  al- 
tera oratiuncula  satisfacit.  nee  dissentire  ceteros  ab  hoc  meo  iudicio  vid^: 
quotus  enim  qnisque  Calvi  in  Asitium  aut  in  Dnisum  legit?  at  hercle  in 
omnium  studiosornm  manibus  vcrsantur  accusationes  quae  in  Vatininni 
inscribuntur  ac  praecipue  secnnda  (es  waren  also  mindestens  drei)  ex  bis 
oratio;  est  enim  verbis  ornata  et  sententiis,  auribus  iudicum  accommodata. 
Ib.  34  extr.:  uno  et  vicesimo  (aetatis  anno)  Caesar  Dolabellam,  altero  et 
vicesimo  Asinius  PoUio  C.  Catoncm,  non  multum  actate  antecedens  Calvns 
Vatinium  iis  orationibus  insecuti  sunt  quas  hodie  quoque  cum  admiratione 
legimus.  Vgl.  Quintil.  XII,  6,  1:  cum  .  .  Calvus,  Caesar,  Pollio  multum 
ante  quae«toriam  omnes  aetatem  (damals  das  dreissigste  Lebensjahr)  gra- 


210.   LiciniuB  Calvus.  Anser.  405 

vissima  iudicia  susceperint.  Den  P.  Vatinins  hat  Calvus  mehrere  Male  an- 
geklagt, das  erste  Mal  vielleicht  J.  698  de  vi,  ein  zweites  Mal  de  sodaliciis 
(allgemeiner  ambitus,  Charis.  p.  229,  9  K.)  im  August  700,  wo  Cicero  den 
Angeklagten  vertheidigte  (Schol.  Bob.  p.  262.  Hieronym.  adv.  Bufin.  IIl, 
39  =  n.  p.  666  Vall.);  vielleicht  ein  drittes  Mal  noch  J.  700,  wo  Cicero 
als  Entlastungszeuge  für  Vatinins  auftrat  (ad  fam.  I,  9,  4.  19);  s.  Rhein. 
Mus.  XIX.  S.  681—588.  Meyer,  orator.  rom.  p.  474—478.  So  vertheidigte 
Calvus  auch  J.  698  den  P.  Sestius  (Schol.  Bob.  p.  292) ,  ein  ander  Mal  den 
Messius,  und  nach  Sen.  1.  1.  (p.  211,  20  ff.)  war  der  Epilog  zu  dieser  Bede 
non  tantum  emollitae  compositionis  sed  infractae.  Dass  Calvus  auch  com- 
mentarii  rhetorischen  Inhalts  verfasst  hätte,  wie  es  nach  der  verdorbenen 
Stelle  Tac.  dial.  23  scheinen  könnte,  ist  sehr  wenig  wahrscheinlich  und 
dort  wohl  statt  Calvi  zu  lesen  L.  Aeli  (Rhein.  Mus.  XIX.  S.  568  f.). 

7.  Seneca  1.  l.  (p.  211,  14  f.  Bu.):  carmina  quoque  eins  (des  Calvus), 
quam  vis  iocosa  sint,  plena  sunt  ingentis  animi,  wofür  als  Beispiel  ein 
scharfes  Wort  gegen  Pompejus  angeführt  wird ;  vgl.  Schol,  Lucan.  VTI,  726. 
Suet.  Caes.  73:  Gaio  Calvo  post  famosa  epigrammata  (vgl.  c.  49)  de  re- 
conciliatione  per  amicos  (Catull?  vgl.  211,  5)  agenti  ultro  ac  prior  scripsit. 
So  wissen  wir  von  Hendekasyllaben  (gegen  M\  Curius),  Choliamben  (gegen 
Tigellius)  des  Calvus.  Andererseits  erotischer  Inhalt;  s.  oben  31,  1.  Ovid. 
Trist.  II,  431  f.:  par  (wie  bei  Catulls  Lesbia-Liedem)  fuit  exigui  similisque 
licentia  Calvi,  detexit  variis  qui  siia  furta  modis.  Vgl.  Prep.  III,  25,  4. 
32,  89  f. :  haec  etiam  docti  (also  wohl  in  alexandrinischer  Weise)  confcssa 
est  pagina  Calvin  cum  caneret  miserae  funera  Quintiliae  (Catull  96,  6),  die 
wohl  seine  Frau  war.  Aus  solchen  wohl  der  Glykoneus  bei  Charis.  L 
p.  147  K.  (Licinius  Calvus  in  poemate).  Auf  Elegieen  deuten  Ueberreste 
wie  bei  Charis.  I.  p.  101  K.  (Calvus  in  carminibus).  Calvus  in  Epithalamio 
(daktylisch),  Priscian.  VI.  p.  658  P.  =»  170  Htz.  Auch  der  Freundschaft  war 
ein  Theil  seiner  Gedichte  geweiht;  vgl.  Charis.  I.  p.  77,  3  K.:  Calvus  ad 
amicos  (poetisches  Sendschreiben?):  ne  *triclinariu8  (Anapäste?).  Ausserdem 
ein  Epos  lo  (Serv.  Verg.  Ecl.  VI,  47.  VIII,  4.  Calvus  in  lo,  in  KciVs 
gramm.  lat.  IV.  p.  226,  8.  234,  32).  Zusammenstellung  der  Ueberreste  seiner 
Gedichte  an  Lachmanns  (p.  86 — 87)  und  L.  MüUer's  (p.  83  —  87)  Catull, 
sowie  bei  Weichert  p.  131  — 146.  Grosse  Uebereinstimmung  mit  Catull; 
daher  häufig  mit  ihm  zusammengenannt,  z.  B.  Hör.  Sat.  I,  10,  19.  Prop. 
III,  25,  4.  32,  87  ff.  Ovid.  Am.  III,  9,  62  (cum  Calvo,  docte  Catulle,  tuo). 
Trist.  II,  431  f.  Plin.  Ep.  I,  16,  5.  IV,  27,  4.  Gedichte  Catulls  an  ihn: 
14.  50.  96.  Vgl.  Schwabe,  Quacst.  Catull.  p.  255  —  266.  Im  Allgemeinen 
8.  A.  Weichert,  poetar.  latt.  vitae  etc.  p.  89  —  130.  R.  ünger,  Valg.  Ruf. 
(1848)  p.  47—51. 

8.  Ovid.  Trist.  II,  435:  Cinna  bis  (Erotikern  wie  Ticidas  und  Mem- 
mius)  comes  est  Cinnaque  procacior  Anser.  Er  heisst  poeta  bei  Serv.  zu 
Vergil.  Ecl.  7,  21.  Ohne  Zweifel  ist  er  derselbe  über  welchen  Cicero  (Phil. 
XIII,  5,  11)  witzelt:  ii  qui  nunc  Mutinam  oppugnant,  D.  Brutum  obsident, 
de  Falemo  Ansercs  depellantur.  Hienach  war  er  ein  eifriger  Parteigänger 
des  M.  Antonius.  Vielleicht  nur  auf  einer  Combination  beruht  die  Angabo 
des  Servius  (zu  Verg.  Ecl.  9,  36):    alludit  ad  Anscrem   quendam  Anton  ii 


406  Ciceronische  Zeit.  .Zweite  H&lfte,  J.  691—711. 

poetam  (Unger  p.  18  f.  will  comitem),  qui  eiuB  laudes  sciibebat.  .  .  de  hoc 
etiam  Cicero  (l.  1.)  .  .  ipsum  enim  agram  (Falernum)  ei  donarat  Antonius. 
Ebenso  das  alphabetische  glossarium  Vergilianum  in  Lion's  Seryius  IL 
p.  373:  Anser  poeta  erat  Antonii,  de  quo  Mel(i88a8?  s.  d.)  in  Philippica 
Ciceronis  dixit  n.  s.  w.  Sicher  aber  beruht  es  auf  irriger  Auslegung 
wenn  Servius  1.  1.  behauptet:  quem  ob  hoc  (als  Antonianer)  per  transitum 
carpsit  (Vergilius).  Denn  die  Worte  VergiPs  (Ecl.  9,  35  f.)  ,,neque  adhuc 
Vario  yideor  nee  dicere  Cinna  digna,  sed  argutos  inter  strepere  anser 
olores^*  sind  ein  Ausdruck  der  Bescheidenheit  des  jungen  Dichters,  der  sein 
Yerhältniss  zu  jenen  Silteren  Kunstgenossen  mit  dem  der  Gans  zu  Schwanen 
vergleicht  (vgl.  Symmach.  Epist.  I,  1:  liceat  inter  olores  canoros  anserem 
strepere,  Apoll.  Sidon.  IX,  2.  carm.  22  praef.,  und  Anderes  bei  Unger  p.  9  f.). 
Ebenso  wenig  spielt  Propertius  auf  Anser  an  in  der  schwierigen  Stelle  III, 
32,  83  f.:  nee  minor  his  animis  aut,  si  minor,  ore,  canorus,  anseris  indocto 
carmine  cessit  clor  =  ovöh  x^^^^  <^^  tovxcav  (Georg,  und  Aen.  vgl.  haec, 
81)  to  nvevfjLa  rj,  stneg  xbiq€ov,  x6  ye  atofia  {^kovov)  o  Xiyvg  iiv%vog  (Vergil) 
rnexcifffiasv  dvaßaXofisvog  to  azBxvov  tov  x^'^^^  iofiM  (die  Bucolica).  Un- 
begründet ist  daher  auch  die  Aufzählung  des  Anser  unter  den  obtrcctatores 
Yergilii,  womit  einen  noch  bescheidenen  und  glaubhaften  Anfang  macht 
ein  im  Bemensis  nicht  sich  findender  Theil  von  Donaths  vita  Yergilii  67 
(in  BeifiPerscheid's  Sneton.  p.  66) :  coaevos  omnes  poetas  ita  adiunctos  habuit 
ut,  cum  inter  se  plurunum  invidia  arderent,  illum  una  omnes  colerent, 
YariuB,  Tucca,  Horatius,  Gallus,  Propertius.  Anser  vero,  quoniam  Antonii 
partes  secutus  est,  illum  non  observasse  dicitur.  Comificius  (oben  206,  2) 
ob  perversam  naturam  illum  non  tulit.  Gegen  Weichert,  poett.  latt.  vitae 
etc.  p.  159 — 168,  vgl.  R.  Unger,  de  Ansere  poeta  (zum  Jubiläum  von  G.  G. 
Buchka),  Neubrandenburg  1858.  19  pp.  4. 

201  211.  In  C;  Valerius  Catullus  aus  Verona  (J.  667 — 700 
d.  St.)  besitzt  die  römische  liiteratur  ihren  grössten  lyrischen 
Dichter.  Anfangs  in  den  Fussstapfen  der  Alexandriner  weiter- 
gehend^ hat  er  in  der  Schule  des  Lebens^  insbesondere  durch 
die  Liebe  zu  Lesbia,  seine  reiche  Begabung  entfaltet  und  in 
den  manchfachsten  Formen  bethätigt.  Aber  zu  gleichmässiger 
Vollendung,  Reife  und  ungetrübter  Schönheit  durchzudringen 
verhinderte  ihn  sein  frühes  Ende;  er  ist  immer  JüngUng  ge- 
blieben, leidenschaftlich  in  Liebe  und  Hass,  heissblütig  und 
rücksichtslos,  von  argloser  Hingebung  und  unendlicher  Reizbar- 
keit, ideologisch  und  derb,  gemütvoll  und  giftig,  über  die 
Schranken  der  Sitte  und  die  Linie  des  Masses  kecken  Fusses 
sich  hinwegsetzend. 

1.  Der  Vorname  aus  Apnlej.  apol.  10  (accusent  C.  CatuUum  qnod 
Lesbiam  pro  Clodia  nominarit)  und  Hieron.  chron.  a.  Abr.  1930  =3  667  d.  St. 
=  87  V.  Chr,:  Gaius  Valerius  Catullus  scriptor  lyricus  Veronae  nascitur. 
Bei  Plin.  N.  H.  XXXVII,  6,  81  ist  Q.  Catullus  corrupt,   und  dasselbe  im 


210  f.   Anser.   CatuUus.  407 

DatanuB  ^^  Biccardianus  und  im  Cuiacianus  aus  Verwechslung  mit  Q.  (La- 
iatius)  Catulus  entstanden;  s.  F.  Osann,  comment.  sem.  philol.  Giss.  1856. 
c.  4.  Schwabe,  Quaest  Catnll.  p.  6  ff.  11—24.  Geburtsort  Verona,  Ovid. 
Amor.  III,  15,  7.    Martial.  XIV,  195  u.  A.    Grundbesitz  in  Sirmio,  c.  31. 

2.  Todesjahr.  Hieron.  1.  1.  Abr.  1959  =  696  (aber  A  P  F  erst  zu  1960 
=  697  =  57  V.  Chr.):  Catullus  XXX  aetatis  anno  Bomae  moritur.  Hiero- 
nymus  (oder  Sueton)  bleibt  sich  also  (s.  A.  1)  bei  Geburts-  und  Todesjahr 
gleich.  Aber  dass  das  letztere  unrichtig  auf  696  oder  697  bestimmt  wird 
erhellt  aus  Catull.  113,  2  consule  Pompeio  .  .  nunc  iterum  (J.  699)  vgl.  11, 
12  und  29,  20,  sowie  63,  2  f.  (J.  700);  sonst  weist  über  J.  700  hinaus  nur 
c.  52:  sella  in  curuli  Struma  Nonius  sedet,  per  consulatum  peierat  Vati- 
nius,  sofern  Vatinius  erst  am  Schlüsse  des  J.  707  Cos.  war.  Aber  dass  er 
schon  viel  früher  mit  Bestimmtheit  darauf  rechnete  (und  somit  schwören 
mochte:  ita  consul  fiam  ut  haec  vera  sunt)  zeigt  Cic.  in  Vat.  interrog.  2,  6. 
5,  11.  vgl.  Schol.  Bob.  p.  315  Or.;  und  in  diesen  Schwindelhoffnungen  be- 
stärkt wurde  Vat.  wohl  durch  die  Verabredungen  der  Triumvim  in  Luca 
(J.  698,  vgl.  Cic.  ad  Att.  IV,  8  b,  2).  Da  ferner  die  Jahre  700—707,  be- 
sonders 702  und  70Ö,  einem  Catull  überreichen  Stoff  zu  beissenden  Epi- 
grammen bieten  mussteu  und  doch  davon  sich  in  seinen  Gedichten  keine 
Spur  findet,  so  ist  in  der  That  wahrscl^einlich  dass  er  J.  702  ff.  nicht  erlebt 
hat.  Andererseits  ist  festzuhalten  dass  Catull  jung  gestorben  ist  (Ovid. 
Amor.  III,  9,  61  f.:  iuvenilia  cinctus  tempora,  .  .  docte  Catulle,  im  Ely- 
sium).  Und  diess  ist  er,  auch  wenn  man  seinen  Tod  ins  J.  700  oder  701 
setzt,  da  gegen  die  Richtigkeit  des  Geburtsjahrs  667  (zugleich  das  des 
Sallust)  sich  nichts  einwenden  lässt.    Schwabe,  quaest.  Cat.  p.  33 — 48. 

3.  Verhältniss  zu  Lesbia.  Prop.  III,  32,  87  f.:  haec  quoque  lascivi 
cantarunt  scripta  Catulli,  Lesbia  quis  ipsa  notier  est  Helena.  Ovid.  Trist. 
II,  427  f.:  sie  sua  lascivo  cantata  est  saepe  Catullo  femina,  cui  falsum 
Lesbia  nomen  erat,  nee  contentus  ea  multos  volgavit  amores  in  quibus 
ipse  suum  fassus  adulteriumst  (vgl.  Schwabe,  Quaest.  Cat.  p.  137).  Martial. 
VIII,  73,  8:  Lesbia  dictavit,  docte  Catulle,  tibi  u.  A.  Die  Nachricht  des 
Apulejus  (s.  A.  1),  dass  sie  eigentlich  Clodia  geheissen,  erhält  ihre  Be- 
stätigung durch  Cicero's  Rede  pro  Caelio  (Schwabe,  Quaest.  Cat.  p.  135). 
Sie  war  die  (etwas  ältere)  Schwester  des  P.  Clodius  (geb.  c.  661)  und  selbst 
spätestens  660  geboren;  vermalt  an  ihren  Vetter,  den  Q.  Caecilius 
MetelluB  Celer,  Cos.  694,  t  (durch  seine  Gattin?)  695,  uns  auch  durch 
seinen  empfindlichen  Brief  an  Cicero  (ad  fam.  V,  1.  J.  692)  bekannt;  vgl. 
A.  Haakh  in  Pauly's  Real-Enc.  II.  S.  26  f.  Nr.  15  und  S.  420,  Nr.  45.  Sie 
wusste  wie  andere  junge  Männer  (z.  B.  den  Caelius  Rufus)  so  auch  unsern 
schwärmerischen  geistreichen  Jüngling  aus  der  Provinz,  trotzdem  dass  Catull 
ziemlich  jünger,  als  sie  war,  in  ihr  Netz  zu  locken  und  darin  mehrere 
Jahre  lang  (etwa  693—696,  Schwabe,  Quaest.  Catull.  p.  129  —  134)  festzu- 
halten, so  dass  er  die  glühendsten  Lieder  an  sie  richtete,  auch  nach  Zer- 
würfnissen wieder  zu  ihr  zurückkehrte,  bis  ihm  endlich  die  Augen  darüber 
aufgiengen  dass  die  welche  er  als  ein  Ideal  angebetet  vielmehr  eine  ver- 
ächtliche Person  sei.  Den  Verlauf  dieses  Verhältnisses  durch  CatulFs  Ge- 
dichte hindurch  zu  verfolgen  ist  mehifach  versucht  worden;  s.  W.  Th.  Jung- 


408  Ciceronische  Zeit.   Zweite  Hälfte/j.  691—711. 

clansseD,  zur  Chronologie  u.  s.  w.  (Itzehoe  1857)  S.  8— IT.  Schwabe,  Quaest. 
Catull.  p.  71—129.  358  f.  Ribbeck,  Catullus  (1863)  S.  29—45.  56  f.  W.  Vor- 
länder, de  Catnlli  ad  Lesbiam  carminibus,  Bonn  1864,  p.  1 — 46.  B.  West- 
phal,  CatuUs  Gedichte  (Breslau  1867)  S.  33  —  61.  100  —  149.  Gegen  des 
Letzteren  Phantasie  von  erotischen  Beziehungen  zwischen  Clodia  (Lesbia) 
und  —  Cicero  s.  G.  F.  Rettig,  Catulliana  I,  vor  dem  Berner  Sommerkatalog 
1868.  4.  p.  3 — 12.  H.  H.  Heskamp,  de  C.  vita,  et  ordine  quo  carmina  amatoria 
sunt  scripta,  Münster  1869.  34  pp.    Vgl.  Anm.  12. 

4.  Aufenthalt  Catulls  in  Bithynien  im  Gefolge  des  Proprätor  Memmius 
(oben  200,  2)  mit  Helvius  Cinna  u.  A.  vom  Frühling  697  bis  698,  aber  ohne 
die  erwartete  Ausbeute;  s.  c.  10*  6  ff .  28,  7  ff .  31,  5  ff .  46.  Schwabe,  Quaest. 
Catull.  p.  158 — 174.  Auf  der  Rückreise  Besuch  am  Grabe  seines  schon 
früher  (vgl.  65,  1—15.  68a,  19—26.  68b,  91—100)  in  Troas  gestorbenen 
Bruders;  c.  101.    Schwabe  1.  1.  p.  176—181. 

5.  Angriffe  auf  Caesar  und  Anhänger  desselben.  Suet.  Caes.  73: 
Valerium  Catnllum,  a  quo  sibi  versiculis  de  Mamurra  (c.  29  vom  Ende  699, 
und  besonders  c.  57 ;  s.  0.  Jahn  im  Hermes  IL  S.  240  f.)  perpetua  stigmata 
imposita  non  dissimulaverat,  satis  facientem  eadem  die  adhibuit  cenae 
(wohl  Anfangs  700  in  Verona)  hospitioque  patris  eins  sicut  consueverat  uti 
perseveravit.  Vgl.  Tac.  A.  IV,  34  (oben  189,  8).  Gegen  Mamurra  besonders 
gerichtet  sind  ausserdem  (später,  nach  der  Versöhnung  Catulls  mit  Caesar, 
unter  dem  Namen  Mentula)  c.  94.  105.  114.  115.  vgl.  42,  4.  Der  Hass  des 
Dichters  scheint  ursprünglich  dem  Mamurra  gegolten  zu  haben  und  Caesar 
nur  in  Folge  seiner  Verbindung  mifc  demselben  mithereingezogen  worden 
zu  sein.  Darauf  deutet,  nach  anfänglichem  Trotze  (c.  93)  und  halber 
Wiederholung  der  Angriffe  (54,  6  f.),  des  Dichters  freiwilliges  Entgegen- 
kommen gegen  Caesar  (Suet.  L  1.)  und  die  Satisfaction  c.  11,  10 — 12.  Die 
Art  wie  aus  politischen  Gründen  im  Kreise  des  Catull  über  Caesar  ge- 
sprochen werden  mochte  kann  jenen  zu  solcher  Uebertragung  seiner  An- 
griffe veranlasst  haben;  bei  Catull  selber  scheinen  politische  Beweggründe 
dabei  nicht  die  leitenden  gewesen  zu  sein.  Glaublich  ist  auch  dass  er  die 
Annäherung  des  Calvus  an  Caesar  (s.  210,  7)  vermittelte.  Vgl.  im  Ganzen 
Schwabe,  Quaest.  CatulL  p.  182—239.  Auch  C.  Pleitner,  Catulls  Gedichte 
an  und  über  Caesar  und  Mamurra  kritisch  behandelt.  Speier  1849.  4. 

6.  Unter  den  Gedichten  (im  Ganzen  116  Stücke)  sind  die  frühesten 
wohl  die  Nachbildungen  von  alexandrinischen,  vor  Allem  das  Epos  (von 
408  Hexametern)  welches  die  Hochzeitfeier  des  Peleus  und  der  Thetis  zum 
Gegenstande  hat  (Nr.  64)  und  welches  nach  seiner  ganzen  Manier  und  zahl- 
reichen einzelnen  Spuren  nahezu  eine  Uebersetzung  sein  muss  (W.  Hertz- 
berg in  der  Uebersetzung  von  1862,  S.  130  f.),  etwa  nach  Kallimachos 
(A.  Riese,  Rhein.  Mus.  XXI.  S.  498 — 509).  In  diesem  Gedichte  sind  die 
spondeischen  Versausgänge  (vgl.  oben  210,  2)  sowie  die  Alliteration  be- 
sonders häufig.  Ebenso  die  Uebersetzung  von  EaUimachos'  Elegie  auf  die 
Locke  der  Königin  Berenike  (Nr.  66)  nebst  Widmung  an  Hortensins  (Nr.  65) 
und  das  Zwiegespräch  mit  einer  Thüre  (Nr.  67),  sowie  das  nach  einem 
sapphischen  übersetzte  Epithalaminm  (Nr.  62)  und  das  Sendschreiben  an 
Manlius   i\n   elegischen   Mass   (Nr.  68  a).      Wegen    seines    mythologischen 


211.   Catullus.  409 

Inhaltes  und  seiner  alterthumlichen  Wortzusammensetznngen  dflrfte  auch 
der  Attis  (Nr.  63)  za  den  älteren  Gedichten  gehören^  obwohl  er  durch 
seine  Formvollendung  und  besonders  die  meisterhafte  Handhabung  des 
galliambischen  Masses  eine  hohe  Eunststufe  Terräth.  An  dem  „Enkomion 
an  Allius"  oder  Mallius  (Nr.  68  b)  hat  die  Befolgung  der  traditionellen 
heptadischen  Gliederung  —  Prologes,  Archa  (lyrisch),  Katatropa,  Omphalos 
(episch),  Metakatatropa,  Sphragis  (lyrisch),  Epiloges  —  nachzuweisen  gesucht 
.Westphal,  Catulls  Gedichte  S.  78  ff.  Die  eigentlich  lyrischen  und  die  iani- 
bischen  Gedichte  halten  sich  mit  richtigem  Tacte  von  allen  gelehrten 
Anspielungen  fern  und  sind  unmittelbare  Ergüsse  eines  erregten  Gefühls, 
in  Liebe  oder  Hass,  daher  auch  bald  von  wohlthuender  Wärme  bald  von 
ätzender  Bitterkeit.  Der  kolossale  Realismus  der  aus  so  vielen  spricht  ist 
theils  römisch  und  republikanisch  theils  Ausfluss  der  tiefen  Verstimmung 
welche  die  schmerzlichen  Erfahrungen  mit  Lesbia  zurückgelassen  hatten. 
Aber  glänzende  Handhabung  der  manchf altigsten  metrischen  Formen  haben 
sie  alle  mit  einander  gemein.  Zu  den  ansprechendsten  gehört  das  Lied  auf 
die  Vermählung  des  Manlius  Torquatus  (Nr.  61).  Der  Hymnus  auf  Diana 
(Nr.  34)  mag  für  einen  bestimmten  kirchlichen  Anlass  gedichtet  sein. 

7.  Dass  die  Gedichte  Catulls  zuerst  einzeln  herausgegeben  wurden  ist 
bei  ihrem  Inhalte  selbstverständlich  und  wird  positiv  bewiesen  durch  die 
Bückbeziehüng  von  c.  16,  12  auf  c.  5  und  7.  Andererseits  wird  durch  die 
vorausgesandte  Widmung  an  Cornelius  Nepos  gewiss  dass  CatuU  noch  selbst, 
bereits  leidend  und  seinen  Tod  ahnend  (c.  38.  52),  eine  Sammlung  derselben 
veranstaltet  und  veröffentlicht  hat.  Dass  er  in  diese  nicht  alles  früher 
einzeln  Veröffentlichte  aufnahm  erhellt  aus  dem  Vorhandensein  von  An- 
führungen aus  Gedichten  Catulls  die  sich  in  der.  Sammlung  nicht  finden 
(zusammengestellt  z.  B.  in  Schwabens  Catull  p.  169  — 172).  Die  Zeit  der 
Herausgabe  muss,  nach  den  in  der  Sammlung  enthaltenen  Zeitandoutungen 
(s.  A.  2),  das  J.  700  sein,  und  zwar  nach  Schwabe  Quaest.  Cat.  p.  297 
ungefähr  die  Mitte  desselben,  wogegen  F.  Büchelcr  (im  Greifswalder  Winter- 
katalog für  1868  f.- p.  16 — 17)  wegen  der  vorausgesetzten  Beziehung  von 
Cic.  ad  Q.  fr.  II,  13,  4  (auricula  infnma  molliorcm)  auf  Catull  25,  2  (mollior 
.  .  imula  auricilla)  sie  2—3  Monate  früher  setzen  will.  Anspielung  auf  62, 1 
(vesper  adest)  bei  Varro  L.  L.  Vll,  50  (dicit  Valerius,  nach  Schwabe). 

8.  Die  überlieferte  Ordnung  der  Gedichte ,_  welche  ohne  Zweifel  von 
Catull  selbst  herrührt,  ist  die  dass  die  umfangreicheren  die  Mitte  der 
Sammlung  einnehmen  (c.  61 — 68)  und  von  den  kleineren  umschlossen  sind, 
indem  vorausgehen  die  iambischen  und  in  melischen  Massen  gehaltenen 
Gedichte  (Hendekasyllaben,  Choliamben,  sapphische  Strophen  u.  s.  w.),  nach- 
folgen die  im  elegischen  Masse  (Epigramme),  zu  welchen  c.  65—68  ebenso 
den  ücbergang  bilden  wie  vom  ersten  zum  zweiten  Theile  c.  61.  Im  ersten 
Theile  selbst  ist  das  Princip  der  Abwechslung  befolgt,  indem  je  die  inhaltlich 
zusammengehörenden  oder  verwandten  Gedichte  durch  heterogene  getrennt 
sind;  die  des  zweiten  Theiles  stehen  in  metrischer  und  sachlicher  Ordnung 
(Westphal,  C/itulls  Gedichte  S.  1—12).  Im  dritten  Theile  herrscht  ein 
Durcheinander  welches  zuerst  von  Scaliger  bemerkt,  dann  von  Lachmann 
und  einleuchtender  von  Bergk  (Rhein.  Mus.  XV.  S.  507—513)  und  Westphal 


410  CiceroniBche  Zeit.   Zweite  Hälfte,  J.  691—711.    ' 

(a.  a.  0.  B.  12 — 32),  nämlich  durch  Blattversetzung  (indem  der  librarius 
der  Urhandschrift  fol.  c  vor  fol.  b  abschrieb),  erklärt  worden  ist.  Nach 
Beseitigung  dieser  Verwirrung  ergibt  sich  auch  im  dritten  Theile  eine 
dem  ersten  ähnliche  Ordnung  (Westphal  S.  23  f.). 

9.  Sämmtliche  Handschriften  der  catullischen  Gedichte  gehen  auf 
einen  archetypus  zurück  welcher  längst  verloren  gegangen  ist.  Aus  ihm 
wurde  einerseits  in  Frankreich  für  eine  zwischen  dem  7.  und  9.  Jahrh. 
veranstaltete  Blumenlese  CatuU  c.  62  abgeschrieben.  Diese  Anthologie 
existiert  noch  in  zwei  unvollständigen  Abschriften,  Par.  8071  (=  liber 
Thuaneus,  saec.  IX— X)  und  Vindob.  277,    von  denen  nur  die  erste  Catuir 

c.  62  enthält.  Andererseits  wurde  aus  dem  archetypus  spätestens  in  der 
ersten  Hälfte  des  10.  Jahrh.  eine  Abschrift  sämmtlicher  catullischen  Ge- 
dichte gemacht  welche  der  Bischof  von  Verona,  EAther,  J.  966  aus  der 
dortigen  Capitelsbibliothek  benützte  und  welche  schwer  leserlich  war 
(exemplar  corruptissimum).  Dieser  codex  Veronensis  blieb  dann  lange  ver- 
schollen und  wurde  erst  zu  Anfang  des  14.  Jahrh.  wieder  aufgefunden, 
benützt  (z.  B.  von  Petrarca)  und,  aber  erst  40  Jahre  nachher,  abgeschrieben. 
Später  gieng  er  wieder  verloren.  Die  älteste  und  beste  Handschrift  und 
die  einzige  erweislich  direct  aus  dem  cod.  Veronensis  gemachte  ist  der 
Sangermanensis  (St.  Germain,  jetzt  in  Paris,  G  bei  Rossbach  und  Schwabe) 
vom  J.  1375. ,  Bei  den  ungefähr  70  anderen  Hdss.  die  es  gibt  ist  nicht 
klargestellt  durch  wie  viele  und  welche  Mittelglieder  sie  mit  dem  cod. 
Veron.  zusammenhängen.  Die  nächstbesten  Hdss.  sind  der  Colbertinus  (saec. 
XV,  in  Paris,  C  bei  Schwabe),  Santenianus  oder  Laurentianus  (saec.  XV, 
in  Berlin,  L);  weiterhin  Datanus  (vom  J.  1463,  in  Berlin,  D),  aber  stark 
interpoliert,  und  Hamburgensis  (H),  der  wenig  interpoliert  ist,  aber  von 
Schreibfehlem  winmielt.   M.  Haupt,  Quaest.  Catull.  (1837)  p.  2—9;  Berichte 

d.  Sachs.  Ges.  d.  Wiss.  1849,  S.  2ö6fif.  Th.  Heyse,  Catull  übers.  (1865) 
S.  279 — 282.  L.  Schwabe,  in  den  Verhandl.  der  Meissner  Philologenvers. 
(Leipzig  1864)  S.  111  — 120,  im  Dorpater  Eatal.  1865.  4.  und  vor  seiner 
Ausgabe  (1866)  p.  I— XXXUL  Vgl.  Philologus  XXIV.,  S.  361—354.  Auch 
vgl.  Th.  Bergk,  Rhein.  Mus.  XV.  S.  670—573.  W.  Fröhner,  Philologus 
XIV.  S.  568 — 585.  A.  Rossbach,  codicum  Cat.  quos  Silligius  descripsit  col- 
lationes,  Breslau  1859.  4. 

10.  Ausgaben  (meist  zusammen  mit  Tibull  und  Propertius).  Ed.  prin- 
ceps  s.  1.  1472.  4.  Parm.  1473.  4.  Interpolierte  Ausgaben  (bes.  von  Avan- 
cius  und  Guarinus)  von  ed.  Regiensis  1481  fol.-  an.  Cum  comm.  Mureti, 
Ven.  1554.  Cum  comm.  Achillis  Statu,  Ven.  1666.  Cum  castigationibus 
los.  Scaligeri,  Pai-.  1577,  Antv.  1682,  Heidelb.  1600.  Cum  comm.  Is.  Vossii 
(London  1684.  4.),  I.  A.  Vulpii  (Patav.  1710.  1737.  4.).  Cum  perp.  adn.  F. 
W.  Döring,  Lips.  1788—1792;  Altenb.  1834.  Recogn.  c.  var.  lect.  I.  Sillig, 
Gotting.  1823.  Ex  rec.  C.  Lachmanni,  Berol.  1829;  ed.  alt.  1861.  Recogn. 
A.  Rossbach,  Lips.,  Teubner,  1864;  ed.  IL  1860.  Recogn.  L.  Schwabe, 
Gissae  1866.  Recogn.,  app.  criticum,  prolegomena,  appendices  adiecit  R. 
Ellis,  Lond.  1867.  Texte  von  M.  Haupt  (Lips.  1853.  1861.  1868),  L.  Müller 
(Lips.  Teubner.  1870). 

11.  Uebersetzt  von  K.  Schwenck  (Frankfurt  1829.  1846),  Th.  Heyse 


211.    CatuUus.  411 

(mit  lat.  Text,  Berlin  1856),  W.  Hertzberg  und  W.  Teuffei  (Auswahl  in  den 
Class.  d.  Alt.,  Stuttgart,  Metzler  1865;  vollständiger  in  den  röm.  Dichtem, 
ebds.  1862,  mit  Einl.  u.  Anm.),  Th.  Stromberg  (in  Reimen,  Leipzig  1858), 
Fr.  Pressel  (Stuttgart,.  Hoffmann,  1860),  R.  Westphal  (C/s  Gedichte  in 
ihrem  geschichtlichen  Zusammenhange  übersetzt  und  erläutert,  Breslau 
1867).  Schaffrath,  Einiges  über  Catull  und  dessen  Uebersetzer,  Bedburg 
•1864.    4. 

12.  Abhandlungen  allgemeinen  und  sachlichen  Inhalts.  F.  Jacobs 
in  den  Nachträgen  zu  Sulzer  1.  S.  158—171.  C.  Zell,  Ferienschriften  I. 
S.  125—143  (C.'s  Liebe).  C.  G.  Heibig,  deutsche  Jahrbücher  1842.  S.  1213 
— 1219  (zur  Charakteristik  des  C).  J.  v.  G.  Fröhlich,  über  die  Anordnung 
der  Gedichte  d.  C,  Abhandl.  der  Münchner  Akad.  Cl.  I.  Bd.  HL  1843.  S. 
689  —  716.  W.  Th.  Jungclaussen,  zur  Chronologie  der  Gedichte  des  C, 
Itzehoe  1857.  4.  L.  Schwabe^  Quaest.  Catullianarum  über  I,  Gissae  1862. 
366  pp.  (Vol.  I,  1  seiner  Ausgabe).  E.  Brunär,  de  ordine  et  temporibus  car- 
minum  C,  Acta  soc.  sc.  Fennicae,  VII  (Helßingfors  1863).  p.  599 — 657. 
0.  Ribbeck,  C.  Val.  Cat.,  eine  literarhistorische  Skizze,  Kiel  1863.  B.  Rich- 
ter, de  CatuUi  vita  et  carminibus  P.  I,  Freiburg  1865.  4.  Nobbe,  de  metris 
C,  Lips.  1820.  1821.  4.  M.  Haupt,  CatuUus  qua  arte  poetas  expresserit 
alexandrinos,  Berlin  1855.  4.  0.  Franke,  de  artificiosa  carminum  C.  com- 
positione,  Greifswald  und  Berlin  1866.  Mommsen,  R.  G.  IIP.  S.  536  f.  554  ff.. 
W.  Teuffei  vor  der  Uebersetzung  (1862)  S.  6—19.  H.  H.  Heskamp,  de  C. 
vita  etc.  (A.  3).    De  metris  CatuUi  in  L.  MüUer's  Ausg.  p.  LIX— LXXVIII. 

13.  Beiträge  zur  Kritik  und  Erklärung.  G.  V.  A.  Pfeiffer,  Symbolae 
C,  Gotting.  1834.  M.  Haupt,  Quaestiones  C.  (Lips.  1837);  Observationes 
criticae  (Lips.  1841)  und  de  ndnnuUis  C.  carm.,  BeroL  1857.  4.  F.  Hand, 
Obser\'atione8  criticae  (Jena  1848.  4.)  und  Quaest.  G.  (Jena  1849.  4.).  J.  v. 
G.  Fröhlich,  Vorschläge  zur  Berichtigung  des  Textes^  Münchner  Abhh. 
a.  a.  0.  V.  S.  233—275  (München  1849),  und  Ueber  einige  Gedichte,  ebds. 
VI.  S.  257—279.  F.  Ritschi,  Emend.  C.  trias,  Bonn  1857.  4.  R.  Klotz, 
Emend.  C,  Lips.  1859.  4.  J.  Pohl,  Lectiones  C.  I.,  Euskirchen  (Münster) 
1860.  8.  II.  Sigmaringen  1866.  4,  P.  Böhme,  Quaest.  C,  Bonn  1862.  Th.  Bergk, 
Emend.  C,  Halle  1864.  4.  L.  Schwabe,  Coniecturae  C,  Dorpat  1864.  4. 
H.  A.  Koch,  in  der  Symbola  phü.  Bonn.  p.  315  —  320.  G.  F.  Rettig, 
Catulliana  II,  Bern  1870.  17  pp.  4.  J.  Mähly  in  Fleckeisen's  Jahrbb.  103, 
S.  341—367. 

14.  Zu  einzelnen  Gedichten.  F.  Hand,  c.  LV  restit.,  Jena  1848.  4.  C. 
Pleitner,  des  C.  Hochzeitgesänge,  DiUingen  1858.  104  S.  4.  Zu  c.  64  (Epi- 
thal.  Pelei  et  Thet.)  spicileg.  animadv.  von  Com.  Müller  (Hamburg  1836.  4.), 
M.  Haupt,  Berlin  1855.  4.  p.  7—13),  F.  Ritschi  (de  nonnulüs  locis,  Bonn 
1857.  4.),  E.  Fritze  (recens.  ill.,  Halberstadt  1863.  4.).  A.  Weise,  zur  Kritik 
von  C.  c.  68,  65,  101.,  Naumburg  1863.  4.;  krit.  u.  erkl.  Bemerk,  zu  c.  68, 
Zeitz  1869. 

212.   Neben  dem  dass  die  in  einer  Angelegenheit  gehalte-202 
nen  Reden^  deren  VeröflFentlichung  immer  häufiger  wurde,  einen 
reichen  Stoff  räsonnierender  Tagesliteratur  darstellten;  bekämpften 


412  Ciceronische  Zeit.    Zweite  Hälfte,  J.  691—711. 

sich  die  gegenüberstehenden  Parteien  auch  noch  mit  eigenen 
Flugschriften.  Gegen  Caesar  schrieben  solche  M.  Varro,  C.  Scri- 
bonius  Curio  und  A.  Caecina.  Andere  benützten  Tagesereignisse 
zum  Aussprechen  oder  Andeuten  ihrer  Parteiansichten.  Dazu 
diente  namentlich  die  Form  von  Leichenreden  (laudationes)  auf 
einen  kürzlich  Gestorbenen.  So  rief  Cato's  Tod  in  Utica  eine 
ganze  Literatur  ins  Leben.  Zu  seinem  Lobe  schrieben  Cicero, 
M.  Brutus^  M.  Fadius  Gallus  und  Munatius;  dagegen  A.  Hirtius, 
Caesar  selbst,  Metellus  Scipio  und  später  Augustus.  Ebenso 
wurde  Cato's  Tochter,  Porcia,  bei  ihrem  Tode  der  Gegenstand 
von  laudationes  des  M.  Varro,  Lollius  und  Cicero.  Manche 
bedienten  sich  auch  der  gebundenen  Form  (Epigramme  und 
Pasquille). 

1.  üeber  Varro's  Tgindgavog  vom  J.  694  8.  oben  164,  3.  Gurions  Schrift 
vom  J.  695  8.  oben  150,  6.  A.  Caecina  b.  oben  196,  13.  üeber  die  poeti- 
schen Angriife  auf  Caesar  s.  oben  209,  10.   210,  7.  211,  5. 

2.  üeber  die  Schriften  aus  Anläse  von  Cato's  Tod  (J.  708)  s.  Wart- 
raann,  Leben  des  Cato  von  ütica  (Zürich  1858)  S.  145  ff.  üeber  Cicero's 
Cato  oben  177,  6.  Zu  dessen  Ergänzung  verfasste  M.  Brutus  seine  Schrift; 
8.  oben  209^  2.  Des  Hirtius  Anticato  s.  oben  194,  2;  über  den  des  Caesar 
192,  7.  Die  Lobschrift  des  M.  Fadius  Gallus  erschien  wahrscheinlich  im 
Juli  oder  August  709;  s.  Cic.  ad  fam.  VII,  24  extr.  vgl.  25,  1.  Cato's 
Freund  Munatius  avyyQafVfia  nsgl  Kdtcavog  i^söoDUSj  Plut.  Cat.  min.  37 
vgl.  25.  Dagegen  Metellus  Scipio  hatte  schon  bei  Cato's  Lebzeiten  ein 
ßvßXiov  herausgegeben  ßXaatprjfUttg  Ttatsxov  tov  Kdzmvog,  ib.  57.  üeber 
Augustes  Schrift  s.  Sucton.  Aug.  85:  multa  varii  generis  prosa  oratione  com- 
posuit,  ex  quibus  nonnulla  in  coetu  familiarium  velut  in  auditorio  recitavit, 
sicut  Kescripta  Bruto  de  Catone,  quae  volunüna  cum  iam  senior  ex  magna 
parte  legisset,  fatigatus  Tiberio  tradidit  perlegenda. 

3.  Porcia,  Tochter  des  Cato  üticensis  und  Gemahlin  des  M.  Brutus. 
Ihr  Kranksein  erwähnt  Brutus  ad  Cic.  I,  17,  7;  und  als  sie  in  Abwesenheit 
ihres  Gatten  sich  entschlossen  hatte  ^ta  voaov  TutraXinsiv  tov  ßCov  (Flut. 
Brut.  53)  machte  Brutus  seinen  Freunden  in  Rom  Vorwürfe  dass  sie  es 
nicht  verhindert  haben  {atg  dfislrfi'eicrjg  in  avrc5v,  Plut.  1.  1.).  Trost- 
schreiben Cicero's  an  Brutus  ad  Brut.  I,  9.  Die  Darstellung  als  ob  sie  erst 
nach  dem  Tode  ihres  Gatten  sich  (mittelst  feuriger  Kohlen  die  sie  schluckte) 
den  Tod  gegeben  hätte  ist  eine  Erfindung  der  Ehetorenschulen.  Cic.  ad 
Att.  XIII,  48,  2  (J.  709):  laudationem  Porciae  tibi  misi  corrcctam.  .  .  et 
velim  M.  Varronis  et  Lollii  mittas  laudationem.  LoUii  utique;  nam  illam 
legi;  volo  tamen  regustare. 

4.  Epigramme  auf  Zeitereignisse  s.  oben  31,  2.  lamben  33,  2.  Tro- 
chäen (vgl.  oben  11,  3),  z.B.  (auf  den  Tod  des  Crassus):  postquam  Crassus 
carbo  factust^  Carbo  (oder  carbo)  crassus  factus  est  (Eichcnfeld  und  End- 


212  f.   Tagealitcratnr.   Acta  scnatus.  413 

lieber,  Anal.  Yindob.)-   Cic.  ad  Q.  fr.  II,  8,  2  (J.  699):  cum  omnia  raaledicta, 
Tcrsas  denique  obeceniseimi  in  Clodium  et  Clodiam  dicerentur. 

213.  Die  Tagesneuigkeiten  wurden  seit  J.  695  d.  St.  regel-203 
massig  veröffentlicht  in  den  acta^  und  zwar  die  Senatsprotokolle 
in  den  acta  senatus,  die  öffentlichen  und  privaten  Vorkommnisse 
in  den  acta  populi  oder  acta  diurna.  Letztere  waren  ein  amt- 
liches Tageblatt,  unttr  einem  amtlichen  Redactear,  wurden  jeden 
Tag  öffentlich  aufgestellt,  von  Unternehmern  abgeschrieben  und 
versandt.  Echte  Ueberreste  von  letzteren  acta  sind  nicht  auf 
uns  gekommen. 

1.  Sucton.  Caes:  20:  inito  bonore  (des  Consulats,  J.  G95  =»  59  v.  Chr.) 
primae  omcium  instituit  ut  tarn  senatus  qaam  populi  diurna  acta  confierent 
et  publicarentur.  An  sich  bezeichnet  acta  das  Geschehene  oder  Verhan- 
delte selbst,  insbesondere  Amtshandlungen  der  Behörden,  dann,  als  abge- 
kürzter Ausdruck  (statt  commentarii  actorum),  die  Aufzeichnung  jener  Ge- 
genstände. Von  den  Verhandlungen  des  Senats  waren  vor  Caesar  nur  die 
Beschlüsse  regelmässig  protokolliert  und  in  geeigneten  Fällen  veröffentlicht 
woi'den;  Caesar  dehnte  die  Aufzeichnung  und  Veröffentlichung  auch  auf 
die  Verhandlungen  aus.  Die  Aufzeichnung  (Protokollierung)  bestand  dann 
die  ganze  Kaiserzeit  hindurch  fort  (noch  yom  J.  438  n.  Chr.  haben  wir 
gesta  in  senatu  urbis  Romae  de  recipiendo  codice  Theodosiano) ,  aber  die 
Veröffentlichung  untersagte  schon  August  (Suet.  Aug.  36:  auctor  et  aliarmn 
remm  fuit,  in  quis,  ne  acta  senatus  publicarentur).  Gegenstand  dieser 
Protokolle  waren  ausser  den  gefassten  Beschlüssen  auch  die  im  Senat  ge- 
stellten Anträge,  die  eingelaufenen  Berichte  und  Schreiben,  in  der  Kaiser- 
zeit  besonders  auch  die  durch  den  Quästor  vorgetragenen  Reden  der  Kaiser 
und  die  Acclamationen  der  Senatsmitglieder.  Die  Abfassung  des  Protokolls 
besorgten  zuerst  vom  Consul,  dann  vom  Kaiser  damit  beauftragte  Senato- 
ren; später  der  curator  actorum  senatus,  von  Hadrian  an  der  ab  actis 
senatus,  welches  Amt  gewöhnlich  die  Mittelstufe  zwischen  der  Quästur 
und  der  Aedilität  (beziehungsweise  dem  Tribunat)  bildete.  Aufbewahrt 
wurden  diese  acta  senatus  theils  im  Reichsarchiv  (tabularinm),  wo  sie 
wohl  nur  Senatsmitgliedern  (und  für  bestimmte  Zwecke)  zugänglich  waren, 
theils  in  besonderen  Abtheilungen  der  öffentlichen  Bibliotheken,  zu  welchen 
man  nur  auf  ausdrückliche  Erlaubniss  des  praefectus  urbis  Zutritt  erhielt. 
Manche  Verhandlungen  des  Senats  fanden  aber  auch  in  die  acta  populi 
Aufnahme  und  wurden  dadurch  allgemein  zugänglich.  E.  Hübner,  in  Fleck- 
eisens Jahrbüchern  Suppl.  III.  p.  564—594,  und  in  Kürze  W.  Rein  in 
Paulj's  Real-Enc.  I,  1.  S.  132  f.  147  f.  Verzeichniss  der  uns  bekannten 
Senatsbeschlüsse  (senatus  consulta)  bei  Rein  a.  a.  0.  VI,  1.  S.  1033  f.  und 
bei  Hübner  l.  1.  p.  622—627. 

2.  Die  acta  diurna  populi  heissen  auch  acta  diurna  oder  acta  populi 
rom.  oder  acta  populi  oder  acta  publica,  acta  urbana,  rerum  nrbanarnm 
acta,  acta  urbis,  diurna  populi  rom.,  oder  diurna  (z.  B.  luv.  VI,  483)  oder 
acta  (z.  ß.  luv.  II,  136)  schlechtweg;    bei  den  gi'iechischen   Schriftstellern 


414  Ciceronische  Zeii.   Zweite  Hälfte,  J.  691—711. 

tä  xoiva  vnofivrifi4xta  oder  vnofi.viifiatcc  kurzweg.  Mittheilung  der  Neuig- 
keiten aus  Born  an  Abwesende  war  vor  Caesar  Sache  der  Privatth&tigkeit 
gewesen,  und  diese  erlosch  auch  nach  Caesars  Einrichtung  nicht;  durch 
Caesar  aber  wurde  die  Zusammenstellung  und  Veröffentlichung  der  Nach- 
richten eine  regelmässige  und  amtliche.  Die  Vorkehrung  entsprach  so  sehr 
einem  dringenden  Bedürfnisse  nicht  nur  der  verreisten  Römer  sondern 
auch  der  Bewohner  der  Weltstadt  selbst  und  der  sonstigen  Angehörigen 
des  Reichs-  dass  sie  ohne  Unterbrechung  fortbestand  und  wohl  erst  als  sie 
mit  Verlegung  der  kaiserlichen  Residenz  nach  Constantinopel  ihre  Bedeu- 
tung einbüsste  allmählich  aufhörte.  Der  Inhalt  dieser  acta  war  theils  ein 
amtlicher  (Vorgänge  in  der  kaiserlichen  Familie,  Verordnungen  der  Kaiser 
und  der  Behörden,  Beschlüsse  oder  auch  Verhandlungen  des  Senats  und 
sonstige  Vorfälle  welche  man  zur  allgemeinen  Eenntniss  bringen  wollte), 
theils  ein  privater,  bestehend  aus  Familiennachrichten  aller  Art,  Anzeigen 
von  Geburten,  Heiraten,  Ehescheidungen,  Todesfällen  u.  dgl.  welche  man 
an  die  Redaction  eingesandt  hatte,  oft  in  subjectiver  Fassung  („der  tief- 
gebeugte Gatte",  saucius  pectus,  Quintil.  IX,  3,  17).  Die  Anzeige  der  Ge- 
burten erfolgte  bei  dem  praefectus  aerarii  und  wurde  von  M.  Antoninus 
Philosophus  sogar  gesetzlich  vorgeschrieben.  Vom  praefectus  aerarii  wird 
die  Mittheilung  an  den  Redacteur  der  acta  erfolgt  sein,  theils  statistisch 
in  blosen  Summen,  theils  unter  Hervorhebung  einzelner  Fälle  aus  bekann- 
teren Familien,  wofern  letztere  Anzeige  (in  den  acta)  nicht  den  Familien 
selbst  überlassen  war.  Die  offizielle  Zusammenstellung  wurde  in  albo  ver- 
öffentlicht^ und  wie  man  früher  von  den  annales  sich  Abschriften  gemacht 
hatte  (oben  74)  so  wurden  jetzt  diese  acta  durch  zahlreiche  scribae  ver- 
vielfältigt und  an  ihre  Abonnenten  versandt.  Nach  Verfluss  einiger  Zeit 
kam  das  Original  in  das  Staatsarchiv  und  konnte  dort  für  schriftsteller- 
ische Zwecke  benützt  werden.  Auszüge  daraus  waren  die  Acta  Muciani 
und  Acholii.  In  den  Privatbibliotheken  werden  die  acta  bei  ihrer  Mas- 
senhaftigkeit  nicht  leicht  vollständig  gewesen  sein;  vielleicht  wurden  sie 
von  Anfang  schon  in  blosen  Auszügen  bezogen.  Vgl.  E.  Hübner  a.  a.  0. 
p.  594—622  und  im  Auszuge  bei  Rein  a.  a.  0.  S.  134 — 137. 

3.  Sonstige  Literatur  über  die  acta  senatus  und  die  acta  populi.  J. 
Lipsius  im  Excurs  A  zu  Tac.  Ann.  V.  F.  C.  Schlosser,  in  seinem  und  Bercht's 
Archiv  für  Geschichte  I  (Frankfurt  1830),  S.  80—106.  R.  E.  Prutz,  de  fon- 
tibus  quos  in  conscribendis  rebus  inde  a  Tiberio  usque  ad  mortem  Ne- 
ronis  gestis  auctores  veteres  secuti  videantur  (Halle  1838)  p.  14 — 21.  V. 
Leclerc,  des  joumaux  chez  les  Romains,  Paris  1838.  W.  A.  Schmidt,  in 
seiner  Zeitschr.  für  Geschichtswiss.  I  (1844)  S.  303 — 365.  G.  E.  F.  Lieber- 
kühn, de  diumis  Rom.  actis  (Weimar  1840)  und  Epistola  critica  ad  Le- 
Clercium  (Lips.  1844).  J.  W.  A.  Renssen,  de  diumis  aliisque  Rom.  actis, 
Groningen  1867.  C,  Zell,  Ferienschriften  N.  F.  I  (Heidelberg  1857)  S.  1—108. 

4.  Ein  Fabricat  des  15.  Jahrh.  sind  die  elf  Fragmente  von  acta  populi 
welche  zuerst  Pighius  (1615)  in  seinen  Annales  U.  p.  378  veröffentlicht  hat 
und  die  nach  ihrem  Hauptverfechter,  Dodwell  (Praelect.  acad.,  Oxon.  1692, 
p.  665 — 691),  gewöhnlich  fragmenta  Dodwelliana  genannt  werden.  Gegen 
deren   Echtheit    s.    besonders   P.   Wesseling,    Probabilia  (Franeker   1731) 


213  ff.   Acta  populi.    Briefe.   Inschriften.  415 

p.  354—385,  und  J.  A.  Ernesti  im  ersten  Excurs  seiner  Ausgabe  des  Sueton 
(Lips.  1748).  Dagegen  yersuchte  Lieberkühn  (bes.  in  seinen  Vindiciae  libro- 
rum  ininria  suspectorum,  Lips.  1844,  p,  1  — 100  =*  Epi^tola  .  .  ad  Le  Cler- 
cium)  die  Echtheit  zu  vertheidigen ,  gegen  welchen  s.  H.  Heinze,  de  spuriis 
actorum  diumorum  fragmentis  I,  Greifswald  1860.  Vgl.  C.  Zell  a.  a.  0. 
S.  109—150. 

214.  Eine  Mittelstellung  zwischen  der  rasonnierenden  und  204 
der   blos   berichtenden   Tagesliteratur   nehmen   die   Briefe    ein, 
deren   wir   aus    dieser   Zeit  in   den    ciceronischen   Sammlungen 
eine  grosse  Anzahl  besitzen,  meist  von  Cicero  selbst,  aber  auch 
von  nicht  wenigen  Zeitgenossen.  # 

1.  Ueber  die  Briefe  s.  oben  45;  über  die  Caesars  s.  oben  192,  8;  über 
die  von  M.  Brutus  oben  209,  4. 

2.  Ueber  die  ciceronischen  Briefsammlungen  s.  oben  180  und  181. 
Ausser  den  Briefen  von  Cicero  selbst  sind  darin  enthalten  Briefe  von  seinem 
Bruder  Quintus  (oben  187,  3),  von  seinem  Sohne  (ad  fam.  XYI,  21.  25), 
M.  Brutus  (oben  181,  4.  vgl.  209,  4),  Ser.  Sulpicius  (fam.  IV,  5.  12)y  Mar- 
cellus  (ib.  IV,  11),  Q.  Metellus  Celer  (oben  211^  3),  Q.  Metellus  Nepos  (ad 
fam.  V,  3),  Vatinius  (ib.  V,  9.  10),  L.  Lucceius  (V,  14),  A.  Caecina  (oben 
196,  13),  A.  Pompeius  Bithynicus  (fam.  VI,  16),  M\  Curius  (fam.  VII,  29), 
M.  Caelius  Bufus  (oben  206,  6),  Dolabella  (fam.  IX,  9),  Munatius  Plauens 
(pben  206,  8),  Ser.  Sulpicius  Galba  (fam.  X,  SO),  C.  Asinius  Pollio  (fam.  X, 
31.  32.  33),  Lepidus  (fam.  X,  34.  85),  p.  Brutus  (oben  209,  5),  C.  Matius 
(oben  205,  5),  C.  Cassius  (oben  209  ^  6),  Cassius  Parmensis  (oben  209,  7), 
P.  Lentulus  (fam.  XII,  14.  16),  C.  Trebonius  (oben  209,  9),  M.  Cato  (oben 
19$,  2).  Dazu  als  Beilagen  zu  Briefen  an  Atticus  Briefe  des  Cn.  Pompeius 
(oben  168,  6),  Caesar  (oben  192,  8),  Baibus  (oben  194,  2),  M.  Antonius 
(eben  206,  3). 

215.  Von  den  Inschriften  aus  den  Jahren  670  bis  710  d.  St.20ö 
hat   keine  mehr   das  satumische  Mass.     Unter  den  prosaischen 
sind   die  wichtigsten  die  lex  Cornelia  de  XX  quaestoribus  vom 

J.  673,  das  Senatusconsultum  de  Asclepiade,  Polystrato,  Me- 
nisco  in  amicorum  formulam  referendis  vom  J.  676 ,  die  lex 
Antonia  de  Termessibus,  ungefähr  vom  J.  683,  die  lex  Rubria 
de  civitate  Gralliae  cisalpinae  um  705,  und  die  lex  lulia  muni- 
cipalis  vom  J.  709  d.  St. 

1.  Die  metrischen  Inschriften  aus  dem  siebenten  Jahrh.  d.  St.,  ohne 
genaueres  Datum,  s.  oben  136. 

2.  Die  lex  Cornelia  des  Dictators  Sulla,  ungefähr  aus  J.  673  (vgl.  Tac. 
A.  XI,  22),  erstmals  gedruckt  1660;  bei  Ritschi,  P.  L.  M.  E.  XXIX,  C.  I. 
lat.  I,  202.  p.  108  —  110.  Die  Erztafel,  ausgegraben  unter  den  Trümmern 
des  Saturnustempels  zu  Rom,  trägt  am  Rande  die  Ueberschrift  YIII  de  XX 
q(uae8toribu8)  und  ist  der  Theil  eines  grösseren  Ganzen. 


416  Ciceronischo  Zeit.   Zweite  Hälfte,  J.  691 — 711. 

3.  Das  SC.  wodurch  Asclepiades  Philini  f.  Clazomenios ,  Poljstratus 
Polyarci  f.  Carystius,  Meniscus  Irenaei  f.  Milesius  für  viri  boni  et  ameici 
erklärt  werden  ist  in  lateinischer  und  griechischer  Sprache  abgefasst  und 
steht  bei  Ritschi  Tf.  XXX',  im  C.  L  lat.  I,  203.  p.  110—113. 

4.  Die  lex  Antonia  des  Yolkstribonen  C.  Antonius  M.  f.  u.  a.  bestätigt 
die  Autonomie  der  Stadt  Termessus  maior  in  Pisidien;  bei  Kitschi  Tf.  XXXI, 
im  C.  I.  lat.  I,  204.  p.  114  f. 

5.  Die  lex  Eubria,  gefunden  J.  1760  in  Veleia,  vielfach  commentiert, 
zuletzt  von  Th.  Mommsen  in  Bekkers  und  Muthers  Jahrb.  des  deutschen 
Rechts,  IL  S.  319  —  334,  herausgegeben  von  Ritschi,  legis  Rubriae  pars 
superstes  (Berlin  1851.  4.),  und  in  P.  L.  M.  E.  Tf.  XXXII;  C.  I.  lat.  I,  205. 
p.  115—119.  .       • 

6.  Die  lex  lulia  municipalis  des  Caesar  (nach  ihrem  Fundort  im  J.  1732  f. 
auch  tabulae  Heracleenses  genannt),  zur  Ordnung  der  Rechtsverhältnisse 
der  Municipien,  ursprünglich  griechisch,  zwei  Tafeln  aber  mit  lateinischer 
Uebersetzung  auf  der  Rückseite.  Dieser  lateinische  Text  bei  Ritschi  P.  L. 
M.  E.  Tf.  XXXni  und  XXXIV,  im  C.  I.  lat.  I,  206.  p.  119  —  125.  Haupt- 
schrift darüber  von  Savigny,  Vermischte  Schriften  III.  S.  279  —  412.  Eine 
lex  municipalis  enthält  auch  die  der  augusteischen  Zeit  angehörige  lamina 
Tudertina  und  die  lamina  Florentina;  s.  C.  I.  lat.  I.  p.  263. 

7.  Erwähnung  der  rogatio  Hirtia  (vom  J.  708?)  auf  der  Erztafel  C.  I. 
lat.  I,  627  f.  p.  184. 

8.  Von  den  datierten  Inschriften  aus  dem  J.  670—710  d.  St.  (C.  I.  lat.  I, 
573  —  626)  sind  besonders  erwähnenswerth  die  aus  der  sullanischen  Zeit 
(Nr.  584  —  586  und  587 — 589  vom  populus  Laodicensis  af  Lyco,  populus 
Ephesius  und  Avklcdv  to  noivov),  wie  der  Meilenstein  des  M.  Terentius 
Varro  Lucullns  (Pauly's  Real-Enc.  IV.  S.  1074  f.  Nr.  9),  Nr.  583;  die  cam- 
panische Weihinschrift  (Nr.  573)  worauf  in  servora  lunonis  Gaurae  contu- 
Icrunt  (J.  683),  und  die  aus  Furfo  (Nr.  603  vom  J.  696),  letztere  wegen 
ihres  incorrecten  Latein. 

9.  Bleierne  Schleudergeschosse  (glandes)  mit  Inschriften  aus  der  Be- 
lagerung von  Asculum  (J.  664  f.)  im  C.  I.  lat.  I,  644—680,  p.  189—192; 
eine  glans  Mundensis  (J.  709)  ib.  p.  192;  aus  der  Belagerung  von  Pemsia 
(J.  713  f.)  ib.  682—705,  p.  192 — 194,  letztere  theilweise  mit  derben  Soldaten- 
witzen, wie  pete  culum  Octaviani;  L.  Antoni  calve,  Fulvia,  culum  pandite; 
L.  Antoni  calve,  peristi  C.  Caesarus  victoria;  esureis  et  me  celas.  -G.  Eroli, 
Bull,  deir  inst.  arch.  1871,  4. 

10.  Datiei'te  tesserae  gladiatoriae  aus  den  Jahren  669  bis  710  im  C.  I. 
lat.  I,  717—738,  sowie  aus  721—827  d.  St.  ib.  739  —  774.  776»». 

11.  Ziegel  mit  Jahresangabe  aus  Municipien  (Veleja)  von  den  Jahren 
678  biß  743  d.  St.  im  C.  L  lat.  L  p.  202  f. 

12.  Verwünschungen  (devotiones)  aus  republikanischer  Zeit  im  C.  I. 
lat.  I,  818  —  820,  p.  208  f.  vgl.  Hermes  IV.  S.  282  f. 

13.  Grabschrift  des  L.  Manneius  Q.  (libertus)  medicus,  q>vai%6g  olvo- 
dozriq  nach  der  Methode  des  Asklepiades  aus  Prusa  (W.  Teuffei  in  Pauly'a 


215  f.   Inscbnften.   Augusteische  2eit.  417 

Real-Enc.  I,  2.  S.  1845,  Nr.  13),  also  wohl  aus  der  Zeit  des  Pompejus,  C.  I. 
lat.  I,  1256. 

14.  Scherzhafte  Wandinschrift  aus  Pompeji:  üruannia  pereit  de  ta- 
berna.  sei  quis  eam  retulerit  dabuntur  etc.  im  C.  I.  lat.  I,  1254.  p.  249. 
Eine  andere  ebendaher  mit  dem  genauen  Datum:  C.  Pumidius  Dipilus 
heic  fuit  a.  d.  V.  nonas  Octobreis  M.  Lepid.  Q.  Catul.  cos.  (J.  676),  ib. 
I,  590. 

B.   Die  augusteische  Zeit. 

J.  711  —  767  d.  St. 

216.  Mit  der  Schlacht  bei  Actium  und  dem  Tode  des  M.206 
Antonius  war  das  Jahrhundert  der'  Bürgerkriege  geschlossen: 
Octavian  war  unbestrittener  Alleinherrscher.  Aber  klug  und 
vorsichtig  die  Klippe  meidend  an  der  sein  grosser  Vorgänger 
gescheitert  war  brach  Octavian  nicht  offen  mit  der  republika- 
nischen Vergangenheit;  er  liess  ihre  Einrichtungen  äusserlich 
fortbestehen ;  aber  machte  sie  allmählich  alle  zu  Werkzeugen 
seiner  Herrschaft.  So  hat  die  augusteische  Zeit  eine  Doppel- 
stellung: sie  umschliesst  die  Zersetzung  des  Alten  und  die  Bil- 
dung eines  Neuen^  das  Absterben  der  Republik  und  das  Werden 
und  Wachsen  der  Monarchie.  In  den  bedeutendsten  Männern 
des  Zeitalters  tritt  diese  Doppelstellung  klar  zu  Tage:  Asinius 
PoUio^  Meissala^  Horaz  haben  unter  der  Republik  gekämpft  und 
eine  Rolle  gespielt,  und  Vergil  hat  In  seiner  Jugend  eine  Weile 
in  Catuirs  Weise  gedichtet.  Im  (ranzen  aber  hatte  das  Schicksal 
dem  Octavian  seine  Aufgabe  wesentlich  erleichtert.  Furchtbar 
hatte  der  Tod  aufgeräumt  unter  den  Gegnern  der  Monarchie, 
und  die  noch  lebten  waren  kraftlos,  entmutigt,  ohne  Rückhalt 
im  Volke,  das  der  ewigen  Kämpfe  satt  war.  Andere  führte 
Kleopatra's  unwürdige  Herrschaft  über  M.  Antonius  in  das  Lager 
Octavians;  so  den  M.  Messala,  Cn.  Domitius  Ahenobarbus  (Cos. 
722),  L.  Sempronius  Atratinus  (Cos.  720).^)  So  machte  denn 
einer  um  den  andern  seinen  Frieden  mit  der  neuen  Gestaltung 
der  Dinge.*)     Am  unfügsamsten  zeigten  sich  die  Juristen   Cas- 


')  Auch  Horaz  vermittelte  sich  hierdurch  die  politische  Schwenkung 
welche  thatBächlich  durch  sein  Yerhältniss  zu  Maecenas  bedingt  war;  vgl. 
Epo.  9.  0.  I,  37.     Von  Vergü  vgl.  Aen.  VRI,  688. 

^  Sen.  de  dem.  I,  10,  1  von  August:  Sallustium  et  Cocceios  et  Deillios 
et  totam  cohortem  primae  admissionis  ex  adversariorum  caBtris  conscripsit. 
iam  DomiÜOB,  Messalas,  Aainios,  Cicerones,  et  quidquid  floris  in  civitate 
erat,  clementiae  suae  debebat. 

Tximvii,  BOm.  Literaturgefchichte.   2.  Attfl,  27 


418  Augußteiftcho  Zeit.   J.  711—767  d.  St. 

cellius  und  Labeo:   sie  schadeten  wenig,   und  man  Hess  sie   ge- 
währen; nur  begünstigte  man  ihnen  gegenüber  den  geschmeidi- 
gen Atejus  Capito.   Asinius  PoUio  verschmerzte  vielleicht  niemals 
die    Bedeutungslosigkeit    zu    der    ihn   die   Monarchie   verdammt 
hatte;   aber  sein  Mut  reichte  nur  zu  Nadelstichen.     Auch  Horaz 
blieb  von  dem  Herrscher  lange  in  scheuer  Entfernung;  aber  er 
versöhnte    sich  allmählich    aufrichtig.     Von  Anfang  an  für  den 
Erben   Caesars  sympathisch  gestimmt   waren  Matius,   Trebatius 
Testa,  L.  Varius,    sowie  Vitruvius;    politisch   harmlos  Publilius 
Syrus,  Ticidas  und  Vergil.     Vor  dem  Erfolg  beugte  sich  alsbald 
Munatius  Plauens.     Je  länger   die  Monarchie  bestand  und  über 
Belohnungen  und  Strafen  frei  verfügte,   desto  mehr  strömte   es 
ihr   zu:    es   war   zuletzt   ein   wahrer   Wetteifer   in   Kriecherei.*) 
Charaktere   wie  Labeo   und   Labienus   galten   bald   für   Sonder- 
linge,  die  man   nicht   begriiBF  oder   gar  belachte.     Die    offizielle 
Heuchelei,  die  alten  Formen  und  Namen  fortbestehen  zu  lassen 
auch  nachdem  der  Inhalt  ein  entgegengesetzter  geworden,   ver- 
breitete  einen  Geist   der  Unwahrheit   über   die  höheren  Stände 
und   die    Literatur,    welcher   noch    gesteigert   wurde   durch  das 
Aufkommen  der  windigen  Declamation.     Eine  andere  Wirkung 
jener   offiziellen  Heuchelei   ist   dass   der  thatsächliche  Herrscher 
um  so  empfindlicher  wird  gegen  deren  Aufdeckung  und  um  so 
mehr   alle  Mittel   anspannt 'um  das  Alte  vergessen  zu  machen^ 
das  Neue  zu  befestigen.    Die  Literatur  wird  dadurch  theils  ein- 
geengt theils  zum  instrumentum  regni  herabgewürdigt 

Am  meisten  leidet  unter  diesen  Verhältnissen  die  Beredt- 
*  samkeit.  Hatte  sie  schon  unter  Caesar  Hemmungen  erfahren, 
so  werden  diese  jetzt  dauernd  und  immer  stärker.  Das  öffent- 
liche Leben  erlischt,  die  politische  Arbeit  geht  in  die  Hände 
des  Herrschers  über,  die  Volksversammlungen  werden  immer 
seltener  und  bedeutungsloser,  die  Gerichte  immer  abhängiger 
und  technischer.  Für  die  Redner  bleiben  zuletzt  nur  die  Ver- 
handlungen im  Senat  und  die  Civilprocesse  vor  den^  Centum- 
viralgericht,   und  jene   sind   durch   die   Anwesenheit   des   Herr- 


*)  Tac.  A.  I,  2  von  August:  ubi  militem  donis,  populum  annona,  cun- 
ctos  dulcedine  otii  pellexit,  ineurgere  paulatim,  munia  senatus,  magistra- 
tuam,  legum  in  se  trahere,  nnllo  adversante^  cum  ferocissimi  per  acies  aut 
proscriptione  cecidissent,  ceteri  nobilium,  quanto  quis  servitio  promptior, 
opibuB  et  honoribus  extoUerentur  ac  novis  ex  rebus  aucti  tuta  et  praesentia 
quam  vetera  et  periculosa  mallent. 


2 Iß.   Charakteristik  und  Ueberaicht.  419 

Sehers  und  den  Knechtssinn  der  grossen  Mehrlieit  der  Mitglieder 
in  Schranken  gehalten^  oft  auch  kurzweg  durcli  Rescripte  und 
mündliche  Vorträge  des  Fürsten  abgeschnitten^  während  des 
Centumviralgericht«  schmale  Competenz  durch  die  wachsende  des 
praefectus  urbi  Einbiisse  erleidet.  So  schwindet  den  noch  aus 
der  Republik  überkommenen  Rednern  Asinius  PoUio  und  M.  Mes- 
sala  immer  mehr  der  Boden;  wer  nicht  verstummen  will  muss 
sich  der  neuen  Art  fügen  ^  dem  kunstvollen  Reden  ohne  ernsten 
Zweck  und  Inhalt^  der  Declamation.^) 

Auch  das  andere  Gebiet  welches  in  den  Zeiten  der  Repu- 
blik zu  hoher  Blüte  gelangt  war,  die  Geschichtschreibung, 
empfand  schmerzlich  die  veränderten  Umstände.^)  Anfangs  zwar 
findet  M.  Brutus  in  Memofren  von  Freunden,  wie  Messala  und 
Volumnius,  offene  Vertheidiger;  aber  nach  Actium  fand  Asinius 
PoUio  bald  gerathener  sein  Werk  über  die  Bürgerkriege  un- 
vollendet zu  lassen.  Die  Geschichte  der  Gegenwart  sah  sich 
gehindert  durch  das  Aufhören  der  Oeffentlichkeit;  den  Verschluss 
der  amtlichen  Acten.')  Noch  mehr  minderte  sich  die  Möglichkeit 
über  die  handelnden  Personen  rückhaltslos  zu  urteilen.  Mochte 
man  daher  nicht  in  dynastischem  Sinne  Geschichte  schreiben, 
so  musste  man  sich  abgelegenen  neutralen  Gebieten  zuwenden, 
wie  Pompejus  Trogus,  Penestella  und  L.  Arruntius,  oder  »o  ge- 
mütlich phantasievoll  zu  schreiben  wissen  wie  T.  Livius.  Desto 
einladender  wurde  die  G^schichtschreibung  für  die  Griechen. 
Durch  ihre  Nationalität  den  politischen  Verwicklungen  entrückt, 
durch  die  Sprache  in  der  sie  schrieben  von  der  Einwirkung  auf 
die  Menge  ausgeschlossen,  überdiess  mit  grosser  Leichtigkeit  den 
Verhältnissen  sich  anbequemend  und  sie  für  sich  verwerthend, 
fanden  sie  in  Rom  ein  reiches  Feld  für  schriftstellerische  Wirk- 
samkeit: ausser  Timagenes  und  Nikolaos  aus  Damaskos  schrieben 


*),  Vgl.  oben  44  mit  Anm.  1. 

^  Vgl.  oben  39,  1.  Sen.  III.  p.  437  Hse:  ab  initio  bellorum  civilium, 
nnde  primum  yeritaa  retro  abiit.  8net.  Claud.  41:  historiam  in  adulesceu- 
tia,  hortante  T.  Livio,  .  .  scribere  adgressus  est .  .  coepitque  a  pace  civili, 
cum  aentiret  neque  libere  neque  vere  sibi  de  superioribus  tradendi  potes- 
tatem  relictam,  correptus  saepe  et  a  matre  (Antonia)  et  ab  ayia  (Octavia). 
Sehr  einzuschränken  ist  daher  Sen.  Controv.  IL  p.  155,  9  f.:  tanta  sub 
divo  Augusto  libertas  foit  ut  praepotenti  tunc  M.  Agrippae  non  defiu^rint 
^qui  ignobilit|item  exprobrarent. 

*)  Vgl.  oben  213,  1. 

27* 


420  Augusteische  Zeit;  J.  711—767  d.  St. 

unter  August  und  zum  Theil  in  Rom  auch  Diodor,  Dionysios 
aus  Halikamass^  Strabon^  Juba^  Parthenios,  Didymos  Chalken- 
teros  u.  A.,  sowie  die  Bhetoren  Caecilius  aus  Kaie  Akte^  Her- 
magoraS;  Apollodoros  und  dessen  Schüler  Moschos^  Areios^  Era- 
ton^  Lesbonax,  Athenodoros  und  der  Dichter  Erinagoras. 

Die  Jurisprudenz  wusste  August  an  das  monarchische 
Interesse  zu  ketten^  indem  er  das  Ertheilen  von  Rechtsgutach- 
ten, das  bisher  einzig  auf  dem  Vertrauen  der  Befrager  beruhte, 
von  der  Genehmigung  des  Fürsten  abhängig  machte^)  und  zu- 
gleich diesen  Rechtsaussprüchen  eine  Bedeutung  verlieh  durch 
welche  sie  an  die  Stelle  des  früheren  prätorischen  Edictes  tra- 
ten. ^)  So  privilegiert  vertieften  sich  die  Juristen  um  so  mehr 
in  die  Ausbildung  ihrer  Wissenschaft,  und  schon  jetzt  legte  der 
persönliche  Gegensatz  zwischen  Labeo  und  Capito  den  Grund  zu 
den  beiden  Schulen^  der  Sabinianer^  die  von  Capito  ausgiengen^ 
und  der  Proculianer^  der  Anhänger  des  Antistius  Labeo.  ^) 

Noch  entschiedener  forderlich  war  der  Untergang  des  öiBFent- 
liehen  Lebens  für  die  Eunstpoesie  und  für  die  Gelehrsamkeit. 

Hatte  früher  der  Römer  literarische  Thätigkeit  nur  als 
Nebenbeschäftigung^  zur  Ausfüllung  des  otium^  zulässig  gefun- 
den, so  wurde  sie  jetzt,  wo  die  früheren  negotia  so  starke  Min- 
derung erfahren  hatten,  bei  Vielen  zur  Lebensaufgabe.  Insbe- 
sondere die  Poesie  wurde  jetzt  als  eine  Eunst  mit  ganzem  Ernste 

*)  Pompon.  Dig.  I,  2,  2,  47  (49):  ante  tempora  Augusti  publice  re- 
spondendi  ius  non  a  principibus  dabatur,  sed  qui  fiduciam  stadiorum  suo- 
ram  habebant  consulentibns  reBpondebant.  .  .  primus  divus  Augustus, 
ut  maior  iuris  auctoritas  haberetur,  constituit  ut  ex  auctoritate  eiua  re- 
Bpondereut. 

')  GajuB  Inst.  I,  7:  respouBa  prudentium  sunt  seilten tiae  et  opiniones 
eonim  quibus  permisBum  est  iura  condere.  quorum  omnium  si  in  unum 
sententiae  concurrant,  id  quod  ita  sentiunt  legis  vicem  optinet.  Sen.  Epist. 
94,  27:  iurisconsnltorum  valent  responaa,  etiam  si  ratio  non  redditur. 

")  Pompon.  Dig.  I,  2,  2,  47;  hi  duo  (Labeo  und  Capito)  primum  veluti 
diversas  sectas  fecerunt;  nam  Ateius  Capito  in  bis  quae  ei  tradita  fuerant 
perseverabat,  Labeo  ingenii  qualitate  et  fiducia  doctrinae,  qui  et  ceteris 
operis  sapientiae  operam  dederat,  plurima  innovare  instituit.  Wexln  hie- 
nach  Labeo  als  Rationalist,  Capito  als  Positivist  sieb  bezeichnen  lässt,  so 
hebt  Rudorff  (Rom.  Rcchtsgesch.  L  S.  182)  daneben  hervor  dass  die  Sabi- 
nianer  der  neuen  Staatsordnung  zugeneigt  waren,  die  Proculianer  den 
älteren  Grundlagen  des  Rechts,  und  dass  dieser  Gegensatz  seine  Bedeutung 
verlor  nachdem  Hadrian  durch  Julianus  das  geltende  Rechte  hatte  codifi^^ 
eieren  lassen.    Vgl.  Bremer,  die  Rechtslehrer  (1868)  S.  68 — 71. 


216.   Charakteristik  and  Uebersicht.  421 

betrieben  ^)  und  Streben  nach  hellenischer  Formvollendung  zum 
Gesetze  gemacht.  Die  Form  wird  um  so  wichtiger  je  mehr 
man  in  den  Stoffen,  nothgedrungen  und  aus  Wahl,  sich  be- 
schränkt und  Rücksichten  walten  lässt.  Prosodie  und  Metrik 
bewahrte  die  Strenge  die  sie  durch  die  alexandrisierenden  Dichter 
der  ciceronischen  Zeit  gewonnen  und  trug  sie  auf  neue  Formen 
über;  auch  die  volksmässige  Vocal verschleif ung  wurde  mehr  und 
mehr  eingeschränkt.^)  Indessen  was  an  Kunst  gewonnen  wurde 
gieng  an  Popularität  verloren:  man  dichtete  für  einen  erlesenen 
Kreis  von  Kennern  und  Freunden  und  für  die  Nachwelt,  und 
rächte  sich  für  den  Mangel  an  Fühlung  niit  dem  Volke  durch 
gespreizte  Missachtung  desselben.^)  Je  fremder  man  aber  dem 
Volke  wurde,  um  so  mehr  sah  man  sich  auf  die  höheren  Re- 
gionen angewiesen:  die  Kunstdichter  wurden  zu  Hof  dichtem,  und 
diess  steigerte  wiederum  das  Misstrauen  und  die  Abneigung 
gegen  sie.  So  sehen  wir  die  augusteischen  Dichter,  an  ihrer 
Spitze  Horaz,  in  fortwährendem  Kampfe  mit  einer  Gegenströ- 
mung, welche  die  alten  nationalen  Dichter  hochhält  und  in 
diesen  Cultus  wohl  auch  viel  sonstige  Unzufriedenheit  mit  der 
Gegenwart  kleidet.  Erst  mit  dem  Absterben  der  älteren  Gene- 
ration gewann  die  neue  Richtung  allmählich  mehr  Boden.*) 

Neben  dieser  allgemeinen  Förderung  durch  die  Verhältnisse 
fanden  die  Vertreter  der  neuen  Poesie  auch  noch  unmittelbare 
Unterstützung  durch  die  Machthaber,  zum  Theil  aus  persönli- 
cher Liebhaberei,  noch  mehr  aber  aus  politischer  Berechnung. 
August  selbst  liess  es  nicht  an  Aufmunterungen  aller  Art  feh- 
len^), und  seine  Freunde  wurden  die  Mittelpunkte  literarischer 
Kreise,    unter   denen   es   zwar   nicht   ohne   Eifersüchteleien    ab- 


')  Das  Versemachen  wurde  förmlich  gelernt;  s.  oben  197,  1.  Martial. 
IV,  61,  3  f.:  in  echola  poetarum  dam  fabulamur. 

*)  L.  Muller,  de  re  metr.  p.  74  u.  281  f.  W.  Corssen,  Vocalismus  II. 
S.  199  f.  Besonders  streng  sind  in  dieser  Hinsicht  Ovid,  der  Verf.  des 
Culex,  Gratius  Faliscus  und  Manüius. 

*)  malignum  spernere  volgus.  Hör,  0.  II,  16,  39  f.  Vgl.  lU,  1,  1:  odi 
profanuni  volgus  et  arceo.  Epi.  I,  19,  37:  non  ego  ventosae  plebis  suffragia 
venor.  Ps.  Vergil.  Catal.  11,  64:  pingui  nil  mihi  cum  populo.  Ps.  TibuU. 
ni,  3,  20:  falso  plurima  volgus  amat. 

^)  Hör.  0.  IV,  3,  14  ff.  (et  iam  dente  minus  mordeor  invido). 
^)  Suet.  Aug.  89:  ingenia  saeculi  sui  omnibus  modis  fovit. 


1 


422  Augusteißche  Zeit.    J.  711—767  d.  St. 

^eng  ^),  die  aber  «m  ihrem  gemeinsamen  Yerhältniss  zu  Augustus 
Zusammenhang  und  Stimmung  hatten.  Obenan  stand  der  Kreis 
des  Maecenas^  in  welchem  Horaz  zwar  nicht  das  älteste^  aber 
sehr  bald  das  durch  Selbständigkeit  des  Charakters ^  Schärfe  des 
Verstandes  und  künstlerische  Begabung  hervorragendste  Mitglied 
war.  Ausser  ihm  gehorten  dazu  Yergilius  und  L.  Yarius^  Plotius 
Tucca^  Quintilius  Yarus^  Aristius  Fuscus,  Domitius  Marsus^  Me- 
lissus  und  Andere^);  später^  als  Horaz  sich  mehr  und  mehr  aus 
Rom  zurückzog,  auch  der  von  diesem  nie  genannte  Propertius.^ 
Die  entschieden  gouvemementale  Färbung  dieses  Ejreises  theilte 
sich  immer  mehr  den  einzelnen  Mitgliedern  mit.  Politisch  zu- 
rückhaltender war  der  des  Messala;  wenigstens  findet  sich  bei 
dessen  ausgezeichnetstem  Mitgliede,  Tibull,  des  Augustus  Name 
niemals.  Andere  Angehörige  desselben  waren  Messala's  Bruder 
Pedius  Poplicola,  Aemilius  Macer,  Yalgius  Rufus,  Lygdamus, 
Sulpicia,  der  Yerfasser  der  Ciris  und  der  Elegie  auf  Messala^), 
Lynceus,  zum  Theil  auch  Ovid.^)  Asinius  PoUio  machte  sich 
vorzugsweise  durch  Kritisieren  geltend,  und  der  oppositionelle  An- 
strich den  er  hatte  bewirkte  dass*  nur  die  unabhängigsten  Mit- 
glieder anderer  Kreise,  wie  Horaz,.  sich  in  seinen  Bereich  wagten. 
Erst  als  Augustus  feststand,  überhoben  der  Nothwendigkeit  sich 
Zwang  anzuthun,  und  allein  stand,  verlassen  von  den  Geföhrten, 


^)  Vgl.  San.  Controv.  II,  12,  12  f.  p.  154  f.  Bu.  Dergleichen  spiegelt 
sich  wohl  in  dem  Urteil  welches  Agrippa  über  die  poetische  Art  des  Vergil 
fällte.  Donats  vita  Verg.  44  (62):  M.  Yipsanins  a  Maecenate  enm  sup- 
positum  appellabat  novae  cacozeliae  repertore  (Var.  repertorem),  non  tu- 
midae  nee  ezilis,  sed  ex  communibus  verbis  atque  ideo  latenÜs.  Dagegen 
freundliche  Urteile  über  Vergil  von  Maecenas  bei  Sen.  snas.  p.  6  f.  17, 
26  Bn. 

«)  Vgl.  Hör.  S.  I,  10,  81  ff.  Ep.  I,  3.  Auch  s.  Ovid  Trist.  IV,  10,  41  ff. 
Martial.  VIII,  56. 

')  Umgekehrt  nennt  Propertius  (s.  d.)  gleichfalls  nie  den  Horaz,  spielt 
aber  öfters  auf  Stellen  desselben  an.  Ebenso  übergeht  Ovid  den  Horaz  in 
seiner  Aufzählung  A.  A.  III,  333  ff.,  polemisiert  gegen  ihn  (S.  II,  5,  10  ff.) 
ib.  II,  271  f.,  und  ertheilt  ihm  erst  nach  seinem  Tode  das  ziemlich  magere 
Tiob:  tenuit  nostras  numerosus  Horatius  aures  (Trist.  IV,  10,  49  f.).  Es 
mag  sein  dass  Horaz  seine  geistige  und  gesellige  Ueberlegenheit .  jüngeren 
Männern  gegenüber  manchmal  auf  eine  ffir  diese  drückende  Art  geltend 
machte. 

*)  Vergil.  Catal.  11. 

^)  Vgl.  ex  Pont.  I,  7,  28  f.  an  Messalinus:  nee  tuus  est  genitor  nos  in- 
fitiatus  amicos,  hortator  studii  causaque  faxque  mei.    Trist.  FV,  4,  27  ff. 


216.    Charakteristik  und  Uebersicht.  423 

Freunden  und.  Rathgebern  seiner  besten  Jahre,  die  ihm  alle  im 
Tode  vorausgiengen,  in  seinem  engsten  Familienkreise  derer  be- 
raubt die  er  liebte  und  auf  die  beschränkt  die  er  nicht  liebte, 
überdiess  greisenhaft  grämlich  und  unduldsam  geworden  war,  da 
flackerte  ab  und  zu  etwas  auf  von  dem  Octavianus  der  Pro- 
scriptionen, der  das  Unbequeme  am  liebsten  gründlich  beseitigte, 
und  er  ergriff  da  Massregeln  wie  gegen  Labienus,  Cassius  Se- 
verus  und  Ovid.  In  seinen  früheren  Jahren  aber  hatten  die 
Talente  sich  vielmehr  vorzusehen  dass  sie  durch  seine  Freund- 
lichkeiten sich  nicht  aus  ihrer  naturgemässen  Bahn  bringen 
Hessen;  und  für  die  Gelehrten  sorgte  er  durch  Anlegung  öffent- 
licher Büchersammlungen,  womit  schon  Asinius  Pollio  nach  seinem 
dalmatischen  Triumphe  (J.  715)  vorangegangen  war  und  nun 
Octavian  nachfolgte  durch  seine  Octaviana  (J.  721)^)  und  die 
am  Tempel  des  palatinischen  Apollo  (J.  726). 

In  Folge  dieser  planmässigen  Begünstigung  -literarischer 
Thätigkeit  gab  es  in  der  augusteischen  Zeit  zu  Bom  eine  Un- 
zahl von  Dichtem  und  Dichterlingen^),  auch  unter  dem  weib- 
lichen G^schlechte  (wie  Sulpicia,  Cynthia  und  Perilla),  und  die 
Vorträge  schriftstellerischer  Arbeiten  vor  einem  eingeladenen 
Publicum,  bald  vor  Jedermann  der  kommen  mochte*),  sowie  die 
Declamationen  wurden  allmählich  zu  einem  Ersätze  und  Abieiter 
für  die  früheren  Yolksversamndungen.  Diese  recitationes  hatten 
zwar  wohl  eine  Anknüpfung  an  dem  alten  collegium  poetarum^); 
aber  erst  Asinius  Pollio  schuf  sich  in  ihnen  eine  Entschädigung 
für  die  verkümmerte  öffentliche  Wirksamkeit^),  und  sie  entspra- 


^)  Dio  XLIK,  43  extr.    Am  Theater  des  Marcellus. 

*)  Hör.  Ep.  II,  1,  108  ff. 

^)  Vgl.  Sen.  Controv.  X.  praef.  4  (p.  292  Bu.):  T.  Labienus  .  .  decla- 
mavit  Qon  quidem  populo,  sed  egregie.    non  admittebat  populum,  et  quia 
nondum   haec   consuetudo   erat  inducta  et  qdia  putabat  turpe  ac  frivolae 
iactationis. 
.     *)  Vgl.  oben  92,  6.   129,  3. 

*)  Sen.  Controv.  FV.  praef.  2  (p.  375  Bn.):  Pollio  Asinius  numquam 
admissa  multitudine  declamavit  (vgl.  oben  A.  3),  nee  illi  ambitio  in  studiis 
defuit:  primus  enim  omnium  Bomanorum  advocatis  hominibua  scripta  sua 
recitavit.  Suet.  Aug.  89:  recitantes  et  benigne  et  patienter  audiit,  nee  tan- 
tum  carmina  et  historias  sed  et  orationes  (z.  B.  Sen.  controv.  II,  12,  12  f.)  et 
dialogos.  Zur  Organisation  dieser  recitationes  vgl.  Tac.  dial.  9^  17  ff.  Mich. 
Plin.  Ep.  VIII,  12.  luvenal.  VII,  40  ff.  Suet.  Claud.  41.  K.  Lehrs,  popu- 
läre Aufsatze  (1856)  S.  175  ff. 


424  Augusteische  Zeit.   J.  711—767  d.  St. 

chen  so  sehr  depi  Geiste  der  Zeit  dass  sie  seitdem  nicht  wieder 
erloschen  und  bald  zu  einer  Macht  wurden  welche  über  den 
Erfolg  der  Schriftsteller  entschied  ^  aber  auch  durch  den  Beifall 
der  Clique  manches  untergeordnete  Talent  über  sich  selbst  ver- 
blendete. 

Unter  den  verschiedenen  Grattungen  der  Poesie  findet  na- 
mentlich das  Spos  und  die  ihm  verwandten  Arten  des  Lehrge- 
dichts und  des  Idylls  durch  Vergilius  Anbau  und  Vervollkomm- 
nung. Soweit  das  Epos  der  Gegenwart  unmittelbar  zugekehrt 
ist  tritt  es  nur  als  Lobgedicht  auf.^)  Die  Satire  wird  durch 
Horaz  verjüngt;  aber  ihrer  Voraussetzung,  republikanisch  freier 
Bewegung,  entbehrend  beschränkt  sie  sich  auf  persönliche,  li- 
terarische und  sociale  Stoffe  und  verlässt  bald  den  Kampfplatz, 
um  im  poetischen  Briefe  später  in  harmloserer,  zeitgemässerer 
Gestalt  wieder  zu  erstehen.  Zur  höchsten  Blüte  gelangt  die 
Lyrik.  Das  Melos  gewinnt  an  Horaz  einen-  Bearbeiter  zwar 
nicht  von  ursprünglich  poetischem  Geiste,  aber  desto  grösserer 
Reife  des  Urteils,  Vielseitigkeit  der  Bildung,  Strenge  und  Fein- 
hörigkeit für  die  Form,  und  sich  frei  erhaltend  von  ^m  Miss- 
griffe der  Früheren,  welche  die  Alexandriner  zu  Vorbildern  ge- 
wählt hatten.  Die  Elegiker  können  sich  zwar  von  diesen  Vor- 
gängern nicht  ganz  trennen,  übertreffen  sie  aber  durch  Geist 
und  echtes  Leben.  Aufgenommen  durch  Cornelius  Gallus  er- 
reicht die  erotische  Elegie  in  TibuU  die  klare  Lieblichkeit 
hellenischer  Erzeugnisse,  bereichert  sich  durch  Propertius  an 
Manchfaltigkeit  der  Stoffe  und  erreicht  durch -Ovidius  eine  Leich- 
tigkeit und  Vollendung  der  Form  welche  niu'  wetteifert  mit  der 
Leichtfertigkeit  des  Inhaltes.  Dagegen  das  Drama  findet  noch 
immer  kein  Gedeihen.^)  Von  der  Gegenwart  abgekehrt  wird  die 
Tragödie  gelehrt  und  wirkungslos;  die  Komödie  kann  vor  dem 
Ernste  der  nächsten  Vergangenheit  und  der  Empfindlichkeit  der 
Gegenwart  nicht  aufkommen;  des  Melissus  trabeata  bleibt  ganz 
vereinzelt.  Die  schlaffe  Menge  weidet  sich  lieber  an  prunkvoller 
Scenerie  und  üppiger  Pantomimik,  die  auch  Maecenas  begünstigt: 
auf  Aesopus  folgt  Pylades  und  Bathyllus  auf  Roscius. 

Auch  die  Prosa  tritt  in  dieser  Zeit  zurück.  Sie  hat  zwar 
in  Livius  noch  einen  Stilisten  ersten  Ranges;  aber  schon  dieser 


')  0.  Haube,  de  carminibus  epicis  saeculi  Augusti,  Breslau  1870.  36  pp. 
*)  Vgl.  oben  S.  261. 


216.    Charaktcrintik  und  Uebersicht.  425 

verräth  in  einer  gewissen  poetischen  Färbung  seiner  Parstellung 
den  Abfall  von  der  strengen  Classicität  und  das  Nahen  des  sil- 
bernen Zeitalters.  Die  anderen  Prosaisten  sind  meist  Techniker 
irgend  welcher  Art,  welchen  es  überwiegend  um  ihren  Gegen- 
stand zu  thun  ist.  So  besonders  Julius  Hyginus,  Verrius  Flaccus, 
Sinnius  Capito,  Vitruvius  Pollio  und  die  Juristen  Antistius  Labeo, 
Atejus  Capito  und  Andere.  Für  die  Philosophie  fehlt  es  weder 
an  Antrieben  noch  an  Interesse.  August  selbst  yerfasst  Horta- 
tationes  ad  philosophiam  und  T.  Livius  philosophische  Schriften. 
Vergil  hat  die  Absicht  sich  auf  die  Philosophie  zurückzuziehen, 
und  Horaz  führt  es  aus;  auch  der  Verfasser  der  Ciris  und  Lyn- 
ceus,  sowie  Iccius  schwärmen  dafür.  Aber  ein  eigentlicher  Fach- 
schriftsteller ist  doch  nur  Sextius,  und  dieser  in  griechischer 
Sprache.  Die  Andern  verstehen  unter  Philosophie  Grundsätze 
für  das  Leben,  und  dabei  gehen  die  Meisten  von  der  Ueber- 
zeugung  aus  dass  aller  irdische  Glanz  und  alle  menschliche 
Weisheit  nichtig  sei.  Daraus  ziehen  sie,  je  nach  ihrer  Stimmung 
und  Art,  bald  ernsthafte,  bald  lockere  Folgerungen,  immer  aber 
den  praktischen  Grundsatz  dass  es  vergeblich  und  thöricht  wäre 
gegen  das  in  Staat  und  Kirche  Bestehende  anzukämpfen.  Viel- 
mehr wird  das  was  ein  Gebot  äusserlicher  Nothwendigkeit  war, 
die  Abkehr  von  öffentlicher  Thätigkeit,  von  den  Meisten  als 
ihre  eigene  Wahl  gesetzt,  der  Grundsatz  sich  auf  sich  selbst  zu 
stellen  zu  einem  System  des  Subjectivismus,  einer  Art  prakti- 
scher Philosophie  ausgebildet,  deren  bewusstester  und  beredtester 
Wortföhrer  wiederum  Horaz  ist.  Durch  diese  freiwillige  An- 
erkennung der  äusserlich  gezogenen  Schranken  erhält  die  Litera- 
tur dieser  Zeit  etwas  Egoistisches  und  Resigniertes. 

XJeberhaupt  bewirkt  die  Gleichheit  der  einwirkenden  Ver- 
hältnisse hei  den  augusteischen  Schriftstellern  eine  gewisse 
Gleichförmigkeit.  Zwar  ist  Anfengs  ein  Unterschied  zwischen 
der  älteren  Generation,  deren  Jugend  noch  in  die  Zeit  der  Re- 
publik und  der  Bürgerkriege  fiel,  und  der  jüngeren,  die  ganz 
unter  der  Monarchie  aufgewachsen  war;  aber  bald  breitet  der 
Frieden  und  der  milde  Despotismus  seine  erschlaffenden  Wir- 
kungen über  Alle  gleichmässig  aus,  und  Junge  wie  Alte  preisen 
um  die  Wette  das  Glück  einer  iners  vita,  des  Schlummems  an 
einem  murmelnden  Bache  ^),  vertändeln  Zeit  und  Eunst  an  ero- 


')  Vgl.  W.  TeuflFel  zu  Horaz  S.  11,  6,  61.  S.  164. 


426  Augustciache  Zeit.   J.  711—767  d.  St. 

tischen  Spi^len  mit  Angehörigen  des  demi-monde,  sehnen  sich  in 
Augenblicken  der  Uebersättigung  nach  der  gesunden  Einfachheit 
der  Natur,  und  suchen  das  Gefühl  der  verlorenen  Freiheit  und- 
Selbstachtung  zu  betäuben  durch  pomphafte  Verkündigung  ihrer 
Unsterblichkeit.  Aber  einem  so  klaren  Geiste  wie  Horaz  verleiht 
die  stille  Einsicht  in  die  Hohlheit  und  Heuchelei  der  ganzen 
Zeit  einen  Zug  der  sich  bald  als  leise  Ironie  bald  als  Wehmut 
bald  als'  tiefe  Verstimmung  ausprägt. 

Am  deutlichsten  tritt  der  Unterschied  der  Generationen  zu 
Tage  auf  dem  Gebiete  der  Beredtsamkeit,  wo  den  wenigen 
Rednern  welche  noch  aus  der  republikanischen  Zeit  stammen 
innerhalb  des  jüngeren  Geschlechtes  nur  Rhetoren  entsprechen, 
anfänglich  allerdings  solche  in  welchen  die  Erinnerung  an  die 
alte  Zeit  noch  lebendig  ist,  wie  Cassius  Severus  und  theilweise 
auch  der  Vater  Senecaj  aber  die  anderen  Grössen  der  Decla- 
mation  und  Rhetorik  aus  der  augusteischen  Zeit,  ein  Porcius 
Latro,  Albucius  Silus,  lunius  Gallio,  Cestius  Pius,  Rutilius  Lu- 
pus u.  A.,  lassen  sich  in  ihrer  Weise  von  denen  des  nachfol- 
genden Jahrhunderts  kaum  unterscheiden. 

1.  E.  HOck,  römische  Geschichte  vom  Verfall  der  Republik  u.  s.  w. 
I,  2  (Braunschweig  1843)  S.  341 — 370.  A.  E.  Egger,  ezamen  critique  des 
historiens  anciens  de  la  vie  et  du  rägne  d* Auguste  (Paris  1844),  bes.  p.  59 
—74.  F.  D.  Gerlach,  das  Zeitalter  Augustes,  Basel  1849.  A.  W.  Schmidt, 
Geschichte  der  Denk-  und  Glaubensfreiheit  im  ersten  Jahrh.  der  Kaiser* 
herrschaft  (Berlin  1847),  S.  35—65.  260  ff.  290  ff.  (carikiert).  C.  Merivale, 
history  of  the  Romans  IV  (London  1862),  p.  538  —  587.  G.  Bernhardy, 
Grundriss  der  röm.  Literatur,  fünfte  Bearbeitung ,  (Braunschweig  1869),  S. 
254—285.  C.Peter,  Geschichte  Roms  III.  (1867)  S.  95—134.  C.  Campe,  lite- 
rarische' Tendenzen  und  Zustande  zu  Rom  ini  Zeitalter  des  Horaz,  in  Fleck- 
eisen's  Jahrbb.  103,  S.  463—479.  537—554. 

L   Die  leitenden  Männer. 

207  217.  Die  leitenden  Männer  der  Zeit  waren  alle  zugleich 
selbst  literarisch  thätig.  August  (J.  691  —  767  d.  St.)  verfasste 
mancherlei  in  gebundener  Form^  noch  mehr  in  Prosa^  namentlich 
Autobiographisches  und  eine  Uebersicht  seiner  Regierungsthätig- 
keit  die  uns  durch  das  Monumentum  Ancyranum  grösstentheils 
erhalten  ist.  Auch  Briefe  von  ihm  waren  lange  im  Umlauf. 
Maecenas  (um  685 — 746)  war  als  Prosaist  berüchtigt  durch 
seinen  gezierten  Stil  und  rerfasste  daneben  Tändeleien,  in  rer- 
schiedenen  Versmassen.   Auch  Agrippa  (691 — 742  d.  St.)  schrieb 


•216  f.    Die  leitenden  Männer.    August.  427 

Memoiren,  und  unter  seiner  Leitung  wurde  die  Vermessung  des 
romischen  Reiches  vollendet.  Die  Ergebnisse  dieser  Arbeiten 
legte  er  in  commentarii  nieder  und  veranlasste  die  Anfertigung 
einer  Karte  des  ganzen  Reiches. 

1.  C.  OctaviuB  C.  f.,  geb.  23.  September  691  =  63  v.  Chr.,  von  Caesar 
testamentarisch  adoptiert  nnd  seitdem  Caesar  Octavianus.  Schlacht  bei 
Actium  2.  Sept.  723.  Titel  Augustus  seit  Anfang  727.,  f'19.  August  767 
=  14  n.  Chr.    K.  Höck,   röm.  Geschichte   vom  Verfall    der  Bepublik  an, 

I,  1  (Braunschweig  1841)  S.  219  —  426.  2  (Braunschweig  1843)  S.  1  —  121, 
W.  Teuffei  in  Pauly's  Real-Enc.  V.  (1847.)  S.  827—844.  Beul^,  Auguste, 
sa  famille  et  ses  amis,  Paris  1867.  363  pp.  Ueber  seine  Schriften:  Augusti 
imperatoris  fragmenta  cur.  I.  A.  Fabricius,  Hamburg  1727.  4.  A.  Weichert, 
de  imp.  Caeparis  Augusti  scriptis  commentatio  I.  IL  Grimma  1835  f.,  und 
Imp.  Caesaris  Augusti  operum  reliquiae,  Grimma  1841  —  46.    4. 

2.  Sneton.  Aug.  84:  eloquentiam  studiaque  liberalia' ab  aetate  prima 
et  cupide  et  laboriosissime  exercuit.  .  .  neque  in  senatu  neque  apud  po- 
pulum  neque  apud  milites  locutus  est  umquam  nisi  meditata  et  composita 
oratione.  .  .  pronuntiabat  dulci  et  proprio  quodam  oris  sono.  86:  genus 
eloquendi  secutus  est  elegans  et  temperatum,  vitatis  senientiarum  ineptiis 
atque  concinnitate ,  .  .  praecipuamque  curam  duxit  sensum  animi  quam 
apertissime  exprimere.  Tac.  A.  XIII,  3:  Augusto  prompta  ac  profluens 
quaeque  deceret  principem  eloquentia  fuit.  Fronto  Epist.  p.  123  N.:  Au- 
gustum  .  .  eleganter  et  latine,  linguae  etiamtum  integro  lepore  potius  quam 
dicendi  ubertate  praeditmn  puto.  Leichenrede  fär  «eine  avia  Julia  im  zwölf- 
ten Jahre  (Suet.  8.  Quintil.  XII,  6,  1.  Nikol.  Dam.  Aug.  3),  auf  M.  Marcellus 
J.  731  (Dio  LIU,  80.  Serv.  Aen.'I,  712),  auf  Agrippa  J.  742  (Dio  LIV,  28), 
seine  Schwester  Octavia  J.  743  (Dio  LIV,  35.  Suet.  61),  Drusus  J.  745 
(Suet.  Claud.  1.    Liv.  CXL.    Dio  LV,  2). 

3.  Suet.  85:  multa  varii  generis  prosa  oratione  composuit,  ex  quibus 
nonnulla  in  coetu  familiarium  velut  in  auditorio  recitavit,  sicut  Rescripta 
Bruto  de  Catone  (vgl.  oben  212,  2),  .  .  item  Hortationes  ad  philosophiam  et 
aliqua  de  vita  sua,  quam  tredecim  libris  (vgl.  A.  5),  Cantabrico  tenus  hello 
nee  ultra,  exposuit.  Flut,  compar.  Demosth.  c.  Cic.  3:  6  Kataaq  iv  toig  ngög 
UyQinnav  xal  Mcci%rjvav  vnofivrifiaeiv;  vgl.  Brut.  27.  41  (iv  rotg  vTcoikvi^- 
fiaaiv).  Suet.  Cland.  1:  nee  contentus  elogium  tomulo  c^ius  (des  Drusus) 
versibus  a  se  compositis  inscnlpsisse,  etiam  vitae  memoriam  prosa  oratione 
composuit  (Angustua).  Aus  seinen  Briefen  s.  Suet.  Caes.  56  (brevem 
admodum  ac  simplicem).  Aug.  69.  71.  76.  86.  Claud.  4.  gramm.  16.  Tac. 
dial.  13  (an  Vergilius,  vgl.  unten  224,  1).  Briefe  an  Horaz  in  dessen  vita 
von  Suetou.    Brief  an  Maecenas  bei  Macrob.  II,  4,  12  (vgl.  0.  Jahn,  Hermes 

II.  S.  247  f.)  und  bei  Sueton.  vita  Horatii.  Angustua  in  epistolis  ad  C. 
Caesarem,  Qnintil.  I,  6,  19.  vgl.  ib.  7,  22. 

4.  Snet^  101:  tribus  volnminibus,  uno  mandata  de  funere  suo  com- 
plexus  est,  altero  indicem  rernm  a  se  gestarum,  quem  vellet  incidi  in  ae- 
neis  tabulis  quae  ante  Mausoleum  statuerentur ,  tertio  breviarium  totius 
imperii,  quantum  militum  sub  signis  ubique  esset,  quantum  pecuniae  in 


428  AiigUBteißche  Zeit.   J.  TU— 767  i  St. 

aerai-io  et  fiscis  et  vectigaliorum  residuis.  Tao.  A.  I,  11:  proferri  libellum 
recitarique  iuesit  (Tiberius).  opes  publicoe  continebantar,  quantum  civiam 
sociorumque  in  armis,  quot  classes,  regna,  provinciae,  tributa  aut  vectigalia 
et  necessitates  ac  largitiones.  quae  cuncta  sua  manu  perscripserat  Augustus 
addideratque  consilium  coercendi  intra  terminos  imperii.  Vgl.  Dio  LVI,  33. 
Von  dem  iudex  wurden  Abschriften  gemacht  für  Tempel  des  Augustus  in 
den  Provinzen;  so  für  das  Augusteum  in  ApoUpnia  (C.  I.  gr.  3971),  wovon 
noch  ein  kleiner  Theil  in  griechischer  Uebersetzung  erhalten  ist  (Mommsen, 
res  gestae  d.  Aug.  p.  XXIV),  und  für  den  Augustustempel  zu  Ankyra  in 
Galatien.  Letztere  Abschrift  ist  im  lateinischen  Original  sowie  in  griechi- 
scher Uebersetzung  grösstentheils  aufgefunden  und  veröfifentlicht:  das 
Monumentum  Ancyranum,  von  welchem  G.  Perrot  1861  einen  weiteren 
Theil  (den  ersten  des  griechischen  Textes)  entdeckte.  Vollständige  Aus- 
gabe niit  ausführlichen  Erörterungen  in:  Res  gestae  divi  Augusti.  ex 
monumentis  Ancyrano  et  Apolloniensi  ed.  Th.  Mommsen,  Berlin  1865.  A.  W. 
Zumpt,  de  mon.  Anc.  supplendo,  Berlin  1869.  24  pp.  4.  Ausgaben  des 
früher  Bekannten  in  Egger's  Examen  critique  p.  421  —  466;  ex  reliquiis 
graecae  intcrpretationis  restituit  J.  Franz,  commentario  perpetuo  instruxit 
A.  W.  Zumpt,  Berlin  1846.  4.;  hinter  Orelli's  Tacitus  I.  p.  671—591.  Theile 
des  Index  scheinen  von  August  schon  im  J.  750  verfasst  zu  sein  (Mommsen 
p.  XLU  und  37.  W.  Brambach,  Rhein.  Mus.  XX.  p.  606);  die  Schluss- 
rcdaction  aber  (oder  die  letzten  Zusätze)  erfolgte  im  Sommer  767;  s.  Momm- 
sen p.  3  f. 

5.  Suet.  Aug.  85:  poetica  summatim  attigit.  unus  Über  exstat,  scriptus 
ab  eo  hexametris  versibus,  cuius  et  argumentum  et  titulus  est  Sicilia;  ex- 
stat alter  aeque  modicus  Epigrammatum  (vgl.  Martial.  XI,  20),  quae  fere 
tempore  balinei  meditabatur.  nam  tragoediam  magno  impetu  exorsus,  non 
Buccedenti  stilo,  abolevit,  quaerentibusque  amicis  (den  L.  Varius  nennt 
Macrob.  II,  4,  2),  quidnam  Aiax  ageret,  respondit  Aiacem  suum  in  spon- 
giam  incubuisse.  Suidas  v.  Avyovatog  KaCaccQ  (I.  p.  861  B.):  iyQatpe  nsQl 
toü  l8Cov  ßiov  xofl  Twv  ngd^ecov  ßißUa  ly  (s.  Anm.  3)  xal  t^ay tpSiav 
AiavTog  xb  xal  'AxMstog.  Letztere  wird  wohl  das  gleiche  Schicksal  gehabt 
haben  wie  der  Aias. 

'6.  C.  Maecenas  (z.  B.  Tac.  A.  XIV,  53;  ib.  VI,  11:  Cilnium  Maece- 
nat^m,  cquestris  ordinis;  vgL  Macrob.  II,  4,  12:  Cilnioi*um  smaragde)  aus 
einem  vornehmen  etrurischen  Geschlechte,  geboren  id,  April.  (Hör.  0.  IV, 
11,  14  —  20)  wahrscheinlich  zwischen  680  und  690  d.  St.  Erstmals  von 
Octavian  Terwendet  finden  wir  ihn  J.  714  (Appian.  b.  c.  V,  53)  und  seit- 
dem Öfters  namentlich  zu  diplomatischen  Missionen,  wenn  es  galt  zu  ver- 
mitteln und  zu  versöhnen,  wofür  Mäcen's  weiche  friedliche  Natur  besonders 
geeignet  war.  Ebenso  empfahl  ihn  sein  Mangel  an  ernsthaftem  Ehrgeiz 
(neben  grosser,  aber  harmloser  Eitelkeit)  für  Vertrauensstellungen  wie  in 
Rom  nach  der  Schlacht  bei  Actium,  während  er  im  Kriege  niemals  eine 
bedeutende  Rolle  spielte;  s.  Frandsen  S.  24  S.  40  ff.  Nach  T.  Gallus  in 
Schol.  Verg.  Ge.  I,  2  Maecenas  proefectus  praetorio  fuit;  s.  Mommsen, 
Rhein.  Mus.  XVI.  S.  448.  Ums  J.  731  d.  St.  (s.  W.  Teuffei  in  der  Ztschr. 
f.  d.  Alt  Wiss.  1846,  S.  608  ff.)  gieng  er  mit  Terentia  eine  Ehe  ein  welche 


217.   Die  leitenden  Männer.   Angnstus.   Maecenas.  429 

durch  Angust's  Rücksichtslosigkeit  eine  Quelle  von  Qualen  für  ihn  wurde. 
Er  starb  nach  längerem  Kränkeln  J.  746  (Dio  LV,  7). 

7.  Beste  Charakteristik  des  Maec.  von  Vellej.  II,  88,  2^  C.  Maecenas, 
equestri  sed  splendido  genere  natus,  vir  ubi  res  vigiliam  ezigeret  sane  exsom- 
nis,  providens  atque  agendi  sciens,  simul  vero  aliquid  .ex  negotio  remitti 
posset,  otio  ac  mollitiis  paene  ultra  feminam  fluens;  nou  minus  Agrippa  Caesari 
carus  (und  nützlich),  sed  minus  honoratus;  .  .  nee  minora  consequi  poterat, 
sed  non  tarn  concupivit.  Einseitig  Seneca,  der  ihm  gegenüber  von  seinem 
(theoretischen)  Stoicismus  wohlfeilen  Gebrauch  macht.  Besonders  Epist. 
114,  4:  quomodo  Maecenas  yizerit  notius  est  quam  ut  narrari  nunc  debeat, 
quomodo  ambulaverit,  quam  delicatus  fuerit,  quam  cupierit  videri,  quam 
vitia  sua  latere  noluerit.  quid  ergo?  non  oratio  eins  äeque  soluta  est  quam 
ipse  discinctus?  non  tam  insignita  illius  verba  sunt  quam  cultus,  quam 
comitatns,  quam  domus,  quam  uxor?  magni  vir  ingenii  fuerat  (Epist.  92,  35 
sogar:  habuit  ingenium  et^rande  et  virile,  und  19,  9  ingeniosus  vir)  si  .  . 
non  etiam  in  oratione  difftneret.  videbis  itaque  eloquentiam  ebrii  hominis, 
involutam  et  errantem  et  licentiae  plenam.  Folgt  (6)  eine  Probe  aus  Mae- 
cenas de  cultu  suo  und  darauf  (6)  die  Reflexion:  non  statim  cum  haec 
legeris  hoc  tibi  occurret  hunc  esse  qui  ^olutis  tunicis  in  urbe  semper  in- 
cesserit?  .  .  hunc  esse  qui  .  .  in  omni  publico  coetu  sie  adparuerit  ut  pallio 
velaretur  caput  exclusis  utrimque  auribus  .  .?  hunc  esse  cui  .  .  comitatus 
hie  fuerit  in  publico,  spadones  duo  .  .?  hunc  esse  qui  uxorem  miliens  duxit, 
cum  unam  habuerit?  u.  s.  f.  Vgl.  Epist.  19,  9.  92,  36.  101,  10  ff.  120,  19. 
Dial.  I  (de  provid.),  3,'  10  f.  Aber  diese  moUities  (Sen.  Ep.  114,  7  f.)  war 
gewiss  mit  berechnet,  um  seiner  Person  und  Stellung  ein  möglichst  harm- 
loses Aussehen  zu  geben.  ^ 

8.  Maecenas  in  eo  libro  qui  Prometheus  inscribitur  (Sen.  Ep.  19,  9)  in 
Prosa;  Maecenas  in  dialogo  II  bei  Chans.  I.  p.  146  K.  Maecenas  in  Octaviam 
(Prosa)  bei  Priscian  X.  p.  536  Htz.  Serv,  Aen.  VIII,  310:  Maecenas  in 
Symposio,  ubi  (cui)  Vergilius  et  Horatius  interfuerunt,  cum  ex  persona 
Messalae  de  vino  loqueretur  ait  (in  Prosa).  Sen.  de  benef.  IV,  36,  2.  — 
Servius  zu  Vergil.  Georg.  II,  42:  constat  Maecenatem  .  .  plura  composuisse 
carmina.  Hexameter  bei  Sen.  Ep.  92,  35.  Chans.  I.  p.  79  f.  E.  (vgl. 
Grammat.  lat.  V.  p.  575,  1)^  Diomed.  I.  p.  366  P.  =»  369  E.,  wohl  auch 
Grammat.  lat.  V.  p.  591  E.  Bei  Sen.  Epist.  101,  11  Glykoneen  von  Mae- 
cenas. Hendekasy Ilaben  bei  Sueton.  vita  Hör.  und  (wahrscheinlich)  bei 
Isidor.  Orig.  XIX.  32,  6.  Galliamben  bei  Diomed.  III.  p.  514  und  Atil. 
Fortnnat.  p.  2677  P.  Scherze  des  August  über  Maecenas*  Stil  (calamistri, 
Tac.  dial.  26)  bei  Sueton.  Aug.  86  und  Macrob.  II,  4,  12.  Wunderlich 
Dio  LV,  7:  n(^tos  OTifiBicc  rtv«  yQ€C(i,(ucT(ov  n^os  rdxog  i^svQB  xal  avtä 
9i'  'AhvXov  ditslfvd'iQOv  avxvovg  i^eöiSa^sv.  Vgl.  vielmehr  oben  188,  4. 
Ebenso  ist  unrichtig  des  Servius  (zu  Ge.  II,  42)  Folgerung  aus  Hör.  0.  II, 
12,  9  ff.:  etiam  Augusti  Caesaris  gesta  descripsit. 

9.  J.  H.  Meibom,  Maecenas,  sive  de  C.  Cilnii  Maecenatis  vita,  moribus 
et  rebus  gestis  Über  singularis,  Lugd.  Bat.  1653.  4.  A.  Lion,  Maecenatiana, 
sive  de  C.  C.  M.  vita  et  moribus  scripsit  atque  operum  fragmenta  collegit, 
GOtti.  1824.    A.  Haakh  in  Pauly's  Real-Enc.  II.  S.  355—357.    P.  S.  Frandsen, 


430  Augusteische  Zeit.   J.  711—767  d.  St. 

0.  Cilnins  Maecenas,  eine  historische  Untersuchung  liber  dessen  Leben  und 
Wirken,  Altena  1843.  238  S.  Vgl.  W.  Teuffei  in  den  Jahrbüchern  der 
Gegenwart  1843,  Nr.  23  f.  W.  E.  Weber,  Q.  Horatius  Flaccus  (Jena  1844) 
S.  143  ff.    H.  J.  Matthes  in  den  Symbolae  literariae  V.  p.  1—36. 

10.  AT.  Vipsanius  Agrippa,  geboren  691,  somit  Altersgenosse  (und 
auch  Jugendfreund)  des  Octavian,  Prätor  714,  Cos.  717,  Aedil  721,  um 
durch  glänzende  Fürsorge  für  die  Interessen  Roms  den  Gegensate  zwischen 
Oct.  und  dem  mit  Kleopatra  schwelgenden  M.  Antonius  zu  heben;  Censor 
und  Cos.  II  J.  726;  Cos.  III  J.  727.  Octavians  kriegerisches  Factotum  zn 
Wasser  und  zu  Lande,  auch  als  Diplomat  nicht  ohne  Glück  öfters  (bes.  im 
Orient)  verwendet,  ergeben  und  zuverlässig,  aber  dabei  seiner  Verdienste 
wohl  bewnsst  und  da^er  ausser  Caesars  Erben  Niemand  über  sich  ertragend; 
»eit  733  Augustes  Schwiegersohn;  f  741  =  13  v.  Chr. 

11.  Agr.  besass  rednerische  Bildung,  belangte  J.  711  den  C.  Cassius 
als  Caesaimörder  (Plut.  Brut.  27  vgl.  Vellej.  II,  69,  5)  und  trat  noch  später 
als  Vertheidiger  auf  (Sen.  Controv.  II,  12,  13.  p.  155,  13  Bu.);  auch  s.  Plin. 
N.  U.  XXXV,  9,  26:  exstat  cius  oratio  magniiica  et  maximo  civium  digna 
de  tabulis  omnibus  signisque  publicandis.  In  der  Literatur  hatte  er  einen 
/war  derben  (Plin.  1.  1.:  M.  Agrippa,  vir  rusticitati  propior  quam  deliciis), 
aber  gesunden  Geschmack  (vgl.  oben  S.  42^,  A.  1)  und  stofflich  eine  prak- 
tische Richtung.  Frontin.  aquaed.  98:  M.  Agprippa  .  .  descripsit  quid  aqua- 
rum  publicis  openbus,  quid  lacibus,  quid  privatis  daretur.  ib.  99:  qui  ex 
commentariis  Agrippae  aquas  haberent. 

12.  Reichsvermessung  und  Reichskarte.  Der  angebliche  Aethicus  Ister 
Expos,  in.,  an  Gronov's  Mela:  lulius  Caesar  .  .  cum  consulatus  sui  fasces 
crigeret  ex  Scons.  censuit  omnem  urbem  iam  romani  nominis  admetiri  per 
prudentissimos  vires  et  omni  philosophiae  munere  decoratos.  ergo  a  lulio 
Caesare  et  M.  Antonio  coss.  orbis  terrarum  metiri  coepit  .  .  usque  ad 
consulatum  Augusti  III  et  Crassi,  annis  XXI.  .  .  a  Zenodoxo  omnis  oriens 
dimensus  est.  .  .  a  consulatu  item  lulii  Caesaris  et  M.  Antonii  \isque  in 
consulatum  Augusti  X.,  annis  XXIX  .  .  a  Theodoto  septemtrionalis  pars 
dimensa  est.  .  .  a  consulatu  similiter  lulii  Caesaris  usque  in  consulatum 
Satumini  et  Cinnae  a  Poljclito  meridiana  pars  dimensa  est,  annis  XXXII, 
. .  ac  sie  orbis  omnis  terrae  intra  annos  XXXII  a  dimensoribns  peragratus 
est  et  de  omni  eins  continentia  perlatum  est  ad  senatum.  Abgekürzt  und 
zugleich  vervollständigt  im  Vat.  3864:  lulio  Caesare  et  M.  Antonio  coss. 
omnis  orbis  peragratus  est  per  sapientissimos  et  electos  vires  IV,  Nicodemo 
orientis,  Didymo  occidentalis,  Theudoto  septemtrionalis,  Polyclito  meridiani. 
Liber  colon.  p.  239  Lachm.:  mensuras  limitum  et  terminorum  ex  libris 
Augusti  etc.  Vgl.  F.  Ritschi,  die  Vermessung  des  röm.  Reichs  unter  Au- 
gustus,  die  Weltkarte  des  Agrippa  und  die  Eosmographie  des  Aethicus, 
Rhein.  Mus.  N.  F.  I  (1842)  S.  481  —  523,  bes.  S.  486  ff.  Chr.  Petersen,  die 
Eosmographie  des  Eaisers  Augustus  und  die  Commentarien  des  Agr.,  Rhein. 
Mus.  Vm.  S.  161—210.  377—403.  IX.  S.  85—106.  E.  Mfillenhoff,  über  die 
Weltkarte  und  Chorographie  des  Eaisers  August,  Eiel  1856.  4.  nebst  A.  v. 
Gutschmid,  Rhein.  Mus.  XII.  S.  619  ff.  Ueber  Agrippa's  Antheil  s.  bes. 
Plin.  N.  H.  III,  2,  16  f.:    longitudinem  universam  eins  (Baeticae)  jirodidit 


217  f.    Agrippa.  Asiniiis  PoUio.  4JM 

M.  Agrippa  475  m.  p.,  latitudiuem  258.  .  .  Agrippam  quidem,  in  tauta 
viri  diligentia  praeterque  in  hoc  opere  cura,  cum  orbem  terrarum  urbi  spe- 
ctandom  propoeiturus  essefc,  errasse  quis  credat  et  eum  eo  divum  Augustuni  ? 
18  namque  complexam  eam  porticum  ex  destinatione  et  commentariis  M. 
Agrippae  a  sorore  eins  incohatam  peregit.  Hienaeh  hinterliew  Agr.  nur 
einen  Entwurf  zu  der  Weltkarte  und  chorographische  Commentarien ,  er- 
theilte  jedoch  seiner  Schwester  (Paula)  testamentarisch  den  Auftrag  auB 
beiden  die  grosse  Welttafel  für  eine  öffentliche  Porticus  anfertigen  zu  las- 
sen, -was  dann  aber  vielmehr  August  selbst  ausführte.  Vgl.  noch  Plin.  lY, 
12,  81:  Agrippa  totum  eum  tractum  ab  Histro  ad  oceanum  .  .  in  longitu- 
dinem,  .  .  in  latitudinem  prodidit.  ib.  91:  Sarmatiae  .  .  longitudo  .  .,  la- 
titudo  .  .  a  M.  Agrippa  tradita  est.  ego  incertam  in  hac  terrarum  parte 
mensuram  arbitror.  Aus  ihm  Martian.  Cap.  VI,  632  (p.  212  Eyss.)  und  G84 
(p.  213  E.). 

13.  Agrippa's  Autobiographie.  Philargyr.  zu  Verg.  Georg.  II,  162: 
Agrippa  in  secundo  vitae  suae  dicit  excogitasse  se  ut  ex  Lucrino  lacu 
portum  faceret.  Vgl.  Plin.  N.  H.  VIT,  45,  148:  (Augusti)  Philippensi  proelio 
morbidi  fuga  et  triduo  in  palude  aegroti  et,  ut  fatentnr  Agrii)i)a  ot  Mao- 
cenas,  aqua  subter  cutem  fusa  turgidi  lateLra. 

14.  Literatur  über  Agrippa,  ausser  den  älteren  Arbeiten  von  F.  W. 
Sommer  (1717.  4.),  G.  C.  Gebauer  (1777),  Le  Blond  {lISQ)  und  Raffaelle 
Mecenate  (de  vita  rebusque  gestis  M.  Vips.  Agr.  commentarius ,  testimoniis 
scriptorum  veterum  concinnatus,  Rom  1821):  P.  S.  Frandsen,  M.  Vipsanius 
Agrippa,  eine  historische  Untersuchung  über  dessen  Leben  und-  Wirken, 
Altona  1836.  260  S.  D.  v.  Lakeren-Matthes,  de  Agr.  in  remp.  rom.  meritis, 
Amsterdam  1840.  J.  H.  van  Eck,  quaestiones  historicae  de  M.  V.  A.,  Ley- 
den  1842.  Ö9  pp.     A.  Preuner  in  Pauly's  Real-Enc.  I,  1.  S.  699—609. 

218.  Nächst  diesen  leitenden  Männern  sind  in  der  augu-208 
steischen  Zeit  die  durch  Vergangenheit  wie  Stellung  in  der 
Gegenwart  bedeutendsten  Asinius  Pollio  und  Valerius  Messala. 
C.  Asinius  Pollio  (679 — 758  3.  St.),  in  den  Bürgerkriegen  thätig 
für  Caesar  und  Antonius,  zog  sich,  mit  dem  Letzteren  zerfallen 
und  doch  für  Octavian  nicht  gewonnen,  von  dem  politischen 
Leben  zurück  und  widmete  sich  der  Literatur  und  Thätigkeit 
als  Redner.  Zuerst  verfasste  er  Tragödien,  dann  eine  Geschichte 
der  Bürgerkriege  vom  ersten  Triumvirat  an,  ohne  aber  dieses 
Werk  selber  zu  vollenden.  Als  Redner  und  Stilist  strebte  er 
nach  alterthümlicher  Strenge  und  schuf  sich,  als  die  rednerische 
Wirksamkeit  verkümmert  war,  einen  Ersatz  in  den  öffentlichen 
Vorträgen  (recitationes).  Durch  Femhaltung  von  der  Politik  sich 
gleichzeitig  seine.  Stellung  wie  den  Ruf  der  Unabhängigkeit  ret- 
tend übte  er  um  so  strengere  Kritik  innerhalb  der  Literatur. 
Auch  den  M.  Valörius  Messala  (J.  690—762  d.  St.)  hatte  seine 


432  Augusteißche  Zeit.   J.  711—767  d.  St. 

MissachtuBg  des  M.  Antonius  in  das  Lager  des  Octayian  getrie- 
ben, dem  er  fortan  mit  Aufrichtigkeit  und  Treue,  aber  ohne 
Selbstentwürdigung,  Dienste  leistete.  Als  Redner  stand  er  dem 
Pollio  zui;  Seite,  hatte  aber  etwas  Vornehmes  und  Weichliches, 
das  ihn  wohl  auch  hinderte  den  Uebergang  zur  Declamation 
mitzumachen.  Dafür  beschäftigte  er  sich  später  mit  antiquari- 
schen und  grammatischen  Forschungen,  in  jenen  den  eifersüchti- 
gen Stolz  eines  Altadeligen  verrathend,  mit  diesen  auch  ins 
Einzelne  herabsteigend.  In  seinen  jüngeren  Jahren  aber  theilte 
er  eifrig  die  Richtxing  der  Zeit  auf  Bewunderung  des  Helleni- 
schen, übersetzte  Griechisches  und  schrieb  selbst  auch  griechisch, 
in  gebundener  Form  wie  in  Prosa  (Denkwürd^keiten). 

1.  C.  AsiniüB  Cn.  f.  Pollio,  geb.  679« 75  y.  Chr.,  Ankläger  des  G.  Cato 
J.  700,  praetor  709.  Nach  Caesar's  Tode  wäre  er  gern  znr  Senatepartei 
übergetreten,  hätte  diese  mehr  Mut,  Geschicklichkeit,  Glück  und  Entgegen- 
kommen gegen  ihn  bewiesen.  So  aber  entschied  er  sich,  nach  langem 
ZOgern,  für  M.  Antonins.  Bei  der  Vertheilung  der  Aemter  imter  die 
Parteigänger  der  Triumvim  im  J.  711  wurde  Pollio  zun  Consul  designiert 
und  bekleidete  das  Amt  J.  714  »»  40  y.  Chr.  In  demselben  bekämpfte  er 
die  Parthiner,  welche  zu  Brutus  gehalten  hatten;  Eroberung  yon  Salonä, 
Triumph  ex  Parthineis  a.  d.  YIÜ  Kai.  Noy.  716  (Fasti  cap.  und  Barb.). 
Was  ihn  darauf  mit  M.  Antonius  entzweite  ist  nicht  positiy  bekannt;  Stoff 
dazu  aber  gab  es  (wohl  beiderseits)  yielen,  und  dass  es  geschah  erhellt  aus 
der  Anführung  bei  Charis.  I.  p.  80,  2  E.:  Asinins  contra  maledicta  AntoniL 
Andererseits  hatte  er  zn  yiel  Selbstachtung  um  sich  dem  (weit  jüngeren) 
Octayian  anzuschliessen  (Vellej.  II,  86,  3  f.)  und  unterzuordnen,  behielt 
vielmehr  bis  zu  Ende  gegen  ihn  eine  zurückhaltende  Stellung,  ohne  ihm 
in  Wesentlichem  offen  entgegenzutreten,  aber  auch  ohne  sich  yor  ihm  zu 
beugen.  Hieron.  ad  Euseb.  chron.,  a.  Abr.  2020  =  6  n.  Chr.  =»  759  d.^t.: 
Asinius  Pollio  oratoif  et  consularis,  qui  de  Dalmatis  triumphayerat,  LX^X 
aetatis  suae  anno  in  yilla  Tusculana  moritur.  Bestätigt  wird  diese  Angabe 
durch  Sen.  Contr.  IV.  praef.  5  (p.  376  Bu.),  wonach  Pollio  J.  4  n.  Chr.  noch 
lebte,  und  Tac.  dial.  17:  Asinius  paene  ad  extremum  (Augusti  principatum) 
durayit. 

2.  Gedichte  des  Pollio.  Carmina  Sophocleo  digna  cothurno,  also 
Tragödien,  hat  er  yerfasst  (oder  geht  damit  um)  schon  zur  Zeit  von  Vergil 
Ecl.  8,  10  (J.  715),  ygl.  ib.  3,  86  (Pollio  et  ipse  facit  nova  carmina).  Hör. 
S.  I,  10,  42  f.  (ums  J.  718):  Pollio  regum  facta  canit  pede  ter  percusso  (im 
Trimeter).  0.  H,  1,  9  —  12  (J.  724  qder  725):  paulum  seyerae  Husa  trag- 
oediae  desit  theatris,  nämlich  während  A.  P.  seine  Geschichte  der  Bürger- 
kriege schreibt.  Dass  A.  P.  Tragödien  wirklich  herausgab  erhellt  aus  Tac. 
dial.  21:  Asinius  .  .  yidetur  mihi  inter  Menenios  et  Attios  studuisse;  Pa- 
cuyium  certe  et  Attium  non  solum  tragoediis  sed  etiam  orationibus  suis 
ezpressit:  adeo  durus  et  siccus  est.  Dass  sie  aufgeführt  wurden  zeigt 
theatris  bei  Hör.  1.  1.    Irgend  etwas  Näheres  über  sie  ist  aber  sonst  nicht 


218.   AsiniuB  PoUio.  433 

bekannt.  Nach  dem  Geschichtswerke  scheint  A.  P.  nicht  mehr  zur  Trag- 
ödie zurückgekehrt  zu  sein.  Missverständlich  wohl  Serv.  Yerg.  Ecl.  8,  10: 
alii  ideo  hoc  de  PoUione  dictum  yolunt  quod  et  ipse  utriusque  linguae 
ti-agoediarum  scriptor  fuit.  Da  nach  Plin.  £p.  V,  3,  5  (oben  31,  1)  vgl. 
VIT,  4,  4  auch  A.  P.  erotische  Gedichte  yerfasste,  so  ist  wahrscheinlich  aus 
diesen  (oder  vielmehr  einer  Sammlung  von  Erotika)  entnommen  Gharis.  I. 
p.  100,  24  K.:  Polio:  „Veneris  antistita  Cupra"  (Cuprias). 

3.  Geschichte  der  Bürgerkriege  vom  ersten  Triumvirat  an  (J.  694, 
Metello  consule.  Hör.  0.  II,  1,  1  vgl.  Suid.  v.  natliav:  nsgl  tov  l^ttpvXCov 
tfjs  ^Pdfirjg  noXifjujv  ov  inoXstiricav  Kaiodif  rs  nal  Uo^Tcq'Cog),  in  lateinischer 
Sprache  (^oo/iuxixcofi,  Suidas  v.  'Ac£viog\  und  wohl  kurzweg  Historiae  betitelt 
(Sen.  suas.  15,  p.  33,  2:  PoUio  in  Historiis  suis.  ib.  25,  p.  37:  in  Historiis 
eins  .  .  ne  Historias  eins  legere  concupiscatis;  vgl.  Val.  Max.  VJII,  13.  ext.  4.). 
Abgehandelt  war  darin  die  Schlacht  bei  Pharsalos  (Suet.  Caes.  30  u.  a. 
H.  Peter,  die  Quellen  Plutarchs  S.  124 — 127),  der  spanische  Krieg  (Suet. 
Caes.  55) ,  Cicero's  Tod  (Sen.  suas.  24.  p.  36  f.  Bu.)  und  wohl  noch  die 
Schlacht  bei  Philippi  (vgl.  Tac.  A.  IV,  34:  Asinii  Pollioni&  scripta  egregiam 
eorundem  —  nämlich  des  Cassius  und  Brutus  —  memoriam  tradunt).  Nach 
Hör.  0.  II,  1,  1  —  8.  17  ff.  arbeitete  er  daran  ums  J.  724  oder  726,  und 
mindestens  drei  Bücher  wurden  auch  herausgegeben  (Val.  Max.  VIII,  13. 
ext  4:  Asinius  Pollio,  non  minima  pars  romani  stili,  in  tertio  Historiarum 
suarum  libro);  ob  aber  17  (Suidas  v.  'jla^vios  IlmUmv:  'Pmiiaios.  taroQ^ag 
(to(uici7Lag  awita^sv  iv  ßißXioig  ti')  ist  zweifelhaft,  da  diese  Zahl  sich  auf 
eine  Fortsetzung  des  Werkes,  vielleicht  aus  den  Papieren  des  Consularen, 
durch  dessen  Freigelassenen,  A.  P.  aus  Tralles  (W.  Teuffei  in  Pauly's  Real- 
Enc.  I,  2.  S.  1868.  Nr.  25  und  dagegen  Fr.  Eyssenhardt  in  Fleckeisen's 
Jahrbb.  85,  S.  757  f.),  beziehen  kann.  Das  Fehlen  von  Anführungen  über 
die  Kämpfe  zwischen  Octavian  und  Antonius  (denn  dass  die  Stelle  über 
Tiberius,  Priscian.  VIII,  19.  p.  386,  9  f.  Htz.,  aus  den  Historiae  war  ist  un- 
erwiesen) macht  wahrscheinlich  dass  das  Werk  des  A.  P.  auf  diese  sich 
nicht  erstreckte,  somit  nicht  weiter  geführt  wurde,  vermutlich  weil  A.  P. 
selbst  es  als  periculosae  plenum  opus  aleae  (Hör.  0.  II,  1,  6)  erkannte. 
Dass  das  Veröffentlichte  keine  rhetorische  Fassung  hatte  sagt  Sen.  suas. 
25,  und  Atejus  (oben  207,  1)  hatte  ihm,  historiam  componere  a^resso, 
gerathen  ut  noto  civilique  et  proprio  sermone  utatur  (Suet.  gramm.  10, 
p.  109,  2  ff.  R.). 

4.  Pollio  als  Redner,  gerichtlicher  und  politischer  (Hör.  0.  II,  1,  13  f.), 
später  auch  als  Declamator;  s.  die  Stellen  bei  H.  Meyer,  orat.  rom.'  p.  487 
—491  und  F.  Blass,  die  griech.  Beredts.  (1865)  S.  141  —  144.  Sen.  Epist. 
100,  7:  compositio  Pollionis  Asinii  salebrosa  et  exsiliens  et  ubi  minime  ex- 
spectes  relictura.  denique  omnia  apud  Ciceronem  desinunt,  apud  Pollio- 
nem  cadunt,  exceptis  paucissimis  quae  ad  certum  modum  et  ad  unum 
exemplar  adstricta  sunt.  Quintil.  X,  1,  113:  multa  in  Asinio  PolUone  in- 
ventio,  summa  diligentia,  adeo  ut  quibusdam  etiam  nimia  videatur,  et  con- 
silii  et  animi  satis;  a  nitore  et  iucunditate  Ciceronis  ita  longo  abest  ut 
videri  possit  saeculo  prior.  Vgl.  die  (vom  Standpunkte  des  dortigen  Spre- 
chers übertreibende)  Schilderung  bei  Tac.  dial.  21  (oben  A.  2) ,  vgl.  25  (nu- 

Tkutfbl,  BOm.  Literaturgeschichte.    2.  Aufl.  2$ 


434  Auguateiache  Zeit.   J.  711— 767  d.  St. 

meroaior  Asiniua).  In  aeinen  Uebungareden  aber  war  er  floridior  aliquante 
(Sen.  Contr.  p.  376,  6  f.  Bu.)  ala  in  den  gerichtlichen.  Beiapiele  ana  jenen 
bei  dem  älteren  Seneca,  z.  B.  p.  186.  192.  223.  382  Bn.;  Znaammenatellnng 
der  üeberreste  ana  den  gerichtlichen  bei  Meyer  1.  1.  p.  491—501.  Unter 
letzteren  aind  die  apäteren  alle  Vertheidigungsreden,  falla  nicht  bei  Charia. 
I.  p.  97,  11  E.  mit  den  excerpta  Cauchiana  zu  leaen  iat  Aainiua  in  Vale- 
riam.  Die  Schilderungen  seiner  B^deweiae  wie  die  Polemik  gegen  die  des 
Cicero  (Quintil.  XU,  1,  22)  laaaen  den  A.  F.  ala  Verwandten  der  AttDdaten 
in  der  ciceroniachen  Zeit  eracheinen;  doch  wird  er  von  dieaen  unterachieden 
bei  Quintil.  X,  2,  7. 

6.  Sonatige  proaaiache  Schriften  dea  PoUio.  Ala  philoaophiachen  Schrift- 
atelier (oder  Stilisten?)  erwähnt  ihn  Sen.  Epist.  100,  9.  Asiniua  Pollio  ad 
Caeaarem  I  bei  Charis.  I.  p.  134,  3  E.  Vgl.  A.  6.  Erhalten  sind  aber  nur  drei 
Briefe  dea  A.  P.  an  Cicero  Tom  J.  711,  beiCic.  ad  fam.  X,  31—33.  VgL  oben 
214,  2.  Ana  Charia.  I.  p.  84,  6  ff.  (puer  et  in  feminino  aezu  antiqui  dice- 
baut,  ut  .  .  in  Nelei  carmine,  •  .  ubi  tarnen  Yarro  .  .  a  puera  putat  dictum, 
aed  Aelius  Stilo,  magiater  eiua,  et  Aainiua  contra),  aowie  Priscian.  X.  p.  888 
P.  =a  613,  7  f.  Htz.  (nanciacor  etiam  nactam  facit,  absque  n,  ut  Probo  et 
Capro  et  Pollioni  et  Plinio  placet)  u.  A.  hat  M.  Haupt,  im  Berliner  Ind. 
lect.  fKr  Sommer  1856,  p.  3—5,  geschlossen  dass  A.  P.  auch  grammatische 
Schriften  yerfasst  habe,  welchen  er  die  literarisch-ästhetischen  Urteile  des- 
selben zuweist  (ygl.  unten  A.  6),  sowie  Charis.  I.  p.  97,  11  (s.  A.  4) 
Asinius  in  Valerium,  womit  Catnll  gemeint  sein  solle.  Dagegen  ygl.  Th. 
Bergk  (Philologus  XXIX.  S.  329)  u.  J.  Steup  (de  Prob.  p.  71),  welche  einen 
von  A.  P.  verschiedenen  Grammatiker  Pollio  annehmen. 

6.  Pollio  als  Eritiker.  Sen.  Controv.  IV.  praef.  3  (p.  376,  7  ff.  Bu.): 
illud  strictum  eius  (des  A.  P.)  et  asperum  et  nimis  iratum  in  cenaendo 
(nach  0.  Jahn)  iudicium  adeo  ceaaabat  (in  den  declamationea  des  A.  P.) 
ut  in  miiltis  illi  venia  opus  eaaet  quae  ab  ipso  vix  impetrabatur.  Wie  das 
Urteil  über  Cicero  (oben  173,  1)  aicher,  ao  wird  wohl  auch  daa  über  Cae- 
sara  Commentarien  (Suet.  Caes.  56;  a.  oben  193,  1)  aua  den  Hiatoriae  dea 
A.  P.  stammen;  das  über  Porcina  Latro  (Sen.  p.  144,  6  ff.  Bu.)  ist  aus  einer 
declamatio;  der  Tadel  gegen  Cicero  (Sen.  suas.  15,  p.  32  f.  Bu.)  ist  aus 
einer  Bede  (Sen.  1.  1.),  und  ebenso  wohl  auch  der  gegen  einen  Auadruck 
des  Labienua  (Quintil.  IX,  3,  13  vgl.  ib.  IV,  1,  11).  Auaaerdem  Sueton. 
gramm.  10,  p.  108,  3  Rffsch.:  Asiniua  Pollio  in  libro  quo  Sallustii  scripta 
reprehendit  (vgl.  oben  204,  5).  Vielleicht  dass  dieser  liber  Briefform  hatte; 
vgl.  Gell.  X,  26,  1:  Asinio  Pollioni  in  quadam  epistola  quam  ad  Plancum 
scripsit  .  .  dignum  nota  viaum  est  quod  (Sallustius)  in  primo  Historiarum 
n.  8.  w.  Vgl.  A.  5.  In  diesem  liber  war  wohl  auch  die  Eritik  des  ciceronischen 
Stils  (Quintil.  XII,  1,  22)  enthalten,  sowie  das  Urteil  über  den  paduanischen 
Beigeschmack  der  Ausdmcksweise  des  Livius  (Quintil.  I,  5,  56.  Vlll,  1,  3), 
vielleicht  die  Erwiderung  einer  Bemerkung  von  Livius  de  oratoribus  qui 
verba  antiqua  et  sordida  consectantur  et  orationis  obscuritatem  severitatem 
putant  (Sen.  controv.  IX,  26,  26). 

7.  Ueber  die  Gründung  einer  Bibliothek  durch  A.  P.  und  seine  Ein- 
fuhrung von  recitationes  s.  oben  S.  423  f.    Im  Allgemeinen  s.  J.  B.  Thor- 


218.   Asinius  Pollio.   M.  Messala.  '  435 

becke,  diaputatio  historioo-critica  de  C.  A.  F.,  Leyden  1820.  Drumann,  G. 
R.  II.  S.  2—12.  Giemen,  C.  A.  F.,  Lemgo  1842.  4.  F.  Jacob,  A.  F.,  Lübeck 
1852.  4.  0.  Hendeeourt,  diss.  de  yita,  gesÜB  et  soriptis  A.  F.,  Löwen  1858. 
W.  Teuffei  in  Fauly's  ßeal-Enc.  I,  2.  S.  1869—1865.  B.  Luzzato,  ricerche 
storiche  SU  C%)0  Aainio  Pollione,  Fadna  1867. 

8.  M.  ValeriuB  M.  f.  Messala  Corvinns.  Hieronymns  ad  a.  Abr.  1958  =» 
695  d.  St:  Messala  Corvinns  orator  nascitur  et  T.  Livius  Fatavinns  scriptor 
historicns;  und  zu  a.  Abr.  2027  =»  54  Ang.  =»  765  d.  St:  Messala  Corvinns 
ante  bienninm  qnam  moreretnr  ita  memoriam  ac  sensnm  amisit  nt  vix 
panca  verba  coninngeret,  et  ad  extremum  .  .  inedia^  se  confecit,  anno 
aetatis  LXXII  (Freherianns  LXXVII).  Hier  ist  die  Datierung  des  Todes 
(ins  J.  12  n.  Chr.)  jedenfalls  unrichtig,  da  Ovid,  der  schon  im  December 
9  n.  Chr.  in  die  Verbannung  gieng,  noch  zu  Rom  den  Tod  des  Messala 
erlebte  (Ovid.  ex  Font.  I,  7,  27 — 30).  Messala  kann  daher  spätestens  An- 
fangs 9  n.  Chr.  =  762  d.  St.  gestorben  sein.  War  er  damals  72  J.  alt,  so 
wäre  er  J.  690  d.  St.  =s  64  v.  Chr.  geboren  gewesen,  also  im  gleichen  Jahre 
wie  der  junge  Cicero  (Cic.  ad  Att.  I,  2,  1),  mit  welchem  (und  dem  jungen 
Horaz ,  geb.  Ende  689)  Messala  gleichzeitig  zu  Athen  studierte  (J.  709  f.) 
und  Cos.  wnrde  (Messala  am  1.  Jan.  723,  Cicero  an  den  Iden  des  Septem- 
ber 724).  Nipperdey,  Rhein,  Mus.  XIX.  S.  282—288.  Vgl.  Borghesi,  Oeuvres 
numism.  I.  p.  406  ff.  Unrichtig  ist  jedenfalls  die  Angabe  bei  Tac.  dial.  17 : 
Corvinns  in  medium  nsque  Angusti  principatnm  .  .  duravit;  s.  Rhein.  Mus. 
XIX.  S.  288—292.  Obwohl  bei  Caesars  Ermordung  nicht  in  Rom  anwesend 
kam  Messala  doch  im  J.  711  auf  die  Froscriptionsliste,  wurde  zwar  wieder 
gestrichen,  blieb  aber  trotzdem  bei  Brutus  und  Cassius,  in  deren  Lager  er 
eine  hervorragende  Stellung  einnahm  (Vellej.  II,  71,  1:  Messala,  fulgentis- 
simus  iuvenis,  prozimus  in  illis  castris  Bruti  Cassiiqne  auctoritati).  Nach 
der  Niederlage  ihrer  Sache  bei  Fhilippi  (J.  712)  wandte  er  sich  zu  Anto- 
nius, &nd  sich  aber  bald  durch  dessen  Treiben  gründlich  abgestossen 
(Flin.  N.  H.  XXXIII,  3,  14.  Charis.  I.  p.  129,  7  E.:  Messala  contra  Antonii 
litteras.  ib.  p.  104,  18:  M.  Messala  de  Antonii  statuis)  und  versöhnte  sich 
mit  Octavian  (Appian.  b.  c.  IV,  38),  der  ihn  mit  offenen  Armen  aufnahm 
und  (J.  718  ff.)  mehrfach  verwendete,  auch  J.  723  »»  31  an  Antonius'  Stelle 
zum  Cos.  machte.  Messala  blieb  dem  Octavian  auch  fortan  treu,  ohne 
jedoch  an  seinen  bisherigen  Freunden  und  Grundsätzen  zum  Yerräther  zu 
werden  (vgl.  Flut.  Brut.  53).  iTc^I  'jintiop  vavaQxv^^^  (Appian.  b.  c.  IV,  38). 
Sieg  am  Ataz  über  die  Aquitanier  an  seinem  Geburtstag  (Tibull.  I,  7)  und 
Triumph  (ex  Gallia,  a.  d.  YII  Kai.  Oct.)  727  »  27  v.  Chr.  Im  J.  729  » 
25  Messala  Corvinns  primus  praefectus  urbis  factus  sexto  die  magistratu 
se  abdicavit,  incivilem  potestatem  esse  contestans  (Hieronym.  chron.  ad 
a.  Abr.  1991,  vgl.  Tac.  A.  VI,  11.  Rhein.  Mus  XIX.  S.  285).  Curator 
aquarum  J.  743  »  11  v.  Chr.,  Frontin.  aq.  99  vgl.  102.  J.  752  beantragt 
er  den  Titel  pater  patriae  für  August  (Suet.  Aug.  58).  Unechtes  elogium 
des  Messala  bei  OreUi-Henzen  5346.  Vgl.  im  Ganzen  A.  Haakh  in  Fauly's 
Real-Enc.  VI,  2.  S.  2352  f  Anm. 

9.  Schon  J.  711  schreibt  Cicero  ad  Brut.  I,  15,  1  über  Messala:  cave 
pntes  probitate,  oonstantia,   cnra,  studio  reip.  quidquam  illi  esse  simile; 

28* 


43f3  Augusteische  Zeit.   J.  711—767  d.  St 

ut  eloquentia,  qua  mirabiliter  excellit,  vix  in  eo  locum  ad  laudandum 
habere  videatur.  quamquam  in  hac  ipsa  sapientia  plus  apparet:  ita  gravi 
iudicio  multaque  arte  se  ezercuit  in  verissimo  genere  dicendi.  tanta  autem 
industria  est  tantumque  eyigilat  in  studio  ut  non  maxima  ingenio  .  .  gratia 
habenda  videatur.  Das  verissimum  genus  dicendi  zeigt  dass  Messala  sich 
nicht  den  Neuattikern,  sondern  der  Weise  des  Cicero  anschloss.  Vgl.  Tac. 
dial.  18:  Cicerone  mitior  Corvinus  et  dulcior  et  in  verbis  magis  elaboratus. 
Quintil.  X,  1,  113:  Messala  nitidus  (vgl.  I,  7,  35)  et  candidus  et  quo- 
dammodo  praeferens  in  dicendo  nobilitatem  suam,  viribus  minor.  Sen.  con- 
trov.  II,  12,  8:  fuit  Messala  exactissimi  ingenii  quidem  in  omni  studiorum 
parte,  latini  utique  sermonis  observator  diligentissimus.  Bei  Sen.  ludus  de 
m.  Claud.  10,  2  diserüssimus  vir.  Suet.  Tib.  70:  in  oratione  latina  secutus 
est  Corvinum  Messalam,  quem  ^nem  adolescens  observarat.  üeber  Mes- 
sala's  Einleitungen  s.  Quintil.  IV,  1,  8  und  Tac.  dial.  20  in.  Seine  Rede 
gegen  die  von  Ser.  Sulpicius  (f  711,  s.  oben  171,  3)  vertheidigte  Aufidia 
kannte  noch  Quintilian  (K,  1,  22).  Anderes  bei  Meyer,  orator.  fragm.^ 
p.  610—613. 

10.  Quintil.  X,  5,  2:  vertere  graeca  in  latinum  veteres  nostri  oratores 
Optimum  iudicabant.  .  .  id  Messalae  placuit,  multaeque  sunt  ab  eo  Scri- 
ptae ad  hunc  modum  orationes,  adeo  ut  etiam  cum  illa  Hyperidis  pro 
Phryne  diifficillima  Romanis  subtilitate  contenderet.  Verfasser  bukolischer 
Gedichte  in  griechischer  Sprache  (oben  29,  2)  und,  wie  es  scheint,  in  der 
allegorisierenden  Weise  der  vergilischen ;  eine  (metrische)  üebersetzung  der- 
selben kündigt  der  Verfasser  von'Vergil.  Catal.  11  (vgl.  unten.  225,  5, 
Anm.  2)  an.  Desswegen  oder  wegen  anderer  Gedichte  unter  den  Eroti- 
kem  bei  Plin.  Ep.  V,  3,  6  (oben  31,  1).  Auf  (griechisch  geschriebene?) 
Denkwürdigkeiten  des  Messala  (über  die*  Schlacht  bei  Philippi  u.  s.  w.) 
lässt  Plut.  Brut.  40.  42.  45  schliessen,  und  auch  von  Appian  scheinen  die- 
selben benützt  zu  sein  (vgl.  z.  B.  b.  c.  IV,  38.  121).  Sueton.  Aug.  74: 
Valerius  Messala  tradit  u.  s.  w.  Plin.  N.  H.  XXXIII,  3,  14:  Messala  ora- 
tor prodidit  u.  s.  w.  Ibid.  XXXV,  2,  8:  eztat  Messalae  oratoris  indignatio, 
quae  prohibuit  inseri  genti  suae  Laevinorum  alienam  imaginem.  similis 
causa  Messalae  seni  expressit  volumina  illa  quae  de  familüs  condidit. 
Vgl.  XXXIV,  38:  verba  ipsa  de  ea  re  Messalae  senis  ponam;  Servüiorum 
familia  u.  s.  w.  Im  Quellenverzeichniss  von  B.  XXXIII  (und  XXXI V)  nennt 
Plinius  auch  Messala,  B.  XXXV  ex  .  .  Messala  oratore,  Messala  sene.  Er- 
örterungen in  Briefform;  Suet.  gramm.  4  (p.  103  Rff.):  eosdem  litteratores 
vocitatos  Messala  Corvinus  in  qnadam  epistola  ostendit.  Quintil.  I,  7,  35: 
ideo  minus  Messala  nitidus  quia  quosdam  totos  libellos  non  verbis  modo 
singulis  sed  etiam  litteris  dedit?  vgl.  ib.  23:  Messala  in  libro  de  S  littera. 
IX,  4,  38:  quae  fuit  causa  et  Servio  .  .  subtrahendae  S  litterae  (im  Auslaut 
vor  anlautendem  Consonanten) ,  quod  reprehendit  Luranius  (Veranius? 
Bergk),  Messala  defendit.  Vgl.  ib.  I,  5,  15.  R.  Scholl,  leg.  XII  tabb.  p.  36  f. 
not.  2  bezieht  diese  Schrift  vielmehr  auf  den  Augur  Messala  (oben  196,  11). 

11.  Gedicht  zu  Ehren  des  Messala  Tibull  I,  7  u.  a.  Panegyricus  auf 
ihn  bei  Tibull  IV,  1.  Elegia  ad  Messalam  unten  225,  5,  Anm.  2.  Im  All- 
gemeinen vgl.  D.  G.  Moller,   disputatio   de   M.  Valerie   Messala   Corvino, 


218  f.   M.  Messala.    L.  Varius.  437 

Altorf  1689.  4.  C.  van  Hall,  M.  Yal.  Mess.  Corvinus,  Amsterdam  1820. 
2  Voll.  L.  Wiese,  de  M.  Val.  Messalae  Corvini  vita  et  studiis  doctrinae, 
Berlin  1829.   79  pp. 

12.  Ein  Product  des  15.  Jahrh.  ist  das  den  Namen  des  Messala  tra- 
gende Scbriffcchen  de  progenie  Aagusti  Gaesaris,  gedruckt  herausgegeben 
zuerst  von  J.  Bedrot  1532.  1540,  später  in  Ausgaben  der  scriptores  bist. 
roTO.,  des  Eutropius  u.  s.  w.,  zuletzt  von  C.  H.  Tzschucke,  Lips.  1793,  und 
Kafaelle  Mccenate,  Rom  1820.     H.  Jordan  im  Hermes  III.   S.  426—428. 

IL   Dichter. 

219,  Unter  den  Dichtern  der  augusteischen  Zeit  ist  der209 
älteste  L.  Varius  Rufus  (um  680 — 740  d.  St.),  ein  Bewunderer 
schon  des  Caesar,  dann  des  Octavian,  und  Verfasser  von  Epen 
auf  sie,  am  berühmtesten  aber  geworden  durch  seine  Tragödie 
Thyestes  (J.  725)  und  durch  seine  Freundschaft  mit  Vergilius  und 
Horatius,  namentlich  seine  Herausgabe  der  Aeneis  des  Ersteren. 
Ungefähr  gleichaltrig  mit  ihm  und  gleichfalls  ein  Freund  des 
Vergilius  war  Aemilius  Mac  er  aus  Verona  (f  739  d.  St.),  Ver- 
fasser von  Lehrgedichten  nach  Nikandros,  Omithogonia,  Theriaca 
und  wahrscheinlich  auch  eines  botanischen  (de  herbis). 

1.  Dass  Varius  ein  ungefährer  Altersgenosse  des  Helvius  Clnna  (oben 
210,  2)  und  jedenfalls  älter  war  als  Yjergil  erhellt  aus  Verg.  £cl.  IX,  35: 
neque  adhuc  Yario  videor  nee  dicere  Cinna  digna.  Epos  auf  Caesar,  de 
morte,  woraus  Proben  (12  Hexameter)  bei  Macrob.  VI,  1,  89  f.  2,  19  f. 
Daher  Hör.  S.  I,  10,  51  f.:  forte  epos  acer  ut  nemo  Varius  ducit.  Hin- 
weisung auf  Verherrlichung  der  Thaten  des  Agrippa  (und  Octavian)  durch 
ein  Epos  des  Varius  bei  Hör.  0.  I,  6,  1 — 4.  Erfüllung  dieser  Erwartung 
nach  Porphyrio  zu  Hör.  Ep.  I,  16,  25:  versus  Tene  magis  etc.  .  .  sunt 
notissimo  ex  panegyrico  Augusti;  vgl.  Acro  ib.:  haec  enim  Varius  de  Au- 
gusto  scripserat.  Zusammen  mit  Vergil  (als  Epiker)  bei  Hör.  Ep.  II,  3,  55. 
Glaublich  ist  dass  er  auch  Elegisches  verfasste;  Porph.  zu  Hör.  0.  I,  6,  1: 
fuit  L.  Varius  epici  (L.  Müller,  statt  et  ipse)  carminis  et  tragoediarnm 
(bekannt  ist  aber  nur  der  eine  Thyestes)  et  elegorum  (oder  elegiarum) 
auctor,  Vergilii  contubernalis.  Nur  als  Tragiker  erwähnt  bei  Martial.  VIII, 
14,  7  f.  Zur  Zeit  der  Abfassung  von  Hör.  Ep.  II,  1,  247  (um  J.  742)  war 
Varius  bereits  gestorben. 

2.  Scholion  in  der  Pariser  Miscellanhds.  7530  saec.  VIII  (Rhein.  Mus.  I. 
S.  107),  nach  der UeberschriftlncipitThuestesVarii:  Lucius  Varius  cognomento 
EufuB  Thyesten  tragoediam  magna  cura  absolntam  post  actiacam  victoriam 
Augusti  ludis  eins  (J.  725,  vgl.  Dio  LI,  19.  21)  in  scena  edidit.  pro  qua 
fabula  sestertium  deciens  accepit.  Vgl.  F.  W.  Schneidewin,  Bhein.  Mus.  I 
(1842).  S.  106—112.  II.  S.  638  f.  Citat  daraus  bei  Quintil.  III,  8,  45.  Zwei 
anapästische  Fragmente  ohne  Nennung  des  Stuckes  bei  Bibbeck,  trag.  lat. 
p.  195  f.  vgl.  p.  347.  ed.  IL  p.  229f.  Quintil.  X,  1,  98:  Varii  Thyestes  cuilibet 


438  Augusteische  Zeit.   J.  711—767  d.  St. 

graecarnm  comparari  potest.  Tac.  dial.  12  extr.:  nee  uUus  Asinii  aut  Messalae 
über  tarn  illuRtris  est  quam  Medea  Ovidii  aut  Yarü  Thyestes.  Philargyr.  zu 
Verg.  Ecl.  8,  10:  Varium,  cuius  ezstat  Thyestes  tragoedia,  omnibus  tragicis 
praeferenda.    F.  G.  Welcker,  die  griech.  Tragödien  III  (1841)  S.  1426—1430. 

3.  Verhältniss  zu  August  (Hör.  Ep.  II,  1,  245  ff.),  Maecenas  (faneg. 
in  Pis.  238  f.:  Maecenas  tragico  quatientem  pulpita  gestu  evezit  Varium; 
vgl.  Martial.  VIII,  56,  21.  XII,  4,  1  f.),  Horaz  (welchen  Varins  bei  Maecenas 
einführte.  Hör.  S.  I,  6,  55;  vgl.  5,  40.  93.  9,  23.  10,  89.  II,  8,  21.  63)  und 
Vergil.  Herausgabe  der  Aeneis,  s.  unten  224,  2.  Schrift  über  Vergil;  Quintil. 
X,  3,  8:  Vergilium  paucissimos  die  oomposuisse  versus  aucter  est  Yarius. 
Vgl.  Gell.  XVII,  10,  2:  amici  familiaresque  P.  Yergilii  in  iis  quae  de  in- 
genio  moribusque  eins  memoriae  tradiderunt. 

4.  Die  von  Heerkens  dem  Yarius  zugeschriebene  Tragödie  Tereus  hat 
zum  Yerfasser  einen  Italiener  des  16.  Jahrb.,  Gregorius  Corrarius,  und 
wurde  unter  dem  Titel  Progne  gedruckt,  Yenedig  1558.  4.  Weichert,  de  L. 
Yario  p.  118—120. 

5.  A.  Weichert,  de  L.  Yarii  et  Gassii  Parmensis  vita  et  carminibus 
(Grimma  1836)  p.  1—120.  B.  Unger,  de  Yalgii  Bufi  poematis  (Hai.  1848) 
p.  296  —  303,  und  L.  Yarii  de  morto  edogae  reliquiae  ezpl.,  Halle  1870. 
28  pp.  4. 

6.  Hieronym.  zu  Eus.  Ghron.  a.  Abr.  2001  »  28  Aug.  =  739  d.  St.: 
Aemilius  Macer  Yeronensis  poeta  in  Asia  moritur.  Serv.  Yerg.  Ecl.  Y 
in.:  Mopsus  (intellegitur)  Aemilius  Macer  Yeronensis  poeta,  amicus  Yergilii. 
Ovid.  Trist.  lY,  10,  43  f.:  saepe  suas  volucres  legit  mihi  grandior  aevo 
quaeque  nocet  serpens,  quae  luvet  herba  Macer.  Caton.  dist.  II.  praef.: 
quodsi  mage  nosse  labores  herbanim  vires.  Macer  has  tibi  carmine  dicet. 
Quintil.  X,  1,  87:  Macer  et  Lncretius  legendi  quidem,  sed  non  ut  phrasin 
.  .  faciant;  elegantes  in  sua  quisque  materia,  sed  alter  (Macer)  humilis, 
alter  difficilis.  ib.  56 :  Nicandrum  frustra  secuti  Macer  atque  Yergilins  (oder 
Yalgius,  8.  d.)?  XU,  11,  27:  neque  post  Lucretium  ac  Macrum  Yergilins. 
YI,  3,  96:  Ovidius  ez  tetrastichon  Macri  carmine  librum  in  malos  poetas 
composuit.    Tibull.  II,  6  in.    Manil.  astr.  U,  43  ff. 

7.  Hezameter  aus  Macer  Aemilius  Omithogonias  secundo  bei  Diomcd. 
I.  p.  374,  21  E.  vgl.  Non.  Marc.  p.  220,  18  (Licinius  Macer  in  Homitho- 
gonia).  518,  25  (Aemilius  Macer  in  Ornithogoniae  libro  I).  Isidor.  Orig. 
XII,  7,  19.  Unger  p.  2—6.  Macer  Theriacon  (H?)  bei  Charis.  I.  p.  81, 
18  E.  vgl.  Isidor.  Orig.  XH,  4,  24.  Unger  p.  6 — 10.  Sonstige  unbestimmte 
Anführungen  bei  Serv.  Aen.  I,  435.  Schol.  Bern.  Georg.  II,  160.  Charis. 
p.  65,  7.  107,  4.  133,  11.  14,  sowie  .72,  17.  100,  33;  letztere  beide  Stellen 
wohl  aus  dem  botanischen  Werke  (Unger  p.  11—14).  Unter  seinen  Quellen- 
Schriftstellern  nennt  Plinius  den  Aemilius  Macer  zu  Buch  IX,  X,  XI,  XYII, 
und  es  ist  daher  wahrscheinlich  (Unger  p.  16  f.)  dass  auch  in  Buch  XIX, 
XXI  f.,  XXYin,  XXIX,  XXX,  XXXU,  wo  bei  ganz  Ähnüchen  Stoffen  das 
Quellenverzeichniss  Licinius  Maoer  nennt,  dieselbe  Namensverwechslung  zu 
Grunde  liegt  wie  bei  Non.  p.  220,  18  undDiomed.  p.  369,  15  E.  (oben  153, 7). 

8.  Broukhusius  zu  TibuU  II,  6.  p.  274  f.    Maffei,  Yerona  ülustr.  lU,  2. 


219  f.     AemiliuB  Macer.   Vergilius  (Leben).  439 

p.  41  ff.    B.  Unger,  de  Aemilio  Macro  Nicaudri  imitatore,  Friedland  1845. 
18  pp.  4. 

9.  Fälschlicher  Weise  ti%t  den  Namen  des  Aemilius  Macer  das  Werk 
(in  Hexametern)  eines  Arztes  Odo  im  karolingischen  Zeitalter  de  viribus 
herbarum;  s.  Unger  1.  1.  p.  10  f. 

220.  P.  Vergilius  Maro  wurde  geboren  zu  Andes  bei2io 
Mantua  den  15  October  684  =  70  v.  Chr.  in  bescheidenen  Ver- 
hältnissen, aber  sorgfältig  ausgebildet.  Als  im  J.  713  und  714 
d.  St.  das  Gut  seines  Vaters  wiederholt  Veteranen  Octayians 
zugetheilt  worden  war  bewirkte  die  Fürsprache  hochgestellter 
Freunde  Rückgabe  oder  Ersatz.  Seitdem  lebte  Vergilius  theils  in 
Rom  theils  in  Campanien  (Neapel),  vielfach  gehemmt  durch  seine 
schwache  Oesundheit,  aber  allmählich  in  behagliche  äussere  Um- 
stände gekommen.  Nachdem  er  die  Bucolica  (713 — 715)  und  Geor- 
gica  (717 — 724)  vollendet  und  herausgegeben  hatte,  die  Aeneis 
(seit  725)  schon  weit  vorgerückt  war,  wollte  Vergil  zu  deren 
Vollendung  sich  nach  Athen  und  Asien  zurückziehen,  Hess  sich 
aber  in  Athen  von  August  zur  Umkehr  bewegen,  erkrankte 
bald  darauf  und  starb  zu  Brundisium,  den  22  September  735 
=  19  V.  Chr.,  51  Jahre  alt. 

1.  Quellen,  a)  Vita  Yergilii  ie  commentario  Valeri  Probi  sublata, 
bei  H.  Keil,  M.  Valerii  Probi  comm.  (HaUe  1848)  p.  1  f.  und  in  Reiffer- 
scheids  Sueton  p.  52—54  vgl.  p.  398  f.  0.  Jahn's  Persius  p.  CXLI  ff.  Der 
Auszug  ist  nachlässig  gemacht,  hält  sich  aber  von  Fabeleien  frei;  Ribbeck 
in  Fleckeisens  Jahrbb.  1863,  S.  351  ff. 

b)  Donaths  vita  Vergilii  bei  Reifferscheid  1.  1.  p.  54—68,  und  H.  Hagen 
in  Fleckeisens  Jahrbb.  Suppl.  IV.  p.  734—745;  nach  einer  Pariser  Hds. 
herausgegeben  von  E.  Wölfflin,  Philologus  XXTV.  S.  153  —  165.  Sie  steht 
vor  des  jüngeren  Donat  Commentar  zu  Vergil  und  ist  wohl  grösstentheils 
geschöpft  aus  Sueton  de  vins  illustribus,  welcher  selbst  das  Meiste  dem 
Asconius  und  dieser  weiterhin  den  Schriften  des  L.  Varius  (oben  219,  3) 
und  C.  Melissus  (A.  4)  verdankte;  sie  enthält  viele  werthvolle  Angaben,  ist 
aber  interpoliert  durch  Zusätze  aus  dem  Commentar  des  Servius  und  nament- 
lich durch  allerlei  widersinnige  mittelalterliche  Erfindungen,  die  in  den 
späteren  Handschriften  dem  ursprünglichen  Texte  angefügt  sind.  Vgl. 
Reifferscheid  1.  1.  p.  399  —  404.    Hagen  p.  676—689. 

c)  Hieronymus  zu  Euseb.  Chron.  ad  a.  Abr.  1948.  1959.  1964.  1999 
(nach  AB;  nach  F  um  1 — 2  Jahre  früher).    Gleichfalls  aus  Sueton. 

d)  Die  den  Namen  des  Servius  tragende  vita  (vor  dem  Commentar 
zur  Aeneis),  welche  aber  die  echte,  von  Servius  in  seiner  Einleitung  zu  den 
Bucolica  (IL  p.  97)  erwähnte  nicht  ist;  s.  Reifferscheid  p.  399. 

Ausserdem  eine  (nicht  vollständig  erhaltene)  vita  von  Phocas,  gram- 
maticus  urbis  Romae,  in  Hexametern,  fast  ganz  ausDonats  vita  entnommen; 


440  Augusteißche  Zeit.    J.  711—767  d.  St. 

B.  Reifferscheid  p.  68—72  und  p.  403  f.  Antbol.  lat.  671  R.  Endlich  vitae 
von  geringem  Werthe  in  einzelnen  Vergilbdss.,  wie  zwei  Bernern,  einem 
Monacensis  und  einem  Reginensie;  s.  Reifferscheid  p.  52  f.  Hagen  1.  1. 
p.  746. 

2.  Name.  Die  Inschriften  aus  der  Republik  und  den  ersten  cbristL 
Jahrhunderten  haben  ganz  überwiegend  Vergilius  (nicht  Virgüius);  ebenso 
die  ältesten  Hdss.,  wie  der  Mediceus;  und  auch  die  Griechen  schreiben 
fast  durchaus  BsgyClLog  oder  OvegyCliog.  Das  früheste  datierbare  Beispiel 
für  Virg.  ist  aus  saec.  V  n.  Chr.  (s.  bei  Claudianus).  Im  Mittelalter,  unge- 
fähr seit  saec.  IX,  föngt  die  Schreibung  Virgilius  an  begünstigt  zu  werden, 
besonders  durch  phantastische  Ableitungen  des  Namens  (von  virgo  oder 
virga,  die  aber  wohl  selbst  früher  vergo  und  verga  lauteten),  und  im  14. 
und  15.  Jahrb.  erscheint  diese  als  die  siegreiche.  Doch  erwies  schon  da- 
mals Angelus  Politianus  ihre  Unrichtigkeit.  Vertheidigungsversuch  der 
letzteren  durch  F.  Schultz,  orthographicarum  quaestionum  decas  (Pader- 
born 1855)  p.  42  —  44.  Dagegen  s.  £.  Hübner,  in  Fleckeisens  Jahrbb.  77, 
S.  360  f.  H.  Hagen,  ebds.*95,  S.  608.  Th.  Creizenach,  ebds.  97,  S.  294— 
296.  F.  Ritßchl,  kleine  philolog.  Schriften  II.  S.  779—781.  Vgl.  Th.  Bergk 
im  Philologus  XXVIIL  S.  441  f.  Anm.  J.  Pohl  im  Programm  von  Linz  am 
Rhein  1871,  S.  14—16. 

3.  Die  Belege  zu  den  Angaben  über  die  Lebensumstände  des  Vergil 
s.  bei  W.  Teuffei  in  Pauly's  Real-Enc.  VI,  2.  S.  2644—2648,  sowie  bei 
Ribbeck  vor  seiner  Textausgabe  des  Vergil  (Bibl.  Teubneriana,  Lips.  1867) 
p.  VIII— XXXVI.  Name  von  Vergils  Mutter  Magia  PoUa,  des  Vaters  aber 
Maro.  Letzterer  war  mercennarius  od^r  figulus  und  brachte  es  durch  seine 
Thätigkeit  allmählich  zu  einem  kleinen  Vermögen.  Unterricht  zu  Gremona 
seit  696.  Nach  Anlegung  der  toga  virilis  (15.  Oct.  699  =  55  v.  Chr.)  nach 
Mediolanum,  701  «s  53  nach  Rom,  wo  Verg.  studuit  apud  Epidium  (oben 
207,  4)  oratorem  cum  Caesare  Augusto  (vita  Bern.),  ohne  aber  mehr  als 
einmal  vor  Gericht  als  Redner  aufzutreten.  Desto  eifriger  studierte  er 
Philosophie,  worin  sein  und  des  (Alfenus)  Varus  (oben  205,  3)  Lehrer  der 
Epikureer  Siro  {Ss^gmVy  M.  Haupt,  Hermes  I.  S.  40  f.)  war,  sowie  Mathe- 
matik und  andere  Naturwissenschaften,  auch  Medicin.  Zeit  der  Rückkehr 
in  die  Heimat  unbekannt.  J.  713  Erstreckung  der  Güteranweisungen  von 
Cremona  aus  auf  das  nahe  Gebiet  von  Mantua  durch  den  limitator  Octa- 
vius  Musa;  Vergils  väterliches  Gut  fiel  einem  Centurionen  Arrius  zu.  Für- 
sprache des  Asinius  PoUio  und  Cornelius  Gallus  bei  Octavian.  Nach  Be- 
endigung des  perusinischen  Kriegs  ersetzte  Octavian  den  Asinius  Pollio  in 
Gallia  transpadana  durch  den  ihm  ergebeneren  Alfenus  Varus,  der  dem 
Vergil  zwar  Schutz  versprach ,  aber  nicht  verhinderte  dass  durch  den  Primi- 
pilar  Milienus  Toro  sein  väterliches  Gut  abermals  in  Besitz  genommen 
wurde,  er  selbst  durch  einen  Clodius  beinahe  getödtet  worden  wäre.  Flucht 
Vergils  und  seines  Vaters  auf  ein  Gut  das  dem  Siron  gehört  hatte  (Ca- 
tal.  10).  Cornelius  (Gallus)  und  (Aemilius?)  Macer  riethen  sich  nach  Rom 
zu  wenden,  wo  der  inzwischen  durch  seine  Bucolica  bekannt  gewordene 
Dichter  durch  Verwendung  des  Mäcenas  Entschädigung  far  seinen  Verlust 
erbalten   zn   haben   scheint^   etwa  in  Campanien  (Gut  bei  Nola,  Gell.  VI 


220  f.    Vergilius  (Leben  und  Charakter).  441 

(VII),  20,  1).  Ende  715  stand  Yergü  mit  Maecenas  schon  so  vertraut  dass 
er  den  Horaz  in  diesen  Kreis  einführen  konnte.  J.  717  trafen  Beide  auf 
dem  iter  Brundisinum  zusammen,  Hör.  S.  I,  5,  40  iF.  Vergils  weiteres 
Leben  ist  diurch  keine  äusseren  Ereignisse  bezeichnet.  Dum  Megara  .  . 
ferventissimo  sole  cognoscit  languorem  nactus  est  eumque  non  intermissa 
navigatione  (aus  Griechenland  nach  Italien)  auxit  ita  ut  aegrior  aliqnanto 
Brundisium  appelleret,  ubi  diebus  paucis  obiit,  XI  Kai.  Oct.  6n.  Sentio 
Q.  Lucretio  coss.  Ossa  eins  Neapolim  translata  sunt.  Donaths  vita  35  (51). 
52  Lebensjahre  berechnet  Anthol.  lat.  560.  566  B. 

4.  Person.  Corpore  et  statura  fuit  grandi,  aquilo  colore,  facie  rusti- 
cana,  varia  yaletudine.  nam  plcrumque  a  stomacho  et  a  faucibus  ac  do- 
lore capitis  labörabat,  sanguinem  etiam  saepe  reiecit.  Donats  vita  8  (19). 
Daher  ist  sehr  glaublich  dass  dem  Horaz,  bei  seiner  Schilderung  S.  I,  3, 
29  ff.,  das  Bild  des  Vergil  vorschwebte.  Zuverlässige  Abbildungen  von  ihm 
sind  nicht  auf  uns  gekommen.  Donaths  vita  16  (27):  in  sermone  tardissimum 
ac  paene  indocto  similem  eum  fnisse  Melissus  tradidit.  ib.  28  (43)  f.:  pro- 
nnntiabat  autem  (seine  Arbeiten)  cum  suavitate  tum  lenociniis  miris. 

5.  Persönliche  Verhältnisse.  Donaths  vita  13  (24):  possedit  prope 
centiens  sestertium  ex  liberalitatibns  amicorum  (Hör.  Ep.  II,  1,  246  f.  mit 
Schol.  Martial.  VIII,  56,  5  ff.  Serv.  Ae.  VI,  862)  habuitque  domum  Romae 
Esquiliis  iuxta  hortos  Maecenatianos,  quamquam  secessu  (Tac.  dial.  13) 
Campaniae  Siciliaeque  plurimum  uteretur.  Bei  seiner  Bedürfnisslosigkeit 
konnte  denn  Vergil  ein  ziemliches  Vermögen  hinterlassen.  Heredes  fecit 
ex  dimidia  parte  Valerium  Proculum  fratrem  alio  patte,  .ex  quarta  Augu- 
stum,  ex  duodecima  Maecenatem,  ex  reliqua  (je  Vi,)  L.  Varium  et  Plotium 
Tuccam,  Donat.  37  (56).    Vermählt  war  Vergil  nie. 

221.  Vergil  war  persönlich  eine  kindlich  harmlose  lieben8-2li 
würdige  Natur;  sanft  und  lauter  und  friedlich,  ein  guter  Sohn 
und  treuer  Freund,  von  ehrenhafter  Gesinnung  und  voll  Hin- 
gebung an  Personen  wie  ideale  Interessen,  aber  den  Anforder- 
ungen und  Schwierigkeiten  des  wirklichen  Lebens  wenig  ge- 
wachsen. Wenn  er  daher  doch  Feinde  hatte,  so  galten  diese 
nicht  seinen  personlichen  Eigenschaften,  sondern  seiner  politisch- 
literarischen Richtung  und  Stellung.  Auch  als  Dichter  ist  er 
wesentlich  derselbe.  Am  besten  gelingen  ihm  in  allen  Dicht- 
gattungen solche  Gegenstände  welche  gemütliche  Wärme  erre- 
gen oder  zulassen,  wie  die  leblose  Natur,  das  Heimatland,  die 
Familie  und  die  Liebe.  Aber  er  ist  zu  weich  und  zu  wenig 
genial  als  dass  er  auf  dem  seiner  Natur  zusagendsten  Gebiete 
hätte  beharren  und  darauf  Ruhm  ernten  können.  Er  lässt  sich 
von  aussen  auf  Stoffe  führen  für  die  er  nicht  geboren  war;  er 
sammelt  für  diese  mit  dem  Fleisse  des  Gelehrten  und  feilt  an 
der  Form   mit   der  ünverdrossenheit  eines  Künstlers;    aber  die 


442  AngnsteiBche  Zeit.  J.  711—767  d.  St. 

gewissenhafteste  Arbeit  ersetzt  nicht  den  Mangel  an  Schöpfer- 
kraft und  Erfindungsgabe,  an  ursprünglicher  Frische ,  Anschau- 
lichkeit und  Lebendigkeit.  Dagegen  erwirbt  ihm  die  treue  Arbeit 
jene  Correctheit  und  Eleganz  in  Composition,  Sprache  und  Versbau 
durch  welche  Vergil  für  den  poetischen  Sprachgebrauch  und  Stil 
der  Römer  auf  lange  hinaus  mustergültig  geworden  ist. 

1.  Nähere  AusfQhning  obiger  Charakteristik  bei  W.  Teuffei  in  Pauly's 
Real-Enc.  VI,  2.  S.  2648—2651. 

2.  Charakter  als  Mensch.  Horaz  nennt  (S.  I,  6,  54)  den  Vergil  opti- 
muB  und  (ib.  5,  40  f.)  eine  anima  Candida;  vgl.  8.  I^  3,  32  f.:  bonns  ut 
meiior  vir  non  alius  quisquam  etc.  Auch  die  Schilderung  eines  Dichters 
bei  Hör.  Ep.  II,  1,  119  ff.  ist  sichtlich  nach  VergiFs  Bilde  entworfen.  Aus 
Donaths  vita  z.  B.  11  (22):  et  ore  et  animo  tarn  probum  constat  ut  Neapoli 
na(fi'sv£ag  vulgo  appellatus  sit  ac  si  quanlSo  Romae,  quo  rarissime  com- 
meabat,  viseretur  in  publice  sectantes  demonstrantesque  se  subterfugeret 
in  prozimum  tectum.  Der  Klatsch  bei  Donat  9  f.  (20  f.)  über  sein  Ver- 
hädtniss  zu  seinen  Lieblingssklaven  Alexander  (=»  Alexis  in  Ecl.  II)  und 
Kebes,  sowie  zu  Plotia  Hieria,  einer  amica  (Hagen  in  Ribbecks  prolegg. 
p.  VI— VIII,  der  auch  den  griechischen  Namen  dafflr  anfahren  konnte)  des 
L.  Varius,  beurteilte  nach  sich  selbst  das  was  ihm  an  Vergil  unbegreiflich 
war.  Ib.  12  (23):  bona  cuiusdam  exulantis  offerente  Augusto  non  sustinuit 
accipere. 

3.  Donat.  43  (61):  obtrectatores  Vergilio  numquam  defuerunt.  Als 
solche  werden  von  Donat  angeführt  Numitorius  mit  seinen  Antibucolica  (s. 
222,  A.  1),  die  Aeneidomastix  des  Carvilius  Pictor,  Herennius,  welcher 
tantum  vitia  eins,  Perellius  Faustus,  welcher  furta  (eins)  contraxit.  sunt  et 
Q.  Octavi  Aviü^OfioioT^xatv  (Reifferscheid:  homoeon  elenchon)  octo  yolumina, 
quae  quos  et  unde  versus  transtulerit  continent,  ib.  43 — 45  (61 — 63).  Dazu 
Bayius  und  Maevius  (s.  d.),  der  Antonianer  Anser  (oben  210, 8),  Cornificius  (oben 
206,  2),  Cimber  (Quintil.  VIH,  3,  27  f.),  spater  Caligula  (Suet.  Cal.  34)  u.  A. 
Nachklänge  daraus  bei  Macrob.  Sat.  I,  24,  6  f.  III,  10—12  und  bes.  V,  3— 16 
über  die  angeblichen  furta  des  Vergil.  Dagegen  schrieb  Asconius  Pedianus 
einen  Über  contra  obtrectatores  Vergilii,  Donat.  46  (64).  Vgl.  Ribbeck  Pro- 
Icgomena  p.  96 — 113. 

4.  Hör.  S.  I,  10,  45:  molle  atque  facetum  Vergilio  annuerunt  .  .  Ca- 
menae.  Schilderungen  aus  der  leblosen  Natur  in  den  Ecl.  und  Ge.,  sowie 
Ae.  V,  213  ff.  IX,  435  ff.  XI,  68  ff.;  halbidyllisch  auch  Ae.  X,  803  ff.  XI, 
456  ff.  Tgl.  XII,  473  ff.  Malerisch  treffende  Bezeichnungen  ffir  einzelne 
Pflanzen,  E.  Meyer,  Gesch.  der  Botanik  I.  S.  374  f.  Patriotische  Wäx^ne, 
Go.  11,  136  ff.  Ae.  VI,  809  ff.  842  ff.  Tiefes  Gefühl  für  Familienglflck  und 
Mutterschmerz  Ge.  II,  523.  Ae.  VI,  680  ff.  VIU,  408  ff.  IX,  283  ff.  476  ff.; 
auch  die  empfindungsreiche  Stelle  über  Marcellus  am  Schlüsse  von  Ae.  VI. 
Von  Vergils  zartem  Verständniss  der  Liebe  zeugt  das  ganze  vierte  Buch 
der  Aeneis,  das  wohl  für  den  gelungensten  Theil  des  gesammten  Werkes 
gehalten  werden  darf.  Von  Sarkasmus  dagegen  findet  sich  bei  Vergil  fast 
keine  Spur,  W.  Hertzberg  zu  Aen.  XU,  321.    Alle  seine  Gestalten  zeigen 


221  «f.    Vergilius  (Charakter).  443 

ein  mild  menschliches  Wesen,  ohne  Schroffheiten  und  Härten,  aber  auch 
ohne  viel  Energie^ 

5.  Quintil.  X,  3,  8:  Vergilium  paucissimos  die  composuisse  versus  auctor 
est  Varius  (oben  219,  3),  vgl.  ib.  1,  86.  Gell.  XVII,  10,  2  f.  Donat.  vita 
22  f.  (33  f.)  vgl.  34  (49).  An  den  Georg,  arbeitete  Vergil  mindestens  7  Jahre, 
und  an  der  Aen.  hatte  er  schon  mindestens  zehn  gearbeitet  und  gedachte 
ihr  noch  triennium  continuum  zu  widmen  (Donat.  35  »  öl),  dann  aber  die 
Feder  für  Jmmer  niederzulegen  und  sich  ganz  einem  beschaulichen  Leben 
zu  ergeben  (ut  reliqua  vita  tantum  philosophiae  vacaret,  Donat.  1.  1.)  Da 
das  Dichten  ihm  eine  Arbeit  war,  so  sehnte  er  sich  herzlich  nach  deren 
Beendigung.  Der  unpraktische  Gelehrte  verräth  sich  oft  genug  in  YergilB 
Gedichten,  z.  B.  Ge.  I,  281  f.  lU,  26  ff.  IV,  408.  Ph.  Wagner  bei  Heyne 
IV.  p.  590—695.  W.  Hertzberg  zur  Aen.  VIII,  660.  708.  726.  Ueber  den 
Mangel  an  Originalität  s.  bei  den  einzelnen  Gedichten  und  die  Nachwei- 
sungen von  F.  Ursini,  Virgilius  collatione  graecorum  scriptorum  illustraffts, 
Antv.  1568,  Leov.  1747.  F.  G.  Eichhoff,  ftudes  grecques  sur  Virgile,  ou 
Becueil  de  tous  les  passages  des  poötes  grecs  imit^s  dans  les  Buc,  les 
Gdorg.  et  r£n^ide,  Paris  1825.  3  Bde.  Auch  W.  Bibbeck  in  seines  Bru- 
ders Ausgabe. 

6.  Seiner  politischen  Ansicht  nach  ist  Vergil  correcter  Augusteer. 
Zwar  blickt  er  mit  schwärmerischer  Begeisterung  zurück  auf  Roms  grosse 
Vergangenheit  (Vergilius,  amantissimus  vetustatis,  Quintil.  I,  7,  18),  aber 
für  die  Gegenwart  freut  er  sich  doch  vor  Allem  des  gewonnenen  Friedens 
und  versäumt  keine  Gelegenheit  den  Urheber  dieses  Zustandes  in  jeder 
Tonart  zu  preisen.  Dennoch  ist  er  von  dem  —  gegen  Horaz  mit  so  ^el 
Geräusch  und  viel  weniger  Grund  geschleuderten  —  Vorwurfe  des  Servi- 
lismus ziemlich  verschont  geblieben,  vielleicht  weil  er  für  weniger  zurech- 
nungsfähig galt  ah  dieser.  Dem  Antonius  gegenüber  erscheint  auch  ihm, 
wie  dem  Horaz  und  Properz,  die  Sache  des  Octavian  als  die  nationale, 
Ae.  VUI,  685  ff.  Eine  philosophische  Weltanschauung  tritt  nirgends  scharf 
hervor;  auch  hier  ist  vielmehr  Alles  in  Gemütlichkeit  aufgeweicht.  Vgl. 
übrigens  Aldenhoven,  über  den  virgilischen  Fatalismus,  Ratzeburg  1850.  4. 
R.  Dietsch,  theologumcnon  Vergilianorum  particula,  Grimma  1853.   4. 

7.  Quintil.  X,  1,  86:  curae  et  diligentiae  vel  ideo  in  hoc  (Verg.)  plus 
(quam  in  Homero)  est  quod  ei  fuit  magis  laborandum,  et  quantum  emi- 
nenübus  vincimur  fortasse  aequalitate  pensamus.  Nur  wird  diese  aequa- 
Utas  selbst,  wenn  sie  durch  Nichts  unterbrochen  wird,  schliesslich  ermüdend. 
—  C.  G.  Jacob,  de  epithetorum  nonnuUorum  apud  Verg.  vi  atque  natura, 
Cöln  1829.  4.  Th.  Eppelin,  über  die  Vergleichungen  Vergils,  Lahr  1862. 
Spitta,  Quaestiones  Vergilianae,  Gdtti.  1867.  4.  (über  den  Gebrauch  des 
Pluralis  zur  Bezeichnung  Eines  Gegenstandes  oder  Begriffes).  Ueber  Ver- 
gils Anwendung  der  Hypallage,  Metonymie  und  des  Hendiadys  s.  W.  Hertz- 
bergs Aeneis  (Stuttg.  1859)  S.  XIV— XVUI.  Ladewig,  de  VergiUo  verborum 
novatore.  I.  Neustrelitz  1869.  16  pp.  4. 

222«  Die  erhaltenen  Gedichte  des  Vergil  sind^  nach  der  Zeit  212 
ihrer  Abfassung  geordnet ,  folgende: 


444  Augusteische  Zeit.   J.  711—767  d.  St. 

1)  Bucolica,  zehn  eclogae,  verfasst  J.  713 — 715,  Nach- 
ahmungen, theil weise  üebersetzungen  Theokrits,  aber  mit 
künstlichem  Hereinragen  von  Personen  und  'Vorgängen  der 
Gegenwart.  Symmetrische  Anlage  ist  ebenso  unzweifelhaft  als 
durchgängige  strophische  Gliederung  unerweislich. 

1.  Douat.  vita  19  (30):  cum  res  romauas  iucohasaet  ofPensus  materia 
ad  Bucolica  transiit,  maxime  ut  Asinium  Pollionem  Alfeuumque  Yarum  et 
Cornelium  Gallum  celebraret,  quia  in  distributione  agrorum  .  .  indemnem 
Be  praestitissent.  25  (40):  Bucolica  triennio  .  .  perfecit.  (Vgl.  Servius'  vita 
Verg.:  tunc  ei  proposuit  Pollio  ut  Carmen  bucolicum  scriberet,  quod  eum 
congtat  triennio  scripeisse  et  emendasse.)  26  (41):  Bucolica  eo  succeseu 
edidit  ut  in  scena  quoque  per  cantores  crebro  pronuntiarentur  (vgl.  Tac. 
di^.  13.  Serv.  Ecl.  VI,  11).  43  (61):  prolatis  Bucolicis  Numitorius  quidam 
rescripsit  AntibncoUca,  dnas  modo  eclogas,  sed  insulsissime ,  nagmöi^aceg. 
unter  den  einzelnen  Stücken  gibt  X  sich  selbst  als  letztverfasstes;  auch  I 
und  IX,  IV  und  VIII,  sowie  VI  bieten  sichere  Handhaben  für  Bestimmung 
ihrer  Abfassungszeit;  von  V  ist  wenigstens  sicher  dass  sie  nach  II  und  III 
verfasst  ist,  welche  beiden,  zusammen  mit  der  ähnlichen  VII,  die  Gattung 
noch  am  wenigsten  getrübt  durch  Zeitanspielungen  zeigen  und  daher  die 
ältesten  Stücke  sein  mögen.  Vgl.  Ribbeck,  Prolegomena^.  1—10.  C.  Scha- 
per  in  Fleckeisens  Jahrbb.  89,  S.  633— -657.  769—794  und  dagegen  Ribbeck 
1.  1.  p.  10  —  13.  Die  Bucolica  wurden,  wie  es  scheint,  zuerst  als  einzelne 
eclogae  (vgl.  Symmach.  epp.  III,  11  g.  E.)  herausgegeben  und  hatten  eigene 
Ueberschrifben  (Ecl.  VI,  12).  Dass  bei  der  Herausgabe  der  ganzen  Samm- 
lung Ecl.  I  von  Vergil  selbst  vorangestellt  wurde  (somit  wohl  überhaupt 
die  überlieferte  Ordnung  von  ihm  herrührt)  erhellt  aus  Georg.  IV,  566  vgl. 
Ovid.  Amor.  I,  15,  25. 

2.  Theokrit  gegenüber  zeigen  die  Eklogen  mehrfach  ein  Verfahren 
ähnlich  der  Contamination  bei  den  Palliatendichtern  (oben  16,  10),  wie  z.  B. 
Ecl.  III  nach  Theokr.  IV  und  V  gearbeitet  ist,  Ecl.  VIII  nach  Theokr.  II 
und  III.  Die  Vergleichung  mit  dem  griechischen  Dichter  fällt  selten  zu 
Gunsten  des  römischen  aus;  oft  ist  die  Verschlechterung  handgreiflich,  wie 
VIll,  43  ff.  vgl.  mit  Theokr.  III,  15  ff.  Die  Einmischung  ganz  fremdartiger 
Dinge  aus  der  nächsten  Gegenwart  kann  gewiss  auch  nicht  für  eine  Ver- 
besserung gelten.  Die  Gestalten  haben  dadurch  nicht  an  Leben  gewonnen 
dass  Tityrus  und  Menalcas  eigentlich  Vergil  selbst  ist,  Daphnis  (Ecl.  V) 
Caesar,  Lycidas  ==  Varius,  Amaryllis  ^=  Hieria  (s.  oben  221,  2)  oder 
dass  Ecl.  III,  84  ff.  von  Amyntas  kurzweg  zu  Pollio  übergesprungen 
wird.  „Theilweise  ist  von  dem  eigentlichen  bukolischen  Charakter  gar 
nichts  übrig  geblieben,  z.  B.  Ecl.  IV,  worin  das  mit  dem  Consulat  des 
Pollio  und  mit  dessen  gleichzeitig  geborenem  Sohne  angeblich  beginnende 
goldene  Zeitalter  in  einer  übertriebenen,  trotz  einzelner  ansprechender 
Stellen  dennoch  im  Ganzen  wenig  geschickten  Weise  geschildert  wird." 
C.  Peter,  G.  R.  III.  S.  105.  —  Gell.  IX,  9,  4  ff.  G.  A.  Gebauer,  de  poeta- 
rum  graecorum  bucolicorum,  inprimis  Theocriti,  carminibus  in  Eclogis  a 
Vergilio  expressis  libri  duo.    Vol.  I  (librum  I  pai'temque  posterioris  con- 


22^  f.   Vergilius  (Bucolica  und  Georgica).  445 

tinens),  Lips.  1861.  256  pp.  8.  (früher  Part.  I.  1856);  und  Qaatenas  Yergi- 
liuB  in  epitheiis  imitatus  sit  Theocritnm,  Lips.  1863.  4.  (Programm  von 
Zwickau.)  Aelteres:  J.  6.  Mensel,  de  Theoer.  et  Virg.  poetis  bucolicis, 
Götti.  1766.  4.  J.  C.  Jahn,  compar.  Id.  XI  Theocriti  cum  Ecl.  II  Virgilii, 
Culmbach  1781.  4. 

3.  Die  Modeliebhaberei  der  sogen,  strophischen  Composition  hat  auf 
die  Eklogen  zuerst  angewendet  Bibbeck  in  Fleckeisens  Jahrbb.  75,  S.  65 — 
79  und  dann  in  seinen  Ausgaben.  Vgl.  R.  Peiper  ebds.  91,  S.  344 — 355. 
96,  S.  456—460.  97,  S.  167  f.,  Westphal,  griech.  Metrik  U  (1868)  S.  XVIII, 
und  das  nüchterne  Urteil  von  Ph.  Wagner,  Lect.  Vergil.  (1859)  p.  92. 
Wem  etwa  durch  die  Ausstattung  der  Gedichte  mit  Aap  a  |3',  aaaa,  a'a'a'a' 
u.  8.  f.  das  Yerständniss  derselben  und  die  Freude  daran  erhöht  worden 
sein  sollt«,  dem  sei  das  von  Herzen  gegönnt;  wir  können  es  nicht  von  uns 
rühmen  und  haben  die  üeberzeugung  dass  die  ganze  Hypothese  vor  einer 
unbefangenen  Betrachtung  der  Eklogen  selbst  nicht  Stand  halt.  Auch 
konnte  dieselbe  ohne  die  herkömmliche  Auswerfung  einer  Anzahl  Verse 
die  ihr  hinderlich  waren  und  ohne  Annahme  etlicher  Lücken  an  Stellen 
wo  sonst  Niemand  etwas  vermissen  würde  (wie  VIII,  58.  X,  47)  nicht 
durchgeführt  werden.  Was  bei  den  Wechselgesängen  (wie  III,  60  ff.  VII, 
21  ff.)  selbstverständliche  Forderung  war,  das  durfte,  schon  zur  Unter- 
scheidung von  jenen,  nicht  kurzweg  auf  die  Gedichte  im  Ganzen  überge- 
tragen werden. 

4.  Virgils  ländliche  Gedichte  (Text,  metrische  Uebersetzung  und  aus- 
führliche Erklärung)  von  J.  H.  Voss  in  4  Bdn.  (ThL  I  und  ü  enthält  die 
Bucolica,  III  und  IV  die  Georg.),  Altona  1797.  1830.  Uebersetzt  von 
C.  N.  Osiander,  Stuttgart  (Metzler)  1834.  16.  und  (kürzer)  Stuttgart  1853 
(Class.  d.  Alt.).  F.  W.  Genthe,  Virgils  Eklogen,  metrisch  übersetzt,  mit 
einer  Einleitung  über  Virgils  Leben  (S.  3  —  32)  und  Fortleben  als  Dichter 
(S.  35  —  44)  und  Zauberer  (S.  47 — 85)  und  einem  Versuch  über  die  Ekloge 
(S.  89 — 134),  Magdeburg  1830.»  Leipzig  1855  (zweite  umgearb.  Aufl.).  Ueber- 
setzt (mit  Georg,  und  Jugendgedichten)  von  W.  Binder,  Stuttgart  (Iloff- 
mann)  1856. 

5.  Varianten  der  Weissenauer  Hdschr.  zu  Verg.  bukolischen  Gedichten, 
im  Feldkircher  Programm  1861.  4.  P.  Hofman-Peerlkamp,  ad  Virgilium 
(Ecl.  und  Georg.),  Mnemosyne  X.  p.  1—49.  113  —  162.  229—308.  367—387. 
Th.  Ladewig,  Beurteilung  der  Peerlkampschen  Bemerkungen  zu  den  länd- 
lichen Gedichten  Vergils,  Neustrelitz  1864.   26  S.  4. 

6.  Freymüller,  über  die  messianische  (!)  Weissagung  in  Vergils  Ecl.  IV, 
Progr.  von  Metten  1852.  29  S.  4.  L.  Qiesebrecht,  Damaris  II  (1861)  S. 
197  ff.  Zu  EcL  VIII  vgl.  E.  v.  Leutsch,  Philologus  XXII.  S.  214—220  und 
Peiper  in  Fleckeisens  Jahrbb.  1864,  S.  456—460.  G.  Gevers,  die  zehnte 
Ekl.  des  V.  eine  Parodie  (Verden  1864)  mit  Ph.  Wagner  in  Fleckeisens 
Jahrbb.  91,  S.  773  —  776.  G.  Bippart,  Beiträge  zurErkl.  u.  Kritik  d.  Virg. 
(Ecl.  I  u.  II),  Prag  1868.   4.    (Abhandl.  d.  k.  Ges.  d.  W.) 

223.   2)  Georgica,  vier  Bücher,  verfasst  717—724  d.  St.213 
Das  erste  Buch  hat  den  Ackerbau  zum  Gegenstände,  das  zweite 


446  AuguBteische  Zeit.   J.  711—767  d.  St. 

die  Baumzucht^  das  dritte  die  Viehzucht^  und  das  vierte  die 
Bienenzucht.  Das  Werk  ist  ein  Lehrgedicht^  yeranlasst  durch 
Maecenas  und  ihm  gewidmet^  aber  den  eigenen  Neigungen  und 
Anschauungen  des  Dichters  vollkommen  entsprechend.  Der  Stoff 
ist  daher  mit  sichtlicher  Liebe  und  Wärme  behandelt  und  so 
weit  verklärt  und  vergeistigt  als  seine  Natur  zuliess,  so  dass 
auch  die  lehrhaften  Abschnitte  sich  von  dem  Tone  der  rein  poe- 
tischen nicht  auffallend  unterscheiden.  Diese  ihre  meisterhafte 
Form  macht  die  Greorgica  zum  vollendetsten  grosseren  Erzeug- 
nisse der  römischen  Eunstpoesie. 

1.  Donats  vita  20  (31):  deinde  (nach  Buc.)  edidit  Georgica  in  honorem 
Maecenatis.  26  (40):  Georgica  septem  .  .  parfecit  annis.  (Vgl.  Serv.  vita 
Verg.:  item  propoBuit  Maecenas  Georgica,  quae  scripsit  emendavitque 
Septem  annis.)  27  (42):  Georgica  reverso  post  actiacam  victoriam  Augnsto 
atque  Atellae  reficiendarum  faucium  cansa  commoranti  per  continunm 
quadridunm  legit,  snscipiente  Maecenate  legendi  vicem  quotiens  interpel- 
laretnr  ipse  vocis  offensione.  Das  Werk  war  also  damals  (Mitte  des  J.  725 
d.  St.)  vollständig  fertig  und  zur  Herausgabe  reif,  kann  in  diesem  Zustande 
aber  bereits  mehrere  Monate  gewesen  sein.  Dass  nunmehr  aber  mit  der 
Yeröffentlichnng  nicht  länger  gezOgert  wurde  macht  der  Beginn  der  Ar- 
beiten für  die  Aeneis  wahrscheinlich,  vor  welchen  Vergil  die  Georg,  so 
gewiss  abgeschlossen  haben  wird  als  die  Buc.  nachdem  er  den  Entschlnss 
zu  den  Georg,  gefasst  hatte.  Auf  eine  zweite  Ausgabe  durch  Vergil  führt 
Serv.  Ecl.  X,  1:  fuit  autem  (Cornelius  Gallns,  s.  unten  227)  amicns  Vergi- 
lii,  adeo  ut  qnartus  Georgicorum  (liber)  a  medio  usque  ad  finem  eins  lau- 
des  teneret,  quas  postea  (nach  des  G^us  Ungnade  und  Tod,  J.  728  d.  St) 
iubente  Aagusto  in  Aristaei  fabulam  commutavit.  Vgl.  zu  Georg.  IV,  1: 
sciendum  .  .  nltimam  partem  huius  libri  esse  mutatam.  nam  laudes  Galli 
habuit  locus  ille  qui  nunc  Aristaei  et  Orphei  continet  fabulam,  quae  in- 
serta  est  postquam  irato  Augusto  Gallus  occisus  est.  Ein  solches  Ansin- 
nen hätte  man  dem  Horaz  gewiss  nicht  gemacht,  und  noch  gewisser  hätte 
er  es  nnberücksichtigt  gelassen.  Der  weiche  Vergil  aber  entsprach  ihm, 
und  so  entstand  eine  zweite  authentische  Ausgabe,  veröffentlicht  etwa  729 
d.  St.,  da  die  Umarbeitung  nur  für  die  Oeffentlichkeit  bestimmt  sein 
konnte.  Dass  bei  dieser  (jelegenheit  der  Dichter  auch  sonstige  Aender- 
ungen  vornahm  ist  an  sich  glaublich,  und  manche  Spuren  weisen  positiv 
darauf  hin  (Bibbeck  Prolegg.  p.  23.  24.  30);  tiefgreifend  können  sie  aber 
nicht  gewesen  sein,  da  noch  im  jetzigen  Bestände  keine  Zeitandeutong 
über  das  J.  717  einerseits  und  724 — 725  andererseits  hinausfahrt  (ib.  p. 
14 — 22).  Auf  eine  dritte  Ausgabe  lässt  schliessen  Donats  vita  40  (53):  Va- 
rio  ac  simnl  Tuccae  scripta  sua  sub  ea  condieione  legavit  ne  quid  ederent 
quod  non  a  se  editnm  esset,  sofern  diess  eine  Vollmacht  zu  neuer  Her- 
ausgabe der  Buc.  und  G^rg.  mitenthält.  Dass  bei  dieser  dritten  Ausgabe, 
durch  fremde  Hand  and  nach  zweierlei  authentischen,  einzelne  Verwirr- 
ungen entstehen  konnten  ist  begreiflich;  von  einer  Nichtvollendung  der 


223  f.   Vergilins  (Georgica).  447 

Georg,  kann  man  aber  deshalb  nicht  reden,  während  doch  Anfang  und 
Schlnas  zeigen  dass  der  Dichter  in  seinem  Theile  das  Werk  fertig  gemacht 
hat.  Die  in  jenen  Prolegg.  p.  31 — 48  sich  findenden  Ausstellungen  sind 
theils  unerheblich  theils  beweisen  sie  höchstens  dass  das  Gedicht  noch 
vollendeter  sein  konnte. 

2.  Ffir  den  Stoff  standen  dem  Yergil  die  Anschauungen  und  Erfahr- 
ungen seiner  eigenen  Jugend  zu  Gebote.  Daneben  wird  er  aber,  seiner 
ganzen  Natur  nach,  nicht  unterlassen  haben  auch  Bflcher  zu  Bathe  zu 
ziehen,  zumal  da  wie  die  griechische  so  auch  die  römische  Literatur  ge- 
rade für  die  Landwirtschaft  reichhaltig  genug  war  (s.  oben  52).  Serv. 
Geoig.  I,  43:  sane  sciendum  Xenophontem  scripsisse  unum  librum  Oeco- 
nomicon,  cuius  pars  ultima  agriculturam  continet.  de  qua  parte  multa  ad 
hoc  opus  Vergilins  transtulit,  sicut  etiam  de  (^eorg^cis  Magfonis  Afri  (oben 
62,  1),  Catonis  (oben  121),  Yarronis  (oben  166),  Ciceronis  quoque  libro 
tertio  Oeconomicorum  (oben  183,  18),  qui  agriculturam  continet  üeber 
Hyginus  s.  d.  Macrob.  V,  2,  4:  vulgo  nota  sunt  quod  (Yergiüns)  Theocritnm 
sibi  fecerit  pastoralis  operis  anctorem,  ruralis  Hesiodum  et  quod  in  ipsis 
Georgicis  tempestatis  serenitatisque  signa  de  Arati  Phaenomenis  traxerit. 
Gell.  TX.y  9, 3:  scite  et  considerate  Vergilins,  cum  autHomeri  aut  Hesiodi  aut 
Apollonii  aut  Parthenii  (vgl.  ib.  XIII,  27,  1  f.)  aut  Callimachi  aut  Theocriti 
aut  quorundam  aliorum  locos  effingeret,  partem  reüquit,  alia  ezpressit. 
Prob.  comm.  in  Georg,  p.  42,  13  ff.  E.:  haue  universam  disputationem 
(G^org.  I,  233  ff.)  certum  est  Vergilium  transtulisse  ab  Eratosthene,  cuius 
über  est  hexametris  versibus  scriptus,  qui  Hermes  inscribitur.  Plin.  N.  H. 
XVIII,  75:  Vergilins  etiam  in  numeros  lunae  digerenda  quaedam  putavit, 
Democriti  secutus  ostentationem.  Planmftssiges  Befolgen  einer  einzigen 
Haaptquelle  lässt  sich  aber  nicht  erweisen.  —  Nach  Suidas  v.  Uif(fiav6g 
verfasste  ein  Arrianos  (letdtpQaaiv  xmv  rtca^yinciv  tov  BsQyiXUov  iniumg. 
Ein  warmer  Bewunderer  der  Georg,  ist  Columella  (III,  1,  1.  VII,  1,  3.  X, 
praef.  3  u.  v.  433  ff.). 

3.  Ausgabe  von  G.  Wakefield,  Cantabrig.  1788.  Lateinisch  und  deutsch 
von  J.  C.  Manso  (Jena  1783)  und  J.  H.  Voss  (landl.  Gedichte  III  u.  IV). 
üebersetzt  von  F.  W.  Genthe  (Quedlinb.  1829)  und  C.  N.  Oslander  (Stutt- 
gart, Metzler,  1835  und  1853). 

4.  Ueber  die  Georgica  s.  in  Heyne -Wagner's  Ausgabe  I.  p.  265—278. 
E.  Tegner,  de  digressionibus  in  Georg.  Verg.,  Lund  1799.  De  Veig.  Georg, 
von  E.  L.  Posselt  (Carlsruhe  1786),  A.  G.  Rein  (Gera'  1829.  4.).  Bruner, 
de  carm.  didascal.  (Helsingf.  1840)  p.  41  —  50.  Jos.  Schiestl,  Virg.  Georg, 
tantum  abest  ut  sint  poema  omnibus  numeris  absolutum  ut  potius  sint 
poema  verae  genuinaeque  poesi  omnino  repngnans,  Amberg  1830.  4.  Jahn, 
Praef.  p.  XXXI— XXXVI.  XL.  Genthe  a.  a.  0.  S.  17  —  23.  Tittler,  ober 
die  Zeit  der  Veröffentlichung  der  Georg.,  Brieg  1857.  21  S.  4.  Unter- 
berger,  Virg.  Georg.,  ein  literatnrgeschichÜicher  Versuch,  Brixen  1863.   4. 

5.  Hanow,  schedae  criticae  ad  Verg.  G^rgica,  Lissa  1863.  4.  Th.  Momm- 
sen,  zu  den  Schollen  der  vergilischen  Georg.,  Rhein.  Mus.  XVI.  S.  442—453 
vgl.  XVII.  S.  143  f.  G.  Thilo,  Servil  in  Verg.  Georg.  I,  1  —  100  commen- 
tarius,  Halle  1866.   4. 


448  Augusteische  Zeit.  J.  711—767  d.  St. 

214  224,  3)  Aeneis,  zwölf  Bücher,  ums  J.  725  begonnen, 
aber  bei  dem  Tode  des  Dichters  (J.  735)  noch  unvollendet  und, 
dessen  dringendem  Wunsche  zuwider,  von  L.  Varius  und  Tucca 
herausgegeben.  Gegenstand  des  Epos  ist  Aeneas  als  Gründer 
eipes  neuen  Ilion  mittelst  der  Stadt  Rom  und  in  dieser  des  ju- 
lischen  Greschlechtes.  Für  die  Ausführung  benützte  der  Dichter 
theils  griechische  Epiker  theils  machte  er  umfassende  Studien 
über  italische  Sagen,  Geschichten  und  Oertlichkeiten,  und  mischte 
Griechisches  und  Italisches  absichtlich  durch  einander,  zum 
Schaden  der  Naturwahrheit.  Aber  in  der  Darstellung  seelischer 
Zustande  zeigt  er  Feinheit  und  tiefes  Verstandniss.  Im  Uebri- 
gen  bleibt  die  Begründung  des  Geschehenden  allzu  äusserlich, 
die  Handlung  selbst,  ausser  im  zweiten  und  vierten  Buche, 
ohne  frisches  Leben,  der  Held  zu  marklos.  Der  Ton  ist  etwas 
einförmig  pathetisch  und  vom  Natürlichen  abgekehrt.  Auf  roma- 
nische Ohren  aber  hat  zu  allen  Zeiten  diese  vornehme  Rundung 
der  Sprache  einen  Zauber  geübt  wie  wir  ihn  wenigstens  bei 
dem  Wohlklange  der  männlich  schonen  Verse  empfinden. 

1.  Das  Versprechen  Georg.  III,  46  f.  (mox  tarnen  ardentie  accingar 
dicere  pugnas  Caesaris  u.  s.  w.)  würde  eher  auf  ein  Epos  zu  Ehren  Octa- 
vians  Bchliessen  lassen;  wohl  mit  dessen  Zustimmung  (oder  nach  Seryius 
auf  seinen  Wunsch)  wurde  aber  der  Gegenstand  erweitert.  Ums  J.  728 
hat  Propertius  bereits  Eenntniss  von  dem  erweiterten  Plane;  s.  Prop.  III, 
32  (II,  34),  61—66.  Vgl.  Donat.  30  (45).  Ib.  25  (40):  Aeneida  XI  perfecit 
(relativ)  annis.  23  (34) :  Aeneida  prosa  prius  oratione  formatam  digestamque 
in  XII  libros  particulatim  componere  instituit,  prout  liberet  quidque,  et 
nihil  in  ordinem  accipiens.  (24  =»  35.)  ac  ne  quid  impetum  moraretur 
quaedam  imperfecta  transmisit,  alia  levissimis  yerbis  veluti  fiilsit,  quos 
per  ioeum  pro  tibicinibus  interponi  aiebat  ad  sustinendum  opus,  donee 
solidae  columnae  advenirent.  Vergil  griff  also  die  poetische  Ausarbeitung 
des  in  Prosa  Entworfenen  an  verschiedenen  Enden  an,  je  nach  Stimmung, 
ohne  sich  an  die  Ordnung  seines  Entwurfes  zu  binden,  ib.  30  (45):  Aene- 
idos  yixdum  coeptae  tanta  exstitit  fama  ut  Sex.  Propertius  non  dubitaverit 
sie  praedicare  (s.  otien),  (31  =»  46)  Augustus  vero  —  nam  forte  expeditione 
Cantabrica  (J.  729)  aberat  —  supplicibus  atque  etiam  minacibus  per  io- 
eum litteris  efBagitaret  ut  ,^sibi  de  Aeneide  yel  prima  carminis  vnoyQatprj 
vel  quodlibet  %mXov  mitteretur".  cui  tamen  multo  post  perfectaque  de- 
mum  materia  (nicht  auch  die  ganze  Form)  tres  omnino  libros  recitavit, 
secundum,  quartum  et  sextum.  Anspielung  auf  Ae.  VI,  287  f.  bei  Horaz 
(0.  n,  17,  17  f.  etwa  vom  J.  727),  der  diesen  Theil  vorher  gekannt  haben 
wird, 

2.  Donats  vita  37  (56):  .  .  L.  Varium  et  Plotium  Tuccam,  qui  eins 
Aeneida  post  obitnm  iussu  Caesaris  emendaverunt.  39  (52):  egerat  (Ver- 
gilins)  cum  Vario,  prius  quam  Italia  decederet,  ut  si  quid  ipsi  accidisset 


224.    VergiliuB  (Aeneis).  449 

Aeneida  CQmbureret;  at  is  ita  factnrum  se  pernegarat;  igitur  in  exirema 
yalitudine  assidue  scrinia  desideravit/  crematumB  ipse;  verum  nemme  af- 
ferente nihil  quidem  nomioatim  de  ea  cavit.  (40  =»  63.)  ceterom  eidem 
Yario  ac  simul  Taccae  scripta  sua  sab  ea  condicione  legayit  ne  quid  ede- 
rent  quod  non  a  se  editom  esset.  (41  =»  59.)  edidit  antem  auctore  Augnsto 
VariuB,  sed  summatim  emendata,  nt  qui  yersus  etiam  imperfectos  sicut 
erant  reliquerit.  Hieronym.  zu  Euseb.  chron.  a.  Abr.  2000  =  Aug.  27  = 
738  d.  St:  Varius  etTucca,  Vergili  et  Horati  contubernales,  poetae  babentur 
illustres.  (Von  Tucca  ist  sonst  nicht  bekannt  dass  er  selbst  Dichter  gewesen.) 
qui  Aeneidum  postea  libros  emendarunt  sub  lege  ea  ut  nihil  adderent. 
Serv.  prooem.  zur  Aen.  p.  1  f.  L.:  postea  ab  Augusto  Aeneidem  propositam 
scripsit,  annis  undecim;  sed  nee  emendavit  nee  edidit,  unde  eam  moriens 
praecepit  incendi.  Augustus  vero,  ne  taatum  opus  periret,  Tuccam  et 
Varium  hac  lege  iussit  emendare  ut  superflua  demerent,  nihil  adderent 
tarnen.  Zweifelhafte  Proben  ihrer  redigierenden  Thätigkeit  werden  angeführt 
von  Servius  zu  Ae.  II,  667 — 688  (vgl.  K.  Kappes,  zur  Erklärung  der 
Aeneis,  Freiburg  1859).  IV,  436.  V,  871.  VII,  468.  Vgl.  Ribbeck,  Prolegg. 
VergiL.p.  90 — 96.  Das  superflua  demere  konnte  sich  nur  auf  Varianten 
erstrecken,  lässt  sich  aber  nicht  mehr  sicher  verfolgen.  Uebrigens  vgl. 
noch  Gell.  XVU,  10,  6  f.:  quae  procrastinata  sunt  ab  eo,  ut  post  recense- 
rentur,  et  absolvi  quoniam  mors  praeverterat  nequivenmt,  nequaquam 
poetarum  elegantissimi  nomine  atque  iudicio  digna  sunt,  itaque  cum  morbo 
oppressus  adventare  mortem  videret  petivit  oravitque  a  suis  amicissimis 
impense  ut  Aeneida,  quam  nondum  satis  elimavisset,  adolerent. 

3.  Die  Vermutung  von  L.  Lersch  (Süddeutsche  Schulzeitung  IV,  2.  S. 
88  ff.  und  Mus.  d.  rhein.-westphäl.  Schulm.  UI.  1845),  dass  die  Aeneis 
ursprünglich  auf  24  Bücher  berechnet  gewesen  sei,  je  von  dem  Umfange 
eines  Buches  der  Georgica,  und  die  jetzige  Eintheilung  dicht  von  Verg. 
selbst  herrühre,  hat  nur  etwa  die  Analogie  der  homerischen  Gedichte  für 
sich  (welche  aber  für  den  bescheidenen  Dichter  vielleicht  eher  eine  Ab- 
mahnung von  der  Zahl  24  war)  und  das  bestimmte  Zeugniss  Donats  (bzhgws. 
Suetons),  vita  23  (34),  gegen  sich.  Die  Meinung  aber  als  hätte  Vergil  die 
Absicht  gehabt  den  Stoff  über  den  Tod  des  Turnus  hinaus,  bis  zu  Aeneas' 
Ansiedlung  in  Latium,  weiterzuführen  widerspricht  der  Gesammtheit  der 
Nachrichten,  die  nur  eine  qualitative  Nichtvollendung  kennen,  und  be- 
stimmten Andeutungen  des  Gedichts  selbst;  s.  XII,  803.  819  ff.  833  ff.  Vgl. 
W.  Hertzbergs  Aeneis  S.  IV  f- 

4.  Bei  einem  so  zweifellos  unvollendeten  und  von  seinem  Verfasser 
selbst  zur  Vernichtung  bestimmten  Werke  ist  es  selbstverständlich  dass  es 
—  ausser  den  grossen  kSnstlerischen  (s.  A.  6)  —  Mängel  im  Einzelnen  und 
Kleinen,  Incongruenzen,  Lücken,  Widersprüche,  Vergessliohkeiten,  Rech- 
nungsfehler u.  dgr.  enthält.  So  hat  schon  Markland  (praef.  zu  Stat.  Silv. 
a.  E.)  bemerkt  dass  in  der  Aeneis  nonnulla  sunt  contradictoria,  multa 
languida,  exilia,  nugatoria,  spiritu  et  maiestate  carminis  heroici  defecta, 
und  Peerikamp  hat  (in  seiner  Ausg.  der  Aen.,  Lugd.  Bat.  1843)  diess  in 
seiner  Weise  näher  nachzuweisen  gesucht,  mit  obligater  Folgerung  auf 
Interpolation  der  getadelten  Stellen.    (Gegen  Peerikamp  s.  J.  Freudenberg, 

Tkutfel,  BOm.  Literalargesoliichic.  2.  Aufl.  29 


450  Augusteische  Zeit    J.  711—767  d.  St. 

Vindiciar.  Virjjr.  spec,  Bonn  1846.  4.  J.  Siebeiis,  in  Aen.  ab  H.  P.  editae 
librum  I.  adnotationes ,  Hildburgh.  1845.  29  pp.  4.  S.  J.  £.  Bau,  de  versibus 
spurüs  in  Aen.  I.,  Leyden  1845.  Jahn's  Jahrbb.  XLIII.  S.  3  —  53.)  Incon- 
gruenzen  in  den  sechs  ersten  Büchern  hat  herrorgehoben  Fr.  Conrads, 
Quaestiones  Virgilianae,  Trier  1863.  4.;  für  alle  Bücher  ist  in  Peerlkamps 
Fussstapfen  getreten  Bibbeck  Prolegg.  p.  69  —  87,  wo  gleichfalls  der  unter 
den  gegebenen  Umständen  vergebliche  Versuch  gemacht  ist  bei  diesen 
kleinen  UnvoUkommenheiten  zu  unterscheiden  zwischen  solchen  die  ihren 
Orund  in  der  Unfertigkeit  des  Gedichts  haben  und  anderen  die  von  angeb- 
lichen Interpolatoren  herrühren.  Dass  alle  Bücher  (wenn  auch  in  ver- 
schiedenem Masse)  unvollendet  sind  beweisen  schon  die  in  allen  ohne  Aus- 
nahme vorkommenden  unvollständigen  Verse  (im  Ganzen  68).  Vgl.  noch 
Th.  Ladewig,  über  einige  Stellen  des  Vergil,  Neustrelitz  1863.  25  S.  4. 

5.  Der  Glaube  dass  die  Römer,  von  einer  Colonie  her  welche  Aeneas 
in  Latium  gegründet,  die  in  den  sibyllinischen  Büchern  genannten  Aenea- 
den  und  Abkömmlinge  der  Trojaner  seien,  vielleicht  ursprünglich  durch 
schmeichlerische  Griechen  den  eiteln  römiscltien  Grossen  eingepflanzt,  fand 
schon  zur  Zeit  des  ersten  punischen  Krieges  in  Rom  offizielle  Verwerth- 
ung;  s.  Justin.  XXVIII,  1,  5  f.  Suet.  Claud.  25.  Seitdem  ist  dieser 
Zusammenhang  ein  stehender  Glaubensartikel  der  römischen  Geschicht- 
schreiber in  Prosa  und  Versen.  A.  Seh  eben,  de  poetis  Aeneae  fugam  atque 
fata  ante  Virgilium  describentibus ,  Münstereifel  1828.  4.  Namentlich 
wurde  er  angeknüpft  an  die  angebliche  TJebersiedlung  der  troischen  Hei- 
matsgötter nach  Latium  (Lavinium);  W.  Hertzberg  zur  Aeneis  S.  334 — 338, 
und  im  Allgemeinen  Schwegler,  Rom.  Gesch.  I.  S.  279  flF.  bes.  S.  307  iF. 
Eigens  behandelt  war  er  aber  vor  Vergil  noch  nicht  worden.  In  der 
Zeit  des  Augustus  kam  zu  den  nationalen  Beweggründen  noch  das  dynast- 
ische dass  Aeneas  mittelst  seines  Sohnes  lulus  =»  Ascanius  der  Stamm- 
vater der  gens  lulia  sein  sollte.  Vergil  hebt  an  seinem  Helden  ganz  be- 
sonders diese  seine  providentielle  Mission  hervor,  so  sehr  dass  derselbe 
darüber  zu  keinem  selbständigen  Handeln  kommt.  Er  ist  überhaupt  von 
Vergil  sehr  nach  seinem  eigenen  Bilde  geschaffen:  weichmütig,  zu  Thränen 
geneigt,  piet-ätsvoU,  für  die  edelsten  Empfin4angen  zugänglich,  aber  ohne 
eigene  Initiative,  von  aussen  her  —  insbesondere  von  den  Göttern  —  ge- 
leitet und  geschoben.  Wie  der  zarte  Stammhalter  eines  glänzenden  Hauses 
wird  er  von  den  Göttern  ängstlich  gehütet  und  geht  auch  selbst,  im  Be- 
wusstsein  seiner  Aufgabe,  gefährlichen  Abenteuern  möglichst  aus  dem 
Wege.  Für  den  Helden  eines  Epos  ist  diess  eine  sehr  bedenkliche  Stel- 
lung, und  die  dumpfe  Leblosigkeit  eines  grossen  Theils  der  Aeneis  hat 
hierin  ihre  Wurzel.  Zudem  war  die  ganze  Aeneassage  ein  Erzeugniss  der 
Reflexion,  ohne  Boden  im  Volke,  ohne  Verzweigung  mit  dem  öffentlichen 
Leben,  und  Vergil  musste  ihr  erst  künstlich  solche  Berührungspunkte 
schaffen.  Er  sucht  jeden  Zweifel  niederzuhalten  durch  consequente,  plan- 
mässige  Identificierung  des  Troisch-Hellenischen  mit  Italischem,  und  Durch- 
einandermengung  des  Mythischen  und  Geschichtlichen;  aber  dadurch  ist 
etwas  Schiefes,  Widerspruchsvolles,  Haltungsloses  in  seine  Darstellung  ge- 
kommen, eine  Unsicherheit  des  Bodens  und  der  Beleuchtung  die  durch 
keine  Localfarbung  gut  zu  machen  war,   wie  sie  Vergil  unverkennbar  er- 


224.    Vergilius  (Aeneis).  451 

strebt  und  auch  yielfach  erreicht  hat.  Vgl.  seinen  Brief  an  August  bei 
Macrob.  I,  24,  11:  paene  yitio  mentis  tantum  opus  ingressus  mihi  Tideor, 
cum  praesertim  .  .  alia  quoque  studia  ad  id  opus  multoque  potiora  im- 
pertiar.  So  wird  ib.  16  f.  die  in  der  Aen.  zu  Tage  tretende  Eenntniss  des 
ins  pontificium  und  ins  augurale  gerühmt;  III,  1,  6  ff.  ebenso  in  Bezug  auf 
inferorum  deorum  cultus;  2,  7  seine  profunda  scientia,  wie  sie  sich  in  der 
yerborum  proprietas  bei  der  Technik  des  Opfems  u.  s.  w.  zeige;  I,  24,  18 
dass  er  astrologiam  totamque  philosophiam  .  .  operi  suo  .  .  adspersit. 
Ebenso  Serv.  zu  Aen.  VI  in.:  totus  quidem  Yergilius  scientia  plenus  est 
etc.;  zu  II,  67:  saepe  dictum  est  Yergilium  inventa  occasione  mentionem 
iuris  pontificii  facere  in  quacunque  persona.  Vgl.  auch  Niebuhr,  Rom. 
Gesch.  P.  S.  112.  217  f.  Helliez,  Geographie  de  Virg.,  Paris  1771.  1820. 
Bonstetten,  Yoyage  sur  la  scdne  des  dix  demiers  livres  de  rfin^ide,  Genf 
1804  f.  (deutsch  von  K.  G.  Schelle,  Leipzig  1806.  2  Bde.).  H.  Töpfer,  Vir- 
gilii  geographia  in  Aeneide  exhibita,  Arnstadt  1828  — 1834.  4  Fartt.  4. 
C.  N.  Oslander,  de  carmine  epico  Virgilii'  vere  populari,  Stuttg.  1816.  4. 
L.  Lersch,  de  morum  in  Virg.  Aen.  habitu,  Bonn  1836;  Die  Idee  und  anti- 
quarische Bedeutung  der  Aeneis,  im  Mus.  d.  rhein.-westph.  Schulm.  ü,  1. 
S.  18 — 36;  und:  Antiquitates  Yergilianae,  ad  yitam  populi  rom.  descriptae, 
Bonn  1843.  A.  Göbel  in  Fleckeisens  Jahrbb.  89,  S.  658  —  662.  Ch.  Muff, 
antiquitates  rom.  in  Virg.  Aen.  illustratae,  Halle  1864.  A.  No81,  Virgile 
et  ritalie,  Faris  1866. 

6.  Macrob.  I,  24,  18:  praedicarim  quanta  de  Graecis  cautus  et  tam- 
quam  aliud  agens  modo  artifici  dissimulatione,  modo  professa  imitatione 
transtulerit.  Dagegen  Asconius  vertheidigte  den  Vergil  gegen  Vorwürfe 
circa  historiam  fere  et  quod  pleraque  ab  Homero  sumpsisset  (yita  46  ==> 
64).  Aus  den  homerischen  Gedichten  entnahm  Vergil  theils  die  allgemeine 
epische  Oekonomie  und  Technik  theils  vieles  Einzelne,  insbesondere  dass 
er  mit  dem  letzten  Theile  der  Irrfahrt  des  Aeneas  beginnt  und  seine  frü- 
heren Erlebnisse  ihn  nur  nachträglich  erzählen  lässt;  wie  auch  B.  VI  ganz 
Odyss.  XI  nachgebildet  ist  und  überhaupt  der  ersten  Hälfte  (den  Irrfahr- 
ten) ebenso  die  Odyssee  zu  Grunde  liegt  wie  der  zweiten  (Kämpfe)  die, 
Ilias.  Ton  und  Geist  der  Aeneis  steht  freilich  zu  Homer  in  diametralem 
Gegensatze.  Literatur  ausser  dem  oben  221,  6  Angeführten:  A.  G.  Walch, 
de  eo  quod  nimium  est  in  imitatione  Homeri  Virgiliana,  Schleusi.  1733.  4. 
J.  A.  H.  Tittmann,  de  Virg.  Homerum  imitante,  Wittenb.  1787.  4.  F.  Sey- 
bold,  Vergleichung  Virgils  und  Homers,  nebst  Bemerkungen  z.  Kritik  des 
Ersteren,  Firmasens  1789.  4.  G.  C.  Lauter,  de  Virg.  imitatore  Homeri, 
Heidelb.  1796.  4.  Andrea,  Jocorum  Homero -Virgilian.  spec.  I.  IL,  Jena 
1804.  1814.  H.  Müller,  Hom.  u.  Virgil,  eine  Farallele,  Erfurt  1807.  J. 
Eckert,  Farallele  zw.  d.  Rias  und  Virg.  Aen.,  München  1829.  4.  K.  A.  Stein- 
metz, de  aliquot  locis  Odysseae  et  Aen.  ad  orci  maniumque  descriptio- 
nem  pertinentibus,  Merseb.  1840.  4.  H.  Wedewer,  Homer,  Virgil,  Tasso, 
Münster  1843 ;  und :  üeber  die  Episoden  in  der  Aeneis,  Museum  d.  rhein.- 
westphäl.  vSchulmänner  I.  S.  78  ff.  L.  Müller,  de  re  metr.  p.  219.  223. 
307.  322.  M.  Wilms,  qua  ratione  Verg.  in  Aen.  aut  locuturum  aliquem 
aut  locutum  esse  indicaverit,  Duisburg  1866.  4.  Der  Stoff  des  zweiten 
Buches  ferner  ist  den  Kyklikem  (Fisander?  Macrob.^  V,  2,  4)  entnommen, 

29* 


452  Augusteische  Zeit.   J.  711—767  d.  St. 

B.  IV  dem  vierten  Buche  des  Apollonius  Rhodius  (lason  und  Medea)  nach- 
gebildet. Von  römischen  Dichtem  hat  Yergil  besonders  den  Ennius  be- 
nützt (z.  B.  VI,  846),  wie  Servius  in  seinem  Commentar  an  vielen  Stellen 
und  Macrob.  VI,  1  f.  nachgewiesen  hat;  ebenso  non  verba  sola  sed  versus 
prope  totos  et  locos  quoque  Luoreti  plurimos  sectatum  esse  Vergilium  vi- 
demus  (Gell.  I,  21,  7  vgl.  Macrob.  1.  1.).  Zufällig  dagegen  ist  wohl  das 
zeitweise  Zusammentreffen  im  Ausdrucke  mit  Naevius,  A.  Furius  und  an- 
deren römischen  Epikern.  —  Im  Allgemeinen  Kuschel,  über  die  Quellen  von 
Vergils  Aeneis,  Breslau  1858.  32  S.  4. 

7.  „Zwar  ist  Vergil  noch  weit  entfernt  von  jenem  ewigen  Gelärm  und 
Gepolter  seiner  bramarbasierenden  Nachahmer;  .  .  aber  es  bleibt  auch  so 
noch  genug  von  erkünsteltem  Pathos  übrig,  das  sich  .  .  besonders  in 
wuchtigen  Attributen  Luft  macht,  die  denn  freilich  durch  masslose  Wie- 
derholung ihren  eigenen  Eindruck  schwächen.  So  kommt  z.  B.  das  Ad- 
jectiv  ingens  in  der  Aeneide  152  mal,  immanis  43  mal  vor."  W.  Hertzberg 
vor  seiner  Aeneis  S.  IX. 

8.  Die  Sorgfalt  Vergil's  in  Ausfeilung  seiner  Verse  ist  besonders  von 
L.  Müller  de  re  metr.  p.  140  f.  183.  190  f.  nachgewiesen.  Sie  gilt  auch  von 
der  Aeneis,  obwohl  hier  Stoff  und  NichtvoUendung  eine  gewisse  Lockerung 
der  Strenge  mit  sich  brachten.  Von  Aelterem  s.  z.  B.  Gossrau,  de  hexa^ 
metro  Vergilii,  in  seiner  Ausg.  der  Aen.  p.  624  ff. 

9.  AllgemMnes  Preisen  der  Aeneis  (bzhgsw.  des  Vergil)  bei  Ovid  Amor. 
I,  15,  26  f.  A.  A:  III,  837  f.  Rem.  am.  396.  Trist.  II,  633  ff.  Prop.  III, 
32,.  66  f.     Quintil.  X,  1,  66.  86  ff.    Stat.  Theb.  XII,  816  u.  A. 

10.  EinfluBs  der  Aeneis  auf  die  deutsche  Literatur,  zuerst  durch  Heinr. 
v.  Veldek's  Eneide  (um  1180);  s.  G.  Gervinus,  Gesch.  der  poetischen  Na- 
tionalliteratur I.  S.  238  ff.  Cholevius,  Gesch.  der  deutschen  Poesie  nach 
ihren  antiken  Elementen  I  (1864).  S.  101  ff. 

11.  'Fr.  Drück,  de  vitiis  virtutibusque  Hom.  et  Virg.  saeculi  ipsorum 
indole  aestimandis,  Stuttgart  1780.  4.  C.  G.  Heyne,  de  carmine  epico 
Virgiliano,  in  seiner  Ausgabe  H.  p.  1 — 36;  de  rerum  in  Aeneide  tractata- 
rum  inventione,  ib.  p.  37 — 66;  censura  eorum  quae  in  Aen.  oeconomia  re- 
prehendi  possunt,  ib.  lü.  p.  854—859.  P.  F.  Tissot,  fitudes  sur  Virgile, 
comparö  avec  tous  les  poätes  dpiques  et  dramatiques  des  anciens  et  des 
modernes,  Paris  1826.  4  Bde.  Segrais,  r£n.  considdr^e  par  rapport  ä  Tai-t 
de  la  guerre  (Mdm.  de  Tacad.  des  inscr.  XXIV),  in  welcher  letzteren  Be- 
ziehung auch  Napoleon  I  (pr^cis  des  guerres  de  Cdsar  p.  209  ff.)  dem  Vergil 
grosse  Ünkenntniss  vorgeworfen  hat.  Ferd.  Winkelmann  in  Jahn's  Archiv 
1833.  II.  S.  666—684.  L.  Magnier,  analyse  critique  et  litt^raire  de  Vfindide, 
Paris  1844.  Cadenbach,  Prolegomena  ad  Virg.  Aen.,  Essen  1844.  4.  Breier, 
de  Vergilio  epico  poeta  recte  aestimando,  Lübeck  1866.    4. 

12.  Sonderausgaben  der  Aen.  von  B.  F.  Schmieder  (Berlin  1800.  2  Bde.), 
E.  Th.  Hohler  (Wien  1826  f.  2  Bde.),  C.  Thiel  (mit  Eriäut.  f.  Gymn.,  Beri.  1834. 
1838.  2  Bde.),  P.  Hofman-Peerlkamp  (ed.  et  adnot.  instruxit,  Lugd.  1843), 
G.  W.  Gossrau  (in  us.  schol.  annot.  perp.,  Quedlinb.  1846).  Zu  B.  I  u.  II 
Commentar  von  A.  Wcidncr,  Leipz.  1869. 


224  f.    VergiliuÄ  (Aeneis,  Culex).  453 

13.  J.  Stanko,  de  P.  Victorii  commentariis  originalibuB  ineditis  in  libr. 
IV  Aeneidos,  München  1861.  4.  J.  Henry,  notea  of  a  twelve  yean'  voyage 
of  discovery  in  the  first  six  books  of  the  Eneis,  Dresden  1853.  688  pp.; 
deutsch  bearbeitet  in  seinen  Adversaria  Yirgiliana  im  Philologus  XI.  8. 
480-632.  597—642.  XII.  S.  248  —  270.  XIH.  S.  629—644.  XVII.  S.  627— 
648.  K.  Kappes,  zur  Erklärung  von  Vergils  Aeneis,  I.  Freiburg  1859. 
IL  Constanz  1863.  III.  Donaueschingen  1870.  J.  M.  van  Gent,  annotationes 
criticae  in  Aen.,  Lugd.  Bat.  1864.  G.  Friedreich,  Beitrag  zur  Erklärung  von 
Aen.  II,  Teschen  1868.  4. 

14.  üebersetzt  von  C.  L.  Neuffer  (Frankfurt  1816,  Stuttgart  1830  ff.), 
W.  Binder  (Stuttgart,  Hoffmann,  1867),  P.  E.  L.  Lots  (in  gereimten  Ottaven, 
Leipzig  1867),  und  am  besten  von  W.  A.  B.  Hertzberg  (mit  trefflicher  Ein- 
leitung und  Anmerkungen),  Stuttgart  (Metzler,  Glass.  d.  Alt.)  1869.  474  8. 

225.    Ausser    diesen    grösseren    und    unzweifelhaft    echten2i6 
Dichtungen    des   Vergil   kennen    wir    auch    noch    eine    Anzahl 
kleinerer    Gedichte    welche    seinen    Namen    mit    ungleichem 
Rechte  tragen.     Unter  diesen  ist 

1)  Culex  soweit  vollständig  beglaubigt  dass  es  feststeht 
Vergil  habe  in  seiner  Jugend  ein  (kleines)  Epos  mit  diesem 
Titel  und  von  dem  ungefähren  Inhalt  des  erhaltenen  verfasst; 
die  nähere  Beschaffenheit  des  letzteren  macht  aber  wahrschein- 
lich dass  dasselbe  vielmehr  eine  —  wenige  Jahrzehnte  nach 
Vergils  Tod  verfertigte  —  Nachdichtung  an  die  Stelle  des  von 
Vergil  selbst  vernichteten  echten  Gedichtes  ist. 

1.  Donats  vita  17  (28):  poeticam  puer  adhuc  auspicatus  in  Balistam 
ludi  magistrum  ob  infamiam  latrociniorum  coopertum  lapidibus  distichon 
fecit:  monte  sub  hoc  u.  s.  w.  deinde  Catalecton  et  Priapeia  et  Epigram- 
mata  et  Diras,  item  Cirim  et  Culiccm  cum  esset  annorum  XVI.  Folgt 
eine  Inhaltsangabe  des  letztern.  (19  =»  30.)  scripsit  etiam  de  qua  ambigitur 
Aetnam  (imten  301).  mox  cum  res  romanas  incohasset .  .  ad  Bucolica  transiit. 
Die  vorher  genannten  sind  somit  nach  Donaths  Meinung  sämmtlich  Jugend - 
gedichte  Vergils.  Servius  (vor  seinem  Comm.  zur  Aen.)  p.  1:  primum  a 
Vergilio  hoc  distichon  factum  est  in  Balistam  latronem:  monte  u.  s.  w. 
scripsit  etiam  septem  sive  octo  libros  hos:  Cirin,  Aetnam,  Gulicem,  Priapeia, 
Catalecton,  Epigrammata,  Copam,  Diras  (oben  197,  2).  Das  Moretum  fehlt  also 
in  beiden  Aufzählungen.  In  beiden  ist  die  Ünkritik  so  gross  dass  dieser 
Theil  unmöglich  auf  Sucton  zurückgehen  kann,  sondern  das  enthält  was 
in  der  Zeit  des  Donatus  (bzhgsw.  Servius)  für  Jugendgedichte  des  Vergil 
angesehen  und  in  deren  Sanmilung  (als  Anhang  zu  den  übrigen  Gedichten 
Vergils)  aufgenommen  zu  werden  pflegte.  Spätere  Jahrhunderte  vennehrten 
dann  die  Sammlung  noch  durch  ihre  eigenen  Erzengnisse,  oft  wohl  nur 
zur  Blattausfüllung  in  der  betr.  Hds.;  s.  unten  5,  A.  5. 

2.  Unter  den  Handschriften  der  sog.  kleineren  Gedichte  ist  die 
Helmstädter  die  reichhaltigste.  Von  den  aifdem  enthält  die  eine  Classc 
Aetna,  Ciris,  Catalecta  u.  A.,  die  andere  den  Culex,  Dirac,  Copa,  Moretum 


454  Augusteische  Zeit   J.  711 — 767  d.  St. 

nebst  dem  Vir  bonus  u.  s.  w.  (S.  459,  A.  6).  Von  der  ersten  Classe  ist  am  voll- 
ständigsten der  codex  Bhedigeranus.  Andere  sind  aus  beiden  G lassen  gemischt. 
Beschreibung  dieser  Hdss.  bei  Eibbeck,  Appendix  Vergil.  p.  24 — 38.  Vgl. 
R.  Peiper  in  der  Berliner  Ztflchr.  f.  Gymn.  1868,  S.  770—777.  J.  Klein, 
Rhein.  Mus.  XXIV.  S.  607—614. 

3.  Zusammenstellung  der  carmina  minora  besonders  von  J.  Sillig,  im 
vierten  Bande  des  Heyne- Wagnerschen  Vergil,  in  Chr.  Jahn's  Textausgabe, 
im  vierten  Bande  von  Ribbecks  Vergil  (als  Appendix  Vergiliana,  Lips. 
1868)  und  in  dessen  Textausgabe.  Vgl.  J.  Mahly,  Heidelb.  Jahrbb.  1870, 
^.  769—796.  801—839.  üebersetzt  und  erläutert  von  W.  A.  B.  Hertzberg, 
Stuttgart  (Metzler)  1856  (Gedichte  des  Vergil,  zweite  A^thlg.;  Class.  d.  Ali). 

4.  Zeugnisse  für  die  Abfassung  eines  Culex  durch  Vergil  (ausser 
Donath  A.  1).  Sueton.  vita  Lucani  (p.  50  Rffsch.):  ut  praefatione  quadam 
aetatem  et  initia  sua  cum  Vergilio  comparans  ausus  sit  dicere:  et  quantum 
mihi  restat  ad  Culicem!  Vgl.  Stat.  Silv.  II,  7,  73  f.:  haec  primo  iuvenis 
canes  sub  aevo,  ante  annos  Cnlicis  maroniani.  Statins  scheint  also  geglaubt 
zu  haben  dass  Vergil  seinen  Culex  XXVI  (nicht  XVI)  Jahre  alt  verfasst 
habe.  Stat.  Silv.  I  praef.:  et  Culicem  legimus  et  Batrachomyomachiam 
etiam  agnoscimus;  nee  quisquam  est  illustrium  poetanim  qui  non  aliquid 
operibuB  suis  stilo  remissiore  praeluserit.  Er  glaubte  also  den  vergilischen 
Culex  noch  zu  besitzen,  obwohl  er  ihm  (seiner  Beschaffenheit)  keine  An- 
erkennung zollte.  Martial.  XIV,  185  (nach  zwei  Epigrammen  auf  die  Ba- 
trachomyomachie) :  accipe  facundi  Culicem,  studiose,  Maronis,  ne  nucibus 
positis  Arma  virumque  legas.  B&s  vermeintlich  vergilische  Gedicht  war 
also  damals  noch  nicht  in  die  Gesammtansgabe  aufgenommen.  Doch 
zweifelte  Martial  nicht  an  dem  vergilischen  Ursprung;  s.  auch  VIII,  56,  19  f.: 
protinns  Italiam  concepit  et  Arma  virumque  qui  modo  vix  Culicem  fleverat 
ore  rudi.  Ebensowenig  die  Quelle  von  Nonius,  (Frobus?)  p.  211:  labrusca, 
genere  feminino,  Verg.  in  Bucolicis  (V,  7);  neutro  Vergilius  in  Cnlice  (v. 
53).  Um  dieser  Zeugnisse  willen  haben  Näke  (zu  Val.  Cat.  Dir.  I.  p.  227), 
W.  Teuffei  (in  Pauly's  Real-Enc.  VI,  2.  1851.  S.  2657),  Ribbeck  (Rhein. 
Mus.  XVIII.  S.  100  f.  Append.  Verg.  p.  20—22)  den  auf  uns  gekonmienen 
Culex  filr  vergilisch  halten.  Es  ist  aber  ganz  wohl  möglich  dass  Martial 
und  Statins  bei  ihrer  Identification  des  erhaltenen  mit  dem  vergilischen 
sich  getäuscht  haben.  Verdacht  erregt  schon  die  Sonderexistenz  des  erstem 
in  der  Zeit  Martials.  Sodann  kann  der  Ausgangspunkt  des  Gedichts  nur 
gewesen  sein  dass  die  Schnake  desswegen  weü  sie  sonst  nicht  zur  Ruhe 
der  Unterwelt  eingehen  könne  den  Hirten-  (dem  sie  das  Leben  gerettet) 
um  ein  Begräbniss  gebeten  habe.  Aber  gerade  diese  Motivierung,  ohne 
welche  die  Conception  der  ganzen  Idee  keinen  Sinn  hat,  fehlt  in  dem  vor- 
handenen Culex,  erdrückt  durch  das  Bestreben  eine  möglichst  vollständige 
Beschreibung  der  Unterwelt  zu  geben.  Dazu  kommen  noch  Nachahmungen 
von  Stellen  aus  sämmtlichen  echten  Dichtungen  Vergils  (besonders  von 
Ecl.  VI  und  Aen.  VI,  s.  Fr.  Baur  S.  371—373),  wenn  dieselben  auch  nicht 
so  keck  ausgeführt  sind  wie  in  der  Ciris. 

5.    Ueber   die   künstlerische  Beschaffenheit   des  erhaltenen  Culex  (412 
Hexameter)  besteht  keine  Meinungsverschiedenheit.   Es  ist  unbestritten  dass 


225.    Vergilius  (Culex  und  Ciris).  455 

das  Gedicht  in  Bezug  auf  Composition  und  Ausfährung  ebenso  schülerhaft 
ist  wie  musterhaft  hinsichtlich  des  Versbaues.  Es  zeigt  in  letzterer  Hin- 
sicht „Sorgfalt  im  Detail  der  Yersbildung  und  empfindliches  Gehör  für 
glatte  Aequabilität  und  Vermeidung  von  Härten"  (W.  Hertzberg  S.  61). 
Nur  glauben  die  Einen  diese  Merkmale  noch  unter  dem  Begriffe  der  Jugend- 
lichkeit befassen  zu  können  (Ribbeck) ,  während  die  Andern  (W.  Hertzberg, 
Frdr.  Baur;  auch  L.  Müller,  de  re  metr.  p.  42  und  Bhein.  Mus.  XXUI. 
S.  658  f.)  in  der  einseitig  technischen  Vollendung  neben  Stümperhaftigkeit 
in  allen  anderen  Beziehungen  ein  Zeichen  erkennen  dass  das  Gedicht  von 
Vergil  nicht  verfasst  ist,  auch  wenn  sein  Ursprung  bis  in  die  augusteische 
Zeit  hinauf  reichen  sollte  (so  L.  Müller,  metr.  p.  217.  317,  und  Fr.  Baur; 
dagegen  W.  Hertzberg:  aus  der  ersten  Hälfte  des  ersten  christl.  Jahrb., 
zwischen  Ovid  und  Persius).  Eingehende  Beleuchtung  des  Culex  von  W. 
Hertzberg  in  der  Einleitung  zu  seiner  Uebersetzung,  S.  6 — 25.  Friedr.  Baur, 
ist  der  uns  überlieferte  Culex  ein  Jugendgedicht  des  Vergilius?  in  Fleck- 
eisens Jahrbüchern  93,  S.  357—377. 

6.  M.  Haupt,  Verbesserungen  des  Textes  des  Culex,  Monatsberichte  der 
Berliner  Akad.  1858,  S.  646—659.  Ribbeck,  Vermutungen  zum  Culex,  Rhein. 
Mus.  XVIII.    S.  100—112. 

2)  Ciris,  die  Geschichte  von  dem  Verrathe  der  megarischen 
Königstochter  Skylla  an  ihrem  Vater  Nisus  und  ihrer  Verwand- 
lung in  den  Vogel  Ciris.  Das  Epyllion  stammt  wohl  aus  dem 
Kreise  des  Messala  und  ist  dessen  Sohn  (Cos.  751  d.  St.)  ge- 
widmet. Vergils  Gedichte  sind  stark  ausgebeutet;  daneben  aber 
zeigt  sich  der  Verfasser  als  Schüler  und  Nachahmer  CatuUs, 
und  klingt  ausserdem  manchfach  an  Lucretius,  sowie  an  Tibul- 
lus  und  andere  augusteische  Dichter  an.  In  seiner  feinen  Schil- 
derung von  Seelenzuständen  erinnert  das  Gedicht  an  Vergil. 
Der  Versbau  ist  weniger  gefeilt  als'  bei  diesem,  die  Sprache 
aber  bewegter. 

1.  Für  den  vergilischen  Ursprung  der  541  Hexameter  spricht  nichts. 
Alles  aber  dagegen,  und  der  Verf.  simuliert  auch  keineswegs  eine  solche 
Urheberschaft,  äussert  sich  vielmehr  im  Eingange  ausführlich  über  seine 
persönlichen  Verhältnisse.  Damach  ist  er  ein  schon  älterer  Mann,  der 
nach  einem  bewegten  (politischen)  Leben  am  liebsten  sicli  ganz  der  (epi- 
kureischen) Philosophie  widmen  und  ein  Lehrgedicht  in  deren  Sinne  ver- 
fassen möchte.  Der  Name  desselben  ist  unbekannt.  Cornelius  Gallus,  auf 
welchen  J.  H.  Voss  gerathen  hatte  (so  dass  vielmehr  Vergil  die  Ciris  ge- 
plündert hätte),  ist  es  nicht  (s.  W.  Hertzberg  S.  53 — 55);  eher  der  Lynceus 
des  Propertius  (unten  239,  3).  Der  Vermutung  (von  W.  Teuffei,  in  Pauly's 
Beal-Eno.  VI,  2.  S.  2657) ,  dass  der  Messala  (v.  54)  welcher  v.  36  iuvenum 
doctissime  angeredet  wird  der  älteste  Sohn  des  Redners  Messala,  Messa- 
linus  (unten  262,  6),  Cos.  751,  sei,  haben  auch  W.  Hertzberg  S.  55  und 
Ribbeck  Append.  p.  16  zugestimmt.    Das  (jedicht  mag  also  um  735  —  740 


456  Augusteische  Zeit.    J.  711—767  d.  St. 

verfasst  sein.  Für  die  Entstehung  in  der  augusteischen  Zeit  macht  L. 
Müller,  de  re  metr.  p.  42,  den  weiteren  Umstand  geltend  dass  in  der  Ciris 
auch  die  Elegieen  Gatulls  und  das  kleine  Epos  de  Feleo  et  Theti  nach- 
geahmt seien,  während  nach  Augnstus  sonst  immer  nur  Gatulls  lamben  und 
Hendekasyllaben  berücksichtigt  werden. 

2.  Nachweis  der  Entlehnungen  aus  Vergil  (welchem  ganze  Verse  ent- 
nommen werden,  vgl.  96  f.  126.  167.  185.  210.  232.  267.  29$.  302.  318. 
349.  370.  398.  405  f.  480.  437.  474.  638  ff.),  aus  Catull  (v.  168  ff.  177  ff. 
195  ff.  241.  360.  387  ff.  442.  511;  vgl.  M.  Haupt,  Quaest.  Catull.  p.  45.  75  f. 
Observ.  crit.  p.  6.  14)  und  andern  Dichtern  s.  bei  Schrader,  Emendationes 
p.  34  ff.  vgl.  Sillig  rV.  p.  155  ff.  Abweichungen  vom  Sprachgebrauche  Ver- 
gils,  besonders  im  Grebrauche  der  Partikeln,  Jacob  zu  Propert.  p.  165  und 
bei  Sillig  IV.  p.  143  f.  Haupt,  Observ.  crit.  p.  48.  Abweichungen  von  dessen 
Versbau,  W.  Hertzberg  S.  61  Anm.,  dessen  ganze  Einleitung  (S.  51 — 58) 
überhaupt  die  beste  Charakteristik  des  Gedichtes  enthält.  Vgl.  auch  Bibbeck, 
Appendix  Vergil.  p.  16 — 18.  Im  Ganzen  steht  die  Weise  des  Verfassers 
Catull  (bzhgsw.  Ovid)  näher  als  der  vergilischen. 

3.  Dass  das  Gedicht  stofflich  nach  einem  griechischen  (alexandrinischen) 
Vorbild  gearbeitet  ist  macht  theils  der  mythologische  Charakter  des  Stoffes 
selbst  theils  die  Nennung  des  Paläphatus  (v.  88),  sowie  (v.  488)  die  ety- 
mologische Ausdeutung  des  Namens  Ciris  (von  xeigsiv),  wahrscheinlich. 
Unbekannt  aber  ist  ob  Eallimachos  oder  Parthenios  (Meineke,  Anal.  alex. 
p.  273)  oder  ein  Anderer  dieser  Vorgänger  war. 

4.  F.  W.  Graser,  Epist.  ad  Richter.,  qua  I.  Silligii  de  Cir.  poem.  ex- 
ordio  disputatio  examinatur,  Guben  1836.  4.  H.  Beck',  de  Ciri,  Coburg 
1839.  Kritische  Beiträge  von  M.  Haupt  (Quaestiones  Catull.  p.  76  —  78; 
Monatsberichte  der  Berliner  Akad.  1868,  S.  669  —  671),  G.  Pütz  (Adnota- 
tiones  ad  Virg.  Cirin,  Cöln  1846.  4.),  Ribbeck,  Rhein.  Mus.  XVUI.  S. 
112  —  122). 

3)  Moretum  (der  Kräuterkloss),  ein  anmutiges  Idyll  aus 
der  Zeit  des  Vergilius,  vielleicht  von  diesem  selbst  nach  einem 
griechischen  Gedichte  des  Parthenios  gearbeitet,  voll  anschau- 
licher Detailmalerei  und  liebenswürdiger  Laune,  sowie  in  mei- 
sterhafter Form. 

1.  Nach  J.  G.  Vossius,  de  poet.  gr.  9  fand  sich  in  einem  cod.  Ambros. 
des  Gedichts  die  Angabe:  Parthenius  Moretum  scripsit  in  Graeco,  quem 
Virgilius  imitatus  est.  Sie  bildet  wohl  die  Vermittlung  mit  der  Thatsacbe 
dass  die  „Frische  der  Anschauung,  Plastik  der  Ausführung  und  sinnliche 
Scharfe  der  Charakteristik"  (W.  Teuffei  in  Pauly's  Real-Enc.  VI,  2.  S.  2658) 
in  dem  Gedichte,  „die  scharfe,  jeder  Phrase  abholde  Bezeichnung  der 
Dinge  wie  sie  sind"  (W.  Hertzberg  S.  95),  sonst  gar  nicht  Vergils  Art  ist. 
Und  dass  das  griechische  Original  ziemlich  wortgetreu  übertragen  sei  hat 
W.  Hertzberg  (S.  95.  100.  101  f.)  aus  dem  Namen  Simylus,  dem  Masse 
v.  18  und  aus  v.  116  erschlossen.  Die  124  Hexameter  schildern  wie  der 
Bauer  Simylus  in  der  Morgendämmerung  aufsteht,  sein  Brod  bäckt,   sein 


225.   YergiliuB  (Moretum,  Gopa,  Catalecta).  457 

moretam  fertig  macht  und  dann  an  die  Arbeit  geht.  Aüch-Sneius  hatte 
ein  Moretam  verfasst  (oben  29,  2),  und  vielleicht  hat  der  Wunsch  es  besser 
als  Sueiufl  zu  machen  den  Yergil  zu  neuem  Anfassen  der  Aufgabe  ver- 
anlasst. Jedenfalls  ist  das  Gredicht  aus  der  besten  Zeit  der  römischen  Li- 
teratur, wie  schon  die  Stellung  beweist  welche  v.  76  die  laotuca  im  Ver- 
gleich mit  der  Zeit  Martial's  (Martial.  XIII,  14,  1)  einnimmt  (Stauder  in 
der  Ztschr.  f.  Alt-Wiss.  1853,  S.  290).  Vgl.  Lachmann  zu  Lucret.  p.  326: 
in  Moreto,  quod  Carmen  Vergilianis  aetate  par  esse  ezistimo.  M.  Haupt, 
Quaest.  Catull.  p.  62.  W.  Hertzberg's  Einleitung  S.  93-- 96.  Bibbeck  Ap- 
pendix p.  14  f.  oben  S.  453,  A.  1. 

2.  F.  G.  Klopfer,  Moretum  quod  vulgo  Virgilio  adscribitur,  cum  ver- 
sione  yemacula  et  animadversionibus,  Zwickau  1806.  4.  F.  W.  Schneidewin 
in  Jahn's  Archiv  U.  S.  426  f.  Chr.  Jahn  ebds.  IV  (1836).  S.  627—639.  M. 
Haupt,  Quaest.  Catull.  p.  49—53.  Stauder,  zu  Vergil's  Moretum,  Zeitschr. 
f.  d.  Alt.-Wi8S.  1863,  Nr.  37  f. 

4)  Copa  (die  Schenkwirtin),  eine  kleine  Elegie  aus  bester 
Zeit,  in  ihrer  Technik  ganz  der  Weise  Vergils  entsprechend, 
um  so  weniger  aber  nlit  ihrem  lebenslustigen  Inhalt  und  Ton 
an  ihn  erinnernd,  zudem  mit  Anklängen  an  vergilische  Stellen. 

1.  Als  vergilisch  bezeichnet  werden  die  19  Distichen  durch  einige  Hdss., 
und  auch  Charisius  hielt  sie  dafür;  s.  Charis.  I.  p,  47  F.  =»  63,  11  E.: 
quamvis  Vergilius  librum  suum  Cupam  inscripserit.  Auch  Lachmann  zu 
Lucret.  III,  374.  p.  164  citiert  Vergilius  .  .  in  Copa  31.  Die  üeberein- 
stimmung  der  Copa  mit  der  vergilischen  Technik  im  Bau  des  Pentameters 
hat  W.  Hertzberg  S.  105  nachgewiesen,  aber  auch  S.  104  die  mit  Proper- 
tius  (da  an  Catull  der  Zeit  nach  nicht  zu  denken  sei),  und  S.  103:  „die 
reinliche  und  scharfe  Detailmalerei,  die  Kürze  des  Ausdrucks,  die  Volubi- 
litat  der  Satzbildung,  und  die  lebensfrohe  übermütige  Stimmung  die  das 
Ganze  durchzieht,  diess  sind  gerade  nicht  charakteristische  Eigenthümlich- 
keiten  Vergils."  V.  27  cantu  rumpunt  arbusta  cicadae  =  (Jeorg.  III,  328; 
y.  36  cineri  ingrato  «=  Aen.  VI,  213;  vgl.  umbrosis  harundinibus  (y.  8) 
mit  Aen.  VIII,  34  umbrosa  harundo.  V.  31  =  Calpum.  ecl.  XI,  46.  Ap- 
pendix Vergil.  p.  14.  Das  Gedicht  über  die  augusteische  Zeit  hinabzu- 
rücken liegt  jedenfalls  keinerlei  Grund  yor. 

2.  C.  D.  Ilgen,  Animadyersiones  philolog.  et  criticae  in  Carmen  Virg. 
quod  Copa  inscribitnr,  Halle  1820.  4,  (hält  ohne  Grund  den  Valgius  Bufus 
für  den  Verfasser).  Heyne-Sillig  IV.  p.  281  ff.  Uebersetzt  (mit  den  Catal.) 
von  F.  Fiedler,  Wesel  1830.  4.  K.  Zell,  Ferienschriften  I.  S.  5—52.  W. 
Müller,  Rom  und  die  Römerinnen  II.  S.  171  ff. 

5)  Catalecta,  eine  Sammlung  von  vierzehn  Gredichten  im 
elegischen  und  iambischen  Masse  und  von  manchfaltigem  In- 
halte. Der  vergilische  Ursprung  ist  nur  bei  wenigen  bezeugt, 
aber  auch  nur  bei  wenigen  unmöglich..  Mindestens  aus  der  Zeit 
Yei^s  scheinen  alle  zu  stammen. 


458  Augußteische  Zeit.  J.  711—767  d.  St. 

1.  Ausonius  grammaticomast.  (Idyll.  12,)  5  f.:  die  quid  aignificent  Ca- 
talccta  Maronis?  in  his  (2,  3)  al  Celtarum  poeuit,  sequitur  non  lucidiuB  tau. 
Die  Hdss.  der  Cat.  selbst  nennen  sie  catalepton  und  cathelepton;  daher 
Bergk,  Rhein.  Mus.  XX.  S.  291  für  den  eigentlichen  Namen  %aza.  lentov 
erklärte,  was  aber  für  eine  Sammlung  vermischter  Qedichte  kaum  ein  so 
passender  Titel  wäre  wie  wttdlenTa.  Dagegen  Prolusiones  (scherzhafte 
Jugendgedichte)  scheint  man  vorzugsweise  die  (vermeintlich  vergilischen) 
Priap'eia  genannt  zu  haben;  s.  Diomed.  III.  p.  512  P.  und  E.:  Priapeum, 
quo  Vergilius  in  prolusionibus  suis  usus  fuit,  tale  est:  incidi  patulum  in 
specum  procumbente  Priapo,  welcher  sinnlose  Vers,  wie  das  Folgende 
zeigt,  von  dem  Grammatiker  zur  Veranschaulichung  der  metrischen  Form 
gebildet  ist  und  keineswegs  vcrgilisch  sein  soll.  Solcher  Priapeia  stehen 
in  den  Hdss.  der  Catal.  an  deren  Spitze  drei  (Append.  Vergil.  p.  147—150); 
das  erste  ganz  kurz  und  unbedeutend,  v.  1  mit  fehlerhafter  Synalöphe 
und  in  seiner  Pointe  gleich  Martial.  YIII,  40;  das  zweite  (iambische  Se- 
nare)  und  dritte  (im  Priapeius)  Variationen  desselben  Thema's,  ohne  sichere 
Urheberschaft;  s.  W.  Hertzberg  S.  110  f.  Bibbeck,  Append.  Verg.  p.  4f.  Dass 
Plin.  Ep.  V,  3,  6  den  P.  Vergilius  (oben  31,  1)  unter  den  boni  aufzählt 
welche  erotische  lusus  verfasst  haben  wird  aufgewogen  durch  das  Schwei- 
gen Ovids,  welcher  (Trist.  II,  536 — 538)  aus  diesem  Gebiete  nur  Aen.  IV 
und  die  Bucolica  zu  nennen  weiss.  Vgl.  noch  J.  E.  Wemicke,  Priapeia 
(Thorn  1853)  p.  9—11.  108—112.    F.  Bücheier,  Rhein.  Mus.  XVIII.  p.  383. 

2.  Von  den  Catalecta  haben  elegisches  Mass  Nr.  1,  6,  9 — 14;  iambisches 
Nr.  3,  4,  5  und  8,  sowie  (choliainbisches)  Nr.  2  und  7.  Als  vergilisch  be- 
glaubigt ist  Nr.  2  (auf  Annius  Cimber,  oben  206,  12)  durch  Quintil.  VIII, 
8,  28  und  Ausonius  (s.  A.  1).  Ein  bestimmtes  Merkmal  welches  die  Ur- 
heberschaft Vergils  ausschlösse  trägt  nur  Nr.  5  an  sich,  dessen  Eingang 
persönliche  Verhältnisse  seines  Verfassers  andeutet  die  den  vergilischen 
widerstreiten.  Auch  die  servile  Elegie  an  Messala  (Nr.  11)  aus  J.  727  kann 
nicht  von  Vergil  sein  (schon  wegen  v.  17),  sondern  ist  von  einem  Anfänger 
der  seine  mythologische  Gelehrsamkeit  zur  Schau  trägt  und  eher  in  der 
Manier  des  Ovid  als  des  Vergil  dichtet.  Bibbeck,  Append.  Verg.  p.  12  f. 
räth  auf  Lygdamus  (unten  240,  4),  was  wenigstens  glaublicher  ist  als 
R.  Ungers  Verwendung  für  Valgius  Rufus  (de  Valg.  Ruf.  p.  304  ff.).  Die 
Bitterkeit  der  lamben  (bes.  von  Nr.  3  f.  und  8)  stimmt  zwar  wenig  zu  dem 
sanften  Wesen  welches  Vergil  später  an  sich  hatte,  erklärt  sich  aber  ge- 
nügend aus  der  Hitze  der  Jugend,  der  Erregung  der  Zeit,  und  dem  Vor- 
gange des  CatuU.  Sie  und  das  catullische  Oitat  in  3,  6,  die  Travestie  eines 
catuUischen  Gedichts  in  Nr.  8,  sowie  die  Hinkiamben  Nr.  7,  und  in  Nr.  13 
catullische  Reminiscenzen,  lassen  auf  eine  literarische  Durchgangsstufe 
schliessen  auf  welcher  Vergil  von  CatulPs  Geist  und  Weise  hingenommen 
war.  B.  Klotz,  de  Catulli  c.  IV  eiusque  parodia  Vergiliana,  Lips.  1868.  4. 
Zu  Vergils  persönlichen  Verhältnissen  passen  genau  Nr.  6,  7,  10;  Männern 
aus  seinem  Kreise  gelten  1,  9,  13,  14.  Im  Allgemeinen  s.  W.  Hertzberg's 
Einleitung  zu  seiner  Uebersetzung  der  Catalecta,  S.  108—110,  und  Ribbeck, 
Appendix  Vergil.  p.  6—14.    L.  MüUer's  Catull.  (1870)  p.  XLIII— XLVI. 

3.  Vgl.  den  Heyne -Wagnerischen  Vergil  IV.  p.  341—382.    F.  Fiedler, 


226.   Vergilius  (Ca^talecta,  Epigrammata  u.  A.).  459 

ex  Verg.  Catalectis  epigramm.  VII  et  Copa,  Wesel  1830.  4.  F.  Näke, 
Valer.  Caton.  (1847)  p.  221  ff.  M.  Haupt,  Emendationes  Catalect.  Vergil., 
Berlin  1859.   13  pp.  4. 

4.  Von  den  Epigrammata  welche  des  Donatus  and  Servius  Aufzählung 
(oben  Nr.'  1,  A.  1)  enthält  geben  Proben  die  Epigramme  des  cod.  Salm. 
Nr.  256—263  Rse,  vgl.  Anthol.  lat.  I.  p.  XXVIII  f.  R.).  Mehrere  hatte  man 
vielleicht  früher;  oder  war  diess  der  ältere  Titel  f&r  die  später  jGatalecta 
genannte  Sammlung.  Wenigstens  Gedichte  im  epischen  Masse,  wie  Vir 
bonus  und  Est  et  non,  können  zu  keiner  Zeit  als  Epigrammata  bezeichnet 
worden  sein. 

5.  In  einigen  Handschriften  (s.  Bibbeck,  Append.  Vergil.  p.  24)  werden 
dem  Vergil  zugeschrieben  drei  spätlateinische  Gedichte,  de  viro  bono  et 
prudente,  de  est  et  non  monosyllabis,  de  rosis  nascentibns  et  senescentibus, 
aufgenommen  in  die  lateinischen  Anthologien  und  in  Bibbccks  Appendix 
Vergil.  (p.  181  ff.);  femer  15  Hexameter  Ad  puerom  (Bitte  um  Erhörung) 
bei  Riese,  Anth.  lat.  781.  Die  Elegie  Bosetum  oder  De  rosis  nascentibus 
(50  Verse,  bei  Riese  Nr.  646)  kann  nach  Latinität  und  poetischem  Stil  nicht 
vor  dem  vierten  christlichen  Jahrh.  verfasst  sein  und  findet  sich  auch  in 
einer  Hdschr.  des  Ausonius  (s.  d.).  Ebenso  (Riese  Nr.  645)  die  25  Hexa- 
meter über  Est  et  non  (Ja  und  Nein),  während  sie  in  andern  (Jüngern)  dem 
Priscianus  eloquentissimus  beigelegt  werden,  also  wohl  dem  Grammatiker 
des  Namens.  Die  26  Hexameter  über  den  vir  bonus  (Riese  644)  sind  eine 
Ausweitung  horazischer  Gedanken  (bes.  S.  II,  7,  86  f.  Ep.  ü,  2,  206  ff.)  und 
begegnen  sich  mehrfach  mit  den  apokryphen  X9'^<f^  ^^'  Vgl.  Näke,-Val. 
Cat.  p.  240. 

6.  Auch  zwei  Elegieen  auf  Maecenas,  in  obitum  Maecenatis  (144 
Verse,  bei  Wernsdorf  poetae  lat.  min.  UI.  p.  155—176)  und  de  Maecenate 
moribundo  (34  Verse,  ib.  p.  177 -—182),  in  der  Appendix  Vergil.  p.  193  ff. 
und  in  Riese's  Anth.  lat.  779  f.,  tragen  in  zwei  Handschriften  den  Namen 
des  Vergil,  und  ihre  sorgföltige  Technik  weist  sie  dem  ersten  christl.  Jahr- 
hunderte zu;  vgl.  L.  Müller  de  re  metr.  p.  52  und  Rhein.  Mus.  XXIII.  S. 
657  f.  mit  Ribbeck  Append.  p.  61. 

7.  Von  prosaischen  Schriften  des  Vergil  ist  nur  sein  Briefwechsel 
mit  August  bekannt,  welcher  wohl  auf  Augustes  Betrieb  veröffentlicht 
wurde.  Proben  daraus  in  Donats  vita  Verg.  31  (46)  und  bei  Macrob.  I, 
24,  11  (oben  224,  6).  Vgl.  Tac.  diaL  13  (testes  Augusti  epistulae),  Claudian. 
Epist.  3,  23  (dignatos  tenui  Caesar  scripsisse  Maroni),  und  das  Urteil  des 
älteren  Seneca  exe.  controv.  lU,  8.  p.  361,  14  f.  Bu.:  Vergilium  illa  feli- 
citas  ingenii  in  oratione  soluta  reliquit. 

226«  Vergüs  Gedichte  erhielten  frühzeitig  Eingang  in  deii2i6 
Schulen,  fanden  Nachahmer,  Uebersetzer  und  Erklärer,  unter 
welchen  M.  Valerius  Probus  einer  der  ältesten  und  bedeutend- 
sten war,  späterhin  Servius.  Des  Letztem  Commentar  besitzen 
wir  noch,  von  den  anderweitigen  Arbeiten  Ueberreste  in  den 
verschiedenen   Scholiensammlungen.     Daneben   wurden   die   ver- 


460  Augusteische  Zeit.    J.  711—767  d.  St. 

gilischen  Gedichte  für  centones  verwendet  und  vom  Aberglauben 
als  Stechbuch.  Ausserdem  wurden  sie  fleissig  vervielfältigt.  Vergil 
selbst  aber  wurde  im  Munde  des  Volks  allmählich  zu  einem 
Wunderthäter  und  Zauberer,  auf  dessen  Namen  bis  tief  in  das 
Mittelalter  hinein  die  Völker  des  Abendlandes  wetteifernd  ihre 
phantastischen  Erfindungen  und  Sagen  häuften. 

1.  Snet.  gramm.  16:  Q.  Caecilius  Epirota  .  .  primus  dicitur  .  .  Vergi- 
lium  et  alioB  poetas  novos  praelegere  coepisse.  Quintü.  I,  8,  5:  optime 
institutum  est  ut  ab  Homero  atque  Yergilio  lectio  inciperet.  Oros.  I,  18: 
Aenoae  .  .  adventus  in  Italiam  quae  arma  commoverit  .  .  ludi  litterarii 
disciplina  nostrae  quoque  memoriae  inustum  est.  AuguBtin.  ciy.  dei  I,  3: 
apud  Vergiiium,  quem  propterea  parvuli  legunt  ut  yidelicet  poeta  magnus 
omuiumque  praeclarissimus  atque  optimus  teneris  ebibitus  animis  non  fa- 
cile  oblivione  possit  aboleri.  lul.  Capitol.  Clod.  Albin.  5,  2:  fertur  in 
scholis  saepissime  cantasse  inter  puerulos  „Arma  amens*'  etc.  (Aen.  IX, 
314).  Macrob.  S.  I,  24,  6:  Vergilianos  versus,  qualiter  eos  pueri  magistris 
praelegentibus  canebanius.  Auson.  epigr.  137,  1:  Arma  virumque  docens 
atque  Arma  yirumque  peritus.  Auflösung  vergilischer  Stellen  in  Prosa  als 
Schulaufgabe,  Augustin.  confess.  I,  17,  27  vgl.  13,  20  ff.  Umgekehrt  themata 
vergiliana  für  die  Yersification ;  vgl.  oben  23,  2  u.  Anm.  2. 

2.  Anspielungen  auf  Yergilisches  oft;  bei  Oyid  (s.  A.  Zingerle,  Ovid's 
Verhältn.  II.  S.  48—113).  Anführungen  der  Aeneis  (II,  77)  auch  beiPhädrus, 
fab.  III.  praef.  27;  bei  luvenal  II,  99  f.  III,  197.  IX,  102.  Vgl.  Wehle, 
Observ.  in  Petron.  p.  44 — 46.  Bibbeck  prolegg.  crit.  p.  200  ff.  Schon  Livius 
hat  aus  der  vergilischen  Phraseologie  Vieles  entnommen;  noch  mehr  Ta- 
citus;  s.  E.  Wölfflin,  Philologus  XXVI.  S.  130  —  132.  Verse  auf  Vergil, 
Anthol.  lat.  507—518.  556—566  R.  Benützung  in  den  Rhetorschulen;  Sen. 
suas.  3,  5  (solebat  Fuscus  ex  Vergilio  multa  traherc).  Serv.  Aen.  X,  18: 
et  Titianns  et  Calvus  (Var.  Catulinns),  qui  themata  omnia  de  Vergilio 
elicuenint  et  adformaverunt  ad  dicendi  usum.  Vgl.  A.  1  und  Bibbeck 
prolegg.  p.  188.  Vergilstellen  fand  man  in  Pompeji  an  den  Wänden  an- 
geschrieben, bes.  Ecl.  VIII,  70.  II,  56.  Aen.  II  in.  Bhein.  Mus.  XII.  S.  250  f. 
Auf  einem  silbernen  Löffel  steht  Ecl.  II,  17;  auf  einem  Belief  der  Villa 
Albani  Aen.  I,  607  ff.  über  dem  Kopfe  einer  Wildbräthändlerin,  0.  Jahn 
Berichte  der  sächs.  G.  d.  W.  1861,  S.  365.  Verwendung  auf  Grabschriften, 
Marini  fratr.  Arv.  p.  826  f.  papiri  dipl.  p.  332  f.  Anführungen  im  täglichen 
Leben,  Suet.  Dom.  9.  Dio  LXXV,  10.  Lamprid.  Diadum.  8,  7.  Vopisc. 
Tac.  5,  1.  Car.  13,  3.  Apulej.  apol.  56  (Aemilianus  habe  ob  deorum  con- 
temtum  den  Beinamen  Mezentius)  u.  ofb. 

3.  Q.  Glitius  Felix,  Vergilianus  poeta,  auf  einer  Inschrift  aus  Bom  bei 
Orelli  1179.  Nachahmer  Vergils  aber  sind  kurzweg  alle  römischen  Epiker 
und  Didaktiker  mehr  oder  weniger,  am  meisten  Persius ,  V alerius  Flaccus, 
Silins  Italiens,  Statins,  Ausonius,  Prudentius,  Paulinus  (L.  Müller,  de  re 
metr.  p.  136).  Anfang  von  centonenartiger  Verwendung  der  vergilischen 
Gedichte  schon  in  der  Ciris,  s.  oben  225,  2.  A.  2.    Späteres  s.  oben  26,  4 — 6. 


226.   VergiliuB  (Fortleben  seiner  Gedichte).  461 

4.  Verwendung  als  Stechbach,  um  in  zweifelhaften  Lagen  daraus  Rath 
zu  schöpfen,  sortes  Vergilianae,  auch  offiziell  in  Tempeln;  s.  lul.  Capitol. 
Clod.  Albin.  5,  4:  in  templo  Apollinis  Cumani  .  .  cum  sortem  de  fato  suo 
tolleret,  his  versibus  ei  dicitur  esse  responsum  (Aen.  VI,  857  f.).  Lamprid. 
Alex.  Sey.  4,  6:  huic  sors  in  templo  Fraenestinae  talis  exstitit  (Aen.  VI, 
882).  14,  5:  ipse  .  .  Vergilii  sortibus  huiusmodi  illustratus  est  (Ae.  VI, 
848  ff.).  Spartian.  Hadr.  2,8:  cum  soUicitus  .  .  Vergilianas  sortes  consu- 
leret,  Quis  procul  etc.  (Ae.  VI,  808  ff.)  sors  excidit.  Trebell.  PoU.  Cliuid. 
10,  4  ff. :  cum  in  Apennino  de  se  consuleret  responsum  huiusmodi  accepit 
(Ae.  I,  265);  item  cum  de  posteris  suis  (Ae.  I,  278);  item  cum  de  fratre 
(Ae.  VI,  669).  Schwarz,  de  sortibus  poeticis,  Altorf  1712  =»  diss.  sei.  p. 
17  ff.  Im  Mittelalter  (wo  Vergil  an  Dante  einen  Bewunderer  hatte,  vgl. 
E.  Ruth  in  den  Heidelb.  Jahrbb.  1849,  S.  883  —  907)  wurde  namentlich  die 
einen  prophetischen  Ton  anstimmende  vierte  Ekloge  messianisch  gedeu- 
tet; Th.  Oreizenach,  die  Aeneis,  die  vierte  Ekloge  und  die  Pharsalia  im 
Mittelalter,  Frankfurt  a.  M.  1864..  37.8.  4.  Nachklang  davon  oben  222,  6 
g.  E.  und  F.  Piper,  Virgilius  als  Theolog  und  Prophet  des  Heidenthums 
in  der  Kirche,  Berlin  1862  (evangel.  Kalender  für  1862,  S.  17—83).  So 
sollte  Vergil  auf  die  Bekehrung  Constantins  Einfluss  gehabt  haben;  vgl. 
Rossignol,  Virgile  et  Constantin  le  grand,  Paris  1845. 

5.  Uebersetzer  Arrianos  (s.  oben  223,  2  g.  E.)  und  vgl.  Sen.  Consol. 
ad  Polyb.  8,  2:  Homerus  et  Vergilius,  tam  bene  de  humano  genere  meriti 
quam  tu  et  de  omnibus  et  de  illis  mernisti,  quos  pluribus  notos  esse  vo- 
luisti  quam  scripserant. 

6.  üeber  die  Erklärer  der  vergilischen  Qedichte  s.  Ribbeck  prole- 
gomena  critica  c.  9,  p.  114—200,  wo  abgehandelt  sind  Q.  Caecilius  Epi- 
rota,  Pollio,  G.  lulius  Hyginus,  lulius  Modestus,  L.  Annans  Cornutus,  Ae- 
milius  Asper,  M.  Valerius  Probus,  Flavius  Caper,  Urbanus,  Velins  Longus, 
Q.  Terentius  Scaurus,  Caesellius  Vindex  und  Sulpicius  Apollinaris, 
Helenius  Acro,  Haterianus,  Aelius  Donatus,  Carminius,  Avienus,  Servius, 
die  angeblichen  commentarii  des  Probus,  lunius  Philargyrius,  die  scholia 
Bernensia  und  scholia  Veronensia.  Dazu  H.  Hagen  vor  seiner  Ausgabe  der 
Scholia  Bernensia  p.  696—708.    Ueber  die  einzelnen  Grammatiker  s.  unten, 

.je  in  ihrer  Zeit.  In  einer  Hds.  saec.  XIV  zu  Padua  Fulgentius  super  Bucol. 
et  Georg.  Virgilii,  jedenfalls  dicht  von  dem  Mythologen  Fulg.,  s.  Jungmann, 
quaest.  Fulg.  p.  61.  —  J.  M.  Dozio,  Cynthii  Cenetensis  in  Vergil.  Aen. 
commentar.  (zuerst  herausgg.  von  A.  Mai,  auct.  class.  VII)  e  cod.  Ambros., 
Mailand  1845.- 

7.  unter  den  Scholiensammlungen  geben  sich  die  Berner  (zu  Buc. 
und  Georg.)  selbst  als  Auszüge  aus  den  Commentarien  von  T.  Gallus, 
Gaudentius  und  lunilius  Flagrins  (aus  Mailand) ;  s.  H.  Hagen  p.  G96  ff»  De 
scholiorum  Bernensinm  codicibus  bei  Hagen  p.  689  —  696.  Ausgabe  der- 
selben zuerst  von  0.  W.  Müller  (Rudolstadt  1847.  1852.  1853.  1854.  4.), 
besser  von  H.  Hagen  in  Fleckeisens  Jahrbb.  Suppl.  IV.  p.  749 — 983,  wozu 
Appendices  und  Indices  p.  984  —  1014.  Die  (trümmerhafteft)  Scholia  Vero- 
nensia  zuerst  aus  einem  Palimpsest  zu  Verona  herausgegeben  von  A.  Mai, 
dann  abgedruckt  an  Lion's  Servius  II.  p.  305  ff.  und  am  besten  von  ü.  Keil, 


462  Augusteische  Zeit.   J.  711—767  d.  St. 

M.  Valerii  Probi  in  Vergilii  Bucolica  et  Georgica  commentarius  (p.  1—68). 
accedunt  scholiorum  VeronenBium  (p.  71  — 108)  et  Aspri  quaestionum  Yer- 
güianarum  (p.  111  — 115)  fragmenta,  Halle  1848.  Dazu  Rhein.  Mus.  VI. 
S.  869  ff.  und  in  Fleckeisens  Jahrbb.  93,  S.  65 — 72.  A.  Herrmann,  d.  Yero- 
neser  Yergilscholien,  Donaueschingen  1869.  32  S.  8.  Progr.  Vgl.  noch 
G.  Thilo,  Beitrilge  zur  Kritik  der  Scholiasten  des  Vergil,  Rhein.  Mus.  XIY. 
S.  535  ff.  XY.  S.  119  —  154.  Th.  Mommsen,  über  die  Münchner  Hds.  der 
vergilischen  Schollen,  Mus.  XYI.  S.  137—140. 

8.  Yersificierte  Inhaltsangaben  zu  Yergils  Werken  aus  saec.  lY — Y  z.  B. 
in  Riese's  Anthol.  lat.  1  u.  2  (p.  1—10),  vgl.  ib.  691—602.  634.  663  f.  874. 
Eine  Art  Yorwort  ib.  717  (11  Hexameter).  L.  Müller,  Rhein.  Mus.  XIX. 
S.  114 — 125  und  XXIII.  S.  654 — 657.  Ribbeck,  Prolegomena  critica  p. 
369 — 880.  Ygl.  unten  bei  Sulpicius  Apollinaris.  J.  Mähly,  zu  Yergfils  ar- 
gumenta Ovidio  adscripta,  Zeitschr.  f.  d.  Ostreich.  Gymn.  XXH,  5. 

9.  Yon  den  vergilischen  Gedichten  besitzen  wir  sieben  Handschriften 
in  Capitalschrift,  wovon  jedoch  drei  nur  eine  Anzahl  Bl&tter  umfassen, 
nämlich  die  schedae  rescriptae  Sangallenses  (G  bei  Ribbeck),  die  schedae 
rescr.  Yeronenses  (Y),  und  die  drei  Berliner  Blätter  (A),  welche  ursprüng- 
lich zu  einer  vaticanischen  Handschrift  (Nr.  3266)  gehörten.  Die  älteste, 
aber  ebenfalls  sehr  unvollständige,  Handschrift  sind  die  schedae  Yaticanae 
Nr.  3225  (F)  aus  dem  zweiten  christl.  Jahrh.  Yon  den  umfangreicheren 
(aber  gleichfalls  nicht  ganz  vollständigen)  Handschrift;en  ist  besonders 
wichtig  der  Mediceus  (M)  aus  dem  fünften  Jahrb.;  cod.  Falatinus  (P),  Nr. 
1631  in  der  Yaticana,  aus  saec.  4 — 5;  cod.  Yaticanus  Nr.  3867  (R),  gleichfalls 
aus  saec.  lY — Y.  Dazu  der  cod.  Gudianus  (y)  saec.  IX,  drei  Berner  Hdss.  (a, 
b,  c)  aus  saec.  IX  und  X,  sowie  (aus  saec.  X— XII)  der  codex  Minoraugien- 
sis  (m).  Ueber  diese  Hdss.  s.  Ribbeck  Prolegomena  critica  ad  Yerg.  (1866) 
p.  218 — 230;  de  scriptum  codicum  antiquissimorum  ib.  p.  231 — 264;  und 
librorum  manu  scriptorum  rationes  explicantur  ib.  p.  265 — 361  (wo  p.  363 
de  codicibus  Yindobonensibus  und  p.  363 — 361  de  aliis  recentioris  aetatis 
libris).  Ergebniss  p.  361:  redire  omnem  nostram  memoriam  ad  unum  ar- 
chetypum  currenti  stilo  parum  nitide  scriptum  oppletumque  nube  coniectu- 
rarum,  glossematom  atque  interpolationum  (vgl.  oben  222,  3.  224,  4).  Son- 
stige neuere  Literatur  über  die  Yergilhandschriften.  J.  G.  Eck,  Yarietas 
lect.  ex  cod.  membr.  acad.  bibl.  Lundensis,  Lund  1844,  9  Partes.  G.  Butler, 
codex  Yergilianus  qui  nuper  ex  bibliotheca  abbatis  Matt.  Lud.  Canonici 
Bodleianae  accessit  (angeblich  aus  saec.  XI)  cum  Wagneri  textu  collatus, 
Oxon.  1854.  G.  H.  Pertz,  über  die  Berliner  und  die  vaticanischen  Blätter 
u.  s.  w.  Berlin  1863.  4.  (Abhandl.  der  Berl.  Akad.),  nebst  dem  Nachtrag 
in  den  Monatsberichten  1864,  S.  278  ff.  und  J.  Henry  in  Fleckeisens  Jahrbb. 
95,  S.  419 — 423.  £.  Hoffmann,  zur  Eenntniss  und  Beurteilung  einiger  Yer^ 
gilhdss.,  Ztschr.  f.  Ostreich.  Gymnasien  XYI.  S.  129-^148.  477—608.  Win- 
nefeld,  ein  üeberrest  eines  Codex  von  Yergile  Aeneis  mit  Scholien  des 
Servius,  Eos  IL  S.  583 — 540. 

10.  Gesammtausgaben  der  vergilischen  Gedichte.  Ygl.  die  Notitia 
literaria  in  der  Zweibrücker  Ausg.,  in  der  Heyne -Wagnerschen  Ausg.  lY. 
p.  635—742,  und  Schweigers  dass.  Bibliogr.  II,  2.  S.  1145  ff.,  auch  F.  W. 


226.   VergiliuB  (Handschrifben  und  Ausgaben).  463 

Wagner,  Grnndriss  der  clasa.  Bibl.  (Breslau  1840)  S.  639—647.  Wir  nennen 
nur  die  wichtigsten.  Ed.  princeps,  Rom  um  1469  fol.  Yenet.  ap.  Aid.  1601. 
8.  u.  oft.  Cum  comment.  Donati,  Serrii  etc.  per  6e.  Fabricium,  Basil. 
1661.  fol.  u.  oft  Argumentis,  explicationibus  et  notis  illustrata  a  J.  L.  de 
la  Gerda,  Madrit.  1608  —  1617.  fol.  3  Voll.  E  recens.  Dan.  Heinsii,  Lugd. 
Bat  1636.  12.  Bec.  Nie.  Heinsius,  Amstelod.  1664.  1676.  12.  Interpretat 
et  notis  illustr.  Car.  Buaeus,  in  us.  Delph.,  Paris  1676  etc.  4.,  ed.  noviss. 
opera  J.  J.  Boqnete,  3  Voll.  12.  Paris  1860.  Com  comment.  Serv.,  Philarg. 
etc.,  Ursini,  N.  Heinsii  etc.  ed.  P.  Burmann.,  Amstelod.  1746.  4  Voll.  4. 
Variet  lect  et  perp.  adnot  - iUustr.  a  C.  G.  Heyne,  Lips.  1767 — 1776. 
IV  Voll.;  ed.  II.  1788;  ed.  III.  1798—1800.  V  Voll.;  ed.  IV.  cur.  G.  Ph.  E. 
Wagner,  Lips.  1830  —  1832.  IV  Voll.  .(Vol.  IV:  Virg.  quae  vulgo  feruntur 
carmm.  Culex  etc.,  rec.  et  Heynii  suasq.  obss.  add.  J.  Sillig),  wozu  1841 
als  Vol.  V.:  P.  Vergrili  Mar.  carmm.  ad  pristinam  orthographiam  .  .  re- 
Yocata,  nebst  Indices*.  Auszug  der  Heyne'schen  Ausgabe:  in  tironum  grat. 
perp.  adn.  ill.  C.  G.  Heyne,  Lips.  1779.  1788.  1799.  2  Voll.,  cum  animadw. 
ed.  E.  C.  F.  Wunderlich  et  F.  E.  Ruhkopf,  ib.  1816  f.  1822.  2  Voll.  Ad 
optim.  librr.  fidem  recogn.  et  in  us.  schol.  ed.  J.  Chr.  Jahn,  Lips.  1826. 
ed.  n.  1838.  ed.  IV.  1860.  Rec.  et  illustr.  A.  Forbiger,  Lips.  1836—1839. 
ed.  n.  1846.  ed.  III.  1862.  Perpetuo  comm.  ad  modum  J.  Bond  explicuit 
Fr.  Dabner,  Paris  (Didot)  1868.  16.  Recensuit  0.  Ribbeck,  Lips.  Teubner 
1869 — 1862,  3  Bde.,  wozu  1866  Prolegomena  critica  und  (als  Vol.  IV)  1868 
Appendix  Vergiliana.  Oeuvres  de  Vergile,  texte  latin  .  .  avec  un  commen- 
taire  critique  et  explicatif,  une  introduction  etc.  par  E.  Benoist,  Paris  1867  ff. 

Schulausgaben  Von  E.  F.  Süpfle  (Carlsruhe  1842.  1847),  Ph.  Wagner 
(breviter  enarrayit,  Lips.  1846.  1849.  1861;  in  deutscher  Bearbeitung  yon 
Koch,  Leipz.  1849),  Th.  Ladewig  (Berlin,  Weidmann,  1860—1862;  3  Bdchn.; 
6te  Aufl.  1871). 

Textausgaben  von  Paldamus  (Lips.  TauchBits.lSM^  mit  Einleitung)^ 
M.  Haupt  (ed.  nitida,  Lips.  Hirzel  1868),  Th.  Ladewig  (Berlin  1866),  Rib- 
beck (Bibl.  Teubner.,  Lips.  1867). 

11.  Ph.  Wagner,  Quaestiones  Vergilianae  (in  der  Heyne'schen  Ausgabe 
IV.  p.  383 — 687)  und  Lectionum  Vergilianarum  libellus,  Philologiis  Suppl.  I. 
p.  307—426;  nebst  Philologus  XV.  S.  361  f.  XVL  S.  637—642.  XVII.  S. 
170 — 172.  C.  Regel,  Quaest.  Verg.  criticarum  specimen,  Celle  1866.  30  pp.  4. 
Ph.  Spitta,  Quaestiones  Vergilianae,  Göttingen  1867.  47  pp.  4. 

12.  Das  grosse  Ansehen  welches  Vergil  bei  der  Nachwelt  als  Dichter 
genoss  und  welches  sich  auch  in  Verehrung  seiner  Grabstätte  bekundete 
(Plin.  Epp.  m,  7,  8.  VgL  Martial.  XI,  48  f.  Stat  Silv.  IV,  4,  61  ff.),  der 
superstitiOse  Gebrauch  den  man  von  seinen  Gedichten  machte  (oben  A.  4), 
zusammen  mit  Ausdeutungen  seines  Namens  (von  virga  Zauberstab)  und 
des  seiner  Mutter  (maga),  bewirkte  dass  die  Person  Vergils  allmählich  ins 
Mythische  verflüchtigt  wurde.  Schon  in  Donats  vita  finden  sich  derartige 
Züge,  §,  3 — 6,  dann  in  den  späteren  Zusätzen  8—18,  69  f.  und  78,  und  je 
tiefer  ins  Mittelalter  hinein,  desto  abenteuerlicher  wird  die  Ausmalung, 
desto  mehr  wird  Vergil  zu  einer  Gestalt  wie  Faust  oder  Theophrastus 
Paracelsus.    Im   Unterschied  von   diesen   erscheint  er  aber  stets  als   ein 


464  Augusteische  Zeit.   J.  711—767  d.  St. 

wohlwollender  Genius,  der  überall  gern  helfend  eingreift.  Nur  eine  Rö- 
merin die  seine  Liebe  schnöd  getäuscht  hatte  bekommt  auch  seine  B>ache 
zu  fahlen.  Wie  für  die  romantische  Phantasie  die  Namen  aller  Zeiten 
und  Völker  wild  durcheinandertaumeln,  so  wurde  auch  Yergil  bald  unter 
den  fabelhaften  Kaiser  Octavianns  gesetzt  bald  unter  den  König  Servius 
(in  den  sieben  Weisen),  bald  unter  Titus  (Gest.  Rom.  c.  57),  bald  unter 
Darius  in  Rom  (ib.  c.  120),  auch  in  die  Bretagne  unter  den  König  Artus, 
oder  ist  er  Sohn  eines  Ritters  aus  „Campanien  im  Ardenner  Wald*^  und 
Qiner  römischen  Senatorstochter  unter  dem  Kaiser  Remus,  der  seinen 
Oheim  Romulus  erschlug  und  dessen  Nachfolger  sein  Sohn  Perseus  wurde, 
unter  dessen  Regierung  Yergilius  an  der  Schule  zu  Toledo  studierte 
(deutsche  Yolksbb.  S.  3 — 7).  Der  Schauplatz  seiner  Thaten  sind  die  Städte 
Rom  und  Neapel.  In  Rom  thut  er  seine  Wunder  meist  auf  Veranlassung 
des  Kaisers,  der  ihn  nach  einem  nutzlosen  Kampfe  mit  ihm  zu  seinem 
obersten  Rathsherm  gemacht  hat,  und  dieselben  bezwecken  theils  die 
Sicherung  des  Staats  nach  aussen  (wie  die  Salvatio  Romae)  theils  Ord- 
nung im  Innern.  In  seinem  geliebten  Neapel  aber,  das  er  gründete  und 
im  Grunde  der  See  auf  Eier  stellte,  sorgt  er  durchgängig  aus  eigenem 
Antrieb  fuLr  die  Wohlfahrt  der  Stadt  Von  seinem  Leben  in  Neapel  ist 
ein  besonders  grotesker  Zug  dass  er  auf  einer  durch  die  Luft  geschlagenen 
Brücke  sich  die  Sultanstochter  aus  Babylon  holt.  Vgl.  im  Allg.  Genthe 
vor  seiner  Üebersetzung  der  Eclogen  S.  68—97  =  47—86  der  zweiten  Ausg. 
Ad.  Keller,  Li  Romans  des  s^t  Sages,  p.  CCIII  f.  Siebenhaar,  de  fabulis 
quae  media  aetate  de  P.  Virg.  circumferebantur,  Berl.  1837.  4.  F.  Michel, 
quae  vices  quaeque  mutationes  et  Virgilium  ipsum*  ^t  eins  carmina  per 
mediam  aetatem  ezceperint^  Paris  1846.  Grässe,  Beiträge  zur  Lit.  und 
Sage  des  Mittelalters  (Dresden  1860.  4.).  II:  zur  Sage  vom  Zauberer  Vir- 
gilius.  G.  Zappert,  Virgils  Portleben  im  Mittelalter,  Wien  1851  (Denk- 
schriften der  Wiener  Akad.  II).  Schwubbe,  P.  Virgilius  per  mediam  aeta- 
tem gratia  et  auctoritate  fiorentissimus,  Paderborn  1862.  4.  K.  L.  Roth, 
über  den  Zauberer  Virgilius,  in  Franz  Pfeiffers  Germania  IV.  (1869)  S. 
257—298;  vgl.  K.  Bartsch,  ebds.  S.  237  —  240  und  F.  Liebrecht  ebds.  X. 
S.  406  ff.  C.  G.  Milberg,  Memorabilia  Vergiliana  (Meissen  1867.  4.)  und 
Mirabilia  Vergiliana  (Meissen  1867.  4.).  F.  Gregorovius,  Geschichte  d.  Stadt 
Rom  IV  (1866)  g.  E.  Comparetti,  Virgilio  mago  ed  innamorato,  1867  ff. 
Les  faictz  merveilleux  de  Virgile,  Genf  1867.  64  pp.  24.  (Wiederabdruck 
eines  Volksbuchs  des  16.  Jahrh.). 

217  227.  Vergils  Jugendfreund,  Cornelius  Gallus  aus  Porum 
lulii  (J.  685 — 728  d.  St),  war  der  Erste  welcher  die  erotische 
Elegie  der  Alexandriner  auf  romischen  Boden  verpflanzte.  Aber 
durch  Octavians  Gunst  in  kriegerische  und  politische  Stellungen 
gelangt,  wurde  er  übermütig  und  endete  frühzeitig  tragisch. 

1.  Asinius  Pollio  bei  Cic.  ad  fam.  X,  32  extr.  (J.  711):  Gallum  Corne- 
lium,  familiärem  meum.  Probus  zu  Vergfil.  Buc.  p.  6,  1  Keil:  insinuatus 
Augusto  per  Comelium  Gallum,  condiscipulum  suum,  promeruit  (Vergiliua) 
ut  etc.    An   ihn   gerichtet  ist  Vergil.  Ecl.  X  (J.  715),    wonach    er  damals 


226  f.   VergiliuB.    Cornelius  Gallus.   Codrus.  465 

bereits  Gedichte  verfasst  und  die  Untreue  seiner  Geliebten  Ljcoris  (oben 
209,  1)  erfahren  hatte;  s.  v.  2  —  6.  10.  22  ff.  42  ff.  72  ff.  Dazu  Servius: 
Gallus  ante  omnes  piimus  Aegypti  praefectus  fuit,  poeta  eximius.  nam 
et  Euphorionem  .  .  transtulit  in  latinum  sermonem  et  amorum  suorum  de 
Cytheride  scripsit  libros  quattuor.  .  .  fuit  autem  amicus  Vergilii,  adeo  ut 
quartus  Georgicorum  a  medio  usque  ad  finem  eins  laudes  teneret;  s.  oben 
223,  1.  vgl.  220,  3.  Prob,  zu  £cl.  10,  50:  Euphorion,  .  .  cuius  in  scribendo 
secatus  colorem  videtur  Cornelius  Gallus.  Ovid.  Trist.  II,  445:  nee  fuit 
opprobrio  celebrasse  Lycorida  Gallo.  Vgl.  rem.  am.  765.  Martial.  YIII, 
73,  6.  Quintü.  X,  1,  93  nennt  ihn  als  Elegiker  durior.  Vgl.  noch  oben 
206,  2.  4.    225,  2.  A.  1. 

2.  Theilnahme  des  Gallus  am  'Kriege  gegen  Antonius,  Dio  LI,  9. 
Sueton.  Aug.  66:  Comelimn  Gallum,  quem  ad  praefecturam  Aegypti  (J. 
724)  ex  infima  fortuna  provexerat  (vgl.  Dio  LI,  17.  Strab.  XVII.  p.  819. 
Eutrop.  VII,  7).  .  .  ob  ingratum  et  malevolum  animum  domo  et  pro- 
vinciis  suis  interdixit.  Gallo  et  accusatorum  denuntiationibus  et  senatus 
consultis  ad  necem  compulso  etc.  Hieronym.  chron.  a.  Abr.  1990  =  Aug. 
17  =B  728  d.  St.:  Cornelius  Gallus  Foroiuliensis  poeta,  a  quo  primum 
Aegyptum  rectam  supra  diximus,  XLIU  aetatis  soae  anno  propria  se  manu 
interfecit.  Vgl.  Ovid.  Trist.  II,  446.  Amor.  III,  9,  63  f.  Propert.  III,  32, 
91  f.  Dio  LIII,  23  f.  Ammian.*  Marc.  XVII,  4,  6.  W.  A.  Beckers  Gallus» 
I.  S.  16  ff.  —  Suet.  gramm.  16:  Q.  Caecilius  Epirota  .  .  ad  Comelium 
Gallum  se  contulit  vixitque  una  familiarissime.  .  .  post  deinde  damnationem 
mortemque  Galli  etc.    Vgl.  unten  258,  1. 

3.  Sehr  zweifelhaft  ist  Jacobs*  Zutheilung  zweier  gi'iechischen  Epi- 
gramme (Anal.  II.  p.  106.   Anthol.  gr.  IL  p.  93)  FdXXov  an  Cornelius  GiiUus. 

4.  C.  Ch.  C.  Völker,  commentatio  de  C.  G.  vita  et  scriptis,  P.  I.  Bonn 
1840.  IL  Elberfeld  1844. 

5.  J.  1590  veröffentlichte  Aldus  Manutius  50  Disticha  auf  Lycoris  als 
Verse  Asinii  Cornelii  Galli  (abgedruckt  bei  Wernsdorf  III.  p.  183—195  vgl. 
p.  125—134;  in  Biese's  anth.  lat.  914).  Die  Ausnützung  bekannter  Stellen 
des  Vergil,  Horaz,  TibuU  und  Ovid  (Met.  und  Trist.),  sowie  mehrere  künst- 
lich berechnete  Lücken  und  das  Fehlen  gröberer  Anstösse  machen  wahr- 
scheinlich dass  das  Gedicht  ein  Erzeugniss  des  15ten  Jahrh.  ist.  Riese  I,  2. 
p.  XXXIIl  f.  Ebenso  verhält  es  sich  mit  den  drei  Epigrammen  (bei  Wernsdorf 
III.  p.  195 — 198;  Riese  915  —  917)  welche  Manutius  gleichfalls  dem  Gallus 
zuschrieb  und  von  denen  eines  auf  CatuU  und  Juvenal  anspielt.  Noch 
Anderes  s.  bei  Riese  p.  XL  f.  not.  28. 

228.  Gleichfalls  dem  Vergil  befreundet  und,  wie  es  schein  1.228 
Verfasser  von  Elegieen  war  (der  pseudonyme?)  Codrus.  Gegner 
von  Vergil  aber  waren  die  Dichter  Bavius  und  Maevius.  Da- 
gegen wird  ein  feindliches  Verhältniss  zu  Vergil  ohne  Grund 
behauptet  von  Anser,  dem  Anhänger  des  M.  Antonius  und  Ver- 
fasser von  erotischen  Gedichten;  s.  oben  210,  8. 

TsuTFBL,  Böm.  Literaturgeschichte.   2.  Aufl.  30 


466  Augusteische  Zeit.   J.  711- 767  d.  St. 

1.  Vergil.  Ecl.  7,  21  ff.:  nymphae  .  .  Libethrides,  .  .  mihi  Carmen  quäle 
meo  Codro  concedite:  proxima  Phoebi  versibus  ille  facit.  Vgl.  ib.  25  f. 
5,  11.  Aehnlich  sagte  Valgius  von  ihm:  ille  canit  quali  tu  voce,  CatuUe, 
canebas  atque  soles  numeros  dicere,  Cinna,  tuos;  dulcior  ut  numquam 
pylio  profluxerit  ore  Nestoris  aut  docto  pectore  Demodoci.  Vgl.  Unger, 
Valg.  p.  XI.  Müssige  Vermutungen  über  seinen  wahren  Namen  (Cornificius 
oder  Cinna  oder  gar  Vergil)  bei  den  alten  Auslegern  zu  d.  St.  Am  ehesten 
wäre  noch  an  den  römischen  Namen  Cordus  zu  denken.  Vgl.  R.  Unger,  Valg. 
p.  405  ff. 

2.  Hieronym.  in  Eus.  chron.  ad  a.  Abr.  1982  ==  Ol.  186,  2  =  Aug.  9 
=  720  d.  St.:  M.  Vavius  poeta,  quem  Vergilius  in  Bucolicis  notat,  in 
Cappadocia  moritur.  Porphyrie  zu  Hör.  Epo.  10,  1  f.  (p.  490  H.):  hie  est 
Maevius  importunissimus  poeta,  quem  et  Vergilius  consimili  contumelia 
notat;  und  zu  Sat.  II,  3,  239  (p.  276  H.):  de  hoc  (dem  Sohne  des  Aesopus) 
Maevius  poeta  scribit.  Vergil.  Ecl.  3,  90:  qui  Bavinm  uon  odit  amet  tua 
carmina,  Maevi.  Dazu  Servius:  pro  poena  ei  contingat  ut  diligat  Maevium 
peiorem  poetam.  nam  Maevius  et  Bavius  pessimi  fuerunt  poetae,  inimici 
tam  Horatio  quam  Vergilio.  unde  Horatius  (Epo.  10,  1  ff.).  Ebenso  Phil- 
argyrius,  wohl  aus  Sueton:  duos  sui  temporis  poetas  dicit  pessimos,  quorum 
carmina  ob  humilitatem  abiecta  sunt.  .  .  ex  quibus  Vavius  curator  fuit, 
de  quo  Domitius  in  Cicuta  refert  .(^ass  er  mit  seinem  Bruder  in  Güter- 
gemeinschaft  und  Frieden  Jebte,  bis  sich  jene  auch  auf  die  Frau  ausdehnte). 
Serv.  zu  Ecl.  7,  21:  ut  sit  .  .  Thyrsis  .  .  Vergilii  obtrectator,  scilicet  aut 
Bavius  aut  Anser  (oben  210,  8)  aut  Maevius  poetae.  Zu  6e.  I,  210:  reprehensus 
Vergilius  dicitur  a  Bavio  et  Maevio  hoc  versu:  hordea  qui  dixit  superest 
ut  tritica  dicat  (vgl.  Ecl.  ö,  36).   Weichert,  poetar.  lat.  vitae  etc.  p.  308 — 312. 

C^ß'^    218         229.    Q.  Horatius  Flaccus,  geboren  8  December  689  d.  St. 

zu  Venusia,  als  Sohn  eines  Freigelassenen,  erhielt  seinen  Unter- 

ifjL  ß.C       rieht  zu  Rom  und  dann  (etwa  J.  709)  zu  Athen.     Dorthin  kam 

im  August  710  M.  Brutus  und  gewann  auch  den  jungen  Horaz 

I  ^'  für  seine  Sache.     Von  ihm  zum  tribunus  militum  ernannt  zog 

Horaz  mit  ihm  in  Makedonien  und  Asien  herum,  bis  die  Schlacht 

^J    (^'Z'        bei   Philippi    (Herbst  712)    seiner    kriegerischen    Laufbahn    ein 

jähes   Ende   machte.     Er  benützte    die  Amnestie   zur   Rückkehr 

nach   Rom   und   kaufte  sich,   durch  die  Ackervertheilung  unter 

die  Veteranen  seines  väterlichen  Vermögens  beraubt,   die  Stelle 

Q      eines  Quästorenschreibers.   Daneben  veröflfentlichte  er  Satiren  und 

r{^^        Epoden.     Hierdurch  bekannt  geworden  wurde  er  Ende  715  von 

Vergil  und  L.  Varius  dem  Maecenas  vorgestellt  und  (Herbst  716) 

in   dessen   Gesellschaft   aufgenommen.     So    begleitete   er    diesen 

^(h^'     J^jm  auf  seiner  Reise  nach  Brundisium.   Von  Maecenas  erhielt 

^  er   ums   J.   721    ein   Landgut    im   Sabinischen   zum   Geschenke. 

Auch  wurde  er  wohl  durch  ihn  mit  Octavian  bekannt.    In  seinen 

Mannesjahren  verfasste  Horaz  auch  lyrische  Gedichte,  in  seinen 


228  f.  Codrns,  Bavins,  Maevhis.  Iloratius  (Leben).  467 

spätesten  Briefe.  Gestorben  ist  er  kurz  nach  Maecenas,  am  27 
November  746,  und  wurde  neben  diesem  bestattet  * 

1.  Die  reichste  Quelle  für  Kenntnisa  von  Horatiuö'  Leben  sind  seine 
eigenen  Gedichte.  N&chstdem  verdanken  wir  eine  Reihe  wichtiger  Nach- 
richten der  Lebensbeschreibung  des  Dichters  welche,  als  ein  Auszug  aus 
dem  de  poetis  handelnden  Theile  von  Suetons  Schrift  de  viris  illuatribus, 
durch  Horazhandschriften  uns  erhalten  ist.  Sie  wurde  frühzeitig  den  Ab- 
schriften der  horazischen  Gedichte  vorgesetzt,  insbesondere  solchen  die  mit 
Scholien  versehen  waren.  Aus  letzteren  gelangten  in  den  Text  der  vita 
bald  auch  Interpolationen,  wie  über  das  speculatum  cubiculum  (aus  Schol. 
Ep.  I,  19,  1;  s.  Roth  im  Rhein.  Mus.  XIIL  S.  531.  Reiffcrscheid ,  Suetou 
p.  389  f.).  Andererseits  zog  diese  Verwendung  der  suetonischen  Arbeit 
auch  Abkürzungen  derselben  nach  sich,  wie  in  der  Aufzählung  der  hora- 
zischen Gedichte  (0.  Jahn  bei  B^ifferscheid  p.  390).  Text  der  vita  in  C. 
L.  Roths  Ausgabe  des  Sueton  p.  297  f.  vgl.  p.  LXXX— -LXXXV,  sowie  den- 
selben im  Rheinischen  Museum  XIII.  S.  617—532.  F.  Ritter  in  den  Pro- 
legomena  seiner  Horazausgabe ,  p.  V — VII.  A.  Reifferscheid ,  C.  Suetoni 
Tranquilli  praeter  Gaesarum  libros  reliquiae  (Lipa.  1860)  p.  44 — 48  vgl. 
p.  387 — 392.  Auf  Benützung  dieser  vita  deutet  schon  Porphyrio  zu  S.  I,  6,  41: 
patre  libertino  natum  esse  Horatium  et  in  narraüone  quam  de  vita  ipsius 
habui  ostendi.  Vgl.  Schol.  zu  0.  IV,  1,  1  (ut  refert  Suetonius  in  vita  Ho- 
ratii)  und  zu  Ep.  II,  1,  1  (cuius  rei  etiam  Suetonius  auctor  est). 

2.  Reliquae  Horati  vitae  in  libris  poetae  .  .  repertae  .  .  ne  ullam  qui- 
<lem  antiquam  memoriam  nisi  quae  ex  ipsis  carminibus  recepta  sit  conti- 
nent,  Reifferscheid  1.  1.  p.  387  f.  Aufzählung  und  Beurteilung  derselben 
bei  C.  Kirchner,  Novae  quaestiones  horatianae  (Naumburg  1847.  4.)  p.  42 
— 44  (not.  6). 

3.  Neuere  Darstellungen  des  Lebens  von  Horaz,  besonders:  Masson, 
vita  Horatii,   Lugd.  Bat.  1708.    Mitscherlich  vor  seiner  Ausgabe  der  Oden 

I.  p.  CXLIV— CLXXIX.  C.  PasBOw,  über  das  Leben  und  Zeitalter  des  Ho- 
raz, vor  seiner  Ausgabe  der  Briefe.  Franke,  fasti  horatiani  p.  5 — 20.  de 
Walckenaer,  histoire  de  la  vie  et  des  po^sies  d'Horace,  2  Bde.  Paris  1840. 
W.  Teuffei,  Horaz  (Tübingen  1843)  S.  1—13;  in  Pauly's  Real-Enc.  III.  S. 
1465 — 1469.  No61  de  Vergers,  vie  d'Horace,  ätude  biographique  sur  Ho- 
race,  Paris  1855.  84  pp.  mit  2  Karten  und  6  photograph.  Ansichten. 

4.  Der  Vorname  Quintus  aus  Sat.  II,  6,  37 ;  das  cognomen  Flaccus  Epo. 
15,  15.  S.  U,  1,  18.  Der  Tag  der  Geburt  aus  Sueton,  der  Monat  auch  aus 
Hör.  Ep.  I,  20,  27;  das  Jahr  aus  Epo.  13,  6.  0.  III,  21,  1.  Ep.  I,  20,  27  f. 
Der  Geburtsort  bes.  aus  S.  II,  1,  34  f.  Stand  des  Vaters:  Sat.  I,  6,  6.  45. 
86.    Ep,  I,  20,  20.    Erziehung,  Sat  I,  6,  72  ff.  4,  105  ff.    Unterricht,  Ep. 

II,  1,  69.  2,  42  ff.  Tribunus  militum,  8.  1,  6,  48.  Ueber  die  Feldzüge  mit 
Brutus  und  die  Flucht  bei  Philippi  0.  II,  7,  wo  v.  9  (relicta  non  bene 
parmula)  vorheriges  tapferes  Kämpfen  (vgl.  Ep.  I,  20,  23)  nicht  ausBchlieebt 
und  die  allgemeine  Folge  jeder  Niederlage  aussagt;  vgl.  z.  B.  Liv.  XXXIX, 
20:  quattuor  milia  militum  amissa  .  .  et  arma  multa,  quae  quia  impedi- 
mento  fugientibus  per  silvestres  semitas  erant  passim  iactabantur.  Hora/. 
konnte  die  allgemeine  Flucht  nicht  verhindern  und  war  mit  der  Sache  des 

30* 


468  Augusteische  Zeit.   J.  711—767  d.  St. 

Brutus  nicht  so  enge  verwachsen  dass  ein  G^bot  der  Ehre  ihm  den  Tod 
zu  suchen  vorgeschrieben  hätte.  Sueton:  victis  partibus  venia  impetrata 
scriptum  quaestorium  comparavit.  Vgl.  S.  II,  6,  36  nebst  Ep.  I,  14,  17. 
Einbusse  des  väterlichen  Vermögens  Epp.  II,  2,  50  f.,  wo:  paupertas  im- 
pulit  audax  ut  versus  facerem.  Sie  benahm  ihm  die  Furcht  vor  den  An- 
stössen  die  er  etwa  geben  könnte  und  pflanzte  ihm  das  Verlangen  ein  sich 
bekannt  zu  machen,  um  dadurch  irgendwie  in  eine  zusagendere  Lage  zu 
kommen.    Vgl.  Franke,  fasti  hör.  p.  17—20. 

5.  Bekanntwerden  mit  Mäcenas  S.  I,  6,  41 — 61.  vgl.  II,  6,  40.  Ge- 
schenk des  Sabinum  J.  721;  s.  W.  Teuffers  Commentar  zu  Sat.  II,  S.  63  f. 
vgl.  S.  158  f.  G.  F.  Grotefend,  wann  erhielt  Horaz  sein  sabinisches  Land- 
gut? Rhein.  Mus.  lU.  S.  471— -473.  Erwähnung  des  Sabinum  bes.  Epo.  1, 
25  ff.  Sat.  II,  3,  6.  308.  6,  1  ff.  16.  60  ff.  0.  I,  17.  Ep.  I,  16, 1—14.  Literatur 
darüber,  ausser  den  älteren  Werken  von  Dom.  de  Sanctia  (Roma  1761.  4. 
1768.  4.),  Capmartin  de  Chaupy  (3  Bände,  Rom  1767—1769)  und  Campenon;. 
Walckenaer  I.  p.  409  —  413  (mit  Karte).  Strodtmann  vor  seiner  Uebei;^. 
der  lyr.  Gedichte  S.  52  —  59.  Noel  de  Vergers  im  Didot'schen  Horaz  .^. 
XXIII— XXX.  P.  Rosa,  Villa  d'Orazio,  im  Bull,  deir  inst.  arch.  1857/ p. 
106  —  110.  Vgl.  Jahn's  Jahrbb.  LXXVII,  S.  479  —  481.  W.  Pfitzner,  über 
das  sabinische  Landgut  des  Horaz,  Parchim  1864.  20  S.  4.  —  Eine  Quelle 
auf  seinem  Gute  (S.  H,  6,  2.  Ep.  I,  16,  12  f.)  nannte  Horaz  nach  einer 
bei  Venusia  befindlichen,  einer  lieben  Jugenderinnerung,  fons  Bandusiae 
(navdoGÜt?)  0.  III,  13.     Vgl.  Strodtmann  a.  a.  0.  S.  59—66. 

6.  Nach  seinen  eigenen  Angaben  war  Horaz  von  Person  das  Gegen- 
theil  des  Vergil  (oben  220,  4),  kurz  (S.  II,  3,  309.  Ep.  I,  20,  24)  und  dick 
(Ep.  1,4,  15),  daher  August  seine  Gestalt  mit  einem  bauchigten  sextariolus 
verglich.  Auch  hatte  er  in  der  Jugend  dimkles  Haar  (Ep.  I,  7,  26  vgl. 
0.  n,  11,  15.  III,  14,  25).  Später  Gichtleiden  Ep.  I,  20,  24  vgl.  7,  lOff.; 
hypochondrische  Anwandlungen  Ep.  I,  8.  Auf  einen  gewissen,  wenigstens 
relativen,  Wohlstand  lassen  manche  Angaben  schliessen,  wie  über  seine 
Bibliothek  (S.  I,  6,  122.  H,  3,  11  f.  6,  61.  Ep.  I,  7,  12.  18,  108  f.),  seine 
Reisen  (Ep.  I,  15,  1  ff.,  vgl.  7,  11  f.),  seine  Sklaven  (Sat.  I,  6,  116.  II,  7, 118) 
und  seine  Parasiten  (Sat.  II,  7,  36).  Ueber  Abbildungen  des  Horaz  s. 
Vipconti  iconographie  romaine  I.  p.  389  ff.  (pl.  13). 

7.  Die  Frage  nach  der  Abfassungszeit  der  horazischen  Gedichte 
wurde  zuerst  behandelt  von  Masson,  lani  templum  Christo  nascente  resera- 
tum  (Rotterdam  1700)  und  vita  Horatii  (1708).  Bündig  und  treffend  sprach 
sich  darüber  Bentley  in  der  praefatio  seiner  Ausgabe  aus.  Vgl.  hierüber 
Masson,  histoire  critique  de  la  r^publique  des  lettres,  Amsterdam  1714. 
V.  p.  148 — 203.  C.  Kirchner,  Quaestiones  horatianae  (Naumburg  1834.  4.) 
p.  1 — 41.  Joh.  Apitz,  de  aetate  poematnm  horatianorum  a  R.  Bentleio 
inventa,  Berlin  1853.  Eine  selbständige  chronologische  Ordnung  befolgte 
Sanadon  in  seiner  ersten  Horaz  -  Ausgabe ,  1728.  In  neuerer  Zeit  zuerst 
wieder  Vanderbourg  in  seiner  Ausgabe  der  Oden,  wo  I.  p;  313  ff.  sur  la 
publication  des  trois  premiers  livres  des  Ödes;  II,  2.  p.  556  —  563  sur  la 
publication  des  Epodes;  p.  625—631  ordre  chronologique  des  Ödes  d'Ho- 
race.  Besser  Begründetes  stellte  G.  F.  Grotefend  auf  im  Artikel  Horatius 
der  Ersch  und  Gruber'schen  Encyclopädie  11,  10  (1833).  S.  457—476.     Vgl. 


229.   Horatius  (Persönliches). 


469 


dessen   Schriffc:   die   schriftstellerische   Laufbahn   des  .Horatius,   Hannover 
1849.    Gleichzeitig  gab  C.  Kirchner  a.  a.  0.   von  seinem   System  eine  Ta- 
belle.   Neue  Untersuchung  durch  C.  Franke,   fasti  horatiani,  Berlin  1839; 
mit  einer  Epistola  Lachmanni,  p.  235 — 240.    Revision  der  Frage  durch  W. 
Teuffei,  Prölegomena  zur  horazischen  Chronologie,  Ztschr.  f.  d.  Alt.  Wiss. 
1842,   S.  1103  >- 1116;    über   die  Abfassungszeit   der   Epoden,    ebds.   1844, 
Nr.  64—66,  S.  508—525.   1845,  Nr,  75—77,  S.  596—616;  über  die  der  Sa- 
tiren, Ehein.  Mus.  IV  (1845),  S.  93—119.    208—241.    Ausserdem:  W.  Für- 
stenau,   de  carminum   aliquot   hör.  chronologia,  Hersfeld  1838.    S.  Cahn, 
trias  quaestionnm  horat.,  Bonn  1838.    B.  Sökeland,  über  die  Zeitfolge  der 
horaz.  Gedichte.  I.  Coesfeld  1841.  4.  W.  Th.  Streuber,  über  die  Chronologie  der 
horaz.  Dichtungen,  Basel  1843.   C.  G.  Zumpt  vor  Wüstemanns  Ausg.  d.  Sat. 
S.  20—42  (vgl.  Rfeein.  Mus.  IV.  S.  224  ff.),    üeber  die  Abfassungszeit  ein- 
zelner Gedichte  Abhandlungen  von  W.  Fr.  Wiedasch  (Quaestiones  chrono- 
^  logicae,  Nordhausen  1847.  4.;  über  0.  I,  2),  Fr.  üeberweg  (Philologus  VI. 
),  306—323:   über  0.  1,  34),    C.  F.  Sehrwald    (de  tribus  Hör.   carminibus, 
Jtenburg  1858.^0  pp.  4.),   Clodig  (de  ordine  et  temporibus  quibus  H.  sa- 
composui^^wst  1867.  4.).   Ribbeck,  Episteln  S.  83—96.    Ueber  (an- 
g^y£he)^ig^0^[^^Ki  der  horazischen  und  vergiUschen  Gedichte  auf  einan- 
uit^'^^b^ckeisen's  Jahrbb.  99,  S.  313—330. 

-a  welcher  die  horazischen  Gedichte  in  den  Hand- 
'\*    jStenen ^Y  ^^  gemein  folgende:  4  Bücher  Carmina,  Epoden,  Car- 
*v3.e*'^jwe,  SHtiren,  Briefe.     Nur  die  sogenannte  Ars  poetica  steht  in 
^V^J^Hr  11^^  ^^T^  Epoden  und  dem  Carmen  saec.  bald  zwischen  den 
>atiren  ui^J^riefen,  vielleicht  weil   dieses  Stück,   als    das  letztverfasste, 
sht  noch  von  Horaz  selbst  seine  Stellung  zugewiesen  erhielt.     Die  über- 
icferte  Ordnung  befolgt  das  Princip  das  metrisch  Gleichartige  zusammen 
zu  stellen,  und  zwar  in  der  Folge  der  Entstehungs weise  der  einzelnen  Bü- 
cher, nur  dass  die  Oden  den  Vortritt  haben,  offenbar  weil  der  Ordner  auf 
sie  den  meisten  Werth    legte.     Innerhalb    der  einzelnen  Bücher   tritt  der 
Gesichtspunkt  hervor  die  an  besonders  verehrte  Freunde  gerichteten  Ge- 
dichte möglichst  auch    durch    ihre   Stellung   hervorzuheben;    im  Uebrigen 
sind  in  den  Epoden  die  Gedichte  von  gleichem  Maase  zusammen  gestellt, 
in  den  Oden  dagegen  möglichst  getrennt;  wenigstens  stehen  nie  zwei  sap- 
phische  Oden  unmittelbar  hinter  einander,  wohl  aber  einige  Male  alkäische, 
deren  es  auch  mehr  sind.     0.  II,  1 — 10  wechseln  alkäische  und  sapphische 
Gedichte  regelmässig  unter  einander  ab.   Diese  Ordnung  war  um  so  zweck- 
mässiger da  die  einzelnen  Gedichte  ursprünglich  nur  durch  die  Verschie- 
denheit  ihres   Maases,    nicht   aber   durch  Ueberschriften ,    gegen    einander 
abgegrenzt  waren.    H.  Stephanus,  diatribe  de   titulis  et   ordine   librorum 
Horatii,  in  seiner  Ausgabe  des  Horaz.     S.  Cahn,  trias   quaestionnm   hör. 
(Bonn  1838)  p.  1  —  17.    W.  Teuffei,  Ztschr.  f.  d.  Alt.  Wiss.  1842,  S.  1108 
— 1111.     A.  Herrmann,   Curae   horatianae,   Celle  1861.   4.     AI.  Riese,   in 
Fleckeisens  Jahrbb.  93,  S.  474— 4*6.    Ribbeck,  Episteln  S.  82  f. 

230.    Horaz    ist    ein    fein   organisierter   Verstandesmensch. 224 
Schwung   der  Phantasie,   idealen   Flug   der  Gedanken    und  Ge- 
fühle,   begeistertes    und    Begeisterung    weckendes   Wesen    darf 


1 


470  Augusteische  Zeit.  J.  711—767  d.  St. 

man  bei  ihm  nicht  suchen.  Was  man  aber  bei  ihm  findet  ist 
eine  unvergleichliche  Klarheit,  Ruhe  und  Scharfe  des  Greistes, 
eine  durchdringende  Kenntniss  des  eigenen  Selbst  und  anderer 
Personen  und  Verhältnisse.  Zuverlässig  und  treu  gegen  Freunde, 
ist  er  scharf  gegen  Feinde.  Sein  Unabhängigkeitsgefühl  ent- 
leidet ihm  die  Hauptstadt  und  gewinnt  ihn  für  die  Stille  des 
Landlebens.  Sein  poUtisches  Bekenntniss  und  seine  Haltung 
gegenüber  von  August  ist  ein  fortwährendes  Compromiss  zwi- 
schen diesem  Unabhängigkeitsgefühl  und  seiner  Einsicht  in  das 
unter  den  gegebenen  Umständen  Mögliche  und  Unvermeidliche. 
Er  trifft  auch  hier  die  schwierige  Mittellinie,  weder  anzustossen 
noch  sich  etwas  zu  vergeben.  Er  ist  kein  Mann  der  Opposition, 
aber  er  hält  auf  politischen  Anstand.  Seine  Weltanschauung  ist 
die  des  reiferen  Alters,  welches  die  Leidenschaften  hinter  sich 
hat  und  vor  sich  den  Tod.  Der  Ton  wechselt  daher  zwischen 
mutigem  Erfassen  dessen  was  das  Leben  Erfreuliches  bietet  und 
resigniertem  Hinblick  auf  das  was  es  versagt;  er  bewegt  sich 
am  liebsten  in  den  mittleren  Stimmungen  und  gedämpften  Ac- 
corden.  Das  Ziel  wonach  Horaz  unablässig  strebt  ist  die  ruhige 
Glätte?  des  Gemüts,  unentwegt  durch  Stürme  des  eigenen  Innern 
wie  durch  äussere  Begegnisse  oder  Ansinnen  anderer  Menschen. 
Sein  Verstand  schärfte  ferner  seinen  Geschmack  und  verlieh 
seiner  Sprache  die  wohlthuende  Durchsichtigkeit  die  ihr  nur  da 
abgeht  wo  er  nicht  sich  selbst  geben  kann.  Sonst  aber  liegt 
nichts  ihm  ferner  als  Gesuchtes  und  Geschraubtes.  Sein  Bewusst- 
sein  der  Begrenztheit  menschlichen  Seins  lässt  ihn  mit  Humor 
über  sich  selbst  reden,  mit  tonie  über  das  was  sich  gross  dünkt, 
und  äussert  sich  besonders  liebenswürdig  in  einem  Anstrich  gut- 
mütiger Schalkhaftigkeit. 

1.  Jani,  de  moribus  Horatii  prolusio  (Halle  1774.  4.  und  in  seiner 
Ausgabe  I,  p.  C  — CHI).  R.  van  Ommeren,  Horaz  als  Mensch  und  als 
Bürger  von  Rom,  aus  dem  Holland,  übers,  von  Walch,  Leipzig  1802.  Seiz, 
Horaz  nach  seinem  Leben  und  seinen  Dichtungen,  Nürnberg  1815.  W.  Teuf- 
fei, Charakteristik  des  Horaz  (Leipzig  1842),  bes.  S.  55  ff.;  über  Horatius 
(Tüb.  1868.  4.)  S.  34  f.  W.E.Weber,  Q.  Horatius  Flaccus  als  Mensch  und 
Dichter,  Jena  1844.  Andaltshauser,  über  Horaz  und  seine  Dichtungen, 
Straubing  1846.  4.  Lysander,  Comm.  de  Horatio  homine  ac  poeta,  Lund 
1848.  4.  B.  Karsten,  Q.  Hör.  FL,  ein  Bück  in  sein  Leben,  seine  Studien 
und  Dichtungen,  aus  dem  Holland,  übersetzt  von  M.  Schwach,  Leipzig  1863. 
Fr.  D.  Gerlach,  Leben  und  Dichtung  des^  Horaz,  Basel  1867. 

2.  Verhältniss  zu  Freunden.  F.  Jacobs,  Vermischte  Schriften  V. 
S.  3  ff.    Knebel,  zur  Charakteristik  des  Horaz,  insbes.  sein  Verhältniss  zu 


230.   Horatius  (Charakteristik).  471 

Mäcenas,  Ztsclir.  f.  d.  Alt.  Wiss.  1841,  Nr.  93.  Frandsen,  Mäcenas  (1843) 
S.  193—220.  C.  G.  Zumpt  vor  Wüstemann's  Ausg.  der  Satiren,  S.  12—19. 
G.  F.  Grotefend,  des  Horaz  Freunde  und  Bekannte,  Philologus  IL  S.  280 
—288.  H.  Paldamus,  Horaz  und  Mäcenas,  Ztschr.  f.  d.  Alt.  Wiss.  1848, 
Nr.  113.    Fr.  Jacob,  Horaz  und  seine  Freunde,  Berlin  1862  f.    2  Bde. 

3.  Üeber  das  Verhältniss  des  Horaz  zu  August  gibt  Sueton  merk- 
würdige Einzelheiten,  welche  zeigen  wie  viel  dem  Letzteren  daran  lag  den 
Dichter  für  sich  zu  gewinnen  und  wie  zurückhaltend  sich  dieser  gegen 
ihn  benahm.  Ganz  dasselbe  beweisen  auch  des  Letzteren  Gedichte,  theils 
mit  ihrem  langen  Schweigen,  trotz  der  manchfachen  persönlichen  Berüh- 
rungen welche  die  Freundschaft  mit  Mäcenas  herbeiführen  musste,  theils 
auch,  als  es  endlich  gebrochen  wurde,  in  der  an  das  Thatsächliche ,  offen 
Daliegende  sich  haltenden  und  die  eigene  persönliche  üeberzeugung  nicht 
mitverwickelnden  Weise  der  Ausführung.  Wo  Horaz  positiven,  dringen- 
den Aufforderungen  sich  nicht  zu  entziehen  vermochte,  da  fühlt  sich  die 
äussere  Nöthigung  in  der  Haltung  des  betr.  Gedichtes  sehr  deutlich  durch. 
Dass  er  schliesslich  dem  Erfolge  gehuldigt  hat  lässt  sich  nicht  leugnen. 
Aber  er  that  es  erst  nach  langem  Sträuben,  als  die  Monarchie  unabänder- 
lich feststand  und  ferneres  Schmollen  kaum  mehr  verständig  gewesen  wäre. 
Auch  gibt  es  heutzutage  nicht  Viele  welche  ihm  aus  jener  Haltung  einen 
Vorwurf  zu  machen  berechtigt  oder  geneigt  wären.  Neuerdings  ist  es 
vielmehr  Sitte  geworden  aus  den  horazischen  Gedichten  tiefe  und  feine 
politische  Berechnungen  herauszulesen.  So  will  man  die  Entdeckung  ge- 
macht haben  dass  Horaz  die  Empfehlungen  der  Mässigung  und  des  ruhi- 
gen ehrgeizlosen  Lebensgenusses  vorzugsweise  an  solche  Männer  richte 
deren  hohe  Geburt,  Reichthum  oder  stolzer  Sinn  dem  Augustus  am  meisten 
Besorgnisse  einflössen  konnte  (C.  Peter,  Gesch.  Roms  III.  S.  110).  Aber 
dass  er  sie  an  Solche  richtete  bei  denen  sie  wohlangebracht  waren  ist 
doch  wohl  selbstverständlich;  dass  er  diess  jedoch  im  Dienste  des  Augustus 
gethan  habe,  dafür  spricht  auch  nicht  das  Geringste. 

Literatur  über  die  Frage.  Wieland's  Einl.  zu  Brief  II,  1.  Boost,  über 
eine  Anklage  des  Horaz,  Frankfurt  1807.  F.  Jacobs,  Vermischte  Schrif- 
ten V.  S.  318  flP.  E.  Salverte,  Horace  et  Tempereur  Auguste,  Paris  1823. 
Giesebrecht,  quid  de  Horatio  senserit  Augustus,  Prenzlau  1829.  4.  Feld- 
bausch, de  Horatio  non  adulatore,  Heidelberg  1839  (vgl.  W.  Teuffei  in 
Jahn's  Jahrbb.  XXVIII,  S.  327  ff.).  Hempel ,  wie  ist  Horaz  zum  Herold  des 
monarchischen  Princips  geworden?  Bromberg  1840.  4.  W.  E.  Weber, 
Horaz  als  Mensch  (1844)  S.  168  ff.  Werner,  Quaestiones  horatianae,  Götti. 
1847  (de  Horatio  Augusti  laudatore).  Paul,  de  Hör.  in  Augustum  adula- 
tione,  Thom  1847.   4.     0.  Jahn,  Grenzboten  1868,  S.  96  f. 

4.  Hinsichtlich  der  Sittlichkeit  des  Horaz  ist  zuzugeben  dass  seine 
Ansichten  über  die  Beziehungen  der  Geschlechter  sich  erst  in  seinen  spä- 
testen und  reifsten  Gedichten  über  die  seiner  Zeit  erheben.  Doch  ist 
keineswegs  alles  in  den  Oden  in  dieser  Hinsicht  Gesagte  wörtlich  zu  neh- 
men. Vgl.  im  Allgemeinen  Lessing,  Rettung  des  Horaz  (Werke  IV.  S.  215  ff.; 
Ausgabe  von  1867.  VIII.  S.  1  —  40).  Les  amours  d'Horace,  Cologne  1728. 
W.  Teuffei,  de  Horatii  amoribus,  Jahn's  Archiv  VT  (1840).  S.  325—374. 
VIL    S.  648  —  650;    Charakteristik   des  Horaz  (1842)    S.  85  —  89.     Düntzer, 


472  Augusteische  Zeit.   J.  711— 7C7  d.  St. 

Kritik  und  Erklärung  des  Horaz  lü.  S.  35  —  42.     W.  E.  Weber  in  Jahn's 
Archiv  IX.   S.  248—273. 

5.  Von  einer  Philosophie  des  Horaz  kann  man  reden  theils  in  dem 
Sinne  einer  Weltansicht,  theils  sofern  Horaz  zu  den  beiden  in  seiner  Zeit 
zu  Rom  geltenden  griechischen  Systemen,  dem  epikureischen  und  dem 
stoischen,  in  seinen  Schriften  Stellung  nimmt.  Anfönglich  ein  entschiede- 
ner Bekenner  des  Epikureismus  (8.  I,  5,  101  ff.  Ep.  I,  4,  16)  und  Bekämpfer 
des  Stoicismus,  yerräth  Horaz  doch  schon  durch  das  Oftmalige  und  Ein- 
gehende seiner  Beschäftigung  mit  dem  letztem  System  (S.  I,  3.  II ,  3.  7) 
ein  geheimes  Interesse  dafür  (vgl.  W.  Teuffei  zu  Sat.  II,  7.  S.  176  f.).  Von 
Anfang  an  neben  allem  Lebensgenüsse  einen  nachdenklichen  Sinn  ver- 
rathend  lernt  Horaz  allmählich  den  sittlichen  Ernst  achten  den  der  Stoi- 
cismus,  trotz  seiner  Wunderlichkeiten,  in  sich  schliesst  und  hört  daher  all- 
mählich auf  ihn  zu  bekämpfen  und  nimmt  immer  mehr  von  ihm  an  (vgl. 
Ep.  I,  1,  17),  obwohl  er  niemals  zu  ihm  übertritt,  vielmehr  eine  kritische 
oder  eklektische  oder  dilettantische  Stellung  zu  den  verschiedenen  Systemen 
einnimmt  (Ep.  I,  1,  14).  0.  I,  34  ist  mehr  Ausdruck  einer  augenblick- 
lichen Stimmung  als  Ausfiuss  einer  gründlichen  Aenderung  der  Ansicht. 
Die  dortige  angebliche  Bekehrung  hinderte  den  Dichter  nicht  sich  noch 
später  Epicuri  de  grege  porcum  zu  nennen  (Ep..  I,  4,  16).  Wohl  aber  zeigt 
0.  II,  2,  19  ff.  dass  er  mit  den  vierziger  Jahren  (um  J.  730)  dem  Stoicis- 
mus  mehr  Gerechtigkeit  widerfahren  zu  lassen  anfieng.  Schriften  de  phi- 
losophia  Horatii  oder  horatiana  von  J.  Berger  (Viteberg.  1704.  4.),  Fore- 
lius  Henning  (üpsala  1706),  Isr.  Noräus  (Upaala  1706.  4.),  Briegleb  (Co- 
burg 1777.  4.);  de  poenitentia  Horatii  philosophica  (0.  I,  34)  Schriften  von 
Benner  (Giessen  1734.  4.)  und  List  (Giessen  1785).  Pflugradt  (praeside  J. 
E.  J.  Walch),  de  i)hilo8ophia  Hör.  stoica,  Jena  1764.  4.  J.  H.  B.  Portlage, 
de  praeceptis  Hör.  ad  art^m  beate  vivendi  spectantibus,  Osnabioick  1835.  4. 
Werner,  de  Horatio  philosopho  (Quaest.  hör.,  Göttingen  1847).  Munding, 
die  sittlicljcn  uud  religiösen  Ansichten  des  Horaz,  Hottweil  1853.  4.  J. 
Grautegein,  de  Horatii  ratione  theologica  et  philosophica,  Münster  1857. 
A.  Arnold,  das  Leben  des  Horaz  und  sein  philosophischer,  sittlicher  und 
dichterischer  Charakter,  Halle  1860.  Th.  Vogel,  die  Lebensweisheit  des 
Horaz,  Meissen  1868. 

219  231.  Die  von  Horaz  zuerst  bearbeitete  Dichtgattung  ist 
die  der  Satire.  Wie  sein  Vorgänger  Lucilius  macht  sie  Horaz 
zu  einer  Darlegung  seiner  Persönlichkeit  und  seiner  persönli- 
chen Ansichten  über  mancherlei  Gegenstände.  Aber  nach  den 
greuelvollen  Erlebnissen  der  jüngsten  Vergangenheit  war  es 
nicht  möglich  das  Gebiet  der  Politik  zu  betreten  ohne  alte 
Wunden  aufzureissen-,  und  vollends  ein  Schriftsteller  welcher  auf 
der  unterlegenen  Seite  eine  thätige  Rolle  gespielt  hatte  konnte 
über  Politik  ohne  Gefährdung  seines  Charakters  mir  schweigen. 
Die  Stoffe  des  Horaz  und  die  Gegenstände  seiner  Kritik  sind 
daher  ausf?!chliesslich  sociale  und  literarische.    Der  Satiriker  geht 


230  f.    Horatius  (Philosophie,  Satiren).  473 

von  einer  ernsten  Grundlage  aus,  er  will  für  das  ethische  Ideal 
gewinnen  durch  Bekämpfen  seiner  Entstellungen;  aber  seine 
Waflfen  sind  die  des  Scherzes,  er  behandelt  das  Verkehrte  und 
Verwerfliche  als  lächerlich.  Der  Gang  der  Erörterung  hat  mehr 
den  Schein  der  Lässigkeit  als  dass  er  wirklich  planlos  wäre. 
Die  Satiren  des  zweiten  Buchs  haben  überwiegend  dramatische 
und  dialogische  Einkleidung  und  zeigen  eine  reifere  Kunststufe 
als  die  des  ersten.  In  der  äusseren  Form  hat  Horaz  freiwillig 
sich  auf  das  epische  Versmass  beschränkt,  als  das  dem  überwie- 
gend lehrhaften  Inhalte  seiner  Satiren  entsprechendste  und  durch 
den  Vorgang  des  Lucretius  ihm  empfohlene;  in  der  Handhabung 
desselben  hat  er  künstlerische  Gesetzmässigkeit  mit  Leichtigkeit 
zu  verbinden  gewusst. 

1.  Horaz  selbst  befasst  unter  dem  Namen  Seimones  (Plaudereien)  so- 
wohl seine  Satiren  (S.  1,  4,  42.  Ep.  I,  4,  1)  als  seine  Briefe  (Ep.  11,  1,  4. 
250),  weil  beide  in  der  Weise  des  sermo,  der  Sprache  des  gewöhnlichen 
Lebens,  gehalten  sind  und  sich  von  dieser  nur  durch  das  Metrum  unter- 
scheiden (S.  I,  4,  56  ff.  vgl.  Musa  pedestris,  S.  II,  6,  17.  Ep.  11,  3,  95). 
Aber  eben  weil  auch  die  Briefe  sermones  sind  empfiehlt  sich  für  die  Sa- 
tiren mehr  die  Bezeichnung  als  satirae,  zumal  da  S.  II,  1,  1.  6,  17  zeigt 
dass  sie  dem  Sinne  des  Dichters  entspricht  und  diese  Benennung  überdiess 
die  literar- historische  Stellung  der  betreffenden  Gedichte,  ihr  Verhältniss 
zu  den  Vorgängern  und  Nachfolgern,  besser  charakterisiert. 

2.  Bearbeitungen  sämmtlicher  Satiren  (ausser  den  Gesammtausgaben 
der  horazischen  Gedichte).  Uebersetzt^  mit  Einleitungen  und  Anmerkungen 
von  C.  M.  Wieland,  Leipzig  1786.  2  Thle.  Vierte  Auflage  1819.  Erklärt 
von  L.  F.  Heindorf,  Breslau  1815;  neu  bearbeitet  von  E.  F.  Wüstemann, 
Leipzig  1843;  dritte  Auflage,  mit  Berichtigungen  und  Zusätzen  von  L.  Döder- 
lein,  Leipzig  1859.  Kritisch  berichtigt,  übersetzt  und  erläutert  von  C.  Kirch- 
ner, I  (Stralsund  1829.  4.).  üebersetzt  und  erklärt  durch  W.  E.  Weber; 
herausgegeben  von  W.  S.  Teuffei,  Stuttgart  1852.  Satiren  und  Briefe, 
erklärt  von  G.  T.  A.  Krüger,  Leipzig  (Teubner),  sechste  Aufl.  1869.  Ans 
dreissig  unverglichenen  und  allen  bisher  verglichenen  Hdss.  .  .  kritisch  her- 
gestellt, metrisch  übersetzt  und  mit  erklärendem  Commentar  versehen  von 
C.  Kirchner.  I.  Text,  Uebersetzung-  und  kritischer  Apparat,  Leipzig  1854. 
11,  1:  Commentar  zum  ersten  Buche  der  Satiren,  Leipzig  1865.  II,  2:  Com- 
mentar zum  zweiten  Buche  der  Satiren,  verfasst  von  W.  S.  Teuffei,  Leipzig 
1857.  Sermonendichtungen,  lat.  und  deutsch  mit  Anm.  von  J.  S.  Strodt- 
mann,  Leipzig  1855.  Satiren  und  Briefe  in  deutsche  lamben  übertragen 
von  Fr.  Frölich,  Schleswig  1856.  Lateinisch  und  deutsch  von  L.  Döderlein, 
Leipzig  1860.  Recensuit  P.  Hofman  Peerlkamp,  Amstelod.  1863.  Satiren 
und  Episteln,  deutsch  mit  Einleitungen  und  Anmerkungen  von  E.  Munk, 
Berlin  1867.    Rec.  A.  Holder,  Lips.  1869. 

3.  Unter  den  Bearbeitungen  einzelner  Satiren  (vgl.  W.  Teuffcl,  über 
Uoraz  1868,  S.  11)  sind  besonders  crwähnenswerth:  I,  1  (von  F.  A.  Wolf) 


474  Augusteisclie  Zeit.  J.  711—767  d.  St. 

Berlin  1813.  4.  K.  Keisigs  Vorlesnngeu  über  Sat.  I,  1,  herausgegeben  von 
Eberhard,  Coburg  1840.  4.  Vgl.  W.  Teuffei  in  Jahns  Jahrb.  XXXII.  S.  343 
— 363.  F.  A.  Eckstein,  familiaris  interpretatio,  Lips.  1865.  4.  —  I,  3  und  4 
von  C.  PasBOw,  Berlin  1827.  1828.  4.  Joh.  Apitz,  Coniectanea  in  Hör.  Sa- 
tiras,  cum  var.  lectt.  cod.  ms.  Berolinensis,  Berlin  18ö6.  C.  Nipperdey,  de 
locis  quibusdam  Hör.  ex  I  Satt,  commentatio  I.  H.  Jena  1858.  4.  T.  Momm- 
sen,  Bemerkungen  zu  Hör.  S.  I,  Frankfurt  1871.  30  S.  4. 

4.  Dan.  Heinsius,  de  sat.  horatiana  libri  H.  Lugd.  Bat.  1612.  8.  Ha- 
berland, de  iusto  pretio  satiris  horat.  statnendo,  Lips.  1774.  4.  Manso  in 
den  Nachtragen  zu  Sulzer  IV.  S.  446  ff.  Niebuhr,  Brief  an  einen  Philolo- 
gen, herausgeg.  von  Jacob  S.  135—138.  W.  Teuffei,  Charakteristik  des  H. 
(1842)  S.  47—50.  H.  Berning,  de  satirica  poesi  Hör.  collata  cum  Juvenali, 
Becklingshausen  1843.  4.  F.  A.  Beck,  über  das  Wesen  der  horaz.  Satire, 
Giessen  1859.  4.  C.  J.  Bolia,  de  Hör.  et  luv.  satt,  auctoribus,  Freiburg 
1861.  Grothof,  Hör.  als  Satiriker,  Heiligenstadt  1863.  4.  E.  Szelinski,  de  nomi- 
nibus  personarum  .  .  apud  poetas  satiricos  rom.  (Königsberg  1862)  p.  10 — 42. 
Clodig,  s.  229,  7.    Th.  Fritzsche,  Menipp  und  Horaz,  Güstrow  1871.  30  S. 

220  232.  Die  ungefähr  gleichzeitig  mit  den  Satiren  verfassten 
Epoden  sind  in  ihrem  aggressiven  Charakter  den  Satiren  we- 
sentlich gleichartig  und  theilen  hierin  mit  ihnen  den  Standpunkt 
der  Jugendlichkeit;  nur  sind  sie  ebensosehr  gegen  einzelne  Per- 
sonen gerichtet  wie  die  Satiren  eine  Kritik  allgemeiner  Verhält- 
nisse enthalten.  Andererseits  sind  sie  durch  ihre  melische  Form 
eine  Vorbereitung  auf  die  spätere  lyrische  Dichtung  des  Horaz. 
Horaz  zeigt  sich  darin  als  einen  Nachahmer  des  Archilochos^ 
aber  als  einen  selbständigen.  Neben  der  zum  Wesen  der  (Jat- 
tung  (des  lambos)  gehörigen  Schärfe  und  Bitterkeit  hat  Horaz 
auch  die  ihr  nicht  minder  eigenthümliche  aloxQoloyCa  nachge- 
bildet. Die  späteren  Stücke  sind  abgeklärter  und  reifer  und 
nähern  sich  dem  Charakter  der  carmina^  wie  umgekehrt  unter 
diesen  manche  sind  die  nach  Form  oder  Inhalt  in  der  Epoden- 
sammlung  stehen  könnten.  Die  Vierzeiligkeit  findet  auf  die 
Epoden  noch  ebensowenig  Anwendung  als  sich  antistrophische 
Gliederung  erweisen  lässt. 

1.  Der  Name  inmdol  und  ra  inmÖdy  epodon  über,  ist  wohl  eine  Zu- 
gabe der  Grammatiker,  entnommen  von  der  metrischen  Beschaffenheit  der 
meisten  Stücke.  Die  Benennung  Epode  wurde  nämlich  später  gebräuch- 
lich für  alle  diejenigen  Yersarten  (mit  Ausschluss  des  elegischen  Distichon) 
die  aus  einer  Vereinigung  einer  längeren  und  einer  kürzeren  Zeile  (letztere 
o  inmSog  sc.  ozl%oq,  der  Nachvers)  bestehen,  besonders  aus  einem  iambi- 
schen  Trimeter  und  einem  solchen  Dimeter,  wie  Epo.  1  — 10.  So  z.  B. 
Schol.  Hermog.  in  Walz's  Rhetores  graeci  VII.  p.  820:  hxl  dh  del  to  ino)- 
dov  ßgaxvzSQOv  rov  tcqo  ai^tov  cxixov  üvXXaßag  riztaQag.  Porphyrio  zu 
Epo.  1.    Horaz  selbst  nennt  (Epo.  14,  7.    Od.  I,  16,  3.  24.    Epi.  I,  19,  23. 


232  f.   HoratiuB  (Epoden,  Oden).  475 

II,  2,  59)  diese  Gedichte  sachgemäsB  iambi;  daher  auch  Epo.  17  ein  Recht 
hat  in  dieser  Sammlung  zu  stehen.  Yerhältnias  zu  Archilochos  s.  Epi.  I, 
19,  23—25.  lieber  die  nahe  Beziehung  zwischen  den  spätesten  Epoden 
und  den  frflhesten  Oden  vgl.  Epo.  9  mit  0.  I,  37.  Ganz  ähnlichen  Geist 
wie  die  meisten  Epoden  hat  noch  0.  III,  15;  und  0.  I,  4.  7.  28.  II,  18. 
IV,  7  könnten  ihrer  metrischen  Form  nach  ebenso  gut  in  der  Epodeu- 
sammlung  stehen,  wenn  diese  zur  Zeit  ihrer  Abfassung  nicht  schon  abge- 
schlossen gewesen  wäre. 

2.  Blühdorn,  de  natura  epodorum  H. ,  Brandenburg  1795.  4.  Ph.  Butt- 
mann,  Mythologus  I.  S.  318  f.  Vanderbourg^s  Ausg.  II,  2.  p.  549 — 66^.  Franke, 
fasti  hör.  p.  43—50.  W.  Fürsteuau,  de  carm.  hör.  chronologia  p.  11 — 16. 
W.  Teuifel,  Ztschr.  f.  d.  Alt.  Wiss.  1844  f.  (s.  oben  229,  7).  M.  Axt,  zur 
Erklärung  und  Kritik  der  hör.  Epoden,  Creuznach  1846.  4.  Leidloff,  de 
cpodon  Ilor.  aetate,  Holzminden  1856.  F.  Martin,  de  Hör.  epodorum 
ratione  antistrophica  et  interpolationibus,  Posen  1860.  4.  Vgl.  dagegen 
A.  Buttmann  in  MützelFs  Ztschr.  f.  Gymn.  1862,  S.  673—704.   753—780. 

233.  Ais  Horaz  schon  in  der  Mitte  seiner  Dreissiger  Jahre  221 
stand  entschloss  er  sich  die  bei  den  Epoden  gewonnene  tech- 
nische Fertigkeit  und  Formbeherrschung  dazu  zu  benützen  um 
nun  auch  den  Alkaios  und  die  Sappho  auf  römischen  Boden 
zu  verpflanzen.  Diesen  Entschluss  führte  Horaz  eine  Reihe  von 
Jahren  (mindestens  sieben)  durch,  und  die  Frucht  desselben  sind 
die  drei  Bücher  carmina,  woran  sich  nach  längerer  Unterbre- 
chung (von  etwa  sechs  Jahren)  aus  äusserer  Veranlassung  das 
vierte  Buch  anschloss.  So  ein  Erzeugniss  der  reifsten  Jahre 
des  Horaz  prägen  seine  lyrischen  Gedichte  seine  Eigenthüm- 
lichkeit  am  schärfsten  und  reinsten  aus  und  sind  die  formell 
vollendetsten  unter  seinen  Hervorbringungen.  Zugleich  aber  sind 
dieselben  nicht  ein  Ausfluss  drängender  Begeisterung  und  über- 
sprudelnder Phantasie,  sondern  verrathen  vorzugsweise  geistige 
Klarheit,  Ruhe  und  Reife,  die  Richtung  auf  scharfe  Beobachtung 
der  Menschen  und  Nachdenken  über  die  Fragen  des  Lebens, 
sowie  künstlerische  Besonnenheit,  namentlich  in  der  bewussten 
Durchsichtigkeit  ihrer  Anlage,  der  Ebenmässigkeit  ihrer  Aus- 
führung, welche  mit  Vorliebe  trichotomisch  sich  gliedert,  der 
strengen  Gesetzmässigkeit,  Schönheit  und  dem  Wohllaut  ihrer 
metrischen  Form  und  dem  feinen  Sprachverständniss.  Anderer- 
seits fehlt  es  freilich  auch  nicht  an  Zügen  von  Nüchternheit 
und  Frost,  an  prosaischen  Wendungen,  Masslosigkeiten,  bei 
denen  wir  oft  sogar  des  Dichters  sonstigen  guten  Geschmack 
vermissen,  Selbstwiederholungen,  in  allen  Büchern  nicht  selten, 
am  häufigsten  aber  in  dem  nachgeborenen  vierten  Buche.  Diese 


476  Augusteische  Zeit.    J.  711—767  d.  St. 

Mängel  treten  am  stärksten  zu  Tage  in  denjenigen  Gedichten 
deren  Ausgangspunkt  nicht  eigene  wahre  Empfindung  ist,  son- 
dern ein  abstracter  Vorsatz  oder  gar  blose  Bestellung;  wo  Horaz 
aber  wirklich  fühlt,  da  erhebt  er  sich  oft  zu  wahrer  Schönheit. 
Horaz  beginnt  seine  lyrische  Laufbahn  mit  StilQbungen  nach 
griechischen  Vorbildern,  steigt  allmählich  auf  zu  Nachdichtungen 
in  deren  Geiste,  und  wagt  zuletzt  selbständig  gewählte  Gegenstände, 
Stoffa  aus  der  unmittelbaren  Gegenwart,  Darlegungen  seiner  per- 
sönlichen Denkweise,  in  den  Formen  der  Griechen  zu  behandeln. 

1.  Selbstwürdigung  des  Horaz:  operosa  parvus  carmina  fingo,  0.  IV, 
2,  31  f.  Epo.  11  u.  14  gesteht  er  dass  ihn  die  Liebe  am  Dichten  (d.  h.  Ar- 
beiten)  hindere.  0. 1, 1,  19  ff.  29  ff.  Gegensatz  von  harmlosem  Lebensgenuss 
und  Dichten.  Noch  Sat.  I,  4,  39  ff.  hatte  sich  H.  ausdrücklich  aus  der  Zahl 
der  eigentlichen  Dichter  ausgenommen.  Wenn  er  anderwärts  mit  Selbst- 
gefühl von  seinen  lyrischen  Leistungen  spricht  (besonders  in  dem  Schluss- 
gedicht von  0.  II  und  III),  so  gab  ihm  dazu  eben  die  Mühe  und  der  Fleiss 
den  er  darauf  verwendet  die  subjective,  und  der  Ruhm  den  er  sich  da- 
durch gewonnen  eine  objective  Berechtigung. 

2.  Horaz  nennt  seine  Gedichte  öfters  aeolium  oder  lesbium  carmeu; 
z.  B.  0.  III,  30,  13.  IV,  3,  12.  I,  26,  11.  32,  4  f.  vgl.  FV,  6,  35.  Der 
Anschluss  an  die  subjective  äolische  Melik  ist  wirklich  ein  Hauptmerkmal 
derselben,  und  es  ist  auch  ein  besonderes  Verdienst  des  Horaz  dass  er  die 
durch  ihren  musikalisch- orchestischen  und  rituellen  Charakter  zur  Ueber- 
tragung  auf  fremden  Boden  nicht  geeignete  dorische  Chorlyrik  bei  Seite 
Hess  und  ebenso  wenig  den  Missgriff  der  meisten  Römer  begicng,  die  ge- 
lehrten alexandrinischen  Dichter  zu  Vorbildern  zu  wählen,  sondern  auf  die 
echten  classischen  und  zugleich  allgemein  menschlichen  Meliker  der  Grie- 
chen, auf  Alkäos,  Sappho  und  den  in  ähnlicher  Weise  dichtenden  Anakreon, 
und  damit  auf  die  Natur,  zurückgieng.  Nur  hat  er  diess  nicht  überall  und 
consequent  gethan,  sondern  oft  an  der  Stelle  der  Natur  die  Kunst  (Rheto- 
rik) oder  gar  die  Tendenz  zum  Ausgangspunkt  gewählt.  Schief  A.  Kiess- 
ling,  üb.  d.  Aufnahme  der  horaz.  Oden  im  ersten  Jahrb.,  in  d.  Verhandl.  d. 
Kieler  Philologenvers.  (Leipzig  1870)  S.  28 — 37.  Nachweisliche  üebersetz- 
uQgen  (Nachdichtungen)  sind  besonders  I,  9  u.  18,  sowie  der  Anfang  von 
I,  37.  In  allen  solchen  Fällen  sieht  man  zwar  wie  weit  Horaz  entfernt  ist 
von  der  frischen  naiven  Energie  seiner  Vorbilder,  aber  zugleich  auch  wie 
klar  er  sich  darüber  war  welche  Züge  er  weglassen  oder  abändern  müsse 
und  welche  er  aufnehmen  könne,  wie  angelegentliche  Sorgfalt  er  verwendet 
auf  die  Vermittlung  des  Gedankengangs,  die  Ausführung  des  Details,  wie 
er  derbe  Wendungen  abschwächt,  durch  Einmischen  concreter  Züge  atis 
der  Gegenwart  das  Gedicht  dem  Leser  näher  rückt.  Neben  den  bewussten 
Nachbildungen  finden  sich  auch  häufig  Reminiscenzen  aus  griechischen 
Dichtem,  die  man  sich  nur  nicht  bienenartig  zusammengetragen  denken 
darf.  —  Literatur  über  das  Verhältniss  des  Horaz  zu  den  Griechen.  H. 
Wagner,  Hör.  carmina  collatione  scriptorum  graecorum  illustrata,  Halle 
1770.     Additamenta  dazu,  1771.    Wensch,  de  Hör.  Graecos  imitandi  studio 


233.    Horatius  (Oden).  477 

ac'  ratione,  Viteb.  1829.  4.  Rotter,  de  Horatii  studiis  graecis,  Gleiwitz 
1836.  4.  G.  F.  Grotefend,  über  die  Originalität  des  Hör.  in  seinen  Oden, 
Ztschr.  f.  d.  Alt  Wiss.  1844,  Nr.  19.  Th.  Arnold,  quaestionia  de  Horatio 
GraeconuBi  imitatore  particula,  Halle  1845;  über  die  griechischen  Studien 
des  Horaz,  Halle  1855.  1856.  4.  Göbel,  Horaz  und  Euripides,  Mfltzell's 
Ztschr.  f.  Gymn.  I.  1851.  S.  298  —  323.  H.  H.  Garcke,  Hör.  carm.  libri  I 
coUatis  scriptoribus  graecis  illustrati  specimen,  Halle  1853.  1860.  4.;  Quae- 
stionum  de  graecismo  Hör.  pars  prior,  Halle  1860.  240  pp.  8.  Versuch 
einer  griechischen  üebersetzung  der  Oden  des  Horaz  von  B.  Arnold,  Mün- 
chen 1858.  4. 

3.  Klares  Bewusstsein  seiner  Aufgabe  und  der  ihm  zu  Gebote  stehen- 
den Mittel  spricht  auch  aus  der  Art  wie  Horaz  die   griechischen  Masse, 
insbesondere  das  sapphische  und  alkäische,  behandelt  hat,  und  zwar  mit 
steigender  Consequenz.     Erstens  nämlich  hat  er,  in  richtiger  Erkenntniss 
des  gravitätischen,  an  Spotideen  reichen  Charakters  der  lateinischen  Sprache, 
an  allen  Stellen  wo  die  Ersetzung  des  Trochäus  (bzhgsw.  lambus)  durch 
einen  Spondeus  gestattet  ist  sich  diese  Ersetzung  zum  unverbrüchlichen 
Gesetze  gemacht.    Nur  I,  15  erweist  sich  als  einer  der  allerfrühesten  Ver- 
suche  dieser  Art    auch    darin   dass  dort  v.  24  u.  36  Horaz  dieses  Gesetz 
noch  nicht  durchgeführt  zu  haben  scheint;  eine  andere  Ausnahme  macht 
III,  3,  17.    Ebenso  hat  Horaz  in  der  Anakrusis  des  alkäischen  Verses  zwar 
im  ersten  Buche  fünfmal,  im  zweiten  dreimal,  im  dritten  zweimal  sich  die 
Kürze  gestattet,  dagegen  im  vierten  Buche  sie  vermieden.     Zweitens  hat 
Horaz    aus   der   recitierenden  (epischen)  Poesie  die  Cäsur  herübergenom- 
men, weil  er  vorauswusste  dass  auch  seine  melischen  Gedichte  nicht  wür- 
den gesungen  werden,  sondern  nur  recitiert,   beziehungsweise  gelesen;   s. 
oben  34,  4.    Eine  genauere  Beobachtung  des  Verfahrens  von  Horaz  in  Be- 
zug  auf  die  Cäsur  zeigt  überdiess  wie  er  stätig  an  -der  Vervollkommnung 
der  äusseren  Form  seiner  Gedichte  arbeitete.     In  den  alkäischen  Strophen 
nämlich   hat  Horaz   den   zweiten  Bestandtheil   (den   dritten,   neunsilbigen 
Vers)   in   den  Oden   der  beiden  ersten  Bücher  so   gebildet   dass   derselbe, 
gleichfalls,  wie  der  erste  Bestandtheil  (die  beiden  ersten  Verse  der  Strophe) 
und  wie  der  sapphische  Vers  des  Horaz,  die  nsvd'TiitLiisQTig  hatte  (also  Thei- 
lung  von  5  -|-  4).    Später  aber  gelangte  er  zu  der  Einsicht  dass  dadurch 
der  Bau  einförmig  werde   (was  ohnehin  der  Hauptmangel  der  horazischen 
Metra  ist)  und  hat  daher  im  dritten  und  vierten  Buche  diese  Art  von  Cäsur 
des  dritten  Verses  consequent  vermieden  und  durch  andere  ersetzt  (beson- 
ders die  Theilung  6  -|-  3,  theilweise  auch  7  -|-  2,  doch  so  dass  der  erste 
Bestandtheil  dann  wieder  in  sich  gegliedert  ist).   Dieses  Verhältniss  ist  viel 
zu  constant  durchgeführt  als  dass  es  bioser  Zufall  sein  könnte.     Vgl.  C. 
Lachmann   an   Frankens   fasti   hör.    p.  238 — 240.     Ueber   die   Maase   der 
horazischen  Oden  überhaupt  s.  vor  den  meisten  Ausgaben  derselben,  und 
W.  Teuffei  vor  G.  Ludwigs  neuer  üebersetzung  der  Oden  (Stuttgart  1860), 
S.  24  ff.  =  Stuttgarter  Correspondenzblatt  1860,  Nr.  3.     A.  Schnitz  (Köln 
1831.   4.),*G.  Pinzger   (Liegnitz  1833),   Richter   (de   Hör.  metris   lyricis   I. 
Recklingshausen  1863.    4.),   H.    Schiller   (für   den   Schulgebrauch,   Leipzig 
Teubner  1869).    Ueber  die  Verschleifungen  (vulgo  Elisionen)  s.  K.  Lehrs, 
in  seinem  Horatius  (1869)  S.  I  — XXII.     Lindemann,   de  hiatii  in  versibus 


478  Augusteische  Zeit.   J.  711--767  d.  St. 

• 
Hör.  lyricis,  Zittau  1825.   4.    Cadenbach,  de  alliterationis  apud  Hör.    usu, 

Essen  1838.   4.     W.  Christ,    über  die  Verskunst   des  Hör.    im  Lichte   der 

alten  üeberlieferung,  Sitzungsberichte  der  Münchner  Akademie  1868^  S.  1  iF. 

4.  Strophische  Gliederung  gehört  zum  Begriffe  des  antiken  iiilog. 
Daher,  haben  auch  die  horazischen  carmina  eine  solche:  Doch  findet  nicht 
blos  bei  Pindar  sondern  auch  bei  Alkaios  und  Sappho  häufig  ein  üeber- 
greifen  des  Sinns  und  der  sprachlichen  Construction  über  die  Grenzen  der 
Strophen  hinüber  Statt  (Westphal,  griech.  Metrik  II*.  S.  295),  daher 
auch  Horaz  sich  diess  gestattet  hat,  was  er  noch  unbedenklicher  thun 
konnte,  da  er  für  den  musikalischen  Vortrag  seiner  carmina  weniger  be- 
sorgt zu  sein  brauchte  (s.  A.  3).  Der  kleinste  Umfang  einer  Strophe  ist 
die  Zusammensetzung  aus  zwei  Versen.  Diesen  Umfang  hat  wie  das  ele- 
gische Distichon  so  die  archilochisch-horazische  Epode.  Vierzeil  ig  dagegen 
sind  die  sapphischen  und  die  alkäischen  Strophen;  ebenso  von  den  askle- 
piadischen  Versen  diejenigen  Formen  wo  drei  Asklepiadeen  mit  einem 
Glykoneus  oder  zwei  Asklepiadeen  mit  einem  Glykoneus  und  einem  Phere- 
krateus  verbunden  sind.  Wo  ein  asklepiadeischer  mit  einem  glykonischen 
Verse  verbunden  ist  ergibt  sich  eine  zweizeilige  Strophe;  wo  der  ascle- 
piadeus  minor  oder  der  maior  durch  das  ganze  Gedicht  hindurch  einfach 
wiederholt  wird  haben  wir  scheinbar  monostichische  Anlage.  Indessen 
haben,  nach  dem  Vorgange  von  Wetzel,  C.  Lachmann  (vgl.  Ztschr.  f.  d.  Alt. 
Wiss.  1845,  S.  461)  und  A.  Meineke  (Praef.  seiner  Ausgabe)  die  Bemerkung 
gemacht  dass  nicht  nur  bei  den  letzteren  Versarten  sondern  auch  bei  den 
eigentlich  epodenartig  gehaltenen  Carmina,  überhaupt  bei  sänuntlichen 
Gedichten  der  vier  Bücher  (ausser  IV,  8),  die  Verszahl  mit  Vier  theilbar  sei 
und  haben  daraus  den  zwar  nicht  ganz  sicheren,  aber  doch  sehr  wahr- 
scheinlichen Schluss  gezogen  dass  Horaz  überhaupt  seine  Gedichte  als 
vierzeilige  Strophen  angelegt  habe.  Ueber  den  Einfluss  dieser  Entdeckung 
auf  die  Kritik  des  Horaz  s.  L.  Döderlein,  Oeffentliche  Beden  (1860)  S.  388  ff. 
403  f.  Vgl.  Weyhe,  Bemerk,  über  Bau  u.  Charakter  der  horaz.  Strophe, 
Halberstadt  1870.  12  S.  4.  Die  einzige  Ausnahme  von  der  Theilbarkeit  mit 
Vier  bildet  0.  IV,  8,  welche  aus  34  Versen  besteht.  Man  hat  daher  bei 
dieser  entweder  eine  Lücke  von  zwei  Versen  angenommen  oder  eine  Inter- 
polation von  2  (oder  6  oder  10  oder  14  oder  18)  Versen.  Da  aber  diese 
Form  (des  einfach  wiederholten  asciepiadeus  minor)  sich  im  vierten  Buche 
überhaupt  nur  dieses  eine  Mal  findet,  so  ist  die  Möglichkeit  nicht  auszu- 
schliessen  dass  Horaz  nach  Herausgabe  der  drei  Odenbücher  zu  der  Ansicht 
gelangte  dass  diese  stricte  Durchführung  der  tetradischen  Theilbarkeit  auch 
bei  stichisch  gehaltenen  Gedichten  nicht  nur  völlig  überflüssig  sondern 
sogar  einförmig  sei  und  daher  beim  vierten  Buche  sich  die  Ueberschreitung 
jenes  früher  befolgten  Grundsatzes  mit  Bewusstsein  erlaubte.  Diess  hat  um 
ao  mehr  Wahrscheinlichkeit  da  auch  sonst  Horaz  im  vierten  Buche  andere 
Grundsätze  befolgt  hat  als  in  den  früher  verfassten  drei  ersten  Büchern. 
So  besonders  in  den  sapphischen  Oden.  Hier  hat  er  die  Cäsur  yara  xqIzov 
xqo%atov  jetzt  als  gleichberechtigt  neben  der  itsvdTifUfLeQrjg  behandelt,  hat 
femer  eingesehen  daes  den  Adonius,  unmittelbar,  ohne  Wortende,  an  den 
dritten  Vers  anzureihen  für  den  Vortrag  misslich  und  daher  zu  vermeiden 


233.   Horatiua  (Oden).  479 

sei.  Endlich  hat  Horaz  im  vierten  Buche  die  Synaloephe  eines  langen 
Yocals  immer  vermieden  (Lachmann  zu  Lncretius  p.  219). 

5.  Ovid.  Trist.  lY,  10,  49  f.;  tenuit  nostras  numerosus  Horatius  aures 
dum  ferit  ausonia  carmina  culta  lyra.  Petron.  Sat.  118:  Horatii  curiosa  fe- 
licitas.  Quintilian.  I.  0.  X,  1,  96:  lyricorum  (rom.)  Horatius  fere  solus  legi 
dignuB.  nam  et  insurgit  aHquando  et  plemis  est  iucunditatis  et  gratiae  et 
variis  figuris  et  verbis  felicissime  audax.  Paneg.  in  Pis.  229  f.  Apoll. 
Sidon.  ep.  VIII,  11.  carm.  IXj  218—222.  Jani  vor  seiner  Ausgabe  I.  p.  CIV 
— CIX.  Manso  in  den  Nachträgen  zu  Sulzer  V.  S.  301—322.  R.  Hanow, 
ist  Horaz  ein  kleiner  Dichter?  Halle  1838.  4.  Ad.  Stahr,  in  den  Hall.  Jahrb. 
1840,  S.  1662  ff.  W.  Teuffei,  ebds.  1841,  Nr.  106—112,  und  Charakteristik 
des  Horaz  (Leipzig  1842),  S.  13  ff.  73  —  85.  A.  G.  Gemhard,  de  composi- 
tione  canninum  Hör.  explananda.  I.  Weimar  1841.  IL  1842.  4.  M.  Fleischer, 
meditationum  ad  Hör.  poesin  lyricam  pertinentium  part.  I.  Cleve  1843.  4. 
Hageluken,  de  Hör.  carminum  elegantia,  Münstereifel  1851.  4.  E.  L.  Tromp- 
heller,  Beitrag  zur  Würdigung  der  horsizischen  Dichtweise,  I.  Coburg  1865. 
II.  Coburg  1858.  4.  C.  Prien,  der  symmetrische  Bau  der  Oden  des  Horaz, 
Rhein.  Mus.  XIII.  S.  321—376.  Kirchhoff,  das  melische  Compositionsgesetz 
des  Horaz,  Mützells  Ztschr.  XII.  S.  717—740.  1860,  S.  81—106.  F.  Martin, 
de  aliquot  Hör.  carminum  ratione  antistrophica  et  interpolationibus ,  Posen 
1866.  4.  Auch  hier,  wie  bei  den  Epoden,  befolgt  Martin  das  System,  das- 
jenige was  sich  der  von  ihm  aufgestellten  Symmetrie  nicht  fügen  will  für 
interpoliert  zu  erklaren;  ebenso  C.  Prien,  F.  J.  Schwerdt  u.  A.  Zu  solchen 
mechanischen  Auffassungen  der  gesammten  Dichtweise  des  Horaz  hat  die 
verstandesmässig  angelegte  und  durchgeführte  Disposition  mancher  seiner 
lyrischen  Gedichte  verführt. 

6.  Die  Vorliebe  des  Horaz  für  die  Dreizahl  der  Beispiele  tritt  stai-k 
hervor,  wie  auch  die  Wiederholungen  zahlreich  sind;  W.  Teuffei,  über 
Horaz  (1868)  S.  18  f.    Prosaische  Ausführungen  und  Wendungen  z.  B.  III, 

I,  25.  34  ff.  4,  69  f.  6,  12.  11,  18  f.  IV,  4,  37  f.  Prosaische  Partikeln  wie 
ergo  (Epo.  2,  9),  quodsi  (I,  1,  36.  IH,  1,  41.  Epo.  2,  39.  10,  21.  11,  15.  14,  13), 
atqui  (I,  23,  9.  lU,  6,  49.  7,  9),  quatenus  (IH,  24,  30),  eins  atque  (III,  11,  18 
vgl.  IV,  8,  18),  auch  wohl  namque  (I,  22,  9.  34,  5.  IV,  1,  13).  Der  hohe 
Ton  ist  nicht  des  Horaz  Sache;  wo  er  ihn  anstimmt  fällt  er  leicht  aus 
demselben  heraus,  doch  so  dass  man  manchmal  zweifelhaft  ist  ob  diess 
nicht  mit  bewusstem  Humor  geschieht,  wenn  er  z.  B.  IV,  1,  21  f.  zu  Venus 
sagt:  naribus  duces  tura,  oder  ib.  7,  5  f.  U,  20,  9  ff.  So  klingt  es  wie 
Travestie  wenn  in  einer  sapphischen  Ode  von  teretes  surae  die  Rede  ist 
(U,  4,  21)  oder  in  einer  alkäischen  von  olentis  uxores  mariti  (I,  17,  7).  Oft 
aber  sind  solche  Wendungen  Ausflüsse  römischer  Derbheit  und  Merkmale 
des  „furchtbaren  Realismus^*  (Goethe)  von  Horaz.  Dergleichen  Geschmacks* 
fehler  sind  die  auritae  quercus  (I,  12,  11  f.),  die  libido  quae  solet  matres 
furiare  equorum  (I,  26,  13  f.),  die  clavi  trabales  u.  s.  w.  (I,  35,  18 ff.),  der 
hydrops  und  aquosus  languor  (H,  2,  13  ff.)  und  die  Massivitäten  II,  5,  2  ff. 

II,  21.  III,  11,  19.  IV,  18.  Epo.  9,  35.  Auch  vitrea  CHrce  (I,  17,  20)  und  pur- 
purei  olores  (IV,  1,  10)  sind  keine  geschmackvolle  Epitheta.  Vgl.  0.  Keller, 
Rhein.  Mus.  XIX.  S.  211  —  213.  —  Auch  der  Fall  kommt  nicht  selten  vor 
dasB  Horaz  in  Ausführungen  sich  nicht  genug  thun  kann,  sondern  mit  der 


480  Augusteische  Zeit.   J.  711—767  d.  St. 

Unersättlichkeit  eines  Bhetors  Beispiel  auf  Beispiel  häuft.  So  I,  1.  III, 
1,  9  ff.  41  ff.  27,  1—16.  Epo.  2.  MassvoU  ist  gewiss  auch  weder  II,  20  noch 
111,  30.  ünzeitige  Einmischung  von  Gelehrsamkeit  II,  17,  13—20.  18,  36  ff. 
Am  meisten  Anstösse  enthalten  die  umfangreichsten  Oden,  weil  hier  die 
Unzulänglichkeit  des  lyrischen  Talentes  von  Hör.  am  meisten  zu  Tage 
kommt.  Im  Uebrigen  ist  gleich  extrem  und  unrichtig  der  Ausspruch  von 
Gruppe  (Minos  S.  412):  „Uoraz  ist  Horaz  erst  durch  die  Oden"  wie  das 
Paradoxon  von  E.  Lehrs  (Neues  Schweiz.  Mus.  1861,  S  64):  „Horaz  ist 
nicht  in  den  Oden";  vielmehr  ist  der  Horaz  der  Satiren  imd  Briefe  in 
allem  Wesentlichen  auch  der  Horaz  der  Oden,  und  daraus  eben  erklären 
sich  Vorzüge  wie  Mängel  der  letzteren.  Besonnene  Würdigung  der  horaz. 
Lyrik  von  G.  Bernhardy,  Berliner  Jahrbb.  1835,  S.  750.  Treffend  auch 
Lehrs,  Hör.  S.  LXXV:  „man  muss  sich  gewöhnen  den  poetischen  Massstab 
für  Hör.  nicht  zu  hoch  zu  stellen  und  mitunter  auf  bedeutenden  Abfall  ge- 
fasst  zu  sein."   Nur  handelt  er  selbst  gar  nicht  dieser  Einsicht  gemäss;  s.  A.  7. 

7.  Die  heutzutage  herrschende  Meinung  geht,  mit  den  naivsten  Be- 
wunderem des  Horaz  in  alter  Zeit,  von  der  Voraussetzung  aus  dass  Horaz 
ein  vollkommener  tadelloser  Dichter  sei.  Da  dieser  selbstgemachten  Vor- 
aussetzung aber  der  Augenschein  widerstreitet,  so  hat  diess  die  Folge  — 
nicht  etwa  dass  man  jene  Voraussetzung  als  eine  unberechtigte  aufgibt, 
sondern  vielmehr  —  dass  man  das  was  derselben  widerspricht  kurzweg 
für  unecht  erklärt  und  streicht.  Freilich  bleibt  auch  nach  den  ausgedehn- 
testen Streichungen  immer  noch  gleichbegründeter  Stoff  zu  weiteren  Aus- 
stellungen übrig,  somit  —  auf  diesem  Standpunkte  —  Grund  zu  weiteren 
Streichungen,  so  dass  es  mit  diesen  eigentlich  kein  Ende  nimmt.  So 
augenscheinlich  unlogisch  diese  ganze  Ansicht  ist,  so  gilt  sie  doch  merk- 
würdiger Weise  heutzutage  noch  bei  Vielen  für  höchste  Weisheit,  und 
sogar  hochverdiente  Gelehrte  streichen  unbefangen  drauflos  wenn  sie  in  den 
horazischen  Oden  auf  irgend  eine  Unvollkommenheit  stossen.  Diese  Me- 
thode auf  einen  Interpolator  abzuladen  hat  dann  weiter  zur  Folge  gehabt 
dass  man  gegen  die  Gedichte  ungerecht  wurde,  dass  man  auch  tadelte 
was  in  Wahrheit  keinen  Tadel  verdient  und  in  masslosem  Tone  tadelte. 
Der  Erste  welcher  die  Voraussetzung  von  der  Vollkommenheit  der  lyri- 
schen Gedichte  des  Horaz  mit  der  Conseqaenz  einer  fixen  Idee  durchge- 
führt und  zum  Maasstabe  der  Echtheit  oder  Unechtheit  der  einzelnen  Ge- 
dichte gemacht  hat  ist  der  Holländer  P.  Hofman  Peerlkamp  (Ausgabe  der 
Oden  von  1834).  Vgl.  G.  Bernhardy,  BerL  Jahrbb.  1835,  Mai,  Nr.  91  —  93, 
S.  737 — 766.  W.  Teuffei,  Peerlkamp  und  seine  Bestreiter,  in  Jahn's  Jahrb. 
41,  S.  488 — 453;  sowie  in  den  Jahrbüchern  der  Gegenwart  1843,  Nro.  50 — 
52  =  Stuttgarter  Correspondenzblatt  1859,  Nr.  9,  S.  196—213;  vgl.  Ueber 
Horatius  (Tübingen  1868.  4.)  S.  20—22.  L.  Müller,  in  Fleckeisens  Jahrb. 
87,  S.  171  f.  176  —  184.  F.  W.  Graser,  de  Peerlkampi  in  Hör.  carminibus 
criticam  factitandi  ratione,  Magdeburg  1868.  4.  In  Peerlkamp's  Fussstapfen 
trat  F.  Martin  (de  aliquot  Horatii  carminibus  comm.  critica,  Posen  1844.  4.), 
A.  Meineke,  S.  Dyckhoff  (de  aliquot  Horatii  carminum  locis  suspectis,  Mün- 
ster 1857),  C.  Prien,  G.  Linker  (Ausgabe  von  1866  und  Verhandlungen  der 
Bresl.  Vers.,  Breslau  1868.  4.,  S.  100—109),  N.  W.  Ljungberg  (Jahn's  Jahrbb. 
80,  S.  440 — 470),    0.  F.  Gruppe  (Minos;   über   die  Interpolationen  in  den 


233.  Horatius  (Oden).  481 

römischen  Dichtem  n.  s.  w.,  Leipzig  1859)  und  E.  Lehrs  (Horatius  1869, 
S.  XXVI— CXXX VIII).  Vgl.  noch  K.  Gesell,  de  interpolationibus  mytholo- 
gicis  apnd  Hör.,  Bonn  1865.  Eine  Art  Mittelweg,  nur  eine  kleine  Anzahl 
von  Interpolationen  anzunehmen,  schlägt  L.  Müller  ein,  sowie  S.  Heynemann, 
de  interpolationibus  in  carm.  Hör.  certa  ratione  diiudicandis,  Bonn  1871. 27  pp. 

8.  Neuere  Sonderausgaben  der  Oden  (und  Epoden)  besonders  von  Ch. 
D.  Jani  (2  VoU.,  Lips.  1778—82.  Ed.  IL  ib.  1809),  Ch.  W.  Mitscherlich 
(2  Bde.  Lips.  1800),  C.  F.  Preiss  (Leipzig  1806—1807.  4  Bde.),  Ch.  Vander- 
bourg  (ad  fidem  XVIÜ  mss.  Paris,  rec.  etc.  2  Voll.  Paris  1812),  P.  Hofman- 
Peerlkamp  (Harlem  1834.  Ed.  altera  emendata  et  aucta,  Amsterdam  1862. 
VgL  oben  Anm.  7),  F.  Lübker  (Commentar  zu  Buch  I— III,  Schleswig  1841), 
Th.  Obbarius  (kritisch  berichtigt,  erklärt  u.  s.  w.  Jena  1848;  fQr  den  Schul- 
gebrauch, herausgegeben  von  L.  S.  Obbarius,  Jena  1866),  C.  I.  Grysar  (mit 
CXXXrV  pp.  Einleitung,  Wien  1863),  C.  W.  Nauok  (fOr  den  Schulgebrauch 
erklärt,  Leipzig  1863.  1856.  1860.  1863.  1865.  1868.  1871.),  0.  Keller  (re- 
censuit,  Lips.  1864.  Vgl.  0.  Keller  im  Rhein.  Mus.  XVIII.  S.  271  —  285. 
XIX.  S.  211  —  227). 

9.  Sehr  zahlreich  sind  die  Bearbeitungen  einzelner  Oden;  s.  W. 
Teuffei,  über  Horatius  (1868)  S.  23  f.  Hier  erwähnen  wir  nur:  I,  1  von 
G.  Hermann  (Lips.  1842.  4.),  Chr.  Jahn  (Lips.  1845.  4.  vgl.  Jahn's  Jahrb. 
43,  S.  462—466).  I,  28  von  B.  G.  Weiske  (Jahn's  Jahrbb.  XIL  S.  349—362), 
C.  PranÜ  (München  1842),  L.  Döderlein  (Verhandlungen  der  Erlanger  Philo- 
logenvers.,  ErL  1862.  4.,  S.  61  —  68  vgl.  59  f.),  C.  Göttling  (Gesammelte  Ab- 
handlungen IL  S.  214  —  233),  J.  A.  Mähly  (Rhein.  Mus.  X.  S.  127  —  136), 
F.  Martin  (Posen  1868.  4.),  H.  J.  Heller  (Philologus  XVL  S.  731—736). 
I,  20.  30.  II,  11.  IV,  3  in  F.  A.  Eckstein's  scholae  Horatianae  (Lips.  1869.  4.) 
p.  1  —  41.  50.  II,  1  von  F.  Ritschi  (Rhein.  Mus.  XI.  S.  628—636  vgl.  XII. 
S.  457  ff.  630),  F.  l^artin  (Posen  1868.  4.).  III,  3  von  C.  L.  Struve  (Opusc. 
sei.  IL  p.  369  —  409),  C.  Kiesel  (Düsseldorf  1845.  4.),  Bamberger  (Opusc. 
S.  200—211),  R.  Rauchenstein  (Neues  Schweiz.  Mus.  I.  1861.  S.  129  —  142), 
H.  Schwalbe  (Eisleben  1863.  4.).  III,  27  von  Th.  Schäfer  (Lips.  Teubner 
1868).  Carmen  saeculare  von  C.  F.  Hermann  (de  loco  Apollinis  in  C.  s., 
Gotting.  1843.  4.). 

10.  Uebersetzungen  der  Oden  (vgl.  K.  Eichhoff  in  Masius'  Jahrbb. 
f.  Philol.  104,  S.  209—236)  besonders  von  K.  W.  Ramler  (Berlin  1800.  1818. 
2  Bde.),  W.  Binder  (4.  Ausg.,  Stuttgart  1855),  v.  d.  Decken  (Braunschweig 
1838,  2  Bde.),  Ed.  Bürger  (in  Reimen,  Stuttgart  1852),  J.  S.  Strodtmann 
(mit  lat.  Text  und  Anm.,  Leipzig  1862),  G.  Ludwig  (Stuttgart,  Metzler,  1863. 
1860.),  A.  Bacmeister  (Stuttgart,  Neff,  s.  a.  1871)  u.  A.  - 

11.  Zu  einzelnen  Oden  sind  auch  Melodien  erhalten,  zum  Beweise 
dass  man  in  den  Klöstern  Horaz  gelegentlich  gesungen  hat;  s.  Orelli-Baiter's 
Ausg.  IL  p.  915  ff.    Kirchner,  Novae  quaest.  Hör.  p.  37. 

234«    Die   Briefe   sind   in   demselben  Masse   gehalten  wie222 
die  Satiren  und  theilen  auch  sonst  mit  ihnen  den  allgemeinen 
Charakter  von  sermones;  aber  das  Product  einer  reiferen  Alters- 
stufe als  die  Satiren,  verzichten  die  Briefe  darauf  durch  indivi- 

TbuffUi,  BOm.  Literaturgeschichte.  2.  Aofl.  31 


482  Augnateiscbe  Zeit.   J.  711—767  d.  St. 

duelles  Bemühen  Wirkungen  auf  die  ganze  Zeit  hervorzubringen 
und  haben  in  Ton  und  Form  das  Grepräge  grösserer  Ruhe,  ern- 
ster Gemessenheit  und  selbstbewusster  Kunst.  ^  Bald  Darstel- 
lungen der  Persönlichkeit  ihres  Verfassers,  bald  aufgehend  in 
dem  persönlichen  Zwecke  eines  Briefes,  bald  ein  bestimmtes 
Thema  mit  der  Absicht  der  Belehrung  abhandelnd,  zeichnen  sie 
sich  demgemäss  das  eine  Mal  durch  den  feinen  Tact  aus  womit 
schwierige  persönliche  und  gesellschaftliche  Aufgaben  gelöst 
werden^  bald  durch  die  reiche  Fülle  gediegenen  Inhaltes.  Das 
Letztere  findet  besonders  bei  den  drei  Briefen  des  zweiten 
Buches  statt,  welche  den  literarischen  Standpunkt  des  Horaz 
mit  Wärme,  theilweise  sogar  mit  Einseitigkeit,,  verfechten,  den 
Grundsatz  des  Zurückgehens  auf  die  echten  hellenischen  Muster 
und  des  Erstreben s  ihrer  Formvollendung  im  Gegensatze  zu  der 
formalen  Sorglosigkeit  der  älteren  römischen  Dichter.  Der  be- 
rühmteste dieser  drei  Briefe  ist  der  dritte,  an  die  Brüder  Piso 
gerichtet,  worin  eine  Reihe  "ästhetischer  Fragen  mit  verständi- 
gem treffendem  Urteile  abgehandelt  ist,  im  Anschlüsse  an  grie- 
chische Vorgänger',  doch  mit  unverkennbarer  Selbständigkeit. 

1.  Als  aermoneB  (im  Gegensätze  zu  Gattungen  mit  gehobener  Sprache) 
bezeichnen  sich  die  Briefe  selbst  (Ep.  II,  1,  250),  ohne  aber  damit  ihren 
Titel  angeben  zu  wollen,  welchen  vielmehr  Grammatiker  und  Handschriften 
übereinstimmend  Epistulae  nennen.  Vgl.  Schol.  zum  Anfang  der  Satiren: 
Sermonum  libri  ideo  dicti  quia  vili  sermone  potius  quam  tumenti  sive  quia 
ad  praesentes  scribuntur.  epistulis  enim  ad  absentes  loquimur,  sermone 
cum  praesentibus.  quamvis  igitur  hoc  opus  Satiram  esse  Horatius  ipse 
profiteatur  (S.  II,  1,  1),  tamen  proprios  titulos  voluit  ei  adcommodari,  hos 
priores  libros  duos  Sermonum,  posteriores  Epistularum  inscribens.  Die 
gereiftere  Kunst  der  Briefe  zeigt  sich  auch  im  Einzelsten  So  hat  leep 
(de  elisionibus  Horatianis,  Wolfenbüttel  1844.  4.)  berechnet  dass  Fälle  von 
Synalöphe  in  den  2113  Versen  der  Satiren  mehr  als  900  mal  vorkommen, 
in  den  1968  Versen  der  Briefe  aber  nur  etwa  öOOmal;  und  wenn  der  erste 
Vocal  ein  langer  ist  wird  wenigstens  in  Ep.  II,  3  die  Synalöphe  nicht  vor- 
genommen (M.  Haupt,  Observ.  crit.  p.  18  vgl.  ib.  p.  48.  Lachmann  zu 
Lucretius  p.  77). 

2.  Sonderausgaben  der  Briefe.  Erklärt  von  Fr.  E.  Th.  Schmid,  Halber- 
stadt 1828.  1830.  2  Bde.  (die  Ars  poet.  fehlt).  Für  Gymnasien  bearbeitet 
von  Fr.  v.  P.  Hocheder,  Regensburg  1831.  2  Bde.  Commentarüs  uberri- 
mis  instructas  ed.  S.  Obbarius,  Lips.  1837  —  1847.  2  Voll.  (Buch  II  fehlt). 
Mit  den  Satiren,  von  G.  T.  A.  Krüger,  Leipzig  1853.  1856.  1860.  1866.  18G9. 
Mit . Einleitung  und  kritischen  Anmerkungen  von  0.  Ribbeck,  Berlin  1869. 
Recensuit  0.  Keller,  Lips.  1870. 

3.  Lateinisch  und  deutsch  von  J.  S.  Strodtmann  (Leipz.  1854),  L.  Döder- 


234.    Horatius  (Briefe).  483 

lein  (Leipzig  1856.  1858.  2  Bde.),  F.  S.  Feldbausch  (Leipzig  1860.  2  Bdchen.; 
Uebersetzung  in  Prosa).  Sonstige  üebersetzungen:  von  C.  M.  Wieland 
(2  Thle.,  Dessau  1782.  Leipzig  1837  und  sonst),  E.  Günther  (Leipzig  1824), 
C.  Passow  (Leipzig  1833;  ohne  Ep.  II,  3),  J.  Merkel  (AschafFenburg  1841), 
W.  E.  Weber  und  W.  Teuffei  (Stuttgart,  Met.zler  1853.  1859),  Fr.  Fröhlich 
(Satiren  und  Briefe,  im  blank  verse,  Schleswig  1866). 

4.  C.  Morgenstern,  de  sat.  et  epist.  hör.  discrimine,  .Lips.  1801.  4.  C. 
Passow  (s.  A.  3)  S.  CXXXIX  ff.  Anm.  178.  180.  282.  A.  G.  Rein,  de  Persii 
satiris  et  Horatii  epistolis,  Gera  1839.  4.  W.  Teuffei,  Charakteristik  des 
Hör.  (1842)  S.  61  —  64.  Düntzer,  Kritik  und  ErkL  IIL  S.  73  —  86.  W.  E. 
Weber,  Horatius  (1844),  S.  281  —  298.  Schierenberg,  über  die  Peiaonen 
der  Briefe  des  Horaz,  Detmold  1846.  4.  Estienne,  ätude  morale  et  litt^raire 
Bur  les  Epitres  d'Horace,  Paris  1851.  Manso,  über  Hor.'s  Beurteilung  der 
älteren  röm.  Dichter,  in  seinen  Vermischten  Abh.  und  Aufsätzen  (Breslau 
1821)  S.  87—106.  K.  Reichel,  Horaz  und  die  ältere  röm.  Poesie,  Pressburg 
1852.  4.  E.  Meissner,  der  Kampf  des  Hör.  für  eine  bessere  Geschmacks- 
richtung in  der  Poesie,  Dresden  1867.  Berning,  über  den  Geist  der  horaz. 
Briefe,  Recklingshausen  1856.  4.  Döderlein,  Uebersetzung  S.  78  f.  Lehrs, 
Ausg.  S.  CI^X  f.  H.  Keck,  de  Hör.  Epist.  libro  I  critica  ad  L.  Doederleinum 
epistola,  Kiel  1857.  4.  H.  Muther,  Beiträge  zur  Erklärung  und  zur  Emen- 
dation  der  horaz.  Episteln,  Coburg  1864.  4.  K.  Lehrs ^  Horatius  (1869) 
S.  CLVII— CCXXL  W.  H.  Kolster,  über  die  Episteln  des  Horaz  welche  er- 
sichtlich Antwortschreiben  sind,  Meldorf  1867.  4.  F.  Pahle,  zur  Erkl.  von  Epp. 
I,  in  Fleckeisen's  Jahrbb.  97,  S.  185—206.  269—294. 

5.  Bearbeitungen  einzelner  Briefe,  z.  B.  I,  11  u.  14  von  C.  Campe 
(Philologus  XXIX.  S.  448  —  468);  I,  12  von  J.  Amoldt  (Fleckeisen's  Jahrbb. 
101,  S.  619 — 647);  I,  15  von  M.  Schanz  in  den  Verhandl.  der  Würzburger 
Philologenvers.  (Leipzig  1869)  S.  116 — 119.  Courtoy,  Revue  de  Tinstr.  publ. 
en  Belgique  XI,  4  f.  Ep.  II,  1  von  K.  Zell  (Heidelberg  1819),  H.  Riedel 
(Groning.  1831),  vgl.  J.  Vahlen,  Ztschr.  f.  österr.  Gymn.  XXII.  1871.  S.  1 
bis  M  und  (gegen  Ribbeck,  ebd.  S.  241—263)  S.  254—260.  K.  Lehrs,  Nach- 
trag zu  Hör.,  Leipz.  1871.   16  S. 

6.  Ep.  II,  8  wird  schon  von  Quintilian  (VIII,  3,  60:  Horatius  in  prima 
parte  libri  de  arte  poetica)  nach  ihrem  Hauptinhalt  unter  dem  Titel  Ars 
poetica  angeführt;  vgl.  SymmaCh.  Ep.  1,  4.  Apoll.  Sid.  carm.  22  (lyricus 
FlacGus  in  Artis  poeticae  volumine)  und  IX,  220.  Priscian  XVIII,  101.  p. 
1149  P.  =  II.  p.  264,  16  Htz.  (Horatius  de  arte  poetica).  Diese  üeberschrift 
rührt  jedoch  sicher  von  Horaz  nicht  her,  da  für  ihn  die  Anrede  Pisones  ge- 
nügte. Dass  der  Brief  zu  den  spätesten  Arbeiten  des  Horaz  gehört  oder  geradezu 
die  späteste  ist  machen  seine  Zeitanspielungen  (vgl.  W.  TeuffePs  Ueber- 
setzung davon,  Stuttgart  1859,  S.  304  f.)  wahrscheinlich,  sowie  seine  formelle 
Beschaffenheit  (vgl.  Anm.  1  E.),  auch  wohl  seine  schwankende  Stelhmg  in  den 
Handschriften  (s.  oben  229,  8).  —  Porphyrie  zum  Anfang  (ILp.  649  Hau- 
thal): hunc  librura,  qui  inscribitur  de  arte  poetica,  ad  L.  Pisonem  .  .  eius- 
que  filios  misit.  .  .  in  quem  librum  congessit  praecepta  Neoptolemi  zov 
TlaQiavov  de  arte  poetica,  non  quidem  omnia,  sed  eminentissima.  Diese 
ausdrückliche  Angabe  des  Porphyrio  verbietet  (mit  Meiueke)  an  die  Schrift 

31* 


1 


484  Augusteiflche  Zeit.   J.  711—767  d.  St. 

dies^  Alexandriners  nsgl  dartConmv  zu  denken,  nöthigt  aber  keineswegs 
zu  glauben  dass  Horaz  einer  so  antergeordneten  Quelle  sich  bedient  habe 
bei  einem  Gegenstande  dessen  er  selber  so  vollständig  Herr  war.  Dagegen 
konnte  die  Poetik  des  Aristoteles  weder  ignoriert  werden  noch  dem  Horaz 
entgehen;  Parallelen  derselben  mit  unserem  Briefe  gibt,  wenn  auch  in 
Einzelnem  zu  weit  gehend,  Streuber  p.  72  —  77. 

7.  Ausgaben  der  Ars  poetica  z.  B.  yon  Fr.  y.  P.  Hocheder  (Passau  1824], 
P.  Hofman  Peerlkamp  (Leidae  1845).  üebersetzungen  (vgl.  A.  3)  von  A. 
Arnold  (Berlin  1836.  4.)  und  einem  andern  A.  Arnold  (in  Reimen,  Erfurt 
1863.  Halle  1860),  M.  Enk  (Wien  1841),  J.  A.  Mähly  (Jahn's  Archiv  XIX. 
S.  486  —  449)  u.  A. 

8.  Erläuterungsschriften  der  ars  poet.  Van  Reenen,  dissertat.  philol.- 
crit.  etc.,  Amst.  1806.  4.  Eichstädt,  quo  tempore  et  ad  quos  scripta  sit,  Jenae 
1811.  fol.  Bosch,  curae  secundae  in  Hör.  Epist.  ad  Pis.,  Jenae  1812.  fol. 
vgl.  Ernesti  Parerga  p.  LI — LXXI.  Dohm,  einige  Bemerkungen  über  u.  s.  w., 
Itzehoe  1824.  4.  Mittermayer,  Progr.  Aschaffenburg  1827.  4.  Lidberg,  Lund 
1833.  Ed.  Müller,  Gesch.  der  Theorie  der  Kunst  bei  den  Alten  IL  S.  269—284. 
Lilie,  Breslau  1839.  W.  Th.  Streuber,  Basel  1839.  Lindemann,  Part.  I  und 
II.  Zittau  1841.  4.  J.  Hilgers,  Bonn  1841.  Fr.  Jacob,  über  das  Verhältniss 
zu  den  Satiren  des  Horaz,  Lübeck  1841,  S.  7 — 15.  W.  Teuffei,  Charakteristik 
des  Horaz  (1842)  S.  64—73.  J.  Eckert,  Beleuchtung  u.  s.  w.,  Landshut  1843.  4. 
G.  Bemhardy,  prooemium  de  Hör.  Ep.  ad  Pisones,  Halle  1847.  4.  J.  Fr. 
Fischeri  dictata  in  Hör.  A.  p.,  ed.  L.  S.  Obbarius,  Eudolstadt  1848.  1850.  4. 
Hantschke,  de  sententiafum  ordine  in  Hör.  Ep.  ad  P.,  Wetzlar  1853.  4. 
J.  Piechowski,  de  Ep.  ad  P.,  Moskau  1853.  J.  Freudenmann,  über  Veran- 
lassung und  Zweck  u.  s.  w.,  Ehingen  1854.  4.  G.  C.  Mezger,  Expositio  Ep. 
ad  P.,  Augsburg  1855.  4.  J.  M.  E.  Feys,  l'art  po^tique  d'H.  consid^r^e 
dans  son  ordonnance,  Brüssel  1856.  A.  Michaelis,  de  auctoribus  quos  Hora- 
tius  in  libro  de  arte  poetica  secutus  esse  videatur,  Kiel  1857.  4.  Bührmund> 
in  MützelVs  Ztschr.  f.  Gymn.  1858,  S.  250—260.  B.  Büchsenschütz,  Philol. 
XU.  S.  150  —  161.  L.  Spengel,  zur  A.  p.  des  Hör.,  ebds.  XVIIL  S.  94  —  108. 
A.  Kiene,  Composition  der  u.  s.  w.,  Stade  1861.  F.  A.  Beck,  Beitrag  zur 
Würdigung  u.  s.  w.,  Giessen  1863.  4.  Fr.  Beck,  die  Ep.  a.  d.  P.  nach  ihrem 
Zusammenhang  dargestellt  und  metrisch  übertragen,  Eos  I.  S.  196  —  214. 
J.  Vahlen,  Ztschr.  f.  österr.  Gymn.  XVIÜ.  S.  1  —  16. 

223  236.  Die  Gedichte  des  Horatius  wurden  schon  bald  nach 
dem  Tode  ihres  Verfassers  als  Schulbuch  benützt.  Das  dadurch 
bedingte  Vorhandensein  zahlreicher  Abschriften  erschwerte  die 
Interpolation,  und  die  derartigen  Versuche  sahen  sich  daher 
alsbald  zurückgewiesen  und  blieben  ohne  Einfluss  auf  den  Text. 
Auch  Erklärer  fanden  die  horazischen  Gedichte  frühzeitig,  an 
Julius  Modestus,  Valerius  Probus,  Q.  Terentius  Scaurus,  Hele- 
nius  Acro,  Pomponius  Porphyrio,  vielleicht  auch  Claranus.  Er- 
halten sind  Scholien  von  Porphyrio.  Die  den  Namen  des  Acre 
tragenden  sind  aus  späterer  Zeit.    Die  Zahl  der  auf  uns  gekom- 


234  f.    Horatiua  (Ars  poet.    Schicksale  seiner  Werke).  485 

menen  Handschriften  der  horazischen  Gedichte  ist  eine  sehr 
bedeutende;  über  das  neunte  Jahrhundert  geht  aber  keine  zurück. 
Auf  die  deutsche  Literatur,  besonders  des  achtzehnten  Jahrhun- 
derts, war  namentlich  die  horazische  Lyrik  von  grossem  Einfluss; 
und  in  welchem  Grade  Horaz  die  Gelehrsamkeit  beschäftigt  hat, 
davon  zeugt  die  ganz  unübersehbare  Anzahl  der  Ausgaben  seiner 
Werke  wie  der  ihm  gewidmeten  Schriften. 

1.  Dass  er  ein  Schulschrifksteller  würde  hat  Horaz  sich  Ep.  I,  20,  17  f. 
selbst  geweissagt;  and  schon  in  der  Zeit  des  Juvenal  (S.  YII,  226  f.)  war 
diesB  ganz  regelmässig  der  Fall.  Von  Quintilian  wird  er  gleichfalls  oftmals 
citiert,  theilweise  auch  Stellen  (wie  0.  I,  12,  40  f.  bei  Qnintil.  IX,  3,  18) 
die  von  der  Hjperkritik  neuerer  Zeit  angefochten  worden  sind;  ebenso 
citieren  .ihn  Martialis  und  Caesius  Bassus.  W.  Dillen bnrger,  Testimonia 
zu  Horaz,  Berliner  Ztschr.  f.  Gymn.  1868,  S.  322  —  332. 

2.  Sueton  (Ausgabe  von  Reifferscheid  p.  47  f ) :  venerunt  in  manus  meas 
et  elegi  sub  titulo  eins,  et  epistola  prosa  oratione  quasi  commendantis  se 
Maecenati.  sed  utraque  falsa  puto.  nam  elegi  vulgares,  epistola  etiam 
obscura,  quo  vitio  minime  tenebatur.  Die  üeberlieferung  wies  diese  Fäl- 
Bchungsversuche  so  nachdrücklich  zurück  dass  dieselben  durch  keine  Hand- 
schrift auf  uns  gekommen  sind;  und  ebenso  wenig  macht  sich  in  Bezug 
^uf  den  Bestand  des  Erhaltenen  irgend  welches  Schwanken  bemerklich. 
Die  zwei  neuen  Oden  welche  Pallavicini  in  der  Vaticana  gefunden  haben 
wollte  (abgedruckt  bei  Villoison,  Animadv.  ad  Longin.  p.  310,  in  der  Aus- 
gabe von  Jani  I.  p.  CXV;  bei  Preiss  I.  S.  110  ff.  Peerlkamp  p.  XXVIII  — 
XXX  u.  sonst)  sind  ein  Machwerk  sehr  späten  Ursprungs;  vgl.  Vanderbourg 
I.  p.  356  ff.  Ballenstedt,  Hannover  1788.  A  diss^rtation  conceming  two 
ödes  of  Hör.,  London  1789.  4.    Richter,  vita  Horatii  p.  127  —  130. 

3.  Die  vita  des  cod.  Paris,  y,  womit  Pseudo-Acro  seine  Expositionen 
des  Horaz  einleitet,  sagt:  commentati  in  illum  sunt  Porphyrion,  Modestus 
et  Helenius  Acron  onmibus  melius,  üeber  diese  und  Yalerius  Probus  s. 
unten.  Üeber  den  vermeintlichen  Ausleger  des  Horaz,  C.  Aemilius,  s.  F. 
Hauthal  im  Rhein.  Mus.  V  (1846).    S.  516—532. 

Der  Scaurus  welcher  von  Porphyrio  zu  Sat.  II,  6,  92  citiert  wird  ist 
ohne  Zweifel  Q.  Terentius  Scaurus;  s.  d. 

Schriftsteller  deren  Namen  uns  unbekannt  sind  hatten  schon  vor  der 
Zeit  des  Porphyrio  (zu  Sat.  I,  3,  21.  91)  de  personis  Horatianis  geschrieben. 

Der  sogenannte  Commentator  Cruquianus  ist  eine  von  dem  Horaz-Heraus- 
geber  J.  Cruquius  aus  seinen  Handschrr. ,  besonders  den  Blandinii ,  gemachte 
Zusammenstellung  aller  Schölien  und  Glossen  denen  er  Werth  beilegte;  vgl. 
Cruquius  zu  Ep.  I,  18,  15  (p.  581  a):  Blandin.  antiquissimus,  ex  quo  com- 
ment.  descripsimus.    Rhein.  Mus.  XIX.  S.  333  f. 

4.  Ausgaben  der  Schölien  von  Georg  Fabricius  (Basel  1555.  fol.),  von 
Franz  Pauly  (Prag  1858  f.  2  Bde.)  und  von  Ferd.  Hauthal,  Berolin.  1864. 
1866.  2  Voll.  Vgl.  0.  Keller  in  Fleckeisen's  Jahrb.  91,  S.  176—183.  Hau- 
thal in  der  BerL  Ztschr.  f.  Gymn.  1866,  S.  398  —  409. 


4.%  Augusteisclic  Zeit.    J.  711— 7G7  d.  St. 

Ueber  die  Scholien  s.  W.  H.  D.  Suringar,  historia  critica  scholiastarum 
latinorum.  Vol.  III,  Lugd.  Bat.  1835.  W.  Dillenburger,  Horatiaua,  Aachen 
1841.  4.  W.  Teuffei  im  Rhein.  Mus.  UI.  1844.  S.  473  —  476.  C.  Kirchner, 
Novae  quaestionea  hör.  1847.  p.  59  —  64.  C.  L.  Roth,  Rhein.  Mus.  XIII.  S.  517. 
G.  Linker,  de  Hör.  scholiastis  qui  feruntur  Acrone  et  Porphyrione  adnota- 
tiones  subsecivae,  Ztschr.  f.  Ostreich.  Gymn.  1858.  p.  813  —  823.  H.  Usener, 
de  scholiis  horatianis  commentatio,  Bern  1863.  32  pp.  4.  0.  Keller,  zur 
Kritik  der  sog.  acronischen  Scholien,  Rhein.  Mus.  XIX.  S.  154 — 160,  und 
Ueber  Porphyrion,  Pseudo-Acron  und  Fulgentius,  Scholiasten  des  Horaz,  in 
der  Symbola  philolog.  Bonnens.  (Lips.  1867)  S.  491  —  502.  W.  Hirschfelder, 
Quaest.  horat.  spec.  (über  die  Hdss.  und  den  Commentator  des  Cruquius), 
Berlin  1862.  4.  E.  Schweikert,  de  Porphyrionis  et  Acronis  scholiis  horatianis, 
Münster  1864;  und  De  Acrone  qui  fertur  Hör.  scholiasta,  Coblenz  1871.  15  pp.  4. 

5.  Die  Zahl  der  Handschriften  von  Horaz  beläuft  sich  auf  ungefähr 
250,  von  denen  die  meisten  aus  Frankreich  stammen,  wo  im  Beginne  des 
Mittelalters  besonders  die  Benedictiner  fleissig  den  Horaz  abschrieben.  In 
Italien  sind  die  Horazhandschriften  sehr  viel  seltener,  und  die  älteste  bis 
jetzt  dort  aufgefundene  ist  aus  dem  Uten  Jahrhundert.  Aufzählungen  bei 
Jani  I.  p.  I  —  Xil.  Mitscherlich  I.  p.  I — XLI.  Vanderbourg  I.  p.  387  —  411. 
Hauthal,  über  die  Horazmanuscripte  in  Italien,  Jahu's  Jahrb.  XIII.  S.  427  ff.; 
über  die  älteste  spanische  Handschrift  des  Horaz  und  des  Acron  (den  cod. 
Heiuianus),  Bonn  1847;  Ztschr.  f.  d.  Alt.  Wiss.  1847.  S.  398  —  403.  C.  Kirch- 
ner, Novae  quaestiones  horatianae.  I.  Quinquaginta  codicum  quibus  usi 
sumus  descriptio.  11.  De  codicum  Horatianorum  stirpibus  ac  familiis,  Naum- 
burg 1847.  4.  Vgl.  dessen  Ausgabe  der  Satiren  (1851)  p.  XX  — XXXVI. 
Keller -Holder  praef.  I.  u.  ü.  Unter  diesen  Handschriften  sind  besonders 
die  Blandinii  des  Jacob  Cruquius  (aus  der  abbaye  de  St.- Pierre  au  mont 
Blandin  zu  Gent)  von  ^bestrittenem  Werthe.  Während  sein  antiquissimus 
von  M.  Haupt  u.  A.  zur  Hauptgrundlage  der  Textesgestaltung  gemacht 
wurde,  stellte  Th.  Bergk  den  Satz  auf:  die  Angaben  des  Cruquius  über 
die  von  ihm  benützten  Handschriften  des  Horaz  beruhen  zum  Theil  auf 
Fälschung,  und  0.  Keller  ist  ihm  beigetreten  (Rhein.  Mus.  XVIII.  S.  281—283), 
wogegen  K.  Zaugemeister  (ebds.  XIX.  S.  321  —  339,  mit  0.  Keller's  Replik, 
ebds.  S.  634 — 637)  die  Wichtigkeit  des  Bland,  verfochten  hat.  Vgl.  auch 
Mützell  in  seiner  Ztschr.  f.  Gymn.  IX  (1855).  S.  850—877  nebst  S.  946. 
F.  Ritter,  ebds.  1857,  S.  359  —  361  und  dagegen  H.  Düntzer,  der  öte  cod. 
Blandinius  des  Horaz,  ebds.  1857,  S.  927  —  937.    1864.    S.  876  —  878. 

6.  Die  Classification  dieser  Handschriften  ist  dadurch  sehr  erschwert 
dass  jede  einzelne  derselben  durch  Einführung  vou  Lesarten  anderer  Classen 
den  ursprünglichen  Charakter  ihrer  eigenthümlichen  Recension  mehr  oder 
weniger  verwischt  hat  (0.  Keller,  Rhein.  Mus.  XIX.  S.  225).  Indessen 
lassen  sich  drei  Ilauptclassen  unterscheiden  (Holder -Keller  IL  p.  III — VI. 
XVI  — XVIIl).  Die  erste  besteht  hauptsächlich  aus  Parisin.  7900*  saec. 
(IX— )X  (A  bei  Keller-Holder)  und  dem  engverwandten  Avenionensis  (a)  saec. 
IX( — X),  Argentoratensis  saec.  (IX— )X  (D),  Monacensis  14685  saec.  XI  (E) 
und  Paris.  7975  saec.  XI  (y).  Die  zweite  bilden  vornehmlich  B  (Bernensis 
363  saec.  VIII  — IX),  C  (anderer  Theil  von  Monac.  14685),  V  (Blandinius 
vetustiss.),  g  (Gothanus,  saec.  XV).    Zu  dieser  Classe  gehört  ein  Theil  der 


235.    Horatius  (Schollen,  Handschriften  u.  Ausgaben).  487 

7  HdsB.  welche  die  Subscripidon  haben:  Vettius  Agorius  Basilius  Mavortius 
V.  C.  (Cos.  527)  .  .  legi  et  ut  potui  emendavi,  conferente  mihi  magistaro 
Feiice,  oratore  urbis  Romae.  Hauptvertreter  der  zahlreichen  dritten 
Classe  ist  P  (Urhandschrift  von  qp  und  i/;  =  Paris.  7974  u.  7971  saec.  X), 
sowie  X  (Paris.  7972  saec.  IX  — X)  und  1  (Leid.  28  saec.  X),  d  u.  d  (Harl. 
2725.  2688  saec.  IX— X^,  €  (Einsidlens.  361  saec.  X)  u.  a.  Die  beiden 
ersten  Classen  stammen  wohl  aus  derselben  gute]>  Quelle,  doch  so  dass  die 
erste  zwar  treuer  ist  aber  dabei  durch  Schreibfehler  und  leicht  erkennt- 
liche Conjecfeuren  von  Grammatikern  entstellt,  die  zweite  von  einem  kun- 
digen Gelehrten  durchcorrigiert  und,  wo  sein  Original  nicht  lesbar  war, 
selbständig  gestaltet;  die  dritte  aber  ex  archetypo  pravo  et  mendorum 
emendationumque  per  levitatem  factarum  pleno  manavit  und  zugleich  später 
propriis  monachorum  commentis  plus  in  dies  cepit  detrimenti  (Holder- 
Keller  IL  ^p.  XVIIf). 

7.  Einfluss  des  Horaz  auf  die  deutsche  Literatur;  s.  W.  Teuffei,  Cha- 
rakteristik d.  H.  (1842)  S.  50  ff.  H.  Fritzsche,  Horaz  und  sein  Einfluss  auf 
die  lyrische  Poesie  der  Deutschen,  in  Fleckeisens  Jahrb.  88,  S,  163—178. 
C.  L.  Cholevius,  Geschichte  der  deutschen  Poesie  nach  ihren  antiken  Ele- 
menten I  (Lpzg.  1854),  S.  335  f.  469  ff.  488  ff.  II  (1856).   S.  76  ff.  435  ff. 

8.  Gesammtausgaben  der  Werke  des  Horaz.  Reichhaltige  Auf- 
zählungen bei  J.  A.  Fabricius,  Bibliotheca  latina  I.  p.  405  ff.  Catalogus 
editionum  Horatii  ab  a.  1476  — 1739  quae  in  bibliotheca  Jac.  Douglas  as- 
servantur,  Lond.  1739.  4.  (J.  W.  Neuhaus,)  Bibliotheca  horatiana,  sive  syl- 
labus  editionum  Horatii,  interpretationum,  versionum  ab  a.  1470  ad  a.  1770, 
Lips.  1770.  1775.  Jani  I.  p.  XXII  — LXXUI.  Praef.  der  Zweibrücker  Aus- 
gabe. Mitscherlich  I.  p.  XLII— CLIV.  Preiss  I.  S.  240  —  385.  Schweiger, 
Handbuch  der  class.  Bibliographie,  Römer,  S.  386 — 464.  Wagner,  Grundriss 
der  class.  Bibliographie  (Breslau  1840),  S.  423  ff.  Kirchner  vor  seiner  Ausg. 
der  Satiren  (1854)  p.  XXXVI-LII. 

Die  Ed.  princ.  (fol.)  ist  s.  1.  et  a.,  stammt  aber  jedenfalls  aus  Italien 
und  den  Jahren  1470 — 73.  Die'  weiteren  Hauptausgaben  sind:  mit  Acros 
Commentar,  Mailand  1474.  2  Voll.  4.  Zugleich  mit  dem  des  Porphyrio, 
8.  1.  et  a.  (Patav.  1481).  Mit  Landins  Commentar,  Florenz  1482,  fol.;  dazu 
den  von  Mancinellus,  Venedig  1462,  fol.  und  oft.  Venet.  1519  (Aid.).  Paris 
1519.  fol.  Ge.  Fabricius,  Basel  1555.  fol.  Mit  Murets  Comm.,  Venet.  1565. 
fol.  (Paul.  Mannt.).  Lambins  Ausg.,  2  Voll.  Lugd.  1561.  4.  Paris.  1567. 
fol.  1579.  1587.  2  Voll.  fol.  und  öfters;  neu  abgedruckt  Confluent.  1829. 
2  Voll.  8.  Ex  castigatione  Th.  Pulmanni  u.  s.  w.  Antv.  1666.  12.  Ed.  H. 
Stephanus,  1577.  1588.  1600.  Ed.  J.  Cruquius,  zuerst  einzeln  (Od.  IV.  1666; 
Epod.  und  carm.  saec.  1567;  Satt.  1573),  dann  vereinigt  Antverp.  1679.  4. 
(vgl.  Mützell  in  seiner  Zeitschrift  1855,  S.  850—877);  darauf  (mit  J.  Dousa's 
Commentar)  1597  u.  1611.  4.  Ed.  Laev.  Torrentius,  Antv.  1608.  4.  Dan. 
Heinsius  (mit  Abh.  de  satira),  Lugd.  B.  1612  u.  ö.  Französ.  Uebers.,  krit. 
und  histor.  Anmerkungen  von  Dacier,  Paris  1^81.  10  Bde.  12.;  vierte  Ausg., 
Amstel.  1727.  Ed.  R.  Bentley,  Cantabrig.  1711.  4.  1713.  Amsterd.  1728.  4. 
Lips.  1764.  1826.  Berolin.  1869  f.  2  Voll.;  die  Anm.  ohne  den  Text  herausgeg. 
von  Sachse,  Quedlinb.  1825.  Ed.  Cuningara,  Hag.  Com.  1721.  Chronol. 
Ordnung,    französ.  Uebers.    und   Anmerkungen  von  N.  C.  Sanadon,    Paris 


488  AiigQsteiBche  Zeit.    J.  711—767  d.  St. 

1728.  4.  2  Voll.  Amst.  1756.  3  Voll.  W.  Baxter  und  Geener,  Lips.  1762. 
1772.  J.  Valart,  Paris  1770.  J.  Oberlin,  Argent.  1788.  4.  Zeune,  Lips. 
1788.  1802.  1815.  Wakefield,  Lond.  1794.  2  Voll.  J.  Baden,  Hafniae  1795. 
Wetzel,  Liegnitz  1799.  2  Voll.  J.  H.  M.  Ernesti,  Berlin  1800.  2  Voll.  Ha- 
berfeldt,  Vorlesungen  über  die  class.  Dichter  der  Römer,  4  Bde.,  Leipzig 
1800.  C.  Fea,  Rom  1811.  2  Voll.,  neu  herausgeg.  von  F.  H.  Bothe,  Hei- 
delberg 1821.  1827.  Döring,  Lips.  1803.  Vol.  I,  ed.  5,  cur.  Regel  1839;  Vol.  II, 
ed.  2.  1828;  ed.  minor,  Lips.  1830.  Pottier,  Paris  1823.  W.  Braunhard, 
Lips.  1831  —  1838.  4  Abth.  J.  C.  Orelli,  2  VolL  Zürich  1837  f.  1843.  1850 
—1852.  Zugleich  eine  editio  minor  (quinta,  1868).  Textausgaben  von  J. 
Chr.  Jahn,  Lips.  1824  und  sonst;  ed.  sexta,  cur.  Th.  Schmid,  Lips.  1855. 
C.  Zell,  Stuttg.  1828.  A.  Meineke,  Berlin  1834.  1854.  H.  Düntzer,  Kritik 
und  Erklärung  der  horazischen  Gedichte  (ohne  Text) ,  5  Bde.,  Braunschweig 
1840—1845;  mit  Text,  Braunschweig  1849;  erklärende  Schulausgabe,  Pa- 
derborn 1868  f.  W.  Dillenburger,  Bonn  1844.  1848.  1854.  1860.  1867.  C.  F. 
Süpfle,  Heidelberg  1846.  Recogn.  M.  Haupt,  Lips.  1851.  1861.  1871.  16.  Ed. 
G.  Stallbaum,  Lips.  1854.  Cum  novo  comm;  ad  modum  Bondii,  Paris 
1865.  16.  Rec,  codicum  selectorum  varias  scripturas  addidit  Fr.  Pauly, 
Lips.  1855.  Scholarum  in  usum  ed.  G.  Linker,  Wien  1856.  Ad  Codices 
saec.  IX  et  X  exact.  comm.  critico  et  exeget.  illustr.  ed.  Fr.  Ritter,  Lips. 
1856  f.  2  Voll.  In  ns.  scholarum  brevi  annot.  instr.  Fr.  Ritter,  Lips,  1857. 
Cura  W.  H.  Milman,  London  1868.  Recognovit  et  praefatus  est  L.  Müller, 
Lips.  Teubner  1869  (vgl.  Rhein.  Mus.  XXV.  S.  561  —  573).  Recensuerunt  0. 
Keller  et  A.  Holder,  Lips.  1864— J870,  2  Voll. 

9.  Allgemeine  Erklärungsschriften  zu  den  horazischen  Gedich- 
ten. Mitscherlich,  Racemationum  Venusinarum  fasc.  I  —IX,  Gotting.  1828 
—  1834.  4.  Eichstädt,  Paradoxa  horatiana,  12  Thle.,  Jena  1832  —  1843.  4. 
A.  Weichert.,  Lectiones  Venusinae,  Grimma  1843.  4.  L.  Döderlein,  Lectio- 
nes  hör..  Erlangen  1828.  1830.  4.;  Scherflein  zum  Verständniss  des  Horaz, 
Erlangen  1853.  4.  W.  Dillenburger,  Quaestiones  bor.  I.  Cöln  1838.  4; 
Horatiana  I.  Aachen  1841.  4,  II.  Emmerich  1845.  4.  J.  W.  Steiner,  Com- 
mentationes  Horatianae,  I.  Coblenz  1841.  4.  IL  Kreuznach  1847.  4.  H.  Pal- 
damuB,  Horatiana,  Greifswald  1847.  4.  Schröter,  Quaestiones  horatianae  I. 
Saarbrücken  1847.  4.  II.  1856.  4.  Werner,  Quaest.  bor.,  Breslau  1847. 
Chr.  Herbst,  Lectiones  Venusinae,  Danzig  1848.  4.  II.  1858.  4.  J.  Horkel, 
Analecta  horatiana,  Berol.  1852.  152  pp.  Brandt,  Quaestiones  horatianae,  I. 
Münster  1864.  Trompheller,  Beitrag  zur  Würdigung  der  horazischen  Dicht- 
weise L  Coburg  1856.  4.  IL  1858.  4.  III.  1862.  4.  IV.  1866.  4.  G.  Bippart, 
Beiträge  zur  Krit.  u.  Erkl.  d.  Horaz,  Prag  1864.  4.  E.  C.  Francke,  Scidae 
horatianae,  Weilburg  1865.  4.  A.  Kiessling,  Horatianische  Kleinigkeiten, 
Basel  1867.  4.  A.  Reifferscheid ,  Analecta  bor.  (0.  I^  4.  12),  Breslau  1870. 
10  pp.  4.  —  F.  S.  Feldbausch,  zur  Erklärung  des  Horaz;  Einleitungen  in 
die  einzelnen  Gedichte,  3  Bdchn,  Heidelberg  1861—1853. 

10.  J.  A.  Voigt,  über  den  Gebrauch  des  Adjectivs  bei  Horaz,  Halle 
1844.  4.  Fr.  W.  Dahleke,  de  usu  infinitivi  horatiano,  I.  Breslau  1854. 
Fr.  J.  Hester,  de  infinitivi  natura  et  apud  Hör.  usu,  Münster  1868.  G.  Ehe- 
ling,  de  casuum  usu  horatiano,  Wernigerode  1866.  4.  J.  Neuss,  quaest.  bor. 
grammaticae,    Münster  (Berlin)   1870.  49  pp.    A.  Rothmaler,   d^  Hör.  ver- 


285  f.   HoratioB  (Literatur).    Valgius.  489 

borum  inventore,  Berl.  1862.   C.  Zangemeister,  de  Hör.  verbis  eingularibos, 
Berlin  1862. 

11.  Treten  index  horatianus,  Antverp.  1576;  nach  Büchern  und  Versen 
abgetheilt  von  D.  Avermann;  Braunschweig  1668.  Daraus  des  J.  Yerbur- 
gius  Index  an  Ausgaben  von  Bentlej.  Vollständiger  Wortindex  auch  an 
Fr.  Ritter's  und  an  Holder-Keller's  Ausgabe. 

J.  H.  M.  Ernesti,  Clavis  horatiana,  3  Voll.  Berol.  1802  —  1804.  Lips. 
1823.  Brevior,  Halle  1818.  J.  G.  F.  Estr^,  Horatiana  prosopographia, 
Amsterdam  1846.  F.  S.  Feldbausch,  erklärendes  Register  der  Eigennamen 
bei  Horaz,  Heidelberg  1853  (Einleitungen,  drittes  Bdchn). 

12.  Ueber Setzungen  sämmtlicher  Gedichte  in's  Deutsche  von  Junck- 
heim,  Uz  und  Hirsch  (Ansbach  1797,  2  Thle),  J.  H.  Voss  (Heidelberg  1816. 
1820.  2  Bde),  Th.  Obbarius  (Berlin  1847.  1857.  16.),  J.  S.  Strodtmann  (Leip- 
zig 1852.  1855.  1860),  W.  Binder  (Stuttgart  1855),  F.  0.  v.  Nordenflycht 
(Berlin  1866),  K.  G.  Neumann  (2te  Aufl.  Trier  1868)  u.  A. 

13.  Abbildungen  zu  Horaz.  Horatii  emblemata  imaginibus  aere 
incisis  notisque  illustrata 'studio  Oth.  Vaenii,  Antverp.  1607.  4.  und  oft. 
Dreissig  Bilder  zu  Hör.  Werken,  gezeichnet  von  Frommel,  Karlsruhe  1829; 
nebst  Erklärung  von  Sickler).  Bilderhoraz  von  Milman,  London  (J.  Murray) 
1850.  Auch  die  Didot'sche  Ausgabe  ad  modum  Bondii  (Paris  1855.  16.). 
Hör.  opera  illustrated  from  antique  gems,  by  C.  W.  King.  The  text  revised 
with  an  introduction  by  H.  A.  J.  Munro,  London  1869.  484  pp. 

236.    Dem   Horatius   befreundet   war   C.   Valgius   Rufus,225 
Gos.  742,  Verfasser  von  Elegieen  und  Epigrammen,  eines  Werkes 
über  Kräuter,   einer  lateinischen  Bearbeitung   der  Rhetorik  des 
ApoUodoros  aus  Pergamon  und  von  grammatischen  Untersuchun- 
gen in  Briefform. 

1.  Fasti  cap.  ad  a.  742  =  12  v.  Chr.  (C.  L  lat.  L  p.  441):  .  .  Ruf. 
abdic.  in  e.  1.  f.  e.  etc.  Fasti  Colotiani  (ib.  p.  466):  suf.  C.  Valgius  C.  f. 
Fragm.  fast,  municip.  (ib.  p.  472,  IX).  Quirinio  et  Valgio  cos.  in  den  fasti 
praenestini  (ib.  p.  314.  317).  Mit  Quirinius  genannt  auch  bei  Orelli  3693. 
7041.  (Das  cognomen  Saturninus  gehört  dem  Nachfolger  des  Quirinius, 
L.  Volusius.)  .Porphyrie  zu  Hör.  0.  II,  9  (p.  188  H.):  Valgium  consularem, 
amicum  suum  (vgl.  v.  5),  consolatur  morte  delicati  pueri  graviter  adfectum. 
Vgl.  Hör.  Sat.  I,  10,  82.  Vielleicht  ist  er  auch  der  Pyrrhus  (nvQQog  =  rufus) 
von  Hör.  0.  lU,  20  (Bamberger).  TibuU.  IV,  1,  179  f.  anMessala:  est  tibi  qui 
possit  magnis  se  accingere  rebus  Valgius,  aeterno  propior  non  alter  Ho- 
mere, was  wenigstens  die  Erwartungen  ausdrückt  die  man  in  diesem  Kreise 
▼on  seiner  Bef&higung  zum  Epos  hegte;  vgl.  Hör.  0.  II,  9,  18  ff.  (wohl  aus 
J.  727).  Plin.  N.  JE.  XXV,  2 :  post  enm  (s.  oben  51,  1)  unus  illustrium  ten- 
tavit  C.  Valgius  eruditione  spectatus,  imperfecto  volumine  ad  divum  Au- 
gustum,  incohata  etiam  praefatione  religiosa,  ut  bmnibus  malis  humanis 
illius  potissimum  principis  semper  mederetur  maiestas.  Hienach  muss  das 
Werk  doch  yeröffentlicht  worden  sein.  Auch  wird  C.  Valgius  Ton  Plinius 
unter  seinen  Quellen  für  B.  XXI  angeführt.    Wahrscheinlichkeit  hat  daher 


490  Augusteische  Zeit.   J.  711—767  d.  St. 

die  Vermutiang  von  R.  Unger,  dass  bei  Quin tilian  X,  1,  56  zu  schreiben  sei: 
Nicandrum  frustra  secuti  Macer  (oben  219,  7)  atque  Valgius  (statt  Vergilius)? 

2.  Schol.  Veron.  zu  Verg.  Ecl.  7,  22  (p.  74,  10  ff.  Keil):  similiter  hunc 
Codrum  in  elegiis  Valgius  honorifice  appellat  et  quadam  in  ecloga  de  eo 
alt  u.  8.  w.  (s.  228,  1).  Servius  ib.:  Codrus  poeta  eiusdem  temporis  fuit, 
ut  Valgius  in  elegiis  suis  refert.  ad  Aen.  XI,  457:  Valgius  in  elegis.  Isidor. 
Orig.  XIX,  4,  8  (Valgius:  ein  Distichon).  Unger,  Valg.  p.  223  —  265.  In 
diesen  Gedichten  hatte  Valg.  wohl  auch  denMystes  (Hör.  0.  II,  9,  9  f.)  be- 
sungen und  beklagt.  Charis.  I,  p.  108,  7  K.;  Valgius  in  epigrammatis.  Unger 
p.  215—223.  Vgl.  L.  Müller,  Rhein.  Mus.  XXIV.  S.  635  (Hendekasy Ilabus). 
Unger  hält  den  Valgius  auch  für  den  Verfasser  der  pseudo  -  vergilischen 
Elegie  auf  Messala;  s.  oben  225,  5.  A.  2.  Philargyr.  zu  Georg.  III,  177 
(ut  Valgius  ait)  führt  zwei  Hexameter  von  ihm  an,  welche  Unger  p.  265  ff. 
angeblichen  Bucolica  des  Valgius  zutheilt. 

3.  Gell.  XII,  3,  1:  Valgius  Rufus,  in  secundo  librorum  quos  inscripsit 
de  rebus  per  epistulam  quaesitis,  lictorem  dicit  a  ligando  appellatum  esse. 
Charis.  I.  p.  108,  28  K.  (Valens  de  rebus  per  epistulam  quaesitis  8olitau> 
rilia  dicta  ait  esse  a  etc.).  135,  23  (Valgius  de  rebus  per  epist.  quaes.  für 
die  Form  lacor).  Daraus  wohl  auch  Charis.  I.  p.  102,  10  K.  (et  Valgius 
et  Verrius  et  Trogus  de  animalibus  lacte  dicunt)  und  143,  24  f.  (secunda 
ratio,  qua  Plinius  ait  Valgium  niti).  Unger,  Valg.  p.  163 — 198.  Diomed.  I. 
p.  387,  6  K. :  Valgius  de  translatione  (ait):  coraesa  (nicht  comesta)  patina. 
Vielleicht  ein  Theil  der  Bearbeitung  von  Apollodor's  Tix^ri.  Quintil.  III, 
1,  18  (oben  43, 10).  5,  17  (causam  finit  Apollodorus,  ut  interpretatione  Valgii, 
discipuli  eins,  utar,  ita).  V,  10,  4  (epichirema  Valgius  aggressionem  vocat). 
Auf  den  iambischen  Rhythmus  der  Citate  aus  Valgius'  Ars  bei  Quintil.  III, 
5,  17  macht  Ritschi  aufmerksam,  in  Reifferscheid's  Sueton  p.  529.  Vgl.  noch 
Unger  p.  145 — 162.  Unbestimmte  Anführungen  bei  Sen.  Ep.  51,  1  (Aetnam 
quare  dixerit  Messala  unicum,  sive  Valgius,  apud  utrumque  enim  legi).  De 
generib.  nom.  p.  91, 13  (Vallus:  perfusam  pelvem),  wo  Haupt:  fortasse  Valgius. 

4.  Weichert,  poetar.  lat.  vitae  etc.  p.'209 — 240.  R.  Unger,  de  C.  Valgii 
Rufi  poematis  commentatio,  Halle  1848  (510  nebst  XVHI  pp.!). 

226  237.  Andere  Freunde  des  Horaz  welche  sich  selbst  auch 
mit  Arbeiten  in  gebundener  Form  beschäftigten  waren  Aristius 
Fuscus,  Fundanius  und  Servius  Sulpicius,  sowie  von  Jüngeren 
Titius  und  lulus  Antonius. 

1.  Ueberschriften  von  Hör.  0.  I,  22:  ad  M.  Aristium  Fuscum.  Auch 
Hör.  Ep.  I,  10  ist  an  ihn  gerichtet  (Ueberschriften:  ad  Fuscum  Aristium 
grammaticum);  vgl.  Sat.  I,  9,  61  ff.  10,  83  =  91.  Porphyrio  zu  Ep.  I,  10 
(p.  425  H.):  ad  Aristium  Fuscum  scriptorem  comoediarum;  dagegen  in 
einem  Theile  der  lldss.  des  Acro  zu  Ep.  I,  10,  1  (p.  422  H.):  alloquitur 
Aristium  scriptorem  tragoediarum ,  so  dass  die  ganze  Angabe  zweifelhaft 
wird.  Noch  weniger  sicher  aber  ist  seine  Eigenschaft  als  Grammatiker, 
nachdem  das  varronische  Excerpt  bei  Eichenfeld  und  Endlicher  (Analecta 
grammatica,  p.  452  not.)  jetzt  richtiger  bezogen  ist;  s.  oben  196,  16. 

2.  Hör.  Sat.  I,  10,  48—50:  arguta  meretrice  potes  Davoque  Chremeta 


237  f.    Aristius  Fuscus  u.  A.    Doinitius  Marsus.  491 

eludente  senem  comis  garrire  libellos  unus  vivorum,  Fundani.  Hienach 
müssen  mindestens  im  Freundeskreise  Versuche  des  F.  auf  dem  Gebiete 
der  palliata  bekannt  gewesen  sein;  eine  Spur  derselben  findet  sich  aber 
nirgends.    Vgl.  noch  Hör.  S.  II,  8,  19. 

3.  Hör.  S.  I,  10,  86  =  94:  te  dicere  possum  (unter  den  docti  et  amici) 
.  .  Servi.  Wohl  identisch  mit  dem  Ser.  Sulpicius  welchen  Plinius  (Ep.  V, 
3,  6;  s.  oben  31,  1)  unter  den  Verfassern  erotischer  Gedichte  aufzählt; 
vgl.  Ovid.  Trist.  II,  441:  nee  sunt  minus  improba  Servi  carmina.  Der  Zeit 
nach  könnte  er  der  Sohn  des  Juristen  Ser.  Sulpicius  Rufus  (oben  171,  2  ff.), 
der  Gatte  von  Valeria  Messalarum  soror  (Hieron.  adv.  lovin.  I,  46  Vall.) 
und  der  Vater  der  tibuUischen  Sulpicia  (unten  240,  3)  sein.  Vgl.  Hermes 
V.  p.  33  f. 

4.  Hör.  Ep.  I,  3,  9  ff .  (J.  734  d.  St.):  quid  Titius,  romana  brevi 
venturus  in  ora?  Findarici  fontis  qui  non  expalluit  haustus,  fastidire  lacus 
et  rivos  ausus  apertos?  .  .  fidibusne  latinis  Thebanos  aptare  modos  studet 
auspice  Musa  an  tragica  desaevit  et  ampuUatur  in  arte?  Ob  irgend  etwas 
dieser  Art  fertig  wurde  ist  unbekannt.  Vielleicht  ist  er  der  Sohn  des  M. 
Titius,  COS.  suff.  723  (A.  Haakh  in  Pauly's  Real-Enc.  VI,  2.  S.  2011  f.  Nr.  20). 
Jedenfalls  gehört  er  zu  des  Horaz  jüngeren  Freunden.  Vgl.  F.  Jacobs, 
Vermischte  Schriften  V.  S.  344  —  356.  W.  Teuffei  in  seiner  üebersetzung 
der  Briefe  des  Horaz  (Stuttg.  1859)  S.  208. 

5.  Auch  von  Celsus  Albinovanus  (Hör.  Ep.  I,  8,  1),  dem  comes  und 
scriba  des  (Tiberius)  Nero  (ib.  2)  ums  J.  734  d.  St.,  welcher  (ib.  I,  3,  16  ff.) 
vor  unselbständiger  Ausbeutung  fremder  Arbeiten  gewarnt  wird,  ist  unbe- 
kannt ob  er  mit  seinen  Gedichten  jemals  hervorgetreten  ist.  Er  ist  wohl 
der  Celsus  dessen  Tod  von  Ovid  ex  Pont.  I,  9  beklagt  wird  Vgl.  ib.  37 
— 40  zu  Fabius  Maximus:  multos  habeas  cum  dignus  amicos,  non  fuit  e 
multis  quolibet  ille  minor;  si  modo  nee  census  nee. darum  nomen  avorum, 
sed  probitas  magnos  ingeniumque  facit. 

6.  lulus  Antonius  (unrichtig  vertheidigt  Mommsen,  Rom.  Forschungen 
I.  S.  35,  A.  54,  die  für  diese  Zeit  unerhörte  Vomamensform  lulius,  welche 
bei  Horaz  0.  IV,  2,  2  vgl.  26  einen  prosodischen  Schnitzer  ergäbe),  trium- 
viri  (M.  Antonius)  filius  (Suet.  gramm.  18),  geb.  um  710,  Cos.  744,  f  752  d.  St. 
Vgl.  W.  Teuffei  in  Pauly's  Real-Enc.  I,  1.  S.  1181,  c.  Nach  Acre  zu  Hör.  0. 
rV,  2,  33  heroico  metro  JiofiTjds^ag  XII  libros  scripsit  egregios,  praeterea  et 
prosa  aliqua. 

238.   Niemals  von  Horaz  genannt  wird  sein  jüngerer  Zeit- 227 

genösse    Domitius    Marsus    (J.    700 — 750?),    der   Vorgänger 

des  Martialis  auf  dem  Gebiete  des  spitzigen  Epigramm',  zugleich 

Verfasser  erotischer  Elegieen  (Melaenis)   und  eines  Epos  (Ama- 

zonis),   sowie   von   fabellae   und   einem   rhetorischen  Werke   de 

urbanitate. 

1.  Marsus  genoss  noch  den  Unterricht  des  Orbilius  (oben  197,  3),  ob- 
wohl schwerlich  gleichzeitig  mit  Horaz.  Er  lebte  noch  nach  735  (dem 
Todesjahr  des  Vergil  und  Tibull),  war  aber  zur  Zeit  von  Ovids  Verbannung 
(J.  762)  längst  todt;  s.  Ovid.  Pont.  IV,  16,  3  ff.:  famaque  post  cineres  maior 


492  Augusteische  Zeit.   J.  711—767  d.  St. 

venit;  et  mihi  nomen  tunc  quoque  cum  vivis  adnumerarer  (vor  meiner  Ver- 
bannung) erat;  cum  foret  et  Marsus  magnique  Rabirius  oris  etc.  Beziehung 
zu  August  oder  dessen  nächster  Umgebung,  bes.  Maecenas;  s.  Martial.  YIII, 
56,  21  (vgl.  oben  219,  3):  quid  Yarios  Marsosque  loquar  ditataque  vatum 
nomina?  ib.  VII,  29,  7  f.  (A.  2).  Das«  ihn  Horaz  trotzdem  nicht  nennt 
kann  seinen  Grund  darin  haben  dass  der  selbstbewusste  und  reizbare  Sa- 
tiriker durch  die  Schärfe  des  Epigrammatikers  sich  verletzt  fühlte.  Mit 
Biedermännern  wie  Vergil  und  TibuU  war  leichter  auszukommen ;  Epigramm 
des  Marsus  auf  des  Letzteren  Tod  in  Tibullhandschriften  (vielleicht  aus 
Sueton  de  poetis);  s.  240,  1. 

2.  Von  Martialis  oft  als  Vorgänger  genannt;  so  Vorwort  zu  I  in  Bezug 
auf  die  lasciva  verborum  veritas:  sie  scribit  CatuUus,  sie  Marsus,  sie  Pedo,' 
sie  Öaetulicus  etc.  V,  5,  5  f. :  sit  locus  et  nostris  aliqua  tibi  parte  libellis, 
qua  Pedo,  qua  Marsus,  quaque  Catullus  erit.  VII,  99,  7 :  nee  Marso  nimium 
minor  est  doctoque  CatuUo.  VIII,  56,  24:  Vergilius  non  ero,  Marsus  ero. 
II,  71,  3  f.  77,  5  f.  (Marsi  doctique  Pedonis  saepe  duplex  unum  pagina 
tractat  opus).  VII,  29,  7  f.:  et  Maecenati  Maro  cum  cantaret  Alexin  nota 
tamen  Marsi  fiisca  Melaenis  erat.  Die  Sammlung  der  Epigramme  scheint 
Cicuta  (Bergk:  Scutica)  betitelt  gewesen  zu  sein.  Daraus  bei  Philargyr.  zu 
Verg.  Ecl.  3,  90  eines  aut  Bavius  (oben  228,  2)  und  seinen  Bruder,  neuerdings 
ergänzt  aus  einer  Pariser  Hds.;  s.  H.  Sauppe,  Berichte  der  sächs.  6.  d.  W. 
1852,  S.  135—140,  und  die  Verhandlungen  im  Philologus  XÜI.  S.222f.  XIV. 
S.  217.  XIX.  S.  150;  Rhein.  Mus.  XV.  S.  132.  152  flF.  XVIII.  S.  476  f.  633  f. 
Fleckeisen's  Jahrbb.  99,  S.  268.  Daraus  wohl  auch  die  Hexameter  auf  Or- 
bilius  (Suet.  gramm.  9)  und  Caecilius  Epirota  (ib.  16),  der  (unvollständige) 
bei  Priscian.  V,  41.  p.  168,  16  f.  Htz.,  sowie  das  Hemistich  bei  Diomed.  I. 
p.  304  P.  =  319,  13  K.  R.  Unger,  Epistola  de  D.  Mi.  Cicuta,  Friedland 
1861.  8  pp.  4. 

3.  Martial.  IV,  29,  7  f.:  saepius  in  libro  numeratur  Persius  uno  quam 
levis  (wegen  seiner  Erotika?)  in  tota  Marsus  Amazonide  (Welcker,  ep.  Cy- 
clus  I.  S.  319).  Charis.  I.  p.  65  P.  =  72,  4  f.  K.:  Marsus  fabellarum  Vnil. 
(Hexameter).  Quintil.  VI,  3,  102:  Domitius  Marsus,  qui  de  urbanitate  dili- 
gentissime  scripsit.  Daraus  die  Definitionen  der  urbanitas  tmd  des  urbanus 
ib.  104  f.  mit  Anklängen  an  daktylischen  Rhythmus.  Vgl.  ib.  108  (Marsi, 
hominis  eruditissimi)  und  111  (dictum  Pompeii,  quod  refert  Marsus,  in  Ci- 
ceronem).  Daher  könnte  er  gemeint  sein  auch  ib.  IH,  1,  18:  ceteras  missa 
ad  Dbmitium  epistola  non  agnoscit  (Apollodorus).  Vgl.  oben  236 ,  3.  Den 
Marsus  poeta  nennt  Plin.  N.  H.  als  Quelle  zu  B.  XXXIV  (aeris  metalla). 

4.  üeber  Marsus  s.  Weichert,  poetarum  latinorum  vitae  etc.  p.  241 — 264, 
und  die  Ueberreste  ib.  p.  264— -269. 

228  239.  Zu  den  Dichtern  dieser  Zeit  gehören  femer  Pupius, 
der  Verfasser  von  rührenden  Tragödien,  und  Mäcen's  Freigelas- 
sener C.  Melissus,  Verfasser  eines  W^erkes  von  scherzhaftem 
Inhalte  und  Urheber  der  trabeata.  Auch  der  Lynceus  des  Pro- 
pertius  scheint  Gedichte  veröffentlicht  zu  haben. 


289  f.   Pupius,  MelisBUB  u.  A.    Tibnllus.  493 

1.  Hör.  Ep.  I,  1,  67:  ut  propius  apectes  lacrimosa  poemata  Pupi. 
Dazu  Acro  (p.  364  H.):  tragoedi  vel  tragoediographi.  Pupiua  tragoedio- 
graplius  ita  adfectus  apectantium  movit  ut  eos  flere  compelleret,  unde  di- 
stichon  fecit:  flebunt  amici  et  bene  noti  mortem  meam;  nam  populus  in 
me  tIvo  lacrimavit  satia.  Vielmehr  werden  dieae  Senare  ein  über  ihn  ge- 
machter und  ihm  in  den  Mund  gelegter  Witz  aein. 

2.  Sueton.  gramm.  21  (p.  115  f.  Rffach.):  G.  Meliaaus  Spoleti  natua 
ingenuua,  aed  ob  diaoordiam  parentum  expoaitua,  cura  et  industria  educa- 
toria  aui  altiora  atudia  percepit  ac  Maecenati  pro  grammatico  muneri  da- 
tua  est  cui  cum  ae  gratum  et  acceptum  in  modum  amici  videret,  quam- 
quam  aaaerente  matre,  permanait  tamen  in  atatu  aerritutia,  .  .  quare  cito 
manumiaaua  et  Auguato  inainuatus  eat,  quo  delegante  curam  ordinandarum 
bybliothecaruin  in  Octaviae  porticu  auacepit.  atque,  ut  ipae  tradit,  aeza- 
geaimum  aetatia  annum  agena  libelloa  Ineptiarum,  qui  nunc  locorum  inacri- 
buntur,  componere  inatituit,  abaolvitque  GL,  quibua  et  alioa  diverai  operia 
poatea  addidit.  fecit  et  novum  genua  togatarum  inacripaitque  trabeataa 
(oben  17,  1).  Seine  achrifbatelleriache  Thätigkeit  wird  alao  in  die  apäteren 
Zeiten  Auguata  fallen.  Hieron.  chron.  ad  a.  Abr.  2018  =»  Aug.  40  =»  761 
d.  St.:  Meliaaua  Spolitinua  grammaticua  agnoaciiur.  Ovid.  ex  Pont.  IV,  16, 
30:  tua  cum  aocco  Muaa,  Meliaae,  levia.  Panegyr.  in  Pia.  227  f.:  Maecenaa 
apta  togatia  eruit  et  populia  oatendit  acumina  6ai  (nach  Lachmann'a  Emen- 
dation).  Plin.  N.  H.  XXYIII,  6,  17:  triennio  Maecenatem  Meliaaum  accepi- 
muB  ailentium  aibi  imperaviaae.  Er  (mit  aeinen  Ineptiae)  iat  wohl  auch 
der  von  Pliniua  zu  Buch  VII,  IX,  X,  XI,  XXXV  ala  Quelle  genannte  Me- 
liaaua. Eben  daher  mag  die  Nachricht  über  Vergil  in  Donata  Tita  Verg. 
16  (27)  aein.  Dagegen  die  Angaben  'bei  Serv.  Aen.  IV,  146  (hoa  Meliaaua 
ab  Homero  Achabaa  appellari  ait) ;  VII,  66  (Meliaaua,  qui  de  apibua  acripait, 
ait)  und  dem  Anonym,  de  gener.  nom.,  No.  61,  werden  eher  auf  den  Gram- 
matiker Aeliua  Meliaaua  (a.  d.)  in  der  Zeit  dea  Gelliua  zurückzuführen  aein. 

3.  Der  Lynceua  gegen  welchen  Propertiua  (11,  34  =»  III,  32)  aich 
eiferaüchtig  anatellt  iat  ein  Freund*  deaaelben  (v.  1  ff.),  alao  wohl  gleich- 
falla  auB  dem  Kreise  dea  Measala,  aber  älter  als  Prop.  (v.  25  f.);  auch  hat 
er  Interease  für  Philosophie  (v.  27  f.  51  ff.)  und  erinnert  durch  dieae  Züge 
stark  an  den  Verfasser  der  Girls  (oben  225,  2,  A.  1).  Er  hat  bisher  pathe- 
tische Stoffe  behandelt  (ein  Epos  Thebais,  achlieaBt  aua  v.  45  0.  Haube,  de 
carm.  ep.  p.  29 — 32),  wird  jedoch  von  Prop.  aufgefordert  aich  lieber  der 
alexandriniachen  Liebeselegie  zuzuwenden  (v.  31  f.  41  f.).  Sein  wirklicher 
Name  iat  nicht  bekannt;    vielleicht   daaa   Lynceua   auf  Lucius   hindeutet. 

240.  unter  den  Elegikern  der  augusteischen  Zeit  ist  Albius229 
Tibullus  (um  700 — 735  d.  St.)  den  Alexandrinern  zwar  gefolgt 
in  der  fast  ausschliesslichen  Wahl  erotischer  Gegenstände,  hat 
aber  dabei  bald  die  Gelehrsamkeit  abgestreift  und  zur  Grund- 
lage seiner  Gedichte  wahres  und  warmes  Gefühl  gemacht.  Bei 
aller  Natürlichkeit  aber  und  aller  Einfachheit  der  Sprache  weiss 
Tibull  doch  sowohl  die  einzelne  Stimmung  farbenreich  zu  schildern 


404  Augusteische  Zeit.    J.  711—767  d.  St. 

als  das  Auf-  und  Abwogen  der  Empfindungen  mit  vollendeter 
Kunst  darzustellen.  Tibulls  Schwärmerei  für  den  stillen  Frieden 
des  Landlebens,  seine  tiefe  Sehnsucht  nach  treuer  Liebe  verleiht 
seinen  Gedichten  einen  Hauch  sanfter  Schwermut.  Die  voll- 
endetsten unter  diesen  sind  die  an  Delia.  Bei  anderen  ist  es 
sichtbar  dass  der  Dichter  vom  Tode  überrascht  wurde  ehe  er 
sie  ausgefeilt  hatte.  Der  erste  Herausgeber  hat  der  Sammlung 
auch  noch  andere  elegische  Gedichte  beigefügt  welche  in  dem 
Kreise  des  Messala  entstanden  waren,  wie  die  der  Sulpicia  und 
(als  drittes  Buch)  die  eines  Lygdamus. 

1.  Vorname  unbekannt,  vielleicht  A.  —  Domitius  Marsus  (s.  238,  1):  te 
quoque  Vergilio  comitem  non  aequa,  Tibulle,  mors  iuvenem  campos  misit 
ad  elysioB.  Er  starb  also  noch  736,  und  zwar  als  iuvenis.  Ovid.  Trist. 
IV,  10,  51  fF.:  Verpfilium  vidi  tantum,  nee  amara  TibuUo  tempus  amicitiae 
fata  dedere  meae.  successor  fait  hie  tibi,  Galle  u.  s.  w.  (oben  32,  1).  ib.  II, 
463  f. :  legiturque  Tibullus  et  placet  et  iam  te  (August)  principe  notus  erat. 
Vita:  Albius  Tibullus,  eques  rom.,  insig^is  forma  (Hör.  Ep.  I,  4,  6)  .  . 
ante  alios  Corvinum  Messalam  oratorem  (oben  218,  8  ff.)  dilezit,  cuius  et 
contubemalis  aquitanico  hello  (J.  726  f.)  militaribus  donis  donatus  est. 
hie  multorum  iudicio  principem  inter  elegiogpraphos  obtinet  locum  (vgl. 
Quintilian.  oben  32,  1).  epistolae  quoque  eins  amatoriae,  qnamquam  bre- 
ves  (die  von  B.  IV?),  omnino  utiles  sunt.  Missverständliche  Ausweitung 
des  Letzteren  in  einer  andern  vita,  angeblich  von  Hieron jmus:  epistolas 
familiäres  ad  amicos  complures  et  delectabiles  metro  et  prosa  dedit.  ur- 
sprünglich begütert  (EL  I,  1,  41  f.  vgl.  IV,  1,  183  ff.),  scheint  auch  er 
durch  die  Ackervertheilungen  des  J.  713  geschädigt  worden  zu  sein;  doch 
kam  er,  vielleicht  durch  die  Verwendung  von  Messala,  wieder  in  behagliche 
Verhältnisse  (Hör.  Ep.  I,  4,  7.  11.  vgl.  Tib.  I,  1,  49  ff.  77  f.).  Als  Messala 
in  einer  Sendung  nach  Asien  abgieng  lehnt  TibuU  zuerst  die  Begleitung 
ab  (El.  I,  1),  reist  ihm  aber  dann  doch  nach  (I,  3,  9  ff.),  bleibt  jedoch 
erkrankt  auf  Corcyra  zurück  (I,  3,  3  ff.).  An  Tibull  gerichtet  sind  von 
Horaz  0.  I,  33  und  Ep.  I,  4;  ein  Gedicht  auf  seinen  Tod  ist  Ovid  Amor. 
III,  9.  —  H.  A.  W.  Spohn,  de  TibuUi  vita  et  carminibus  disputatio  (Partis 
I.  c.  1  —  4),  Lips.  1819.  103  pp.  N.  Oestling,  de  Albii  TibuUi  vita  et  car- 
minibus quaestiones,  Upsala  1860.  21  pp. 

2.  Ovid.  Amor.  III,  9,  31  f.:  sie  Nemesis  longum,  sie  Delia  nomen 
habebunt,  altera  (Nemesis,  s.  v.  57  f.)  cura  recens,  altera  primus  amor. 
Martial.  VIII,  73,  7:  fama  est  arguti  Nemesis  formosa  TibuUi.  XIV,  193,  1: 
ussit  amatorem  Nemesis  lasciva  TibuUum.  Apulej.  apol.  10:  accusent  .  . 
TibuUum  quod  ei  sit  Flania  in  animo,  Delia  in  versu.  Wohl  als  Ueber- 
setzung  (planus  =  8i\Xoi)  gewählt.  Eine  dritte  Geliebte  des  Tibull  ist  die 
bei  Horaz  (0.  I,  33,  2  ff.)  genannte  Glycera.  Ueberreste  von  den  misera- 
biles  elegi  auf  sie  sind  wahrscheinlich  Tibull  IV,  13  f.  Vgl.  W.  Teuffei, 
Studien  und  Charakt.  (1871).  S.  347—352.  Spohn  1.  1.  p.  32  ff.  H.  A.  Dieterich, 
de  Tibulü  amoribus,  sive  de  Delia  et  Nemesi,  Marburg  1844.    0.  Richter, 


240.    Tibullns.  495 

Delia;  ein  Beitrag  zur  Lebensgeschichte  TibuUs,  Rhein.  Mus.  XXV.  S.  618 — 
527.     Anonyme  Epigramme  auf  (diese?)  Delia  in  der  Anthol.  lat.  451  f.  R. 

3.  Unter  den  Gedichten  des  Tiboll  ist  das  früheste  der  Panegyrikus 
auf  Messala  (IV,  1),  211  Hexameter  aus  J.  723  d.  St.  Dieses  Epos  vertritt 
uns  des  Dichters  alexandrinische  Durchgangsperiode.  Es  zeugt  von  Talent, 
aber  noch  ungeläutertem  Geschmack,  und  verräth  in  Inhalt  und  Behand- 
lung vielfach  die  Mass-  und  Tactlosigkeit  eines  frisch  von  der  Rhetorschule 
herkommenden  jungen  Mannes,  was  Manche  bestimmt  hat  das  Gedicht  dem 
TibuU  abzusprechen;  s.  W.  Teuffei,  Studien  S.  352—355.  Noch  wesentlich 
von  gleicher  Art-,  obwohl  etwas  besser,  ist  das  Gedicht  auf  den  Triumph 
des  Messala  (J.  727),  El.  I,  7.  Auch  die  Elegieen  auf  Marathus  (I,  4.  9.  8) 
sowie  I,  10  zeigen  noch  Missgriffe  und  Mängel  (namentlich  I,  4  dieselben 
entlegenen  mythologischen  Anspielungen  und  dieselbe  rhetorische  Manier 
wie  IV,  1  und  I,  7),  neben  entschiedenen  Fortschritten  in  künstlerischer 
Gestaltung  des  Stoffes  (W.  Teuffei,  Studien,  S.  355  —  360).  Dagegen  die 
höchste  Stufe  der  dichterischen  Entwicklung  des  Tibull,  seine  Meisterjahre, 
stellen  die  Elegieen  auf  Delia  (T,  1.  3.  5.  2.  6)  dar  (etwa  J.  730  ff.).  Sie 
bilden  einen  Cyclus  der  ein  ganzes  Stück  Lebensgeschichte,  einen  vollstän- 
digen Roman,  enthält.  Vgl.  W.  Teuffei,  Studien  S.  360  —  365.  Auf  der- 
selben Höhe  halten  sich  auch  noch  die  Elegieen  welche  die  Liebe  zwischen 
Sulpicia  (vgL  oben  237,  3)  und  Cerinthus  behandeln  (IV,  2  —  7,  nebst  II,  2, 
wo  der  fingierte  Name  durch  den  wirklichen,  Cornutus,  ersetzt  ist),  Varia- 
tionen über  das  Thema  welches  die  eigenen  kleinen  poetischen  Briefe  der 
Sulpicia  (IV,  8  —  12)  angestimmt  hatten  (W.  Teuffei,  Studien  S.  305  —  369), 
sowie  IV,  13  und  14  ^ebd.  S.  369  f.).  Dagegen  fehlt  die  letzte  Feile  den 
Elegieen  des  zweiten  Buchs,  welche  das  Verhältniss  von  Tibull  zu  Nemesis 
zum  Gegenstande  haben  (ebd.  S.  370 — 372).  Im  Allgemeinen  s.  0.  F.  Gruppe, 
die  römische  Elegie;  kritische  Untersuchungen  mit  eingeflochtenen  Ueber- 
setzungen,  Leipzig  1838,  nebst  W.  Hertzberg,  Hallische  Jahrbücher  1839. 
I.  S.  1009 — 1031.  Franz  Passow,  de  ordine  temporum  quo  primi  libri 
elegias  scripsit  Tibullus,  Breslau  1831  ==  Opusc.  acad.  (Lips.  1835)  p.  280  ff. 
Kindscher,  Chronologie  der  Gedichte  Tibulls,  Berl.  Ztschr.  f.  Gymn.  XIII. 
S.  289—301.  Petersen,  de  quarti  libri  Tib.  elegiis  earumque  auctore,  Glück- 
stadt 1849.  4.  A.  Zingerle,  Bemerkungen  zu  den  Sulpicia-Elegieen  des  T., 
kleine  philol.  Abhandl.  I  (Innsbruck  1871)  S.  22  —  30. 

4.  Von  den  im  dritten  Buche  vereinigten  sechs  Elegieen  behandeln 
fünf  das  Verhältniss  zwischen  Lygdamus  und  Neära,  die  sechste  (UI,  5) 
ist  ein  Brief  an  Freunde.  Der  Verfasser  ist  ein  jüngerer,  im  J.  711  d.  St. 
geborener  (III,  5,  17  f.)  Zeitgenosse  und  Nachahmer  des  Tibull,  aber  ohne 
seinen  Geist,  überhaupt  von  sehr  massigem  Talent,  und  in  jeder  Hinsicht 
von  Tibull  wesentlich  verschieden  (W.  Teuffei,  Studien  S.  372—378).  Ebenso 
wenig  kann  Ovid  der  Verfasser  sein  (ebd.  S.  378—381).  Auch  ob  Lygdamus 
der  wirkliche  oder  ein  angenommener  Name  ist  lässt  sich  nicht  ermitteln. 
Bei  Propert.  IV,  5  (6)  und  V,  7,  35r  8,  37.  70  ff.  ist  Lygdamus  ein  Sklaven- 
name. Jedenfalls  aber  gehörte  der  Verfasser  gleichfalls  zum  Kreise  des 
Messala  (Fr.  Haase  hielt  sogar  dessen  Sohn,  den  Valerius  Messalinus,  für 
den  Verfasser) ,  daher  seine  Elegieen  der  Sammlung  der  tibullischen  einvcr- 


498  Augusteißche  Zeit.   J.  711—767  d.  St. 

W.  Wiaaer  (qtiaest.  tibull.,  Leipzig  1869.  34  pp.),  C.  Prien  (in  Fleckeiaen's 
Jahrbb.  101,  S.  689—709). 

10.  Metrische  Uebersetzungen  von  J.  F.  Degen  (Ansbach  1781),  Graf 
Reinhardt  (Zürich  1783),  F.  K.  v.  Strombeck  (Götti.  1789.  1826),  J.  F.  KorefF 
(Paris  1810),  J.  H.  Voss  (Tübi.  1810),  E.  Günther  (Leipzig  1825),  F.  W.  Richter 
(Magdeburg  1831),  E.  F.  Leopold  (Buch  I,  Budissin  1852.  4.),  W.  S.  Teuffei 
(Stuttgart,  Metzler  1853;  zum  Theil  wiederholt  in  den  römischen  Elegikern, 
ebds.  1855,  Class.  d.  Alt,  S.  73  —  134),  Fr.  Frölich  (in  lamben,  Hamburg 
1860),  W.  Binder  (Stuttgart,  Hoffmann  1862),  A.  Eberz  (Frankfurt  1865; 
vgl.  J.  Schlüter  in  der  Berl.  Ztschr.  f.  Gymn.  1867,  S.  877). 

230  241.  Sextufi  Propertius  (ungeföhr  J.  705 — 739d.  St.)  war 
gebürtig  aus  ümbrien,  aber  in  Rom  gebildet  und,  nachdem  er 
sich  durch  sein  Buch  Cynthia  bekannt  gemacht,  in  den  Kreis 
des  Maecenas  aufgenommen.  Seine  späteren  Gredichte  sind  in 
B.  II  bis  V  enthalten.  4^uch  Propertius  ist  ausschliesslich  Ele- 
giker  und  Dichter  der  Liebe,  wie  TibuUus,  aber  mehr  in  der 
Weise  der  alexandrinischen  Vorgänger,  voll  mythologischer  Ge- 
lehrsamkeit und  häufig  dunkel;  indessen  an  Leben,  sinnlicher 
Frische  und  Leidenschaftlichkeit  hat  er  seine  Vorbilder  weit  über- 
troflfen.  So  heiss  er  fühlt,  so  ist  doch  noch  kräftiger  die  Re- 
flexion womit  er  sich  über  seine  Gefühle  stellt  und  die  Kunst 
womit  er  sie  in  Gedichten  verkörpert.  Auch  Sprache  und  Versbau 
ist  markig,  die  Gedankenfolge  aber  oft  abspringend.  In  seinen 
letzten  Lebensjahren  kam  Propertius  auf  einen  Plan  seiner  Ju- 
gend zurück,  einheimische  Gegenstände  in  der  Form  der  Elegie 
zu  behandeln,  etwa  in  der  Art  von  Ovid's  Fasti. 

1.  Der  Vorname  aus  Donat.  vita  Vergil.  30  (45).  Interpolierte  Hdss. 
und  Ausgaben  des  Dichters  geben  ihm  (durch  Verwechslung  mit  Prudentius) 
falschlich  noch  einen  zweiten  Gentilnamen,  Aurelius,  der  von  dort  in  eine 
unechte  Inschrift  ans  Ameria  (L.  Aurelio  Propertio  L.  f.)  übergegangen  ist; 
M.  Haupt,  Berichte  der  sächs.  Ges.  d.  Wiss.  1849,  S.  260  —  266,  vgl.  Th. 
Mommsen,  ebds.  S.  266  —  268.  276.  Der  Dichter  nennt  sich  selbst  nur  Pro- 
pertius, z.  B.  II,  8,  17.  Heimat  Urabrien  (s.  I,  22,  9  f.  V,  1,  64.  121  fF.), 
und  zwar  wahrscheinlich  die  Stadt  Asisium  (V,  1,  125  f.  C.  Lachmann, 
Zeitschr.  f.  gesch.  Rechtswiss.  XI.  1842.  S.  117),  wo  Propertii  auf  Inschriften 
gefunden  worden  sind  (M.  Haupt  a.  a.  0.  S.  261 — 263).  Geburtsjahr  unbe- 
kannt und  nur  durch  Schlüsse  unge^r  zu  ermitteln.  Prop.  ist  jedenfalls 
junger  als  TibuU  und  älter  als  Ovid;  s.  Trist.  IV,  10,  53  f.  (oben  32,  1) 
und  II,  465  ff.:  invenies  eadem  (wie  bei  Tibull)  blandi  praecepta  Properti. 
.  .  bis  ego  successi.  Er  muss  also  zwischen  700  und  710  geboren  sein. 
Andererseits  führt  keine  Zeitanspielung  über  das  J.  738  d.  St.  hinaus  (V,  6 
zu  den  quinquennales  und  V,  11,  65  f.  auf  den  Cos.  Cornelius  d.  J.).  Freilich 
sind  deren  überhaupt  nicht  viele.     So  II,  7,  1  ff .  die  Aufhebung  der  lex 


240  f.    TibuUua.    Propertiua.  499 

Tulia  vom  J.  726  gegen  Ehe-  und  Kinderlosigkeit,  und  die  oftmaligen  Hin- 
deutungen auf  angeblich  beabsichtigte  Kriegszüge  Octavians  gegen  die 
Parther  und  den  Osten  (III,  1,  13  ff.  IV,  8  und  sonst);  die  Rückgabe  der 
römischen  Feldzeichen  durch  die  Parther  (J.  734;  s.  V,  6,  80).  Weiterhin 
weist  die  Bezeichnung  Octavians  als  Augustus  (UI,  1,  16.  IV,  10,  50.  V, 
6,  29.  38.  81)  auf  Abfassung  nach  dem  Januar  727;  modo  Gallus  mortuus 
(III,  32,  91  f.)  nach  J.  728  (vgl.  oben  227,  2).  Auf  Kränklichkeit  des  Dichters 
(und  frühen  Tod)  deutet  die  überaus  häufige  Beschäftigung  mit  dem  Sterben 
(z.  B.  I,  9.  II,  1,  71  ff.  8, 17 ff.  III,  6,  Iff.  7,  64.  19,  19 ff.  IV,  15,  21  ff.  21,  33  f.). 
Nur  Unsicheres  ist  zu  gewinnen  aus  den  Angaben  des  Dichters  über  die 
Geschichte  seiner  amores.  Hienach  war  seine  erste  Bekanntschaft  nach  An- 
legung der  toga  virilis  (15 — 16.  Lebensjahr)  Lycinna;  s.  IV,  14  (15),  3  —  6. 
Die  Dauer  dieses  Verhältnisses  ist  unbekannt;  Lachmann  gibt  ihm  ein, 
W.  Hertzberg  (Prop.  I.  p.  17  not.)  zwei  Jahre.  Darauf  das  zu  Gynthia. 
Dieses  dauerte  schon  2—3  Jahre  als  IV,  14  (15)  verfasst  wurde  (s.  ib.  v.  7); 
fünf  Jahre  zur  Zeit  des  (endgültigen?)  Abbruchs  in  IV,  25,  3;  vgl.  multos 
annos  II,  8,  13.  Dabei  fragt  sich  noch  ob  das  Jahr  des  SchmoUens  von 
IV,  15  (16),  9  eingerechnet  ist  oder  nicht.  Fest  steht  nur  dass  Gynthia 
älter  war  als  Properz  (III,  10,  19  f.;  vgl.  oben  211,  3)  und  vor  diesem  starb 
(V,  7,  Iff.).  Apulej.  apol.  10:  accusent  .  .  Propertium,  qui  Gynthiam  dicat, 
Hostiam  dissimulet.  VgL  oben  129,  1  E.  Im  Allgemeinen  Martial.  VIII,  73,5: 
Gynthia  te  vatem  fecit,  lascive  Properti.  XIV,  189  mit  der  Ueberschrift 
Monobiblos  Properti:  Gynthia  facundi  carmen  iuvenale  Properti  accepit 
famam  nee  minus  ipsa  dedit.    Juv.  VI,  7.     Vgl.  Prop.  III,  20,  3.  32,  93. 

2.  Früher  Verlust  des  Vaters  und  Beschädigung  durch  die  Ackerver- 
theilungen  von  J.  713;  s.  V,  1,  127  ff.  vgl.  HI,  32,  65.  Früher  Beginn  mit 
Gedichten  in  der  Weise  des  Kallimachos,  aber  mit  römischem  Stoffe,  s.  V, 
1,  133  f.  vgl.  59  ff.  Verhältniss  zu  Ovid,  Trist.  IV,  10,  45  f.:  saepe  suos 
Bolitus  recitare  Propertius  ignes,  iure  sodalicio  qui  mihi  notus  erat  Befreun- 
det mit  dem  jungen  (Volcatius)  Tullus,  dem  Neffen  des  Cos.  721;  s.  I,  1, 
9.  6,  2.  14,  20.  22,  1.  IV,  22.  Die  Einführung  bei  Maecenas  scheint  erst 
nach  Veröffentlichung  des  ersten  Buches  erfolgt  zu  sein;  an  ihn  gerichtet 
ist  II,  1  (v.  17)  und  IV,  8;  letztere  Elegie  lehnt  die  Aufforderung  zur  Be- 
handlung grösserer  Stoffe  ab,  stellt  aber  doch  zuletzt  (falls  dieser  Schlnss 
wirklich  zu  der  Elegie  gehört,  s.  Heimreich  p.  23  ff.)  Gedichte  nationalen 
Inhaltes  (etwa  wie  die  meisten  von  Buch  V)  in  Aussicht.  Prop.  wohnte, 
wie  Vergil  (obeü  220,  6),  Esquiliis  (IV,  23,  24),  vielleicht  bei  Maecenas; 
eine  solche  Innigkeit  wie  zwischen  Maec.  und  Horaz  machte  aber  schon 
die  Altersverschiedenheit  unmöglich.  Zu  AugusVs  Preis  Wendungen  wie 
arma  deus  Gaesar  dites  meditatur  ad  Indos  (IV,  3,1);  Caesar  dum  canitur, 
quaeso,  luppiter  ipse  vaces  (IV,  6,  14);  vix  timeat  salvo  Gaesare  Roma 
lovem  (IV,  10,  66);  lacrimas  vidimus  ire  deo  (IV,  11,  60).  Zur  Beurteilung 
vgl.  III,  7,  40:  nocte  una  quivis  vel  deus  esse  potest.  IV,  8,  45  f.:  haec 
urant  scripta  pnellas  meque  deum  clament  et  mihi  sacra  ferant.  Auch  III, 
32,  18.  46.  Horaz  wird  nie  genannt,  so  wenig  als  Tibull;  Anklänge  an 
den  Ersteren  sind  aber  bei  Prop.  nicht  selten,  wie  hoc  erat  in  primis  III, 
19,  1  =  Hör.  S.  II,  6,  1;  pyramidum  sümptus  ad  sidera  dncti  IV,  1,  57 
vgl.  Hör.  0.  lir,  30,  2;  est  quibus  eleae  concurrit  palma  quadrigae  IV,  8,  17 

32* 


500  Augusteisclie  Zeit".   J.  711—767  d.  St. 

vgl.  Hör.  0. 1,  1,  3 ff.;  i  puer  et  citus  haec  FV,  23,  23  =  Hör.  S.I,  10, 100;  mit 
V,  6,  65 f.  Tgl.  Hor.Epo.  9,  23  f.;  mit  ib.  79  (sero  confesaum  foedere  Parthum) 
Hör.  0.  III,  8,  22;  mit  I,  6,  11  (horam  possum  durare)  Hör.  Ep.  I,  1,  82 
u.  dgl.  Eher  dürlte  daher  aus  des  Horaz  Schweigen  über  Prop.  zu 
schliessen  sein  dass  des  Erstem  klare  Verständigkeit  tou  dem  leidenschaft- 
lichen Wesen  des  jungen  Elegikers  sich  nicht  sonderlich  angezogen  fühlte. 
Vgl.   oben  238,    1   und   S.  422   mit   Anm.  3.    Nachahmungen  des  Tibull? 

A.  Zingerle,  Ovid's  Verh.  I.  S.  56.  98  f.  101.  103  f.  132  u.  sonst. 

3.  Eintheilung  in  Bücher  und  Herausgabe  des  ersten  (monobiblos,  s.  A. 
1  E.;  daher  die  snbscriptio  I,  22)  durch  den  Dichter  selbst;  s.  II,  3,  4: 
turpis  de  te  iam  liber  alter  erit;  III,  18,  1  f.:  cum  sis  iam  noto  fabula 
libro  et  tua  sit  toto  Cynthia  lecta  foro.  Die  Aufschrift  Propertii  Cynthia, 
monobiblos,  in  codd.  ist  also  sachlich  richtig.  Das  zweite  Buch  enthält 
besonders  viel  Fragmentarisches,  das  fünfte  auch  Unfertiges  und  jugendliche 
Versuche  aus  dem  Nachlasse  des  Dichters  (Heimreich,  Symb.  Bonn.  p.  674 
— 679,  meint  theilweise  von  Passennus  Paullus).  Für  Lachmann's  (Ed.  1816. 
p.  XXI  —  XXIII)  Zerlegung  des  zweiten  Buches  in  zwei  Bücher  sprechen 
zwei  Gründe:  erstens  dass  II,  10  (=»  III,  1)  sichtlich  zur  Widmung  eines 
Buches  an  August  bestimmt  ist,  parallel  mit  U,  1  (an  Maecenas),  obwohl 
dadurch  B.  II  einen  nnverhältnissmässig  kleinen  Umfang  erhält;  zweitens 
dass  III,  5,  9  f.  in  der  Ausmalung  des  eigenen  Leichenbegängnisses  es  heisst: 
sat  mea,  sat  magna  est  si  tres  slnt  pompa  libelli,  quos  ego  Persephonae 
maxima  dona  feram;  welche  Stelle  also  dem  dritten  Buche  angehören  muss. 
Vgl.  V,  7,  60;  longa  mea  (der  Cynthia)  in  libris  regna  fuere  tuis.  Schaif- 
sinnige,  aber  wenig  beifallswerthe  Modificationen  von  Lachraann's  Ordnung 
bei  Chr.  Heimreich,  Quaest,  Propert.  p.  22  —  39.  Die  Beibehaltung  der  über- 
lieferten Eintheilung  rechtfertigt  W.  Hertzberg  I.  p.  213  —  223  durch  die 
wahrscheinliche  Vermutung  dass  nur  B.  I  von  Prop.  selbst,  das  Weitere 
nach  seinem  Tode  von  Freunden  sorglos  herausgegeben  worden  sei.  Auch 
citiert  Nonius  p.  169  (v.  secundare)  den  Vers  IV,  21,  14  vielmehr  aus 
Propert.  III.    Ueber  die  Zeit  der  Herausgabe  der  einzelnen  Bücher  s.  auch 

B.  Eschenburg  im  liber  miscell.  soc.  Bonn.  (1864)  p.  83  ff.  —  Das  fünfte 
Buch  wird  durch  seine  grössere  Strenge  im  Metrischen  als  das  späteste 
erwiesen,  wie  es  auch  unvollendet  ist.  Vgl.  R.  Merkel's  Ausg.  von  Ovid's 
Fasti  p.  CCXLVIII— CCLIV,  L.  Müller  ed.  p.  XIII.  XLVll  f.  Den  properz- 
ischen Ursprung  von  B.  V  bestreitet  mit  unzureichenden  Gründen  Dom. 
Carutti  (Sex.  Aurelü-  Propertii  Cynthia,  cum  libro  quarto  elegiarum  qui 
Propertii  nomine  fertur.  Editio  in  novum  ordinem  digesta,  Hagae  Com. 
1869)'p.  XXXIV  ff. 

4.  Unter  den  Alexandrinern  nennt  Propertius  als  seine  Vorbilder  be- 
sonders den  Kallimachos  und  Philetas  (IV,  1,  1  ff.  2,  52.  V,  1,  64.  6,  3  f.). 
Vgl.  W.  Hertzberg's  Ausg.  I.  p.  186—210.  Nach  Seiten  der  Natur  waren 
diese  trockenen  Gelehrten  eigentlich  Antipoden  des  phantasievollen  Pro- 
porz, und  die  Flammen  seiner  Leidenschaft  schlagen  oft  genug  empor  an 
den  mythologischen  Bausteinen;  aber  was  ihn  zu  denselben  dennoch  hin- 
zog war  ihre  Formbeherrschung,  und  dieser  Anschluss  ist  zugleich  ein  Be- 
weis dass  Properz  bei  aller  sinnlichen  Glut  doch  innerlich  sich  frei  erhielt. 
Die  Bücher,  der  unerschöpfliche  Born  der  Weltstadt  und  das  reiche  eigene 


241.  Propertius.  501 

Gemüt  spendeten  dem  Dichter,  so  einförmig  sein  äasseres  Leben  verlief, 
die  Fülle  von  Anschaaungen  durch  die  er  sich  von  dem  ärmeren  und  ein- 
facheren Tibull  unterscheidet,  sie  raubten  ihm  aber  zugleich  das  schöne 
Gleichgewicht  der  Kräfte,  das  Ebenmass  der  Zeichnung  und  die  klare  Ste- 
tigkeit der  Gedankenfolge,  und  sie  kürzten  auch  seinen  Lebensfaden.  Ueber 
das  rhetorische  Element  seiner  Darstellung  s.  die  sorgfältigen  Zusammen- 
stellungen in  W.  Hei-tzberg's  Prolegomena  p.  105—186.  Ueber  den  kunst- 
vollen Bau  seiner  Elegieen  ib.  p.  80 -—103,  bis  zum  Zahlenschematismus 
übertrieben  von  K.  MüllenhofF  (in  der  AUg.  Monatsschrift  1864,  S.  186—201) 
und  C.  Prien  (die  Symmetrie  und  Eesponsion  der  römischen  Elegie,  Lübeck 
1867,  S.  36—53).  Drenckhahn,  die  strophische  Composition  im  dritten 
Buche  des  Properz,  Berl.  Ztschr.  f.  Gymn.  1868,  S.  177  —  205.  257—275. 
Ueber  diie  Metrik  des  Prop.  vgl.  Eschenburg,  Observ.  p.  1  —  28,  Lütjohann, 
Comm.  propert.  p.  96—104,  und  L.  Müller's  Ausg.  p.  XL VII— LI. 

5.  Petrarca  besass  (J.  1374)  eine  Handschrift  des  Propertius  (M. 
Haupt,  Berichte  der  sächs.  Ges.  d.  W.  1849,  S.  257—260);  von  den  erhaltenen 
reicht  aber  kaum  eine  über  saec.  XV  zurück.  Die  Haupthds.  wenigstens, 
den  —  ohne  Zweifel  aus  dem  archetypus  selbst  (etwa  saec.  IX)  abge- 
schriebenen —  Neapolitanus  (jetzt  in  Wolfenbüttel,  Gudiani  Nr.  224),  welchen 
man  sonst  in  saec.  XIII  setzte,  weist  L.  Müller  ed.  p.  IX  f.  in  saec.  XV, 
Von  denr  früher  hochgeschätzten  Groninganus,  saec.  XV  in  Italien  ge- 
schrieben ,  ist  neuerdings  nachgewiesen  worden  dass  auch  er  stark  interpo- 
liert ist;  s.  H.  Keil,  Observatt.  p.  11  ff.  M.  Haupt  (im  Berliner  Katalog  für 
1854  f.)  p,  4—9.  Chr.  Heimreich,  Quaestiones  Propert.  (Bonn  1863)  p.  2—21. 
W.  Grumme,  de  codd.  Prop.  Groningano  et  Neapolitano,  Aurich  1869.  4. 
Chr.  Lütjohann,  Comment.  propert.  p.  3  ff .  Ueber  die  properz.  Hdss.  im 
Allgemeinen  s.  W.  Hertzberg's  Ausg.  p.  231—248,  L.  Müller's  Ausg.  p.  IVff. 
Th.  Struve,  Varianten  der  Helmstädter  Hds.  des  Prop.,  Philologus  XIII. 
S.  387—394. 

6.  Ausgaben.  Die  älteste  gedruckte  Ausgabe  ist  von  Venedig  1472. 
fol.  Die  späteren  führt  Hertzberg  p.  248 — 259  auf.  Zu  erwähnen  sind  die 
von  J.  Broukhuis  (Amsterd.  1702.  1727.  4.),  J.  A.  Vulpi  (Padua  1755.  4. 
2  Voll.),  F.  G.  Barth  (Lips.  1777.  8.),  P.  Burmann  und  Santen  (Utrecht 
1780.  4),  C.  T.  Kuinöl  (Lips.  1804.  2  Voll.),  C.  Lachmann  (Lips.  1816. 
Berol.  1829),  F.  Jacob  (Lips.  1827),  Paldamus  (Halle  1827),  und  besonders 
von  W.  A.  B.  Hertzberg  (Vol.  I,  1  quaestiones  propertianae;  I,  2  Text  mit 
kritischen  Anmerkungen;  II  Commentar,  Halle  1843.  1844.  1845),  wozu  vgl. 
H.  Keil  in  d.  Ztschr.  für  die  Alt.  Wiss.  1846.  Nr.  65  ff.  Schneidewin,  Gott, 
gel.  Anz.  1846.   St.  97—100. 

Text  von  H.  Keil  (Lipsiae,  Teubner  1850;  im  Obigen  bei  den  Anführ- 
ungen zu  Grunde  gelegt),  M.  Haupt  (Lips.  1853.  1861.  1868.  16.),  L.Müller 
(Lips.  Teubner  1870). 

7.  Beiträge  zur  Textkritik  von  C.  F.  A.  Nobbe  (Lips.  1818),  Schip- 
pers (in  librum  IV,  Groning.  1818),  J.  H.  Bormans  (Lovan.  1836).  H.  Keil, 
observationes  criticae  in  Prop.,  Bonn  1843.  W.  Fürstenau,  quaestiones 
propertianae,  Rinteln  1845.  4.  Fr.  Jacob  im  Philologus  IL  S.  446  —  463. 
R.  Unger,  analecta  Philetaca  et  Propertiana,  Neubrandenburg  1850.  102  pp.  4. 


502  Augusteische  Zeit.    J.  711—767  d.  St. 

M.  Haupt,  emendationes  nonnuUorum  Prop.  locorum,  Berlin  1854.  4.  und 
1856.  4.  Th.  Struve,  Ztschr.  f.  Alt.  Wiss.  1857,  S.  237—246.  F.  Kindscher, 
Rhein.  Mus.  XVII.  S.  216—227.  H.  KraflFert  im  Philologus  XX  ff.  A.  Lind- 
ner in  Fleckeisen's  Jahrbb.  89,  S.  836—839.  W.  Fischer,  de  locis  quibus- 
dam  Prop.,  Bonn  1863.  Chr.  Heimreich,  quaestiones  propertianae  (Bonn 
1863)  p.  40 — 55,  und  Novae  quaest.  prop.,  in  der  Symbola  philolog.  Bonn, 
p.  669—684.  B.  Eschenburg,  im  über  miscellanens  (Bonn  1864)  p.  83—100 
und  Observationes  criticae  in  Prop.^  Bonn  1865.  Chr.  Lütjohann,  Commen- 
tationes  propertianae,  Kiel  1869.  108  pp.  (bes.  zu  B.  V). 

L.  Krahner,  Versuch  einer  Analyse  von  Prop.  IV,  1,  1 — 70,  im  Philo- 
logus XXVII.  S.  58—87.  Prop.  el.  IV,  11  recens.  et  illustr.  P.  Hofman  Peerl- 
kamp  (ed.  J.  C.  G.  Boot),  Amsterdam  1865;  vgl.  L.  Müller  in  Fleckeisen's 
Jahrbb.  91,  S.  777—791.    Zu  B.  IV  s.  auch  Drenckhahn,  Stendal  1868.   4. 

8.  Ueber  Propertius  s.  Manso,  Nachträge  zu  Sulzer  III.  S.  5  —  48. 
H.  PaldamuB,  römische  Erotik  S.  58 — 72.  Gruppe,  die  römische  Elegie  I. 
S.  274  ff.  und  dazu  W.  Hertzberg  in  den  Hallischen  Jahrbüchern  1839, 
Nr.  127  ff.  Fr.  Jacob,  Properz,  Lübeck  1847.  32  S.  4.  W.  Teuffei  in  Pauly's 
Real-Enc.  VI,  1,  S.  99—101. 

9.  Metrische  üebersctzungen  von  Knebel,  v.  Strombeck  (Braunschweig 
1822),  J.  H.  Voss  (Braunschweig  1830),  W.  Hertzberg  (Stuttgart  1838, 
4  Bdchn;  ausgewählte  Elegieen,  Class.  d.  Alt.  1855,  S.  137—224),  Fr.  Ja- 
cob (Stuttgart,  Hofmann,  1860  —  1869).  C.  W.  Schmetzer,  die  drei  letzten 
Elegieen  von  Prop.  IV  übersetzt  mit  Anm.,  Hof  1850.  4. 

2;n  242.  P.  Ovidius  Naso,  aus  einem  bemittelten  ritterlichen 
Hause  in  Sulmo  (J.  711 — 770  d.  St.),  von  umfassender  rednerischer 
Bildung,  aber  bald  ausschliesslich  der  Dichtkunst  zugewandt,  für 
die  er  ein  ganz  ungewöhnliches  Formtalent  besass.  Indessen  Rhe- 
tor  bleibt  er  auch  in  der  Poesie,  mit  den  Gedanken  und  StoflFen 
spielend,  im  Glänze  der  Figuren  und  witzigen  Wendungen  sich 
spiegelnd,  ohne  Ernst,  höhere  Ziele  und  Charakter,  leichtsinnig 
gegenüber  den  Anforderungen  und  Fragen  des  Lebens,  aber 
geistreich,  pikant  und  originell,  und  in  allem  Formellen  von 
unübertroflfener  Meisterschaft,  unnachahmlicher  Leichtigkeit,  Ge- 
wandtheit und  Anmut.  In  seiner  ersten  Periode  ist  die  sinn- 
liche Liebe  der  Stoff  den  er  fast  ausschliesslich  behandelt,  in 
den  Formen  der  alexandrinischen  Elegiker,  aber  Mythologie, 
Elegie  und  Lehrgedicht  ironisierend  durch  die  Frivolität  seiner 
Gegenstände.  In  der  zweiten  bearbeitet  er  Stoffe  aus  der  grie- 
chischen Mythologie  und  der  einheimischen  Sage,  wesentlich  in 
der  gleichen  Manier,  aber  mit  mehr  Fleiss  und  Hingebung.  Die 
Arbeiten  der  dritten  Periode  sind  die  aus  Tomi,  wechselnd  nur 
zwischen  endlosen  Klagen  über  die  Verbannung  und  demütigem 
Flehen  um  Zurückberufung. 


241  f.    Propertius.    Ovidius.  503 

1.  Der  Name  aus  Hdss.;  Naso  nennt  sich  der  Dichter  selbst  oft,  z,  B, 
Am.  T,  11,  27.  n,  1,  2.  Geboren  20.  März  (Trist.  IV,  10,  13  f.  vgl.  Fast. 
III,  813  ff.)  711  (Trist.  IV,  10,  6  vgl.  Hieronym.  zu  Eus.  chron.  a.  Abr.  1975) 
zu  Sulmo  (Am.  III,  15,  11  ff.  Pont.  IV,  14,  49  und  sonst)  in  Paelignis  (Am.' 
II,  1,  1.  II,  16,  37.  III,  15,  3.  8  und  sonst),  als  zweiter  Sohn  eines  vermöglichen 
(Trist.  II,  113  f.)  Vaters.  Der  Bruder  starb  aber  schon  im  208ten  Lebens- 
jahr (ib.  IV,  10,  31  f.).  Studium  der  Rhetorik;  s.  Sen.  Controv.  II,  10,  8  ff. 
(p.  135  ff.  Bu.):  hanc  controversiam  memini  ab  Ovidio  Nasone  declamari 
apud  rhetorem  Arellium  Fuscum,  cuius  auditor  fuit;  nam  Latronis  admi- 
rator  erat,  cum  diversum  sequeretur  dicendi  genus.  habebat  ille  comptum 
et  decens  et  amabile  ingeuium,  oratio  eins  iam  tum  nihil  aliud  poterat 
videri  quam  solufcum  carmen.  adeo  autem  studiose  Latronem  audiit  ut 
multas  illius  sententias  in  versus  suos  transtulerit.  .  .  (9.)  tunc  autem  cum 
studeret  habebatur  bonus  declamator.  .  .  (12.) .  declamabat  autem  Naso 
raro  controversias,  et  non  nisi  ethicas;  libentius  dicebat  suasorias.  molesta 
Uli  erat  omnis  argumentatio.  verbis  minime  licenter  usus  est,  nisi  in  car- 
minibus,  in  quibus  non  ignoravit  vitia  sua,  sed  amavit.  .  .  adparet  summi 
ingenii  viro  non  iudicium  defuisse  ad  compescendam  licentiam  carminum 
snorum,  sed  animum.  aiebat  iiiterim  decentiorem  faciem  esse  in  qua  ali- 
quis  naevos  inesset. 

2.  Amtliche  Laufbahn  des  Ovid:  (zweimal)  XX vir,  nämlich  triumvir 
capitalis  (Trist.  IV,  10,  33  f.)  und  decemvir  (stlitibus  iudicandis,  Fast.  IV, 
383  f.),  Mitglied  des  Centumviralgerichts  (Trist.  II,  93  f.  ex  Pont.  III,  5, 
23  f.);  Einzelrichter  (Trist.  II,  95  f.).  Specielle  Kenntniss  des  ins  civile 
tritt  aber  bei  Ovid  wenig  hervor,  trotz  C.  Iddekinge,  de  insigni  Ovidii 
peritia  iuiis  rom.,  Amsterdam  1811.  104  pp.  Am  weiteren  Verfolgen  dieser 
Laufbahn  hinderte  den  Ovid  seine  Bequemlichkeit  und  Neigung  zur  Poesie 
(Trist.  IV,  10,  36  ff.).  Bildungsreise  nach  Athen,  Asien,  Bicilien  (Trist.  I, 
2,  77  f.  Pont.  II,  10,  21  ff.).  Frühe  zweimal  vermählt  und  bald  wieder 
geschieden  (Tr.  IV,  10,  69—72);  seine  dritte  Frau,  eine  Fabia  und  persön- 
liche Freundin  der  Livia,  überlebte  ihn.  Seine  Tochter,  Perilla,  verfasste 
selbst  auch  Gedichte  (Tr.  III,  7,  11—32;  vgl.  V.  Lörs,  de  P.  Ovidii  Nasonis 
filia,  Bonn  1832).  Freunde  und  Befreundete:  Propertius  (Trist.  IV,  10,  46  f.), 
Gallio  (Pont.  IV,  11.  Sen.  suas.  3,  7.  p.  21,  30  Bu.),  Hyginus  (Suet.  gramm. 
20),  die  Dichter  Ponticus,  Bassus,  Macer,  Sabinus,  Tuticanus  (s.  unten  247, 
1  ff.),  Cotta  (unten  262,  6),  Graecinus  (Amor.  II,  10),  Atticus  (Amor.  I, 
9,  2.  Pont.  II,  4)  u.  A.;  M.  Koch,  prosopographiae  Ovidianae  elemeuta, 
Breslau  1866. 

3.  Verbannung.  Decem  lustris  peractis  (Trist.  IV,  8,  33  vgl.  10,  95 f. 
Ibis  1)  Tomitas  quaerere  me  laesi  principis  ira  iubet  (Tr.  IV,  10 ,  97  f.). 
Auf  Elba  erste  NEwhricht  von  der  Anklage  (Pont.  II,  3,  83  ff.).  Er  war  re- 
legatus,  non  exsul  (Tr.  II,  137),  behielt  daher  sein  Vermögen  (Ibis  24). 
Schilderung  der  Abreise  aus  Rom  Tr.  I,  3.  Sie  erfolgte  im  Spätherbst 
(im  December  schon  im  adriatischen  Meer,  Tr.  I,  11,  3)  des  J.  762  =  9  n. 
Chr.  (s.  Pont.  IV,  13,  40,  wonach  der  Winter  767  f.  als  sexta  bruma  rele- 
gatum  videt).  Die  Ursache  waren  duo  crimina,  carmen  et  error  (Tr.  II, 
207).    Von  diesen  bespricht  Ovid  die  erstere,   seine  zuchtlose  und  Bitten- 


504  Angiisteisclie  Zeit,  J.  711—767  d.  St. 

gefährliche  Ars  amandi,  oftmals  und  sucht  sich  desshalb  zu  rechtfertigen 
(Tr.  II,  211  ff.  III,  1,  7  f.  Pont.  II,  9,  69  f.  10,  15  f.  III,  3,  69  f.  IV,  13,  41  f. 
Ibis  6  und  sonst),  und  Apoll.  Sidou.  c.  23,  157  f.,  Vict.  Epit.  I^  27  nennen 
daher  tres  libellos  amatoriae  artis  einzig  als  Ursache  der  Verbannung 
(Ovid  ex  Pont.  IV ^  13,  42  dagegen  prima  causa).  Wirklich  ist  es  ganz 
glaublich  dass  dem  August  eine  Schrift  höchlich  zuwider  war  die  seinen 
polizeilichen  Veranstaltungen  zur  Beförderung  der  Sittlichkeit  und  der  Ehe 
so  keck  entgegenwirkte.  Aber  seit  dem  Erscheinen  derselben  waren  zehn 
Jahre  verflossen;  der  nächste  Anstoss  muss  daher  eine  andere  Verfehlung 
gewesen  sein.  Ueber  letztere  (seinen  error,  nicht  ein  scelus,  Tr.  I,  3,  37  f. 
IV,  10,  90.  Pont.  III,  3,  75.  Tgl.  I,  6,  26.  II,  9,  75  f.)  spricht  sich  Ovid  immer 
nur  in  geheimnissvollen  Andeutungen  aus.  Aber  die  Begründung  dieses 
Schweigens,  um  nicht  Augusts  Schmerz  zu  erneuem  (Tr.  II,  209  f.  vgl.  III, 
6,  27),  zeigt  dass  dieser  dadurch  in  seinen  persönlichen  Beziehungen  ver- 
letzt gewesen  sein  muss  (vgl.  Tr.  II,  133  f.:  tristibus  invectus  verbis  .  . 
ultus  es  offensas  .  .  ipse  tuas).  Und  da  Ovid  seine  Augen  als  den  schul- 
digen Theil  anklagt  (Tr.  II,  103  f.:  cur  aliquid  vidi,  cur  noxia  lumina  feci! 
cur  imprudenti  cognita  culpa  mihi  est!  vgl.  III,  6,  49  f.:  inscia  quod  cri- 
men viderunt  lumina  plector,  peccatumque  oculos  est  habuisse  meum; 
ib.  6,  27  f.  Pont.  III,  3,  74  f.),  so  ist  höchst  wahrscheinlich  dass  er  bei  einem 
Mitgliede  der  kaiserlichen  Familie  Zeuge  und  Mitwisser  einer  schuldhaften 
Handlung  war  und  sie  nicht  verhinderte^  vielleicht  in  dem  irrigen  Glauben 
(partem  nostri  criminis  error  habet,  Tr.  III,  5,  52)  dass  August  selbst  auch 
darum  wisse  und  es  conniviere.  Und  zwar  war  diess  wahrscheinlich  der 
jüngeren  Julia  (August's  Enkelin)  ehebrecherisches  Verhältniss  mit  D.  Si- 
lanns  (Tac.  A.  III,  24).  Gegen  Letzteren  selbst  wurde  zwar  nou  ultra  sac- 
vitum  quam  ut  amicitia  Caesaris  prohiberetur  (Tac.  1.  1.),  aber  vielleicht 
eben  darum  wei^  die  Hauptschuld  auf  Ovid  abgeladen  wurde,  gegen  wel- 
chen August  noch  von  der  ars  amandi  her  verstimmt  sein  mochte,  zumal 
da  deren  Veröffentlichung  in  dem  gleichen  Jahre  erfolgte  wo  August  seine 
Tochter  Julia  verbannen  musste,  so  dass  Ovid  als  rückßllliger  Verführer 
erscheinen  konnte.  Vgl.  Th.  Dyer,  on  the  cause  of  Ovid*s  exile,  im  Clas- 
sical  Museum  1847^  p.  229 — 247.  G.  Boissier,  Texil  d'Ovide,  Revue  des 
deux  mondes  LXIX  (1867)  p.  580—612.  (C.  L.  Roth,  im  Stuttgarter  Corre- 
spondenzblatt  f.  d.  Schulen  Württembergs  1854,  S.  186 — 187  sucht  den  Grund 
in  einem  Besuche  bei  Agrippa  Postumus  auf  Planasia;  A.  DeviUe,  essai 
snr  Texil  d'Ovide,  Paris  1859,  darin  dass  Ovid  die  Livia  im  Bade  über- 
rascht habe!) 

4.  Die  Art  wie  Ovid  seine  Verbannung  ertrug  lässt  sich-  nur  mit  der 
Zerknirschung  des  durch  mehrjährigen  Kerker  gebrochenen  Schubart  ver- 
gleichen; das  Gewinsel  etwa  mit  dem  des  verbannten  Cicero;  die  Kriecherei 
gegen  August  geht  bis  zum  delire  d'adulation  (Boissier).  Mit  Rom  hatte 
er  sich  selbst  verloren.  Wie  Alles  vergebens  ist,  beschränkt  er  sich  zu- 
letzt auf  die  Bitte  ihm  wenigstens  einen  andern  Verbannungsort  anzuwei- 
sen (z.  B.  Ibis  28).  Schon  hatte  August  durch  des  Dichters  fortwährendes 
Flehen  sich  erweichen  oder  ermüden  lassen,  als  er  starb  (Pont.  IV,  6,  15  f.), 
und  an  seines  Nachfolgers  kühler  Brust  prallten  Seufzer  wie  Schmeicheleien 
gleich  wirkungslos  ab  (ib.  17  f.).   So  fand  denn  Ovid  in  Tomi  (oder  Tomis, 


242.   Ovidiiis  (Leben  und  Charakter).  505 

beim  heutigen  Kostendsche)  sein  Grab,  in  demselben  Jahre  mit  Livius,  in 
der  zweiten  Hälfte  Ton  770  =»  17  n.  Chr.  Hieronym.  zu  £us.  chron.  a.  Abr. 
2033  »  Tib.  4  »  19  August  770  bis  18  August  771  (im  Amandinus  schon 
zu  a.  2032):  Ovidius  poeta  in  exsilio  diem  obiit  et  iuxta  oppidum  Tomos 
sepelitur. 

6.  Die  handschriftlichen  vitae  Ovidii  (bes.  Vindob.,  Vat.  und  Farnes.) 
sind  ohne  Werth;  desto  reicher  sind  Ovid's  eigene  Gedichte  für  die  Ge- 
schichte seines  Lebens,  besonders  Trist.  IV,  10.  Von  neueren  Darstel- 
lungen ist  die  beste  J.  Massen,  Ovidii  vita  ordine  chronologico  sie  delineata 
ut  poetae  fata  et  opera  veris  assignentur  annis  etc.,  Amstelod.  1708.  Um- 
ständliche Ausmalung  von  £.  v.  Leutsch  in  Ersch  und  Gruber's  £nc.  III,  8 
(1836).    S.  30—64. 

6.  Zur  Charakteristik  des  Ovidius  s.  Sen.  Controv.  II,  10  (oben  Anm.  1) 
und  IX,  28,  17:  Ovidius  nescit  quod  bene  cessit  relinquere.  Sen.  nat.  quaest. 
III,  27,  13:  poetarum  ingeniosissimus,  .  .  nisi  tantum  impetum  ingenii  et 
materiae  ad  pueriles  ineptias  reduxisset.  QuintiL  X,  1,  88:  lascivus  quidem 
in  herois  quoque  Ovidius  et  nimium  amator  ingenii  sui,  laudandus  tamen 
in  partibus.  Vgl.  ib.  93  (Ovidius  utroque  —  Tibull  und  Properz  —  lasci- 
vior).  98:  Ovidii  Medea  videtur  mihi  ostendere  quantum  ille  vir  praestaro 
potuerit,  si  ingcnio  suo  imperare  quam  indulgere  maluisset.  Von  Ovid's 
eigenen  Aeusserungen  sind  folgende  besonders  bezeichnend.  Trist.  IV,  10, 
26:  quidquid  tentabam  dicere  (in  Prosa)  versus  erat;  ib.  40:  otia  iudicio 
semper  amata  meo.  Er  fühlt  sich  als  Sohn  seiner  Zeit  (A.  A.  III,  121  ff.: 
prisca  iuvent  alios,  ego  me  nunc  denique  natum  gi-atulor;  haec  aetas  mo- 
ribus  apta  meis.  .  .  quia  cultus  adest,  nee  nostros  mansit  in  annos  rusti- 
citas).  Ueber  die  Götter  denkt  er  sehr  aufgeklärt:  ezpedit  esse  deos,  et 
ut  cxpedit  esse  putemus.  .  .  innocue  vivite,  numen  adest  (A.  A.  I,  637  ff. 
vgl.  III,  654.  Amor.  III,  3,  23  ff.).  Kruse,  de  Ov.  moribus  et  operibus,  Stral- 
sund 1856.  A.  J.  Beichart,  die  sittliche  Lebensanschauung  des  P.  Ovidius 
Naso,  Potsdam  1867.  58  S. 

7.  Als  sein  eigentlichstes  Gebiet  und  seine  Hauptleistung  betrachtet 
0?id  selbst  die  (erotische)  Elegie  (Amor.  II,  18,  13  ff.  III,  1.  15,  13  ff.  A.  A. 
111,  343  f.  Rem.  am.  389  ff.  395  f.  Trist.  IV,  10,  64.  ex  Pont.  III,  3,  29  ff.), 
in  deren  Maase  er  denn  auch  solche  Stoffe  behandelt  hat  die  sonst  dem 
Epos  zugehOren  (Fasti)  oder  der  lambik  (Ibis),  unter  seinen  Vorgängern 
war  ihm  der  liebste  Tibull  (vgl.  Amor.  III,  9),  von  welchem  er  häufig  Stoffe, 
Gedanken,  Bilder,  Wendungen  und  Worte  entlehnt  (A.  Zingerle  I.  bes.  S. 
54—108),  freilich  oft  sie  ins  Frivole  verkehrend  (vgl.  A.  A.  II,  669  f.  mit 
Tib.  I,  1).  Auch  an  die  sonstige  Literatur  der  Zeit  finden  sich  manche 
Anklänge  (wie  Met.  III,  601  =»  Verg.  Ed.  3,  79  und  Anderes  bei  A.  Zin- 
gerle, sowie  Merkel  Faeti  p.  CCXLVII  f.;  Met.  XV,  871  u.  Amor.  I,  154,  2 
=»  Hör.  0.  III,  30,  1.  6  f.),  wie  bei  einem  Dichter  von  so  fabelhaftem  Ge- 
dächtnisse selbstverständlich  war,  und  er  gibt  solchen  Citaten  gern  eine 
mythische  Einkleidung  (Fast.  III,  465  ff.  =-  Catull.  64,  132  ff.;  Met.  XIV, 
812  ff.  u.  Fast.  II,  487  f.  -=  Enn.  Ann.  I,  47' Va.).  Auch  sich  selbst  wie- 
derholt er  sehr  häufig  (Zingerle  I.  S.  9  —  34),  theilweise  wohl  mit  berech- 
nender Absicht  (wie  A.  A.  II,  77  =  Met.  VIII,  217).    Diese  Selbstwieder- 


506  Augusteische  Zeit.  J.  711—767  d.  St. 

holungen  und  die  Reminiscenzen  aus  seinen  Vorgängern  in  der  Elegie  be- 
weisen dass  die  allgemeine  Lockerheit  des  Ov.  auch  hier  sich  nicht  ver- 
leugnet und  gebieten  die  Behauptungen  von  seiner  grossen  Kunststrenge 
einzuschränken.  Vgl.  die  Zusammenstellungen  von  A.  Zingerle,  Ovidius  und 
sein  Verhältniss  zu  den  Vorgängern  und  gleichzeitigen  röm.  Dichtern, 
Erstes  Heft:  0?id,  CatuU  (S.  36—39.  42  f.  46  f.  49—54.  131),  Tibull  (S.  39—42. 
47  f.  54—108),  Propertius  (S.  109-130);  Innsbruck  1869.  Zweites  Heft:  Ovid, 
Ennius  (S.  1  —  11),  Lucrez  (S.  12— 47),  Vergil(S.  48—113);  Innsbruck  187L 
Das  dritte  Heft  (1872)  soll  das  Verhältniss  zu  Horaz  behandeln.  Das  mytho- 
logische ßothwelsch  seiner  Zeit  spricht  Ovid  mit  Virtuosität,  nimmt  es  aber 
dabei  mit  dem  Einzelnen  so  wenig  genau  als  bei  andern  positiven  Angaben 
(z.  B.  Amor.  III,  6,  31.  12,  21  ff.  Rem.  am.  783).  Der  Versbau  ist  glatt, 
fliessend  und  elegant,  wird  aber  in  seiner  gleichmässigen  Anwendung  auf 
alle  Gegenstände  leicht  eintönig.  M.  Schmidt,  de  Ovidii  versibns  hexametris, 
Cleve  1856.  26  pp.  4.    L.  Müller,  de  re  metr.  p.  91.   408  f. 

8.  Ueber  Ovid  und  seine  Schriften  s.  Leutsch  in  Ersch  und  Gruber's 
Encyl.  III,  8.  S.  54—96.  W.  Teuffei  in  Pauly's  Real-Enc.  V.  1847.  S.  1028 
—  1032.  M.  Haupt  vor  seiner  Ausgabe  der  Metamorphosen  S.  III  —  XII. 
W.  A.  B.  Hertzberg  in  den  ausgewählten  Gedichten  der  römischen  Elegiker 
(Stuttgart,  Metzler,  1855)  S.  227—248.  Cavallin,  ad  libros  Ovidii  prolego- 
mena,  Lund  1859.    A.  Riese's  praef.  vor  seiner  Ausgabe,  p.  V — XII. 

232  243.  Die  treueste  Darstellung  der  Eigenthümlichkeit  des 
Ovid  enthalten  die  erotischen  Dichtungen  womit  er  seine  poe- 
tische Laufbahn  begann^  die  drei  Bücher  Amores,  üppige 
Bilder,  an  den  Namen  Corinna  angeknüpft,  die  Epistolae 
(Heroides),  fingierte  Liebesbriefe  von  Frauen  der  Heroenzeit  an 
ihre  Liebhaber,  mit  Unechtem  zersetzt;  sodann  besonders  die  drei 
Bücher  der  Ars  amatoria  für  beide  Geschlechter,  von  locke- 
rem Sinn  und  Ton,  aber  mit  viel  Sachkenntniss  und  psycho- 
logischer Feinheit,  und  das  Gegenstück  dazu,  die  Remedia 
amoris,  soveie  das  Gedicht  über  die  w^eiblichen  Toilettenkünste, 
Medicamina  faciei.  Aus  derselben  Periode  Ovids  stammte 
seine  Tragödie  Medea  und  Anderes  was  nicht  auf  uns  gekom- 
men ist. 

1.  Verse  aus  den  Amores  und  der  Ars  als  Wandinschrifben  zu  Pom- 
peji; s.  Rhein.  Mus.  XII.  S.  251  f.  Die  Handschriften  sämmtlicher  car- 
mina  amatoria  des  Ovid  gehen  auf  einen  archetypus  (von  je  26  Zeilen) 
zurück  welcher  dieselben  in  der  Reihenfolge  enthalten  zu  haben  scheint: 
Ars  am.,  Remedia,  Amores,  Epistulae,  Medicamina,  vielleicht  diejenige 
Ordnung  quo  temporum  intervallo  fuerint  ab  Ovidio  propter  limae  Stu- 
dium retractati  (L.  Müller,  de  re  metr.  p.  43  —  46  vgl.  Rhein.  Mus.  XVII. 
S.  624  f.).  Ausgaben:  Ovidii"  amatoria  c.  var.  lect.  ed.  C.  ö.  Wernsdorf, 
Uelmstedt  1788;  recogn.  (ohneEpist.  undmedic.)  Luc. Müller,  Berol.  1861.  16. 
Vgl.  L.  Müller,  zur  Kritik  des  ersten  Theils  der  ovid.  Dichtungen,  Rhein.  Mus. 


243.    Ovidius  (erotische  Dichtungen).  507 

XVII.  S.  522—542.  XVIII.  S.  71—90.  XX.  S.  256—264.   Des  Ovid  erotische 
Werke,  übersetzt  von  A.  Berg,  Stuttgart  (HofFmann)  1867.  3  Bdchn. 

2.  Jugendgedichte.  Trist.  IV,  10,  57  ff.:  carmina  cum  primum  populo 
iuvenilia  legi  barba  resecta  mihi  bisve  semelve  fuit.  moverat  Ingenium 
totam  cantata  per  urbem  nomine  non  vero  dicta  Corinna  mihi  (vgl.  Am. 
III,  13,  1.  A.  A.  III,  343.  538.  Martial.  V,  10,  10.  VIII,  73,  10  u.  a.).  Ap. 
Sidon.  carm.  XXIII,  159  f.  nennt  sie  Caesarea  puella.  Der  Stoff  der  Amor  es 
beruht  sicher  auf  Selbsterlebtem  (vgl.  Am.  III,  1,  16 f.  22.  53  ff.  III,  12), 
doch  so  dass  die  Gestaltung  desselben  eine  freie  war.  Die  Unsauberkeit 
geht  manchmal  ins  Widerliche  (wie  II,  15  und  bes.  II,  13  f.  III,  7).  Da- 
neben aber  auch  so  Reines  wie  die  Elegie  auf  den  Tod  des  Tibullus  (III,  9). 
Ovid  veranstaltete  von  den  Amores  zwei  Ausgaben:  die  erste,  in  fünf  Bü- 
chern (nach  dem  voranstehenden  Epigramm),  um  740  d.  St.  (Massen  vita 
Ovidii  p.  93),  die  zweite  (erhaltene)  wurde  jedenfalls  vor  der  A.  A.,  also 
vor  752  d.  St.,  abgeschlossen;  s.  Amor.  II,  18,  19  f.  A.  A.  III,  343.  538. 
Der  Epilog  (Am.  III,  15,  18)  kündigt  ein  grösseres  Werk  (die  Metamorph.?) 
an.  Vgl.  Gruppe,  röm.  Elegie  I.  S.  374  ff.  II.  S.  205  ff.  L.  Müller,  de  Ovidi 
Amorum  libris,  im  Philologus  XI.  p.  60 — 91.  192.  E.  Rautenberg,  de  arte 
compositionis  in  Ov.  Am.,  Breslau  1868.  Metrisch  übersetzt  von  W.  Hertz- 
berg (Stuttgart,  Metzler  1854;  Auswahl  in  den  röm.  Elegikem,  Cl.  d.  Alt., 
S.  225—287),  H.  Lindemann  (Leipzig  1859)  u.  A.  Berg  (s.  A.  1). 

3.  Ars  am.  UI,  345  f.  (nach  Erwähnung  der  Ars  und  der  Amores): 
vel  tibi  composita  cantetur  Epistola  voce;  ignotum  hoc  aliis  ille  (Ovid) 
novavit  opus.  Es  ist  eine  von  Ovid  zuerst  aufgebrachte  Spielart  der  poe- 
tischen Epistel  (oben  25).  Das  Versetzen  in  bestimmte  Zeiten  und  Lagen 
hat  sich  der  Dichter  ziemlich  leicht  gemacht;  fein  ist  aber  auch  hier  die 
Zeichnung  der  Charaktere  und  Stimmungen.  Priscian.  X,  54  (p.  544,  4  H.): 
Ovidius  in  Heroidibus.  Briefe  der  Penelope,  Phyllis,  Helena,  Eanache,  Medea, 
Phädra,  Dido  und  Sappho  erwähnt  als  fertig  (oder  beabsichtigt)  Ovid.  Am. 
n,  18,  21—26,  sowie  Antwoi-tschreiben  darauf  von  seinem  Freunde  Sabinus 
ib.  27—38.  Die  wirkliche  Sammlung  enthält  Briefe  von  1)  Penelope  (116 
V.),  2)  Phyllis  (148),  3)  Briseis  (154),  4)  Phädra  (176),  5)  Oenone  (158), 
6)  Hypsipyle  (164),  7)  Dido  (196),  8)  Hermione  (122),  9)  Deianira  (168), 
10)  Ariadne  (150),  11)  Kanache  (128),  12)  Medea  (212),  13)  Laodamia  (166), 
14)  Hypermnestra  (132),  15)  Sappho  (220),  16)  Paris  (376),  17)  Helena  (268), 
18)  Leander  (218),  19)  Hero  (210),  20)  Acontius  (242),  21)  Kydippe  (248). 
Unter  diesen  weichen  die  sechs  letzten  schon  äusserlich  (durch  ihre  Dupli- 
cität)  vom  Plane  der  übrigen  Sammlung  ab,  Nr.  16  und  17  noch  überdiess 
durch  ihren  Umfang;  und  auch  ihrer  Beschaffenheit  nach  erweisen  sich 
diese  sechs  letzten  Stücke  als  Fortsetzungen  der  Gattung  in  der  Manier 
des  Ovid,  aber  ohne  seinen  Geist,  verfertigt  von  einem  versgewandten 
Rhetor  der  sich  gleichfalls  solche  erotische  Suasorien  in  Disticha  zu  brin- 
gen getraute.  Die  älteren  Hdss.  bieten  nur  19  Briefe  und  von  Nr.  20  zwölf 
Verse;  Nr.  15  und  16,  39  —  142.  21,  13—248  (Heins.)  fehlen  dort;  Nr.  15 
steht  in  den  jüngeren  Hdss.  meist  vereinzelt  und  hinter  den  andern  Briefen. 
Ueberdiess  macht  sich  letzterer  (Brief  der  Sappho)  durch  Nachahmung  von 
Stellen  Ovids  (v.  79  =  Trist.  IV,  10,  65  f.),   Carikieren  seiner  Ei^enthüm- 


508  Augusteische  Zeit.   J.  711—767  d.  St. 

lichkeiten  und  durch  Plumpheit  (z.  B.  v.  24.  93.  207.  49  f.  133  f.  144  ff.)  sehr 
verdächtig.  Gegen  Schneidewin's  Einwendung  (Rhein.  Mus.  II.  S.  138  ff.  III. 
S.  144  f.)  8.  J.  Mähly  (ebd.  IX.  S.  624  f.).  Vgl.  Welcker  im  Rhein.  Mus.  XI. 
S.  241,  A.  10  und  kleine  Schriften  II.  S.  116—118.  C.  Lachmann  (Berliner 
Sommerkatalog  1848)  p.  7:  sex  epistulas  (Nr.  8,  9,  14,  16,  17,  19)  certis 
observationibus  (bes.  metrische  und  prosodische  Differenzen)  plane  confuta- 
vimuB,  de  ceteris  (Nr.  3,  12,  13,  18,  20  und  21,  1  — 12),  quainvis  maxima 
sit  dubitandi  causa,  certiora  tarnen  argumenta  quaerenda  sunt.  L.  Müller, 
de  re  metr.  p.  46 — 49  erkennt  nur  die  Verdachtsgründe  gegen  Ep.  14,  15, 
16,  17,  19,  20  als  erheblich  au,  nimmt  aber  auch  hier  blos  von  Ep.  15 
Abfassung  durch  einen  Zeitgenossen  des  Lucanus  an,  von  den  übrigen  „t^^^- 
lam  .  .  post  Augusti  ac  Tiberii  esse  scriptam  tempus^'  (p.  48).  Vgl.  noch 
Gruppe,  Minos  S.  495  ff.  K.  Lehrs  in  seinem  Horatius  (1869)  S.  CCXXII 
— CCLIV.  L.  Müller  im  Rhein.  Mus.  XVIL  S.  192  —  195.  XVIII.  S.  87  f. 
Sonderausgaben  von  D.  J.  v.  Lennep  (ed.  illustr.,  Amsterd.  1809.  ed.  II.  1812), 
W.  Terpstra  (ed.  illustr.,  Lugd.  Bat.  1829),  V.  Lörs  (2  Partes,  Cöln  1829  f.). 
Ruhnkenii  dictata  ad  0.  Her.  ed.  Friedeniann,  Lips.  1831.  üebersetzt  von 
J.  Henning,  E.  F.  Metzger  (Stuttgart,  Metzler,  1855),  H.  Lindemann  (Leip- 
zig 1867). 

4.  Die  unter  dem  Titel  A.  Sabini  Epistolae  tres  in  den  Ovidausgabeu 
(zuerst  Vicent.  1480,  Venet.  1486)  laufenden  Briefe  sind  von  dem  Italiener 
Angelus  Quiriuus  Sabinus  (Sabini  poetae  opera,  Rom  1474,  als  Anhang  zu 
seinem  Ammianus);  s.  0.  Jahn,  Ztschr.  f.  d.  Alt.  Wiss.  1837,  Nr.  77.  Gläser 
im  Rhein.  Mus.  I.  S.  437  ff.  Vertheidigungsversuch  von  J.  Chr.  Jahn,  de 
Ovidii  et  Sabini  epistolis,  Lips.  1826. 

5.  Ars  amatoria  ist  der  Titel  in  den  Hdss.,  wogegen  wenig  beweist 
1,  1  f.:  si  quis  .  .  artem  .  .  non  novit  amandi  me  legat,  und  Amor.  II,  18,  19: 
artes  teneri  profitemur  amoris  (vgL  Sen.  exe.  controv.  III,  7..  p.  371,  21  f.: 
est  eius  qui  hoc  saeculum  amator^is  non  artibus  tantum  sed  sententiis  im- 
plevit).  Bei  Ovid  gewöhnlich  einfach  Ars  (z.  B.  Trist.  II,  303).  Die  beiden 
ersten  Bücher  sind  eine  Anleitung  für  Männer  wie  man  Mädchen  (Libertinen) 
gewinnen  (B.  I)  und  fesseln  (B.  11)  könne;  B.  III  eine  gleiche  für  Mädchen. 
Vergebens  verwahrt  sich  der  Verfasser  öfters  (II,  699  f.  III,  483.  616  f.), 
spielt  ab  und  zu  den  Moralischen  (III,  494.  613  f.)  und  will  das  Gedicht 
solis  meretricibua  (Trist.  II,  303  vgl.  ib.  244.  Pont.  III,  3,  50  ö'.)  geschrieben 
haben,  da  die  Liebe  durchweg  nur  als  sinnliche  gemeint  ist.  Die  Ironisie- 
rung der  Form  des  Lehrgedichts  fliesst  von  selbst  aus  dem  heiteren  Behagen 
womit  der  frivole  Stoff  in  dieselbe  gekleidet  wird.  Genaue  Kenntniss  ge- 
wöhnlicher Weiblichkeit,  z.  B.  I,  99:  spectatum  veniunt,  veniunt  spectentur 
ut  ipsae;  705  f.:  .  .  ut  pudor  est  quondam  coepisse  piiorem,  sie  alio  gra- 
tumst  incipiente  pati.  Veröffentlicht  wahrscheinlich  J.  752  oder  753  d.  St. 
Zeitanspielungen  1,  177  ff.,  z.  B.:  Parthe  dabis  poeuas;  .  .  ultor  adest  .  . 
bellaque  non  puero  tractat  agenda  puer.  parcite  natales,  timidi,  numerare 
deorum  u.  s.  w. 

üebersetzt  von  Chr.  F.  Adler  (nachgedichtet,  Leipzig  1843)  und  beson- 
ders von  W.  A.  B.  Hertzberg  (mit  trefflicher  Einleitung  und  Anmerkungen, 
Stuttgart,  Metzler,  1854),  auch  von  H.  Criepen  (=  Pernice),  Leipzig  1856. 


244.    Ovidias  (Erotica  und  Metamorphosen).  509 

6.  Kemedia  amoris,  in  Einem  Buch,*verfa8Bt  wohl  J.  754  oder  755, 
Anleitung  wie  man  einer  lästigen  Leidenschaft  loswerde,  verglichen  mit 
der  Ars  ziemlich  -schwach,  aber  doch  auch  nicht  ohne  psychologische 
Schärfe  und  Feinheit  und  mit  Virtuosität  im  Technischen.  —  A.  Zingerle, 
Handschriftliches  zu  Ov.  R.  A.  (aus  einer  Innsbrucker  Handschrift  saec.  XIV), 
in  seinen  kleinen  philol.  Abh.  I  (Innsbr.  1871)  ß.  31—34.  —  üebersetzt  von 
Strombeck  (Braunschweig  1796. 1829),  Schlüter  (Leipzig  1796),  W.  Hertzberg  • 
(Stuttgart,  Metzler,  1855). 

7.  Ovid.  A.  A.  III,  205  f.:  est  mihi  quo  dixi  vestrae  (der  Frauen) 
medicamina  formae  parvus,  sed  cura  grande  libellus  opus.  Es  war 
also  vor  der  A.  A.  oder  deren  letzter  Ausgabe  verfasst;  die  lebendige  Ein- 
leitung ist  ihrem  Inhalte  nach  vollständig,  %um  Theil  wörtlich,  in  die  A. 
A.  III,  tOl  ff.  II,  97  ff.  übergegangen.  Erhalten  sind  nur  100  Verse,  meist 
ohne  Aufschrift  (Vat.  nach  Heinsius:  de  omatu  faciei);  das  Weitere  gieng, 
weil  es  am  Schlüsse  des  archetypus  stand  (s.  A.  1),  verloren;  L.  Müller,  de 
re  metr.  p.  43  u.  Rhein.  Mus.  XX.  S.  256.  üebersetzung  von  W.  Hertzberg 
(1855,  R5m.  Dichter  59,  S.  1653  —  1666)  u.  A. 

8.  Tac.  dial.  12  extr.:  nee  ullus  Asinii  aut  Messalae  Über  (Rede)  tarn 
illustris  est  quam  Medea  Ovidii  aut  Varii  Thyestes.  Quintil.  X,  1,  98 
(oben  242,  6).  Vgl.  Ovid.  Amor.  II,  18,  13  f.  III,  1,  11  ff.  67  ff.  Sen.  suas. 
3,  7.  p.  22,  2  f.  Bu.  Noch  im  fünften  christl.  Jahrh.  angeführt  in  der 
epistola  Valerii  ad  Rufiuum  (ne  uxorem  ducat):  lege  .  .  Medeam  Nasonis, 
et  vix  pauca  invenies  impossibilia  mulieri.  L.  Müller,  in  Fleckeisens  Jahr- 
büchern 95,  S.  49C.  Erhalten  ist  davon  nichts,  falls  nicht  etwa  daraus  ist 
die  Anführung  bei  Quintil.  XII,  10,  75. 

9.  Gedicht  auf  die  Hochzeit  des  Fabius  Maximus  (Cos.  743),  ex  Pont. 
I,  2,  133. 

10.  Quintil.  VI,  3,  96:  Ovidius  ex  tetrastichon  Macri  "toben  219,  6) 
carmine  librum  (ein  ganzes  Buch)  in  malos  poetas  composuit.  Pentameter 
aus  einem  Epigramm  des  Ovid  ib.  IX,  3,  70. 

244.  Im  epischen  Masse  gehalten  sind  die  fünfzehn  Bü-233 
eher  Metamorphoseon,  eine  Bearbeitung  derjenigen  Mythen 
welche  Verwandlungen  enthalten,  vom  Chaos  an  bis  zu  Caesars 
Verwandlung  in  einen  Stern.  Der  Stoff  ist  den  Grriechen  ent- 
nommen, aber  frei  behandelt,  eine  bunte  Reihe  heiterer  und 
düsterer  Bilder  aus  einer  wunderreichen  Welt.  Gleichfalls  noch 
vor  Ovids  Verbannung  verfasst  sind  die  sechs  Bücher  Fasti, 
im  elegischen  Masse,  ein  astronomisch  -  historischer  Kalender, 
nach  den  Monaten  angelegt  und  daher  auf  zwölf  Bücher  be- 
rechnet, deren  zweite  Hälfte  aber  in  Toiiii  auszuarbeiten  nicht 
möglich  war. 

1.  Ueber  den  Stoff  der  Met.  z.  B.  Mellmann,  de  causis  et  auctoribus 
uarrationum  de  mutatis    formis,    Lips.   1786.     Bearbeiter  desselben  waren 


510  Augusteische  Zeit.   J.  711— 767  d.  St. 

unter  den  Griechen  Boiog  (OQvi&oyovia)  und  besonders  der  Alexandriner 
Nikandros  (Etegoioviisva),  sowie  Parthenios  und  Theodoros  (MstafioQqxiasLg), 
AntigonoB  (AXXonoasLg).  Nik.  und  Parth.  sind  wohl  von  Ovid  benützt  worden ; 
von  Nikandros  wird  diess  durch  Antoninus  Liberalis  gewiss.  Auch  die  grie* 
chischen  Tragiker,  besonders  Euripides  (Hecabe  und  Bacehae),  lieferten 
Ausbeute  (durch  Vermittlung  des  Hyginus?  vgl.  unten  257,  5).  —  Quintil. 
IV,  1,  77:  illa  vero  frigida  et  puerilis  est  in  scholis  affectatio,  ut  ipse 
transitus  efficiat  aliquam  utique  sententiam,  .  .  ut  Ovidius  lascivire  in 
MstafioQq>mc6aiv  solet,  quem  tamen  ezcusare  necessitas  pötest  res  diversis- 
simas  in  speciem  unius  corporis  colUgentem.  Sen.  nat.  quaest.  III,  27,  13  ff. 
(vgl.  oben  242,  6). 

2.  Ovid.  Trist.  I,  7,  13  ff.:  carmina  mutatas  hominum  dicentia  formas, 
infelix  domini  quod  fuga  rupit  opus,  haec  ego  discedens,  sicut  bene  multa 
meorum ,  ipse  mea  posui  maestus  in  igne  manu.  .  .  (23  f.)  quae  quoniam  non 
sunt  penitus  sublata,  sed  exstant,  pluribus  exemplis  scripta  fuisse  reor. . .  (26  ff.) 
ncc  tamen  illa  legi  poterunt  patienter  ab  uUo,  nesciet  his  summam  si  quis 
abesse  manum.  ablatum  mediis  opus  est  incudibus  illud,  defuit  et  scriptis 
ultima  lima  meis.  .  .  (39  f.)  quidquid  in  his  igitur  vitii  rüde  Carmen  habebit 
emendaturus,  si  licuisset,  eram.  Vgl.  Trist.  II,  555  f.:  dictaqne  sunt  nobis 
(quamvis  manus  ultima  coepto  defuit)  in  facies  corpora  versa  novas.  559  f.: 
pauca  quibua  prima  snrgens  ab  origine  mundi  in  tua  deduxi  tempora,  Cae- 
sar, opus.  Auszug  aus  den  Met.  von  Ijactantius  (oder  Lutatius)  Placidus 
(z.  B.  in  der  Ausgabe  der  Mei,  Antverp.  1591,  in  den  Mythographi  lat. 
von  Muncker  II.  p.  189  —  300).  Im  J.  1210  verfasste  Albrecht  von  Halber- 
stadt eine  Uebersetzung  der  Met.  in  Reimen,  welche  Jörg  Wickram  1545 
umarbeitete  (Mainz  1551.  fol.).  'Oßidlov  Metafioifqxoosig  (griechische  Ueber- 
setzung von  Maximus  Planudes)  ed.  Fr.  Boissonade,  Paris  1822. 

3.  Ausgaben  der  Met.  von  Gierig  (2  Partes,  Lips.  1784.  1804;  neue 
Auflage  durch  J.  Chr.  Jahn,  Lips.  1821  —  1823),  E.  C.  Chr.  Bach  (mit  Anm., 
2  Bde.,  Hannover  1831—1836),  Baumgarten -Crusius  (Lips.  1834  f.),  V.  Lörs 
(Lips.  1843).   Probe  einer  neuen  Ausgabe  von  Bormann,  Halberstadt  1858.  4. 

Schulausgaben  von  Nadermann  (Münster  1828;  dritte  Ausgabe  1855), 
Seidel  (vierte  Ausgabe,  von  Ideler,  Berlin  1837),  Peldbausch  (Karlsruhe 
1836;  dritte  Aufl.  1848),  Lörs  (Trier  18.^7),  0.  Eichert  (Auswahl  für  Schulen, 
Breslau  1850),  J.  Siebeiis  (Auswahl  für  Schulen,  Leipzig,  Teubner,  1854  f.; 
sechste  Auflage,  besorgt  von  P.  Polle,  1869  —  1871,  2  Bde.;  Wörterbuch 
dazu,  ebds.  1867),  M.  Haupt  (Bd.  I,  Leipzig  1853;  vierte  Ausgabe  Berlin  1867). 

4.  Liebau,  de  consilio  Ov.  in  compon.  Met.,  Elberfeld  1846.  4.  Henne- 
berger, Ov.  Met.'  contin.  seriesque,  Hildburgh.  1846.  4.  I.  Bekker,  variae 
lectt.  cod.  Berol.  Ov.  Met,  Berlin  1853.  R.  Suchier,  Kritisches  zu  0.  M., 
Hanau  1853.  4.  u.  Pleckeisens  Jahrbb.  79,  S.  570—575.  639—643.  M.  Haupt, 
Berolin.  1861.  4.  Gross,  zur  Kritik  von  0.  Met.,  in  den  Blatt,  f.  bayr.  Gymn. 
Vr,  9.  Rappold,  zur  Kritik  und  Erklärung  d.  ov.  Met.,  Loben  1870.   62  S.  8. 

5.  Uebersetzungen  von  A".  v.  Rode  (Berlin  1816.  2  Bde),  J.  IL  Voss 
(zweite  Aufl.,  Braunschweig  1829.  2  Bde.),  H.  Chr.  Pfitz  (Stuttgart,  Metzler, 
5  Bdchn.),  H.  Lindemann  (Leipzig  1853  —  1856,  3  Thle.),  R.  Suchier  (Stutt- 
gart, Hoffmann,  1858,  3  Thle.).     Buch  II  von  J.  Boschl,  Speier  1850.  4. 


244  f.  Ovidius  (MetamorpliOBen  n.  Fasti.    Tristia).  511 

6.  Trist.  II,  549  ff.:  sex  ego  Fastorum  scripsi  toÜdernque  libellos, 
cuinque  sno  finem  mense  yolumen  habet,  idque  tuo  nuper  Bcriptum  sub 
nomine,  Caesar,  et  tibi  sacratum  s^rs  mea  rupit  opus.  Das  erhaltene  Werk 
ist  viebnehr  dem  Germanicus  (unten  270,  4  f.)  gewidmet,  wie  auch  noch 
andere  Spuren -(z.  B.  IV,  78  —  84)  darauf  hinweisen  dass  Ovid  in  Tomi, 
nach  dem  Tode  Augusts,  das  Fertige  einer  Umarbeitung  unterwarf  (Merkel, 
Quaest.  Ovid.  criticae,  Halle  1835:  de  tempore  quo  Oyidii  Fasti  scripti 
fuerint  librorumque  di versa  condicione;  sowie  Praef.  seiner  Ausgabe  der 
Fasti  p,  CCLVII— CCLXIX.  V.  Lörs,  commentarii  in  Ov.  Fast.  part.  I, 
Trier  1851.  4.).  üeber  den  Inhalt  s.  Fast.  I,  1  f.:  tempora  cum  causis  latium 
digesta  per  annum  lapsaque  sub  terras  ortaque  signa  canam.  7  f.:  sacra 
recognosces  annalibus  eruta  priscis  et  quo  sit  merito  quaeque  notata  dies. 
IV,  11  f.:    tempora  cum  causis  annalibus  eruta  priscis   lapsaque  .  .  cano 

wie  I,  2).  Im  astronomischen  Theile  fehlt  es  nicht  an  irrigen  Angaben  (Pfaff 
;  ortu  .  .  siderum,  p.  62  ff.  Ideler  in  den  Abhandl.  der  Berl.  Akad.  1822, 
37  ff.),  die  Ovid  seinen  Quellen  (hauptsächlich  dem  Clodius  Tuscus,  meint 
Merkel,  s.  unten  258,  6)  verdanken  mag.  Glaublich  ist  dass  den  Anstoss 
zur  Wahl  dieses  Stoffes  das  unvollendete  fünfte  Buch  des  Propertius  gab 
(Merkel  p.  CCXLVITI  ff.).  In  seinen  national  geschichtlichen  Theilen  ent- 
hält das  Werk  viele  werthvolle  Nachrichten.  Die  elegische  Form  zeigt  sich 
vielfach  dem  erzählenden  Inhalte  weniger  angemessen.  Unter  den  zahl- 
reichen Handschriften  der  Fasti  sind  die  ältesten  (saec.  IX)  und  wichtigsten 
der  Petavianus  I  (A  bei  Merkel) ,  Arundelianus  (B)  und  Vossianus  (C) ;  s.  die 
Aufzählung  bei  Merkel  p.  CCLXXI  — CCLXXXII  und  der  interpolati  ib.  p. 
CCLXXXII— CCXCIV.  Dazu  y.  Lörs,  de  tribus  Ov.  Fast.  codd.  rass.  (nebst 
var.  lect.  des  cod.  Trevir»),  Trier  1857.  74  pp. 

7.  Neuere  Ausgaben  der  Fasti  von  G.  E.  Gierig  (Lips.  1812—1814,  2  Voll.) 
und  besonders  R.  Merkel  (ed.  et  interpr.,  Berol.  1841;  vgl.  W.  Hertzberg, 
Zeitschr.  f.  d.  Alt.  Wiss.  1846,  Nr.  19  —  21.  31  —  34).  Schulausgaben  von 
J.  Ph.  Krebs  (Wiesbaden  1826),  J.  Conrad  (Lips.  1831). 

Observationes  in  Ovidii  Fast,  von  W.  Gesenins  (Altona  1806.  130  pp.), 
J.  Chr.  Elster  (Helmstädt  1840.  4.). 

Uebersetzungen  von  E.  F.  Metzger  (Stuttgart,  Metzler,  5  Bdchn.)  und 
E.  Klussmann  (Stuttgart,  Hoffmann,  1859). 

8.  Gleichfalls  noch  in  der  letzten  Zeit  vor  seiner  Verbannung  (J.  761 
oder  762)  verfasste  Ovid  eine  Elegie  auf  den  Tod  des  Messala  (oben  218,  8); 
s.  ex  Pont.  I,  7,  30:  cui  nos  .  .  dedimns  medio  scripta  canenda  foro. 

245.  Aus  der  Zeit  der  Verbannung  Ovids  sind  die  fünf234 
Bücher  Tristia,  theilweise  schon  auf  der  Reise  nach  Tomi  ver- 
fasst,  und  deren  Fortsetzung,  die  vier  Bücher  Briefe^  ex  Ponto, 
an  bestimmte  beim  Namen  genannte  Personen  gerichtet  und 
weniger  gefeilt;  ferner  Ibis,  ein  Schraähgedicht  im  elegischen 
Masse  und  im  Anschluss  an  Kallimachos,  gegen  einen  Unge- 
nannten zu  Rom  der  dem  Verbannten  zu  schaden  suche.    Nicht 


512  Augusteische  Zeit.   .T.  711—767  d.  St. 

erhalten  sind  die  gleichfalls  zu  Tomi  geschriebenen  Lobgedichte 
auf  Augustus  und  Tiberius,  auf  Ersteren  sogar  eines  in  der  ge- 
tischen  Landessprache;  unvollendet  hinterlassen  ist  das  Lehr- 
gedicht über  die  Fische  des  schwarzen  Meeres  (Halieutica), 
wohl  nach  alexandrinischen  Vorbüdern. 

1.  Die  Sammlung  der  Tristia  kann  wegen  V,  3  nicht  vor  dem  Früh- 
ling 766  abgeschlossen  worden  sein.  Buch  II  besteht  aus  einem  inhalts- 
reichen und  lebendigen  Briefe  an  August.  I,  3  schildert  die  Abreise  aus  Rom. 
Besonders  rührend  sind  die  Briefe  des  Dichters  an  seine  Gattin  (I,  6.  III,  3. 
IV,  3.  V,  5.  11.  14).  Ausgaben  mit  ex  Ponto  von  Verpoorten  (Coburg  1712), 
Th.  Chr.  Harless  (Erlangen  1772),  J.  J.  Oberlin  (Strassburg  1726.  1778);  der 
Tristia  allein  von  F.  Th.  Platz  (Hannover  1826),  Klein  (Coblenz  1826),  R. 
Merkel  (Berol.  1837),  V.  Lörs  (Trier  1839).  Beiträge  zur  Handschrifbenkunde 
und  Kritik  von  J.  P.  Binsfeld  (Quaestiones  Ovid.  criticae,  I.  Bonn  1853.  8. 
II.  Cöln  1865.  4.  III.  Rhein.  Mus.  XIV.  p.  30  —  40;  Observationes  0.  er., 
Bonn  1860.  4.).  Uebersetzung  von  H.  Wölffel  (Stuttgart,  Metzler,  Rom. 
Dichter  69  u.  70)  und  AI.  Berg  (mit  Pont.^  Ibis  und  Halieut.,  Stuttgart, 
Hoffmann,  1865,  2  Bdchn.). 

2.  Die  Briefe  ex  Ponto  sind  meist  aus  dem  J.  766 f.,  die  Mehrzahl  im 
vierten  Buche  aber  aus  J.  767  — 769;  s.  Wölffel  S.  2053—2067.  Verhältniss 
zu  den  Tristia;  s.  Pont.  I,  1,  16 — 18:  non  minus  hoc  illo  triste  quod  ante 
dedi.  rebus  idem  titulo  differt,  et  epistola  cui  sit  non  occultato  nomine 
missa  docet.  Die  Wortfülle  ist  unerschöpflich  und  auch  in  Bezug  auf  Ab- 
wechslung das  Mögliche  gethan;  nur  kann  diess  nach  der  Natur  des  Gegen- 
standes nicht  viel  sein.  Wiederholungen  und  Sorglosigkeiten  aller  Art,  in 
Gedanken,  Sprache <ind  Versbau,  sind  in  diesen  Erzeugnissen  einer  gedrückten 
Stimmung  nicht  selten.  Auch  die  Schmeichelei  gegen  Personen  übersteigt 
oft  die  Grenze  des  Zulässigen.  Die  Haupthandschriften  für  diese  Briefe 
sind  (ausser  dem  Wolfenbüttler  Bruchstück  saec.  VI  oder  VII)  der  Hamburg, 
und  der  von  Harless  (s.  A.  1)  verglichene  Bavaricus  (in  München),  beide 
saec.  XII;  die  andern  sind  interpoliert.  Kritische  Ausgabe  von  0.  Korn  (ad 
codicum  fidem  emendavit,  adparatu  critico  instruxit,  Lips.  Teubner  1868). 
B.  Dinter,  de  Ovid.  ex  P.  libris  comm.  I.  Grimma  1868.  4.  II.  1866.  4. 
0.  JKorn,  Bemerkungen  zur  Handschriftenkunde  der  B.  ex  P.,  Wesel  (Berlin) 
1866.  4.;  de  carm.  Ov.  ex  P.  datorum  compositione  strophica,  Rhein.  Mus. 
XXII.  p.  201—216.  Uebersetzt  von  H.  Wölffel  (mit  Einleitung  und  Anm., 
Stuttgart,  Metzler,  1868,  2  Bdchn.)  und  A.  Berg  (s.  A.  1). 

3.  Der  Titel  Ibis  rührt  von  dem  ähnlichen  Gedichte  des  Kallimachos 
gegen  Apollonios  aus  Rhodos  her  (v.  55  ff.).  Verfasst  in  der  ersten  Zeit 
des  Aufenthalts  in  Tomi  (v.  1),  veröffentlicht  aber  vielleicht  (vgl.  Pont.  IV, 
14,  44:  exstat  adhnc  nemo  saucius  ore  meo)  erst  später,  da  die  Vermutung 
von  Wölffel  (Uebersetzung  der  Pont.  Br.  S.  2068  —  2070)  Wahrscheinlichkeit 
hat,  dass  dieses  Gedicht  als  fünftes  Buch  der  Briefe  ex  Ponto  gedacht  sei 
und  darin  eine  ähnliche  Stellung  einnehmen  sollte  wie  in  den  Tristia  Buch  IL 
Der  Name  des  Angegriffenen  wird  vorerst  noch  verschwiegen  (v.  9.  61  f.  61  f. 
037  f.),  für  später  aber  eigentliche  lamben  und  -Nennung  desselben  angedroht 


246  f.    Ovidins  (Tristia,  ex  Ponto,  Ibis.   Halient.  u.  A.).  513 

(v.  63  f.  641  f.).  Nach  y.  19  (debuerat)  sollte  man  ihn  ffir  einen  Verwandten 
oder  früheren  Freund  des  Dichters  halten.  Die  Ineongruenz  von  Form 
und  Inhalt  erkennt  Ovid  selbst  an  (v.  46),  sowie  dass  des  Eallimachos 
ambages  und  entlegenen  (caecae)  Geschichten  (bes.  mythologische)  sonst 
nicht  seine  Sache  seien  (v.  67  —  60).  Ausgaben  an  den  Tristia,  namentlich 
von  R.  Merkel  (mit  einer  prolusio  ad  Ibin,  p.  333 — 408),  wo  auch  (p.  460 
bis  476)  ein  vetus  interpres  Ibidis.  Uebersetzt  (mit  Halieut.  u.  Nux)  von 
H.  Wölffel  (Stuttgart,  Metzler,  1867)  u.  A. 

4.  Plinius  N.  H.  XXXII,  6:  mihi  videntur  mira  et  quae  Ovidius  prodidit 
piscium  ingenia,  in  eo  volumiae  quod  Halieuticon  inscribitur.  ib.  64:  his 
adiciemus  ab  Ovidio  posita  nomina,  quae  apud  neminem  alium  reperiuntur; 
sed  fortasse  in  Ponto  nascuntur,  ubi  id  volumen  supremis  suis^temporibus 
incohavit.  Im  Quellenverzeichniss  zu  B.  31  ex  .  .  Ovidio,  und  zu  B.  32  ex 
.  .  Ovidio  poeta.'  Der  undankbare  Stoff  ist  mit  wenig  Glück  in  (132)  Verse 
gebracht,  die  Authentie  aber  nicht  zu  bezweifeln.  Herausgegeben  (mit 
Gratius  u.  A.,  s.  248,  1)  von  M.  Haupt,  Lips.  1838.  A.  Zingerle,  de  Hai. 
fragmento  Ovidio  non  abiudicando,  Verona  1866.  28  pp. 

6.  Gedicht  auf  den  Triumph  des  Tiberius  (16.  Januar  766  d.  St.),  wozu 
das  Begleitschreiben  an  Rufinus,  ex  Pont.  HI,  4. 

6.  Linguistisch  sehr  bedauerlich  ist  der  Untergang  des  getischen  Ge- 
dichtes zu  Ehren  des  Augustus,  seines  Nachfolgers  und  seiner  Familie,  wo- 
rüber s.  ex  Pont.  IV,  13,  19  ff.  vgl.  HI,  2,  40. 

7.  Anderes  Gedicht  auf  den  Tod  des  Augustus,  s.  ex  Pont.  IV,  6,  17  f. 

246.  Das  Ansehen  welches  Ovid  während  des  ersten  christ-235 
liehen  Jahrh.  in  den  Rhetorschulen  und  bei  den  Dichtem  noch 
länger  genoss^  sowie  die  Leichtigkeit  seiner  Verse  gab  Veran- 
lassung dass  frühzeitig  und.  dann  wieder  im  Mittelalter  Erzeug- 
nisse namentlich  im  elegischen  Masse  sich  unter  seinen  Namen 
stellten.  So  die  gewiss  alte  Elegie  Nux,  und  im  Mittelalter 
Scherzgedichte  wie  die  elegia  de  pulice,  pediculo,  vetula,  die 
Verse  de  philomela  u.  A.^  und  ganz  zuletzt  die  Consolatio  ad 
Liviam. 

1.  Der  Philosoph  Seneca  verr&th  seine  Geistesverwandtschaft  mit  Ovid 
auch  durch  die  Vorliebe  womit  er  diesen  citiert,  wie  de  benef.  IV,  14,  1. 
V,  15,  3.  nat.  quaest.  II,  44,  1.  III,  1,  1.  20,  3.  26,  4.  Ebenso  erhellt  aus 
der  Häufigkeit  womit  Quintilian  ihn  berücksichtigt  seine  Geltung  in  den 
Rhetorschulen  der  Zeit.  Unter  den  Dichtem  aber  zählt  L.  Müller,  de  re 
metr.  p.  136,  freilich  mit  etwas  freigebiger  Hand,  folgende  als  Nachahmer 
Ovids  (im  Metrischen)  auf:  Lncanus,  Homerus  latinus,  Calpumius,  anctor  ad 
Pisonem,  Seneca,  qui  scripsere  Priapea,  Palladius,  Nemesianus,  Claudianus, 
Butilius,  Merobaudes,  Avianus,  Sedulius,  Arator,  Boethius,  et  plerique 
poetarum  minorum.   Ein  ovidianus  poeta  bei  Gruter  p.  446,  8. 

2.  Im  Mittelalter  waren  besonders  die  Metamorphosen  (s.  oben  244,  2) 
sowie  die  Heroides  viel  gelesen,  benützt  und  nachgeahmt;  s.  E.  Bartsch, 

Tbüttbi.,  Böm.  Literaturgesohlohte.  2.  Aufl.  33 


514  Augusteißche  Zeit.   J.  711—767  d.  St. 

Albrecht  von  Halber&tadt  und  Ovid  im  Mittelalter,  Quedlinb.  1861.  CCLX 
und  501  S.  H.  Dunger,  die  Sage  vom  trojanischen  Erlege  (Dresden  1869) 
S.  26.  28.  33  f.  39.  43.  46.  49  —  61.  53  —  68.  76  f.  79  f. 

3.  Von  den  Priapeia  wird  Nr.  2  von  Sen.  controv.  1,  2,"  22  (p.  77,  6  f. 
Bu.)  dem  Ovid  zugeschrieben  (Ovidianum  iUud:  inepta  loci,  welche  Stelle 
sich  Priap.  2,  8  findet).  Glaublich  ist  dass  auch  andere  Stücke  dieser 
Sammlung  von  Ovid  herrühren  (vgl.  Wernicke,  Priapei.  p.  120—124.  126 
— 131),  obwohl  nicht  mit  Sicherheit  zu  ermitteln  ist  welche.  Diejenigen 
aber  welche  mit  ovidischen  Stellen  übereinstimmen  werden  am  ehesten 
Andern  als  ihm  selbst  beizulegen  sein. 

4.  Die  Elegie  Nux  (182  Verse)  ist  etwas  redselig  und  mit  mancherlei 
rhetorischem  Schmuck  ausgestattet  (z.  B.  v.  108ff.  17o£P.),  aber  von  fliessendem 
Versbau  und  theilweise  anmutiger  Darstellung.  Der  Stoff  ist  nicht  schlecht 
gewählt,  eine  Klage  des  Nussbaumes  über  Misshandlung,  mit  schmerzlichen 
Bückblicken  auf  bessere  Zeiten  und  Sitten  (z.  B.  v.  23  f.).  Caesar  .  .  deus 
V.  142  ff.  Nichts  hindert  das  Gedicht  der  ovidischen  Zeit  nahe  zu  rücken. 
L.  Müller,  de  re  metr.  p.  49.  vgl.  A.  Biese  in  Fleckeisen's  Jahrbb.  101,  S.  282. 
Abgedruckt  z.  B.  in  W.  E.  Weber  s  Corpus  poett.  latt.  p.  1393  f.  und  mit 
Commentar  von  F.  Lindemann,  Zittau  1844.  4.  Uebersetzt  von  H.  Wölffel 
(s.  246,  3  E). 

5.  Sammlung  der  meisten  ovidischen  Apokrypha  bei  Goldast,  Catalecta 
Ovidii,  Francof.  1610.  Mittelalterlichen  Ursprungs  sind  die  Verse  de  philo- 
mela  (oben  23,  5),  in  pediculos,  de  medicaminc  aurium  (Hdschr.  in  Bern, 
Sinner  I.  p.  543  ff.),  de  pulice  (von  Ofilius  Sergianus),  Somnium,  und  die 
drei  Bücher  de  vetula,  über  welche  s.  Hipp.  Coch^ris,  La  Vieille,  ou  les 
derniers  amours  d'Ovide,  poöme  fran9aiB  du  XIV  si^cle,  traduit  du  latin 
de  Bich.  de  Fournival  par  J.  Lefevre,  publie  et  pr^cdd^  'de  recherches  sur 
Tauteur  de  Vetula,  Paris  1861.  De  anulo  stellt  bei  Ovid.  Amor.  II,  15  und  ist 
nur  mehrfach  in  Hdss.  mit  unechten  Stücken  zusammengeschrieben  (L.  Müller). 

6.  Von  der  Consolatio  ad  Liviam  Augustam  de  morte  Drusi  Neronis 
(z.  B.  bei  Weber,  Corpus  poett.  latt.  p.  1389  — 1.S92),  welche  Scaliger  dem 
Pedo  Albinovanus  zutheilen  wollte,  gibt  es  gar  keine  Handschrift,  vielmehr 
erscheint  dieselbe  erstmals  in  der  editio  princeps  des  Ovid  vom  J.  1471. 
Der  hierdurch  entstehende  Verdacht  dass  sie  erst  im  15.  Jahrh.  von  einem 
Italiener  verfasst  sei  wird  fast  zur  Gewissheit  erhoben  durch  den  Mangel 
alles  thatsächlichen  Inhaltes  der  nicht  aus  bekannten  Schriftstellern  zu  ge- 
winnen wäre,  die  zahlreichen  ovidischen  Beminiscenzen  und  die  moderne 
F&rbung  der  Gedanken.  Vgl.  M.  Haupt,  Epicedion  Drusi  cum  commentariis, 
Lips.  1849.  38  pp.  4.;  mit  wenig  Erfolg  bekämpft  von  Adler,  de  Ovidii 
consolatione  etc.,  Anclam  1851.  4. 

7.  Die  wichtigsten  Gesammtausgaben  der  ovidischen  Gedichte  sind: 
ed.  princeps  gleichzeitig  eine  zu  Bologna  (1471  fol.)  und  zu  Bom  (1471  f. 
foL  2  Voll.).  Aldina  3  Voll.  1503  und  (von  A.  Naugerius)  1615  f.  luntina  (von 
A.  Francinus  u.  A.),  Flor.  1525,  3  Voll.  Anmerkungen  von  Herc.  Ciofanius 
aus  Sulmo,  gesammelt  Antverp.  1583,  auch  in  G.  Bersmanns  Ausgaben 
(Lips.'  1582  —  1620).  Ausgaben  von  D.  Heinsius  (Lugd.  Bat.  1629,  3  Voll.), 
besonders  aber  Nicolaus  Heinsius  (Amstelod.  1652.  1658,  am  besten  1661, 


246  f.   OvidiuB  (Unechte»).   Ponticua  u.  A.  -515 

8  Voll.;  N.  Heinsii  comm.  in  Ov.  ed.  J.  F.  Fischer,  Lips.  1758,  2  Partes). 
Vermehrung  des  ErklärongsstofFes  durch  P.  Bnrmann  (Amstelod.  1727.  4. 
Praefatio  ib.  1756.  4.).  Texte  von  Miller  (Berol.  1757.  4  Voll,),  J.  F.  Fischer 
(Lips.  1758,  2  Voll.),  Bipont.  1788  (8  Voll.),  Chr.  W.  Mitscherlich  (Gotting. 
1796—1798,  2  Voll.;  1819),  J.  Chr.  Jahn  (Lips.  1828  —  1832,  2  Voll.,  un- 
vollendet), in  W.  E.  Weber*8  Corpus  poetarum  latinorum  (Francof.  1838), 
und  besonders  rec.  R.  Merkel,  Lips.  (Teubner)  1858  f.  8  Voll.  Ed.  AI.  Riese, 
Lips.  Tanchnitz,  Vol.  I.  1871. 

8.  M.  Isler,  Eclogae  Ovidianae,  Hanaiburg  1853.  Ovidii  carmina  selecta 
in  UBum  schol.  ed.  C.  L  Grysar,  Wien  1854. 

9.  Beiträge  zur  Textkritik  (Quaest.  Ovid.  criticae)  von  R.  Merkel  (s.  244, 
6),  Linder  (üpsala  1852),  J.  P.  Binsfeld  (oben  246,  1),  G.  M.  Thomas  (Sym- 
bolae  erit.,  München  1840;  Ztschr.  f.  östr.  Gymn.V.  S.  261—279),  H.  Schütze 

(Quaest  L  Spandau  1861.  4.),  A.  Rothmaler  (Emend.Ov.,  Nordhausen  1870.  4.). 

• 

247.  Unter  den  Freunden  des  Ovid  die  sich  selbst  auch286 
niiit  Dichtungen  versuchten  sind  die  ältesten  der  auch  mit  Pro- 
pertius  befreundet«  Epiker  Ponticus,  der  üebersetzer  Tuticanus^ 
sodann  der  jüngere  Mac  er,  der  den  troischen  Mythenkieis 
episch  behandelte^  und  Sabinus,  der  Verfasser  von  Antworts- 
briefen auf  die  des  Ovidius  und  von  einem  Werke  ähnlich  den 
Fasti  des  Letzteren;  weiterhin  Cornelius  Severus,  ein  Epiker  der 
seinen  Stoff  aus  der  nächsten  Vergangenheit  wählte  (bellum 
siculum);  Pedo  Albinovanus,  Verfasser  sowohl  einer  Theseis  als 
eines  Epos  dessen  Gegenstand  aus  der  Zeitgeschichte  entnommen 
war,  sowie  von  Epigrammen;  u.  A.  Ausserhalb  dieses  Kreises 
entnahmen  Rabirius  und  Sextilius  Ena  aus  Corduba  ihre  Stoffe 
dem  letzten  Bürgerkriege.  Die  meisten  Epiker  aber  wandten 
sich  dem  alexandrinischen  Geleise  zu,  und  neben  Homer  wurden 
auch  die  Kykliker.  ausgebeutet.  Solche  Epen  mit  mjrthischem 
Gegenstande  verfassten  auch  lulus  Antonius  und  Largus,  Came- 
rinus,  Lupus,  Abronius  Silo  u.  A. 

1.  Trist.  IV,  10,  47:  Ponticus  heroo,  Bassus  quoque  clarus  iambo 
dulcia  conyictus  membra  fuere  mei.  Auf  des  Ersterea  Namen  ist  vielleicht 
angespielt  ex  Pont.  IV,  16,  21  f.:  velivolique  maris  yates,  cui  credere  possis 
carmina  caeruleos  composuisse  deos  (anders  0.  Haube,  carm.  ep.  p.  19  f.). 
Dass  er  eine  Thebais  verfasste  erhellt  aus  Prop.  I,  7,  1  —  8:  dum  tibi  Cad- 
meae  dicuntur,  Pontice,  Thebae  armaque  iratemae  tristia  militiae,  atque, 
ita  sim  felix,  primo  contendis  Homero  etc.  vgl.  ib.  9,  9  ff.:  quid  tibi  nunc 
misero  prodest  grave  dicere  Carmen  aut  Amphioniae  moenia  flere  lyrae? 
Er  wird  sich  also  wohl  an  Antimachos  angelehnt  haben.  Zur  Zeit  von 
Pont.  IV,  16  scheint  er  noch  gelebt  zu  haben. 

2.  Tuticanus  wird  als  Jugendfreund  und  Altersgenosse  des  Ovid  be- 
zeichnet ex  Pont.  IV,  12,  20  ff.    Ausser  diesem  Briefe  ist  auch  14  an  ihn 

33* 


516     .  Augusteische  Zeit.   J.  711—767  d.  St. 

gerichtet,  beide  mit  der  Bemerkung  dass  der  (trochUische)  Name  sich  dem 
daktylischen  Masse  nicht  fügen  wolle.  Daher  wird  auch  sein  Name  vermie- 
den ib.  16,  27:  et  qui  maeoniam  Phaeacida  vertit  (Uebersetcer  der  Odyssee). 
Dass  aber  er  gemeint  ist  erhellt  aus  ib.  12 ,  27  f. :  dignam  maeoniis  Phaea- 
cida condere  chartis  cum  te  Pierides  perdocuere  deae.  Dass  er  es  mit  der 
Form  streng  nahm  zeigt  ib.  25  f.    ^ 

3.  Mac  er  (zu  unterscheiden  von  dem  älteren  Didaktiker,  oben  219,  6  ff.), 
Ovids  Reisegefährte  in  Asien  und  Sicilien  (Pont.  II,  10,  21  —  28.  31  —  42). 
Iliacus  nennt  ihn  dieser,  Pont.  lY,  16,  6;  und  er  behandelte  sowohl  den 
der  Dias  vorausliegenden  Stoff,  also  Antehomerica  (Am.  II,  18,  If.:  Carmen 
ad  iratum  dum  tu  perducis  Achillen  primaque  iuratis  induis  arma  viris, 
nos.  Macer,  .  .  cessamus),  als  das  ihr  Nachfolgende,  also  Posthomerica 
(Pont,  n,  10,  13 f.:  tu  canis  aeterno  quidquid  restabat  Homero,  ne  careant 
summa  troica  bella  manu),  ohne  Zweifel  nach  den  Eyklikem.  Vielleicht 
ist  er  der  Macer  bei  Quintil.  VI,  3,  96  (s.  oben  219,  6).  Viele  Wahrschein- 
lichkeit hat  die  Annahme  (von  J.  B.  Pius,  Wemsdorf,  Walther,  Wölffel 
u.  A.)  dass  er  identisch  sei  mit  dem  (Enkel  des  Pompejaners  Theophanes 
aus  Mytilene)  Pompeius  Macer  welchem  Augustus  ordinandas  bybliothecae 
delegaverat  (Suet.  Caes.  66  extr.)  und  dessen  Sohn  wohl  der  Prätor  des 
J.  768  d.  St.  Pompeius  Macer  (Tac.  A.  I,  72,  vgl.  VI,  18  praetorius)  war, 
welcher  sich,  zugleich  mit  seinem  Vater  (illustris  eques  rom.,  Tac.  A.  VI,  18), 
J.  786  =»  33  n.  Chr.  den  Tod  gab,  als  seine  Schwester  Pompeia  Macrina 
maiestatis  angeklagt  und  der  Verurteilung  nahe  war  (Tac.  A.  VI,  18). 

4.  Ovid.  Amor.  II,  18,  27:  mens  Sabinus.  Pont.  IV,  16,  13—16:  et 
qui  Penelopae  rescribere  iussit  ülixen  (vgl.  Amor.  II,  18,  27  —  34),  .  .  qui- 
que  suam  Trisemem  (? Merkel  ed.  Fast.  p.  CGLIV:  heroon,  sehr  unwahr- 
scheinlich neben  rescribere  iussit  etc.;  besser  Heinsius:  Troezena,  als  Heimat 
des  Theseus  und  Hippolytos)  imperfectumque  Dierum  (Gläser,  Rhein.  Mus.  I. 
S.  437  ff.)  deseruit  celeri  morte  Sabinus  opus.  Das  Epos  dessen  Titel  ver- 
dorben überliefert  ist  war  also  vollendet.  Der  Zeit  nach  könnte  er  der  bei 
Hör.  Ep.  I,  5,  27  genannte  Sabinus  sein.  Sein  Gentilname  ist  nicht  bekannt. 
Vgl.  noch  oben  243,  4. 

5.  Quintil.  X,l,  89:  Cornelius  Severus,  etiamsi  sit  versificator  quam 
poeta  melior,  si  tamen  ad  exemplar  primi  libri  bellum  Siculum  (mit  Sei. 
Pompejus,  J.  716  ff.)  perscripsisset,  vindicaret  sibi  iure  secundum  locum  (unter 
den  röm.  Epikern).  Valer.  Prob,  in  Eichenfeld  und  Endlicher  Analect  gramm. 
p.  216:  Cornelius  Severus  rerum  romanarum  lib.  I  dicit:  pelagum  pontum- 
que  moveri.  Da  Ovid.  Pont.  FV,  16,  9  nur  von  ^inem  Carmen  regale  spricht 
welches  Severus  Latio  dedit,  so  war  das  b.  sie.  wohl  ein  Bestandtheü  dieses 
grossem  Werkes.  Aus  diesem  Epos  wohl  das  Citat  bei  Sen.  snas.  2,  12 
(p.  14,  13  f.  Bu.),  der  anovdatimv  bei  Schol.  Pers.  I,  9^,  die  Anfuhrungen 
bei  Charis.  p.  80,  7  f.  81,  16  f.  86,  7  ff.  100,  24  f.  107,  29  f.  Diomed.  p.  378, 
2  f.  E.,  sowie  die  Beschreibung  des  Aetna  von  welcher  Sen.  Ep.  79,  6 
spricht  (vgl.  Appian.  b.  c.  V,  117).  Daraus  auch  die  25  beredten  und  wohl- 
gebauten Hexameter  über  den  Tod  des  Cicero  bei  Sen.  suas.  6,  26  (mit  der 
Einleitung:  nemo  ex  tot  disertissimis  viris  melius  Ciceronis  mortem  deflevit 
quam  Severus  Cornelius).    Unsicher  sind   die  Citate  bei  Charis.  p.  287,  4 


247.   Maccr,  SabinuB,  Cornelius  Severus,  Pedo  u.  A.  517 

(ohno  Nennung  des  Namens)  und  p.  105,  19,  wo  die  Lücke  aus  dem  gramm. 
de  gener.  nom.  p.  94  H.  ergänzt  und  dann  fortgefahren  wird:  cuius  (des 
Com.  Sev.?)  moveremur,  inquit  Plinius,  auctoritate,  si  quidquam  eo  car- 
mine  puerilius  dixisset.  Zweifelhaft  ist  ferner  Diomed.  p.  375,  22  K.,  wo 
nach  SeveruB  das  durch  Priscian.  X,  57  (p.  546  f.  Htz.)  erhaltene  (cormpte?) 
Citat  (in  VIU  de  statu  suo:  ad  quem  etc.)  ausgefallen  zu  sein  scheint,  das 
bis  jetzt  in  keine  metrische  Form  gebracht  ist  die  der  Eleganz  der  son- 
stigen üeberreste  des  Corn.  Sev.  entspräche,  so  dass  man  wohl  an  Cassius 
Sev.  denken  darf.  An  Com.  Sev.  ist  gerichtet  Ovid.  ex  Pont.  IV,  2  (v.  1  : 
0  vates  magnomm  maxime  regum:  11  f.:  fertüe  pectus  habes  interque  He- 
licona  colentes  uberius  nuUi  provenit  ista  seges,  nämlich  carmina),  und 
wohl  auch  I,  8  (v.  2:  pars  animae  magna.  Severe,  meae;  25:  o  iucundc 
sodalis),  trotzdem  dass  IV,  2  Ovid  sich  entschuldigt  eius  adhuc  nomen 
nostros  tacuisse  libellos  (v.  3).  Im  Allgemeinen  s.  Wemsdorf ,  poetae  latt. 
min.  IV.  p.  25 — 27^  und  die  üeberreste  ib.  p.  217  —  228.  J.  Becker,  Ztschr. 
f.  d.  Alt.  Wiss.  1848,  Nr.  74  f.  S.  587  ff.  0.  Haube,  de  carm.  ep.  (Bresl. 
1870)  p.  10—14. 

6.  Pedo  Albinovanus  (Sen.  Ep.  122,  15;  Alb.  Pedo  bei  Sen.  controv. 
p.  138,  7  »  351,  19  Bu.),  doctus  bei  Martial.  11,  77,  5  (oben  238,  2),  sidereus 
bei  Ovid.  Pont.  PV,  16,  6;  carissime  ib.  IV,  10,  3.  Wahrscheinlich  ist  er  der 
praef.  eqq.  Pedo  bei  Tac.  A.  I,  60.  Der  Philosoph  Seneca  kannte  ihn  noch 
persönlich  und  nennt  ihn  fabulator  (mündlich)  elegantissimus  (Ep.  122,  15  f.). 
Witzwort  von  ihm  bei  Quintil.  VI,  8,  61  vgl.  Sen.  controv.  II,  10,  12  (p.  138 
Bu.).  Als  Epiker  überhaupt  beurteilt  von  Quintil.  X,  1,  90:  Babirius  ac 
Pedo  non  indigni  cognitione,  si  vacet.  üeber  seine  Theseis  s.  Ovid.  Pont.  FV, 
10,  71.  75  ff.  Von  einem  Epos  mit  römischem  Stoffe  Sen.  suas.  1,  14  f.: 
latini  declamatores  in  descriptionem  Oceani  non  nimis  viguerunt.  .  .  nemo 
illorum  potuit  tanto  spiritu  dicere  quanto  Pedo,  qni  navigante  Germanico 
(vgl.  Tac.  A.  II,  23  f.)  dicit:  iam  pridem  etc.  Folgen  24  Hexameter  von 
wohltönendem  Bau,  ihrem  Inhalt  nach  aber  phraseologisch  (commentiert  bei 
Wemsdorf,  poetae  latt.  min.  IV.  p.  229—236,  vgl.  M.  Haupt  im  Hermes  III. 
p.  209  f.).  0.  Haube,  de  carm.  ep.  (1870)  p.  14  ff.  bezieht  auf  ihn  auch  Priscian. 
Vn,  6,  22  (p.  304,  20  ff.  H.):  Albinus  rerum  romanamm  I  (folgen  drei"  He- 
xameter), Albinovanus  schreibend.  Als  Epigrammatiker  Nachfolger  des 
Domitius  Marsus;  s.  oben  238,  2. 

7.  Carus  (Ctentilnäme  unbekannt),  Erzieher  der  Söhne  des  Germanicus 
(Pont.  IV,  13,  47  f.),  non  dubios  inter  sodales,  vere  caras  (ib.  1  f.  vgl.  Trist. 
III,  5,  17  f.).  Gemeinsame  (dichterische)  Bestrebungen,  Pont.  IV,  13,  43. 
Anspielung  auf  sein  Epos  über  Hercules  ib.  11  f.  und  16,  7  f.:  et  qui  lu- 
nonem  laesisset  in  Hercule  (durch  Besingung  desselben)  Carus,  lunonis  si 
non  iam  gener  ille  foret.  Vgl.  Sen.  Herc.  Oet.  1441,  sowie  Octavia  216  f.: 
nee  lunonis  iam  timet  iras,  cuius  gener  est  (L.  Müller). 

8.  Aufzählung  von  Epikern  mit  mythologischem  Stoffe  bei  Ovid  ex 
Pont.  IV,  16,  17  — 19:  ingeniique  sui  dictus  cognomine  Largus,  gallica 
qui  phrygium  duxit  in  arva  senem.  quique  canit  domito  Camerinus  ab 
Hectore  Troiam.  ib.  25  f.:  Trinacriusque  suae  Perseidos  auctor,  et  auctor 
Tantalidae  reducis  Tyndaridosque  Lupus.    Largus,   der  hienach  die  my- 


518  Augusteische  Zeit.   J.  711—767  d.  St. 

thische  Ansiedlung  des  Antenor  im  cisalpinischeii  Gallien  behandelte,  wird 
für  den  treulosen  Freund  und  Ankläger  des  Cornelius  Gallus,  Valerius 
Largus  (Dio  LUX,  23  f.),  gehalten.  Camerinus,  welcher  den  Fall  Troja's 
zum  Gegenstande  wählte,  könnte  der  Q.  Sulpicins  Camerinus  sein  welcher 
J.  762  Consul  war.  Den  Lupus  (welcher  ein  Epos  über  die  Bückkehr  des 
Menelaos  und  der  Helena  verfasste)  identificiert  man  mit  dem  Bhetor  Ru- 
tilius  Lupus  (unten  266).  Trinacrius  (=  Siculus?)  ist  schwerlich  Eigenname; 
eine  Perseis  hatten  die  Griechen  Choirilos  und  Musaios  geschrieben.  Vgl. 
MerkeFs  Ausg.  der  Tristia  etc.  p.  376  f.  Den  Tuscus,  welcher  Ov.  Pont.  IV, 
16,  20  (quique  sua  nomen  Phyllide  Tuscus  habet)  zwischen  lauter  Epikern 
genannt  wird,  hält  Merkel  (p.  373)  für  den  Grammatiker  Clodius  Tuscus 
(unten  268,  6).    üeber  lulus  Antonius  s.  oben  237,  6. 

9.  Yellej.  Pat.  II,  36,  3:  inter  quae  (ingenia)  maxime  nostri  aevi  emi- 
nent princeps  carminum  Vergilius  Rabiriusque  (wogegen  Horaz  in  der 
Aufzahhmg  fehlt!).  Verständiger  Quintil.  X,  1,  90  (oben  Anm.  6.).  Ovid 
Pont.  IV,  16,  6:  magnique  Rabirius  oris.  Ein  Hexameter  von  Rabirius  bei 
Charis.  I.  p.  66,  9  f.  E.  Anderes  beim  Anonymus  de  generibus  nominmn 
(Giessen  1860.  4.)  Nr.  107.  110.  316  =-  p.  78,  11  f.  17  f.  99,  8  f.  an  Haupt's 
Halieut.,  und  Rhein.  Mus.  III.  S.  307  f.  Ueber  den  Gegenstand  seines  Epos 
s.  Sen.  de  benef.  VI ,  3 ,  1 :  egregie  mihi  videtur  M.  Antonius  apud  Rabi- 
rium  poetam  .  .  exclamare:  hoc  habeo  quodcumque  dedi.  Nach  diesem 
StofiPe  hält  man  ihn  ziemlich  allgemein  für  den  Verfasser  des  aus  Rollen 
Yon  Herculaneum  gewonnenen  Bruchstückes  worin  die  Schlacht  bei  Actium 
und  der  Tod  der  Eleopatra  beschrieben  wird;  s.  Volumina  Hercul.  (Neapel 
1809.  fol.)  IL  p.  7  fF.  und  sonst  (z.  B.  im  Horaz  von  Fea  p.  XXI— XXIII). 
J.  Th.  Ereyssig,  carminis  latini  de  hello  actiaco  sive  alexandrino  fragmenta, 
Lips.  1814.  4.,  und  hinter  seiner  comm.  de  Sali.  bist,  fragm.  (Meissen  1836) 
p.  117  ff.;  in  Biese's  Anthol.  lat.  482  (H.  p.  3—6  vgL  p.  VI).  Vgl.  A.  Wei- 
chert,  de  L.  Vario  etc.  p.  157—159.  163  f.  Wirklich  zeigen  jene  üeberreste 
eine  Vorliebe  für  diejenige  Caesur  die  auch  das  Citat  bei  Sen.  1. 1.  hat.  Die 
Erwähnung  der  Atropos  deutet  auf  eine  Behandlung  des  Stoffes  wie  in  der 
Aeneis  (vgl.  oben  224,  A.  6).  Ueber  das  erdichtete  Citat  Rabirius  in  satyra 
bei  Fulgent.  de  abstr.  serm.  s.  v.  abstemius  b.  M.  Haupt,  Rhein.  Mus.  III. 
S.  808  f. 

10.  Sen.  suas.  6,  27:  Sextilius  Ena  fuit  homo  ingeniosus  magis  quam 
eruditus,  inaequalis  poeta  et  plane  qnibusdam  locis  talis  quales  esse  Cicero 
(p.  Arch.  10,  26)  Cordubenses  poetas  ait,  pingue  quiddam  sonantes  atque 
peregrinum.  is  hanc  ipsam  proscriptionem  (des  Cicero)  recitaturus  in  domo 
Messalae  Corvini  .  .  in  principio  hunc  versum  .  .  recitayit:  deflendus  Cicero 
est  etc.  Dass  er  selbst  aus  Corduba  war  erhellt  hieraus  und  aus  dem  ib. 
vorangehenden  municipem  nostrum. 

11.  Ovid.  ex  Pont.  IV,  16,  10:  et  cum  subtili  Priscus  uterque  Numa. 
Nach  dem  Zusammenhange  der  Stelle  scheinen  beide  Priscus  und  Numa 
gleichfalls  Epiker  gewesen  zu  sein.    Indessen  sind  sie  völlig  unbekannt. 

12.  Ebenso  dunkel  ist  die  Beziehung  von  Ovid.  ex  Pont.  IV,  16,  23  f.: 
quique  acies  libycas  romanaque  proelia  dixit,  et  Marius,  scripti  dexter  in 
omne  genus.    Der  Erstere  scheint  sonach  ein  bellum  punicum  verfasst  zu 


247  f.    Rabiriufl  u.  A.    Gratius  Faliscus  u.  ManiliuB.  519 

haben.  Auf  die  E^mpfe  gegen  Jnba  und  die  Pompejaner  in  Aürica  bezieht 
es  0.  Haube,  de  carm.  ep.  (1870)  p.  18  f.  Ganz  corrupt  iet  Pont.  IV,  16,  33  t 
Tityras  antiquas  et  erat  qni  pasceret  herbas ,  und  H.  WölffeFs  Vermutungen 
dazu  (S.  2233  d.  Üebers.)  sind  ao  wenig  glaublich  als  Eom^s  Vorschlag. 

13.  Ovid.  Pont.  IV,  16,  11  f.:  quique  vel  imparibus  numeris,  Mon- 
tane, vel  aequis  sufficis  et  gemino  carmine  nomen  habes.  Dieser  in  der 
Elegie  wie  im  Epos  gleich  berühmte  Montanus  ist  wohl  lulius  Montanus 
bei  Sen.  Controv.  VII,  16,  27  (p.  195  Bu.):  Montanus  lulius,  qui.comis  fuit 
quique  egregius  poeta;  vgl.  des  Sohnes  Seneca  (Epist.  122,  11)  Urteil:  to- 
lerabilis  poeta  et  amicitia  Tiberii  notus  et  frigore  (W.  Teuffei  zu  Hör. 
Sat.  IL  S.  28).  ortuB  et  occasus  libentissime  inserebat  (vgl.  Apocoloc.  2). 
Darauf  (11— -13)  Proben  seiner  Verse.  Donat  vita  Vergil.  29  (44):  Seneca 
tradidit  lulium  Montanum  poetam  solitum  dicere  etc. 

14.  «Sen.  suas.  2,  19:  memini  auditorem  (Porcii)  Latronis  Arbronium 
(oder  Abronium)  Silonem,  patrem  huius  Silonis  qui  pantomimis  fabulas 
Hcripsit  et  ingenium  grande  non  tantum  deseruit  sed  polluit  (s.  oben  8,  1),  re- 
citare  carmen  dessen  Stoff  aus  der  Ilias  entnommen  war  und  woraus  Sen. 
zwei  rhetorische  Hexameter  anfahrt. 

15.  Idyllen  scheint  in  dieser  Zeit  Fontanus  verfasst  zu  haben,  s.  oben 
29,  2. 

16.  Nicht  bekannt  ist  die  Dichtgattung  in  welcher  der  jüngere  Sohn 
des  Redners  Messala,  Cotta  (s.  unten  262,  6),  sich  versuchte.  Vgl.  Ovid. 
ex  Pont.  IV,  16,  42  (Pieridum  lumen  praesidiumque  fori)  und  III,  6,  39 
(recitas  factum  modo  carmen  amicis,  vgl.  ib.  I,  5,  57  f.).  MerkeFs  Combi- 
nation  (zu  Trist.  IV,  4,  55.  ad  Ibin  p.  376),  dass  der  Mythus  von  Orestes 
den  Gegenstand  gebildet  habe,  beruht  auf  der  Voraussetzung  dafln  an  ihn 
sowohl  Trist.  IV,  4  gerichtet  sei  (wo  aber  v.  5:  cuius  in  ingenio  patriae 
facundia  linguaest  ganz  mit  dem  stimmt  was  Tac.  A.  Ill,  34  über  seinen 
Bruder  sagt)  als  ex  Pont.  III,  2. 

248.  Didaktiker  hat  die  augusteische  Zeit  an  Gratius237 
FalißcuS;  desseif  Lehrgedicht  über  die  Jagd  (Cynegetica)  uns 
grösstentheils  erhalten  ist;  besonders  aber  an  Manilius^  dem 
Verfasser  der  fünf  Bücher  Astronomica.  Durch  Originalität, 
Energie  gegenüber  von  einem  spröden  Stoffe,  Ernst,  Gedanken- 
gehalt, wie  durch  Ungleichheit  und  Schwerfälligkeit  der  Dar- 
stellung am  meisten  an  Lucretius  erinnernd  unterscheidet  sich 
Manilius  von  diesem  durch  das  Abergläubische  in  der  Durch- 
führung seines  Gegenstandes  neben  aller  Vielseitigkeit  seiner 
Bildung  und  Unabhängigkeit  seiner  Denkweise,  zugleich  aber 
auch  durch  vollendete  Kunst  in  allem  Technischen. 

1.  Ovid.  ex  Pont.  IV,  16,  34:  (cum)  aptaque  venanti  Gratius  arma 
daret,  mit  Beziehung  auf  Grat,  cyneg.  23:  carmina  et  arma  dabo  venanti 
et  persequar  artes   armorum.    Sonst  wird  er  nirgends   erwähnt,   und  die 


520  Augusteische  Zeit.  J.  711—767  d.  St^ 

536  Hexameter  aus  denen  jetzt  sein  Lehrgedicht  besteht  sind  nur  durch 
eine  (stellenweis  lückenhafte)  Wiener  Handschrift  saec.  IX  (=»  cod.  Sanna- 
zarii)  zusammen  mit  Ovids  Halieut.,  Nemesianus  und  Butilius  Nam.  uns 
erhalten,  woneben  der  Thuaneus  (saec.  X,  in  Paris)  bis  zu  v.  159  reicht. 
Im  Vindob.  folgen  auf  536  noch  5'  Verstrümmer,  mit  denen  aber  das  Ge- 
dicht gleichfalls  noch  nicht  zu  Ende  war.  Die  Darstellung  .in  dem  Ge- 
dichte ist  fachmässig  trocken  und  schwerfällig  und  erhebt  sich  nur  selten, 
wie  V.  312  ff.  in  der  rhetorischen  Ausführung  über  die  Nachtheile  der 
luxuria.  Die  Episoden  427  ff.  479  ff.  enthalten  besonders  viele  Anklänge  an 
Vergil.  V.  348  (Fatum  .  .  nigris  circumvolat  alis)  erinnert  an  Hör.  S.  IT, 
1,  58.  Ed.  princeps  (mit  Halieut.,  Nemes.  u.  Calpumius)  cura  Ge.  Logi, 
Yen.  1534.  Dann  in  den  Auetores  rei  venaticae  ed.  I.  Ulitius  (Lugd.  B. 
1645.  1655)  und  S.  Harercamp  (Lugd.  Bat  1728.  4.);  in  Vol.  I  der  poetae 
latini  minores  von  P.  Burmann  (Lugd.  B.  1731.  4.)  und  von  J.  G.  Wemsdorf 
(Altenburg  1780),  sowie  in  Webers  corpus  poetar.  lat.  p.  595  —  600.  Cum 
comm.  varior.  ed.  B.  Stern,  Halle  1832  (mit  Nemesianus).  Ex  rec.  M. 
Hauptii,  Lips.  1838  (mit  Halieut.,  Nemes.  u.  A.). 

2.  Ueberschrift  der  Astr.  im  Voss.  II:  M.  Mallii  equom  (eq.  rom.?)  astro- 
nomicon  divo  oct.  quirino  aug.;  im  Lips.,  Cusanus,  Voss.  I  u.  a. :  Arati 
philosophi  astr.,  so  jedoch  dass  dafür  im  Voss.  I  a  m.  sec.  M.  Manila  gesetzt 
ist.  Die  Person  des  Manilius  ist  völlig  unbekannt.  Dass  er  kein  geborener 
Römer  war  macht  die  fremdartige  Färbung  seiner  Sprache  wahrscheinlich, 
die  erst  in  den  späteren  Büchern,  mit  zunehmender  Uebung,  gelenker  und 
flüssiger  wird.  Auch  ist  sein  geographischer  Horizont  ein  ungewöhnlich 
weiter;  vgl.  z.  B.  IV,  715  ff.  749  ff.  Kenntniss  der  griechischen  Literatur 
bes.  11^  1  ff.  HI,  5  ff.  V,  461  ff.  Zusammenhang  mit  Manilius  Antiochus 
(oben  2Q3,  2)  zweifelhaft. 

3.  Zeitandeutungen.  Buch  I  muss  nach  der  teutoburger  Schlacht  (J.  762), 
aber  noch  vor  dem  Tode  August's  (J.  767),  verfasst  sein;  s.  I,  898  ff.:  ut 
foedere  rupto  cum  fera  ductorem  rapuit  Germania  Varum  infecitque  trium 
legionum  sanguine  campos.  922  ff.:  sed  satis  hoc  (Philippi,  Actium,  Sex. 
Pompeius)  fatis  fuerit.  iam  bella  quiescant.  (925  f.)  sit  pater  invictus 
patriae,  sit  Roma  sub  illo,  cumque  deum  caelo  dederit  non  quaerat  in 
orbe.    Auch  noch  der  Schluss  von  B.  IV  setzt  August  als  lebend  voraus; 

IV,  935 :  maius  et  Augusto  crescet  sub  principe  caelum.  Tiberius  war  aber 
bereits  als  Nachfolger  anerkannt;  IV,  764:  est  Rhodos,  hospitium  recturi 
principis  orbem.  Das  fünfte  Buch,  das  nach  einer  Unterbrechung  hinzu- 
gefügt scheint  (V,  1  ff.:  hie  alius  finisset  iter,  signisque  relatis  .  .  non  ultra 
struxisset  opus  etc.  me  properare  viam  mundus  iubet)  und  ohne  Schluss 
ist,  wird  in  den  ersten  Regierungsjahren  des  Tiberius  verfasst  sein,   falls 

V,  513  f.  (hinc  Pompeia  manent  veteris  monumenta  triumphi,  non  exstincta 
acie  semperque  recentia  flammis)  auf  das  im  J.  775  (22  n.  Chr.)  abge- 
brannte Theater  des  Pompejus  (Tac.  A.  HI,  72  vgl.  Suet.  Tib.  47)  zu  be- 
ziehen ist.  Fr.  Jacob  p.  XVI.  Vielleicht  dass  die  Gefährlichkeit  der  Astro- 
logie unter  Tiberius  von  der  Vollendung  des  Werkes  abschreckte.  Die 
Monarchie  rechtfertigt  Manilius,  wie  alle  Augusteer,  mit  der  Alternative: 
Octavian   oder  —  Kleopatra   (I,  914  —  918).    Correcte  Apotheosierung  des 


^48.    GratiuB  Faliscus  und  Manilins.  521 

August,  s.  I,  7  flF.:  tu,  Caesar,  patriae  princepsque  paterque,  qui  regia  au- 
guetU  parentem  legibus  orbem  concessumque  patri  mundum  deus  ipse 
mereris.  I,  384  ff.:  cetera  (sidera)  non  oe^unt;  uno  vincuntur  in  astro 
Augusto,  sidus  nostro  quod  contigit  orbi;  Caesar  nunc  terris,  post  caelo 
maximus  auctor. 

4.  Die  Astronomie  fasst  Manilius  in  dem  Sinne  des  Alterthums,  zu- 
gleich die  Astrologie  mitentbaltend,  die  bei  ihm  sogar  sehr  überwiegt.  Dass 
in  jener  seine  Kenntnisse  nicht  tief  giengen  ist  schon  darum  glaublich. 
Wunderliche  Eintheilung  der  signa  II,  150  ff.  Schwierigkeit  den  Stoff  in 
Verse  zu  bringen:  I,  20  ff.  III,  26  ff.  Entschuldigung  der  Anwendung  frem- 
der technischer  Ausdrücke:  III,  40  ff.  Lebhaftes  Selbstgefühl  als  erster 
poetischer  Bearbeiter  dieses  Stoffes  innerhalb  der  römischen  Literatur: 
I,  4  ff.  113  f,  U,  57  ff.  136  ff.  m,  1  ff.  V,  1  ff .  Hervorkehrung  der  Dispo- 
sition: I,  120  ff.  II,  750  ff.  IV,  119  ff.  Verzicht  auf  schöne  Form:  ne  dulcia 
carmina  quaeras.  omari  res  ipsa  negat,  contenta  doceri  (III,  38  f.).  Doch 
sorgen  Excurse  (namentlich  die  Einleitungen,  auch  I,  884  ff.  und  besonders 
im  fünften  Buche  die  mancherlei  Beschreibungen)  auch  für  Schmuck,  und 
namentlich  wo  der  Dichter  auf  den  Werth  des  Menschen-  und  seiner  Ver- 
nunft (11,  106  ff.  IV,  883  ff.)  oder  die  menschliche  Ungenügsamkeit  (IV,  1  ff.) 
zu  sprechen  kommt  wird  er  beredt,  warm  und  schön.  Fatalismus  IV,  14  ff.; 
über  dessen  Verhältniss  zur  Willensfreiheit  und  Zurechnungsfähigkeit  des 
Menschen  IV,  108  ff.  (z.  B.  117:  non  refert  scelus  unde  cadit:  scelus  esse 
fatendumst).  Herrschaft  der  ratio  in  der  Welt:  I,  483  ff.  (gegen  die  Ato- 
misten).  H,  60  ff.  vgl.  FV,  920  ff.  (932 :  ratio  omnia  vincit).  üebermass  rhe- 
torischer Ausmalung  in  der  Erzählung  von  Andromeda  und  Perseus  V, 
540  —  619. 

5.  Üeber  die  Sprache  des  Manilius  s.  Fr.  Jacob  p.  XVIH:  linguae 
legibus  eum  saepe  vim  afferre  videmus,  .  .  tanta  praeterea  est  orationis 
inaequalitas  ut  modo  libero  volatn  sese  efferat,  modo  licenter  verbis  abun- 
det  ac  non  quid  velit  dicere,  sed  quo  abripiatur  trahi  videatur,  modo  ari- 
dissima  rerum  ieiunitate  per  inanes  artis  numeros  evagatus  nos  defatiget, 
modo  constipatis  fabularum  aenigmatis  vix  ex  miro  verborum  involucro 
enucleandis  nos  exerceat.  Lange  Parenthesen  und  verwickelte  Perioden; 
Archaismen  (wie  itiner,  ollis,  Nepai,  clepere,  apisci);  Gräcismen  (bes.  im 
Grebrauche  der  Casus  und  des  Infinitiv);  Alliteration,  kühne  Metaphern  und 
Figuren  (bes.  Antithesen)  häufig;  s.  Jacob's  index  p.  199 — 225.  Die  Metrik 
und  Prosodie  ist  überaus  correct  und  streng;  vgl.  L.  Müller  im  Philologus  XV. 
S.  481.  492  und  metr.  lat.  z.  B.  p.  52  f.  329.  333.  Anklänge  an  Ovid  (z.  B. 
HI,  1),  im  Ganzen  aber  Anschluss  an  Lucretius. 

6.  Die  Handschriften  gehen  alle  auf  einen  (bereits  schadhaften) 
archetypus  zurück.  Die  meisten  sind  aus  saec.  XV,  etwas  älter  nur  Gem- 
blacensis  (saec.  XI),  Cusanus  und  Lipsiensis.  Der  Voss.  11  stammt  aus 
einer  noch  etwas  vollständigeren  Abschrift  des  archetypus;  neben  ihm 
bildet  der  Gembl.  die  einzige  Grundlage  der  Kritik.  Die  andern  haben 
alle  mehr  oder  weniger  grobe  mittelalterliche  Interpolationen,  wovon  das 
stärkste  Beispiel  IV,  776  ist  Vgl.  Jacob's  praefatio  p.  V— XV.  C.  T.  Brei- 
ter, de  emendatione  Manilii,  Hamm  1854.  24  pp.  4. 


522  AiigusteiBche  Zeit.   J.  711—767  d.  St. 

7.  Ed.  piinceps  zu  Nürnberg  um  1472.  4.;  b.  C.  G.  Schwarz ,  de  prima 
Manilii  aetr.  editione,  Altorf  1764.  4.  Hauptausgaben  von  Jos.  Scaliger 
(Paris  1679.  Heidelberg  1690.  Leiden  1600.  4.),  R.  Bentley  (London  1789.  4.) 
und  Fr.  Jacob  (rec,  Berlin  1846). 

8.  Programme  von  Fr.  Jacob,  Posen  1830.  4.  (spec.  ed.)  Lübeck  1832.  4. 
(I.  de  Manilio  poeta).  1833  ff.  (ü.  de  versibus  a  Bentleio  abiudicatis  libr. 
1—6).  Buch  1  mit  deutscher  üebersetzung  von  J.  Merkel,  (des  Manilius 
Himmelskugel  u.  s.  w.),  Aschaffenburg  1844.  1867.  4. 

9.  üeber  Plotius  Crispinus,  der  die  stoische  Lehre  in  Verse  brachte, 
8.  unten  261,  3. 

238  249.  Auf  andern  Grebieten  der  Poesie  brachte  die  letzte 
Zeit  des  Augustus  nur  Mittelmässigkeiten  hervor.  So  die  erotischen 
Elegiker  Proculus  und  wohl  Alfius  Flavus^  den  lambiker  Bassus, 
den  Lyriker  Rufus,  die  Tragiker  Turranius  und  Gracchus.  Mimen 
verfasste  der  Grieche  Philistion,  wahrscheinlich  in  griechischer 
Sprache. 

1.  Ovid.  Pont.  IV,  16,  32:  (cum)  Callimachi  Proculus  moUe  teneret 
iter.    üeber  Tuscus  s.  oben  247,  8  a.  E. 

2.  üeber  Alfius  Flavus,  den  Verfasser  erotisch  tändelnder  Gedichte, 
8.  unten  263,  9. 

8.  Ovid.  ex  Pont.  IV,  16,  36:  (cum)  clauderet  imparibus  verba  Ca- 
peUa  modis.  Vgl.  ib.  11  (oben  247,  13).  Vielleicht  verfasste  er  also  Epi- 
gramme. 

4.  Der  mit  Ovid  befreundete  lambograph  Bassus  (s.  oben  247,  1) 
ist  wohl  der  auch  von  Propertius  I,  4,  1.  12  angeredete  und  vielleicht  zu- 
gleich der  Bhetor  dieser  Zeit,  lulius  Bassus,  homo  disertus,  cui  demptam 
volles  quam  consectabatur  amaritudinem  et  simulationem  actionis  oratoriae 
(Sen.  Controv.  X.  praef.  12),  und  welcher  consectari  solebat  res  sordidas 
et  inveniebat  qui  illas  unice  suspiceret  (ib.  X,  30.  p.  303 ,  23  ff.  Bu.).  Aus- 
führliche Proben  seiner  Schulreden  ib.  I,  6,  2—6.  7,  8  f. 

5.  Ovid.  Pont.  IV,  16,  28:  Pindaricae  fidicen  tu  quoque.  Rufe,  lyrae. 
Schwerlich  ist  er  der  ib.  II,  11  angeredete  und  in  Fundi  begüterte  Ruins, 
da  von  diesem  dichterische  Thätigkeit  nicht  gerühmt  wird;  ebenso  wenig 
Valgius  Rufus  (oben  236);  eher  Antonius  Rufus,  wenn  bei  diesem  Glandorp's 
Angabe,  dass  er  teste  Acrone  vertit  Homerum  et  Pindarum,  nicht  vielmehr 
auf  irriger  Combination  beruhen  würde  (vgl.  Wernsdorf  poetae  lat.  min.  III. 
p.  XXX  f.).  Denn  Acro  zu  Hör.  A.  p.  288  sagt  nur:  praetextas  et  togatas 
scripserunt  Aelius  Lamia,  Antonius  Rufus,  Gn.  Melissus  etc.  Ein  Gram- 
matiker Antonius  Rufus  bei  Quintil.  I,  5-,  43  vgl.  Vel.  Long,  de  orthogr. 
p.  2237  P. 

6.  Ovid.  Pont.  IV,  16,  29:  Musaque  Turrani  tragicis  innixa  cothumis. 
Der  falsche  Apulejus  (de  orthograph.)  will  wissen  dass  er  eine  Helena  ver- 
fasst  habe. 


249  f.    BasBuS)  Gracchus  u.  a.  Dichter.  —  Gescbichtschreiber.      523 

7.  Ovid.  Pont.  IV,  16,  31:  cum  Varins  (oben  219,  2)  Gracchuaque 
darent  fera  dicta  tyranniB.  Schon  die  Zusammenstellung  macht  wahr- 
scheinlich dass  auch  Gracchus  einen  Thyestes  schrieb;  überdiess  aber  führt 
Priscian.  VI.  p.  719  P.  «=  269,  8  f.  Htz.  aus  Gracchus  in  Thyeste  einen  rein 
gebauten  Senar  an.  Ebenso  gehalten  ist  der  aus  Gracchus  in  Atalanta 
(ib.  p.  683  P.  «=  206  Htz.).  Ein  anapästischer  Dimeter  von  Graius  in  Pe- 
liadibus  bei  Non.  p.  202,  20.  Welcker,  griech.  Trag.  S.  1431.  Trag.  lat. 
(ed.  Bb.  I.)  p.  196.  Er  ist  wohl  der  Sempronius  Gracchus  familia  nobili, 
Bollers  ingenio  et  praye  facundus  welchen  Tiberius  im  J.  767  wegen  seines 
einstigen  Verhältnisses  zu  Julia  (Augusts  Tochter)  auf  der  Insel  Ceroina, 
wo  er  schon  14  Jahre  als  Verbannter  lebte,  tödten  liess  (Tac,  A.  I,  53 
vgl.  Vellej.  II,  100,  5).  Es  wären  so  bei  Ovid  1.  1.  zwei  Todte  zusammen 
genannt. 

8.  Aus  der  augusteischen  Zeit,  theils  von  ihren  classischen  Dichtern 
selbst  theils  von  jüngeren  Nachahmern  derselben,  ist  auch  die  Sammlung 
der  Priapeia;  s.  oben  34,  2  vgl.  226,  5,   A.  1.   240,  5.   246,   3. 

9.  Hieronym.  zu  Eus.  chron.  ad  a.  Abn  2023  (im  cod.  Petay.  schon 
zu  2022)  •=  50  Aug.  =  761  d.  'St.:  Philistio  mimographus  natione  Magnes 
Asianus  (nach  Suidas  aus  Nikäa  oder  Pfusa)  Romae  clarus  habetur.  Da 
er  aber  weder  von  Ovid  unter  den  Dichtem  seiner  Zeit  genannt,  noch 
sonst  jemals  eine  Stelle  in  lateinischer  Sprache  aus  ihm  angeführt  wird, 
wohl  aber  verschiedene  Titel  in  griechischer  (Mtfioiprirpiüzociy  ^tXoysXmg 
u.  s.  w.  bei  Suidas),  so  gehört  er  wahrscheinlich  der  griechischen  Litera- 
turgeschichte an.  Er  war  es  vielleicht  welchem  (als  Dolmetscher  und  Ge- 
hülfe) der  Tarentiner  Crassicius  diente  (circa  scenam  versatus  est  dum 
mimographos  adiuvat,  Suet.  gramm.  18);  wie  er  wohl  auch  der  spöttische 
Philistus  (Augusto  familiaris,  orator  et  poesin  mediocriter  doctus)  sein  soll 
von  welchem  in  einem  [vom  codex  Bemensis  nicht  gebotenen  Theile  von 
Donats  vita  Vergilii  (18,  77,  in  Reifferscheids  Sueton.  p.  67  f.)  die  Bede  ist. 

in.   Prosaiker. 

260.  Unter  den  Prosaikern  der  augusteischen  Zeit  ne]imen239 
die  Geschichtschreiber  den  ersten  Rang  ein.  Die  ältesten 
derselben  y  wie  Octaviüs  (Musa),  scheinen  noch  in  der  früheren 
Weise  die  ganze  römische  Geschichte  befasst  zu  haben.  Eine 
grossere  Anzahl  aber  wendet  sich  berühmten  Persönlichkeiten  der 
jüngsten  Vergangenheit  zu,  meist  in  apologetischer  Richtung.  So 
Volumnius  und  Bibulus  mit  ihren  Schriften  über  M.  Brutus, 
Q.  Dellius  über  M.  Antonius,  Tiro  über  Cicero,  und  auch  die 
Verfasser  von  Denkwürdigkeiten  über  ihre  eigene  Thätigkeit, 
wie  Augustus,  Agrippa  und  M.  Messala,  verfolgen  dieselbe  Bahn. 
Asinius  PoUio  beginnt  in  einem  grösser  angelegten  Werke  die 
ganz&  Zeit  der  Bürgerkriege  zu  behandeln,  findet  aber  bald  die 
Gegenwart  für  freimütige  Darstellung  des  Geschehenen  ungünstig. 


524  Augiisteisclie  Zeit.   J.  711 — 767  d.  St. 

Dagegeii  unternimmt  es  Cincius   die  römische  Geschichte  in  dy- 
nastischem Sinne  zu  bearbeiten. 

1.  Ps.  Vergil.  Catal.  14,  1:  quis  deuB,  Octavi,  te  nobis  abstolit? 
5  f.:  scripta  qnidem  taa  nos  multum  mirabimur  et  te  raptum  et  romanam 
flebimns  historiain.  Er  ist  wohl  auch  der  bei  Hör.  S.  I^  10,  82  genannte 
Octaviofl  nnd  der  Musa  von  VergiL  Cat.  13  (vgl.  10),  somit  der  Octavius 
Musa  bei  Serv.  Verg.  Ecl.  9,  7  und  Schol.  Bern.  Ecl.  8,  6.  Zweifelhaft 
aber  ist  ob  auch  der  Octavius-  venerandus  puer  der  im  Culex  angeredet 
wird  (oben  225,  1).    Ribbeck,  Appendix  Verg.  p.  8  —  10. 

2.  Ueber  das  Geschichtswerk  des  Q.  Tubero  s.  oben  205,  1. 

'  3.  Flut.  Brut.  48:  Tlonliog  fioAov/Livtog,  aviiQ  fpi3^6ao<poi  vmI  avve- 
öTQatBVfiivog  an  dgxri^  Bifovttp,  .  .  Xiyn,  ib.  51:  8vo  6tixovg,  av  tov 
sTSQOv  BoXov(iviog  dviygaips  u.  s.  w.  Auch  die  Erzählung  des  Appian 
(b.  c.  IV,  112  — 135)  scheint  theüweise  auf  diese  Quelle  (und  Messala,  s. 
oben  218,  10)  zurückzugeheil,  s.  H.  Peter,  die  Quellen  Plutarchs  S.  137 — 139. 

4.  L.  Calpumius  Bibulus,  der  einzige  Sohn  welchen  Porcia  aus  ihrer 
ersten  Ehe  in  die  mit  M.  Brutus  brachte,  nachdem  die  beiden  älteren  im 
J.  704  getödtet  worden  waren.  Er  war  mit  seinem  Stiefvater  bei  Philippi, 
wurde  von  M.  Antonius  gefangen,  trat  in  dessen  Dienste  und  starb  als 
sein  Legat  in  Syrien  ums  J.  723  (W.  Drumann  G.  R.  II.  S.  105  f.  Nr.  41); 
%aC  XI  ßißlldiov  iwKQOv  dnoiivriiu)V£V(idt<ov  B(fOvtov,  yeyQtxii^iiivov  vn 
avxoVy  diccötoisraiy  Flut.  Brut.  13.  vgl.  ib.  23:  tavxa  6  r^s  TIoffKÜig  vtog 
tütOQrpiB  BvßXog.    H.  Peter  a.  a.  0.  S.  139  f. 

5.  Strab.  XI,  13,  3.  p.  523  C:  'äg  fp7\civ  o  JiXXiog  o  tav  'Avxmviov 
tpCXog^  övyyqdtpag  (wahrscheinlich  in  griechischer  Sprache)  ztj^  i«l  ilo^- 
9'valovg  avxov  atQazBÜxv,  iv  ^  nuLQfjv  xal  avrog  rjyBfiovüxv  ^xoov.  Plut. 
Anton.  59:  noXXovg  xal  tcov  äXXoMf  tpCXmv  ot  KXeondtgag  %6Xa%Bg  i^ißccXov, 
.  .  av  mal  Mdgaog  r{v  2iXav6g  %al  diXXiog  b  tatOQmog,  ovtog  dl  .  .  iprialv 
etc.  Sen.  suas.  1,  8:  bellissimam  rem  Deillius  dixit,  quem  Messala  Corvinus 
desultorem  bellorum  civilium  vocat,  quia  ab  Dolabella  ad  Cassium  trans- 
iturus  salutem  sibi  pactus  est  si  Dolabellam  occidisset,  a  Cassio  deinde 
transiit  ad  Antonium,  novissime  ab  Antonio  transfagit  ad  Gaesarem.  hie 
est  Deillius  cuius  epistolae  ad  Cleopatram  lascivae  feruntur.  Vgl.  Hör.  0.  II,  3. 

6.  Tiro  über  Cicero  s.  oben  188,  2;  Munatius  Bufus  über  den  jüngeren 
Cato  oben  212,  2. 

7.  Autobiographien  (Memoiren)  von  August  (s.  oben  217,  3  f.),  Agrippa 
(oben  217,  13),  M.  Messala  (oben  218,  10). 

8.  üeber  des  Asinius  PoUio  Geschichte  der  Bürgerkriege  s.  oben  218, 
3.    Ueber  das  Geschichtswerk  des  Rhetors  Seneca  s.  unten  264,  3. 

9.  üeber  Cincius  s.  oben  116,  4.  Für  dessen  dynastische  Richtung  führt 
Plüss  (de  Cincüs  p.  38  ff.  und  im  N.  Schweiz.  Mus.  VI.  1866.  S.  45  fiF.)  an 
dass  er  die  Gründung  Roms  ins  J.  729  v.  Chr.  setzte,  somit  729  ein  neues 
Jahrhundert  beginnen  Hess,  auch  in  dem  Aufbringen  eines  neuen  Stamm- 
baums der  lulii  und  möglichster  Identificierung  der  Latiner  und  Römer  mit 
Vergil  übereinstimme. 


250  f.    GcBchichtschreiber.    T.  Livius  (Lebeu).  525 

251.  Der  bedeutendste  Prosaist  der  augusteischen  Zeit  ist240 
T.  Livius,  aus  Patavium  (J.  695 — 770  d.  St.),  rhetorisch  ge- 
bildet und  den  grössten  Theil  seines  Lebens  zu  Rom  verbringend, 
fem  von  politischer  Thätigkeit,  aber  dem  Augustus  befreundet. 
Er  verfasste  Schrifben  (populär-)  philosophischen  Inhalts  mit  dia- 
logischer Einkleidung,  eine  andere  in  Form  eines  Briefes  an 
seinen  Sohn  über  die  Bildung  zum  Redner,  insbesondere  aber 
eine  umfassende  Bearbeitung  der  gesammten  römischen  Ge- 
schichte von  Gründung  der  Stadt  bis  zum  Tode  des  Drusus 
(J.  745  d.  St.)  in  142  Büchern,  wovon  jedoch  nur  35  auf  uns 
gekommen  sind,  nämlich  die  erste  Dekade  und  Buch  XXI  bis 
XLY.  Einen  ganz  ungenügenden  Ersatz  für  den  Verlust  des 
Uebrigen  bilden  die  Inhaltsangaben  (periochae)  welche  von  fast 
allen  Büchern  erhalten  sind. 

1.  Literatur  über  Livias  überhaupt.  L.  Preller  iu  Pauly's  Beal-Enc.  IV. 
S.  1120—1128.  C.  J.  GryBar'fl  praef.  vor  seiner  AuBg.  der  part.  sei.  Liv.  I 
(Wien  1864  u.  1867).  W.  Weissenborn'B  Einleitimg  vor  seiner  Ausg.  mit 
deutschen  Anm.,  und  Prolegg.  (CXXXV »pp.)  vor  seiner  zweiten  Teubner'schcn 
Textaufig.  (1860).  M.  Hertz  (Prolusio,  XLV  pp.)  vor  seiner  Teztausg.  (1857). 
L.  E.  Köhler,  de  T.  L.  vita  ac  moribus,  Berlin  1851.  31  pp.  8.  M.  Weingärtner, 
de  T.  L.  vita  part.  I.    Berlin  1852.  55  pp.  8. 

2.  Hieronym.  zu  Eus.  chron.  a.  Abr.  1958  »»  695  d.  St.:  Messala  Cor- 
vinus  orator  naecitur  et  T.  Livius  Patavinus  scriptor  historicus;  und  zu 
Abr.  2033  =s  770  d.  St.:  Livius  historiographus  Patavi  moritur.  Geburt  in 
Padua  bestätigt  theils  durch  die  patavinitas  (unten  253,  14),  theils  durch 
Martial.  I,  61,  3  (censetur  Apona  Livio  suo  tellus)  und  Stat.  Silv.  IV,  7,  55  f. 
(Timavi  alumnum),  sowie  Plut.  Caes.  47  (iv  ncnaßica  rdXog  KoffvriXios^ 
.  .  Aißiov  tov   avyyoatpimg  noUtris  %al  yvmQiiiog). 

3.  Liv.  IV,  20,  7:  hoc  ego  cum  Augnstum  Caesarem  (s.  A.  5)  .  .  se 
ipsum  .  .  legisse  audissem.  Tac.  A.  IV,  34:  T.  Livius  .  .  Cn.  Pompeium 
tantis  laudibuB  tulit  ut  Pompeianum  eum  Augustus  appellaret;  neque  id 
amicitiae  eorum  oiFecit.  Scipionem,  Afranium,  hunc  ipsum  Gassium,  hunc 
Brutum  nusquam  latrones  et  parricidas,  quae  nunc  vocabula  imponuntur, 
saepe  ut  insignes  viros  nominat.  Vgl.  Sen.  nat.  quaest.  V,  18,  4:  quod  de 
Caesare  maiore  volgo  dictitatum  est  et  a  T.  Livio  positum,  in  incerto  esse 
utrum  illum  nasci  magis  reip.  profnerit  an  non  nasci.  Suet.  Claud.  41: 
historiam  in  adulescentia  hortante  T.  Livio  .  .  scribere  adgpressus  est  (Clau- 
dius, geb.  J.  744  d.  St.).  G.  Schwab,  de  Livio  et  Timagene  bist,  script. 
aemulis,  Stuttgart  1834.  4. 

4.  Sen.  Ep.  100,  9:  nomina  adhuc  (als  philosophischen  Schriftsteller) 
T.  Livium.  scripsit  enim  et  dialogos,  quos  non  m^s  philosophiae  adnu- 
merare  possis  quam  historiae,  et  ex  professo  philosophiam  contineq^ies  libros. 
Weiterhin  wird  er  (neben  Cicero  und  Asinius  Pollio)  tribus  eloquentissimis 
zugezählt.    Quintil.  X,  1,  39:   apud  Livium  in  epistola  ad  filium  scripta, 


526  Augusteische  Zeit.   .1.  711—767  d.  St. 

legendos  Demosthenen  atque  Ciceronem,  tum  ita  ut  quisque  esset  Demostheni 
et  Ciceroni  simillimus.  Vgl.  ib.  ü,  5,  20  (quemadmodum  Livius  praecipit). 
Daraus  wohl  auch  ib.  YIII,  2,  18  (cum  iam  apud  T.  Livium  inveniam  fuisse 
praeceptorem  aliquem  qui  discipulos  obscurare  quae  dicerent  iuberet),  sowie 
die  Anführungen  des  Vaters  Seneca,  controv.  IX,  24,  14  p.  249  vgl.  p.  433  f. 
Bu.  (über  Sallnst,  s.  oben  204,  7)  und  25,  26  (vgl.  oben  218,  6  E.).  Wunder- 
liche Angaben  bei  Suid.  y.  KoQvovtoi  (II.  p.  346  f.  Bnh.):  dvm  avyyQafph 
*Pmficc£(üv  Tiatrjy,  Titog  A^ßiog,  ov  Sia^Bi  nolv  nai  %Xsivov  ovoficc,  %al 
KoQvovtog,  von  welchen  der  Letztere  als  reich  und  kinderlos  einen  grossen 
Zulauf  tav  d%Qooiiiiiv<ov  gehabt  habe.  6  x^ovog  dh  .  .  xal  rj  dXri^tia  .  . 
Tov  filv  dvitprivav   .   .  mam^  TWHQVfifiivov  QirjaavQOv,  tovtov  tbv  Aißiov  etc. 

5."  Beginn  des  Geschichtswerks  zwischen  J.  727  und  729,  weil  I,  19,  3 
(s.a.  3)  Octavian  schon  Augustus  genannt  wird  und  die  zweite  Schliessung  des 
Janustempels  durch  ihn  (J.  729)  noch  nicht  bekannt  ist.  Das  letzte  erweis- 
lich Yon  Liyius  erzählte  Ereigniss  ist  des  Drusus  Tod  und  Bestattung  im 
Winter  746/6;  es  ist  aber  eine  sehr  wahrscheinliche  Vermutung  dass  Livius 
sein  Werk  bis  zum  Tode  des  Augustus  (767)  fortzuführen  und  somit  wohl 
auf  150  Bücher  zu  bringen  beabsichtigte.  Die  einzelnen  Theile  (Dekaden?), 
wurden,  wie  es  scheint,  von  dem  Verfasser  selbständig,  mit  eigenen  Titeln,  * 
veröffentlicht;  so  umfasst  B.  71  —  80  den  Bundesgenoasenkrieg  und  hat 
B.  109—116  im  cod.  Nazar.  der  periochae  den  Titel  Bellum  civile.  Vgl. 
noch  Suid.  l.  1.  (A.  4),  Plinius  praef.  16  (A.  6).  Ueberschrift  der  periocha 
libri  GXXI  im  cod.  Nazar.:  ex  lib.  CXXI,  qui  editus  post  excessum  Au- 
gusti  dicitur.  Auch  das  Anm.  7  Angeführte,  sowie  die  urteile  des  Augustus 
(A.  3)  und  AsiniuB  Pollio  setzen  Bekanntsein  grösserer  Theile  des  Werkes 
voraus.  Anzüglich  hatte,  wie  es  scheint,  Livius  selbst  sein  Werk  nach 
Dekaden  und  Halbdekaden  gegliedert  und  so  veröffentlicht  (E.  Wölfflin, 
liv.  Kritik  S.  30),  liess  diess  jedoch  allmählich  fallen  (vgl.  das  Bellum 
civile  B.  109  ff.).  Später  aber  wurde  diese  Eintheilung  beim  Abschrei- 
ben des  Werkes  zu  Grunde  gelegt.  Die  früheste  uns  bekannte  Erwäh- 
nung letzterer  Eintheilung  findet  sich  in  einem  Briefe  des  Papsts  Ge- 
lasiuB  vom  J.  492  —  496;  dass  sie  aber  älter  ist  zeigt  die  Recension  des 
Victorianus  (Anm.  10).  Vgl.  noch  Liv.  X,  31,  10:  Samnitium  bella,  quae 
continua  per  quartum  iam  volumen  .  .  agimus.  VI,  1,  1:  quinque  libris 
exposui. 

6.  Liv.  XLIIl,  13,  2:  ea  pro  indignis  habere  quae  in  meos  annales 
referam.  Plin.  N.  H.  praef.  16:  profiteor  mirari  T.  Livium,  auctorem  cele- 
berrimum,  in  historiarum  suarum,  qnas  repetit  ab  origine  urbis,  quodam 
volumine  sie  orsum.  Der  eigentliche  Titel  ist,  nach  dem  Veroneser  Pa- 
limpsest  und  anderen  alten  Hdss.  des  Livius  und  der  periochae,  ab  urbe 
condita  libri;  vgl.  Liv.  VI,  1,  1:  quae  ab  condita  urbe  Roma  ad  captam 
.  .  Romani  .  .  gessere  u.  s.  w. 

7.  Schätzung  durch  Zeitgenossen.  Sen.  Controv.  X,  praef.  2  (p.  290  f. 
Bu.):  L.  Magius,  genei^T.  Livi,  .  .  cum  illum  homines  non  in  ipsius  ho> 
norem  laudarent,  sed  in  soceri  ferrent.  Plin.  Epist.  II,  3,  8:  numquamne 
legisti  Gaditanum  quendam  Titi  Livi  nomine  gloriaque  commotum  ad  visen- 
dum  eum  ab   ultimo  terrarum  orbe  venisse  statimque  ut  viderat  abisse? 


261.    T.  Livius  (Leben  und  Schriften).  527 

Vgl.  Hieronym.  Epiat.  53.  In  der  späteren  Kaiserzeit  wurde  Liv.  ausschliese' 
liehe  Quelle,  und  zwar  in  einem  Abrisse  welcher  Jahr  um  Jahr  die  Con- 
sulnamen  im  Ablativ  yoranstellte;  Mommsen,  Cassiodor  S.  551  f.  vgl.  oben 
S.  59  n.  M. 

8.  Die  erhaltenen  Bücher  (die  der  fünften  Dekade  haben  manche  Lücken) 
behandeln  die  römische  Geschichte  von  Gründung  der  Stadt  bis  zum  J.  461 
(erste  Dekade) ,  dann  vom  Beginn  des  zweiten  punischen  Kriegs  (J.  586)  biu 
zum  Triumph  des  Aemilius  Paulus  über  Makedonien  (J.  587)..  Die  spärlichen 
Ueberreste  aus  den  andern  Büchern  s.  in  den  Ausgaben,  z.  B.  in  der  von 
M.  Hertz,  Vol.  IV.  p.  ,224  —  235.  Vgl.  M.  Hertz,  de  fragmentis  T.  Livii 
commentatio.  Part.  I  u.  II.  Breslau  1864.  4.  Den  Untergang  des  grössteu 
Theiles  veranlasste  wohl  der  bedeutende  Umfang  des  ganzen  Werkes  (Martial. 
XIV,  190).    VgL  van  Heusde,  Verslagen  etc.  V,  4.  p.  374—387. 

9.  Von  den  periochae  sind  die  zu  Buch,  136  und  137  durch  Zufall 
verloren  gegangen.  Der  Verfasser  derselben  ist  unbekannt.  Sie  dem  Florus 
zuzuschreiben  veranlasste  der  Umstand  dass  sie  sich  gewöhnlich  in  den 
Hdss.  desselben  finden.  Ausgabe  derselben  von  0.  Jahn  (rec.  et  emend), 
Lips.  1853.  Verbesserungsvorschläge  dazu  von  C.  Halm,  in  Fleckeiseu's 
Jahrbb.  81,  S.  507  —  509.  E.  v.  Leutsch,  Exercitationes  criticae,  Göttingeu 
1859.  4.     Beitrag  zu  B.  XX  im  Hermes  IV.  p.  471  —  476. 

10.  Die  Handschriften  haben  in  der  ersten  Dekade  verschiedene  Sub- 
scriptionen.  Unter  allen  Büchern  derselben  kommt  vor:  Victorianus  V. 
C.  emendabam  domnis  Symmachis;  mit  ihr  vereint  hinter  B.  VI,  VII  und 
VIH:  Kicomachus  Flavianus  (s.  d.)  V.  C.  III  praefect.  urbis  emendavi  apud 
Hennam;  hinter  B.  III,  FV  und  V:  Nicomachus  Dexter  V.  C.  emendavi  ad 
exemplum  parentis  mei  Clementiani.  Es  scheint  sonach  als  hätte  Victoria- 
nus die  ganze  Dekade  emendiert,  die  beiden  Kikomachus  aber  nur  je  einige 
Bücher.     0.  Jahn,  Berichte  d.  sächs.  G.  d.  W.  1851,  S.  335  —  338. 

11.  Für  die  erste  Dekade  gibt  es  ungefähr  dreissig  Handschriften. 
Die  älteste  ist  der  Palimpsest  aus  der  Capitelsbibliothek  zu  Verona  (für  B. 
3  —  6),  veröffentlicht  zuerst  durch  Fr.  Blume  in  Niebuhrs  Rhein.  Mus.  H 
(1828).  S.  336  —  343.  Vgl.  A.  W.  Zümpt,  de  Livianorum  librorum  inscriptione 
et  codice  antiquissimo  Veronensi,  Berlin  1859.  39  pp.  4.  Th.  Mommseu, 
T.  Livii  ab  u.  c.  libr.  III — VI  quae  supersunt  in  codice  rescripto  Veronensi 
descr.  et  ed.,  Abhandl.  der  Berl.  Akad.  1868.  185  pp.  4.  Nach  Mommsen 
ist  der  Palimpsest  nicht  aus  dem  archetypus  der  libri  Nicomach,  geflossen, 
hat  aber  mit  diesem  einen  Urarchetypus  gemeinsam.  Die  besten  Vertreter 
der  nikomach.  Recension  sind  der  (jetzt  verlorene)  cod.  Vormaciensis  und 
der  ihm  gleiche  Mediceus  saec.  XI  (bibl.  Flor.  Laur.  plut.  LXII,  19),  jetzt 
die  Hauptgrundlage  der  Textkritik.  Ihm  zunächst  kommt  der  Paris.  5725 
(früher  Colbert.),  von  einer  etwas  jüngeren  Abschrift  des  gleichen  Urcodex 
abstammend,  beide  von  Aischefski  zuerst  vollständig  verwerthet.  Aischefski, 
über  die  kritusche  Behandlung  der  Geschichtsbücher  des  T.  Livius,  Berlin 
1839.  4.  und  vor  seiner  Ausgabe.  Daran  schliessen  sich  an  der  cod.  Bam- 
berg. (Heerwagen,  Excerpta  e  cod.  Bamb.  ad  Liv.  libr.  I,  Baireuth  1856.  4.) 
und  Einsiedl.  saec.  X  (Orelli  in  Seebode's  Neuen  Jahrbb.  I.  1831.  p.  396  ff.). 
Verwandt  sind  Helmstad.  I,  Harlei.  I  (B.  1—8),  Leidens.  I,  Voss.  I,  Florent. 


528  Augusteische  Zeit.  J.  711—767  d.  St. 

(der  Marcua-BibL),  mit  welchem  am  genauesten  stimmt  der  von  J.  Schienger 
im  Mainzer  Gymnasial -Programm  1868  (26  pp.  4.)  beschriebene  Veronensis 
secundus  (saec.  XIU).  Die  andern  dieser  Classe  sind  ohne  Werth.  Auf- 
zählung der  Hdss.  in  Drakenborch's  Ausgabe  XV,  1.  p.  613  S.  Beurteilung 
bei  Heerwagen,  Münchner  Gel.  Anz.  XIX.  Nr.  139,  S.  29—31. 

Die  dritte  Dekade  ist  verhältnissmässig  am  besten  überliefert,  näm- 
lich durch  Paris.  6730  (Puteaneus)  saec.  VIII  (in  üncialschrift) ,  der  aber 
am  Anfang  und  Schlüsse  lückenhaft  ist;  nächst  ihm  Medic.  Laur.  LXIII,  ^0 
und  Paris.  6781  (Colbert.),  sowie  Bamberg.  (J.  Meyer,  Nürnberg  1847  f.  Progr.). 
Aus  einer  vom  Put.  verschiedenen  Quelle  stammte  der  untergegangene  Spi- 
rensis  des  Bhenanus.  Vgl.  H.  Perthes,  Quaest.  Liv.,  Bonn  1863.  J.  Hasen- 
müller im  Rhein.  Mus.  XIX.  S.  313—317.  H.  W.  Heerwagen,  comm.  critica 
de  Liv.  XXVI,  41,  18  —  44,  1.    Nürnberg  1869.  20  pp.  4. 

Die  vierte  Dekade  beruht  auf  Bamberg,  (welcher  XXXIII,  1—17  allein 
bietet)  und  dem  jetzt  verlorenen  Moguntinus.  L.  ürlichs,  die  Bamberger 
Handschr.  des  Livius,  Eos  I  (1864).  S.  84 — 91.  W.  Weissenbom,  de  codice 
Livii  Moguntino,  Eisenach  1866.  4.  üeber  eine  (werthlose)  junge  Liegnitzer 
Handschr.  s.  H.  Kraffert  in  Fleckeisen's  Jahrbb.  103,  S.  69—76  nebst  E.  Peiper, 
ebd.  S.  211—216. 

Was  wir  von  der  fünften  Dekade  haben  gründet  sich  auf  den  cod. 
Laurishamiensis  (aus  dem  Benedictinerkloster  Lorsch),  jetzt  Vindobonensis, 
saec.  VI.  Vgl.  Lambecius  bei  Drakenborch  XV.  p.  428  ff.  Kreyssig,  anno- 
tationes  ad  Liv.  XLI— XLV  ex  cod.  Vindob.  I.  Meissen  1849.  4.  Madvig, 
de  Liv.  libr.  XLIII  initio  e  cod.  Vindob.  emendando,  Kopenhagen  1862.  4. 
J.  Vahlen  in  der  Zeitschr.  för  Ostreich.  Gymn.  1861,  S.  6—19.  249  —  266. 
1866,  S.  307—309.     W.  Hartel,  ebd.  1866,  S.  1—20. 

12.  Gesammtausgaben.  Vgl.  Drakenborch  XV,  1.  p.  628 — 662.  Pa- 
bricius  bibl.  lat.  I.  p.  279  ff.  Schweiger,  class.  Bibliographie  II,  1.  S.  624  ff. 
u.  A.  Ed.  princeps  Rom  um  1469  fol.  cura  lo.  Aleriensis  (ohne  B.  38  u. 
41__46),  vervollständigt  (um  XXVI,  41,  18  ff.)  ed.  Veneta  1498  (von  Bar- 
thol, de  Zanis),  sowie  (aus  cod.  Mogunt.)  in  der  Mainzer  Ausgabe  von  1619 
(Klein -Fol.)  imd  noch  mehr  (aus  dem  cod.  Laurisham.)  durch  S.  Grynäus 
(Basel  1631.  fol.);  endlich  (aus  cod.  Bamberg.)  J.  1616  f.  besonders  durch  J. 
Horrio.  Durch  Benützung  guter  Hdss.  wichtig  die  Ausg.  von  B.  Bhenanus 
und  S.  Grelenius,  Basel  1636.  fol.  Cum  scholiis  C.  Sigonii,  Venet.  1666.  fol. 
Erste  kritische  Ausg.  ex  rec.  I.  Fr.  Gronovii,  Lugd.  Bat.  1646«  1679.  3  Voll. 
Reichhaltigste  Stoffsammlung  von  A.  Drakenborch  (cum  comm.  Dukeri  et 
variorum),  Amsterd.  1738—1746,  7  Voll  4.;  Stuttg.  1820—1828,  16  Voll.  8. 
Diese  Auegabe  enthält  auch  die  von  J.  Freinsheim  verfassten  supplementa 
librorum  deperditorum  (erstmals  mit  den  von  Crevier  vollständig  gedruckt 
Paris  1679).  Texte  in  der  Mannheimer  und  Zweibrücker  Sammlung,  von 
A.  G.  Emesti  (mit  Glossar,  Lips.  1769.  3  Voll.  4.;  Ausgabe  von  Kreyssig, 
Lips.  1823  —  1827,  6  Voll.),  L.  Tafel  (Stuttg.  1824  f.  3  Voll.)  und  Kreyssig 
(Lips.  1828.  4.).  Handausgabe  von  A.  F.  Stroth  und  F.  W.  Döring  (Lips. 
1780-1784.  3  Voll.;  Gotha  1796—1819),  G.  A.  Ruperti  (Götting.  1807— 1809, 
6  Voll.),  I.  Bekker  und  Raschig  (Berlin  1829  f.,  3  Voll.).  Kritische  Aus- 
gaben vonC.  F.  S.  Aischefski  (ad  fidem  codd.  em.,  Berlin  1841—1846,  3  Voll., 


251  f.    T.  LiviuB.  529 

nur  bis  B.  XXIII  incL;  TextauBgabe,  4  Voll,  bis  B.  XXX,  Berlin  1843  f.), 
N.  Madvig  und  J.  L.  Ussing  (Kopenhagen  1861  ff.)-  Texte  mit  kritischer 
Rechtfertigung  von  W.  Weissenborn  (Lips.  Teubner,  1850  f.;  iterum  recogn. 
1860  ff.  6  Voll.)  und  M.  Hertz  (Lips.  Tauchnitz,  1857  — .AgJJ-^-i-i^^giÜL)-  Mit 
erklärenden  Anmerkungen  von^üT'Chr.  Crusius  (Hannover  1846  ff.)  und  G. 
Mahlmann  (Hannover  1854  ff.),  besonders  aber  von  W.  Weissenborn  (Leipzig 
und  Berlin  bei  Weidmann  1853  ft'.  10  Bde.,  Band  I.  1871  in  fönfter  Aufl.), 
sowie  von  J.  Frey  (Leipzig,  Teubner  1865  ff.,  bis  jetzt  2  Hefte). 

13.  Bearbeitungen  einzelner  Theile.  Buch  XXI  u.  XXII  mit  Anm.  von 
E.  W.  Fabri  (Nürnberg  1837;  neu  bearb.  von  H.  W.  Heerwagen,  Nürnberg 
1852).  Lib.  XXIII  et  XXIV  recogn.  et  comm.  instr.  E.  W.  Fabri,  Nürnberg 
1840.  Lib.  XXX  ad  codd.  fidem  emend.  ed.  C.  F.  S.  Aischefski,  Berlin 
1839.  Lib.  XXXIII  emend.  ed.  illustr.  Fr.  GöUer,  Frankf.  1822;  denuo  rec. 
J.  G.  Kreyssig.  acced.  var.  lect.  in  libris  XXX  —  XXXVIll  ex  cod.  Bamberg., 
Meissen  1837.   1839. 

14.  Beiträge  zur  Textkritik.  Emendationes  Livianae  von  G.  L.  Walch 
(Berl.  1815),  E.  W.  Fabri  (Nürnb.  1842),  E.  Welz  (Bresl.  1844),  H.  A,  Koch 
(Brandenburg  1860  f.  4.),  H.  Alanus  (Dublin  1864. '1867)  und  besonders  von 
J.  N.  Madvig  (Kopenhagen  1860.  638  pp.  Vgl.  G.  Queck,  de  Madv.  em. 
Liv.  libr.  I  —  III.  Sondersh.  1861.  4.).  Emendatiunculae  von  Wesenberg  in 
der  Tidskr.  f.  philol.  IX,  1.  1870.  Observationes  Livianae  von  H.  Wimmer 
(Dresden  1839),  Ch.  W.  Fittbogen  (Frankfurt  a.  0.  1842),  J.  Freudenberg 
(Bonn  1854  u.  186^.  4.),  A.  Giers  (Bonn  1862),  H.  Wachendorf  (Bonn  1864). 
Lectiones  Livianae  von  A.  Linsmayer  (München  1864);  Commentationes  von 
Fischer  (Speier  1840.  4.);  Quaest.  Liv.  von  F.  Bessler  (Salzwedel  1847.  4.), 
H.  Perthes  (Bonn  1863),  Quavstiunculae  von  F.  Sartorius  (Baireuth  1860.  4.). 
E.  Wölfflin,  livianische  Kritik  und  liv.  Sprachgebrauch,  Berl.  1864.  31  S.  4. 
(bes.  zu  B.  XXII);  Boot  in  den  Verslagen  en  mededeelingen  IX,  1865  (zu 
B.  21);  M.Müller  (Beiträge  zur  Kritik  und  Erklär,,  Stendal  1866.  1871.  4.; 
Fleckeisen's  Jahrbb.  99,  S.  339  —  354)  u.  A. 

15.  Uebersetzungen  von  K.  Heusinger  (Braunschw.  1821,  5  Bde.),  Oertel 
(München  1822  ff.  9  Bde.),  C.  F.  Klaiber  (Stuttgart  1826—1834.  27  Bdchn.; 
neue  Ausgabe,  in  den  drei  ersten  Bänden  umgearbeitet  von  W.  Teuffei,  in 
den  Class.  d.  Alt.,  Stuttgart,  Metzler,  1854—1856,  6  Bde.),  F.  D.  Gerlach 
(Stuttgart,  Hoffmann,  1856  ff.,  17  Bdchn.). 

252.  Livius  zeigt  in  seinem  Geschiclitswerke  grosse  Schwä-241 
chen:  mit  mühsamer  Urkundenforschung  hat  er  sich  nicht  be- 
fasst,  noch  auch  die  Schauplätze  der  Ereignisse  selbst  besucht, 
sondern  sich  begnügt  die  Erzählungen  seiner  Vorgänger,  am  häu- 
figsten des  Polybios  und  der  späteren  römischen  Annalisten,  stili- 
stisch umgearbeitet  wiederzugeben.  Auch  fehlt  es  ihm  an  genügen- 
der Eenntniss  des  Staatsrechts  und  vollends  des  Kriegswesens;  nicht 
einmal  ein  festes  chronologisches  System  befolgt  er.  Aber  für 
viele  Mängel   entschädigt   die    eine  grosse  Tugend,   dass  er  un- 

Tkuffbl,  Köm.  Llteratargescbichte.   2.  Aufl.  .34 


530  Augusteische  Zeit.  J.  711—767  d.  St. 

zweifelhaft  die  Absicht  hat  die  Wahrheit  zu  sagen  und  nie 
wissentlieh  sie  verletzt  oder  verschweigt;  und  auch  über  die 
schwersten  Verschuldungen  geschichtlichen  Leichtsinnes  breitet 
des  Schriftstellers  unwiderstehliche  Liebenswürdigkeit  einen  ver- 
söhnenden Schleier.  Milden  Wesens  hat  er  eine  Abneigung 
gegen  alles  Schroffe,  aber  auch  Mitgefühl  mit  den  Bedruckten 
und  Unterliegenden,  und  an  den  markigen  Gestalten  aus  Roms 
Vergangenheit  blickt  er  empor  mit  schwärmerischer  Innigkeit. 
Diese  Wärme  des  Anempfindens,  verbunden  mit  einer  Darstel- 
lungsgabe von  wunderbarer  Vielseitigkeit,  hat  bewirkt  dass  er 
ebenso  gross  dasteht  als  Geschichtschreiber  wie  er  klein  ist  als 
Forscher.  Seine  Hauptstarke  besteht  in  der  Schilderung  von 
Vorgängen,  Stimmungen  und  Persönlichkeiten.  Besonders  gern 
lässt  er  die  Handelnden  sich  selbst  zeichnen  durch  Reden  die  er 
ihnen  in  den  Mund  legt  und  in  denen  sich  des  Historikers  red- 
nerische Büdung  in  ihrem  vollen  Glänze  zeigt,  üeberhaupt  Ober- 
wiegt auch  bei  ihm  das  rhetorische  und  stilistische  Interesse, 
der  Zweck  der  Unterhaltung  über  das  Bestreben  das  thatsächlich 
Richtige  zu  ermittehi.  Die  Sprache  des  Livius  lässt  in  Einzel- 
heiten häufig  die  strenge  Classicität  und  gleichmässige  Ausfeilung 
vermissen;  aber  sie  ist  lebendig,  geschmackvoll  und  mit  feinem 
Verständniss  jeder  Lage  angepasst. 

1.  'Selbstbekenntnisse  des  Livius.  Fraef.  5:  ego  hoc  quoqne  laboris 
praemiam  petam  ut  me  a  conspectu  malorum  quae  nostra  tot  pei:  annos 
vidit  aetas  tantisper  certe  dum  prisca  illa  tota  mente  repeto  avertam, 
omnis  expers  cnrae  quae  scribentis  animum  etsi  non  flect^re  a  vero, 
soUicitnm  tarnen  efficere  posset.  XLIII,  13,  2:  et  mihi  vetustas  res 
scribenti  nescio  quo  pacto  anticus  fit  animus  et  quaedam  religio  tenet 
quae  illi  prudentissimi  viri  publice  suscipienda  censuerint  (Prodigien),  ca 
pro  indignis  habere  quae  in  meos  annales  referam. 

2.  Urteile  aus  dem  Alterthum.  Sen.  suas.  6,  21  f.:  quotiens  magni 
alicuius  viri  mors  ab  historicis  narrata  est,  toties  fere  consummatio  totius 
vitae  et  quasi  funebris  laudatio  redditur.  hoc  .  .  T.  Livius  benignius  Om- 
nibus magnis  viris  reddidit.  .  .  ut  est  natura  candidissimus  omnium  mag- 
norum  ingeniorum  aestimator  T.  Livius.  Sen.  de  ira  I,  20,  6:  apud  diser- 
tissimum  virum  Livinm.  Tac.  Agr.  10:  Livius  veterum,  Fabius  Busticus 
recentium  eloquentissimi  auctores.  Ann.  IV,  34:  T.  Livius,  eloquentiae  ac 
tidei  praeclarus  inprimis.  QuintiLVIII,  1,3:  in  T.  LiVio,  mh*ae  facundiae  viro. 
Besonders  treffend  aber  ib.  X,  1,  101:  nee  indignetur  sibi  Herodotus  ae- 
quari  T.  Livium,  cum  in  narrando  rairae  iucunditatis  clarissimique  candoris 
tum  in  contionibus  supra  quam  enarrari  potest  eloquentem;  ita  quae  dicun- 
tnr  omnia  cum  rebus   tum  personis  accommodata   sunt,     affectus  qnidem 


262.    T.  LiviuB  (Charakteristik).  531 

praecipueque  eos  qni  sunt  dulciores,  ut  parcissime  dicam,  nemo  historico- 
rnm  commodavit  magis.  ib.  32:  neque  illa  Sallastiana  brevitas  :  .  neque 
illa  Livii  lactea  ubertas.  II,  5,  19:  ego  candidissimum  quemque  (Schrift- 
steller) et  maxime  exposituxa  velim,  ut  Livium  a  pueris  magis  quam  Sal- 
lustium.  Dagegen  Caligula  (Suet.  Cal.  34)  ut  verbosum  in  historia  negle- 
gentemque  carpebat  (T.  Livium). 

3.  Neuere  urteile  über  Livius  als  Qeschichtschreiber.  Niebuhr,  Böm. 
Qeschichte  I.  S.  3  — 6.  II.  S.  609  f.;  Vorträge  über  B.  G.  I.  S.  45  —  68;  und 
andere  Bearbeiter  der  (älteren)  röm.  Geschichte,  wie  Wachsmuth  (S.  32 — 43), 
Blume  (S.  123  ff.  146  f.),  Schwegler  (I.  S.  103  —  115.  II.  S.  10—13),  C.  G. 
Lewis  (Unters,  üb.  d.  Glaubwürdigkeit  u.  s.  w.  übers,  von  F.  Liebrecht,  I. 
8.  47  if.  242  if.).  J.  M.  Solu,  T.  Livius  in  seiner  Gesch.,  München  1832.  4. 
H.  ülrici,  Charakteristik  der  antiken  Historiographie,  S.  120  —  125.  F.  D. 
Gerlach,  die  Geschichtschr.  d.  Bümer,  S.  133  —  143.  Eallenbach,  über  T. 
Livius  im  Yerhältniss  zu  seinem  Werke  und  seiner  Zeit,  Quedlinburg  1860. 
43  S.  4.    Th.  Mommsen,  Hermes  V.  S.  270—280  u.  A. 

4.  Politische  Ansicht  des  Livius.  Programm  darüber  von  Fr.  X.  Frühe, 
Constanz  1861.  Oin  politisches  System  hat  Livius  nicht;  dafür  ist  er  viel 
zu  sehr  Bomantiker,  Idealist  und  Gefühlsmensch.  Auch  Parteihass  kennt 
sein  mildes  Wesen  nicht;  wohl  aber  hat  er  ausgeprägte  Antipathien.  Alles 
Gewaltthätige,  Lärmende,  Zelotische,  Harte  ist  ihm  unangenehm,  auf  wel- 
cher Seite  es  sich  finden  mag,  und  App.  Claudius  ist  daher  ebensowenig 
sein  Mann  als  C.  Telrentius  Varro,  C.  Flaminius  oder  die  ungeduldig  vor- 
wärtsstürmenden Volkstribunen;  sogar  der  ältere  Scipio  ist  ihm  nicht  cor- 
rect  genug.  Am  unbedingtesten  bewundert  er  BOmer  alten*  Schlages,  wie 
CincinnatuB,  Papirius  Cursor,  Camillus,  Sex.  Tempanius,  P.  Decius,  Fabius 
Cnnctator;  wo  die  Parteien  einander  gegenüberstehen  hält  er  es  mit  den 
Gemässigten,  BiUigen,  Versöhnlichen.  Am  wenigsten  kann  er  sich  befreun- 
den mit  der  Masse,  deren  Unverstand,  Unzuverlässigkeit  und  Zuchtlosigkeit 
er  oft  genug  geisselt  (z.  B.  XXIII,  2.  XXIV,  25, '8.  XXXI,  34.  44.).  Da- 
gegen findet  er  im  alten  Bom  sein  Ideal  verwirklicht,  so  dass  romanus 
für  ihn  ein  Inbegriff  alles  Edlen  ist  (z.  ß.  I,  53,  4.  V,  28,  3.  36,  1.  38,  5. 
XXII,  67,  6.  XXV,  36  extr.  Vgl.  oben  1,  2).  Unwillkürlich  wird  er  dadmch 
öfters  parteiisch  für  Bom,  ungerecht  wider  dessen  Gegner;  s.  Weissen- 
borns  Einl.  S.  32  f.  Jener  schöneren  Zeit  gegenüber  erscheint  ihm  die 
Gegenwart  als  herabgekommen,  und  unzählige  Male  beklagt  er,  wehmütig 
und  bitter,  das  Schwinden  des  alten  pudor,  der  simplicitas,  modestia, 
aequitas,  altitudo  animi  und  besonders  der  pietas.  Dafür  ist  neglegentia 
deum,  omnis  divini  humanique  moris  die  Signatur  der  Gegenwart  gewor- 
den. Und  nicht  nur  beredt  macht  ihn  diese  sentimentale  Anschauungs- 
weise sondern  auch  mutig;  vgl.  VII,  40,  2:  nondum  erant  tarn  fortes  ad 
sanguinem  civilem,  nee  praeter  externa  uoverant  bella,  ultimaque  rabies 
secessio  ab  suis  habebatur. 

5.  Die  Frömmigkeit  des  Livius  ist  wesentlich  pantheistisch  gefärbt. 
Der  Mensch  soll  sich  im  Bewusstsein  seiner  Kleinheit  und  Schwäche  unter- 
ordnen, auf  die  Zeichen  göttlichen  Waltens  achten,  die  Gottheit  ehren  und 
sich   hüten  irgendwie   sich  gegen  sie  zu  versündigen.    Damit  hängt  auch 

34* 


532  Augnsteiache  Zeit.  J.  711—767  d.  St. 

der  Fatalismus  des  Livius  zusammen,  der  namentlich  in  der  ersten  Dekade 
eine  grosse  Rolle  spielt,  in  Ermanglung  klarerer  Einsicht  in  den  vernünf- 
tigen Zusammenhang  der  Dinge.  Z.  B.  I,  42,  2:  nee  rupit  tamen  fati  ne- 
cessitatem  humanis  consiliis.  V,  37,  1:  adeo  obcaecat  animos  fortuna,  ubi 
vim  suam  ingruentem  refringi  non  volt.  VIII,  24,  4:  ut  ferme  fugiendo 
in  media  fata  ruitur.  XXY,  6,  4:  nulla  Providentia  fatum  imminens  mo- 
vori  potuit.  Verbältnissmässig  rationalistisch  ist  daher  VIU,  7,  8:  movct 
ferocem  animum  iuvenis  seu  ira  seu  .  .  pudor  seu  inexsuperabilis  vis  fati. 
Vgl.  III,  8,  1.  Femer  gehört  dahin  sein  Glaube  an  die  Prodigien;  vgl.  XXVU, 
23,  6:  in  capita  consulum,  rep.  incolumi,  exitiabilis  prodigiorum  eventus 
vertit.  XLni,  13,^  1 :  non  sum  nescius  ab  eadem  neglegentia  qua  nihil  deos 
portendere  volgo  nunc  credant  neque  nuntiari  admodum  uUa  prodigia  in 
publicum  ueque  in  annales  refem.  Einschränkungen  III,  6,  14.  V,  21,  9. 
XXIV,  4.  8.  10,  6.  XXVn,  23,  3.  —  Queck,  Beiträge  zur  Charakteristik 
des  Livius,  I.  Sondershausen  1847.  4.  0.  Fabricius,  zur  religiösen  An- 
schauungsweise des  Livius,  Königsberg  1866.  35  S.  4. 

6.  Abgprenzung  seines  Geschichtsstoffes.  XXXIII,  20  extr.:  non  operae 
est  persequi  ut  quaeque  acta  in  his  locis  sint,  cum  ad  ea  quae  propria 
romani  belli  sunt  vix  sufficiam.  Fast  gleichlautend  XLI,  25  extr.  XXXIX, 
48,  6:  cuius  belli  et  causas  et  ordinem  si  expromere  velim  immemor  sim 
propositi,  quo  statui  non  ultra  attingere  externa  nisi  qua  romanis  cohae- 
rent  rebus.  •Vgl.  Vm,  24,  18.  XXIX,  29,  5  (excedere  paululum).  XXXV,  40,  1. 

7.  Für  den  ästhetischen  Standpunkt  welchen  Livius  seinem  Stoffe 
gegenüber  einnimmt  ist  bezeichnend  sein  öfteres  piget  scribere,  enumeraro 
n.  dgl.  (z.  B.  X,  18,  7.  31,  15.  XXVI,  49),  sowie  Aeusserungen  wie  XXVU, 
37  (oben  92,  7).  Von  den  beiden  Beweggründen  die  er  praef.  2  unter- 
scheidet (dum  novi  semper  scriptores  aut  in  rebus  certius  aliquid  allaturos 
se  aut  scribendi  arte  rüdem  vetustatem  superaturos  credunt)  hat  ihn  jeden- 
falls der  zweite  geleitet. 

8.  Von  seinen  Vorgängern  hat  Livius  nicht  von  Anfang  an  alle 
gekannt  oder  benützt,  sondern  erst  allmählich  seinen  Gesichtskreis  erwei- 
tert. So  hat  er  Cato^s  Origines  erst  in  der  vierten  Dekade  verwerthet, 
und  Polybios  nicht  vor  B.  XXIII.  Von  den  älteren  besseren  lat.  Quellen  hat 
er  schwerlich  irgend  eine  stetig  zu  Bathe  gezogen,  weder  den  Fabius  Pictor 
noch  Piso,  sondern  sich  begnügt  die  Schriftsteller  der  späteren  Zeit,  beson- 
ders Antias,  Macer  und  Tubero,  mit  einander  zu  vergleichen,  üeber  Valerius 
Antias  ist  ihm  erst  spät  das  rechte  Licht  aufgegangen;  s.  oben  152,  3. 
Auch  dass  er  den  Polybios  nicht  vollständig  zu  würdigen  gewusst  habe 
sollte  man  glauben  nach  der  kühlen  Wendung  XXX,  45  (haud  spemendus 
auctor),  wenn  nicht  der  Augenschein  zeigen  würde  dass  er  ihn  in  der 
Geschichte  des  Krieges  mit  Philipp  III  und  mit  Antiochos,  sowie  bei  den 
griechischen  Händeln  fast  wörtlich  übersetzt,  obwohl  bald  kürzend  bald 
ausmalend.  Den  Dionysius  aus  Halikarnass  hat  er  so  wenig  benützt  als 
dieser  ihn.  F.  Lachmann,  de  fontibus  historiarum  T.  Livii  comm.  I.  II. 
Gotting.  1821  f.  4.  C.  Peter,  das  Verhältniss  des  Liv.  und  Dionysios  v. 
Hai.  zu  einander  und  zu  den  älteren  Annalisten,  Anclam  1853.  13  S.  4.  1 
L.  Kieserling  (s.  oben  37,  7).   H.  Nissen,  kritische  Untersuchungen  über  die 


252.    T.  Livius  (Charakteristik).  533 

Quellen  der  vierten  und'  fünften  Dekade  des  L.,  Berlin  1863.  342  S.  Tb. 
LucaSf  disp.  de  ratione  qua  Livius  in  libris  bist,  conscribendis  usus  est 
opere  Polybiano,  I.  Glogau  1854.  18  pp.  4.  Michael,  in  wie  weit  hat  L. 
den  Pol.  als  Hauptquelle  benützt?  Torgau  1859.  16  S.  4.  L.  Tillmanns, 
qua  ratione  L.  (in  B.  31—45)  Polybii  historiis  usus  sit,  Part.  I.  Bonn  1860. 
60  pp.,  und  Quo  libro  Liv.  Polybii  bist,  uti  coeperit,  in  Fleckeisens  Jahrbb. 
83,  p.  844—854.  C.  Peter,  Livius  und  Polybius;  über  die  Quellen  des  XXl 
und  XXn  B.  des  L.,  Halle  1863.  4.  C.  Böttcher,  quaestiones  criticae  de 
T.  Livii  1.  XXI  et  XXU  fontibus,  Königsberg  1867,  und  in  Pleckeisen's 
Jahrbb.  Suppl.  V.  1869.  S.  353  —  443.  W.  Michael,  de  ratione  qua  L.  in 
tertia  decade  opere  Polyb.  usus  sit,  Bonn  1867.  K.  W.  Nitzsch,  Quellen- 
analyse von  Liv.  n,  1  —  IV,  8  und  Dionys.  Hai.  V,  1  —  XI,  63,  im  Rhein. 
Mus.  XXm.  S.  600—631.  XXIV.  S.  146-180.  XXV.  S.  75—128.  Auch  H. 
Müller,  die  Schlacht  an  der  Trebia,  Berlin  1867.  34  S.  4.  Fr.  Friedersdorff, 
Livius  et  Polybius  Scipionis  rerum  scriptores,  Gotting.  1869.  70  pp.  H.  Peter, 

bist.  L  p.  Lxxxix— xcm.  cxcvm— cc.  ccxxv— ccxxx.  cccxm  f. 

CCCXLVn-CCCL. 

9.  Handhabung  der  historischen  Kritik  durch  Livius.  Wo  unter 
seinen  Vorgängern  keine  Meinungsverschiedenheit  herrscht,  da  muss  die 
innere  ünwahrscheinlichkeit  sehr  stark  sein  (wie  V,  21 ,  8  f.  VI,  12 ,  2  fF.) 
wenn  dem  Livius  ein  Zweifel  dagegen  aufsteigen  soll.  Worüber  die  Quellen 
zusammenstimmen,  das  hält  er  in  der  Regel  für  richtig  und  gibt  so  nur 
die  vulgare  Tradition  wieder.  Wo  seine  Vorgänger  getheilter  Meinung 
sind,  da  lässt  er  sehr  häufig  dahingestellt  was  das  Richtige  sei,  oder  er 
entscheidet  sich  für  das  was  die  Mehrzahl  angibt  oder  für  deri  älteren 
Gewährsmann  oder  den  unverdächtigeren,  oder  für  die  innerlich  wahr- 
scheinlichere, nicht  selten  auch  für  diejenige  Darstellung  welche  den  Rö- 
mern günstiger  ist  (z.  B.  VTI,  27,  9.  X,  37),  oder  die  mildeste  (wie  IV,  29,  6. 
VI,  38,  10.  VIII,  18,  2)  oder  die  farbenreichste  (wie  VII,  39  ff.  X,  37.  XXI, 
46,  10.  XXVI,  15)  oder  einfach  die  mittlere  (wie  XXVI,  49,  6).  Besonders 
in  der  älteren  Zeit  ist  sein  Urteil  häufig  unsicher;  vgl.  V,  21,  9:  in  rebus 
tam  antiquis  si  quae  similia  veri  sint  pro  veris  accipiantur  satis  habeam. 
Hier  besonders  sind  die  Incompetenzerklärungen  sehr  zahlreich.  Aber  auch 
sonst  wählt  er  gern  diesen  Ausweg,  theils  aus  Mangel  an  eigentlichen 
Quellenstudien  und  von  tieferer  Einsicht  in  die  streitigen  Gegenstände, 
theils  auch  aus  natürlicher  Bescheidenheit  und  Hinneigung  zum  Vertrauen. 
Diese  geht  so  weit  dass  er  auch  durch  schlimme  Ei*fahrungen  nicht  gründ- 
lich gewitzigt  wird.  Trotz  dem  dass  er  durch  Valerius  Antias  vor  allen 
hohen  Zahlen  in  Schlachtberichten  gewarnt  sein  sollte  spricht  er  doch 
XXXVn,  44  unbedenklich  von  gegen  54000  Erschlagenen,  XXVII,  49  gar 
von  56000.  Dergleichen  beweist  zugleich  seinen  Mangel  an  praktischer 
Anschauung,  üeber  seine  Bescheidenheit  vgl.  z.  B.  XXIX,  14,  9:  id  .  . 
sicut  proditum  a  proximis  memoriae  temporum  illorum  scriptoribus  libens 
posteris  traderem,  ita  meas  opiniones  coniectando  rem  vetustate  obrutam 
non  interponam. 

10.  Folge  der  Abhängigkeit  von  seinen  Quellen  und  einer  gewissen 
—  bei  dem  Ihnfange  der  Aufgabe  leicht  erklärlichen  —  Flüchtigkeit,  zum 


534  Augusteische  Zeit.  J.  711—767  d.  St. 

Theil  auch  der  stückweisen  Ausarbeitung  und  Veröffentlichung,  sind 
manche  Verstösse  im  Einzelnen,  Wiederholungen,  Widersprüche,  Auslas- 
sungen, Verwechslungen,  Missverständnisse,  unrichtige  Uebersetzungen  u.  dgl. 
Beispiele  davon  in  Weissenborns  Einleitung  S.  28  f.  Nach  allem  diesem 
ist  Livius  als  Geschichtsquell^,  namentlich  für  die  älteren  Zeiten,  nur  mit 
Vorsicht  zu  benützen,  so  wenig  seine  persönliche  Absicht  die  Wahrheit  zu 
sagen  irgend  welchem  Zweifel  unterliegen  kann.  Abhandlungen  de  fide 
Livii  (ausser  Aelterem)  von  C.  Kruse  (I  et  II,  Lips.  1812.  4.)  und  Bäumker 
(Liv.  antiquiss.  rerum  rom.  bist,  etc.,  Paderborn  1863.  4.).  Trotzdem  wurde 
er  in  den  nächsten  Jahrhunderten  fast  ohne  alle  Kritik  benützt,  ausge- 
schrieben und  epitomiert;  s.  oben  251,  7  und  ü.  Köhler,  qua  ratione  T. 
Livii  annalibus  osi  sint  historici  latini  atque  graeci,  Gotting.  1861.  99  pp.  4. 

11.  In  seiner  Anlage  gleicht  das  Werk  des  Livius  denen  der  Anna- 
listen, nicht  nur  sofern  es  die  Begebenheiten  nach  der  Ordnung  der  Jahre 
erzählt  sondern  auch  darin  dass  es,  bei  der  ältesten  Zeit  verhältnissmässig 
kurz  gehalten,  um  so  ausführlicher  wird  je  mehr  es  in  bekanntere  Zeiten 
gelangt;  vgl.  oben  37  und  115,  1.  Die  ersten  60  Bücher  behandelten  sechs 
Jahrhunderte,  die  letzten  80  etwa  120  Jahre.  Das  erste  Drittel  von  6.  I 
ist  besonders  dürftig  und  versucht  sich  (wie  der  Anfang  von  B.  II)  mit 
sehr  wenig  Glück  im  Pragmatisieren  und  Motivieren.  Bei  nebelhaften  Ge- 
stalten war  wenig  auszurichten  mit  dem  was  sonst  eine  Hauptstärke  des 
Livius  ist,  dem  psychologischen  Ausmalen.  Wie  Stimmungen  (z.  B.  VIIl, 
7,  20  f.  IX,  2,  10  f.  5f.  XXXIII,  32)  so  weiss  er  au<3h  äussere  Vorgänge 
(z.  B.  V,  39  ff.  XXI,  58.  XXIII,  27,  6  f.  XXIV,  26)  mit  lebendigster  An- 
schaulichkeit zu  erzählen.  Diese  Eigenschaft,  bowie  seine  humane  milde 
Gesinnung,  macht  den  Livius  besonders  geeignet  für  jüngere  Altei%stufen. 
Je  mehr  indessen  geschichtlich  verbürgte  Nachrichten  an  die  Stelle  der 
Sage  oder  Dichtung  treten  und  der  Phantasie  des  Historikers  den  Raum 
entziehen,  desto  mehr  nimmt  der  Beiz  der  Darstellung  ab.  So  macht  die 
fünfte  Dekade  nicht  mehr  denselben  Eindruck  wie  die  früheren.  Es  ist 
daher  zu  vermuten  dass  auch  die  verlorenen  Bücher,  einige  Glanzpartien 
abgerechnet  (wie  Charakteristiken,  Beden  u.  dgl.),  stilistisch  sich  kaum  auf 
der  Höhe  der  vorhandenen  gehalten  haben  werden. 

12.  Ein  von  Livius  häufig  und  mit  Virtuosität  angewendetes  Mittel 
der  Oharakterzeichnung  sind  die  eingeflochtenen  Beden,  welche  ein  simu- 
lacrum  des  betreffenden  Mannes  geben  sollen  (XLV,  25,  3),  die  Beweg- 
gründe der  Handelnden  darstellen  (z.  B.  VIII,  7.  vgl.  III,  47,  5),  und  daher 
auf  unmittelbare  geschichtliche  Wahrheit  so  wenig  Anspruch  erheben  (in 
hanc  sentcntiam  locutum  accipio  III,  67,  1)  dass  sie  weder  im  Einzelnen 
Anachronismen  scheuen  (wie  V,  4,  12)  noch  den  Versuch  machen  den  Ton 
der  Zeit  nachzubilden.  Desto  treuer  aber  pflegen  sie  dem  Charakter  oder 
Stande  des  Bedenden  zu  entsprechen;  vgl.  z.  B.  VII,  84.  In  einzelnen 
Fällen  lässt  sich  noch  verfolgen  wie  Livius  das  kurze  Thema  eines  Vor- 
gängers rhetorisch  auszuspiunen  gewusst  hat;  vgl.  Polyb.  III,  64  mit  Liv. 
XXI,  40  f.  üeber  den  ganzen  rhetorischen  Charakter  der  Geschichte  des 
Livius  vgl.  H.  Taine,  essai  sur  Tite-Live,  Paris  1856.  348  pp. 

13.  Die   Darstellung    des    Livius    hat    den   Charakter    behaglicher 


t' 


•252.    T.  Livius  (Charakteristik).  535 

Fülle  und  BunduDg,  ähnlich  der  des  Horodot  (vgl.  Qaintilian  oben  A.  2), 
so  dasB  sie  manchmal  zur  Umständlichkeit  wird.  Qaintil.  YIII,  3,  53:  vi> 
tanda  itMUQoXoyia ,  i.  e.  longior  quam  oportet  scrmo,  ut  apud  T.  Livium. 
Vgl.  Charis.  p.  242  F.  ==  271  K.  mit  den  dort  von  Keil  nachgewiesenen 
Parallelstellen  und  M.  Hertz,  prolusio  not.  77.  Auch  an  die  Weise  des 
Cicero,  welchem  Livius  nachstrebte  (s.  oben  251,  4)  und  näher  kam  als 
irgend  ein  anderer  römischer  Prosaiker,  erinnert  jene  Eigenschaft.  So 
unverkennbar  überall  die  (rednerische)  Kunst  zu  Tage  tritt,  so  wird  sie  doch 
nie  zur  Künstelei  und  Unnatur.  Die  Virtuosität  des  Livius  sich  in  eine 
gegebene  Lage  hineiniufuhlen  verleiht  auch  seiner  Darstellung  die  den 
jedesmaligen  Umständen  entsprechende  Stimmung  und  Färbung. 

14.  Die  Sprache  des  Livius  strebt  grundsätzlich  (s.  251,  4)  nach 
Classicität;  und  sie  kommt  diesem  Ziele  jedenfalls  viel  näher  als  dem  Quin- 
tilian  und  dem  Tacitus  in  seiner  ciceronischen  Jugendschrift  gelungen  ist. 
Aber  das  nahende  silberne  Zeitalter  veträth  sich  schon  bei  Livius  in  seinen 
zahlreichen  poetischen  Wendungen  (haec  ubi  dicta  dcdit;  ubi  Mars  est 
atrocissimus;  ad  arma  consternatum  esse;  cogitationibus  animum  volutare; 
ad  versa  montium;  stupens  animi;  laeta  pascua  u.  dgl.),  und  auch  die  Vor- 
liebe für  starke  Ausdrücke  (wie  attonitus,  ingem;  vgl.  oben  224,  7)  gehört 
dahin.  Hauptsächlich  wohl  in  seinem  Wortgebrauch  war  es  wo  Solche 
die  im  sormo  urbanus  aufgewachsen  waren  vielfach  auf  Fremdartiges 
stiessen.  Quintil.  I,  5,  65  f.:  peregrina  (verba)  ex  omnibus,  prope  dixerim, 
gentibus  .  .  venerunt;  .  .  quemadmoduni  PoUio  (s.  oben  218,  6)  deprehendit 
in  Livio  patavinitatem.  Vgl.  ib.  VIII,  1,  2:  ut  sint  (verba)  quam  minime 
peregiina  et  externa.  (3.)  et  in  T.  Livio,  mirao  facundiae  viro,  putat 
inesse  PoUio  Asinius  quandam  patavinitatem.  D.  G.  Morhof,  de  patavini- 
täte  Liviana,  Kil.  1685  (auch  in  Drakenborchs  Livius  XV,  1.  p.  50  ff.). 
C.  G.  Wiedemann,  quaestio  de  patavinitate  Livii,  I — UI.  Görlitz  1848. 
1854.   1855.   4. 

15.  In  Bezug  auf  den  Sprachgebrauch  „zeichnet  sich  namentlich  die 
erste  Dekade,  welche  Livius  wohl  besonders  herausgegeben  hat,  durch 
manche  Eigenthümlichkeiten  aus:  der  Stil  zeigt  noch  viel  Schwankendes, 
was  sich  in  den  späteren  Büchern  fester  gestaltet;  Livius  selbst  hat  sich 
in  den  ersten  zehn  Büchern  seinen  historischen  Stil  erst  recht  geschaffen 
und  durchgebildet.  .  .  Dieser  Unterschied  zeigt  sich  nicht  nur  in  der  Be- 
deutung und  der  Construction  einzelner  Wörter,  sondern  im  Wortvorratho 
selbst.  So  hat  Livius  in  der  ersten  Dekade  gewissen  Verba  frequentativa 
einen  ganz  unverhältnissmässigen  Spielraum  gegeben."  E.  Wölfflin,  livia- 
nische  Kritik  und  livianischer  Sprachgebrauch  (Berlin  1864.  4.)  S.  29.  Son- 
stige Literatur  über  die  Sprache  des  Livius.  F.  Hand,  Lehrbuch  des  lat. 
Stils  S.  64—66.  C.  J.  Grysar,  Theorie  des  lat.  Stils*  S.  7  ff.  und  vor  sei- 
ner Ausgabe  part.  sei.  Liv.  p.  XXXVIl  ff.  Weissenborns  Einleitung  S.  37  ff. 
Queck,  Beitr.  zur  Charakt.  d.  Liv.  II:  die  Darstellung  des  Livius,  Sonders- 
hauaen  1853.  4. 

16.  E.  F.  Poppe,  de  latinitate  falso  aut  merito  suspecta,  Prankf.  a/0. 
1841.  4.  Stange,  de  discrepantia  quadam  inter  sermonem  Cic.  et  Liv., 
ebd.  1843.    4.    Kreizner,    de  propria  orationis  Livianae    indole,   Hadamar 


536  Augusteische  Zeit.   J.  711—767  d.  St. 

1844.  4.  £.  Wesener,  de  quibusdam  Liv.  orationis  proprictatibus ,  Coblenz 
1854.  4.  und  De  periodorum  Liv.  proprietatibus ,  Fulda  1860.  4.  G.  Hilde- 
brand, über  einige  Abweichungen  im  Sprachgebrauche  des  Cic,  Caesar, 
LiviuB  u.  B.  w.  Trem.  1854.  4.,  und  Beiträge  zum  Sprachgebrauch  des  Liy., 
Dortmund*  1865.  4.  E.  Erah,  spec.  grammaticae  Liv.,  Insterburg  1859.  4.' 
Baur,  de  aliquot  translationum  Liy.  generibus,  Augsburg  1864.  4.  C.  E. 
Güthling,  de  T.  Livii  oratione.  c.  I:  de  usn  verborum  simplicium,  Lauban 
1867.  4.  L.  Eühnast,  die  Hauptpunkte  der  livian.  Syntax;  zweite  Bearbei- 
tung, Berlin  1872.  403  S. 

J.  E.  Ellendt,  de  praepos.  a  cum  nominibus  urbium  iunctae  apud  Liv. 
maxime  usu,  Königsberg  1843.  4.  H.  Löwe,  de  praepos.  de  usu  apud 
Livium,  Grimma  1847.  4.  Kleine,  de  genetivi  usu  Liviano,  Part.  L  Cleve 
1865.  4.  —  Emesti,  Glossarium  Livianum,  ed.  G.  H.  Schaefer,  Lips.  1804. 

242  253.  Ungefähr  gleichzeitig  mit  Livius  und  wie  zur  Er- 
gänzung desselben  schrieb  Pompeius  Trogus  seine  Universal- 
geschichte, Historiae  Philippicae,  in  44  Büchern,  mit  Ninus  be- 
ginnend und  bis  auf  seine  Zeit  herabgeführt,  nach  griechischen 
Quellen,  in  lebhafter  Stilisierung  und  classischer  Sprache,  dabei 
stoffreicher  und  weniger  rhetorisch  gehalten  und  desshalb  zu- 
verlässiger als  Livius.  Wir  kennen  das  Werk  hauptsächlich 
durch  den  Auszug  des  Justinus.  Ausserdem  verfasste  Trogus 
zoologische  und  botanische  Werke,  nach  den  besten  Gewährs- 
männern, Aristoteles  und  Theophrastus. 

1.  Justin.  XLllI,  5,  11  f.:  in  postremo  libro  Trogus  maiores  suos 
a  Vocontiis  originem  ducere,  avum  suum  Trogum  Pompeium  Sertoriano 
hello  civitatem  a  On.  Pompeio  percepisse  dicit,  patruum  Mithridatico  hello 
turmas  sub  eodem  Pompeio  duzisse,  patrem  quoque  suh  G.  Caesare  mili- 
tasse  epistularumque  et  legationum,  simul  et  anuli  curam  hahuisse.  Der 
Grossvater  wird  sonach  Cn.  Pomp.  Tr.  geheissen  haben;  der  patruus  hiess 
nach  einer  Inschrift  aus  Vaison  (J.  Becker,  Jahrb.  d.  rheinl.  Alt.  Fr.  XVIII. 
S.  127—130)  wahrscheinlich  Q.;  der  Vater  war  wohl  der  im  J.  700  d.  St.  von 
Caesar  als  Dolmetscher  verwendete  Cn.  Pompeius  bei  Caes.  b.  g.  V,  36; 
daher  denn  auch  der  Geschichtschreiber  den  Vornamen  Cn.  geführt  haben 
wird.    J.  Becker,  Philologus  VII.  S.  389—391.    Vgl.  ebd.  IL  S.  305. 

2.  Charis.  I.  p.  102,  10  f.  K.:  Valgius  et  Verrius  et  Trogus  de  ani- 
malibus.  ib.  p.  137,  9  f.:  Trogum  de  animalibus  libro  X.  Längere  An- 
fuhrung daraus  (Trogus,  et  ipse  auctor  e  severissimis)  bei  Plin.  N.  H.  XI, 
52,  275  f.,  welche  Stelle  eine  ungenaue  Üebersetzung  aus  Aristoteles  H.  A. 
ist.  Plinius  citiert  den  Trogus  in  B.  7,  10,  11,  17,  31,  sowie  im  Quellen- 
verzeichnisB  zu  B.  8,  9,  12,  13  —  16,  18.  Da  B.  12  —  18  von  den  Bäumen 
und  dem  Ackerbau  handeln,  so  wird  Trogus  auch  eine  Schrift  de  planus 
verfasst  und  diese  ebenso  aus  Theophrast  geschöpft  haben  wie  sein  zoolo- 
gisches Werk  aus  Aristoteles.    A.  v.  Gutschmid  (s.  A.  4)  S.  180 — 186. 

3.  Hauptwerk    die    44    Bücher    historiarum    philippicarum,    nach 


253.   Pompeius  Trogns.  (lustinus.)  537 

ethnographischen  Gesichtspunkten  geordnet,  mit  besonderer  Berücksich- 
tigung der  makedonischen  Geschichte  und  der  Diadochehzeit  und  verhält- 
nissmässiger  Hintansetzung  der  römischen  Geschichte  (die  Eönigszeit  wird 
in  B.  43  nachgetragen),  vielleicht  weil  diese  von  Livins  behandelt  war. 
B.  1  —  6  erzählen  einleitungsweise  die  Geschichte  von  Asien  und  Hellas. 
Die  späteste  in  dem  Werk  erwähnte  Thatsache  ist  die  Rückgabe  der  von 
den  Parthem  eroberten  Feldzeichen  J.  734  d.  St.  (XLH,  5,  11).  unsicher 
ist  die  Vermutung  dass  XLU,  4,  16  (Parthiae,  in  qua  iam  quasi  sollemne 
est  reges  parricidas  haberi)  sich  auf  die  Ermordung  des  Phraates  IV  durch 
seinen  Sohn  Phraatakes  (ums  J.  9  nach  Chr.)  beziehe.  Der  Fatalismus  der 
antiken  Geschichtschreibung  trat  auch  bei  Tr.  zu  Tage  (XLÜ,  4,  16:  fatum 
Parthiae  fecit  ut  et«.).  Die  lebendige  Stilisierung  des  Werkes  ist  noch 
durch  den  Auszug  Justins  hindurch  oft  genug  erkennbar.  Einen  vir  priscae 
eloquentiae  nennt  den  Tr.  Justin,  praef.  1  vgl.  Vopisc.  Prob.  2,  7:  ut  non 
Sallustios,  Livios,  Tacitos,  Trogos  atque  omnes  disertissimos  imitarer  vires. 
Auf  achtungswerthe  historische  Grundsätze  lässt  schliessen  XXXVIU,  3,  11: 
quam  (orationem)  obliquam  Pompeius  Trogus  exposuit,  quoniam  in  Livio 
et  in  Sallustio  reprehendit  quod  contiones  directas  pro  sua  oratione  operi 
suo  inserendo  historiae  modum  excesserint.  Benücksichtigung  seines  Zeit- 
genossen Vergilius;  s.  Serv.  ad  Aen.  VI,  783:  de  hoc  loco  et  Trogus  et 
Probus  quaerunt.  Hugo  von  Fleury  (Kirchengeschichte;  Abt  von  Canterbury 
seit  1091?),  nach  ihm  der  Chronist  Roger  Wendover  und  aus  diesem  Mat- 
thäus von  Westminster,  Flores  histor.  (ed.  1570)  I.  p.  81  (s.  A.  v.  Gut- 
schmid  S.  260  f.  Reifferscheids  Sueton  p.  382  f.  und  bes.  F.  Rühl,  die 
Verbreitung  Justins,  S.  25 — 41J:  anno  divinae  incamationis  nono,  Caesare 
Augusto  imperii  sui  LI*™  agente  annum  (J.  762  d.  St.),  Trogus  Pompeius 
chronica  sua  terminavit.  .  .  Romanorum  remp.  .  .  ab  initio  usque  ad  prae- 
sens tempus  prosequitur.  Radulfus  de  Diceto,  de  viris  ülustr.  (vom  J.  1210, 
aus  unbekannten  guten  Quellen):  Trogus  Pompeius  a  tempore  Nini  regie 
Assyriorum  usque  ad  annum  XXIX""  Hyrcani  principis  ludaeomm  Chronica 
sua  digessit  (Rühl  a.  a.  0.  S.  32). 

4.  Erhalten  ist  uns  die  Universalgeschichte  des  Trogus  theils  in  den 
prologi  (Inhaltsverzeichnissen)  zu  sämmtlichen  Büchern  theils  in  dem  Aus- 
zuge des  Justinus,  welcher  in  seiner  -praefatio  sagt:  Trogus  Pompeius 
graecas  et  totius  historias  orbis  lätino  sermone  conposuit.  .  .  cuius  libris 
omnium  saeculorum,  regum,  nationum  populorumque  res  gestae  continen- 
tur.  .  .  ea  omnia  Pompeius  divisa  temporibus  et  serie  rerum  digesta  con- 
posuit.  horum  igitur  XLIV  voluminum  (nam  totidem  edidit)  per  otium 
quo  in  urbe  versabamur  cognitione  quaeque  dignissima  excerpsi.  Ausserdem 
einzelne  Stellen  bei  Priscianus,  Cassiodor  (Jordanis),  Servius  und  lunilius 
Flagrius;  s.  A.  v.  Gutschmid  S.  186—202.  Alle  übrigen  Schriftsteller 
haben ,  auch  wenn  sie  Trogus'  als  Quelle  nennen ,  doch  nur  aus  Justinus 
geschöpft.  Die  von  Bielowski  (A.  6)  aus  polnischen  Chroniken  entnomme- 
nen augeblichen  Fragmente  des  Trogus  sind  als  trüglich  erwiesen  worden 
durch  A.  v.  Gutschmid,  über  die  Fragmente  des  P.  Tr.  und  die  Glaub- 
würdigkeit ihrer  Gewährsmänner,  in  Fleckeisens  Jahrbb.  Suppl.  II  (1856  f.) 
S.  202  —  282.  Vgl.  du  Rieu  in  der  Mnemosyne  III  (1854)  p.  177  —  183. 
J.  Bgmays,  Rhein.  Mus.  X.  S.  293—298. 


538  Augusteische  Zeit.  J.  711>-767  d.  St. 

5.  Pompei  Trogi  fragmcnta  .  .  una  cum  prologis  historiarum  Philipp. 
et  criticis  annotationibus  cdidit  Aug.  Bielowski,  Lemberg  1853.  XXVI  und 
91  pp.  Sammlung  der  Ueberreste  aus  den  Eist,  auch  in  den  Ausg.  dos 
.Fustinus  von  Frotscher  I.  p.  XCVIII— GIV,  sowie  von  Johanneau  und  Düb- 
ner  (Paris  1833)  II.  p.  221—226.  A.  H.  L.  Heeren,  de  Trogi  fontibus,  in 
den  comment.  soc.  Gotting.  XV.  J.  1804  (wiederholt  in  der  Ausg.  von  Frot- 
scher), wo  ausser  Theopomp  (und  Timäus)  auch  Klitarchos  (C.  Haun,  de 
Clitarcho  Dlodori,  Curtii,  lustini  auctore,  Bonn  1868),  Polybios  (s.  II.  Nis- 
sen, kritische  Untersuchungen  S.  305 — 307),  Poseidonios  als  Quellen  nach- 
gewiesen werden.  H.  Wolffgarten,  de  Ephori  et  Dinonis  historiis  a  Trogo 
Pompeio  expressis,  Bonn  1868.  86  pp.  W.  Fricke,  üb.  d.  Quellen  des  Plut. 
im  Alkib.  (Leipzig  1869)  S.  71  ff.   L.  E.  Hallberg,  de  Tr.  Pomp.,  Paris  1869. 

Trogi  prologi  ed.  G.  H.  Grauert,  Münster  1827. 

6.  Da«  Zeitalter  des  Justinus  ist  nicht  positiv  bekannt;  wahrschein- 
lich aber  ist  es  das  der  Antonine.  (F.  Rühl,  d.  Verbreitung,  S.  36).  Nach 
dem  noch  gut  antiken  Gedankengang  und  Ausdruck  seiner  praefatio  und 
der  Berufung  auf  den  älteren  Cato  möchte  man  ihn  nicht  später  setzen 
als  den  Epitomator  .des  Livius,  Florus.  Vgl.  G.  Lachmann,  Rhein.  Mus. 
III.  S.  614.  Wenn  Radulfus  de  Diceto  (s.  A.  3  E.)  sagt  (Rühl  S.  32):  lusti- 
nus  philosophus  Trogi  Pompei  adbreviator,  scripsit  eodom  anno  (mit  wel- 
chem Joscphus  seine  Antiquitates  schloss),  so  verwechselt  er  ihn  wohl  mit 
Justus  aus  Tiberias,  wie  er  sonst  im  Mittelalter  mit  lustinus  Martyr  ver- 
wechselt wurde  (Rühl  S.  36  f.  vgl.  S.  46  f.).  Der  Erste  der  den  Justinus  nennt 
ist  Hieronymus  (Opp.  ed.  Vallars.  V.  p.  621:  praecipue  nostri  Livii  et  Pompei 
Trogi  atque  lustini,  qui  omnem  extrcmae  visionis  narrant  historiam). 

7.  Uebcr  Justins  Verfahren  s.  praef.  4:  omissis  bis  quae  nee  cognoscendi 
voluptate  iucunda  nee  exemplo  erant  necessaria  breve  veluti  florum  corpus- 
culum  (Blumenstrauss,  Anthologie)  feci.  Vgl.  A.  4.  Augustin.  de  civ.  d.  IV,  6 
in. :  Justinus,  qui  graecam  vel  potius  peregrinam,  Trogum  Pompeium  secutus, 
non  latine  tantum  .  .  verum  etiam  breviter  scripsit  historiam.  Oros.  I,  8: 
PompeiuB  historicus  eiusque  breviator  lustinus;  ib.  10:  Pompeius  sivc 
lustinus.  Die  Sprache  des  Trogus  scheint  Justin  wenig  verändert  und  nur 
mit  mancherlei  neueren  Zuthaten  zersetzt  zu  haben.  Justins  eigene  geistige 
Befähigung  ist  gering.  Vielleicht  einen  andern  Auszug  aus  Pomp.  Tr.  (etwa 
in  Cassiodor's  gothischer  Geschichte)  hat  Aethicus  Ister  benützt;  s.  Rühl, 
S.  6—10. 

8.  Im  Mittelalter  war  der  Auszug  des  Justinus  viel  gelesen  und  ab- 
geschrieben, ohne  aber  jemals  zu  den  Schulbüchern  zu  gehören.  F.  Rühl, 
die  Verbreitung  des  Justinus  im  Mittelalter,  eine  literar-historische  Unter- 
suchung, Leipzig  (Teubner)  1871.  52  S.  Die  erhaltenen  Handschriften 
desselben  gehen  auf  drei  verschiedene  archetypi  zurück,  welche  wahr- 
scheinlich schon  saec.  IV  vorhanden  waren.  Eine  eigene  Classe  vertritt  der 
cod.  Casinas  (C)  saec.  XI,  jetzt  Laurent,  plut.  66,  21.  Die  beiden  anderen 
Ueberlieferungen,  die  italische  (I)  und  transalpine  (T),  gehen  zwar  auf 
einen  gemeinsamen  Urcodex  zurück,  sind  aber  ihrem  Texte  nach  wesentlich 
von  einander  verschieden  und  hatten  jede  in  ihrem  archetypus  andere, 
zum  Theil  sehr  bedeutende,  Lücken.  Die  älteren  Vertreter  von  I  sind 
Eusebianus  saec.  X  (E)  und  aus  saec.  XT  Laur.  66,  20  (F),  Se88orianu%(S), 


253  f.    Pompeius  Trogns.    (lustinus).    Fenestella.  539 

Vossianus  Q.  101  (L);  die  echte  üeberlieferung  der  Classe  T  aber  enthalten 
aus  saec.  IX  bes.  der  Puteaneus  (A),  Sangallensis  (H),  Floriacensis  =  Voss. 
Q.  32  (V),  dann  Monacensis  saec.  X  (M),  Franequeranus  24  saec.  XI  (B), 
und  aus  saec.  XII  der  Weingartensis  ^  Gissensis  (G),  Bern.  160  u.  638  (B 
u.  D)  u.  a.  Rühl  S.  3  f.  vgl.  S.  11  f.  18  f.  23  f.  48—50,  und  dessen  Schrift 
Üeber  die  Textesqnellen  des  lust.  Ueber  den  Gissensis  s.  F.  W.  Otto,  com- 
mentar.  crit.  de  codd.  bibl.  Giss.  1843,  p.  201 — 250.  Auch  vgl.  J.  Jeep  in 
seiner  Praefatio  nnd  im  Wolfenbüttler  Programm  1855.  30  pp.  4.  J.  A. 
Rozsek,  über  fünf  Justinus-Handschriften,  Graz  1871.   20  S.  Progr. 

9.  Ausgaben  des  Justinus.  Ed.  princ.  Yenet.  1470  und  Born.  1470.  4. 
vgl.  RCihl,  d.  Verbreitung,  S.  51  f.  von  Sweynheim  u.  Pannartz,  1472.  Aid. 
1522.  NEM^h  guten  Hdss.  J.  Bongarsius  (cum  notis),  Paris.  1581;  vermehrt 
durch  Fr.  Modius  (Francof.  1587).  Cum  notis  Is.  Vossii,  Lugd.  B.  1640. 
Cum  notis  variorum  -ed.  I.  G.  Graevius,  Utrecht  1668.  Lugd.  B.  1683.  1701. 
Sammelausgabe  von  Abr.  Gronovius,  Lugd.  B.  1719.  1760;  erneuert  und 
vermehrt  von  C.  IL  Frotscher,  Lips.  1827—1830.  3  Voll.  Ed.  J.  F.  Fischer 
(Lips.  1757),  J.  C.  F.  Wetzel  (Lignit.  1806),  Bonecke  (mit  Anm.,  Leipzig  - 
1830),  Fr.  Dübner  (adnot.  crit.  instr.,  Lips.  Teubner  1831),  W.  Fittbogen 
(mit  Anm.,  Halle  1835),  Johanneau  et  Dübner  (Paris  1838.  2  Voll.),  und 
besonders  rec.  Just.  Jeep  (Lips.  1859,  Bibl.  Teubner.;  mit  comm.  criticus 
p.  1  —  188;  ed.  minor  1862).  Auch  ed.  Fr.  Arnulf  (varias  lectt.  ex  II  codd. 
Taurinens.  adiecit,  Turin  1848.  508  pp.),  G.  IL  Th.  Hartwig  (Schulausgabe, 
Braunschweig  1852),  H.  Domke  et  G.  Eitner  (in  us.  schol.,  Breslau  1865). 

10.  J.  F.  Recke,  über  die  Spracheigenthümlichkeiton  Justins,  Mühlhaus. 
1855.  25  S.  4.  J.F.Müller,  de  casuum  ap.  lust.  usu,  Budissin  1859.  20 pp.  4. 
J.  A.  Roiek,  de  natura  latinitatis  lustinianac,  Hermanstadt  1865.  4.  Fr. 
Fischer,  de  elocutione  lustini,  Halle  1868.    66  pp. 

Rzesinski,  de  lustino  Trogi  epitomatore,  Erakau  1826.  U.  Köhler, 
Kritisches  zu  Justin,  in  Fleckeisen's  Jahrbb.  91,  S.  427  —  430.  F.  Rühl, 
ebd.  101,  S.  21  —  24. 

11.  üebersetzungen  von  Ostertag  (Frankf.- a.  M.  1781,  2  Bde.),  Kolbe 
(1824)  und  Chr.  Schwarz  (Stuttgart,  Metzler  1834—1837,  6  Bdchn.). 

254.  Am  Schlüsse  der  augusteischen  Zeit  und  vielleicht  243 
noch  unter  Tiberius  schrieb  der  sorgfaltige  Forscher  Fene- 
stella, welcher  sich  den  Varro  zum  Muster  gewählt  hatte. 
Wie  dieser  gab  er  selbst  von  seinen  Annales  auch  eine  kürzere 
Bearbeitung  heraus  und  widmete ,  in-  den  Annales  selbst  oder 
einem  eigenen  Werke,  der  Sittengeschichte  Roms  und  den  staats- 
rechtlichen Verhältnissen  eingejiende  Aufmerksamkeit.  Dagegen 
L.  Arruntius  ahmte  in  seiner  Geschichte  des  punischen  Krieges 
in  übertreibender  Weise  den  Sallust  nach.  Eine  Bearbeitung 
der  älteren  römischen  Geschichte  verfasste  vielleicht  schon  in 
dieser  Zeit  Annius  Fetialis,  eine  Darstellung  der  jüngsten  Ver- 
gangenheit A.  Cremutius  Cordus. 


540  Augusteische  Zeit.   J.  711—767  d.  St. 

1.  Hieronym.  zu  Eus.  Chron.  ad  a.  Abr.  2035  =«  772  d.  St.  (19  n.  Chr.): 
Fenestella  historiarum  scriptor  et  carminum  septuagenarius  moritar  sepe- 
liturque  Cumis.  Greboren  wäre  er  hienach  702  d.  St.  Dazu  stimmt  Plut. 
Grass.  6  eztr.:  rovtmv  qpTjal  xriv  stigav  (die  im  J.  668  uugeföhr  18  J.  alt, 
somit  c.  650  geboren  war)  tJötj  nQsaßvtiv  ovaocv  6  ^cciveatiXXag  ISblv  avvog 
xttl  TToXXaxig  uKOvaai  (in  Spanien?).  Wenig  wahrscheinlich  ist  hienach  die 
Angabe  von  Plin,  N.  H.  XXXIII,  52:  sua  memoria  coeptum  Fenestella 
tradit,  qui  obiit  novissimo  Tiberii  Gaesaris  principatu.  Da  Tiberius  790 
=  37  starb,  so  müsste  nach  Plinius  Fenestella's  Leben  um  719  —  789  ge- 
setzt werden  (Mercklin  p.  3).  Dass  er  erst  unter  Tiberius  (das  betr.  Werk) 
geschrieben  habe  erhellt  nicht  aus  Pliu.  N.  H.  VIII,  74:  togas  rasas  .  . 
divi  Augusti  (Worte  des  Plinius?)  novissimis  temporibus  coepisse  scribit 
Fenestella.  Sicher  schrieb  er  vor  Asconins,  der  öfters  gegen  ihn  polemisiert. 
Sehr  unrichtig  jedenfalls  Lyd.  de  mag.  III,  75:  tog  ^svsatiXlctg  xal  Susivag 
ol  *Pm[uxioi  qtaüiv,  &v  tag  %Qri<mg  o  BdQQcav  iid  tmv  dv^Qcanivmv  nqay- 
(laTcav  dvrjyaysv'  iym  Sl  tag  ßißXovg  ovnm  zsd'sayMi.  Fenestella  wird  wohl 
den  Sisenna  und  Yarro  angeführt  und  des  Lydus  Quelle  die  drei  Namen 
durch  einander  gebracht  haben.  Praenomen  und  nomen  des  Fenestella  ist 
unbekannt;  ebenso  die  carmina  desselben. 

2.  Auf  Fenestella  werden  zahlreiche  staats-  und.  sacralrechtliche  An- 
gaben zurückgeführt,  wie  über  die  provocatio,  die  Quästoren,  die  XVviri, 
die  leges  Aureliae,  die  festi  und  profesti  dies,  das  römische  Jahr,  die  ludi 
circenses,  libri  sibyllini,  auch  über  die  Kosten  der  aqua  Marcia;  ebenso 
sittengeschichtliche  über  Eleidertracht  (togae  rasae,  uniones,  anuli  aurei, 
calcei,  Sübergeräthe),  Lebensweise  (Fische,  Einführung  der  olea,  Aufkommen 
des  Luxus)  und  literaturgeschichtliche  (über  Terenz  und  Gicero).  Nirgends 
aber  werden  bei  diesen  Angaben  (etwa  abgesehen  von  der  ganz  unsicheren 
Stelle  bei  Non.  v.  praesente)  ausdrücklich  seine  Annales  als  Quelle  genannt. 
Vielmehr  hat  das  aus  diesen  AugefQhrte  den  Gharakter  einer  Erzählung 
von  Vorgängen,  jene  culturgeschichtlichen  Nachrichten  aber,  bei  aller  An- 
knüpfung an  bestimmte  Jahreszahlen  (Mercklin  p.  10),  einen  reflectierenden. 
Auch  sagt  Sen.  Ep.  108,  31:  aeque  notat  (Gicero  in  Bep.)  ..  .  provocationem 
ad  populum  etiam  a  regibus  fuisse:  id  ita  in  pontificalibus  libris,  et  alii 
putant  et  Fenestella.  Zu  der  Art  wie  hier  Fenestella  zu  den  pontificales 
libri  in  Beziehung  gesetzt  ist  stimmt  seine  Zusammenstellung  mit  Graccha- 
nus  (oben  143,  2)  und  Trebatius  (der  de  religionibus  schrieb,  oben  199,  3) 
bei  Ulpian,  Dig.  I,  13,  1,  1:  et  lunius  et  Trebatius  et  Fenestella  scribunt. 
Vielleicht  gehört  dahin  auch  seine  Bezeichnung  als  annalium  commentator 
(oder  =  scriptor?)  bei  Tertull..  adv.  Valent.  34,  p.  303.  Plinius  nennt  und 
benützt  ihn  als  Quelle  in  B.  VIII  (de  elephantis  etc.),  IX  (de  aquatilium 
natura),  XV  (frugiferae  arbores),  XXXIII  (Metalle),  XXXV  (Malerei). 

3.  Genauere  Anführungen  aus  den  annales  des  F.  finden  sich  nur  bei 
Nonius,  nämlich  p.  221  f.  v.  reticulum  (vielleicht  aus  einer  Sittenschilderung): 
Fen.  annalium  (III),  p.  154,  20  (v.  praesente):  Fenestella  annali  l.  II  (aus 
unbekannter  Zeit),  und  p.  385,  9  (v.  rumor):  F.  annali  1.  XXII  (aus  J.  698 
d.  St.).  Auch  stammen  daraus  unzweifelhaft  die  Nachrichten  bei  Plut.  Süll. 
28  und  Grass.  4  f.   Selbst  wenn  die  culturhistorischen  Angaben  aus  den  an- 


264.   Fecestella^  Clodius  Licinus  u.  Arrnntius.  541 

nales  waren  beweisen  sie  nichts  für  deren  Zurückreichen  in  die  Eönigszeit, 
da  sie  (z.  B.  Plin.  N.  H.  XV,  1)  Excurse  gewesen  sein  kOnneti.  Die  Irr- 
thümer  welche  Asconius  tmd  Gellius  dem  Fenestella  nachweisen  sind  theils 
unerheblich  (Mercklin  p.  9  f.)  theils  beruhen  sie  auf  Meinungsverschieden- 
heit, widerlegen  daher  nicht  das  Urteil  von  Lactant.  (inst.  div.  1,  6,  14): 
Fenestella  diligentissimuß  scriptor,  das  vielmehr  durch  Stellen  wie  Sueton. 
vit.  Terent.  1  und  Macrob.  1,  10,  5  f.  bestätigt  wird.  Vgl.  noch  Lactant. 
de  ira  dei  22,  5:  plurimi  et  maximi  auctores  tradid«runt,  .  .  nostrorum 
Varro  et  Fenestella.  Die  wenigen  zusammenhängenden  Stellen  die  wir 
kennen  (besonders  bei  Non.  v.  rumor,  auch  Priscian.  VIII,  20.  p.  386,  Vi  f. 
Htz.)  zeigen  eine  Darstellung  von  behaglicher  Umständlichkeit.  Daher  der 
Auszug,  bei.Diomed.  I.  p.  365,  7  f.:  apud  Fenestellam  in  libro  epitomarum 
secundo:  quemadmodum  Caesar  a  piratis  captus  sit  etc.  Also  eine  Art 
Inhaltsverzeichniss ,  wie  die  Prologe  des  Trogus,  jedoch  ausführlicher  als 
diese.  Nur  auf  Fulgentius  (mythol.  III,  2)  beruht  und  ist  darum  fast 
werthlos  das  Citat:  ut  Fenestella  in  Achaicis  (oder  Arch.)  scribit. 

4.  Sammlung  der  Ueberreste  des  Fenestella  zuletzt  an  Frotschers  Aus- 
gabe von  Corte's  Sallust  (Lips.  1825)  I.  p.  489  —  494.  Dazu  Nachträge  von 
L.  Mercklin,  de  Fen.  p.  12,  und  danach  von  J.  Poeth,  de  Fen.  p.  21  —  56. 
L.  Mercklin,  de  Fenestella  historico  et  poeta,  Dorpat  1844.  12  pp.  4.  Gedehnt 
J.  Poeth,  de  Fen.  historiarum  scriptore  et  carminum,  Bonn  1849. 

5.  Die  unter  dem  Namen  L.  Fenestella  veröffentlichten  zwei  Bücher 
de  magistratibus  et  sacerdotüs  Romanorum  (z.  B.  Vindob.  1510.  4.  Paris 
1530.  1535)  hatten  den  Canonicus  Andr.  Dom.  Fiocchi  (f  1452)  zum  Verfasser, 
und  wurden  auch  unter  dessen  Namen  (Floccua)  von  Aegid.  Witsius  1561 
herausgegeben.  Die  Fälschung  war  so  naiv  dass  sie  unter  den  saccrdotia 
auch  episcopi  und  archiepiscopi  aufführte. 

6.  Suet.  gramm.  20:  fuit  (Hyginus)  familiarissimus  Ovidio  poetae  et 
Clodio  Licino  consulari  historico,  qui  eum  .  .  tradit  liberalitate  sua  quoad 
yixerit  sustentatum.  Er  ist  ohne  Zweifel  der  cos.  suff.  des  J.  757  d.  St. 
(ex  Kai.  lul.)  C.  Clodius  Licinus  (Orelli  644.  3260;  C.  I.  lat.  I.  p.  473  f.  180), 
und  wohl  auch  der  von  Livius  (XXIX,  22,  10)  mit  ganz  ungewöhnlicher 
Genauigkeit  angeführte  Clodius  Licinus  in  libro  lEL  rerum  romanarum  (für 
J.  560  d.  St.).  Auf  denselben  bezieht  sich  höchst  wahrscheinlich  Nonius  v. 
pristis  (Claudius  rerum  romanarum  libro  XII)  und  v.  patibulum  (Licinius 
rerum  rom.  libro  XXI).  Es  scheint  dass  er  seine  Geschichte  mit  den 
punischen  Kriegen  begann  und  bis  in  die  Zeit  des  Augustus  herabführte. 
M.  Hertz,  de  historic.  1871.  p.  4  —  9. 

7.  Sen.  Epist.  114,  17:  L.  Arruntius,  vir  rarae  frugalitatis  (Vellej. 
II,  86,  2  vom  J.  723:  L.  Arruntii,  prisca  gravitate  celeberrimi,  fides),  qui 
historias  belli  punici  scripsit,  fuit  Sallustianus  et  in  illud  genus  nitens. 
18:  quae  apud  Sallustium  rara  fucrunt  apud  hunc  crebra  sunt  et  paene 
continua.  ib.  19:  Arruntius  in  primo  libro  belli  punici.  Tac.  A.  XI,  6: 
meminissent  .  .  recentiorum  Arruntii  et  Aesemini;  ad  summa  provectos 
incorrupta  vita  et  facundia.  Als  Gegner  der  neumodischen  Beredtsamkeit 
erwähnt  ihn  Sen.  controv.  VII.  praef.  7.    Er  ist  wohl  der  L.  Arruntius  L.  f. 


542  Auguflteiache  Zeit   J.  711—767  d.  St. 

welcher  im  J.  782  d.  St.  mit  AeBerninuB  Consnl  war  und  der  Vater  des 
gleichnamigen  Consuls  von  769  d.  St.,  welcher  Letztere  J.  790  starb.  Der 
Geschichtschreiber  ist  ohne  Zweifel  auch  der  Arruntius  welchen  Plinius  im 
Quellenverzeichniss  seiner  n.  h.  zu  Buch  III,  V  und  VI  (Beschreibung  von 
Spanien,  Africa,  Asien)  auffuhrt. 

8.  Annius  Fetialis,  von  Plinius  im  Quellenverzeichniss  zu  B.  16,  33  u. 
36  genannt  und  XXXIV,  13,  29  als  OewOiiramann  für  die  Angabe  dass  das 
Cioeliastandbild  vieTmehr  eine  Valeria  darstelle;  eine  Angabe  welche  wohl 
auf  Valerius  Antias  zurückgeht  (Schwegler  R.  G.  IL  S.  8)  und  vielleicht 
geradezu  ihm  beizulegen  ist  (Annius  statt  Antias).     H.  Peter,  bist.  I.    p. 

cccxvni.  cccxxL 

9.  lulius  MarathuB,  libertus  et  a  memoria  eins  (des  August),  .  .  tradit, 
Suet.  Aug.  79  vgl.  94:  auctor  est  I.  M.  (von  einem  verherrlichenden  Mythus 
Über  August). 

10.  Ueber  Gremutius  CorduB  s.  unten  272,  1. 

11.  Üeber  T.  Labienus  s.  unten  262,  8.  Ueber  die  geschichtlichen 
Schriften  des  Hyginus  und  Verrius  Flaccus  s.  unten  256,  1  f .  267,  2. 

244  255«  Unter  den  Grammatikern  umfasste  Sinnius  Capito 
in  der  Weise  der  Aelteren  neben  grammatischen  zugleich  auch 
literarhistorische  und  andere  Studien.  Der  Einfluss  des  Varro 
zeigt  sich  bei  Sinnius  in  der  nationalen  Richtung  seiner  Forschung 
sowie  in  der  Wahl  der  Briefform. 

1.  M.  Hertz,  Sinnius  Capito,  eine  Abhandlung  zur  Geschichte  der  rOm. 
Grammatik,  Berlin  1846.  Sammlung  seiner  üeberreste  ebds.  S.  27  —  37. 
Vgl.  Egger,  vet.  serm.  lat.  reliqq.  p.  63 — 68. 

2.  Gell.  V,  20,  1:  soloecismus,  .  .  a  Sinnio  Capitone  eiufldemque  aetatis 
aliis  imparilitas  appel latus,  vetustioribus  Latinis  stribiligo  dicebatur.  21, 
9  — 11:  Sinni  Capitonis,  doctissimi  viri  (vgl.  Hieron.  in  A.  3),  epistulae 
sunt  uno  in  libro  multae  positae  .  .  in  templo  Pacis.  prima  epistula  scripta 
est  ad  Pacuvium  Labeonem  (oben  199,  6).  .  .  in  ea  rationes  grammaticas 
posuit  per  quas  docet  „pluna^*  latinum  esse,  „plura"  barbamm.  20,  2: 
Sinnius  Capito  in  litteris  quas  ad  Clodium  Tuscum  dedit.  Vgl.  Festus  p.  162 
(si  diligentius  inspiciatur,  ut  fecit  Sinnius  Capito).  170  M.  Dahin  gehört 
wohl  auch  der  liber  de  syllabis  .  .  Sinni  Capitonis  bei  Pompejus  p.  110, 
2  Keil  (Gramm,  lat.  V).  Vgl.  J.  Becker,  Zeitschr.  für  die  Alt.  Wiss.  1847, 
Nr.  133.  In  seinen  Wortableitungen  (Fest.  p.  138.  230.  340)  zeigt  sich 
Capito,  wie  Nigidius  (s.  196,  4),  als  Puristen. 

3.  Lactant.  Inst.  div.  VI,  20,  35 :  Sinnius  Capito  in  libris  spectaculornm 
docet.  Vgl.  Festus  p.  326  u.  364.  M.  Hertz  S.  20  f.  Erklärung  sprüchwört- 
lieber  Redensarten  (Festus  p.  145.  261.  282.  322.  325.  334)  in  einem  eigenen 
Werke?  Hertz  S.  22.  32  ff.  Philologus  I.  S.  610  ff.  Geographisch -ethno- 
graphische Forschungen?  Hieronym.  in  Gen.  III.  p.  319  Vall.:  legamus 
Varronis  de  antiquitatibus  libros  et  Sinnii  Capitonis  et  Graecum  Phlegonta 


255  f.    Grammatiker:  Sirinius  Capito.    Verrius  Placcus.  543 

ceterosqae  emditisaimos  viros,  et  videbimuB  omnes  paene  insulas  etc.  Hertz 
S.  23.  30  f.,  welcher  hienach  S.  25  ein  dem  yarronischen  gleichbetiteltes  um- 
fassendes Werk  des  Sinn.  Cap.  vermutet,  Antiquitates  oder  De  antiquitatibus, 
worin  die  Forschungen  über  Gegenstände  der  römischen  Religion,  Verfassung 
und  des  Rechts wesens  untergebracht  waren.  G.  Wachsmuth,  Ausgabe  von 
Lydus  de  ostent.  p.  XX,  bezieht  darauf  auch  Lyd.  ost.  3  (p.  6,  16)  und  de 
magistr.  prooem.  (o  ts  KanCxanv  xal  ^ovxriXog). 

256«  Die  Richtniig  des  Fenestella  und  Sinnius  Capito  auf^^ö 
Alterthumsforschung  und  ihren  Anschluss  an  Varro  theilte  der 
gelehrte  Freigelassene  M.  Verrius  Flaccus,  besonders  bekannt 
durch  seine  Fasti  und  das  umfassende  lexicalische  Werk  de  ver- 
borum  significatu,  eine  reiche  Fundgrube  der  wichtigsten  Nach- 
richten über  das  römische  Alterthum,  Wir  besitzen  von  demsel- 
ben nur  einen  namhaften  Theil  des  Auszuges  welchen  Pompeius 
Festus  davon  gemacht  hatte^  nebst  dem  Auszuge  welchen  dann 
wiederum  der  Priester  Paulus  von  dem  Excerpte  des  Festus 
anfertigte,  Beide  in  der  Absicht  das  nicht  mehr  gebräuchliche 
Alte  auszumerzen. 

1.  Suet.  gramm.  17:  M.  Verrius  Flaccus  libertinus  docendi  genere  maxi, 
me  inclaruit.  .  .  quare  ab  Augusto  quoque  nepotibus  eins  (geb.  734  und 
737)  praeceptor  electus  transiit  in  Palatium  cum  tota  schola.  .  .  decessit 
aetatis  exactae  sub  Tiberio.  statuam  habet  Praeneste  in  inferiore  fori  parte, 
circa  hemicyclium  in  quo  fastos  a  se  ordinatos  et  marmoreo  parieti  incisos 
publicarat.  Ueber  diese  s.  oben  72,  3  und  72,  8,  10.  Der  Verrius  Flaccus, 
iuris  pontificii  peritissimus,  von  welchem  eine  Aeusserung  (Witz wort?)  aus 
Varro  bei  Macrob.  1, 15, 21  angeführt  wird  könnte  etwa  sein  Freilasser  sein. 

2.  Sammlung  der  Üeberreste  des  Verrius  in  den  Ausgaben  des  Festus 
von  Dacier,  Lindemann  und  0.  Müller  (Praef.  p..  XIII  — XVI).  Gellius  IV, 
5,  6:  in  Verri  Flacci  libro  primo  rerum  memoria  dignarum.  Daraus  wohl 
das  was  Plinius  in  N.  H.  III,  VII,  VIII,  IX,  XIV,  XV,  XVIII,  XXVIII, 
XXIX,  XXXm— XXXV  von  Verrius  Flaccus  entnahm.  Gell.  XVII,  6,  2: 
libri  .  .  .  Verrii  Flacci  de  obscuris  Catonis  (oben  118,  4)  in  libro  secundo 
scriptum  est  etc.  V,  17,  l  (und  18,  2):  Verrius  Flaccus  in  quarto  de  ver- 
borum  significatu.  Schol.  Veron.  ad  Aen.  X^  183  u.  200  (p.  103  E.) :  Flaccus 
primo  Etruscarum.  Macrob.  I,  4,  7  (vgl.  ib.  8,  5):  Verrius  Flaccus  in  eo 
libello  qui  Saturnus  inscribitur.  Unbestimmte  Anführungen  aus  dem  röm. 
Cultus  ib.  6,  16.  10,  7.  12,  16.  Lactant.  Inst.  I,  20.  Serv.  Aen.  VELI,  203. 
XI,  143  (alii,  sicut  Varro  et  Verrius  Flaccus,  dicunt).  Thätigkeit  fürVergü? 
Ribbeck  prolegg.  Verg.  p.  176  — 177.  Suet.  gramm.  19:  Scribonius  Aphro- 
disius  .  .  docuit  quo  Verrius  tempore,  cuius  etiam  libris  de  orthog^aphia 
rescripsit  non  sine  insectatione  studiorum  morumque  eins.  Daraus  wohl 
die  Angaben  von  orthographischen  Bestimmungen  des  Verrius  Flaccus  bei 
Charisius,  Diomedes  und  Velius  Longus.  Sind  daraus  auch  die  dortigen 
Erörterungen  über  Geschlecht,   Flexion  und  Bedeutung  von  Wörtern,    so 


544  Augusteische  Zeit.   J.  711 — 767  d.  St. 

hat  VerriuB  die  Orthographie  als  sprachlich  richtiges  Schreiben  verstanden. 
Auch  der  Briefform  bediente  er  sich  (wie  Varro)  bei  seinen  grammatischen 
Darlegungen;  Serv.  Aen.  YIII,  423:  autea  hoc  adverbium  loci  fuit;  .  .  nam 
crebro  in  antiquis  lectionibus  inyenitur,  sicut  in  epistulis  probat  Verrius 
Fiaccus  cxemplis,  auctoritate,  ratione. 

3.  Das  Werk  de  verborum  significatu  war  von  Verrius  alphabetisch 
angelegt,  so  dass  jeder  Buchstabe  eine  Anzahl  Bücher  umfasste,  z.  B.  P 
mindestens  fünf  (^Feslus  p.  326  b,  2  f.  M.:  causam  Verrius  in  libro  V  quorum 
prima  est  P  litera  reddidit),  A  zum  Mindesten  vier  (s.  Gell,  in  Anm.  2), 
ebenso  *S  mehrere  Bücher  (Fest.  p.  309  a,  5  f.:  Suburam  Verrius  alio  libro 
--  bei  Festus  p.  302  a,  15  ff.  —  a  pago  Succusano  dictam  ait,  hoc  vero 
maxime  probat  corum  auctoritatem  qui  eto.).  Innerha-lb  der  einzelnen  Buch- 
staben scheint  in  der  Hauptsache  gleichfalls  die  alphabetische  Ordnung 
eingehalten  worden  zu  sein,  aber  ohne  Consequenz  und  mit  Durchkreuzung 
durch  andere  Rücksichten,  besonders  sachliche.  0.  Müller  p.  XVI — XXIX, 
wo  das  Ergebniss:  Verrium  apparet  libros  de  verb.  sign,  omnes  secundum 
litteras  disposuisse,  neque  in  ea  re  primas  tantum  sed  etiam  secundas 
tertiasque  litteras  respexisse,  sed  ita  ut  saepe  litteras  inter  se  afHnes,  velut 
£  et  I ,  O  et  V,  uno  capite  comprehenderet  et  consonantibus  maius  pondus 
tribueret  quam  vocalibus,  denique  ut  singulorum  capitum  .  .  ordinem  ad 
arbitrium  magis  quam  ex  niphabeti  lege  constitueret.  idcirco  putaverim 
Verrium  quae  ex  variis  scriptoribus  .  .  excerpsisset  vel  ipse  excogitasset  in 
singulas  Chartas  coniecisse  easque  deinde  non  certo  ordine  digestas  librariis 
tradidisse  describendas.  In  dem  Werke  werden  sämmtliche  Gedichte  des 
Verg.  angeführt,  Horaz  niemals.  Von  Varro  werden  verschiedene  Schriften 
citiert,  das  Werk  de  lingua  latina  nie,  vielleicht  weil  es  Verrius  für  ver- 
fehlt hielt  (vgl.  oben  165,  2)  und  doch  nicht  dagegen  polemisieren  mochte. 
Die  Schriften  des  Antistius  Labeo,  des  Veranius  und  Atejus  Capito  werden 
erst  in  der  zweiten  Hälfte  des  Werkes  angeführt.  Auf  die  Abfassungszeit 
IS,sst  schliessen  p.  154  b,  7  f.:  cum  mansisset  ab  urbe  condita  ad  principa- 
tum  Augusti  Caesaris  inviolatum,  und  (v.  senacula)  p.  347,  25:  ubi  nunc 
est  aedis  Concordiae  inte):  Capitolium  et  forum,  welcher  Tempel  im  J.  763 
d.  St.  eingeweiht  wurde.  Das  Werk  scheint  daher  eines  der  spätesten  des 
Verrius  zu  sein.    Vgl.  Merkel  zu  Ovid's  Fast.  p.  XCIV  ff. 

4.  Üeber  sein  Verhalten  zu  dem  Werke  des  Verrius  spricht  sich  Festus 
selbst,  V.  porriciam,  p.  218  b.  so  aus:  cuius  (des  Verrius)  opinionem  neque 
in  hoc  neque  in  aliis  compluribus  refutare  minime  necesse  est,  cum  pro- 
positum  habeam  ex  tanto  librorum  eins  numero  intermortua  iam  et  sepulta 
vcrba  atque  ipso  saepe  confitente  nullius  usus  aut  auctoritatis  praeterire, 
et  reliqua  quam  brevissime  redigere  in  libros  admodum  paucos.  (Glück- 
licherweise führt  er  diesen  Vorsatz  sehr  inconsequent  durch.)  ea  autem  de 
quibus  dissentio  et  aperte  et  breviter,  ut  sciero,  scripta  in  his  libris  meis 
invenientur  (qui)  inscribuntur  „priscorum  verborum  cum  exemplis^S  Letz- 
teres Werk  des  Festus  ist  spurlos  verschwunden.  Das  Excerpt  aus  Verrius 
ist  mechanisch  gemacht,  mit  Zusätzen  besonders  aus  andern  Schriften  des 
Verrius,  selten  eigenen,  die  dann  möglichst  wortreich  sind  (v.  monstrum, 
p.  138  b:   inde  dici  apparet  id  quartum  quod  mihi  visum  est  adiciendum, 


256.   Verrius  Flaccus.    (Festus.   Paulus.)  545 

praeaertim  cum  ex  eadem  significatione  pendeat  et  in  promptu  sit  omuibus). 
Dass  er  seine  Weisheit  dem  Verrius  zu  danken  habe  wird  nur  beiläufig 
erwähnt,  fast  einzig  wo  er  jenen  schulmeistern  zu  können  glaubt.  So  v. 
pictor  p.  209  a,  12  f.:  cur  hoc  loco  relatum  sit  a  Verrio,  cum  de  significatu 
verborum  scribere  propositum  habuerit,  equidem  non  video;  ebenso  v.  Ta- 
tium  (p.  360  —  362  M.):  quod  ad  significationem  verborum  non  magis  per- 
tinet  quam  plnrima  alia  et  praeterita  iam  et  deinceps  quae  referentur. 
Vgl.  V.  pomciam,  p.  218  M. 

5.  Das  Zeitalter  des  Sex.  Fompeius  Festus  ist  unbekannt;  indessen 
citiert  er  p.  369  den  Martialis  und  p.  277  a  den  Granius  (?)  und  wird  selbst 
Yon  Charisius  (also  lulius  Romanus),  p.  220,  28  f.  K.  (Porphyrio  ex  Verrio 
ot  Festo),  sowie  Macrobius  (Sat.  III,  3,  IQ  und  6,  7  Pompeius  Festus; 
III,  8,  9  lulius  Festus  de  verborum  significationibus  libro  XIII)  angeführt. 
Er  mag  also  dem  zweiten  christlichen  Jahrh.  angehören.  Er  theilte  seinen 
Auszug  in  20  Bücher  von  ungefähr  gleichem  Umfang  ein,  ohne  Rücksicht  dar- 
auf dass  jedes  Buch  einen  neuen  Buchstaben  beginne  (0.  Müller  p.  XXXI  f.). 
Erhalten  ist  uns  sein  Werk  durch  eine  einzige  (vgl.  Rhein.  Mus.  XVII.  S.  310) 
Handschrifb,  den  cod.  Farnesinus  saec.  XI  (jetzt  in  Neapel),  damals  ohne 
Zweifel  noch  vollständig.  Von  dieser  brachte  um  1480  der  lUyrier  Manilius 
Rhallus  die  neun  letzten  (mit  der  Mitte  des  M  beginnenden)  der  16  Quater- 
nionen  aus  welchen  das  Exemplar  ursprünglich  bestand  ungebunden  nach 
Rom  (an  Pomponius  Laetus),  und  auch  diese  sämmtlich  auf  der  linken 
Columne  durch  Brand  schwer  beschädigt.  Von  diesen  neun  sind  seitdem 
wieder  drei  verloren  gegangen  (quat.  VIII ,  X ,  XVI)  und  uns  nur  durch  die 
Abschriften  bekannt  welche  im  löten  Jahrh.  davon  genommen  wurden  (seit 
Ursinns  irrig  schedae  Pomponii  Laeti  genannt).  Namentlich  den  Quaterpio 
XVI  besassen  noch  Manche  (wie  Politianus  und  der  Schreiber  von  Vat.  2731) 
denen  vom  Uebrigen  mehr  oder  weniger  fehlte  (wie  dem  Politianus  die 
Quaternionen  VIII,  IX  und  X).  Vgl.  0.  Müllers  Ausgabe  p.  II— VII  und 
Th.  Mommsen  in  den  Abhandl.  der  Berl.  Akad.  1864,  p.  57  —  66. 

6.  Wie  der  Auszug  des  Festus  zum  frühen  Untergange  des  vollständigen 
Originalwerkos  beigetragen  haben  wird,  so  wurde  Festus  selbst  wiederum 
verdrängt  durch  seinen  Epitomator,  den  Priester  Paulus  (ohne  sichere 
Berechtigung  Diaconus  genannt,  s.  Bethmann  in  Pertz  Archiv  X.  S.  320  fF.) 
unter  Karl  dem  Grossen.  In  dem  als  Vorwort  dienenden  Schreiben  an 
Letzteren  heisst  es:  Sextus  Pompeius  .  .  opus  sunm  ad  XX  usque  prolixa 
Volumina  extendit.  ex  qua  ego  prolixitate  superflua  quaeque  et  minus  ne- 
cessaria  praetergrediens  et  quaedam  abstrusa  penitus  stilo  propno  enucleans, 
nonnuUa  ita  ut  erant  posita  relinquens,  haec  vestrae  celsitudini  legendum 
compendium  obtuli.  Paulus  hat  das  Excerpt  des  Festus  den  sehr  massigen 
Bedürfnissen  seiner  Zeit  anzupassen  gesucht  und  hat  diess  mit  einem  Mass 
von  Kenntnissen  und  Einsicht  gethan  das  selbst  wenig  über  seine  Zeit  hin- 
ausreichte. Aber  so  gross  war  die  Reichhaltigkeit  des  ursprünglichen  Werkes 
dass  sie  selbst  durch  diese  abermalige  potenzierte  Verdünnung,  Verkürzung 
und  Verhunzung  noch  oft  genug  glänzend  hindurchbricht.  Eigener  Zuthaten 
hat  sich  Paulus  löblicher  Weise  fast  gänzlich  enthalten,  auch  die  Ordnung 
bei  Festus  nur  in  Einzelheiten  vei^ndert.    Da  er  auch  die  Schreibfehler  des 

Teufhil,  Rom.  Literatnrgf'Bcliicbt«*.  2.  Aufl.  35 


546  Auguflteische  Zeit.    J.  711—767  d.  St. 

cod.  Farnes,  von  Festus  abschreibt  oder  durch  Weglassung  der  betreffenden 
Worte  umgeht,  so  scheint  es  dass  er  die  gleiche  Handschrift  des  Festus 
vor  sich  hatte  wie  der  Schreiber  des  Farnesinus.  Vgl.  0.  MüUer's  Praef. 
p.  XXXII  f.  VIII  f.  Der  Auszug  des  Paulus  ist  in  zahlreichen  Hdss.  auf 
uns  gekommen.  Derselben  sind  zweierlei  Classen.  Die  eine  gibt  mit  blinder 
Treue  die  Worte  des  Paulus  wieder,  wie  die  Münchner  saec.  XI  und  die 
WolfenbütÜer  saec.  X.  Die  andere  rührt  von  Solchen  her  die  den  vorge- 
fundenen Text  mit  ihren  unzureichenden  Kräften  zu  verbessern  versuchten, 
wozu  besonders  ein  Lipsiensis  und  ein  Berolinensis  gehört;  s.  0.  Müller 
p.  IX — XII.  Auch  zu  Troyes  soll  sich  ein  cod.  saec.  IX  befinden;  s.  Cata- 
logue  gen^ral  des  mss.  (Paris  1856)  II.  Nr.  2291. 

7.  Ausserdem  ist  uns  Einzelnes  durch  Schriftsteller  erhalten  welche  vor 
Festus  den  Verrius  benützten  oder  vor  Paulus  oder  unabhängig  von  ihm 
den  Festus.  Das  Erstere  findet  Statt  bei  dem  Ezcerpt  aus  Suetons  Prata, 
libr.  IX  bei  Isidor  de  nat.  rer.  44»  in  Reifferscheids  Sueton  p.  242 — 244; 
das  Zweite  bei  den  Glossarien  des  Placidus  und  den  griechisch-lateinischen, 
namentlich  in  den  ersten  Buchstaben;  s.  0.  Müller *6  Festus  p.  XXXIII  f. 
und  p.  380  f. 

8.  Ausgaben  des  Festus  und  Paulus  (vgl.  Müller 's  praef.  p.  XXXV — 
XLII).  Ed.  princ.  des  Letzteren  Mediol.  1471  und  darnach  Öfters.  Festus 
und  Paulus  durcheinander  (nebst  Nonius  und  Varro)  nach  J.  B.  Plus'  Papieren 
von  Conagus,  Mediol.  1510  und  später.  Aid.  Venet.  1513.  Sonderung  des 
Festus  und  Paulus  und  kritische  Behandlung  durch  Ant.  Augustinus,  Venet. 
1559  und  sonst  Vorzügliche  Beiträge  zur  Kritik  in  Jos.  Scaliger's  Ausg., 
1565.  Mit  Ergänzungen  des  Fulvius  Ürsinus,  Rom  1581  f.  Notis  et  emend. 
illustr.  A.  Dacier,  Paris  1681  und  Amsterd.  1700.  In  Lindemanns  Corp. 
gramm.  lat.  II,  und  abgesondert  Lips.  1832.  4.  Edidit  A.  E.  Egger,  Paris 
1838.    Hauptausgabe:  emendata  et  annotata  a  C.  0.  Müller,  Lips.  1839.  4. 

9.  Beiträge  zur  Textkritik  von  L.  Mercklin  (Observationes  ad  etc.  Dorpat 
1860.  14  pp.  4.),  W.  Corssen  (Philologus  XX.  S.  730  —  737),  Th.  Mommsen 
(Festi  codicis  quaternionem  XVI*^""  denuo  edidit,  Abh.  d.  Berl.  Akad.  1864, 
p.  66  —  86)  u.  A. 

10.  A.  Baumstark  in  Pauly's  Beal-Enc.  III.  S.  463—466.  H.  E.  Dirksen, 
die  römisch  -  rechtlichen  Quellen  des  Verrius  Flaccus  und  Festus,  Abhandl. 
der  BerL  Akad.  1852,  S.  133  —  184  =  hinterlassene  Schriften  I.  S.  64—108. 

246  267.  Der  Freigelassene  des  Augustus  und  Bibliothekar  C. 
lulius  Hyginus  (um  690 — 770?)  verband  die  Richtung  des 
Varro  mit  der  des  Nigidius  Figulus.  Dem  Varro  strebte,  er 
nach  in  Vielseitigkeit  der  literarischen  Thätigkeit  und  in  natio- 
naler Richtung  derselben.  Wie  er  de  situ  urbium  italicarum 
schrieb  so  auch  über  berühmte  Männer  der  vaterländischen  Ge- 
schichte; daneben  verfasste  er  Schriften  über  ein  Gredicht  des 
Ginna  und  über  die  Werke  des  Vergil,  sowie  eigene  Bücher 
über  Ackerbau  und  Bienenzucht.    Nach  den^  Vorgange  des  Ni- 


257.    Hyginus.  547 

gidias  verfasste  Hyginus  theologische  (und  astrologische)  Schrif- 
ten, die  aber  wohl  nüchterner  gehalten  waren  als  die  von  jenem. 
Den  Namen  Hyginus  tragen  zwei  auf  uns  gekommene  Schul- 
bücher über  Mythologie,  nämlich  277  Fabulae  (aus  den  Ge- 
nealogiae),  werthvoll  besonders  durch  ausgedehnte  Benützung  der 
tragischen  Literatur  der  Griechen,  aber  in  sehr  abgekürzter 
Fassung  und  unclassischer  Sprache  erhalten;  und  vier  Bücher 
de  astronomia  aus  alexandrinischen  Quellen,  besser  erhalten, 
aber  gleichfalls  gekürzt.  Beide^  Schriften  sind  ohne  Zweifel  von 
demselben  Verfasser;  ob  dieses  aber  der  Augusteer  Julius  Hygi- 
nus war  ist  zweifelhaft. 

1.  Suet.  gramm.  20:  C.  Julius  Hyginus,  Augusti  libertus,  natione  Hispanus 
—  nonnulli  Alexandrinum  putant  et  a  Caesare  puerum  Romam  adductum 
Alexandria  capta  (J.  707  d.  St.)  —  studiose  et  audiit  et  imitatus  est  Corne- 
lium  Alexandrum  grammaticum  graecum,  quem  propter  antiquitatis  notitiam 
Polyhistorem  multi  .  .  vocabant.  (Daher  vielleicht  die  Bezeichnung  des 
Hyginus  als  Alexandrinus.)  praefuit  palatinae  bybliothecae  (gegründet  72C 
d.  St.),  nee  eo  secius  plurimos  docuit;  fuitque  familiarissimus  Ovidio  poetae 
(der  vielleicht  an  ihn  Trist.  UI,  14  gerichtet  hat)  et  Clodio  Licino  (oben 
264,  6),  .  .  qui  eum  admodum  pauperem  decessisse  tradit.  .  .  huius  libertus 
fuit  lulius  Modestus,  in  studiis  atque  doctrina  vestigia  patroni  secutus. 
Ungenauer  Auszug  hieraus  bei  Hieronym.  zu  Euseb.  chron.  ad  a.  Abr.  2008 
=*  746  d.  St.:  C.  lulius  Hyginus,  cognomento  Polyhistor,  grammaticus  habe- 
tur inlustris.  'Zur  Zeit  da  Golumella  (I,  1,  13  f.)  schrieb  war  Hyginus  todt. 
Schon  bei  Festus  v.  orba  (p.  182  a)  wird  neben  Aelius  Gallus  und  Comifi- 
ciuB  auch  Yginus  angefahrt.  Chr.  B.  Bunte,  de  C.  lulii  Hygini  .  .  vita  et 
scriptis,  Pars  prior,  Marburg  1846.  63  pp.;  auch  vor  seiner  Ausgabe  der 
Fabulae  p.  1  — 16. 

2.  Ascon.  ad  Cic.  Pis.  p.  13  Or.:  Varrbnem  tradere  .  .  lulius  Hyginus 
dicit  in  libro  priore  de  viris  claris.  Grell.  I,  14,  1:  lulius  Hyginus  in  libro 
de  vita  rebusque  inlustrium  virorum  sexto.  Also  zweierlei  Eintheilungen 
(wie  oben  132,  4)  oder  (wie  bei  Varro's  Antiquitates  und  Imagines,  oben 
S.  272  u.  274)  zweierlei  Bearbeitungen,  eine  kürzere  und  eine  ausführliche. 
In  letzterer  bildete  wohl  jeder  Behandelte  ein  eigenes  Buch;  daher  Gell. VI, 
1,  2  (u.  6):  et  C.  Oppius  (oben  194,  2)  et  lulius  Hyginus  alüque  qui  de  vita 
et  rebus  Africani  scripserunt.  Vgl.  Hieronymus,  oben  207,  2.  Gell.  X,  18,  7: 
Hyginus  in  Exemplis  refert  (vgl.  oben  195,  3  u.  4).  Serv.  Aen.  V,  389:  secun- 
dum  Hyginum,  qui  de  familiis  troianis  scripsit  (wie  Varro,  oben,S.  273,  e). 
Macrob.  IH,  4, 13:  Hyginus  in  libro  quem  de  dis  penatibns  scripsit.  HI,  8, 4: 
Hyginus  De  proprietatibus  deomm,  cum  de  astris  ac  de  stellis  loqueretur, 
ait  etc.  Vgl.  Non.  Marc.  v.  Picmnnns.  Daraus  (oder  aus  den  Genealogiae, 
B.  A.  6)  wohl  auch  was  Paulin.  Nol.  carm.  36,  131  —  143  als  des  Hyginus 
Ansicht  über  Vesta  anführt.  Serv.  Aen.  III,  653:  secundum  Hyginum,  qui 
scripsit  De  situ  urbium  italicarum;  vgl.  ib.  I,  277.  530.  VII,  412  (H.  in 
ital.  urb.).    VIII,  597  u.  600  (in  urb.  it.).    VII,  678  (de  urb.  it.).   VIH,  638 

35* 


548  Augusteische  Zeit.   J.  711—767  d.  St. 

(de  origine  urbium  it.).    Macrob.  V,  18,  16  (lulius  Hyg.  in  libro  II  Urbinm) 
vgl.  ib.  7,  19  (nt  Hyginus  Protarchum  Trallianmn  secutns  tradit). 

8.  Charis.  I.  p.  115  P.  =a  142,  15  E.:  Hyginus  de  agricultura  II.  Vgl. 
Colum.  T,  1, 13:  nee  postremo  quasi  paedagogi  eius  (desVergil  in  den  Georg.) 
meminisse  dedignemur,  lulii  Hygini.  .  .  non  minorem  tarnen  laudem  meru- 
erunt  nostrorum  temporum  yiri,  Cornelius  Celsus  etc.  III,  11,  8:  Hyginus, 
secutus  Tremellium  (oben  157,  2).  XI,  2,  83.  3,  62.  Plinins,  der  ihn  im 
QuellenverzeichnisB  zu  B.  III  bis  VI,  X  bis  XXII  aufführt  (immer  ah  Hyg.), 
nennt  ihn  h.  n.  XIH,  47.  XVI,  84.  XVHI,  63.  XIX,  27.  XX,  45.  XXI,  29. 
Dazu  ein  eigenes  Werk  (oder  wahrscheinlicher  ein  Theil  des  Werkes  de  ag- 
ricultura) über  Bienenzucht.  Colum.  IX,  13,  8:  Hyginus  in  eo  libro  quem 
de  apibus  scripsit;  vgl.  ib.  6.  11,  5  (H.,  auctoritatem  Graecorum  sequens). 
13,  3  f.  14,  1  —  18.  Plin.  n.  h.  XX,  45,  116.  üeber  den  Charakter  dieser 
Schrift  8.  Colum.  IX,  2,  1  f.:  de  quibus  (Bienenkörbe)  neque  diligentins 
quidquam  praecipi  potest  quam  ab  Hygino  iam  dictimi  est  nee  omatius 
quam  Vergilio  nee  elegantius  quam  Celso.  Hyginus  veterum  auctorum 
placita  secrctis  dispersa  monimentis  industrie  collegit.  .  .  ea  quae  Hyginus 
fabulose  tradita  de  originibus  apum  non  intermisit  poeticae  magis  licentiae 
quam  nostrae  fidei  concesserim. 

4.  Charis.  I.  p.  108  P.  =»  134  K. :  luIius  Hyginus  in  Cinnae  propemptico 
(vgl.  oben  210,  2).  Gellius  XVI,  6,  14  (über  Aen.  IV,  57):  Hyginus  lulius, 
qui  ins  pontificium  non  videtnr  ignorasse,  in  quarto  librorum  quos  de  Ver- 
gilio fecit.  Daraus  dasselbe  Macrob.  VI,  9,  7:  Hyginus,  qui  ins  pontificium 
non  ignoravit,  in  quinto  librorum  quos  de  Vergilio  fecit.  Gellins  I,  21,  2: 
Hyginus,  non  hercle  ignobilis  grammaticus,  in  commentariis  quae  in  Ver- 
gilium  fecit,  versichert  dass  Greorg.  II,  245  in  libro  qui  fuerit  ex  domo 
atque  ex  familia  Vergilii  er  amaror  gefunden  habe.  VTI,  6,  2  ff.  nimmt 
Gellius  den  Vergil  gegen  einen  Tadel  des  lulius  Hyginus  (wegen  praepes) 
in  Schutz  und  fuhrt  X,  16  eine  Reihe  von  Ausstellungen  an  welche  Hygi- 
nus als  Merkmale  der  Nichtvollendung  der  Aeneis  geltend  gemacht  habe 
(1:  reprehendit  Hyginus  Vergilium  correcturumque  eum  fuisse  existimat. 
11:  item  hoc  quoque  in  eodem  libro  reprehendit  et  correcturum  fuisse 
Vergilium  putat  nisi  mori  occupasset.  14:  item  in  his  versibus  errasse 
Vergilium  dicit.  18:  versus  .  .  quem  Vergilius  procul  dubio  cxemptums 
fuit).  Vgl.  noch  Serv.  zu  Aen.  II,  15.  VU,  47.  XII,  120.  Bunte  p.  22—33. 
Ribbeck,  Prolegg.  Vergil.  p.  117  —  121. 

5.  Hygin.  poet.  astr.  II,  12:  de  quo  in  primo  libro  Genealogiarum 
scripsimuB.  Das  Citat  tiifft  zu  auf  fab.  p.  29,  6  Bte.,  wie  überhaupt  der 
erste  Theil  der  fabulae  genealogisierend  ist,  daher  sicherlich  ein  Excerpt 
aus  Hygins  Genealogiae  darstellt.  Dosith.  ^EQpLTiveviiata  libr.  III.  p.  65  ed. 
Böcking:  Maxime  et  Apro  coss.  (J.  207  n.  Chr.)  a.  d.  IH  id.  Sept.  Hygini 
genealogiam  omnibus  notam  descripsi,  in  qua  cmnt  (erant  emendiert  Bnr- 
sian  S.  769)  plures  historiae  interpretatae  in  hoc  libro  =  Mcc^ifim  Kai  "An^at 
vndtotg  n^o  y  sCdciv  SsntSfißQCtov  *Ty£vov  yBvsaXoyCav  naaiv  yvmexriv  fuvs- 
yqatpa,  iv  y  faovrai  nXfiovsQ  iGTogiai  SiSQfirivsvfi^vai  iv  rovxm  t^  ßißlim. 
Die  Vergleichung  dessen  was  Dositheus  gibt  mit  den  erhaltenen  fabulae 
des  Hyginus  (Bunte,  Hyg.  fab.  p.  18  f.    Lange  de  nexu  p.  6 — 8)  zeigt  zwar 


257.    HyginuB.  549 

die  Identität,  aber  zugleich  dass  Dositheus  bereits  ein  interpoliertes,  durch 
Zusätze  aus  andern  Schriften  (den  Nigidius  wird  schon  Hygin  selbst  be- 
nützt haben)  erweitertes  Exemplar  der  Genealogiae  vor  sich  hatte.  Schon 
damals  also  waren  diese  als  Schulbuch  verwendet.  Von  dem  genealogischen 
und  dem  katalogartig  gehaltenen  Theile  unterscheiden  sich  die  Stücke  er- 
zählenden Inhalts,  mit  zusammenhängender  Darstellung,  "wie  es  scheint 
grossentheils  aus  den  argumenta  von  griechischen  Tragödien  entnommen. 
Dieser  zweite  Theil  scheint  nicht  aus  Hygins  genealogiae  zu  stammen,  zu- 
mal da  zwischen  den  verschiedenen  Bestandtheilen  Wiederholungen  und 
Widersprüche  häufig  sind  (Bursian  S.  771  f.).  Auf  diesen  zweiten  Theil 
bezieht  sich  der  Titel  Fabulae,  der  dem  Werke  aber  erst  von  Micyllus 
gegeben  wurde.  Ausser  jenen  Quellen  ist  es  aus  den  epischen  Dichtern 
der  Griechen  geschöpft,  Homer,  Hesiod,  den  Eyklikern  und  Alexandrinern 
(Lange  p.  25  —  63),  Anderes  (fab.  273)  aus  Vergil.  Auch  mit  Ovid  hat  das 
Werk  viele  Berührungspunkte;  aber  die  Abweichungen  von  ihm  machen 
nicht  wahrscheinlich  dass  er  benützt  ist  und  deuten  eher  auf  Gemeinsamkeit 
der  Quellen,  wo  nicht  gar  Benützung  durch  Ovid  (Lange  p.  68);  vgl.  A.  7. 
Vielfache  Verwechslungen  mythischer  Namen,  Lange  p.  19 — 25 ;  vgl.  Bursian 
S.  784.  Ausser  den  von  Niebuhr  in  der  Vaticana  entdeckten  zwei  Pa- 
limpsestblättem  (herausgegeben  Bom.  1820)  saec.  V  oder  VI  ist  das  Werk 
nur  durch  eine  Handschrift  überliefert  (Bursian  im  Programm  von  1868, 
p.  VII — IX),  nämlich  den  jetzt  verschollenen  Frisingensis  (saec.  IX?)  des 
J.  Micyllus  (Bursian  ib.  p.  IV — VII).  lieber  neuaufgefundene  Bruchstücke 
dieser  Hds.  s.  C.  Halm,  München  1870.  10  S.  (Berichte  d.  bair.  Ak.).  Fab. 
138—163  scheint  durch  eine  Blätterversetzung  vom  Anfange  in  die  Mitte 
gerathen  zu  sein  (Bunte,  Fab.  p.  17.  Lange  p.  14.  30.  Bursian  S.  773  f.). 
—  Ausgaben  von  Micyllus  (Basileae  1535  u.  1549.  foL),  Commelinus  (Hei- 
delberg 1599),  J.  Scheffer  (Hygini  quae  hodie  exstant  etc.  Hamburg  1674, 
mit  einer  Abhandlung  de  Hygini  scriptoris  fabularum  aetate  ätque  stilo), 
Tho.  Muncker  (Mythographi  latini,  Amsterdam  1681),  van  Staveren  (Auetores 
mythogr.  lat.,  Lugd.  Bat.  1742),  Beruh.  Bunte  (Hyg.  fabulae  ed.,  Lips.  s. 
a.,  aus  1867).  VgL  Buntes  praef.  p.  22  —  25.  C.  Lange,  de  nexu  inter  C. 
lulii  Hygini  opera  mythologica  et  fabularum  qui  nomen  eius  prae  se  fert 
librum.  accedunt  fabulae  transmutationum  selectae  (p.  69—74),  Mainz  1865. 
K.  Bursian  in  Fleckeisens  Jahrbb.  93,  S.  761  —  784  und  Ex  Hygini  Genea- 
logiis excerpta  .  .  restituta,  Zürich  1868.  4.  E.  Wölfflin,  zur  Kritik  von 
H.  Fabeln,  Philologus  X.  S.  303—309.  M.  Schmidt,  ebds.  XXIII.  S.  47—71 
XXV.  S.  416—433;  Rhein.  Mus.  XX.  S.  459—462. 

6.  Der  handschriftliche  Titel  des  gewöhnlich  Poetica  astronomica  ge- 
nannten Werkes  ist  de  astronomia,  de  ratione  sphaerae  u.  dgl.;  s.  Bur- 
sian a.  a.  0.  S.  761  f.  A.  1.  Es  ist  einem  unbekannten  M.  Fabius  gewidmet, 
den  die  praefatio  anredet:  etsi  te  studio  grammaticae  artis  inductum  non 
solum  versuum  moderationo  .  .  sed  historiarum  quoque  varietate  .  .  prae- 
stare  video,  .  .  tamen  .  .  ne  nihil  in  adolescentia  laborasse  dicerer  et  im- 
peritomm  iudicio  desidiae  subirem  crimen,  hoc  velut  rudimento  scientiae 
scripsi  ad  te.  Folgt  das  Inhaltsverzeichniss.  Dann:  in  bis  igitur  tam  multis 
et  variis  rebus  non  erit  mirum  aut  pertimescendum  quod  tantum  numerum. 


550  Augusteische  Zeit.   J.  711 — 767  d.  St. 

versnum  scripserimus;  .  .  qnodsi  longior  in  sermone  visus  fuero,  non  mea 
facunditate,  sed  rei  necessitate  factum  existimato.  .  .  etenim  praeter  no- 
stram  scriptionem  sphaerae  quae  fuerunt  ab  Arato  obscurios  dicta  perse- 
cuti  planius  ostendimus.  .  .  quodsi  Tel  optimis  usus  auctoribus  effeci  ut 
neque  brevius  neque  verius  diceret  quispiam  etc.  ideoque  maioribus  etiam 
niti  laboribuB  cogitamus.  .  .  etenim  necessariis  nostris  hominibus  scientis- 
äimis  maximas  res  scripsimus,  non  levibus  occupati  rebus  populi  captamas 
existimationem.  Die  benfitzten  Quellen  sind  besonders  Eratosthenes  und 
die  Scholien  zu  Aratos;  dabei  zeigen  sich  grobe  Fehler  der  Flüchtigkeit 
(Bursian  S.  765  f.).  Claudius  Ptolemäus  kennt  der  Verf.  noch  nicht;  Cicero's 
Uebersetzung  des  Aratos  wird  III,  29  und  IV,  3  angefahrt.  Benützung  des 
Werks  durch  Plinius  lässt  sich  nicht  erweisen.  Der  Schluss  ist  lückenhaft. 
Handschrifben  saec.  IX  ff.  gibt  es  mehrere,  in  der  Vaticana,  in  Bern,  St 
Gallen,  Wolfenbüttel,  Brüssel,  Paris,  Montpellier  u.  sonst.  Ausgaben  (ed. 
princeps  Ferrar.  1476.  4.)  meist  mit  den  Fabulae,  namentlich  in  den 
Mythographi  von  Gommelinus,  Muncker  und  van  Staveren;  s.  A.  5.  Kiehl, 
Mnemosyne  II.  p.  88  ff.  L.  W.  Hasper,  Hjginus  philosophus  de  imagini- 
bus  cocli,  d.  i.  das  dritte  Buch  des  poet.  astr.  des  C.  Julius  Hyginus,  nach 
einer  Pariser  Hds.  zum  ersten  (?)  Mal  herausgegeben,  Leipzig  1861.  Vgl. 
Bursian  im  Lit.  Centralbl.  1861,  S.  854  f.  und  a.  a.  0.  S.  785,  A.  46. 

7.  Die  Identität  des  Verfassers  der  Genealogiae  und  der  Astronomie 
ist  unzweifelhaft;  s.  A.  5  z.  A.  Auch  findet  sich  niemals  ein  anderer  Name 
als  Hyginus.  Ob  dieser  aber  der  Augusteer  ist?  Die  breite  täppische 
Ruhmredigkeit  des  Vorworts  zur  Astronomie  (s.  A.  6),  die  schülerhaften 
Schnitzer  in  beiden  Schriften  stimmen  wenig  zu  dem  Bilde  das  man  sich 
von  dem  (nachmaligen?)  Vorstaude  der  Palatina  machen  möchte.  Indessen 
dass  von  Letzterem  keine  Schriften  dieser  Art  angeführt  werden  will,  bei 
der  Zufälligkeit  und  UnvoUständigkeit  solcher  Erwähnungen,  wenig  besa- 
gen; ebenso  dass  deren  Verfasser  niemals  ausdrücklich  lulius  Hyg.  genannt 
wird,  was  auch  bei  anderen  Schriften  der  Fall  ist  (s.  A.  3).  Und  da  von 
den  Genealogiae  gewiss  ist  dass  sie  frühzeitig  für  den  Schulbedarf  ausge- 
zogen und  umgewandelt  wurden  (dreierlei  Redactionen  von  verschiedener 
Fasaung  haben  wir  bei  Dositheus,  in  den  Niebuhr'schen  Blättern  und  dem 
Texte  von  Micyllus)  und  bereits  auch  einen  Abschnitt  de  rerum  inventione 
enthielten,  andrerseits  nachaugusteische  Quellen  sich  nicht  nach  weisen 
lassen,  und  die  ungelenke  Handhabung  der  lateinischen  Sprache  an  einem 
Ausländer  nicht  befremdet,  so  ist  die  Unmöglichkeit  dass  beide  Schriften 
Jugendarbeiten  des  lulius  Hyginus  seien  noch  nicht  festgestellt.  Der  Gro- 
matiker  Hyginus  ist  der  Verfasser  jedenfalls  nicht  (Bursian  S.  767).  Bur- 
sian (Fleckeisens  Jahrb.  93,  S.  773)  denkt  sich  den  Hergang  so  „dass  etwa 
in  der  zweiten  Hälft«  des  zweiten  Jahrh.  n.  Chr.  ein  Grammatiker  aus  dem 
Genealogiae  betitelten  Werke  des  Hyginus,  welches  die  Kosraogonie  und 
Theogonie  in  ausführlicher  Erzählung  behandelte,  einen  ganz  knappen 
Auszug  machte  und  daran  (fab.  164  ff.)  eine  nach  mythologischen  Gesichte- 
punkten (Heroenmythen  nach  den  verschiedenen  Sagenkreisen,  /t^srafiop- 
cptooBig^  aÜTia)  geordnete  Darstellung  des  gesammten,  besonders  znm  Ver- 
etändniss  der  Dichter  erforderlichen,   mythologischen  Stoffes  aus  verschie- 


257  f.    Hyginas.    Clodius  Tuscus  u.  A.  551 

denen,  zum  Theil  sehr  guten,  Quellen  an&cbloss.  Dieses  Handbuch  der 
Mythologie,  dem  von  seinem  ersten  .  .  Theile  her  der  Name  des  Hyginus 
und  der  Titel  Geuealogia  geblieben  war,  wurde  bald  in  den  Schulen  der 
Grammatiker  allgemein  gebraucht  und  erlitt  in  Folge  dieses  Jahrhunderte 
lang  fortgesetzten  Gebrauches  manchfache  Umgestaltungen,  theils  Verände- 
rungen des  Ausdrucks,  Umstellungen  .  .  theils  Zusätze  und  Erweiterungen/^ 

258.  Ausser  den  Genannten  hatte  die  augusteische  Zeit247 
noch  eine  namhafte  Anzahl  minder  bedeutender  Grammatiker 
und  Lehrer,  welche  meist  zugleich  schriftstellerisch  iyhätig  waren. 
So  Caecilius  Epirota,  L.  Crassitius,  Scribonius  Aphrodisius  u.  A. 
Spätestens  dieser  Zeit  gehört  wohl  Tarquitius  Priscus  an,  dessen 
Schriften  über  etruskische  Wahrsagekunst  noch  lange  in  Gel- 
tung blieben.  Schriftsteller  ähnlicher  Art  waren  Clodius  Tuscus, 
sowie  Cornelius  Labeo.  Erhalten  ist  nur  ein  astronomischer  Ka- 
lender des  Clodius  Tuscus  in  der  griechischen  Uebersetzung  des 
Laurentius    Lydus.     Die    Schriften    die    den   Namen    des    Arztes 

Antonius  Musa  tragen  sind  späteren  Ursprunges. 

• 

1.  Suet.  gramm.  16:  Q.  Caecilius  Epirota,  Tusculi  natus,  libertus  At- 
tici  (oben  169,  1),  .  .  cum  filiam  patroni  nuptam  M.  Agrippae  (oben  217,  10) 
doceret,  suspectus  in  ea  et  ob  hoc  remotus  ad  Comelium  Gallum  (oben  227) 
se  contulit  vixitque  una  familiarissime ,  quod  ipsi  Gallo  inter  grayissima 
crimina  ab  Augusto  obicitnr.  post  deinde  damnationem  mortemque  Galli 
scholam  aperuit,  sed  ita  ut  paucis  et  tantum  adolescentibus  praeciperet, 
praetextato  nemini.  .  .  primus  dicitur  latine  ex  tempore  disputasse  pri- 
mugque  Vergilium  et  alios  poetas  novos  praelegere  coepisse. 

2.  Suet.  gramm.  18:  L.  Crassitius,  genere  Tarentinus  ordinis  liber- 
tini,  cognomine  Pasicles,  mox  Pansam  se  transnominavit.  hie  initio  circa 
scenam  versatus  est  (oben  8,  1),  .  .  deinde  in  pergula  docuit,  donec  com- 
mentario  Zmyrnae  (oben  210,  2)  .  .  inclaruit;  .  .  sed  cum  .  .  doceret  iam 
multos  ac  nobiles,  in  bis  lulum  Antonium  (oben  237,  6),  .  .  ut  Verrio  quo- 
que  Flacco  compararetur ,  dimissa  repente  schola  transiit  ad  Q.  Sexti  phi- 
losophi  sectam. 

3.  Suet.  gramm.  19:  Scribonius  Aphrodisius,  Orbili  (oben  197,  3)  ser- 
VU8  atqne  discipulus,  mox  a  Scribouia,  .  .  quae  prior  Augusti  uxor  fnerat, 
redemptus  et  manumissus  docuit  quo  Verrius  tempore,  cuius  etiam  libris 
de  orthographia  rescripsit  etc.  (oben  256,  2). 

4.  Festus  V.  topper  (p.  862  b):  topper  significare  ait  Artorius  cito, 
fortasse  etc.  Quintil.  I.  0.  IX,  1,  2:  nee  desunt  qui  tropis  figurarum  nomen 
imponant,  quorum  est  C.  Artorius  Proculus. 

5.  Macrob.  HI,  20,  3:  Tarquitius  Priscus  in  Ostentario  arborario 
sie  ait.  Vgl.  ib.  7,  2:  est  super  hoc  über  Tarquitü  transscriptua  ex  Osten- 
tario tusco.  Plinius  im  Quellen verzeichniss  zu  B.  II:  ex  .  .  Caecina  (oben 
196,  13)  qm  de  etrusca  disciplina  scripsit,  Tarquitio  qui  item.    Lyd.  de 


552  Augusteische  Zeit.  J.  711—767  d.  St. 

ost-cnt.  2:  (xQrjcopLsd'a  8h  xal)  Tagxvtco  tm  (tsXfct^?  0.  Müller:  Tagnvtüp 
ro9  0v6%ai).  Ammian.  Marc.  XXV,  2,  7  (J.  363  n.  Chr.):  etrnsci  haruspices 
.  .  ex  Tarquitianis  libris  in  titulo  de  rebus  tüyinis  id  relatum  esse  mon- 
strantes.  Lactant.  div.  inst.  I,  10,  2:  hunc  (Aesculap.)  Tarquitius,  de  illa> 
stribus  viris  disserens,  ait  incertis  parentibus  natum  etc.  Aus  seinem 
Werke  stammt  wohl  Serv.  Verg.  Ecl.  IV,  43  («  Macrob.  III,  7,  2).  Er  ist 
wohl  auch  gemeint  bei  Festus  v.  ratitum  (p.  274  a,  M.):  Tarqui-  (folgt 
eine  Lücke).  Bei  Vergil.  cataJ.  7,  3  ist  er  neben  Stilo  und  Varro  als  Ver- 
treter der  scholasticorum  natio  genannt.  Dagegen  ist  wohl  viel  später  L. 
Tarquitius  L.  f.  Pom.  Etruscus  Sulpicianus,  scriba  qnaestor.  bei  Orelli  1189 
(aus  Rom). 

6.  Serv.  Aen.  I,  176:  Glodius  scribit,  commentariorum  quarto.  Vgl. 
I,  62  (Clodius  commentariorum).  II,  229  (Clodius  scriba  comm.).  XII,  657 
(Clodius  Tuscus:  mussare  est  ex  graeco  etc.).  Dieser  Clodius  Tuscus 
verfasste  einen  astronomischen  Kalender,  welchen  wir  in  der  griechischen 
üebersetzung  des  Laurentius  Ljdus  (de  ostentis  p.  114  ff.  Wachsm«)  noch 
besitzen.  Ueberschrifl:  iq>rifisQlg  tov  nocvxog  ivLavtov,  rjyow  arjfisitoifts 
imzolmv  ts  xal  dvofimv  tmv  iv  ovQ€tva  <paivofiivcav ,  In  tmv  KXavSCov  xov 
G0V6M.OV  %a&'  SQfirivBCav  TtQog  li^iv]  vgl.  p.  155:  nal  xavtic  ijt,6v  o  KXdSiog 
i%  xwv  fcocQcc  Sovünoig  isQciv  ngog  ki^iv.  Aus  der  vielfachen  Uebereinstim- 
mung  dieses  Kalenders  mit  den  Angaben  von  Ovids  Fasti  hat  Merkel 
(Ovid.  Fast.  p.  LXVI  — LXXIV)  gefolgert  dass  Ovid  vorzugsweise  diese 
Arbeit  des  Clodius  Tuscus  benützt  (und  Tuscus  sein  Werk  für  Ovid  ver- 
fasst)  habe.  Gell.  V,  20,  2:  Sinnius  Capito  in  litteris  (grammatischen  In- 
halts) quas  ad  Clodium  Tuscum  dedit.  Vielleicht  ist  er  auch  der  bei  Ovid. 
ex  Pont.  rV,  16,  20  (vgl,  oben  247,  8)  als  Dichter  genannte  Tuscus.  Ueber 
den  historicuB  Tuscus  s.  unten  272,  4.  Ein  Fabricius  Tuscus  bei  Plinius 
im  Quell enverzeichniss  zu  B.  IV  und  VI  (Geographie). 

7.  Verwandter  Art  ist  die  Schriftstellerei  des  Cornelius  Labeo, 
dessen  Zeit  aber  unbekannt  ist.  Macrob.  I,  16,  29:  Cornelius  Labeo  primo 
Fastorum  libro;  vgl.  12,  21  (stimmt  mit  Festus  v.  Mains,  p.  134  M.,  viel- 
leicht weil  auch  Labeo  aus  Verrius  Flaccus  schöpfte).  III,  4,  6  (Cornelius 
Labeo  de  dis  penatibus  eadem  existimat).  I,  18,  21:  Cornelius  Labeo  in 
libro  cui  titulus  est  De  oraculo  Apollinis  Clarii.  Er  ist  wohl  auch  der 
Labeo  in  libris  qui  appellantur  De  dis  animalibus  bei  Serv.  Aen.  III,  168 
vgl.  I,  378  (alii,  ut  Nigidius  et  Labeo,  deos  penates  .  .  tradunt),  sowie 
vielleicht  der  Labeo  bei  Augustin.  civ.  dei  II,  11  (cum  Labeo,  quem  hu- 
iuscemodi  rerum  peritissimum  praedicant,  numina  bona  .  .  etiam  cultus 
divcrsitate  distinguat).  14  (Platonem  Labeo  inter  semideos  commemoran- 
dum  putavit).  III,  25.  VIII,  13.  IX,  19  (nonnulli  istorum  .  .  daemonicola- 
rum,  in  quibus  et  Labeo  est,  eosdem  perhibent  ab  aliis  angelos  dici  quos 
ipsi  daemones  nuncupant,  —  wonach  dieser  Labeo  der  christlichen  Zeit 
angehören  würde),  und  wahrscheinlich  der  Aaßsmv  welchen  Lyd.  de  mens. 
IV,  1.  20  und  de  ostent.  3  extr.  42  (Ueberschrift:  nad-olmii  intxriQTiaig 
fCQog  öslrivTjv  negl  negawöäv  xal  aXloav  yLaxaGXfifuizmv ,  in  xmv  Aaßaeävog 
nad"*  sQfiriveuicv  ngög  Xi^iv  cctco  xrjg  d-eQfiijg  xffOTtrjg  anführt.  Vgl.  C.  Wachs- 
muths  Prolegg.  p.  XXII  f.    Der  Fälscher  Fulgentius  (expos.  serm.  ant.  s.  v. 


258  f.    Clodius  Tuscus  u.  a.   Vitruvius  Pollio.  553 

manales,  p.  769  Stav.):  Labeo,  qai  disciplinas  etruscas  Tagetis  et  Bacche- 
tidis  XV  voluminibuB  explicavit.  Andererseits  ist  er  .wohl  identisch  mit 
dem  Cornelius  (die  Hdss.  Coroilias)  welcher  qnattuor  Mercunos  esse  scribit 
bei  Schol.  Stat.  Theb.  IV,  482,  was  sonst  von  quidam  oder  nonnulli  aus- 
gesagt ¥rird;  s.  Serv.  Aen.  I,  297.  IV,  677.  Ampel.  9  (p.  10,  5  Wn.). 
Mythogr.  Vat.  II,  42.    0.  Jahn,  Rhein.  Mus.  IX.  S.  627. 

8.  In  der  augusteischen  Zeit  verfassten  grammatische  Schriften  auch 
M.  Messala  (oben  218,  10),  Antonius  Rufus  (oben  249,"  5  E.),  Cornificius 
(oben  206,  2  g.  E.);  antiquarische  Cincius  (oben  116,  4)  und  Fenestella  (oben 
254,  2);  naturwissenschaftliche  Pompejus  Trogus  (oben  253,  2)  und  Sabinus 
Tiro  (oben  52,  4). 

9.  Macrob.  III,  18,  7:  vir  doctus  Oppius,  in  libro  quem  fecit  De  sil- 
vestribus  arboribus;  ebenso  ib.  19,  4.  Er  ist  wohl  der  von  Plinius  im 
Quellen verzeichniss  zu  B.  XI  (zoologisch)  genannte  Oppius. 

10.  Von  dem  Arzte  Antonius  Musa  (Pauly's  Real-Enc.  I,  1.  S.  1188  f. 
Nr.  65)  wird  zwar  öfters  angeführt  welche  Mittel  er  angewandt  habe  (z.  B. 
Plin.  N.  H.  XXX,  39  und  bei  Galenos),  ohne  dass  aber  daraus  auf  das 
Vorhandensein  von  Schriften  desselben  geschlossen  werden  könnte;  s.  E. 
Meyer,  Gesch.  der  Botanik  II.  S.  48 — 52,  welcher  für  den  Schriftsteller 
über  Arzneimittel  bei  Galen.  XII.  p.  989  K.  (in  griechischer  Sprache)  viel- 
mehr den  Petronius  Musa  (f  um  50  n.  Chr.)  erklärt.  Unter  dem  Namen 
des  Antonius  Musa  gibt  es  eine  an  M.  Agrippa  gerichtete  Schrift  de  herba 
betonica  mit  Recepten.  Eine  Leidner  Hds.  saec.  VI  davon  beschreibt  L. 
Müller,  Rhein.  Mus.  XXIII.  S.  189  (am  Schlüsse:  explicit  herbarium  Anto- 
nini Musae  de  herba  vettonica).  Ausserdem  ein  Bruchstück  detuenda  va- 
litudine  ad  Maecenatem;  s.  Antonii  Musae  fragmenta  quae  exstant,  coUegit 
Flor.  Caldani,  Bassano  1800. 

269«  Der  Architekt  Vitruvius  Pollio  widmete  in  seinen248 
spätem  Lebensjahren  dem  August  seine  zehn  Bücher  de  archi- 
tectura,  worin  der  BegrifiF  des  Faches  im  weitesten  Umfange 
genommen  ist.  Der  Verfasser  zeigt  sich  vielseitig  unterrichtet, 
belesen  und  nachdenklich;  aber  zu  feinerer  Bildung  und  zu  Ge- 
schmack ist  er  nicht  vorgedrungen.  Stofflich  ist  sein  Werk, 
schon  als  das  einzige  dieser  Art  das  auf  uns  gekommen  ist, 
wichtig,  die  Form  desselben  aber  ist  vielfach  abstossend  und 
wunderlich.  Ausser  dem  Werke  selbst  besitzen  wir  auch  einen 
Auszug  daraus  von  unbekanntem  Verfasser. 

1.  Persönliche  Verhältnisse.  Das  Werk  selbst  gibt  nur  den  Namen 
Vitruvius;  das  Cognomen  stammt  aus  der  Epitome  (s.  A.  6).  Den  Vor- 
namen haben  die  italienischen  Gelehrten  des  löten  Jahrh.  auf  Grund  von 
allerlei  Vermutungen  verschieden  gewählt.  Ebenso  die  Abstammung  aus 
Verona  gründet  sich  einzig  auf  die  dortige  Inschrift  (bei  Orelli  4145):  L. 
Vitruvius  L.  1.  Cerdo.  Sicher  sind  nur  die  Angaben  des  Vitruvius  selbst, 
besonders  in  der  Vorrede  zu  Buch  I,   welche  wie  eine  in  den  Geschmack 


554  Aiigusteißche  Zeit.  J.  711—767  d.  St. 

des  Vitrnvius  übersetzte  Umschreibung  des  Eingangs  Ton  Horaz  Epist.  II,  1 
aussieht:  cum  divina  tua  mens  et  numen,  imperator  Caesar  (August),  im- 
perio  potiretur  orbis  terrarom  invictaque  virtute  canctis  hostibus  stratis, 
triumpho  (August  725)  victoriaque  tua  cives  gloriarentur  .  .  populusqne 
rom.  et  senatus  liberatus  timore  amplissimis  tuis  cogitationibus  consiliisque 
gubemaretur,  non  audebam  tantis  occupationibus  de  architectura  scripta  .  . 
edere,  metuenä  ne  non  apto  tempore  interpellans  subirem  tui  animi  offen- 
sionem  (vgl.  Hör.  S.  II,  1,  20.  Ep.  I,  18,  4  f.  II,  1,  220  f.).  cum  vero 
attenderem  te  etc.  .  .  ut  civitas  per  te  non  solum  provinciis  esset  aucta 
(Aegypten  724,  Galatien  729)  verum  etiam  etc.  non  putavi  praetermitten- 
dum  quin  .  .  ea  tibi  ederem,  ideo  quod  primum  parenti  tuo  (dem  Caesar) 
de  eo  fneram  notus  et  eins  virtutis  studiosus.  cum  autem  .  .  Imperium 
parentis  in  tuam  potestatem  transtulisset,  idem  studium  meum  in  eins  me- 
moria permanens  in  te  contulit  favorem.  itaque  cum  M.  Aurelio  et  P. 
Minidio  et  Gn.  Cornelio  ad  apparationem  ballistarum  et  scorpionum  reli- 
quorumque  tormentorum  refectionem  fui  praesto  et  cum  eis  commoda 
accepi.  quae  cum  primo  mihi  tribuisti,  recognitionem  per  sororis  (der 
Octavia,  f  743)  commendationem  servasti.  cum  ergo  eo  beneficio  essem 
obligatus  ut  ad  exitum  vitae  non  haberem  inopiae  timorem,  haec  tibi  scri- 
bere  coepi,  quod  animadverti  multa  te  aedificasse  et  nunc  aedificare.  Er- 
wähnt den  pronaus  aedis  Augusti  V,  1,  7  (p.  107,  3  R.).  Beziehungen  zu 
Caesar;  II,  9,  15  (p.  59,  18  ff.  B.):  divus  Caesar  cum  exercitum  habuisset 
circa  Alpes  etc.  mit  ausführlicher  Beschreibung,  welche  den  Augenzeugen 
verräth;  Vlll,  3,  25  (p.  203,  11  ff.  R.):  G.  lulius,  Masinissae  filius,  .  .  cum 
patre  Cacsari  militavit  (J.  708).  is  hospitio  meo  est  usus.  Den  Augustus  ^ 
redet  er  immer  Imperator  oder  Caesar  au,  kennt  aber  auch  den  im  J.  727 
ihm  verliehenen  Titel  Augustus.  Die  Erwähnung  der  vielen  Bauten  Au- 
gusts weist  gleichfalls  über  727  hinaus,  sowie  über  738,  die  Zeit  wo  der 
Quirinus-Tempel  iu  Rom  erbaut  wurde,  Vitr.  III,  2,  7  (p.  70,  4):  dipteros 
.  .  est  aedis  Quirini  dorica.  Andererseits  spricht  Vitruv  III,  2,  2  nur  von 
einem  einzigen  steinernen  Theater  in  Rom,  deren  J.  741  zwei  weitere  er- 
richiiPt  wurden.  Also  fällt  die  Abfassung  ums  J.  740.  A.  Hirt,  in  Wolfs 
Mus.  der  Alt.-Wiss.  I  (1806)  S.  228  f. 

2.  Zur  Charakteristik.  Vitr.  II,  prooem.  5:  mihi  autem,  Imperator, 
statu ram  non  tribuit  natura,  faciem  deformavit  aetas,  valetudo  detraxit 
vires,  itaque  quoniam  ab  bis  praesidiis  sum  desertus  per  anxilia  scientiae 
scriptaque,  ut  spero,  perveniam  ad  commendationem.  VI,  prooem.  4  f.: 
cum  et  parentium  cura  et  praeceptoruro  doctrinis  auctas  haberem  copias 
disciplinarum  philologis  et  philotechnis  rebus  commentariorumque  scripturis 
me  delectans  eas  possessiones  animo  paravi  e  quibus  haec  est  fructuum 
summa,  .  .  nihil  desiderare.  .  .  ego,  Caesar,  non  ad  pecuniam  parandam 
ex  art«  dedi  studium.  .  .  ideo  notities  parum  est  adsecuta,  sed  tamen  his 
voluminibus  editis,  ut  spero,  etiam  posteris  ero  notus.  neque  est  miran- 
dum  quid  ita  pluribus  sim  ignotus.  ceteri  architecti  rogant  et  ambiunt  ut 
architectentur  j  mihi  autem  a  praeceptoribus  est  traditum  rogatum,  non 
rogantem,  oportere  suscipere  curam.  I,  1,  17:  peto,  Caesar,  et  a  te  et  ab 
is  qui  ea  volumina  sunt  lecturi  ut  si  quid  parum  ad  regulam  artis  gram- 


259.   Vitruviuß  Pollio.  555 

maticae  fuerit  explicatum  ignoscatur.  namque  non  uti  summus  philosophus 
nee  rhetor  disertus  nee  grammaticns  .  . ,  sed  ut  architeetas  his  litteris 
imbutuB  haec  nisus  eam  scribere.  Doch  kramt  er  sehr  gern,  besonders  in 
den  redseligen  Einleitungen  die  er  jedem  Buche  vorausschickt  (Schneider's 
Ausg.  I.  p.  LIII — LXVII),  seine  Kenntnisse  in  Philosophie  (vgl.  unten  261,  2) 
und  Geschichte  aus,  freilich  oft  mit  wenig  Glück,  wie  VI,  prooem.  3:  non 
minus  poetae  qui  antiquas  comoedias  graece  scripserunt  easdem  sententias 
verbis  in  scena  pronuntiaverunt,  ut  Eucrates,  Chionides,  Aristophanes,  maxime 
etiam  cum  his  Alexis.  Vorsatz  der  Kürze  V,  prooem.  3:  cum  animadver- 
tissem  distentam  occupationibus  civitatem  publicis  et  privatis  negotiis,  paucis 
iudicavi  scribendum ,  uti  angusto  spatio  vacuitatis  ea  legentes  breviter  per- 
cipere  possent,  und  abermals  ib.  5:  cum  ergo  .  .  animo  advertam  inusita- 
tas  et  obscuras  multis  res  esse  mihi  scribendas,  quo  facilius  ad  sensus 
legentium  pervenire  possint,  brevibus  voluminibus  iudicavi  scribere. 

3.  Den  Inhalt  der  einzelnen  Bücher  (volumina)  gibt  Vitruv  selbst  am 
Anfange  und  Schlüsse  derselben  umständlich  und  wiederholt  an.  Die  sieben 
ersten  Bücher  haben  das  eigentliche  Bauwesen  (kirchliche  und  private 
Gebäude)  zum  Gegenstande.  Das  achte  Buch  handelt  vom  Wasser  und 
Wasserleitungen,  das  neunte  von  der  Zeitmessung  (bes.  Sonnenuhren),  das 
zehnte  von  Maschinen,  uti  totum  corpus  omnia  architecturae  membra  in  de- 
cem  voluminibus  habeat  explicata  (X,  22,  12).  Vitruy's  Quellen  sind  vorzugs- 
weise Griechen,  aufgezählt  besonders  VII,  prooem.  11 — 14,  mit  der  Erklärung: 
quorum  ex  commentariis  quae  utUia  esse  .  .  animadverti  coUecta  in  unum 
coegi  corpus.  Doch  zeigt  seine  Kenntniss  des  Griechischen  Mängel,  trotz 
Kühnheiten  wie  dvidt^oXoyrjTog.  Seine  Meinung  verständlich  auszudrücken 
ist  ihm  sehr  häufig  nicht  gelungen;  es  fehlt  ihm  an  schriftstellerischer 
Fähigkeit  und  Fertigkeit.  Seine  Darstellung  ist  bald  nnmässig  breit,  bald 
ungebürlich  knapp,  hier  seltsam  geziert  und  geschraubt,  dort  plebejisch 
(wie  calcf£U^iuntur  und  im  falschen  Gebrauch  des  Plqpf.). 

4.  Von  den  erhaltenen  Handschriften  sind,  wie  Rose  erkannt  hat, 
nur  zwei  von  selbständigem  Werthe,  der  Harleianus  (H)  saec.  IX  und  der 
Gudianus  (G)  saec.  XI.  Beide  selbst  aber  gehen  auf  dieselbe  Urhandschrift 
zurück,  da  sie  die  gleichen  Lücken  und  Fehler  haben,  sowie  VII,  6  die 
gleiche  Blattversetzung.  Schon  durch  das  Alt^r  des  Harl.  widerlegt  sich 
die  Meinung  von  C.  Fr.  L.  Schultz  (Untersuchung  über  das  Zeitalter  des 
.  .  Vitnivius,  herausgg.  von  0.  Schultz,  Leipzig  1866.  65  S.)  dass  die  Schrift 
aus  dem  zehnten  Jahrh.  sei,  wo  nicht  gar  aus  dem  13ten;  ebenso  dadurch 
dass  Plinius  den  Vitruv  unter  seinen  Quellen  zu  Buch  XVI,  XXXV  und 
XXXVI  nennt  (ex  Vitruvio)  und  seine  Benützung  der  uns  erhaltenen  Schrift 
des  Vitruv  sich  zum  Theil  noch  nachweisen  lässt;  s.  H.  Brunn,  de  indic. 
Plin.  (Bonn  1856.  4.)  p.  67—60.  Vgl.  auch  Serv.  Aen.  VI,  43:  Vitruvius, 
qui  de  architectonica  scripsit,  .  .  ostium  dicit. 

5.  Der  Auszug  (von  einem  auctor  satis  antiquus,  nach  Rose)  hat  in 
den  Hdss.  die  Ueberschrifb  De  diversis  fabricis  architectonicae  und  beginnt: 
De  artis  architectonicae  peritia  multa  oratione  Vitruvius  Polio  aliique 
auctores  scientissime  scripsere.    verum  ne  longa  eorum  disertaque  facundia 


556  Augusteische  Zeit.    J.  711—767  d.  St. 

humilioribus  ingeniis  alienum  faceret  Studium,  pauca  ex  hie  mediocri  licet 
sermone  privatis  usibus  omare  fuit  consilium.  Die  Ordnung  des  Yitniv 
ist  verändert,  der  SioiF  auf  die  Privatgebäude  beschränkt.  Am  Schlüsse 
(c.  29)  ist  eine  Erörterung  des  horologium  pelecinnm  und  faemicyclium  aus 
anderer  Quelle  angehängt;  auch  c.  30  (über  tlie  maltae)  ist  anderswoher 
und  jünger.    Das  Ganze  nach  drei  Hdss.  saec.  X  bei  Rose  p.  285 — 313. 

Vgl.  ib.  p.  xn. 

6.  Ausgaben  des  Vitruv.  Vgl.  Schneider's  Ausgabe  I.  p.  XI— XXVIU. 
Ed.  princeps  von  Jo.  Sulpicius  s.  1.  et  a.  (Rom  zwischen  1484  und  1492) ,  fol. 
Willkürliche  Textbehandlung  durch  Jo.  Jucundus,  Ven.  1511.  fol.  Cum  comm. 
G.  Philander,  Lugd.  Bat.  1552.  4.  Cum  notis  yariorum  ed.  lo.  de  Laet, 
Amsterd.  1649.  fol.  (mit  Baldi's  Lex.  Vitruv.).  Cum  vers.  ital.  ed.  B.  Galiani, 
Neapel  1758.  fol.  Ed.  illustr.  A.  Rode,  Berlin  1800.  2  Voll.  4.  Rec,  emend., 
illustr.  I.  G.  Schneider,  Lips.  1807  f.  3  Voll.  Cum  notis  varr.  ed.  Stratico, 
Udine  1825-— 1830,  4  Voll.  4.  Sammelausgabe  von  A.  Marini,  Rom  1836. 
4  Voll.  fol.  Rec.  atque  emend.  et  in  germ.  serm.  vertit  C.  Lorentzen,  1,1. 
Gotha  1866.  Ad  antiquiss.  codd.  nunc  primum  ediderunt  Val.  Rose  et  Herrn. 
Müller -Strübing,  Lips.  (Teubner)  1867. 

7.  Uebersetzungen.  Erstmahls  verteutscht  durch  G.  H.  Rivium,  Nürn- 
berg 1548.  foL;  mit  zahlreichen  Holzschnitten,  Basel  1614.  foL  Von  A. 
Rode,  Leipzig  1796.  4.  2  Bde.;  Kupfer  nnd  Erklärung,  Berlin  1801.  fol. 
Uebersetzt  und  durch  Anm.  und  Risse  erläutert  von  Fr.  Reber,  Stuttgart 
(HoflPmann)  1864  f.  12. 

Französische  (mit  Erläuterungen)  par  J.  Martin  (Paris  1547.  fol.),  Cl. 
Perrault  (Paris  1673.  1684.  fol.).  Mit  Text  und  Atlas,  von  Tardieu  und 
Cousin  (Paris  1839.  4.);  par  Maufras  (Paris  1847  flF.   2  Voll.) 

Englische  von  W.  Newton  (London  1771  —  1791.  2  Voll,  fol.,  with  47 
plates),  Wilkins  (London  1813.    2  Voll.   fol.). 

Italienische  von  Bald.  Orsini  (Perugia  1802.  2  Voll.),  Quir.  Viviani  und 
Vinc.  Tuzzi  (Udine  1830). 

8.  Zur  Erläuterung.  B.  Baldus,  de  verborum  Vitruv.  significatione, 
Augsburg  1614.  4.  J.  Polenus,  Exercitationes  Vitruvianae,  Padua  1739.  fol. 
1741.  fol.  H.  C.  Genelli,  exegetische  Briefe  über  Vitruvius,  Braunschweig 
1801.  Berlin  1804.  4.  J.  Rösch,  Erläuterungen  über  Vitruv.,  Stuttgart  1802. 
Haubold,  Exercitationes  Vitruv. ,  Lips.  1821.  4.  C.  Lorentzen,  Obsorvationcs 
eriticae  ad  Vitr.,  Gotha  1858.  4.  Vitr.  X,  13  —  15  in  Köchly  und  Rüstow's 
griechischen  Eriegsschriftst.  I  (Leipzig  1853).  S.  347  —  405.  E.  H.  F.  Meyer, 
Geschichte  der  Botanik  I.  (Königsberg  1854.)  S.  382—391. 

9.  lieber  den  modulus  des  Vitruvius  (die  Einheit  bei  Beinen  Angaben 
über  die  Massverhältnisse  des  antiken  Tempels)  s.  Aurös,  nouvelle  thdorie 
du  module,  Nimes  1862  (Säulendurchmesser  in  der  mittleren  Schafthöhe) 
und  dagegen  Fr.  Reber,  Philologus  XXVII.  S.  185 — 191  (Durchmesser  dos 
untern  Schaftendes  der  Säule). 

249         260.    Von  den  Juristen   der  augusteischen   Zeit  sind    die 
namhaftesten   Labeo    und    Capito.     Des    M.   Antistius   Labeo 


269  f.    VitruviuB  PoUio.     Juristen:  Antisiius  Labeo.      •         557 

(um  695  —  765  d.  St.)  Kechtskenntniss  ruhte  auf  der  breiten 
Grundlage  einer  umfassenden  Bildung  und  war  überdiess  getragen 
durch  einen  Charakter  von  unbeugsamer  Festigkeit,  die  seinem 
Namen  noch  lange  fort  nicht  minder  Achtung  yerschajBFte  als 
seine  zahlreichen  juristischen  Schriften.  Sein  Gregenfüssler  war 
der  höfische  Jurist  C.  Ateius  Capito  (J.  720 — 775  d.  St.), 
der  auch  an  wissenschaftlicher  Bedeutung  und  schriftstellerischer 
Thiitigkeit  mit  Labeo  sich  nicht  messen  konnte.  Aus  derselben 
Zeit  ist  der  Schüler  des  Trebatius,  Blaesus,  sowie  wohl  der 
Jurist  Fabius  Mela. 

1.  Pompon.  Dig.  I,  2,  2,  47:  post  hunc  (Aeliue  Tubero,  oben  205,  1) 
maximae  auctoritatis  fuerunt  Ateius  Capito,  qui  Ofilium  secutus  est,  et 
Antistius  Labeo,  qni  omncs  hos  (alle  damaligen  Rechtslebrer,  s.  oben 
199  und  206)  andivit,  institutus  est  autem  a  Trebatio  (oben  199,  3).  ex  bis 
Ateius  consul  fuit  (J.  768  d.  St.  =  5  n.  Chr.),  Labeo  nolnit,  cum  offerretur  ei 
ab  Augusto  consulatus,  quo  sniFectus  fieret,  honorem  suscipere,  sed  plurimis 
studiis  operam  dedit  et  totum  annnm  ita  diviserat  nt  Romae  sex  mensibus 
(wohl  Januar  bis  Juni)  cum  studiosis  esset  (und  consulentibus  de  iure  publice 
responsitaret,  Gell.  XIII,  10,  1),  sex  mensibus  secederet  (wohl  auf  seinen 
fnndns  Gallianus,  s.  Gell.  XIII,  12,  4)  et  conscribendis  libris  operam  daret. 
itaque  reliquit  quadringcnta  volumina,  ex  quibus  plurima  inter  manus  ver- 
»antnr.  hi  duo  primum  veluti  diversas  sectas  fecerunt  (s.  oben  S.  84  und 
S.  420);,  nam  .  .  Labeo  ingenii  qualitate  et  fiducia  doctrinae,  qui  et  ceteris 
operis  sapientiae  operam  dederat,  plurima  innovare  instituit  (oben  S.  420, 
A.  3).  Gellius  XIII,  10,  1:  Labeo  Antistius  iuris  qnidem  civilis  disciplinam 
principali  studio  exercuit,  .  .  sed  ceterarum  qnoque  bonarum  artium  non 
expers  fuit  et  in  grammaticam  sese  atque  dialecticam  litterasque  antiquiores 
altioresqucf  penetraverat  latinarumque  vocum  origines  rationesque  percal- 
luerat  eaque  praecipue  scientia  ad  enodandos  plerosqne  iuris  laqueos 
ntebatur.  Das  Beispiel  ib.  3  (soror  von  seorsum)  zeigt  ihn  als  Puristen 
(oben  S.  63,  17  f.).  Tac.  A.  III,  75:  dem  Capito  consulatnm  adceleraverat 
Augustus,  ut  Labeonem  Antistium,  isdem  artibus  praecellentem ,  dignatione 
eins  magistratus  anteiret.  namque  illa  aetas  duo  pacis  decora  simul  tulit. 
sed  Labeo  incorrupta  libertate  et  ob  id  fama  celebratior,  Capitonis  obse- 
quium  dominantibus  magis  probabatur.  illi  quod  praeturam  intra  stetit 
commendatio  ex  iniuria,  huic  quod  consulatnm  adeptus  est  odinm  ex  in- 
vidia  oriebatur.  Gell.  XIII,  12,  1  f.:  in  quadam  epistula  Atei  Capitonis 
scriptum  legimus  Labeonem  Antistium  legum  atque  morum  populi  rom. 
iurisque  civilis  doctum  adprimc  fuisse.  sed  agitabat,  inqnit,  hominem 
libertas  qfiaedam  nimia  atque  vecors,  tamquam  eorum  divo  Augusto  iam 
principe  et  remp.  obtinente  ratum  tarnen  pensumque  nihil  haberet  nisi  quod 
iustum  sanctumque  esse  in  romanis  antiquitatibus  legiBset.  Mit  weniger 
Servilismus,  trotz  grösserer  persönlicher  Berechtigung  dazu,  Porphjrio  zu 
Hör.  S.  I,  3,  82  (p.  70  H.):  Marcus  Antistius  Labeo  praetorios,  iuris  etiam 
peritus,  memor  libei*tati8  in  qua  natus  erat  multa  contumaciter  ad  versus 


558  Augusteische  Zeit.   J.  7H — 767  d.  St. 

Caesarem  dixisse  et  fecisse  dicitur,  propter  quod  Horatiue  nunc  adulans 
Augnsto  insanum  eum  dicit.  Vgl.  Acro  ib.  (p.  58  H.)>  Sollte  sich  Hör.  1.  L 
(Labeone  insanior  inter  sanos  dicatur,  aus  J.  716  oder  717)  wirklich  auf 
diesen  t^hn  seines  ehemaligen  Kriegsgefährten  (oben  199,  6)  beziehen,  so 
könnte  es  jedenfaUs  noch  nicht  seiner  politischen  Richtung  gelten,  üeber 
Labeo  s.  W.  Teuffei  in  Pauly's  Real-Enc.  I,  1.  S.  1163  —  1166,  Nr.  26. 

2.  Die  Schriften  des  Labeo  umfassten  400  Bücher  (s.  A.  1).  Die  lieber- 
reste  aus  den  Digesten  bei  Hommel,  Palingenesia  libr.  iur.  vet.  (Lips.  1767) 
I.  p.  321 — 338;  die  aus  andern  Schriftstellern  bei  Huschke,  iurispr.  anteiust.^ 
p.  43 — 48.  'p.  44  —  60.  Gell.  XIII,  10,  2:  sunt  libri  post  mortem  'eins  editi, 
qui  Posteriores  inscribunter,  quorum  librorum  tres  conünui,  XXX Vm  et 
XXXIX  et  XL,  pleni  sunt  id  genus  (s.  A.  1)  rerum  ad  enarrandam  et  inlu- 
strandam  linguam  latinam  conducentium.  Sonst  war  das  Werk  ein  System 
des  Civilrechts,  nach  dem  Plane  des  Q.  Mucius  (,ob.  151, 2)  angelegt.  Epitome 
davon  durch  lavolenus,  die  in  den  Digesten  benützt  ist,  wie  die  der  acht 
Bücher  Probabilium  (ni&avmv)  nac&  der  Epitome  des  Paulus;  beide  Werke 
sind  im  Granzen  63  mal  in  den  Digesten  citiert.  Labeo  libris  Epistolarum 
(Dig.  XLI,  3,  30,  1);  libri  responsorum,  mindestens  16  Bücher  (CoUat.  XII, 
7,  3).  Gell.  XIII,  10,  3:  in  libris  quos  ad  praetoris  edictom  scripsit  multa 
posuit  partim  lepide  atque  argute  reperta.  sicuti  hoc  est  quod  in  quarto 
ad  edictum  libro  scriptum  legimus  etc.  Dig.  L,  16,  19:  Labeo  libro.primo 
praetoris  urbani;  IV,  3,  9,  4:  Labeo  libro  trigesimo  praetoris  peregrini. 
Gell.  I,  12,  18:  in  commentariis  Labeonis  quae  ad  XII  tabulas  composuit; 
vgl.  ib.  XX,  1,  13  und  VI  (VII),  15,  1:  Labeo  in  libro  de  XII  tabulis 
secundo.  Festus  v.  proz  (p.  253*) :  Labeo  de  iure  pontificio  1.  XI;  darauf 
y.  penatis:  Labeo  Antistius,  und  v.  proculiunt:  Antistius  de  iure  pontificali 
1.  IX;  V.  spurcum  (p.  348,  wo  er  auch  sonst  angeführt  wird):  Labeo  Anti- 
stius 1.  X  commentori  iuris  pontificii;  y.  sistere  (p.  351*):  Antistius  Labeo 
in  commentario  XV  iuris  pontifici.  Vielleicht  auch  (de)  officio  augu(rum), 
ib.  p.  290*.  Gell.  I,  12,  1:  qui  de  virgine  capienda  scripserunt,  quorum 
diligentissime  scripsit  Labeo  Antistius.  Macrob.  III,  9,  4  (nachdem  vorher 
Ateius  Capito  ex  libro  I  de  iure  sacrificiorum  angefahrt  war):  Labeo  vero 
sexagesimo  et  octavo  libro  intulit  etc.  Noten  zu  Labeo  schrieben  die  Ju- 
risten Proculus,  Javolenus,  Aristo  u.  A.  C.  Thomasius,  comparatio  Labeonis 
et  Oapitonis,  Lips.  1683.  C.  v.  Eck,  de  vita  .  .  Labeonis  et  .  .  Capitonis, 
Franeker  1692,  und  in  Oelrichs  thesaur.  nov.  I,  2.  p.  825 — 856.  F.  A.  Biener, 
Ant.  Labeo  iuris  civilis  novator,  in  seinen  opusc.  (1830).  I.  p.  196  —  213. 
Bach,  historia  iurisprud.  rom.  p.  403  ff.  S.  W.  Zimmern,  Gesch.  des  röm. 
Privatrechta  I,  1.  S.  306—811.  A.  F.  Eudorff,  röm.  Rechtsgesch.  I.  S.  178  f. 
236.  De  Geer  in  den  Verslagen  en  Med.  d.  k.  Akad.  v.  Wetensch.  XI.  1868. 
Ji.  Borchert,  num  A.  L.  stoicae  philosophiae  fuerit  addictus,  Berl.  1869.  57  pp. 

3.  C.  Ateius  (C.  I.  lat.  I.  p.  198,  nr.  750  f.  Fasti  praenest.  ib.  p.  474, 
XIII)  Capito,  principem  in  civitate  locum  studiis  civilibus  adsecutus,  sed 
avo  centurione  Sullano,  patre  praetorio.  consulatum  ei  adceleraverat 
Augustua  etc.  (Anm.  1),  Tac.  A.  HI,  75.  Wenn  das  von  dem  Consulat  des 
J.  758  gesagt  werden  konnte,  so  wird  Capito  etwa  ums  J.  720  geboren  sein. 
Curator  aquarum  vom  J.  13  n.  Chr.  bis   zu  seinem  Tode,   J.  22  n.  Chr. 


260.   Juristen  (Labeo  und  Capito).  .559 

(Tac.  1.  1.),  Frontin.  aq.  102.  Als  Jurist  Schüler  des  Ofilius  (oben  199,  2), 
'  und  in  bis  quae  ei  tradita  fuerant  perseverabat  (Pompon.,  s.  A.  1).  Gellius 
X,  20,  2:  Ateius  Capito,  publici  privatique  iuris  peritissimus.  Macrob. 
VII,  13,  11:  apud  Ateium  Capitonem,  pontificii  iuris  inter  primos  peritum. 
Tac.  A.  III,  70:  Capito  insignitior  infamia  fuit  (wegen  seiner  Kriecherei, 
vgl.  Suet.  gramm.  22.  Dio  LVII,  17),  quod  humani  divinique  iuris  sciens 
6^6gi^ux^  publicum  et  bonas  domi  artes  dehonestavisset. 

4.  Schriften  des  Capito.  Coniectanea  (Gell.  II,  24,  2.  15.  XX,  2,  3; 
ib.  IV,  14,  1:  cum  librum  VIII  Atei  Capitonis  coniectaneorum  legeremus, 
qui  inscriptuB  est  De  iudiciis  publicis;  X,  6,  4);  Über  de  officio  senatorio 
(Gell.  IV,  10,  7  f.;  vielleicht  B.-  IX  der  Coniectanea,  s.  ib.  XIV,  7, 12  f.:  quod 
Ateius  Capito  in  Coniectaneis  scriptum  reliquit;  nam  in  libro  IX  .  .  ait 
nuUxmi  senatusconsultum  fieri  posse  etc.  ib.  8,  2:  Ateius  Capito  in  Con- 
iectaneorum IX  ins  esse  praefecto  senatus  habendi  dicit);  de  pontificio  iure 
(B.  V  bei  Gell.  IV,  6,  10;  Capito  Ateius  in  1.  VII  pontificali,  Festus  v.  mun- 
dus,  p.  154^  vgl.  Macrob.  VII,  13,  11  ff.);  Epistulae  (Gell.  XIII,  12,  Iff. 
vgl.  Anm.  1).  Vgl.  Huschke,  iurisprud.  anteiust.^  p.  48  —  56.  *p.  50 — 58. 
Oeflers  angeführt  bei  Festus,  sowie  bei  Plinius  im  Quellenverzeichniss  zu 
den  Büchern  III,  IV,  XIV,  XV,  XVIII,  wahrscheinlich  aus  den  Coniectanea. 
In  den  Digesten  findet  sich  von  ihm  kein  fragmentum  purum,  wohl  aber 
mehrere  Anführungen  aus  zweiter  Hand.  Zimmern,  Gesch.  d.  röm.  Privat- 
rechts I,  1.  S.  307  f.  Th.  Frederking  (und  L.  Mercklin),  Philologus  XIX. 
S.  650  — 6'64.     W.  Teuffei  in  Paüly's  Real-Enc.  I,  2.  S.  1955  f.  Nr.  4. 

5.  Labeo  Dig.  XXXUI,  2,  31:  Blaesus  ait  Trebatium  respondisse  etc. 
Majansius,  Comm.  II.  p.  162  f. 

6.  FabiuB  Mela  (Dig.  XLIII,  23,  1,  12),  in  den  Digesten  oft  neben 
Labeo  und  Trebatius  angeführt  (XV,  3,  7,  2 f.  XIX,  2,  13,  8.  5,  20.  XXVIl, 
3,  1,  5 f.  XLVn,  10,  17,  2),  also  wohl  ungefthr  ihr  Zeitgenosse,  zumal  da  er 
selbst  den  Aquilius  Gallus  (oben  171,  If.)  citiert  (Dig.  XIX,  1,  17,  6:  Gallus 
Aquilius,  cuius  Mela  refert  opinionem).  Er  schrieb  Digesta  in  mindestens 
38  Büchern  (Dig.  XLVn,  2,  52,  30;  vgl  XLVI,  3,  39  pr.:  Mela  libro  X). 
De  Fabio  Mela  Abhandlungen  von  J.  L.  G.  Beck  (Lips.  1806.  4.)  und  H.  E. 
Dirksen  (Königsberg  1808.  4.). 

7.  Vitellius,  zu  welchem  Masurius  Sabinus  und  Cassius  Longinus  unter 
Tiberius  Anmerkungen  schrieben  (s.  unten  276,  1  u.  3),  scheint  der  augu- 
steischen Zeit  anzugehören,  ist  aber  sonst  unbekannt,  falls  er  nicht  der 
rerum  Augusti  procurator  Vitellius  bei  Suet.  Vitell.  2  ist. 

8.  Ueber  Veranius  s.  oben  196,  14. 

9.  Aus  der  augusteischen  Zeit  ist  wahrscheinlich  das  in  Spanien  gefun- 
dene pactum  fiduciae  zwischen  Dama  L.  Titi  8er(voB)  und  L.  Baianius;  s.  C.  I. 
lat.  n.  p.  700,  nr.  6042.  vgl.  E.  Hübner  im  Hermes  HI.  S.  283—289  und  H. 
Degenkolb,  Zeitschrift  für  Rechtegeschichte  IX.  S.  117— 180. 

261.   Interesse  für  Philosophie  war  in  der  augusteisehen250 
Zeit   sehr  verbreitet:   alle   bedeutenderen  Schriftsteller,    wie  be- 
sonders Vergilius,   Horaz    und  Livius,   zeigen   dergleichen^   und 


560  Augusteische  Zeit.   J.  711—767  d.  St. 

neben  ihnen  auch  Labeo,  Vitpivius,  Varus,  Lynkeus  u.  A.  Zu- 
dem dehnt  es  sich  jeizt,  hauptsächlich  unter  dem  Einflüsse  des 
vorzugsweise  begünstigten  epikureischen  Systems,  auch  auf  die 
physikalische  Seite  aus,  obwohl  der  ethischen  fortwährend  das 
Uebergewicht  bleibt.  Aber  über  das  Dilettantische  geht  dieses 
Interesse  nicht  hinaus,  auch  bei  denen  welche  eigens  über  Phi- 
losophie schreiben,  wie'  August  und  Liyius  und  wohl  auch  den 
Stoikern  Crispinus  und  Stertinius.  Bedeutender  waren  einzig 
Vater  und  Sohn  Q.  Sextius  Niger ^  die  an  Crassitius,  Papirius 
Fabianus  u.  A.  Anhänger  fanden.  Ihre  Schriften  waren  in 
griechischer  Sprache  verfasst.  Der  Vater,  ein  energischer  Mann 
Ton  grosser  Sittenstrenge  und  ein  selbständiger  Denker,  erstrebte 
die  Verwirklichung  des  Guten  im  Leben  des  Einzelnen;  in  den 
Sprüchen  die  unter  seinem  Namen  auf  uns  gekommen  sind 
finden  sich  neben  stoischen  und  pythagoreischen  bereits  auch 
jüdisch-theistische  Bestandtheile. 

1.  Vgl.  oben  S.  425.  UeberVergils  philosophische  Richtung  s.  oben  220, 
3;  über  Horaz  oben  230,  5;  T.  Livius  s.  oben  251,  4;  Augiist  oben  217,  3; 
AlfenuB  Varua  oben  205,  3;  über  den  Verfasser  der  Ciris  oben  S.  455,  1; 
über  Lynkeus  oben  239,  3;  P.  Vohimnius  oben  250,  3;  Labeo  oben  260,  1. 
Anch  Seneca's  Mutter,  Hei  via,  hätte  gern  Philosophie  studiert,  wenn  ihr 
Qatte  es  zugelassen  hätte,  s.  unten  264,  1. 

2.  Vitruv.  I,  1,  7:  philosophia  perficit  architectum  animo  magno  et  uti 
non  sit  adrogans,  sed  potius  facilis,  aequus  et  fidelis  sine  avaritia  etc.  .  . 
praeterea  de  rerum  natura  .  .  philosophia  cxplicat,  quam  necesse  est  studi- 
osius  novisse,  quod  habet  multas  et  varias  naturales  quaestiones,  ut  etiam 
in  aquarum  ductionibus.  .  .  quorum  (der  spiritus  naturales)  offensionibus' 
mederi  nemo  poterit  nisi  qui  ex  philosophia  principia  rerum  naturae  noverit. 
Aber  auch  ohne  solches  praktisches  Interesse  wird  in  dieser  Zeit  neben  dem 
ethischen  Theile  der  Philosophie  die  Naturphilosophie  betrieben  von  Iccius 
(Hör.  0.  I,  29,  13 f.  Ep.  I,  12,  15  ff.),  dem  Verfasser  der  Ciris  (Cir.  5  ff .  11  ff. 
39  ff.),  Lynkeus  (Prop.  HI,  32,  27  f.  51  ff.)  und  Manilius  (Astr.  I,  96  ff. 
118  ff.  IV,  866  ff.).  Ebenso  zeigt  der  altere  Sextius  Niger  (A.  5  —  7)  und 
weiterhin  Papirius  Fabianus  (unten  Anm.  10  f.),  Celsus  (unten  275,  3  u.  5), 
Scneca,  der  ältere  Plinius  und  Sueton  Verbindung  von  philosophischen  und 
naturwissenschaftlichen  Studien. 

3.  Porphyrie  zu  Hbr.  S.  I,  1,  120  (p.  23  H.):  Plotius  Crispinus  philo- 
sophiae  studiosus  fuit.  idem  et  carmina  scripsit,  sed  tam  garrule  ut  are- 
talogus  diceretur.  Acro  ib.  (p.  16  H.):  hie  Crispinus  poeta  fuit,  qui  sectam 
stoicam  yersibus  scripsit. 

4.  Acro  zu  Hör.  Ep.  I,  12,  20  (p.  434):  Stertinius  philosophus,  qui 
CCXX  libros  Stoicorum  latine  scripsit.  hos  notat  quod  versibus.  suis  obscti- 
riorem  philosophiam  fecerint.    Erstere  an  sich  wenig  wahrscheinliche  An- 


261.    Philosophie  (Sextius).  561 

gäbe  findet  sich  nicht  bei  Porphyrie,  der  nur  sagt  (p.  436):  hune  et  alibi 
tangit  ut  Stoieum  qui  de  paradoxis  loquitur,  und  zu  S.  II,  3,  33  (p.  270): 
Stört iniua  unus  e  Stoicis  fuit,   wo  Acro  (p.  237):  fuit  Stertinius  de  Stoicis. 

5.  Sen.  Epist.  98,  13:  honores  reppulit  pater  Sextius,  qui  ita  natus 
ut  remp.  deberet  capessere  latum  clavum  divo  lulio  dante  non  recepit. 
Auch  för  den  Sohn  zu  spät  ist  daher  die  auch  sonst  einseitige  Angabe 
des  Hieronym.  zu  Eus.  chron.  a.  Abr.  2017  :»  Aug.  44  «=  755  d.  St.:  Sextus 
Pythagoricus  philosophus  nascitur.  Sen.  Ep.  59,7:  Sextium  .  .  iego,  virum 
acrem ,  graecis  verbis ,  romanis  moribus  philosophantem.  64,  2  f. :  lectus  est 
über  Quinti  Sextii  patris,  magni  .  .  viri  et,  licet  neget,  Stoici.  quantus 
in  illo  .  .  vigor  est,  quantum  animi!  .  .  cum  legeris  Sextium  dices:  vivit, 
viget,  liber  est,  supra  hominem  est,  dimittit  me  plenum  ingentia  fiduciae. 
ib.  5:  hoc  quoque  egregium  Sextius  habet  quod^et  ostendet  tibi  beatae 
vitae  magnitudinem  et  desperationem  eins  non  faciet.  73,  12:  solebat  Sex- 
tius dicere  lovem  plus  non  poase  quam  bonum  virum.  ib.  15:  credamns 
itaque  Sextio  .  .  clamanti:  hac  itur  ad  astra.  De  ira  III,  36,  l:  faciebat 
hoc  Sextius  ut  consummato  die  .  .  interrogaret  animum  suum:  quod  hodic 
malum  tuum  sanasti?  ib.  11,  36,  1.  Epist.  108,  17  f.:  dicebat  quare  Pytha- 
goras  animalibus  abstinuisset,  quare  postea  Sextius.  Letzerer  betrachtete 
die  Fleischnahrung  als  Förderung  der  Grausamkeit,  Ueppigkeit  und  als  un- 
gesund. Plin.  n.  h.  XVIII,  68,  274:  hoc  (Weissagen  einer  Missernte)  postoa 
Sextius  e  Romanis  sapientiae  adsectatoribus  Athenis  fecit  eadem  ratione. 

6.  Schon  Sextius  scheint  seinen  Grundsätzen  gern  Spruch  form  gegeben 
zu  haben ;  Reste  davon  als  JSi^tov  xov  TIv&ayoQBiov  yvojfiai  in  Orelli^s  Opusc. 
sent.  I.  p.  244  und  Mullachs  fragment.  philosoph.  gr.  (Paris.  1860)  p.  522. 
Als  der  Kampf  zwischen  Polytheismus,  Judcnthum  und  Christenthum  aus- 
brach wurden  diese  Spruche,  vermöge  ihrer  monotheistischen  und  nsketi- 
schcn  Richtung,  in  denselben  hineingezogen,  wahrscheinlich  (M.  Ott)  in  der 
allgemeinen  Brutstätte  solcher  literarischen  Producte  (wie  Pseudo  -  Phoky- 
lides,  Sibyllinen),  zu  Alexandria,  und  stark  mit  weiteren  monotheistischen 
Beslbandtheilen  zersetzt.  Diesen  gab  dann  Rufinus  bei  seiner  Uebersetzuug 
derselben  noch  eine  specifischer  christliche  Färbung.  Vgl.  dessen  Vorrede 
an  Apronianus:  Sixtum  in  Latinum  verti,  quem  Sixtum  ipsum  esse  tradunt 
qui  apud  vob  item  in  urbe  romana  Sixtus  vocatur,  episcopi  et  martyris 
gloria  decoratus.  .  .  omne  opus  ita  breve  ut  de  manu  eins  numquam  possit 
recederc,  totus  hie  liber  ibi  pristini  alicuius  pretiosi  obtiuens  anuli  locum. 
.  .  nunc  ergo  interim  habeatnr  in  manibus  pro  anulo  liber.  .  .  addidi  et 
eiecta  quaedam  religiosi  parentis  (des  Sextius)  ad  filium,  sed  breve  totum, 
ut  merito  omne  opusculum  vel  enchiridion,  si  graece,  vel  latine  anulus 
appelletur.  Vgl.  Augustin.  retract.  II,  42.  In  dieser  Uebersetzuug  des 
Rufinus  (s.  d.)  haben  wir  427  Sprüche,  abgedmckt  z.  B.  bei  Orelli  1.  1. 
p.  245  —  268,  und  bei  Mullach  1.  1.  p.  .523  —  531;  ausserdem  (zu  Xisti  cor- 
rumpiert)  in  einer  syrischen,  mehr  erweiterten  und  noch  mehr  christiani- 
sierenden Uebersetzung.  Merkwürdig  wäre  es  den  Uebergang  dieser  Sprüche 
aus  dem  allgemein  Menschlichen  (oder  Stoisch-Pythagoreischen)  ins  Theolo- 
gische zu  verfolgen.  Bei  Hieronymus  (adv.  lovin.  I,  30)  wird  aus  Sextius  in 
Sententiis  noch  ganz  bezeichnend  und  fein  angeführt:  todulter  est  in  suani 

TKVVFEii,  Rom.  Literaturgeschichto.    2.  Aufl.  30 


562  Auguateische  Zeit.    J.  711— 767  d.  St. 

uxorem  amator,  Rufinus  Nr.  222  bereits:  .  .  omnis  iznpndicas  yel  amator 
ardentior.  Vgl.  Meinr.  Ott,  Charakter  und  Ursprang  der  Sprüche  des  Phi- 
losophen Sextius,  Rottweil  1861.  71  S.  4.;  und:  die  syrischen  auserlesenen 
Sprüche  des  Xistus,  Bischofs  von  Rom,  eine  überarbeitete  Seztiusschrift, 
Rottweil  1862  f.  48  u.  37  S.  4.  Sänger,  die  Sprüche  des  Sextius,  in  6ei- 
ger's  Zeitschr.  für  jüd.  Wiss.  V,  1  (1867). 

7.  Wie  das  prakfcisch-philosophische  Werk  des  Sextius  so  war  auch  sein 
naturwissenschaftliches  in  griechischer  Sprache  gehalten  und  (mindestens 
ein  Theil)  nsQl  vXrig  (materia  medica)  betitelt  (Erotian.  Lex.  v.  XfiQiov). 
Sextius  Niger,  qui  graece  de  medicina  scripsit,  wird  von  Plinius  im  Quel- 
lenverzeichniss  zu  allen  Büchern  welche  vom  medicinischen  Gebrauche  der 
Pflanzen,  Thiere  und  Metalle  handeln  aufgeführt  und  XXXIT,  3,  13  diligeu- 
tissimus  medicinae  genannt.  Auch  Dioscorides  benützte  den  Sextius  stark. 
O.  Jahn,  Berichte  d.  sächs.  Ges.  d.  W.  1850,  S.  277  —  280. 

8.  Der  Sohn  (vgl.  A.  6)  setzte  des  Vaters  Werk  fort;  vgl.  Sen.  nat.  quaest. 
VI],  32,  2:  Sextioriim  nova  et  romani  roboris  secta  inter  initia  sua,  cum 
magno  impetu  coepisset,  extincta  est.  Ueber  L.  Crassitius  s.  oben  268,  2; 
über  Papirius  Fabianus  unten  Anm.  10  f.  Später  scripsit  non  parum  multa 
Cornelius  Celsus,  Sextios  secutus  (Quintil.  X,  1,  124).  Auch  Sotion  (Sen. 
Epist.  108,  17  ff.)  scheint  zu  den  Schülern  des  Sextius  gehört  zu  haben. 

9.  Quintil.  II,  14,  2:  haec  interpretatio  non  minus  dura  est  quam  illa 
Plauti  essentia  et  queentia.  Vgl.  III,  6,  23:  ovaluv^  quam  Plautus  essen- 
tiam  vocat.  VIII,  3,  33:  multa  ex  graeco  formata  nova,  ac  plurima  a  Sergio 
Flavo,  quorum  dura  quaedam  admodum  videntur,  ut  queens  et  essentia;  quac 
cur  tantopere  aspernemur  nihil  video.  Dagegen  Sen.  Ep.  58,  6  über  essentia: 
Ciceronem  auctorem  huius  verbi  habeo,  puto  locupletem.  si  recentiorem 
quaeris,  Fabianum,  disertum  et  elegantem,  orationis  etiam  ad  nostrum 
fastidium  nitidae.  Allerlei  willkürliche  Vermittlungsversuche  zwischen  den 
Quintilianstelleu  unter  sich  (nebst  X,  1,  124:  Plautus  in  Stoicis  renim 
cognitioni  utilis)  und  mit  der  des  Seneca  bei  HOfig,  de  Papir.  p.  2  — 17. 
Seneca  macht  wenig  Schwierigkeit,  da  er  nur  zwei  Stilisten  verschiedener 
Zeit  anführt  welche  gleichfalls  essentia  gebraucht  haben.  Bei  Quintilian 
könnte  Plauti  in  Flavi  verwandelt  werden,  wenn  es  zulässig  wäre  drei 
Stellen  nach  einer  zu  emendieren.  Doch  sagt  VIII,  3,  33  nicht  dass  Sergius 
Flavus  auch  ens  und  essentia  neugebildet  habe;  vielmehr  werden  diese 
Wörter  hier  in  Schutz  genommen  und  also  nicht  zu  den  dura  des  Sergius 
Flavus  gerechnet,  sondern  als  Beispiele  der  multa  ex  graeco  formata  auf- 
geführt. Ebenso  wenig  behaupten  die  beiden  andern  Stellen  daes  Plautus 
die  Wörter  zuerst  gebraucht  habe.  So  werden  drei  Schriftsteller  zu  unter- 
scheiden sein:  der  kühne  Wortbildner  Sergius  Flavus,  der  Stoiker  Plautus 
und  der  Anhänger  des  Sextius,  Papirius  Fabianus. 

10.  Papirius  Fabianus,  philosophus  genannt  bei  Sen.  suas.  1,9.  contr. 
II,  9,  25.  13,  18.  VII.  praef.  4.  Sen.  Ep.  40,  12:  Fabianus,  vir 'egregius 
et  vita  et  scientia  et  .  .  eloquentia  quoque.  de  brev.  -vitae  10 ,  1 :  Fabianus, 
non  ex  his  cathedrariis  philosophis,  sed  ex  veris  et  antiquis.  Beginn  mit 
Rhetorik.  Sen.  controv.  II.  praef.  1:  Fabianus  philosophus,  qui  adolescena 
admodum  tantae  opinionis  in  declaraando  quantae  postea  in  disputando  fuit. 


261  f.   Philosophie  (Fabianus)  und  Beredtsamkeit.  563 

exercebatur  apud  Arellium  Fuscum  etc.  ab  hac  (der  oratio  laaciva  des  Ar. 
F.)  cito  se  Fabianus  separavit  et  luxuriam  quidem  cum  voluit  abiecit,  ob- 
Bcuritatem  non  potuit  evadere;  haec  illum  in  philosophiam  persecuta  est. 
(2.)  deerat  Uli  (dem  Fab.)  Oratorium  robur  .  .;  splendor  vero  .  .  orationi 
aderat.  voltus  dicentis  lenis  et  pro  tranquillitate  morum  (vgl.  Sen.  £p.  11,4) 
remissus.  (4.)  cum  aliqnando  Sef  tium  audiret  (vgl.  A.  8)  luhilominiis  decla- 
mitabat.  .  .  (5.)  babuit  et  Blandnm  rhetorem  (oben  44,  1)  praeceptorem. 
.  .  apud  Blandum  diutius  quam  apud  Fuscum  Arellium  studuit,  sed  cum 
iam  transfagisset  (zur  Philosophie").  .  .  nee  ille  declamationibus  vacabat  et 
ego  tant.0  minorem  natu  quam  ipse  eram  (Fabianus  mag  also  J.  715  —  ^20 
geboren  sein,  vgl.  Sen.  controv.  11,  12,  12)  audiebam  quotiens  inciderat, 
non  quotiens  volueram.  Ausführliche  Probe  einer  Declamation  des  Fab.  ib. 
U,  9,  10—13;  andere  ib.  12,  3.  10 f.  13,  6 f.  14,  4.  Von  daher  auch  wohl 
seine  Gewohnheit  öffentlicher  Vorträge  (über  Philosophie);  vgl.  Sen.  Epist. 
52,  11:  disserebat  populo  Fabianus,  sed  audiebatur  modeste.  erumpebat 
interdum  magnus  clamor  laudantium,  sed  quem  rerum  maguitudo  (vgl.  Ep. 
100,  10)  evocayerat.  Ein  Zuhörer  YOn  ilim  war  Albucius  Silus  i,s.  unten 
263,  4)  und  der  Philosoph  Seneca  (Epist.  100,  3. '12). 

11.  Ueber  die  •  Schreibweise  des  Fabianus  s.  Sen.  Epist.  58,  6  (Anm.  9) 
und  besonders  Epist«  100,  wo  1:  Fabiani  Papirii  libros  qui  inscribuntur 
(artinm)  civilium  legisse  te  scribis  et  non  respoudisse  expectationi  tuae; 
deinde  oblitus  de  philosopho  agi  compositionem  eius  accusas ;  worauf  Seneca 
den  Fabianus  ausführlich  vertheidigt  und  charakterisiert  und  z.  B.  sagt  (9) 
dass  als  philosophische  Schriftsteller  (in  stilistischer  Hinsicht)  nur  Cicero 
(cuius  libri  ad  philosophiam  pertineutes  paene  totidem  sunt  quot  Fabiani, 
9),  AsiniuB  Pollio  und  T.  Livius  ihm  vorgehen.  Im  unterschiede  von  Cicero 
erstreckte  sich  aber  seine  Schrifbstellerei  hauptsächlich  auf  Naturgegen- 
stände;  Fabianus  causarum  naturalium  II  bei  Charis.  p.  106,  14  ff.  K.;  un- 
genauer causarom  libro  II  et  III  ib.  p.  146,  28;  causarum  tertio  bei  Diomed. 
I.  p.  375,  22  K.  Vgl.  noch  Val.  Prob.  p.  209,  21  und  Serg.  expl.  p.  642, 
16  E.  (gramm.  lat.  IV).  Fabianus  de  animalibus  primo  bei  Chaiis.  p.  105, 
14  f.  vgl.  p.  142,  14.  Vgl.  Plin.  n.  h.  IX,  8,  25.  Wie  Zoologie  so  scheint 
auch  die  Botanik  (Pharmakologie)  von  ihm  behandelt  zu  sein,  nach  den 
Anfahi-ungen  bei  Plinius  n.  h.  XII,  8.  XV,  2.  XVIII,  28,  277  (a  Fabiane 
graecisque  auctoribus).  XXIII,  30.  XXVUI,  14  (Aristoteles  et  Fabianus). 
Auf  viel  Kritik  deutet  aber  nicht  die  Angabe  ib.  XXXVI,  24:  inter  plu- 
rima  alia  Italiae  miracula  ipsa  marmora  in  lapicidinis  crescere  auctor  est 
Papirius  Fabianus,  naturae  rerum  peritissimus.  Anderes  ib.  II,  46.  105. 
Herm.  Gust.  Höfig,  de  Papirii  Fabiani  philosophi  vita  scriptisque,  Breslau 
(1852)  59  pp. 

262.  Die  Vertreter  der  augusteischen  Beredtsamkeit^25i 
soweit  sie  noch  in  der  Republik  wurzelt,  sind  Asinius  Pollio 
und  M.  Messala;  neben  ihnen  noch  Fumius,  Atratinus,  L.  Ar- 
runtius,  Q.  Haterius  (J.  690 — 779  d.  St.)  u.  A.  Die  jüngere  Ge- 
neration entspricht  mit  ihren  Fähigkeiten  meist  nur  dem  engen 
Räume  welchen  die  Monarchie   gelassen  hat-,  so  die  Söhne  des 

36* 


564  AuguBteifiche  Zeit.    J.  711—767  d.  St. 

Messala,  Messalinus  und  Cotta^  Fabius  Maximus  u.  A.  Bedeutender 
sind  T.  Labienus  und  Cassius  Severus,  welche  durch  ihren  Freimut 
in  Conflicte  geriethen,  Labienus  mittelst  eines  Geschichts Werkes. 
Der  wegen  seines  scharfen  Witzes  vielgehasste  und  gefürchtete 
Cassius  Severus  ist  noch  ein  eigentlicher  Redner  und  befasst 
sich  nur  ungern  niit  den  Schuldeclamationen^  verräth  aber  in 
der  Art  seiner  Beredtsamkeit  dennoch  seine  Verw^dtschaft  mit 
ihnen. 

1.  lieber  Asinius  Pollio  und  Messala  als  Redner  s.  oben  218,  4  und  9. 
Ueber  Fumius  oben  206 ,  9;  Sempronius  Atratinue  206,  10.  lieber  die  red- 
nerische Bildung  und  Beredtsamkeit  des  Augustus  s.  217,  2;  des  Maecenas 
217,  7,-  des  Agrippa  217,  11. 

2.  Der  Torquatus  welcher  Moschi  (unten  263,  12)  causam  (Hör.  Ep. 
1,6,9  etwa  aus  J.  735  d.  St.)  führte  und  an  welchem  Hör.  0.  IV,  7,  23  f. 
genus,  faeundia  und  pietas  rühmt  ist,  da  die  Erzählung  des  Sueton  ver- 
muten lässt  dass  die  Manlii  Torquati  in  den  Bürgerkriegen  ausgestorben 
waren,  wahrscheinlich  (s.  Weichert  de  Cass.  Parm.  p.  804-^314)  der  bei  Suet. 
Aug.  43  Genannte:  in  hoc  (Troiae)  ludicro  Nonium  Asprenatera  lapsu  de- 
bilitatnm  aureo  torque  donavit  passusque  est  ipsum  posterosque  Torquati 
ferre  cognomen.  Vgl.  ib.  56:  cum  Asprenas  Nonius  art^us  ei  (dem  Au- 
gustus) iunctus  causam  vcneficii  accusante  Cassio  Severe  diceret  etc.  Dann 
ist  dieser  wohl  auch  einer  der  zwei  Asprenates  von  deren  Declamationen 
der  Rhetor  Seneca  berichtet,  häufig  über  Publius,  z.  B.  suas.  7,  4.  contr.  1, 
1,  5.  2,  9  f.  8,  4—6  u.  12  f.  II,  10,  4.  VH,  23,  6.  X,  33,  25  (P.  Asprenates 
dixit),  einmal  auch  über  Lucius,  ib.  X,  praef.  2  (pertinere  non  ad  rem 
puto  quomodo  .  .  L.  Asprenates  aut  (juintilianus  senex  declamavcrit; 
transeo  istos  q'uorum  fama  cum  ipsis  extincta  est).  Ein  L.  Nonius  Asprenas 
war  (!o8.  759  d.  St.,  ein  Anderer  J.  782  =  29  n.  Chr.;  ein  P.  Nonius  As- 
prenas (Sohn  des  Schulredners?)  Cos.  791  =  38  unter  Caligula. 

3.  Ueber  L.  Arruntius  (A.  8)  s.  oben  254,  7. 

4.  Q.  Lucretius  Vespillo,  Cos.  735;  s.  W.  TeufFel  in  Pauly's  Real-Enc. 
IV.  S.  1198,  Nr.  23.  Grabrede  auf  seine  Gattin  Turia,  die  nach  41jähriger 
Ehe  um  746 — 752  gestorben  war,  ein  warmer  Erguss  des  Gefühls,  erhalten 
in  der  Inschrift  bei  Orelli  4859.  Th.  Mommsen,  Abhandl.  der  Berl.  Akad. 
1863,  S.  455  ff.  477  f. 

.  5.  Hieronym.  zu  Euseb.  ehr.  a.  Abr.  2040  =  Tib.  11  ==  777  d.  St.: 
Q.  Ilaterius  promptus  et  popularis  orator  usque  ad  XC  prope  annum 
cum  summo  honore  consenescit.  Tac.  A.  IV,  61:  fine  anni  (779  =  26  u. 
Chr.)  excessere  insignes  viri,  Asinius  Agrippa  .  .  et  Q.  Haterius,  familia 
senatoria,  eloquentiae  quoad  vixit  celebratae.  monimenta  ingeni  eins  haud 
perinde  retinentur.  scilicet  impetu  magis  quam  cura  vigebat.  .  .  Haterii 
canorum  illud  et  profluens  cum  ipso  simul  cxtinctum  est.  Seneca  Exe. 
cpntrov.  IV.  praef.  6—11  (p.  376—378  Bu.):  Q.  Haterium  scio  .  .  imbecillo 
animo  mortes  sex  filiorum  tulisse.  .  .  declamabat  Haterius  admisso  populo 
ex  tempore,     solus  omni  um  Romanorum  quos  modo  ipse  cognovi   in  lati- 


262.    Redner:  Haterius,  MeBsalinns  u.  a.  565 

nam  linguam  transtulerat  graecam  facultatem.  tanta  erat  illi  velocitas 
orationis  ut  vitium  fieret.  .  .  nee  verborum  illi  tantum  copia  sed  etiam 
rerum  erat.  >  .  quaedam  antiqua  et  a  Cicerone  dieta,  a  ceteris  deinde  de- 
serta  dicebat.  .  .  multa  erant  quae  reprehenderes,  multa  quae  suspiceres 
etc.  Sen.  Epist.  40,  10.  Proben  ans  seinen  Declamationen  sind  bei  dem 
alteren  Seneca  nicht  selten;  s.  p.  15.  27,  14  flF.  39,  4  ff.  97.  186.  193.  198. 
236.  272.  284.  286.  286.  287.  334  Bu.  Vgl.  noch  Tac.  A.  II,  33  (consularis). 
Suet.  Tib.  27.  29. 

6.  M.  Valerius  Corvinus  Messala  oder  Messalinos,  ältester  Sohn  des 
Redners,  Cos.  751;  s.  A.  Haakh  in  Pauly's  Ileal-Enc.  VI,  1.  S.  2366  f.  Nr.  100. 
Tac.  A.  III,  34:  Valerius  Messalinus,  cui  parens  Messala  ineratque  imago 
patemae  facundiae.  Vgl.  oben  225,  2,  A.  1  und  240,  4.  Zur  Feier  seiner 
Ernennung  zum  XV vir  sacr.  Tibull  II,  6  (vom  J.  735?  Lächmann  729  oder 
730).  Briefe  Ovids  an  ihn.  Trist.  IV,  4  (vgl.  oben  247,  16)  und  ex  Ponto 
I,  7.  II,  2.  Sein  jüngerer  Bruder  hiess  M.  Aurelius  Cotta  Maximus,  seit 
er  (nach  J.  762)  in  das  Geschlecht  seiner  Mutter,  die  gens  Aurelia,  adoptiert 
worden  war,  nahm  aber  nach  seines  Bruders  (kinderlosem?)  Tode  dessen 
Cognomen  Messalinus  an.  Politisch  wenig  thätig  und  mit  Servilismus  sich 
durchhelfend,  führte  Cotta  im  Uebrigen  ein  epikureisches  Leben  (egens  ob 
luxum,  per  flagitia  infamis,  Tac.  A.  VI,  7),  zu  welchem  neben  Genüssen 
der  Küche  (Plin.  n.  h.  X,  22)  auch  das  Versemachen  (oben  247,  16) 
und  Witzereissen  (Tac.  A.  VI,  5)  gehörte.  Mit  Ovid  war  er  näher  be- 
freundet; s.  ex  Ponto  I,  5.  II,  3.  8.  III,  2.  5,  auch  wohl  Trist.  IV,  5  (s.  bes. 
V.  29  ff.).  Eine  von  ihm  vor  dem  Centumviralgericht  gehaltene  Rede  welche, 
Ovid  in  Tbmi  las  ex  Pont.  III,  5,  7  ff .  (legimus,  o  iuvenis  patrii  non  de- 
gener oris,  dicta  tibi  pleno  verba  diserta  foro).  Ueber  ihn  s.  A.  Haakh  in 
Pauly's  Real-Enc.  VI,  2.  S.  2366,  Nr.  100.  W.  Henzen,  Annali  deir  inst. 
archeoL  XXXVII.  p.  5—17. 

7.  Paulus  Pabius  Maximus,  Cos.  743  d.  St.  An  ihn  Ovid.  ex  Ponto 
I,  2.  9.  III,  3.  8.  Ueber  ihn  ib.  IV,  6,  9  (Fabiae  laus,  Maxime,  gentis). 
I,  2,  69  (romanae  facundia,  Maxime,  linguae),  119  (doctae  dulcedine  lin- 
guae)  und  137  (tua  nonnumquam  .  .  scripta  legebas);  Horaz  0.  IV,  1,  9  ff . 
(pro  sollicitis  non  tacitus  reis  et  centum  puer  artium).  Quintil.  VI,  3,  52. 
Zweifelhaft  aber  ist  ob  er  der  Fabianus  Maximus,  nobilissimus  vir,  ist  qui 
primus  foro  romano  hunc  novitium  morbum  quo  nunc  laborat  intulit  (Sep. 
controv.  II,  12,  11.  p.  154,  14  ff.  Bu.).  A.  Haakh  in  Pauly's  Real-Enc.  VII,  2. 
S.  2919  f.   Nr.  67. 

8.  Tac.  A.  XI,  6  (aus  der  Zeit  des  Claudius,  J.  47  n.  Chr.):  memi- 
nissent  Gai  Asinii,  M.  Messalae  ac  recentiorum  Arruntii  (A.  3)  et  Aesernini: 
ad  summa  provectos  incorrupta  vita  et  facundia.  Aeserninus  ist  wohl 
der  Sohn  des  Cos.  732,  M.  Claudius  Marcellus  Aeserninus,  und  Enkel  des 
Asinius  Pollio  (Suet.  Aug.  43),  geboren  etwa  725  —  730,  von  seinem  Gross- 
vater  in  die  Beredtsamkeit  eingeleitet;  s.  Sen.  exe.  controv.  IV.  praef.  3  f. 
(p.  376  Bu.),  wo  z.  B.:  Marcellus,^  quamvis  puer,  iam  tantae  indolis  erat  ut 
Pollio  ad  illum  pertiuere  successionem  eloquentiae  suae  crederet.  Proben 
(meist  kurze)  aus  seinen  Declamationen  bei  Sen.  suas.  p.  13.  28:  30.  controv. 
p.  160.  185.  192.  200,  23—30.  p.  208 Bu.  Vgl.  noch  Tac.  A.  III,  1 1  u.  oben  254,  7. 


;")!)()  Augusteische  Zeit.   J.  711—767  d.  St. 

9.  Plinius  n.  h.  XXXIV,  18,  47:  duo  pocula  .  .  qaae  Cassio  Salano 
.  .  praeceptori  suo  Germanicas  Caesar  .  .  donaverat.  Diess  ist  der  Sala- 
nuB  an  welchen  Oyid.  ex  Pont.  II,  5  gerichtet  ist,  worin  ^r  doctissimus 
heisst  (▼.  15),  sein  eloquium  (40),  seine  facundia  (69)  gerühmt  wird,  auch 
(63 — 68)  auf  poetische  Arbeiten  von  ihm  hingewiesen,  und  seine  Stellung 
zu  Germanicus  (41—66)  erwähnt.  *• 

10.  Ueber  T.  Labienus  s.  besonders  den  älteren  Seueca  Contr.  X. 
praef.  4  ff.  p.  292 — 294  Bu.,  wo  z.  B.:  declamavit  non  quidem  populo,  sed 
egregie.  .  .  magnus  orator,  qui  multa  impedimenta  eluctatus  ad  famam 
ingeni  confitentibus  magis  hominibus  pervenerat  quam  volentibus.  summa 
egestas  erat,  summa  infamia,  summum  odium.  .  .  color  orationis  antiquae, 
vigor  novae,  cultus  inter  nostrum  ac  prius  saeculum  medius.  libertas  tanta 
ut  libertatifl  nomen  excederet  et,  quia  passim  ordines  hominesqne  laniabat, 
rabies  Tocaretur.  .  .  in  hoc  primum  excogitata  est  nova  poena:  effectum 
est  enim  per  inimicos  eins  ut  omnes  eins  libri  (ex  senatus  consulto)  com- 
burerentur.  .  .  non  tulit  hanc  Labienus  contumeliam  nee  superstes  esse 
ingenio  suo  voluit,  sed  in  monumenta  se  maiorum  suorum  ferri  iussit  atque 
ita  includi  (um  765  d.  St.?).  .  .  memini  aliquando,  cum  recitaret  histo- 
riam,  magnam  partem  illum  libri  convolvisse  et  dixisse:  haec  quae  transeo 
post  mortem  meam  legentur.  Suet.  Calig.  16:  Titi  Labieni,  Cordi  Cremuti, 
Caesi  Severi  scripta,  senatus  consultis  aboLita,  requiri  et  esse  in  manibus 
lectitarique  permisit.  Sen.  controv.  p.  375,  17:  homo  mentis  quam  linguae 
amarioris.  Proben  aus  seinen  Declamationen  ib.  p.  310,  21.  812,  21.  315,  8. 
822,  22  ff.  325,  4  ff.  In  dem  Processe  um  die  Hinterlassenschaft  der  Ürbinia 
stand  Labienus  als  Sachwalter  des  Figulus  dem  Asinius  Pollio  gegenüber; 
vgl.  Quintil.  I,  5,  8.  IV,  1,  11.  EX,  3,  13.  Charis.  p.  77,  14.  376,  8  K.  Auf 
eine  Rede  des  Lab.  gegen  Bathyllus  deutet  Sen.  contr.  X.  praef.  8.  Vgl. 
Weichert  de  L.  Vario  p.  319—324. 

11.  Tac.  A.  I,  72:  primus  Augustus  cognitionem  de  famosis  libellis 
.  .  tractavit,  commotus  Cassii  Severi  libidine,  qua  viros  feminasque  in- 
lustres  procacibus  scriptis  diffamaverat.  Der  Unwille  des  adeligen  Ge- 
schichtschreibers über  diese  Vermessenheit  fühlt  sich  durch  ib.  IV,  21: 
relatum  de  Cassio  Severo  exule,  qui  sordidae  originis,  maleiicae  vitae,  sed 
orandi  validus,  per  immodicas  inimicitias  ut  .  .  Cretam  amoveretur  effe- 
cerat;  atque  illic  eadem  actitando  recentia  veteraque  odia  advertit,  bonisque 
exutus  .  .  saxo  Seripho  consenuit.  Hieronym.  ad  a.  Abr.  2048  «=  Tib.  19 
3B  785  d.  St.:  Cassius  Severus,  orator  egregius,  qui  Quintianum  illud  pro- 
verbium  Inserat,  XXV  exilii  sui  anno  in  summa  inopia  moritur  yix  panno 
verenda  contectus.  Er  mag  also  um  710  d.  St.  geboren  sein;  schon  desshalb 
kann  Hör.  Epo.  6  sich  nicht  auf  ihn  beziehen;  s.  W.  Teuffei,  Ztschr.  f.  d. 
Alt.  Wiss.  1845,  S.  596 — 598.  Charakteristik  desselben  bei  Sen.  Exe.  con- 
trov. III.  praef.  (p.  359  ff.  Bu.):  oratio  eins  erat  valens  cultu,  ingentibus 
plena  sententiis.  .  .  non  est  quod  illum  ex  his  quae  edidii  aestimetis;  .  . 
eloquentia  eins  longe  maior  erat  quam  lectio.  .  .  corporis  magnitndo  con- 
spicua  (vgl.  Plin.  n.  h.  VII,  55:  Cassio  Severo  celebri  oratori  Armentarii 
mirmillonis  obiecta  similitudo  est),  suavitas  valentissimae  vocis.  .  .  gra- 
vitas,  quae  deerat  vitae,  actioni  supererat.  .  .  uno  die  privatas  plures 
agebat,  .  .  publieam  vero  numquam  amplins  quam  unam  uno  die.    nee  tarnen 


262  f.   Redner  und  Rhetorcn:  Labienas,  Cassius  Severus  u.  a.      567 

scio  quem  remn  illi  defendere  nisi  se  (gegen  die  Anklage  dee  Fabianus 
Mazimus,  ib.  p.  154,  16)  contigerit.  .  .  omnia  habebat  quae  iUum  ut  bene 
declamaret  instruerent:  phrasin  .  .  lectam,  genas  dicendi  .  .  ardens  et  con- 
citatom,  .  .  explicationes  plus  sensuum  quam  verborum  haben tes.  .  .  tamen 
non  tantum  infra  se  cum  declamaret,  sed  infra  multos  erat,  itaque  raro 
declamabat  et  non  nisi  ab  amicis  coactus.  Er  selbst  erklärt  diess  ib.  12 
damit  dass  er  nur  das  causas  agere,  in  foro  dicere,  nicht  aber  dieses 
zwecklose /Thun  mit  Ernst  behandeln  könne.  Vgl.  suasor.  6,  11.  Proben 
seines  Witzes  bei  Sen.  controv.  II,  12,  11.  IV.  praef.  11.  IX,  26,  14.  X.  praef.  8. 
34,  20.  Quintil.  VI,  3,  27  vgl.  78  f.  1,  43.  VIII,  2,  2.  3,  89.  XI,  3,  183. 
Suet.  gramm.  22.  Proben  seiner  Declamationen  bei  Sen.  controv.  VII,  18, 
10.  IX,  25,  12  und  besonders  X,  33,  2  (p.  316  f.).  Letztere  bestätigt  mit 
ihrer  Masslosigkeit  der  Ausmalung  in  der  Hauptsache  das  Urteil  bei  Tac. 
dial.  19:  antiquorum  admiratores  .  .  Cassium  Severum  .  .  primum  affirmant 
flexisse  ab  ista  vetere  atque  directa  dicendi  via,  und  ib.  26:  equidem  non 
negaverim  Cassium  Severum,  .  .  si  iis  comparetur  qui  postea  fuerunt,  posse 
oratorem  vocari,  quamquam  in  magna  parte  librorum  suorum  plus  viri 
habet  quam  sanguinis;  primus  enim  contempto  ordine  rerum,  omissa  mo- 
destia  ac  pudore  verborum  .  .  non  pugnat,  sed  rixatur.  ceterum  .  .  et 
varietate  eruditionis  et  lepore  urbanitatis  et  ipsarum  virium  robore  multum 
ceteros  superat.  .(JuintiL  X,  1*  116:  multa,  si  cum  iudicio  legatur,  dabit 
imitatione  digna  Cassius  Severus,  qui,  si  ceteris  virtutibus  colorem  et  gra- 
vitatem  orationis  adiecisset,  ponendus  inter  praecipuos  foret.  (117.)  nam 
et  ingenii  plurimum  est  in  eo  et  acerbitas  mira  et  urbanitas  et  fervor;  sed 
plus  stomacho  quam  consilio  dedit.  Er  belangte  (J.  745  nach  Dio  LV,  4)  den 
Freund  des  Augustus,  Nonius  Asprenas  (s.  A.  2),  wegen  Giftmords,  wobei  ihm 
Asinius  PoUio  als  Vertheidiger  gegenüberstand  (Quintil.  X,  1,  22).  An- 
führung aus  einer  Rede  von  ihm  bei  Diomed.  I.  p.  371,  19  E.  Cassius 
Severus  ad  Maecenatem  (Brief?)  bei  Charis.  I.  p.  104,  11 K.  ==  Priscian.  VII,  56. 
p.333, 11  H.;  Cassius  adTiberium  secundo  bei  Diomed.  I.  p.  373,  20  =»  Priscian. 
IX,  53.  p.  489,  3  H.  Vgl.  noch  Hertz  zu  Priscian.  VIII,  15.  p.  380,  1.  Dass 
er  aus  Longula  gebürtig  gewesen  sei  ist  weggefallen  seitdem  im  Quellen- 
verzeichniss  zu  Plin.  n.  h.  XXXV  aus  guten  Gründen  interpungiert  wird: 
ex  .  .  Cassio  Severo,  Longulano.  Dieser  Longulanus  selbst  aber  ist  uns  so 
unbekannt  wie  der  ib.  gleich  darauf  genannte  Fabius  Vestalis  qui  de  pictura 
scripsit,  der  im  Verzeichniss  auch  zu  B.  VII  u.  XXXVI  aufgeführt  wird. 

12.  Varius  Geminus,  sublimis  orator  (L.  Seneca  bei  Hieronym.  adv. 
lovin.  I),  apud  Caesarem  dixit:  Caesar,  qui  apud  te  audent  dicere  magni- 
tudinem   tuam  ignorant,    qui   non  audent,   humanitatem  (Sen.  exe.  contr. 

VI,  8,  6).    Proben  seiner  Declamationen  bei  Sen.  suas.  6,  11  — 14.   contr. 

VII,  16,  18  f.  u.  23.   19,  5.   21,  10  u.   15—17.   22,  11. 

263.    Unter    den    Rhetoren    der   augusteischen   Zeit    sind252 
innerhalb    der   älteren  Generation    die   namhaftesten  der  Lands- 
mann und  Jugendfreund  des  älteren  Seneca,  M.  Porcius  Latro; 
Arellius  Fuscus,  welcher  der  in  seiner  Heimat  Asien  herrschen- 
den Geschmacksrichtung  huldigte;  C.  Albucius  Silus  aus  NoTara; 


5G8  Augusteische  Zeit.   J.  7 1 1 — 767  d,  St. 

der  ältere  Passienus;  der  eitle  Cestius  Pius  aus  Smyma;  L.  lu- 
nius  Gallio,  gleichfalls  ein  Freund  des  älteren  Seneca.  Aus  der 
jüngeren  Generation  gehören  zu  den  verhältnissmässig  bedeutend- 
sten  der  philosophisch  angeregte  Papirius  Fabianus  und  Alfius 
Flavus,  der  auch  Verse  machte.  Eine  grosse  Schaar  anderer 
Schulredner  kennen  wir  durch  den  älteren  Seneca. 

1.  Sen.  controy.  X.  priief.  13:  primum  tetradeum  quod  faciam  quae- 
litis?  Latronis,  Fusci,  Albuci,  Gallionis.  Als  Beweis  des  herrschenden 
Ungeschmackes  wird  ib.  IIL  praef.  14  angeführt:  et  Polliqnem  Asinium  et 
Messalam  Corvinum  et  Passiennm  .  .  minus  bene  videri  quam  Cestium  aut 
Latronem.  Im  Allgemeinen  vgl.  Andr.  Schott,  de  claris  apud  Senecam 
rhetoribus,   an  der  Pariser  Ausg.  des  Seneca  von  1607  und  1613. 

2.  Hieronym.  chron.  a.  Abr.  2013  =»  Aug.  40  =»  751  d.  St.:  M.  Por- 
cius  Latro  (vgl.  Suet.  ind.  rhet.  p.  99  Bffsch.)  latinus  declamator  taedio 
duplicis  quartanae  semet  ipsum  interficit.  Charakteristik  desselben  bei 
Sen.  controv.  I.  praef.  13—18.  20—24,  z.  B.:  Latronis  Porcii,  carissimi  mihi 
sodalis,  memoriam  .  .  et  a  prima  pueritia  usque  ad  siltimum  eins  diem 
perductam  familiärem  amicitiam.     .  .   nihil  illo  viro  gravius,    nihil  suavius 

.  nemo  plus  ingenio  suo  imperavit,  nemo  plus  indulsit.  in  utraque  parte 
vehementi  viro  modus  deerat.  .  .  (16.)  corpus  illi  erat  natura  solidnm  et 
multa  exercitatione  duratum.  .  .  vox  robusta,  sed  sordida  lucubrationibus 
et  neglegentia  .  .  infuscata.  .  .  nulla  umquam  illi  cura  vdcis  exercendae 
fuit:  illum  fortem  et  agrestem  et  hispanae  consuetudinis  morem  non  poterat 
dediscere.  (17.)  .  .  memoria  et  natura  quidem  felix,  plurimum  tamen  arte 
adiuta.  (20.)  .  .  cum  in  illo,  si  qua  alia  virtus  fuit,  et  subtilitas  fuerit. 
.  .  (22.)  cum  condiscipuli  essemus  (zu  Rom)  apud  Marillum  rhetorem,  ho- 
ininem  satis  aridum.  .  .  (24.)  controversia  .  .  quam  primam  Latronem 
meum  declamasse  memini  admodum  iuvenem  in  Marilli  schola.  IX.  praef.  3 : 
Latronem  Porcium,  declamatoriae  virtutis  unicum  exemplum,  cum  pro  reo 
in  Hispania  Rustico  Porcio  propinquo  suo  diceret  etc.  =»  Quintil.  X,  5,  18 
(P.  L.,  qui  primus  clari  nominis  professor  fuit).  X.  praef.  15:  Latro  num- 
quam  solebat  disputare  in  convivio  aut  alio  quam  quo  declamare  poterat 
tempore.  .  .  uegabat  itaque  ulli  se  placere  posse  nisi  totum  nossent  se 
et  suas  vires.  Zahllose  Proben  aus  seinen  Declamationen  bei  dem  älteren 
Seneca  (z.  B.  contr.  VII,  16,  16  ff.),  die  ihn  als  einen  verhältnissmässig  na- 
türlichen und  einfachen  Schulredner  erscheinen  lassen.  Vgl.  Lindner  p.  25 
— 44.  Messala  fand  seine  Sprache  nicht  rein  römisch  (Sen.  controv.  II, 
12,  8).  Aus  einer  declamatio  de  raptore  (Sen.  contr.  II,  11)  des  Latro  eine 
Stelle  bei  Quintil.  IX,  2,  91.  Anhänglichkeit  seiner  Schüler  an  ihn;  s.  Sen. 
controv.  IX.  praef.  23:  nee  ulli  alii  contigisse  scio  quam  apud  Graecos  Ni- 
cüti,  apud  Romanos  Latroni  ut  discipuli  non  audiri  desiderarent,  sed  con- 
tenti  essent  audire.  Tranken  sie  doch  sogar  cuminum  silvestre  um  blass 
auszusehen  wie  ihr  Meister  (Plin.  n.  h.  XX,  160).  Unter  diesen  Schülern 
war  Ovid  (oben  242,  1),  Florus  (Sen.  controv.  IX.  praef.  23  f.),  Fulvius 
Sparsus  (A.  10)  und  Abronius  Silo  (oben  247, 14).  G.  Lindner,  de  M.  Porcio 
Latrone  commentatig,  Breslau  1855.  52  pp.  Diss. 


263.    Latro,  Arellius  Fuscus,  Albucius  Silus.  569 

3.  Sen.  controv.  IX,  29,  16:  FuscuB  Arellius  cum  esset  ex  Asia  etc. 
schloBs  sich  am  nächsten  an  seine 'Landsleute  Addaios  (ib.  IX^  24,  12  f.)  und 
Hybreas  (ib.  IX,  29,  16)  an.  Suas.  4,  5:  quia  soletis  mihi  molesti  esse  de 
Fusco,  quid  fuerit,  quare  nemo  videretur  dixisse  cultius,  ingeram  vobis 
Fuscinas  explicationes.  dicebat  autem  suasorias  libentissime,  et  frequentius 
graecas  quam  latinaa.  Eine  Charakteristik  seiner  Weise  gibt  der  ältere 
Seneca  wiederholt;  so  suas.  2,  10:  ut  sciretis  quam  nitide  Fuscus  dixisset 
vel  quam  licenter.  .  .  nihil  fuisse  me  iuvene  (also  war  Fuscus  wohl  etwas 
älter  als  Seneca)  tarn  notum  quam  has  explicationes  Fusci  etc.  Tgl.  ib.  3,  7: 
descriptionibus  Fusci  vos  satiem?  Controv.  II.  praef.  1:  erat  explicatio 
Fusci  Arelli  splendida  quidem  sed  operosa  et  implicata,  cultus  nimis  ad- 
quisitus,  compositio  verbofum  mollior  .  .;  summa  inaequalitas  orationis, 
quae  modo  exilis  erat,  modo  nimia  licentia  vaga  et  efFusa;  principia,  argu- 
menta, narrationes  aride  dicebantur;  in  descriptionibus  extra  legem  Omni- 
bus verbis,  dummodo  niterent,  permissa  libertas;  nihil  acre,  nihil  soli- 
dum,  nihil  horridum;  splendida  oratio  et  magis  lasciva  quam  laeta.  Dazu 
suas.  3,  5:  solebat  Fuscus  ex  Vergilio  inulta  trahere,  ut  Maecenati  impu- 
taret;  vgl.  ib.  4,  5.  Der  ältere  Seneca  gibt  in  seinem  Werke  sehr  zahl- 
reiche Proben  der  Beredtsamkeit  des  Fuscus,  die  längsten  suas.  2,  1  ff. 
controv.  II,  9,  4—8.  VII,  21,  7  f.  Vgl.  Lindner  p.  11—23,  wo  p.  22:  sanam 
sectabatur  eloquentiam.  sanos  plerumque  habet  colores,  sanas  eententiaa, 
splendidam  descriptionem  et  copiosam,  quamvis  interdum  nimis  cultam  et 
luxuriosam;  figuras  pluiplmas  quidem  nee  vero  inepte  cumulatas.  oratio 
argent«ae  est  aetatis.  .  .  divisio  denique  .  .  apud  Fuscum  arida  depre- 
henditur.  Dass  Seneca  ihn  in  einem  Theile  der  Stellen  Arellius  Fuscus 
(oder  Fuscus  Arellius)  pater  nennt  beweist  nur  dass  er,  gerade  wie  Clodius 
Turrinus  (Sen.  contr.  X.  praef.  14  ff.),  zur  Zeit  da  Seneca  schrieb  einen 
erwachsenen  Sohn  hatte  welcher  sich  vielleicht  gleichfalls  der  Rhetorik 
widmete,  ohne  dass  desshalb  die  Stellen  wo  pater  fehlt  und  blos  Arellius 
Fuscus  oder  Fuscus  Arellius  gesetzt  ist  (niemals  mit  dem  Beisatze  filius) 
auf  den  Sohn  zu  beziehen  wären.  Dass  vielmehr  alle  Stellen  des  Seneca 
nur  auf  den  berühmten  Rhetor,  den  Vater,  zu  beziehen  sind  zeigen  die 
vielen  Fälle  wo  innerhalb  des  gleichen  Beispieles  pater  bald  gesetzt  bald 
weggelassen  ist;  s.  W.  Teuffei  in  Pauly's  Real-Enc.  I,  2.  S.  1496,  Nr.  6. 
Lindner  p.  4—6.  Unter  seinen  Schülern  war  Ovid  (oben  242,  1)  und  Papi- 
rius  Fabianus  (oben  261, 10  f.).  Keinenfalls  von  ihm,  vielleicht  aber  von  seinem 
Sohne,  sagt  Plin.  n.  h.  XXXIII,  64:  vidimus  et  ipsi  Arellium  Fuscum  (mo- 
tum  equestri  ordine  ob  insignem  calumniam,  cum  celebritate  assectarentur 
adolescentium  scholae)  ex  argento  anulos  habentem.  F.  G.  Lindner,  de 
Arellio  Fusco  commentatio,  Breslau  1862.  4. 

4.  Suet.  rhet.  6  (=  gramm.  30):  C.  Albucius  Silus  Novariensis 
cmn  aedilitate  in  patria  fnngeretur  .  .  contendit  .  .  inde  Romam,  receptus- 
que  in  Planci  oratoris  (oben  206,  8)  contubernium  .  .  ex  eo  clarus  propria 
auditoria  instituit,  solitus  declamare  genere'  vario:  modo  splendide  atqne 
adornate,  tum  .  .  circumcise  ac  sordide  et  tantum  non  trivialibus  verbis. 
egit  et  causas,  verum  rarius,  dum  amplissimam  quamque  sectatur  nee  alium 
in  ulla  locum  quam  perorandi.  postea  renuntiavit  foro,  ^partim  pudore 
partim  motu  (namentlich  seitdem  ihm  vor  dem  Centumviralgericht  L.  Ar- 


570  Augusteische  Zeit.    J.  711-767  d.  St. 

runtius  den  Unterschied  zwischen  Redefiguren  und  Bechtsausführungen  zu 
fühlen  gegeben  hatte,  Sen.  controv.  VII.  praef.  7.  Suet.  1.  1.  Quintil.  IX, 
2,  95).  et  rursuB  in  cognitione  caedis  Mediolani  apad  L.  Pisonem  procon- 
Bulem  (Cos.  739  d.  St.)  defendens  reum  .  .  paene  poenas  luit.  iam  autem 
senior  ob  yitium  vomicae  Novariam  rediit  convocataque  plebe  cauBis  pro- 
pter  quas  mori  destinasset  diu  ac  more  contionantis  redditis  abstinuit 
eibo.  Hieronym.  ad  a.  Abr.  2011  »  Aug.  38  »  749  d.  St.:  Albucius  Silo 
Noyariensis  clarus  rhetor  agnoscitur.  Allem  nach  war  er  ein  Altersgenosse 
des  altem  Seneca  (Lindner  p.  7  f.).  Quintil.  II,  15,  36:  Albucius,  non  ob- 
scuruB  Professor  atque  auctor,  nach  welchei^  Stelle  er  auch  über  Theorie 
der  Beredtsamkeit  geschrieben  hatte.  Vgl.  ib.  III,  3,  4.  6,  62.  Ps.  Vergil. 
Catal.  7,  3  f.:  tos,  Sile  Albuci  Arquitique  Varroque,  scholasticorum  natio 
madens  pingui.  Charakteristik  seiner  R-edeweise  bei  Sen.  controv.  VII. 
praef.,  worin  z.  B.:  (1.)  instatis  mihi  quotidie  de  Albucio.  non  ultra  vos 
differam,  quamvis  non  audierim  frequenter,  cum  p^  totum  annum  quin- 
quiena  sexiensve  populo  diceret  (d.  h.  öffentlich  declamierte).  .  .  alius  erat 
cum  turbae  se  committebat,  alius  cum  paucitate  contentus  erat.  .  .  illa 
intempestiva  in  declamationibus  eins  philosophia  sine  modo  tunc  .  .  eva- 
gabatur.  cum  populo  diceret  omnes  vires  suas  advocabat  et  ideo  non  de- 
sinebat.  .  .  argumentabatur  moleste  magis  quam  subtiliter.  .  .  (2.)  .  . 
Bplendor  orationis  quantus  nescio  an  in  nuUo  alio  fiierit.  .  .  dicebat  citato 
et  effuBO  cursu,  sed  praeparatus.  .  .  sententiae  .  .  simplices,  apertae.  .  . 
(3.)  .  .  non  posses  de  inopia  sermonis  latini  queri  cum  illum  audires:  tan- 
tum  orationis  cultae  fluebat.  .  .  (4.)  timebat  ne  scholasticus  videretar. 
.  .  quem  proxime  dicentem  commode  audierat  imitari  volebat.  memini 
illum  .  .  apud  Fabianum  philosophum  tanto  iuveniorem  quam  ipse  erat 
cum  codicibuB  sedere;  (5.)  memini  admiratione  Hermagorae  stupentem  ad 
imitationem  eins  ardescere.  nulla  fiducia  ingenii  sui  et  ideo  adsidua  mu- 
tatio.  .  .  (6.)  raro  Albucio  respondebat  fortuna,  semper  opinio.  .  .  (7.) 
erat  homo  summae  probitatis,  qui  nee  facere  iniuriam  nee  pati  sciret. 
Vgl.  noch  ib.  I,  4,  14  (Albucius,  qui  Graecos  praeminet).  Zahlreiche  Pro- 
ben seiner  Declamationen  bei  Seneca  d.  a.,  z.  B.  controv.  VII,  16,  1 — 3. 
IX,  25,  6—8.  F.  G.  Lindner,  de  Gaio  Albucio  Silo  commentatio ,  ^Breslau 
1861.  18  pp.  4. 

5.  Hieronym.  ad  a.  Abr.  2008  ^  Aug.  35  =»  746  d.  St:  Passienus 
pater,  declamator  insignis,  diem  obit.  Seneca  controv.  II,  13,  17:  Pasaie- 
nus,  vir  eloquentissimus  et  temporis  sui  primus  orator.  Exe.  contr.  III. 
praef.  14:  Passienum,  qui  nunc  primo  loco  stat.  X.  praef.  11:  Passieno 
.  .  declamatori  subtili,  sed  arido.  III.  praef.  10:  PassienuB  noster  (Cassius 
Severus  spricht)  cum  coepit  dicere,  secundum  principium  statim  fiiga  fit, 
ad  epilogum  omnes  revertimur,  media  tantum  quibus  necesse  est  audiunt. 
Von  AugustuB  geschätzt  (tantus  vir),  ib.  X,  34,  21.  Vgl.  noch  ib.  VII,  16, 
20.  Sein  Sohn  ist  Passienus  Crispus  bis  consul  (iterum  J.  44  n.  Chr.), 
orator,  Agrippinae  matrimonio  et  Nerone  privigno  clarior  postea  (Plin.  n. 
h.  XVI,  242).  Vgl.  Schol.  luv.  IV,  81  (soweit  er  dort  nicht  mit  -Vibius 
Crispus  —  unten  291,  2  —  verwechselt  wird):  plurimas  sponte  causas  apud 
centumviros  egit.  .  .  consulatus  duos  gessit.  uxores  habuit  duas,  primam 
Domitiam,  deinde  Agrippinam.    .  .  onmium  priucipum  gratiam  adpetivit,  sed 


263.    PassienuB,  Cestius  Pias,  Gallio  u.  a.  571 

praecipue  C.  CaeBaris.  .  .  periit  per  fraadem  Agrippinae  etc.  Tac.  A.  VI, 
20  (scitum  PaBsieDi  oratoris  dictnm).  Quintil.  VI,  1,  50.  X,  1,  24  (pobis 
paeria  insigneB  pro  Yoluseno  Catulo  Domitii  Afri,  Crispi  PasBieni,  D.  Laelii 
orationes  ferebantur).  An  ihn  gerichtet  ist  das  Epigramm  (des  Seneca?) 
bei  Biese,  Anthol.  lat.  406  (p.  264),  worin  v.  2:  Crispe,  vel  antiquo  con- 
spiciende  foro.  v.  8  f. :  cuius  cecropio  pectora  melle  madent,  mazima  fa- 
cundo  vel  avo  vel  gloria  patri.     Vgl.  ib.  445  (p.  281). 

6.  L.  Cestius  Pius  (Suet.  ind.  rhett.,  p.  99  Rffsch.)  Smyrnaeus  rhetor 
latine  Bomae  docuit,  Hieronym.  ad  a.  Abr.  2004  =»  Aug.  31  »»  742  d.  St. 
Sen.  suas.  7,  13:  erat  Cestius  nullius  quidem  ingenü,  Ciceroni  etiam  in- 
festus,  quod  illi  non  inpune  cessit.  nam  cum  M.  Tullius  filius  Ciceronis 
Asiam  obtineret  (J.  725)  .  .  servus  .  .  interroganti  domino  quis  ille  voca- 
retur  qui  in  imo  recumberet  ait:  hie  est  Cestius  qui  patrem  tuum  negabat 
litteras  scisse;  adferri  protinus  flagra  iussit  et  Ciceroni  .  .  de  corio  Cestii 
satisfecit.  Exe.  controv.  III.  praef.  15:  pueri  fere  aut  iuvenes  scholas  fre- 
quentant;  hi  non  tantum  disertissimis  viris  (der  Gegenwart)  Cestium  suum 
praeferunt  sed  etiam  Ciceroni  praeferrent  ni  lapides  timerent.  .  .  huius 
declamationes  ediscunt,  illius  orationes  non  legunt  nisi  eas  quibus  Cestius 
rescripsit.  (16.)  memini  (sagt  Cassius  Severus)  me  intrare  scholam  eins  cum 
recitaturus  esset  in  Milonem  Cestius  (vgl.  Quintil.  X,  6,  20:  rescribere  veteri- 
bns  orationibus,  ut  fecit  Cestius  contra  Ciceronis  actionem  habitam  pro  Mi- 
lone).  .  .  Cestius  Ciceroni  responsurus  mihi  quod  responderet  non  invenit. 
.  .  (17.)  deinde  libuit  {mihi)  Ciceroni  de  Cestio  in  foro  satisfacere.  .  .  dixi 
molestnm  me  amplins  non  futurum  si  iurasset  disertiorem  esse  Ciceronem 
quam  se.  nee  hoc  ut  faceret  vel  ioco  vel  serio  effici  potuit.  Contr.  VII. 
praef.  8:  Cestii,  mordacissimi  hominis.  16,  27:  Cestium  latinorum  verborum 
inopia  hominem  graecum  laborasse,  sensibos  abnndasse.  Proben  ans  seinen 
Declamationen  zahlreich  bei  Seneca.  Schüler  von  ihm  Surdinus  (oben  15,  3), 
Aietius  Pastor  (Sen.  contr.  I,  3,  11),  Quintilius  Varus  (Sohn  des  durch  seine 
Niederlage  Berühmten  und  Schwiegersohn  des  Germanicus,  ib.  I,,3,  10), 
und  besonders  Argentarius,  s.  Sen.  contr.  IX,  26,  12  (p.  265  Bu.):  Cestius 
.  .  quid  putatis,  aiebat,  Argentarium  esse?  Cesti  simius  est.  .  .  fuerat 
enim  Argentarius  Cesti  auditor  et  erat  imitator.  aiebat  invicem:  quid  pu- 
tatis esse  CcBtium  nisi  Cesti  cinerem?  (13.)  omnibus  autem  insistebat  (Arg.) 
Cesti  vestigiis:  aeque  ex  tempore  dicebat,  aeque  contumeliose  multa  inter- 
ponebat;  illud  tamen  optima  fide  praestitit,  cum  uterque  Graecus  esset,  ut. 
numquam  graece  declamaret.  Vgl.  W.  Teuffei  in  Pauly's  Real-Enc.  I,  2. 
S.  1618,  Nr.  1.    F.  G.  Lindner,  de  L.  Gestio  Pio,  Züllichau  1858.  17  pp.  4. 

7.  (L.)  lunius  Gällio,  Freund  des  altern  Seneca  (Gallio  noster,  Sen. 
p.  21,  15.  130,  2.  160,  11.  162,  2.  181,  10.  359,  15  Bu.),  sowie  des  Ovid 
(Nasoni  suo,  ib.  p.  21,  30)  und  daher  wohl  der  Gallio  welchen  Ovid  ex 
Pont.  IV,  11  über  den  Tod  seiner  Gattin  tröstet.  Gleichaltrig  scheint  er 
mehr  dem  Ovid  als  dem  Vater  Seneca  gewesen  zu  sein;  s.  Sen.  contr.  VIl. 
praef.  5  f.  Verfasser  einer  rhetorischen  Schrift  (Quintil.  III,  1,  21:  pater 
Gallio)  und  von  Declamationen  (ib.  IX,  2,  91:  remissius  et  pro  suo  ingenio 
pater  Gallio;  vgl.  Tac.  dial.  26:  tinnitus  Gallionis),  die  noch  in  der  Zeit 
des  Hieronymus  vorhanden  waren  (comm.  in  Esaiam,  praef.:  qui  .  .  con- 


572  Augusteische  Zeit.  J.  711—767  d.  St. 

cinnaB  declamationes  desiderant  legant  Tallium,  Quintilianum ,  Gallionem, 
Gabinianum).  Proben  daraus,  welche  auf  relative  Nüchternheit  schliessen 
lassen  (s.  B.  Schmidt  p.  22  —  24),  bei  Seneca  häufig;  l&ngere  suas.  5,  8. 
contr.  I,  1,  4  u.  14.  2,  11  f.  7,  12.  8,  9.  II,  11,  6  f.  u.  14.  VII,  16,  12  f.  22, 
3—5.  23,  4.  24,  8  u.  10.  IX,  26,  2  f.  u.  6.  27,  12  f.  28,  1.  7  f.  11.  21.  X,  31, 
1—3.  34,  13 — 17.  Vgl.  noch  X.  praef.  8:  monstrabo  bellum  vobis  libellum, 
quem  a  Qallione  vestro  petatis.  recitayit  rescriptum  Labieno  pro  Bathyllo 
Maecenatis.  Tac.  A.VI,  3.  Dio  LX,  36.  LXII,  25.  B.  Schmidt,  de  L.  lunio 
Gallione  rhetore,  Marburg  1866.  33  pp.  8.  Er  adoptierte  den  ältesten  Sohn 
seines  Freundes  Seneca,  M.  Annaeus  Novatus,  welcher  seitdem  L.  lunius 
Gallio  (Dio  LX,  85)  hiess.  Letzterer  wurde  unter  Claudius  Consul  und  ver- 
waltete dann  (J.  52  n.  Chr.)  Achaja.  Stat  Silv.  II,  7,  32  nennt  ihn  dulcis. 
Sein  Bruder  Seneca  hat  an  ihn  (als  Novatus)  seine  Abhandlungen  de  ira 
und  (ad  Gallionem)  de  vita  beata  gerichtet.  Er  überlebte  nach  Tac.  A. 
XV,  73  den  Tod  von  Seneca  (f  65),  sah  sich  aber  bald  genöthigt  ihm 
nachzufolgen;  s.  Hieron.  a.  Abr.  2080  =  Ner.  10  =-  64  n.  Chr.  (statt  65): 
lunius  Gallio,  frater  Senecae,  egregius  declamator  (möglicher  Weise  Ver- 
wechslung mit  seinem  Adoptivvater),  propria  se  manu  interficit.  W.  Teuffei 
in  Pauly's  Real-Enc.  I,  1.   S.  1015,  Nr.  13  a. 

8.  lunius  Otho  pater  .  .  edidit  quattuor  libros  colorum,  quos  belle  Gal- 
lio noster  Antiphontis  libros  vocabat:  tantum  in  illis  somniorum  est,  Sen. 
contr.  II,  9,  33.  Vgl.  I,  3,  11:  Othonem  lunium  patrem  memini  colorem 
stultum  inducere,  quod  minus  ferendum  est  quod  libros  colorum  edidit. 
Auch  von  diesem  Proben  seiner  Declamationen  bei  Seneca.  Prätor  J.  775 
=-  22.  Ueber  ihn  Tac.  A.  III,  66:  lunio  Othoni  litterarium  ludum  exercerc 
vetus  ars  fnit;  mox  Seiani  potentia  Senator  obscura  initia  impudentibus 
ausis  propoUuebat. 

9.  Sen.  contr.  I,  1,  22:  hanc  partem  memini  apud  Cestium  declamari 
ab  Alfio  Flavo,  ad  quem  audiendum  me  fama  perduxerat;  qni  cum  prae- 
textatus  esset  tantae  opinionis  fiiit  ut  populo  rom.  puer  eloquentia  notns 
esset.  .  .  tanto  concursu  hominum  audiebatur  ut  raro  änderet  post  illum 
Cestius  dicere.  ipse  omnia  mala  faciebat  ingenio  suo.  naturalis  tamen  illa 
vis  eminebat^quae  post  multos  annos,  iam  et  desidia  obruta  et  carminibns 
(also  wohl  erotische)  enervata,  vigorem  tamen  suum  tenuit.  Vgl.  II,  14,  8: 
Flavum  Alfium,  auditorem  suum,  qui  eandem  rem  lascivins  dixerat,  obiur- 
gavit  (Cestius).  Exe.  contr.  III,  7,  3:  Aifius  Flavus  hanc  sententiam  dixit: 
.  .  hunc  Cestius  quasi  corrupte  dixisset  obiurgans,  apparet,  inquit,  te  poe- 
tas  studiose  legere:  iste  sensus  eins  est  qui  hoc  saeculum  amatorüs  non 
artibus  tantum  sed  sententiis  implevit  (des  Ovid).  Proben  der  Declamationen 
des  Aifius  bei  Sen.  contr.  I,  1,  23.  7,  7.  II,  10,  3.  Er  ist  wohl  der  Aifius 
Flavus  welcher  bei  Plin.  n.  h.  IX,  8,  *25  (ni  res  Maecenatis  et  Fabiani  et 
Flavi  Alfii  multorumque  esset  litteris  mandata),  vgl.  iud.  auct.  1.  IX,  als 
Gewährsmann  für  eine  Anekdote  aus  der  Zeit  des  Augustus  angeführt  wird. 

10.  unter  den  übrigen  Schulrednem  von  welchen  der  ältere  Seneca 
Proben,  mittheilt,  und  welche  zum  Theil  der  Zejt  des  Tiberius  angehören, 
sind  die  am  häufigsten  genannten  Argentarius  (oben  A.  6),  P.  (Nonius)  Asprenas 

^beu  262,  2),  Blaudus  (vgl.  oben  261, 10),  Bruttedius  Brutus,  (Fabius?)  Buteo, 


263.    Gallio  u.  a.  Rhetoren.  573 

Capito  (Sen.  contr.  X.  praef.  12),  Clodius  Sabinus  und  Turrinus  (X.  praef. 
14  fF.),  Cornelius  Hiapanus,  Fulvius  Spareus  (Nachahmer  des  Latro,  Sen. 
contr.  X.  praef.  11;  homo  inter  scholasticos  sanus,  inter  sanos  scholasticus, 
ib.  I,  7,  16),  Gavius  Sabinus  und  Silo  (X.  praef.  14),  lulius  Bassus  (vgl. 
oben  249,  4),  Licinius  Nepos,  Marillus  (praeceptor  noster,  Sen.  contr.  VII, 
17,  11;  vgl.  oben  A.  2),  Murredius  (von  Seneca  sehr  geringschätzig  behandelt, 
8.  Körber  S.  64  f.),  Musa  (X.  praef.  9),  Oscus  (ib.  10  f.),  Pompeius  Silo 
(sedens  et  facundus  et  litteratus  est  et  haberetur  disertus  si  a  praelocutione 
dimitteret;  declamat  male,  ib.  III.  praef.  II;  homo  qui  iudicio  censebatur, 
ib.  IX,  25,  22;  Zeitgenosse  des  Porcina  Latro,  s.  ib.  VII,  23,  10.  IX,  28,  10. 
Ausführlichere  Proben  suas.  7,  5  u.  10  f.  contr.  I,  2,  20.  5,  3.  7,  13.  II,  9, 
16  u.  20  f.  IX,  25,  17  f.  29,  14  f.  X,  32,  11);  der  Delator  Romanius  Hispo 
(erat  natura  qui  asperiorem  dicendi  viam  sequeretur,  ib.  IX,  26,  ll'-vgl. 
VII,  17,  13.  Tac.  A.  I,  74.  XIV,  65.  Quintil.  VI,  3,  100),  Sepullius  Bassus, 
Triarius  (compositione  verborum  belle  cadentium  nrultos  scholasticos  de- 
lectabat,  Sen.  contr.  VII,  19,  10;  Zeitgenosse  des  Asinius  Pollio,  Latro  und 
Cestius,  ib.  II,  11,  19.  VII,  19,  10.  IX,  29,  11;  längere  Proben  suas.  7,  6. 
contr.  I,  2,  21.  II,  12,  8.  VII,  20,  1  f .  IX,  25,  20 f.  29,  9  u.  11.  X,  33,  4. 
34,  5);  Vallius  Sjriacus,  Vibius  Gallus  (fuit  tarn  magnae  olim  eloquentiae 
quam  postea  insaniae,  Zeitgenosse  des  Papirius  Fabianus,  Sen.  contr.  II,  9, 
25  f.;  Proben  ib.  II,  9,  9.  VII,  20,  3.  23,  5.  IX,  24,  4.  29,  2)  und  Vibius 
Ruf  US  (erat  qui  antiquo  genere  diceret,  ib.  IX,  26,  25.  Proben  ib.  11,  9,  2. 
11,  8.  14,  10.  VII,  18,  4;  dagegen  derjenige  welchen  Plinius  in  seinem 
Quellenverzoichniss  zu  B.  XIV,  XV,  XIX,  XXI  aufführt  heisst  Vib.  Ruiinns), 
L.  Vinicius  (quo  nemo  civis  rom.  in  agendis  causis  praesentius  habuit 
ingenium,  Sen.  contr.  II,  13,  20;  Ovir  monetalis  J.  738  d.  St.  und  mit 
Beziehung  darauf  eleganter  dixit  divus  Augustus:  L.  Vinicius  ingenium  in 
numerato  habet,  ib.;  Probe  ib.  19)  und  sein  Bruder  (ib.  19)  P.  Vinicius 
(exactissimi  vir  ingenii,  qui  üec  dicere  res  ineptas  nee  ferre  poterat,  ib. 
Vll,  20.  p.  217,  3  ff.  Bu.;  summus  amator  Ovidi,  ib.  X,  33,  -25;  Probe  ib. 
I,  2,  3;  dagegen  Sen.  Ep.  40,  9.  Consul  755  d.  St.;  s.  A.  Haakh  in  Pauly's 
Real-Enc.  VI,  2.  S.  2627  f.  Nr.  4  u.  5);  Votienus  Montanus  (s.  unten  271,  1). 

1 1 .  Ein  Popilius  Laenas  wird  als  Rhetor  und  Verfasser  von  rhetorischen 
Schriften  genannt  bei  Quintil.  X,  7,  32  vgl.  III,  1,  21.  XI,  3,  183  (quod  a 
Graecis  sumptum  P.-  L.  posuit).  Er  lebte  wohl  erst  unt«r  Tiberius;  vgl. 
unten  275,  1. 

12.  Porphyrio  zu  Hör.  Ep.  1,5,  9:  Moschus  hie  Pergamenus,  rhetor 
notissimus,  reus  veneficii  fuit,  cuius  causam  ex  primis  tunc  oratores  ege- 
runt,  Torquatus  (s.  oben  262,  2)  hie  de  quo  nunc  dicit  (Horatius),  cuius 
extat  oratio,  et  Asinius  Pollio.  Vgl.  Sen.  contr.  II,  13,  13:  novi  declamatores 
post  Moschum  Apollodoreum ,  qui  reus  veneficii  fuit  et  a  Pollione  Asinio 
defensus.,  damnatus  Massiliae  docuit.  Also  wohl  in  griechischer  Sprache, 
wie  Artemon,  Damas,  Diokles,  Euktemon,  Glykon  Spiridion,  Hybreas, 
Niketes,  Potamon  u.  a.  bei  Seneca. 

264.    Fast   ül^er   das   ganze    achte    Jahrhundert   d.  St.    er-253 
streckte  sich  das  Leben  des  Annaeus  Seneca  aus  Corduba^  des 


574  Augusteische  Zeit   J.  711—767  d.  St. 

Vaters  von  Novatus,  dem  Philosophen  L.  Seneca  und  von  Mela, 
dem  Vater  des  Lueanus.  Ein  Mann  von  aliromischer  Strenge 
und  Derbheit,  von  nüchternem  Urteil,  als  Stilist  Bewunderer  des 
Cicero,  scheint  er  selbst  unter  den  Schönrednern  seiner  Zeit 
nicht  hervorgeragt  zu  haben.  Aber  er  verfasste,  ausser  einem 
Geschichts werke,  in  seinen  späteren  Lebensjahren  eine  Uebersicht 
der  in  seiner  Zeit  behandelten  Schulthemen,  10  Bücher  contro- 
verniae  und  ein  Buch  suasoriae,  unter  dem  Titel:  oratorum  et 
rhetorum  sententiae,  divisiones,  colores,  ein  Zeugniss  seines 
wunderbaren  Gedächtnisses  und  eine  reiche  Fundgrube  für  die 
Geschichte  der  Rhetorik  unter  Augustus  und  Tiberius.  Uns  ist 
dieses  Werk  nur  lückenhaft  erhalten.  Ein  Theil  wird  ergänzt 
durch  eine  gleichfalls  auf  uns  gekommene  abgekürzte  Bearbeitung 
(Excerpta)  aus  dem  vierten  oder  fünften  christlichen  Jahrhundert. 

1.  Vorname  in  einem  Theile  der  HdBs.  (bes.  dem  Bruxell.)  Lucius,  was 
von  der  Venniscfaung  mit  dem  Sohne  herrühren,  aber  auch  richtig  sein 
kann.  Willkürlich  seit  Baph.  Volaterranns:  M.  Ritterstand  (Tac.  A.  XIV, 
o:^)  und  Wohlstand  (Sen.  ad  Helv.  14,  3)  der  Familie.  Heimat  CJorduba, 
8.  Martial.  I,  61,  7  f.  (duosque  Senecas  .  .  facunda  loquitur  Corduba). 
Persönlicher  Charakter.  Sen.  ad  Helv.  matr.  17,  3 f.:  patris  mei  antiquus 
rigor.  .  .  utinam  .  .  pater  mens,  minus  maionim  consuetadini  deditus, 
voluisset  te  praeceptis  sapientiae  emdiri  potius  quam  inbui!  .  .  propter 
istas  quae  litteris  non  ad  sapientiam  utuntur,  sed  ad  luxuriam  instniuntur, 
minus  te  indulgere  studüs  passus  est.  Dazu  stimmen  Aeussemngen  des 
Vaters  wie  controy.  I.  praef.  6  (insolens  Graecia)  und  8  f.  (cantandi  saltan- 
dique  obscena  studia  etc.).  6,  12  (valde  levis  et  graeca  sententia).  X,  33, 
23  (latinam  linguam  facultatis  non  minus  habere,  licentiae  minus  als  die 
griechische). 

2.  Lebenszeit.  Contr.  I.  praef.  11:  omnes  magni  in  eloqaentia  nominis 
excepto  Cicerone  videor  audisse;  ne  Ciceronem  quidem  aetas  mihi  eripuerat, 
sed  bellorum  civilium  furor,  qui  tunc  orbem  totum  pervagabatur,  intra 
coloniam  meam  me  continuit;  alioqoi  in  illo  atriolo  in  quo  duos  grandes 
praetextatos  ait  secum  declamare  solitos  potui  adesse  illudque  ingenium 
.  .  cognoscere  et  .  .  potui  yivam  vocem  audire.  Er  muss  daher  spätestens 
J.  700  geboren  sein.  Tod  um  792;  s.  Anm.  6.  Jedenfalls  erlebte  er  seines 
»Sohnes  Verbannung  (J.  796)  nicht  mehr;  s.  L.  Sen.  ad  Helv.  2,  4 f.  Zwei- 
maliger Aufenthalt  in  Rom ;  contr.  IV.  praef.  3 :  audivi  illum  (den  Asinius 
PoUio,  J.  679 — 768)  et  viridem  et  postea  iam  senem.  Dass  er  beidesmal 
länger  dauerte  zeigt  die  genaue  Kenntniss  der  Bhetoren  des  damaligen  Born. 
Lehrer  (s.  oben  263,  2  u.  10)  und  Freunde  (oben  263,  2  und  7)  daselbst.  Im 
reiferen  Mannesalter  heiratete  er  zu  Corduba  Helviam,  bene  in  antiqua  et 
severa  institutam  domo,  Sen.  ad  Helv.  16,  3;  vgl.  ib.  2,  4:  carissimum 
vinmi,  ex  quo  mater  trium  liberonmi  eras,  extulisti.  Der  älteste  von  diesen 
war  (vgl.  A.  4)  Novatus  (s.  oben  263,  7);  der  zweite  der  Phüosoph  L.  Seneca 


264.    Seneca  der  Vater.  575 

(unten  282,  1);   über  den  dritten,   Mela,    s.  Tac.  A.  XVI,  17   vgl.  PolyÄn. 
VlII,  62. 

3.  Schriften.  L.  Seneca  de  vita  patris  (III.  p.  436  f.  Hse):  si  quaecumque 
composuit  pater  mens  et  edi  voluit  iara  in  manus  populi  emisiBeem ,  ad  cia- 
ritatem  nominis  sui  satis  sibi  ipee  prospexerat;  nam  uisi  me  decipit  pietas, 
.  .  inter  eos  haberetur  qui  ingenio  meruerunt  ut  puris  scriptorum  titulis 
nobiles  essent.  ^uisquie  legisset  eins  bistorias  ab  initio  bellorum  civiliuni 
.  .  paene  usque  ad  mortis  suae  diem,  magni  aestimaret  scire  quibus  natus 
esset  parentibus  ille  qui  res  romanas  (so  trefflich  beschrieb).  Dieses  Ge- 
Bchichtswerk  war  also  damals  noch  nicht  herausgegeben.  Vielleicht  ist 
daraus  die  Nachricht  über  den  Tod  des  Tiberius,  Suet.  Tib.  73  (Seneca  eum 
scribit  etc.,  wenn  nicht  der  Sohn  gemeint  ist),  sowie  Lactant.  instit.  VII, 
15,  14  (non  inscite  Seneca  romanae  urbis  tempora  distribuit  in  aetates), 
falls  nicht  Lact,  den  Sen.  mit  („Annaeus*')  Florus  (s.  d.)  verwechselt  hat 
(Salmasius  imd  Spengel).  Die  Anfahrung  von  Quintil.  IX,  2,  98  (est  a  Se- 
neca dictum  eleganter,  non  patronorum  hoc  esse  —  das  Schwören  —  sed 
testium)  trifft  weder  auf  die  erhaltene  Schrift  des  Vaters  noch  auf  eine  des 
Sohnes  zu. 

4.  Die  erhaltene  Schrift.  Controv.  I.  praef.:  Seneca  Novato,  Senecae, 
Melae  filiis  salutem.  (1.)  Exigitis  rem  magis  iocundam  milvi  quam  facilem: 
iubetis  enim  quid  de  his  declamatoribus  sentiam  qui  in  aetatem  meam  in- 
ciderunt  indicare  et  si  qua  memoriae  meae  nondum  elapsa  sunt  ab  illia 
dictä  colligere.  .  .  est,  fateor,  iocundum  mihi  redire  in  antiqua  studia 
melioresque  ad  annos  respicere  etc.  (2.)  sed  cum  multa  iam  mihi  .  .  senec- 
tus  fecerit,  oculorum  aciem  retuderit,  aurium  sensum  hebetaverit,  nervoinim 
firmitatem  fatigaverit,  inter  ea  quae  retuli  (retinui?)  memoria  est.  .  .  hanc 
aliquando  in  me  floruisse,  ut  .  .  in  miraculum  quoque  usque  procederet, 
non  nego:  nam  et  duo  milia  nominum  recitata  quo  erant  ordine  dicta  red- 
debam  etc.  (3.)  .  .  ex  parte  bene  spero  (für  die  Darlegung  des  Gewünschten) ; 
nam  quaecumque  apud  illam  aut  puer  aut  iuvenis  deposui  quasi  recentia 
aut  modo  audita  sine  cunctatione  profert.  .  .  (4.)  ita  ex  memoria  quantum 
vobis  satis  sit  superest.  .  .  illud  necesse  est  impetrem,  ne  me  quasi  certum 
aliquem  ordinem  velitis  sequi  in  contrahendis  quae  mihi  occurrunt.  (5.)  .  . 
necesse  est  me  ad  delicias  componam  memoriae  meae.  (10.)  quaecumque  a 
celeberrimis  viris  facunde  dicta  teneo,  ne  ad  quemquam  privatim  pertineant, 
populo  dedicabo  (also  wohl  nicht  erst  nach  seinem  Todd  herausgegeben). 
(13.)  facile  est  mihi  ab  incunabulis  nosse  rem  post  me  natam  (die  declamatio). 
Am  Schlüsse  (X.  praef.  1)  das  Gest&ndniss:  sinite  me  ab  istis  iuv'^nilibus 
studiis  ad  senectutem  meam  reverti.  fatebor  vobis,  iam  res  taedio  est. 
primo  libenter  adsilui,  velut  optimam  vitae  meae  partem  mihi  reducturus; 
deinde  me  iam  pudet,  tamquam  diu  non  seriam  rem  agam.  Doch  fügte  er 
den  controversiae  noch  die  suasoriae  an;  s.  contr.  II,  12,  8:  quae  dixerit  suo 
loco  reddam,  cum  ad  suasorias  venero.  Auch  diese  vollendete  er;  s.  suas. 
6,  27:  si  hie  desiero,  scio  futurum  ut  vos  .  .  desinatis  legere.  .  .  ergo  ut 
librum  velitis  usque  ad  umbilicum  revolvere  adiciam  suasoriam  proximae 
similem  (Nr.  7,  die  letzte). 

5.   AbfasBungszeit  die  senectus  des  Seneca  (s.  A.  4),  nach  dem  Sturze 


576  Auj^uöteiache  Zeit.    J.  711—767  d.  St. 

des  SejaauB  (J.  784;  s.  suas.  2,  12)  und  dem  Tode  des  Scaunis  (J.  787);  8. 
Buas.  2,  22:  Tascus  ille  qui  Scaurum  Mamercum,  in  quo  Scaurum  familia 
extincta  est,  maiestatis  reum  fecerat).  Die  spätesten  Theile  weisen  auch 
über  den  Tod  des  Tiberius  (f  März  790)  hinaus;  s.  suas.  3,  7:  Tiberius  .  . 
öffendebatur  Nicetis  ingenio,  sowie  die  Aeusserungen  über  den  Ankläger 
des  Scaurus  (suas.  2,  22),  über  das  gerichtliphe  Verbrennen  von  Büchern 
(contr.  X.  praef.  5  f.),  und  die  Mittheilung  aus  dem  unter  Tiberius  amtlich 
verbrannten  Werke  des  Cremutius  Cordus,  suas.  7,  19  ff. 

6.  Eintheilang  der  controversiac  in  zehn  Bücher  (libelli,  IL  praef.  5 
vgl.  IV.  praef.  1) ,  abgegrenzt  je  durch  ein  Vorwort  worin  ein  Rhetor  oder 
mehrere  charakterisiert  werden  und  die  nach  Form  wie  Inhalt  sehr  lesens- 
werth  sind.  Die  zu  Buch  5,  6  und  8  sind  nicht  erhalten,  das  zu  B.  9  un- 
vollständig. Bei  den  einzelnen  Themen  wird  in  der  Hauptsache  ^die^Ein- 
theilung  befolgt  nach  sententiae  (Ansichten  der  Rhetoren  über  die  Anwen- 
dung des  Gesetzes  auf  den  gegebenen  Fall),  divisio  (Zerlegung  in  einzelne 
Fragen)  und  colores  (Beschönigungsmittel  der  strafbaren  Handlung),  doch 
in  freier  Weise,  mit  häufigen  Abschweifungen.  Die  Berichte  über  die  Aus- 
führungen der  einzelnen  Rhetoren  haben  einen  so  gleichmässigen  Anstrich 
dass  diese  nur  dem  Sinne  nach  wiedergegeben  sein  können.  Einflechten 
von  Anekdoten  und  Witzen.  Die  Beurteilung  der  Einzelnen  ist  nüchtern 
und  streng,  oft  hart.  Bewunderung  Ciceros,  s.  contr.  I.  praef.  11.  X.  praef.  fi. 
Die  Sprache  zeigt  in  den  Proömien  wenig  Einfiuss  der  silbernen  Latinität, 
mehr  in  den  controversiac  und  suasoriae  selbst. 

7.  Von  den  zehn  Büchern  Controversiac  ist  nur  die  Hälfte,  B.  I,  II, 
VII,  IX  und  X,  mit  85  Themen,  auf  ims  gekommen,  theil weise  mit  Lücken, 
namentlich  wo  Aussprüche  griechischer  Rhetoren  im  Original  angeführt  wer- 
den. Oitat  aus  einer  nicht  erhaltenen  controversia  bei  Quintil.  IX,  2,  42  f. 
Etwa  im  4ten  oder  6ten  christl.  Jahrh.  wurde  von  dem  Werke  durch  einen 
Unbekannten  für  den  Schnlgebrauch  ein  ziemlich  ungeschickter  (s.  Bursian 
1).  VII  f.)  Auszug  gemacht,  welcher  sich  auch  auf  die  sonst  verlorenen 
Bücher  erstreckt  und  uns  die  vollständigen  Proömien  zu  B.  I,  II,  III  und 
IV  gerettet  hat.  Die  suasoriae  stehen  in  den  Handschriften  vor  den  con- 
troversiac, weil  diess  die  Stufenfolge  im  rhetorischen  Unterricht  war.  Die 
Handschriften  des  unverkürzten  Originals  stammen  aus  der  gleichen,  selbst 
schon  verdorbenen  und  lückenhaften  Quelle.  Die  treueste  Abschrift  dieses 
archetypus  ist  der  Bruxellensis  9594  saec.  IX  oder  X  (B  bei  Bursian),  nächst- 
dem  der  Antverpiensis  (A).  Die  Ezcerpta  existieren  in  vielen  Handschriften, 
unter  welchen  die  älteste  und  beste  ist  die  in  Montpellier  (Montepessula- 
nus)  saec.  X  {hL  bei  Bursian).  Der  Epitemater  hatte  von  dem  vollständigen 
Werke  ein  Exemplar  vor  sich  das  von  jenem  archetypus  verschieden  war. 
Vgl.  Bursians  praefatio  p.  IX— XX.  Benützung  in  den  Gesta  Romanorum, 
L.  Friedländer  im  Königsberger  Vorles.  Verz.  f.  1871  f.  p.  III  f. 

8.  In  den  ältesten  Ausgaben  (z.  B.  Venet.  1490.1492.  fol.  Basel  1515. 
1529.  fol.  und  1537. 1567.  fol.  von  Erasmus)  ist  das  Werk  des  Vaters  vermischt 
mit  denen  des  Sohnes;  abgetrennt  erst  in  denen  von  Nie.  Faber  (Paris  1587. 
1598.  fol.)  und  Andr.  Schott  (Paris  1607.  1613.  fol.);  dann  von  J.  Fr,  Gro- 
novius  (Lugd.  Bat.  1649)  und  cum  notis  varior.  ex  rec.  Gronov.,  Amsterdam 


264  f.   Seneca.    Rutilius  Lupus.  577 

1672.  Text  der  Bipontina,  1783.  Erste  kritische  Ausgabe:  reo.  et  emend. 
Conr.  Bursian,  Lips.  1857.  Recogn.  A.  Eiessling,  Lips.  (Teubner.)  1872. 
Kritische  Beiträge  von  H.  Höfig  (de  Sen.  rhet.  quattuor  codd.  mss. 
Schöttianis,  Görlitz  1858.  4.),  J.  Vahlen  (Rhein.  Mus.  XIII.  S.  546  —  564), 
A.  Eiessling  (ebd.  XVI.  S.  50  —  61  und  in  den  Beiträgen  zur  Kritik  latein. 
Prosaiker;  Basel  und  Genf  1864,  S.  32—47),  Herrn.  Mflller  (Rhein.  Mus.  XXI. 
S.  405  — 428.  XXIV.  S.  636  f.  XXV.  S.  451.  Berliner  Zeitschr.  für  Gymn. 
1868,  S.  81—93.  715  f.  vgl.  490 f.),  Cl.  Konitzer  (ebd.  S.  966—970;  Quaest. 
in  Sen.  patrem  criticae,  Breslau  1864,  und  Beiträge  zur  Kritik,  des  Rh.  Seh., 
Breslau  1866.  4.),  R.  Wachsmuth  (Quaest.  crit.  in  Sen.  rh.,  Posen  1867.  4.), 
O.  Rebling  (Observatt.  critt.  in  S.  patrem,  Götting.  1868),  M.  Haupt  (Hermes 
IH.  p.  344  f.),  C.  Bursian  (Spicilegium  crit.  in  Sen.  libris  suas.  et  controv., 
Zürich  1869.  4.). 

9.  J.  Körber,  über  den  Rhetor  Seneca  (S.  1  —  23.  58  —  66)  und  die  röm. 
Rhetorik  seiner  Zeit  (S.  23  —  58),  Marburg  1864. 

265.  Den  späteren  Lehensjahren  des  Seneca  gleiehzeitig2ö4 
war  wohl  der  Rhetor  P.  Rutilius  Lupus,  der  Verfasser  der 
erhaltenen  zwei  Bücher  Schemata  lexeos,  welche  eine  abgekürzte 
Uebersetzung  eines  Werkes  von  Gorgias  über  die  Redefiguren 
sind,  aber  nur  einen  Theil  des  ursprünglichen  Werkes  gebildet 
zu  haben  scheinen. 

1.  Dass  Seneca  den  Rutilius  Lupus  nie  nennt  beweist  nicht  dass  er  ihn 
nicht  mehr  erlebt  hat,  erklärt  sich  vielmehr  aus  dem  Plane  seines  Werkes; 
s.  controv.  1.  praef.  4:  neque  de  bis  me  interrogatis  quos  ipsi  audistis,  sed 
de  bis  qui  ad  vos  usque  non  pervenerunt.  Dass  Rutilius  sindererseits  vor 
CelsuB  schrieb  erhellt  aus  QiüntiL  IX,  2,  102:  praeter  illa  quae  Cicero  inter 
lumina  posuit  sententiarum  multa  alia  et  Rutilius,  Gorgian  secutus,  non 
illum  Leontinum,  sed  alium  sui  temporis  (welcher  zu  Athen  Lehrer  des 
jungen  Cicero  war,  ad  fam.  XVT,  21,  6  vom  J.  710  d.  St.),  cuius  quattuor 
libros  in  unum  suum  transtulit  (die  Eintheilung  in  zwei  Bucher  ist  also  spä- 
teren Ursprungs),  et  Celsus,  videlicet  Rutilio  accedens,  posuerunt  Schemata. 
VgL  noch  ib.  101.  106  (Rutilius  sive  Gorgias).  3,  36.  84.  89  (qui  proprie 
libros  huic  operi  —  den  Figuren  —  dedicaverunt,  sicut  Caecilius,  Dionysius, 
Rutilius,  Cornificius,  Visellius).  91 — 94.  99.  Vielleicht  war  Lupus  ein  Sohn 
des  gleichnamigen  Pompejaners  (Pauly's  Real-Enc.  VI,  1.  S.  588,  Nr.  14). 

2.  Das  erhaltene  Werk  veranschaulicht  die  unnütze  und  kleinliche 
Vervielfältigung  der  Redefiguren  in  der  späteren  Rhetorik,  wobei  Gorgias 
entweder  selbständig  verfahren  zu  sein  oder  andere  als  die  uns  bekannten 
Quellen  benützt  zu  haben  scheint,  da  seine  Aufzählung  und  Terminologie 
viel  Eigenthümliches  hat  (Dzialas,  quaest.  p.  15 — 21).  Werth  hat  das  Schrift- 
chen hauijtsächlich  durch  die  zahlreichen  und  gut  übersetzten  Beispiele 
aus  griechischen  Rednern,  zum  grossen  Theil  aus  verlorenen.  Abgekürzte 
Bearbeitung  des  griechischen  Originals;  s.  II,  12:  quid  intersit  .  .  cognoscere 
poteris  .  .  multo  diligentius  ex  graeco  Gorgiae  libro,  ubi  pluribus  unius- 
cuiusque  ratio  redditur. 

TEUFFKii,  R»in.  Li teratnrgeicht  eilte.    8.  Aafl.  37 


578  1^16  Kaiserzeit.   Erstes  Jahrhundert. 

3.  Dass  das  Werk  nicht  vollständig  erhalten  ist  zeigen  die  Redefiguren 
(oxrifiaxa  SiuvoCaq)  welche  Quintil.  IX,  2,  103.  106  (vgl.  3,  89)  aus  Rutilius 
anftihrt  ohne  dass  sie  sich  in  demselhen  fönden,  so  wie  aus  dem  Titel  der 
Schrift  in  den  Hdss.:  P.  Rutilii  Lupi  Schemata  dianoeas  ex  Graeco  vorsa 
Gorgia,  während  sich  das  Erhaltene  doch  nur  auf  die  a%riiuixa  liismg  hezieht. 
Der  Titel  wird  daher  ursprünglich  gelautet  haben:  %chemata  dianoeas  et 
lexeos  ex  graecis  Gorgiae  versa  (Ruhnken).  Vgl.  Dzialas,  Quaest.  p.  14  f.  28  ff. 
Bei  dieser  Sachlage  hat  wenig  Sicherheit  die  Vermutung  (von  Dzialas,  ib. 
p.'  36 — 88),  Rutilii  librum  quem  nos  habemus  non  esse  e  manu  Rutilii 
profectum,  sed  magistri  alicnins  epitomen.  Das  Carmen  de  figuris  kannte 
bereits  nur  den  jetzigen  Umfang,  sogar  mit  der  Lücke  zwischen  I,  5  u.  6; 
s.  Dzialas  p.  15—28.  Ueber  die  Ausfüllung  jener  Lücke  durch  .C.  Schöpfer 
(Quedlinburg  1837)  s.  F.  Haase,  de  fragmentis  Rutilio  Lupo  a  Schöpfero 
Buppositis,  Breslau  1856.  4. 

4.  Ausgaben.  Venet.  1519.  Aldi  1623.  Von  B.  Rhenanus,  Basil.  1521.  4.; 
R.  Stephanus,  Paris  1530.  4.  In  den  Rhetores  antiqui  von  Fr.  Pithoeus 
(Paris  1599.  4.),  Capperonnicr  (Strassburg  1756.  4.)  und  besonders  den 
Rhetores  latini  minores  von  C.  Halm  (Lips.  1803)  p.  3—21.  Rec.  et  annot. 
adi.  D.  Ruhnken,  Lugd.  Bat  1768  (Lips.  1831).  In  us.  schol.  explanavit 
F.  Jacob,  Lübeck  1837. 

5.  Kritische  Beiträge  von  J.  Mähly  (Philolggus  XIV.  S.  764—768), 
J.  G.  Fröhlich  (Fleckeisens  Jahrbb.  89,  S.  202  —  208),  .1.  Simon  (Philologus 
XXVII.  S.  642—659)  u.  a. 

6.  G.  Dzialas,  Quaestiones  RutUianae,  Diss.  Breslau  (1860),  und  Rhe- 
torum  antiquorum  de  figuris  doctrina  (Breslau  1869.  4.).  C.  Schmidt,  de 
Rutilio  Lupo,  Breslau  1865.  4. 


IV. 

Dritte  Periode. 
Die  römische  Eaiserzeit. 

255  266.  Wie  die  augusteische  Zeit  in  der  Geschichte  eine 
Doppelstellung  hat,  als  Ende  der  Republik  und  Anfang  der 
Kaiserzeit,  so  auch  in  der  Literatur,  da  ihre  grössere  Hälft«  zu- 
deren  goldenem  Zeitalter  gehört,  die  kleinere  spätere  aber  zum 
silbernen.  In  letzterem  wirken  die  ursprünglichen  nationalen 
Kräfte  noch  fort,  aber  abgeschwächt  und  getrübt  durch  die 
neuen  politischen  Verhältnisse,  welche  nach  Augustus  die  Mon- 
archie zum  Despotismus  steigern.  Der  Despotismus  bewirkt 
allmählich  den  Tod  alles  selbständigen  geistigen  Lebens.    Dieses 


266  f.   Charakteristik,  und  Uebersicht.  579 

Ergebniss  tritt  zu  Tage  sowie  unter  den  Antoninen  die  krank- 
hafte Spannung  auf  eine  Reihe  von  Jahrzehnten  nachlässt  und 
uun  der  Versuch  zu  neuen  Hervorbringungen  gemacht  wird. 
Aber  die  völlige  Erschöpfung  bringt  es  nur  zu  einem  Schein- 
leben und  zu  Nachahmungen.  Wie  am  Ende  des  zweiten  Jahrh. 
n.  Chr.  Commodus  den  alten  Despotismus  erneuert  und  Schlag 
um  Sehlag  auf  Volk  und  Reich  niederfallt,  wird  die  innere 
Auflösung  nur  durch  das  Leben  in  den  Provinzen  noch  längere 
Zeit  aufgehalten  und^  verdeckt;  aber  in  der  Literatur  gedeiht 
einzig  noch  die  Jurisprudenz  und  etwa  die  Gelehrsamkeit.  Die 
Literatur  überlebt  sogar  noch  längere  Zeit  den  äusseren  Unter- 
gang des  römischen  Reichs  (J.  476)  und  endet  erst  mit  dem 
sechsten  Jahrhundert;  So  zerfällt  die  Kaiserzeit  in  drei  Ab- 
schnitte von  stufenweise  abnehmender  literarischer  Bedeutung: 
das  erste  Jahrhundert  n.  Chr.  Geb.,  das  zweite  Jahrhundert  oder 
das  Zeitalter  Hadrians  und  der  Antonine,  und  endlich  das  dritte 
bis  sechste  Jahrhundert  n.  Chr. 

A.  Das  silberne  Zeitalter  der  römischen  Literatur. 

Erstes  Jahrhundert,  J.  14 — 117  n.  Chr. 

267.  Das  erste  Jahrhundert  umfasst  die  Regierungen  von  266 
Tiberius  (J.  14—37  n.  Chr.),  Caligula  (J.  37  —  41  n.  Chr.), 
Claudius  (41—54),  Nero  (54—68),  Vespasianus  (69—79),  Titus 
(79—81),  Domitianus  (81—96),  Nerva  (96—98)  und  Trajanus 
(98 — 117).  Es  zerfallt  wiederum  in  drei  Abschnitte,  die  Zeit 
der  Julier  (J.  14 — 68  n.  Chr.),  die  der  fla vischen  Dynastie 
(J.  69-^96  n.  Chr.),  und  die  des  Nerva  und  Trajan  (J.  96 — 117). 
Der  Charakter  des  Jahrhunderts  wird  bestimmt  durch  seine  An- 
filnge.  Die  Monarchie,  welche  unter  Augustus  sich  noch  meist 
in  milde  Formen  gekleidet  hatte,  wird  unter  den  Nachfolgern 
aus  seinem  Hause  allmählich  nackter  Despotismus,  tückisch  und 
brutal,  stumpf  und  wahnsinnig,  aber  immer  gleich  mörderisch 
gegen  alle  Selbständigkeit,  nur  Sklaven  und  Werkzeuge  hieben 
sich  duldend,  den  Besseren  nur  die  Wahl  lassend  zwischen  Tod 
und   Heuchelei.^)     Vespasian   und    Titus   kommen   zu    spät  und 

')  Je  weniger  das  Leben  bot  an  echten  Genüssen  ond  je  reicher  es  war 
an  Qualen,  um  so  leichter  entschied  man  sich,  gestütet  auf  die  Lehren  der 
Stoa,  dafür  aus  ihm  freiwillig  zu  scheiden.  So  schon  unter  Tiberius  dessen 
Freund  Cocceius  Nerva,  dann  Cassius  Severus,  Albucius  Silus,  (Apicius,) 
SiliuB  Italiens,  Corellius  Rufus  (Plin.  Ep.  I,  12),  Titius  Aristo  (ib.  I,  22,  8)  u.A. 

37* 


580  Die  Kaiserzeit.    Erstes  Jahrhundert. 

werden  zu  bald  gefolgt  von  dem  bösartigen  Wüterich  Domitian 
als  dass  durch  sie  eine  wesentliche  Besserung  hätte  erfolgen 
können,  und  die  Zeit  des  Nerva  und  Trajan  bringt  nur  zum 
Bewusstsein  was  man  alles  in  der  schlimmen  Vergangenheit 
erlitten  und  eingebüsst  hat.  Für  die  Literatur  kommt  zu  diesen 
Uebeln  noch  der  besondere  Umstand  dass  alle  Kaiser  dieser  Zeit 
personlich  für  sie  Sinn  und  Verständniss  haben;  denn  um  so  arg- 
woh  nischer  überwachen  sie  jede  Lebensregung  auf  diesem  Ge- 
biete und  empfinden  wohl  gar  Eifersucht  auf  die  schriftsteller- 
ischen Erfolge  Anderer.  Daher  bekommt  die  Literatur  die 
Wirkungen  des  Despotismus  in  verstärktem  Masse  zu  fühlen.') 
Die  Wirkungen  welche  der  Despotismus  auf  die  Geister 
äussert  sind  theils  negativer  theils  positiver  Art.  Fürs  Erste 
schafft  er  um  sich  die  Stille  des  Kirchhofes,  indem  alle  Selb- 
ständigkeit gemordet  wird,  sich  in  Schweigen  hüllt,  verkriecht, 
verstellt^)  und  der  Kriecherei  das  Wort  überlässt,  sich  selbst 
ergebend  in  das  Unabänderliche,  ja  sich  anstrengend  um  sich 
innerlich  ihm  möglichst  anzubequemen.^)  Die  positive  Wirkung 
dieser  Zurückdrängung  der  Selbständigkeit  in  das  tiefste  Innere 
ist  einerseits  eine  Verinnerlichung  und  Vertiefiing  welche  dem 
Familienleben  zu  Gute  kommt  und  Gestalten  wie  die  Arria  und 
Fannia  hervorbringt,  zugleich  aber  auch  Verbissenheit  und  Ver- 
schrobenheit. Da  man  sich  nicht  geben  kann  wie  man  ist  und 
sich  bemüht  den  Schein  zu  erregen  als  wäre  man  anders  als 
man  ist,  so  geräth  man  in  Heuchelei  und  Affeetation.  Die  Na- 
tur ängstlich  zu  verbergen  genöthigt  verföllt  man  in  Künstelei 
und  Unnatur.  Jeden  Augenblick  von  Spähern  beobachtet  oder 
es  doch  meinend  fühlt  man  sich  fortwährend  wie  auf  der  Bühne: 
man  denkt  an  den  Eindruck  seines  Thuns  auf  Gregenwart  und 
Nachwelt*),   man   lebt   sich    in   eine   Rolle   hinein,   man  nimmt 

*)  Plin.  Ep.  III,  6,  6:  sub  Nerone,  cum  omne  studiorum  genug  paulo 
libcrius  et  erectius  periculosum  servitus  fecisset.  W.  A.  Schmidt,  Geechicbte 
der  Denk-  und  Glaubensfreiheit  im  ersten  Jahrhundert  der  Eaiserherrschaft, 
Fierlin  1847. 

^  Es  war  gefährlich  ein  tüchtiger  Mann  zu  sein;  Plin.  Ep.  V,  14,  6: 
tandem-  homines  non  ad  pericula,  ut  prius,  verum  ad  honores  virtnt« 
pcrveniunt.    VIII,  14,  7:  cum  suspecta  virtus,  inertia  in  pretio. 

°)  Lucan.  III,  146  f.:  cuius  (der  libertas)  scrvaveris  umbram  si  quid- 
(^uid  iubeare  velis. 

*)  Plin.  Ep.  III,  16,  6:  ista  facienti,  ista  dicenti  gloria  et  aetemitas 
ante  oculos  crant.    IX,  3,  1:    mihi,  nisi  praemium  aetemitatis  ante  oculos. 


267.    Charakteristik  und  üebersicht.  581 

theatralische  Posituren  an,  man  declamiert  statt  zu  sprechen. 
Je  mehr  der  Einzelne  sich  anstrengen  muss  um  in  schwerer 
Zeit  nicht  unterzugehen,  um  so  grösser  kommt  er  sich  vor: 
eine  gewisse  Eitelkeit  haftet  allen  Persönlichkeiten  dieser  Zeit 
an  *) ,  und  genährt  wird  sie  durch  die  öfifentlichen  Vorträge  ohne 
anderen  Zweck  als  Schaustellung  des  eigenen  Ich  und  gegen- 
seitige Bewunderung.^)  Die  Unsicherheit  alles  Seins  und  Ha- 
bens, die  stete  Angst  in  der  man  lebt,  bewirkt  eine  unruhige 
Beweglichkeit,  krankhafte  Gereiztheit  und  Hast,  die  nicht  früh 
genug  beginnen  zu  können  glaubt  und  den  Augenblick  gierig 
ausbeutet,  die  Einen  in  Sinnentaumel,  die  Andern  in  leiden- 
schaftlichen Vorkehrungen  für  ihre  Unsterblichkeit.^) 

Dieser  Charakter  der  Zeit  prägt  sich  auch  in  ihrer  Schreib- 
weise aus.*)  Das  Einfache,  Natürliche  gilt  für  geistlos'*):  schim- 
mernd, pikant,  interessant  siicht  die  Rede  zu  sein;  sie  umhängt 
sich  daher  mit  dem  t'litterstaate  von  Sentenzen^),  rhetorischen 
Figuren^)  und  poetischen  Wendungen.^)     Aber  nach  dem  glei- 

pingue  illud  altumque  otium  placeat.  ib.  14,  1:  (nostro)  stadio  et  labore  et 
reverentia  posterorum.    Vgl.  V,  8,  1.    Tac.  A.  XIV,  49.extr. :  Thrasea  Bueta 
'firmitudine  animi  et  jie  gloria  intercideret. 

*)  Der  selbst  sehr  eitle  Plinius  klagt  seinerseits  wieder  über  die  Selbst- 
gewissheit  und  Selbstüberhebung  von  adolescentuli  nostri,  ep.  VIII,  23,  8. 

*)  Quintil.  X,  1,  18:  et  vitiosa  pluribus  x)^a,cent  et  a  corrogatis  lau- 
dantur  etiam  quae  non  placent.  Vgl.  Pers.  I,  83  £F.  Auch  auf  die  Beredt- 
samkeit  übte  diess  Einfluss;  Quintil.  IV,  3,  2:  quod  natum  ab  ostentatione 
declamatoria  iam  in  forum  venit,  postqnam  agcrc  causas  non  ad  utilitatem 
litigatorum,  sed  ad  patronorum  iactationem  repertum  est;  vgl.  oben  44,  4. 
Von  dem  gegenseitigen  Beräuchern  finden  aich  bei  Plinius  d.  J.  zahlreiche 
Proben,  aber  auch  bei  Martialis  und  Statins. 

")  Mit  der  aufkommenden  Sentimentalität  wächst  auch  das  Gefühl  und 
Verständniss  der  unbelebten  Natur,  das  besonders  bei  dem  jüngeren  Plinius 
(s.  d.,  A.  7)  ausgebildet  ist,  aber  auch  bei  Quintilian  u.  A.  sich  findet. 

*)  Sogar  die  Formen  der  Schrift  (Buchstaben)  auf  den  Inschriften  autj, 
dieser  Zeit  verrathen  theils  deren  gesuchte  Zierlichkeit  theils  ihre  charakter- 
lose Schwächlichkeit  neben  Gespreiztheit;  s.  Ritschl,  Rhein.  Mus.  XXIV.  S.  7. 

^)  Quintil.  II,  5,  11.  VIII.  prooem.  24  ff.,  z.  B.  26:  nos  quibus  sordot 
omne  quod  natura  dictavit.    Vgl.  unten  308,  1  u.  6. 

ö)  Quintil.  VII,  1,  44.  XII,  10,  46.  48. 

^)  Quintil.  VIII.  prooem.  24:  nihil  iam  proprium  placet  etc.  IX,  3,  1: 
pacuc  iam  quidquid  loquimur  figura  est. 

**)  Tac.  dial.  20:  exigitur  iam  ab  oratore  etiam  pocticus  color.  Quintil. 
Vlll.  prooem.  25 :  a  corruptissimo  quoque  poetarum  figuras  ac  translationes 


582  Die  Eaiserzeit.   Erstes  Jahrhundert. 

chen  Ziele  strebt  man  auf  verschiedenen  Wegen:  der  Eine 
kokettiert  (wie  Seneca)  durch  kurze  zerhackte  Sätzchen/)  der 
Andere  durch  alterthümliche  Rauhheit  oder  (wie  Persius)  durch 
künstliche  Dunkelheit  5*)  bald  erstrebt  man  Wirkung  durch  epi- 
grammatische Schärfen  und  Spitzen  (wie  Seneca  ^  Curtius,"  Ta- 
citus,  Plinius  d.  J.),  bald  durch  grelles  Colorit  (wie  Juvenal)^ 
den  Einen  ist  es  vor  Allem  um  äussere  Glätte  zu  thun,  auch 
auf  Kosten  des  Inhaltes^)  (wie  Valerius  Flaccus  und  Statins), 
den  Anderen  um  den  Eindruck  der  Gedankentiefe.  Die  Manier 
tritt  an  die  Stelle  des  Stils,  gespreiztes  Pathos  an  die  Stelle 
ruhiger  Kraft.  Wohl  erkennen  unter  Yespasian  Manche  die 
Unnatur  in  die  man  hineingerathen  ist  und  streben  grundsätzlich 
nach  der  Gedankeneinfachheit  und  dem  abgerundeten  Satzbau 
der  ciceronischen  Zeit.  So  Julius  Secundus,  Vipstanus  Messala, 
Curiatius  Matemus  und  besonders  Quintilian.  Aber  dem  Zuge 
der  Zeit  entspricht  diess  so  wenig  dass  es  ohne  Wirkung  bleibt 
und  von  ihnen  selbst  sich  nicht  rein  durchführen  lässt.  Tacitus 
verlässt  diese  Bahn  nachdem  er  es  nur  einmal  auf  ihr  versucht, 
und  der  jüngere  Plinius  weiss  Redefülle  und  glitzernde  Anti- 
thesen  mit   einander   zu    verbinden.     Die   meisten   Schriftsteller 

mutuamur.  Fun.  Ep.  VII,  9,  8:  saepe  in  orationes  quoque  non  historica 
modo  sed  prope  poetica  deHcriptionum  necessitas  (?)  incidit.  Fronto  ad 
Caes.  III,  16  (p.  54  N.):  plerumque  ad  orationem  faciendam  versus,  ad  ver- 
sificandum  oratio  magis  adiuvat. 

*)  Quintil.  IX,  4,  66:  mediis  .  .  cura  sit  .  .  ne,  quod  nunc  mazirae 
Vitium  est,  brevium  conteztu  resultent  ac  sonum  reddant  paene  puerilium 
crepitaculorum. 

')  Quintil.  VIII.  prooem.  25:  tum  demum  ingeniosi  scilicet  si  ad  in- 
tellegendoB  nos  opus  sit  ingenio.  31:  quidam  etiam  cum  optima  sunt  rc- 
perta  quaerunt  aliquid  quod  sit  magis  antiquum,  remotum,  inopinatum. 
XI,  3,  10  f.  So  Plin.  Ep.  IX,  26,  4:  sunt  maxime  mirabilia  quae  maxiroe 
insperata,  maxime  periculosa.  Tac.  dial.  23:  isti  qni  Lucilium  pro  Horatio 
et  Lucretium  pro  Vergilio  legunt,  .  .  quos  more  prisco  apud  iudicem  fa- 
bulantes  non  auditores  sequuntur  etc. 

^  Quintil.  IX,  4,  142:  duram  potius  atque  asperam  compositionem 
mali'm  esse  quam  effeminatam  et  enervem,  qualis  aj^ud  multos,  et  cotidie 
magis,  lascivissimis  syntonorum  modis  saltat.  V,  12,  18:  nos  habitum 
orationis  virilem  .  .  tenera  quadam  elocutionis  cute  operimus  et-  dum  laevia 
sint  ac  nitida,  quantum  valeant  nihil  Interesse  arbitramur.  II,  5,  23:  re- 
centis  huius  lasciviae  flosculi,  .  .  praedulce  illud  genus.  X,  1,  43:  recens 
haec  lascivia  deliciaeque  et  omnia  ad  voluptatem  multitudinis  imperitac 
composita.     Sen.  Epist.  114,  15.     Pers.  I,  63  fF. 


267.    Charakteristik  und  üeberaicht.  ö83 

halten  die  Weise  ihrer  Zeit  für  einen  Fortschritt  und  sehen  auf 
die  voraugusteische  als  formlos  herab.  ^).  Der  Sieg  des  Modernen 
über  das  Alterthümliche  ist  in  der  Literatur  vollendet;  nur  in 
Kreisen  ohne  literarische  Bedeutung  lebt  das  Antike  noch  lange 
fort  und  äussert  sich  gelegentlich  ablehnend  gegen  die  neue 
Künstelei,*)  und  technische  Schriftsteller,  wie  Celsus  und  Colu- 
mella  und  die  Juristen,  wissen  sich  davon  frei  zu  erhalten.  Für 
die  Literatur  im  Ganzen  aber  bleibt  die  Fühlung  mit  dem  Volke 
verloren;  die  meisten  Kaiser  erweitem  sogar  planmässig  die 
Kluft  zwischen  den  Gebildeten  und  der  Masse,  so  dass  diese  mit 
Gleichmut,  wo  nicht  mit  Schadenfreude,  zusieht  wie  jene  gepei- 
nigt und  geplündert  werden.  Trotzdem  ist  die  Monarchie  auch 
bei  den  Schriftstellern  allgemeine  Voraussetzung;  auch  die  Kühn- 
sten kehren  sich  nur  gegen  deren  Ausschreitungen;  Aengstlichere 
reden  von  der  Zeit  der  Republik  nicht  ohne  stilles  Grauen^); 
verhältnissmässig  klein  aber  ist  die  Zahl  derer  die  ihr  Talent 
zur  Kriecherei  erniedrigen,  wie  Vellejus  und  Valerius  Maximus 
unter  Tiberius,  Martialis  unter  Domitian.  Doch  verstand  schon 
Vespasian  die  Literatur  durch  amtliche  Stellung  und  Gehalte  an 
seine  Dynastie  zu  ketten;  öffentliche  Wettkämpfe  in  griechischer 
und  romischer  Beredtsamkeit  und  Poesie  wiederholten  sich  seit 
Caligula  oftmals*)  und  steigerten  die  Production  wie  die  Kün- 
stelei.    Eine  gewisse  geistige  und  literarische  Bildung  ist  durch 


*)  Martial.  VIII,  56,  1:  temporibus  nostris  aetaa  .  .  cedit  avorum.  Tac. 
dial.  20:  volgus  qaoque  .  .  adsuevit  iam  exigere  laetitiam  et  pulchritudi- 
Dem  orationis  nee  perfert  in  iudiciis  tristem  et  impexam  antiquitatem. 

*)  Vgl.  besonders  Persius  I,  127  ff.  III,  77  ff.  V,  189  ff.  VI,  37  ff. 
Martial.  XI,  90.  Plin.  Ep.  VI,  21,  1:  sum  ex  iis  qui  mirantur  antiquos, 
non  tamen,  ut  qnidam,  temporum  nostrorum  ingenia  despicio.  In  den  fol- 
genden Jahrhunderten  aber  wnrde  letztere  Denkweise  die  herrschende,  so 
dass  man  sich  förmlich  entschuldigte  wenn  man  auf  die  Gegenwart  zu 
reden  kam  und  in  der  Schulatmosphäre  wie  in  einer  Wolke  wandelte.  Vgl. 
J.  Burckhardt,  Constantin  S.  285  f. 

^)  Vgl.  z.  B.  Quintil.  II,  16,  5.  Die  neue  Beredtsamkeit  charakterisiert 
modus  et  temperamentum  (Tac.  dial.  41  extr.).  Dazu  trägt  auch  der  Um- 
stand bei  dass  die  meisten  grossen  Familien  seit  der  Zeit  Nero's  ausge- 
storben sind  und  das  neue  Geschlecht  keine  Anknüpfungen  hat  an  die 
republikanische  Vergangenheit. 

*)  Orelli  inscr.  1185:  poeta  latinus  coronatns  in  munere  patriae  suae 
(Beneyentum).  2603:  coronatus  inter  poetas  latinos  certamine  sacro  lovis 
Capitolini.  Mommsen  I.  B.  N.  5252.  Friedländer  Sittengesch.  IL  S.  309. 
393  f.     Vgl.  unten  314,  4. 


584  1^16  Kaiserzeit.   Erstes  Jahrhundert. 

die  zahlreichen  Lehrer  und  Schulen  weitverbreitet*),  auch  unter 
dem  weiblichen  Geschlechte ;'^)  doch  ist  es  häufig  nur  dilettanti- 
ches  Naschen  ohne  Gründlichkeit.*)  Die  Provinzen,  besonders 
Spanien  und  Gallien,  liefern  der  Literatur  ihre  bedeutendsten 
Talente f  Spanien  die  Seneca  (Vater  und  Sohn),  den  Acilius 
Lucanus  und  Annaeus  Lucanus,  Columella,  Pomponius  Mela, 
Quintilian,  Martialis,  Herennius  Senecio  u.  A.,*)  Gallien  die  Redner 
und  Rhetoren  Votienus  Montanus,  Domitius  Afer,  Julius  Florus 
und  Africanus,  Quirinalis,  Ursulus,  Rufus,  M.  Aper  u.  A.  ^)  Spater 
beginnt  Africa  tonangebend  zu  werden.^ 

Die  Rhetorik  und  Declamation  beherrscht  das  ganze  Jahr- 
hundert, Prosa  wie  Poesie,  artet  selbst  aber  immer  mehr  aus 
in  kleinliche  Scholastik  und  Zungendrescherei.  ^  Formgewandt- 
heit ist  sehr  verbreitet,  und  die  Gesetze  des  Versbaues,  wie  die 
augusteische  Zeit  sie  eingeführt,  werden  sorgfaltig  beobachtet. 
Aber  das  Formgefühl  ist  im  Schwinden  begriffen.  Die  poeti- 
schen Gattungen  werden  durcheinander  geworfen,  Poetisches 
wird  der  Prosa  beigemischt,  die  Synonymik  getrübt,  der  Wort- 
schatz durch  Schöpfungen  der  Willkür  verunstaltet;  mit  dem 
gelockerten  Satzbau  werden  manche  Partikeln  ganz  aufgegeben,**) 
andere   ihrer  eigentlichen  Bedeutung  zuwider  verwendet.^)     Da- 

')  Tac.  dial.  19:  pervolgatis  iam  omnibus  (Philosophie,  Rhetorik  u.  s.  w.), 
cum  vix  in  Corona  quisquam  adsistat  quin  elementis  studiorum  .  .  certe 
imbutuB  Bit. 

*)  Friedländer,  Sittengeschichte  Roms  I.  S.  289—293. 

•)  Tac.  dial.  32:  quod  (die  vielseitige  Bildung  der  alten  Redner)  adeo  neg- 
legitur  ab  horum  temporum  disertis  ut  etc.   Friedländer  a.  a.  0.  S.  290  f.  A.  4. 

*)  Kortüm,  geschichtliche  Forschungen  (Leipzig  1863)  S.  209  —  252: 
über  das  gleichartige  und  abweichende  Element  der  spanisch -römischen 
Dichterschule  in  der  zweiten  Hälfte  des  ersten  Jahrh.  n.  Ohr.  J.  J.  Rölly, 
Uebersicht  der  vorzüglichsten  Studien  und  Studienörtfer  im  Occident  wäh- 
rend der  römischen  Kaiserzeit,  Luzern  1869.  4. 

*)  Gallia  causidicos  docuit  facunda  Britannos,  Juv.  XV,  111.  vgl.  VII, 
147  IF.  213  f.  Quintil.  X,  3,  13:  Julius  Florus,  in  eloquentia  Galliarum  .  . 
princeps.     Froiito  p.  160  N.:  gallicanus  quidam  declamator. 

*)  Schon  luv.  VII,  148  f.:  nutricula  causidicorum  Africa. 

')  Petron.  Sat.  1 :  rerum  tumore  et  sententiarum  vanissimo  strepitu  hoc 
tan  tum  proficiunt  ut  cum  in  forum  venerint  putent  se  in  alium  orbem  terrarum 
delatos.     Ueber  die  spätere  Zeit  s.  J.  Burckhardt,  Constantin  S.  316  —  322. 

")  F.  Haase  vor  seiner  Ausgabe  des  Seneca,  T.  III.  p.  XIII — XV. 

^)  So  die  Verbindungen  quin  immo,  nempe  enim,  ergo  igitur  u.  dgl.; 
auch  der  Gebrauch  von  interim  und  vieles  Andere.  Vgl.  E.  Opitz,  speci- 
mcn  Icxilogiae  argenteae  latinitatis,  Naumburg  1852.  4. 


269.    Die  Zeit  des  Tiberius.  .    585 

durch  erhält  die'sogenannte  silberne  Latinität  ihre  eigeuthümliche 
Färbung. 

1.  Die  Zeit  der  Jnliselieii  Dynastie,  J.  14—68  n.  Chr. 

268.  Anfänglich  geht  Herrscher  und  Literatur  in  den257 
Fussstapfen  der  augusteischen  Zeit  weiter.  Je  oflFener  aber  all- 
mählich der  Despotismus  sich  entwickelt  und  je  unmittelbarer  die 
Kaiser  selbst  auf  die  Literatur  einwirken,  desto  entschiedener 
tritt  auch  deren  Umgestaltung  ein.  Die  Zeit  zerfällt  daher  in 
zwei  Abschnitte,  die  Regierung  des  Tiberius  (J.  14  —  37)  und 
die  seiner  Nachfolger  (J.  37 — 68). 

1.    CA.  Knabe,  de  fontibus  historiae  imperatornm  luliorum,  Halle  1864. 

a.   Die  Begierungszeit  des  Tiberius. 

269«  In  diesen  Jahrzehnten  sinkt  die  Schulberedtsamkeit2ö8 
langsam  von  der  Höhe  die  sie  am  Ende  der  augusteischen  Zeit 
erstiegen;  einzelne  ihrer  Vertreter,  wie  Votienus  Montanus,  Mam. 
Scaurus,  Romanius  Hispo,  sind  auch  im  Senat  und  in  den  Ge- 
richten thätig.  Von  den  Geschichtschreibem  büsst  Cremutius 
Cordus  seinen  Freimut;  Vellejus  und  Valerius  Maximus  helfen 
sich  mit  Schmeichelei.  Durch  ihren  Stoff  den  Conflicten  ent- 
rückt waren  der  Polyhistor  Celsus,  Juristen  wie  Masurius 
Sabinus,  und  die  ■  Grammatiker  wie  Julius  Modestus,  Pomponius 
Marcellus,  Remmius  Palaemon.  Am  wenigsten  gedeiht  in  der 
dumpfen  düstem  Zeit  die  Poesie.  Manilius  reicht  zwar  noch 
in  sie  herein;  sonst  aber  ist  der  Fabulist  Phädriis  für  uns  das 
Einzige  was  sie  aufzuweisen  hat,  und  auch  dieser  hatte  Ver- 
folgungen zu  erfahren,  wie  nicht  minder  Pomponius  Secundus, 
der  später  als  Tragödiendichter  auftrat. 

1.  Suet.  Tib.  42:  Asellio  Sabiuo  ae&tertia  ducenta  donavit  pro  dialogo 
in  quo  boleti  et  ficedulae  et  ostreae  et  turdi  certamen  induxerat.  A.  Kiess- 
ling,  in  Fleckeisens  Jahrbb.  103,  S.  646,  identificiert  ihn  mit  Sabinus  ÄBiliuB, 
venustissimus  inter  rhetoras  scurra,  bei  Sen.  suas.  2,  12,  und  Asillius  bei 
Suet.  Calig.  8.  Vgl.  W.  Teuffei  in  Pauly's  Real-Enc.  I,  2.  S.  1858,  Z.  4  ff. 

2.  Tac.  A.  III,  49:  fiue  anni  (21  n.  Chr.)  Lutorium  Priscum  eq.  rom.  post 
celebre  Carmen  quo  Germanici  suprema  defleverat  pecunia  donatum  a  Caesare 
corripuit  dolator,  obiectans  aogro  Druso  composuisse  quod,  si  extinctus 
esset,  maiore  praemio  volgaretur.  Derselbe  wurde  hingerichtet,  doch  ohne 
Mitwirkung  des  Tiberius.     Vgl.  Dio  LVIT,  20. 

3.  Tac.  A.  IV,  31:  C.  Cominium  eq.  rom.  probrosi  in  se  carminis 
convjctum  Caesar  precibus  fratris  .  .  cpncessit.     VI,  39:  (Sextius)  Paconia- 


586  Die  Kaiserzeit.    Erstes  Jahrhundert. 

nu8  in  carcere  ob  carmina  illic  in  principem  factitata  strangulatus  est 
Dio  LVII,  22:  AiXiov  £atOQvivov  mg  %al  ^nri  xivä  ig  avtov  ov%  ijtitriSiut 
dnoQqLtpcLvxa  .  .  dno  xov  KanitmXiov  naxcKQriftviasv.  Suet.  Tib.  61:  ob- 
iectum  est  poetae  (dem  Mam.  Scaums,  8.  nuten  271,  2)  qnod  in  tragoedia 
(betitelt  Atreus,  Dio  LVIII,  24)  Agamemnonem  probris  lacessisset  (versibus 
qui  in  Tiberium  flecterentur,  Tac.  A.  VI,  29),  obiectum  et  historico  (dem 
CremutiuB  Cordus,  s.  unten  272,  1)  quod  Brutum  Cassiomque  Ultimos 
Bomanorum  dixisset:  animadversom  statim  in.auctores  scriptaque  abolita, 
quamvis  probarentur  ante  aliquot  annos,  etiam  Augusto  andiente  recitata. 
Proben  der  Pasquille  auf  Tiberius  bei  Sueton.  Tib.  59. 

4.  Ueber  Julius  Montanus  (tolerabilis  poeta  et  amicitia  Tiberii  notus 
et  frigore)  s.  oben  247,  13. 

5.  Ueber  die  Gedichte  des  Bemmins  Palaemon  s.  unten  277,  3;   über 
Gaetulicus  s.  unten  286,  1. 

6.  Einschreiten  gegen  das  oscum  ludicrum,  oben  10,  2. 

7.  Verfolgung  des  Phädrus  durch  Sejanus  (Ph&dr.  111,  40  fif.)  s.  unten 
279,  1.    Ueber  Pomponius  Secundus  s.  unten  279,  7. 

259  S*^^*  Unter  den  Mii^liedem  des  kaiserlichen  Hauses  besass 
Tiberius  selbst  (J.  712 — 790  d.  St.)  eine  gründliche  rednerische 
Bildung  und  bethätigte  sie  schriftlich  wie  mündlich,  auch  noch 
als  Herrscher,  so  weit  sein  verschlossenes  hinterhaltiges  Weseii 
es  gestattete.  Auch  Denkwürdigkeiten  voll  kecker  Unwahrheiten 
verfasste  er,  sowie  Verse  in  lateinischer  wie  griechischer  Sprache. 
Der  unglückliche  Germanicus  (J.  739 — 772  d.  St.)  war  gleich- 
falls hochgebildet  und  verfasste  mancherlei  in  gebundener  Form. 
So  namentlich  die  poetische  Bearbeitung  von  Aratos'  astronomi- 
schem Lehrgedichte  welche  sammt  Scholien  auf  uns  gekommen  ist. 

1.  Literatur  über  Tiberius  überhaupt,  ausser  den  Geschichtswerken 
von  Hock  (1,  3.  S.  1—194),  Merivale  (Tom.  V),  C.  Peter  (HI,  1.  S.  137—230), 
E.  v.  Wietersheim  (Gesch.  d.  Völkerwand.  I.  8.  110  flF.)  u.  A.,  W.  TeuflFel,  in 
Pauly's  Real-EncVl,  2.  S.  1981—1943.  Wigand,  Kaiser  Tiberius,  Berl.  1840.  4. 
G.  R.  Sievers,  Tiberius  und  Tacitus,  Hamb.  1850  f.  4.  =»  Studien  zur  Gesch. 
d.  röm.  Kaiser  (Berlin  1870)  S.  1  —  106.  V.  Duruy,  de  Tiberio  imperatore, 
Paris  1863.  F.  F.  Baur,  de  Tacitea  Tiberii  imagine,  Tübi.  1866.  4.  J.  J. 
Bernonilli,  über  den  Charakter  des  Kaisers  Tiberius,  Basel  1869.  A.  Stahr, 
Tiberius,  Berl.  1863.  E.  Pasch,  zur  Kritik  d.  Gesch.  d.  K.  Tib.,  Altenb.  1866. 
Beule,  Tib^re  et  Th^ritage  d' Auguste,  Paris  1868.  A.  Schröder,  de  eorum 
Bcripterum  qui  de  Tib.  .  .  tradiderunt  fide  et  auctoritate,  Königsberg  1868. 
L.  Freytag,  Tib.  u.  Tacitus,  Berl.  1870.  371  8.  J.  Duchesne,  de  Taciti  ad 
enarrandum  Tiberii  Caes.  principatum  parnm  historicis  artibus,  Paris  1870. 
107  pp.    Thöse. 

2.  Suet.  Tib.  70:  artes  liberales  utriusque  generis  (griechische  wie 
römische)    studiosissime  coluit.     in   oratione    latina   secutus  'est  Corvinum 


270.  Tiberius  und  Germanicus.  587 

Messalam  (oben  218,  9 f.),  .  .  sed  adfectatione  et  morositate  nimia  obsoura- 
bat  stilum,  ut  aliqaanto  ex  tempore  quam  a  cura  praestantior  haberetur. 
Tac.  A.  XIIT,  3:  Tiberius  artem  quoque  callebat  qua  verba  expenderet, 
tum  validus  sensibns  aut  consnlto  ambiguus.  IV,  31:  compoBitns  alias  et 
velut  eluctantium  verborum,  solutius  promptiasque  eloquebatur  quotiens 
subveniret.  Schüler  des  Rbetors  Tbeodoros  aus  Gadara,  Sen.  suas.  3,  7. 
Suet.  Tib.  57.  Quintilian  III,  1,  17.  Purismus,  Suet.  Tib.  71.  Dio  LVII, 
15.  17.  Vorliebe  für  alterthümliche  Ausdrücke,  Suet.  Aug.  86.  gramm.  22. 
Leichenreden  von  ihm',  Suet.  Tib.  6.  Aug.  100.  Tac.  A.  IV,  12.  Sen.  cons.  ad 
Marc.  15,  3.  Dio  LVII,  11  u.  A.  Anklage-  und  Vertheidignngsreden ,  Suet. 
Tib.  8.  Meyer  orat.  rom.*  p.  553  —  556.  Urkunden  von  ihm  bei  Tac.  A.  III, 
6.  53  f.  IV,  40.  vgL  I,  81.  II,  63.  Suet.  Tib.  67.  ib.  61:  commentario  quem 
de  vita  sua  summatim  breviterque  composuit  (wie  August,  s.  oben  217,  4) 
ausus  est  scribere  etc.  Domit.  20:  praeter  commentarios  et  acta  Tiberii 
Caesaris  nihil  lectitabat. 

3.  Suet.  Tib.  70:  composuit  et  Carmen  lyricum,  cuius  est  titulus  Gon- 
questio  de  morte  L.  Caesaris.  fecit  et  graeca  poemata  imitatus  Eupho- 
rionem  et  Bhianum  et  Parthenium,  quibus  poetis  admodum  delectatus  etc. 
maxime  tarnen  curavit  notitiam  historiae  fabularis,  usque  ad  ineptias  atque 
derisum.  natn  et  grammaticos,  quod  genus  hominum  praecipue  appetebat, 
eiusmodi  fere  quaestionibus  experiebatur,  quae  mater  Hecubae  etc.  Nach 
Suidas  (v.  KaiaaQ  TißsQiog)  iy^wipsv  inLyQ€C(iftcctci  %ccl  zi%vriv  ^JitOQi%riv, 
Letzteres  wohl  ein  Missverstö^ndniss. 

4.  Ueber  Germanicus,  den  Neffen  und  Adoptivsohn  des  Tiberius, 
s.  A.  Haakh  in  Pauly's  Real-Enc.  UL  S.  838  —  848  und  G.  F.  Hertzberg  in 
Ersch  und  Grubers  Encyclopädie  I,  61  (1855)  S.  172—209.  Peterek,  Ger- 
manicus, ein  biograph.  Versuch ,  Trzemesno  1843.  4.  A.  Zingerle,  de  Ger- 
manico  Caesare  Drusi  filio,  Trient  1867  (Progr.)  p.  3  —  31. 

5.  Suet.  Calig.  3  von  Germanicus:  ingenium  in  utroque  (vgl.  A.  2)  elo- 
quentiae  doctrinaeque  genere  praecellens.  .  .  oravit  causas  etiam  triumpha- 
lis,  atque  inter  cetera  studiorum  monimenta  reliquit  et  comoedias  graecas. 
Plinius  n.  h.  VIII,  42,  155:  fecit  et  divus  Augustus  equo  tumulum,  de  quo 
Germanici  Caesaris  carmen  est.  Tac.  A.  II,  83:  veteres  inter  scriptores 
haberetur.  Ovid.  Fast.  I,  19 ff.:  docti  .  .  principis.  quae  sit  culti  facundia 
sensimus  oris  civica  pro  trepidis  cum  tulit  arma  reis.  25:  vates  rege  vatis 
habenas.  ex  Pont.  II,  5,  53  ff.  IV,  8,  67  (non  potes  officium  vatis  contem- 
nere  vates)  ff.  70:  gloria  Pieridum  summa  futurus  eras.  73:  modo  bella 
geris,  numeris  modo  verba  coerces.  77:  tibi  nee  docti  desunt  nee  principis 
artes.  Griechische  und  lateinische  Epigramme?  Anal.  IL  p.  159  (146  läc). 
285  (Nr.  2.  3).  Anthol.  lat.  708  R.  =  Anthol.  Pal.  IX,  387  (ASgiavov  KccCaagog, 
ot  dh  FsQuccviiLov).     709  =  Anth.  Pal.  VII,  542  (*Xaxitov). 

.  6.  Unter  dem  Titel  Claudii  Caesaris  Arati  Phaenomena  (auch  Aratus 
Germanici  ad  Augustum)  ist  uns  durch  Hdss.,  deren  älteste  sind  (s.  Breysig's 
Ausg.  p.Xni— XXVI  vgl.  R.  Dahms  in  Fleckeisens  Jahrbb.  99,  p.  269—275) 
die  Basler  saec.  VIII  (A  bei  Breysig)  und  Paris.  7886  (=  Puteaneus)  saec 
IX  (P),  überliefert  eine  lateinische  Bearbeitung  des  astronomischen  Lehr- 
gedichtes des  Aratos  aus  Soloi,  in  wohlgebauten  Hexametern,  die  iPaivo- 


588  I^ie  Eaiserzeit.   Erstes  Jahrhundert. 

(i6va  in  725,  wozu  drei  grössere  Bruchstficke  über  den  Einfluss  der  Gestirne 
auf  die  Witterung  {ÖLoarmsCa  oder  prognostica)  von  mehr  als  200  Versen. 
Gegenüber  von  den  Ueberresten  der  ähnlichen  Jagendarbeit  des  Cicero 
(oben  186,  2)  und  der  Arbeit  des  Avienus  zeichnet  sich  jene  durch  Selb- 
ständigkeit, Sachkenntniss  nnd  verhältnissmässige  poetische  Begabung  ans. 
Vgl.  J.  Frey,  de  Germ.  Ar.  interpr.  p.  XXIV:  Germanicus  prooemium  de 
suo  praemisit,  fabulas  nonnuUas  Arato  plane  intactas  addidit.  quae  apud 
Aratum  non  recte  disposita  intellexit  in  raeliorem  ordinem  redegit,  plnra 
quae  falsa  ab  Arato  prodita  esse  ex  posterioris  aetatis  astrologorum  libris 
cognoverat  correzit.  Den  Mythen  gegenüber  verhält  sich  der  Verfasser 
kritisch;  s.  Phaen.  31.  166.  264.  Die  Vergleichung  mit  Aratos  und  Avie- 
nus, sowie  die  Verwendung  als  Lehrbuch  der  Astronomie  hat  dem  Texte 
viele  Interpolationen  zugezogen;  s.  A.  Breysig's  praef.  p.VfF. 

7.  Als  Verfasser  betrachten  den  Cl audier  Germanicus  (Sohn  des  Drusns) 
z.  B.  Hieronymus,  Lactantius  (inst  V,  5),  während  Firmic.  math.  IL  praef.  (vgl. 
VIII,  5)  ihn  lulius  Caesar  nennt.  Dass  es  vielmehr  der  Flavier  Domitianns  sei 
wollten  RutgersiuB  u.  A.  folgern  aus  v.  2  ff.:  carminis  at  nobis,  genitor,  tu 
maximuB  auctor,  te  veneror,  tibi  sacra  fero  doctique  laboris  primitias  (vgl.  16: 
pax  tua  tuque  adsis  nato),  während  v.  658  ff.  (welche  Breysig  p.  XI  f.  den  Pro- 
gnost.  zutheilt)  Abfassung  nach  dem  Tode  Augusts  beweisen.  Aber  genitor 
vom  Adoptivvater  (hier:  Tiberins)  ist  nicht  ungewöhnlich  (Merkel  ad  Ibin 
p.  379),  Ti.  Caesaris  Aug.  filius  (Divi  Aug.  nep.,  Divi  luli  pronepos)  heisst 
Germanicus  auch  offiziell  (z.  B.  Orelli  -  Henzen  6380),  und  diese  Arbeit  mag 
ganz  wohl  die  erste  fertig  gewordene  des  Verf.  sein ,  namentlich  gegenüber 
von  den  später  verfassten  (Phaen.  444  f.)  Prognostica.  Gegen  die  Beziehung 
auf  Domitian  spricht  das  Schweigen  sämmtlicher  Lobhudler  desselben  über 
eine  derartige  Leistung,  sowie  der  Umstand  dass  Domitianus  sich  den  Titel 
Germanicus  erst  als  Kaiser,  nach  seinem  Chattenfeldzuge  im  J.  84  n.  Chr., 
beilegte;  s.  Frontin.  Strat.  II,  11,  7:  imperator  Caesar  Domitianus  Augustus 
Germanicus  eo  hello  quo  victis  hostibus  cognomen  Germanici  meruit,  cum 
in  finibus  Chattorum  castella  poneret  etc.  Vgl.  Martial.  II,  2:  Creta  dedit 
magnum,  maius  dedit  Africa  nomen;  nobilius  domito  tribuit  Germania  Rheno, 
et  puer  hoc  dignus  nomine,  Caesar,  eras;  .  .  quae  datur  ex  Chattis  laurea 
tota  tua  est;  wiewohl  hieraus  gefolgert  werden  könnte  dass  Domitianus  et 
puer  diesen  Namen  geführt  habe,  was  sich  aber  sonst  nicht  erweisen  lässt. 
A.  Imhof,  Domitian  S.  131  —  135. 

8.  Ausgaben  der  Aratea  des  Germanicus.  Ed.  princeps  Bonon.  1474.  4. 
Venet.  1488  und  (Aid.)  1499.  fol.  Ed.  Hugo  Grotius,  Lugd.  B.  1600.  4.  Cum 
comm.  varr.  ed.  J.  C.  Schwartz  (Coburg  1715).  An  Buhle's  Ausgabe  des 
Aratoa  (Lips.  1801)  und  besonders  an  J.  C.  Orelli's  Ausg.  des  Phädrus  (1831) 
p.  137  —  210.     Cum  scholiis  ed.  A.  Breysig,  Berol.  1867. 

9.  J.  C.  Schaubach,  de  Arati  interpretibus  rom.  (Meiningen  1817.  4.) 
p.  6  ff.  J.  Frey,  im  Rhein.  Museum  XIU.  S.  409  —  427  und  Epistola  critica 
de  Germanico  Arati  interprete,  Culm  1861.  4.  M.  Haupt  im  Hermes  IlT. 
p.  153-155. 

10.  Ausser  dem  Lehrgedichte  selbst  besitzen  wir  auch  Scholicn  dazu 
aus  verschiedenen  Zeiten.      Die   älteren   (des  Basil.  und  Paris.)   waren   im 


270  f.  GermanicuB  (Aratea).    Redner:  Montanus.  589 

vierten  Jahrh.  (Lactantius)  schon  vorhanden  und  wohl  auch  schon  in  Ver- 
bindung mit  dem  Gedichte  des  Germanicus.  Sie  sind  eine  Bearbeitung  eines 
griechischen  Werkes,  nach  früherer  Ansicht  der  ntttocatsgiafiol  des  Ps.  Era- 
tosthenes,  nach  J.  Frey  (Rhein.  Mus.  XXV.  S.  263  —  272)  vielmehr  eines 
griechischen  Interpreten  des  Aratos.  Durch  Zuthaten  aus  PliniuSf  Hyginus, 
Suetonius,  Censorinus,  Martianus,  (Isidor?)  wahrscheinlich  für  Schulzwecke, 
erweitert  sind  diese  Scholien  im  cod.  Strozzianus  saec.  XIV  und  (corrupter) 
im  ürbinas  (Vatic.  1358)  saec.  XV.  Eine  dritte  Fassung,  welche  vorzugsweise 
die  Mythen  berücksichtigt  und  hauptsächlich  durch  den  Sangermanensis  (G) 
saec.  IX  vertreten  ist,  weicht  von  der  älteren  Fassung  so  sehr  ab  dass  sie 
wie  ein  selbst^diges  Werk  erscheint.  A.  Breysig,  Philologus  XIII.  S.  660 — 
G68  und  Praef.  p.  XXVI  ff.  Vgl.  Reifferscheid ,  Suet.  p.  440— 444.  Ausgaben 
derselben  an  denen  des  Germanicus  (s.  A.  8),  z.  B.  der  von  Breysig  p.  64 — 238. 
Auch  an  Eyssenhardt's  Martianus  Capella  (Lips.  1866)  p.  377  ff. 

11.  Schaubach,  Observatt.  in  scholia  ad  Germanici  Caes.  Phaenomena, 
4  Partes,  Meiningen  1821 — 1834.  4.  Suringar,  de  mythographo  astronomico 
qui  vulgo  dicitur  scholiastes  Germanici,  Lugd.  B.  1842.  4.  A.  Breysig,  zum 
scholiastes  Germanici,  Philologus  XIII.  S.  657—669,  und  Emendationen  zum 
Schol.  des  Genn.,  Posen  1865.  24  S.  4. 

271.  Unter  den  Rednern  der  Zeit  waren  die  bedeutend-260 
sten  und  zugleich  Herausgeber  eigener  Reden  und  rednerischer 
Schriften  der  ehren werthe,  aber  als  Redner  masslose  Votienus 
Montanus  aus  Narbo;  der  talentvolle  aber  träge  und  lüderliche 
Mamercus  Scaurus;  Asinius  Gallus  (J.  714 — 786  d.  St.),  Ver- 
fasser einer  Vergleichung  zwischen  seinem  Vater  Pollio  und 
Cicero;  der  Ritter  P.  Vitellius,  welcher  den  Piso  als  Mörder  des 
Germanicus  b^elangte;  Domitius  Afer  (um  740  —  812  d.  St.)  aus 
Nemausum,  der  unter  Tiberius,  Caligula  und  Nero  hohe  Aemter 
bekleidete  und  vor  den  Gerichten  wirkte,  jedoch  als  Mensch 
minder  achtbar  war  und  als  Redner  seinen  Ruhm  überlebte. 

1.  Hieronym.  zu  Ena.  chron.  a.  Abr.  2043  =  Tib.  14  =  780  =  27  n.  Chr.: 
Votienus  Montanus  Narbonensis  orator  in  Balearibus  insulis  moritnr, 
illuc  a  Tiberio  '(zwei  Jahre  vorher)  relegatus.  Vgl.  Tac.  A.  IV,  42:  habita 
per  illoB  dies  (J.  778  d.  St.)  de  Votieno  Montano,  celebris  ingenii  viro, 
cognitio.  .  .  postulato  Votieno  ob  contumelias  in  Caesarem  dictas  (die 
aber  -wahrheitsgemäss  waren)  etc.  Votienus  maiestatis  poenis  adfectus  est. 
Sen.  controv.  IX.  praef.  1 :  Montanus  Votienus  adeo  numquam  ostentationis 
declamavit  causa  ut  ne  exercitatis  quidem  declamaverit.  28,  17:  habet 
hoc  Montanus  vitium:  sentöntias  suas  repetendo  corrumpit;  .  .  et  propter 
hoc  et  propter  alia  .  .  solebat  Scaurus  Montanum  inter  oratores  Ovidium 
vocare  (oben  242,  6).  28,  15:  Montanus  Votienus,  homo  rarissimi,  etiamsi 
non  emendatissimi  ingeni,  vitium  suum,  quod  in  orationibus  non  evitat,  in 
scholasticis  quoque  evitare  non  potuit.  .  .  memini  illum  pro  Galla  Nnmisia 
apud  centumviros  tirocinium  ponere.    .  .  (16:)  ex  üs  quaedam  in  orationem 


■  Tf-: 


^^""^^^ 


590  Die  Kaiserzeit.   Erstes  Jaiirhandert. 

contulit  et  alia  plura  quam  dixerat  adiecit.  29,  17:  Montanus  Votienus 
Marcellum  Marcium  amicum  euum,  caius  frequenter  mentionem  in  scriptis 
sais  facit  tamquam  hominis  diserti,  aiebat  dixisse  etc.  YII,  20:  Vinicius 
(oben  263,  10)  erat  non  aequus  ipai  Montano.  accusaverat  illom  apud  Cae- 
sarem,  a  colonia  Narbonensi  rogatus.  at  Montanus  adeo  toto  animo  scho- 
lasticus  erat  ut  eodem  die  quo  accusatus  est  a  Vinicio  disceptarit  in  Yinici 
(Lücke).  Yoin  siebenten  Buche  des  Seneca  an  häufige  Proben  aus  den 
Schulreden  des  Montanus. 

2.  Mam.  Aemilius  Scaurus,  insignis  nobilitate  (Urenkel  des  princeps 
senatus  oben  141,  10)  et  orandis  causis,  vita  probrosus  (Tac.  A.VI,  29  vgl. 
III,  66),  im  J.  787  ==  34  n.  Chr.  durch  Tiberius  zur  SelbsttÖdtung  getrieben, 
vgl.  oben  269,  3  und  272,  4.  W.  Teuffei  in  Pauly's  Real-Enc.  I,  1.  S.  374  f., 
Nr.  6.  üeber  ihn  Seneca  controv.  X.  praef.  2 — 4:  non  novi  quemquam 
cuius  ingenio  populus  rom.  pertinacius  ignoverit.  dicebat  neglegenter;  saepc 
causam  in  ipsis  subselliis,  saepe  dum  amicitur  di^cebat.  .  .  nihil  erat  illo 
venustiuB,  nihil  paratius.  genus  dicendi  antiquum,  verborum  quoque  non 
volgarium  gravitas,  ipse  voltus  habitusque  corporis  mire  ad  auctoritatcm 
oratoriam  aptatus.  (3.)  sed  .  .  ignavns  Scaurus.  .  .  pleraeque  actiones  malae, 
in  Omnibus  tarnen  aliquod  magni  ingeni  vestigium  extabat.  .  .  orationes 
Septem  edidit,  quae  deinde  senatusconsulto  combustae  sunt  (vgl.  ob.  269, 3). 
bene  cum  illis  ignis  egerat;  sed  extant  libelli  qui  cum  fama  eiua  pugnant, 
niulto  quidem  solutiores  ipsis  actionibus.  (4.)  declamantem  audivimus,  et 
novissime  quidem  M.  Lepido.  I,  2,  22:  Scaurus  non  tantum  disertissimus 
horao  sed  venustissimus.  Tac.  A.  III,  31:  Mam.  Scaurus,  qui  .  .  oratorum 
ea  aetate  uberrimus  erat.  Proben  seines  treffenden  witzigen  Urteils  bei 
Sen.  contr.  I,  2,  22.   H,  9,  39.   IX,  28,  17;   vgl.  X,  31,  19. 

3.  C.  Asinius  Gallus,  Sohn  des  Asinius  Pollio  (oben  218,  1  ff.),  Cos. 
746,  J.  780  durch  Tiberius  zum  Tode  getrieben;  s.  W.  Teuffei  in  Pauly's 
Real-Enc.  I,  2.  S.  1865  f.  Nr.  9.  Plin.  Epist.  VII,  4,  3:  libri  Asini  Galli 
de  comparatione  patris  et  Ciceronis.  ib.  §.  6:  libros  Galli  .  .  quibus  illc 
parenti  ausu^  de  Cicerone  dare  est  palmamque  decusque.  Claudius  schrieb 
dagegen;  s.  unten  281, 2.  Quintil.  Xu,  1,  22:  Asinio  utrique,  qui  vitia  orationis 
eins  (des  Cicero)  etiam  inimice  pluribus  locis  insequuntur.  Gellius  XVII, 
1,1:  nonnulli  tam  prodigiosi  tamque  vecordes  extiterunt,  in  quibus  sunt 
Gallus  Asinius  et  Largius  liicinus^  cuius  liber  etiam  fertur  infando  titulo 
„  Ciceromastix *^,  ut  scribere  ausi  sint  M.  Ciceronem  parum  integre  atque 
improprie  aXqae  inconsiderate  locutum.  Epigramm  von  Gallus  auf  den 
Grammatiker  Marcellus  (unten  277,  2)  bei  Sueton.  gramm.  22. 

4.  P.  Vitellius,  Bruder  des  nachmaligen  Kaisers,  Germanici  comes, 
Cn.  Pisonem  inimicum  et  interfectorem  eins  accusavit  condemnavitque  (Suet. 
Vitell.  2),  J.  772  ==  19  n.  Chr.  Er  selbst  starb  784  =-  31;  s.  W.  Teuffei  in 
Pauly's  Real-Enc.  VI,  2.  S.  2682,  Nr.  4.  Plin.  n.  h.  XI,  187:  extat  oratio 
Vitelli  qua  Gn.  Pisonem  eius  sceleris  (veneficii)  coarguit  hoc  usus  argu- 
mento  etc. 

6.  Hieronym.  a.  Abr.  2062  »  Claud.  6  »  46  n.Chr.:  Domitius  Afer 
Nemausensis  clarus  orator  habetur,  qui  postea  Nerone  regnante  ex  cibi 
redundantia  in  cena  moritnr.    Cos.  suff.  unter  Caligula  J.  792  »>  39  n.Chr.; 


271.  ScauruB,  Afer  u.  a.  Redner.  591 

cur.  aquaram  J.  802  —  812  (Frontin.  aq.  102:  Cn.  Domitius  Afer).  J.  779 
Ankläger  der  Claudia  Pulchra,  Tac.  A.  lY,  52:  recens  praetura,  modicus 
dignationis  et  quoqno  facinore  properuB  clarescere.  .  .  Afer  primoribus 
oratorum  additus,  divulgato  ingenio.  .  .  mox  capessendia  accuBationibus 
aut  reoB  tutando  prosperiore  eloquentiae  quam  morum  fama  fuit,  üisi 
quod  aetas  extrema  multum  etiam  eloquentiae  dempait.  IV,  66:  nuUo  mi- 
rante  quod  diu  egens  et  parto  nuper  praemio  male  ubub  plura  ad  flagitia 
accingeretur.  XIV,  19:  sequuntur  (J.  812  =>  59)  virorum  illustrium  mortes, 
Domitii  Afri  et  M.  Servilii  (unten  286,  2),  qui  summis  honoribus  et  multa 
eloquentia  viguerant,  ille  orando  causas,  Servilius  diu  foro,  mox  tradendis 
rebus  rom.  celebris  et  elegantia  vitae,  quam  clariorem  eifecit  (als  Afer), 
ut  par  ingenio  ita  morum  diverBus  (besser  als  Afer).  Vgl.  noch  Plinius 
Ep.  VIII,  18,  5  ff.  Quintil.  X,  1,  118:  eorum  quos  viderim  Domitius  Afer 
et  lulius  Airicanus  longe  praestantissimi.  verborum  arte  ille  et  toto  genere  di- 
cendi  praeferendus  et  quem  in  numero  veterum  habere  non  timeas.  XII,  11, 3 : 
vidi  ego  longe  omnium  quos  mihi  coguoscere  contigit  summum  oratorem, 
Domitium  Afrum,  valde  senem  cotidie  aliquid  ex  ea  quam  meruerat  aucto- 
ritate  perdentem,  cum  agente  illo,  quem  principem  fuisse  quondam  fori 
non  erat  dubium,  alii  .  .  riderent,  alii  erubcscerent.  Vgl.  noch  XII,  10,  11 
(oben  44,  2).  Tac.  djal,  13.  15.  Dio  LIX,  19.  Plin.  Ep.  II,  14,  10:  narrabat 
ille  (Quintilian) :  adsectabar  Domitium  Afrum;  cum  apud  centumviros  dicerct 
graviter  et  lente,  hoc  enim  illi  actionis  genus  erat  etc.  Besonders  berühmt 
seine  (herausgegebenen)  Reden  pro  Voluseno  Catulo  (Quintil.  X,  1,  24),  pro 
Domitilla  (ib.  VIII,  6,  16.  IX,  2,  20.  8,  66.  4,  31),  pro  Laelia  (ib.  IX,  4,  31). 
Meyer,  orat.  fragment.  p.  565 — 570.  Sonstige  Schriften:  Quintil.  V,  7,  7: 
sufGciebant  alioqui  libri  duo  a  Domitio  Afro  in  hanc  rem  (de  testibus) 
compositi,  quem  adulescentulus  senem  colui.  VI,  3,  42:  mire  fuit  in  hoc 
genere  (witzigen  Beschreibungen)  venustus  Afer  Domitius,  cuius  orationibus 
complures  huiusmodi  narrationes  insertae  reperiuntur;  sed  dictonim  quoque 
ab  eodem  urbane  sunt  editi  libri.    Vgl.  ib.  27  u.  32. 

6.  Bruttedius  Niger,  aedilis  J.  775  =»  22  n.Chr.,  Tac.  A.  III,  66  (Brut- 
tedium  artibus  honestis  copiosum  et,  si  rectum  iter  pergeret,  ad  clarissima 
quaeque  iturum  festinatio  exstimulabat).  Freund  des  Sejan,  Juv.  X,  83. 
In  der  Rhetorik  war  er  Schüler  des  ApoUodoros,  Sen.  controv.  11,  9,  36. 
Proben  aus  seinen  Schulreden  ib.  35  und  wohl  auch  suas.  6,  20  f.  die  Er- 
zählung über  Cicero^B  Tod  und  die  Ausstellung  seines  Kopfes. 

7.  Sex.  Pompeius,  Freund  des  Germanicus  (Ovid.  ex  Pont.  IV,  5,  25  f. 
vgl.  Tac.  A.  ni,  11),  Consul  im  Todesjahre  des  Augustus  (767  ^  14  n:Chr.), 
Gönner  des  Ovidius  (ex  Pont.  IV,  1,  21  ff.  5,  37  ff.  15,  3  f.  37),  welcher  an 
ihn  seine  Briefe  ex  Pont.  IV,  1.  4.  5.  15  gerichtet  hat,  sowie  des  Valerius 
Maximus  (unten  274,  1).  Wie  Ovid  dessen  facundum  os  erwähnt  (ex  Pont. 
IV,  4,  37),  so  Val.  Max.  II,  6,  8  (facundissimo  sermone,  qui  ore  eins  quasi 
e  beato  quodam  eloquentiae  fönte  emanabat).  IV,  7.  ext.  2  (clarissimi  ac 
disertissimi  viri). 

8.  Tac.  A.  in,  24 :  M.  (lunii)  Silani  potentia,  qui  per  insignem  uobilitatem 
et  eloquentiam  praecellebat.     Cos.  772  =-*  19  n.  Chr.;  zum  Tode  genöthigt 


592  Die  Kaiserzeit.    Erstes  Jahrhundert. 

(Suet.  Calig.  23)  von  Caligula,  der  seine  Tochter  Junia  Claudilla  (ib.  12.  Tac. 
A.  VI,  20)  zar  Frau  hatte. 

9.  Tac.  A.  VI,  48:  poenae  in'Laelium  Balbum  decernuntur  (J.  790=«37). 
.  .  Baibus  truci  eloqueutia  habebatur,  promptus  adversum  insontes.  Vgl. 
ib.  47.  Quintil.  X,  1,  24  r  uobis  pueris  insignes  pro  Voluseno  Catulo  (s.  A. 
5)  Decimi  Laelii  oratioues  ferebantur. 

10.  Tac.  A.  VI,  47:  (Vibius)  Marsus  quoque  vetastis  honoribus  et  in- 
lustris  studiis  (Beredtsamkeit)  erat.  A.  Haakh  in  Pauly's  Real-Enc.  VI,  2. 
S.  2571,  Nr.  23. 

11.  Ueber  Valerius  Messalinns  s.  oben  262,  6;  über  Bomanius  Hispo, 
Vinicius  u.  A.  s.  oben  263,  10. 

261  272,  Das  Ende  der  Republik  und  die  Gründung  der  Mon- 
archie hatte  noch  unter  Augustus  A.  Cremutius  Cordus  in 
freimütiger  Weise  behandelt,  was  jetzt  zu  seiner  Verfolgung 
den  Vorwand  gab.  Unter  Tiberius  bearbeitete  denselben  Stoff, 
in  der  rhetorischen  Manier  der  Zeit,  der  philosophisch  gebildete 
Aufidius  Bassus,  welcher  die  Bürgerkriege  und  die  Feldzüge 
gegen  die  Germanen  beschrieb  und  nachher  an  dem  älteren 
Plinius  einen  Fortsetzer  fand.  Auch  der  Vater  Seneca  schrieb 
in  dieser  Zeit  sein  Geschichtswerk.  Ebenso  war  Tuscus  sowohl 
Schulredner  als  Geschichtschreibei*. 

1.  Tac.  A.  IV,  34:  Cremutius  Cordus  postulatur  (J.  778  =  25  n. 
Chr.)  .  .  quod  editis  annalibus  landatoque  M.  Bruto  (Tgl.  Plut.  Brut.  44) 
C.  Cassium  Romanorum  ultimum  dixisset  (ygl.  oben  269,  8).  Vertheidignngs- 
rede  desselben  ib.  34  f.  Egreasus  dein  senatu  vitam  abstinentia  finivit. 
libros  per  aediles  cremandos  censuere  patres;  sed  manserunt,  occultati  et 
editi,  ib.  35.  Sen.  cons.  ad  Marc.  1,  2  (A.  Cremutii  Cordi,  parentis  tui). 
22,  6  ff .  Dio  LVII,  24.  Die  eigentliche  Ursache  des  Angriffes  auf  ihn  wa- 
ren Aeusserungen  durch  die  er  den  Sejan  beleidigt  hatte,  Sen.  ad  Marc. 
22,  4  f.  —  Dio  L  1.:  vazBQOv  6h  i^sSo^  ctv^t£  {xa  üvyyodfifuxza  avxov)^ 
aXXoi  XB  yoiQ  %ccl  {idliaxa  ^  Q'vyixxfiif  avvov  MaquUa  avvengvipBv  avxti. 
Sen.  ad  Marc.  1,  3  f.  Sneton.  Calig.  16  (oben  262,  10).  Mittheilungen  dar- 
aus, auf  den  Tod  des  Cicero  sich  beziehend,  bei  Seneca  suas.  7,  19.  23. 
Auf  Ausscheidung  der  stärksten  Stellen  bei  der  neuen  Herausgabe  deutet 
Quintil.  X,  1,  104:  habet  amatores,  nee  immerito,  Cremuti  libertas,  qnam- 
quam  circumcisis  quae  dixisse  ei  nocuerat;  vgl.  Philologus  VI.  S.  139.  753  f. 
C.  Rathlef,  de  A.  Cremutio  Cordo,  Dorpat  1860.  78  pp.  C.  v.  r(aucker), 
Domitian  und  Cremutius  Cordus,  Mitau  1861  (Sitzungsber.  der  knrländ. 
Ges.  f.  Lit.). 

2.  Sen.  Epist.  30,  1:  Bassum  Au fidium,  virum  optimnm,  vidi  quas- 
sum,  aetati  obluctantem.  ib.  3:  Bassus  tarnen  noster  alaccr  animo  est.  hoc 
philosopliia  praestat  etc.  ib.  5.  10.  14:  dicebat  ille,  Epicuri  praeceptis 
obsequens  etc.    Quintil.  X,  1,  108:  quam  (die  auctoritas  historiae)  panlum 


272  f.  Cremutius  Cordus,  Aufidius  Bassus,  Velleius  u.  a.  593 

aetate  praecedens  eum  (den  Servilius,  unten  286,  2)  Bassus  Aufidius  egregie, 
utique  in  libris  belli  germanici,  praestitit,  genere  ipso  probabilis  in  omnibus^ 
sed  in  quibusdam  suis  ipse  viribus  minor.  Proben  aus  seinem  Geschichts- 
werke,  über  Cicero's  Tod,  in  ziemlich  gesuchten  Wendungen,  bei  Sen.  suas. 
6,  18  u.  23.  Vgl.  Plin.  i^.  h.  VI,  9,  27:  universae  (Armeniae)  magnitudinem 
Aufidius  ..  .  prodidit.  praef.  20:  diximns  .  .  temporum  nostrorum  histeriam, 
orsi  a  fine  Aufidii  Bassi.  Da  des  Plinins  Werk  mindestens  die  spätere  Re- 
gierung Nero's  behandelte  (s.  unten  307,  5),  so  wird  Aufidius  mit  der  des 
Claudius  geschlossen  haben.  Zweifelhaft  ist  ob  die*  libri  belli  germanici  ein 
selbständiges  Werk  waren  oder  ein  Bestandtheil  des  grösseren.  Mommsen, 
Cassiodor  S.  558  f.  Tac.  dial.  23:  (Alterthümler)  quibus  eloquentia  Aufidi 
Bassi  aut  Servilii  Koniani  ex  ^comparatione  Sisennae  aut  Varronis  sordet. 
W.  Teuffei  in  Pauly's  Real-Enc.  I,  2.  S.  2129  f.  Nr.  11. 

3.  Ueber  Seneca  s.  oben  264,  3. 

4.  Sen.  suas.  2,  22:  histericum  quoque  vobis  fatuum  dabo.  Tuscus  ille 
qui  Scaurum  Mamercum  (oben  271,  2)  in  quo  Scaurum  familia  extincta  est 
maiestatis  reum  fecerat,  homo  quam  improbi  animi  tam  infelicis  ingenii, 
cumhanc  suasoriam  declamaret  dixit  etc.  Bei  Tac.  A.  VI,  29  heissen  die  An- 
kläger des  Scaurus  (J.  787  =  34)  Servilius  und  Cornelius;  einer  von  beiden 
wird  also  das  Cognomen  Tuscus  gehabt  haben. 

6.  Aemilius  Sura  de  annis  populi  rom.  (vgl.  oben  S.  272,  c  u.  d):  As- 
syrii  principes  etc.  lautet  eine  alte  Glosse  welche  in  den  Text  des  Vellejus 
(I,  6,  6)  als  Parallelstelle  hineingerathen  ist.  Das  Werk  scheint  ein  Abriss 
der  Weltgeschichte  gewesen  zu  sein,  etwa  in  der  Art  des  vellejanischen, 
angelegt  nach  den  fünf  Weltmonarchien  (assyrische,  medische^  persische, 
makedonische,  römische),  deren  fünfte  dann  die  anni  pop.  rom.  gebildet 
haben  werden.  Zeit  der  Abfassung  unbekannt.  Th.  Mommsen^  Rhein.  Mus. 
XVI.  S.  282  —  284.    Reifferscheid's  Sueton.  p.  XVI  f.  vgl.  oJ)en  157,  3. 

6.   Ueber  Annius  Fetialis  s.  oben  264,  8. 

273.  Vorzugsweise  die  Geschichte  der  Monarchie  behandelt262 
auch  der  Abriss  der  römischen  Geschichte  in  zwei  Büchern  von 
M.  Vellejus  Paterculus  aus  J.  30  n.  Chr.  Der  Verfasser  ist 
ein  Kriegsmann  der  unter  Tiberius  diente  und  ihn  bewundern 
lernte,  nun  aber  sich  in  ein  Pathos  der  Loyalität  und  des  Stils 
hineingeschraubt  hat  welches  alles  was  mit  seinem  Kriegsherrn 
zusammenhängt  in  überschwänglicher  Weise  preist  und  verherr- 
licht, auf  Gegnerisches  aber  losschlägt.  Für  den  innern  Zusam- 
menhang der  Dinge  hat  er  kein  Verständniss,  sein  Interesse  gilt 
den  Personen.  Seine  Kedeweise  ist  pomphaft  und  geziert,  aber 
an  Manchfaltigkeit  und  Gewandtheit  fehlt  es  ihr.  Besonders 
ungelenk  ist  sein  Satzbau.  Der  W^ortschatz  ist  in  der  Hauptsache 
noch  der  classische,  die  ganze  Behandlungsweise  jedoch,  die  den 
Stoff  vornehmlich  als   Mittel  der  Selbstbespiegelung  verwendet, 

Teüpfki.,  Rom.  LiteraUirgeschiclite.   2.  Aufl.  38 


594  Die  Kaiserzeit    Erstes  Jahrhundert 

vollkommen  im  Geiste   des  ersten  Jahrhunderts.     Das  Werk  ist 

♦  

nur  durch  Eine  Handschrift  überliefert,  das  erste  Buch  in  trüm- 
iiierhaftem  Zustande. 

1.  Ueber  sefhe  persönlichen  Verhältnisse,  wie  die  seiner  Familie,  gibt 
Vellejus  Öfters  mit  eitler  Umst&ndlichkeit  Nachricht.  II,  101,  2  f.:  qnod 
äpectacnlum  (J.  754  d.  St)  .  .  sub  initia  stipendiorum  meorum  tribano  mi- 
litum  mihi  visere  contigit.  qaem  militiae  gradum  ante  sub  patre  tuo,  M. 
Vinici,  et  P.  Silio  auspicatus  in  Thracia  Maeedoniaque,  mox  Achaia  Asia- 
qua  et  Omnibus  ad  orientem  yisis  provinciis  et  ore  atqne  utroqne  maris 
pontici  latere,  haud  iniucunda  tot  reram,  locorum  .  .  recordatione  perfrnor. 
104,  3:  hoc  tempus  (J.  757)  me  .  .  caatrorum  Ti.  Caesaris  militem  fecit. 
quippe  protinus  ab  adoptione  (Jani  757)  missus  cum  eo  praefectus  equitam 
in  Germaniam,  successor  of&ci  patris  mei,  coelestissimornm  eins  operum 
per  annos  continuos  VIII  praefectus  aut  legatus  spectator  et  .  .  adiutor  fiii. 
111,  3  f.:  habuit  in  hoc  quoque  hello  (pannonico,  J.  759)  mediocritas  nostra 
speciosi  ministeri  locum.  finita  equestri  militia  designatus  quaestor,  nec- 
dam  Senator,  aequatus  senatoribus  et  iam  designatis  tribunis  plebei  par- 
tem  exercitus  ab  urbe  traditi  ab  Augusto  perduxi  ad  filium  eias  (Tiberius). 
ia  quaestura  (J.  760)  deinde,  remissa  sorte  provinciae,  legatus  eiusdem  ad 
eundem  missus  sum.  113,  3:  hiemis  (760  auf  761)  initio  regressus  Sisciam 
legato8,^inter  quos  ipsi  fuimus,  partitis  praefecit  hibernis.  114,  2:  erat  .  . 
lectica  eius  (des  Tiberius)  publicata,  cuius  usum  cum  alii  tum  ego  sensi. 
121,  3:  triumphus  (des  Tiberius,  Januar  765),  quem  mihi  fratrique  meo 
vgl.  II,  115,  1)  inter  praecipuos  praecipuisque  donis  adornatos  vires  comi- 

tari  contigit.  124,  4:  quo  tempore  (J.  767)  mihi  fratrique  meo,  candidatis 
Caesaris,  proxime  a  nobilissimis  ac  sacerdotalibus  yiris  destinari  praetori- 
bus  contigit,  consecutis  ut  neque  post  nos  quemquam  divus  Angustus  (weil 
er  starb)  neque  ante  nos  Caesar  commendaret  Tiberius.  Voller  Name  bei 
Priscian.  VI,  11,  63  (p.  248,  4  H.):  M.  Velleius  Paterculus.  Bei  Schol.  Lucan. 
IX,  178  (und  schol.  ant  zu  VIII,  663)  nur  Paterculus.  Dass  er  über  die 
Prätur  nicht  hinauskam  ist  aus  seinem  Schweigen  zu  schliessen.  Letzte  in 
seinem  Werke  erwähnte  Thatsache  ist  der  Tod  der  Livia  (II,  130,  6)  J.  782 
:=  29  n.  Chr.  und  das  Consulat  des  M.  Vinicius  J.  783  =*  30.  In  der  Müsse 
nach  der  Prätur  scheint  sich  der  Verf.  die  mancherlei  Kenntnisse,  auch  der 
g^t'iechischen  Literatur,  erworben  zu  haben  die  er  in  seinem  Werke  zeigt, 
nachdem  er  ursprünglich  eine  rein  kriegerische  Laufbahn  durchgemacht 
hatte;  s.  II,  52,  4:  ut  militari  et  yerbo  ex  consuetudine  utar. 

2.  Geschichtswerk  des  Vellejus.  üeberschrifb:  Vellei  Paterculi  histo- 
riae  romanae  ad  M.  Vinicium  consniem  libri  duo.  Doch  beschränkt  es  sich 
nicht  ängstlich  auf  die  rOmische  Geschichte.  Nach  dem  Vorgange  der 
Annalisten  wird  mit  den  Ansiedelungen  von  Griechen  in  Italien  begonnen, 
ia  raschestem  üeberblick  Orient  und  Hellas  durchwandert  und  die  römische 
Geschichte  im  ersten  Buche  bis  zu  Earthgo's  Fall  fortgeführt.  Die  Darstel- 
lung, von  Anfang  an  auf  einen  kurzen  flüchtigen  Abriss  gerichtet  (I,  16,  1. 
H,  41,  1.  55,  1.  86,  1.  99,  4.  108,  2.  124,  1  vgl.  29,  2.  52,  3.  86,  1),  wird, 
gleichfalls  in  der  Weise  der  Annalisten  (vgl.  oben  252,  11),  immer  aus- 
führlicher je  mehr  sie  der  eigenen  Zeit  des  Erzählers  sich  nähert,  ist  aber- 


273.    Velleiuö  Paterculus.  595 

• 

schon  in  ihrem  summarischen  Theile  subjectiv  und  rhetorisch  gefärbt  und 
durch  die  Reflexionen  des  Geschichtschreibers  (z.  B.  I,  16.  17,  5  ff.)  unter- 
brochen. Anekdoten  und  individuelle  Züge  werden  gern  eingeflochten,  wie 
überhaupt  der  ganze  Standpunkt  der  Betrachtung  persönlich  und  daher 
vielfach  willkürlich  und  einseitig  ist  (Sauppe  S.  144  f.  155 — 160).  Dabei, 
fehlt  es  nicht  an  Beweisen  sinniger  Beobachtung.  Viel  Raum  ist  auf  die 
Charakterzeichnung  der  Handelnden  verwendet,  worin  die  Hauptstärke  des 
Geschichtschreibers  liegt  und  die  bei  den  Männern  der  republikanischen 
Zeit  manchmal  capriciös,  meist  aber  treffend  ist.  Dagegen  die  Gestalten 
des  Caesar,  August  und  Tiberius  werden  in  eine  Weihrauchwolke  von  zu- 
nehihender  Dichtigkeit  gehüllt  (Sauppe  S.  161  -^168);  insbesondere  Tiberius 
wird  von  11,  94  an  auf  eine  masslose  ekstatische  Weise  mit  einer  wahren 
Verschwendung  von  Superlativen  gepriesen.  Allerdings  hatte  Vellejus  dem 
Tiberius  in  dessen  besten  Jahren  nahe  gestanden  und  schrieb  noch  vor 
dessen  letzten  und  schlimmsten  Jahren;  auch  ist  es  überhaupt  seine  Art  den 
Mund  voll  zu  nehmen  und  die  Farben  dick  aufzutragen  (Kritz  p.  XL VIII  f.). 
Doch  ist  man  froh  dass  er  den  Vorsatz  (falls  er  ihn  wirklich  im  Ernste 
hegte)  nicht  ausgeführt  hat,  ein  eigenes  Werk  über  Tiberius  und  seine 
Zeit  zu  schreiben  (s.  11,  48,  5.  96,  2.  99,  3.  103,  4.  114,4.  119,  1).  Dass  Ger- 
manicus  ein  tüchtiger  General  und  Agrippina  ein  Mitglied  des  kaiserlichen 
Hauses  war  kommt  ihnen  zu  Gute;  über  die  heiklen  Beziehungen  des  Ti- 
beiius  zu  ihnen  weiss  Vell.  mit  allgemeinen  Wendungen  glatt  hinweg- 
zugehen. 

3.  Als  Quellen  werden  I,  7,  3  des  Cato  Origines,  und  H,  16,  3  des 
Hortensius  Annalen  genannt.  Sonst  hat  sich  Vellejus  wohl  an  die  gang- 
barsten Geschieh tsdarstellungen  gehalten,  etwa  den  Abriss  des  Atticus,  sowie 
Cornelius  Nepos  und  Pompejus  Trogus  fär  das  Ausseritalische  und  Bio- 
graphische. Dem  Livius  scheint  er  als  einem  verkappten  Republikaner 
nicht  recht  getraut  zu  haben,  da  er  häuflger  von  ihm  abweicht  als  mit 
ihm  übereinstimmt.  Die  Studien  des  Vell.  gehen  sehr  wenig  tief;  eine 
stattliche  Sammlung  seiner  geschichtlichen  Verstösse  bei  Sauppe  S.  147 — 155. 
Die  Gründung  Roms  setzt  er  (I,  8,  4)  mit  Varro  ins  J.  753  (Ol.  6,  3), 
folgt  aber  nichts  desto  weniger  der  aera  Catoniana  (751);  insbesondere  ist 
nach  dieser  als  Consulatsjahr  des  Vinicius  781  angenommen  (H,  49,  2. 
65,  2.  vgl.  I,  14,  6.  II,  103,  3.  Kritz  p.  XLI  ff.).  Die  Vertheilung  des  Stoffes 
in  die  zwei  Bücher  (1,  14,  1  vgl.  II,  131,  1)  nach  dem  Wendepunkte  der 
Zerstörung  Karthagos  ist  nicht  unpassend,  aber  vom  Standpunkte  des  Vell. 
ist  es  inconsequent  den  Zerfall  des  Reiches  von  dem  Untergänge  des  repu-, 
blikanischen  Sinnes  zu  datieren.  Hierin,  wie  in  Anderem  (Sauppe  S.  161  f. 
169  f.),  folgt  er  einfach  der  hergebrachten  Auffassung.  Daneben  wird  auch 
durch  die  Einmischung  persönlicher  Sympathien  und  Abneigungen  das  ge- 
schichtliche Urteil  des  Vell.  widerspruchsvoll. 

4.  Den  eigenthümlichen  Stil  des  Vellejus  erklärt  Kritz  p.  XL  VI — LXXV 
theile  aus  dem  Zeitgeschmacke,  der  auf  das  Gesuchte  und  Künstliche  gerich- 
tet war,  theils  aus  dem   Charakter   des  Verf.   als  eines  schriftstellemden  , 
Dilettanten,  theils  ans  dessen  festinatio,  die  oft  in  die  Nachlässigkeit  der 
gewöhnlichen  Sprache  vorfiel.  Insbesondere  die  ganz  unorganisch  angelegten 

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596 


Die  Eaieerzeit.   Erstes  Jahrhundert. 


Perioden  f  wo  zwischen  zwei  dünne  Satztheile  endlose  Parenthesen  und 
Relativsätze  aufgespeichert  sind  (z.  B.  II,  18,  1—3.  28,  2.  41,  1  f.  75,  3. 
Eritz  p.  LXI  —  LXIY),  die  häufige  Wiederholung  desselben  Gedankens  und 
der  gleichen  Worte  in  kurzen  Zwischenräumen  (Sauppe  S.  176 — 178.  Kritz 
p.  LV  ff.  LXYI  ff.),  das  Bausbackige  und  Schwülstige  der  Darstellung, 
deuten  auf  Mangel  an  schriftstellerischer  Uebung  und  von  Feile.  Auf  Rech- 
nung der  Zeit  aber  fällt  das  eitle  Spiel  mit  blendenden  Sentenzen,  spitz- 
findigen Oontrasten,  gesuchten  Wendungen,  die  kokette  Energie  der  Sprache 
und  ihr  geschminkter  Farbenreichthum.  Daraus  erklärt  sich  auch  die 
Vorliebe  für  poetische  Ausdrücke  und  anspruchsvolle  Wortverbindungen 
(Sauppe  S.  178  f.).  Mit  dieser  bewussten  Künstlichkeit  erinnert  Vellejus 
am  meisten  an  Sallust. 

'  5.  Die  einzige  uns  bekannte  Handschrift  des  Vellejus  ist  die  von 
Beatus  Rhenanns  J.  1515  in  der  alten  Abtei' Murbach  (im  Elsass)  gefundene, 
welche  aber  am  Ende  und  besonders  am  Anfang  (wo  das  Prooemium  und 
weiterhin  die  Zeit  vom  Raube  der  Sabinerinnen  bis  zum  Kriege  mit  Perseus 
fehlt)  lückenhaft  und  auch  sonst  sehr  stark  verdorben  war.  Nachdem  B. 
Rhenanus  nach  ihr  seine  Ausgabe  veröffentlicht  hatte  (Basel  1520  fol.),  mit 
dem  Grade  von  Treue  der  in  seiner  Zeit  üblich  war,  gieng  die  Handschrift 
wieder  verloren.  Nur  eine  Abschrift  derselben,  gefertigt  von  Bonif.  Amer- 
bach  in  Basel,  wurde  in  neuerer  Zeit  wieder  aufgefunden,  die  aber  der  ed. 
princeps  an  Treue  nicht  gleichkommt.  Vgl.  die  praefationes  von  Orelli 
(p.  VII  ff.)  und  Kritz  (c.  3,  p.  LXXVI— CXXV).  Verhandlungen  zwischen 
J.  Fröhlich  und  J.  C.  M.  Laurent,  über  den  Werth  der  Amerbfichschen 
Handschr.  des  V.,  in  Jahn's  Archiv  VI  u.  VII.  D.  A.  Fechter,  die  Amer- 
bachsche  Handschr.  des  V.  P.  und  ihr  Verhältniss  zum  Murbacher  Codex 
und  zur  editio  princeps,  Basel  1844.  Laurent  im  Serapeum  1847,  Nr.  12, 
und  im  Gratulationsprogramm  der  Hamburger  Stadtbibliothek  (Hamburg 
1856.  4.)  S.  17—34. 

6.  Ausgaben  (ausser  ed.  princ,  s.  A.  5)  von  J.  Lipsius  (Lugd.  B.  1591. 
Antverp.  1607),  J.  Gruter  (Frankf.  1607),  N.  Heinsius  (Amstelod.  1678  und 
sonst),  P.  Burmann  (Lugd.  B.  1719.  1744.  2  Voll.),  D.  Ruhnken  (Lugd.  B. 
1779,  2  Voll.,  wiederholt  von  C.  H.  Frotscher,  Lips,  1830—1839;  die  notae 
besonders  Hannover  1816),  J.  C.  H.  Krause  (Lips.  1800;  ed.  minor  1803), 
J,  C.  Orelli  (Lips.  1835),  J.  Th.  Kreyssig  (recogn.,  Meissen  1836),  und  be- 
sonders Fr.  Kritz  (rec,  annot.  et  indd.  instruxit,  Lips.  1840).    Vgl.  dessen 

^Prolegomena  c.  4  (p.  CXXV  ff.). 

Texte  von  F.  H.  Bothe  (Zürich  1837),  Fr.  Kritz  (Lips.  1847),  Fr.  Haase 
(Lips.  Teubner  1851  u.  1858)  u.  a. 

Uebersetzungen  von  Fr.  Jacobs  (Leipzig  1793),  Fr.  Walther  (Passau 
1826),  W.  Götte  (Stuttgart,  Metzler  1833),  F.  Eyssenhardt  (Stuttgart,  Hoff- 
mann 1865)  u.  a. 

7.  Abhandlungen  über  V.  P.  H.  Dodwell,  annales  Velleiani^  Oxon. 
1698.  C.  Morgenstern,  comm.  critica  de  .fide  historica  V.  P.,  imprimis  de 
adulatione  ei  obiecta,  Danzig  1798.  H.  Sauppe,  im  Schweiz.  Museum  für 
bist.  Wiss.  I  (Frauenfeld  1837)  S.  133—180.  L.  Speckert,  de  la  sinc^rit^  de 
V.  P.,  Toulouse  1848.  Alf.  Pernices,  de  V.  fide  historica,  Lips.  1862.  50  pp.  4. 


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273  f.   Velleius  Paterculus.   Valerius  Maximus.  597 

J.  Stanger,  de  V.  fide,  München  1863.  38  pp.  8.    C.  Windheuser,  de  V.  fide 
in  ÜB  locis  qui  ad  Tiberii  mores  epectant,  Neußs  1867.  14  pp.  4. 

8.  Beiti%e  zur  Textkritik  von  C.  Halm  (Emend.  Vell.,  München  1836.  4.), 
Laurent  (loci  Vell.,  Altona,  1836),  J.  Jeep  (emend.  V.,  Wolfenbüttel  1839.  4.), 
M.  Haupt  (Berichte  der  sächs.  Ges.  d.  Wiss.  1849,  S.  190—200),  B.  Martin 
(Beiträge  etc.,  Prenzlau  1862.  4),  und  in  den  Quaestiones  Yelleianae  von 
N.  Alsters  (Münster  1866),  G.  A.  Koch  (Lips.  1866.  4.),  E.  Wilhelm  (Jena 
1866),  F.  Giese  (Münster  1868). 

M.  Hertz ,  über  die  sog.  excerpta  Velleii  ex  historia  gallica,  in  Haupt's" 
Zeitschr.  f.  deutsches  Alterthum  X,  2  (Berlin  1865)  Nr.  10.    Vgl.  ebds.  VIII. 
S.  587. 

274.  Auf  gleicher  Höhe  des  Servilismus,  nicht  aber  des263 
Talentes,  steht  Valerius  Maximus,  der  Verfass.er  einer  an 
Tiberius  gerichteten  Anekdotensammlung  für  rhetorische  Zwecke, 
factorum  et  dictorum  memorabilium  libri  novem.  Das  Werk 
ist  aus  wenigen,  aber  guten  Quellen  zusammengetragen,  jedoch 
ohne  Ejritik,  Sinn  für  geschichtliche  Wahrheit -und  Geschmack. 
So  beschränkt  übrigens  der  Verfasser  ist,  so  aufdringlich  ist  er 
mit  seinen  Reflexionen.  Die  Darstellungsweise  ist  declamato- 
risch,  der  Stil  schwülstig,  der  Wortvorrath  aber  auch  hier  noch 
wenig  getrübt.  Ein  zehntes  Buch  ist  nicht  erhalten  und  viel- 
leicht niemals  fertig  geworden.  Ausser  dem  Werke  selbst  be- 
sitzen wir  noch  Auszüge  daraus:  einen  nach  einer  sehr  guten 
Handschrift  durch  Julius  Paris  gemachten,  und  einen  sehr  dürf- 
tigen von  Januarius  Nepotianus.  Ein  kurzer  Anhang  de  prae- 
nominibus  hat  gleichfalls  gute  Quellen,  steht  aber  zu  Valerius 
Maximus  in  Tieiner  Beziehung. 

1.  Bescliränkte  persönliche  YerhältniBse  des  Val.  Max.;  s.  lY,  4,  11: 
hiß  adquiescere  solaciis  debemus  qui  parmlos  censue  nostroe  numquam  que- 
relis  vacuoB  esse  sinimus.  .  .  quid  ergo  modicam  fortunam  .  .  diumis  con- 
viciis  laceramus?  Verbindung  mit  Sex.  Pompeius,  Cos.  767  ■=  14  n.  Chr. 
(ß.  oben  271,  7),  welcher  später  (etwa  J.  780,  Kempf  Prolegg.  p.  5  f.)  Asien 
als  Proconsul  verwaltete.  YaL  Max.  II,  6,  8:  quo  tempore  Asiam  cum  Sex. 
Pompeio  petens  lulidem  oppidum  intrav;.  lY,  7.  ext.  2:  clarissimi  ac  di- 
sertissimi  viri  promtissimam  erga  me  benivolentiam  expertus.  .  .  Pompeium 
meum,  .  .  a  quo  omnium  commodorum  incrementa  nitro  oblata  cepi,  per 
quem  tutior  ad  versus  casus  steti,  qui  studia  nostra  ductu  et  auspiciis  suis 
lucidiora  et  alacriora  reddidit.  itaque  pavi  invidiam  quorundam  optimi 
amici  iactura.  YI,  1  prooem.:  tu  .  .  sanctissimum  luliae  genialem  torum 
adsidua  statione  celebras.  Also  lebte  damals  Livia  (f  782  =  29  n.  Chr.)  noch. 
Dagegen  ist  die  Declamation  wider  Sejan  (am  Schlüsse  von  IX,  11)  unmit- 
telbar nach  dessen  Sturze  (J.  785  =>  32)  eingefügt.  Der  Yerfasser  hat  somit 
an  seinem  Werke  länger  gearbeitet,  oder  mit  Unterbrechungen.    Yeröffent- 


598  Die  Kaiserzeit.   Erstes  Jahrhundert. 

licht  waren  aber  zur  Zeit  der  Abfassung  von  IX  die  früheren  Bücher  noch 
nicht,  da  aus  ihnen  jede  Erwähnung  Sejan's  getilgt  ist.  unrichtig  und  auch 
deshalb  nicht  auf  Sucton  zurückgehend  ist  jedenfalls  die  Angabe  des 
Matthäus  von  Westminster  (oben  253,  3):  anno  divinae  incarnationis  XIX 
(=B  772  d.  St.)  Yalerius  historiographus  Romanorum  dicta  descripsit  et  facta. 
Vgl.  Elschner  p.  12  ff.  Rühl,  die  Verbreitung  des  Justin  S.  30  ff.  Aehnlich 
RadulfuB  de  Diceto  (J.  1210):  Valerius  Maximus  urbis  Bomae  ceterarumque 
gentium  facta  simul  et  dicta  memoratu  digna  scripsit  a.  incarnati  verbi 
XVm.    Rühl  a.  a.  0.  S.  32. 

2.  Zahl  der  Bücher  zehn,  nach  Julius  Paris  (s.  A.  9),  entweder  unter 
irriger  Hinzurechnung  der  Abhandlung  de  nominibus  (A.  11)  oder  (Halm) 
weil  so  die  üeberschrift  lautet«.  Erhalten  sind  jedenfalls  nur  neun;  da 
aber  am  Schlüsse  des  neunten  die  sonst  unvermeidlichen  Expectorationen 
des  Verf.  fehlen,  so  ist  glaublich  dass  derselbe  sein  Werk  nicht  fertig 
gebracht  habe  oder  es  uns  nicht  vollständig  erhalten  sei.  Weniger  wahr- 
scheinlich ist  dass  das  Fehlende  ein  ganzes  Buch  sei.  Plan  und  Zweck 
nach  praef.  in.:  urbis  Romae  exterarumque  gentium  facta  simul  ac  dicta 
memoratu  digna,  quae  apud  alios  latius  diffusa  sunt  quam  ut  breviter 
cognosci  possint,  ab  inlustribus  electa  auctoribus  digerere  constitui,  ut 
documenta  slimere  volentibus  longae  inquisitionis  labor  absit.  Also  eine 
Beispielsammlung  für  den  Gebrauch  ohne  Zweifel  der  Redner  und  der 
Rhetorschulen.  Daher  die  Anordnung  nach  bestimmten  sachlichen  Begriffen, 
(z.  B.  de  religione,  auspiciis,  somniis,  institutis  antiquis,  repulsis,  testamentis, 
damnatis  aut  absolutis),  besonders  moralischen  (de  fortitudine,  moderatione, 
humanitate,  pudicitia,  felicitate,  luxuria  u.  s.  f.).  Innerhalb  der  einzelnen 
Capitel  wiederum  Zerlegung  in  Beispiele  aus  der  römischen  Geschichte 
und  solche  von  Auswärtigen,  wobei  die  ersteren  stark  überwiegen,  in  Folge 
der  Quellen  des  Val.  und  wohl  auch  aus  nationaler  Eitelkeit.  Die  Züge 
aus  der  republikanischen  Zeit  werden  nicht  abgeschwächt,  wohl  aber  die 
Gegner  der  Monarchie  bereits  regelmässig  als  Hochverräther  behandelt 
(vgl.  Tac.  A.  IV,  34,  oben  251,  3).  Ueber  Tiberius  und  die  ganze  kaiser- 
liche Familie  werden  allenthalben,  auch  ohne  äusseren  Anlass  und  ohne 
dass  auf  den  Verf.  anwendbar  wäre  was  den  Vellejus  entschuldigt  (oben 
273,  2),  die  plumpsten  und  wahrheits widrigsten  Schmeicheleien  ergossen. 

3.  Die  inlustres  auctores  (praef.)  welche  Valerius  benützte  sind  haupt- 
sächlich Livius  (besonders  die  drei  ersten  D^aden),  obwohl  er  nur  einmal 
genannt  wird  (I,  8,  ext.  19:  serpentis  a  T.  Livio  curiose  pariter  ac  facnnde 
relatae);  s.  Eempf  p.  15—17.  U.Köhler,  qua  rat.  Liv.  annal.  1860,  p.  11 — 23. 
Fr.  Zschech,  de  Cicerone  et  Livio  Valerii  Maximi  fontibus,  Berlin  1865,  p.  3  ff. 
23 — 50;  nächstdem  Cicero  (Kempf  p.  13 — 15.  Zschech  p.  15 — 23),  der  gleich- 
falls nur  einmal  genannt  wird  (VlII,  13,  ext.  1:  quemadmodum  Cicero 
refert  libro  quem  de  senectute  scripsit);  auch  Sallustius  (Kempf  p.  17)  und 
(wohl  für  die  auswärtigen  Beispiele)  Pompeius  Trogus  (Kempf  p.  21).  Dass 
Valerius  noch  v/eitere  Originalquellen  benützt  habe,  z.  B.  den  Varro  (wegen 
Hl,  ii,  24  n.  a.  Z;ichech  p.  43,  und  dagegen  Kettner,  Varr.  de  vita  pop.  rom. 
p.  12 — 16)  oder  gar  Griechen  (wie  Diodor  und  Dionys.  Hai.),  ist  nicht  er- 
weislich und  wahrscheinlich    (vgl.    Kempf  p.   21 — 25);    wohl  aber  hat  er 


274.  Valerius  Maximus.  599 

gelegentlich  Selbsterlebtes  eingestreut  (Eempf  p.  12).  Auch  mag  Vieles 
aus  ähnlichen  Sammlungen  der  Gegenwart  und  nächsten  Vergangenheit 
entnommen  sein,  wohin  gehört  der  einmal  (IV,  4  in.)  und  sonst  bei  keinem 
Schriftsteller  angeführte  Pomponius  Rufus  collectofum  libro.  Die  Art  der 
Benützung  seiner  Quellen  besteht  meist  In  Abschreiben  derselben,  besonders 
bei  Anfiihrung  von  Aeusserungen;  wo  er  sachlich  ändert,  geschieht  es  in 
der  Regel  um  die  rhetorische  Brauchbarkeit  der  Anekdote  zu  erhöhen 
(durch  Steigerung,  Verschönerung).  Ausserdem  kürzt  er  bald  ab,  bald 
giesst  er  eine  Brühe  hinzu.  Von  der  Oberflächlichkeit  und  Gedankenlosig- 
keit seiner  Quellenbenützung  zeugen  die  vielen  groben  Missverständnisse 
(besonders  Verwechslungen)  und  Verstösse  die  sich  ihm  nachweisen  lassen; 
8.  Kempf  prolegg.  p.  26—33.    Vgl.  Elschner  p.  32  ff. 

4.  Als  Stilist  geht  Val.  Max.  mit  seiner  Zeit  durchaus  von  der  Ansicht 
aus  dass  das  Einfache  und  Natürliche  trivial  und  gemein  sei.  Gesucht, 
gekünstelt  und  geschraubt  ist  bei  ihm  Alles,  Gedanke  wie  Ausdruck, 
Wahl  und  Stellung  der  Worte,  und  seine  Darstellung  wird  dadurch  oft 
dunkel,  noch  häufiger  schwülstig,  geschmacklos  und  albern.  Verschränkung 
der  Epitheta,  Verrenkung  der  Zeitwörter,  Metaphern  u.  dgl.  Schmuck  ist 
bei  ihm  ganz  gewöhnlich.  Dabei  zeigt  seine  Manier  grosse  Eintönigkeit, 
indem  bestimmte  Lieblingswendungen  unaufhörlich  wiederholt  werden. 
Kempf  p.  34—43.    Gelbcke  p.  8—23. 

5.  Plutarch  hat  den  Val.  Max.  schwerlich  benützt,  obwohl  er  ihn 
Marcell.  30  u.  Brut.  63  anführt;  s.  H.  Peter,  Quellen  des  Plut.  S.  76  f.  136 
Anm.  Wohl  aber  Plinius  (n.  h.  VII),  Frontinus  Strai,  Gelfius  (XII,  7,  8), 
weiterhin  Lactantius,  Claud.  Mamert.  (grat.  act.  6,  3.  16,  2)  u.  A.  Auch 
die  verkürzten  Bearbeitungen  (A.  9  f.)  schadeten  ihm  wenig,  und  er  wurde 
noch  im  Mittelalter  nicht  selten  gelesen  (Eempf  p.  43—49).  Davon  zeugt 
die  grosse  Zahl  von  Handschriften  in  denen  sein  Text  überliefert  ist 
(Kempf  p.  71  —  96).  Die  wichtigste  unter  diesen  ist,  nächst  dezjenigen 
welche  dem  Julius  Paris  (Anm.  9)  vorlag  (C.  Halm,  Emend.  Val.  p.  4 — 18), 
der  Bemensis  saec.  IX  (vgl.  Halm's  Ausg.  p.  IV — XXI).  Die  andern  sind 
viel  jungem  Ursprungs  und  haben  sehr  selten  eine  bessere  Schreibung, 
sind  aber  an  einigen  Stellen  vollständiger  und  stammen  daher  nicht  aus 
dem  Bern,  selbst. 

6.  Ausgaben  des  Val.  Max.  zuerst  gleichzeitig  um  1471  zu  Strassburg 
und  Mainz  (fol.),  später  namentlich  von  Aldus  Manutius  (Ven.  1634),  St. 
Pighius  (Antverp.  1667;  mit  vielen  willkürlichen  Aenderungen;  cum  notis 
J.  Lipsii,  Antv.  1686  u.  sonst),  J.  Vorst  (cum  notis,  Berl.  1672),  A.  Torre- 
nius  (cum  comm.  I.  Perizonii  et  variorum,  Lugd.  B.  1726.  4.),  J.  Kapp  (Lips. 
1782),  C.  B.  Hase  (Paris  1823.  2  Voll.),  und  besonders  von  C.  Kempf  (rec. 
et  emend.,   Berlin  1864.   792  pp.)  und  C.  Halm  (reo.,  Lips.  Teubner  1866). 

Uebersetzt  z.  B.  von  Fr.  Hoffmann  (Stuttgart,  Metzler  1828). 

7.  Kritische  Beiträge  von  Calmberg  (novae  ed.  V.  M.  specimen,  Hamburg 
1844,  4.),  Halm  (Münchner  Gel.  Anz.  1864.  I.  Nr.  29—31  und  Emendationes 
Val.,  München  1864.  4),  J.  Vahlen  (Rhein.  Mus.  XI.  S.  586—594),  H.  J,  Heller 
(Philologus  XXVn.  p.  343—348.  XXVIII.  p.  361—364),  C.Förtsch  (Em.  Val. 


600  Die  Kaiserzeit.    Erstes  Jahrhundert. 

I.  Naumburg  1855.  4.  IL  1864.  4.  111.  1870.  4.),  C.  Elschner  (Quaest.  Val., 
Berlin  1864),  C.  Fr.  Gelbcke  (Quaest.  Val.,  Berlin  1865 ,  p.  23—36),  C.  Kempf 
(novae  quaest.  Val.,  Berlin  1866.  37  pp.  4.). 

8.  Ueber  Val.  Max.  vgl.  J.  Perizonius,  Animadversiones  historicae  (ed. 
Harles,  Altenburg  1771),  H.  £.  Dirksen  (die  historische  Beispielsammluag 
des  V.  M.  u.  d.  Ausz.  ders.,  hinterlassene  Schrr.  I.  S.  109 — 132),  und  be- 
sonders Eempfs  Prolegomena. 

9.  Epitoma  des  Julius  Paris,  Ende  des  vierten  oder  Anfang  des 
fünften  Jahrh.  (vgl.  A.  11),  gleichfalls  für  Schulzwecke.  Vorwort:  Julius 
Paris  Licinio  Cyriaco  suo  salutem.  Exemplorum  conquisitionem  cum  scirem 
esse  non  minus  disputantibns  quam  declamantibus  necessariam,  decem 
Valerii  Maximi  libros  dictorum  et  factorum  memorabilium  ad  unum  Volu- 
men epitomae  coegi.  Der  Epitomator  brachte  die  Sammlung  des  Val.  auf 
ihren  sachlichen  Inhalt,  manchmal  aus  den  Quellen  ihn  berichtigend  (Kempf 
p.  61  f.),  und  hat  dabei  eine  Handschrift  benützt  welche  besser  und  (J,  1, 
ext.  4  —  J,  4,  ext.  1)  vollständiger  war  als  alle  uns  erhaltenen.  Die  Epi- 
toma ist  uns  überliefert  durch  einen  cod.  Vaticanus  saec.  X,  herausgegeben 
zuerst  durch  A.  Mai,  scriptorum  vett.  nova  coli.  IJJ,  3  (1828)  p.  1  ff.  Nach- 
lese dazu  von  du  Rieu,  Schedae  Vaticanae  (Lugd.  B.  1860)  p.  164 — 200. 
Danach  jetzt  in  Halms  Ausg.  (1865).  Subscriptio  des  Vat.  (und  Bern,  des 
Val.):  feliciter  emendavi  descriptum  Rabennae  Rusticius  Helpidius  Domnu- 
lus  V.  c.  (s.  d.  unten). 

10.  Epitoma  des  Januarius  Nepotianus.  Vorwort:  Januarius  Nepotianus 
Victori  suo  salutem.  Jmpensius  quam  ceteri  adoJescentes  litteris  studes, 
quo  tantum  proficis  ut  exigas  scripta  veterum  coerceri.  .  .  igitur  de  Valerio 
Maxime  mecum  sentis  opera  eius  utilia  esse,  si  sint  brevia.  digna  cnim 
cognitione  componit,  sed  colligenda  producit,  dum  se  ostentat  sententiis, 
locis  iactat,  fundit  excessibus.  .  .  recidam  itaque  .  .  eius  redundantia  et 
pleraque  transgrediar,  nonnulla  praetermissa  conectam.  .  .  et  cum  integra 
fere  in  occulto  sint,  praeter  nos  duo  profecto  nemo  epitomata  cognoscat. 
Der  erhaltene  Auszug  reicht  in  21  Capiteln  bis  Val.  Max.  JH,  2,  7  und  ist 
sehr  frei  und  mager,  lässt  ganze  Beispiele  weg  und  fügt  andere  aus  an- 
deren Quellen  bei.  Hauptwerth  für  die  Lücke  im  ersten  Buche  des  Val.  Max. 
Handschrift:  Vatic.  1321  saec.  XJV,  mit  sehr  verdorbenem  Texte;  ver- 
öffentlicht durch  A.  Mai,  scriptorum  vett.  nova  coli.  JIJ,  3  p.  93  ft'.  (vgl.  du 
Rieu,  Schedae  Vatic.  1860,  p.  201  —  215)  und  Celle  1831.  4.;  jetzt  in  C. 
Halms  Ausg.  des  Val.  Max.  p.  488  —  513.  Vgl.  Kempf  p.  67 — 69,  wo  p.  69: 
epitomatoris  sermo  corruptus  et  interdum  fere  barbarus  dicendique  genus 
rüde  atque  incultum  sextum  septimumve  saeculum  prodere  videtur.  Andere 
Abkürzungen  des  Val.  Max.  aus  dem  Mittelalter  sind  in  Bibliotheken  noch 
handschriftlich  vorhanden;  s.  Kempf  p.  69  —  71. 

11.  Nach  dem  Schlüsse  von  Val.  Max.  B.  JX  folgt  im  Bern,  die  übliche 
subscriptio:  Valerii  Maximi  .  .  liber  nonus  explc.  und  darauf  (von  späterer 
Hand  und  aus  Julius  Paris):  lib.  X  de  praenomine.  In  Jüngern  Hand&chr. 
geht  diesem  Buche  ein  prooemium  voraus:  decimus  atque  ultimus  huius 
operis  liber  .  .  aetati  nostrae  perditus  est.   verum  Julius  Paris,  abbreviator 


ÜJM 


274  f.   Valerius  Mazimus.    luliua  Paria.    Nepotianus.    Celsus.        601 

Yalerii,  post  novem  libros  explicitos  hunc  decimum  sub  infra  scripto  com- 
pendio  complexus  est.  .  .  verba  quidem  lulii  Paridis  haec  sunt:  Liber  deci- 
mos  de  praenominibus  et  similibns.  Genauere  Inhaltsangabe  in  der  Hand- 
schr.  des  lulius  Paris  (Vat.):  incipit  liber  decimus  de  praenominibus,  de 
nominibus,  de  cognominibos,  de  agnominibus,  de  appellationibus,  de  verbis. 
Erhalten  ist  aber  auch  im  Vat.  nur  das  Capitel  de  praenominibus  (bei  Eempf 
p.  740 — 760,  bei  Halm  p.  484—487),  dessen  Inhalt  auf  gute  alte  Quellen 
(bes.  Varro)  zurückgeht  (Th.  Mommsen  im  Rhein.  Mus.  XV.  S.  181,  A.  24). 
Das  Ganze  kann  jedoch;  wenn  es  von  Anfang  an  ein  Capitel  de  agnomini- 
bus  enthielt,  nicht  vor  Beginn  des  vierten  christl.  Jahrb.  entstanden  sein. 
Am  Schlüsse  haben  Vat.  (und  Bern.)  die  subscriptio:  C.  Titi  Probi  finit  epi- 
toma  historiarum  diversarum  exemplotumque  romanorum;  und  darauf  die 
des  Rusticius  Helpidius  (Anm.  9).  Unklar  ist  das  Verhältniss  dieses  C.  Titius 
Probus  zu  lulius  Paris.  Vielleicht  hatte  auch  jener  wirklich  eine  ähnliche 
epitome  verfasst,  die  mit  der  aus  Val.  Max.  von  Paris  gemachten  zusammen- 
floss,  etwa  so  dass  von  Letzterem  nur  das  prooemium  (A.  9)  erhalten  wäre; 
während  die  grammatische  (aber  zugleich  antiquarisch  gehaltene)  Schrift 
über  nomen  (einschliesslich  der  nomina  propria)  und  verbum  (Kempf),  etwa 
wegen  Verwandtschaft  des  pädagogischen  Zweckes,  einmal  (aber  nach  der 
Zeit  der  Handschrift  aus  welcher  die  Codices  des  Val.  Max.  herstammen) 
an  das  Werk  des  Valerius  Maximus  angehängt,  für  ein  zehntes  Buch  des- 
selben gehalten  und  als  solches  von  Paris  mit  epitomiert  wurde.  Jedenfalls 
muss  der  Verf.  vor  lulius  Paris  gelebt  haben,  während  von  C.  Titius  Probus 
schon  sein  Name  unwahrscheinlich  macht  dass  er  einer  viel  späteren  Zeit 
als  dem  ersten  christl.  Jahrh.  angehöre.  Vgl.  Th.  Bergk,  Rhein.  Mus.  IV. 
S.  120  flF.  Kempf  p.  53 — 67  und  im  Progr.  des  Berliner  grauen  Klosters  von 
1854.  4.    (De  incerti  auctoris  fragmento  quod  inscribitur  de  praenominibus). 

276.  Vielseitig  angeregt  und  mit  der  Gabe  gewandter  Dar-264 
Stellung  ausgestattet  gab  A.  Cornelius  Celsus  nach  dem  Vor- 
gange Cato's  nicht  nur  Anleitung  zur  Beredtsamkeit  und  Rechts- 
kenntniss  sondern  behandelte  auch  die  Disciplinen  der  Landwirt- 
schaft, Heilkunde  und  des  Kriegswesens,  verbunden  mit  prakti- 
scher Philosophie  im  Sinne  der  Sextier,  in  einem  encyclopadischen 
Werke,  von  welchem  die  acht  auf  die  Heilkunde  sich  beziehenden 
Bücher  (VI — XHI)  auf  uns  gekommen  sind,  als  einziges  Werk 
dieser  Art  aus  der  besseren  Zeit  der  römischen  Literatur.  Es 
wird  darin  die  gesammte  Medicin  der  damaligen  Zeit  haupt- 
sächlich nach  Hippokrates  und  Asklepiades  mit  gesundem  Urteil 
in  einfacher  reiner  Sprache  kurz  dargestellt.  Besonders  werth- 
voU  sind  die  chirurgischen  Partien;  n'achstdem  auch  die  The- 
rapie. Noch  unter  Nero  lebte  Celsus  und  verfasste  eine  Schrift 
über  eine  taktische  Zeitfrage. 

1.   Vorname  aus  den  Ueberschriften  des  erhaltenen  Werkes.    Zeitalter. 
Cokimella  I,  1,  14:  non  minorem  tarnen  laudem  (als  die  Schriftsteller  der 


602  Die  Kaiserzeit.   Erstes  Jahrhundert. 

Vergangenheit,  wie  Vergil  und  lolius  Hyginos)  meruerunt  nostrorum  tempo- 
rnm  viri,  Cornelius  Celsus  et  lulius  Atticus.  III,  17,4:  mox  lulius  Atticus  et 
Cornelius  Celsus,  aetatis  nostrae  celeberrimi  auctores,  patrem  atque  filimn 
Sasemam  secuti  etc.  lY,  8,  1:  Celsus  et  Atticus,  quos  in  re  rustica  maxime 
nostra  aetas  probavit.  Vgl.  ib.  III,  1,  8.  IV,  1,1.  Da  nun  Columella  ein 
Zeitgenosse  des  Seneca  war  (s.  unten  288,  1),  so  kann  Celsus  nicht  wohl 
früher  als  unter  Tiberius  geschrieben  haben;  aber  auch  nicht  später,  da  der 
unter  Caligula  hingerichtete  lulius  Graecinus  dessen  Werk  bereits  benützt 
hatte  (Plin.  n.  h.  XIV,  2,  33:  Graecinus,  qui  alioqui  Comelium  Celsum 
transscripsit).  Vgl.  A.  4.  Quintil.  III,  1,  21:  scripsit  de  eadem  materia 
^Rhetorik)  .  .  nonnihil  pater  Gallio  (oben  263,  7),  accuratius  vero  priores 
Gallione  Celsus  et  Laenas  (oben  263,  11)  et  aetatis  nostrae  Verginius, 
Plinius,  Tutilius.  Hier  wird  das  sachlich  unrichtige  Gallione  um  so  eher 
ein  Glossem  sein  da  das  Verhältniss  zu  Gallio  bereits  durch  den  Comparativ 
accuratius  ausgedrückt  ist.    Fr.  Ritter  in  Jahn's  Jahrbb.  38,  S.  54  —  68. 

2.  Quintil.  XII,  11 ,  24:  quid  plura  (von  der  Möglichkeit  alle  dem  Redner 
nützlichen  Disciplinen  zu  umfassen)  cum  etiam  Cornelius  Celsus,  mediocri 
vir  ingenio,  non  solum  de  his  Omnibus  conscripserit  artibus  sed  amplius  rei 
militaris  et  rusticae  et  medicinae  praecepta  reliquerit,  dignus  vel  ipso  pro- 
posito  ut  eum  scisse  omnia  illa  credamus?  Auch  sonst  polemisiert  Quin- 
tilian  oft  gegen  diesen  Vorg&nger,  z.  B.  II,  16,  22.  32.  III,  6,  13  f.  VIII, 
3,  47.  IX,  1,  18:  Cornelius  tamen  Celsus  adicit  (zu  den  cxi^iuxta  Siavoiag 
und  li^ftog)  figuras  colorum,  nin)ia  profecto  novitatis  cupiditate  ductus. 
nam  quis  ignorasse  eruditum  alioqui  virum  credat  etc.  Auch  wo  er  ihm 
beistimmt  geschieht  es  mit  Kälte  und  Zurückhaltung,  wie  VII,  1,  10:  non 
plane  dissentio  a  Celso,  qui  sine  dubio  Ciceronem  secutus  instat  tamen  huic 
parti  vehementius.  Vgl.  X,  1,  124  (unten  A.  3).  Es  mochte  den  Quintilian 
verdriessen  dass  das  worauf  er  sein  ganzes  Leben  verwandt  hatte  von  Celsus 
nur  so  beiläufig  mitbehandelt  wurde;  auch  mochte  der  Encjelopädiker  dem 
speciellen  Fachmanne  wirklich  manche  Blösen  darbieten.  Jedenfalls  wurde 
das  rhetorische  Lehrbuch  des  Celsus  verdunkelt  durch  das  des  Quintilian. 
Erwähnung  desselben  nur  bei  Fortunatian.  III,  2  (p.  121,  10  H.). 

3.  Quintil.  X,  1,  124:  scripsit  non  parum  multa  (über  Philosophie) 
Cornelius  Celsus,  Sextios  (oben  261,  5 ff.)  secutus,  non  sine  cultu  ac  nitore. 
Augustin.  de  haeres.  prol.:  opiniones  omnium  philosophorum  qui  sectas 
varias  condiderunt  usque  ad  tempora  sua  .  .  sex  non  parvis  voluminibus 
r^uidam  Celsus  absolvit;  nee  redarguit  aliquem,  sed  tantum  quid  sentirent 
aperuit,  ea  brevitate  sermonis  ut  tantum  adhiberet  eloquii  quantuin  .  . 
aperiendae  indicandaeque  (sententiae)  sufficeret. 

4.  Veget.  r.  milit.  I,  8  (p.  12,  12  ff.  Lang):  haec  necessitas  compulit 
cvolutis  auctoribus  ea  me  .  .  fidelissime  dicere  quae  Cato  ille  Censorius  de 
disciplina  militari  scripsit,  quae  Cornelius  Celsus,  quae  Frontinus  perstrin- 
genda  duxerunt.  Lydus  de  magistr.  I,  47:  fia^rv^fg  KsXaog  etc.  Vgl.  ib. 
III,  33:  xal  avyyQecq)7}v  nB(fl  Tovtov  (über  die  letzte  Kriegführung  gegen 
die  Parther)  iiovrJQTj  Kilcog,  o  gtopMiog  raxTixds,  dnoXiloms,  34:  äctB 
oifpLoSioVj   tprjclv  o  Kdlaog,  ddoTi^img  ttvrorg   ImXQ'itv.       .  oQsv  dtpoQr^Tog 


275.    Cornelius  Celßue.  603 

avzoig  6  KovQßoXciv  inl  zov  N'sqcovos  ifpdvrj.    Diese  taktische  Einzelschrift 
war  also  später  verfasst  als  das  encyclopädische  Werk;  vgl.  oben  A.  1. 

5.  Cohimella  1,  1,  14  (vgl.  A.  1):  Cornelius  (Celsus)  totum  corpus  dis- 
ciplinae  (Landwirtschaft)  quinque  libris  complexus  est.  IX,  2,  1:  de  quibus 
(Bienenstöcke)  neque  diligentius  quidquam  praecipi  potest  quam  ab  Hygiuo 
(oben  257,  3)  .  .  nee  elegantius  quam  Celso.  .  .  Celsus  utriusque  memorati 
(Hygin  und  Vergil)  adhibuit  modum.  II,  2,  15:  Comelium  Celsum,  non 
solum  agricolationis  sed  universae  naturae  prudentem  virum.  Als  solchen 
wird  er  sich,  wie  Sextius,  auch  in  den  philosophischen  Theilen  seines  Wer- 
kes (s.  A.  3)  bewiesen  haben.  Die  über  Landwirtschaft  angefahrt  z.  6.  von 
Plinius  (n.  h.  X,  53,  150),  der  ihn  auch  im  Quellenverzeichniss  zu  B.  7,  8, 
10,  11,  14,  17,  18,  19,  20  ff.,  29  f.,  31  nennt,  bald  Cornelius  Celsus,  bald 
Celsus. 

6.  Von  den  acht  Büchern  der  medicina  behandelt  das  erste,  nach 
einer  kurzen  Geschichte  der  Medicin  bei  den  Griechen,  die  Diätetik  und  Pro- 
phylaktik;  das  zweite  die  Semiotik  und  allgemeine  Pathologie  und  Therapie; 
Buch  ni  und  IV  die  besonderen  Krankheiten,  V  die  Arzneimittellehre  mit 
einer  grossen  Anzahl  von  Recepten;  VI  die  chirurgischen  Krankheiten,  VII 
die  chirurgische  Therapie,  VIII  die  Knochenkrankheiten.  Da  die  zahlreichen 
Handschriften  alle  dieselben  Lücken  haben  (bes.  IV,  27),  so  haben  sie  ge- 
meinsamen Ursprung.  Die  ältesten  und  besten  sind  Vat.  VIII  saec.  X  und 
Med.  I  saec.  XII,  sowie  Paris.  7028  saec.  XI;  die  andern  sind  aus  saec.  XV 
und  XVI.  Ausgaben,  s.  L.  Choulant,  Bücherkunde  d.  alt.  Med.*  S.  167 — 180. 
Ed.  princeps  Florentiae  1478.  fol.  Aldina  Venet.  1628.  4.  Cum  not.  ed.  J. 
Caesarius,  Hagenau  1528.  Willkürlicher  Text  von  Ant.  v.  d.  Linden,  Lugd. 
Bat.  1657.  Cum  not.  varr.ed.  Th.  J.  ab  Almeloveen,  Amsterd.  1687.  1713. 
Ed.  C.  Ch.  Krause,  Lips.  1766.  Ex  rec.  L.  Targae,  Patav.  1769.  4.  und  beson- 
ders Veron.  1810.  4.  (mit  lexicon  Cels.).  Ed.  F.  Ritter  et  H.  Albers,  Cöln  1835. 
Ed.  S.  de  Renzi,  Neapel  1851.  Ad  fidem  opt.  libr.  denuo  rec.  C.  Daremberg, 
Lips.  1859.  (Bibl.  Teubner.)    Uebersetzt  von  B.  Ritter,  Stuttgart  1840. 

7.  Zurückverweisung  auf  frühere  Bücher  V,  28,  16:  sicut  in  pecoribus 
proposui.  Die  fünf  Bücher  de  agricultura  (A.  5)  giengen  also  der  medicina 
unmittelbar  voraus,  wie  auch  viele  Hdss.  die  Ueberschrift  haben:  Comelii 
Celsi  artium  IIb.  VI.  item  medicinae  I.  Kürzer  behandelt  war  das  Kriegs- 
wesen; s.  A.  4;  die  Philosophie  aber  in  6  volumina  (A.  3),  und  auch  die 
Darlegung  der  Rhetorik  (A.  2)  muss,  nach  Quintilian  zu  schliessen,  aus- 
führlich gewesen  sein.  Sie  scheint  aus  7  Büchern 'bestanden  zu  haben;  s. 
Schol.  luv.  VI,  245:  Celso,  oratori  illius  temporis  (unrichtig),  qui  septem 
libros  Institutionum  scriptos  reliquit.  Letztere  Angabe  kann  richtig  sein, 
auch  wenn  Juv.  selbst  nicht  diesen  Celsus  gemeint  hat  (welcher  damals  kei- 
neswegs die  erste  Autorität  ftlr  Rhetorik  war),  sondern  seinen  Zeitgenossen, 
den  Juristen  luventius  Celsus.  Der  Anschluss  an  Cato  (s.  oben  120,  1  —  3) 
ist  in  der  Wahl  der  behandelten  Disciplinen  unverkennbar.  Die  Zusammen- 
gehörigkeit derselben  bei  Celsus  erhellt  auch  aus  der  Gleichheit  der  Urteile 
über  ihren  Stil ,  welcher  in  der  medicina  denselben  cultus  ac  nitor,  dieselbe 
elegantia  zeigt  wie  in  den  philosophischen  und  landwirtschaftlichen  Partien. 
Vor  der  Verschrobenheit  seiner  Zeit  bewahrte  den  Celans  wohl  hauptsäch- 


604  Die  Kaiserzeit.    ErsteB  Jahrhundert. 

lieh  Bein  eigener  gesunder  Sinn,  dann  auch  die  Fülle  des  zu  hewältigenden 
Stoffes  und  die  Beschaffenheit  seiner  Quellen.  Schol.  Plaut  Bacch.  69:  Celsus 
libros  suoB  a  varietate  rerum  cestos  vocavit. 

8.  0.  Jahn  in  den  Berichten  d.  sächs.  Ges.  d.  Wiss.  1860,  S.  273—282. 
H.  Paldamus,  de  Comelio  Celso  (Greifswald  1842.  4.)  und  dazu  Fr.  Bitter 
in  Jahn's  Jahrbb.  38,  S.  52  —  66.  C.  Kisscl,  Celsus,  eine  historische  Mono- 
graphie; I.  Leben  und  Werke  des  C.  im  Allgemeinen,  Giessen  1844.  179  S. 

265  276.  Unter  den  Juristen  ragte  in  dieser  Zeit  hervor 
Capito's  Schüler  Masurius  Sabinus^  nach  welchem  die  Schule 
der  Sabinianer  benannt  ist,  Verfasser  hauptsächlich  von  libri  III 
iuris  civilis,  welche  später  Gegenstand  umfassender  Commen- 
tare  und  durch  diese  für  die  Digesten  einflussreich  wurden.  Da- 
gegen ein  Schüler  von  Labeo  war  M.  Coccejus  Nerva,  Cos.  775 
und  Lehrer  des  Proculus  nach  welchem  die  Proculianer  be- 
nannt wurden.  An  literarischer  Fruchtbarkeit  und  Bedeutsam- 
keit hat  Proculus  seinen  Lehrer  übertroflfen. 

1.  Pompon.  de  orig.  iur.  (Dig.  I,  2,  2,  48):  Ateio  Capitoni  (oben  260,  3  f.) 
Masurius  Sabinus  successit,  Labeoni  Nerya,  qui  adhuc  eas  dissensiones 
auxerunt  . .  Masurius  Sabinus  in  equestri  ordine  fuit  et  publice  primus  respon- 
dit,  posteaquam  hoc  coepit  beneficium  dari;  a  Tiberio  Caesare  hoc  tarnen  illi 
concessum  erat.  (50.)  ergo  Sabine  concessum  est  a  Tiberio  Caesare  ut  po- 
pulo  responderet;  qui  in  equestri  ordine  iam  grandis  natu  et  fere  annorum 
quinquaginta  (?)  receptus  est;  huic  nee  amplae  facultates  fuerunt,  sed  plu- 
rimum  a  suis  auditoribus  sustentatus  est.  Er  lebte  noch  unter  Nero;  s. 
Gaj.  II,  218:  ut  Sabinus  existimaverit  ne  quidem  ex  SC.  Neroniano  posse 
convalescere.  Dass  er  zu  Verona  geboren  sei  vermutete  Borghesi  (Bull.  d. 
inst.  arch.  1836,  p.  144)  nach  der  dort  gefundenen  Inschrift:  C.  Masurius 
C.  f.  Sabinus  (0.  Jahn  zu  Persius  p.  196).  Gellius  IV,  1,  21  u.  2,  16  (Masurii 
Sabini  ex  libro  iuris  civilis  secundo,  vgl.  XI,  18,  12  ff.  20  ff.).  V,  13,  5 
(M.  S.  in  libro  i.  c.  tertio).  Pers.  V,  90  (Masuri  rubrica).  Arrian.  Epict. 
IV,  3  {AIaGovif£ov  vofioi).  Die  Anlage  scheint  die  des  Q.  Mucius  (oben  151,  2) 
gewesen  zu  sein.  Commentiert  wurde  dieses  Handbuch  durch  Pomponius 
in  mindestens  36,  von  Ülpian  in  mindestens  51,  von  Paulus  in  mindestens 
17  Büchern,  welche  drei  Commentare  den  Kern  des  sabinischen  (civilrecht- 
lichen)  Dritt-els  der  Digesten  bilden.  Noten  zu  Sabinus  schrieben  auch 
Fufidius  und  Aristo.  Sonstige  Schriften  des  Masurius  Sabinus:  commentarii 
de  indigenis  (Gell.  ly,  9,  8 f.),  memoriaJium  libri,  mindestens  11  (Gell.  V,  6, 
13  f.  vgl.  IV,  20,  11.  VII,  7,  8.  Macrob.  III,  6,  11.  Dig.  L,  16,  144  u.  a.), 
fasti  in  mindestens  zwei  Büchern  (Macrob.  I,  4,  7.  15.  10,  8),  libri  respon- 
sorum  in  mindestens  zwei  Büchern  (Dig.  XIV,  2,  4  pr.  u.  1.  Fragm.  Vat.  76), 
libri  ad  edictum  praetoris^urbani  in  mindestens  fünf  (Dig.  XXXVIII,.  1,  18), 
libri  ad  ViteUium  (ib.XXXn,  45.  XXXIU,  7,  8  pr.  12,  27.  XXXIII,  9,  3  pr.), 
sowie  ein  assessorium  (ib.XLVII,  10,  5,  8:  Sabinus  in  assessorio,  vgl.  II,  12, 
12:  Puteolanus  libro  primo  assessoriorum).    Anführungen  aus  (ungenannten) 


276  f.  Juristen  und  Grammatiker  unter  Tiberius.  605 

Schriften  des  M.  Sab.  auch  bei  Plin.  (wohl  aus  den  memorialia)  n-.  h.  VII, 
5,  40.  X,  7,  20.  XV,  29,  126.  30,  136.  XVI,  18,  75.  44,  236.  XXVIII,  9. 
Gellius  III,  16,  23.  V,  19,  11  ff.  X,  16,  17  f.  P.  N.  Arntzen,  de  Mas.  Sabino, 
Utrecht  1768  =  Oelrichs  Thesaur.  nov.  III,  2.  p.  1  ff.  Zimmern,  Gesch.  d. 
röm.  Privatr.  I,  1.  S.  312—315.    Rudorff,  röm.  Rechtsgesch.  I.  S.  168 f.  237. 

2.  Pompon.  1.  1.  (A.  1)  48:  hie  etiam  Nerva  (Grossvater  des  nachma- 
ligen Kaisers)  Caesari  (dem  Tiberius)  familiarissimus  fuit.  Tac.  A.  IV,  58: 
profectio  (des  Tiberius  nach  Campanien)  arto  comitatu  fuit:  unus  Senator 
consulatu  functus  (J.  776  =  22  n.  Chr.),  Cocceius  Nerva,  cui  legum  peritia. 
VI,  26:  haud  multo  post  (J.  786  =■  33  n.  Chr.)  Cocceius  Nerva,  continuus 
principis,  omnis  divini  humanique  iuris  sciens,  .  .  moriendi  consilium  cepit 
etc.  Dio  LVni,  21.  Angeführt,  doch  ohne  Nennung  einer  Schrift,  Dig.  XLIII, 
8,  2,  28  vgl.  VII,  5,  3.  XVI,  3,  32.    Zimmern  a.  a.  0.  S.  316  f 

3.  Dig.  XXVIII,  6,  69:  Proculus:  Cartilio  assentio  et  .  .  puto.  Vgl. 
Ulp.  ib.  XIII,  6,  6,  13:  Cartilius  ait. 

277.  Die  bedeutendsten  Grammatiker  der  Zeit  sind  Iu-266 
lius  Modestus,  der  gleich  seinem  Lehrer  Hyginus  die  sachliche  wie 
die  sprachliche  Seite  der  Forschung  umfasste,  der  strenge  M. 
Pomponius  Marcellus,  sowie  der  begabte,  aber  eitle  und  sitten- 
lose Q.  Remmius  Palaemon  aus  Vicenza,  Verfasser  einer  berühmt 
gewordenen  und  vielbenützten  Gramüiatik  (Ars).  Auch  der  Gram- 
matiker Nisus  lehrte  und  schrieb  in  dieser  Zeit  oder  bald  darauf. 

1.  Suet.  gramm.  20:  huiüs  (des  Hyginus,  oben  267)  libertus  fuit  lu- 
lius  Modestus,  in  studiis  atque  doctrina  vestigia  patroni  secutus.  Martial. 
X,  21, 1 :  scribere  te  quae  vis  intellegat  ipse  Modestus.  Gellius  III,  9, 1 :  Gavius 
Bassus  (oben  207,  6)  in  commentariis  suis,  item  lulius  Modestus  in  secundo 
quaestionum  confusarum  historiam  de  equo  Seiano  tradunt.  Macrob.  I, 
^)  7  (vgl.  10,  9.  16,  28):  lulius  Modestus  de  feriis.  Commentator  des  Horaz, 
s.  oben  236^  3.  Auf  grammatische  Schriften  (oder  Commentare)  deuten  die 
Anführungen  bei  Quintil.  I,  6,  36.  Charis.  p.  73.  76.  101.  103.  126.  204. 
Diomed.  p.  366  K.  Bunte  in  seiner  Ausg.  von  Hyginus  fab.  p.  6 — 9.  Rib- 
beck, prolegg.  Vergil.  p.  121—123. 

2.  Suet.  gramm.  22:  M.  Pomponius  Marcellus,  sermonis  latini  ex- 
actor  molestissimus,  in  advocatione  quadam  —  nam  interdum  et  causas 
agebat  —  soloecismum  etc.  hie  idem,  cum  ex  oratione  Tiberium  repre- 
hendisset,  .  .  tu  (inquit)  Caesar  civitatem  dare  potes  hominibus,  verbis  non 
potes.  pugilem  olim  fuisse  Asinius  Gallus  hoc  in  eum  epigrammate  osten- 
dit  etc. 

«  3.  Q.  Remmius  (nicht:  Fannius,  s.  W.  Christ,  Rhein.  Mus.  XX. 
S.  69  f)  Palaemon  Vicetinus  mulieris  verna  primo  .  .  textrinum,  deinde, 
erilem  filium  dum  comitatur  in  scholam,  litteras  didicit.  postea  manumis- 
8US  docuit  Romae  ac  principem  locum  inter  grammaticos  tenuit,  quamquam 
infamis  omnibus  vitiie  palamque  et  Tiberio  et  mox  Claudio  praedicantibus, 


606  Die  Kaiserzeit.    Erstes  Jahrhundert. 

nemini  minus  institntionem  .  .  iuvenum  committendam.  sed  capiebat  ho- 
mines  com  memoria  rerom  tum  facilitate  sermonis;  nee  non  etiam  poemata 
faciebat  ex  tempore,  scripsit  vero  yariis  nee  volgaribus  metris.  arrogantia 
fuit  tanta  ut  M.  Yarronem  porcum  appellaret  etc.  luxuriae  ita  indulsit  ut  etc. 
sed  maxime  flagrabat  libidinibus  in  mulieres  etc.  Plin.  n.  h.  XIV,  4,  49: 
Remmio  Palaemoni,  alias  grammatica  arte  celebri^  in  hisce  XX  annis  mer- 
cato  ru8  etc.  ib.  50:  vanitate,  quae  nota  mire  in  illo  fuit.  61:  inviso  alias 
(dem  Seneca).  Juv.  VIT,  216  ff.  (docti  Palaemonis).  Hieronym.  chron.  ad 
a.  Abr.  2064  =»  Claud.  8  (48  n.  Chr.):  Palaemon  Vicetinus  insignis  gram- 
maticus  Romae  habetur,  und:  M.  Antonius  Liberalis,  latinus  rhetor,  gra- 
vissimas  inimicitias  cum  Palaemone  exercet.  Vita  Persii:  studuit  Flaccus 
.  .  Romae  apud  grammaticum  Remmium  Palaemonem.  Schol.  Juv.  VI,  452 
(Palaemonis  Artem):  grammatici,  magistri  Quintiliani  oratoris.  Quintil.  I, 
4,  20:  ut  .  .  aetate  nostra  Palaemon.  Bei  Gellius  wird  er  nicht  genannt. 
Charisius  erwähnt  ihn  öfters  (p.  187.  225  f.  231  f.  238  E.)  und  hat  die  Ab- 
schnitte über  die  Conjunctionen,  Präpositionen,  Interjectionen  (und  Adverbia) 
aus  ihm  entnommen.  Keil,  gramm.  lat.  I.  p.  XLIX.  Auch  die  excerpta  aus 
Charisius  (Gramm,  lat.  I.  p.  533  ff.  K.)  beruhen  wohl  zur  Hälfte  auf  Pa- 
lämon  (W.  Christ,  Philologus  XVIII.  S.  136  f.).  Seine  Beispiele  sind  nur 
aus  Terenz,  Vergil,  Horaz  und  Cicero  gewählt  und  werden  regelmässig 
durch  velut  eingeleitet  (A.  Schottmüller,  de  Plini  libr.  gramm.  p.  8  ff.)- 
Gegen  Schottmüller,  welcher  (1.  1.  p.  26—32)  den  von  Charisius  benützten 
Palämon  in  das  vierte  Jahrh.  hinabrücken  wollte,  s.  Christ  a.  a.  0.  S. 
125—127.  Ausser  Charisius  haben  auch  Diomedes  (p.  403.  415  K.),  Con- 
sentiuB  (p.  376  K.),  Phokas  u.  A.  aus  ihm  geschöpft.  Mit  Unrecht  (Keil  gramm. 
V.  p.  528  f.)  trägt  seinen  Namen  eine  triviale,  zuerst  von  Jovianus  Pontanus 
herausgegebene  Ars,  in  Keils  Gramm,  lat  V.  p.  533  —  547  (bei  Putsche  p. 
1366  ff.).  Andere  Zutheilungen  von  Schriften  an  ihn,  wie  der  Versification 
de  ponderibos  et  mensuris,  der  differentiae  sermonum  (z. 'B.  in  Roth's  Aus- 
gabe des  »Sueton  p.  306 — 320,  vgl.  p.  XCV— C),  de  potestate  litterarum, 
beruhen  auf  grundlosen  Vermutungen.  Reifferscheids  Sueton  p.  274—296, 
vgl.  p.  450—452.    Brambach,  lat.  Orthogr.  S.  29  f. 

4.  Donat.  {=  Sueton.)  vita  Vergil.  42  =»  60:  Kisus  grammaticus  au- 
disse  se  a  senioribus  (Zeitgenossen  des  Varius)  aiebat  Varium  duorum 
librorum  (von  Vergil.  Aen.)  ordinem  commutasse  etc.  Vgl.  Ribbeck,  prolegg. 
vergil.  p.  90  f.  Auch  Velins  Longus  führt  ihn  mehrmals  an  (p.  2235.  2236. 
2237  P.),  sowie  Charis.  I,  p.  28,  9  K.  (Nisus  eleganter  .  .  ait),  Priscian  X, 
11.  p.  503, 16  Htz.  (Nisus  et  Papirianus  et  Probus  .  .dicunt),  Arnob.  adv.  g. 
I,  59  (Caesellios,  Verrios,  Scauros  et  Nisos)  und  Cassiod.  p.  2287  P.  Vgl. 
Macrob.  S.  I,  12,  30:  Nisus  in  commentariis  fastorum  dicit  etc.  Gräfenhan, 
Gesch.  d.  class.  Philol.  IV.  S.  83  f. 

5.  Griechische  Grammatiker  zu  Rom  unter  Tiberius  waren  z.  B.  Phi- 
loxenos  aus  Alexandria,  Apollonides  (Diog.  La.  IX,  109).  Ein  Grieche  war 
auch  AttaluB  Stoicus,  qui  solum  vertit  a  Seiano  circumscriptus,  magnae  vir 
eloquentiae,  ex  his  philosophis  .  .  longe  et  subtilissimus  et  facundissimus 
(Sen.  suas.  2,  12),  der  Lehrer  des  Philosophen  Seneca  (W.  Teuffei  in  Pauly's 
Rcal-Enc.  I,  2.  S.  2055  f.  Nr.  10). 


277  f.   Remmius  Palaemon  u.  A.    Apicius  u.  A.  607 

278.  Gleichfalls  in  dieser  Zeit  schrieben  die  Botaniker267 
Caepio  und  Antonius  Castor,  sowie  der  Schlemmer  Apicius, 
dessen  Namen  ein  auf  uns  gekommenes  Kochbuch  trägt,  etwa 
aus  dem  dritten  christl.  Jahrhundert.  Auch  die  Schriftsteller 
über  den  Weinbau,  lulius  Atticus  und  lulius  Graecinus,  gehören 
der  Zeit  des  Tiberius  an. 

1.  Plinius  n.  h.  XXI,  §.  18:  Caepio  Tiberi  Caesaris  principatu  nega- 
vit  etc.    Er  war  wohl  ein  Servilius. 

2.  Plinius  n.  h.  XXV,  2,  9  von  den  Pflanzen:  nobis  certe,  exceptis  ad- 
modum  paucis,  contigit  reliquae  contemplari  Bcientia  Antoni  Castoris, 
cui  Bumma  auctoritas  erat  in  ea  arte  (Botanik)  nostro  aevo,  visendo  bor- 
tulo  eins,  in  quo  plurimas  alebat,  centesimmn  aetatis  anniim  ezcedens, 
nullum  corporis  malum  expertus  ac  ne  aetate  quidem  memoria  ant  yigore 
concussis.  Er  schrieb  auch  über  Botanik,  und  Plinius  nennt  ihn  als  Quelle 
zu  Buch  20—27;  vgl.  XX,  174  (Castor  taliier  demonstrabat).  Er  war  wohl 
ein  Freigelassener  einer  Antonia  (oder  des  M.  Antonius). 

3.  üeber  Asellius  Sabinus  s.  oben  269,  1;  über  Petronius  Musa  oben 
258,  10. 

4.  Der  Prasser  M.  Apicius  unter  Tiberius  (Tac.  A.  IV,  1.  Dio  LVII, 
19.  Athen.  I.  p.  7  A.;  vgl.  W.  Teuffei  in  Pauly's  Real-Enc.  I„  1.  S.  1241, 
Nr.  2)  brachte  seine  Eüchenweisheit  auch  zu  Papier.  Sen.  cons.  ad  Helv. 
10,  8:  Apicius  nostra  memoria  vixit,  qui  .  .  scientiam  popinae  professus 
disciplina  sua  saeculum  infecit.  Schol.  Juv.  IV,  23:  Apicius  auctor  prae- 
cipiendarum  cenarum,  qui  scripsit  de  iuscellis.  Isidor.  orig.  XX,  1,  1:  co- 
quinae  apparatum  Apicius  quidam  primus  composuit.  Was  aber  Plinius 
(n.  h.  Vin,  209.  IX,  66.  X,  133.  XIX,  137.  143)  als  culinarische  Ideen  des 
Apicius  anführt  trifft  auf  die  unter  dem  Namen  des  Caelius  Apicius  (wohl: 
Caelii  Apicius,  so  dass  Ap.  der  Titel  der  Schrift  war,  wie  Cicerouis  Lae- 
lius)  laufende  Schrift  de  re  coquinaria  nicht  zu.  Diese  enthält  eine  nach 
Gegenständen  geordnete  Zusammenstellung  von  Eochrecepten  in  zehn  Bü- 
chern, von  denen  jedes  eine  griechische  Üeberschrift  hat,  wie  auch  die 
zahlreichen  griechischen  Wörter  und  Wendungen  darauf  hinweisen  dass  die 
Schrift  auf  der  griechischen  Literatur  {'ChpaQTvzmä )  beruht.  Die  Er- 
wähnung eines  Varianus  pullus  (VI,  9)  deutet  auf  Entstehung  nach  Helio- 
gabaluB  (sB  Varius).  Aber  es  mögen  verschiedene  Zeiten  ihre  Beiträge  zu 
dieser  Sammlung  geliefert  haben.  Schuch  hat  aus  einem  cod.  Paris,  saec.  VTE 
neue  Kecepte  hinzugefugt.  Ausgaben  z.  B.  von  Hummelberg  (Turic.  1642.  4.), 
M.  Lister  (Londin.  1705),  Almeloveen  (Amstelod.  1709),  J.  M.  Bernhold  (Bai- 
reuth  1787)  und  C.  Th.  Schuch  (auxit,  emend.  explanavit  etc.,  Heidelberg 
1867.  202  pp.).  F.  H.  Dierbach,  Flora  Apiciana,  Heidelberg  1831.  E.  Meyer, 
Gesch.  der  Botanik  ü.  (Königsberg  1855)  S.  236—249. 

5.  Columella  I,  1,  14:  nee  minorem  laudem  meruerunt  nostrorum 
temporum  viri,  Cornelius  Celsus  et  lülius  Atticus.  quippe  Cornelius  etc. 
(oben  275,  5);  hie  (Atticus)  de  una  specie  culturae  pertinentis  ad  vites  sin- 
gularem  librum  edidit.  cuius  velut  discipulus  duo  Volumina  similium 
praeceptorum  de  vincis  lulius  Graecinus,   composita  facetius  et  eruditius, 


'  608  I^ie  Kaifierzeit.   Erstes  Jahrhundert. 

posteritati  tradenda  coravit.  Anführungen  aas  Atticus  bei  Columella  III,  3, 11. 

II,  9  f.  16,  3.  17,  4  (oben  276,  1).  18,  1  f.  IV,  1,  1.  6.  2,  2.  8,  1  (oben 
276,  1).  10,  1  (Celsus  et  Atticus).  13,  1.  28,  2  (CelsuB  quoque  et  Atticue 
consentiunt).  .29,  1.  4.  30,  1  f.  33,  4.  Von  Plinius  aufgeführt  im  Quellen- 
verzeichniss  zu  Buch  XIV,  XV,  XVII. 

6.  luliuB  Graecinus,  8.  A.  6.  Von  Columella  angeführt  III,  2,  31. 
3,  4.  7.  9.  11.  12,  1.  IV,  3,  1.  6  (GraecinuB  eo  libro  quem  de  vineis  BCiipsit). 
28,  2.  und  von  Plinius  XIV,  33  (Graecinus,  qui  alioqui  Comelium  Celsum 
transscripsit).  XVI,  241  sowie  im  Quellenverzeichniss  zu  B.  XIV  bis  XVII. 
Kr  ist  wohl  der  Sohn  dea  GraecinuB  an  welchen  Ovid.  Amor.  II,  10  und 
ex  Pont.  I,  6  gerichtet  ist  (oben  242,  2)  und  ohne  Zweifel  der  lulius  Graecinus 
welcher  Vater  des  luliua  Agricola  war  und  unter  Caligula,  etwa  J.  39  n.  Chr., 
hingerichtet  wurde;  b.  Tac.  Agr.  4  (senatorii  ordinis,  studio  eloquentiae 
Bapientiaeque  notus  etc.).  Sen.  de  benef.  II,  21,  5  (vir  egregius,  quem  C. 
Caesar  occidit  ob  hoc  unum  quod  melior  yir  erat  quam  esse  quemquam 
tyranno  expedit).    Epist.  29,  6  (vir  egregius). 

268  279.  Theils  unter  Tiberius  theils  unter  dessen  Nachfolger 
veröffentliclite  der  Freigelassene  Pliädrus  aus  Pierien  seine 
fünf  Bücher  aesopischer  Fabeln  in  wohlgebauten  iambischen 
Senaren.  Den  eigentlichen  Fabeln  sind  auch  Anekdoten  aus 
Gegenwart  und  nächster  Vergangenheit  beigemischt.  Die  man- 
cherlei Verfolgungen  welche  der  Verfasser  zu  erfahren  hatte 
steigerten  sein  Selbstgefühl.  Die  Darstellung  ist  fliessend,  in 
den  späteren  Büchern  öfters  redselig;  der  Ton  heiter,  manch- 
mal derb;  die  Sprache  correct,  doch  nicht  ohne  Spuren  der  Zeit.' 
Uebrigens  ist  die  Sammlung  nicht  ganz  vollständig  auf  uns  ge- 
kommen. Ein  Zeitgenosse  von  Phädrus  ist  der  Tragödiendichter 
Pomponius  Secundus,  der  mit  seinen  Arbeiten  erst  nach  dem 
Tode  des  Tiberius  hervorgetreten  zu  sein  scheint. 

1.  Üeberschrift:  Phaedri,  Augusti  liberti,  fabularum  aesopiarum  libri. 
Der  patronuB  war  wohl  Augustus  (divus  Aug.,  Phädr.  III,  10,  39),  da  Ti- 
berius als  Caesar  Tiberius  U,  5,  7  bezeichnet  wird.  Lebensumstände  nur 
aus  den  Gedichten  selbst  bekannt.  III.  prol.  1:  Phaedri  libellos.  17:  ego 
quem  pierio  mater  enixa  est  iugo  .  .  (20:)  quam  vis  in  ipsa  paene  natus 
sim  schola.  (54:)  ego,  litteratae  qui  sum  propior  Graeciae.  Frühes  (Ver- 
pflanz twerden  nach  Italien  und)  Bekanntwerden   mit  römischer  Literatur. 

III.  epil.  33  f.:  ego  quondam  legi  quam  puer  sententiam  „palam  mutire 
plebeio  piaculumst"  (Ennius  trag.  376  V.)  etc.  Verfolgungen.  III.  prol. 
34  ff.:  servitus  obnoxia,  quia  quae  volebat  non  audebat  dicere,  adfectus 
proprioB  in  fabellas  transtulit,  calumniamque  fictis  elasit  iocis.  ego  porro 
illius  (des  Aesop)  semita  feci  viam  et  cogitavi  plura  quam  reliquerat,  in 
calamitatem  deligens  quaedam  meam.  quod  si  accuaator  alius  Seiano  fo- 
ret,  .  .  dignum  faterer  esse  me  tantis  malis.  Stellen  der  beiden  ersten 
Bücher,  wo  nicht  die  Anekdote  über  Tiberius  (II,  6,  7  ff.)  so  doch  vielleicht 


279.    Phaedrus.  609 

I,  1,  16  (qui  fictis  causis  innocenteß  opprimunt)  und  2,  30  f.  (voß  quoque,  o 
cives,  .  .  hoc  sustinete,  malus  ne  veniat  malam)  u.  dgl.,  scheinen  also  als 
gehässige  Anspielungen  auf  Zustände  der  Gegenwart  denuntiiert  worden 
zu  sein.  Worin  di»  mala  bestanden  ist  nicht  bekannt.  Häufige  Erwäh- 
nung von  Neidern:  II  epil.  III  pröl.  23  ff.  und  9,  4.  IV  prol.  16  ff.  21,  1  ff. 
vgl.  III  epil.  29  ff.:  difficulter  continetur  spiritus  integritatis  qui  sincorao 
conscius  a  noxiorum  premitur  insolentiis.  Mangel  äusserer  Güter;  III. 
prol.  21  (quamyis  .  .  curamque  habendi  penitus  corde  eraserim)  vgl.  epil.^ 
wo  Eutychus  ziemlich  unverblümt  um  eine  Belohnung  gebeten  wird.  Selbst- 
bewusfltsein  II  epil.  in,  1  u.  12.    IV  epil. 

2.  VerhältnisB  zu  Aesop:  I.  prol.  1  f.  (Aesopus  auctor  quam  materiam 
repperit,  hanc  ego  polivi  versibus  senariis).  IV.  prol.  11  ff.  (fabulis,  quas 
aesopias,  non  Aesopi,  nomino,  quia  paucas  ille  ostendit,  ego  plures  fero  etc.). 
IV,  21.  V  prol.  Wenn  auch  die  Erzählungen  über  Simonides  (IV,  22.  25), 
Sokrates  (III,  9),  Menander  (V,  1)  aus  einer  späteren  attischen  Sammlung 
stammen  könnten,  so  jedenfalls  nicht  die  über  Cn.  Pompeius  (App.  8),  aus 
der  Zeit  des  Augustus  (III,  10  und  V,  7)  und  Tiberius  (II,  6,  7  ff.).  Die 
zwei  ersten  Bücher  scheinen*  zusammen  (unter  Tiberius)  herausgegeben,  da 
das  erste  keinen  Epilog  hat  und  im  dritten  von  den  Schicksalen  (prol.  38  ff.) 
und  der  Aufnahme  (III,  10,  69  f.  vgl.  IV,  7,  1  ff.)  derselben  gesprochen 
wird.  Später,  nach  des  Tiberius  Tode  (vgl.  III  prol.  33  ff.  und  dulcis 
libertas  III,  7,  1),  das  dritte  Buch,  mit  Prolog  und  Epilog,  dem  Eu- 
tychus gewidmet,  und  bestimmt  die  Sammlung  abzuschliessen  (vgl.  Epilog 
u.  IV  prol.).  Doch  folgte  noch  ein  viertes,  gerichtet  an  Particulo,  der  im 
Prolog  als  Schriftsteller  (17  f.:  mihi  parta  Jaus  est,  quod  tu,  quod  similes 
tui  vestras  in  Chartas  verba  transfertis  mea)  und  im  Epilog  als  vir  sanctis- 
simus  bezeichnet  wird,  sowie  (als  der  Dichter  bereits  bejahrt  war;  s.  V,  10) 
ein  fünftes,  worin  (10,  10)  Philetes  angeredet  wird.  Der  Epilog  der  Ap- 
pendix (A.  4)  könnte  zum  ersten  oder  fünften  Buche  gehören. 

3.  Martial.  III,  20,  6:  an  aemulatur  improbi  iocos  Phaedri?  Das  Epi- 
theton wohl  wegen  der  mancherlei  Anzüglichkeiten,  Derbheiten  (z.  B.  I, 
20.  31.  III,  3.  IV,  16)  und  Plebejismen  (bes.  IV,  18)  in  der  Sanmilung. 
Abstracte  Wendungen,  wie  ingemuit  corvi  deceptus  stupor  (I,  13,  12),  er- 
innern an  die  Manier  des  Valerius  Maximus.  Personification  der  B.eligio 
rV,  11,  4.  Die  Anfangs  erstrebte  brevitas  (II.  prol.  12  vgl.  III.  epil.  8. 
IV  epil.)  lässt  schon  im  dritten  Buche  bedeutend  nach  (vgl.  III,  10,  60). 
Wahl  des  Senars  vielleicht  unter  dem  Einflüsse  des  Publilius  Syrus  (L.  Mül- 
ler p.  VIII).  Auch  in  der  Zulassung  von  Spondeen  im  zweiten  und  vierten 
Fusse  stimmt  Phaedr.  mit  diesem  und  den  vorcatullischen  Dichtern  überein. 
Sonst  aber  sind  seine  Verse  gefeilt  und  die  metrischen  Gesetze  darin  streng 
befolgt;  8.  L.  Müllers  praef.  p.  VIII — XII.  P.  Langen,  Rhein.  Mus.  XIII. 
S.  197 — 208.  Dass  er  sich  auch  auf  höheren  Stil  verstände  zeigt  IV,  7,  6  ff. 
App.  6.  Seneca  (s.  oben  27,  2)  weiss  von  Phädrus  nichts,  und  Quintilian 
(I,  9,  2)  spricht  zwar  von  versificierten  äsopischen  Fabeln,  nennt  aber  seinen 
Namen  nicht.  Nach  Martialis  erwähnt  ihn  erst  wieder  Avianus  (Epist.  ad 
TheodoB.:  Phaedrus  etiam  partem  aliquam  quinque  in  libellos  resolvit). 

,    4.     Die   ÜnvoUständigkeit  der  erhaltenen  Sammlung    erhellt   aus  der 

TcDiTBL,  Böm.  Literatargeschichto.    2.  Aufl.  39 


610  I^ie  Kaiserzeit.    Erstes  Jahrhundert. 

Ungleichheit  der  Fabelnzahl  in  den  einzelnen  Büchern  (I:  31;  III:  19;  Ap- 
pendix: 31;  dagegen  11  nur  8  und  V  nur  10),  aus  dem  Fehlen  einer  Fabel 
worin  arbores  loquuntur  (I  prol.  6),  aus  der  Lücke  IV,  13  f.  und  besonders 
ans  dem  Vorhandensein  der  Appendix.  Letztere  enthSJt  die  Fabeln  welche 
in  der  Mitte  des  15.  Jahrh.  Nie.  Perotti  aus  einer  Handschrift  herausgab 
die  vollständiger  war  als  der  cod.  Pithoeanus  (saec.  X)  und  Bemensis  (saec. 
X,  aber  1774  verbrannt),  welche  für  uns  die  Hauptquellen  der  übrigen  Fa- 
beln sind;  s.  Orelli's  Ausg.  p.  5 — 17.  Nur  interpolierte  sie  Perotti  nach 
seiner  eigenen  Erklärung:  non  sunt  hi  mei  quos  putas  versiculi^  sed  Aesopi 
sunt  (vgl.  nr.  809  f.  814.  817  R.),  Avieni  et  Phaedri.  quos  collegi,  .  .  saepe 
versiculos  interponens  meos.  Abdruck  der  Appendix  zuletzt  in  Riese's  anthol. 
lat.  II,  799—830,  vgl.  ib.  p.  XXXI  f.  Für  einige  Stücke  kommt  auch  in  Be- 
tracht die  chartula  Danielis  saec.  XII  in  der  Vaticana  (du  Bieu,  Schedae 
Vatic.  1860,  p.  137  — 139).  Die  prosaischen  Paraphrasen  durch  Romulus 
und  den  von  Nilant  zuerst  herausgegebenen  Unbekannten  setzen  gleich- 
falls einen  vollständigeren  Text  des  Phädrus  voraus.  An  Romulus  knüpften 
die  mittelalterlichen  Fabelsammlungen  an. 

5.  Ed.  princeps  von  P.  Pithoeus,  Autun  1596.  Ausgaben  von  N.  Ri- 
galtius  (1617.  4.),  in  der  mythologia  aesopica  von  J.  Novolet  (Francof. 
1610),  von  P.  Burmann  (Amstelod.  1698.  Hag.  1718;  cum  novo  comm., 
Lugd.  B.  1727.  4.),  Bentley  (bei  Terenz),  J.  G.  S.  Schwabe  (cum  comm. 
perp.,  Halle  1779—1781,  3  Voll.,  und  Brunsvig.  1806.  2  Voll.),  N.  Titze 
(Prag  1813),  J.  Berger  de  Xivrey  (Paris,  Didot,  1830),  J.  C.  Orelli  (Turic. 
1831 ;  supplementum  ib.  1832),  C.  G.  Dressler  (recogn.,  Bautzen  1838  und 
Lips.  Teubner  1850),  Fr.  Eyssenhardt  (recogn.,  Berlin  1867),  L.  Müller 
(recogn.  et  praef.  est,  Lips.  Teubner,  1868;  mit  einem  Wörterbuch  von  A. 
Schaubach,  ebd.   1870). 

Schulausgaben  mit  Anm.  von  Beck  (Coblenz  1828),  C.  J.  Hoffmann 
(Berlin  1836),  K.  F.  A.  Brohm  (5.  Aufl.  Berlin  1848),  J.  Seibt  (Prag  1850), 
J.  Siebeiis  (Leipzig,  Teubner,  1851.  1860.  1865;  vierte,  von  F.  A.  Eckstein, 
1870),  F.  E.  Raschig  (Berlin  1853.  1861),  C.  W.  Nauck  (Berlin  1855),  O. 
Eichert  (Hannover  1865). 

üeberselzt  z.  B.  von  H.  J.  Kerler  (Stuttgart,  Metzler,  1838),  A.  R.  v. 
B.  (mit  lat.  Text,  Leipzig  1857). 

6.  Ueber  Phädrus  s.  F.  Jacobs,  Nachträge  zu  Sulzer  VI.  S.  34  ff.  L.  Prel- 
ler in  Ersch  und  Grubers  Encycl.  III,  21.  S.  363  ff.  Glasewald,  spec.  disp. 
de  Ph.  fabulis,  Greifswald  1828.  4.  CoUmann,  index  Phaedrianus,  Marburg 
1841.  4.    Kunkel,  über  schwierigere  Stellen  des  Ph.,  Bensheim  1861.  4. 

7.  Tac.  A.  V,  8:  relatum  (J.  784  =  31  n.  Chr.)  inde  de  .  .  Pompo- 
nio  Secundo.  .  .  huic  obiectabatur  Aelii  Galli  (des  Sohnes  von  Sejan) 
amicitia.  .  .  Pomponius,  multa  morum  elegantia  et  ingenio  inlustri,  .  . 
Tiberio  superstes  fuit  (nach  mehrjähriger  Haft  im  Hause  seines  Bruders, 
während  welcher  er  wohl  sich  literarisch  beschäftigte).  XI,  13:  Claudius 
(J.  800  =»  47)  .  .  theatralem  populi  lasciviam  severis  edictis  increpuit, 
quod  in  Publium  Pomponium  consularem  (cos.  suff.  776  d.  St.?)  —  is  car- 
mina  scenae  dabat  —  .  .  probra  iecerat.  XU,  28:  apud  posteros  .  .  car- 
minum  gloria  praecellit.    Vgl.  dial.  13.    Plin.  n.  h.  VII,   19,  80:    in  Pom- 


279.  Pomponius  Secundus.  611 

ponio  consulari  poeta;  und  XIII,  12,  83:  apud  Pomponium  Secundum,  va- 
tem  civemque  clarissimum ,  vidi.  Plin.  Ep.  VII,  17,  11:  Pomponius  Secun- 
dus (hie  scriptor  tragoediarum)  .  .  dicere  solebat.  Quintil.  X,  1,  98:  eorum 
(Tragödiendichter)  quos  viderim  longe  princeps  Pomponius  Secundus,  quem 
senes  quidem  parum  tragicum  putabant,  eruditione  ac  nitore  praestare 
confitebantur.  VIII,  3,  31:  memini  iuvenis  admodum  inter  Pomponium  ac 
Senecam  etiam  praefationibus  esse  tractatum  an  'gradus  eliminat'  in  trag- 
oedia  dici  oportuisset.  Auch  sonstiges  Rcflectieren  über  die  Sprache; 
Charis.  I.  p.  137,  23  f.  K.:  Pomponius  Secundus  poeta,  ut  refert  (in  seinem 
Leben  des  Pomp.  See.)  Plinius,  (wollte  omneis  statt  omnes).  Dergleichen 
verhandelte  er  wohl  in  Brieten;  ib.  p.  125,  23  K.:  cetariis  Pomponius  Se- 
cundus ad  Thraseam.  Andere  bewusste  Spracheigenthümlichkeiten  bei 
Diomed.  I.  p.  371  K.  und  Priscian.  X.  p.  638  H.  (Pomponius  Secundus  ad 
Thraseam:  sancierat  ins).  Terentian.  Maur.  2135  f.:  in  tragicis  iunxere 
choris  hunc  (den  daktylischen  Tetrameter)  saepe  diserti  Annaeus  Seneca  et 
Pomponius  ante  Secundus.  Als  Titel  ist  nur  Aeneas  bekannt  (Charis.  I. 
p.  132  K.:  P.  S.  in  Aenea),  der  also  eine  praetexta  gewesen  sein  wird  (vgl. 
Acro  oben  17,  4).  Armorum  iudicium  (Lactant.  zu  Stat.  Theb.  X,  841) 
wird  von  Pacuvius  oder  L.  Attius  sein,  oder  auch  von  Pomponius  Bono- 
niensis  (oben  135,  4  f.),  wie  vielleicht  auch  der  Atreus  (bei  Non.  p.  144,  24); 
8.  B.  Schmidt,  Rhein.  Mus.  XVI.  S.  588—597.  M.  Hertz  de  Soaevo,  Breslau 
1869.  4.  p.  4,  not.  3.  Vgl.  Ribbeck,  Tragg.  lat.  p.  197  f.  (p.  231  f.  286  ed.  IL) 
Welcker  im  Rhein.  Mus.  Suppl.  II,  3.  S.  1440  —  1442.  Haakh  in  Pauly's 
Real-Enc.  VI,  1.  S.  1879,  Nr.  34. 


b.   Die  ßegierungszeit  des  Caligula,  Claudius  und  Nero, 

J.  37—68  n.  Chr. 

280.  War  unter  Tiberius,  bei  der  Neuheit  des  nackten269 
Despotismus  und  der  unheimliclien  Art  des  Regenten,  die  über- 
wiegende Stimmung  Gedrücktheit,  so  herrscht  unter  seinen  Nach- 
folgern aus  dem  julischen  Hause  eine  krankhafte  Lebendigkeit, 
ja  oft  Lustigkeit.  Eine  Menge  der  aufregendsten  Scenen  geht 
an  den  Augen  der  Zeit  vorüber:  Herrscher  und  Günstlinge  sieht 
man  aufsteigen,  ihre  Stellung  wahnsinnig  ausbeuten  und  jählings 
wieder  fallen;  an  die  raschesten  W^echselfalle  und  das  tollste 
Gebaren  wird  man  gewöhnt,  man  sieht  dem  zu  mit  der  neu- 
gierigen Spannung  die  ein  fesselndes  Schauspiel  erregt,  und 
geräth  aus  dieser  Stimmung  kaum  dann  wenn  die  eigene  Person 
an  die  Reihe  kommt.  Vernunft  scheint  nirgends  zu  walten; 
Litriken  sind  es  welche  die  Aenderungen  herbeiführen,  Schlau- 
heit, Schlechtigkeit  oder  rohe  Gewalt:  man  ergibt  sich  einer 
nihilistischen  Resignation,  welche  das  Heute  auskostet,  für  Morgen 
auf  Alles  gefasst  ist  und  im  besten  Falle  der  entfernteren  Zu- 

39* 


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.012  Die  Kaiserzeit.    Erstes  Jahrhundert. 

kunft  sich  getröstet  Das  Prototyp  dieser  Zeit  ist  Seneca;  aber 
S  -  auch  Persius  und  Lucanus  und  Petronius  sind  nur  verschiedene 

P:  Wirkungen    derselben   Ursachen.     Männer   von   ernsterem  Cha- 

5V  rakter,  vrie  Paetus  Thrasea  und  Helvidius  Priscus,  klammem  sich 

an  den  Stoicismus  an  und  suchen  in  seiner  Selbstgenügsamkeit 


•«»' 


•  ••» 


fc  Ersatz  für  die  trostlosen  Zustande   der  Gegenv^art.     Jener  Cha- 

^•v  rakter  der  Zeit  spiegelt  sich  am  treuesten   ab  in  dem  reflectie- 

renden  Theile  der  Literatur,  den  philosophischen  Schriften,  wie 
sie  Seneca  verfasste.  Für  unbefangene  Geschichtschreibung  ist 
die  Zeit  sehr  wenig  günstig;  doch  hat  Claudius  persönliches 
Interesse  für  Historisches,  und  so  finden  wir  unter  ihm  neben 
rhetorisch  gefärbten  Historikern,  wie  Servilius  Nonianus  und 
Curtius  Rufus,  auch  nüchterne  Forscher  wie  Cornelius  Bocchus, 
Columella,  Asconius  und  Pomponius  Mela.  Dagegen  begünstigt 
Nero  die  Poesie;  zugleich  bietet  dieselbe  Gelegenheit  durch  reci- 
tationes  den  Durst  nach  Beifall  zu  stillen  und  gewährt  Hoffaung 
auf  Unsterblichkeit  des  Namens.  Wir  finden  daher  die  ver- 
schiedensten Grattungen  derselben  betrieben,  die  Tragödie  durch 
Seneca  und  Curiatius  Matemus,  das  historische  Epos  durch 
Lucanus,  das  Lehrgedicht  durch  den  Aetna,  die  Satire  durch 
Persius,  das  Idyll  durch  Calpumius  Siculus,  die  Lyrik  durch 
Bassus,  die  Schulbücherpoesie  durch  den  lateinischen  Homer. 
Nur  für  die  Komödie  ist  neben  dem  Mimus  und  Pantomimus 
kein  Raum;  aber  der  lustig  ironisierende  Sittenroman  hat  seinen 
Petronius.  Auch  die  Schulberedtsamkeit  wird  eifrig  fortbetrieben; 
doch  das  ewige  Einerlei  und  der  Mangel  gesunder  Nahrung  macht 
ihre  Kräfte  schwinden.  Daneben  geht  die  Jurisprudenz  ihren 
Weg  weiter,  und  die  Grammatik  ist  durch  Valerius  Probus 
tüchtig  vertreten. 

1.  Aus  dieser  Zeit  der  Mimus  Laureolus  eines  Catullns.  Tertullian. 
adv.  Valentin.  14:  nuUum  Catulli  Laureolüm  fuerit  exercitata.  Juv.  XIII, 
111:  mimum  agit  ille,  urbani  qnalem  fugitivus  scurra  Catnlli.  Sueton. 
Calig.  57:  in  Laureolo  mimo  .  .  cruore  scena  abundavit.  Joseph.  Antiq. 
XIX,  1,  13  (p.  204,  13  f.  Bk.):  lu^tog  iicdystai  (kurz  vor  CaHgula's  Ermor- 
dung) %a^*  ov  arccvifovtat  XißGtmv  ^y^fUDv.  Martial.  de  spect.  7.  Juv.  VIII, 
187  mit  Schol.  Von  demselben  Catullus  auch  ein  Mimus  betitelt  Fhasma 
(Juv.  VIII,  186  mit  Schol.).    Andere  s.  oben  8,  1.  ^ 

2.  Snidas  I.  p.  626  Bemh.:  EvoSog  'Podiog  inonotog,  ysyovmg  inl  Ni- 
Q(ovog,  6  d'ocvfiaiofisvog  slg  ((Ofialuriy  nolrioiv.    xovxov  xa  ßißXCa  ov  tpaCvBxai. 

3.  H.  Lehmann,  Claudius  und  Nero  und  ihre  Zeit.  I.  Claudius  und 
seine  Zeit,  Gotha  1858.  378  u.  66  S. 


C — 


280  f.   ClaucRus  und  Nero,  613 

281.  Von  den  Kaisem  dieser  Zeit  war  Caligula  (J.  765270 
— 794  d.  St.)  der  einzige  welcher  nicht  selbst  auch  formliche 
Schriften  herausgab.  Claudius  (J.  744 — 807  d.  St.)  schrieb 
sogar  Vieles,  vor  seinem  Regierungsantritt  wie  als  Kaiser,  na- 
mentlich Geschichtliches,  und  versuchte  eine  Reform  des  latei- 
nischen Alphabets..  Aber  die  grenzenlose  Schwäche  seines  Geistes 
und  vollends  seines  Charakters  lastete  als  Fluch  auch  auf  dem 
was  er  etwa  Vernünftiges  that  oder  schrieb  und  liess  von  seinen 
eigentlichen  literarischen  Leistungen  nichts  auf  die  Nachwelt 
gelangen.  Nur  inschriftlich  sind  Proben  seines  Wesens  erhalten. 
Nero  (J.  790—821  d.  St.  =  37—68  n.  Chr.)  war  zwar  für  Be- 
redtsamkeit  wenig  ausgebildet,  machte  aber  um  so  eifriger  Verse 
in  epischen  (Troica)  wie  (im  elegischen  und)*  melischen  Massen, 
und  deren  öffentlicher  Vortrag  bildete  eine  der  harmloseren 
Seiten  seiner  ToUheit.  Seine  Mutter  Agrippina,  Claudius' 
Grattin,  verfasste  Memoiren,  ohne  Zweifel  als  ein  Mittel  für  die 
Zwecke  ihrer  Herrschsucht. 

1.  Sueton.  Calig.  53:  ex  disciplinis  liberalibna  minimum  eruditioni^ 
eloquentiae  plurimum  attendit,  quantumvis  facundus  et  promptus,  utique 
si  perorandum  in  aliqnem  esset,  irato  et  verba  et  eententiae  suppetebant. 
.  .  lenius  comptiusque  scribendi  genas  adeo  contemnens  ut  Senecajn  tum 
maxime  placentem  commissiones  meras  componere  et  arenam  esse  sine 
calce  diceret.  solebat  etiam  prosperis  oratorum  actionibus  rescribere  et 
magnorum  in  senatu  reorum  accusationes  defensionesqae  meditari  ac,  prout 
stilus  cesserat,  vel  onerare  sententia  quemque  vel  sublevare,  equestri  quo- 
que  ordine  ad  audiendum  invitato  per  edicta.  34:  cogitavit  etiam  de  Ho- 
meri  carminibus  abolendis.  .  .  sed  et  Vergüii  ac  Titi  Livi  scripta  et  ima- 
gines  paulum  afdit  quin  ex  omnibus  bibliothecis  amoveret,  quorum  alterum 
ut  nullius  ingenii  minimaeque  (C.  Peter:  nimiaeque)  doctrinae,  alterum  ut 
verbosum  in  historia  neglegentemque  carpebat.  de  iuris  quoquc  consultis, 
quasi  scientiae  eorum  omnem  usum  aboHturus,  saepe  iactavit  se  meherculc 
effecturum  ne  quid  respondere  possint  praeter  eum. 

2.  Suet.  Glaud.  33:  aleam  studiosissime  lusit;  de  cuius  arte  librum 
quoque  emisit.  40:  principi  neque  infacundo  neque  indocto,  immo  etiam 
pertinaciter  liberalibus  studiis  dedito.  41:  historiam  in  adulescentia,  hor- 
tante  T.  Livio,  Sulpicio  vero  Flavo  etiam  adiuvante,  scribere  adgressus 
est.  et  cum  primum  frequenti.  auditorio  commisis^et  aegre  perlegit,  refri- 
geratus  saepe  a  semet  ipso.  .  .  in  principatu  quoque  et  scripsit  plurimum 
et  assidue  recitavit  per  lectorera.  initium  autem  sumpsit  historiae  post 
caedem  Caesaris  dictatoris,  sed  et  transiit  ad  inferiora  tempora  coepitquc 
a  pace  civili  etc.  (oben  S.  419,  A.  2).  prioris  materiae  duo  volumina, 
poflterioris  XLI  reliquit.  composuit  et  De  vita  sua  VIH  volumina,  magis 
inepte  quam  ineleganter;  item  Ciceronis  defensionem  adversus  Asini  Galli 
libros  (oben  271,  3)  satis  eruditam.    42:  nee  minore  cura  graeca  studia  se- 


^'^^  ^ 


614  Die  Kaiserzeit.    Erstes  Jahrhundert. 

cutus  est,  finiorem  praestantiamque  linguae  oecasionc  omni  professiis.  .  . 
deniquc  et  gnieca«  scripsib  historias,  TvQQijvi^av  XX,  KaQxriöoviccacJv  VIll. 
Vgl.  Sen.  Apocol.  5:  Claudius  gaudet  esse  illic  philologos  homines,  sperat 
futurum  aliquem  historiis  suis  locum.  Lex  agrorum  ex  commentario  Claudi 
Caesaris  erwähnt  in  dem  liber  coloniarum,  Schriften  d.  röm.  Feldmesser  I. 
p.  211,  23  L.,  wofür  aber  Mommsen  (ebd.  II.  S.  160,  A.  16)  C.  luli  Caesaris 
schreibt. 

3.  Suet.  Claud.  41:  novas  etiam  commentus  est  litteras  tres  ac  nu- 
mero  veterum  quasi  maxime  necessarias  addidit;  de  quarum  ratione  cum 
privatus  adhuc  volumen  edidisset  mox  princeps  (aber  erst  Ende  800  =  47 
n.  Chr.  als  Censor,  Tac.  A.  XI,  13)  non  difficulter  optinuit  ut  in  usu  quoque 
promiscuo  essent.  extat  talis  scriptura  in  plerisque  libiis  ac  diurnis  titu- 
lisque  opemm.  Tac.  A.  XI,  13:  novas  litterarum  formas  addidit  volgavit- 
que.  14:  Claudius  tres  litteras  adiecit,  quae  usui  imperitante  eo,  post  ob- 
litteratae,  aspiciuntur  etiam  nunc  in  aere  publico  per  fora  ac  templa  fixo. 
Es  sind  diess  die  drei  Buchstaben  J  (umgekehrtes  F)  für  consonantisches  v, 
3  (antisigma)  für  bs  und  ps,  I-  (linke  Hälfte  von  H)  für  den  Laut  zwischen 
i  und  u  (Y)  Dazu,  gleichfall«  nach  dem  Griechischen,  Rückführung  von  AI 
statt  des  Diphthongen  AE.  Diese  Vermehrung  des  lateinischen  Alphabets, 
an  sich  von  sehr  zweifelhafter  Nothwendigkeit  und  Nützlichkeit  (nur  von 
der  ersten  Neuerung  Quintil.  I,  7,  26:  nee  inutiliter  Claudius  .  .  illam  .  . 
litteram  adiecerat,  und  Priscian.  I,  4,  20.  p.  15  H.:  quod  quamvis  illi  recte 
visum  est,  tarnen  consuetudo  antiqua  superavit),  hätte,  auch  wenn  sie  von 
einem  geachteteren  Fürsten  ausgegangen  wäre,  schwerlich  Bestand  gehabt; 
überdiess  hatte  sie  Claudius,  wie  es  scheint,  nur  empfohlen;  und  so  fand 
sie  schon  bei  seinen  Lebzeiten  in  den  entfernteren  Reichstheilen  sowie  auf 
den  Münzen  fast  niemals  Anwendung,  in  der  Nähe  der  Hauptstadt  nur 
ungleich  massige.  Das  antisigma  lässt  sich  nur  auf  ^iner  Inschrift,  und 
ohne  Sicherheit,  erweisen,  lieber  den  ganzen  Gegenstand,  nebst  Samm- 
lung der  einschlägigen  Inschriften,  Fr.  Bücheier,  de  Ti.  Claudio  Caesare 
grammatico,  Elberfeld  1856.  54  pp.  Vgl.  Rhein.  Mus.  XIII.  S.  155—157.  Ephe- 
meris  epigraph.  I  (1872)  p.  80. 

4.  Erhalten  ist  von  Claudius,  auf  zwei  (zusammengehörigen  Erztafeln) 
die  J.  1524  zu  Lyon  ausgegraben  wurden,  ein  Theil  der  Rede  welche  er 
J.  801  =  48  n.  Chr.  im  Senat  zu  Gunsten  der  Zulassung  des  gallischen 
Adels  zu  den  römischen  Aemtern  hielt  und  wovon  Tacitus,  A.  XI,  24  einen 
Auszug  gibt.  Abgedruckt  ist  dieser  merkwürdige  üeberrest  in  vielen  Aus- 
gaben der  Annalen  des  Tacitus,  wie  denen  von  J.  Lipsius,  Nipperdey, 
Orelli-Baiter  (I.  p.  341  —  343),  und  auch  selbständig  oftmals.  So  C.  Zell, 
Freiburg  1833,  4.  =  Opusc.  acad.  lat.  (1857)  p.  96—156.  245  f.  A.  Boissieu, 
Inscriptions  antiques  de  Lyon,  Lyon  1846.  A.  Comarmond,  »Description  .  . 
des  tables  de  Claude,  Lyon  1847.  4.  J.  B.  Monfalcon,  Monographie  de  la 
table  de  Claude,  Paris  1853.  fol. 

5.  Ausserdem  wurde  am  29.  April  1869  in  Tirol  ein  Edict  des  Clau- 
dius über  das  römische  Bürgerrecht  der  Anauner,  vom  15.  März  46  n.  Chr., 
gefunden.  F.  Kenner,  ein  Edict  des  K.  Cl.,  Wien  1869.  Mommsen  im  Her- 
mes IV.  S.  99  — 131,  wo  S.  107:  „der  Anfang  (des  Edicts)  mit  seinen  in 
einander  gewickelten  Relativsätzen  und  mit  der  ungeschickten  Verschiebung 


281.   Claudius  und  Nero.  615 

dea  Hauptsubjecte  in  einen  Nebensatz,   vor  allen  Dingen   aber  mit  seiner 
unerhörten  Anakoluthie,  ist  in  hohem  Grade  charakteristisch  für  den  gelehr- 
ten Verkehrten   auf  dem  Thron.    .  .  Recht  deutlich   hat   man  liier  jenen  ^ 
wunderlichsten   aller   römischen  Regenten  vor  sich,    in  dessen  Gemüt  die" 
Keime  lagen  von  naiver  Ehrlichkeit,  humoristischer  Laune,  Sinn  für  Recht 
und  Ordnung,   ja   selbst   von    Scharfsinn    und  Thatkraft,    nur    dass   diese  . 
schönen  Fähigkeiten  in  Verwirrung  gerathen  waren  und  in  Kopf  und  Herz 
nichts  fest  zusammenhielt,   so  dass  alle  jene  Eigenschaften,   wie  im  Hohl- 
spiegel verzerrt  und  fratzenhaft,  ein  Bild  von  grausenhafter  Lächerlichkeit 
ergaben." 

6.  Tac.  A.  IV,  53:  id  ego  .  .  repperi  in  commentariis  Agrippinae 
filiae,  quae  Neronis  principis  mater  vitam  suam  et  casus  suorum  posteris 
memoravit.  Plin.  n.  h.  VII,  8,  46:  Neronem  .  .  pedibus  genitum  scribit 
parens  eins  Agrippina,  und  im  Quellenverzeichniss  zu  B.  VII:  Agrippina 
Claudi.  Sie  lebte  14—59  n.  Chr.;  s.  A.  Preuner  in  Pauly's  Real-Enc.  I,  1. 
S.  613—616;  vgl.  J.  Froitzheim,  Philologus  XXXI.  S.  185—187.  A.  Stahr, 
Agrippina,  die  Mutter  des  Nero,  Berlin  1867.  Da  die  Schriftsteller  für  kein 
Datum  von  Nero's  Regierung  sich  auf  das  —  doch  so  wichtige  —  Zeuguiss 
dieser  Memoiren  berufen,  so  scheinen  sie  vor  der  Thronbesteigung  ihres 
Sohnes  verfasst  und  veröffentlicht  zu  sein.    Vgl.  Lehmann,  Claudius  S.  5  f. 

7.  Suet.  Nero  52:  lil5erales  disciplinas  omnes  fere  puer  attigit.  sed 
a  philosophia  eum  mater  avertit,  monens  imperaturo  contrariam  esse,  a 
cognitione  veterum  oratorum  Seneca  praeceptor,  quo  diutius  in  admira- 
tione  Bui  detineret.  (Doch  lässt  Tac.  A.  XIV,  55  den  Nero  zu  Seneca  sagen: 
quod  meditatae  orationi  tuae  statim  occurram,  id  primum  tui  muneris 
habeo,  qui  me  .  .  subita  expedire  docuisti.  Vgl.  A.  10.)  itaque  ad  poeticam 
pronus  carmina  libenter  ac  sine  labore  composuit.  .  .  venere  in  manus 
meas  pugillares  libellique  cum  quibusdam  notissimis  versibus,  ipsius  chiro- 
gr£4>ho  scriptis,  ut  facile  appareret  non  tralatos  aut  dictante  aliquo  ex- 
ceptos,  sed  plane  quasi  a  cogitante  atque  generante  exaratos;  ita  multa 
et  deleta  et  inducta  et  superscripta  inerant.  ib.  10:  declamavit  saepius 
publice,  recitavit  et  carmina,  non  modo  domi  sed  et  in  theatro,  tanta 
universorum  laetitia  (zu  Anfang  seiner  Regierung)  ut  ob  recitationem  suppli- 
catio  decreta  sit  eaque  pars  carminum  aureis  litteris  lovi  Capitolino  dicata. 
Tac.  A.  XIII,  3:  Nero  .  .  aliquando  carminibus  pangendis  inesse  sibi  ele- 
menta  doctrinae  ostendebat.  XIV,  16:  carminum  quoque  studium  adfecta- 
vit,  contractis  quibus  aliqua  pangendi  facultas  necdum  insignis  erat,  hi 
cenati  considere  simul  et  adlatos  vel  ibidem  repertos  versus  conectera 
atque  ipsius  verba  quoquo  modo  prolata  ^upplere.  quod  species  ipsa  car- 
minum docet,  non  impetu  et  instinctu  nee  ore  uno  iluens. 

8.  DioLXII,  29:  iv  navSTifim  zivl  ^sa  (an  den  quinquennalia  des  J.  818 
d.  St.)  .  .  dviyvo}  T^col'xa  tiva  iavzov  noiri^xa.  Vgl.  Juv.  VIII,  221.  Schol. 
Pers.  I,  121.  Anthol.  lat.  725,  38  ff.  R.  Aus  diesem  Epos  Angaben  bei 
Serv.  Georg.  III,  36.  Aen.  V,  370.  Daraus  wohl  die  drei  Hexameter  bei 
Schol.  Lucan.  HI,  261  (de  hoc  ait  Nero  in  primo  Hbro:  Quique  etc.)  und 
wohl  auch  der  Hexameter  bei  Sen.  nat.  quaest.  I,  5,  6  (ut  ait  Nero  Caesar 
disertissime),   das  Hemistich  bei  Suet.  vita  Lucani  (p.  51,  10  Rff.),  sowie 


616  Die  Kaiserzeit.    Erstes  Jahrhundert. 

die  formell  glänzenden^  aber  völlig  inhaltsleeren  Hexameter  bei  Persias  I, 
93—95.  99-— 102,  wozu  Schol.:  dicit  hos  versus  Neronis  (p.  269  J.),  uad:  hi 
versus  Neronis  sunt  (p.  271,  1  f.  J.);  vgl.  0.  Jahn*8  prolegg.  zu  Pers. 
p.  LXXVIII— LXXXl.  W.  Teuffei,  üebersetzung  des  Persius  (Stut^.  1857) 
S.  44  f.  Wohl  ein  Abschnitt  dieser  Troica  war  die  "Almais  'IU0V  welche 
Nero  beim  Brande  Roms  (J.  64  n.  Chr.)  zur  Kithara  vortrug.  Dio  LXII,  18: 
triv  ü^svr^v  triv  %1/d'aQmSiiiriv  Xaßtov  '^CfvZiloaaiv  .  .  *lUov.  Suet.  Ner.  38: 
halosin  llii  in  illo  suo  scenico  habitu  decantavit,  vgl.  Tac.  A.  XV,  39.  Pio 
LXII,  29:  naQsaxeva^fTO  Sh  mg  %al  rag  tmv  *Pm(Mxi<ov  nQcc^stg  andaag  evy- 
YQtiiffmv  iv  ^moiv  %a\  negl  ys  tov  nlrjd'ovg  xmv  ßißXltov,  n^iv  xal  otiovv 
ccvrmv  avv^sivai,  ienii^ccto.  _ 

9.  Die  von  Anfang  an  für  den  Vortrag  zur  Kithara  bestimmten  Gedichte 
Nero's.  DioLXI,  20:  ini^aQtpdfjüf  rs'jitTiv  tiva  rj  Ba%xag.  Neroniana  cantica 
bei  Suet.  Vitell.  11.  Die  Stoffe  waren  aus  griechischen  ^Tragödien;  Phi- 
lostrat. Apoll.  Tyan.  IV,  39:  admv  ra  tov  NiQtovog  piiXri.  .  .  inr^ys  fi^sXj] 
ra  fihv  i^  'OgcüTSÜicgy  tä  d^  i^  'Avttyovrig,  ta  S*  onoQ'Bvovv  tmv  zQccyai' 
Sovfisv(ov  avxipy  aal  mSag  ^'Kafintsv  onoaag  NiQcav  iXvyi^B  te  nal  Kanmg 
^GTQsq>Bv.  Vgl.  Suet.  Ner.  21.  Plin.  n.  h.  XXXVII,  3,  12:  Domitius  Nero  .  . 
quodam  carmine.  Gedichte  (Elegieen?)  lasciven  Inhalts,  Martial.  IX,  26,  9  f. 
(Nero  .  .  lascivum  iuvenis  cum  tibi  lusit  opus)  vgl.  VIII,  70,  8.  Plin.  Epp. 
V,  3,  6  (oben  31,  1).  Aehnlicher  Art  war  auch  wohl  poema  Neronis  quod 
inscribitur  Luscio  gegen  Clodius  Pollio  (Suet.  Domit.  1)  und  das  gegen 
Quintianus  (mollitia  corporis  infamis  et  a  Nerone  probroso  carmine  diffa- 
matus,  Tac.  A.  XV,  49).  0.  Jahn's  Prolegg.  zu  Pers.  p.  LXXV— LXXVIII. 
A.  Haakh  in  Pauly's  Real-Enc.  V.  S.  579  f.  Anm.    Lehmann,  Claudius  S.  6  f. 

10.  Tac.  A.  Xni,  3:  adnotabant  seniores  . .  primum  ex  iis  qui  rerum  potiti 
essent  Neroncm  alienae  facundiae  eguisse.  Vgl.  A.  7  u.  282,  2.  Dio  LXI,  3: 
toüavta  %al  jCQog  r^v  ßovXriVy  TtQog  tov  SBvi%ov  xal  avxa  y^atpivrcc,  dviyvto. 
Die  Beden  welche  Suet.  Ner.  7  erwähnt,  die  Dankrede  im  Senat,  ^ro  Bo;io- 
niensibuB  latine,  pro  Ehodiis  atque  Iliensibus  graece,  werden  wohl  gleich- 
falls von  Seneca  verfasst  gewesen  sein.  Ungenau  sagt  Fronte  ad  Ver.  II, 
1.  p.  124  über  die  Kaiser  nach  Tiberius  bis  Vespasian:  quis  eorum  oratione 
sua  populum  aut  senatum  adfari,  quis  edictum,  quis  epistulam  suismet 
verbis  componere  potuit?    Vgl.  oben  A.  1.  4.  6.  7. 

271  '  282.  üeber  die  Regierungszeit  sämmtlicher  drei  Kaiser 
erstreckt  sich  die  schriftstellerische  Thätigkeit  des  L.  Annaeus 
Seneca  (ungefähr  J.  750  bis  818  d.  St.),  unter  Caligula  Senats- 
mitglied, unter  Claudius,  bald  nach  dessen  Regierungsantritt,  auf 
Messalina's  Betreiben  nach  Corsica  verbannt  ( J.  41 ),  jedoch, 
nach  achtjähriger  Abwesenheit,  durch  Agrippina  zurückgerufen 
(J.  49),  mit  der  Erziehung  ihres  Sohnes  Nero  betraut  und  zum 
Prätor  ernannt;  unter  Nero  Consul  (J.  57)  und  eine  Zeit  lang 
thatsächlicher  Lenker  des  Staates,  aber  auch  (J.  65),  wegen 
angeblicher  Theilnahme  an  der  pisonischen  Verschwörung,  zum 
Sterben  genöthigt.   Seneca  ist  die  glänzendste  Erscheinung  dieser 


281  f.   Nero.    Seneca  (Leben  und  Charakter).  617 

Zeit.  An  Geist  und  Formgewandtheit  nur  mit  Ovidius  vergleich- 
bar hatte  er  zwar  zugleich  ein  lebhaftes  Gefühl  seiner  Vorzüge, 
ist  auch  den  Versuchungen  der  Gelegenheit  und  Macht  und 
den  Eingebungen  des  Augenblicks  keineswegs  immer  wider- 
standen. Aber  einen  verwerflichen  Gebrauch  hat  er  von  seiner 
grossen  Begabung  und  hohen  Stellung  doch  nur  selten  gemacht, 
und  wenn  sein  Leben  die  Weisheit  oft  zur  Klugheit  abgeschwächt 
zeigt,  so  bewies  sein  Sterben  entschlossenen  Verzicht  auf  die 
Güter  dieses  Lebens. 

1.  Geboren  war  Seneca  zn  Cordnba  (s.  oben  264,  1.  Cordubenses 
nostri,  III.  p.  434  Hse.)  als  zweiter  von  drei  Brüdern  (oben  264,  2).  Mutter 
Helvia,  s.  die  Trostscbrift  an  sie  und  oben  264,  1.  Von  deren  Schwester 
(nachher  Gattin  eines  Mannes  der  16  Jahre  lang  praef.  Aegypti  war,  wohl 
des  Vitrasius  Pollio)  cons.  ad  Helv.  19,  2:  illius  manibus  in  urbem  per- 
latus  sum,  illius  pio  maternoque  nutricio  per  longum  tempus  aeger  con- 
valui;  illa  pro  quaestura  mea  gratiam  suam  extendit.  Seine  Lehrer  in 
Rom  waren  die  Philosophen  Attalus  (oben  277,  5)  und  Sotion  (Epist.  49. 
98.  108),  sowie  Papirius  Fabianus  (oben  261,  10).  Auch  von  Asinius  Pollio 
(t  768,  oben  218,  1)  wusste  Seneca  noch  aus  persönlicher  Erinnerung  (de 
tranquill.  17,  7).  Epist.  49,  2;  quid  non  „modo"  est  si  recorderis?  modo 
apud  Sotionem  puer  sedi,  modo  causas  agere  coepi,  modo  desii  velle  agere, 
modo  desii  posse.  ib.  108,  22:  in  Tiberii  Caesaris  principatum  iuventae 
tempus  inciderat.  Dio  LIX ,  19 ,  7  (J.  39) :  6  Zevi%ag  6  "Avviog  6  Aov%iog 
.  .  SiBcf>%'uqri  naq  oXCyov  .  .  ort  Sinrfv  rtvot  iv  t^  övvBSqCm  naQOVtog  avtov 
(des  Caligula)  y,nlmg  elnev.  Als  J.  41  die  jüngste  (J.  18  geborene)  Tochter 
des  Germanicus  und  Schwester  des  Caligula^  lulia  Livilla,  durch  Messalina 
in  die  Yer]^annung  getrieben  wurde,  traf  gleiches  Loos  auch  den  Seneca, 
als  ihren  Buhlen  (Tac.  A.  XIII,  42.  Dio  LXI,  10.  Schol.  Juv.  V,  109). 
Nach  Corsica  begleitete  ihn  Caesonius  Maximus  (Martial.  YII,  44  f.).  Tac. 
A.  XII,  8  (J.  49):  Agrippina  .  .  veniam  exilii  pro  Annaeo  Seneca,  simul 
praeturam  impetrat,  .  .  ut  Domitii  pueritia  tali  magistro  adolesceret  et 
consiliis  eiusdem  ad  spem  dominationis  uterentur,  quia  Seneca  fidus  in 
Agrippinam  memoria  beneficii  et  infensus  Claudio  dolore  iniuriae  crede- 
batur.  Suet.  Nero  7:  undecimo  aetatis  anno  a  Claudio  adoptatus  est 
Annaeoque  Senecae  iam  tunc  senatori  in  disciplinam  traditus.  Schol.  Juv. 
1.  1.  (p.  254  J.):  revocatus  .  .  etsi  magno  desiderio  Athenas  intenderet  ab 
Agrippina  tamen  erudiendo  Neroni  in  palatium  adductus.  Verdächtigung 
seines  Verhältnisses  auch  zu  Agrippina;  Dio  LXI,  10:  ov  yaq  anexQfiasv 
avtm  TTiv  'lovXCciv  [lOLXtvoaiy  ov8h  (3firMov  in  rrjg  (pvyr^g  iyivsTO,  dXXa  nocl 
tri  'Ayqtnnlv'ri  .  .  iTclriaüt^Bv.  Dabei  könnte  aber  der  Verführte  er  gewesen 
sein.  Cos.  suff.  67,  s.  B.  Borghesi,  Oeuvres  IV.  p.  391  ff.  Hermes  11.  S.  46. 
Wie  er  sich  in  schwieriger  Zeit  durchhalf  verräth  Seneca  öfters,  z.  ß.  de 
otio^S,  3:  si  resp.  corruptior  est  quam  ut  adiuväri  possit,  si  occupata  est 
malis,  non  nitetur  sapiens  in  supervacuum  nee  se  nihil  profaturus  impendet. 
Vgl.  unten  328,  8  g.  E. 

2.  Einfluss  des  Seneca  auf  Nero  in  dessen  besseren  Anfängen,  zum  Theil 


618  Die  Kaiserzeit.    Erstes  Jahrhundert. 

durch  gefilhrliche  Mittel  aufrecht  erhalten.  Dio  LXI,  4:  avtol  (Seneca  und 
liiirrus)  rriv  agxFiv  anccaccv  naQeXaßov  nal  ÖKpyii^aav  Itp'  oaov  '^8vvi]d'riaav 
ciQiGza  x«l  8iyLai6zcita,  Tac.  A.  XIII,  2:  ibatur  in  caedes,  nisi  Afi*anius 
liiirrns  et  Annaeus  Seneca  obviara  issent.  hi  rectores  imperatoriae  iuven- 
tae  et  .  .  concordes  diversa  arte  ex  aequo  pollebant,  .  .  Seneca  praeceptis 
cloquentiae  et  comitate  honesta,  iuvantes  invicem,  quo  facilius  lubricam 
piiiicipis  aetatem,  si  virtutem  aspernaretur,  voluptatibus  concessis  retinerent. 
(Ucj^en  Letzteres  Dio  LXI,  4.)  ib.  11:  clementiam  suam  obstringens  (Nero) 
(•rebris  orationibus,  quas  Seneca,  testificando  quam  honesta  praeciperet  vel 
iactandi  ingenii,  voce  principis  vulgabat.  ib.  13:  donec  .  .  exucret  obse- 
qiiium  in  matrem  seque  Senecae  permitteret,  ex  cuius  familiaribus  Annaeus 
Sereuus  simulatione  amoris  ad  versus  eandem  libertam  (Akte)  primas  ado- 
l('.<ecntis  (Nero)  cupidines  velaverat.  Plin.  n.  h.  XIV,  51:  Annaeo  Seneca, 
l»riiicipe  tum  eruditorum  ac  potentia,  quae  postremo  nimia  mit  super  ipsum, 
uiiiiime  utique  miratore  inanium.  Verwerthung  der  günstigen  Gelegenheit. 
Tac.  A^  XIII,  42:  qua  sapientia,  quibus  philosophorum  praeceptis  intra 
«luadricnnium  rogiae  aniicitiae  ter  millies  scstertium  paravisset  (Seneca)? 
Honiae  testanienta  et  orbos  velut  indagine  eins  capi,  Italiam  et  provincias 
iiniuonso  fenore  hauriri.  Beispiel  solcher  Geldspeculationen  bei  DioLXII,  2. 
\  L^l.  ib.  LXI,  10:  xal  ^v  aXXoig  ndvtcc  tcc  ivctvtKorctta  oig  ItpikoaotpBi  jcoiav 
i]Xhyx^ri.  xal  yor^  zvgccvviSog  %atriyoQmv  .  .  otJx  afpiataxo  zov  naXazCov  . 
Toiq  zB  TtXovzovaiv  iyKaXoav  (?  vgl.  Sen.  vit.  beat.  17)  ovaiccv  enzci'niaxiXicDv 
y.ca  Ttsvzanoa^cav  (ivgidSrnv  inzricazo,  xal  zag  noXvzeXsCccg  zmv  ccXXoav  alzia- 
u^vog  itBvza-Koaiovg  zgtnoSag  .  .  bIxb.  .  .  tag  dasXysiag  Sg  ngazzoyv  ydfiov 
Tb  tnitpaviazazov  ^yrifis  (mit  Pompeja  Paulina,  Tac.  A.  XV,  60)  xal  (leiQu- 
yiioig  i^(OQoig  ?x^^Q^  ^'^^  zovzo  xal  zov  Nigavcc  noietv  iS^Sa^s.  Dagegen 
Tae.  A.  XIV,  53  Seneca  zu  Nero:  tantum  honoi*am  atque  opum  in  me  cu- 
inulasti  ut  nihil  felicitati  meae  desit  nisi  moderatio  eins.  Ueberhaupt  hat 
Tacitus  den  Seneca  sehr  viel  besser  verstanden  als  Dio,  der  häufig  den 
neidischen  Stadtklatsch  gegen  ihn  wiedergibt  und  sogar  an  der  Art  seines 
Sterbens  (Tac.  A.  XV,  60  —  65)  zu  makein  sucht  (LXII,  25).  Im  Ganzen 
konnte  Seneca,  wenn  er  sich  mit  Andern  verglich  und  erwog  was  er  alles 
vermocht  und  unterlassen  hatte,  am  Ende  seines  Lebens  mit  Ruhe  auf 
seine  Vergangenheit  zurückblicken;  Tac.  A.  XV,  62:  imaginem  vitae  suae 
relinquere.  63:  contemplatione  vitae  per  virtutem  actae.  Etwas  Berechnung 
dr  s  Effectes  ist  zwar  auch  in  der  Art  seines  Sterbens,  doch  mindert  das 
kanm  den  Werth  der  wirklichen  Leistung. 

3.  Volquardsen,  Ehrenrettung  des  Seneca,  Hadersleben  1839,  4.  E.  F. 
(ielj)ke,  de  Senecae  vita  et  moribus,  Bern  1848.  4.  Peter,  Gesch.  Roms-III. 
S.  344  —  351.  A.  Martens,  de  Senecae  vita  et  de  tempore  quo  scripta  eins 
idiilosophica  .  .  composita  sint,  Altena  1871.   62  pp. 

272  283.  Auch  als  Schriftsteller  ist  Seneca  ein  treues  Abbild 
seiner  Zeit,  welche  Glanz  höher  schätzte  als  Gründlichkeit;  er 
hat  mit  Bewusstsein  in  ihrem  Geschmacke  geschrieben  und 
dadurch  den  Beifall  der  nächsten  Generationen  verscherzt.  Stoff- 
lich war  seine    Schriftstellerei    vielseitig,   doch   von   Anfang   an 


i 


283.   Seneca  (als  Schriftsteller).  .  619 

mit  Vorliebe  und  zuletzt  ausschliesslich  dem  beschaulichen  Re- 
flectieren  über  Natur  und  Menschenleben  zugewandt.  Den  Aus- 
gangspunkt bildet  dabei  das  stoische  System,  aber  so  dass  es 
durch  Zuthaten  aus  andern  Systemen  abgeschwächt  wird,  seine 
Härten  abgeschliffen,  seine  ethische  Strenge  gelockert  und  die 
Griibeleien  bei  Seite  gelassen.  Diese  populärphilosophischen 
Schriften  fesseln  durch  Fülle  und  Feinheit  der  Beobachtung, 
Reichthum  des  Wissens  ohne  gelehrten  Beigeschmack,  edlen 
Anstrich  der  Gedanken  und  eine  glitzernde  Darstellung,  belebt 
durch  alle  Mittel  der  Rhetorik,  Aber  der  Mangel  eines  festen 
Planes  und  die  fortwährende  Wiederkehr  derselben  Manier  er- 
müdet, das  stark  hervortretende  Streben  zu  gefallen  verstimmt 
und  erregt  Verdacht  auch  gegen  Ernstgemeintes.  Sein  Leben 
lang  von  Seneca  festgehalten  und  mit  ihm'  verwachsen  tritt 
diese  Weise  in  allen  seinen  Schriften  gleich  sehr  zu  Tage,  in 
seiner  Prosa  wie  in  seiner  Poesie,  nur  dass  in  den  Gedichten 
die  rhetorische  Phrase  den  Inhalt  weit  überwuchert. 

1.  Tac.  A.XIII,  3:  fuit  Uli  viro  (Seneca)  Ingenium  amoenum  et  temporis 
Q»us  auribuB  accommodatum.  Qiiintil.  X,  1,  125:  ex  indnstria  Senecam  in 
omni  genere  eloquentiae  distuli,  propter  vulgatam  falso  de  me  opinionem 
qua  damnare  eum  et  invisum  quoque  habere  sum  creditns.  quod  aeeidit 
mihi  dum  corniptum  et  omnibus  vitiis  fractum  dicendi  genus  revocare  ad 
severiora  iudicia  contendo.  (126.)  tum  autein  solus  hie  fere  in  manibuB 
adolescentiura  fuit.  quem  .  .  potioribus  (besondere  dem  Cicero)  praeferri 
non  sinebam,  quos  ille  non  deetiterat  incessere.  .  .  (127.)  placebat  propter 
sola  vitia.  .  .  (128.)  cuius  et  multae  alioqui  et  magnae  virtutes  fuerunt,  in- 
genium  facile  et  copiosum,  plurimum  studii,  multa  rerum  cognitio.  .  .  trac- 
tavit  etiam  omnem  fere  studiorum  materiam  (129.)  nam  et  orationes  eins 
et  poemata  et  epistolae  et  dialogi  feruntur.  in  philosophia  parum  diligens, 
cgregius  tamen  vitiorum  insectator  fuit.  multae  in  eo  claraeque  sententiae, 
multa  etiam  morum  gratia  legenda;  sed  in  eloquendo  corrupta  pleraque 
atque  eQ  perniciosissima  quod  abundant  dulcibus  vitiis.  (130.)  .  .  ei  non 
omnia  sua  amasset,  si  rerum  pondera  minutissimis  sententiis  non  fregisset, 
couscnsu  potiuB  eruditorum  quam  puerorum  amore  comprobaretur.  (131.) 
.  .  mult^  .  .  probanda  in  eo,  multa  etiam  admiranda  sunt:  eligere  modo 
curae  sit;  quod  utinam  ipse  fecisset.  Noch  stärker  äussern  sich  Seneca's 
Gegenfüssler  in  der  Manier,  Fronte  und  dessen  Anhang.  So  Fronto  p.  155 
N.:  eloquentiam  .  .  Senecae  moUibus  et  febriculosis  prunuleis  insitam  sub- 
vertendath  censeo  radicitus.  (156.)  .  .  neque  ignoro  copiosum  sententiis  et 
redundantem  hominem  esse;  verum  sententias  eins  .  .  vidco  .  .  nusquam 
pugnare  etc.  (157.)  at  eandem  sententiam  milliens  alio  atque  alio  amictu 
indutam  referunt.  (158.)  .  .  quid  ego  verborum  sordes  et  illuvies,  quid  ver- 
ba  modulate  coUocata  et  effeminate  fluentia?  Gellius  XII,  2,  1:  de  Annaeo 
Seneca  partim  exiatimant  ut  de  acriptore  minime  utili,  cuius  libroa  attingere 


620  I^iö  Kaiscrzoit.   Erstes  Jahrhundert. 

nullum  pretium  operae  sit,  quod  oratio  eius  vulgaris  videatur  et  protrita, 
res  atque  sententiae  aut  inepto  inanique  impetu  sint  aut  levi  et  quasi 
dicaci  argutia,  eruditio  autem  vernacula  et  plebeia  nihilque  ex  vetenim 
scriptis  habens  neque  gratiae  neque  dignitatis.  alii  vero  elegantiae  in  ver- 
bis  parum  esse  non  infitias  eunt,  sed  et  rerum  quas  dicat  scientiam  doctri- 
namqne  ei  non  deesse  dieunt  et  in  vitiis  morum  obiurgandis  severitatem 
gravitatemque  non  invenustam.  Worauf  wegwerfende  urteile  desselben  über 
Ennius,  Cicero  und  Vergil  aus  Epist.  XXII  mit  Entrüstung  angeführt  werden. 

2.  Abfassungszeit  von  Seneca's  Schriften.  Vor  seiner  Verbannung, 
also  unter  Caligula,  verfasst  waren,  ausser  Reden  (oben  282,  1),  wohl 
die  Schriften  über  Aegypteo  und  Indien,  sowie  die  consolatio  ad  Marciam. 
Aus  der  Zeit  seiner  Verbannung  sind  Epigramme,  vielleicht  auch  ein  Theil 
der  Tragödien,  sicher  die  Trostschriften  an  seine  Mutter  Helvia  und  an 
Polybius  (aus  J.  43  oder  44),  sowie  die  (später  von  Seneca  unterdrückte, 
Dio  LXI,  10)  Lobschrift  auf  Messalina.  Bald  nach  seiner  Zurückberufung 
veröffentlicht  wurden  wohl  die  Schriften  de  tranquillitate  animi  (Lehmann, 
Claud.  S.  321  f.),  de  ira  (Lehmann,  ebd.  S.  315  —  321)  und  de  brevitate 
vitae  (vgl.  13,  8).  Nach  dem  Tode  des  Claudius  (J.  54)  verfasst  ist  die  dno- 
üoXonvvroactg;  in  den  ersten  Jahren  des  Nero  die  an  diesen  gerichteten 
Bücher  de  dementia,  die  Schrift  de  vita  beata,  gerichtet  an  Novatus  (jetzt 
Gallio),  die  Bücher  de  beneficiis,  ferner  de  constantia  sapientis.  Aus  dieser 
Zeit  stammt  wohl  auch  ein  Theil  seiner  Tragödien  (s.  unten  285,  2).  Nach- 
dem sich  Seneca  vom  Hofe  und  öffentlichen  Leben  zurückgezogen  (J.  62) 
verfasste  er  die  Schrifl  de  otio  ad  Serenum,  sowie  wohl  auch  die  an  Luci- 
lius  gerichteten  Werke  de  Providentia,  die  quaestiones  naturales  und  die 
Briefe  (J.  62—65).  H.  Lehmann,  Philologus  VIII.  S-  309—328  =  Claudius 
und  seine  Zeit  S.  8—17.  Fr.  Jonas,  de  ordine^librorum  Senecae  philosophi, 
Berlin  1870.   74  pp.     A.  Martens  (s.  oben  282 ,  3). 

3.  Volkmann,  Seneca,  eine  literarisch -pädagogische  Skizze,  in  Mager's 
llevue  1857,  S.  259 — 276.  F.  Böhm,  Sen.  und  sein  Werth  auch  für  unsere 
Zeit,  Berlin  1856.  47  S.  4. 

4.  E.  F.  Werner,  de  Sen.  philosophia,  Breslau  1825.  B.  ten  Brink,  de 
Seneca  eiusque  in  philosophiam  meritis,  Gandav.  1827.  4.  G.  Herzog,  de 
Senecae  philosophia,  Bemburg  1828.  H.  Dörgens,  Senecae  disciplinae  mo- 
ralis  cum  Antoniniana  comparatio,  Lips.  s.  a.  (1857).  F.  Chr.  Baur,  Seneca 
und  Paulus;  das  Verhältniss  des  Stoicismus  zum  Christenthum,  nach  den 
Schriften  Seneca's,  in  Hilgenfeld's  Zeitschrift  für  wiss.  Theologie  I  (1858). 
S.  171  —  246.  441  —  463.  Holzherr,  der  Philosoph  Seneca;  ein  Beitrag  zur 
Kenntniss  seines  Werthes  überhaupt  und  seiner  Philosophie  u.  s.  w.  I.  Pro- 
gramm von  Rastatt  1858.  122  S.  IL  1859.  76  S.  C.  Martha,  les  moralistes 
sous  Tempire  romain  (Paris  1865)  p.  20  ff.  G.  Boissier,  le  christianisme  et 
la  morale  de  S.,  Revue  des  deux  mondes  T.  XCII  (1871).  p.  40 — 71. 

Baarts,  Seneca  de  deo,  Marienwerder  1848.  4.  C.  R.  Fickert,  Sen.  de 
natura  deorum,  Breslau  1857.  4.  Siedler,  die  religiös -sittliche  Weltan- 
schauung des  Sen.,  Fraustadt  1863.  4.  W.  Bernhardt,  die  Anschauung  des 
Sen.  vom  Universum,  Wittenberg  1861.  4. 

De  latinitate  Senecae  Böhmer  (Oels  1840.  4.)  und  E.  Opitz  (Naumburg 
1871.  33  pp.  4.). 


284.    Seneca  (prosaische  Schriften).  621 

284.  Von  den  prosaischen  Schriften  des  Seneca  ist  ein273 
grosser  Theil  nur  in  Bruchstücken  oder  Erwähnungen  bekannt. 
Unter  den  erhaltenen  zeichnet  sich  die  Sammlung  von  Briefen 
an  Lucilius  aus,  als  die  vollendetste  und  reichhaltigste  Dar- 
stellung der  Eigenthümlichkeit  des  Seneca.  Die  Spottschrift  auf 
den  todten  Claudius  beruht  zwar  auf  hässlicher  Denkweise,  ist 
aber  merkwürdig  als  Beispiel  der  satira  menippea.  Der  Werth 
welchen  man  auf  die  ethischen  Schriften  Seneca's  legte  veran- 
lasste fleissiges  Abschreiben  derselben,  frühzeitig  aber  auch 
Unterschiebungen,  wie  den  erdichteten  Briefwechsel  mit  dem 
Apostel  Paulus. 

1.  Untergegangene  prosaische  Schriften  des  Seneca.  a)  Naturwissen- 
schaftlichen Inhalts.  De  motu  terrarum  (volumen  edidi  iuvenis,  nat. 
quaest.  VI,  4,  2),  de  lapidum  natura,  vielleicht  auch  de  piscium  natura, 
Monographien  de  situ  Indiae  und  de  situ  et  sacris  Aegyptiorum ,  diese 
beiden  Schriften  wohl  eine  Ausbeute  des  Aufenthalts  bei  dem  Gatten  seiner 
Tante  (oben  282,  1),  de  forma  mundi.  b)  Moralphilosophisches.  Ex- 
hortationes,  de  officiis,  de  immatura  morte,  de  superstitione  (gegen  den 
Anthropomorphismus  und  Anthropopathismus  des  Volksglaubens)  dialogus, 
de  matrimonio  (sehr  reichhaltig  und  pikant),  wahrscheinlich  de  amicitia; 
ferner  moralis  philosophiae  libri;  de  remediis  fortuitorum  ad.Gallionem; 
de  paupertate,  und  vielleicht  de  misericordia.  c)  Geschichtliches:  de  vita 
patris,  8.  oben  264,  3.  d)  Eeden,  für  Nero  verfasst;  s.  Tac.  A.  XI,  3.  11. 
XIV,  10  f  Quintil.  VIII,  5,  18.  Dio  LXI,  3.  Vgl.  oben  281,  10.  e)  Lobschrift 
auf  Messalina,  oben  283,  2.  f)  Briefe:  in  decimo  epistolarum  ad  Novatum 
(Priscian.  IL  p.  410,  6  f.  H.).  MartiaL  VII,  46^  3  f.  (an  Caesonius  Maximus). 
Beste  Zusammenstellung  der  Ueberreste  des  Verlorenen  in  Haasens  Ausgabe 
lil.  p.  419  —  467.  vgL  p.  XV — XXI.  F.  Osann,  de  Sen.  scriptis  quibusdam 
deperditis,  Giessen  1846  —  1848.  4. 

2.  Handschriften  von  den  prosaischen  Schriften  des  Seneca  sind 
zwar  viele  vorhanden,  doch  meist  junge.  Die  ältesten  sind  der  Mediola- 
nensis  saec.  IX,  welcher  dialogorum  libros  XII  enthält;  der  Nazarianus 
Gruters  far  de  benef.  und  de  dementia;  fiir  die  natur.  quaest.,  nächst  den 
verschollenen  Memmianus  und  Bongarsianus ,  ein  Berolinensis  saec.  XIII; 
für  die  erste  Hälfte  der  Briefe  besonders  Parisinus  8540,  p  bei  Haase,  für 
die  zweite  die  Bamberger  und  Strassburger  Handschrift  saec.  IX  oder  X. 
L.V.Jan,  symbolae  ad  notitiam  codd.  atque  emend.  epist.  Senccae,  Schwein- 
furt 1839.  4.  C.  B.  Fickert,  prolegomena  in  novam  Sen.  editionem,  Naum- 
burg 1839.  4.  Die  praefationes  in  den  Ausgaben  von  Fickert  und  von  Haase 
(bes.  m.  p.  VI— xni). 

3.  Gesammtausgaben  der  prosaischen  Schriß^n  Seneca*s.  Erste,  Neapel 
1475.  fol.  2  Voll.  Ex  recogn.  D.  Erasmi,  Basil.  1515.  1529.  fol.  Cum  notis 
Mureti,  Rom.  1585.  fol.  Ad  mss.  Palat.  rec.  J.  Gruter,  Heidelberg  1593.  fol. 
Cum  notis  J.  Lipsii,  Antverp.  1605.  fol.  Cum  comm.  J.  Fr.  Gronovii  (dessen 
Notae  ad  L.  et  M.  Ann.  Senecas  Lugd.  Bat.  1649  erschienen)  et  aliorum, 


G22  I^ie  Kaiserzeit.    Eratcs  Jahrhuudert. 

Amst.  1672.  2  Voll.  Becogn.  et  illustr.  F.  E.  Ruhkopf,  Lips.  1797—1811. 
6  Voll.  Becensuit,  ^comm.  adiecit  etc.  C.  R.  Fickert,  Lips.  1842  —  1845. 
3  Voll.     Text  von  Fr.  Haase,  Lipa.  Teubner,  1852  f.  3  Voll. 

Fr.  Haase,  adnotationes  eriticae  ad  Sen.,  Breslau  1852  f.  1859.  4.  K. 
Schenkl,  Beiträge  zur  Kritik  des  Sen.,  Wien  1864.  67  S.  (Sitzungsber.  d. 
Wiener  Ak.  XLIV.  S.  3  fiP.).  M.  Haupt,  emendationes  (Berol.  1864.  4.)  und 
adnotationes  ad  L.  A.  S.  opera,  Berlin  1866.  21  pp.  4.  C.  F.  W.  Müller,  zu 
beiden  Seneca,  Fleckeisen^s  Jahrb.  93,  S.  483  —  503.  0.  Matthiä,  Obserra- 
tiones  eriticae  in  Sen.,  Berlin  1865.  E.  Bährens,  lectiones  latinae  (Bonn 
1870)  p.  40 — 46.    J.  J.  Comelissen,  Coniectanea  latina,  Daventr.  1870.  4. 

Uebersetzt  von  J.  M.  Moser,  A.  Pauly  und  A.  Haakh,  Stuttgart  (Metz- 
ler) 1828  ff.   17  Bdchn. 

4.  Die  im  Mediol.  als  dialogi  bezeichneten  Schriften  verdienen  diesen 
Namen,  sofern  sie  in  der  Weise  der  Stoiker  häufig  genug  einen  Gegenredner 
einfähren.  Es  sind  zwölf:  1)  die  an  Lucilius  gerichtete  Abhandlung  über 
die  Frage  quare  aliqua  incommoda  bonis  viris  accidant  cum  Providentia  sit. 
Herausgegeben  von  B.  A.  Nauta,  Lugd.  Bat.  1825.  2)  ad  Serenum  (oben 
282, 2) :  nee  iniuriam  nee  contumeliam  accipere  sapientem.  3 — 5)  Drei  Bücher 
de  ira,  ad  Novatum,  den  älteren  Bruder  Seneca's,  sichtlich  nach  Caligula's 
Tod  verfasst,  s.  I,  16,  29.  II,  33,  8.  111,  18,  3.  22,  1.  6)  ad  Marciam  (die 
Tochter  des  Cremutius  Cordus,  oben  272, 1)  de  consolatione,  über  den  vor  mehr 
als  drei  Jahren  erfolgten  Tod  ihres  Sohnes.  Abhandlung  darüber  von  Fr. 
Heidbreede,  Bielefeld  1839.  4.  Ausgabe  von  H.  C.  Michaelis,  Harlem  1840. 
7)  ad  Gallionem  de  vita  beata.  Prolegomena  dazu  von  C.  F.  Schulze,  Lips. 
1797.  4.  8)  ad  Serenum  de  otio.  9)  ad  Serenum  de  tranquillitate  animi.  Mono- 
graphisch behandelt  von  A.  Hirschig,  Lugd.  Bat.  1825.  10)  ad  Paulinum 
(den  Schwiegervater  des  Seneca?)  de  brevitate  vitae.  Adnotationes  dazu  von 
Clumper,  Lugd.  Bat.  1835.  11)  ad  Polybium  (vgl.  226,  5)  de  consolatione, 
Trostschriit  an  einen  Kammerherm  des  Claudius  über  den  Verlust  seines 
Bruders,  voll  massiver  Schmeicheleien  gegen  Claudius  (bes.  c.  13  f.),  um 
seine  eigene  Zurückberufung  zu  erwirken;  Volkmann  in  Mager's  Revue  1858, 
S.  104 — 135.  12)  ad  Helviam  matrem  de  consolatione,  um  sie  über  seine 
Verbannung  zu  trösten,  gleichfalls  eine  Form  um  deren  Aufhebung  zu  be- 
treiben. Abhandlung  darüber  von  H.  C.  Michaelis,  Harlem  1841.  Sachlich 
verwandten  Inhalts,  aber,  wie  es  scheint,  in  der  Sammlung  der  dialogi 
nicht  mitbegriffen,  sind  13)  die  zwei  an  Nero  gerichteten  Bücher  de  de- 
mentia, 14)  die  sieben  Bücher  de  beneficiis,  gerichtet  an  seinen  Freund 
Aebutius  Liberalis  aus  Lugdunum;  sowie  15)  die  Briefe  (A.  5). 

5.  Die  Briefe  an  seinen  jüngeren  Freund,  den  Procurator  Siciliens, 
Lucilius,  sind  ums  J.  810  begonnen,  von  Anfang  an  mit  der  Absicht  der 
Veröffentlichung  geschrieben  und  die  drei  ersten  Bücher  auch  wohl  von 
Seneca  selbst  herausgegeben  (Jonas).  Das  Uebrige  aber  war  wohl  beim  Tode 
des  Seneca  noch  nicht  vollständig  abgeschlossen  und  zur  Veröffentlichung 
fertig,  und  wurde  daher  aus  dem  Nachlasse  (vielleicht  durch  Lucilius) 
der  Hauptsache  nach  in  der  Reihenfolge  seiner  Abfassung  herausgegeben 
(Haasens  praef.  p.  HI— VI.  R.  Peiper,  praef.  suppL  p.  14 — 17).  Wir  haben 
121  Briefe,  in  20  Bücher  abgetheilt;  aber  Gellius  XU,  2,  3  ff.  theilt  meh- 


284.    Seneca  (prosaische  Schriften).  023 

rere  literarische  Urteile  des  Seneca  ex  libro  XXII  epistularum  moralium 
quas  ad  Lucilium  composuit  (oben  283,  iE.)  mit.  Ausgaben  der  Briefe 
von  J,  Schweighäuser  (Strassburg  1809.  2  Voll.)  u.  A.  Uebersetzt  von  J. 
W.  Olshausen  (Kiel  1811.  2  Bde.)  u.  A.  Zur  Kritik  J.  Bartsch  im  Rhein. 
Mus.  XXIV.   S.  271  —  288. 

6.  Die  sieben  Bücher  naturalium  quaestionum,  gleichfalls  dem 
Lucilius  gewidmet,  hauptsächlich  nach  stoischen  Quellen  gearbeitet,  mit 
Einflechtung  moralischer  Betrachtungen,  dienten  dem  Mittelalter  als  Lehr- 
buch der  Physik.  Ausgaben  von  G.  D.  Köler,  Götting.  1819.  J.  Fr.  Gro- 
novii  notae  in  S.  n.  q.  ed.  Fickert,  Breslau  1846.  1848.  4.    H.  C.  Michaelis, 

notae  ad  Sen.   n.  q.  .  .  coli,  cum  cod.  Vossiano,  Philologus  VlII.  p.  445 —  v^ 

460.  IX.  p.  324 — 345.  L.  Crouslä,  de  Sen.  n.  q.,  Versailles  1863.  146  pp. 
Larisch,  diss.  Bresl.  1865  und  Zur  Kritik  von  B.  I,  Sagan  1870.  4. 

7.  Dio  LX,  36:  Aüvtiiog  'lovviog  FaXlCaiv  6  tov  Zevsna  a$eX(pog  doTBi- 
otaxov  ZI  cc7ts(p&SY^ato  (über  die  Apotheose  des  Claudius)*  avvid'ri'Ks  (ilv 
yuQ  Tial  b  2^svi%ag  6vyyQcc(nia  dnoyioXo'KVVtcaöLV  avto  münag  tivct  dna- 
d'ccvdziaiv  ovoiidaag.  Die  erhaltene  Schrift  führt  aber  nicht  diesen  Titel, 
sondern  in  der  St.  Galler  Hds.:  Divi  Claudii  AUOSHOSIE  Annaei  Sene- 
cae  per  saturam,  wohl  weil  man  den  ursprünglichen  (bei  Dio)  nicht  ver- 
stand. Auch  enthält  die  Schrift  nichts  von  einer  Verwandlung  des  Clau- 
dius in  einen  Kürbis  (xoioxvvTij),  indem  dieser  Witz  auf  den  Titel  selbst 
sich  beschränkte.  Sie  ist  eine  giftige  politische  Satire,  im  frischen  Ein- 
drucke von  Claudius'  Persönlichkeit  und  Eegierungsweise  und  mit  tiefge- 
wurzeltem  Hasse  gegen  ihn  geschrieben.  Die  offizielle  Lüge  über  dessen 
Todesart  wird  kurzweg  acceptiert,  Agrippina  auffallend  geschont,  der  neue 
Kaiser  verherrlicht.  Der  Ursprung  in  dieser  Zeit  und  aus  Hofkreisen  ist 
daher  unzweifelhaft,  die  überlieferte  Abfassung  durch  Seneca  um  so  we- 
niger zu  beanstanden  da  mindestens  die  Verse  darin  völlig  in  seiner  Art 
sind.  Die  alten  Zweifel  gegen  diese  üeberlieferung  sind  aufgefrischt,  nicht 
verstärkt,  worden  durch  A.  Stahr,  Agrippina  (Berlin  1867)  S.  330—343. 
Vgl.  A.  Riese,  Philologus  XXVII.  S.  321—323.  Die  Nichterwähnung  bei 
andern  Schriftstellern  beweist  höchstens  dass  sie  Anfangs  ohne  den  Na- 
men des  Seneca  veröffentlicht  und  erst  aus  seinem  Nachlasse  heraus  den , 
Schriften  desselben  beigefugt  wurde.  Wechsel  von  Prosa  und  Versen; 
s.  oben  28  und  28,  3.  Die  zahlreichen  Handschriften  dieser  Schmähschrift 
gehen  auf  eine  einzige  zurück  welche,  getrennt  von  den  übrigen  Schriften 
des  Philosophen,  in  einem  Miscellancodex  enthalten  gewesen  zu  sein  scheint 
und  aus  welcher  um  die  Mitte  der  Schrift  ein  Blatt  verloren  gegangen 
sein  muss.  Der  getreueste  Vertreter  der  üeberlieferung  ist  der  Sangal- 
lensis  saec.  X  oder  XI;  s.  Bücheier  S.  72 — 76.  Sonderausgabe  von  C.  E. 
Schusler  (denuo  rec;  Utrecht  1844)  und  besonders  von  Fr.  Bücheier,  in 
der  Symbola  philol.  Bonn.  S.  31—89.  Beiträge  zur  Kritik  von  Fr.  Linde- 
mann (Emendationes  ad  etc.  Zittau  1832.  4.),  A.  Baumstark  (Philologus 
XVin.  S.  543—549),  K.  Schenkl  (Beiträge  zur  Kritik  des  Seneca,  Sitzungs- 
berichte der  Wiener  Ak.  XLIV.  Wien  1864.  S.  3—30).  Uebersetzt  von 
Gröninger  (s.  1.  1798.  4.),  Güthling  (Minden  1861.  4.),  A.  Stahr  (Agrippina, 
S.  307—329). 


024  Die  Kaiserzeit.    Erstes  Jahrhundert. 

8.  Angeblicher  Antheil  des  Seneca  an  den  notae  Tironianae,  s.  oben 
188,  4  tind  W.  Schmitz,  Symb.  philol.  Bonn.  S.  538—540.  Ihm  als  der  per- 
sonificierten  Weisheit  glaubte  man  auch  diese  Sorte  davon  zuschreiben  zu 
müssen,  sehr  gegen  seinen  Sinn;  s.  Epist.  90,  25:  quid  loquar  .  .  verbo- 
rum  notas,  quibus  quamvis  citata  excipitur  oratio  et  celeritatem  linguae 
manus  sequitur?  yilissimorum  mancipiorum  ista  commenta  sunt. 

9.  Unechtes.  Die  Wahrnehmung  dass  in  der  Bekämpfung  des  Volks- 
glaubens und  in  manchen  Puncten  seiner  Moral  Seneca  sich  mit  dem  Chri- 
stenthum  berührt  führte  zu  der  Annahme  dass  er  ein  Christ  gewesen  sei 
und  weiterhin  zur  Erdichtung  eines  Briefwechsels  zwischen  Seneca  und 
Paulus,  welchen  schon  Hieronymus  kannte  und  für  echt  hielt  (de  scriptor. 
ecdes.  12:  quem  non  ponerem  in  catalogo  sanctorum  nisi  me  epistolae 
illae  provocarent  quae  leguntur  a  plurimis,  Pauli  ad  Senecam  et  Senecae 
ad  Paulum).  Vgl.  Augustin.  Epist.  153  (ad  Maced.  14):  Seneca,  .  .  cuius 
etiam  quaedam  ad  Paulum  apostolum  leguntur  epistolae.  Abgedruckt  sind 
diese  14  ganz  unbedeutenden  und  leeren  Briefe  zuletzt  in  Haasens  Ausgabe 
III.  p.  476  —  481  vgl.  p.  XXII.  Dazu  C.  Wachsmuth,  Rhein.  Mus.  XVI. 
S.  301—303,  und  Er.  X.  Kraus,  in  der  Tübinger  Quartalschrift  XLIX 
(1867)  S.  609—624.  A.  Fleury,  St.  Paul  et  Senöque,  Recherches  sur  les 
rapports  du  philosophe  avec  Tapötre  etc.  Paris  1853.  2  Voll.  E.  C.  Baur 
in  Hilgenfeld's  Ztschr.  f.  wiss.  Theologie  I.  S.  161—170.  463—470.  C.  Au- 
bertin,  ^tude  critique  sur  les  rapports  suppos^  entre  Sen^que  et  St.  Paul, 
Paris  1857.  444  pp.  und:  Sen^que  et  St.  Paul,  Paris  1869.  F.  X.  Kraus 
a.  a.  0.  S.  603—609.  J.  B.  Lightfoot,  St.  Pauls  Epistle  to  the  Philippians 
(London  1868)  p.  260—331. 

10.  Ebenso  hielt  man  im  Mittelalter  Seneca  für  den  Verfasser  des  nach 
der  voranstehenden  Widmung  (gloriosissimo  .  .  Mironi  regi  Martinus  hu* 
milis  episcopus)  von  dem  Bischof  Martinus  Dumiensis  (um  560)  herrühren- 
den Schriftchens  de  formula  honestae  vitae  oder  de  quattuor  virtntibus 
cardinalibus,  abgedruckt  zuletzt  bei  Haase  III.  p.  468 — 475  vgl.  p.  XXI  f. 
In  den  Handschriften  findet  sich  diese  Abhandlung  vielfach  zusammen  mit 
gnomischen  Excerpten  aus  den  Briefen  Seneca's  und  mit  Proverbia  Sene- 
cae per  ordinem  alphabeti  und  meist  in  Senaren;  s.  oben  208,  3.  Excerpte 
dieser  Art,  grossentheils  die  gleichen,  und  gleichfalls  mit  Sprüchen  aus 
andern,  namentlich  auch  christlichen,  Quellen  gemischt  (vgl.  z.  B.  55:  elee- 
mosyna  non  tarn  accipientibus  quam  dantibus  prodest),  enthält  auch  der 
in  den  Hdss.  den  Namen  des  Seneca  tragende  Über  de  moribus  (in 
Orelli's  opusc.  sent.  I.  p.  269—276,  bei  Haase  III.  p.  462—467,  in  Wölfflin^s 
Publilius  Syr.  p.  136—148;  im  Ganzen  145  Sprüche),  welche  Sammlung 
schon  J.  567  im  Wesentlichen  ihre  jetzige  Gestalt  hatte;  s.  Haase  lU. 
p.  XX  f.  E.  Wölfflin,  Philologus  VUI.  S.  184—187.  IX.  S.  680  ff.  K.  Schenkl, 
Beiträge  (s.  A.  7  E.)  S.  33—62. 

274  285«  In  gebundener  Form  haben  wir  von  Seneca  theils 
Epigramme,  welche  sich  alle  auf  seine  Verbannung  beziehen, 
theils  Tragödien.  Deren  besitzen  wir  acht:  Hercules  furens, 
Thyestes,   Phaedra,    Oedipus,    Troades    (oder    Hecuba),    Medea, 


284  f.    Seneca  (prosaische  Schriften.   Tragödien).  625 

Agamemno,  Hercules  Oetaeus,  sowie  zwei  Scenen  von  einer 
Thebais,  die  sich  vertheilen  an  einen  Oedipus  (Coloneus)  mit 
362  Senaren  und  Phoenissae  mit  302   Senaren.     Unzweifelhaft 

.  aus  einem  späteren  Jahrhundert  ist  die  praetexta  betitelt  Octavia. 
Jene  Tragödien  aber  stimmen  in  den  wesentlichen  Eigenthüm- 
lichkeiten  theils  unter*-  einander  theils  mit  den  prosaischen 
Schriften    Seneca's   übefein.      üeberall    derselbe    Reichthum    an 

*  Worten,  rhetorischen  Figuren  und  Sentenzen,  aber  in  den  Trag- 
ödien oft  ins  Unleidliche  gesteigert  und  hier,  bei  der  Art  des 
Stoffes,  selten  entschädigend  durch  den  Gehalt  der  Gedanken. 
Die  metrische  Form  ist  streng,  aber  wenig  manchfaltig. 

1.  Von  den  neun  Epigrammen  (z.  B.  in  Haasens  Ausgabe  I.  p.  261 — 263) 
ist  nur  bei  Nr.  1,  2  u.  7.  die  Urheberschaft  Seneca's  bezeugt;  beiden  übrigen 
ist  sie  nicht  überliefert  und  meist  auch  nicht  glaublich.  A.  Biese  in  Fleck- 
eisens  Jahrbb.  99,  S.  279  f. 

2.  Die  Abfassungszeit  der  Tragödien  ist  nicht  mit  Sicherheit  zu  er- 
mitteln. Vermutungen  bei  Peiper,  praef.  suppl.  p.  11 — 27.  32.  Auf  Corsica 
hatte  Seneca  zu  dergleichen  am  ehesten  Müsse  und  Stimmung,  vgl.  consol. 
ad  Helv.  20,  1  f.  Dort  ist  wohl  die  Medea  verfasst;  unter  Claudius  auch 
noch  die  Troades.  Dann,  nach  einer  längeren  Pause,  J.  67  ff.  n.  Chr.,  Oedipus, 
Hercules,  Phaedra.  Noch  Tac.  A.  XIV,  52  (obiciebant .  .  carmina  crebrius 
factitare  postquam  Neroni  amor  eorum  venisset),  vom  J.  62,  deutet  auf 
derartige  Beschäftigung,  da  auch  Nero  Stoffe  der  griechischen  Tragödie 
behandelte;  s.  oben  281,  9.  Nach  der  Zurückziehung  vom  Hofe  wohl  der 
Thyeste«,  vgl.  v.  396  ff.  447  ff.).  Die  Medea  erwähnt  Quintil.  IX,  2,  8 
(ut  Medea  apud  Senecam),  sowie  Diomedes  III.  p.  511,  23  K.  (anapaesticum 
choricum  habemus  in  Seneca  »  Med.  301);  die  Phaedra  Priscian.  VI^  13,  68 
(p.  253  H. :  Seneca  in  Phaedra),  die  Hecuba  (Troades)  Gramm,  lat.  IV.  p.  224. 
246  K.  (Seneca  in  Hecuba);  Seneca  in  Thyeste  bei  Lactant.  zu  Stat.  Theb. 
IV,  530.  Statins  und  Ps.  Quintil.  (decl.  12)  ahmen  Sen.  Oed.  und  Herc. 
furens  nach  (R.  Peiper,  praef.  suppl.  p.  4—6  vgl.  p.  35  f.).  BeiServ.  Aen.  XII, 
395  ist  in  Folge  der  Gleichheit  des  Titels  Statins  mit  Seneca  verwechselt 
(Statins  in  Thebaide  =  Sen.  Oedip.  1079).  Ebenso  irrig  unterscheidet 
Apoll.  Sidonius  carm.  IX,  229 — 231  (quorum  unus  colit  hispidum  Platona, 
.  .  orchestram  quatit  alter  Euripidis),  vielleicht  irregeführt  durch  Martial. 
I,  61,  7  duosque  Seneca s  (nämlich  Vater  und  Sohn)  unicumque  Lucanum, 
den  Tragiker  Seneca  von  dem  Philosophen.  Darüber  gestattet  die  nach- 
weisliche Identität  der  Denk-  und  Sprechweise,  sowie  zahlreicher  einzelner 
Aussprüche  keinen  Zweifel;  s.  F.  G.  C.  Klotzsch,  prolusio  de  Annaeo  Se- 
neca uno  tragoediarum  quae  supersunt  omnium  auctore,  Wittenberg  1802.  4. 
G.  Richter,  de  Seneca  tragoediarum  auctore,  Naumburg  1862.  p.  1—17. 
32 — 41.  Controvers  ist  heutzutage,  nachdem  G.  Richter  seine  Bedenken 
gegen  die  Echtheit  des  Oedipus  zurückgenonmien,  nur  noch  ob  Agamemno 
und  Hercules  II  (Oetaeus)  von  demselben  Verfasser  sind  wie  die  übri^n 
Stücke.    R.  Peiper  und  G.  Richter  (1.  L  p.  18 — 32)  verneinen  diess,  wegen 

TBUPFEii,  Böm.  Literaturgeschichte.    2.  Auii.  40 


626  Die  Kaiserzeit.    Erstes  Jahrhund'ert. 

mancher  Eigentfaümlichkeiten  dieser  beiden  Stücke  welche  den  Einfluss  des 
Fronto  verrathen  sollen;  dagegen  L.  Müller,  B.  Schmidt,  J.  Köhler  u.  A. 
finden  diese  Abweichungen  keineswegs  so  erbeblich  dass  daraus  Verschie- 
denheit des  Verfassers  zu  folgern  wäre. 

3.  Auch  diese  Tragödien  beweisen  ein  grosses  Formtalent,  Frucht- 
barkeit und  Lebhaftigkeit  der  Phantasie,  Schärfe  der  psychologischen  Be- 
obachtung; nur  werden  diese  Vorzüge  meist  dhrch  die  rhetorische  Phrase 
erdrückt.  Zu  einer  Charakterzeichnung  komiftt  es  nicht;  die  Personen 
sind  nur  da  um  Eeden  zu  halten  und  Beschreibungen  vorzutragen.  Die 
Fruchtbarkeit  artet  aus  Mangel  an  Selbstbeherrschung  und  innerem  Masse 
in  ermüdende  Weitschweifigkeit  und  ^Wiederholungen  aus,  und  die  Erfind- 
samkeit,  ungeleitet  durch  ernsten  Kunstsinn  und  Tact,  führt  nicht  selten 
auf  Geschmacklosigkeiten  und  Ungereimtheiten.  So  ist  es  eine  schwere 
Geschmacksyerirrung  dass  im  Oedipus  (1026  ff.)  lokaste  nach  Entdeckung 
des  furchtbaren  Geheimnisses  noch  auftritt, ,  mit  Oedipus  verhandelt,  zum 
Sterben  sich  entschliesst,  aber  nun  darüber  reflectiert  wohin  sie  stechen 
solle,  ob  in  Brust  oder  Hals,  schliesslich  aber  für  den  Unterleib  sich  ent- 
scheidet (1060  f.:  hunc,  dextra,  hunc  pete  uterum  capacem,  qui  virum  et 
gnatos  tulit).  Am  löblichsten  ist  der  Versbau,  der  sich  an  die  strengsten 
Muster  der  augusteischen  Zeit  anschliesst,  besonders  in  den  Senaren. 
Nächstdem  sind  anapästische  und  sapphische  Verse,  Glykoneen  und  Askle- 
piadeen  besonders  häufig.  Aber  von  dem  Geistigen  in  der  Handhabung 
der  Form , .  der  Üebereinstimmung  zwischen  Metrum  und  Stimmung,  ist 
wenig  zu  verspüren.  Ins  Masslose  gesteigert  wäre  dieser  Mangel  wenn  die 
neuesten  Herausgeber  Recht  hätten  mit  ihrer  strophischen  Gliederung  des 
gesammten  tragischen  Nachlasses  von  Seneca,  so  dass  bei  ihm  z.  B.  auch 
sophistische  Darlegungen  und  sogar  lebhafte  Gespräche  (wie  Herc.  für. 
426—441)  strophisch  angelegt  wären.  Doch  int  diess  nur  eine  unglück- 
liche Einbildung  seiner  Herausgeber,  welche,  um  ihre  Annahme  durchzu- 
führen, Bruchtheile  von  Versen  und  Monometer  ungezählt  lassen,  sowie  eine 
stattliche  Anzahl  von  Versen  streichen  müssen.  Verständige  Bemerkungen 
darüber  von  B.  Schmidt  in  Fleckeisens  Jahrb.  97,  S.  797 — 799.  Verthei- 
digungsversnch  von  G.  Richter,  ebd.  99,  S.  769—791. 

4.  Zur  Charakteristik  dieser  Tragödien  vgl.  ausser  Aelterem  (wie  D. 
H.  G.  Pilgramm,  de  vitiis  tragoediarum  quae  v.  »Senecae  tribuuntur,  Götti. 
1765.  4.)  besonders  F.  Jacobs,  Nachträge  zu  Sulzer  IV.  S.  343  ff.  F.  G. 
Welcker,  Rhein.  Mus.  Suppl.  II,  3.  S.  1447—1456.  L.  Müller  in  Fleckeisens 
Jahrb.  89,  S.  409—422.  R.  Peiper,  praefationis  in  Sen.  tragoedias  nuper 
editas  supplementum  (Breslau  1870.  4.)  p.  8 — 27. 

Ueber  die  Metrik  des  Seneca:  F.  A.  Lange,  Quaestiones  metricac 
(Bonn  1851)  p.  23  ff.  B.  Schmidt,  de  emendandarum  Sen.  tragoediariun 
rationibus  prosodiacis  et  metricis,  Berlin  1860.  73  pp.  M.  Hocbe,  die  Metra 
des  Tragikers  Seneca,  Halle  1862;  vgl.  L.  Müller  in  Fleckeisens  Jahrb.  89, 
S.  473 — ^492  und  de  re  metr.  p.  118 — 130.  G.  Richter,  die  Composition  der 
Chorlieder  in  den  Tragödien  des  Seneca,  Rhein.  Mus.  XIX.  S.  360—379. 
521—527.    R.  Peiper,  Berl.  Ztschr.  f.  Gymn.  XVIII.  g.  694  ff. 

5.  Sind  die  Tragödien  des  Seneca  für  die   Bühne  berechnet   oder  für 


285.    Seneca  (Tragödien).  627 

die  Recitation?  Das  Erstere  wird  zwar  nicht  erwiesen  durch  die  Einhal- 
tung der  Regel  von  den  drei  Schauspielern  (H.  Weil,  Revue  archdol.  1866. 
T.  p.  21—36),  da  diess  Folge  der  allgemeinen  Nachahmung  der  griechischen 
Tragödie  sein  kann  und  die  römische  Bühne  sich  an  diese  Beschränkung 
wenig  band  (oben  16,  4);  indessen  in  der  Zeit  des  Nero  war  der  Gedanke 
an  öffentliche  Aufführung  auch  nicht  ausgeschlossen,  und  mancherlei  sce- 
nische  Winke  (wie  Phaedr.  392  f.)  könnten  sich  darauf  beziehen.  Das  je- 
doch worauf  mit  Sicherheit  sich  rechnen  Hess  war  allerdings  nur  die  Reci- 
tation und  die  Lectüre^  und  einem  andern  Publicum  als  dem  dortigen 
waren  sojbreit  ausgesponnene  Reden  auch  nicht  wohl  zu  bieten.  G.  Boissier, 
les  trag^dies  de  Sdnäque  ont-elles  ^te  repräsent^es?  Paris  1861.  22  pp.  R. 
Peiper,  praef.  suppl.  p.  6  f. 

6.  Da  zu  den  meisten  Tragödien  des  Seneca  die  griechischen  Origi- 
nale (des  Sophokles  und  Euripides)  erhalten  sind,  so  können  wir  die  grelle 
Uebertreibung  verfolgen  welche  der  römische  Rhetor  ihnen  hat  zu  Theil 
werden  lassen.  Die  Phaedra  scheint  in  wesentlichen  Zügen  dem  gleich- 
namigen Stücke  des  Sophokles  zu  folgen.  C.  W.  Swahn,  de  Hippolyto 
Senecae  fabula,  J.  Holm  1867.  Der  König  Oedipus  des  Sophokles  ist  in 
der  Bearbeitung  des  Seneca  ein  einförmiges  Schauergemälde  geworden, 
aus  dem  alle  feineren  Züge  weggelassen  sind  und  um  so  reichlichere  De- 
clamation  zugegossen.  J.  Köhler,  Sen.  tragoedia  quae  Oed.  inscrib.  cum 
Soph.  0.  R.  comparata,  Neuss  1866.  16  pp.  4.  W.  Braun,  der  Oed.  des 
Seneca  in  seinen  Beziehungen  zu  den  gleichnamigen  Stücken  des  Soph. 
und  Eur.  und  zu  Statius'  Thebais,  Rhein.  Mus.  XXII.  S.  246  —  276.  üeber 
andere  Stücke  Widal,  dtudes  sur  trois  trag^dies  de  S^n^que  imit^es 
d'Euripide,  Paris  1854.  W.  Braun,  Rhein.  Mus.  XX.  S.  271—287  (die  Phö- 
nissen  des  Sen.);  de  Sen.  fab.  q.  inscrib.  Troades,  Wesel  1870.  12  pp.  4. 
Medea  et  Troades  cum  adn.  Gronov.  ed.  A.  Matthiae,  Lips.  1828. 

7.  Von  Seneca  kann  die  Octavia  schon  darum  nicht  herrühren  weil 
sie  Nero's  Sturz  miterwähnt,  welcher  erst  drei  Jahre  nach  Seneca's  Tod 
erfolgte.  Aber  alle  Versuche  einen  bestimmten  Urheber  (wie  Curiatius 
Matemus,  oder  den  der  Recension  A)  zu  ermitteln  haben  zu  keinem  Ziele 
geführt.  Das  Stück  findet  sich  in  der  Haupthandschrift,  dem  Florentinus 
(s.  A.  8),  nicht,  wohl  aber  in  allen  andern,  und  zeigt  gleichfalls  viele  Ver- 
derbnisse, so  dass  es  schon  darum  nicht  thunlich  ist  seine  Abfassung  (mit 
W.  Braun,  die  Tragödie  Octavia  und  die  Zeit  ihrer  Entstehung,  Kiel  1863, 
vgl.  Fleckeisens  Jahrbb.  99,  S.  876—879)  in  den  Ausgang  des  Mittelalters 
(12 — 14.  Jahrh.)  zu  setzen,  wogegen  auch  andere  Gründe  sprechen  (G. 
Richter  in  Fleckeisens  Jahrb.  95,  S.  260  —  264.  Ausgabe  p.  XII).  Wahr- 
scheinlich ist  es  aus  dem  2—4.  Jahrh.  n.  Chr.  (incerta  post  lYaianum  aetate, 
Fr.  Vater  p.  613).  Neben  Tacitus  (und  Dio)  ist  darin  für  die  Handlung  auch 
Seneca  de  dementia  benützt.  Es  hat  nicht  den  Wortschwall  der  Tragödien 
des  Seneca,  und  beschränkt  sich  nicht  auf  drei  Schauspieler  wie  jene,  hat 
auch  in  Sprache  und  Versbau  manches  Abweichende.  Mit  jenen  verbunden 
wurde  es  wohl  wegen  allgemeiner  Aehnlichkeiten  und  weil  Seneca  darin 
eine  Rolle  spielt.  F.  G.  C.  Klotzsch,  prolusio  de  Octavia  Senecae,  Witten- 
berg 1804.    Octavia  praetexta.    Curiatio  Materno  vindicatani,  ad  libros  anti- 

40* 


628  Die  Kaiserzeit.    Erstes  Jahrhundert. 

quos  recognitam,  brevi  adnotatione  instructam  ed.  Fr.  Ritter,  Bonn  1843. 
53  pp.  Fr.  Vater  in  Jahn's  Archiv  XIX.  (1853.)  p.  665  —  618.  G.  Richter, 
de  Sen.  tragg.  auctore  (1862)  p.  2—6.  Analyse  des  Stückes  bei  A.  Stahr, 
Agrippina  (Berlin  1867)  S.  271—303. 

8.  Dqt  Text  der  Tragödien  des  Seneca  ist  in  zwei  Recensionen 
überliefert.  Die  bessere  (E)  ist  vertreten  durch  den  Etruscus  (=  Floren- 
tiuuB  =  Mediceus  =  Laurent.)  saec.  XI  oder  XII,  sowie  durch  die  wenigen 
Excerpte  in  dem  Miscellancodex  des  Thuanus  (oben  211,  9)  saec.  IX— X. 
Zu  der  schlechteren  (A)  gehören  so  ziemlich  alle  andern  Handschriften, 
von  denen  keine  über  saec.  XIV  zurückgeht;  die  verhältnissmässig  besten 
Vertreter  sind  der  verschollene  Melisseus  und  ein  Vossianus.  Auch  die 
Reihenfolge  der  Stücke  ist  in  beiden  Recensionen  eine  andere.  Die  Ab> 
weichungen  sind  wahrscheinlich  dadurch  entstanden  dass  die  Unlesbarkeit 
der  bei  A  zu  Grunde  liegenden  Handschrift  den  Abschreiber  zu  eigenen 
Vermutungen  veranlasste,  bei  denen  er  sich  in  der  Regel  mit  einem 
scheinbaren  Sinne  und  äusserlicher  Uebereinstimmung  mit  dem  Versmass 
begnügte.  Dass  aber  auch  A  in  ziemlich  frühe  Zeit  (vielleicht  saec.  IV) 
hinaufreicht  zeigen  die  Blätter  des  ambrosianischen  Palimpsests  von  Plau- 
tus  (oben  96,  3),  welche  Theile  der  Medea  und  des  Oed.  bereits  in  dieser 
Recension  bieten.  Vgl.  im  Allgemeinen  die  praefatio  der  Ausg.  von  R.  Peiper 
und  G.  Richter  p.  XIV— XL. 

9.  Ausgaben.  Editio  princeps,  Ferrara  um  1484  fol.  Ascensiana 
(cum  copim.)  Paris  1514  fol.  Von  späteren  sind  bemerkenswerth  die  Aus- 
gaben von  M.  A.  Delrio  (Antverp.  1676.  4.  und  im  T.  II  des  Syntagma 
tragg.  latt.,  Antv.  1594.  Paris  1620.  4.),  J.  Lipsius  (Lugd.  B.  1588),  J.  Gru- 
ter  (Heidelberg  1604),  P.  Scriverius  (Lugd.  B.  1621.  1661}  und  besonders 
J.  Fr.  Gronovius  (Lugd.  B.  1661.  Amsterd.  1682).  Sammelausgabe  von 
J.  C.  Schröder  (Delft  1728.  4.  2  Voll.).  Spätere  von  F.  H.  Bothe  (Lips. 
1819  und  Lips.  1834),  T.  Baden  (Lips.  1821.  2  Voll.),  J.  Pierrot  (Paris  1829 
—1832,  3  Voll.),  und  besonders:  recensuerunt  R.  Peiper  et  G.  Richter, 
Lips.  (^Teubner)  1867;  wozu  vgl.  B.  Schmidt  in  Fleckeisens  Jahrb.  97, 
S.  781—800.  855—880. 

'  10.  Beiträge  zur  Kritik  von  J.  H.  Withof  (praemetium  crucium  crit., 
Lugd.  B.  1749.  4.),  A.  Henneberger  (adn.  ad  Sen.  Med.  et  Troad.,  Meiningen 
1862.  4.),  R.  Peiper  (Observation,  in  Sen.  tragg.,  Breslau  1863.  4.  und  praef. 
Buppl.  p.  33—35),  G.  Richter  (Beispiele  von  Versversetzung  und  Interpo- 
lation in  den  Tragg.  des  Sen.,  Rhein.  Mus.  XVIII.  S.  29  —  46;  de  cantico 
quodam  in  Oed.  Sen.,  Symbola  philol.  Bonn.  p.  557—580),  B.  Schmidt  (Ob- 
servationes  criticae  in  Sen.  tragg.,  Jena  1865;  auch  Rhein.  Mus.  XVI.  S. 
589—591). 

üebersetzt  und  erläutert  von  W.  A.  Swoboda,  Prag  1828—1830,  3  Bde. 

275  286,  Die  Geschichtschreiber  dieser  Zeit  hatten  meist 
eine  rhetorische  Färbung  und  waren  zum  Theil  zugleich  Rhe- 
toren  oder  Redner.  So  wohl  schon  der  Dichter  Gaetulicus  unter 
Caligula,   sicher  Servilius  Nonianus   unter  Claudius.     Diese   be- 


285  f.  Seneca  (Tragödien).   Gaetulicua  u,  a.  Historiker.  629 

haudelten  Stoffe  der  Gegenwart  und  letzten  Vergangenheit,  sind 
uns  aber  nur  aus  Anführungen  bekannt.  Ebenso  Domitius  Cor- 
bulo  unter  Caligula  und  Nero,  welcher  seine  eigenen  Erlebnisse 
in  Asien  beschrieb.  Cornelius  Bocchvs  verfasste  unter  Claudius 
ein  Werk  chronographischen  Inhaltes. 

1.  Suet.  Calig.  8:  Cn.  Lentnlns  GaetnlicuB  Tiburi  genitum  scribit 
(von  Caligula).  .  .  Gaetulicum  refellit  Plinius  quasi  mentitum  per  adula- 
tionem  etc.  Consul  779  (Tac.  A.  IV,  46  vgl.  42  und  VI,  30),  von  Caligula 
getödtet  J.  793  (nach  den  Arvalfasten,  vgl.  Dio  LIX,  22.  Suet.  Claud.  9). 
Als  erotischer  Dichter  aufgeführt^  von  Plin.  Ep.  V,  3,  5  (oben  31,  1)  vor 
Seneca,  und  von  Martialis  praef.  (oben  238,  2),  vgl.  Apoll.  Sidon.  epp.  II, 
10  (saepe  versum  .  .  complevit  .  .  Caesennia  cum  Gaetulico).  carm.  IX, 
256  (non  Gaetulicus  hie  tibi  legetur,  non  Marsus,  Pedo,  Silius,  TibuUus). 
Probus  zu  Georg.  I,  227  (p.  38,  12  ff.  E.):  cuius  rei  testis  est  Gaetulicus, 
cum  ait  de  Britannis:  non  aries  etc.  (drei  Hexameter),  und  da  Gaetulicus 
zehn  Jahre  lang  Statthalter  in  Germanien  war  (Dio  1.  1. :  Faitovlfnov  Aiv- 
zovlov  zu  TS  älXa  svöoTiifiOv  ovtct  yial  rr^g  Tiq^aviag  Ssna  irsaiv  UQ^avtcc, 
vgl.  Suet.  Galb.  6),  so  vermutet  0.  Jahn  (Prolegg.  zu  Persius  p.  CXLII, 
not.  1)  dass  Gaetulicus  überhaupt  kein  Geschichtswerk  verfasst  habe,  sondern 
ein  Carmen  de  expeditionibus  Bomanorum  contra  Germanos  et  Britannos, 
fortasse  Germanici.  Auf  die  neun  Epigramme  raitovXtTLOv  oder  raitovXi,%Cov 
oder  rcLixovXXCov  etc.  welche  in  der  griechischen  Anthologie  stehen  (IL  p. 
151  ed.  lacobs)  findet  das  über  die  Poesie  des  Gaetulicus  Berichtete  keine 
Anwendung;  s.  Jacobs  Anth.  gr.  XIII.  p.  896. 

2.  Plin.  n.  h.  XXVIII,  2,  6:  M.  Servilius  Nonianus,  princeps  ci- 
vitatis (wandte  gegen  lippitudo  ein  abergläubisches  Mittel  an).  XXXVII, 
6,  21:  avus  Servilii  Noniani,  quem  consulem  (J.  788,  Tac.  A.  VI,  31)  vidi- 
mus.  Adoptivsohn  des  Cos.  756  (W.  Teuffei  in  Pauly's  Real-Enc.  VI,  1. 
S.  1122,  Nr.  78)?  f  812  =  59  n.  Chr.,  s.  Tac.  A.  XIV,  19  (oben  271,  5)*. 
Quintil.  X,  1,  102:  Servilius  Nonianus,  .  .  qui  et  ipse  a  nobis  auditus  est; 
clari  vir  ingenii  et  sententiis  creber,  sed  minus  pressus  quam  historiae 
auctoritas  postulat.  Vgl.  Tac.  dial.  23  (eloquentia  .  .  Servilii  Noniani). 
Plin.  Ep.  I,  13,  3:  men^oria  parentum  Claudium  Caesarem  ferunt,  cum  in 
palatio  spatiaretur  audissetque  clamorem,  causam  requisisse,  cumque  dictum 
esset  recitare  Nonianum,  subitum  recitanti  inopinatumque  venisse.  Ver- 
hältniss  zu  Persius,  s.  unten  297,  2. 

3.  Tac.  A.  XV,  16:  prodiderit  Corbulo  etc.  Diess  geschah  wohl  in 
den  Memoiren  welche  dieser  Cn.  Domitius  Corbulo  (Cos.  suff.  unter  Caligula 
J.  39  =  792,  von  Nero  hingerichtet  J.  67  =  820)  verfasste.  Vgl.  Plin.  n.  h. 
V,  24,  83:  oritur  (Euphrates)  etc.,  ut  prodidere  ex  iis  qui  proxime  viderant 
Domitius  Corbulo.  VI,  8,  23:  anxia  perquisita  cura  rebus  nuper  in  eo  situ 
gestis  a  Domitio  Corbulone.  II,  70,  180:  Corbulo  dux  in  Armenia  .  .  pro- 
didit.  üeber  ihn  A.  Haakh  in  Paul/s  Real-Enc.  11.  S.  1218  f.  Held,  de  Cn. 
Dom.  Corb.,  Schweidnitz  1862.  27  pp.  4.  E.  Egli  in  M.  Büdingers  Unter- 
suchungen zur  röm.  Eaisergeschichte  (1868)  I.  S.  336—343. 

4.  Cornelius  Bocchus  wird  von  Plinius  im  Quellenverseichniss  zu  B.  16 


630  Die  Eaieerzeit.   Erfiies  Jahrhundert. 

u.  37,  sowie  (Bocchus)  zu  B.  33  u.  34  aufgeführt  und  XV,  216.  XXXVII,  24. 
97.  127  fär  Nachrichten  aus  Spanien,  vielleicht  aus  einem  Werke  de  admi- 
randis  Hispaniae  (Mommsen).  Solinus  p.  27,  3  (ut  Bocchus  auctor  est)  und 
p.  38,  22  (Bocchus  autumat),  vgl.  p.  37,  8  M.,  erwähnt  ihn  für  chronologi- 
sche Angaben  die  sich  bei  Plinius  selbst '  nicht  finden ;  daher  Mommsen, 
Solin.  p.  XVII  vermutet  dass  Solin's  Quelle  (vgl.  unten  307,  7)  eine  Chronik 
des  Bocchus  (aus  der  Zeit  des  Claudius)  mitbenutzt  habe.  E.  Hübner  (Her- 
mes I.  S.  397)  identificiert  ihn  mit  L.  Cornelius  C.  f.  Bocchus,  flamen  prov., 
trib.  mil.,  welchem  die  colonia  Scallabitana  ob  merita  in  coloniam  ein  Denk- 
mal setzte,  nach  einer  Inschi-.  im  C.  I.  lat.  II,  35. 

276  287.  Gleichfalls  ein  Rhetor  war  Q.  Curtius  llufus, 
welcher  unter  Claudius  zehn  Bücher  historiae  Alexandri  Magni 
schrieb,  von  welchen  aber  die  beiden  ersten  nicht  auf  uns  ge- 
kommen sind.  Historische  Kritik  verräth  das  Werk  sehr  wenig, 
desto  mehr  aber  Rhetorik,  Vorliebe  füt  Reden  und  Sentenzen. 
Der  Stil  zeigt  Aehnlichkeit  mit  dem  des  Seneca:  kurze,  anti- 
thetisch zugespitzte  Sätze,  wenig  Partikeln,  eine  rhetorische 
Wortstellung,  zahlreiche  Wendungen   von   poetischem  Anstrich. 

1.  Sueton  hatte  den  Q.  Curtius  Rufus  unter  den  rhetores  nach  M.  Porcius 
Latro  und  vor  L.Yalerius  Primanus,  Verginius  Flavus  u.  s.  w.  abgehandelt; 
8.  Reifferscheids  Ausg.  p.  99  vgl.  128.  Dazu  stimmt  die  Datierung  unter 
Claudius,  auf  Grund  von  X,  9  (3=»  28),  3 — 6:  quod  Imperium  sub  uno  stare 
potuisset,  dum  a  pluribus  sustinetur,  mit.  proinde  iure  meritoque  pop.  rem. 
salutem  se  principi  suo  debere  profitetur,  qui  noctis  quam  paene  supremam 
habuimus  novum  sidus  inluxit.  (4.)  huius,  hercule,  non  solis  ortus  lucem 
caliganti  reddidit  mundo,  cum  sine  suo  capite  discordia  membra  trepidarent. 
(5.)  quot  ille  tum  extinxit  faces,  quot  condidit  gladios!  quantam  tempesta- 
tem  subita  serenitate  discussit!  non  ergo  revirescit  solum  sed  etiam  floret 
Imperium.  (6.)  absit  modo  invidia,  excipiet  huius  saeculi  tempora  eiusdem 
domus  utinam  perpetua,  certe  diutuma,  posteritas.  (7.)  ceterum,  ut  ad 
ordinem  a  quo  me  contemplatio  publicae  felicitatis  averterat  redeam,  Per- 
dicca  eic.  Denn  diese  Stelle  passt  am  besten  auf  die  Vorgänge  in  der 
Kacht  vom  24.  auf  den  25.  Januar  41,  als  Caligula  ermordet  war,  seine 
deutsche  Leibwache  in  der  Stadt  imiher  mordete,  der  Senat  an  die  Wieder- 
herstellung der  Republik  dachte ,  bis  des  Claudius  Erhebung  auf  den  Thron 
alles  wieder  in  das  alte  Geleise  brachte.  MützelVs  Ausg.  I.  S.  XL VII — LXXXI. 
W.  Teuffei ,  Studien  u.  Charakt.  S.  387 — 390.  Ebenso  Brissonius ,  J.  Lipsius, 
Tellier,  St.  Croix,  F.  T).  Gerlach,  Th.  Wiedemann  (welcher  wahrscheinlich 
macht  dass  Curt.  VIIT,  10,  27  ff.  Quelle  für  Sen.  ep.  VI,  7  (59),  12  war), 
A.  Hug,  A.  Eussner. 

2.  Von  anderen  Datierungen  des  Curtius  können  ernsthaft  in  Betracht 
kommen  nur  die  unter  Augustus  (neuerdings  verfochten  von  A.  Hirt,  C.  G. 
Zumpt,  R.  Klotz)  und  die 'unter  Vespasian  (Rutgers,  Freinsheim,  G.  J.Voss, 
F.  A.Wolf,  Ph.  Buttmann,  G.  Pinzger,  A.  Baumstark,  Fr.  Ritter,  Fr.  Kritz,  W. 
Berger).    Aber  die  Versetzung  unter  August  ist  unvereinbar  mit  der  Sprache 


286  f.    Greschicbtsclireiber:  Corbulo  u.  a.   Curtius.  631 

des  Curtius,  welche  zwar  in  Folge  seines  engen  Anschlusses  an  Livius  viele 
Aehnlichkeit  mit  der  von  diesem  bat,  aber  zugleich  in  ihrer  gezierten,  poeti- 
sierenden  und  rhetorisierenden  Färbung  auf  das  silberne  Zeitalter  hinweist. 
Auch  ist  seine  politische  Voraussetzung  die  Erbmonarchie.  Femer  spricht 
er  wiederholt  (V,  7,  9.  VI,  3,  12)  von  dem  Partherreiche  ohne,  wie  die 
augusteischen  Schriftsteller,  von  Erfolgen  Augusts  über  die  Parther  etwas 
zu  wissen.  Endlich  wäre  es  bei  dieser  Ansetzung  unmöglich  jene  Haupt> 
stelle  (X,  9,  3  iF.)  vollständig  und  richtig  zu  deuten.  Bei  der  Beziehung 
auf  Vespasian  müsste  sie  von  den  Kämpfen  auf  dem  Capitol  verstanden 
werden ,  ohne .  dass  dann  aber  subita  zu  seinem  Hechte  käme.  Auch  ist 
für  diese  Datierung  minder  günstig  IV,  4,  21  über  Tyrus;  nunc  tandem, 
longa  pace  cuncta  refovente^  sub  tutela  romanae  mansuetudinis  adquiescit. 
Ein  Paradoxon  war  Niebuhrs  (in  den  Abhh.  der  Berl.  Akad.  1822  »»  Kleine 
Schriften  I.  S.  305 — 337)  Ansetzung  unter  Septimius  Severüs.  A.  Hirt,  über 
das  Leben  des  Geschichtschreibers  Q.  Curtius  Rufus,  Berlin  1820.  Ph.  Butt- 
mann, ü.  d.  L.  d.  G.  Q.  C.  R.,  Berlin  1820.  G.  Pinzger,  über  das  Zeitalter 
des  Q.  C.  R.,  in  Seebode's  Archiv  I  (1824)  S.  91  —  104.  Fr.  Kritz  in  der 
Haller  Allg.  Lit.  Ztg.  1844,  S.  326  f.  733  ff.  W.  Berger,  de  Q.  C.  R.aetate, 
Carlsruhe  1860.  .31  pp.  Th.  Wiedemann,  üb.  d.  Zeitalter  d.  C.  R.,  Philo- 
logus  XXX.  S.  241—264  vgl.  S.  441—443.  A.  Eussner,  ebd.  XXXH.  S.  Iö7— 160. 
3.  Als  Quellen  nennt  Curtius  den  Kleitarchos  (IX,  5,  21.  8,  15.  Vgl. 
Schöne,  Anal,  philol.  I.  p.  50),  Timagenes  und  Ptolomäus  (IX,  5,  21).  Vgl. 
R.  Petersdorff,  Diodorus,  Curtius,  Arrianus  quibus  ex  fontibus  expeditiones 
ab  Alexandre  .  .  factas  hauserint  (Danzig  1870.  32  pp.),  und  dazu  A.  Euss- 
ner, Philologus  XXXn.  S.  161  f.  (Kleitarchtfs  nur  mittelbar  benützt).  Auf 
historische  Kritik  erhebt  Curtius  aber  keinen  Anspruch;  s.  VII,  8,  11  (utcum- 
que  sunt  tradita  incorrupta  perferemus).  IX,  1,  34  (equidem  plura  trans- 
scribo  quam  credo;  nam  nee  adfirmare  sustineo  de  quibus  dubito,  nee  sub- 
ducere  quae  accepi).  Schwacher  Versuch  dazu  IX,  i>,  21.  Das  Ueberwie- 
gende  sind  Reden,  Schilderungen  und  Paradescenen  (wie  IV,  10,  25 ff.  V,  12). 
Die  Behandlung  ist  mehr  romanhaft  als  historisch.  A.  Chassang,  histoirc 
du  roman  (Paris  1862)  p.  313 — 322.  Die  Schlachtbeschreibungen  verrathen 
sehr  wenig  technische  Kenntnisse,  machen  daher  unwahrscheinlich  dass  der 
Verf.  der  Curtius  Rufus  sei  der  unter  Tiberius  procos.  Africae,  praetura 
functus  war.  Für  diesen  passt  auch  nicht  des  Historikers  verhältnissmässige 
Freisinnigkeit  und  öfters  (wie  VUI,  10,  12)  derb  ausgesprochene  Aufklärung. 
Gegen  superstitio,  Magie  und  dergl.  IV,  3,  23.  6,  12.  7,  26.  29.  V,  4,  1  f 
VII,  4,  8.  7,  8.  Sein  positives  Glaubensbekenntniss  ist  der  herkömmliche 
Fatalismus  (inevitabile  fatum  IV,  6,  17).  Adulatio,  perpetuum  malum  re- 
gum,'quorum  opes  saepius  adsentatio  quam  hostis  evertit,  VHI,  5,  6. 

4.  Der  sprachliche  Stoff  trägt  bei  Curtius  in  etymologischer,  lexikalischer 
und  syntaktischer  Hinsicht  —  mit  wenigen,  nicht  eben  wesentlichen  Ausnah- 
men —  noch  entschieden  den  Charakter  der  Classicität,  aber  die  rhetorische 
Behandlung  desselben  lässt  den  nachtheiligen  Einfluss  den  der  Bildungsgang 
des  Schriftstellers  und  der  weniger  strenge  und  reine  Greschmack  des  Zeit- 
alters auf  die  gesammte  Darstellung  haben  musste  sehr  bestimmt  erkennen 
(Mützell  S.  LXXXVI).  Mützell,  de  translationum  quae  vocantur  apud  Curtium 
usu,  Berlin  1842.  4.   J.  H.  Emesti,  üsurpata  a  Curtio  in  particulia  latinitas, 


632  Die  Eaiserzeit.   Erstes  Jahrhundert. 

tarn  in  se  spectata  quam  cum  Corneliana  dictione  coUata,  Lips.  1719.  Zur 
YergleichuDg  mit  Quintilians  Sprache  b.  Bonneil,  Lex.  Quintil.  p.  LXY .  LXVIII. 
üeber  die  sprachlichen  Eigenthümlichkeiten  welche  Curtius  wie  Tacitus  mit 
Livius  gemein  (und  aus  ihm  entnommen)  haben  e.  Th.  Wiedemann  im  Philo- 
logus  XXXI.  8.  342  —  348.  Vgl.  E.  Kräh,  Curtius  als  Schullecture,  I.  Inster- 
burg  1870.  30  S.  4.  11.  1871.  24  S.  4. 

5.  Die  etwa  80  Handschriften  zerfallen  in  zwei  Classen,  eine  ältere 
(saec.  IX — XI),  vertreten  einerseits  durch  Paris.  5716  saec.  IX  (oder  X)  und 
einzelne  Fragmente  in  Zürich  (Rheinau),  Darmstadt,  Wien  und  Würzburg, 
andererseits  durch  Leidensia,  Yossianus  I,  Flor.  A  und  Bern.  A;  s.  E.  Hedicke, 
Quaestionum  Curtianarum  specimen  (Berlin  1862),  Praef.  seiner  Ausg.,  und 
De  codioum  Curtii  fide  atque  auctoritate,  Bernburg  1870.  32  pp.  4.  nebst 

A.  EuBsner,  specimen  criticum  (Würzburg  1868)  p.  4 — 25,  und  Ueber  die 
Textkritik  des  Curt.,  in  den  Verhandl.  der  Würzburger  Philologenvers.  (Leipzig 
1869)  S.  158 — 160.  Alle  diese  Hdss.  gehen  auf  einen  selbst  schon  lückenhaften 
und  fehlerreichen  archeiypus  zurück.  Die  zweite  Classe'  besteht  aus  der 
Masse  der  jüngeren  (saec.  XIV  f.),  durchcorrigierten  und  interpolierten  Hand- 
schriften^ welche  keinen  selbständigen  Werth  haben.  Ausser  dem  Fehlen 
von  B.  I  und  II  sind  auch  sonst  Lücken  in  dem  überlieferten  Texte;  so 
am  Schlüsse  von  B.  V  und  Anfang  von  VI,  sowie  X,  3  f.    Bruchstücke  aus 

B.  X  bei  Pseudo-Eallisthenes,  s.  Jeep  in  Jahns  Jahrb.  LXXI.  S.  125  — 132. 
Ueber  das  Fragment  aus  Einsiedeln  s.  A.  Hug  im  Philologus  XXXI.  S.  334  f. 
Vgl.EüBsner  ebd.  XXXU.  S.  162—165  (Verbreitung  im  Mittelalter)  u.  165—171. 

6.  Ed.  princeps,  Venet.  um  1471  fol.  luntina  1507  ff.  Aldina  1620. 
Ausgaben  von  Erasmus  (1618),  Fr.  Modius  (Colon.  1579),  J.  Freinsheim  (cum 
comm.  et  suppl.,  Strassburg  1648,  2  Voll,  und  1670.  4.),  H.  Snakenburg 
(Sammelausg. ,  Delfb  1724.  4.),  Fr.  Schmieder  (cum  comm.,  Gotting.  1803), 
J.  Mützell  (mit  krit.  u.  exeget.  Anm.,  Berlin  1841,  2  Bde.)  und  besonders 
von  C.  G.  Zumpt  (ad  fidem  codd.  rec.  et  comm.  instr..  Braunschweig  1849, 
und  schon  früher  die  unvollendete  Berol.,1826).  Schulausgaben  von  J.  Müt- 
zell (Berlin  1843),  C.  G.  Zumpt  (Braunschweig  1849.  1864)  und  Th.  Vogel 
(Leipzig,  Teubner,  I.  1870).  Texte  von  A.  Baumstark  (Stuttgart  1829),  H. 
E.  Foss  (Lips.  Teubner  1851)  und  besonders  (mit  kurzen  kritischen  Nach- 
weisungen) von  E.  Hedicke  (Berol.  Weidmann.  1867). 

7.  Beiträge  zur  Textkritik  von  Acidalius  (Animadvers.,  Frankfurt  1594), 
H.  E.  Foss  (Epist.  crit.  ad  Mützell.,  Altenburg  1846.  4.  Quaestiones  Curt., 
Altenburg  1852.  50  pp.  4.),  J.  Schmidt  (Quaest.  Curt.  I.  Schweidnitz  1853.  4.), 
A.  Hug  (in  den  Beiträgen  zur  Kritik  lat.  Prosaiker,  Basel  1864,  S.  1  —  20; 
Rhein.  Mus.  XX.  S.  117 — 129  und  Quaestionum  Curt.  pars  I,  Zürich  1870.  4.), 
U.  Köhler  (Rhein.  Mus.  XIX.  S.  184  —  196),  J.  Jeep  (Fleckeisens  Jahrb.  91, 
S.  189  —  196),  H.  Alanus  (Observationes  in  Curt.,  Dublin  1865),  E.  Hedicke 
und  A.  Eussner  (A.  5),  £.  Grünauer  (Frauenfeld  1870.  4.),  Th.  Vogel  (in  Fleck- 
eisens Jahrbb.  101,  S.  547  — 561),  A.  Eussner  (Philologus  XXXIL  S.  172—178). 

8.  0.  Eichert,  vollständiges  Wörterbuch  zu  Curt.,  Hannover  1870.  247  S. 
—  Üebersetzungen  von  Ostertag  (Frankfurt  1799),  J.  F.  Wagner  (Lemgo 
1854)  und  A.  H.  Christian  (Stuttgart,  Metzler,  4  Bdchn.). 


287  f.   Curtius.   Columella.  633 

288.  Der  Zeitgenosse  und  Landsmann  des  Seneca,  L.  Ju-277 
nius  Moderatus  Columella  aus  Gades,  ist  uns  bekannt  durch 
seine  zwölf  Bücher  De  re  rustica,  gerichtet  an  P.  Silvinus. 
Diese  bilden  die  zweite  ausführlichere  Bearbeitung  des  Gegen- 
standes durch  den  Verfasser,  während  von  der  kürzeren  ersten 
ein  Buch  de  arboribus  miterhalten  ist.  Columella  ist  für  seinen 
Stoff  begeistert  und  beklagt  deäsen  Vernachlässigung  in  seiner 
von  dier  Natur  abgefallenen  Zeit.  ^  Er  hat  es  darum  auch  nicht 
an  Fleiss  fehlen  lassen  um  ihn  würdig  zu  behandeln.  Dem 
zehnten  Buche,  vom  Gartenbau,  hat  er  sogar,  im  Anschlüsse 
an  den  von  ihm  verehrten  Vergil,  gebundene  Form  gegeben; 
es  besteht  aus  436  wohlgebauten  Hexametern,  welche  freilich 
an  künstlerischer  Verarbeitung  des  Stoffes  ihr  Vorbild  bei  wei- 
tem nicht  erreichen. 

1.  Inschrift  aus  Tarent  bei  Mommeen  I.  B.  N.  578  =  Orelli-Henzen 
5598:  L.  lunio  L.  f.  Gal.  Moderato  Columellae,  trib.  mil.  leg.  VI  ferratae. 
Wirklich  gehörte  die  Vaterstadt  des  Columella,  Gades  (Colunrf.  X,  185:  mea 
quam  generant  Tartessi  littore  Gades,  vgl.  VII,  2,  4),  zur  tribus  Galeria, 
und  die  legio  VI  ferrata  war  in  Syrien  stationiert  (Grotefend  in  Pauly's 
Real-Enc.  IV.  S.  883  f.),  wo  Columella  sich  längere  Zeit  aufgehalten  hat 
(II,  10,  18:  hoc  quidem  semen  in  Ciliciae  Syriaeque  regionibus  ipse  vidi 
mense  lunio  lulioque  conseri  et  per  autumnum  .  .  tolli).  C.  L.  Grotefend 
in  der  Zeitschr.  f.  d.  Alt.  Wiss.  1835,  S.'179.  Sein  patruus  war  M.  Colu- 
mella, doctissimus  et  diligentissimus  agricola  (II,  16,  4),  vir  illustribus  dis- 
ciplinis  eruditus  ac  diligentissimus  agricola  Baeticae  provinciae  (V,  5,  15), 
acris  vir  ingenii  atque  illustris  agricola  im  municipium  Gaditanum  (VII, 
2,  4).  Vgl.  XII,  21,  4  f.  40,  2.  43,  5.  Zeitgenosse  des  Seneca;  s.  UI,  3,  3: 
Nomentana  regio,  .  .  quam  possidet  Seneca,  vir  excellentis  ingenii  atque 
doctrinae.  Also  vor  dem  Tode  des  Seneca  (J.  65)  geschrieben,  aber  wohl 
nachdem  er  sich  vom  Hofe  zurückgezogen,  also  etwa  J.  62;  vgl.  Plin.  n.  h. 
XIV,  49  —  51.  E.  Meyer,  Gesch.  der  Botanik  IL  S.  59  —  62.  Jedenfalls 
schrieb  Columella  später  als  Celsus  und  Gräcinus,  die  er  beide  citiert 
(s.  oben  275,  1  u.  278,  5  f.),  und  früher  als  Plinius  der  ältere,  von  dem  er 
öfters  citiert  wird  (Vül,  153.  XV,  66.  XVÜ,  51  f.  137.  162.  XVIII,  70.  303. 
XIX,  68).  Vgl.  noch  Colum.  I.  praef.  15:  sicut  M.  Varro  iam  temporibus 
avorum  conquestus  est.  I,  7,  3:  ipse  nostra  memoria  veterem  consularem 
(des  J.  3  n.  Chr.)  virumque  opulentissimum  L.  Volusium  (f  56  n.  Chr.) 
asseverantem  audivi.  V,  1,  2:  cum  M.  Trebellius  noster  a  me  requireret 
(der  Legate  des  J.  36  bei  Tac.  A.  VI,  41?).  IK,  16,  2:  Gallioni  nostro  (f  65 
n.  Chr.,  s.  oben  263,  7  g.  E.).  P.  Silvinus  scheint  ein  Landsmann  und  Nach- 
bar des  Columella  gewesen  zu  sein;  s.  III,  3,  3  (in  nostris  Ceretanis).  9,  6 
(a  me  .  .  ex  una  vite  quam  in  Ceretano  tuo  possides  .  .  consummata). 
Grundbesitz  desJCol.  in  Italien;  s.  in,  9,  2  (cum  et  in  Ardeatino  agro  quem 
multis  temporibus  ipsi^  ante  possedimus  et  in  Carseolano  itemque  in  Al- 
bano  .  .  vites  .  .  habuerimus). 


634  Die  Kaiserzeit.   Erstes  Jahrhundert. 

2.  Sdiriften.  XI,  1,  Sl:  contra  quam  observationem  multis  argpimen- 
tationibus  disseruisse  me  non  infitior  in  üb  libris  quos  ad  versus  astrologos 
compos^eram.  II,  22,  6  f.:  certum  habeo  quosdam  .  .  desideraturos  lustra- 
tionum  ceterorumque  sacrificiorum  quae  pro  frugibus  fiunt  morem  priscis 
usurpatum.  nee  ego  abnuo  docendi  curam,  sed  differo  in  eum  librum 
quem  componere  in  animo  est  cum  agricolationis  totam  disciplinam  per- 
Bcripsero.  Ob  diese  Absicht  ausgeführt  wurde  ist  nicht  bekannt.  Der 
Schreibfehler  XVI  statt  XII  bei  Cassiod.  div.  iect.  28  (Columella  XVI  libris 
per  diversas  agriculturae  species  eloquens  ac  facunde  illabitur)  kann  jeden- 
falls darauf  nicht  bezogen  werden.  Colum.  II,  11,  1  (excepta  cytiso,  de 
qua  dicemus  in  iis  libris  quos  de  generibus  surculorum  conscripsimus) 
deutet  auf  B.  III — V  (speciell  V,  12),  welche  im  Plorent.  (Medic.)  die  Ueber- 
schrüt  haben:  Surcularis  I,  II,  III. 

3.  De  arboribus  handelt  sowohl  6.  III  (III,  1,  1:  sequitur  arborum 
cura  etc.)  als  auch  ein  eigenes  so  betiteltes  Buch,  welches  sich  selbst  als 
ein  zweites  bezeichnet  (quoniam  de  cultu  agrorum  abunde  primo  yolumine 
praecepisse  yidemur„  non  intempestiva  erit  arborum  .  .  cura)  und  in  kür- 
zerer Fassung  dasselbe  enthält  wie  die  nunmehrigen  Bücher  III — Y,  auch 
dem  P.  Silvinus  nicht  gewidmet  ist.  Dass  es  zu  den  zwölf  Büchern  nicht 
gehört  erhellt  überdiess  aus  der  übereinstimmenden  und  geschlossenen 
Zählung  welche  in  diesen  selbst  gegeben  ist;  so  YIÜ,  1,  1  (quae  .  .  exi- 
gebat  ratio  septem  memoravirnus  libris).  X.  praef.  1  (superioribus  novem 
libris).  XI,  1,  2  (hoc  undecimum  praeceptum  rusticationis  tradidi).  XII, 
13,  1  (cui  septimo  libro  praecepta  dedimus  =»  VII,  8).  Die  ausführlichere 
J^earbeitung  sollte  ohne  Zweifel  an  die  Stelle  der  früheren  treten,  und  nur 
der  Zufall  hat  uns  auch  von  dieser  jenen  Theil  erhalten.  Sie  ist  wohl  der 
singularis  über  ad  Eprium  Marcellum  (Schneider  Ü,  1.  p.  19  u.  II,  2.  p.673  f.). 

4.  Die  zwölf  Bücher  sind  vollständig  und  in  der  von  dem  Verfasser 
Kclbst  gewählten  Ordnung  auf  uns  gekommen,  wie  aus  den  regelmässigen 
praefationes  erhellt;  s.  A.  3  und  das  Schlusswort  XII,  5^,  6  (clausulatn 
peracti  operis  mei).  Die  zehn  ersten  entsprachen  den  etwa  vier  der  ersten 
Ausgabe  (A.  3);  an  diese  wurden  auf  persönliche  Veranlassungen  B.  XI 
und  XII  noch  angereiht;  s.  XI,  1,  2:  quod  nunc  aggredior  .  .  primo  rei 
rusticae  libro  (I,  8  f.)  videbar  aliquatenus  executus;  .  .  tamen  .  .  numerum 
quem  iam  quasi  consummaveram  voluminum  excessi  etc.  XII,  1,  1:  ut 
institutum  ordinem  teneamus  quem  priore  volumine  (XI)  incohavimus. 
Aber  auch  die  früheren  Bücher  scheinen  an  P.  Silvinus  einzeln  gesandt  zu 
sein,  da  die  Vorreden  zu  B.  II,  FV  und  V  auf  Bemerkungen  Bezug  neh- 
men welche  über  das  Vorangehende  gemacht  worden  söien.  Für  erschöpft 
liält  der  Verfasser  seinen  Stoff  keineswegs;  s.  V,  1,  1:  neque  infitior  ali- 
qua  me  praeteriisse,  quamvis  inquirentem  sedulo  quae  nostri  saeculi  cul- 
tores  quaeque  veteres  litterarum  monumentis  prodiderunt;  sed  .  .  non  as- 
severaveram  quae  vastitas  eins  scientiae  contineret  cuncta  me  dicturum, 
sed  plurima.  .  .  (2.)  nobis  satis  abundeque  est  tam  diffusae  materiae  .  . 
niaximam  partem  tradidisse.  XII,  57,  6:  nihil  dubitasse  me  paene  infinita 
esse  quae  potuerint  huic  inseri  materiae,  verum  ea  quae  maxime  videban- 
tur   necessaria   memoriae   tradenda   censuisse.     Aber   er   fasst   auch   seine 


288.   Columella.  635 

Aufgabe  im  weitesten  Sinne;  s.  I.  praef.  21  ff.:  ego  cum  aut  magnitudinem 
totiuB  rei  .  .  aut  partium  eins  .  .  numerum  recenseo  yereor  ne  aupremus 
ante  me  dies  occupet  quam  universam  disciplinam  ruris  poseim  cognoscere. 
nam  qui  se  in  hac  scientia  perfectum  volet  profiteri  sit  oportet  rerum 
naturae  sagacissimuB  etc.  (32.)  ille  quem  uos  perfectum  esse  volumus 
agricolam  .  .  multum  tarnen  profecerit  si  usu  Tremellios  Sasemasque  et 
Stolones  nostros  aequayerit.  (88.)  .  .  illud  procul  vero  est  .  .  facillimam 
esse  nee  uUius  acuminis  ruaticationem.  Echt  römisch  ist  aber  IX,  2,  5: 
haec  et  his  similia  magis  scrutantium  rerum  naturae  latebras  quam  rusti- 
corum  est  inquirere.  studiosis  quoque  litterarum  gratiora  sunt  ista  in 
otio  legentibuB  quam  negotiosis  agricolisi  quoniam  neque  in  opere  neque 
in  re  familiari  quidquam  iuvanti  Uebrigens  zeigt  sich  Columella  Überall 
als  ein  gebildeter  Mann,  der  seines  Gegenstandes  mächtig  und  dafür  be- 
geistert ist  und  ihn  mit  Geschnlack  zu  behandeln  weiss  (Isidor.  Orig.  XVII, 
1,  1:  Columella,  insignis  orator,  qui  totum  corpus  disciplinae  eiusdem  com- 
plexus  est).  Auch  für  die  ethischen  Seiten  desselben  hat  er  ein  warmes 
Gefühl.  Wiederholt  preist  er  die  einfachen  Zustände  des  alten  Rom  und 
beklagt  das  Umsichgreifen  der  Unnatur  (I.  praef.  14  ff.  X.  praef  2.  XII. 
praef  8  f ).  An  dem  Herunterkommen  des  Bodens  tragen  die  Menschen 
selbst  die  Schuld  (11,  1,  -7:  non  fatigatione  .  .  nee  senio,  sed  nostra  inertia 
minus  benigne  nobis  arva  respondent). 

6.  Colum.  IX,  16,  2:  quae  reliqua  nobis  rusticarum  rerum  pars  sn- 
perest,  de  cultu  hortorum,  P.  Silvine,  deinceps  ita  ut  et  tibi  et  Gallioni 
nostro  complacuerat  in  carmen  conferemus.  X.  praef.  3:  cultus  hortornm 
.  .  diligentius  nobis  quam  tradiderunt  maiores  praecipiendus  est;  isque  .  . 
prosa  oratione  prioribus  subnecteretur  exordiis,  nisi  propositum  meum  ex- 
pug^asset  frequens  postulatio  tua,  quae  pervicit  ut  poeticis  numeris  exple- 
rem  Georgici  carminis  omissas  partes,  quas  tamen  et  ipse  Yergilius  signifi- 
caverat  (Georg.  IV,  148)  posteris  post  se  memorandas  relinquere.  neque 
enim  aliter  istud  nobis  fuerat  audendum  quam  ex  voluntate  vatis  maxime 
venerandi.  (4.)  cuius  quasi  numine  instigante  .  .  aggressi  sumus  tenuem 
admodum  .  .  materiam.  X^  433  f.:  hactenus  arvorum  cultus^  Silvine,  doce- 
bam,  siderei  vatis  referens  praecepta  Maronis. 

6.  Columella's  Werk  wird  verhältnissmäasig  sehr' wenig  citiert;  ausser 
von  PliniuB  und  Gargilius  Martialis  fast  nur  von  Serv.  Aen.  III,  640.  Aus- 
geschrieben wurde  es  durch  Palladius,  und  dessen  Arbeit  sagte  dem  rohen 
Geschmacke  der  späteren  Zeiten  besser  zu.  Doch  sind  von  jenem  nicht  we- 
nige Handschriften  auf  uns  gekommen,  die  aber  noch  nicht  gehörig  ver- 
werthet  sind.  Die  besten  sind  die  Florentiner  und  der  Sangermanensis  in 
Paris.    Vgl.  die  praefationea  von  Gesner  (p.  IX  f.)  und  J.  G.  Schneider. 

7.  Ausgaben  in  den  Sammlungen  der  scriptores  rei  rusticae;  s.  oben 
52,  5.  Separatausgabe  von  J.  H.  Hess,  Flensburg  1795;  übersetzt  von  M. 
C.  Curtius,  Hamburg  1769.  Buch  X  auch  in  Wemsdorfs  poetae  lat.  min. 
VI.  p.  31—134.  . 

8.  Ueber  Columella  vgl.  E.  H.  F.Meyer,  Gesch.  der  Botanik  IL  S.  58—67, 
und  ein  Verzeichniss  der  weit  über  400  Pflanzen  die  von  Columella  genannt 
oder  besprochen  werden  ebds.  S.  68 — 80. 


636  Die  Kaiserzeit.   Erstes  Jahrhundert. 

289.  Berühmte  Aerzte  unter  Claudius  waren  besonders 
Stertinius  und  Vettius  Valens.  Als  Schriftsteller  auf  diesem  Ge- 
biete ist  uns  bekannt  Scribonius  Largus^  von  welchem  uns 
eine  ums  J.  47  dem  Callistus  gewidmete  Uebersicht  der  bewähr- 
testen Heilmittel  (compositiones  medicamentorum  oder  medicae) 
erhalten  ist,  nicht  frei  von  dem  herrschenden  Wahnglauben,  aber 
nicht  ohne  Verstand  und  in  leidlicher  Sprache. 

1.  Plin.  n.  h.  XXIX ,  l^i  7i  multos  praetereo  medicos,  celeberrimosque 
ex  his  Cassios,  Calpetanos,  Arruntios,  Rubrios.  ducena  quinquagena  HS 
annua  his  mercedes  faere  apnd  principes..  Q.  Stertinius  impntavit  principi- 
bus  quod  sestertiis  quingenis  annnis  contentus  esset,  sescena  enim  sibi 
quaestu  nrbis  fuisse  ennmeratis  domibus  08.tendebat.  (8.)  par  et  fratri  eins 
merces  a  Claudio  Caesare  infusa  est.  .  .  exortus  deinde  est  Vettius  Va- 
lens, adulterio  Messalinae  Claudii  Caesaris  nobilitatus  pariterque  eloquentia. 
adsectatores  et  potentiam  nanctus  novam  instituit  sectam.  Vgl.  Tac.  A.  XI, 
31.  35  (Vettium  Valentem  confessum  .  .  tradi  ad  supplicium  iubet,  J.  48 
n.  Chr.).  Sen.  apocol.  13,  4  (Vettius  Valens,  Fabius,  eq.  rom.  quos  Narcis- 
sus  duci  iusserat).  Vgl.  A.  2.  Er  war  ohne  Zweifel  aus  Ariminum  gebürtig; 
vgl.  Pauly's  Real-Enc.  VI,  2.  S.  2638  f.  Nr.  24  ff.  Cael.  Aurel.  III,  1:  Valens 
physicus  libro  HI  Cnrationum. 

2.  Scribon.  Larg.  23,  97:  Tiberio  Caesari  per  libellum  scriptum  .  . 
venit  in  manus  nostras  etc.  vgl.  28,  120.  42,  163:  vidi  .  .  cum  Britanniam 
peteremus  (J.  43)  cum  deo  nostro  Caesare.  11,  60:  Messalina  dei  nostri 
Caesaris  hoc  utitur  (f  48).  22,  94:  hoc  medicamentum  Apulei  Celsi  fuit, 
praeceptoris  Valentis  et  nostri,  et  numquam  uUi  se  vivo  compositionem  eins 
dedit.  43,  171:  antidotus  Apulei  Celsi  praeceptoris,  quam  .  .  mittebat  Cen- 
turipas,  unde  ortus  erat.  Vgl.  E.  Meyer,  Gesch.  d.  Botanik  11.  S.  21  —  23. 
28.  Scribon.  44,  175:  accepimus  a  Tryphone  praeceptore  nostro.  Das  Ag- 
nomen  Designatianus  für  Scrib.  beruht  auf  zweifelhafter  Combination. 

3.  Scrib.  Larg.  praef.:  (1.)  .  .  Herophilus,  Cai  luli  Calliste,  fertur 
dixisse  etc.  (22.)  .  .  a  me  compositiones  quasdam  petiisti.  (23.)  cupio  me- 
dius  fidius  .  .  tuae  in  me  .  .  benevolentiae  respondere,  adiutns  omni  tempore 
a  te,  praecipue  vero  his  diebus.  .  .  tradendo  scripta  mea  latina  medici- 
nalia  deo  nostro  Caesari.  (24.)  .  .  divinis  manibus  laudando  consecrasti. 
.  .  (25.)  ignosces  autem  si  paucae  yisae  tibi  fuerint  compositiones  et  non  ad 
omnia  vitia  scriptae,  sumus  enim,  ut  scis,  peregre  nee  sequitur  nos  nisi 
necessariuB  admodum  numerus  libellorum.  .  .  (26.)  initium  a  capite  faciemus, 
.  .  dantes  operam  ut  simplicia  primo  ponamus.  (27.)  .  .  deinde  medica- 
mentorum quibus  compositiones  constant  nomina  et  pondera  vitiis  subiunxi- 
mus.  4,  38:  neque  illud  dico  novas  et  non  aliquibus  notas  in  hoc  libro 
congesturum  compositiones^  verum  etiam  quasdam  divulgatas  et,  ut  ita  di- 
cam,  publicatas.  Epilog:  harum  compositionun»  .  .  ipse  composui  plurimas, 
.  .  valde  paucas  ab  amicis.  .  .  illud  autem  te  meminisse  oportet,  mi  Cal- 
liste, .  .  eadem  medicamenta  in  iisdem  vitiis  interim  melius  deteriusve  re- 
spondere, propter  corporum  varietatem  differentiamque  aetatum,  temporum 
aut  locorum. 


289  f.    Scribonius  Largus.    Asconius.  637 

4.  Zur  Charakteristik.  Scrib.  Larg.  praef.  9:  medicis,  in  quibus  nisi 
plenuB  misericordiae  et  humanitatift  animus  est  .  .  diis  et  hominibus  invi&i 
esse  debent.  (10.)  .  .  quia  medicina  non  fortuna  neque  personis  homines 
aestimat,  verum  aequaliter  omnibus  implorantibus  auxilia  sua  succursuram 
se  pollicetur.  Quellen  wohl  meist  griechische,  bes.  Soranos;  genannt  wer- 
den Hippocrates,  Herophilus,  Asclepiades  (noster,  z.  B.  75),  Andron,  von 
Römern  Cassius,  Paccius  Antiochus  u.  A.  (A.  2).  Manches  auch  aus  dem 
Volksglauben;  vgl.  2,  17:  item  ex  iecinore  gladiatoris  iugulati  particulam 
aliquam  novies  datam  consumant  (Epileptische),  quaeque  eiusdem  generis 
sunt  extra  niedicinae  professionem  cadunt,  quamvis  profuisse  quibusdam  visa 
sunt.  28, 122 :  hoc  medicamento  muliercula  quaedam  Komae  ex  Africa  multos 
remediavit.  postea  nos  .  .  compositionem  accepimus,  pretio  dato  quod  deside- 
raverat,  et  aliquot  non  ignotos  sanavimus.  43,  172:  hoc  ego  cum  quaererem 
ab  hospite  meo,  legato  inde  (von  Kreta)  misso,  nomine  Zopyro,  Gordiense 
medico,  quid -esset  pro  magno  munei-e  accepi.  23,  105:  stomachi  vitium 
quod  .  .  inrequiebili ,  ut  ita  dicam,  et  inextinguibili  siti  consistit;  atovov 
Graeci  vocant.  Stehende  Wendung  facit  bene.  Erhalten  sind  271  Recepte; 
doch  ist  der  Text  (durch  ^ine  Hds.)  corrupt  und  lückenhaft  (nach  72.  166. 
236)  überliefert,  zum  Theil  indessen  aus  Galenos  und  Marcellus  zu  ergänzen, 
welche  den  Scrib.  J^enützt  haben;  Letzterer  schrieb  ihn  sogar  aus. 

5.  Ausgaben,  ausser  den  Sammelwerken  von  Aldus  (1547)  und  Stepha- 
nus  (1667),  von  J.  Ruellius  (ap.  Wechel.,  Paris.  1529  fol.)  und  bes.  J.  Rhodius 
(Patav.  1655.  4.),  auch  J.  M.  Bernhold  (ad  edit.  Rhod.,  Argentorati  1786). 
Ein  Commentar'O.  Sperlings  zu  Scrib.  ist  handschriftlich  auf  der  k.  Biblio- 
thek zu  Kopenhagen;  Proben  daraus  in  drei  Programmen  von  Kühn,  Lips. 
1825  f.  4. 

6.  Choulant,  Handb.  d.  Bücherk.*  S.  180  f.  E.  H.  F.  Meyer,  Gesch.  d. 
Botanik  11  (Königsb.  1855).   S.  26—39. 

290.  Den  classischen  Schriftsteilem  der  Vergangenheit,278 
besonders  dem  Cicero,  Sallust  und  Vergil,  zugewandt  war  die 
literarische  Thätigkeit  des  gelehrten  Q.  Asconius  Pedianus  (ums 
J.  3 — 88  n.  Chr.).  Wir  besitzen  von  ihm  noch,  obwohl  in  trüm- 
merhafter Gestalt,  geschichtliche  Commentare  zu  fünf  Reden 
Cicero's,  welche  hohen  sachlichen  Werth  haben  und  auch  treff- 
lich geschrieben  sind.  Um  so  weniger  gilt  beides  von  den  mit 
Unrecht  seinen  Namen  tragenden  Scholien  zu  Cicero's  Verrinen, 
Mehr  Brauchbares  enthalten  die  scholia  Bobiensia,  in  welchen 
der  ursprüngliche  Commentar  des  Asconius  vielleicht  benützt  ist. 

1.  Hieron.  zu  Eus.  chron.  ad  a.  Abr.  2092  =  Vespas.  8  «=  76  n.  Chr. 
(Freher.  schon  2091):  Q.  Asconius  Pedianus  scriptor  historicus  (er  war  von 
Sueton  unter  den  historici,  zwischen  Fenestella  und  dem  älteren  Plinius, 
abgehandelt,  Sueton.  p.  91  Rffsch.)  clarus  habetur,  qui  LXXIU  aetatis  suae 
anno  captus  luminibus  Xll  postea  annis  in  summo  omnium  honore  con- 
senescit.    Die  Ansetzung  in  diesem  J.  kann  nur  dem  Erblinden  gelten;  die 


638  I^ie  Kaiserzeit.  Erstes  Jahrhundert. 

Blütezeit  des  Asc.  muss  unter  Claudius  und  Nero  fallen.  Bei  Suidas  v. 
'Anixiog  erscheint  'Aa%<ovios  Ilaidiavos  schon  J.  781  =»  28  n.  Chr.  (unter  Ti- 
beiius)  in  der  Gesellschaft  des  Junius  Bläsus;  vgl.  Ascon.  ad  Scaur.  p.  27  Or.: 
possidet  (das  Hans  des  Scaurus)  nunc  Largus  Licinius,  qui  cos.  fuit  cum 
Claudio  (J.  795  =  43  n.  Chr.).  Angeführt  von  Plin.  n.  h.  VII,  48,  169 
(auctor  est  Pedianus  Asconius)  und  Quintil.  I,  7,  24  (ex  Pediano  comperi, 
vgl.  V,  10,  &).  Ascon.  ad  Comel.  p.  76  Or.  (Livius  noster);  daher  wohl 
gleichfalls  aus  Patavioxn  gebürtig.  Serv.  zu  Vergil.  Ecl.  III,  105  (Asconius 
Pedianus  dicit  se  Yergilium  dicentem  audiase)  wird  berichtigt  durch  Phil- 
argyr.  und  Schol.  Bern.  ibid.  (dicit  Comif.  oder  Comel.  se  audivisse  Yer- 
gilium etc.);  Bibbeck  Prolegg.  Vergil.  p.  97  f. 

2.  Acro  zu  Hör.  S.  I,  2,  41  (p.  29  Hth.):  quem  (den  Sallust)  Asco- 
nius Pedianus  in  vita  eins  significat.  Buch  contra  obtrectatores  Vergilii; 
s.  oben  221^  3  £.  224,  6.  Darauf  lassen  sich  alle  Aussagen  des  Asc.  über  Vergil 
beziehen,  ohne  dass  man  nöthig  hätte  einen  förmlichen  Commentar  des 
Asc.  zu  Vergil.  anzunehmen;  Suringar  bist.  er.  schol.  lat.  II.  p.  206 — 212. 
Commentar  zu  den  Reden  Cicero's,  gerichtet  an  seine  Söhne  (p.  44  Or.: 
vestra  aetas,  filii,  facit;  vgl.  vos  ib.  p.  12.  14  f.  26  f.  45.  68  u.  sonst),  vor- 
zugsweise das  Sachliche,  die  Zeitverhältnisse  u.  s.  w.  erläuternd  und  aus 
den  besten  Quellen  (Madvig  p.  63  fiF.  Klotz,  lat.  Lit.  I.  sS.  109  —  111)  mit 
Scharfsinn  und  Gründlichkeit  geschöpft.  Nach  den  Verweisungen  in  dem 
erhaltenen  Theile  scheint  Aacon.  die  meisten  (oder  alle)  Reden  des  |Cicero 
in  dieser  Weise  commentiert  zu  haben;  vgl.  Gell.  XV,  28,  4.  Auf  uns  ge- 
kommen sind  aber  —  in  fragmentarischer  Gestalt  —  Commentare  zu  den 
Heden  in  Pisonem,  pro  Scauro,  pro  Milone,  pro  Comelio  und  in  toga  Can- 
dida. Poggio  fand  diese  in  St.  Gallen  J.  1416  und  nahm  davon  eine  flüch- 
tige Abschrift,  welche  sich  zu  Florenz  befindet,  während  das  St.  Galler 
Original  alsbald  wieder  verloren  gieng.  Ausgaben^  nach  jener  Abschrift 
(Madvig  p.  33  ff.;  b§i  Orelli  V.  p.  I — XIII),  meist  mit  Interpolationen:  Ed. 
princeps  Venet.  1477;  andere  von  P.  Manutius  (Ven.  1547  u.  sonst).  Fr. 
Hotomannus  (Lugd.  1551),  T.  Popma  (Colon.  1578),  Th.  Crenius  (Lugd. 
1698),  Jac.  Gronov  (Lugd.  Bat.  1692.  2  Voll.  4.)  und  in  den  Gesammtaus- 
gaben  des  Cicero  von  C.  G.  Schütz  und  besonders  Orelli-Baiter  (V,  2.  p.  1 

-95).    Kritische  Beiträge  von  Rinkes  in  der  Mnemosyne  X  und  XI. 

3.  Die  Commentare  zu  den  Verrinen  (einschliesslich  der  divinatio) 
sind  ebenso  überwiegend  grainmatsich  wie  die  andern  historisch,  bieten 
sehr  wenig  was  nicht  auch  aus  andern  Quellen  bekannt  oder  selbstver- 
ständlich wäre,  haben  eine  breite  Darstellung  und  unclassische  Sprache 
und  sind  nicht  wie  jene  an  eine  Mehrheit  gerichtet  (z.  B.  p.  119  Or.:  pri- 
marum,  subaudi  partium).  Hätte  der  Verfasser  derselben  (frühestens  aus 
dem  vierten  christl.  Jahrb.)  den  echten  Commentar  des  Asconius  zu  diesen 
Reden  auch  nur  vor  sich  gehabt,  so  müsste  er  ihn  ohne  Verständniss  für 
das  Wichtige  ausgebeutet  und  in  seine  Sprechweise  übersetzt  haben.  Vgl. 
Madvig  p.  84  ff.    Diese  Commentare  selbst  bei  Orelli  V,  2.  p.  97 — 213. 

4.  Viel  weniger  dürftig,  daher  eher  aus  den  echten  Commentareu 
des  Asconius  mitgeschöpft,  aber  doch  mit  diesen  selbst  an  historischem 
und  exegetischem  Werthe  und  gefeilter  Schreibweise  ebenso  wenig  zu  ver- 


290  f.   Asconius.   Pomponius  Mela.  639 

gleichen  sind  die  von  Aug.  Mai  aus  einem  Paümpseste  von  Bobbio  (dessen 
erster  Theil  in  der  Yaticana,  der  zweite  in  der  Ambrosiana  sich  findet) 
herausgegebenen  Beste  von  Scholien  zu  ciceronischen  Beden  (pro  Flacco, 
cum  in  senatu  gratias  egit,  cum  populo  gratias  egit,  pro  Plancio,  Milone, 
Sestio,  in  Yatinium)  in  Clodium  et  Curionem,  de  aere  al.  Milonis,  de  rege 
alexandrino,  pro  Archia,  Sulla,  in  Catil.  IV,  pro  Marcello,  Ligario,  Deio- 
taro,  Scauro)i  gewöhnlich  Scholia  Bobiensia  genannt.  A.  Mai  wollte 
bei  der  ersten  Herausgabe  (Mediol.  1814  =»  Frankfurt  1816;  cum  Maii  notis 
edid.  Gramer  et  Heinrich,  Eiel  1816.  4.)  sie  dem  Asconius  beilegen  (comm. 
antiquus  ineditus  qui  videtur  Asconii  Pediani),  nahm  diess  aber  in  der 
zweiten  Ausgabe  (Auetores  classici  e  vaticanis  codd.  editi,  Vol.  IL  Bom 
1828)  zurück.  In  der  That  ist  es  unmöglich  diese  Scholien  früher  als  ins 
vierte  oder  fünfte  Jahrhundert  zu  setzen.  "Vgl.  z.  B.  p.  286  Or. :  quos,  nunc 
vulgo  muliones  dicimus,  .  .  eos  veteres,  ut  animadvertis,  redarios  dicebant. 
Dass  der  Verf.  ein  Christ  war  zeigt  p.  256,  9  Or.  (secundum  veterem  super- 
stitionem).  Abdruck  bei  Orelli  V,  2  (Mai's  praefatio  etc.  p.  217 — 228) 
p.  228—376.     Vgl  Madvig  p.  142  ff. 

5.  Suringar,  historia  critica  schol.  lat.  I.  p.  116 — 146.  Hauptschrift: 
.T.  N.  Madyig,  de  Q.  Asconio  Pediano  et  aliorum  veterum  interpretum  in 
Cic.  orationes  commentarüs  disp.  critica,  Kopenhagen  1828;  wozu  Appen- 
dix critica,  ib.  1828.    Gräfenhan,  Gesch.  d.  class.  Philologie  IV.  S.  293—298. 

291.  Unter  Caligula  oder  Claudius  verfasste  Pomponius279 
Mela  aus  Tingentera  in  Spanien  seine  drei  Bücher  de  choro- 
graphia,  für  uns  die  früheste  Beschreibung  der  alten  Welt. 
Der  Abriss  ist  aus  guten  Quellen  geschöpft,  wohlgeordnet  und 
reichhaltig.  Neben  dem  Geographischen  wird  auch  das  Sitten- 
geschichtUche  berücksichtigt.  Der  Stil  zeugt  von  rhetorischer 
Bildung.  Wortstellung,  Constructionen  und  der  meist  abgerissene 
Satzbau  verrathen  den  Zeitgenossen  des  Seneca. 

1.  Mela  II,  96:  Carteia  .  .  atque  unde  nos  sumus  Tingentera.  III,  49: 
liritannia  qualis  sit  .  .  mox  certiora  diöentur.  quippe  tamdiu  clausam 
aperit  ecce  principum  maximus,  nee  indomitarum  modo  ante  se  verum 
ignotarum  quoque  gentium  victor  propriarum  rerum  fidem  ut  hello  ad- 
fectavit  ita  triumpho  declaraturus  portat.  Diess  deutet  entweder  auf  Ca- 
ligula's  Triumph  über  Britannien  (J.  40  n.  Chr.)  oder  (wahrscheinlicher)  auf 
den  des  Claudius  (J.  44).  III,  90:  Eudoxus  quidam  avorum  nostrorum  tem- 
poribus  cum  Lathyrum  regem  (J.  117—81  v.  Chr.)  Alexandriae  profugeret. 

2.  Von  Plinius  wird  Mela,  Pomponius  Mela  und  Mela  Pomponius  als 
QueUe  genannt  für  B.  III— VI,  VIII,  XII  f.,  XXI  f.  seiner  nat.  bist.  Ange- 
führt wird  er  von  Schol.  Juv.  IL  160  und  Serv.  Aen.  IX,  31;  ausgebeutet, 
aber  nicht  genannt,  von  Solinus.  Mela  selber  nennt  als  seine  Quellen  den 
Hipparchos  (III,  70),  Hanno  (III,  90.  94)  und  Cornelius  Nepos  (III,  45:  Corn. 
N.  ut  recentior,  auctoritate  sie  certior;  vgl.  ib.  90).  Die  Zahl  der  von  ihm 
aufgeführten  geographischen  Namen  beträgt  über  1500.    Bei  aller  sonstigen 


640  I^ijB   Eaiserzeit.   Erates  Jahrhundert. 

Kürze  sind  doch  über  merkwürdige  Punkte  auch  ausführliche  Beschreibungen 
eingeflochten,  wie  über  den  specus  Corycius  I,  72 — 76,  den  Berg  Ida  I,  94  f.; 
ebenso  sittengeschichtliche  Erörterungen  über  Aegypten  I,  57 — 59,  Britannien 
III,  49  —  52.  Die  ganze  Anlage  setzt  voraus  dass  dem  Verfasser  eine  Erd- 
karte vorlag.  Nicht  ausgeführt  scheint  die  Absicht  den  Gegenstand  auch 
eingehender  zu  behandeln;  s.  I,  2:  dicam  autem  alias  plura  et  exactius, 
nunc  ut  quaeque  sunt  clarissima  et  strictim. 

3.  Handschriften  des  Mela  zählt  Tzschucke  (vgl.  Parthey  p.  IX — XXVII) 
ungefähr  sechzig  auf,  Ausgaben  104.  Unter  den  ersteren  ist  die  älteste 
und  wichtigste  der  Vaticanus  4929  saec.  IX  oder^X,  die  andern  alle  aus 
saec.  XIV  ff.  Unter  den  Ausgaben  sind  hervorragend  die  von  Is.  Voss 
(Hag.  Com.  1658.  4.  Franeker  1700.  8.),  C.  H.  Tzschucke  (Lips.  1806  f. 
7  Partes  mit  ausführlichem  kritischem  imd  exegetischem  Commentar),  G.  Par- 
they (ad  librorum  mss.  fidem  edidit  notisque  criticis  instruxit,  Berlin  1867). 
Vgl.  Bursian  in  Fleckeisens  Jahrbb.  99,  S.  629 — 655.  Ausserdem  ist  nennens- 
werth  die  von  J.  Gronovius  (Lugd.  Bat.  1685.  1696.   1722.   1748.  1782). 

280  292«  Die  bedeutendsten  Redner  in  dieser  Zeit  waren  Solche 
die  sich  gewerbsmässig  mit  politischen  Anklagen  befassten,  wie 
P.  Suillius,  Vibius  Crispus  aus  Vercellä,  den  sein  ruhiges  Wesen 
ein  hohes  Alter  und  die  Zeit  Domitians  erreichen  liess,  der  leb- 
haftere Eprius  Marcellus*,  Kunstredner  lulius  Africanus  und  der 
Sachwalter  Galerius  Trachalus  (Cos.  J.  68),  ausgezeichnet  haupt- 
sächlich durch  sein  volltönendes  Organ.  Andere  bethätigten  ihre 
Beredtsamkeit  vorzugsweise  im  Senat,  wie  die  Stoiker  Paetus 
Thrasea  und  Helvidius  Priscus.  Auch  eine  Anzahl  von  Lehrern 
der  Redekunst  kennen  wir  aus  dieser  Zeit,  wie  Verginius  Flavus, 
Clodius  Quirinalis,  Antonius  Liberalis  u.  A. 

1.  Tac.  A.  XIII,  42:  P.  Suillius,  imperitante  Claudio'  terribilis  (als 
Ankläger)  ac  venalis.  .  .  eius  opprimendi  gratia  repetitum  credebatur  8C. 
poenaque  Cinciae  legis  adversum  eos  qui  pretio  causas  oravissent.  Suil- 
lius  .  .  praeter  ferociam  animi  extrema  senecta  liber  etc.  ib.  43  werden 
u.  A.  equitum  rom.  agmina  damnata  ihm  schuldgegeben.  Er  wurde  in 
insulas  baleares  verbannt,  J.  58  n.  Chr.  Vermählt  war  er  mit  der  Stief- 
tochter des  Ovid,  ex  Pont.  IV,  8  vom  J.  16  n.  Chr.  A.  Haakh  in  Pauly's 
Real-Enc.  VI,  2.  S.  1485  f.  Nr.  1. 

2.  Tac.  dial.  8:  ausim  contendere  Marcellum  Eprium  (s.  A.  3)  .  .  et 
Crispum  Vibium  .  .  notos  non  minus  esse  in  extremis  partibus  terra- 
rum  quam  Capuae  aut  Vercellis,  ubi  nati  dicuntur  (vgl.  Schol.  Juv.  IV,  81 : 
Crispus,  municeps  Viselliensis ;  dagegen  Schol.  des  Valla  ib.,  aus  Local- 
Patriotismus  oder  unter  Verwechslung  mit  ^assienus  Crispus,  oben  263,  5: 
V.  Cr.  Placentinus).  hoc  illis  praestat  .  .  ipsa  eloquentia.  .  .  sine  commen- 
datione  natalium,  sine  substantia  facultatum,  neuter  moribus  egregius,  alter 
habitu  quoque  corporis  contemptus,  per  multos  iam  annos  potentissimi 
sunt  civitatis  ac  donec  libuit  principes  fori,  nunc  principes  in  Caesaris  (des 


292.  Redner:  Vibius  Crispus,  lulins  Africanus  u.  a.  641 

YeBpasian)  amicitia  agant  geruntque  cuncta.  Hist.  II,  10:  Vibius  Crispas, 
pecunia,  potentia,  ingenio  inter  claros  magia  quam  inter  bonos.  .  .  Crispum 
easdem  accusationes  cum  praemio  exercuisse  meminerant.  Juv.  lY,  81 — 93: 
Tenit  et  Crispi  iucunda  senectus,  cuius  erant  mores  qualis  facundia,  mite 
ingenium.  .  .  sie  multas  biemee  atque  octogesima  vidit  solstltia,  bis  armis 
illa  (des  Domitian)  quoque  tutus  in  aula.  Er  lebte  also  etwa  J.  10 — 90  n. 
Gh.,  und  es  kann  daber  ricbtig  sein  die  Angabe  des  Scbol.  Yall.  zu  Juv. 
1.  1.:  et  manu  promptus  et  lingua  sub  Claudio  et  consulatum  adeptus.  Vgl. 
Plin.  n.  h.  XIX.  prooem.  4:  C.  Plavio  legato  Vibi  Crispi  procos.  (von 
Africa).  Das  Jabr  seines  Consulats  ist  aber  nicht  bekannt.  Vgl.  Borgbesi, 
Oeuvres  IV.  p.  529—538.  Zecbgenosse  des  Vitellius  (Suid.  v.  BiTilUog). 
Quintil.  V,  13,  48:  quod  factum  venuste  nostris  temporibus  elusit  Vibius 
Crispus,  vir  ingenii  iucundi  et  elegantis.  X,  1,  119:  erant  clara  et  nuper 
ingenia.  nam  et  Tracbalus  (A.  6)  .  .  fuit .  .  et  Vibius  Crispus  compositus  et 
iucundus  et  delectationi  natüs,  privatis  tarnen  causis  quam  publicis  melior. 
Xn,  10,  11  (iucunditatem  Crispi).  Vm,  5,  17  (pro  Spatale  Crispus,  vgl.  ib. 
19:  Tracbalus  contra  Spatalen). 

3.  Inscbrift  aus  Capua  bei  Orelli-Henzen  5425:  T.  Clodio  M.  f.  Pal. 
(Flitterstaat  des  Emporkömmlings)  Eprio  Marcello  cos.  II  (J.  827 » 74; 
I  zwiscben  811  u.  814),  auguri,  curioni  maximo,  sodali  augustali,  pr(aetori) 
per(egr.,  im  J.  48,  s.  Tac.  A.  XII,  4),  procos.  Asiae  III  (J.  71 — 74  Frühling) 
provincia  Cypros;  vgl.  Borgbesi  Oeuvres  III.  p.  286—293.  Geboren  zu  Capua 
in  niedrigen  Verhältnissen  (s.  A.  2),  Delator  tmter  Nero  (Tac.  A.  XVI,  22 
cxtr.:  Marc.  Epr.  acri  eloquentia.  ib.  29:  cum  Marcellus,  ut  erat  torvus 
ac  minax,  voce,  voltu,  oculis  ardesceret),  z.  B.  des  Thrasea,  und  als  solcher 
später  wiederholt  von  Helvidius  Priscus  belangt  (Tac.  dial.  5:  quid  aliud 
infestis  patribus  nuper  Eprius  Marcellus  quam  suam  eloquentiam  opposuit? 
qua  accinctus  et  minax  disertam  quidem  sed  inexercitatam  et  eiusmodi 
certaminum  rudern  Hei  vidi  sapientiam  elusit;  vgl.  unten  294,  12),  aber  noch 
unter  Vespasian  einflussreich  (s.  A.  2),  jedoch  J.  79  der  Verschwörung 
gegen  ihn  überwiesen  und  zum  Tode  getrieben.  Vgl.  A.  Haakh  in  Pauly^s 
Real-Enc.  III.  S.  207  f.  Tac.  hist.  IV,  7 :  esse  illi  (dem  E.  M.)  pecuniam  et 
eloquentiam,  quis  multos  anteiret,  ni  memoria  flagitiorum  urgeretur. 
Vertheidigung  des  E.  M.  ib.  8.    Vgl.  noch  unten  288,  8  E. 

4.  Quintil.  X,  1,  118:  eorum  quos  viderim  Domitius  Afer  (f  J.  59  n. 
Chr.,  s.  oben  271,  5)  et  lulius  Africanus  longo  praestantissimi.  .  .  hie 
concitatior  (als  Afer),  sed  in  cura  verborum  nimius  et  compositione  non- 
numquam  longior  et  translationibus  parum  modicus.  Vgl.  ib.  Xn,  10,  11 
(oben  44,  2).  Tac.  dial.  15.  Plin.  Ep.  VII,  6,  11.  Quintil.  VIII,  5,  16 
(insigniter  Africanus  apud  Neronem  de'morte  matris,  J.  59  n.  Chr.).  Sein 
Vater  war  wohl  der  im  J.  32  verurteilte  lulius  Africanus  e  Santonis,  gal- 
lica  civitate  (Tac.  A.  VI,  7). 

5.  Quintil.  X,  3,  13:  patruus  lulii  Secundi  fuit  lulius  Florus,  in 
eloquentia  Galliarum  (quoniam  ibi  demum  exercuit  eam)  princeps,  alioqui 
inter  paucos  disertns. 

6.  Tac.  Eist  I,  90:  in  rebus  urbanis  Galerii  Trachali  (Cos.  821 
a-  68  mit  Silius  Italiens)   ingenio  Othonem  uti  credebatur.     et  erant  qui 

TxüTFKL,  BOm.  Llteratargeiohiohte.   2.  Aufl.  41 


642 


Die  Kaiserzeit.  Erstee  Jahrhundert. 


genns  ipsum  orandi  noscerent  crebro  fori  usu  celebre  et  ad  implendas  po- 
püli  aures  latmn  et  sonans.  Qtdntil.  X,  1,  119:  erant  clara  et  nuper  in- 
genia.  nam  et  Trachalue  plermnque  sublimis  et  satis  apertos  fbit  et  quem 
velle  optima  crederes,  anditos  tarnen  maior;  nam  et  yocis  quantam  in  nollo 
,  cognoyi  felicitas  et  pronnntiatio  vel  scenis  Bufifectnra  et  decor,  ornnia  deni- 
que  ei  qnae  sunt  extra  saperfäenmt.  Letzteres  näher  ausgeführt  XU, 
6,  5  f.  vgl.  10,  11  (sonum  Trachali).  Veröffentlicht  irar  jedenfalls  seine 
Rede  contra  Spatalen  (s.  Anm.  iE.).    Vgl.  noch  Qointil.  VI,  3,  78. 

7.  A.  Fabricius  Veiento  (praetorins,  Dio  LXI,  6)  wurde  im  J.  62  n.  Chr. 
angeklagt  quod  multa  et  probroaa  in  patres  et  sacerdotes  composuisset  iis 
libris  quibuB  nomen  Codicillorum  dederat  (Tac.  A.  XIV,  50).  Also  wohl  eine 
Satire  in  Prosa  in  der  Form  eines  Testaments  (vgl.  oben  28,  4).  Convictimi 
Veientonem  ItaHa  depulit  (Nero)  et  libros  exuri  iussit,  conquisitos  lectitatos- 
que  donec  cum  periculo  parabantur  (Tac.  1.  1.).  Unter  Domitian  finden  wir 
ihn  als  niedrigen  Schmeichler  des  Herrschers  und  Delator  bei  Juy.  DI,  185. 
IV,  113.  123  ff.  VI,  113.  Er  erlebte  noch  den  Nerva  (Plin.  Ep.  IV,  22,  4  vgl. 
IX,  13,  13). 

8.  L.  Valerius  Primanus,  von  Sueton  (p.  99  Bffsoh.)  nach  Q.  Curtius 
Bufiis  und  vor  Verginius  Flavus  unter  den  clari  rhetores  aufgeführt. 

9.  Tac.  A.  XV,  71:   Verginium  Flavum  .  .  claritudo  nominis  ex- 
.  pulit  (J.  65  n.  Chr.) ;  nam  Verginius  studia  iuvenum  eloquentia  .  .  fovebat. 

Unter  Letzteren  war '  auch  der  junge  Persius  Flaccus  (vita  Pers.)*  In  dem 
suetonischen  Verzeichniss  von  rhetores  (Sueton.  p.  99  Bffsch.)  ist  er  der  zehnte. 
Quintil.  ni,  1,  21:  scripsit  de  eadem  materia  (Rhetorik)  .  .  aetatis  nostrae 
Verginius.  VII,  4,  40:  Flavum^  cuius  apud  me  summa  est  auctoritas,  cum 
Artem  scholae  tantum  componeret  etc.  Er  schloss  sich  dabei  an  griechische 
Vorgänger  an;  s.  ib.  VII,  4,  24.  Erwähnungen  desselben  ib.  III,  6,  45. 
IV,  1,  23.   XI,  3,  126. 

10.  Hieronym.  zu  Eus.  chron.  a.  Abr.  2063  »>  Claud.  7  =  47  n.  Chr. 
aus  Sueton  (vgl.  p.  99  Rffsch.):  P'.  Clodius  Quirinalis  rhetor  Arelatensis  Ro- 
mae  insignissime  docet. 

11.  Hieronym.  ib.  ad  a.  2064  =  Claud.  8  »  48  n.  Chr^:  M.  Antonius 
Liberalis,  latinus  rhetor,  gravissimas  inimicitias  cum  Palaemone  (oben  277, 
3)  exercet.  Dagegen  Liberalis  noster  aus  Lugdunum  bei  Sen.  Epist.  91,  1. 
3.  13  scheint  Aebutius  Liberalis  (oben  284,  4)  zu  sein. 

12.  Hieronym.  ib.  ad  a.  2073  =»  Neron.  3  »-  57  n.  Chr.:  L.  Statins 
Ursulus  Tolosensis  celeberrime  in  Gallia  rhetoricam  docet. 

13.  Vita  Lucani:  matrem  hajbuit  Aciliam ,  Acilii  Lucani  filiam,  oratoris 
(Sachwalter)  operae  apud  proconsules  (in  Spanien)  frequentis  et  apud  claris- 
simos  viros  non  nullius  ingenii.  adeo  non  improbandus  fuit  ut  in  scriptis 
aliquibuB  hodieque  perduret  eins  memoria. 

14.  Ueber  Passienus  Crispus  den  jüngeren  s.  oben  263,  5;  über  lunius 
Gallio  oben  263,  7;  über  Paetus  Thrasea  und  Helvidius  Priscus  unten  294, 
7  u.  12;  über  Cluvius  Rufiis  unten  308,  2;  über  Curiatius  Matemus  unten 
312,  1;  über  Silius  Italiens  unten  314,  1;  über  den  Vater  den  Statins  un- 
ten 312,  3. 


292  f.  Bedner  (Yeiento  n.  a.)  und  Juristen.  643 

16.   üeber  die  rbetorisclien  Schriften  des  L.  Annaeus  Comutns  s.  nn- 
ten  294,  2. 

293.  Namhaftere  Juristen  dieser  Zeit  sind  Proculus,  nach28i 
welchem  die  Proculianer  ihren  Namen  hatten^  sowie  der  jün- 
gere Nerva,  der  Vater  des  nachmaligen  Kaisers  Nerva,  unter 
den  Sabinianem  C.  Cassius  Longinus  (Cos.  30  n.  Chr.).  Ein 
jüngerer  Zeitgenosse  des  Proculus  ist  Atilicinus,  und  auch  Fu- 
fidiuS;  sowie  Sex.  Pedius,  scheint  dieser  Zeit  anzugehören. 

1.  Pompon.  Dig.  I,  2,  2,  52:  Nervae  (oben  276,  2)  successit  Proculus. 
fuit  eodem  tempore  et  Nerva  filius  (A.  2).  .  .  sed  Proculi  aüotoritas  maior  fmt. 
nam  etiam  plurimum  potuit,  appellatique  sunt  partim  Gassiani  (vgl.  A.  3) 
partim  Froculiani.  Dig.  XXXYII,  14,  17  (Bescript  der  Divi  fratres):  Pro- 
culum,  sane  non  leyem  iuris  auctorem.  Vgl.  XViU,  1,  1,  1  (Sabinus  et  Cas* 
siufl,  .  .  Nerva  et  Proculus.  .  .  verior  Nervae  et  Proculi  sententia).  Voller 
Name  wabrscbeinlicb  Sempronius  Proculus;  vgl.  Dig.  XXXI,  47  f.  Budorff, 
Zeitscbr.  f.  gesch.  Eechtswiss.  Xn.  S.  336 — 339.  Eine  seiner  juristischen 
Schriften  hatte  Briefform  (Anfragen  und  Antworten):  Epistolarum  libri, 
mindestens  11  Bücher;  s.  Dig.  XIX,  5,  12  und  XXm,  4,  17:  Proculus  libro 
XI  epistolarum;  vgl.  A.  4  u.  Dig.  XVm,  1,  69.  Ausserdem  Proculus  libro 
in  ex  Posterioribus  Labeonis  (ib.  XXXÜI,  6,  16),  wohl  identisch  mit  den  No- 
tae  zu  Labeo  (ib.  III,  5, 10,  1  und  XXXY,  1,  69:  apud  Labeonem  Proculus 
notat;  vgl.  ib.  XVII,  2,  65,  6).  Im  Ganzen  sind  von  Proculus  37  Excerpte 
in  die  Digesten  aufgenommen.  Zusammenstellung  bei  Hommel,  Falingenesia 
n.  p.  389  —  396. 

2.  Pompon.  1.  1.  (A.  1)  62:  fuit  eodem  tempore  et  Nerva  filius 
(der  Vater  oben  276,  2).  fuit  et  alius  Longinus  (als  der  A.  3  genannte) 
ex  equestri  quidem  ordine,  qui  postea  ad  praeturam  usque  pervenit.  Dig. 
UI,  1,  1,  3:  qua  aetate  (pueritia,  bis  zum  17  ten  Jahre  gerechnet)  aut 
paulo  maiore  fertur  Nerva  filius  et  publice  de  iure  responsitasse.  XLI,  2, 
47 :  idque  Nerva  filius  libris  De  usucapionibus  retulit.  Er  war  Proculianer. 
Wohl  anf  ihn  bezieht  sich  Tac.  A.  XV,  72:  triumphale  decus  .  .  Cooceio 
Nervae,  praetori  designato,  .  .  tribuit  (Nero,  J.  66  n.  Chr.). 

3.  Pompon.  1. 1.  (A.  1)  51 :  huic  (dem  Masurius,  oben  276, 1)  successit  Gaius 
Cassins  Longinus,  natus  ex  filia  Tuberonis  (oben  205,  1),  quae  fuit  nep- 
üs  Servii  Sulpicü  (oben  171,  2  ff.),  et  ideo  proavum  suum  Servium  Sulpicium 
appellat.  hie  consiil  fuit  cum  Quartino  (Surdino?  Orelli  4033;  J.  788  »» 
30  n.  Chr.)  temporibus  Tiberii,  sed  plurimum  in  civitate  auctoritatis  habuit, 
eousque  donec  eum  Caesar  (Nero,  J.  66  n.  Chr.,  s.  Suet.  Ner.  37:  Cassio 
Longino  iuris  consulto  ac  luminibus  orbato  etc.  vgl.  Tac.  A.  XVT,  7.  9)  ci- 
vitate polieret,  expulsus  ab  eo  in  Sardiniam,  revocatus  a  Vespasiano  diem 
suum  obiit.  Vgl.  Tac.  A.  XII,  11  (J.  49):  Gaio  Cassio,  qui  Suriae  praeerat. 
12:  ea  tempestate  Cassius  ceteros  praeminebat  peritia  legom^  Xin,  41.  48. 
XIV,  43  f.  Gromat.  vet.  p.  403,  29:  Cassius  Longinus,  prudentissimus  vir, 
iuris  auctor.  Plin.  epist.  VII,  24,  8:  domus  C.  Cassi,  huius  qui  Cassianae 
Bcholae  princeps  et  parens  fuit  (vgl.  A.  1).   Dig.  IV,  8,  19,  2:  Cassius  senten- 

41* 


644  Die  Eaiserzeit.   Erstes  Jahrhundert. 

tiam  magistri  sui  (des  Sabinus,  ygl.  auch  Arrian.  Epict.  IV,  3)  bene  excusat. 
Auch  er  verfasste  ein  grosses  Werk  über  das  ins  civile  (Dig.  VII,  1,  7,  3.  9,  6 
und  70,  2:  C.  Cassins  .  .  libro  octavo  iuris  civilis;  vgl.  ib.  XXXV,  1,  54:  in 
commentarüs  Caii,  und  XL  VI,  3,  78:  in  libris  öaii),  welches  sein  Schüler 
Aristo  commentierte  nnd  Javolenus  Priscus  in  16  Büchern  excerpierte;  ans- 
serdem  Anmerkungen  zu  Vitellius  (Dig.  XXXIII,  7,  12,  27:  Cassins  apud 
Vitellium  notat). 

4.  Dig.  XXIII,  4,  17:  Procnlns  (A.  2)  libro  XI  epistolamm.  Atilicinus 
Procnlo  suo  salutem.  Folgt  eine  juristische  Anfrage,  worauf  Proculus  re- 
Hpondit.  Genannt  wird  er  ib.  X,  3,  6,  4  (Sabinus  et  At.  responderunt). 
XII,  4,  7  (Nerva,  At.  responderunt).  XLV,  2,  17  (At.,  Sabinus,  Cassius  .  . 
aiunt).  Inst.  lust.  II ,  14  (Atilicino  placnisse  Paulus  .  .  refert).  Fragm.  Vat. 
77  (Atilicinum  respondisse  Aufidius  —  oder  Fufidius,  s.  A.  6  —  refert). 

6.  Dig.  XXXIV,  2,  6  (aus  Airicanns):  apud  Fufidium  Quaestionnm  libro 
H  ita  scriptum  est  etc.  XL,  2,  26  (aus  Gajus):  Fufidius  ait;  Nerva  filius 
(A.  2)  contra  sentit,  quod  verius  est '  XLII,  5,  29  (aus  Paulus):  Fufidius 
refert  etc. 

6.  Sex.  Pedius  (Dig.  IV,  8,  32,  20  u.  IX,  2,  33  ans  Paulus;  ib.  XXXIX, 
1,5,9  aus  ülpianus) ,  Verfasser  eines  Werkes  in  mehreren  Büchern  de  sti- 
pulationibus  (Paul.  ib.  XII  ,1,6:  Pedius  libro  primo  de  st.)  und  eines  grös- 
seren, von  mindestens  25  Büchern,  ad  edictum;  s.  Paul.  ib.  XXXVII,  1,  6,  2: 
notis  scriptae  tabulae  non  continentur  edicto,  quia  notas  litteras  non  esse 
Pedius  libro  XXV  ad  edictum  scribit.  In  den  notae  Einsidlenses  juristischen 
Inhalts  wird  schliesslich  auch  aufgeführt  S.  P.  M.  und  dieses  aufgelöst  Sexti 
Pedii  Medmani  (nach  Huschke's  Verbesserung,  aus  Mcdma  oder  Medama  in 
Pruttium).  Danach  hätte  er  vor  Probus  (unten  295,  4)  gelebt.  Ans  den 
Dig.  ersehen  wir  nur  dass  er  nach  Ofilius  (Dig.  XFV,  1,  1,  9  aus  Ülpianus: 
unde  quaerit  Ofilius,  .  .  quam  distinctionem  Pedius  probat)  und  (Masurius) 
Sabinus  (ib.  L,  16,  13,  1  aus  Ülpianus:  ut  Sabinus  ait  et  Pedius  probat), 
andrerseits  vor  Julianus  (ib.  III,  5,  6,  9 — 11  aus  Julianus:  item  qnaeritur 
apud  Pedium  libro  VTI  etc,)  und  vor  Pomponius  (ib.  IV,  8,1,4  aus  Ulpian: 
ut  et  Pedius  libro  VEI  scribat.  .  .  idem  et  Pomponius  libro  XXVIII,  et 
adicit  etc.)  geschrieben  hatte.  Vgl.  Huschke,  iurisprud.  anteiust.'  p.  67  f. 
77.    T^demann,  de  Pedio  icto,  Lugd.  Bat.  1822. 

282  294,  Die  Lehrer  der  Philosophie  in  dieser  Zeit  schrieben 
meist  griechisch.  So  Sextius^  Comutus^  Musonius  RufuS;  Epiktei. 
Von  diesen  verfasste  der  einflussreiche  Comutus  auch  rhetorische 
und  grammatische  Schriften^  die  uns  theilweise  in  Auszügen  erhal- 
ten sind.  Unter  den  Anhängern  der  Philosophie  waren  schriftstel- 
lerisch thätig^  und  in  lateinischer  Sprache^  ausser  Celsus^  Papirius 
Fabianus,  ein  Plautus,  und  besonders  Seneca.  Die  besten  Männer 
wandten  sich  dem  Stoicismus  zu,  weil  er  die  Fähigkeit  verlieh  mit 
Würde  zu  leben  und  mutig  zu  sterben.  So  lulius  Kanus,  Thrasea 
Paetus,   Barea   Soranus,    Rubellius    Plautus,    Helvidius    Priscus, 


293  f.  Juristen.    Philosophie:  Comutus.  645 

sowie  die  Dichter  Persius  und  Lucanus.  Da  sie  alle  den  Kund- 
gebungen des  Servilismus  sich  möglichst  entzogen^  manche  ihre 
Abkehr  davon  freimütig  aussprachen^  so  wurde  das  stoische 
Bekenntniss  ein  politischer  Yerdachtsgrund.  Nur  P.  Egnatius 
Celer  verband  Stoicismus  und  Denuntiantenthum.  Selten  wird 
jedoch  die  stoische  Lehre  von  ihren  Anhängern  rein  erhalten; 
die  einen  schwächen  sie  ab  zu  einem  Gomplex  von  Lehren 
praktischer  Lebensweisheit^  wie  ausser  Seneca  auch  Musonius 
und  Epiktet^  Andere  steigern  sie  durch  asketische  Zuthaten  aus 
Pythagoreismus  und  kynischer  Praxis,  und  um  die  Systematik 
derselben  kümmern  sich  die  Wenigsten. 

1.  Ueber  Sextius  s.  oben  261,  6  —  8. 

2.  Snidas  s.  v.  Kogvovtog:  AsntCvris  (piXoaotpogy  .  .  yeyovmg  iv  ^Peofijj 
inl  NBQtovog  xal  vQog  avtov  dvaiQsd'Blg  avv  t^  Movaovim  (A.  3).  iygaips 
noXXa  (piXoaofpd  ts  xal  (ritoQind.  Hieronym.  chron.  ad  a.  Abr.  2084  »i  Ner. 
14  a>  68  n.  Chr.:  Nero  .  .  Cornutum  philoaophom,  praeceptorem  Persii 
(s.  unten  297,  2),  in  exsilium  fugat.  Dio  LXII,  29  CAwaiov  Ko^ovtov 
svdoHii^ovvxa  tote  ys  inl  naiSsCfjc),  Philosophische  Schriften  nifog  *A9ipf6- 
d<oQov  xal  'JifuttotsXriv  y  nsQl  tijg  tmv  d'smv  q^ücsrng,  welche  letztere  Schrift 
erhalten  ist  (Com.  de  natura  deorum,  ex  schedis  C.  de  VilloiBonis  rec.  et 
comm.  instr.  Fr.  Osann,  Gotting.  1844),  vielleicht  ein  Auszug  des  ursprüng- 
lichen Werkes.  Femer  rhetorische:  tsx^f^£  (ritOQiTMg  in  griechischer  Sprache 
und  de  figuris  sententiarum  in  lateinischer  (Gell.  IX,  10,  5:  Annaeus  Cor- 
nutus,  homo  sane  pleraque  alia  non  indoctus  neque  imprudens,  in  secundo 
librorum  quos  de  figuris  seni  composuiQ.  Dazu  grammatische.  Gell.  II,  6, 
1:  nonnuUi,  grammatici  aetatis  superioris,  in  quibus  est  Comutus  Annaeus, 
haut  sane  indocti  neque  ignobiles,  qui  commöntaria  in  Yergilium  compo- 
suemnt,  reprehendunt  etc.  Charis.  L  p.  127,  20  E.  (aus  lulius  Bomanus) : 
L.  Annaeus  Cornutus  in  Maronis  commentariis  X,  ohne  Zweifel  identisch 
mit  ib.  p.  125^  16:  Annaeus  Comutus  äd  Italicum  de  Yergilio  libro  X;  vgl. 
O.Jahn,  ed.  Fers.  p.  XV— XIX.  Ribbeck  Proleg.  Vergil.  p.  123—128.  Aus 
seiner  Schrift  de  enuntiatione  vel  orthographia  Auszüge  (aus  der  Zeit  der 
Antonine)  bei  Cassiod.  p.  2281  ff.  P.  Vgl.  W.  Brambach,  lat.  Orthogr. 
S<  30  f.  Cormpt  und  unverständlich  ist  Charis.  IL-  p.  201,  12  E.:  Annaeus 
Cornutus  libro  tab.  castarum  patris  sui.  Zweifelhaft  aber  ist  ob  Comutus 
auch  Tragödien  verfasst  habe.  Zwar  heisst  es  in  der  vita  Persii  (p.  234  f.  J.) : 
cognovit  per  Cornutum  etiam  Annaeum  Lucanum,  aequaevum  auditorem 
Comuti.  nam  Comutus  illo  tempore  tragicus  fuit,  sectae  stoicae,  qui  libros 
philosophiae  reliquit.  sed  Lucanus  etc.  Indessen  sind  die  Worte  nam  — 
reliquit  ein  fremdartiger  Zusatz,  da  über  Comutus  in  der  vita  schon  vorher 
genauer  gesprochen  war,  auch  hier,  bei  dem  unterrichte,  seine  Eigenschaft 
als  tragicus  nicht  in  Betracht  kam.  Unglaublich  ist  jedoch  dass  diese 
Worte  ursprünglich  (wie  M.  Hertz  meint,  de  Scaevo  p.  4  f.  not.  4)  sich  auf 
den  nachher  kurz  genannten  Seneca^  bezogen  haben,  da  sie  in  ihrer  un- 
logischen Fassung  nicht  von  Probus  selbst  herrühren  können,  ein  späterer 


646  I^ie  Eaiserzeii    Erstes  Jahrhundert. 

Grammatiker  aber  gewiss  an  Seneca  die  Eigenschaft  als  Tragiker  nicht 
vorangestellt  h&tte.  Im  Allgemeinen  G.  J.  v.  Martini,  disp.  lit.  de  L.  An- 
naeo  Comnto,  Lngd.  Bat.  1835.    0.  Jahn,  Prolegg.  zu  Pers.  p.  VIII— XXIY. 

8.  C.  Musonius  (Plin.  Ep.  III,  11,  6.  7)  Bufus.  Tac.  A.  XV,  71: 
(Masonimn)  Bufum  claritado  nominis  expulit  (J.  65  n.  Chr.  vgl.  Dio  LXII, 
27:  ^Povtpog  Movümviog  6  ipiXoaotpoQ  .  .  ifpvyaSBv&rj),  nam  .  .  Musonius 
praeceptis  sapientiae  fovebat  (invenee).  XIV,  59:  doctores  sapientiae,  Goe- 
ranns  graeci,  Musonius  tusci  (aus  Volsinii)  generis.  Hist.  III,  81:  miscuerat 
se  legatis  (J.  69)  Musonius  Bufus,  equestris  ordinis,  Studium  philosophiae  et 
placita  stoieorum  aemulatus.  Unrichtig  daher  Hieronym.  ad  a.  Abr.  2095 
(Froher,  ad  2096),  Tit  1 :  Titus  Musonium  Bufum  philosophum  de  exilio  re- 
voicat.  Vgl.  Dio  LXVI,  13:  ndvtag  avti%ct  tovg  tpiloaoipovg  6  OvsaTcaaiccvogy 
nXriv  tov  Movömviov,  in  ti^g  'Pmfirjg  i^ißaksv  (J.  71).  VgL  A.  8.  Inschrift  (Eph. 
Arch.  3838,  3):  tsQBvg  'AnoXXmvog  JriXünj  dux  (ßiov)  Movadviog  'Pov<pog.  Dass 
er  in  griechischer  Sprache  lehrte  erhellt  aus  €^11.  IX,  2,  8.  XVI,  1 ,  1  f.  und 
der  Sammlung  seiner  Aussprüche  Aber  Fragen  des  sittlichen  Lebens  (cctto- 
fuvriiiavBviutta  MovatavCov)  durch  Lukios  und  (Valerius)  Follio,  -woraus  Sto- 
bäus  Florileg.  Vieles  excerpiert  hat.  Vgl.  E.  Bohde,  über  Lucianos  Aov%iog 
S.  26  f.  Anm.  Das  bei  Gellius  V,  1  von  ihm  Angeführte  kann  übersetzt 
sein;  aber  das  Wortspiel  zwischen  remittere  und  amittere  animum  (ib. 
XVIII,  2,  X)  deutet  auf  ursprünglich  lateinische  Fassung.  C.  Musonii  Buii 
.  .  reliquiae  et  apophthegmata  cum  annot.  ed.  J.  Venhuizen-Peerlkamp, 
Harlem  1822.  H.  Bitter  und  L.  Preller,  hist.  philos.  graeco-rom.  p.  438  ff. 
J.  J.  Bäbler,  im  N.  Schweiz.  Mus.  IV  (Bern  1864)  S.  28~-37.  0.  Bernhardt, 
zu  G.  Mus.  Bufus,  Sorau  1866.  4.  E.  Baltzer,  Musonius,  ein  Charakterbild 
u.  s.  w.,  Nordhausen  1871.  50  S. 

4.  Epiktet  aus  Hierapolis,  bekannt  durch  seines  Schülers  Arrianos 
*Ey%Bi^Cdiov  'EniKtijtov.  Fr.  Spangenberg,  die  Lehre  Epiktets,  Hanau 
1849.  4.  Winnefeld,  die  Philosophie  des  Ep.,  ein  Beitrag  zur  Geschichte 
des  Eklekticismus  der  röm.  Eaiserzeit,  in  Fichte*s  Zeitschr.  f.  Philos.  XLIX. 
S.  1—32.  193—226.  G.  Grosch,  die  Sittenlehre  des  Ep.,  Wernigerode  1867.  4. 
und  vieles  Andere. 

5.  Quintil.  X,  1,  124:  Plautus  in  stoicis  rerum  cognitioni  utilis.  Vgl. 
oben 261, 9.  üeber  Celsus  s.  oben  275, 3;  über  Fabianus  oben  261,  10 f.;  über 
Seneca  oben  284,  4  u.  5;  über  den  Epikureer  Aufidius  Bassus  oben  272,  2. 

6.  Sen.  de  tranq.  an.  (dial.  IX.)  14,  4:  Kanus  lulius,  vir  inprimis 
magnus,  cuius  aämirationi  ne  hoc  quidem  obstat  quod  nostro  saeculo  natus 
est,  cum  Caio  (Caligula)  diu  altercatus,  wurde  von  ihm  zum  Tode  verur- 
teilt. (9.)  prosequebatur  illum  philosophus  suus  (zum  Hinrichtungsplati). 
. .  promisitque  (I.  E.)  si  quid  explorasset  circumiturum  amicos  (nach  seinem 
Tode)  et  indicaturum  quis  esset  animarum  status. 

7.  P.  (Fannius?)  Thrasea  Paetus  aus  Patavium,  Schwiegersohn  des 
Caeoina  Paetus,  Gemahl  der  jüngeren  Arria  und  Vater  der  Fannia  die  an 
Helvidius  Priscus  (A.  12)  vermählt  war,  Consular,  von  Nero  J.  66  zum  Tode 
verurteilt.  W.  Teuffei  in  Pauly's  Beal-Enc.  VI,  2.  S.  1898  f.  A.  S.  Hoit- 
sema,  de  P.  Thr.  P.,  Groningen  1852.  G.  Joachim,  P.  Valerii  Paeti  Thr. 
vita,  Lahr  1858.    Dio  LXII,  26:  6  Sifaaeag  %al  6  JSoHfavog  (A.  8),  xtfl  yi- 


294.  Muflonius,  Thrasea  u.  a.  647 

vov£  %al  Ttlovtov  tijg  tb  aviMaa'fig  d^Btrig  ig  tu  n^mtu  dvrjKOvtsgf  .  .  «»£- 
^avov  .  .  oTi  TOiovrot  ijaav,  Tac.  A.  XVI  ^  21:  ad  postaremiim  Nero  virtu- 
tem  ipsam  ezcindere  concupivit  interfecto  Thrasea  Paeto  et  Barea  Sorano. 
Er  gehörte  zu  der  aecta  quae  Tuberones  et  Favonios  .  .  genuit  (ib.  22). 
Zum  Tode  verurteilt,  war  er  maxime  intentus  Demetrio,  cynicae  institutio- 
nis  doctori  (Sen.  de  benef.  Vn,  8,  2:  virum  exactae  .  .  sapientiae  firmae- 
que  .  .  constantiae,  eloquentiae  vero  eius  quae  res  fortissimas  deceat  etc. 
Verbannt  unter  Vespasian,  Dio  LXVI,  13).  cum  quo  .  .  de  natura  animae 
et  dissociatione  Spiritus  corporisque  inquirebat  etc.  (Tac.  A.  XVI,  34).  Thra- 
sea's  Ideal  war  von  jeher  der  jüngere  Cato,  dessen  Leben  er  auch  in  einer 
panegyrisch  gehaltenen  Schrift  beschrieb,  die  dem  Plutarch  bei  seiner 
Biographie  desselben  als  HauptqueUe  gedient  hat;  s.  Flut.  Cat.  min.  37 
vgl.  26  und  H.  Peter,  d.  Quellen  Plutarchs  S.  66  f.  68. 

8.  Servilius  Barea  Soranus,  cos.  suff.  62  unter  Claudius,  gleichzeitig 
mit  Thrasea  (A.  7)  angeklagt  und  zum  Tode  getrieben.  Dio  LXn,  26: 
Tov  2aoq(€V0v  riovnUog  'Eyvariog  KbIbq  (aus  Berytos)  (piXoaotpog  %atBif>Bv- 
9o(U)CiftvQri6Bv,  Tac.  A.  XVI,  32:  cliens  hie  (P.  Egnatius)  Sorani  et  tunc 
emptns  ad  opprimendum  amicum  auctoritatem  stoicae  sectae  praeferebat, 
habitu  et  ore  ad  ezprimendam  imaginem  honesti  exercitus,  ceterum  animo 
perfidiosus,  subdolus  etc.  Juv.  III,  116  ff.  mit  Schol.  zu  I,  33  (Soranum^ 
Baream  Celer  philosophus  magister  ipsius  apud  Neronem  scelere  delationis 
occidit  et  ipse  postea  sub  Vespasiano  ob  hoc  ipsum  Musonio  Bufo  accu-  . 
sante  damnatus  est)  und  VI,  662. 

9.  Bubellius  Plautns  .  .  placita  maiorum  colebat,  habitu  severe,  casta 
et  secreta  domo,  Tac.  A.  XIV,  22  (wo  ihm  Nero  J.  60  schreibt:  esse  illi 
per  Asiam  avitos  agros,  in  quibus  tuta  et  inturbida  iuventute  frueretur). 
ib.  67:  Plautum  .  .  veterum  Bomanorum  imitamenta  praeferre,  assumpta 
etiam  Stoicorum  arrogantia  sectaque,  quae  turbidos  et  negotiorum  adpe- 
tentes  faciat.  Von  Nero  gemordet  J.  62,  ib.  68  f.  Fr.  Wolffgramm,  Bub.  PI. 
und  seine  Beurteilung  bei  Tac.  und  Juv.,  Prenzlau  1871. 

10.  H.  Schiller,  die  stoische  Opposition  unter  Nero;  I,  1—3.  Wert- 
heim 1867  f.    Garlsruhe  1869. 

11.  Vita  Persii:  usus  est  apud  Comutum  duorum  convictu  doctissi- 
morum  et  sanctissimorum  virorum,  acriter  tunc  philosophantium ,  Glaudü 
Agaturrini  (Beinesius:  Agathemeri)  medici  Lacedaemonii  et  Petroni  Aristo- 
cratis  Magnetis,  .  .  cum  aequales  essent,  Comuti  minores  et  ipsi. 

12.  Tac.  Hist.  IV,  6:  Helvidius  Priscus  Carecinae  municipio,  Cluvio 
patre,  qui  ordinem  primi  pili  duxisset,  (also  von  einem  Helvidius  adoptiert) 
ingenium  inlustre  altioribus  studiis  (vgl.  Gell.  XIII,  10,  1  oben  260,  1) 
iuvenis  admodum  dedit,  non,  ut  plerique,  ut  nomine  magnifico  segne  otium 
velaret,  sed  quo  firmier  adversus  fortuita  remp.  capesseret.  doctores  sapien- 
tiae secutus  est  qui  sola  bona  quae  honesta,  mala  tantum  quae  turpia, 
potentiam,  nobilitatem  ceteraque  extra  animum  neque  bonis  neque  malis 
adnumerant  (also  dem  Stoicisnms).  quaestorius  adhuc  a  Paeto  Thrasea 
(A.  7)  gener  delectus  etc.  6:  erant  quibus  adpetentior  famae  videretur; 
.  .  ruina  soceri  in  exilium  pulsus  ut  Gralbae  principatu  (J.  69)  rediit  Mar- 
cellum  Eprium    (oben  292,   3)   delatorem   Thraseae    accusare  adgreditnr« 


648  Die  Kaifierzeit.  Erstee  Jahrhundert. 

.  .  primo  minax  certamen  et  egregiis  utriosque  orationibus  teetatam  etc. 
Auch  ein  späterer  Angriff  auf  Marcellus  scheiterte,  obwohl  nicht,  wie  es 
Tac.  dial.  5  seinen  Sprecher  dessen  Rolle  gemäss  darstellen  lässt,  in  Folge 
der  überlegenen  Beredtsamkeit  des  Marcellus;  vgl.  Hist.  IV,  43  f.  Prätor 
J.  70.  Als  er  auch  unter  Vespaeian  das  Oppositionmachen  fortsetzte,  theil- 
weise  allerdings  in  unmotivierter  und  demonstrativer  Weise,  riss  diesem 
endlich  die  Geduld:  Uelvidius  wurde  verbannt  und  bald  darauf,  halb  aus 
Missverständniss,  getödtet.  Suet.  Vesp.  15.  Dio  LXVl,  12  (Uifüfnog'EXovi- 
Siog  .  .  Toig  atm'CTioCs  doyfucöiv  ivT(f<ttp6ig  xul  triv  zov  Bqucbov  naQ^Jinücv 
ov  avv  YMiq^  puiMVfiBvog  etc.). 

283  296.  Auf  dem  Gebiete  der  Grammatik  ist  die  bedeutendste 
Erscheinung  dieser  Zeit  M.  Valerius  Probus  aus  Berytos,  wel- 
cher sich  die  kritische  Behandlung  classischer  Schriftsteller  in 
der  Weise  der  Alexandriner  zur  Aufgabe  machte.  Namentlich 
dem  Lucretius,  Yergilius^  Horatius  und  den  Gedichten  des  Persius 
wandte  er  seine  Thätigkeit  zu.  Daneben  erörterte  er  das  alter- 
thümliche  Latein  theils  mündlich^  theils  in  Abhandlungen,  von 
denen  die  durch  ihn  selbst  herausgegebenen  theilweise  Briefform 
hatten.  Von  seiner  Schrift  de  notis  ist  ein  werthvoller  Auszug, 
die  juristischen  Abkürzungen  enthaltend^  auf  uns  gekommen. 
Andere  Theile  seines  Nachlasses  wurden  von  späteren  Gramma- 
tikern (wie  Flavius  Caper)  benützt.  Von  ihm  zu  unterscheiden 
ist  der  Probus  welcher  zu  Anfang  des  vierten  Jahrh.  lebte  und 
von  welchem  ein  grammatisches  Lehrbuch  (Ars  vaticaua)  uns 
erhalten  ist. 

1.  Sueton.  gramm.  24  (als  letzten  von  ihm  behandelten,  somit  seiner 
Zeit  vorausliegenden,  unmittelbar  nach  Bemmius  Palaemon):  M.  Valerius 
Probus  Berytius  diu  centuriatum  (Steup  unwahrscheinlich:  XXviratum) 
petiit,  donec  taedio  ad  studia  se  contulit.  legerat  in  provincia  quosdam 
veteres  libellos  (lateinische)  apud  grammatistam.  .  .  hos  cum  diligentius 
repeteret  atque  alios  deinceps  cognoscere  cuperet  .  .  in  proposito  mansit 
multaque  exemplaria  contracta  emendare  ac  distinguere  et  adnotare  (vgl. 
oben  41,  2)  curavit,  soll  huic  nee  ulli  praeterea  granmiaticae  parti  deditus. 
hie  non  tam  discipulos  quam  sectatores  aliquot  habuit;  numquam  enim  ita 
docuit  nt  maglstri  personam  sustineret.  unum  et  alterum  vel,  cum  pluri- 
mos,    tres   aut  quatuor  postmeridianis  horis  admittere  solebat  cubansque 

\  inter  longos  ac  volgares  sermones  legere  quaedam,  idque  perraro.  (Vgl. 
A.  2.)  nimis  pauca  et  exigua  de  quibusdam  minutis  quaestiunculis  edidit 
(ausser  jenen  stummen  Textausgaben),  reliquit  autem  non  mediocrem  sil- 
vam  observationum  sermonis  antiqui.  Diese  CoUectaneen  waren  also  von 
ihm  selbst  nicht  herausgegeben,  wurden  es  aber  wohl  aus  seinem  Nachlasse. 

2.  Hieronym.  ad  a.  Abr.  2072  »s  Neron.  2  =»  66  n.  Chr.  (Amand.  erst 
^OlS):   Probus   Berytius   eruditissimus  grammaticorum   Bomae    agnoscitur. 


295.    Grammatik:  Valerius  Probus.  649 

Nach  Mariial  (III,  2,  12  zu  seinem  Buche:  ncc  Probum  timeto)  scheint  er 
noch  J.  88  gelebt  zu  haben  (da  es  sonst  ümeres  hieese).  Dazu  stimmt  dass 
Gellius  in  seiner  Jugend  noch  Schüler  des  Pr.  hörte  (A.  3),  welche  J.  70 
geboren  sein  konnten.  Auch  Favorinus  gehörte  zu  diesen  (Gell.  III,  1,  6). 
Gell.  IX,  9,  12:  Valerii  Probi,  .  .  docti  hominis  et  in  legendis  pensitandis- 
que  veteribus  scriptis  bene  callidi.  I,  15,  18  (grammaticum  inlustrem).  IV, 
7,  1  (V.  P.  grammaticus  inter  suam  aetatem  praestanti  scientia  fuit).  Auson. 
epigr.  praef.  ad  Syagr.  18 — 20:  nomen  grammatici  merui,  non  tam  grande 
quidem  quo  gloria  nostra  subiret  Aemilium  aut  Scaurum  Berytiumve  Pro- 
bum. Id.  profesB.  15,  12  (Scaurum  Probumque).  20,  7  (grammatice  ad 
Scaurum  atque  Probum).  Macrob.  V,  22,  9  f.  (Valerius  Probus,  vir  pe«- 
fectissimus,  notat  etc.  quod  tantum  virum  fugisse  miror).  Cassiod.  de  gramm. 
p.  2321  P.  (Palaemon,  Phocas,  Probus  et  Censorinus).  Analecta  gramm. 
Vindob.  p.  514  (ut  est  Probus  et  Caesar).  Gräfenhan,  Gesch.  d.  claes.  Philo- 
logie IV.  S.  286—293.  W.  Brambach,  lat.  Orthogr.  S.  31—37.  J.  Steup, 
de  Probis  grammaticis,  Jena  1871.  206  pp.  Gegen  dessen  Unterscheidung 
eines  älteren  (bei  Suet.)  und  eines  jüngeren  noch  berühmteren  (bei  Martial. 
u.  Gellins)  Val.-Pr.  kurz  nach  einander  s.  W.  TeuflFel,  Studien  u.  Char. 
S.  442—445,  vgl.  Rhein.  Mus.  XXVII.  S.  62  ff.  u.  192. 

3.  Proben  von  des  Val.  Pr.  mündlichen  Erörterungen  über  den  sermo 
antiquusbei  Gellius,  der  sie  von  familiäres  (vgl.  IX,  9, 12:  memini  audisse  me 
ex  Valerii  Probi  discipulis)  desselben  (wie  Annianus,  s.  d.)  hatte;  so  I, 
15,  18  u.  III,  1,  5  f.  (zu  Sallust).  yi,  7,  3—5  (Plautus  u.  Terenz).  9,  12 
(Valerius  Antias).  XIII,  21,  1—8,  und  ib.  9:  his  tum  verbis  Probus  .  . 
horainem  dimisit,  ut  mos  eins  fuit  erga  indociles,  prope  inclementer.  Auf 
Schriftliches  hingedeutet  ist  ib.  VI,  9,  11  (über  die  Perfectform  occecurri 
Probus  adnotavit  et  haec  verba  äpposuit).  IV,  7,  1  ff.  (Valerius  Probus  — 
sprach  Hannibälem,  Hasdrubälem  —  teste  epistula  cius  scripta  ad  Marcel- 
liwi,  in  qua  Plautum  et  Ennium  .  .  eo  modo  pronuntiasse  affirmat  etc.). 
XV,  SO,  5  (ego  cum  Probi  multos  admodum  commentationum  libros  adqui- 
sierim  neque  scriptum  in  his  inveni  etc.).  Solche  commentatiönes  (wohl 
moist  aus  seinem  Nachlasse)  werden  sein  die  über  schwankende  Deponentia 
(unten  A.  7),  de  inaeqnalitate  consuctudinis  (A.  7),  Über  verba  communia 
(Gellius  XV,  13  nebst  Eretzschmer  de  fönt.  Gell.  p.  86),  «nd  andere  gram- 
matische Erörterungen,  s.  A.  7. 

4.  Sueton.  in  dem  Anecd.  Paris,  (zuerst  herausgeg.  von  Th.  Bergk, 
Ztschr.  f.  d.  Alt.  Wiss.  1845,  S.  85  ff.;  abgedruckt  bei  Osann  Anecd.  Rom.  p. 
327  ff.,  Sueton.  ed.  Reiffersch.  p.  137-^141  und  A.  Nauck,  Lex.  Vindob.  p. 
278  ff.):  his  (21  kritische  Zeichen)  solis  in  adnotationibus  Ennii,  Lucilii 
et  historicorum  usi  sunt  Vargunteius  (?),  Ennius  Aeliusque  et  postremo  Pro- 
bus, qui  illas  (item)  in  Vergilio  et  Horatio  et  Lucretio  apposuit  ut  Homero 
Aristarchus  (p.  138  R.).  Vgl.  Steup  p.  48 — 60.  88  ff.  Diese  Anwendung 
kritischer  Zeichen  in  seinen  Ausgaben  von  Dichtem  scheint  den  Probus 
veranlasst  zu  haben  überhaupt  die  notae  —  als  Zeichen,  Abkürzungen,  wie 
als  Geheimschrift  —  zu  behandeln.  Gell.  XVü,  9,  5:  est  adeo  Probi  gram- 
matici commentarius  satis  curiose  factus  de  occulta  litterarum  significatione 
in  epistularom  C.  Caesaris  (oben  192,  8)  scriptura.    Die  in  iure  civil!  (und 


650  Die  Eaiserzeil    Erstes  Jahrhundert. 

zwar  in  legibus  et  plel^iscitis,  in  legis  acüonibus,  in  edictis  perpetuis)  ge- 
bräuchlichen Abkürzungen  (vgl.  oben  86,  3)  sind  yerseichnet  in  der  durch 
mehrere  Hdss.  erhaltenen  Abhandlung  Valerii  Probi  iuris  notarum  (liber),  ur- 
sprünglich wohl  ein  Theil  einer  Schrift  von  V.  Fr.  de  notis  (antiquis)  oder 
de  litteris  singularibus  (sie  beginnt:  est  etiam  circa  perscribendas  vel  pau- 
cioribus  litteris  notandas  yoces  Studium  necessarium),  aber  am  Schlüsse  un- 
vollständig und  wohl  Überhaupt  in  verküniter  Grestalt  auf  uns  gekommen. 
Nichts  findet  sich  in  diesem  Tractat  was  über  die  Zeit  des  Berytiers  hinaus- 
wiese, abgesehen  von  Interpolationen  die  sich  in  den  schlechteren  Hdss. 
(nicht  aber  im  Ambr.  und  Chigianus)  finden.  Am  besten  herfkusgegeben 
durch  Th.  Mommsen  in  Keils  gramm.  lat.  IV.  p.  271  —  276,  und  nach  ihm 
in  Huschke*8  iurisprud.  anteiust.  p.  64 — 70  »  68 — 77  ed.  IL  Vgl.  Mommsen, 
über  M.  Val.  Pr.  de  notis  antiquis,  in  den  Berichten  der  sttchs.  Ges.  d.  W. 
1853,  S.  91  —  134,  und  in  seiner  Ausg.  p.  267—270.  Huschke  1.1.  p.  61 — 64 
=»  63—68.  Steup  p.  135  f.  Die  Ordnung  in  dem  von  Probus  herrührenden 
Theile  ist  eine  sachliche,  systematische;  dagegen  in  den  späteren  Ver- 
zeichnissen von  notae  (den  Lugdunenses,  ex  cod.  Reginae,  Magnonianae, 
Lindenbrogianae,  Vaticanae,  Papianae  und  Einsidlenses,*  zusammen  ver- 
öfiFentlicht  dt|rch  Mommsen  bei  Keil  FV.  p.  277  —  330)  eine  alphabetische. 
Letztere  stammen  aus  dem  15ten  Jahrh.  und  bilden  das  Siglenverzeichniss 
der  ältesten  Inschriftensanmiler  (Th.  Mommsen  a.  a.  0.  S.  129  ff).  Nur  die 
Einsidl.  enthalten  auch  einen  sonst  nicht  überlieferten  Theil  des  alten  Ver- 
zeichnisses von  Probus,  s.  Huschke  iurispr.  ■  p.  66—68.  74 — 77.  Vgl.  auch 
W.Schmitz,  Studien  zur  lat.  Stenographie,  I:  die  madrider  Noten  (21  S.), 
und  de  Bomanorum  tachygraphia  (12  pp.),  im  Panstenographicon  1869. 

5.  Mündliche  Erörterungen .  des  Probus  über  Vergil  und  dessen 
Sprachgebrauch  bei  Gell.  IX,  9,  12  ff.  XIII,  21,  1  —  8.  Die  erstere  Stelle 
(vgl.  Serv.  Ae.  IV,  418.  IX,  814.  XI,  554)  zeigt  dass  sich  Probus  von  blinder 
Bewunderung  fernhielt.  Bei  der  Gestaltung  des  Textes  in  seiner  Ausgabe 
methodisches  Verfahren,  Zurückgehen  auf  die  ältesten  Quellen;  s.  Grell.  XIU, 
21,  4:  in  primo  Georg.,  quem  ego,  inqoit  (Probus),  librum  manu  ipsius 
(des  Vergil)  correctum  legi.  Anführungen  aus  dieser  Ausgabe  des  Probus 
bes.  bei  Servius,  s.  0.  Jahn's  Pers.  p.  CXL— GL.  Ribbeck,  Proleg.  VergiL 
p.  136—149.  Vgl.  Steup  p.  85—94.  99—125.  So  Serv.  Ge.  I,  277:  Probus 
orchus  (Steup  p.  84:  orcus)  legit,  Cornutus  vetat  (Steup :  putat)  aspirationem 
addendam  (horcus).  Handhabung  der  Kritik  hauptsächlich  mittelst  der  kri- 
tischen Zeichen  der  Alexandriner  (Bibbeck  p.  149  — 163  vgl.  A.  Biese  in 
Fleckeisens  Jahrb.  93,  S.  868 — 874).  Von  der  Beichhaltigkeit  der  Arbeiten 
des  Probus  für  Vergil  (vgl.  oben  220,  la)  gibt  nur  einen  schwachen  Be- 
griff der  unter  seinem  Namen  erhaltene  Oonmientar  zu  den  Bucolica  und 
Georgica,  dessen  guter  Kern  auf  Probus  zurückgehen  mag,  aber  durch  eine 
Menge  fremdartiger  schlechter  Zuthaten  fast  erstickt  ist.  Herausgegeben 
(aus  einem  verlorenen  cod.  Bobiensis)  zuerst  von  J.  B.  Egnatius,  Venet  1507 
und  seitdem  öfter  (vgL  Keil  p.  V — XI),  am  besten  von  H.  Keil,  M.  Valerii 
Probi  in  Verg.  Bu.  et  Ge.  commentarius  etc.,  Halle  1848  (p.  1—68).  Wollen- 
berg, de  Probe  carminum  Vergil.  editore,  Berlin  1857.  4.  A.  Biese,  de 
commentario  Vergiliano  qui  M.  Valeri  Probi  dicitur  (Bonn  1862)  p.  15—32, 


29Ö.  Valerius  ProbuB.  651 

und  dagegen  Ribbeck,  in  Pleckeisens  Jahrb.  87,  S.  351  —  356  und  Proleg. 
Verg.  p.  163—166.    Steup  p.  112  ff. 

6.  Ausser  den  Ausgaben  des  Lucretius  und  Horaz  (A.  4)  scheint 
Prolöus  auch  von  Terentius  eine  solche  mit  Anmerkungen  veröffentlicht  zu 
haben;  s.  0.  Jahn  Pers.  p.  CXL.  Vgl.  Steup  p.  94  f.  97—99.  Ueber  seine 
Thätigkeit  für  Persius  s.  unten  297,  1.  Mit  Unrecht  hat  G.  Valla  die  von 
ihm  herausgegebenen  Scholien  zu  Juvenal  (in  welchen  z.  B.  zu  I,  36  Trajan 
genannt  ist)  diesem  Probus  zugeschrieben;  s.  0.  Jahn's  Persius  p.  CLIV — 
CIVIL  Ueber  Scholien  zu  Persius  von  einem  angeblichen  Probus  ib.  p. 
CLVII  f.  Steup  p.  127  f.  Commentare  zu  Plautus  und  Sallust?  Steup  p. 
130—133. 

7.  Die  Erwähnungen  des  Probus  (saec.  I.)  bei  Charisius,  Diomedes,  Ser- 
vius  und  Priscian  sind  ohne  Zweifel  alle  aus  dritter  Quelle  geschöpft, 
wahrscheinlich  aus  Flavius  Caper  (Steup  p.  190 — 200).  Sie  gelten  vorzugs- 
weise der  Schrift  de  inaequalitate  consuetudinis  (Cbaris.  IL  p.  212,  7  E.  a» 
lulius  Romanus),  von  welcher  wohl  Theile  sind  was  Priscian  V,  45  (p.  171, 
14  f.  H. :  et  apud  Caprum  et  apud  Probum  de  dubiis  generibus)  und  X,  52 
(p.  541,  19:  Probus  de  dubio  perfecto  tractans  ostendit  Naevium  protulisse 
etc.)  anführt.  Vgl.  ib.  X,  46.  p.  535:  quod  Probus  usu  Pomponii  (oben  135, 
4  f.)  comprobat.  Andere  Erwähnungen  gelten  sichtlich  vielmehr  dem  jüngeren 
Probus  (saec.  IV),  s.  Steup  p.  187 — 189.  Vgl.  A.  8.  Und  da  dessen  Ars 
wohl  öfters  mit  Diomedes  in  derselben  Hds.  vereinigt  war,  so  wird  Probus 
auch  mit  Letzterem  verwechselt  (Steup  p.  177—183.  Rhein.  Mus.  XX VI.  S. 
317  f.),  sowie  mit  Sacerdos  (Steup,  de  Prob.  p.  184—187). 

8.  Unter  dem  Namen  Probus  haben  wir:  a)  ein  Buch  Catholica,  in 
kurzer  Fassung,  vom  Nomen  und  Verbum  handelnd  (De  catholicis  Probi  bei 
Keil,  gramm.  IV.  p.  3 — 43).  Dieses  ist  identisch  mit  B.  II  von  Sacerdos 
(s.  d.),  so  dasB  sich  fragt,  wer  der  Verfasser  sei,  ob  Probus  oder  Sacerdos? 
Für  Letzteren  entscheiden  sich  Spengel,  Lorsch,  Steup.  Wirklich  wird  in 
dem  Buche  sacerdos  auffallend  oft  als  Beispiel  eines  nomen  verwendet 
(Steup  p.  163  f.).  Das  erste  Buch  des  Sacerdos  wurde  im  Schulgebrauch  und 
in  Hdss.  theilweise  durch  die  Ars  des  Probus  (=:  Ars  vaticana)  verdrängt 
und  dann  der  Name  Probus  auf  das  ganze  Werk  Übergetragen  (ib.  p.  168  f.). 
Vgl.  Pompej.  bei  Keil  V.  p.  166,  17  ff.:  scripsit  ad  hunc  locum  (über  die 
genera  der  nomina)  Probus  unum  librum.  iste  (Donatus)  institutoriam 
artem  scripsit,  non  scripsit  perfectis,  sed  ad  eos  qui  volunt  se  perfectos 
esse.    Keil  V.  p.  XVü— XXIV. 

b)  eine  ebenso  wortreiche  wie  triviale  Bearbeitung  der  gesammten 
Grammatik,  zuerst  J.  1833  von  Mai  (Auct.  class.  V.  p.  153  ff.)  ans  einem 
codex  vaticanus  herausgegeben  und  daher  Ars  vaticana  oder  gramma- 
ticus  vaticanus  genannt,  dann  J.  1837  von  Endlicher  (aus  Paris.  7519.  saec. 
XV)  unter  dem  Titel  Probi  .  .  ars  minor  (Analetfta  Vindob.  I.  p.  227  ff.),  am 
besten  von  Keil  (IV.  p.  47 — 192  vgl.  p.  XVlU)  als  Instituta  artium;  vgl. 
Steup,  Rhein.  Mus.  XXVI.  S.  814  —  317.  Sie  stammt  aus  dem  Anfang  von 
saec.  rV  (s.  d.)  und  ist  jedenfalls  nicht  von  demselben  Verfasser  wie  die 
Catholica  (H.  Wentzel,  de  Probo  p.  9  ff.  Steup  p.  142—147).  Als  Anhang 
dazu  gibt  sich  eine  Appendix  (bei  Endlicher,  Anal.  p.  437 — 451,  bei  Keil 


652  Die  Kaiserzeit.   Ereiea  Jahrhundert. 

IV.  p.  193 — 204),  welche  in  Manchem  von  jener  Ars  Probi  abweicht,  aber 
mit  Benützung  derselben  gearbeitet  ist  Von  Werth  ist  besonders  der  dritte 
Abschnitt  (de  orthographia) ;  der  vierte  handelt  de  differentiis.  Valerii  Probi  de 
nomine  excerpta  (bei  Endlicher^ Anal.  p.  213—225,  KeillV.  p.  207—216)  sind 
aus  verschiedenen  grammatischen  Schriften  zusammengetragen  und  haben  den 
Namen  Val.  Prob,  wohl  davon  her  dass  sie  der  Ars  Probi  beigeschrieben 
waren  (Steup  p.  176 — 177).  Dagegen  bei  der  Schrift  über  die  Endsilben 
(de  ultimis  syllabis  Über  ad  Gaelestinum),  bei  Keil  IV.  p.  219—264,  beruht 
die  Beifügung  des  Namens  Probus  nur  auf  einer  Vermutung  ihres  ersten 
Herausgebers  (Mediol.  1504)  Parrhasius.    Vgl.  W.  Freund  in  Jahn's  Jahrbb. 

V.  1832.  S.  90  fF.    Steup  p.  138  f. 

9.  Vertreter  der  Ansicht  welche  zwei  Grammatiker  des  Namens  Probus 
unterscheidet,  den  Berytier  des  ersten  Jahrhunderts  und  den  Verfasser 
einer  Ars  im  vierten  Jahrb.,  sind  F.  Osann  (Beiträge  zur  griech.  und  röm. 
Lit.  Gesch.  II.  S.  166  ff.),  L.  Lersch  (in  der  Ztschr.  f.  d.  Alt.  Wisa.  1843, 
Nr.  79  f.),  0.  Jahn  (Persius  p.  CXXXVI),  H.  Wentzel  (de  Probe  artifice 
latino,  Oppeln  1867,  p.  7 — 16),  neuestens  J.  Steup  (vgl,  A.  2.).  Vereinzelt 
steht  jetzt  H.  Keil,  welcher  .(gramm.  lat.  I.  p.  LH— LIV.  IV.  p.  XVI— XXXI. 
Symbola  philol.  Bonn.  p.  93—100;  Fleckeisens  Jahrb.  95,  S.  638—643) 
die  sämmtlichen  Anführungen  aus  Probus  wenigstens  ihrem  Kerne  nach 
auf  den  Berytier  zurückführen  wollte,  indem  dessen  hinterlassene  Schriften 
später  in  die  Form  eines  Lehrbuchs  gebracht  worden  seien,  in  zwei  Theilen, 
wovon  der  eine  (unter  dem  herkömmlichen  Titel  Instituta  artium)  von  den 
Buchstaben,  Silben  und  acht  Redetheilcn  gehandelt  habe,  der  zweite  von 
den  Nomina  und  Verba  (der  Anfang  bei  Keil  IV.  p.  3 :  quoniam  instituta 
artium  sufficienter  tractavimus,  nunc  de  catholicis  nominum  et  verborum 
rationibus  doceamus).  Aber  wenn  es  schon  zweifelhaft  ist  ob  aus  obser- 
vationes  sermonis  antiqui  (s.  A.  1)  sich  ein  Lehrgebäude  der  Grammatik 
hätte  herstellen  lassen,  so  ist  diese  ganze  Ansicht  hinfällig  geworden  durch 
die  Aufdeckung  des  Verhältnisses  der  Catholica  zu  Sacerdos;  s.  A.  8  (a). 

10.  unter  Nero  schrieb  der  ältere  Plinius  seine  acht  Bücher  dubii 
sermonis,  s.  Plin.  Epist.  HI,  5,  5  (unten  307,  2  u.  4). 

284  296«  Wahrscheinlich  unter  Claudius  verfasst  ist  das  epische 
Lobgedicht  auf  den  Consul  Piso  von  einem  unbekannten  jungen 
Dichter  welcher  in  der  Literatur  der  augusteischen  Zeit  wohl- 
bewandert ist;  die  Mittel  der  Rhetorik  mit  Gewandtheit  hand- 
habt  und  seine  Verse  elegant  und  fiiessend  zu  bauen  versteht. 

1.  Tac.  A.  XV,  48:  is  (C.  Piso,  t  65—818  d.  St.)  Calpurnio  genero 
ortus  .  .  claro  apud  volgum  rumore  erat.  .  .  namque  facundiam  tuendis 
civibus  cxercebat,  largitionem  adversum  amicos  et  ignotis  quoque,  comi 
sermono  et  congressu.  aderant  etiam  .  .  corpus  procerum,  decora  facies. 
sed  procul  gravitas  morum  aut  yoluptatum  parsimonia.  Diese  Schilderung 
triift  vollständig  zu  auf  den  Piso  des  Panegyricus,  aber  nicht  so  dass  sie 
dafür  das  Thema  gebildet  haben  könnte.  Ebenso  Schol.  des  Valla  zu  Juv. 
y,  109:  Piso  Calphumius,  ut  Probus  inquit,  antiqua  familia,  scenieo  habita 


295  f.   ValeriuB  Probus.   Lobgedicht  auf  Piso.  653 

tragoedias  actitavit,  in  latrunculonim  Iubu  tarn  perfectus  .  .  nt  ad  eum 
ludentem  concnrreretur.  ob  haec  insinuatus  G.  Oaesari  repente  .  .  rele- 
gatns  est,  qnia  consuetudinem  pristinae  uxoris,  abductae  sibi  ab  ipso,  de- 
inde  remissae,  repetere.  noluisse  (überliefert  ist  repetita  esse)  existimaba- 
tur.  mox  stib  Claudio  restitatus  et  post  consulatum  (in  welchem  Jahre, 
ist  unbekannt;  810  kann  es  nicht  sein)  matema  hereditate  ditatus  magni- 
ficentissime  vixit,  meritos  sublevare  inopes  ex  utrpqne  ordine  solitus,  de 
plebe  vero  certos  quotannis  ad  equestrem  censum  dignitatemque  provehere. 
In  Uebereinstimmung  damit  preist  der  Panegyricus  seinen  Calpnrnius  Piso 
als  beredten  Sachwalter  vor  den  Centumvim  wie  in  Criminalprocessen, 
als  Sprecher  im  Senat  (z.  6.  tu,  reticente  senatu,  quem  tua  bis  senos  nu- 
meraret  purpura  fasces,  Caesareum  grato  cecinisti  pectore  numen,  69  ff.), 
als  freigebig,  heiteren  Gesellschafter,  der  seine  Mussestunden  mit  Yerse- 
machen  (v.  151  ff.),  Saitenspiel  und  dem  Bretspiel  (latrunculorum  lusus) 
auszufüllen  pflege.  Daraus  dass  bei  der  ausführlichen  Rechtfertigung  (oder 
Entschuldigung)  von  Piso's  Musicieren  (v.  167  ff.)  Nero's  Vorgang  nicht 
mit  angeführt  wird  ist  zu  schliessen  dass  dieser  noch  nicht  vorlag.  Irgend 
etwas  das  über  die  Zeit  des  Claudius  hinaus  weisen  würde  findet  sich  in 
dem  Gedichte  nicht. 

2.  Anständig,  wenn  auch  nicht  sehr  glaubwürdig,  versichert  der  Ver- 
fasser (207  ff.),  nicht  divitis  auri  imperiosa  fames  habe  ihn  zur  Besingung 
des  reichen  und  freigebigen  Piso  veranlasst,  sed  laudis  amor.  Jugend 
.V.  248  f. :  quamvis  nunc  iuveuile  decus  mihi  pingere  malas  coeperit  et  non- 
dum  vicesima  venerit  aestas.    Eenntniss  und  Erwähnung  der  augusteischen 

'Dichter,  des  Vergil,  Horaz,  L.  Varius,  Melissus  (227  f.),  Ovid;  Reminiscen- 
zen  aus  Horaz  (130  f.)  und  Ovid  (203).  Diesen  gemäss  sagt  er  v.  6  desset. 
Nicht  von  der  Heerstrasse  aufgelesen  ist  die  hasta  der  decem  viri  welche 
den  Centumvim  präsidieren  (41  f.).  Auch  der  Versbau  ist  derselbe  wie 
bei  den  sorgfältigsten  Dichtern:  die  Cäsur  correct  und  manchfaltig  (Ver- 
bindung von  T^t^fi.  und  Btp^y^,  mit  rqCx,  tqo%.  14mal  in  261  Hexametern), 
die  Verschleifungen  selten  (atque  illos  24,  quare  age  259=^81)  und  nur 
im  ersten  Fusse. 

3.  Der  Name  des  Verfassers  ist  nicht  überliefert,  und  die  Versuche 
ihn  zu  ermitteln  sind  alle  gescheitert.  Auch  der  relativ  wahrscheinlichste, 
die  Vermutung  dass  es  der  Bukoliker  Calpumius  (unten  301)  sei  (M.  Haupt, 
de  carm.  bucol.  p.  26  f.),  steht  auf  schwachen  Füssen.  Vgl.  C.  F.  Weber 
(1859)  p.  14  f.  Dass  das  Gedicht  von  keinem  Späteren  angeführt  oder 
benützt  wird  (wenn  es  nicht  dem  Probus  vorlag,  s.  A.  1)  erklärt  sich  aus 
dem  eng  Persönlichen  seines  Inhalts. 

4.  Aelteste  bekannte  Handschrift  die  von  Jos.  Scaliger  benützte  Pa- 
riser Notre-Dame  188  aus  der  ersten  Hälfte  von  saec.  XIE,  welche  in  allem 
Wesentlichen  mit  dem  von  Junius  benützten  Atrebatensis  (A  bei  Weber) 
übereinstimmt;  s.  E.  Wölfflin  im  Philologus  XVH.  S.  340  ff.  Damit  be- 
seitigt sich  von  selbst  die  auch  sonst  haltlose  Versetzung  des  Gedichts  ins 
sechszehnte  Jahrhundert. 

5.  Editio  princeps  von  Sichard  (Basil.  1527)  an  Ovidii  opera  nach 
einer  wahrscheinlich  aus   der  Abtei    Lorsch   (bei  Manheim)  stammenden 


654  Dio  Eaiserzeit.   Erstes  Jahrhundert. 

Handschrift  Sonst  auch  an  Ausgaben  des  Luoanus,  e.  B.  yon  G.  C!orte 
(Lips.  1726).  Bearbeitong  von  Hadr.  Jnnins,  Animadversorum  libri  VI 
(Basel  1656)  p.  249  fP.  In  Wemsdorfs  poetae  latt.  min.  IV.  p.  236—282, 
vgl.  ib.  p.  36—48.  72—74;  in  W.  E.  Webers  corpus  poett.  lat.  p.  1411  — 
1413.  Sonderausgaben  von  J.  Held  (incerti  auctoris  etc.,  Breslau  1881.  4.), 
G.  Beck  (Statu  ad  Pis.  poemation,  Ansbach  1885),  G.  F.  Weber  (incerti 
auctoris  Carmen  panegyricum  in  Pis.  cum  prolegomenis  et  adnotatione 
critica,  Marburg  1859.  44  pp.  4.). 

6.  Üeber  den  Verfasser  und  das  Gredicht  s.  G.  F.  Webers  prolegomena 
und  J.  Mähly  in  Fleckeisens  Jahrb.  85,  S.  286 — 289.  Beiträge  zur  Kritik 
von  M.  Haupt  (de  carm.  buc.  1854,  p.  37  und  im  Hermes  HI.  p.  211  f.), 
G.  F.  Weber  (annotationes  ad  etc.  Marburg  1860.  12  pp.  4.),  J.  Mähly 
(a.  a.  0.  S.  289—294). 

297,  Unter  den  Dichtem  der  neronischen  Zeit  verfasste 
der  jugendlieh  unreife,  aber  edelgesinnte  A.  Persius  Flaccus 
(J.  34 — 62  n.  Chr.)  aus  Yolaterri^,  neben  Anderem  was  ver- 
lorengieng,  sechs  Satiren,  von  welchen  die  meisten  versificierte 
Abhandlungen  über  stoische  Sätze  sind,  in  der  Manier  der 
Stoiker  und  mit  ausgedehnter  Benützung  horazischer  Wendungen 
und  Gestalten.  Die  üeberladenheit  und  Greschraubtheit  welche 
zur  Manier  der  Zeit  gehört  ist  in  diesen  Satiren  bis  zur  Dunkel- 
heit gesteigert. 

1.  üeber  das  Leben  des  Persius  s.  die  vita  Aulis  Persii  Flacci,  de  com- 
mentario  Probi  Yaleri  sublata^  in  0.  Jahn's  Ausgabe  des  Dichters  (1843)  p. 
233 — 238  und  in  ReifTerscheids  Sueton  p.  72 — 76 ,  und  dazu  die  Erörterungen 
von  Jahn  ib.  p.  CL  —  CLII,  Eeifferscheid  p.  394 — 398,  Steup  de  Probis 
p.  125 — 130.  Dass  unter  commentarium  ein  Gominentar  (Anmerkungen) 
zu  den  Satiren  gemeint  sei  behauptet  Jahn,  bestreitet  Beifferscheid; 
Steup  vermittelt  dahin  dass  es  entnommen  sei  ai^s  einem  biographischen 
Vorworte  zum  Commentar,  ähnlich  wie  bei  Vergil. 

2.  Vita:  Aules  Persius  Flaccus  natus  est  prid.  non.  decembr.  Fabio 
Persico,  L.  VitelHo  coss.  (4.  Dec.  787  =  34).  decessit  VIII  kal.  decembr. 
Bubrio  Mario,  Asinio  Gallo  coss.  (24.  Kov.  815  =  62).  natus  in  Etruria 
Volaterris.eques  rom.  .  .  decessit  autem  vitio  stomachi  anno  aetatis  XX  V 111. 
(sepultus  est)  ad  VIII  miliarium  via  Appia  in  praedüs  suis.  Hieronym.  a. 
Abr.  2050  =s  Tiber.  21  =»  34  n.  Chr. :  Persius  Flaccus  satiricus  poeta  Vola- 
terris  nascitur;  und  ad  a.  2078  (Freher.  ad  a.  2079)  »  Neron.  8  =»  62  n. 
Chr.:  Persius  moritur  anno  aetatis  XXIX.  —  Vita:  pater  eum  Flaccus  pu- 
pillxmi  reliquit  moriens  'annorum  fere  sex.  Seine  Mutter  Fulvia  Sisennia. 
.  .  studuit  Flaccus  usque  ad  annum  Xn  aetatis  suae  Volaterris,  inde  Romae 
apud  grammaticum  Bemmium  Palaemonem  (oben  277,  3)  et  apud  rhetorem 
Verginium  Flavum  (oben  292,  9).  cum  esset  annorum  XVI  amicitia  coepit 
uti  Annaei  Cornuti  (oben  294,  2),  ita  ut  nusquam  ab  eo  discederet;  indu- 
ctus  (ab  eo)  aliquatenus  in  philosophiam  est.   .  .  coluit  ut  patrem  Servilium 


297.   Penins  Floccus.  655 

Nonianmn  (oben  286,  2).  . .  idem  decem  fere  annis  summe  dilectos  a  Paeto 
Thrasea  (oben  294,  7)  est, .  .  cognatam  eins  Arriam  nxorem  habente.  . .  sero 
cognovit  et  Senecam,  sed  non  ut  caperetor  eins  ingenio.  .  .  fuit  monun 
lenissimorum ,  verecnndiae  virginaüs,  formae  polcrae,  pietatis  erga  matrem 
et  sororem  et  amitam  ezemplo  snfficientiB. 

3.  Vita:  et  raro  et  tarde  scripsit.  bnnc  ipsum  librom  (die  6  Satiren 
für  welche  die  vita  als  Einleitung  verwendet  wurde)  imperfectum  reliquit. 
versus  aliqui  dempti  sunt  ultimo  libro,  ut  quasi  finitus  esset,  leviter  re- 
tractavit  Comutns  et  Caesio  Basso  (unten  299,  1)  petenti  ut  ipsi  cederet 
tradidit  edendum.  scripserat  in  pueritia  Flaccus  etiam  praetextam  Yescio 
(Vescia  nach  M.  Hertz,  der  es  auf  den  üeberfall  von  Yescia  bei  Liv.  IX,  25 
bezieht;  nescio  quam  Eibbeck),  et  *OdoinoQifimv  librum  unum,  et  paucos  in 
socrum  Thraseae,  in  Arriam  matrem,  versus,  quae  se  ante  virum  (Caecina 
Paetus)  occiderat.  omnia  ea  auctor  fuit  Comutus  matri  eins  ut  aboleret. 
editum  librum  continuo  mirari  homines  et  diripere  coeperunt.  Vgl.  Qxdntil. 
X,  1,  94  (multum  et  verae  gloriae  quamvis  uno  libello  Persius  meruit). 
Martial.  IV,  29,  7  (oben  238,  8). 

4.  Vita:  lecto  Lucilii  libro  X  vehementer  satiras  componere  institnit, 
.  .  sibi  primo,  mox  Omnibus  detracturus,  cum  tanta  recentium  poetarupi  et 
oratorum  insectatione  ut  etiam  Neronem  .  .  culpaverit  (s.  oben  281,  8). 
Diese  insectatio  geschieht  in  Sat.  I  und  dem  ihr  voranstehenden  Prolog  in 
(14)  Hinkiamben.  Sie  ist  die  einzige  eigentliche  Satire  des  Persius  xmd 
handelt  von  dem  Geschmacke  der  Dichter  und  des  Publicums  in  seiner  Zeit. 
Die  übrigen  sind  Declamationen  über  Sätze  der  stoischen  Lehre,  voll  dra- 
matischer, oft  ans  Burleske  streifender  Sceuen,  welche  an  Sophron  erinner- 
ten; s.  Laur.  Lyd.  de  magistr.  I,  41  (oben  28,  2).  Alle  aber  sind  mit  horaz- 
ischen  Federn  behangen.  Wie  die  Personeü  bei  Persius,  soweit  sie  nicht 
blose  Schatten  oder  Eategorieen  sind,  grösstentheils  aus  Horaz  oder  Luci- 
lins  stammen,  so  hat  er  auch  zahlreiche  (bedanken,  Bilder  und  Ausdrücke 
dem  Horaz  entnommen,  nur  meist  durch  eigene  Zuthaten  ins  Irrationelle 
oder  Geschmackswidrige  verzerrt.  Vgl.  Casaubonus,  Persiana  Horatii  imita- 
tio,  z.  B.  in  Dübners  Ausg.  des  Pers.  p.  344—367.  Seine  Sprache  ist  durch 
die  gesuchte  Kühnheit  seiner  Metaphern,  Tropen  und  Beiwörter,  die  Selt- 
samkeit seiner  Zusammenstellimgen,  die  Manier  des  Hineingeheimnissens, 
zum  Theil  wohl  auch  in  Folge  von  schriftstellerischer  Ungewandtheit  des 
Verfassers,  zu  einer  fast  unleidlichen  Dunkelheit  gelangt.  Vgl.  W.  Teuffei, 
Studien  und  Charakt.  S.  400—409. 

6.  Da  Persius  das  ganze  Mittelalter  hindurch  wegen  seiner  ethischen 
Strenge  bewundert  wurde,  auch  der  Umfang  seiner  Satiren  so  klein  ist,  so 
sind  von  ihnen  zahllose  Handschriften  vorhanden.  Aufzählung  derselben 
in  0.  Jahns  Ausg.  (1843)  p.  CLXXIII— CCXTV.  Die  ältesten  und  wichtigsten 
sind  zwei  von  Montpellier  saec.  IX  (C)  und  X  (A),  letztere  mit  der  subscrip- 
tio:  Flavius  lulins  Tryfonianus  Sabinus  v.  c.  .  .  temptavi  emendare  sine 
antigrapho  meum  et  adnotavi  Barcellonae  coss.  .  .  Arcadio  et  Honorio  Q. 
(J.  402),  s.  0.  Jahn  1.  1.  p.  CLXXIV— CLXXXI.  CXCH  f.  und  Berichte  der 
Sachs.  G.  d.  W.  1851,  S.  382  f.  Dieselbe  wiederholt  sich  in  einem  cod.  Vatic. 
(B).   Auch  diese  Hdss.,  wie  alle  von  den  Satiren  des  Persius,  wimmeln  von 


656  Die  Kaiserzeit.    Erstes  Jahrhundert. 

Fehlern  in  Folge  davon  dass  ihre  Urheber  das  was  sie  schrieben  selber 
nicht  verstanden.  Um  so  weniger  kommen  Interpolationen  vor.  A.  Kissel, 
Persii  codicum  mss.  Leidensinm  collatio,  una  cum  animadvers.  in  eius  sa- 
tiram  I,  Zalt-Bömel  1848.  100  pp.  Ueber  eine  Wiener  Hds.  saec.  X  mit 
Glossen  und  Schollen  s.  A.  Göbel  im  Philologus  XIY.  S.  170  ff.  879  ff.  vgl. 
XV.  S.  128  —  135,  und  im  Conitzer  Programm  von  1859.  4.  M.  Zillober, 
eine  neue  Hds.  des  Pei*s.,  Progr.  d.  Stephan-Gymn.  in  Augsburg  1862.  4. 

6.  Die  Schollen  zu  den  Satiren  des  Persius  (abgedruckt  am  besten 
in  0.  Jahn's  Ausg.  von  1843,  p.  245 — 350)  tragen  die  Ueberschrift:  (Annei) 
Cornuti  commentum,  sei  es  dass  der  Verfasser  wirklich  Comutus  hiess  oder 
sein  Machwerk  nur  mit  dem  Namen  des  Lehrers  von  Persius  empfehlen 
wollte.  Er  hat  aus  älteren  Glossen  und  kürzeren  Schollen  einen  fortlaufen- 
den Commentar  zusammengeflickt,  der  meist  trivial,  oft  sogar  albern  ist. 
Eher  dürfte  er  dem  karolingischen  Zeitalter  angehören  (0.  Jahn  p.  CXUI  ff.) 
als  (wie  E.  F.  Hermann  annahm,  lectiones  Pers.  I,  Marb.  1842,  und  Analecta 
de  aetate  et  usu  schol.  Pers. ,  Grotting.  1846.  4.)  der  Zeit  vor  Isidor  (J.  636). 
Ob  irgend  etwas  darin  auf  commentationes  des  Probus  zurückgeht  (vgL  A.  1) 
ist  zweifelhaft.  Eine  Auswahl  aus  diesem  Commentar  sind  die  glossae  Pi- 
thoeanae  (Jahn  p.  CLXIV—  CLX VI). 

7.  Editio  princeps  ums  J.  1470  fol.  in  Rom,  meist  mit  Juvenal;  die  be^ 
deutendsten  späteren  Ausgaben  sind  die  von  B.  Fontius  (Venet.  1480  fol.),  J. 
Britannicus  (zuerst  Brix.  1481  fol.),  N.  Frischlin  (Basel  1582.  4.),  P.  Pithoeus 
(Paris.  1585),  E.  Vinetus  und  Th.  Marcilius  (Paris.  1601.  4.),  Is.  Casaubonus 
(zuerst  Paris.  1605.  4.;  zuletzt,  mit  vielen  Zusätzen,  von  Fr.  Dübner,  Lips. 
1833),  König  (Gotting.  1803),  Fr.  Passow  (Thl.  I,  Leipzig  1809),  Achaintre 
(Paris  1812),  E.  W.  Weber  (Lips.  1826),  Fr.  Plum  (Kopenhagen  1827),  J.  C. 
Orelli  (Eclogae  poett.  latt.,  Zürich  1833),  F.  Hauthal  (ThL  I,  Leipzig  1837), 
und  besonders  0.  Jahn  (cum  scholiis  antiquis  ed.,  Lips.  1843;  Textausgabe 
Lips.  1851,  und,  mit  Juvenalis  und  Sulpicia,  recogn.  Berol.  1868).  Auch 
C.  F.  Heinrich*s  Vorlesungen  über  Pers.,  herausgg.  von  0.  Jahn,  Leipzig 
1844.  Text  (mit  Juvenal)  auch  von  C.  Fr.  Hermann,  Lips.  (Teubner)  1854. 
Edited  bj  A.  Pretor,  London  1869. 

Uebersetzungen  z.  B.  von  Nasser  (Kiel  1807),  J.  J.  C.  Donner  (Stuttgart 
1822),  W.  E.  Weber  (Bonn  1884),  Fr.  Passow  und  F.  Hauthal  (a.  a.  0.),  H. 
Düntzer  (Trier  1844),  W.  Teuffei  (Stuttgart  1844.  200  S.  16.;  umgearbeitet 
in  den  Class.  d.  Ali,  Stuttg.  1857). 

8.  Ueber  Persius  z.  B.  Nisard,  ätudes  sur  les  poätes  latins  de  la  da- 
cadence  (Paris  1834)  I.  p.  237 — 311.  0.  Jahns  Prolegomena  und  in  Ersch 
und  Gruber's  Encycl.  IE,  18.  S.  33—38.  W.  TeuffeFs  Einleitung  zur  Ueber- 
setzung  (Studien  u.  Charakt.  S.  396  ff.).  C.  Martha,  un  poäte  stoicien,  Re- 
vue des  deux  mondes  September  1863,  p.  291  ff.  Breuker,  A.  Persius  und 
seine  Zeit,  Mors  1866.  21  S.  4. 

Fr.  Knickenberg,  de  ratione  stoica  in  Pers.  satt,  apparente,  Münster 
1867. '  122  pp. 

W.  Pierson,  die  Metaphern  des  Persius,  Rhein.  Mus.  XJI.  S.  88 — 98. 
B.  Erdmann,  observationes  aliquot  grammaticae  in  Pers.  satiras,  Wittenberg 
1866.  4.    J.  Schlüter,  Quaestiones  Persianae,  Münster  1857. 


297  f.   Persius  Flaccus.   Lucanus.  667 

9.  .Zu  Sat.  I  8.  A.  Kissel  (A.  6),  F.  Hand  (Jena  1850.  4.),  H.  Lehmann 
(Ztschr.  f.  d.  Alt.  Wiss.  1852,  Nr.  25  f.).  Zu  Sat.  II  s.  H.  Lehmann  im  Philo- 
logus  VI.  S.  431  —  446  vgl.  E.  Gropius  in  Fleckeiaens  Jahrbb.  101,  S.  390 
—392;  zu  IV  Häckermann  in  Jahns  Archiv  XVIII.  S.  390  —  410;  zu  V  H. 
Lehmann  (Greifswald  1855.  ^4pp.  4.)  und  Handrick  (Torgau  1846.  4.;  Ueber- 
setzung  Torgau  1853.  4.). 

298.  Dem  Persius  geistesverwandt  und  befreundet  war  Se-286 
neca's  Neffe  M.  Annaeus  Lucanus,  für  die  Kürze  seines  Lebens 
(J.  39 — 65)  ein  fruchtbarer  Schriftsteller  auf  verschiedenen  Ge- 
bieten, in  Prosa  und  Versen.  Erhalten  ist  seine  Pharsalia  in 
zehn  Büchern,  ein  nicht  zu  Ende  gebrachtes  Epos  über  den 
Bürgerkrieg  zwischen  Pompejus  und  Caesar,  historisch  genau, 
aber  mit  entschiedener  Parteinahme  für  Pompejus,  dessen  Sache 
für  ihn  die  von  Rom's  Freiheit  und  Grösse  ist.  Die  Behandlung 
ist  sehr  rhetorisch,  voll  Beschreibungen,  Reden  und  Sentenzen; 
die  Darstellung  künstlich  pathetisch;  das  Ganze  unreif,  aber  von 
Talent  und  hochstrebendem  Sinne  zeugend. 

1.  Vitae  des  Lucanus  sind  zwei  überliefert,  die  eine  (in  Reifferscheids 
Sueton  p.  50 — 52)  am  Anfang  lückenhaft  und  dem  Dichter  abgeneigt,  mit 
Hieronymus  Auszug  übereinstimmend  und  daher  wahrscheinlich  von  Sueton; 
die  andere  (in  Reifferscheids  Sueton  p.  76  —  79)  vollständig,  weitschweifig, 
den  Lucanus  bewundernd  und  in  Schutz  nehmend,  wahrscheinlich  von  dem 
expositor  Lucani,  dem  Grammatiker  etwa  des  sechsten  Jahrh.  Vacca;  s.  C. 
F.  Weber,  vitae. M.  Annaei  Lucani  coUectae,  Part.  I  (Marburg  1856.  4.). 
Beifferscheid  1.  1.  p.  392  —  394.  Dazu  die  Nachrichten  bei  Tacitus  und  des 
Statins  genethliacon  Lucani  (Silv.  H,  7).  Lucani  vita  per  annos  digesta 
von  C.  P.  Weber  1.  1.  Part.  II,  Marb.  1857.  4.;  spätere  vitae  aus  Hdss.,  ib. 
1858.  4.  (Part.  III.)  De  suprema  Lucani  voce,  ib.  1857.  4. 

2.  Vacca:  M.  Annaeus  Lucanus  patrem  habuit  M.  Annaeum  Melam  .  . 
Cordubensem,  equitem  rom.  .  .  notum  Romae  et  propter  Senecam  &atrem 
.  .  et  propter  studium  vitae  quietioris.  .  .  matrem  habuit  et  regionis  eius- 
dem  et  urbis  Aciliam  (oben  292,  13).  .  .  natus  est  UI  non.  novembr.  C. 
Caesare  Germanico  II,  L.  Apronio  Caesiano  coss.  (3  Nov.  792  =^  39  n.  Chr.). 
.  .  octavum  mensem  agens  Romam  translatus  est.  .  .  a  praeceptoribus  tunc 
eminentissimis  est  eruditus  (vgl.  vita  Persii:  cognovit  per  Comutum  etiam 
Annaeum  Lucanum,  aequaevum  auditorem  Comuti.  Lucanus  mirabatur 
scripta  Flacci  etc.).  declamavit  et  graece  et  latine  cum  magna  admiratione 
audientium. 

3.  Suetonische  vita:  prima  ingenii  experimenta  in  Neronis  laudibus 
dedit  quinquennali  certamine.  .  .  revocatus  Athenis  a  Nerone  cohortique 
amicorum  additus  atque  etiam  quaestura  honoratus  (sacerdotium  etiam  ac- 
cepit  auguratus,  Vacca)  non  tamen  permansit  in  gratia  (wovon  der  Verfasser 
die  Schuld  auf  Seiten  des  Dichters  und  seiner  verletzten  Autoreneitelkeit 
findet,  Vacca  aber  in  Nero's  Eifersucht  auf  Lucan^s  poetische  Erfolge,  s. 

Tkuffbl,  Böm.  Literalargesohichte.  2.  Aafl.  42 


658  Die  Kaiserzeit.   Erstes  Jahrhundert. 

A.  4).  .  .  sed  et  famoso  carmine  cum  ipsum  (Neronem)  tarn  potentiasimos 
amiconim  graviBsime  proscidit.  ad  extremum  paene  signifer  Pisonianae  con- 
iurationis  extitit.  .  .  verum  detecta  couiuratione  nequaquam  parem  animi 
eonstantiam  praestitit  (vgl.  Tac.  A.  XV,  56.  70).  .  .  impetrato  autem  mortis 
arbitrio  libero  .  .  bracfaia  ad  secandas  venas  praebnit  medico  (vgl.  Hieronym. 
ad  a.  Abr.  2079  =  Ner.  9  =  63  n.  Chr.  —  cod.  Freher.  erst  ad  a.  2080  — : 
M.  Annaeus  Lucauus  Cordubensis  poeta  in  Pisoniana  coniuratione  deprehen- 
8U8  brachium  ad  secandas  venas  medico  praebuit.  Yacca:  sua  sponte  coa- 
ctus  vita  excedere  venas  slbi  praecidit  periitqne  pridie  kal.  mai.  Attico 
Vestino  et  Nerva  Siliano  cob8.  »»  30.  April  818  =»  66  n.  Chr.).  poemata  eius 
etiam  praelegi  memini,  confici  vero  ac  proponi  venalia  non  tantum  operose 
et  diligenter  sed  inepte  quoque. 

4.  Vacca:  et  certamine  pentaeterico  acte  in  Pompei  theatro  laudibus 
recitatis  in  Neronem  fuerat  coronatus  et  ex  tempore  Orphea  scriptum  (in 
Hexametern)  in  experimentum  adversum  complures  ediderat  poetas  et  tres 
libros  (der  Pharsalia)  quales  videmus.  quare  inimicom  sibi  fecerat  impe- 
ratorem.  quo  .  .  interdiotum  est  ^  poetica  (vgl.  Tac.  A.  XV,  49:  famam 
carminum  eius  premebat  Nero  prohibueratque  ostentare,  vanus  adsimnla- 
tione;  Dio  LXII,  29),  interdiotum  etiam  causarum  actionibus.  .  .  extant 
eius  complures  et  alii  (libri),  ut  Iliacon  (Stat.  Silv.  II,  7,  54  —  56;  R.  Ünger, 
quaestio  de  Lucani  Heliacis,  Friedland  1858.  4.J,  Satnmalia  (daraus  Martial. 
X,  64,  6?),  Catachthonion  (vgl.  Stat.  Sily.  II,  7,  57),  Süvarum  X,  tragoedia 
Medea  imperfecta,  salticae  fabulae  XIV  (vgl.  oben  8,  1  £.),  Epigrammata 
(?die  codd.:  appämata  und  et  ippamata;  M.Hertz  jQdfitttoc);  prosa  oratione 
in  Octavium  Sagittam  (Tac.  A.  XHI,  44.  Hist.  IV,  44)  et  pro  eo  (Stilübung), 
de  incendio  urbis,  Epistolarum  ex  Campania,  non  fastidiendi  quidem  omnes, 
tales  tamen  ut  belli  civilis  (Phars.)  videantur  accessio.  Dazu  adlocutio  ad 
PoUam  (seine  Gattin  Argentaria  PoUa)  nach  Stat.  Silv.  II,  7,  62  f.  R.  Unger, 
de  Lucani  carminum  reliquiis,  Friedland  1860.  4. 

5.  Quintil.  X,  1,  90:  Lucanus  arden»  et  concitatus  et  sententiis  claris- 
simus  et,  ut  dicam  quod  sentio,  magis  oratoribus  quam  poetis  imitandus. 
Minder  treffend  ist  eine  alte  (vielleicht  durch  Sueton  verbreitete)  Ausstel- 
lang  an  Lucan.  Serv.  Aen.  I,  382:  Lucanus  ideo  in  numero  poetarum  esse 
non  meruit  quia  videtur  historiam  composuisse,  non  poema.  Fast  wörtlich 
übereinstimmend  Isidor.  Orig.  VIII,  7,  10.  Schol.  Phars.  1,1:  ideo  Lucanua 
dicitur  a  plerisque  non  esne  in  numero  poetarum  quia  omnino  historiam 
sequitnr,  quod  poeticae  arti  non  convenit.  Ebenso  Jomand.  get.  6.  Auf 
ihn  zielt  ohne  Zweifel  schon  Petron.  Sat.  118:  belli  civilis  ingens  opus  quis- 
quis  attigerit,  nisi  plenus  Utteris,  sub  onere  labetur.  non  enim  res  gestae 
versibus  comprehendendae  sunt,  quod  longo  melius  historici  faciunt,  sed  etc. 
Vgl.  Martial.  XIV,  194:  Lucanus.  Sunt  quidam  qui  me  dicant  non  esse 
poetam,  sed  qui  me  vendit  bibliopola  putat.  Der  Stoff  ist  in  der  Pharsalia 
allerdings  massiger  aufgenommen  als  sich  vollständig  verarbeiten  liesa. 
Aber  der  Hauptfehler  ist  die  declamatorische  Behandlung,  die  Leidenschaft 
für  Beschreibungen,  womit  die  Grenzen  des  Masses  und  Geschmackes  nicht 
selten  überschritten  werden.  So  die  Schauerbilder  am  Schlüsse  von  B.  III 
und  von  VI,  530  an,  sowie  VII,  839  ff.  IX,  735  ff.    Sentimentale  Rhetorik  FV, 


298.   Lucanus.  659 

168  ff.  Fast  ovidische  Ausmalung  der  Sehnsucht  Comelia's  nach  ihrem  Gat- 
ten Pompejus  V,  806  ff.  Unnütze  Schaustellung  geographischer  und  mytho- 
logischer Gelehrsamkeit  III,  169  ff.  IV,  593  ff.  677  ff.  VI,, 330  ff.  X,  193  ff. 

6.  Der  Stoff  ist  fortgeführt  bis  zur  Belagerung  Caesars  in  Alexandria; 
aber  schon  der  authentische  (IX,  983:  PharsaJia  nostra  vivet  etc.)  Titel  des 
Werks  zeigt  dass  die  Absicht  war  es  bis  zur  Schlacht  bei  Pharsalos  fort- 
zusetzen. Die  ersten  drei  Bücher  wurden  von  Lucan  selbst  herunsgegeben 
(s.  A.  4),  und  zwar  zu  einer  Zeit  wo  er  mit  Nero  noch  gxxt  stand;  daher 
I,  33 — 66  die  Lobpreisung  desselben  mit  obligater  Hindeutung  auf  seine 
künftige  Apotheose  (anders  freilich  als  VII,  456  ff.).  Indessen  eine  Verschie- 
denheit der  politischen  Ansicht  und  Richtung  (A.  Preime  p.  12  ff.)  zwischen 
den  ersten  drei  Büchern  und  ihrer  Fortsetzung  lässt  sich  desswegen  doch 
nicht  behaupten.  Schon  in  jenen  tritt  die  Vorliebe  für  Pompejus  (11,  453  ff. 
519  ff.  732  ff.)  und  Cato  nebst  Brutus  (II,  234 ff.),  sowie  die  Abneigung  ge- 
gen Caesar  (II,  439  ff.  III,  82  f.)  unverkennbar  hervor.  Nicht  eine  andere 
Gesinnung  spricht  der  Dichter  in  den  späteren  Büchern  aus,  wohl  aber  die 
gleiche  mit  noch  grösserem  Freimut,  ja  Bitterkeit  und  Feindseligkeit.  Des 
Pompejus  Sache  ist  kurzweg  die  des  Rechts  und  der  Freiheit  (z.  B.  VI,  139. 
259.  Vn,  579  ff.),  wogegen  die  des  Caesar  consequent  als  scelus  bezeichnet 
wird  (z.  B.  VTI,  751.  vgL  auch  IV,"  188.  V,  242.  261  ff.  390  ff.  VI,  147  f.  298  ff. 
VII,  40.  168  ff.  243.  558  ff.  761.  777  ff.  VIII,  782.  834).  Caesar's  Sieg  ist  die 
Ursache  nicht  nur  des  Untergangs  der  Freiheit  (VII,  483  ff.  639  ff.  696  f.  IX, 
204  ff.  252  f.)  sondern  auch  des  Schwindens  von  Roms  Macht  und  GrÜsse 
nach  aussen  (VII,  427  ff.).  Auch  wo  Caesar  unzweifelhaft  edel  gehandelt 
hat  wird  es  ins  Gegentheil  verkehrt  (VII,  798  ff. 'IX,  1084  ff.),  und  seine 
Ermordung  gerechtfertigt  und  gepriesen  (VII,  593  ff.  vgl.  VIII,  609.  X,  838  ff. 
523  ff.).  Er  ist  der  negative  Held  des  Epos,  und  ihm  wird  daher  höhnisch 
Unsterblichkeit  verheissen  (IX,  981  ff.).  Wie  an  ihm  lauter  Schatten,  so 
ist  an  Pompejus  alles  Licht  (vgl.  bes.  VIU,  841  ff.,  auch  V,  1  ff .  VI,  799 ff. 
VII,  28  ff.),  so  sehr  dass  an  ihm  sogar  der  Landesverrat  Preis  findet  (VIII, 
232  ff.).  Ueber  ihn  geht  dem  Dichter  nur  sein  Cato  (IX,  697  ff.  vgl.  ib. 
187  ff.  254  ff.  663  ff.).  Das  stoische  Bekenntniss  Lucans  tritt  oft  hervor, 
z.  B.  VII,  814  ff.  IX,  302  f.  572  ff.  X,  265  f.  413  f.  Epikureisch  klingende 
Aeusserungen  (wie  VII,  446  ff.  465  f.)  sind  Ausbrüche  der  Verzweiflung 'an 
dem  Walten  einer  gerechten  Gottheit  (vgl.  HI,  449).  Direct  gegen  Nero 
gerichtet  ist  IX,  983  ff.  Andere  freimütige  Aeusserungen  IV,  807  ff.  823. 
V,  386.  VI,  269.  VII,  210.  433  ff.  456  ff.  VIII,  672.   IX,  262  f.  600  ff.  X,  24  ff. 

7.  Dass  das  zehnte  Buch  nicht  vollendet  ist  zeigt  schon  sein  Umfang, 
der  um  mindestens  200  Verse  hinter  den  übrigen  Büchern  zurücksteht. 
Aber  auch  B.  IV — IX  wurden  nicht  von  Lucan  selbst  herausgegeben,  son* 
dem  erst  nach  seinem  Tode  von  einem  Angehörigen  oder  Freunde  (Genthe 
p.  75 — 82).  Uebrigens  können  diese  trotzdem  von  Lucan  nach  ihrem  Ab- 
schluss  öffentlich  vorgelesen  worden  sein.  Wenn  Vacca  sie  fSr  mendosi 
erklärt  und  das  ovidische  emendaturus  si  licuisset  erat  auf  sie  anwendet, 
so  mag  diess  von  Einzelheiten  gelten:  im  grossen  Ganzen  würde  Lucan 
schwerlich  viel  geändert  haben.  Fronto  p.  157  N.:  unum  .  .  poetae  pro- 
oemium  commemorabo,  poetae  einsdem  temporis  eiusdemque  nominis  (wie 

42* 


660  I^ie  Eaiserzeit.   Erstes  Jahrhundert. 

Seneca):  fait  a«que  Annaeus.  is  initio  carminis  sui  (der  Phars.)  septem 
primis  versibos  nihil  aliud  quam  bella  plus  quam  civilia  interpretatus  est. 
Missverständniss  dieser  Worte  veranlasste  wohl  die  Sage  bei  Schol.  Lucan. 
I,  1  (p.  8  f.  Us.):  hos  VII  versus  primos  dicitur  Seneca  ex  suo  addidisse  .  . 
ne  videretur  über  ex  abrupto-  incohare.  Vgl.  gegen  F.  Osann  (de  Sen. 
scriptis  deperditis  spec.  III.  Giessen  1848.  4.)  Genthe  p.  77 — 81.  C.  F. 
Weber,  de  duplici  Pharsaliae  Lucaneae  exordio,  Marburg  1860.  26  pp.  4. 

8.  Lyd.  de  magistr.  III,  46:  co^  6  nolsfUDV  iv  nsfinzfi  i^r}yriaB(ov  Tjjg 
xara  Aovnavov  xov  ^PtapMtov  lfiq>vX£av  avyyQatprjg  dnetpTjvato.  Ueber  Vacca 
8.  A.  1.  Beste  dieser  commentierenden  Thätigkeit  besitzen  wir  in  den 
Schollen  zu  Lucanus,  von  denen  es  eine  doppelte  Redaction  gibt,  die 
eine  betitelt  Commenta  und  vollständig  erhalten  allein  im  cod.  Bern.  370 
(C)  saec.  X,  die  andere  betitelt  Adnotationes ,  wovon  die  vollständigsten 
und  wichtigsten  Handschriften  sind  der  Wallersteinensis,  zwei  Yossiani 
saec.  X  in  Leiden,  und  ein  Gemblacensis  in  Brüssel  saec.  X.   Die  letzteren 

'  sind,  aber  ungenau,  von  Oudendorp  und  von  C.  F.  Weber  veröffentlicht; 
beide  werden  herausgegeben  von  H.  üsener,  wovon  erschienen  ist  Pars 
prior,  enthaltend  die  commenta  Bernensia,  Lips.  Teubner  1869.  Dazu  H. 
Genthe,  scholia  vetera  in  Luc.  e  codice  Montepessulano,  Berlin  1868.  29  pp.  4. 

9.  Das  Epos  selbst  ist  in  den  Hdss.  De  hello  civili  betitelt.  Die 
älteste  Handschrift  desselben  bilden  die  Palimpsestblätter  in  "V^ien, 
Neapel  und  Rom,  spätestens  aus  saec.  lY.  D.  Detlefsen  im  Philologua 
XIU.  S.  313—357.  XV.  S.  626—538.  XXVI.  S.  173—184.  W.  Steinhart,  de 
Lucani  achedis  rescriptis  Vindobonensibus,  Salzwedel  1860.  4.  und  in  Fleck- 
eisens Jahrbb.  83,  S.  353 — 367.  unter  den  übrigen  Hdss.  haben  Voss.  II 
(B  bei  Steinhart,  ü  bei  üsener),  Montepess.,  Colbert.  und  Casselanus  die 
subscriptio:  Paulus  Constantinopolitanus  emendavi  manu  mea  solus,  wel- 
chen üsener  (Rhein.  Müs.  XXIII.  S.  497  —  505)  mit  dem  Papulus  Const. 
Theyderich  der  Pariser  Miscellanhdschr.  7530  aus  d.  J.  674  identificiert. 
Die  Hdss.  dieser  Recension  unterscheiden  sich  von  den  zahlreichen  übrigen 
dadurch  dass  sie  in  den  nicht  von  Lucan  selbst  herausgegebenen  Büchern 

»  ursprünglich  eine  beträchtliche  Anzahl  Verse  nicht  haben,  welche  zum 
Th*&il  aus  dem  Concepte  Lucans  stammen  könnten,  zum  grösseren  Theil  aber 
spätere  Interpolation  sind.  Auch  in  den  Hdss.  dieser  Recension  selbst  sind 
die  betreffenden  Verse,  aber  in  ungleichem  Masse,  aus  Hdss.  der  andern 
^cension  nachgetragen.  W.  Steinhart,  de  Lucani  codice  Montepessulano, 
in  der  Symbola  philol.  Bonn.  p.  287 — 300;  vgl.  dessen  Diss.  de  emenda- 
tione  Lucani,  Bonn  1854.  0.  E.  C.  Schneider,  trium  codd.  Vratisl.  Luc. 
lectiones  variae,  Bresl.  1823.  4.  Imm.  Bekker,  über  einen  Lucancodex  zu 
Berlin,  Monatsb.  der  Berl.  Akad.  1853.  S.  166—169.  üeber  drei  Hdss.  saec. 
XI  u.  XII  s.  J.  Klein,  Rhein.  Mus.  XXIV.  S.  121—126. 

10.  Ed.  princeps  Rom  1469  fol.  Von  den  späteren  Ausgaben  sind 
besonders  nennenswerth  die  von  Th.  Pulmann  (Antverp.  1564.  1576),  H. 
Grotius  (ex  emend.  H.  Gr.  cum  eiusdem  notis,  Antverp.  1614.  Lugd.  1626; 
vgl.  üsener,  Lucani  pugnae  Pharsaliae  narratio  ex  H.  Gr.  rec.  ed.  cum- 
comm.  critico,  Greifswald  1863.  4.  Rhein.  Mus.  XIX.  S.  148—150),  G.  Corte 
(Lips.  1726.    vgl.  H.  Genthe   in   Fleckeisens  Jahrbb.  89,  S.  547  —  560),  Fr. 


i 


208  f.   LucanuB.    Cacsius  Bassus  u.  a.  661 

Oadendorp  (Lugd  Bat.  1728.  4.),  P.  Bunnann  (Lugd.  1740.  4.),  C.  Fr.  Weber 
(cum  notis  varr.  etc.  Lips.  1821—1831,  3  Voll.,  wovon  der  letzte  die  Scho- 
llen enthält;  und:  editionem  morte  Cortii  interruptam  absolvit,  Lips.  1828 f. 
2  Voll:).  Auch  Ausgaben  von  Lemaire  (Paris  1830,  2  Voll.)  und  C.  H. 
Weise  (rec.  schol.  interpr.,  Quedlinb.  und  Leipzig  1835).  R.  Bentley's  Be- 
merkungen zu  den  3  ersten  Büchern  in  der  Ausgabe  Strawberryhill  1760.  4. 
(Luc.  c.  notis  H.  Grotii  et  R.  B^ntlei)  und  Glasgow  1816;  auch  bei  C.'F. 
Weber  1821. 

11.  J.  Merkel,  Lucan's  Phars.  B.  I  lateinisch  und  deutsch,  Aschaffen- 
burg 1849.  4.  Vollständige  üebersetzungen  von  F.  H.  Bothe  (Stuttgart, 
Metzler  1855  f.  3  Bdchn)  und  J.  Erais  (Stuttgart,  Hoffmann  1863). 

12.  Mensel  und  Gottfr.  Bürger,  de  Lucano,  Halle  1767  f.  4.  2  Partes. 
Nachträge  zu  Sulzer  V,  1.  S.  16  ff.  VII.  S.  334  ff.  Leloup,  de  poesi  epica 
et  Phars.  Luc,  Trier  1827.  4.  A.  Preime,  de  Lucani  Pharsalia,  Marburg 
1859,  und  besonders  Herrn.  Genthe,  de  Lucani  vita  et  scriptis  (Berlin  1859. 
85  pp.);  zu  Lucan  (Hermes  VL  S.  214—230). 

F.  Eortüm,  geschichtl.  Forschungen  (Leipzig  und  Heidelberg  1863) 
S.  209 — 252.  A.  Schaubach,  Lucan's  Phars.  und  ihr  Verhältniss  zur  Ge- 
schichte, Meiningen  1869.  4.  Th.  Creizenach/die  Aeneis  .  .  und  die  Phar- 
salia im  Mittelalter,  Frankfurt  a.  M.  1864.  4. 

299.  Dem  Freundeskreise  des  Persius  gehört  .auch  der  Ly-287 
riker  Caesius  Bassus  an^  welcher  zugleich  ein  Lehrgedicht  de 
metris  verfasst  zu  haben  scheint.  Vielleicht  dass  im  dritten  Jahrh. 
das  Werk  in  ein  prosaisches  Lehrbuch  der  Metrik  umgewandelt 
wurde,  von  welchem  bedeutende  ,üeberreste  erhalten  sind.  An- 
deres  trägt  mit  Unrecht  seinen  Namen.  Sonstige  Männer  aus 
der  Zeit  des  Nero  von  denen  wir  wissen  dass  sie  Gedichte 
verfassten  sind  Yagellius^  Curtius  Montanus  und  Serranus. 

1.  Vita  Persii  (s.  297,  1)  p.  234  J.:  amicos  habuit  a  prima  adolescentia 
Caesium  Bassum  poetam  et  Calpumium  Staturam,  qui  vivo  eo  iuvenis 
decessit  (und  kein  Dichter  war).  Herausgeber  der  Satiren  des  Persius; 
B.  oben  297,  3.  Schol.  Pers.  6,  1  (p.  340  J.):  hanc  satiram  scribit  Persius 
ad  Caesium  Bassum  poetam  lyricum,  quem  fama  est  in  praediis  suis  po- 
situm  ardente  Vesuvio  .  .  et  late  ignibus  abundante  cum  yilla  sua  ustum 
esse  (J.  79  n.  Chr.).  Vgl.  Plin.  Ep.  VI,  16,  8  (nach  0.  Jahn's  Emend.): 
accipit- codicillos  .  .  Caesi  Bassi  imminente  periculo  exterriti.  Quintil.  X, 
1,  96:  lyricorum  Horatius  fere  solus  legi  dignus.  .  .  si  quem  adicere  velis 
is  erit  Caesius  Bassus,  quem  nuper  vidimus.  Pers.  6,  1 — 6:  admovit  iam 
bruma  foco  te,  Basse,  Sabino?  iamne  lyra  et  tetrico  vivunt  tibi  pectine 
chordae,  mire  opifex  numeris  veterum  primordia  vocum  atque  marem  stre- 
pitum  fidis  intendisse  latinae,  mox  iuvenes  agitare  iocos  et  pollioe  honesto 
egregius  lusisse  senes?  Prisci&n.  X,  36.  p.  527  H.:  Bassus  in  II  lyricorum: 
Calliope  princeps  sapienti  psallerat  ore.  Die  Identität  mit  dem  Metri^er 
wird  sehr  wahrscheinlich  durch  das  Citat  Bassins  (st.  Bassus)  ad  Neronem 
de  iambico  sie  dicit,  bei  Bu£n.  p.  2707  P.  »»  379  Gaisf.    Aus  diesem  me- 


662  I>ie  KaiBcrzeit    Erstes  Jahrhundert. 

irischen  Werke  ohne  Zweifel  Diomed.  III.  p.  513  K.:  huius  (des  molossi- 
cum  metrum)  exemplum  dat  Caesius  Bassus  tale:  Romani  victores  Germa- 
nis  devictis.  Vgl.  Ter.  Maur.  2358:  quae  (exempla)  locasse  Caesium  libro 
notavi  quem  dedit  metris  super.  2369:  auctore  tanto  credo  me  tutum 
fore.  Victorin.  bei  Keil  VI.  p.  209,  10  f.:  Caesius  Bassus,  vir  doctus  atque 
eruditus,  in  libro  de  metris  'iambicus  trimetrus'  ait.  Letzteres  Merkmal  trifft 
zu  bei  der  am  Anfang  verstümmelten  und  durch  üebertragung  der  Schluss- 
unterschrift des  in  der  Hds.  nachfolgenden  Werkes  dem  Atilius  Fortunatia- 
nus beigelegten  Schrift  de  metris  (bei  Keil,  grammat.  VI.  p.  255—272),  daher 
diese  von  Caesius  Bassus  sein  wird,  zumal  da  sie  viele  werthvoUe  Angaben 
enthält  (multa  quae  ex  antiquissima  et  praestantissima  doctrina  sunt  petita, 
Keil  p.  252).  Freilich  sollte  man  nach  Fersius  (nnmns  etc.)  glauben  das 
Werk  des  C.  B.  habe  ursprünglich  metrische  Form  gehabt,  ähnlich  dem  des 
Terentianus  Maorus;  daher  Westphal  eine  spätere  prosaische  Umarbeitung 
desselben  annimmt.  Die  auch  von  Varro  angenommene  Ableitung  (nccQaymYrji) 
der  verschiedenen  Metra  aus  einem  metrum  principale  (dem  herous  und  txi- 
meter  iambicus),  mittelst  adieotio,  detracüo,  permutatio  u.  s.  w.,  war  darin 
vorgetragen.  Die  Beispiele  waren  auch  den  Zeitgenossen  Fomponius  Secundus 
(oben  279,  7),  Seneca  (und  Fetronius  Arbiter?)  entnommen.  R.  Westphal, 
griech.  Metrik  I.'  S.  169—174.  Vgl.  daselbst  S.  119  f.  Keil,  grammatt.  latt. 
VI.  p.  260—262. 

2.  In  der  'Sammlung,  der  lateinischen  Metriker  führt  ein  Fragment, 
p.  2663  ff.  P.  =:  302  ff.  Gaisf.  =  Keil  VI.  p.  305  f.  die  üeberschrift  Ars 
Caesii  Bassi  de  metris.  Es  besteht  aus  einer  magern  Erläuterung  von  fünf 
Metren  des  Horaz,  geschöpft-  aus  Caesius  Bassus  (A.  1).  Darauf  folgen 
(p.  307  —  312  Keil  VI)  zwei  Abschnitte,  betitelt  Breviatio  pedum  und  De 
compositionibus,  vielleicht  aus  lulius  Romanus.  R.  Westphal,  griech.  Metrik 
L*  S.  118  f.  132  f.  204  f.     Keil,  grammat.  lat.  VI.  p.  263  u.  264. 

.3.    Im  Allgemeinen   vgl.    noch   Leutsch,   Philologus  XI.    S.  739  —  744. 
J.  Cäsar  in  Fauly's  Real-Enc.  I,  2.  S.  2296,  Nr.  10. 

4.  Sen.  nat.  qoaest.  VI,  2,  9:  egregie  Vagellius  mens  in  illo  inclito 
carmine  .  .  inquit.  Danach  hat  Ritechl  in  Reifferscheids  Snet.  reliqq. 
p.  528 — 631  mit  Wahrscheinlichkeit  die  Angabe  des  Donatus  (ib.  p.  36): 
Scipionis  fabulas  edidisse  Terentium  Vagellius  in  Actione  ait  (folgen  drei 
Senare)  auf  diesen  Vagellius  bezogen.  Ein  declamator  malino  corde  Va- 
gellius bei  Juv.  16,  23  vgl.  13,  119. 

6.  Tac.  A.  XVI,  28  (J.  66  =  819):  qui  .  .  Curtium  Montanum  dete- 
standa  carmina  factitantem  eludere  impune  sinerent.  29:  Montanum *probae 
iuventae  neque  famosi  carminis,  quia  protulerit  ingenium,  extorrem  agi. 
Proben  seines  Freimuts  im  Senat  (J.  70)  Tac.  Hist.  IV,  40.  42. 

6.  Quintil.  X,  1,  89  bei  den  Epikern:  Serranum  (G.  Sarpe;  die  Hdss. 
farrenum,  varrenum  etc.)  consummari  mors  immatura  non  passa  est; 
puerilia  tarnen  eius  opera  et  maximam  indolem  ostendunt  et  admirabilem 
praecipue  in  aetate  illa  recti  generis  voluntatem.  Dagegen  setzt  einen 
länger  Lebenden  voraus  Juv.  7,  79 — 81:  contentus  fama  iaceat  Lucanus  in 
hortis  marmoreis,  at  Serrano  tenuique  Saleio  gloria  quantalibet  quid  erit, 
si  gloria  tantumst?  Auch  möchte  man  hienach  Serranus  eher  später  setzen. 


299  f.   CaesiuB  Bassus  u.  a.    Petrouius.  0()3 

7.  Üeber  Gaetulicus  b.  oben  286,  Ij  über  AttiusLabco  s.  unten  303,  5. 

8.  Aus  dieser  Zeit  sind  wohl  auch  die  in  der  griechischen  Anthologie 
stark  vertretenen  £pigrammendichter  Lucillius  und  Leonidas  (aus  Alexandria). 

300.  Ohne  Zweifel  aus  der  Zeit  des  Nero  stammt  femer288 
der  Sittenroman  welcher  unter  dem  Namen  des  Petronius 
Arbiter  auf  uns  gekommen  ist.  Ursprünglich  ein  umfangreiches 
Werk  von  etwa  zwanzig  Büchern  worin  allerlei  Reiseabenteuer 
erzählt  waren,  besteht  es  jetzt  nur  aus  einer  Reihe  Trümmer, 
von  denen  das  ansehnlichste  die  cena  Trimalchionis  ist,  die  Be- 
schreibung einer  Gasterei  welche  ein  reicher  ungebildeter  Em- 
porkömmling gibt.  Obwohl  tief  in  Schmutz  getaucht  ist  der 
Roman  nicht  nur  hochwichtig  für  die  Geschichte  der  Sitten 
und  der  Sprache,  namentlich  für  die  Kenntniss  der  Volkssprache, 
sondern  auch  in  seiner  Art  ein  Kunstwerk,  voll  von  Geist,  feinster 
Menschenkenntniss,  überlegenem  Witz  und  heiterem  Humor. 
Seiner  Form  nach  ist  es  eine  satira  menippea,  aber  so  dziss 
durch*  die  eingelegten  Stücke  in  gebundener  Form  meist  zugleich 
bestimmte  Geschmacksrichtungen  parodiert  werden.  So  besonders 
in  den  umfangreichen  Epen  Troiae  halosis  und  Bellum  civile. 
Zwischen  dem  Verfasser  und  dem  von  Nero  im  J.  66  zum  Sterben 
genöthigten  Hofmann  C.  Petronius  besteht  Geistesverwandtschaft, 
ihre  Identität  aber  ist  nicht  sicher. 

1.  Titel  des  Werks  ursprünglich  wohl  Satirae,  in  den  Hdss.  theils 
erhalten  (satirarum  über  u.  dgl.)  theils  in  satiricon  oder  Petronii  Arbitri 
satirici  liber  u.  dgl.  verdorben;  am  vollständigsten  cod.  Trag.:  Petronii 
Arbitri  Satyri  fragmenta  ex  libro  XV  et  XVI;  s.  Bücheler's  Ausgabe  p.  VX  f. 
u.  p.  2.  Der  Name  Afranius^  der  sich  neben  Petr.  Arb.  in  Hdss.  findet, 
bezeichnet  dessen  Aehnlichkeit  mit  jenem  Togatendichter  in  puerorum 
foedis  amoribus  (oben  131,  1).  Für  Blumenlesen  ausgebeutet  gieng  das 
Ganze  selbst  um  so  leichter  verloren.  Schon  im  7ten  Jahrh.  scheint  man 
es  nicht  mehr  gehabt  zu  haben.  Aus  dem  9ten  Jahrh.  findet  sich  Kennt- 
niss und  Benützung  des  carmen  de  hello  civili.  Aus  saec.  X  oder  XI  ist 
die  älteste  Hds.  die  wir  haben,  cod.  Bernensis  (B);  saec.  XII  las  Johannes 
von  SaHsbury,  saec.  XIII  Vincentius  von  Beauvais  den  Petronius  in  der 
heutigen  Gestalt.  Bücheler's  Ausg.  p.  X  f.  Was  man  seit  dem  Ende  des 
17ten  Jahrh.  an  neuen  Bestandtheilen  des  Textes  von  Petronius  gefunden 
haben  wollte  hat  sich  alles  als  Täuschung  erwiesen;  so  besonders  das  im 
J.  1693  von  Fr.  Nodot  zu  Paris  Herausgegebene  (s.  Bücheier  p.  XLII), 
sowie  LaJlemands  angeblicher  St.  GaUer  Fund  (Paris  1800). 

2.  Die  erhaltenen  Handschriften  haben  im  Wesentlichen  dieselben 
Lücken  und  Verderbnisse,  gehen  daher  auf  Eine  Urhds.  zurück,  welche 
bereits  nur  Excerpte  aus  dem  vollständigen  Werke  des  Petronius  und 
ausser  diesen   auch   allerhand  kleinere  lateinische   Gedichte   und  Glossen 


664  I^ie  Kaiserzeit.    Erstes  Jahrhundert. 

enthielt  welche  von  unbekannten  aus  GelliuSf  Isidor  und  Kirchonschrift- 
stellem  gesammelt  waren  und  durch  das  räumliche  Zusammensein  mit  den 
Excerpten  aus  Petronius  unter  dessen  Namen  gelangten.  Vgl.  C.  Beck, 
Petronius  Arbiter  de  antiquis  dictionibus,  Cambridge  (in  Amerika)  1860. 
26  pp.  4.  und  dazu  A.  Beifferscheid  im  Rhein.  Mus.  XVI.  S.  1 — 12.  Aehn- 
liche  Miscellanhandschriften  sind  von  den  codd.  des  Petronius  der  Leidensis 
(L)  des  Jos.  Scaliger,  Bemensis  (B)  und  Traguriensia  (saec.  XV)  aus  Trau 
in  Dalmatien,  ujn  1650  gefunden,  jetzt  in  der  Bibliothek  zu  Paris  (A). 
Letzterem  ist  die  cena  Trimalchionis  angefügt  (H),  daraus  erstmals  ver- 
öffentlicht Patav.  1664  und  (durch  P.  Petitus)  Paris  1664.  üeber  die  Hand- 
schriften des  Petronius  überhaupt  s.  Bücheler's  Ausg.  p.  XII — XXXVI.  vgl. 
p.  XLIV  ff.  G.  Beck,  the  manuscripts  of  the  sat.  of  P.  A.  described  and 
coUated,  Cambridge  (Mass.  U.  S.)  1863.  218  pp.  4.;  über  die  leidner  und 
berner  Hds.  des  P.  und  ihr  Verhältniss  zu  einander,  im  Philologus  ^X. 
S.  293— äoi,  und  dagegen  Bücheier  ebd.  S.  726—730. 

3.  In  dem  Erhaltenen  ist  der  Redende  der  Freigelassene  Encolpius, 
welcher  die  Abenteuer  schildert  die  er  auf  einer  Reise  in  Gemeinschaft 
mit  einem  andern  Freigelassenen,  Ascyltos,  und  ihrem  puer,  IJamens  Giton, 
erlebt  hat.  Auf  Erlebnisse  in  Massilia  deutet  Apoll.  Sidon.  c.  XXIII,  155  f.; 
das  Erhaltene  aber  spielt  in  Unteritalien,  das  Meiste  in  einer  colonia  Cam- 
paniens,  etwa  Neapel  oder  (L.  Friedländer  im  Königsberger  Ind.  lect.  für 
1860  f.  61  f.)  Puteoli,  c.  116  ff.  in  Kroton.  Die  fingierte  Zeit  ist  die  des 
Tiberius  (Bücheier  p.  VTI),  wozu  auch  die  Erwähnung  des  (Mam.  Aemilius) 
Scaurus  (oben  271,  2)  c.  77  stimmt;  daneben  eingeflochtene  Anspielungen 
auf  Persönlichkeiten  aus  der  Zeit  des  Caligula  und  Nero  (Bücheier  p.  VIII). 
Meisterhaft  ist  die  Zeichnung  der  Charaktere,  meist  durch  deren  Selbst- 
darstellung,  doch  so  dass  zugleich  ein  leisironischer  Ton  hindurchklingt. 
In  genauester  üebcrcinstimmung  mit  Charakter  und  Verhältnissen  der  Per- 
sonen ist  ihre  Sprechweise:  bei  Encolpius  selbst  die  der  Gebildeten-  in  der 
besten  Zeit  der  Literatur  (C.  Beck,  the  age  etc.  p.  136 — 152),  nur  mit  der 
Zwanglosigkeit  des  Converaationstons  und  mit  einer  Anzahl  Wendungen 
und  Constructionen  des  ersten  christl.  Jahrh.  (unkritische  Sammlung  bei 
Beck  1.'  1.  p.  152 — 157),  bei  den  meisten  gelegentlichen  Sprechern  aber 
volksmässig,  voll  sprüch wörtlicher  Wendungen,  Derbheiten,  Hyperbeln,  So- 
löcismen,  Archaismen  und  (wegen  dos  halbgriechischen  Schauplatzes)  Grä- 
cisraen;  s.  G.  Studer,  Rhein.  Mus.  II  (1843)  S.  75 — 85.  C.  Beck,  the  age 
etc.  p.  106—134.  Vgl.  A.  9.  Die  Stücke  in  gebundener  Form  sind  meist 
dem  eiteln  und  geschmacklosen  Dichter  Eumolpus  in  den  Mund  gelegt;  so 
besonders  c.  89  die  Troiae  halosis  in  65  Senaren  und  c.  119 — 124  das 
bellum  civile  in  295  Hexametern.  Aber  auch  sonst  geht  die  Rede  sehr 
gern  aus  der  Prosa  über  in  poetische  Form;  so  c.  5,  83,  108,  127  f.,  131, 
133  f.,  135  f.,  139  Hexameter;  c.  14,  18,  80,  82,  109,  126,  132,  137  elegisches 
Mass;  c.  5  Hinkiamben;  Hendekasy Haben  c.  15,  79,  93,  109,  fr.  20;Loga- 
Öden  132;  loniker  23;  lamben  fr.  19,  21.  Dadurch  wird  der  Roman  zu 
einer  saüra  Menippea  (oben  28,  3). 

4.  Von  den  verschiedenen  Ansichten  über  das  Zeitalter  des  Werks 
verdient  Erwähnung  allenfalls  die  von  Niebuhr  (Abhandl.  d.  Berliner  Akad. 
1828.  IL  S.  250  ff.   =  kleine  philolog.   Schriften  S.   337  ff.),  welcher  das 


300.   Petronius.  665 

dritte  Jahrh.  (unter  Alexander  Severus)  annaLm,  veranlasst  durch  eine  In- 
schrift (Orelli  1175)  die  er  irrig  in  jene  Zeit  versetzte  und  deren  Personen 
er  irrig  mit  denen  bei  Petronius  identificierte ;  s.  W.  Teuffei,  Studien  und 
Charakt.  S.  391—393.  Bachelor  p.  lY  f.  not.  Andererseits  C.  Beck,  the  age 
of  Petronius  Arbiter,  Cambridge  (Mass.)  1856.  158  pp.  4.  (bes.  p.  100—104) 
setzte  es  zwischen  J.  6  und  34  n.  Chr.,  also  unter  Augustus  oder  Ti- 
berius;  s.  dagegen  Bücheder,  Rhein.  Mus.  XI.  S.  608  f.  Heutzutage  darf 
als  nahezu  allgemein  anerkannt  gelten  die  Datierung  unter  Nero;  s.  be- 
sonders G.  Studer,  Rhein.  Mus.  II.  S.  50—92.  202  f.;  F.  Ritter,  ebds.  S.  561 
—569;  W.  Teuffei,  ebd.  IV.  S.  514  f.  (Stud.  u.  Char.  S.  393  f.).  Neque 
homines,  res,  mores,  studia,  cultus  denique  omnis  humanus  civilisque  qualis 
describitur,  neque  genus  sermonis  arsque  metrorum  in  aliud  atque  Neronia- 
num  tempus  conveniunt.  certum  igitur  est  Senecae  Petronium  et  Lucano 
fuisse  aeqnalem  (Büpheler,  Ausg.  p.  V).  Schon  in  der  Zeit  des  Nero  eine 
Ausnahme,  wäre  in  den  folgenden  Zeiten  die  einfache  natürliche  Sprache 
dieses  Romans,  fem  von  allem  falschen  Pathos  und  rhetorischem  Flitter, 
eine  Unmöglichkeit  gewesen.  Anspielungen  auf  Seneca;  E.  Gottschlich,  de 
parodiis  Senecae  apud  Petronium,  in  den  Miscell.  philolog.  zu  Fr.  Haasens 
Jubiläum  (Breslau  1863)  p.  26 — 29.  Unverkennbar  ist  auch  dass  die  Troiae 
halosis  behandelt  ist  mit  Bezug  auf  ein  gleichartiges  Gedicht  von  Nero 
(oben  281,  8)  und  das  bellum  civile  die  Manier  des  Lucanus  durch  Ueber- 
treibung  persifliert,  aber  ohne  ihn  (als  noch  Lebenden)  zu  nennen;  s.  J.  G. 
Mössler,  de  Petr.  pocmate  de  hello  civili  (Breslau  1842)  und  quaestionum 
Petron.  spec.  quo  poema  de  hello  civüj  cum  Pharsalia  Lucani  comparatiir, 
Hirschberg,  1857;  spec.  II,  Hirschberg  1865.  4.  III.  1870.  4. 

5.  Tac.  A.  XVI,  17:  paucos  intra  dies  eodem  agmine  Annaeus  Mela, 
.  .  C.  Petronius  cecidere  (J.  66  =  819  d.  St.).  18:  de  C.  Petronio  pauca 
supra  repetenda  sunt,  nam  illi  dies  per  somnum,  nox  officiis  et  oblecta- 
mentis  vitae  transigebatur;  utque  alios  industria,  ita  hnnc  ignavia  ad  fa- 
mam  protulerat  habebaturque  non  ganeo  et  profligator,  .  .  sed  erudito 
luxu.  ac  dicta  factaque  eius  quanto  solutiora  et  quandam  sui  neglegen- 
tiam  praeferentia  tanto  gratius  in  spem  simplicitatis  accipiebantur.  pro- 
consul  tamen  Bithyniae  et  mox  consul  vigentem  se  ac  parem  negotiis 
ostendit.  dein  revolutus  ad  vitia  seu  vitiorum  imitatione  inter  paucos  fa- 
miliarium  Neroni  adsumptus  est,  elegantiae  arbiter,  dum  nihil  amoenum 
et  moUe  affluentia  putat  nisi  quod  ei  Petronius  adprobavisset.  Zum  Tode 
bestimmt  audiebat  referentes  nihil  de  immortalitate  animae  et  sapientium 
placitis,  sed  levia  carmina  et  faciles  versus.  Dass  die  ib.  19  f.  erwähnte 
Schrift  des  Petronius,  worin  er  flagitia  principis  sub  nominibus  exoletorum 
femiharumque  et  novitatem  cuiusque  stupri  perscripsit  atque  obsignata 
misit  Neroni,  mit  den  erhaltenen  satirae  nichts  zu  thun  hat  ist  durch  Fr. 
Ritter  (Rhein.  Mus.  ü.  S.  869—572)  nachgewiesen  und  durch  C.  Peter 
(Rom.  Gesch.  III,  1.  S.  360  Anm.)  wahrlich  nicht  widerlegt  worden.  Die 
Charakteristik  des  C.  Petronius  aber  würde  sehr  gut  auf  den  Charakter 
der  vorliegenden  satirae  passen;  nur  aber  ist  schriftstellerische  Thätigkeit 
jenes  Petronius  der  Stelle  des  Tacitus  nicht  nur  unbekannt  sondern  durch 
sie  ausgeschlossen;  s.  W.  Teuffei,  Studien  und  Char.  S.  394  f.  Wohl  mochte 
ein  ernsterer  Mann,  wie  Tacitus,   von  einer   Schrift   die  er  zur  Schmutz- 


666  Die  Kaiserzeit.   Ersies  Jahrhundei-t. 

literatur  zu  rechnen  ein  Recht  hatte  wenig  Eenntniss  nehmen;  aber  wenn 
sie  unter  dem  Namen  des  von  ihm  charakterisierten  Consularen  erschienen 
wäre  durfte  sie,  als  sprechendstes  Symptom,  nicht  unerwähnt  bleiben ,  und 
es  konnte  dann  jedenfalls  nicht  mehr  kurzweg  behauptet  werden:  illi  dies 
per  somniun  transigebatur.  Auch  wenn  sie  eine  Jugendschrift  desselben 
war  oder  erst  aus  seinem  Nachlasse  herausgegeben  wurde  war  dieses 
Schweigen  und  jene  Charakteristik  unmöglich.  Es  ist  daher  entweder  anzu- 
nehmen dass  die  satirae  ursprünglich  anonym  und  vielleicht  ausserhalb 
Boms  (in  Massilia?  Ap.  Sid.  XXIIl,  155)  erschienen  und  die  Zutheilung  an 
den  taciteischen  Petronius  eine  spätere  Combination  ist,  veranlasst  durch 
die  Verwandtschaft  der  Zeit  und  des  Geistes,  wobei  die  Bezeichnung  des 
Petronius  als  elegantiae  arbiter  Veranlassung  gegeben  haben  kann  ihm 
den  Beinamen  Arbiter  zu  schaffen;  oder,  falls  der  Verfasser  wirklich  Pe- 
tronius Arbiter  sich  nannte,  dass  er  nicht  der  taciteisohe  C.  Petronius  ist. 
An  der  Identität  beider  zweifelt  nicht  Borghesi,  Oeuvres  III.  p.  561  f. 

6.  Frühestes  Vorkommen  des  Namens  bei  Terent.Maur.  v.  2489  ff.  (Arbiter 
disertus)  und  2852  ff.  (Petronius).  Apoll.  Sidon.  carm.  IX,  268  nennt  Petr. 
in  einer  Aufzählung  von  Dichtern,  XXIII,  155  Arbiter  unter  den  berühmten 
Schriftstellern  eloquii  latini.  Ohne  selbständige  Eenntniss  urteilt  Lyd.  de 
mag.  I,  41  (oben  28,  2).  Macrob.  comm.  in  somn.  Sc.  I,  2,  8:  fabulae  .  . 
auditum  mulcent^  velut  comoediae  .  .  vel  argumenta  fictis  casibus  ama- 
torum  referta  (Romane),  quibus  vel  multum  se  Arbiter  exercuit  vel  Apu- 
leium  nonnumquam  iusisse  miramur.  Anführungen  des  Petronius  bei  Dio- 
medes  (Arbiter),  Servius,  Priscian,  Fulgentius  (Petr.  Arb.),  Sergius  u.  a.  zu- 
sammengestellt in'Bücheler*s  Ausg.  p.  206  ff.  ünbezeugt  ist  der  Name 
des  Petr.  für  die  Gedichte  Nr.  31—40,  60  —  52  bei  Bücheier;  A.  Riese  in 
Fleckeisens  Jahrbb.  99,  S.  281. 

7.  Ueber  die  Ausgaben  der  satirae  s.  Bflcheler  p.  XXXVII  ff.  Von  den 
vor  Auffindung  der  cena  Trimalc.  (A.  2)  erschienenen  sind  nennenswerth  die 
von  J.  Dousa  (Lugd.  1685  u.  sonst),  Qoldast  (Helenop.  1610.  Frankf.  1621), 
Gonsalez  de  Salas  (Francof.  1629.  4.);  von  den  späteren  besonders  die  von 
P.  Burmann  (Utrecht  1709.  4.  Amsterdam  1748.  4.;  J.  J.  Reiske,  libellus 
animadvers.  ad  alt.  ed.  Burmann.,  Lips.  4  Thle),  auch  C.  G.  Anton  (Lips. 
1781).  Texte  Lips.  1721,  Bipont.  1790.  Erste  kritische  Ausgabe  ex  recens. 
Fr.  Bücbeleri,  Berol.  1862;  TextausgLbe^jt_den  Priapeia}  ib.  1862. 

8.  Beiträge  zur  Textkritik  von  J.  C.  Orelli  (lectiQues  Petron.,  Zürich 
1836.  4.),  G.  Studer  (observatt.  critt.  in  Petr.  cen.  Trim.,  Bern  1839.  4.), 
W.  Wehle  (observatt.  critt.  in  Petr.,  Bonn  1861),  0.  Keller  (Rhein.  Mus. 
XVI.  S.  632—561),  C.  Beck  (oben  A.  2). 

9.  Ueber  Petr.  u.  sein  Werk  vgl.  W.  Teuffei  in  Pauly's  Real-Enc.  V. 
S.  1402—1406.  Fr.  Bücheier  im  Neuen  Schweiz.  Mus.  III  (Bern  1863) 
S.  17—31.    E.  Ludwig,  de  Petr.  sermone  plebeio,  Lips.  1870.  39  pp. 

10.  Uebersetzungen  von  W.  Heinse  (Rom  1773.  Schwabach  1783.  2  Thle.), 
Schlüter  (Halle  1792,  2  Thle.)  u.  a.  Das  Gastmahl  des  Trim.  von  Wel- 
lauer  (Jahns  Archiv  X.  S.  194—220)  und  Beriin  1843. 

289         301.    Zu   Anfang   der   Regierung   des  Nero  verfajsste  Cal- 
purnius    die  sieben  Eklogen  welche   in   strenger   Technik    die 


300  f.    Petronius.    Calpurnius  und  Nemesianus.  667 

Gegenstände  und  die  Art  des  Theokrit  und  der  vergilischen 
Bucolica  übertreibend  nachahmen,  mit  leidlichem  Geschmack, 
aber  höfischer  Gesinnung.  Aus  gleicher  Zeit  und  von  gleicher 
Richtung  sind  zwei  grössere  üeberreste  bukolischer  Gedichte  in 
einer  Einsiedler  Handschrift.  Zwei  Jahrhunderte  später  aber 
wurde  Calpumius  selbst  wieder  carikiert  und  geplündert  durch 
Nemesianus,  dessen  redselige  vier  Eklogen  in  Silbenmessung 
und  VBrsbau  andere  Grundsätze  befolgen,  aber,  räumlich  mit 
denen  des  Calpurnius  vereinigt,  lange  von  ihnen  nicht  unter- 
schieden wurden. 

1.  In  der  Handschrift  des  Thaddäus  Ugoletus  von  unbekanntem  Alter, 
nach  welcher  die  Ausgabe  des  Angelas  Ugoletus  (Parma  um  1490)  gemacht 
ist,  wird  der  Antheil  beider  Verfasser  scharf  geschieden  (nach  der  Aus* 
gäbe:  Titi  Calphurnii  Siculi  bucolicnm  Carmen  .  .  incipit;  Aurelii  Neme- 
siani  poetae  Carthaginiensis  ecloga  prima  incipit;  nach  Nie.  Angelius: 
finis  bucolicorum  Calphurnii.  Aurelii  Nemesiani  p.  carth.  ecloga  prima  etc., 
8.  M.  Haupt,  p.  11  f.),  und  auch  der  cod.  Neapol.  hat  wenigstens  noch  am 
Schlüsse  von  ecl.  11  die  Unterschrift:  Aureliani  Nemesiani  Carthag.  buc. 
explicit  (Haupt  p.  13).  Die  wesentliche  Verschiedenheit  der  Technik  ist 
nachgewiesen  worden  durch  M.  Haupt,  de  carminibus  bucolicis  Calpurnii  et 
Nemesiani,  Berlin  1864.  4.,  p.  1 — 6.  Die  Gedichte  des  Calpurnius  gebrauchen 
auslautendes  o  als  Kürze  nur  so  wie  die  strengsten  Dichter,  die  des  Ne- 
mesianus haben  bereits  mulcendo,  laudando,  ambo  u.  a.;  in  jenen  ist  die 
Sjnalöphe  sehr  selten:  in  768  Versen  finden  sich  (ausser  drei  zweifel- 
haften Fällen  von  Verschleifung  des  que  in  späteren  Füssen)  sichere  Bei- 
spiele derselben  nur  acht  und  immer  nur  im  ersten  Fusse,  nämlich  Ver- 
schleifung Ton  e  6mal,  von  ä  und  von  -um  je  einmal;  5  dieser  Fälle  finden 
sich  in  ecl.  3,  die  daher  vielleicht  die  früheste  ist,  je  einer  in  ecl.  1,  2,  5, 
keiner  in  ecl.  4,  6,  7;  dagegen  in  den  319  Hexametern  des  Nemesianus 
89  Fälle  von  Synalöphe,  wovon  drei  (8,  21.  9,  14.  82)  einen  langen 
Vocal  treffen  und  nur  die  Hälfte  den  ersten  Fuss.  Ein  Versschluss  wie 
■montivaguB  Pan  (ecl.  10,  17)  oder  eine  Messung  wie  futuri  (venturi?)  als 
Molossus  (ecl.  10,  28)  findet  sich  bei  Calpurnius  niemals.  Die  Cäsur  be- 
steht bei  Calp.  mehr  als  70mal  in  der  Combination  von  Tuicta  xqlxov  tqo- 
xaCov,  xQi^7iiup,sq7iq  und  sq>d"f}fMfisQrjg,  bei  Nemesianus  ist  sie  so  auf  die 
navd'rifUfisifTjs  eingeschränkt  dass  jene  Combination  nur  6mal  vorkommt 
Dagegen  stimmt  die  Technik  der  4  letzten  Eklogen  zu  der  von  Neme- 
sian's  Cynegetica  (Haupt  p.  9  f.).  Femer  wird  die  Identität  des  Verfassers 
aller  11  Eklogen  ausgeschlossen  durch  die  zahlreichen  Wiederholungen 
ganzer  Verse  und  Variation  von  Gedanken  und  Wendungen  welche  sich 
in  den  4  letzten  gegenüber  von  den  7  ersten  finden;  namentlich  ecl.  9 
(Nemes.  2)  ist  fast  ganz  aus  ecl.  2,  3  und  7  znsammengefiickt;  aber  auch 
in  ecl.  8  (Nem.  1)  ist  ecl.  1,  4  und  6  stark  ausgebeutet,  und  10  (Nem.  3),  2 
ist  identisch  mit  (Calp.)  6,  2.  Nachahmung  des  Statins  findet  sich  nie- 
mals in  ecl.  1 — 7,  wohl  aber  in  8-- 11,  wie  auch  in  Nemesian's  Cynegeticn, 


608  Dio  Kaiseraeit.   Erstes  Jahrhundert. 

(Haupt  p.  10  f.).    Vorliebe  für  parenthetisches   memini,  fateor  zeigen  nur 
die  7  ersten,  nicht  die  4  letzten  Stücke. 

2..  Die  Zeit  in  welcher  die  7  ersten  Eklogen  verfasst  sind  erhellt  mii 
Sicherheit  aus  ihren  zahlreichen  Anspielungen,  besonders  in  ecl.  1,  4  und  7^ 
(Haupt  p.  16—26).  Der  Fürst  (deus)  ist  ein  iuvenis  (1,  44.  4,  86.  137.  7,  6) 
von  jugendlicher  SqJiGnheit  (7,  84),  maternis  causas  qui  lusit  in  ulnis  (1,  44 
vgl.  oben  281,  7),  welcher  glänzende  Spiele  gibt  vor  denen  vilia  sunt 
quaecunque  prioribus  annis  vidimus  et  sordet  quidquid  spectavimus  olim 
(7,  44  f.),  mit  dessen  Regierungsantritt  eine  Aera  des  Friedens,  de^reiheit 
und  der  dementia  begonnen  hat  (1,  42 — 88.  4  passim).  Diess  Alles  stimmt 
zu  Nero  und  dem  hoffnungsvollen  Beginne  seiner  Regierung,  wie  auch  der 
im  Herbst  sichtbare  Komet  (1,  77  ff.)  zu  dem  kurz  vor  Claudius^  LebeuB- 
ende  (J.  807)  erschienenen.  Auch  Sprache  und  Metrik  dieser  7  Eklogen 
passen  dazu  vollständig,  und  nichts  in  ihnen  weist  über  diese  Zeit  hinaus. 
Der  Verfasser  klagt  über  seine  Armut  (4,  156  ff.)  und  sucht  durch  MelL 
böus  (nach  Sarpe,  quaest.  philol.  Rostock  1819.  4.  =»  Seneca,  nach  Haupt 
p.  26  f.  =»  Calpurnius  Piso)  seine  Lobgedichte  unter  die  Augen  des  Für- 
sten zu  bringen.  Ob  Siculus  seine  Heimat  bezeichnet  oder  von  Theokrit 
her  auf  ihn  übergetragen  ist  lässt  sich  nicht  entscheiden. 

3.  Schon  im  Antheile  des  Calpurnius  sind  Themata  und  Gedanken 
von  Theokrit  und  Vergil  nachgebildet,  im  sentimentaleh  und  declamato- 
rischen  Charakter  des  ersten  Jahrh.  und  unter  Verstärkung  der  Farben 
des  Originals  (z.  B.  2,  15).  Von  Nemesianus  werden  dann  wiederum  die 
Gfedanken  und  Wendungen  des  Calpurnius  ins  Plumpe  gesteigert,  nament- 
lich die  erotischen  Züge,  und  die  Rhetorik  der  Ausführungen  pflegt  sich 
lange  um  sich  selbst  zu  drehen,  üeberhaupt  zeigen  die  vier  letzten  Stücke 
bedeutend  geringere  dichterische  Befähigung  als  die  7  ersten. 

4.  Die  beste  Handschrift  der  11  Stücke  ist  der  Neapolitanus  aus  dem 
Anfang  von  saec.  XV;  Paris.  8049  saec.  XIH  (=  Heinsii  cod.  bei  Burmann?) 
enthält  nur  ecl.  1,  2,  3,  und  4,  1 — 12.  Eine  Abschrift  des  codex  von  Th. 
Ügoletus  (s.  A.  1)  ist  in  der  Riccardi'schen  Bibliothek.  Von  denjenigen 
welche  alle  1 1 .  Eklogen  dem  Calpurnius  zuschreiben  reicht  keine  über 
saec.  XV  zurück. 

5.  Editio  princeps  Rom.  1471  fol.  (mit  Silius  It.).  Später  häufig  mit' 
des  GratiuB  (oben  248,  1)  und  Nemesianus  Cynegetica  zusammen.  In 
Wernsdorfs  poetae  lat.  min.  II.  p.  73 — 214.  Recognovit,  annotatione  et 
glossario  instruxit  Chr.  D.  Beck,  Lips.  1803.  In  W.  E.  Webers  Corp. 
poetar.  lat.  p.  662 — 671.  Recens.  et  annott.  critt.  instr.  C.  E.  Glaeser, 
Gotting.  1842. 

Uebersetzt  von  Adelung  (Petersburg  1804.  4.),  Wiss  (Leipzig  1805), 
Klausen  (Altena  1807). 

6.  Beiträge  zur  Kritik  des  Calpurnius  bei  M.  Haupt  (s.  A.  1)  p.  27 — 32 
u.  E.  Bährens  (lection.  lat.  1870,  p.  35  f.);  zu  Nemesianus^  ecl.  bei  M.  Haupt 
p.  32  —  35,  zu  seinen  Cyneg.  ib.  p.  35—37;  zu  Calp*  u.  Nemes.  bei  J.  Mähly, 
über  Soph.  0.  C.  (Basel  1868)  S.  101—118. 

7.  Die  Einsiedler  Gedichte  (aus  einer  Hds.  saec.  X)   sind  zuerst  ver- 


301  f.   Calpomius  Sic.  und  Nemesianus.   Aetna.  669 

öffentlicht  von  H.  Hagen,  Philolojgus  XXVUI.  S.  338—341,  und  darnach  von  A. 
Riese,  Anthol.  lat.  726  f.  (II.  p.  180—183).  Vgl.  oben  29,  3.  BeitiÄge  zu 
deren  Textkritik  und  Würdigung  von  E.  Peiper  (praef.  in  Sen.  tragg.  suppl., 
Breslau  1870.  4.,  p.  27—32),  Bücheier  (Rhein.  Mus.  XXVI.  S.  235—240), 
Ribbeck  (ebd.  S.  406—410  vgl.  8.  491—493),  H.'  Hagen  (in  Fleckeisens 
Jahrbb.  103,  S.  139 — 152).  Das  erste  besteht  aus  49,  das  zweite  aus  39  Hexa- 
metern; jenes  ist  ein  Wettgesang  zwischen  Ladas  und  Thamyras  (iudice 
Mida),  das  zweite  ein  Zwiegespräch  zwischen  Glyceranus  und  Mystes.  Das 
zweite  ragt  an  Geist,  Naturwahrheit,  Witz  und  poetischem  Gehalt  über 
das  erste  weit  hervor;  doch  ist  daraus  nicht  (mit  H.  Hagen)  auf  Verschie- 
denheit des  Verfassers  zu  schliessen.  Der  Verfasser  des  ersten  ist  glück- 
licher gestellt  als  Calpurnius;  vgl.  v.  18:  et  me  .  .  Cynthius  .  .  laudatam 
chelyn  iussit  variare  canendo.  Der  Anfang  des  zweiten  (quid  tacitus,  Mystes?) 
stimmt  auffallend  überein  mit  dem  von  Calpurn.  ecl.  4,  wobei  Bücheier 
S.  239  f.  den  Calp.  für  den  Nachahmer  hält.  Nero  wird  in  der  Üblichen 
Weise  verherrlicht,  indem  Nr.  725  Nero^s  öffentliches  Auftreten  als  Eitharöde 
preist,  Nr.  726  die  Wiederkehr  des  goldenen  Zeitalters  unter  Nero.  Ver- 
Schleifung  eines  langen  Vocals  findet  sich  nur  einmal  (725,  45  ergo  ut); 
verkürzt  ist  nur  puto  (725,  11).  Als  Cäsur  findet  sich,  ausser  der  nsvd'Tj- 
fUfiSQTig,  die  Verbindung  von  t^/t.  zqox.  mit  Iqp^.  (A.  1)  in  Nr.  725  fünf- 
mal (v.  6,  8,  26  f.,  40),  in  Nr.  726  sechsmal  (v.  7,  10,  24,  31,  36,  39). 

302.   Der  Zeit  des  Nero  gehört  wohl  auch  das  Lehrgedicht290 
Aetna  an^  645  regelrecht  gebaute  Hexameter^  meist  in  trockenem 
Lehrtone  und  mit  eifriger  Bekämpfung  der  Volksvorstellungen. 
Der  Verfasser  derselben  ist  wahrscheinlich  der  literarisch  gebildete 
und  thätige  jüngere  Freund  des  Seneca^  Lucilius  Junior. 

1.  Dass  das  Gedieht  vor  dem  grossen  Ausbruche  des  Vesuv  J.  69  ver- 
fasst  ist  erhellt  aus  der  Nichterwähnung  desselben  (z.  6.  429  ff.  vgl.  605  ff.). 
Es  beginnt  mit  einer  ausführlichen  Bekämpfung  der  durch  die  Dichter  ver- 
breiteten mythischen  Vorstellungen  über  die  Ursachen  der  vulcanischen 
Erscheinungen  (fallacia  vatum  29  ff.;  stoHdi  mendacia  vulgi  366;  fabula 
mendax  511),  wie  überhaupt  der  anthropopathischen  Vorstellungen  (32  f. 
370).  Anstreifen  an  Epikureisches  (32  f.)  wie  an  Stoisches  (173  f.  537  ff.). 
Debita  carminibus  libertas  ista,  sed  omnis  in  vero  mihi  cura,  91  f.  Doctri- 
näre  Wendungen  sind  zahlreich;  s.  116  f.  143  f.  158  ff.  175.  188  ff.  219  ff. 
306  f.  829  f.  348.  387  f.  391  f.  399  f.  415  f  425  ff.  448  f.  510  f.  529.  536  f. 
Auch. wiederholen  sich  häufig  die  gleichen  Worte  und  Structuren.  Ueber- 
haupt  fehlt  es  dem  eigentlich  didaktischen  Theile  an  Manchfaltigkeit  und 
Leben;  eine  grosse  Bolle  spielt  die  Lava  (lapis  molaris).  Dagegen  hebt 
sich  die  Rede. und  wird  warm  wo  das  Genussreiche  und  Menschenwürdige 
der  Natnrbeobachtung  im  Gegensatze  zu  kleinlichem  Treiben  (224 — 281) 
imd  zu  entlegenen  Gegenständen  der  Thätigkeit  (568 — 598)  dargelegt 
wird.  Auch  die  Beschreibung  des  Aetnaausbruches  608  ff.  ist  lebendig. 
Benützung  von  Seneca's  nat.  quaest.  (z.  B.  v.  119  ff.  282  ff.)?  '^1.  Jacob 
p.  XVlll  f.  Deutlicher  sind  Anklänge  an  Lucretius.  Im  Allgemeinen  aber 
ist  die  Sprache  die  besonders  durch  Vergil  in  der  römischen  Poesie  con- 


070  I^ie  Kaieerzeit.    Erstes  Jahrhundert. 

ventionell  gewordene.  Die  Metrik  zeigt  daa  dem  ersten  halben  Jabrh. 
nach  August  eigenthfimliche  Schwanken  in  der  einzuschlagenden  Richtung. 
In  den  wesentlichsten  Punkten  an  Ovid  sich  anschliessend,  wiederholt  sie 
andererseits  in  Cäsuren  u.  s.  w.  gewisse  H&rten  Yergils,  ähnlich  wie  Ma- 
nilius  und  Statins  (L.  Müller). 

2.  Sen.  nat.  quaest  lY.  praef.  9  an  Lucilius:  ita  est,  mi  lunior.  Ger 
boren  war  er  (etwa  um  ein  Jahrzehnt)  später  als  Seneca  (ib.  III,  1,1:  apud 
te,  iuvenis  carissime,  invenio;  folgt  ein  Hexameter.  Epistw  26,  7:  iuvenior 
es),  zu  Pompeji  oder  Neapel  (Sen.  Epist.  49,  1.  63,  1.  70,  1),  in  beschränkten 
Verhältnissen  (nat.  quaest.  IV.  praef.  15:  eluctatus  natalium  angustias;  vgl. 
Epist.  19,  5.  44),  aus  denen  er  sich  durch  seine  Thätigkeit  emporarbeitete; 
Sen.  Ep.  44,  2 :  eques  rom.  es  et  ad  hunc  ordinem  tua  te  perduxit  industria. 
Vgl.  ib.  19,  3:  in  medium  te  protulit  ingenii  Tigor,  scriptorum  e^egantia, 
clarae  et  nobiles  amicitiae.  iam  notitia  te  invasit.  Nat.  quaest.  IV.  praef. 
l.'> — 17  lässt  ihn  Seneca  sagen:  non  mihi  in  amicltia  Gaetuüci  (oben  286,  1) 
vel  Caius  fidem  eripuit,  non  .  .  Messala  et  Narcissus.  .  .  videbam  apud 
Caium  tormenta,  .  .  non  tarnen  ferro  incubui  etc.  Amtliche  Thätigkeit  in 
Germanien,  Illyrien,  Africa  (Sen.  Epist.  31,  9),  zuletzt  lange  Zeit  kaiser- 
licher Intendant  (procurator)  in  Sicilien  (nat.  quaest.  IV.  praef.  1.  Epist. 
19,  6.  31,  9.  43,  3  u.  oft). 

3.  Literarisches  Interesse  des  Lucilius  lunior.  Sen.  nat  q.  IV.  praef.  1. 
Epist.  45,  1.  ib.  2,  2:  vide  ne  ista  lectio  auctorum  multorum  et  omnis  ge- 
neris  voluminum  habeat  aliquid  vagum  et  instabile.  .  Bildender  Einfluss  des 
Seneca  (Epist.  34,  2:  adsero  te  mihi,  meum  opus  es.  ego  cum  yidissem  in- 
dolem  tuam  inieci  manum  etc.).  Briefe  von  Lucilius  an  Seneca  von  diesem 
oft  erwähnt,  z.  B.  Epist.  59,  4:  audi  quid  me  in  epistula  tua  delectaverit: 
habes  verba  in  potestate.  non  eifert  te  oratio  nee  longius  quam  destinasti 
trahit.  (5.)  .  .  pressa  sunt  omnia  et  rei  aptata.  loqueris  quantum  vis  et 
plus  significas  quam  loqueris.  .  .  (6.)  invenio  tarnen  translationes  verborum, 
.  .  invenio  imagines  etc.  Literarische  Thätigkeit.  Bei  Sen.  nat.  quaest.  FV. 
praef.  14  sagt  Lucilius:  liberalibus  me  studiis  tradidi.  quamquam  pauper- 
tas  alia  suaderet  et  ingenium  eo  duceret  ubi  praesens  studii  pretium  est>, 
ad  gratuita  camiina  me  deflezi  et  ad  salutare  Studium  philosophiae  me 
contuli.  Aus  letzterem  Gebiete  war  wohl  die  von  Sen.  Epist.  46  erwähnte 
Schrift:  librum  tuum,  quem  mihi  promiseras,  accepi.  .  .  qui  quani' disertns 
fuerit  ex  hoc  intellegaR  licet:  levis  mihi  visus  est,  cum  esset  nee  mei  nee 
tui  corporis,  sed  qui  primo  adspectu  aut  T.  Livii  aut  Epicuri  posset  videri. 
Vgl.  ib.  23,  9:  Epicuri  tui.  Ein  eigentlicher  Epikureer  war  aber  Lucil.  so 
wenig  als  Seneca  ein  eigentlicher  Stoiker;  vgl.  ib.  107,  1  (Epicurus  noster). 
Nat.  quaest.  IV,  2,  2:  quare  non  cum  poeta  meo  (Lucil.)  iocor  et  illi  Ovi- 
dium  suum  impingo?  Insbesondere  war  Sicilisches  von  ihm  poetisch  bear- 
beitet; ib.  III,  26,  6  (hoc,  die  Sage  von  Arethusa,  et  a  te  traditum  est  ut 
in  poemate,  Lucili  carissime),  vgl.  den  Hexameter  ib.  1,  1.  Ausführung 
philosophischer  Gedanken  im  epischen  Masse,  Sen.  Epist.  24,  19 — 21.  Sen- 
tenzen im  Trimeter  ib.  8,  10.  Ibid.  79,  1:  exspecto  epistulas  tuas  quibus 
indices  mihi  circumitus  Siciliae  totius  quid  tibi  novi  ostenderit.  ib.  5:  Aet* 
nam  describas  in  tuo  carmine  et  hunc  solemnem  omnibus  poetis  locum  atr- 
tingas.  quem  quo  minuu  Ovidius  tractaret  nihil  obstitit  quod  iam  Vergilius 


302  f.   Aetna.   Luoilius  lunior.   Homerua  latinus.  671 

(gelegentlich)  impleverat.  ne  Severum  quidem  Comelium  uterque  detemiit. 
7:  ant  ego  te  non  novi  aut  Aetna  tibi  salivam  movet  iam  cupis  grande 
aliquid  et  par  prioribns  soribere. 

4.  Da  bei  Lucilius  hienach  sowohl  die  Lebenszeit  (A.  2)  zutrifPt  als  die 
phUoBophische  (epikureische)  nnd  literarische  (Ovid,  Seneca)  Richtung,  die 
Localkenntniss  (Sicilien)  und  die  Absicht  den  Aetna  zum  Gegenstand  eines  > 
Gedichtes  zu  machen  (A.  3),  so  hat  die  Urheberschaft  des  Lucilius  hohe 
Wahrscheinlichkeit,  und  es  fehlt  einzig  die  positive  Bezeugung,  üeberliefert 
ist  das  Gedicht  im  Anhange  zu  den  vergilischen  Gedichten  und  als  eines 
derselben;  s.  oben  225,  1.  A.  1  f.  Die  Zutheilung  an  Cornelius  Severus 
(oben  247,  5)  ist  eine  im  löten  Jahrh.  aufgekommene,  aber  durch  Nichts 
empfohlene  Folgerung  aus  Sen.  Epist.  79,  5  (s.  A.  3  E.). 

6.  DaA  Gedicht  Aetna  ist  lückenhaft  erhalten.  Die  beste  Quelle  ist  der 
verschollene  Florentinus  {ß  bei  Munro),  der  aber  nur  v.  138—286  enthielt  (s. 
Munro  p.  30 — 32);  die  vollständigste  und  allen  übrigen  weit  überlegene  der 
von  Munro  (s.  p.  29  f.)  verglichene  Cantabrigiensis  saec.  X  (a  bei  Munro). 
Mit  ihm  stimmt  meist  das  fragmentum  Stabulense  (aus  der  Abtei  Stavelot); 
8.  Bonnans,  coUation  des  167  premiers  vers  de  TAetne  de  L.  J.  avec  un 
fragment  mscr.  du  XI««  si^cle,  Brüssel  1864.  124  pp.  (Bulletin  p.  268—379); 
vgl.  F.W.  Schneidewin,  Götti.  Gel.  Anz.  1866,  St.  106.  Vertreter  der  inter- 
polierten Classe,  saec.  XIV  f. ,  sind  Munros  y  (aus  dem  British  Mus.,  Arundel 
133),  6  (Jacob's  Helmstad!^,  b  (Jacob's  ms.  3  =  Vratisl.),  f  (aus  dem  Brit.  Mus.). 

6.  Ausgaben  zuerst  an  Vergils  Werken,  z.  B.  Aid.  1517.  1534,  von  Sca- 
liger,  Lyon  1572  oder  1573,  Leiden  1596;  s.  Munro  p.  26 f.;  eigens  von  Th. 
Gorallus  (^»  John  Leclerc),  Amsterdam  1703.  1715;  in  Wemsdorfs  poetae  lat 
min.  IV.  p.  (79;  87—214  (216);  vgl.  ib.  p.  3—25.  In  W.  E.  Webers  corpus 
poet.  lat.  p.  1405  — 1410.  Mit  deutscher  Uebersetzung  von  C.  A.  Schmid 
(Braunschweig  1769)  und  J.  H.  F.  Meineke  (Quedlinburg  1818).  Bec.  notas- 
que  los.  Scaligeri,  Fr.  Lindenbruchii  et  suas  adiecit  (auch  eine  metrische 
Uebersetzung)  Fr.  Jacob,  Lips.  1826.  XXIV  u.  270  pp.  Revised,  emended 
and  explained  by  H.  A.  J.  Munro,  Cambridge  1867.  84  pp. 

7.  {britische  Beiträge  von  M.  Haupt  (Quaest.  Catull.  1841,  p.  54 — 68, 
vor  dem  Berliner  Ind.  lect.  1854.  20  pp.  4.  und  1859  f.  11  pp.  4.  sowie  im 
Hermes  III.  p.  338  —  341),  J.  Mähly  (Beiträge  zur  Kr.  d.  Lehj^ged.  Aetna, 
Basel  1862.  32  S.  4.),  E.  Bährens  (lectiones  latt.,  Bonn  1870,  p.  36  —  40). 

303.  Gleichfalls  noch  aus  dem  ersten  Jahrhundert  und  dersoi 
Zeit  der  julischen  Dynastie  ist  eine  metrische  Bearbeitung  des 
Inhaltes  der  Ilias  für  den  Bedarf  der  Schule.  Anfangs  fast 
Uebersetzung,  wird  die  Arbeit  allmählich  immer  mehr  Auszug. 
Selbständiges  Talent  verräth  der  Verfasser  nicht,  vielmehr  beutet 
er  besonders  die  Aeneis  und  die  Metamorphosen  stark  aus;  aber 
in  allem  Scliulmässigen,  besonders  der  Metrik,  ist  er  correct 
und  sorgfältig. 


t)72  pie  Kaiserzeit.    Eretes  Jahrhundert. 

1.  Von  den  1075  (1070)  Hexametern  aus  denen  das  Werk  besteht  fallen 
537  auf  die  ersten  fünf  Bücher  der  Ilias.  Besonders  genan  ist  der  Schiffs- 
katalog wiedergegeben,  und  die  zahlreichen,  oft  schwierigen,  Namen  sind 
fehlerlos  übertragen.  Am  wenigsten  genau  sind  die  Bücher  XIX  bis  XXII 
behandelt.  Einige  Male  erlaubt  sich  der  Verf.  auch  Erweitenmgen ,  bes. 
durch  Einschiebung  von  Gleichnissen  und  Schilderungen.  Vielleicht  legte 
er  eine  prosaische  Inhaltsangabe  der  Ilias  zn  Grunde.  Das  'Ausschreiben 
Vergils  und  Ovids  geht  weit,  und  die  Versnoth  ist  oft  genug  erkennbar. 
Auf  die  römischen  Dichter  vor  den  augusteischen  erstreckt  sich  des  Verfas- 
sers Horizo'nt  nicht;  kaum  dass  auf  Lucretius  schwache  Spuren  hindeuten. 
Der  Versbau  ist  fast  pedantisch  streng.  Auf  Abfassung  unter  der  julischen 
Dynastie,  spätestens  unter  Nero,  deutet  v.  904  —  907  W.  =-  899— -902  M.: 
quem  (Aeneas)  nisi  servasset  magnarum  rector  aquarum,  ut  profugus  latus 
Troiam  repararet  in  arvis  augustumque  genus  coeli  submitteret  aetris,  non 
clarae  gentis  nobis  mansisset  origo.  Vgl.  235  (sacer  Aeneas).  483  (Veneris 
pulcerrima  proles).  C-  Lachmann,  Monatsber.  der  Berl.  Akad.  Januar  1841 
(vor  dem  Tode  des  Tiberius);  vgl.  zum  Iwein  8.  527  und  zu  Lucret.  III,  11. 
L.  Müller,  über  den  Auszug  u.  s.  w.  S.  15,  und  im  Philologus  XV.  S.  479 
— 482.  502.  Von  ähnlicher  Art  scheint  in  dieser  Zeit  das  Unternehmen  des 
Polybius  (oben  226,  5  vgl.  284,  4)  gewesen  zu  sein. 

2.  Die  epitome  wurde  im  Mittelalter  viel  benützt  und  meist  als  Home- 
rus  bezeichnet.  Doch  findet  sich  schon  im  elften  Jahrh.  (erstmals  erweislich 
bei  dem  Abt  Benzo,  vor  1106;  s.  "Philologus  XV.  S.  475)  für  den  Verfasser 
derselben  der  Name  Pindarus  (Thebanus) ,  der  wohl  irgend  welchem  Missver- 
ständnisse  seine  Entstehung  verdankt;  L.  Müller,  Rhein.  Mus.  XXIV.  S.  492  f. 
meint,  dem  Missvorständnisse  von  Horaz  0.  IV,  9,  5  ff.  Ueber  spätere  Be- 
nützungen durch  Albert  von  Stade,  Guido  de  Columna  und  die  Trojumanna 
saga  s.  H.  Dunger,  die  Sage  vom  trojanischen  Kriege  (Dresden  1869)  S.  28. 
63  f.  78. 

3.  Von  den  zahlreichen  Handschriften  reichen  wenige  (wie  der  Florent.) 
über  saec.  XII  zurück;  die  besten  (wenigst  intei-polierten)  sind  eine  von  Bur- 
mann (v.  1—644),  eine  Erfurter  (Ritschi,  Rhein.  Mus.  I.  S.  137—140)  und  die 
zweite  Leidner.  Vom  elften  Jahrh.  an,  wo  der  Auszug  in  Schulen  gelesen 
wurde,  erfolgten  auch  zahlreiche  luterpolationeu  und  Aenderungen.  L.  Mül- 
ler, über  den  Auszug  u.  s.  w.  S.  11 — 14,  und  Ueber  die  zweite  Leidner  Hds. 
des  Hom.  lat.,  in  Fleckeisens  Jahrbb.  85,  S.  729—732.  Ueber  eine  Brüsseler 
Hds.  s.  Reiffenberg  im  Annuaire  III.  p.  189  ff. 

4.  Ausgaben  der  epitome.  Erste  datierte  Parm.  1492;  vielleicht  noch 
früher  eine  s.  1.  et  a.  Von  späteren  bes.  die  Wernsdorfs  in  seinen  poetae 
latini  minores  IV.  p.  617  —  752,  wozu  vgl.  ib.  p.  546  —  567.  598  —  604.  608 
— 616.  Incerti  auctoris,  vulgo  Pindari  Theb.  epitome  Iliadis  homericae  e 
rcc.  et  cum  notis  Th.  van  Kooten;  edidit  .  .  H.  Weytingh,  Lugd.  Bat.  et 
Amstelod.  1809.  L.  Müller,  über  den  Auszug  aus  der  Ilias  des  sog.  Pinda- 
rus Theb.  (Berlin  1857)  S.  16—46,  und  dazu  seine  Nachträge  im  Philologus 
XV.  S.  483—507. 

5.  Th.  Bergk.  Philologus  XIV.  S.  184,  vermutet  dass  der  Verfasser  der 
bei  Persius  I,  50  (Ilias  Atti  ebria  veratri)  als  Verfasser  einer  nüchternen 


303  fF.   HomeruB  iat.  Gedichte  des  cod.  Voss.   Die  Flavier.         G73 

« 
Ilias  genannte  Attius  sei,  welchen  man  häufig,  mit  ib.  4  (ne  mihi  .  .  La- 

beonem  praetulerint)  combinierend ,  Attius  Xabeo  nennt.    Dagegen  vgl.  L. 

Müller  in  Fleckeisens  Jahrbb.  83,  S.  652  f.    M.  Haupt  im  Berliner  ind.  lect. 

1859  f.  p.  4.    Schol.  Pers.  I,  4  (p.  248  J.):  quia  Labeo  transtulit  Iliada  et 

Odysseam,  verbom  ex  vcrbo,  ridicule  satis,  quod  verba  potius  quam  sensum 

Bccutus  sit.    eins  est  ille  versus:  crudum  manduces  Priamum  Priamique  pi- 

sinnos.   Nicht  identisch  damit  und  daher  kaum  als  Quelle  jenes  Scholions  zu 

betrachten  ist  die  Fassung  (ib.  not.  5):  Labeo  poeta  latinus  fuit,  ut  Fulgen- 

tius  in  libro  etymologiarum  ait,  qui  carmen  et  opus  homericum  convertit  * 

in  latinum  et  placuit  non  magis  auditoribus  quam  lectoribus;  eins  versus 

est  crudum  etc.    Auch  ist  es  wenig  glaublich  dass  dieser  Vers  von  Fulgen- 

tius  erdichtet  sei,  wie  0.  Jahn  meint,  Berichte  der  sächs.  Ges.  d.  W.  1856, 

S.  301  f.  vgl.  Ausgabe  des  Pers.  p.  LXXII  f.    Combination  beider  Namen 

schon  Schol.  Pers.  I,  50  (p.  259  J.):  Attius  Labeo  poeta  indoctus  fuit  illorum 

temporum,  qui  Iliada  Homeri  versibus  foedissime  composuit. 

304.  Endlich  sind  Erzeugnisse  des  ersten  Jahrhunderts  wohl 
auch,  mit  wenigen  Ausnahmen,  die  Gedichte  des  codex  Vossianus 
86/  sowohl  wegen  ihres  Gedankenkreises  als  wegen  ihrer  tech- 
nischen Eleganz. 

1.  Abdruck  der  Gedichte  des  cod.  Voss.  saec.  IX  (in.)  besonders  bei 
Riese,  Anthol.  Iat.  Nr.  392—480  (L  p.  257—295;  vgl.  ib.  p.  XXXVIII— XLI. 
IL  p.  LXIV).  Die  ersten  (Nr.  392  —  395)  sind  aus  späterer  Zeit,  der  des 
Trajan  und  Ausonius.  Dagegen  ohne  Zweifel  aus  dem  ersten  Jahrh.  sind 
alle  diejenigen  welche  sich  mit  Stoffen  aus  der  letzten  Zeit  der  Bepublik 
beschäftigen.  Diess  thun  die  meisten  in  oppositioneller  Richtung.  So  die 
Verhertlichungen  des  Cato  Uticensis,  des  Pompejus  und  seiner  Söhne,  die 
Warnungen  vor  dem  Hofleben,  der  Preis  der  Einfachheit  und  Zurück- 
gezogenheit. Monarchistisch  dagegen  sind  die  Gedichte  zum  Preise  Caesars 
(bes.  seines  Zuges  nach  Britannien)  und  über  den  Tod  der  Brüder  Maevius 
im  Bürgerkriege  zwischen  Antonius  und  Octavian  (Nr.  462  f.;  bei  Werns- 
dorf  in.  p.  199  —  205,  vgl.  p.  134  —  136),  wahrscheinlich  aus  der  Zeit  des 
Claudius;  farblos  das  über  den  Tod  der  beiden  Casca  (Nr.  457).  Der  rhe- 
torische Charakter  tritt  überall  stark  hervor,  wie  in  der  Chrie  auf  die  spes 
(Nr.  415;  bei  Wernsdorf  lll.  p.  226—234;  vgl.  p.  141  f.)  und  in  den  beiden 
Elegieen  auf  die  Maevii  fratres.  Ein  Theil  der  Gedichte  trägt  den  Namen 
Petronius;  s.  oben  300,  6. 

2.  üeber  die  Elegieen  auf  Maecenas  s.  oben  226,  6. 

2.  Die  Zeit  der  flaTischen  Dynastie ,  J.  69—90  n.  Clin 

305.  Nachdem   mit   Nero    die    julisch-claudische   Dynastie  292 
und  die  Erbmonarchic  erloschen  war  und  die  Kämpfe  über  des- 
sen  Nachfolger  ein  Jahr  lang  das  Reich  in   allen  seinen  Thei- 
len  zerrüttet   und  die  letzten  Kräfte   des  Römerthums   verzehrt 
hatten    gelangte   in  Vespasianus    (J.  69  —  79)    der  tüchtigste 

TutriTKL,  Rom.  Literatargeschicbte.    2.  Aufl.  43 


674  Die  Kaiserzeit.   Erstes  Jahrlmndort.   Flavier. 

unter  den  Bewerbern  auf  den  Thron.  An  die  Stelle  junkerhafter 
Willkür  und  Ausbeutung  des  Staates  für  die  Gelüste  des  Herr- 
sehers trat  nun  geschäftsmännische  Nüchternheit.  Nach  der 
Aufregung  und  Erschöpfung  der  letzten  Zeit  konnte  das  Reich 
unter  ihm  sich  wieder  sammeln.  Unbestritten  folgte  ihm  sein 
Sohn  Titus,  dessen  kurze  Regierung  (J.  79  —  81)  zum  Guten 
^  noch  die  Freundlichkeit  zu  fügen  sich  bemühte.  Aber  schon 
in  ihrem  dritten  Gliede  entartete  die  Dynastie,  in  des  Titus 
Bruder  Domitianus  (J.  81  —  96),  dessen  Bösartigkeit  mit  den 
schlimmsten  Herrschern  des  claudischen  Hauses  wetteiferte.  Die 
Literatur,  die  unter  Vespasian  den  Segen  des  Friedens  miter- 
fahren hatte,  litt  unter  Domitian  durch  dessen  Eitelkeit  nicht 
minder  wie  durch  seine  Grausamkeit. 

1.  Darstellungen  der  Geschichte  der  Dynastie  bei  Tillemont,  E.  v,  Wie- 
tersheim  (Gesch.  der  Völkerwanderung  I.  Cap.  VIII),  Merivale,  C.  Peter 
(Geschichte  Roms  III,  2.  Halle  1869.  S.  1—140).  E.  Beul^,  Titus  et  sa 
dynastie,  Paris  1870. 

2.  C.  E.  Peter,  de  fontibus  historiae  imperatorum  Flaviorum,  Halle  186G. 

3.  Tac.  Hist.  II,  101:  scriptores  temporam  qui  potiente  rerum  Flavia 
domo  monimenta  belli  huiusce  (vom  J.  69)  composuernnt  .  .  corruptas  in 
adulationem  causas  tradidere.  Diess  bezieht  Momrasen  hauptsächlich  auf 
Cluvius  Rufus  (unten  309,  2),  Nissen  mit  besseren  Gründen  auf  die  Histo- 
rien des  Plinius  (unten  307,  5). 


•J'J.'i 


306.  Obwohl  tiberwiegend  praktisch  tüchtig  und  beherrscht 
von  dem  Streben  nach  den  tollen  Verschwendungen  der  letzten 
Jahrzehnte  den  Staatsschatz  wieder  zu  füllen,  besass  und  be- 
thätigte  Vespasianus  doch  auch  Interesse  für  Bildung  und 
Literatur,  und  verfasste  Denkwürdigkeiten.  Begünstigt  von  ihm 
und  seinem  Sohne  Titus  sammelte  und  schrieb  der  ältere  Plinius, 
dichteten  Valerius  Flaccus,  Saleius  Bassus,  Curiatius  Matemus, 
Silius  Italicus,  Turnus.  Von  den  Rhetoren  ist  der  angesehenste 
Julius  Gabinianus,  und  auch  Quintilians  Lehrthätigkeit  fallt 
grösstentheils  in  diese  Zeit.  Für  die  Geschichtschreibung  leistet 
das  Meiste  der  Jude  Josephus,  aber  in  griechischer  Sprache  und 
oft  genug  die  Wahrheit  selbstsüchtig  fälschend. 

1.  T.  Flavius  Vespasian u«  geb.  17.  Nov.  762  (9  n.  Chr.),  Cos.  804 
=  51,  Procos.  in  Judäa  J.  67  ff.,  von  wo  aus  ihm  seit  Juli  69  besonders 
Mucianus  (unten  309,  1)  den  Thron  erkämpfte.  Seit  dem  Tode  des  Vitellius 
(22.  Dec.  69)  anerkannter  Herrscher,  f  23.  Juni  79  =  832;  a.  W.  Teuffei 
in  Pauly's  Real-Enc.  VI,  2.   S.  2478—2487. 

2.  Richter,  das  Verhältniss  des  K.  Vespasianus  zur  Literatiur,  Plauen 


305  ff.   VespasianuB.    Titus.   Plinius  maior.  675 

1866.  4.  Tac.  Hiat.  II,  80:  concurrentes  (AntiocheDses)  .  .  adloquitur  (Vesp.), 
satig  decoras  etiani  graeca  facimdia.  Aus  einer  Bede  des  Vesp.  im  Senat 
Orelli  Inscr.  750.  Joseph,  vit.  65  (p.  340,  18  f.  Bk.):  iv  roig  Ovsanaaiavov 
Tov  avtonQccTOQog  vnofivrjfiaaiv  ovtoa  yfyqccntaL.  (p.  343,  9:)  totg  KaCaaqog 
vnopLvrJiiaaiv  IvavrCav  nenoirjaai  triv  y^atpriv.  Vgl.  c.  Apion.  I,  10 :  zoig  tcov 
ciüto%i^ax6qoiv  (Vesp.  und  Titus?)  vnofivrjfjLaöiv.  Suet.  Vesp.  18:  primus  e  fisco 
latinis  graecisque  rhetoribus  annua  centena  constituit.  praestantis  poetas 
(wie  den  Saleius  Bassus,  unten  313,  2)  nee  non  artifices  .  .  magna  mercede 
donavit.  Dass  er  gegen  die  Philosophen  anders  yerfuhr  und  sie,  wie  die 
Astrologen,  aus  Rom  verwies  geschah  auf  Betreiben  des  Mucianus  und  weil 
die  damaligen  Vertreter  der  Philosophie  in  ihrer  Rücksichtslosigkeit  als  ein 
gefährliches  Element  politischer  Unzufriedenheit  und  Unordnung  erschienen. 
Dio  LXVI,  13  (J.  71):  ag  ovv  nccl  äXXoi  nolXol  in  rav  arcaiTLÖav  naXovfitvoyt/ 
Xoytov  itQoax^^vreg ,  ftf-O*'  odv  jdrj^rjXQiog  6  xvvtxos,  Gv%va.  %a\  ovyt,  InitriSiia 
Totg  naqovai  driiioGi«,  zip  rrjg  qjiXoaotpiag  nqoa%ri^aTi  %ata%q(üiLfvoi  ^  dieXs- 
yovTO  .  .  ^nsiasv  o  Movaiccvog  tov  Ovsanaaiavov  itccvtag  tovg  roiovrovg  i% 
trjg  TtoXfong  iTißaXELV.  .  .  xal  ndvtag  ofur^xa  tovg  <pLXoa6(povg  6  OvsüTtaaia- 
vog,  nXrjv  rov  Movaoviov  (oben  294,  3),  1%  xfjg  ^Pto^rig  t^sßaXsv,  tov  Se  Srj 
drjiiTjzqtov  aal  tov  'OatiXiov  xal  ig  vrjaovg  natiuXuGBv.  xal  6  [u-v  ^OatCXiog, 
et  aal  .  .  noXX^  nXelti)  -nata  r^g  fiovagx^ccg  ncctedQuiisv^  Oftoag  nciQaxQTnia 
^stiati]'  TCO  ÖS  drjiiritQLa)  /li/j^  cog  uTrentovrt  iiitXsvatv  6  Oveanaaiavbg  Xsx- 
^rfvccL  Ott  av  filv  navta  notiig  ivcc  es  dnontsiviOj  iya  öh  %vva  vXct%t6vvta 
ov  (povsvon.     Vgl.  oben  294^  12. 

3.  Titus  Vespasianus,  geb.  30.  Decbr.  40  oder  41  (793  oder  794),  erobert 
Jerusalem  8.  Sept.  70,  factischer  Mitregent  seines  Vaters  seit  71,  Kaiser  seit  79, 
t  13.  Sept.  81  =  834.  Heimbrod,  Titi  .  .  vita,  in  Jahns  Archiv  VIH  (1842). 
p.  383—399.  W.  Teuffei  in  Pauly's  Real-Enc.  VI,  2.  S.  2487—2493.  J.  Stange, 
de  Titi  imp.  vita  I,  Breslau  1870.  48  pp.  An  ihn  gerichtet  ist  des  älteren 
Pliniua  praefatio  zur  n.  h.,  wo  z.  B.  11:  te  quidem  in  excelsissimo  generis 
humani  fastigio  positum,  summa  eloquentia,  snmma  eruditione  praeditum  etc. 
Vgl.  ib.  Ö:  fulgurat  in  nuUo  umquam  verius  dicta  vis  eloquentiae,  tribunicia 
postestas  facundiae.  quanto  tu  ore  patris  laudes  tonas,  quanto  fratris  amas 
(famas  Detl.)!  quantus  in  poetica  es!  Ibid.  II  25,  89:  ocisaimo  significatu 
haec  fuit  (stella  crinita,  Komet)  de  qua  quinto  consulatu  suo  (J.  76=829) 
Titus  imperator  Caesar  praeclaro  carmine  perscripsit. 

307,  Der  ältere  Plinius,  C.  Plinius  Secundus  aus  Ober-294 
italien  (J.  23 — 79  n.  Chr.),  wusste  durch  angestrengten  Fleiss 
und  geizigste  Zeitbenützung  eine  ausgedehnte  amtliche  W^irk- 
samkeit  als  Offizier  und  Finanzbeamter  in  verschiedenen  Theilen 
des  Reiches  zu  verbinden  mit  den  umfassendsten  und  vielseitig- 
sten Studien  und  einer  fruchtbaren  literarischen  Thätigkeit  auf 
den  Gebieten  der  Taktik,  Geschichte,  Grammatik,  Rhetorik  und 
der  Naturwissenschaften.  War  seine  Schriftstellerei  auch  auf 
den  meisten  Gebieten  eine  zusammentragende  und  auf  Gleich- 
mlissigkeit  oder  gar  Schönheit  der  Form  verzichtende,  so  erregt 

43* 


076  Die  Kaiserzeit.   Erstes  Jahrhundert.   Flavier. 

sie  doch  Bewunderung  durch  ihren  Umfang,    und  dass  sie  vom 
c       lebendigsten  Wissensdrange  ausgieng  zeigt  der  Tod  des  Plinius 
beim  Ausbruche  des  Vesuv,  als  Opfer  seines  Forschungseifers. 

1.  Suet.  ed.  EeifFsch.  p.  92  f.:  Plinius  Secundus  Novocomensis  (er  nennt 
praef.  1  den  CatuU  seinen  conterraneus)  equestribus  militiis  Industrie  functus 
(besonders  in  Germanien,  wo  er  wohl  auch  das  castrense  contubernium  mit 
Titus  hatte,  s.  n.  h.  praef.  3)  procurationes  quoque  (in  Gallia  Narboncnsis, 
Hispania  Tarraconensis ,  unter  Vespasian  als  procurator  Caesaris)  splendi- 
dissimas  et  continuas  summa  integritate  administravit  et  tarnen  liberalibus 
studiis  tantam  operam  dedit  ut  non  temere  quis  plura  in  otio  scripserit. 
itaque  bella  omnia  quae  umquam  cum  Germanis  gesta  sunt  XX  volumini- 
bus  comprehendit,  item  naturalis  historiae  XXXVII  libros  absolvit.  periit 
clade  Campaniae;  cum  enim  Misenensi  classi  praeesset  et  flagrante  Vesuvio 
ad  explorandas  propius  causas  liburnica  pertendisset  .  .  vi  pulveris  ac  fa- 
villae  oppressuB  est,  vel,  nt  quidam  existimant,  a  seiTO  suo  occisus,  quem 
acstu  deficiens  ut  necem  siti  maturaret  oraverit.  Beschreibung  letzterei' 
Katastrophe  (IX  kal.  sept.)  in  dem  Briefe  des  jungem  Plinius  an  Tacitus, 
Kp.  VI,  16  (petis  ut  tibi  avunculi  mei  exitum  scribam,  quo  verius  tradere 
posteris  possis  etc.)  vgl.  VT,  20  (ais  te  adductum  littcris  quas  exigenti  tibi 
de  morte  avunculi  mei  scripsi  cupere  cognoscere  quos  ego  Miseni  relictus 
.  .  casus  pertulerim  etc.). 

2.  Plin.  Epist.  ni,  5,  1  if.  (an  Baebius  Macer):  pergratum  est  mihi  quod 
tarn  diligenter  libros  avunculi  mei  lectitas  ut  habere  omnes  velis  quaeras- 
que  qui  sint  omnes.  (2.)  fungar  iudicis  partibus  atque  etiam  quo  siut 
ordine  scripti  notum  tibi  faciam.  .  .  (3.)  ,De  iaculatione  equestri  unus* 
(vgl.  n.  bist.  VIII,  162:  nos  diximus  in  libro  de  iaculatione  equestri  condito). 
hunc  cum  praefectus  alae  militaret  (in  Germanien)  pari  ingenlo  curaque 
composuit.  ,De  vita  Pomponi  Secundi  duo*,  a  quo  (oben  279,  7)  singulariter 
amatus  hoc  memoriae  amici  quasi  debitum  munus  exsolvit.  (4.)  ,BelIorum 
Germaniac  XX',  quibus  omnia  quae  cum  Germanis  gessimus  bella  coUegit 
(vgl.  A.  1  u.  5,  Tac.  A.  I,  69:  tradit  C.  Plinius,  germanicorum  bellorum  scriptor, 
und  Symmach.  ep.  IV,  18).  incohavit  cum  in  Germania  militaret,  somnio 
monitus.  .  .  (6.)  ,  Studiosi  III*,  in  VI  volumina  propter  amplitudinem  divisi, 
quibus  oratorem  ab  incunabulis  instituit  et  perficit  (vgl.  A.  3).  ,Dubii  ser- 
monis  VIII*  (vgl.  A.  4).  scripsit  sub  Nerone  novissimis  annis,  cum  omne 
studiorum  genus  paulo  liberius  et  ercctius  periculosum  servitus  fecisset. 
(6.)  ,A  fine  Außdii  Bassi  XXXP  (vgl.  Anm.  6).  ,Naturae  historiarum  XXXVIl*, 
opus  diffusum,  eruditum,  nee  minus  varium  quam  ipsa  natura.  (7.)  miraris 
quod  tot  volumina  multaque  in  his  tarn  scrupulosa  homo  occupatus  ab- 
solverit?  magis  miraberis  si  scieris  illum  aliquamdiu  causas  actitasse,  de- 
cessisse  anno  sexto  et  quinquagesimo,  medium  tempus  distentum  impeditum- 
que  qua  ofBciis  maximis  qua  amicitia  principum  egisse.  (8.)  sed  erat  acre 
ingeninm,  incredibije  Studium,  summa  vigilantia.  .  .  (9.)  ante  lucem  ibat 
ad  Vespasian  um  imperatorem  (nam  ille  quoque  noctibus  utebatur),  inde  ad 
delegatuni  sibi  officium,  reversus  domum  quod  relicum  temporis  studiis 
reddebat.  (10.)  post  cibum  saepe  .  .  über  legebatur,  adnotabat  excerpebat- 
que.    nihil  enim  legit  quod  non  excerperet.    .  .  (11.)  .  .  super  haue  (cenam) 


307.    PlimuB  maior.  677 

liber  legebatur",  adnotabatur,  et  quidem  cursim.  .  .  (13.)  tanta  erat  parsi- 
monia  temporis.  .  .  (14.)  .  .  dum  destriiigitur  tergiturque  (im  Bade)  audie- 
bat  aliquid  aut  dietabat.  (15.)  in  itinere  .  .  huic  uni  vacabat:  ad  latus  uo- 
tarius  cum  libro  et  pugillaribus,  cuius  manus  hieme  manicis  municbantur. 
.  .'(16.)  .  .  perire  omne  tempus  arbitrabatur  quod  studiis  non  impenderetur. 
(17.)  hac  intentione  tot  ista  volumina  peregit  electonmique  commentarios 
CLX^  mihi  reliquit,  opistliographos  quidem  et  minutissime  scriptoB.  .  .  re- 
fcrebat  ipse  potuisse  se,  cum*  procuraret  in  Hispania,  vendere  hos  commen- 
tarios Largio  Licino  CCCC  milibus  nummum,  et  tunc  aliqnanto  pauciores 
erant. 

3.  GelliuB  IX,  16,  1  ff.:  Plinius  Secundus  existimatus  est  esse  aetatis 
Huae  doctiesimus.  is  libros  reliquit  qnos  Studiosorum  inscripsit,  non  medius- 
fidius  usquequaque  aspernandos.  in  his  libris  multa  varie  ad  oblectandas 
cruditorum  hominum  aures  ponit.  refeii)  etiam  plerasque  sententias  quas 
in  dcclamandis  controversiis  lepide  arguteque  dictas  putat.  Also  eine  An- 
leitung zur  Beredtsamkeit  mit  Beispielen.  Quintil.  III,  1,  21:  scripsit  de 
eadem  materia  (Rhetorik)  .  .  accuratiua  .  .  aetatis  nostrae  Verginius ,  Plinius, 
Tutilius.  XI,  3,  143:  qui  de  gestu  scripserunt.  .  .  quo  magis  miror  Plinii 
Secundi,  docti  hominis  et  in  hoc  utique  libro  paene  etiam  nimium  curiosi, 
persuasionom  etc.  ib.  148:  quo  magis  miror  hanc  quoque  succurrisse  Plinio 
curam  etc.  Seiner  sonstigen  schriftstellerischen  Bedeutung  gälte  es  daher 
falls  er  gemeint  ist  ib.  111,  4,  2:  nunc  maximo  temporum  nostrorum  auctore 
prope  impulsum  (est). 

4.  Plin.  n.  h.  ])raef.  28:  ego  plane  meis  adici  posse  multa  confitcor, 
nee  his  solis  sed  et  omnibus  quos  edidi,  ut  obiter  caveam  istos  Homero- 
iiiastigas  .  . ,  quoniam  audio  et  stoicos  et  dialecticos ,  Epicureos  quoque 
(uam  de  grammaticis  semper  expectavi)  partnrire  adversus  libellos  quos 
de  grammatica  edidi.  Das  Werk  handelte  von  den  zweifelhaften  Formen 
in  Declination,  Conjugation  und  Wortbildung,  lunfasste  neben  der  Laut- 
und  Flexions- Lehre  auch  die  Etymologie  und  die  Redetheile  und  wurde 
bis  in  das  Mittelalter  hinein  von  den  Grammatikern  benützt  und  angeführt. 
Besonders  Charisius  citiert  es  häufig,  in  den  Partien  aus  lulius  Romanus; 
Priscian  VI,  44  (p.  233,  13  H.:  Plinius  Secundus  in  I  artium)  und  78 
(p.  262,  18  II.:  Plinius  Secundus  in  I  artis  grammaticae)  g\bt  den  Tit«l 
ungenau  wieder.  Lorsch,  Sprachphilos.  d.  Alten  I.  S.  150  ff.  Alfr.  Schott- 
müller, de  C.  Plini  Secundi  libris  grammaticis  particula  prima,  Bonner 
Diss.  von  1858.  44  pp.  D.  Detlefseu,  zur  Flexionslehre  des  altern  Plinius, 
in  der  Symbola  philolog.  Bonn.  S.  697 — 714.  W.  Brambach,  lat.  Orthogr. 
S.  37  f. 

5.  Plin.  Epist.  V,  8,  5:  avunculus  mens  idemque  per  adoptionem  pater 
historias,  et  quidem  religiosissime,  scripsit.  Das  Lob  der  Gewissenhaftigkeit 
in  Quellenforschung  und  Abwägung  abweichender  Berichte,  bis  zur  Ünent- 
schiedenheit  des  Urteils,  bestätigt  sich  durchaus.  Vgl.  Nissen,  Rhein.  Mus. 
XXVI.  S.  533  f.  Umfang  31  Bücher;  s.  A.  2.  Plin.  n.  h.  praef.  20:  vos  qui- 
dem omnes,  patrem  (Vesjjasian),  tc  (Titus)  fratremque,  diximus  opere  iusto, 
temporum  nostrorum  historiam  orsi  a  fine  Aufidii  Bassi  (oben  272,  2).  ubi 
sit  ea  quaeres?   iam  pridem  per  acta   sancitum  et  alioqui   statutum  erat 


678  üie  Kaiserzeit.   Erstet  Jahrhundert.   Flavier. 

hcredi  mandare,  ne  quid  arabitioni  dcdiase  vita  iudicaretur.  (Vgl.  unten  336, 12.) 
l)roinde  occupantibuB  locum  favco,  ego  vero  et  posteria,  quos  scio  nobiscum 
decertaturos,  sicut  ipsi  fecimus  cum  prioribus.  II,  199:  annoNeronis  principis 
»iipremo,  sicut  in  rebus  eins  exposuimus.  ib.  232:  Neronis  principis  supremis 
sicut  in  rebus  eins  rctulinms.  Benützung  (und  Verdunklung)  dieser  Zeitge- 
schichte durch  Tacitua;  s.  Hist.  III,  28:  Hormine  id  (die  Plünderung  vonCre- 
möna)  ingenium,  ut  Messala  (unten  309,  3)  tradit,  an  potior  auctor  sit  C.  Pli- 
nius,  qui  Antonium  (Primum)  incusat,  haud  facilo  discreverim.  Vgl.  A.  XIII,  20 
(Plinius  et  Cluvius  .  .  referunt).  XV,  63  (quod  C.  Plinius  memorat),  beides 
aus  der  Zeit  des  Nero.  Vgl.  IL  Nissen  im  Rhein.  Mus.  XXVI.  S.  497 — 548,  bes. 
S.  524  f.  632 — 544.  Suetou  hat  in  seinen  Biographien  des  Nero,  Galba,  Otho, 
Vitellius,  Vesj^asian,  Titus  und  Domitian  das  Werk  des  Plinius  ohne  Zweifel 
benützt  (wenn  auch  nicht  als  Hauptquelle),  nennt  es  aber  niemals.  Die  Po- 
lemik im  Calig.  8  (vgl.  oben  287,  1)  bezieht  sich  auf  die  Bella  Germanica. 
Am  treuesten  gibt  wohl  Plutarch  (im  Galba  und  Otho)  den  Plinius  wieder. 
Vgl.  unten  332,  4. 

^>()r,  308.  Erhalten  ist  von  den  Schriften  des  Plinius  allein 
seine  naturalis  liistoria  in  37  Büchern,  im  J.  77  dem  Titus 
überreicht,  aber  bis  zum  Tode  des  Verfassers  fortwährend  mit 
Nachträgen  und  Aenderungen  versehen.  Das  Werk  ist  eine 
Encyclopädie  der  Naturwissenschaften,  aber  mit  vorzugsweiser 
Berücksichtigung  ihrer  Anwendung  in  Leben  und  Kunst  der 
Menschen,  und  umfasst  daher  auch  die  Erdbeschreibung,  Heil- 
kunde und  Kunstgeschichte.  Der  Stoff  ist  aus  einer  grossen  Anzahl 
von  Schriften  zusammengetragen,  freilich  vielfach  eilfertig,  ohne 
genügende  Sachkenntniss  und  Kritik,  daher  von  sehr  ungleichem 
Werihe.  Auch  die  Darstellung  ist  wenig  gleichmässig:  bald  nur 
iuif  die  Sache  gerichtet  und  mit  dem  nächsten  besten  Ausdruck 
zufrieden,  bald  manieriert  rhetorisch.  Im  Ganzen  aber  ist  das 
VVerk  eine  unerschöpfliche  Fundgrube  von  Nachrichten  und 
zeugt  von  dem  ernsten,  strebsamen  und  patriotischen  Sinne 
►seines  Verfassers.  Thejls  selbst,  theils  in  den  mancherlei  Aus- 
zügen die  es  erfuhr  hat  es  lange  fort  grossen  Einfluss  ausgeübt. 

1.  Plin.  n.  h.  praef.  1:  libros  naturalis  historiae,  uovicium  Camenis 
Quiritium  tuorum  opus,  natos  apud  mc  proxima  fetura,  licentiore  epistula 
narrare  constitui  tibi,  iucundissime  imperator.  .  .  (3.)  censorius  tu  sexiea- 
quc  cousul  (J.  77  =  830).  (12.)  levioris  operae  hos  tibi  dedicavi  libellos. 
nam  nee  ingenii  sunt  capaces  .  .  neque  admittunt  excessus  aut  orationes 
sermonesve  aut  casus  mirabiles  vel  eventus  varios,  iucunda  dictu  aut 
legentibus  blanda.  (13.)  sterilis  materia,  rerum  natura  h.  e.  vita,  narratur, 
et  haec  sordidissima  sui  parte,  ut  plurimarum  rerum  aut  rusticis  vocabu- 
lis  aut  extemis,  immo  barbaris.  .  .  (14.)  praeterea  iter  est  non  trita  aueto- 
ribus  via  nee  qua  peregrinari  animus  expetat.    nemo    apud  nos   qui   idem 


307  f.   PlinioB  naturalis  historia.  079 

tcmptavcrit,  nemo  apnd  Graecos  qui  unus  omnia  ca  tractavcrit.  .  .  iam 
omnia  attingenda  quae  Graeci  r^s  iyyLvnXiOTcaidstccg  vocant.  .  .  (16.)  equi- 
dcm  ita  scntio,  peculiarem  in  studiis  causam  eorum  esse  qui  difficultatibuB 
victis  utilitatem  iuvandi  praetulerunt  gratiae  placendi,  idque  iam  et  in 
aliis  operibus  ipse  feci.  .  .  (17.)  viginti  milia  rerum  dignarum  cura  .  . 
lectione  volmninum  circitcr  duum  milium  .  .  ex  exquisitis  auctoribuB  cen- 
tum  inclusimus  XXXVI  voluminibus,  adiectis  rebus  plurimis  quas  aut  igno- 
raverant  priores  aut  postea  invenerat  vita.  (18.)  nee  dubitamus  multa  esse 
quae  et  nos  practerierint.  homines  enim  sumns  et  occupati  officiis,  sub- 
sicivisqae  temporibus  ista  curamus,  i.  e.  nocturnis.  .  .  (21.)  in  bis  volumi- 
nibus anctorum  nomina  praetexui.  .  .  (32.)  quid  singulis  contineretur  libris 
huic  epistulae  subiunxi.  Der  Neffe  hat  bei  seiner  Herausgabe  des  Werks 
nach  dem  Tode  des  Verfassers  das  vorher  den  einzelnen  Büchern  vorge- 
setzte (vgl.  XVIII,  §.  23)  Quellenverzeichniss  mit  dem  Inhaltsverzeichniss 
verbunden  als  Buch  I,  und  dadurch  die  Bücherzahl  auf  37  erhöht.  Dass 
der  Verfasser  selbst  nur  die  erste  Dekade  veröffentlichte  hat  Urlichs  (Vin- 
diciae  I.  p.  19  und  Chrestom.  Plin.  S.  XIV  Anm.)  gefolgert  aus  der  Wie- 
derholung von  restant  immensae  subtilitatis  animalia  X  extr.  und  XI  in., 
sowie  der  Unterschrift  von  XI  und  XII  im  Biccard.:  editus  post  mortem. 
Ueberhaupt  aber  finden  sich  im  ganzen  Werke  manche  Spuren  der  Nicbt- 
voUendimg,  unausgeglichene  Verweisungen,  Randbemerkungen  die  noch  kein 
definitives  Unterkommen  gefunden  haben,  u.dgl.  Vgl.  Th.  Bergk,  exercitationes 
Plin.,  Marburg  1847.  1851.  4.  D.  Noltenius,  quaestiones  Plinianae,  Bonn 
1866,  mit  V.  Jan  in  Fleckeisens  Jahrbb.  1866,  S.  698  ff. 

2.  Inhalt  und  Anlage  des  Werks.  I :  Inhalts-  und  Quellenverzeichniss. 
II:  mathematisch -physikalische  Beschreibung  des  Weltgebäudes.  III — VI: 
Geographie.  VII:  Anthropologie  und  Physiologie  des  Menschen.  VIII— XI: 
Zoologie  (VIII  Säugethiere;  IX  Fische;  X  Vögel;  XI  Insecten  und  Käfer; 
vergleichende  Anatomie  und  Physiologie).  XII — XXVII:  Botanik  (XII  u. 
XIII  exotische  Bäume  und  Sträucher;  XIV  u.  XV  Obstbäume;  XVI  wilde 
Bäume;  allgemeine  Botanik;  XVII  Baumzucht;  XVIII  u.  XIX  Getreide; 
Kohl;  Theorie  des  Feld-  und  Gartenbaus;  XX  —  XXVII  medicinische  Bo- 
tanik). XXVIII— XXXII:  medicinische  Zoologie.  XXXIII— XXXVII :  Mine- 
ralogie besonders  nach  ihrer  Verwendung  in  Leben  und  Kunst  (B.  XXXIV  f. 
Kunstgeschichte).  Im  Einzelnen  der  Ausführung  zeigt  sich  aber  viele 
Willkür,  wohl  unter  Einfluss  des  Werkes  welches  gerade  excerpiert  wird. 
So  werden  XXVII  alle  im  Vorhergehenden  nicht  abgehandelten  Pflanzen 
in  alphabetischer  Ordnung  nachträglich  aufgeführt.  Ueber  XXXI  f.  vgl. 
Noltenius  p.  25  f. 

3.  Seine  Quellen  hat  Plinius  die  Absicht  vollständig  anzugeben:  est 
enim  benignum  .  .  et  pleuum  ingenui  pudoris  fateri  per  quos  profeceris, 
non  ut  plerique  ex  his  quos  attigi  fecerunt  (praef.  21).  Er  scheint  sogar 
unter  den  146  römischen  und  327  ausländischen  Schriftstellern  welche  die 
indices  verzeichnen  manchen  aufzuführen  den  er  nur  aus  Sammelwerken 
oder  Citaten  kennt.  Wenn  er  daher  den  Dioskorides  nicht  mit  aufzählt 
und  doch  mit  ihm  zusammenstimmt,  so  wird  diess  aus  Gemeinsamkeit 
ihrer  Quellen  zu  erklären  sein.    Die  Ordnung  der  Aufzählung  im  Quellen- 


680  I)i6  Eaiserzeit.    Erstes  Jahrhundert.   Flavier. 

vcrzeichniss  richtet  sich  in  der  Hauptsache  nach  der  Ordnung  worin  sie 
für  das  betr.  Buch  beuützt  sind,  wobei  aber  durch  längere  Fortbcnützang 
derselben  Schrifbsteiler,  durch  Nachträge,  Umstellungen,  Sammelausgaben  u. 
dgl.  Abweichungen  herbeigeführt  wurden;  H.  Brunn,  de  auctorum  indicibus 
PLiuianis  disputatio  isagogica,  Bonn  1856.  60  pp.  4.  Vgl.  D.  Detlefsen, 
Philologus  XXVIII.  S.  701—716.  Am  häufigsten  kehrt  der  Name  des  Varro 
wieder,  unter  den  extemi  der  des  Aristoteles,  Theophrast  und  anderei 
Peripatetiker.  Mit  Vorliebe  aber  folgt  Plin.  römischen  Führern,  wie  für 
Bienenzucht  dem  Hyginus,  für  Medicin  dem  Pompojus  Lenäus,  für  Botanik 
dem  Sextius  Niger.  Den  Werth  der  verschiedenen  Quellen  scheint  PI.  nicht 
gehörig  abgewogen  zu  haben ;  namentlich  den  Sammlern  von  allerlei  curiosen 
Notizen  schenkt  er  nicht  weniger  Glauben  als  den  gewichtigsten  Forschern. 
E.  Meyer,  Gesch.  der  Botanik  II.  S.  127 — 133.  G.  Montigny,  quaest.  in  Plin. 
11.  h.  de  animalibus  libros,  Bonn  1844.  74  pp.  Detlefsen,  Vitruv  als  Quelle 
des  Plin.,  Philologus  XXXI.  S.  385  —  434.  lieber  Flüchtigkeiten  in  der 
Kunstgeschichte  s.  L.  Ross,  archäologische  Aufsätze  II  (Leipzig  1861).  S. 
c{52 — 377.  Vgl.  0.  Jahn,  über  die  Kunsturteile  bei  Plinius,  in  den  Berichten 
der  Sachs.  Ges.  d.  Wiss.  1850,  S.  105 — 142.  A.  Brieger,  de  fontibus  librorum 
Plini  XXXIII — XXXVI  quatenus  ad  remplasticam  pertinent,  Greifswald  1857. 
78  pp.  8.  G.  Wustmann,  zu  Plin.  Kunstgeschichte,  Rhein.  Mus.  XXII.  S.  1 — 24. 
.1.  C.  Elster,  prolegomena  ad  excerpta  plin.  ex  libr.  XXXV,  Helmstedt  1838. 
FI.  E.  Dirksen,  die  Quellen  der  h.  n.  des  Plinius,  insbes.  die  römisch -recht- 
lichen, hinterlass.  Schrr.  I.  S.  133 — 148. 

4.  lieber  die  Weltanschauung  des  Plinius  gibt  besonders  B.  II  Auf- 
Bchluss.  Hiernach  stand  er  zu  dem  Volksglauben  in  offener  Opposition, 
ohne  jedoch  zu  einem  bestimmten  philosophischen  Systeme  sich  ausschliess- 
lich zu  bekennen.  Am  meisten  neigt  er  sich  in  seinen  religiösen  und 
{)hilo8ophischen  Ansichten  dei)i  Stoicismus  zu.  Klagen  über  den  Abfall 
von  der  Natur  und  die  Verschlechterung  der  Sitten  sind  auch  bei  ihm  so 
häufig  wie  bei  Columella  und  Seneca.  Urlichs,  ,Chrestom.  Plin.  S.  XV  f. 
0.  Vorhauser,  die  religiös-sittliche  Weltanschauung  des  altern  Plinius,  Inns- 
bruck 1860.  32  S.  4.  L.  Rummler,  C.  Plini  See.  philosophumena,  Stettin 
1862.  66  pp.  Friese,  die  Kosmologie  des  Plinius,  I  (mit  2  Tf.),  Breslau 
1862.  44  S.  4. 

5.  Ueber  den  Wortschatz  des  Plinius  vgl.  Wannowski,  Pliniana,  Posen 
1847.  4.  üeber  die  poetischen  Elemente  desselben  E.  Opitz,  quacstiones 
plinianae,  Naumburg  1861.  32  pp.  4. 

6.  „Der  Stil  des  Plinius  ist  in  den  verschiedenen  Theilen  seines  Wer- 
kes ein  sehr  verschiedener.  Die  praefatio  ist  voll  von  auffallenden  Aus- 
drücken, gesuchten  Wendungen,  schillernden  Gedanken.  Schwungvoll  aber 
und  von  tiefem  Ernste  getragen  sind  viele  der  Einleitungen  zu  den  einzel- 
nen Büchern;  in  ihnen  herrscht  ein  energisches  Pathos,  die  Gedanken  sind 
mit  wenigen  Worten  in  kräftiger  Weide  vorgetragen.  Diese  Theile  sind 
stilistisch  mit  grosser  Sorgfalt  behandelt,  als  Beispiel  der  gravitas.  Da- 
gegen in  den  beschreibenden  Ausführungen  welche  den  Körper  des  grossen 
Werkes  ausmachen  häuft  Plinius  meist  nur  ein  Excerpt  an  das  andere; 
auf  vielen  Gebieten,   besonders   dem   der  Botanik,   Medicin,   Mineralogie, 


308.   PliniiiB  naturalis  historia.  681 

dturchdringt  er  aber  selber  nicht  den  spröden  Stoff;  meist  also  bleibt  es 
bei  einer  trockenen  Nomenclatur  und  Beschreibung.  Im  Gefühle  dieses 
Mangels  an  wissenschaftlicher  Systematik  sucht  er  seinen  Stoff  durch  rhe- 
torische Mittel  zu  beleben,  namentlich  durch  das  Streben  nach  Manchfal- 
tigkeit  und  Neuheit  in  Wendungen  und  Satzbau."  D.  Detlefseu ,  Philologus 
XXVIII.  S.  317  f.  L.  Grasberger,  de  usu  pliniano,  Würzburg  1860.  128  pp. 
(bes.  de  brevitate  dicendi  und  de  dictionis  varietate).  Wannowski  (s.  A.  5) 
p.  27—36.    E.  Opitz  p.  2—16. 

7.  Das  Werk  wurde  von  Anfang  an  viel  gelesen  (vgl.  Symmach,  cpist. 
I,  24)  und  frühzeitig  ausgezogen.  Namentlich  wurde  schon  um  die  Zeit 
Hadrians  aus  ihm  eine  Chorographie  zusammengestellt  und  diese  mit  Zu- 
sätzen aus  Pomponius  Mela  und  anderen  Werken  dieser  Art  vermehrt. 
Diese  Chorographia  pliniana  kannte  und  benutzte  schon  Apulejus.  Auch 
AmmianuB  Marcellinus  hat  nicht  unmittelbar  aus  Plinius  geschöpft,  son- 
dern aus  diesem  AuszUge.  Ebenso  liegt  derselbe  den  Arbeiten  des  Solinus 
und  Martianus  Capella  zu  Grunde.  Th.  Mommsen,  Solini  coUectanea  etc. 
(Berlin  1864)  p.  XXI  ff.  Medicinisch-diiltetische  Excerpte  aus  Plinius,  doch 
nicht  ohne  Zusätze  aus  anderen  Quellen,  sind  B.  I — III  des  sogenannten 
Plinius  Valeriauus. 

8.  Handschriften  des  Plinius  sind  ungefähr  200  erhalten,  die  mei- 
sten aber  aus  sacc.  XIV  und  XV  und  für  die  Textgcstaltung  ohne  Werth. 
Die  wichtigen  selbst  aber  theilen  sich  einerseits  in  unvollständige  ältere 
und  andererseits  vollständige  jüngere.  Jene  sind  von  den  Umstellungen, 
Wiederholungen  und  Lücken  der  jüngeren  frei,  aber  fragmentarisch;  der 
relativ  vollständigste  Bambergensis  (saec.  X)  enthält  nur  6  Bücher  (32 — 37). 
Andere  Vertreter  dieser  älteren  Gruppe  sind  der  Nonantulanus  oder  Ses- 
sohanus  (saec.  V),  die  Blätter  von  Mono  saec.  VI,  der  Parisinus  10318 
(saec.  VII  oder  VIII),  Leidensis  Voss.  (saec.  IX),  Paris.  4860  (saec.  X),  so- 
wie der  codex  nach  welchem  die  wichtigsten  Handschriften  der  jungem 
Gruppe  corrigiert  und  ergänzt  sind.  Die  Hdss.  dieser  jungem  Classe 
stammen  alle  aus  einem  jetzt  verlornen  archetypus  in  welchem  II,  187  — 
IV  ^  67  mit  IV,  67  —  V,  34  umgestellt  war.  Aus  ihm  entsprangen  zwei 
Handschriftenfamilien:  die  erste  nahm  jene  Umstellung  unverändert  in  sich 
auf,  der  Stammvater  der  zweiten  aber  versuchte  eine  —  wenn  auch  unge- 
nügende —  Berichtigung  derselben.  Zur  ersten  Familie  gehören  Leidensis 
Lipsii  =  Vesontinus  =»  Chiffletianus  Dalecampii  =»  F  (saec.  XI;  Abkömm- 
linge von  ihm  der  Toletanus,  Parisinus  6797,  Vaticanus  1953,  Laurentianus, 
saec.  XIII  f.,  bei  Sillig  T,  d,  x,  L),  Vaticanus  3861  =  D  (saec.  XI),  Paris. 
6796  =  G  (Sillig:  c),  Riccardianus  =  E  (um  J.  1100),  sowie  wahrscheinlich 
einige  alte  Excerpte,  wie  der  Lucensis  «=  H  (saec.  VIII),  Monacensis-Frisin- 
gensis  (saec.  VIII  oder  IX),  ßernensis  347  u.  266  (saec.  X).  Hauptvertreter 
der  zweiten  Familie  ist  Paris.  6796  =  E  (Sillig:  a)  saec.  X  oder  XI,  wel- 
chem eine  Anzahl  anderer  Hdss.  entstammt  (z.  B.  Paris.  6798  und  der 
Luxemburgensis  von  M.  A.  Namur  und  M.  Michel,  Luxemb.  1866.  4.),  ferner 
Vindobon.  (a,  bei  Sillig  w)  saec.  XIII  und  Leopoldo- Laurentianus  (vom 
J.  1433).  S.  das  Nähere  bei  D.  Detlefsen,  Philologus  XXVIIL  S.  284—309, 
vgl  Rhein.  Mus.  XV.    S.  266—288.   367  —  390.   XVIII.  S.  227  —  240.  327  f. 


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682  Die  Kaiserzcit.   Erstes  Jahrhundert.   Flavier. 

A.  Fels,  de  codicum  antiquox'um  in  quibus  Plini  n.  h.  ad  nostra  tempora 
propagata  est  fatis,  fide  atque  auctoritate,  Gotting.  1861.  114* pp.  4.  L.  v. 
Jan,  de  auetoritate  codicum  plin.,  1858.  4.  und  in  den  Sitzungsberichten 
der  philosophisch -philol.  Cl.  der  Münchner  Akad.  1862*,  S.  221  —  260.  L. 
Urlichs,  Rhein.  Mus.  XVIII.  S.  527—536,  Eos  1865.  S.  353  ff.  und  Vindiciac 
plinianae  IL  C.  Mayhoff,  lucubrationum  plinianarum  capita  III,  Neustrelitz 
1865.   136  pp.  8. 

9.  Beiträge  zur  Textkritik.  Th.  Bergk,  ezercitaÜones  plinianae,  I 
(Marburg  1847.  4.).  II  (ib.  1861.  4.).  L.  v.  Jan,  Münchner  Gel.  Anz.  1852, 
Nr.  70—73,  u.  sonst.  C.  L.  Urlichs,  Vindiciae  plinianae  I  (Greifswald  1863. 
192  pp.).  II  (Erlangen  1866.  255  pp.);  de  numeris  et  nominibus  propriis 
in  Plini  n.  h.,  Würzburg  1857.  4;  Rhein.  Mus.  XIV.  S.  599  —  612  u.  A. 
(s.  A.  8).    C.  Mayhoff  (s.  A.  8).   Detlefsen,  Philologus  XXXI.  S.  336—342. 

10.  Von  den  zahlreichen  Gesammtausgaben  sind  nur  wenige  noch  immer 
erwähnenswerth.  Ed.  princeps  Ven.  1469  fol.  Cum  castigationibus  Hermol. 
Barbari,  Rom  1492  fol.  Rec.  I.  Dalecampius,  Lyon  1687  fol.  Cum  notis  I. 
Fr.  GronoYÜ,  Lugd.  Bat.  1669.  3  Voll,  (die  notae  .  .  emendatius  editae, 
Gotha  1855  =  Sillig  VoL  VI).  lUustr.  J.  Hardouin,  Paris  1685,  6  Voll.  4. 
1723  ff.,  3  VolL  foL  (Lips.  1778  —  1788,  10  VolL  8.).  Recogn.  cum  var. 
lect.  lul.  Sillig,  Lips.  1831  — 1836,  6  Voll.,  und  besonders  Recens.  et  cum 
comm.  criticis  instruxit,  Gotha  1853 — 1856,  5  Voll,  (dazu  Suppl.  VI;  Indi- 
ces,  composuit  0.  Schneider,  =  Vol.  VII  u.  VIII,  1857  f.).  Text  von  L.  v. 
Jan,  Lips.  Teubner  1854—1865,  6  VolL  (Vol.  6  indices).  Ed.  altera,  Vol.  1. 
1870.    D.  Detlefsen  recensuit,  Berol.  1866  ff. 

Französische  Uebersetzung  (mit  Anm.  von  Cuvier,  Letronne  a.  A.)  von 
Ajasson  de  Grandsagne  (Paris,  Panckoucke,  1829 — 1833,  20  Voll.),  deutsche 
von  G.  Grosse  (Frankfurt  1781  —  1787,  11  Bde),  Ph.  H.  Külb  (Stuttgart, 
Metzler  1840  —  1856,  35  Bdchn),  C.  F.  L.  und  M.  E.  D.  L.  Strack  (Bremen 
1854  f.   3  Thle). 

11.  Chrestomathia  Pliniana  von  J.  M.  Gesner  (Lips.  1722.  1776),  F. 
A.  Beck  (Hadamar  1828),  L.  Ürlichs  (herausgegeben  und  erklärt,  Berlin 
1857).  Excerpta  ex  Plin.  l.  XXXV  comm.  crit.  et  exeget.  instr.  etc.  J.  C. 
Elster,  Hebnstedt  1861—1853,  3  Partes,  74  pp.  4. 

12.  Uebersichten  über  die  neuere  Plinius- Literatur  von  L.  v.  Jan  im 
Philologus  III,  XII  und  XXI,  von  D.  Detlefsen  in  Fleckeisens  Jahrbb.  77, 
S.  481—493.  653—672,  und  im  Philologus  XXVIII,  2. 

296  309.  Schon  durch  Plinins  benützt  war  die  unkritische 
Beschreibung  einer  Reise  in  den  Osten  yon  Vespasians  Partei- 
gänger Licinius  Mucianu>s,  der  auch  als  Urkundensammler 
thätig  war.  Selbsterlebtes  schilderten  zwei  ausgezeichnete  Männer 
der  Zeit,  der  Redner  und  Consular  M.  Cluvius  ßufus,  dessen 
Werk  sich  auf  die  Zeit  des  Nero  und  die  Vorgänge  des  J.  69 
erstreckte  und  geschichtliche  Treue  erstrebt  zu  haben  scheint, 
sowie  Vipstanus   Messala,    welcher    gleichfalls   Redner,    und 


308  f.  Plinius  naturalis  historia.    Mucianas  u.  a.  683 

zwar  von  ^der  Richtung  Quintilians,  aber  auch  sonst  vielseitig 
gebildet  war  und  durch  seine  unabhängige  Denkweise  manchfach 
anstiess.  Auch  das  Geschichtswerk  des  jüngeren  Freundes  von 
Seneca,  Fabius  Rusticus,  scheint  in  diese  Zeit  zu  gehören. 

1.  C.  Liciniu8  Mncianus,  vir  secundis  adversisque  iuxta  famosus. 
insignes  amicitias  iavcnis  ambitiöse  coluerat,  mox  atteritis  opibus,  .  .  sue- 
pecta  etiam  Clandii  iracundia,  in  secretum  Asiae  sepositas.  .  .  luxuria,  in- 
dnstria,  .  .  nimiae  voluptates,  cum  vacaret;  quotiens  expedierat,  magnao 
virtutes.  x^^^^™  laudares,  secreta  male  audiebant;  Tac.  bist.  I,  10  vgl.  11, 
6.  W.  Teuffei  in  Pauly's  Real-Enc.  IV.  S.  1069  f.  Nr.  37.  Theilnahme  an 
Corbulo'a  erstem  Feldzug  in  Armenien  (J.  55  u.  60) ;  Verwaltung  in  Lykien 
(Plin.  n.  h.  XII,  9.  XIJI,  88)  und  (J.  67)  in  Syrien.  Plinius  nennt  ihn 
zehnmal  (L.  Brunn  p.  11,  not.  13)  ter  consul  (vor  67,  J.  70,  72;  f  vor  77; 
Borghesi  Oeuvres  IV.  p.  345—353).  L.  Brunn  p.  12  —  18.  Tac.  dial.  37: 
haec  vetera  (Reden  aus  der  Zeit  der  Republik),  quae  et  in  antiquariorum 
bybliothecis  adhuc  manent  et  cum  maxime  a  Muciano  contrahuntur  ac  iam 
undecim  (bis  jetzt),  ut  opinor,  actorum  (vgl.  oben  213,  2)  libris  et  tribus 
epistularum  composita  et  edita  sunt.  Von  diesem  Sammelwerke  verschieden 
und  schon  früher  verfasst  war  dasjenige  aus  welchem  Plinius  (und  vielleicht 
Josephus,  8.  Nissen  im  Rhein.  Mus.  XXVI.  S.  541 — 543)  namentlich  natur- 
geschichtliche und  geographische  Angaben  über  den  Osten  entnopimen  hat, 
oft  mit  Berufung  auf  dessen  Autopsie;  vgl.  Plin.  n.  h.  VII,  36  (Licinius 
Mucianus  prodidit  visum  a  se  Argis  etc.  .  .  eiusdem  sortis  et  Zmyrnae 
pnerum  a  se  visum).  159  (Tmolus).  XIX,  12  und  XXXIV,  36  (Rhodus; 
daher  Brieger  de  fontibus  p.  60  auch  die  sonstigen  Angaben  des  Plin.  über 
Rhodos  auf  Muc.  zurückführt).  In  seinem  Quellenverzeichniss  führt  Plinius 
das  Werk  oftmals  an,  nämlich  ex  Licinio  Muciano  zu  Buch  3,  4,  '5,  6,  7; 
ex  Muciano  zu  Buch  2,  8,  9,  10,  11,  12,  13,  16,  19,  31,  33,  35,  36.  Ausser- 
dem ist  er  citiert  in  B.  14,  21,  28,  32,  34.  Stellensammlung  bei  L.  Brunn 
p.  18—45.  Wie  als  Mensch  abergläubisch  (Plin.  n.  h.  XXVIII,  5),  so  scheint 
Muc.  iiuch  als  Schriftsteller  leichtgläubig  gewesen  zu  sein,  und  Plinius  ver- 
dankt ihm  manche  unglaubwürdige  und  abenteuerliche  Angabe.  H.  Peter, 
hist.  lat.  p.  CCCL  f.     L.  Brunn,  de  C.  Lic.  Muc,  Lips.  1870.  Diss. 

2.  Tac.  hist.  IV,  43:  a  laude  Cluvii  Rufi  orsus,  qui  perinde  (wie 
Eprius  Marcellus,  oben  292,  3)  dives  et  eloquentia  clarus  nulli  umquam 
sub  Nerone  periculum  facessisset.  Vgl.  ib.  I,  8:  Hispaniae  praeerat  (J.  69) 
CluviuB  Rufus,  vir  facundus  et  pacis  artibus,  bellis  inexpertus.  ib.  76. 
II,  58.  65.  III,  65.  IV,  39.  Consul  (I.  R.  N.  2224)  schon  unter  Caligula; 
wenigstens  heisst  er  Consular  schon  bei  dessen  Ermordung,  J.  41 ;  s.  Joseph, 
antiq.  XIX,  1,  13:  OvartVLogttg  tav  üvyuXrjri'^mv  ..  tJqsto  Klovoviov  nage^o- 
fisvov  ayrfiS,  xofl  tovxov  vnazLtiov  etc.  Suet.  Ner.  21  (per  Cluvium  consula- 
rem)  und  (aus  ihm?)  Dio  LXIII,  14  (ÄXovo v^o) 'Por qpo),  ccvdql  vTtcttsvKou,  XQV' 
accfifvog).  Dessen  Identität  mit  dem  Geschichtschreiber  erhellt  aus  Plut. 
Oth.  3:  KXovßtog  ds 'Pov(pog  sCg  'ißrjgiav  (wo  er  Statthalter  war)  tprjal 
nofiicdiivat  dtnXm^atcc  worin  Otho  sich  Nero  nannte;  vgl.  Suet.  Oth.  7.  Bei 
Plut.  quaest.  rom.  107  wird  er   als  Gewährsmann  angeführt  für  die  Ab- 


684  Die  Kaiserzeit.    Erstes  Jahrhundert.   Flavier. 

Icitung  von  bistrio.  Sein  GcBcbichtswcrk  verfasstc  Cluviu»  wohl  in  seinen 
»pätercn  Jahren  (nach  J.  70),  als  er  sich  von  den  Geschäften  zurückgezogen 
hatte.  Tac.  A.  XIII,  20  (oben  307,  5).  XIV,  2  (tradit  Cluvius  etc.),  wo 
beide  Male  Cluvius  dem  für  Seneca  Partei  nehmenden  Fabius  Ruaticus 
entgegengesetzt  wird.  Plin.  Epist.  IX,  19,  5  (Verginius  liufus  erzählte): 
ita  sccum  aliqnando  Cluvium  locutum:  scis,  Yergini,  quao  historiae  fides 
debctur;  proinde  si  quid  in  historiis  meis  legis  aliter  ac  velis  (über  dich 
selbst),  rogo  ignoscas.  H.  Peter  (die  Quellen  Plutarchs,  S.  40  —  44),  sowie 
Th.  Mommsen  (Hermes  IV.  S.  318—325)  halten  sein  Geschichtswerk  für  die 
Uauptquelle  Plutarchs  in  seinem  Galba  und  Otho,  sowie  für  Tac.  Hist.  I 
u.  II  (und  Sueton  im  Galba,  Otho  u.  Vitell.,  obwohl  ihn  dieser  niemals  nennt; 
vgl.  noch  Suet.  Galb.  17  mit  Plut.  Galb.  19).  Dagegen  s.  0.  Clason,  Plut. 
u.  TacituB  (Berlin  1870)  S.  12—14,  Tac.  u.  Suet.  S.  7Gff.  und  besonders  II. 
Nissen,  Rhein.  Mus.  XXVI.  S.  507  f.  630—532.    Auch  vgl.  oben  306,  3.  307,  5. 

3.  Tac.  hist.  III,  9:  legioni  tribunus  Vipstanus  Messala  praeerat, 
claris  maioribus  (vgl.  dial.  27,  wo  der  Redner  Valerius  Messala  —  oben  218, 
8  fF.  —  zu  seinen  maiores  gerechnet  wird),  egregius  ipse  et  qui  solus  ad 
id  bellum  (des  J.  69)  artes  bonas  attulisset.  ib.  III,  26:  rem  nominaque 
anctore  Vipstano  Messala  tradam.  28  (oben  307,  5).  IV,  42:  magnam  co 
die  (J.  70)  pietatis  eloquentiaeque  famam  Vipstanus  Messala  adeptus  est, 
nondum  senatoria  aetate  (also  Anfangs  der  Zwanzige)  ausus  pro  fratre  Aquilio 
Regulo  (unten  321,  3)  dcprecari.  Er  ist  ein  Jugendfreund  des  Tacitus,  aber, 
wie  es  scheint,  früh  verstorben,  da  er  z.  B.  in  den  Briefen  des  Plinins  niemals 
genannt  wird.  Sein  Geschieh ts werk  behandelte,  wie  es  scheint,  die  Zeitereig- 
nisse nur  soweit  als  er  daran  persönlich  Theil  hatte,  somit  als  Memoiren  oder 
historisch-politische  Broschüre.  H.  Nissen,  Rhein.  Mus.  XXVI.  S.  529.  vgl. 
ebd.  S.  536  f.  Im  Dialogns  hat  ihm  Tac.  ein  Denkmal  errichtet;  s.  dial.  15: 
non  desinis,  Messala,  vetera .  tantum  et  antiqua  mirari,  nostrorum  autem 
teroporum  studia  irridere  et  contemnere?  nam  hunc  tuum  sermonem  saepe 
cxcepi,  cum  oblitus  et  tuae  et  fratris  tui  eloquentiae  neminem  hoc  tempore 
oratorem  esse  contenderes  prae  antiquis.  ib.  32  lässt  ihn  Tac.  an  den  di~ 
serti  seiner  Zeit  tadeln  dass  sie  ignorent  leges  nee  teneant  senatusconsulta, 
ins  civitatis  nitro  derideant,  sapientiae  vert)  studium  et  praccepta  pni- 
dentium  penitus  reformident,  und  hinzufügen:  quodsi  forte  haec  audierint, 
certum  habeo  dicturos  nie,  dum  iuris  et  philosophiae  scientiam  tamquam 
oratori  necessariam  laude,  incptiis  meis  plausisse.  Ebenso  sagt  er  ib.:  ego 
iam  mcum  munus  cxplevi  et,  quod  mihi  in  consuctudine  est,  satis  multos 
oifendi.    F.  A.  Eckstein,  prolegomena  ad  dialog.  de  erat.  p.  14 — 19. 

4.  Ueber  das  Geschieh  ts  werk  des  lulius  Secundus  s.  310,  4;  über  das 
des  Curtius  Rufus  oben  287. 

5.  Die  sieben  Bücher  tov  lovSai^ov  noXsp^ov  des  Josephus  wurden 
noch  unter  Vespasian,  ums  J.  75  n.  Chr.,  verfasst;  a.  H.  Parets  Einleitung 
zu  seiner  Uebersetzung  (Stuttgart,  Metzler,  1855)  S.  18  f. 

6.  Tac.  Agr.  10:  formam  Britanniae  Livius  veterum,  Fabius  Rusti- 
cuB  recentium  eloqueutissimi  auctores,  .  .  adsimulavere.  Ann.  XllI,  20: 
Fabius  Rusticus  auctor  est  etc.     .  .  sanc  Fabius  inclinat  ad  laudes  Senecae, 


309  f.   Cluviufl  Rufus  u.  a.  Hißtoriker.    Gabinianus.    Aper.  G85 

cuius  amicitia  floruit.  XIV,  2  (F.  R.  memorat).  XV,  61  (tradit  F.  R.). 
Er  wird  im  Testament  des  Dasumius  neben  Tacitna  und  Plinius  zum  Erben 
eingesetzt,  war  somit  J.  108  oder  109  noch  am  Leben.  An  ihn  Plin.  Ep. 
IX,  29  (Hustico)?  Vielleicht  auf  ihn  bezieht  sich  auch  Quintil.  X,  1,  104: 
superest  adhuc  et  ornat  aetatis  nostrac  gloriam  vir  saeculorum  memoria 
dignus,  qui  olim  nominabitur,  nunc  intellegitur.  Vgl.  A.  Haakh  in  Pauly's 
Real-Enc.  VI,  2.  S.  2921  f.  Nr.  76.     Mommsen  im  Hermes  III.  S.  61,  A.  4. 

7.  Minuc.  Fei.  Oct.  33,  4:  si  Romanis  magis  gaudes,  ut  transeamus 
veteres,  Antonii  luliani  de  ludaeis  require:  iam  scies  nequitia,  sua  hanc 
cos  (die  Juden)  meruisse  fortunam.  Wohl  der  Md^tiog  'Avtmvtog  'fovXiavog, 
0  trjg  'JovSaiag  ^nCtqonog  (Joseph,  b.  iud.  VI,  4,  3)  welcher  an  der  Be- 
lagerung Jerusalems  durch  Titus  Theil  nahm  und  als  Mitglied  des  Kriegs- 
raths'für  die  Zerstörung  der  Stadt  stimmte  (Jos.  1. 1.).  Dass  aus  seiner  Schrift 
der  betr.  Bericht  des  Tac.  (Hist.)  geschöpft  sei  vermutet  J.  Bernays,  Sulpic. 
Sev.  S.  66. 

310.  Wie  diese  Geschichtschreiber-  war  in  der  Zeit  des297 
Vespasian  auch  der  Dichter  Curiatius  Maternus  zugleich  als 
Redner  thätig;  bei  Anderen  überwog  mehr  die  Declamation  und 
die  Anleitung  zur  Beredtsamkeit.  So  bei  dem  Rhetor  Sex.  Julius 
Gabinianus  in  Gallien.  Gleichfalls  aus  Gallien  gebürtig  war  M. 
Aper,  welcher  aber  zu  Rom  vor  Gericht  und  im  Hörsaal  wirkte 
und  Aemter  bekleidete.  Der  früh  gestorbene  Julius  Secundus 
war  mit  Quintilian  befreundet,  theilte  aber  in  der  Beredtsamkeit, 
nur  weniger  schroff  als  Aper,  die  Richtung  seiner  Zeit  .  auf 
Eleganz  und  Künstlichkeit  der  Form. 

1.  UeTier  Curiatius  Maternus  8.313, 1.  Auch  Salvius  Liberalis  (s.  336,  3) 
trat  schon  unter  Vespasian  auf. 

2.  Im  Verzeichniss  der  von  Sueton  behandelten  rhetores  (p.  99  Rffsch.) 
ist  unmittelbar  vor  Quintilian  aufgeführt  Sex.  lulius  Gabinianus.  Aus 
Siieton  dann  Hieronym.  zu  Euseb.  chron.  a.  Abr.  2092  =  Vesp.  8  =  7G  n.  Chr. : 
Gabinianua  celeberrimi  nominis  rhetor  in  Gallia  docuit.  Vgl.  zu  Jesaj.  VIII. 
praef.  (T.  IV.  p.  329  ValL):  qui  flumen  eloquentiac  et  concinnas  declama- 
tiones  desiderant  legant  Tullium,  Quintilianum,  Gallionem,  Gabinianum. 
Tac.  dial.  26  extr. :  quotus  quisque  scholasticorum  non  hac  sua  persuasione 
fruitur  ut  se  ante  Ciceronem  numeret,  sed  plane  post  Gabinianum? 

3.  Im  dialogus  des  Tacitus  führt  M.  Aper  (c.  5—10.  16—23)  die 
Vertheidigung  der  modernen  Art  der  BereBtsamkeit,  freilich  mehr  mit 
Sophisterei  und  Wortpnmk  als  mit  triftigen  Gründen.  Ib.  2:  M.  Aper  et 
lulius  Secundus,  celeberrima  tum  (unter  Vespasian)  ingenia  fori  nostri,  ' 
quos  ego  in  iudiciis  .  .  studiose  audiebam,  .  .  quamvis  maligne  plerique 
opinarentur  nee  Secundo  promptum  esse  senuonem  et  Aprum  ingonio  po- 
tius  et  vi  naturae  quam  institutione  et  litteris  famam  eloquentiae  conse- 
cutum.     nam  et  Secundo  -  purus  et  pressus  et  in  quantum  satis  erat  pro- 


GR()  Die  Kaiserzeit    Erstes  Jahrbundert.    Flavier. 

flucns  sermo  non  defiiit  et  Aper  omoi  emditioDe  imbntus  contemnebat 
poÜDfl  litteras  quam  nesciebat.  11:  cum  dixisset  Aper  acrius,  ut  solebat, 
ot  intento  ore.  7:  eqnidem  (Aper)  non  eum  diem  laetiorem  egi  quo  mihi 
latoH  clavus  oblatus  est  Tel  quo  homo  noyns  et  in  civitate  minime  favora- 
bili  natus  quae^turam  ant  tribunatum  aut  praeturam  accepi  quam  eos 
quibns  mihi  (einen  wirklichen  Process  mit  Erfolg  zu  führen)  datur.  10:  ne 
rpiid  de  Gallis  nostris  (des  Aper)  loquar,  und  17:  ipse  ego  in  Britannia 
vidi  senem. 

4.  Quintil.  X,  3,  12:  memini  narrasse  mihi  lulium  Secundum  illum, 
aequalem  meum  atque  a  me,  ut  not  um  est,  familiariter  amatum,  mirae  fa< 
cundiae  virum,  in6nitae  tamen  curae.  ib.  1,  120:  lulio  Secundo  si  longior 
oontigisKct  aetas  clarissimum  profecto  nomen  oratoris  apud  posteros  foret. 
adiecisaet  enim  atque  adiciebat  ceteris  virtutibus  suis  quod  deniderari 
potest.  id  est  autem  ut  esset  multo  magis  pugnax  et  saepius  ad  curam 
rcrum  ab  elocutione  respiceret.  (121.)  ceterum  intereeptus  qnoque  magnum 
sibi  vindicat  locum.  ea  est  facundia  etc.  Vgl.  XII,  10,  11:  elegantiam 
Secundi.  Vgl.  Anm.  .3.  Im  dialogus  gibt  ihm  Tacitus  (c.  4  f.)  die  Bolle 
eines  Schiedsrichters  zwischen  den  Vertretern  entgegengesetzter  Richtungen, 
der  republikanischen  und  der  kaiserlichen  Beredtsamkeit.  Ib.  14:  probari 
Video  in  te,  Secunde,  quod  Juli  Asiatici  (Africani  Nipperdey,  s.  oben  292,  4) 
vitam  componendo  spem  hominibus  fecisti  plurium  eiusmodi  librorum. 
Plut.  Oth.  9:  tovTO  fisv  dir^ysiTO  (pflegte  anzugeben)  Ssnovvöog  6  ^ijrco^, 
~  tTcl  zav  iniatoXoiv  ytv6fi,svog  rov  "Od^covog.     irsQiov  d*  f^v  d%ovtiv  etc. 

6.  Quintil.  IV,  I,  19:  fuerunt  etiam  quidam  suarum  remm  iudices. 
nam  et  in  libris  Observationum  a  Septimio  editis  affuisse  Ciceronem  tali 
causae  invenio  et  ego  etc.  Hiernach  scheint  Sept.  ein  rhetorischer  Schrift- 
sieller  gewesen  zu  sein.  Möglicherweise  ist  er  der  Sei)timius  Severus,  con- 
discipulus  des  Victorius  Marcellus  (Stat.  Silv.  IV  praef),  an  welchen  Sta- 
tius  Sily.  IV,  5  (▼.  3:  fortem  atque  facundum  Severum)  gerichtet  hat.  Vgl. 
unten  321,  8. 

6.  üeber  des  Plinius  Anleitung  zur  Beredtsamkeit  s.  oben  307,  3; 
über  Verginius  und  Tutilius  oben  275,  1. 

.j-)8  311.  Unter  den  Juristen  waren  zur  Zeit  des  Yespasianus 
die  einflussreichsten  der  Sabinianer  Caelius  Sabinus  und  der 
Proculianer  Pegasus.  Auch  ürseius  Ferox  und  der  ältere  luyentius 
('elsus  sowie  ein  Plautius,  dessen  Werk  später  viel  commentiert 
wurde,  scheinen  dieser  Zeit  anzugehören. 

1.  Pompon.  Dig.  I,  2,  2,  63:  Cassio  (oben  293,  3)  (Cn.  Arulenus) 
Caelius  Sabinus  successit,  qui  plurimum  temporibus  Vespasiani  potuit 
(doch  war  er  cos.  suff.  schon  69  =  822,  Tac.  Hist.  I,  77),  Proculo  (oben  293, 1) 
Pegasus  (A.  2),  qui  temporibus  Vespasiani  praef ectus  urbi  fuit;  Caelio  Sa- 
bino  Priscus  lavolenus;  Pegaso  Celsus  (der  Vater,  s.  A.  4).  Gellius  IV,  2,  3: 
Caelius   Sabinus    in  libro   quem  d^   edicto   aedilium  curulium   composuit. 


311  f.   Juristen.   Valerius  Flaccna.  687 

Daraus  Gell.  VI,  4,  1  (Caelius  Sabinua  iurisperitus) — 8.  Dig.  XXI,  1  (de 
aedil.  ed.),  14  (pr.  u.  3.  10).  17  (§.  1.  6.  8.  12  ff.).  20.  65  (2).  Aub  anderen 
Schriften  desselben  Gaj.  Inst.  III,  70  u.  141.  Dig.  XXXV,  1  (de  cond.  et 
demonstr.),  72,  7. 

2.  Juv.  4,  77  ff.:  properabat  Pegasus  (vgl.  A.  1),  attonitae  positus 
modo  vilicus  urbi,  .  .  interpres  legüm  sanctissimus,  omnia  quamquam  tem- 
poribus  diris  (des  Domitian)  tractanda  putabat  inermi  iustitia.  Dazu  Scbol. 
(p.  223  J.):  iilius  trieravchi,  ex  cuius  liburnae  parasemo  nomen  accepit, 
iuris  studio  gloriam  meraoriae  meruit,  ut  liber  vulgo,  non  homo,  diceretur. 
hie  functus  omni  honore,  cum  provinciis  plurimis  praefuisset,  urbis  curam 
administravit.  hinc  est  Pegasianum  SCtum.  Inst.  II,  23,  5:  postea  Vespa- 
siani  Aug.  temporibus,  Pegaso  et  Pusione  consulibus,  senatus  censuit  etc. 
Vgl.  Gai.  I,  31:  SCto  quod  Pegaso  et  Pusione  consulibus  factum  est.  III, 
64  (idque  maxime  Pegaso  placuit;  quae  sententia  aperte  falsa  est).  In 
den  Digesten  kommt  sein  Name  öfters  vor,  aber  keine  Fragmente  von  ihm. 

3.  Ulpian  in  der  CoUat.  leg.  mos.  XII,  7,  9:  libro  X  Urs  eins  refert 
Sabinum  (A.  1)  respondisse.  Ausserdem  war  Proculus  (oben  293,  1)  in 
Schriften  von  ihm  citiert  pig.  IX,  2,  27,  1.  XXXIX,  3,  11,  2).  Dagegen 
schrieb  Salvius  lulianus  libri  IV  Ad  Urseium  Ferocem.  Mit  der  hiernach 
sich  ergebenden  Datierung  des  Urs.  stimmt  es  nicht  dass  Cassius  (oben  293, 
3)  existimasse  Urseium  refert  (Dig.  XLIV,  ö,  1,  10  vgl.  VII,  4,  10,  5: 
Cassius  apud  Urseium  scribit) ,  daher  Bertrand  und  Viertel  umgekehrt  Urseius 
apud  Cassium  schreiben  wollen.    Vgl.  K.  Viertel,  de  vitis  ictorum  p.  16 — 20. 

4.  Celsus  Dig.  XXXI,  20:  et  Proculo  placebat  et  a  patre  sie  accepij 
und  29  pr.:  pater  mens  referebat,  cum  esset  in  consilio'Duceni  Veri  con- 
sulis  itum  in  sententiam  suam.  Vgl.  ib.  XII,  4,  3,  7:  refert  (Celsus)  patrem 
suum  existimasse  etc.    XVII,  1,  39:  et  Aristoni  etCelso  patri  placuit  etc. 

5.  Die  Zeit  des  Plaut  ins  wird  dadurch  bestimmt  dass  er  den  Cassius 
und  Proculus  citierte  (Dig.  XXXIV,  2,  8:  Plautius:  .  .  Cassius  ait.  XXXV, 
1,  43  pr.:  Plautius:  .  .  Proculus,  Cassius  .  .  aiunt),  andererseits  von  Ke- 
ratins Priscus,  Javolenus,  Pomponius  und  Paulus  commentiert  wurde,  welche 
alle  libri  ex  Plautio  oder  ad  Plautium  verfassten. 

312.  Der  einzige  auf  uns  gekommene  Dichter  aus  der299 
Zeit  des  Vespasianus  ist  C.  Valerius  Flaccus,  von  welchem 
wir  acht  Bücher  Argonautica  besitzen,  frei  nach  ApoUonios  aus 
Rhodos  gearbeitet,  mit  Kürzung  der  alexandrinischen  Gelehr- 
samkeit und  weiterer  Ausführung  eflfectvoller  Scenen,  sowie 
grösserer  Sorgfalt  in  Charakterzeichnung  und  psychologischer 
Motivierung.  Die  Darstellung  ist  rhetorisch  belebt  und  wort- 
reich. Der  poetische  Sprachschatz  ist  in  der  Hauptsache  dem 
Vergil  entnommen,  hat  aber  durch  kühne  Figuren  und  Wort- 
verbindungen und  künstliche  Gedrängtheit  des  Ausdrucks  Klar- 
heit  und   Ebenmass   verloren,     üebrigens   ist   es   höchst   wahr- 


G88  Dil!  EniBcncH.    Erat«a  JiLhrhiindnrt.    Flavicr. 

«cheinlich  dass  ilaa  Werk  in  der  uns  vorliegenden  Gestalt  nicht 
2U  Ende  geführt  ist. 

1.  Name  in  Uer  subscriptio  dea  Vatic.  »277  (nacc.  IX)  zu  D.  II:  0. 
VikleriuB  Flacciis  Baibus  Stitians,  also  mit  zwei  cognomioa  iiad  der  13e- 
BtiinmiiDg  der  Heimat  (Selia).  Tod  vor  J.  IK)  n.  Chr.;  vgl.  Quintil.  X,  1, 
90:  mulliim  nuper  in  Valerio  Flacco  amisimiis.  D.iaa  er  jung  gt-HtorbeD 
geht  hieraus  uicbt  hervor.  Abraasung  dos  Vorwortes  unter  Vespaaian, 
wobi  nicht  lange  nach  der  Eroberung  Jurasalema  diireb  Titua  (J.  70); 
s.  Argon,  I,  7  ff.:  tuque  o,  petagi  cui  maior  aperti  fama,  Caledoniua  poet- 
quam  tua  carbasa  vcnit  ocuanua  (vgl.  Tac,  Agr.  IS.  17),  jihr^gioa  prius  iudi- 
gnatuB  lulos,  erjpe  me  iiopiilis,  .  .  sancte  pat«r,  vctcrumquc  fave  vcneranda 
caiieuti  facta  virum.  veritatii  prolea  tua  pandüt  Idumeu  (namque  poteat), 
boljmo  uigrantem  pulvere  fratrem  etc.  Auf  Bekleiduug  des  Quiudccim- 
viratB  sacr.  fac.  deutet  I,  5  f.:  Fboel(e,  mone,  ai  Cymaea«  mihi  couscia  va- 
tis  atat  caata  cortina  domo,  si  laurea  digna  fronte  viret.  Martialä  Freund 
FljLccus  aux  Patavium  (Mart.  1,  61,  3  f.  TG,  1  (.},  der  gleichfalls  DiehUr  ist, 
aber  nicht  von  Argonautica  (ib.  71!,  3  ff.:  pierios  differ  cantua  cithararoqne 
sorornm.  .  .  quid  petia  a  Pboebo?  .  ,  quid  possunt  hederae  Jlacchi  dare? 
,  .  quid  tibi  cum  Cirrha,  quid  cum  Permesaide  nnda?  Vgl.  ib.  IV,  49,  3  ff.), 
und  in  ziemlicher  Dürftigkeit  lebt  (ib.  I,  76,  4  tf.  VIII,  &e),  iat  ohne  Zweifel 
eiu  Anderer  und  etwas  Späterer  dieses  Namens  (Thilo  ])rolegg.  p.  V— VII). 

2.  Vorgleiehung  mit  Apollonios  bei  A.  Weichert,  über  Lehen  und 
Gedicht  des  Ap.  {MeiBsen  1821)  S.  270  ff.,  und  G.  Thilo,  Prolegg.  p.  VIII 
—  XIII.  Voraus  bat  der  llümer  vor  dem  Qriechen  den  einheitlicheren  Plan 
und  die  kr&ttigero  CharakterseicbDung  besonders  des  Imon  und  Aeet«si 
andurerBcita  hat  er  den  ohnehin  wenig  güuatigen  und  fremdartigen  Stotf 
durch  declamatorische  Behandlung  allzu  sehr  in  die  Breite  gezogen.  Be- 
nützung des  Diodor?  O.  Thilo  p.  VIII  not.  2,  Der  im  Epos  herkömmliche 
Apparat  von  Göttern  ist  in  grOBacm  Umfange  in  Auspiiich  genommen  (na- 
mentlich Juno  und  Minerva  greifen  vielfach  ein)  und  die  psychologische 
Ausmalung  auch  auf  die  (SOtter  angewandt.  Die  kalte  Gelehrsamkeit  ist 
durch  das  Vorherrschen  der  pathetiHchen  und  sentimentalen  Ithetorik  in 
den  Hintergrund  gedrängt,  aber  immer  noch  stark   genug  vertreten.     Ana- 

,  cbroniamen  (wie  Logus  und  Arainoe),  Thilo  p.  XXVIIl.  Anapielungen  aui 
Vorgiluger,  z.  B,  I,  IT  f.  auf  Germanic.  Arat.  40  f  In  Bezug  auf  poetische 
Sprache  und  Technik  des  Versbaues  verhalt  sich  Valerius  zu  Vergilius 
ungcfllhr  wie  Persius  zu  Horatius:  hier  wie  dort  Steigerung  der  Künstlich- 
keit,  in  der  Sprache  oft  bis  zur  Geschraubtheit  und  Dunkelheit  (vgl.  Thilo 
p.  XIII~XXV),  in  der  Technik  zd  der  im  silbernen 'Zeitalter  ablieben 
Strenge.  Scharfe  Beurteilung  dea  kQnstleri sehen  Werthes  von  Val.  Fl.  in 
den  Nachtri^n  zu  Sulzer  VHI.  8.  805  ff. 

3.  Da  der  Schlnss  von  B.  VIII  abrupt  ist  und  wesentliche  Theile  dea 
Mythus,  wie  die  TUdtung  dea  Absyrtoa  und  die  Heimfahrt  der  Argouanten, 
in  dem  Ueberlieferten  nicht  behandelt  sind,  so  ist  mit  Sicherheit  anzii- 
nehmen  daas  Weiteres  folgen  aollte;  und  das  ItackntJlDdige  konnte  noch 
zu  2—4  Büchern  Stoff  geben.    Zweifelhaft  ist  nur  ob  diesea  Weitere  von 


312.   Valerius  Flaccus.  689 

dem  Dichter  selbst  ausgeföhrt  wurde  und  nur-  verloren  gieng  (N.  Heinsiua) 
oder  der  Dichter  an  der  Weiterfuhrung  durch  den  Tod  oder  andere  Um- 
stände gehindert  wurde  (G.  Thilo  und  C.  Schenkl).  Für  letztere  Annahme 
ist  nicht  günstig  die  Länge  der  Zeit  welche  Valerius  an  seinem  Werke 
arbeitete  (vgl.  A.  1).  Gestützt  würde  dieselbe  durch  sonstige  Spuren  der 
Kichtvollendung,  falls  dieselben  sicherer  wären  als  die  von  Thilo  p.  XXVI 
—XXXIX  vorgebrachten,  da  die  Voraussetzung  dass  „Valerius,  si  Carmen 
emendare  potuisset,  ad  usum  ceterorum  poetarum  et  scriptorum  magis  se 
accommodäturus  fuerit"  (p.  XXXIII)  nicht  nur  unerweislich  sondern  sogar 
unwahrscheinlich  ist.  Von  einiger  Beweiskraft  ist  nur  eine  Anzahl  unaus- 
geglichener Widersprüche  (ib.  p.  XXVII  f.) ,  sowie  dass  die  Mängel  in  B. 
VIII  besonders  zahlreich  sind  (Schenkl  p.  ni).  Dagegen  einzelne  Versdou- 
bletten  wie  V,  566  f.  VII,  201  f.  lassen  sich  auch  aus  der  Beschaffenheit  des 
ursprünglichen  Manuscriptes  erklären.  Künstlerische  Mängel  aber  beweisen 
die  Nichtvolle ndung  kaum  bei  einem  Dichter  ersten  Ranges,  geschweige 
bei  Valerius  Flaccus. 

4.  Der  Dichter  und  seine  Arbeit  wird  ausser  von  Quintilian  (oben  A.  1) 
von  keinem  Schriftsteller  des  Alterthums  erwähnt,  insbesondere  von  keinem 
Grammatiker.  Wohl  aber  finden  sich  Nachahmungen  bei  Statins  (Theb.  u. 
Ach.)  und  Silius,  später  bei  Claudian  und  C.  Marius  Victorinus.  Erhalten 
ist  uns  das  Epos  einzig  durch  den  Vaticanus  3277  (V  bei  Thilo  und 
Schenkl)  saec.  IX,  von  welchem  alle  übrigen  Hdss.  Abschriften  sind,  auch 
die  St.  Galler  (P)  welche.  Poggio  im  J.  1417  auffand  und  welche  nur  die 
drei  ersten  Bücher  und  die  erste  Hälfte  von  B.  IV  enthielt.  Letztere  ist 
seitdem  verloren  gegangen,  doch,  existieren  davon  vier  Abschriften  aus  saec. 
XV,  wovon  drei  zu  Rom  in  der  Vaticana,  eine  in  Oxford  sich  befindet. 
Der  Vaticanus  3277  selbst  aber  hat  viele  Lücken  und  Verderbnisse,  welche 
in  den  (italienischen)  Abschriften  desselben  (wie  der  von  Carrio  benützten 
und  dem  Monacensis  lat.  802,  saec.  XV)  öfters  mit  Glück,  meist  mit  Will- 
kür zu  beseitigen  versucht  sind.     G.  Thilo  prolegg.  p.  XL  —  LXXXVI. 

6.  Ed.  princeps  Bonon.  1474  fol.  Cum  comm.  ed.  J.  B.  Pins,  Bonon. 
1519  fol.  Ed.  L.  Carrio,  Antverp.  1665  f.  Ad  fidem  codd.  emend.  N.  Hein- 
sius,  Amstelod.  1680.  Cur.  P.  Burmann.,  Utrecht  1702.  Leiden  1724.  4. 
Ed.  Th.  Ch.  Harles,  Altenb.  1781,  2  Tomi.  Cum  comm.  perp.  ed.  J.  A. 
Wagner,  Gotting.  1805.  Text  mit  traduction  etc.  par  Dureau  de  la  Malle, 
Paris  1811,  3  Voll.  Cum  comm.  ed.  N.  E.  Lemaire,  Paris  1824,  2  Voll. 
Buch  VIII  cum  notis  criticis  etc.  ed.  A.  Weichert,  Meissen  1817.  Recen- 
suit  Georg.  Thilo,  Halle  1863.   Cü  und  256  pp.   Ed.  C.  Schenkl,  Berol.  1871. 

6.  Beiträge  zur  Textkritik  von  F.  Eyssenhardt  (Rhein.  Mus.  XVII. 
S.  378—392),  Koch'  (ebd.  XVIII.  S.  163  f.),  Ph.  Wagner  ( Philologus  XX. 
S.  617—647)^  G.  Thilo  (Prolegg.,  bes.  c.  3),  G.  Meyncke  (Quaestiones  Val., 
Bonn  1866,  und  Rhein.  Mus.  XXII.  S.  362—376),  M.  Haupt  (Hermes  III. 
p.  212—216),  R.  Löhbach  (Observatt.  critt.  in  .  .  Arg.,  Andernach  1869.  4.), 
P.  Braun  (Obss.  critt.  et  exeget.,  Marburg  1869),  Br.  Hirschwfijder  (Curae 
critt.  in  .  .  Arg.  P.  I,  Bresl.  1870.  35  pp.),  C.  Schenkl  (Studien  zu  den 
Arg.  des  V.  Fl.,  in  den  Berichten  der  Wiener  Akad.  1872). 

Teüfprt.,  Rom.  Literaturgeschichte.    2.  Aufl.  44 


Die  Kaiaerzeit.   Erstes  Jahrhundert.    PliiTier. 

iVie  schon  ußter  Nero  Tragödien  (z.  B.  Medea)  so 
ter  VespaBian  anch  Prätexten  (Domitius,  Cato)  und 
st«s  der  rednerisch  gebildete  freisinnige  Guriatius 
welchem  Tacitus  im  dialogus  ein  schönes  Denkmal 
Der  von  Freunden  gepriesene  und  auch  von  Vespa- 
mnte  Saleius  Bassus  scheint  vorzugsweise  Epen 
haben,  vielleicht  gleichfalls,  wie  Valerius  Flaccus, 
chem  Gegenstände.  Stoffe  aus  der  Gegenwart  be- 
a  Statins  Vater.  Auch  Domitianua  beschäftigte  sich 
T  Regierung  seines   Vat«rs  mit  epischen  Versuchen, 

diaJ.  11  läsat  den  Curiatiua  Maternua  BOgen:  sicot  in 
i  efficere  aliquid  et  eniti  fortasse  poBSum,  ita  recitatione  trag- 
ingredi  famam  auspicatue  aum,  cum  quidem  inperant«  Ne- 
lüUer;  a.  FleckeiaenH  Jabibb.  97,  S.  417—420;  die  Hdee.  in 
)bam  et  Biadiorum  qaoque  Bacra  profanantem  Yatinii  (?  Oro- 
la.  vaticiaii)  potentiam  fregi  (etwa  indem  er  Jhu  unter  der 
lieTBites  geisBelte,  meint  L.  Müller),  et  bodie  ei  quid  nobie 
iminie  eat  magia  arbitror  carminum  quam  orationum  gloria 
am  (J.  75  n.  Chr.)  me  deiungere  a  forensi  labore  conatitui. 
itus  ad  eloquentiam  virilem  et  oratoriam  ,  .   omittit  atudium. 

die  quam  Curiatius  MaternuB  Catonem  recitaverat,  cum  of- 
itium  animOB  diceretur,  tamqnam  in  eo  trogoediae  (vgl.  oben 
:Qto  sui  oblituB  tantum  Catonem  cogitaaaet,  eaque  de  re  per 
iB  Bermo  baberetur  etc.  3:  ai  qua  omiBit  Cato,  sequenti  re- 
äBtes  dicet;  bane  enim  tragoediam  dieposui  iam  {Mat«rnuB 
la  me  ipse  formavi.  Darauf  Aper;  adeo  te  tragoediae  istae 
ao  minus  omiaaia  orationum  et  causarum  studiia  omne  tem- 
ca  Hedeam,  ecce  nunc  circa  Thjesten  conaumaa?  .  .   etiam 

tibi  ipse  negotium  importasBes,  Domitium  (etwa  der  pugnax 
Lucan.  VII,  601,  also  der  Gegner  Caesare,  L.  Domitiua  Abeno- 
'00;  8.  A.  Haakh  in  Pauly's  Beal-Enc.  11.  S.  1210—1215)  et 
st  noBtras  quoque  historiae  et  romana  uomina,  Graeculorum 
^re.  Also  Zeitfolge:  Tragödie  gegen  Vatiuius,  dann  Medea, 
0,  Thysstea,  Glaublich  ist  dasa  auf  ihn  eich  bezieht  Dio 
taxt^vov  aoipiatjjv,  on  xata  jv^avvcav  flnf  n  da-xmv  (waa  bei 
,  des  Thjestes  geschehen  eein  könnte),  äatiitttvtv  (Domitian, 
Ein  Anderer  aber  igt  Maternua,  iuris  et  aequarum  cultor 
egnm  bei  Martiat.  X,  37.  ' 

ial.  5;  quis  neacit  neminem  mihi  (dem  lultus  Secundus,  oben 
ictiorem  esse  et  uau  amicitiae  et  assiduitate  contubernii  quam 
.eum,  cum  opUmum  virum  tum  abBolutiBBimum  poetam  (freund- 
berschätzung)?  Aper  ib.;  Saleius  BaasuB  .  .  carminum  gloriam 
Lnsas  agere  non  poaait;  uud  9;  Saleium  uoatrimi,  egregium 
ersuB  .  .  Basao  domi  naacuntur,  pulcbri  quidem  et  iucundi. 
i  nuper  .  .  Veapasiani  liberalitatem,  quod  quingenta  sestertia 


313  f.    CuriatiuB  Materous.    Saleius  Bassus.   Domitianus.  691 

Baaäo  donasset.  Quintil.  X,  1,  90  (bei  den  Epikern):  vehemens  et  poeticum 
ingenium  Salei  Bassi  fuit,  nee  ipsum  senectute  maturuit.  Juy.  VII,  80  f.: 
Sorrano*  tenuique  (dürftig?  vgl.  Stat.  Silv.  V,  3,  168  tennis  .  .  Corinnae) 
Saleio  gloria  qaantalibet  quid  erit,  si  gloria  tantum  est  (ohne  materiellen 
Ertrag)?  Der  bei  Martial.  III,  47.  58,  1.  V,  23.  VIU,  10.  VU,  96,  1  genannte 
Ba»idus  ist,  nach  seinen  persönlichen  Verhältnissen  zu  schliessen,  ein  an* 
derer,  obwohl  dieser  gleichfalls  Dichter  (von  Tragödien)  war;  s.  V,  53: 
Colchida  quid  scribis,  quid  scribis,  amice,  Thyesten?  quo  tibi  vel  Nioben, 
BaHHe,  vel  Andromachen?   J.  Held,  de  Saleio  Basso  poeta,  Breslau  1834.  4. 

3.  Des  Statins  Vater  war  schon  in  früher  Jugend  in  poetischen  Agonen 
Neapels  mit  Erfolg  aufgetreten  (Stat.  Silv.  V,  3,  112  fF.  134  ff.),  dann  Lehrer 
der  Beredtsamkeit  (gemina  facundia  lingna,  ib.  90)  und  Poesie  zuerst  in 
Neapel  (ib.  146 —  175),  dann  zu  Rom  (ib.  176  —  194)  gewesen,  hatte  den 
Brand  des  Capitols  J.  69  alsbald  besungen  (ib.  199  ff.:  vix  reqnies  flammae 
.  .  excisis  cum  tu  solatia  templis  .  .  concipis  ore  pio  captivaque  fulmina 
defles.  mirantur  Latii  proceres  ultorque  deorum  Caesar)  und  war  im  Begriffe 
auch  den  Ausbruch  des  Vesuv  (J.  79)  flere  pio  cantu  (ib.  205),  als  er  (frühe- 
stens  J.  80,  vgl.  unten  316,  3)  starb  (ib.  206  ff.),  65  J.  alt  (ib.  253  f.),  somit 
frühestens  J.  15  =  768  geboren. 

4.  lieber  Domitians  epische  Versuche  s.  unten  314,  2. 

b)  Domitianus. 

314.  Das  oberflächliche  Interesse  für  Literatur  welches  Domi-301 
tianus  früher  zur  Schau  getragen  hatte  schwand  nachdem  er  den 
Thron  bestiegen.  Zwar  erstreckten  sich  die  capitolinischen  und 
albanischen  Wettkämpfe  auch  auf  die  Poesie;  aber  sie  gestat- 
teten nur  Verherrlichung  des  eiteln  Despoten.  Dessen  Arm 
lastete  schwer  auf  allem  geistigen  Leben.  Am  drückendsten 
empfand  ihn  die  Geschichtschreibung.  Von  Beredtsamkeit  blühte 
nur  die  der  Delatoren.  Ohne  Gefahrdung  entweder  der  Existenz 
oder  der  persönlichen  Ehre  war  imter  Domitian  nur  das  mög- 
lich was  Juvenal,  Tacitus  und  Plinius  die  ganze  Zeit  über  thaten, 
—  schweigen.  Von  denen  die  da  schrieben  schmeichelten  dem 
gekrönten  Ungeheuer  die  einen  aus  Schwäche,  die  Andern  aus 
Selbstsucht:  aus  Schwäche  Silius  Italiens,  Statins  und  Quintilian, 
aus  berechnendem  Servilismus  Josephus  und  Martialis.  Kaum 
dass  technischen  Schriftstellern,  wie  Sex.  Julius  Frontinus  und 
den  Juristen,  es  gelang  die  drohenden  Klippen  zu  vermeiden. 
Desto  grosser  war  die  Zahl  der  Dilettanten  die  durch  Versemachen 
ihre  Ungefährlichkeit  zu  beweisen  wussten. 

1.  T.  Flavius  Domitianus,  geb.  24.  Oct.  51  (804),  Kaiser  seit  13.  Sept. 
81  (834),  ermordet  den  18.  Sept.  96  (849).     Die  gleichzeitigen  Schriftsteller, 

44* 


692  Die  Eaiserzeit.    Erstes  Jahrhundert.   Domitianus. 

Inschriften  und  Münzen  gestatten  von  den  15  Jahren  seiner  Regierung  ein 
so  anschauliches  Bild  zu  entwerfen  wie  von  wenigen  andern  Theilen  der  al- 
ten Geschichte.  Freilich  ist  für  die  Ausführung  noch  nicht  viel  geschehen. 
A.  Imhof,  T.  FL  Dom.,  nach  den  Quellen  dargestellt,  Halle  1857.  144  S. 
E.  y.  Wietersheim ,  Cksch.  der  Völkerwanderung  I  (Leipzig  1859),  Cap.  VIII. 
C.  Peter,  Geseh.  Korns  III,  2  (Halle  1869)  8.  112—140. 

2.  Suet.  Dom.  2:  simulavit  poeticae  Studium,  tarn  insüetum  antea 
sibi  quam  postea  spretum  et  abiectum  (s.  A.  3),  recitavitque  etiam  publice. 
Tac.  Hist.  IV^  86:  Domitianus  .  .  Studium  litterarum  et  amorem  carminum 
simulans.  Hauptsächlich  scheinen  diess  epische  Versuche  gewesen  zu  sein. 
Quintil.  %,  1,  91:  hos  nominavimus  (als  Epiker),  quia  Germanicum  Aug.  ab 
institutis  studiis  deflezit  cura  terrarum  parumque  diis  yisum  est  esse  eun» 
mazimum  poetarum.  quid  tamen  his  ipsis  eins  operibus  in  quae  donato 
imperio  iuvenis  secesserat  sublimius,  doctius,  omnibus  denique  numeris 
praestantius?  quis  enim  caneret  bella  melius  quam  qui  sie  gerit?  Viel- 
leicht war  es  das  bellum  iudaicum  an  das  er  sich  machte  oder  machen  zu 
wollen  behauptete;  s.  Val.  Fl.  I,  7  ff.  (oben  312,  1).  Vgl.  unten  315,  3.  Die 
Aratea  hat  er  nicht  verfasst;  s.  oben  270,  7.  Suet.  Dom.  18:  quamvis  libello 
quem  de  cura  capillorum  ad  amicum  edidit  haec  etiam,  simul  illum  seque 
aonsolans,  inseruerit  etc. 

3.  Suet  Dom.  20:  liberalia  studia  imperii  initio  neglezit,  quamquam 
bybliothecas  incendio  absumptas  impensissime  reparare  curasset,  exemplari- 
bus  undique  petitis  missisque  Alexandriam  qui  describerent  emendarentque. 
nümquam  tamen  aut  historiae  carminibusve  noscendis  operam  uUam  aut 
stilo  vel  necessario  dedit.  praeter  commentarios  et  acta  Tiberi  Gaesaris 
nihil  lectitabat;  epistolas  orationesque  et  edicta  alieno  form^bat  ingenio. 
Danach  ist  zu  beurteilen  Quintil.  IV.  prooem.  3:  principem  ut  in  omnibus 
ita  in  eloquentia  quoque  eminentisBimum. 

4.  Suet.  Dom.  4:  instituit  (J.  86)  et  quinquennale  certamen  Gapitolino 
lovi  triplex,  musicum,  equestre,  gymnicum.  .  .  certabant  et  prosa  oratione 
graece  latineque.  .  .  celebrabat  et  in  Albano  quotannis  Quinquatria  Miner- 
vae  .  .  et  scenicos  ludos  superque  oratorum  ac  poetarum  certamina.  Plin. 
paneg.  54:  quis  iam  locus  miserae  adulationis  manebat  ignarus,  cum  landes 
imperatorum  ludis  etiam  et  commissionibus  celebrarentur?  Nach  der  In- 
schrift bei  Orelli  2603  (Pauly's  Real-Enc.  VI,  2.  S.  2364,  Nr.  14^)  L.  Valerius 
L.  f.  Pudens  cum  esset  annorum  XIU  Romae  certamine  sacro  lovis  Capito- 
lini  lustro  sexto  claritate  ingenii  coronatus  est  inter  poetas  latinos  omnibus 
sententiis  iudicum.  Vgl.  die  aus  Acerra  im  Hermes  I.  S.  161  — 155.  Da- 
gegen Statins  (Silv.  HI,  6,  31  ff.  V,  3,  231  ff.)  und  der  junge  Annius  Florus 
(s.  d.)  und  wohl  auch  der  zwöl§ährige  Q.  Sulpicius  Maximus  tertio  certa- 
minis  lustro  (J.  86  n.  Chr.;  vgl.  C.  L.  Visconti,  il  sepolcro  del  fanciullo  Q. 
S.  M.,  delineato  etc.,  Rom  1871.  fol.)  hatten  Misserfolge.  Den  albanischen 
Olivenkranz  aber  gewann  Statins  mehrmals  (Silv.  III,  5,  28  ff.).  Vgl.  Fried- 
länder,  Darst.  a.  d.  Sittengesch.  HI.  S.  323—326. 

6.  Tac.  Agr.  2:  legimus,  cum  Aruleno  Rustico  (s.  unten  324,  2)  Paetus 
Thrasea,  Herennio  Senecioni  Prisciis  Helvidius  laudati  essent,  capitale  fuisse 
neque  in  ipsos  modo  auctores  sed  in  libros  quoque  eorum  saevitum,  dele- 


314  f.  Domitianns.   SiliuB  ItallcoB.  693 

gato  triumyiris  ministerio  ut  znonumenta  clarissimomm  ingeniormn  in  cQiui- 
tio  ac  foro  urerentur.  .  .  expulsis  insuper  sapientiae  professoribug  atque 
omni  bona  arte  in  exsilium  acta.  .  .  sicut  vetus  aetas  yidit  quid  ultimum 
in  libertate  esset,  ita  nos  quid  in  Servitute,  adempto  per  inquisitiones  etiam 
loquendi  audiendique  commercio.  Besonders  in  Domitians  letzten  Jahren 
(cum  profiteretur  odimn  bonorum,  Plin.  paneg.  96)  war  suspecta  virtus,  iner« 
tia  in  pretio  (PUn.  ep.  VIU,  14,  7).  Helvidius  z.  B.  metu  temporum  nomen 
ingens  paresque  virtutes  secessu  tegebat  (ib.  IX,  13,  2). 

6.  Suet.  Dom.  10:  occidit  Hermogenem  Tarsensem  propter  quEtödam  in 
historia  fig^ras,  librariis  etiam  qui  eam  descnpserant  cruci  fixis.  .  .  inter- 
emit  .  .  Mettium  Pompusianum  quod  .  .  depictum  orbem  terrae  in  mem- 
brana  contionesque  regum  ac  ducum  ex  T.  Livio  circumferret;  .  .  lunium 
Rusticum  quod  Paeti  Thraseae  et  Helvidi  Prisci  laudes  edidisaet  appellas- 
setque  eos  sanctissimos  yiros,  cuius  criminis  occasione  philosophos  omnis 
urbe  Italiaque  summovit.  Unter  Letzteren  waren  Artemidoros  (Plin.  Ep.  III, 
11),  Lucceius  Telesinus,  Demetrios,  Dio  Chrysostomos,  Epiktetos.  Hiero- 
nym.  ad  a.  Abr.  2105  «=  9  Dom.  ==»  89  n.  Chr.:  Domitianus  mathematicos 
et  philosophos  romanos  (Var.  romana)  urbe  pepulit.  ad  2111  »»  15  Dom. 
=  95  n.  Chr.  (richtiger  J.  93;  s.  Hermes  III.  S.  84  f.  A.  4):  Domitianus  rur- 
sum  philosophos  et  mathematic^i^  Roma  per  edictum  extrudit. 

7.  Hieronym.  ad  a.  Abr.  2109  =  13  Dom.  =  93  n.  Chr.:  Flavius  losephus 
vicesimum  librum  Antiquitatum  h.  temp.  scribit. 

8.  üeber  die  dilettantischen  Schriftsteller  in  Versen  s.  unten  319.  Vgl. 
L.  Friedländer,  recensio  poetanmi  Statio,  Martiali,  Plihio  iun.  contempo- 
raneorum,  Königsberg  1870.  4.;  Darstellungen  a.  d.  Sittengesch.  III.  S.  351  ff. 

316.  Unter  Domitian  vollendete  sein  Epos  über  den  zwei-302 
ten  punischen  Krieg  C.  Silius  Italiens  (J.  25 — 101  n.  Chr.), 
der  nach  einer  rednerischen  und  amtlichen  Thätigkeit  die  ihn 
bis  zum  Consulat  (J.  68)  geführt  sich  ganz  in  behagliche  Müsse 
und  auf  literarische  Beschäftigung  zurückgezogen  hatte.  Diese 
siebenzehn  Bücher  Punica  sind  stofflich  nach  Livius  gearbeitet^ 
in  ihrer  Behandlungsweise  und  Form  nach  Homer  und  Vergil, 
so  dass  die  mythologische  Motivierung  selbst  auf  diesen  ge- 
schichtlichen Stoff  angevv^endet  wird.  Die  Ausführung  ist  de- 
clamatorisch  gedehnt  und  episodenreich,  indem  der  Verfasser  die 
herkömmlichen  epischen  Requisiten  möglichst  vollständig  seinem 
Werke  einzuverleiben  bemüht  ist.  Die  Verstechnik  ist  streng 
bis  zur  Einförmigkeit. 

1.  Plinius  Epist.  III,  7  vom  J.  101  n.  Chr.:  modo  nuntiatus  est  Silius 
Italiens  in  Neapolitano  suo  inedia  finivisse  vitam.  (2.)  causa  mortis  vale- 
tudo.  erat  illi  natus  insanabilis  clavus  (nageiförmiges  Geschwür?  vgl.  die 
medicinische  Diss.  de  morte  Silü  It.  von  Laur.  Heister,  Helmstedt  1734.  4.), 
cuius  taedio  ad  mortem  irrevocabili  constantia  decucurrit,  asque  ad  extre- 


694  I^ie  Eaiserzeit.    Erstes  Jahrhundert.    Domitianus. 

mum  diem  boatus  et  felix,  nisi  quod  minorem  ex  liberis  duobus  (Namens 
Sevenis,  vgl.  Martial.  IX,  86)  amisit,  Hed  maiorem  melioremque  florenteni 
atque  etiam  consularem  (Martial.  VIIT,  66)  reliquit.  (3.)  laescrat  famara 
suam  snb  Nerone:  credebatur  sponte  accusasse.  sed  inVitelli  amicitia  (vgl. 
Tac.  Hist.  III,  65)  sapienter  se  et  comiter  gesserat,  ex  proconsulatu  Asiae 
gloriäm  reportaverat,  maculam  veteris  industriae  laudabili  otio  abluerat. 
(4.)  fuit  inter  principes  civitatis  sine  potentia,  sine  invidia:  salutabatnr, 
colebatur,  multumque  in  lectulo  iacens  cubiculo  semper  non  ex  fortuna 
frequenti  doctissimis  sermonibus  dies  transigebat^  cum  a  scribendo  vacarct. 
(5.)  scribebat  carmina  maiore  cura  quam  ingenio,  nonnumquam  iudicia  bo- 
minum  recitationibus  experiebatur.  (6.)  novissime  ita  suadentibus  annis 
ab  urbe  secessit  seque  in  Campania  tenuit,  ac  ne  adventu  quidem  novi 
principis  (des  Trajan,  J.  99)  inde  commotus  est.  (7.)  .  .  erat  qpdoxaXo?  us- 
que  ad  emacitatis  reprehensionem.  plures  isdem  in  locis  villas  possidebat 
(darunter  auch  eine  die  früher  dem  Cicero  gehört  hatte,  etwa  sein  Cumanum; 
B.  Martial.  XI,  48:  Silius  haec  magni  celebrat  monimenta  Maronis,  iugera 
facundi  qui  Ciceronis  habet,  heredem  dominumque  sui  tumulive  larisve  non 
alium  mallet  nee  Maro  nee  Cicero)  adamatisque  novis  priores  neglegebat. 
multum  ubique  librorum,  multum  statuarum,  multum  imaginum,  quas  non 
habebat  modo  verum  etiam  venerabatur,  Vergilii  ante  omnes,  cuius  uata- 
lem  religiosins  quam  suum  celebrabat,  Neapoli  maxime,  ubi  monimontum 
(s=s  tumulus,  s.  Martial.  1.  1.  u.  XI,  49;  oben  226,  12)  eius  adire  ut  templum 
solebat.  (9.)  in  hac  tranquillitate  annum  LXXV'*'"  excessit,  delicato  magis 
corpore  quam  infirmo;  utque  novissimus  a  Nerone  factus  est  consul  (J.  68 
=«  821  d.  St.  Vgl.  Martial.  VII,  63,  9  f.)  ita  postremus  ex  omnibus  quos 
Nero  consules  fecerat  decessit.  (10.)  illud  etiam  notabile:  ultimus  ex  Nero- 
nianis  consularibus  obiit  quo  consule  Nero  periit  (nämlich  eben  Silio  Italico).. 
Frühere  rednerische  Thätigkeit:  Martial.  VII,  63,  5  ff.:  sacra  cothumati  non 
attigit  ante  Maronis  implevit  magni  quam  Ciceronis  opus,  hunc  miratur  ad- 
huc  centum  gravis  hasta  virorum,  hunc  loquitur  grato  plurimus  ore  cliens. 
Nachdem  er  das  Consulat  bekleidet:  (11  f.)  emeritos  Musis  et  Phoebo  tradi- 
dit  annos  proque  suo  celebrat  nunc  Helicona  foro.  Auf  frühes  Interesse 
für  Vergil  deutet  aber  des  Cornutus  (oben  294,  2)  Widmung  seiner  Schrift 
de  Vergilio.    Vollständiger  Name  Ti.  Catius  Sil.  lt.  bei  Gruter  p.  300,  1. 

2.  Dass  Martialis  den  wohlhabenden  Dichter  und  dessen  Werk  aus  vol- 
len Backen  preist  ist  selbstverständlich;  s.  Anm.  1  und  IV,  14,  1  ff.:  Sili, 
Castalidum  decus  sor(trum,  qui  periuria  barbari  furoris  ingenti  premis  ore 
perüdosque  astus  Hannibalis  levesque  Poenos  magnis  cedere  cogis  Africanis. 
VI,  64,  10:  perpetui  .  .  Sili.  VII,  63,  1  f.:  perpetui  numquam  moritura 
Volumina  Sili  qui  legis  et  latia  carmina  digna  toga  etc.  Daraus  dass  er 
ihn  nie  als  Landsmann  bezeichnet  erhellt  mit  Sicherheit  dass  Silius  nicht 
aus  Italica  stammt.  Das  Schweigen  des  Quintilian  über  Silius,  auch  iii 
seiner  Aufzählung  der  römischen  Epiker  X,  1,  85  —  90,  erklärt  sich  daraus 
dass  zur  Zeit  der  Abfassung  von  dessen  Schrift  Silius  noch  lebte  und  sein 
Epos  noch  nicht  veröffentlicht  hatte.  Statins  (Silv.  IV,  7,  14  ff.)  spielt  auf 
Sil.  I,  233  an. 

3.  Preis  der  flavischen  Kaiser  Sil.  III,  594 — 629,  wo  über  Domitian  v. 


315.  Silius  ItalicuB.  695 

607  ff,:  at  tu  transcendes,  Germanice,  facta  tuorum  (von  Vater  und  Bruder!), 
iam  puer  auricomo  praeformidate  Batavo  (vgl.  Martial.  II,  2,  4  oben  270, 
7  E.).  nee  te  terruerint  Tarpei  culminis  ignee:  .  .  servabere  .  .;  nam  te 
longa  manent  nostri  consortia  mundi.  Darauf  bombastischer  Preis  der  Miss- 
erfolge Domitians  im  Osten  und  Norden  und  zuletzt  (618  ff.):  quin  et  Ro- 
muleos  superabit  voce  nepotes  quis  erit  eloquio  partum  decus;  hinc  sua 
Musae  sacra  ferent,  meliorque  lyra  (als  Orpheus)  .  .  Phoebo  miranda  lo- 
quetur.  Wahrheitsgemässer  am  Schlüsse  von« XIV:  at  ni  cura  viri  qui  nunc 
dedit  otia  mundo  effrennm  arceret  populandi  cuncta  furorem  nudassent 
avidae  terrasque  fretumque  rapinae.  Dagegen  XVI,  533  f.  der  Seufzer: 
quid  iai^  non  regibns  ausum?  aut  quod  iam  regnis  restat  scelus?  Preis 
des  Vergil  VIII,  593  f.:  Mantua  Musarum  domus  atque  ad  sidera  cantu 
evecta  aonio  et  srayrnaeis  aemula  plectris.  Gelegentliche  Verherrlichung 
Befreundeter  durch  die  Gestalten  seines  Epos,  wie  durph  Pedianus  (XII, 
212—222)  wohl  einem  Sohne  des  Asconius  Ped.  (oben  290)  eine  Freund- 
lichkeit erwiesen  werden  soll. 

4.  In  Ermangelung  eigener  Erfindungsgabe  bildet  Silius  die  homerischen 
Epen  und  den  Vergil  fast  pedantisch  nach.  So  muss  er  seinen  ^^Ovei^og 
(III,  163  ff.)' und  seinen  KavdXoyog  (III,  222  ff.)  haben,  seinen  Hektors  (Han- 
nibal's)  Abschied  (III,  62  ff.),  seine  Schildbeschreibung  (II,  396  ff.),  seine 
äd'Xoc  (XVI,  277  ff.),  seine  iiLd%ri  naqanoxdiJLioq  (IV,  667  ff.),  seinen  Proteus 
(VII,  415  ff.)  und  seine  vB%vCa  (XIII,  395 ff.);  ebenso  seine  Thürenbeschrei- 
büng  (III ,  32  ff.)  wie  die  Georgica.  Wie  Herakles  steht  Scipio  (XV,  20  ff.) 
am  Scheidewege  zwischen  Virtus  und  Voluptas,  wie  Turnus  kämpft  Hannibal 
bei  Zama  mit  einem  Gaukelbilde.  Juno  spielt  dieselbe  Rolle  wie  in  der 
Aeneis  und  greift  oft  zu  Gunsten  Hannibals  ein  (I,  648  ff.  II,  526  ff.  III, 
163  ff.  IV,  417  ff.);  andererseits  sind  Venus  und  Vulcan  thätig  (IV,  667  ff.). 
Die  Charakterzeichnung  ist  dürftig.  Zu  den  rhetorischen  Appertinenzien 
gehören  die  häufigen  Schlachtbeschreibungeii.  In  nationaler  Haltung  (auch 
im  Topographischen)  wetteifert  Silius  mit  der  Aeneis.  Gegen  Hannibal  nimmt 
der  Dichter 'sehr  entschieden  Partei  (z.  B.  II,  696  ff.).  Von  B.  XII  an  wird 
die  Behandlung  des  Stoffes  sehr  ungleich ,  und  vollends  in  B.  XVII  eilt  der 
Verf.  sichtlich  zum  Schlüsse:  kein  Wort  über  Scipio's  Ueberfahrt  nach 
Africa  und  Hannibals  Landung  daselbst.  Mit  Scipio's  Triumph  nach  der 
Schlacht  bei  Zama  endet  das  Werk,  nachdem  zuvor  der  Ausblick  auf  Hanni- 
bals schliessliche  Schicksale  und  auf  Earthago's  Zerstörung  eröffnet  worden 
ist  (v.  371  ff.).  Vgl.  im  Allgemeinen  die  Nachträge  zu  Sulzer  VII.  S.  374  ff. 
W.  Cosack,  quaestiones  Silianae  (bes. -p.  16—56  de  fide  historica  Silii,  na- 
mentlich sein  Verhältniss  zu  Livius),  Halle  1844.    L.  Cholevius  (oben  20,  3). 

5.  Das  Werk  ist  von  Vibius  Sequester  noch  benützt,  war  aber  im  Mittel- 
alter verschollen,  und  auch  Petrarca  scheint  es  nicht  gekannt  zu  haben 
als  er  seine  Africa  verfasste;  s.  0.  Occioni  (A.  7)  p.  116 — 143.  Erst  J.  1417 
fand  Poggio  oder  vielmehr  Bartholomäus  Politianiis  (de  monte  Puliciano) 
zu  St.  Gallen  eine  Handschrift  auch  (vgl.  312,  4)  des  Silius,  welche  seitdem 
verschollen,  aber  durch  die  in  Italien  saec.  XV  davon  gemachten  Abschrif- 
ten in  der  Haiiptsache  ersetzt  ist.  Auch  die  von  Carrio  in  Cöln  gefundene 
Handschrift,  angeblich  aus  der  Zeit  Karls  d.  Gr.  und  nur  bis  XVI,  556  rei- 


696  Die  Kaiserzeit.    Erstes  Jahrhundert.   Domitianus. 

chend,  welche  ausner  ihm  nur  Fr.  Modius  direct  benützt  zu  haben  scheint, 
ist  verloren  gegangen.  Vgl.  A.  Drakenborch  vor  seiner  Ausgabe  und  daraus 
bei  Buperti  p.  XLVif.  G.  Thilo,  Quaestiones  Silianae,  Halle  185Ö.  4.  und 
in  der  Symbola  phil.  Bonn.  p.  399 — 401. 

6.  Zwei  ed.  principes  Rom.  1471  fol.  gleichzeitig.  Keck  interpoliert 
(durch  Ambrosius  Nicander  Toletanus)  die  luntina  1515.  L.  Carrio,  Emen- 
dationum  etc.  libri  (Antv.  1576.  Paris  1683),  nebst  Fr.  Modii  novantiq.  lectt. 
(Frankf.  1584),  beide  in  Gruters  Lampas  III,  2.  p.  90  ff.  u.  V.  p.  1  ff .  Ed. 
D.  HeinsiuB  (nebst  seinen  Crepundia  Siliana),  Lugd.  B.  1600.  Ed.  Claud. 
Dausqueius  (Paris  1618),  Cellarius  (Lips.  1695)  und  besonders  cum  animadv. 
N.  Heinsii  etc.  ed.  A.  Drakenborch,  Utrecht  1717.  4.  Ed.  J.  B.  Lefebvre  de 
Villebrune  (mit  französ.  üebersetzung) ,  Paris  1781.  3  Voll.  Comm.  perp. 
illustr.  J.  C.  Th.  Ei-nesti,  Lips.  1791.  2  Voll.  Perpet.  annot.  ill.  G.  A.  Eu- 
perti,  Gotting.  1795—98,  2  Voll.  Text  von  Lünemann  (Gotting.  1824)  und 
in  W.  E.  Webers  corpus  poett.  latt.  p.  799—897. 

Metrisch  übersetzt  von  F.  H.  Bothe  (Stuttgart,  Metzler,  1S55  —  57,  5 
Hdchn.)  und  Braunschweig  1866  (2  Bde.). 

7.  Quaestiones  Silianae  von  Wilh.  Cosack  (s.  A.  4)  und  G.  Thilo  (s.  A.  5). 
Emendationes  Silianae  von  G.  Thilo  (in  der  Symbola  philol.  Bonn.  p.  397 — 410) 
und  H.  Blass  (Berliner  Gymn.  Progr.  1867,  S.  21—44).  Vgl.  Hermes  IV. 
p.  345. 

8.  Cajo  Silio  Italico  e  il  suo  poema,-  studi  di  Onor.  Occioni,  Padova 
1869  (p.  149  ff.  ital.  üebersetzung  von  B.  III  u.  XI). 

303  316.  unter  Domitianus  lebte  und  schrieb  ferner  P.  Papinius 
►Statius  aus  Neapel  (um  J.  45 — 96  n.  Chr.).  Hochgebildet  und 
von  dichterischer  Begabung,  fähig  warmer  Empfindung,  überaus 
gewandt  und  geschliffen  in  der  Form,  stösst  Statins  dennoch 
mehr  ab  als  dass  er  fesselte,  wegen  der  Unwahrheit  die  in 
seinen  Gedichten  herrscht,  weil  er  nicht  blos  wirkliche  Gedanken 
und  Gefühle  ausspricht  sondern  auch  erheuchelte,  gemachte  und 
bestellte,  und  den  Ausdruck  derselben  so  häufig  durch  die  rhe- 
torische oder  mythologische  Phrase  erdrückt  oder  ersetzt.  Wenig 
geniessbar  ist  sein  frühestes  und  grösstes  Werk,  die  Thebais 
in  zwölf  Büchern,  stofflich  wohl  nach  Antimachos,  in  der  epi- 
schen Technik  nach  Vergil  gearbeitet;  unvollendet  blieb  seine 
Achilleis,  deren  zweites  Buch  bereits  unfertig  ist;  am  anziehend- 
sten sind  die  Silvaej  fünf  Bücher  Gelegenheitsgedichte  meist  im 
epischen  Masse,  zum  kleineren  Theile  in  melischen,  werthvoUe 
Zeitbilder,  Denkmäler  achtbarer  Gesinnung,  aber  auch  von 
schwächlicher. 

1.  Bei  Bestimmung  der  Zeitverhältuisse  des  Statins  ist  völlig  abzusehen 
von  den  bodenlosen  Behauptungen  Dodwell's  in  seinen  Annales  Statiani 
(Oxon.  1698,  zugleich  mit  annales  Yelleiani  und  Quintilianei).    Vgl.  Grosse 


315  f.    Silius  Italicus.    Statins.  697 

Observ.  p.  4—10.  Als  sein  Vater  (oben  313,  3)  ums  J.  80  ä=  833  starb  hatte 
Statins  schon  in  seiner  Heimat  (Silv.  III,  5,  78  f.)  Neapel  in  poetischen  Ago- 
nen  Siege  gewonnen  (Silv.  V,  3,  226  ff.)  und  in  Rom  Theile  seiner  Thebais 
vorgelesen  (ib.  216  ff.  vgl.  233  ff.  und  Juv.  VII,  82  ff.).  Andererseits  sagt  er 
Silv.  V,  2,  158  f.  (ums  J.  95  oder  96)  von  sich:  nos  fortior  aetas  iam  fugit, 
vgl.  IV,  4,  69  f.  (J.  95):  nos  facta  aliena  canendo  vergimur  in  senium. 
V,  4  spricht  er  von  seiner  langen  Schlaflosigkeit,  wie  schon  III,  5,  37  ff. 
von  einer  überstandenen  schweren  Krankheit.  Das  fünfbe  Buch  der  Silvae, 
in  welchem  das  dritt«  Stück  aus  früherer  Zeit  stammt  (J.  80),  das  vierte 
ein  kurzer  Seufzer  vom  Krankenlager  ist,  das  fünfte  unvollendet  vorliegt, 
scheint  erst  nach  des  Verfassers  Tode  diese  Gestalt  erhalten  zu  haben. 
Nichts  weist  darauf  hin  dass  Stat.  den  Domitian  überlebt  hätte.  Für  seine 
Geburtszeit  liegen  nur  ungefähre  Anhalte  vor  in  dem  Alter  des  Vaters  (s. 
313,  3;  vgl.  C.  F.Weber,  Panegyr.  in  Pis.  p.  12  f.)  und  den  Leistungen  des 
Sohnes  bei  dessen  Lebzeiten;  über  das  J.  800  d.  St.  wird  daher  keinenfalls 
weit  herabgegangen  werden  dürfen.  Dass  seine  Zurückziehung  nach  Cam- 
panien  durch  den  Misserfolg  in  den  capitolinischen  Spielen  (oben  314,  4) 
veranlasst  war  ist  möglich,  aber  durch  Nichts  bezeugt. 

2.  Statins'  Gattin  war  eine  Römerin  und  Wittwe  Claudia  (Silv.  III,  5), 
die  ihm  eine  Tochter  beibrachte  (ib.  64  ff.),  in  ihrer  zweiten  Ehe  aber  nicht 
gebar  (Silv.  V,  5,  79  f.).  Ohne  Vermögen  wird  sie  schwerlich  gewesen  sein, 
wiewohl  des  Statins  etwaige  Besitzungen  in  Neapel  von  seinem  Vater  her- 
rührten und  das  Gut  bei  Alba  (Silv.  III,  1,  61  f.  vgl.  iugera  nostra  ib.V,  3,  37) 
ein  (von  Domitian?)  geschenktes  war  (Silv.  III 1. 1.).  Auch  dass  Statins  seinen 
vornehmen  Freunden  gegenüber  niemals  (denn  Süv.  IV,  9  ist  ein  Scherz) 
eine  so  bettelhafte  Haltung  zeigt  wie  Martial  spricht  für  relative  materi- 
elle Unabhängigkeit.  Juv.  7,  86  f.:  (Statins)  cum  fregit  snbsellia  versu 
osurit,  intactam  Paridi  nisi  vendit  Agaven  (vgl.  oben  8,  1  E.)  besagt  nur 
dass  St.  von  seiner  Vorlesung  der  Thebais  keinen  materiellen  Vortheil  habe. 
Die  Feilheit  von  Statius'  Muse  gegenüber  von  Bestellern  wie  dem  Eunuchen 
und  kaiserlichen  Lustknaben  Earinus  (Silv.  HI,  4)  wird  mehr  aus  politischer 
Angst  als  finanziellem  Bedürfhiss  zu  erklären  sein.  Als  Gönner  erscheinen 
Metius  Celer  (rex  mens,  Silv.  III,  2,  92  f.)  und  Plotius  Grypus  (IV,  9,  48 ff.); 
mit  Andern  aber  verkehrt  der  Dichter  auf  dem  Fusse  der  Gleichheit,  wie 
mit  Claudius  Etruscus  (dilectus  sodalis,  Silv.  I^  5,  9;  mens,  ib.  m  praef.; 
vielleicht  ein  Verwandter  seiner  Frau),  PoUius  Felix  (mens,  ib.  IV  praef.)  und 
dessen  Schwiegersohn  Inlius  Menecrates  (ib.  IV,  8).  Dem  16jährigen  Vettius 
Crispinus,  dessen  Vater  todt  ist,  ertheilt  der  Dichter  (ib.  V,  2)  halb  väterliche 
Ermahnungen.  Vgl.  L.  Friedländer,  Darstellungen  a.  d.  Sittengesch.  IH  (Berlin 
1871).  S.  342.  404—411.  Dagegen  gegenüber  von  Domitian  und  allem  was 
mit  dessen  Person  zusammenhängt  (Süv.  IV  praef.:  latus  omne  divinae  do- 
mus  semper  demereri  pro  mea  mediocritate  conitor;  nam  qui  bona  fide  deos 
colit  amat  et  sacerdotes)  geht  das  Schweifwedeln  ins  Unleidliche.  Nicht 
nur  dass  er  den  Earinus  glücklich  preist  weil  er  um  ihn  sein  dürfe  (III, 
4,  60  ff.)  und  über  den  Tag  wo  er  von  Dom.  zu  Tische  geladen  wurde  sagt: 
haec  aevi  mihi  prima  dies,  haec  limina  vitae  (IV,  2,  13),  sondern  er  stellt 
auch  dessen  klägliche  Erfolge  gegen  auswärtige  Feinde  als  grossartige  dar 


f>98  Die  Kaiserzeit.   Erstes  Jahrhundert.    Domitianus. 

(z.  B.  IV,  3,  153  fF.),  rühmt  seine  dementia  (III,  3,  167  ff.)  und  behauptet 
derselbe  würde,  wenn  er  könnte,  den  Tod  abschaffen  (V,  1,  165  if.)  und 
dass  für  seine  Erhaltung  sidera,  undae  terraeque  beten  (III,  4,  101  ff.),  preist 
überdiess  seine  Schönheit  (III,  4,  44  f.  vgl.  IV,  2,  41  f.)  und  vergleicht  den 
bei  Tische  Liegenden  mit  einem  ruhenden  Herakles  (IV,  2,  46  ff.).  I,  1,  94  ff. 
Ulsst  er  Domitians  Vater  und  Geschwister  nächtlicher  Weile  vom  Himmel 
kommen  imi  Domitians  Reiterstandbild  zu  küssen.  Indessen  über  den 
todten  Caligula  (III ,  3,  70  ff.)  und  den  ferus  Nero  (V,  2 ,  33)  wagt  er  sich 
freimütig  auszusprechen. 

3.  Abfassung  der  Thebäis  (vgl.  Silv.  HI,  6,  36  und  Juv.  7,  83)  in 
langer  (Silv.  IH,  5,  35.  IV,  7,  26),  zwölf  Jahre  hindurch  (Theb.  XH,  811) 
fortgesetzter  Arbeit.  Silv.  HI,  2,  142  f.  ist  sie  noch  nicht  fertig,  wohl  aber 
ib.  IV,  4,  88—92  (iam  sidonios  emensa  labores  Thebais  optato  collegit  car- 
basa  portu  etc.),  vgl.  ib.  7,  7.  25  ff.  Da  schon  des  Statins  Vater  das  Werk 
entstehen  sah  (Silv.  V,  3,  233  f.),  so  scheint  die  Abfassung  J.  80 — 92  zu  fallen. 
Gegenstand  die  Kämpfe  zwischen  Polyneikes  und  Eteokles.  Nachdem  in 
den  ersten  zehn  Büchern  die  Handlung  überaus  langsam  von  der  Stelle  ge- 
rückt ist,  vor  den  langathmigen  Reden,  Zurüstungen  und  Beschreibungen, 
wird  sie  in  den  beiden  letzten  Büchern  vollends  summarisch  zu  Ende  ge- 
führt; in  diese  fällt  nicht  nur  der  Zweikampf  der  Brüder,  Kreons  Regie- 
rungsantritt und  Verbot  der  Bestattung  des  Polyneikes  sondern  auch  Anti- 
genes Hülfegesuch  bei  Theseus,  dessen  Einschreiten  und  Erlegung  des  Kreon. 
Der  Mythus  ist  im  Einzelnen  mit  Freiheit  behandelt.  Griechisches  und  Rö- 
misches (wie  die  abstracten  Figuren  der  Virtus,  Furores  u.  s.  w.)  durch- 
einandergemischt. Die  Charaktere  sind  willkürlich  und  oft  crass  ausgemalt. 
Anordnung  und  Motivierung  hält  sich  ausser  lieh.  Epische  Gleidinisse  fin- 
den sich  im  Uebermass  eingestreut.  Mit  Schlachtbeschreibungen  wechseln 
rührende  Episoden.  Die  mythologische  Gelehrsamkeit  äussert  sich  auch  im 
Umschreiben  mythischer  Namen  in  der  Weise  des  Lykophron.  Die  Sprache 
artet  oft  in  Schwulst  aus  und  ist  durch  künstliche  Kürze  nicht  selten  dunkel. 
Welcker,  kleine  Schriften  I.  S.  396 — 401.  Ueberall  blicken  die  augusteischen 
Vorbilder  hindurch,  zugleich  aber  das  Bestreben  sie  durch  Künstlichkeit 
und  Pathos  zu  überbieten.  Zuletzt  (XII,  816  f.)  jedoch  ruft  Stat.  seinem 
Werke  zu:  vive,  precor,  nee  tu  divinam  Aeneida  tempta,  sed  longe  sequere 
et  vestigia  semper  adora.  Zuversichtlicher  Achill.  I,  10  ff.  und  Silv.  H,  3,  63. 
V,  3,  213  f, 

4.  Der  Plan  zur  Achilleis  war  weit  angelegt  und  sollte  auch  die 
der  Ilias  vorausliegenden  und  nachfolgenden  Theile  der  Sage  mitbefassen. 
Ach.  I,  1  ff.:  magnanimum  Aeaciden,  .  .  Diva,  refer,  quamquam  acta  viri 
multum  inclita  cantu  maeonio,  sed  plura  vacant.  nos  ire  per  omnem  sie 
amor  est  heroa  velis  Scyroque  latentem  dulichia  proferre  tuba,  nee  in 
Hectore  tracto  sistere,  sed  tota  iuvenem  deducere  Troia.  Das  erste  Buch 
erzählt  in  674  Versen  wie  Thetiö  ihren  Sohn  bei  Lykomedes  in  Weiber- 
kleidern verbirgt,  aber  Kalchas  seinen  Aufenthalt  prophetisch  entdeckt-, 
nachdem  das  vermeintliche  Mädchen  bereits  eine  der  Töchter  seines  arg- 
losen Beherbergere,  die  Deidamia,  verführt  hat.  Die  453  Verse  die  von[i 
zweiten  Buche  fertig  sind  schildern  wie  Odysseus  den  Achilleus  heraub- 
fiudet  und  nach  Troja  mitnimmt.    Der  Ton  ist  viel  weniger  schwülstig  und 


316.    Statins.  699 

geschraubt,  aber  ebenso  redselig  wie  in  der  Thebais.  Benützung  durch 
Joseph  Iscanus  (Dungor  S.  25  f.)  und  besonders  durch  Eonrad  von  Würzburg 
(um  1280);  8.  H.  Dunger,  die  Sage  vom  troj.  Kriege  S.  46—48.  52.  54  f. 

t 

5.  Wie  schon  Theb.  I,  17  ff.  verspricht  Statins  auch  Ach.  I,  19  (te  longo 
necdum  fidente  paratu  molimur,  magnusque  tibi  praeludat  Achilles)  dem 
Domitian  ein  eigenes  Epos  auf  seinen  germanischen  Krieg;  vgl.  Silv.  IV,  4, 
93  ff. :  nunc  .  .  Troia  quidem  magnusque  mihi  temptatur  Achilles,  sed  vocat 
arcitenens  alio  pater  armaque  monstrat  ausonii  maiora  ducis.  trahit  impe- 
tus  illo  iam  pridem  retrahitque  timor.  Anfange  davon  müssen  sich  in  dem 
Nachlasse  des  Statins  gefunden  haben  und  veröffentlicht  worden  sein;  dar- 
aus die  vier  Hexameter  in  den  Scholien  des  Ge.  Valla  zu  Juv.  IV,  94.  0. 
Jahn  im  Rhein.  Mus.  IX.  S.  627. 

6.  Als  Buchtitel  (Gell,  praef.  6)  bedeutet  Silvae  nach  Quintil.  X,  3, 
17  rasch  hingeworfene  Arbeiten,  Improvisationen;  vgl.  Silv.  I  praef.:  hos 
libellos,  qui  mihi  subito  calore  et  quadam  festinandi  voluptate  fluxerunt. 
.  .  nullum  ex  illis  biduo  longius  tractum,  quaedam  et  singulis  diebus  effusa. 
II  praef.:  epicedio  prosecutus  sum  adeo  festinanter  ut  etc.  III  praef.:  (li- 
bellos) subito  ^atos.     Nach  IV  praef.  fand  Statins  Tadler  quod  hoc  stili 

.  genus  (opuscula,  leves  libelli,  II  praef.;  ioci,  IV  praef.)  edidisset.  Die  32 
Stücke  sind  zuerst  einzeln  verfasst  und,  wenn  eine  Anzahl  beisammen  war, 
zu  einem  Buche  vereinigt  und  mit  einem  Begleitschreiben  in  Prosa  einem 
Einzelnen  gewidmet  worden;  Buch  I  dem  Stella,  II  dem  Atedius  Melior, 
n.I  dem  Pollius  Felix,  IV  dem  Victorius  Marcellus;  das  Vorwort  von  B.  V 
bezieht  sich  nur  auf  das  erste  Stück,  war  aber  wohl  bestimmt  weiter  aus- 
geführt zu  werden  wenn  der  Dichter  das  Buch  noch  selbst  hätte  abschlio- 
ssen  können;  s.  A.  1.  Ausser  V,  3  scheinen  alle  Stücke  aus  den  6  letzten. 
Lebensjahren  des  Statius  zu  stammen,  da  schon  das  erste  Buch  nicht  vor 
J.  90  verfasst  und  die  Ordnung  der  einzelnen  Bücher  nachweislich  die 
chronologische  ist;  s.  L.  Friedländer,  de  temporibus  Martialis  librorum 
et  Silvarum  Statu  (Königsberg  1862.  4.)  p.  14 — 16;  Darstellungen  a.  d.  Sit- 
tengeschichte III.  S.  390 — 396.  Vgl.  Silv.  III  praef.:  securus  itaque  tertius 
hie  silvarum  nostrarum  Über  ad  te  mittitur.  habuerat  quidem  et  secundus 
testem,  sed  hie  habet  anctorem.  IV  praef.:  plura  in  quarto  silvarum  quam 
in  prioribus.  Silv.  III,  5  wird  eine  Reise  nach  Neapel  beabsichtigt,  IV 
praef.  ist  bereits  von  Neapel  aus  geschrieben.  IV,  1  verherrlicht  Domitians 
XVII  tes  Consulat  (J.  95).  Andere  Gegenstände  sind  der  Tod  Nahestehender 
(auch  von  pueri  delicati),  in  welchen  epicedia  häufig  ein  weinerlicher  Ton 
angestimmt  wird,  Abreise  von -Freunden  (propemptica),  Besitzthümer  von 
solchen  (villae,  balnea,  Kunstwerke,  auch  ein  psittacus),  Vermählungen, 
Geburten  und  Geburtstage  (Lucani,  II,  7)  Satumalienfeier  u.  s.  w.  Als  be- 
stellt sind  ausdrücklich  bezeictinet  I,  1  u.  2.  II,  7.  III,  4.  Phaläkisches 
Mass  haben  I,  6.  11,  7.    IV,  3.  9,  alkäisches  IV,  5   und  sapphisches  IV,  7. 

7.  Den  Wortreichthum ,  die  gesuchte  Eleganz,  die  Kühnheit  in  der 
Bildung  und  dem  Gebrauche  der  Wörter  hat  Statius  mit  seiner  ganzen 
Zeit  gemein;  eigen  ist  ihm  (wenigstens  in  den  Silvae)  die  Raschheit  des 
Arbeit^ns ,  woraus  manche  Flüchtigkeiten  (wie  Wiederholungen,  Hand  Silv. 
p.  269  ff.)  sich  erklären.    Vgl.  Apoll.  Sid.  carm.  9,  223—226.    Nachträge  zu 


700  Die  Kaiserseit.   Erstes  Jabrhnndert.   Domitianos. 

Sulzer's  Theorie  VIII.  S.  344  ff.  und  Hand  zu  Silv.  p.  X  ff.  J.  Danglard, 
Stace  et  ses  Silves,  Clermont-Ferrand  1864.  üeber  seine  Sprache  s.  Surin- 
gar,  Observationes  in  Stat.  silv.,  Ling  1810.  £.  Grosse,  Observat.  p.  11—37. 
45—50.  E.  Nauke^  Observat.  criticae  et  gramm.  in  Stat.  p.  16—35.  üeber 
die  Metrik  des  Statins  s.  Grosse,  Observ.  p.  3 7 ---44.  0.  Müller,  Quaest. 
Statianae,  Berlin  1861.  4.  Yerhältniss  zu  Silius,  Ritschi  im  Bonner  Ind. 
lect.  1857  f.  p.  IV. 

8.  Statins  fand  in  späterer  Zeit  Nachahmer,  besonders  an  Sidonius 
ApoUinaris,  und  wurde  noch  im  Mittelalter  bewundert  (vgl.  Dante  Purgat. 
XXI)  und  fleissig  gelesen.  Daher  besonders  von  seiner  Thebais  zahlreiche 
Handschriften,  mindestens  70,  worunter  die  wichtigste  scheint  Paris. 
8051  (Puteaneus)  saec.  X.  Kleiner  ist  die  Zahl  der  Hdss.  der  Silvae,  und 
diese  stammen  alle  aus  einer  Hds.  welche  Poggio  aus  Frankreich  nach 
Italien  brachte  und  deren  Varianten  Politianus  am  Rande  der  ed.  princ. 
beischrieb;  seitdem  ist  sie  verloren  gegangen;  doch  ist  die  Breslauer  eine 
mechanisch  treue  Abschrift  davon  (Imhof  de  condicione  p.  4.  39  ff.).  Am 
nächsten  kommt  letzterer  der  Budensis  in  Wien  (ib.  p.  4.  35  f.).  F.  Hand, 
Silv.  p.  XX  ff.  C.  F.  Weber,  de  codice  Statii  Cassellano  (saec.  XI),  Mar- 
bürg  1853.  54  pp.  4.  Dflbner  und  G.  Queck  vor  ihren  Ausgaben.  A.  Im- 
hof, de  Silvarum  Statianarum  condicione  critica,  Halle  1859.  44  pp.  4. 
E.  Grosse,  über  eine  Trierer  Handschrift  des  Statins,  Königsberg  1866. 
19  S.  4.  üeber  eine  in  Münster  F.  Deycks,  Münster  1865.  4.  W.  Schmitz, 
ein  Düsseldorfer  Statiusfragment,  Rhein.  Mus.  XXI.  S.  438 — 443. 

9.  Ausgaben.  Ed.  princeps  1472.  Parmae  1473.  Romae  1475.  Venet. 
(Aid.)  1502.  Rec.  J.  Bemartins,  Antverp.  1595.  Ed.  Fr.  Tiliobroga  (Lin- 
denbrog),  Paris  1600.  4.  Cura  Em.  Crucei,  Paris  1618.  4.  Ex  rec.  J.  Fr. 
Gronovii,  Amsterd.  1653.  Ex  rec.  et  cum  animadv.  C.  Barthii,  Cygn.  1664  f. 
4  Voll.  4.  (mit  Ind.).  Ed.  Amar  et  Lemaire,  Paris  1825.  4  Voll.  W.  E. 
Weber  im  Corpus  poett.  latt.  p.  898  —  1029.  Cum  notis  ed.  Fr.  Dübner, 
Paris  1835  f.  2  Voll.  Rec.  G.  Queck,  Lips.  Teubner  1854.  2  Voll.  (vgl. 
Imhof,  de  condic.  p.  43  f.).  Thebais  et  Achilleis  cum  scholüs  rec.  O. 
Müller,  3  Voll.  (I.  Lips.  1870). 

10.  Beiträge  zur  Textkritik  von  M.  Haupt  (Monatsber.  der  Berl.  Ak.  1861, 
S.  1074  ff.),  0.- Müller  (Quaestiones  Statianae,  Berlin  1861.  34  pp.  4.  Rhein. 
Mus.  XVIII.  S.  189 — 200),  E.  Nauke  (Observationes  criticae  et  gramm.  in 
Statium,  Breslau  1863,  p.  1—16),  A.  Imhof  (Emendationes  Statianae,  Halle 
1867.  4.). 

lani  Gruteri  suspiciones  in  St.  Theb.  I.  cum  animadv.  F.  Handii,  Jena 
1851.  4. 

11.  Statins  Werke  im  Versmass  der  Urschrift  übersetzt  vonE.  W.  Binde- 
wald, Stuttgart  Hoffmann  1868  ff. 

12.  Ausgaben  der  Silvae  von  Jer.  Markland  (rec.  et  emend.,  London 
1728.  4.  und  wiederabgedruckt  durch  Sillig,  Dresden  1827.  4.  Vgl.  Imhof, 
de  condic.  p.  12 — 35)  und  Ferd.  Hand  (Lips.  1817;  nur  Silv.  I,  1—3). 

J.  Fr.  Gronovii  in  St.  Silvas  diatribe,  Hag.  Com.  1637;  cum  annotatt. 
ed.  F.  Hand,  Lips.  1811.  2  VolL  Silv.  IV,  6  cum  comment.  F.  Handii, 
Jena  1849.  33  pp.  4.    Silv.  I,  4  e  codd.  et  schedis  Handii,  in  Jahns  Archiv 


316  f.    Statine.    Martialis.  701 

XVin.  p.  121  ff.  C.  H.  Volckmar,  specimen  novae  Silv.  St.  editionis,  II- 
feld  1860.  4.  (Silv.  I,  1).  Silv.  III,  5  emend.  et  adn.  A.  Imhof,  Halle  1863. 
28  pp.  4.  E<;Joga  ultima.  (Silv.  V,  5)  emendatiorem  ed.  R.  Unger;  accedunt 
de  Statu  locis  controv.  couiectanea,  Neustrelitz  1868.  308  pp.  E.  Grosse, 
Observatorum  in  St.  Silvis  specimen,  Berlin  1861. 

Uebersetznngen  der  Silven  von  J.  G.  Dölling,  Plauen  1837 — 1847. 

13.  Scholien  zur  Thebais,  deren  Werth  hauptsächlich  in  dem  mytho- 
logischen Material  besteht  das  ans  Hyginns,  Servius  u.  A.  zusammenge- 
bracht ist,  sind  uns  unter  dem  Kamen  des  Lutatius  (oder  Lactantius)  Pla- 
cidus  erhalten,  wahrscheinlich  dem  Verfasser  eines  Glossars  (oben  41,  8) 
und  der  Argumenta  Metamorphoseon  Ovidii  (oben  244,  2).  Abgedruckt  sind 
sie  in  den  ältesten  Ausgaben  des  Statins,  lowie  in  den  von  Lindenbrog, 
Barth  u.  A.  Vgl.  Dübner  vor  seiner  Ausg.  p.  VIII  ff.  Herrn.  Schottky,  de 
pretio  Lactantiani  comm.  in  St.  Th.  et  (p.  26—39)  de  nomine,  philosophia 
(mystisch-heidnisch)  et  aetate  (5tes  Jahrh.)  commentatoris,  Breslau  1846. 
E,  Wölfflin,  Philologus  XXIV.  S.  156—158.  R.  Unger,  Electa  e  Lact,  in 
St.  Th.  comm.,  Friedland  1863.  4.  M.  Schmidt,  ein  Scholion  zum  Statins, 
Philologus  XXm.  S.  541—547. 

14.  Zur  Achilleis  unbedeutende  Scholien  bei  Lindenbrog  und  bei  Mai, 
Spicileg.  rom.  IX,  appendix.  Dommerich,  ad  Stat.  Ach.  ex  membranis  anec- 
dota,  Wolfenb{lttel  1758.  4. 

317«  In  Domitians  Regierungszeit  fallt  auch  der  grosste304 
Theil  der  literarischen  Thätigkeit  des  M.  Valerius  Martialis 
(ums  J.  42  — 102  n.Chr.)  aus  Bilbilis  in  Spanien,  von  welchem 
wir  15  Bücher  Epigramme  besitzen.  Gegenstand  derselben  ist 
das  sociale  Leben  des  damaligen  Rom  mit  all  seinem  Schmutze 
und  seiner  Unterwürfigkeit.  Martialis  zeigt  sich  darin  dem  Ovid 
nahezu  ebenbürtig  an  Leichtigkeit  und  Eleganz  der  poetischen 
Form,  noch  mehr  in  Mangel  an  Charakter  und  in  Zuchtlosig- 
keit;  er  theilt  seines  Zeitgenossen  Juvenalis  Vorliebe  für  das 
Hässliche,  aber  ohne  sich  wie  dieser  darüber  zu  erheben;  und 
seines  Nebenbuhlers  Statins  Kriecherei  vor  dem  Herrscher  über- 
bietet er  noch.  Er  ist  ein  grosses  Talent,  aber  abschreckend 
durch  die  Abwesenheit  von  Gefühl  für  das  was  sittlich  und 
ästhetisch  zulässig  oder  mit  Manneswürde  verträglich  sei.  Neben 
dem  elegischen  Mass  bedient  sich  Martialis  für  seine  Epigramme 
besonders  häufig  der  Hendekasyllaben  und  der  Hinkiamben. 

1.  Das  Todesjahr  des  M.  Valerius  Martialis  (über  das  vermeintliche 
cognomen  Coquus  s.  Schneidewins  Ausg.  von  1842,  p.  21  f.)  war  spätestens 
102,  vielleicht  aber  schon  101  n.  Chr.;  wenigstens  weist  in  seinen  Gedich- 
ten nichts  mit  Sicherheit  Über  dieses  Jahr  hinaus;  s.  l)h.  Mommsen  im 
Hermes  III.  S.  120  —  126.  Wohl  aber  scheint  der  seinen  Tod  meldende 
Brief  des  Plinius  (s.  A.  7)  aus  dem  J.  102  zu  sein;   Stobbe  im  Philologus 


702  Die  Kaiiierzeit.    Erstee  JohrhuDÜert.   Domitiiinue. 

XSVII.  S,  C40.  Für  die  BestimmuDg  Beines  Geburtsjahrs  bietet  einen  frei- 
lieb uneichern  Anhalt  X,  24:  natales  mihi  Martiae  kalendae,  ,  .  quinqua- 
geaima  liba  septiniamque  veatris  addimue  hanc  focie  acerram.  Ixt  auch 
glaublich  dasa  dieses  Gedicht  erst  der  zweiten  Ausgabe  deB  zehnten  Bu- 
chen, aus  dem  J.  98  (oder  Anfang  99),  augehCvt,  so  ist  es  doch  nicht  ge- 
wiss und  auch  die  Rechnungs weise  nicht  klar.  Nach  34j&hrigeni  Aufent- 
halt in  Rom  (X,  103,  7  ff.  104,  9  ff.  Tgl.  XI!,  31,  7.  34,  1),  also  etwa  C4— 98 
n.  Chr.,  Rückkehr  in  die  Heimat,  wohl  hauptisäcblich  dajum  weil  mit  Nervu 
und  dann  Trajan  in  Rom  ein  neuer  Geist  eingezogen  war,  in  welchem  Mar- 
ttal  sich  nicht  zurechtfand  und  von  dem  er  für  sich  nichts  hoffen  durfte. 
Auch  vorher  schon  war  in  Rom  seine  Lebensweise  kdmmerlicb  genug,  da 
er  eigentliche  Arbeit  verschmähte  und  weder  die  schriftstelleriBchen  Ho- 
norare noch  das  Anbetteln  Reicher  und  Mächtiger  zureichende  Ausbeute 
gewährten;  vgl,  III,  38  und  oft.  Doch  war  wohl  ein  Geschenk  das  kleine 
magere  Landgut  das  er  seit  J.  83  (b.  II,  38  vgl.  mit  I,  55)  bei  Nomentum 
im  Sabinischen  besaas,  neben  einem  kleinen  Hause  ii)  der  Hauptstadt.  Wie 
schon  von  Titus  (111,  95,  5.  IX,  97,  5  f.)  erhielt  er  auch  von  Domitiau  auf 
seine  Bitte  für  Beiue  Gedichte  das  ius  trium  liberorum  (II,  92  vgl.  IV,  27, 
3  f.),  sowie  die  Würde  eines  tribunus  (IH,  95,  9).  Dem  BittersUnde  (HI, 
96,  10.  V,  13,  2.  17,  2.  IX,  49,  4.  XÜ,  26,  2)  gehöi-te  er  wohl  schon  von 
Geburt  an.  Eltern  Valeriua  Fronte  und  Flaccilla  (V,  34,  i).  Auch  in  der 
Heimat  erhielt  er,  von  der  domina  Marcella  (XII,  31),  wokl  aus  Dewnn- 
derung  seiner  literarischen  Leistungen  (vgl.  XH,  21)  ein  Landgut  zum  Ge- 
schenke. —  A.  Brandt,  de  Martialis  poetae  vita,  Berlin  1863.  38  pp. 

2.  Zahlreich  sind  die  GOnner  welche  Mai'tialis  ansingt;  unter  ihnen 
besonders  die  nächste  Umgebung  des  Kaisers,  wie  Parthenius  (unten  319,  3), 
Crispinus  (z.  B.  VII,  90),  Earions  (oben  31G,  2;  u.  A.  Auch  die  literarischen 
Notabllitäten  der  Zeit  sind  ziemlich  vollständig  in  seinen  Gedichten  vertreten; 
doch  kommt  Tacitus  nie  bei  ihm  vor,  und  auch  niemals  Statins,  sowenig  als 
Martial  bei  Statius.  Letzteres  ist  um  so  auffallender  da  beide  Dichter 
ungefähr  gleichaltrig  waren  und  zu  derselben  Zeit  in  denselben  Kreiseu 
verkehrten  und  dieselben  Gegenstände  behandelten.  So  ist  Stat.  Silv.  1, 
2.  5  —  Mart.  VI,  21.  42;  Silv,  II,  l.  7  =  Mart.  VI,  28  f.  VII,  21—23;  Silv. 
III,  3  f.  "..Mart.  VU,  40.  IX,  U-13.  16.  36;  Süv.  IV,  6  =  Mart.  IX,  43  f. 
Ohne  Zweifel  erklärt  sich  dieses  Schweigen  aus  der  Concurrenz  die  sie 
einander  machten.  Daher  denkt  Martial  bei  seinen  häufigen  Sticheleica 
auf  die  Dichter  langathmiger  Epen  (z.  B.  von  12  BQchern,  wie  die  Thebius, 
Mart.  IX,  50,  3  vgl.  noch  IX,  19.  X,  21.  XIV,  1,  11)  wohl  besonders  am' 
Statius.    Friedläader,  Darstellungen  a.  d.  Sittengesch.  IH.  S.  348  f.  396—404. 

3.  Nicht  Martial's  Schuld  ist  es  dass  die  Geschichte  nicht  in  Domitiao 
den  Ausbund  aller  Tugenden  eines  Menschen  und  Regenten  bewundert. 
Denn  alle  seine  Handlungen  in  Krieg  und  Frieden  preist  Martial  als  ße- 
tl^tigungen  der  grOssten  Weisheit  und  Tapferkeit  und  kann,  wenn  der 
Kaiser  im  Felde  ist,  nicht  Worte  genug  finden  um  Roms  Sehnsucht  noeti 
der  Rückkehr  dieses  milden  HeiTschers  und  VaterE  des  Vaterlandes  aus- 
zudrücken, unter  welchem  Rom  freier  Bei  als  je  (V,  19,  6).  Namentlich 
B.  VUi  wimmelt  von  solchen  Speichelleckereien.     Spect.  33  ruft  er  gar  ans; 


317.    Martialis.  703 

Flavia  gens,  quantum  tibi  tertins  abstulit  heres!  paene  fuit  tanti  non  ha- 
buisse  duoB.  Und  IX,  3  versteigt  er  sich  zu  dem  frivolen  Gedanken,  die 
Götter  seien  dem  Domitian  so  viel  tl^ank  für  Tempel)  schuldig  dass  er  sie 
eigentlich  auspfänden  könnte.  Um  so  grösser  ist  dann  seine  Verlegenheit 
unt6r  Nerva,  wo  mit  den  blanditiae  nicht  mehr  auszukommen  ist  und 
rustica  veritas  herrscht  (X,  72).  Die  Wahrheit  über  Domitian  XII,  6,  11  f. 
vgl.  15,  9  f.  Die  gegentheiligen  früheren  Aeusserungen  beruhten  also  nicht 
auf  Selbsttäuschung. 

4.  Den  Epigrammen  voraus  geht  ein  nichtnumeriertes  Buch  mit  38 
Epigrammen  welches  seinem  Inhalte  nach  liber  spectaculorum  heisst,  in 
den  Hdss.  aber  nur  epigrammaton  liber  betitelt  ist.  J.  Kehrein  in  Jahn's 
Archiv  IV.  S.  541  —  553.  F.  Schmieder,  Martial.  de  spect.  liber,  Brieg 
1837.  4.  Von  den  14  Büchern  Epigrammen  hat  XIII  den  besondern  Titel 
Xenia,  XIV  Apophoreta,  und  diese  beiden  sind  auch  allein  von  Mart.  selbst 
mit  Ueberschrifben  über  den  einzelnen  Distichen  ^versehen.  Beide  sind  zu 
Festgeschenken  an  den  Satumalien  bestimmt  und  umfassen  meist  Epi- 
gramme im  ursprünglichsten  Sinne,  Inschriften  auf  einen  Gegenstand, 
'während  die  übrigen  Bücher  Epigramme  im  späteren  Wortsinne  enthalten, 
Gelegenheits-  und  Sinngedichte,  gleichsam  Aufschriften  auf  ein  Vorkomm- 
niss  oder  eine  Person.  Die  einzelnen  Bücher  haben  in  der  Regel  an  ihrer 
Spitze  eine  Widmung  mit  einem  Vorworte,  theilweise  (B.  I,  II,  VIII,  XII)  in 
Prosa,  wie  bei  Statins.  Jedes  Buch  enthält  durchschnittlich  100  Epigramme. 
Die  Ordnung  derselben  innerhalb  der  Bücher  ist  bestimmt  durch  das  Inter- 
esse der  Abwechslung  (auch  in  den  Metren).  Dagegen  die  Aufeinanderfolge 
der  Bücher  ist  in  der  Hauptsache  (mit  Ausnahme  von  XIII  und  XIV)  die 
chronologische,  indem  der  Dichter  die  einzeln  verfassten  und  wohl  auch 
gelegentlich  (mündlich)  veröffentlichten  Epigramme,  wenn  er  deren  eine 
genügende  Anzahl  beisammen  hatte,  sammelte  und  als  Buch  herausgab, 
ungefähr  in  Zwischenräumen  von  einem  Jahre  (X,  70,  1.  vgl.  IX,  84,  9). 
Nur  die  drei  letzten  Bücher  (X,  XI,  XII)  sind  nach  Domitians  Tod  heraus- 
gegeben; das  erste  mag  auch  einzelne  ältere  Gedichte,  aus  der  Zeit  des 
Vespasian  und  Titus,  enthalten,  welchen  (Caesares)  Martial  bereits  Gedichte 
überreicht  hatte  (I,  101,  2).  Der  liber  spectaculorum  ist  aus  Domitians 
ersten  Begierungsjahren,  wie  auch  B.  I  und  II  (J.  82  bis  spätestens  87); 
B.  III  (ohne  Beziehung  auf  den  Kaiser  oder  sonstige  Zeitandeutung)  ist 
aus  Forum  Comelii  datiert  und  nach  B.  II  wie  vor  IV  verfasst  (wohl  noch 
J.  87);  IV  aus  J.  88  und  89;  V  aus  J.  90;  VI  aus  Ende  90  und  erster  Hälfte 
von  91;  VII  und  VIII  aus  J.  92  und  93;  IX,  X  (erste  Bearbeitung)  und  XI 
aus  J.  94—96.  Die  beiden  Bücher  XIII  und  XIV  zwischen  J.  88  und  93. 
B.  XI  ist  zwar  wohl  seinem  grössten  Theile  nach  unter  Domitian  verfasst, 
veröffentlicht  aber  "unter  Nerva,  December  96.  Das  Nächste  war  ein  puri- 
ficierter  Auszug  aus  X  u.  XI  der  dem  Kaiser  überreicht  wurde  (XII,  5), 
etwa  Mitte  97.  Darauf  die  (uns  vorliegende)  zweite  (gesäuberte)  Bearbei- 
tung von  X,  unmittelbar  vor  der  Rückreise  nach  Bilbilis  (J.  98);  endlich 
von  Spanien  aus,  nach  contumacissima  trienni  desidia  (XII  praef.),  B.  XII, 
wobei  es  kein  Bedenken  hat  triennium  von  27,  Jahren  zu  verstehen  und 
das  Buch  (mit  Mommsen)  in  den  Anfang  von  J.  101  zu  versetzen,  während 


Die  Eaiserzeit.   Erstes  Jahrhundert.   Domitianns. 


[5:v 


805 .  318.  Unter  den  andern  zahlreichen  Dichtem  welche  die 
Regierungszeit  Domitians  aufweist  sind  besonders  bemerkenswerth 
Arruntius  Stella  (Cos.  um  101),  Freund  des  Statins  und  Martialis 
und  Verfasser  von  erotischen  Elegieen  deren  Gegenstand  seine 
nachmalige  Grattin  Violantilla  war;  der  Satiriker  Turnus  und 
sein  Bruder,  der  Tragiker  Scaevus  oder  Scaevius  Memor;  Ver- 
ginius  Ruf  US  und  Vestrfcius  Spurinna,  beide  nach  einer  rühm- 
lichen politischen  und  kriegerischen  Laufbahn  Verfasser  von 
Tändeleien  in  melischen  Metren;  endlich  des  Calenus  Grattin 
Sulpicia,  welche  gleichfalls  erotische  Gedichte  verfasste.  An  den 
Namen  des  Turnus  wie  an  den  des  Spurinna  und  wohl  auch  der 
Sulpicia  haben  sich  Täuschungen  aus  neuerer  Zeit  angehängt. 

1.  Inschrift  bei  Orelli  784:  L.  Arruntio  Stella,  L.  lolio  Manno  coss. 
XIY  Eal.  NoY.  Da  Trajan  darin  den  Titel  Dacicus  noch  nicht  hat,  so 
mnss  sie  vor  dem  J.  103  verfertigt  sein,  und  das  betreffende  Gonsnlatsjahr 
ist  wahrscheinlich  101  (l^h.  Mommsen  im  Hermes  pl.  S.  124 — 126;  vgl. 
Stobbe  im  Philologus  XXVI.  S.  76  f.  XXVII.  S.  63^  ff.).  Dass  der  bei  Mar- 
tial  und  Statins  oft  vorkommende  Stella  mit  diesem  Consnl  identisch  ist 
wird  nahezu  sicher  dadurch  dass  dieser  ein  iuvenis  patriciis  maioribus 
ortus  (Stat.  Silv.  I,  2,  71)  war,  die  Stelle  eines  XVvir  libr.  sibyll.  be- 
kleidete (ib.  177.  Martial.  IX,  42),  Spiele  zu  Ehren  des  nordischen  (sarma- 
tischen)  Triumphes  des  Domitian  (wahrscheinlich  als  Prätor,  vgL  Martial. 
X,  41)  zu  halten  hatte  (Mart.  VIII,  78,  3  ff.),  auf  das  Consulat  hoffen  durfte 
(Mart.  IX,  42,  6  f.  vgl.  Stat.  Silv.  I,  2,  174  ff.)  und  es  auch  erlangte  (consul 
maus,  Mart.  XII,  3,  10  ff.).  Geboren  war  er  in  Neapel  (Stat.  Silv.  I,  2,  260  f.; 
aus  Patavium  nach  Martial.  I,  61,  3  f.)  und  von  daher,  sowie  durch  Ge- 
meinsamkeit der  poetischen  Bestrebungen,  dem  Statius  befreundet  (Silv.  I,  2, 
266 — 262),  welcher  auf  Stella's  Vermählung  mit  Violantilla  das  Epithala> 
mium  Silv.  I,  2  verfasst  hat.  Aus  demselben  Anlasse  in  seiner  Weise  Mar- 
tial VI,  21.  Er  war  junger  als  Statius,  der  ihn  (Silv.  I.  praef.)  iuvenis 
optime  anredet.  Stella  hatte  im  elegischen  Masse  (Mart.  IV,  6,  4  f.  Stat. 
Silv.  I,  2,  253  ff.)  seine  Geliebte,  die  schöne  und  reiche  (Stat.  Silv.  I,  2, 
121)  Violantilla,  unter  dem  Namen  Asteris  (Stat.  Silv.  I,  2,  197  ff.;  Mar- 
tial pflegt  sie  mit  Bezug  auf  ihren  wahren  Namen  lanthis  zu  nennen;  s. 
VII,  14  f.  60,  1.  XII,  3,  12.  vgl.  VI,  21,  1)  besungen  und  namentlich  den 
Tod  von  ihrer  Lieblingstaube  (Martial.  I,  7.  VII,  14).  Martial  nennt  ihn 
disertus  (V,  59,  2),  facundus  (XII,  3,  11),  mens  (V,  11,  2.  12,  7.  VI,  47,  1. 
IX,  55.  Xn,  3,  10).  Vgl.  noch  Mart.  IX,  89.  Apoll.  Sidon.  carm.  IX,  264. 
Dölling,  über  den  Dichter  Stella  aus  Patavium,  Plauen  1840.  4. 

2.  Schol.  des  Valla  zu  Juv.  I,  20:  Turnus  hie  libertini  generis  ad 
honores  ambitione  provectus  est,  potens  in  aula  Vespasianorum  Titi  et 
Domitiani.  Martial.  XI,  10:  contulit  ad  saturas  ingentia  pectora  Turnus; 
vgl.  VII,  97,  7  f.:  nam  me  diligit  ille  proximumque  Turni  nobilibus  legit 
libellis.  Rutil.  Namat.  I,  ,603  f. :  huius  vulnificis  satura  ludente  CameniB 
nee  Turnus  potior  nee  luvenalis  erit.     Ap.  Sidon.    carm.  IX,   266.     Lyd. 


318.   Stella.   Turnus.   Verginius  Rufus.   Spurinna.  707 

magistr.  I,  41  (oben  28,  2).  Schol.  luv.  I,  71:  unde  ait  Turnus  in  satura 
(folgen  zwei  corrupte  Hexameter  auf  die  Giftmischerin  Locusta  unter  Nero). 
Die  30  Verse  (Indignatio  in  poetas  Neyonianorum  temporum)  welche  J.  L. 
G.  Balzac  unter  dem  Namen  des  Turnus,  angeblich  aus  einer  alten  Hand- 
schrift, herausgab,  wurden  noch  bei  seinen  Lebzeiten  in  die  Sammlung 
seiner  Gedichte,  unter  der  Rubrik  Ficta  pro  antiquis,  in  erweiterter  Fas- 
sung (HI.  p.  194  der  Ausgabe  von  1660)  aufgenommen.  L.  Quicherat  in 
der  Revue  de  Tinstruction  publique  1869,  p.  341—346.  vgl.  ib.  p.  371  f.  397. 

3.  Schol.  des  Valla  zu  Juv.  I,  20:  Lucilium  dicit  .  .  vel,  ut  Probus 
exponit,  Turnum  (Anm.  2)  dicit  Scaevi  Memoris  tragici  poetae  fratrem. 
Martial.  XI,  9  auf  ein  Bild  desselben:  clarus  fronde  lovis  (Sieg  im  capito- 
linischen  Agon),  romani  fama  cothurni,  spirat  Apellea  redditus  arte  Memor. 
ib.  10 :  contulit  etc.  (A.  2).  cur  non  ad  Memoris  carmina?  frater  erat.  Dar- 
aus wohl  Ap.  Sidon.  IX,  263  (non  Turnus,  Memor).  Sechs  Anapäste  von  Scae- 
vus  in  tragoedia  (Hecuba  oder  Troades)  bei  Serg.  in  Keils  gramm.  lat. 
IV.  p.  537,  14.  Der  Titel  Hercules  für  eine  Tragödie  von  Memos  oder 
Memmius  beruht  nur  auf  dem  Zeugnisse  des  Fulgentius  (ezpos.  s.  ant.  s.  v. 
suppetias,  p.  563,  23  M.).  M.  Hertz,  de  Scaevo  Memore  poeta  tragico 
commentariolum,  Breslau  1869.  8  pp.  4. 

4.  L.  Verginius  Rufus  aus  Mailand,  Cos.  J.  63  (unter  Nero),  69 
(durch  Otho)  und  97  (mit  Nerva),  während  seines  letzten  Consulats  83  J. 
alt  gestorben  (Plin.  Ep.  H,  1) ;  väterlicher  Freund  des  jüngeren  Plinius,  der 
ihn  Ep.  V,  3,  5  unter  den  Verfassern  erotischer  Gedichte  aufzählt  und  VI, 

10,  4.  IX,  19,  1  das  Epigramm  anführt  welches  derselbe  sich  auf  sein 
Grabmal  setzen  Hess.  Vgl.  Haakh  in  Pauly's  Real-Enc.  VI,  2.  S.  2666  f. 
Nr.  26.  H.  Keils  Ausg.  des  Plin.  (1870)  p.  428.  Inschrift  von  ihm  (aus 
Mailand)  im  Hermes  VI.  S.  127  f. 

6.  Plinius  Epist.  III,  1  (vom  J.  101)  beschreibt  die  Tagesordnung  des 
greisen  Vestricius  Spurinna,  z.  B.  (7.)  se  cubiculo  ac  stilo  reddit.  scribit 
enim,  et  quidem  utraque  lingua,  lyrica  doctissima.  mira  illis  dulcedo,  mira 
Buavitas,  mira  hilaritas,  cuius  gratiam  cumula^  sanctitas  scribentis.  (10.) 
illi  post  septimum  et  septuagesimum  annum  (also  geboren  J.  24  n.  Chr.) 
aurium,  oculorum  vigor  integer.    Vgl.  ib.  IV,  27,  6  f.   (gravissimus  senex). 

11,  7,  1  ff.:  heri  a  senatu  Vestricio  Spurinna  principe  auctore  triumphalis 
statua  decreta  est,  wegen  seiner  Erfolge  gegen  die  Bructerer;  ebenso  seinem 
Sohne  Cottius,  quem  amisit  absens  (ib.  7,  3).  In  den  Kämpfen  des  J.  69 
war  er  auf  Otho's  Seite  gestanden;  Tac.  Hist.  H,  11.  18.  23.  36.  Plut. 
Oth.  6 — 7.  Consul  war  er  mindestens  zweimal,  zuletzt  wahrscheinlich 
im  J.  100;  s.  Mommsen  im  Hermes  III.  S.  39  f.  Schreiben  an  ihn  und 
seine  Gattin  Cottia  Plin.  Ep.  III,  10;  an  ihn  V,  17.  Von  ihm  wollte 
Caspar  Barth  in  einer  Merseburger  Handschrift  neben  Anderem  auch, 
unter  der  Aufschrift  Incipit  Vesprucius  Spurinna  de  contemtu  seculi  ad 
Martium,  vier  Gedichte  in  horazischen  Metren  von  künstlicher  Lücken- 
haftigkeit gefunden  haben,  die  er  in  seinen  Venatici  et  bucolici  latini 
(Hannov.  1613)  hinter  Gratius,  sowie  in  seinen  Adversaria  XIV,  5  heraus- 
gab. Wie  bei  andern  seiner  ErdichtungCQ  (vgl.  Bursian,  ex  Hygini  geneaL 
exe,  Zürich  1868,  p.  VII  f.)  so  fand  Barth  auch  hiefür  Gläubige,  zuletzt 

45* 


708  Die  Eaiserzeit.    RrsieB  Jahrhundert.   Domitianua. 

einen  aehr  zuversichtlichen  an  C.  A.  M.  Axt,  in  der  Coinpilation  V.  Sp. 
lyricae  reliquiae,  .  .  recogn.,  in  germanicum  convertit  et  cum  annotatio- 
uibus  (p.  29— -144!)  .  .  edidit,  Frankfurt  1840.  Dagegen  vgl.  Otto  und  L. 
Lersch  in  der  Ztachr.  f.  d.  Alt.  Wiss.  1842,  S.  846  ff.  873  ff.  In  der  That 
zeichnen  eich  die  Gedichte  durch  Nichts  aus  als  durch  Trivialität  des  In- 
halts und  metrische  Schnitzer;  und  die  Angaben  Barths  über  den  Codex 
sind  so  unbestimmt  dass  sie  auch  bei  einem  glaubwürdigen  Gewährsmann 
verdächtig  wären.  Vgl.  noch  G.  S.  Bayer,  de  Vestr.  Sp.  lyrico  et  illius 
fragmentis,  in  den  commentatioues  der  Petersburger  Akad.  v.  J.  1750, 
p.  311  ff.  Wemsdorf,  poetae  latini  minores  III.  p.  326—336.  351—368.  IV. 
p.  839—853.     Riese's  Anthol.  lat.  IL  p.  336  0'! 

6.  Martial.  X,  35,  1  ff.:  omnes  Snlpiciam  legant  etc.  haec  casfoa 
docet  et  pios  amores  etc.  cuius  x^armina  qui  bene  aestimarit  nullam  dixe- 
rit  esse  sanctiorem,  nullam  dixerit  esse  nequiorem.  Ib.  38,  1  ff.:  o  molles 
tibi  quindecim,  Calene,  quos  cum  Sulpicia  tua  iugales  indulsit  deus  et 
peregit  annos!  Ausou.  Id.  XIII  (cento  nupt.)  s.  f.:  prurire  opusculum 
Sulpiciae,  frontem  caperare.  Fulgent.  myth.  I.  p.  598:  Sulpiciae  pro- 
cacitas.  Apoll.  Sidon.  carm.  IX,  262  f.:  quod  Sulpiciae  iocus  Thaliae  scripsit 
blandiloquum  suo  Caleno.  Best  davon  (zwei  Senare)  in  Valla's  Probus- 
Scholion  zu  Juv.  VI,  537.  Hievon  sehr  im  Tone  verschieden  sind  die  70 
Hexameter  welche  als  Sulpiciae  satira  zuerst  Veuetiis  per  B^rnardinum 
V^euetum  a.  1498  (wiederholt  Strassburg  1509)  mit  lat.  Gedichten  von  Ita- 
lieuern,  dann  von  Th.  Ugoletus  an  seinem  Ausonius  (Parma  1499.  Ven.  1501) 
herausgegeben  worden  sind  und  seitdem  oft  an  Ausgaben  des  Ausonius, 
Petronius  und  der  Satiriker  (vgl.  0.  Jahn  p.  10  f.),  zi^etzt  an  der  des  Per- 
aiuö  und  Jnvenal  von  0.  Jahn  (Berlin  1868)  p.  146 — 147.  Wernsdorf,  poetae 
lat.  min.  III.  p.  83—95;  vgl.  p.  LX — LXV.  Sonderausgaben  von  C.  G. 
Schwarz  und  J.  Gurlitt  (^Hamburg  1819.  4.  2  Partes),  sowie  Ch.  L.  Schläger 
(reo.,  explic,  Mitau  1846).  Französische  Uebersetzung  von  C.  Monnard 
(Paris  u.  Frankf.  1820),  schwedische  von  C.  A-  *'•  Möller  (Malmö  1859). 
Der  Inhalt  ist  ein  Zwiegespräch  zwischen  der  Dichterin  und  der  Muse. 
Jene  will  diessmal  im  heroischen  Mass  fabellam  detexere  pacis,  nicht  im 
phaläkischen,  „nee  trimetro  iambo'^,  noch  im  hipponaktischen.  Cetera  quin 
etiam  quondam  quae  milia  lusi  .  .  constanter  omitto.  Nach  dieser  Ein- 
leitung die  Frage  was  der  Vater  der  Götter  mit  Rom  vorhabe?  Quid 
reputemus  enim:  duo  sunt  quibus  extulit  ingens  Roma  caput,  virtus 
belli  et  sapientia  pacis.  Mit  der  virtus  sei  es  längst  zu  £nde,  und  die 
äapientia  jage  in  der  Person  der  Philosophen  aus  Rom  fort  nunc  qui 
res  romanas  imperat  inter,  non  trabe  (ovx  dno  donov)  sed  tergo  (!)  prola- 
psus  et  ingluvie  albus.  Aber  schon  der  alte  Cato  habe  gesagt  dass  Un- 
glück Roms  Glück  sei;  Romulidarum  igitur  longa  et  gravis  exitium  pax. 
Hoc  fabella  modo  pausam  facit.  optima  posthac  Musa  velim  moneas  wohin 
äie  jetzt  mit  ihrem  Calenus  wandern  solle.  Zur  Antwort  tröstet  die  Muse 
»ie  mit  der  Hindeutung  auf  die  baldige  Ermordung  des  Tyrannen  und 
schliesst:  vive,  vale.  manet  hunc  pulchrum  sua  fama  dolorem  etc.  J.  C. 
G.  Boot,  commentatio  de  Sulpiciae  quae  fertur  satira,  Amsterdam  1868.  4. 
22  pp.  (Abhandl.  d.  niederl.  Ak.),  hat   die   Verse   für   ein   Machwerk   des 


318  f.    Sulpicia.   Dichterlinge.  709 

16.  Jahrh-  erklärt.  Wirklich  erfahren  wir  aus  ihnen  Nichts  was  nicht  in 
allen  Bflchem  stunde;  nur  hat  sich  Domitians  obesitas  ventris  aus  Vers- 
noth  in  einen  Kropf  verwandelt,  seine  Röthe  in  Blasse.  Solche  Kühnheit 
der  Zeichnung  wie  auch  das  Prophezeien  war  dem  Verfasser  sicherlich  viel 
leichter  als  der  Sulpicia  Caleni.  Ton  und  Ausdruck  verräth  überall  den 
Halbgelehrten,  der  dabei  mit  dem  Versemachen  nicht  recht  umgehen  kann. 
Daher  die  vielen  Flickereien  und  ungeschickten  Wendungen  (z.  B.  somnus 
obesus  der  Wespen)  und  wohl  auch  die  Infinitive  defendier  armis,  me  digna- 
rier  infit.  Um  so  weniger  gelehrt  ist  die  Vorliebe  für  Synalöphe  und 
Setzung  von  et  in  der  Hauptcäsur  (Sicaniae  et,  consilio  et  etc.)  und  gar 
die  Messung  nee  trimetro  iambo.  Indessen  betrachtet  L.  Müller  es  als 
feststehend  dass  das  Gedicht  in  einer  sehr  alten  Bobbio'schen  Hds.  gefunden 
worden  sei  (vgl.  A.  W.  Zumpt's  Rutil.  Nam.  p.  IV.  not.  2;  heroicum  Sulpitii 
Carmen  LXX)  und  leitet  die  sprachlichen  und  metrischen  Versehen  von  der 
starken  Verderbniss  des  Textes  ab. 

319.  Ausser  diesen  nennt  besonders  Martialis  noch  eineaoe 
Menge  Personen  aus  allen  Ständen  welche  in  ihren  Mussestunden 
Verse  machten  und  in  den  fast  zur  Landplage  gewordenen  Reci- 
tationen  dieselben  zu  hören  gaben,  theilweise  wohl  auch  sie 
durch  den  Buchhandel  veröflfentlichten.  Die  Einen  versuchten 
sich  auf  verschiedenen  Gebieten,  Andere  hatten  sich  einer  be- 
stimmten Gat'tung  zugewandt. 

1.  Vom  öffentlichen  Leben  hatten  sich  Viele  zurückgezogen,  wie  Ate- 
dius  Melior  (Stat.  Silv.  II,  3,  64  ff.),  Marius  aus  Atina  (Martial.  X,  92,  1  ff.), 
'Pollius  Felix  aus  Puteoli  (Silv.  ü,  2,  112—141.  III  praef.).  Die  unverdäch- 
tigste Art  die  Müsse  auszufüllen  war  dann  das  Versemachen,  wie  PoUius 
that  (Silv.  ni,  1,  67;  vgl.  facundus  ib.  65  und  III  praef).  Literarische 
ThS.tigkeit  konnte  daher  als  eine  Form  des  Müssiggangs  erscheinen  (Mar- 
tial. II,  7).  Welchen  Umfang  die  recitationes  gewonnen  hatten  zeigt  z.  B. 
Juv.  I,  1—14.  Martial.  m,  44 f.  60.  X,  70,  10—12.  Das  Anhören  derselben 
war  für  Manchen  ein  Nahrungszweig  (Mart.  II,  14,  2  ff.  II,  27). 

2.  Dichter  auf  verschiedenen  oder  unbekannten  Gebieten  sind  aus  dieser 
Zeit  Bassus  (nach  Martial.  V,  53  —  falls  nicht  Name  oder  Person  fingiert 
ist  —  Verfasser  von  Epen  und  Tragödien);  Canins  Rufus  aus  Gades  (Mart. 
I,  61,  9.  m,  20.  64,  6);  Cn,  Octavius  Titinius  Capito  (s.  unten  327,  2);  Carus 
(gekrönt  im  albanischen  Agon,  Martial.  IX,  23  f.);  Faustinus  (Mart.  I,  25); 
Flaccus  aus  Patavium  (oben  312,  1);  Manlius  Vopiscus  (vir  eruditissimus 
et  qui  praecipue  vindicat  a  situ  litteras  iam  paene  fugientes,  Stat.  Silv.  I. 
prooem.  vgl.  ib.  I,  3,  1  facundi  Vopisci,  und  v.  99—104,  oben  28,  4);  No- 
vius  Vindex  (Kunstkenner  und  Dichter,  Stat.  Silv.  IV,  6,  22—31.  97 ff.  vgl. 
Martial.  IX,  43  f.);  Domitians  Kämmerer,  der  im  J.  97  ermordete  Parthenius 
(vates,  Mart.  IX, ^49,  3.  vgl.  V,  6,  2.  XII,  11,  2ff.  XI,  1,  6);  Rufus  (Dichter 
und  Redner,  nach  der  Grabschrifb  bei  Martial.  XII^  52);  Sabina  (Atestinae 
nondum  vulgata  Sabinae  carmina,  Mart.  X,  93,  3  f.);  Septimius  Severus 
(unten  321,  9);  Sosibianus  (?  Martial.  IV,  33);  L.  Stertinius  Avitus,  Cos,  92 


71()  Die  EaiBcrzcit.    Erstes  Jahrhundert   Domitianus. 

(sublimi  pectore  vates,  Martial.  IX,  1,  1.  vgl.  praef.);  L.  Valerins  Fadens 
(oben  314,  4);  Varro  (Tragiker,  Elegiker  und  Lyriker,  Mart.  V,  30). 

3.  Epische  Stoffe,  wie  die  Theseis  des  Godrus  (Juv.  I,  2),  behandelten 
ausser  Statins  auch  Julias  Cerealis  (Martial.  XI,  52,  1.  17  f.:  tuos  nobis  re- 
U'gas  licet  usque  Gigantas,  rura  vel  aeterno  proxima  Vergilio),  und  viel- 
leicht (wenn  nicht  der  Name  fingiert  ist)  Paulinus  (Mart.  II,  14,  3  f.:  tuos- 
que  laudat  Achilleos  .  .  pedes). 

4.  Elegiker  (ausser  Stella);  Voconius  Victor,  Verfasser  von  Elegieen 
auf  seinen  Thestjlus  in  der  Manier  der  Alexandriner  (doctos  .  .  libellos), 
Martial.  VII,  29.  vgl.  VIII,  63  (vates);  Nerva  (unten  325,  1);  Unicus,  Ver- 
wandter des  Martial,  Verfasser  von  Gedichten  in  der  Weise  des  Catull  und 
Ovid  (Mart.  XII,  44).  Andere  bei  Mart.  II,  14,  5  f.  VII,  46,  5.  Verfasser 
von  Epigrammen  (ausser  Martialis)  Brutianus  (Martial.  IV,  23,  4  ff.)  u.  A. 
(Martial.  VIII,  18);  von  graeca  e^ngrammata  und  iambi  Arrius  Antöninus 
(Plin.  Ep.  IV,  3,  3.  vgl.  IV,  18.  27,  5 f.:  gravissimus  senex.  V,  15),  Cos.  L 
J.  69,  mütterlicherseits  Grossvater  des"  Antöninus  Pius. 

5.  Verfasser  von  Tragödien  (Tclephus,  Orestes  u.  dgl.  Juv.  I,  5  f.)  ausser 
Scaeviuö  (oben  318,  3),  Baesus  (oben  313,  2),  Canius  Rufus  und  Varro  (Anm. 
•J),  vielleicht  Tucca  und  Ligurinus  (Mart.  III,  45),  sowie  Paccius' (Alcithoe, 
Juv.  VII,  12),  Faußtus  (Thebais,  Tereus,  Juv.  VII,  12)  und  Rubrcnus  Lappa 
(Atreus,  Juv.  VII,  72).  Vgl.  auch  unten  335,  4.  Vielleicht  a.uf  Satyrdramen 
bezieht  sich  Mart.  X,  99:  si  romana  forent  haec  Socratis  ora,  fuissent  la- 
lius  in  Satyris  (oder  satiris?)  qualia  Rufus  habet.  Auf  neue  togatao  deutet 
Juv.  I,  3.  Palliatae  schrieb  vielleicht  schon  in  dieser  Zeit  M.  Pomponius 
I^assulus  (unten  327,  8).  Mimographen  s.  oben  280,  1.  Suet.  Domit.  10: 
occidit  et  Helvidium  filium,  quasi  scenico  exodio  sub  persona  Paridis  et 
Oenones  divortium  suum  cum  uxore  taxasset.  Ueber  die  Agave  des  Sta- 
tins 8.  oben  8,  1  E.  Berühmte  Mimen  (Schauspieler)  der  Zeit  sind  Latinus 
(W.  Teuffei  in  Pauly*s  Real-Enc.  IV.  S.  801)  und  sein  secundarum  Panni- 
« ulus  (Mart.  II,  72,'  4.  III,  86,  3.  V,  ßi;  11),  sowie  Tettius  Caballüs  (Mart 
I,  41,  17  ff.)  und  Thymele. 

6.  Schmutzliteratur.  Mart.  XII,  43,  Iff.:  facundos  mihi  de  libidinosis 
logisti  nimium,  Sabelle,  versus  etc.     (11.)  tanti  non  erat  esse  te  disertum. 

307  320.  Unter  den  prosaischen  Schriftstellern  der  Zeit  ragt 
M.  Fabius  Quintilianus  hervor  (ums  J.  35 — 95  n.  Chr.),  ge- 
])ürtig  aus  Calagurris  in  Spanien,  aber  in  Rom  gebildet  und  lange 
Zeit  ein  gefeierter  öflFentlicher  Lehrer  der  Beredtsamkeit,  zuletzt 
von  Domitian  mit  der  Erziehung  seiner  (Gross -)NeflFen  betraut 
und  zum  Consul  ernannt.  Als  Schriftsteller  trat  er  erst  in  seinen 
späteren  Jahren  auf,  zuerst  mit  einer  Schrift  über  die  Ursachen 
des  Verfalls  der  Beredtsamkeit,  dann  mit  einem  grösseren  Werke, 
den  erhaltenen  zwölf  Büchern  über  die  gesammte  Bildung  zum 
Redner  (Institutio  oratoria),  einschliesslich  der  grammatischen 
Vorbildung.     Die  Behandlung   des  Gegenstandes   hält  sich   hier 


319  f.  Dichterlinge.    Quintilianus.  711 

in  der  Mitte  zwischen  den  populären  Schriften  Ciceros  und  den 
rhetorischen  Fachwerken.  Sie  erstrebt  Vereinfachung  der  Tech- 
nik und  zeigt  mehr  Geschmack  und  Milde  des  Urteils  als  Schärfe 
und  wissenschaftliche  Tiefe.  Besonders  werthvoll  ist  in  Buch  X 
die  Musterung  der  für  rednerische  Zwecke  forderlichen  Literatur. 
Selbst  ganz  in  seiner  Zeit  stehend  und  von  ihr  gefärbt  erkennt 
Quintilian  doch  dereil  grosse  Mängel  und  sucht  sie  wenigstens 
in  der  Schreibweise  durch  Zurückgehen  auf  die  alten  Muster  zu 
bessern.  Insbesondere  den  Cicero  stellt  er  allenthalben  als  Vor- 
bild hin.  Eine  Anzahl  mittelmässiger  Schulreden  die  auf  uns 
gekommen  sind  tragen  Quintilians  Namen  mit  Unrecht. 

1.  Hieronym.  a.  Abr.  2084  =  Ner.  14  «  68  n.  Chr.:  M.  Fabius  Quin- 
tilianus Bomam  a  Galba  perducitur.  Abr.  2104  »=  Dom.  8  =»  88  n.  Chr.: 
Quintilianus  ex  Hispania  Calagurritanus  primus  Romae  publicam  scholam 
et  salarium  e  fisco  accepit  et  damit.  Auson.  prof.  Burd.  1,7:  asserat  us- 
que  licet  Fabium  Calagurris  alumnum.  Jedenfalls  muss  er  seine  Jugend  in 
Rom  zugebracht  haben,  wo  sein  Vater  Ehetor  war  (IX,  3,  73:  pater  mens 
contra  eum  qui  etc.  Sen.  contr.  X.  praef.  2:  quomodo  .  .  Quintilianus  se- 
nex  doclamaverit,  und  ib.  33,  19:  circa  hunc  sensum  est  et  ille  a  Quin- 
tiliano  dictus).  Vgl.  Quintil.  X,  1,  24:  nobis  pueris  insignes  pro  Voluseno 
Catulo  .  .  orationes  ferebantur.  Diese  wurden  noch  unter  Tiberius  (f  37) 
gehalten  (s.  oben  271,  6  u.  9);  aber  im  Umlauf  und  gerühmt  waren  sie 
noch  später.  VI,  1,  14:  nobis  adolescentibus  accusator  Cossutiani  Capitonis 
(J.  57  n,  Chr.)  etc.  X,  1,  86:  quae  ex  Afro  Domitio  (f  59)  iuvenis  excepi. 
Ilienach  wird  Quintilians  Geburt  nicht  später  als  J.  35  n.  Chr.  angesetzt 
werden  dürfen.  Vgl.  noch  X,  3,  12:  lulium  Secundum  (oben  310,  4),  aequa- 
lem  meum  atque  a  me  .  .  familiariter  amatum.  Auf  Quintilians  red- 
nerische Ausbildung  waren  die  oben  292  Genannten  und  Nonianus  (oben 
286,  2)  als  Lehrer  und  Vorbilder  von  Einflnss.  Ausserdem  Palämon  (oben 
277,  3). 

2.  Thätigkeit  sAa  Gerichtsredner.  Quint.  VII,  2,  24:  id  est  in  causa 
Naevii  Arpiniani  solum  quaesitum.  .  .  cuins  actionem,  et  quidem  solam  in 
hoc  tempus,  emiseram,  quod  ipsum  mc  fecisse  ductum  iuvenali  cupiditate 
gloriae  fateor.  nam  ceterae  quae  sub  nomine  meo  fcruntur  neglegentia 
excipientium  in  quaestum  notariorum  corruptao  minimam  partem  mei  ha- 
bent.  IV,  1,  19:  ego  pro  regina  Berenice  (unter  Vespasian)  apud  ipsam 
causam  dixi.  IX,  2,  73:  equidem  et  in  personas  incidi  tales  et  in  rem 
quoque  quae  etc.  ream  tuebar  quae  subiecisse  dicebatur  mariti  testamen- 
tum  etc.  (74.)  ita  ergo  fuit  nobis  agendum  ut  iudices  illud  intellegercnt 
factum  etc.,  et  contigit  utrumque.  quod  non  inseruissem  .  .  nisi  probare 
voluissem  in  foro  quoque  esse  his  figuris  locum.  IV,  2,  86:  me  certe  .  . 
fecisse  hoc  in  foro  .  .  scio.  VII,  2,  5:  fuerunt  tales  nostris  etiam  tcmpori- 
buB  controversiae,  atque  aliquac  in  meum  quoque  patrocinium  inciderunt. 

3.  Schulredner.  XI,  2,  39:  sie  contingit  ut  etiam  quae  ex  tempore 
videbantur  effusa  ad  verbum  repetita  reddantur.    quod  meae  quoque  nie- 


712  Die  Kaiser  zeit.    Erstes  Jahrhundeii.    Domitianus. 

moriae  mediocritatem  sequebatar,  si  quaudo  inierventas  aliquorum  qui 
hunc  houorem  mcrerentur  iterare  declamationia  partem  coegisset.  nee  est 
mendacio  locus  salvis  qni  interfuerunt.  Juv.  VI,  280:  die  aliquem,  .  .  Quin- 
tiliane,  colorem.  Auson.  prof.  Burd.  1,  15  f.:  seu  libeat  fict&s  ludonim 
evolvere  lites  aneipitem  palmam  Quintilianus  habet.  Dabei  liegen  wohl  die 
(ingeblichen  Declamationen  des  Q.  (Anm.  11)  im  Sinne.  Ebenso  bei  Trebell. 
Poll.  trig.  tyr.  4,  2  (IT.  p.  93  F.):  Quintiliano^  quem  declamatorem  romani  ge- 
neris  acutissimum  vel  unius  capitis  lectio  prima  »tatim  fronte  demonstrat. 

4.   Lehrer  der  Beredtsamkeit.    Vgl.  A.  1.    Martial.  II,  90,  1  f.:  Quinti- 
liaiic,  vagae  moderator  summe  iu^entae,  gloria  romanae,  Quintiliane,  togae. 
Plin.  Epist.  II,  14,  10:  ita  certe  ex  Quintiliano,  praeceptore  meo,  audisse 
memini.   VI,  6,  3:  prope  cotidie  ad  audiendos  quos  tunc  ego  frequentabam 
Quintilianum,  Niceten,  Sacerdotem  ventitabat.    Quintil.  Ill,  6,  68:  frequen- 
t^r  quidem,  sicut  omnes  qui  me  eecuti  sunt  meminisse  possunt,  testatus 
et  in  ipsis  etiam  illis  sermonibus  (über  Rhetorik,  Anm.  6)  me  nolente  vul- 
gatis  hoc  tarnen  complexus  etc.    Üeber  die  Richtung  seiner  Thätigkeit  als 
Lehrer  X,  1,  125  f.  (Warnung  vor  Senecas  Art).    I  prooem.  1:  post  impetra- 
tam  studiis  meis  quietem,  quae  per  viginti  annos  erndiendis  iuvenibus  im- 
penderam.    n,  12,  12:  quando  et  praecipiendi  munus  iam  pridem  deprecati 
Bumus  et   in   foro  quoque  dicendi.     Nachträglich  aber  wurde  er  Prinzen- 
erzieher.   IV.  prooem.  2;  cum  mihi  Domitianus  Aug.  sororis  suae  nepotum 
(vgl.  Suet.  Dom.  15:    Flavium  dementem  patruelem  suum,  .  .  cuius  filioB 
etiam  tum  parvulos  successores  palam  destinaverat  et  abolito  priore  nomine 
alterum  Vespasianum  appellari  iusserat,   alterum  Domitianum)  delegaverit 
curam.    Auson.  gratiar.  act.  p.  290  Bip.:  Quintilianus  cousularia  per  demen- 
tem ornamenta  sortitus  (vgl.  Juv.  VII,  197:  si  fortuna  volet  fies  de  rhetore 
consul).    Auch  zu  Wohlstand  scheint  Q.  durch  seine  Lehrthätigkeit  gelangt 
zu  sein;    s.  Juv.  VII,   186  ff.:  .  .  unde  tot  Quintilianus  habet  saltus?  was 
als  ausnahms weises  Glück  hingestellt  wird.    Der  Quintilianus  welchem  Plin. 
Epist.  VI,  32   (quam vis  et  ipse  sis  continentissimus  et  filiam  tuam  ita  in- 
Ktitueris  etc.   te  porro  animo  beatissimum,  modicum  facultatibus  scio)  einen 
Beitrag  zur  Mitgift  seiner  Tochter  Übermacht  muss  ein  anderer  sein,  da  ib. 
TT,  14,  10  (ums  J.  97— 100)  und  VI,  6,  3  (J.  106  f.)  den  Rhetor  als  gestorben 
voraussetzt  und  in  dem  Briefe  selbst  auf  kein  Dankbarkeitsverhältniss  Be- 
zug genommen  ist.    Auch  überlebte  den  Rhetor  Q.  keines  seiner  Kinder; 
s.  VI.  prooem.  4:  ut  incusem  deos  superstes  omnium  meorum.    .  .  erepta  prius 
mihi  matre  eorundem,  quae  nondum  ezpleto  aetatis  XIX°  anno  duos  enixa 
filios  .  .  decessit.    6:  mihi  filius  minor  quintum  egressus  annum  prior  alterum 
ex  duobus  eruit  lumen.    9 :  una  post  haec  Quintiliani  mei  spe  ac  voluptate 
nitebar.     10:  .  ..iam  decimum  aetatis  ingressus  annum  (starb  auch  dieser). 
-  H.  Dodwell,  annales  Quintilianei,  Oxon.  1698  (auch  in  Burmanns  Ausg. 
p.  1117  ff.).    E.  Hummel,  Quintiliani  vita,  Gotting.  1843.  4.    L.  Driesen,  de 
Q.  vita,  Cleve  1846.  4.    C.  Pilz,  Quintilianus,  ein  Lehrerleben  aus  der  röm. 
Kaiserzeit,  Leipzig  1863. 

5.  Juv.  VI,  75  nennt  den  Q.  als  Beispiel  eines  gesetzten,  ernsthaften 
Mannes  und  Gegenfüssler  eines  Komödianten.  Die  erhaltene  Schrift  zeigt 
ihn  als  eine  müde,    humane  (vgl.  I,  3,  13  ff.  11,  4,  10  ff.)  Persönlichkeit, 


320.    QuintilianuB.  713 

kritteligem  Wesen  abhold  (X,  1,  26.  vgl.  56  f.  80)  und  zum  Anerkennen 
geneigt  (X,  1,  40  f.),  ehrenhaft  (vgl.  XIT,  7,  3)  und  gemütlich  (vgl.  VI,  2, 
36),  wie  auch  die  Tiefe  seines  Schmerzes  über  sein  häusliches  Unglück  be- 
weist; 18.  VI.  prooem.  Die  Huldigungen  die  .er  IV.  prooem.  3 — 6  (vgl.  oben 
314,  3)  und  X,  1,  91  f.  (vgl.  oben  314,  2)  dem  Domitian  darbringt  sind 
zwar  sehr  wahrheitswidrig  (z.  B.  X,  1,  92:  nunc  ceteramm  fulgore  virtu- 
tum  laus  ista  —  als  Dichter  —  praestringitur)  und  dick  aufgetragen  (IV. 
prooem.  5:  mihi  .  .  poterit  ignosci  si  .  .  nunc  omnes  in  anxilium  deos 
ipsumque  in  primis  quo  neque  praesentius  aliud  nee  studiis  magis  propi- 
tium  numen  est  invocem  ut  .  .  tantum  ingenii  adspiret  etc.),  entschuldigen 
sich  aber  durch  die  Dankbarkeit  für  das  unmittelbar  zuvor  ihm  bewiesene 
Vertrauen  (s.  A.  4)  und  den  damaligen  offiziellen  Stil.  Lob  des  Cato  Uti- 
censis  XII,  7,  4;  vgl.  auch  oben  272,  1. 

6.  Frühere  Schriften.  I.  0.  II,  4,  42:  an  ab  ipso  (Demetrio  Phal.)  id 
genus  exercitationis  sit  inventum,  ut  alio  quoque  libro  sum  confessus,  pa- 
rum  comperi.  V,  12,  23:  haec  et  in  alio  nöbis  tractata  sunt  opere  etc. 
Vni,  3,  58:  de  hac  parte  (xaxoJ??ilov)  et  in  alio  nobis  opere  plenius  dictum 
est  etc.  Genauer  ib.  VI.  prooem.  8 :  ita  forte  accidit  ut  eum  quoque  librum 
quem  de  causis  corruptae  eloquentiae  emisi  iam  scribere  aggressus  (meinen 
jüngeren  Sohn  verlor).  Als  der  ältere  lOjährig  starb  (A.  4)  wäre  der  jüngere 
etwa  9  J.  alt  gewesen;  jene  Schrift  war  somit  (s.  A.  4)  ungefähr  4  Jahre 
vor  I.  0.  VI.  praef.  veröffentlicht.  VIII,  6,  76:  eundem  locum  plenius  in  eo 
libro  quo  causas  corruptae  eloquentiae  reddebamus  tractavimus.  Im  Unter- 
schiede von  dem  früher  erschienenen  dialogus  des  Tacitus  waren  darin  wohl 
mehr  die  stilistischen  als  die  politischen  Seiten  der  Frage  erörtert.  Wider 
Quintilians  Willen  veröffentlicht  vnirden  nachgeschriebene  Beden  (s.  A.  2) 
und  Lehrvorträge  (sermones,  s.  A.  4)  von  ihm.  I.  0.  I.  prooem.  7:  duo  iam 
sub  nomine  meo  libri  ferebantur  artis  rhetoricae  neque  editi  a  me  neque 
in  hoc  comparati.  namque  alterum  sermonem  per  biduum  habitum  pueri  qui- 
bus  id  praestabatur  exceperant,  alterum  pluribus  sane  diebus  quantum  no- 
tando  consequi  potuerant  interceptum  boni  iuvenes,  sed  nimium  amantes 
mei,  temerario  editionis  honore  vulgaverant. 

7.  Das  erhaltene  Werk.  Vorwort  an  seinen  Verleger  Trypho:  effla- 
gitasti  .  .  ut  libros  quos  ad  Marcellum  meum  De  institutione  oratoria 
scripseram  iam  emittere  inciperem.  nam  ipse  eos  nondum  opinabar  satis 
maturuisse,  quibus  componendis  .  .  paulo  plus  quam  biennium  tot  alioqui 
negotiis  districtus  (als  Prinzenerzieher,  A.  4)  impendi,  welche  Zeit  grössten- 
theils  die  Sammlung  des  Stoffes  in  Anspruch  genommen  habe.  Er  hätte 
gern  das  Werk  in  Müsse  überarbeitet,  wolle  es  aber  jetzt  doch  nicht 
länger  zurückhalten.  Adressat  ist  (vgl.  I.  prooem.  6.  IV.  pr.  1.  VI.  pr.  1. 
XII,  11,  31)  Victorius  Marcellus  (cum  amicissimus  nobis  tum  ezimio  littera- 
rum  amore  flagrans,  I.  pr.  6;  vgl.  unten  321,  8),  dessen  Sohn  Gallus  (Stat. 
Silv.  IV,  4,  20)  Talent  verrieth  (Quintil.  I.  pr.  6).  Zugleich  hatte  der  Ver- 
fasser dabei  ursprünglich  seinen  eigenen  älteren  Sohn  im  Auge  (VI.  pr.  1). 
üeberhaupt  aber  hat  er  sein  Werk  bestimmt  nicht  für  pueri  ( Vlli ,  6,  13),' 
sondern  für  boni  und  studiosi  iuvenes  (III,  6,  64.  VI.  pr.  1.  XII,  11,  31. 
vgl.  V,  10,  96.  Vn,  3,  30.  XI,  1,  5.  66).    Abfassungszeit  ums  J.  90  ff.,  da 


714 


Die  SaiBerzeit.    Entee  Jahrbandeii.   DomitiaouB. 


die  drei  ersten  Bücher  schon  ToUendet  waren  als  dem  Q.  die  cura  über 
die  sehne  des  zu  Anfang  96  dnroh  Domitian  getCdteten  FlaviuB  ClemenB 
übertragen  wurde  <A.  4).  VolUtändige  Erhaltung;  vgl.  lU,  8,  12:  duo- 
decimo,  qui  Bummua  futurus  est,  libro. 

8,  Plan  and  Ausführung.  1.  prooem.  5:  ego  ,  .  non  aliter  quam  si 
mihi  tradatnr  oducanduB  orator  studia  eiuH  formare  ab  infantia  iucipiam. 
21:  über  primufl  ea  quae  anat  ante  officium  rhetoria  (also  Aufgabe  des 
grammaticuB)  continebit.  secundo  prima  apud  rbetorem  olementa  et  quae 
de  ipsa  rhetoricoB  Hubstantia  qnaeruntur  tractabimna.  (2ä.)  qainquo  de- 
iuceps  {111 — VII)  inTontioDi,  nam  huic  et  diBpositio  eubiungitur,  quattaoi 
(Vill — XI)  elocutioni,  in  caias  partem  memoria  ac  pronuntiatio  veniunt, 
dabnntur.  unna  (XU)  accedet  in  quo  nobi«  orator  ipse  informandua  est, 
ubi  qui  mores  eins,  quae  in  suscipiendis ,  diacendis,  agendia  cauais  ratio, 
quod  eloquentiao  gcnuB,  qui«  agcndi  dcbcat  csae  finis,  quae  poat  finem 
Btudia,  .  .  diaaeremug.  (25.)  nOB  .  .  quidquid  utile  ad  iastituendum  orato- 
rem  potabamue  in  hoa  XU  libros  contulimuB,  breviter  omnia  demonatra- 
turi.  Polemik  gegen  die  affectata  subtilitae  der  gewöhnlichen  rhetori- 
Bchen  Lehrbücher  {I.  prooem.  24.  III,  11,  21.  vgl.  II,  15,  37)  und  ihre  un- 
praktische Pedanterie  (V,  13,  59.  14,  27—32).  Seine  eigene  Theorie  gründet 
sich  auf  persönliche  Erfahmng  (VI,  2,  25)  und  die  Praxis  der  bcdeutendaten 
Redner  (V,  13,  60).  Eklcktiachcs  Verfahren.  111,  1,  G:  bic  liber  .  .  pleraque 
nOD  inventa  per  me,  sed  ab  aliie  tradita  continebit.  ib.  22:  neqne  ros 
cuiuequani  sectae  velut  quadam  auperBtitionc  imbutus  addixi.  4,  11 :  nobis 
et  tutissimum  eet.auctorea  plurimos  sequi  et  ita  Tidetur  ratio  dictare.  II, 
8,  6;  libcra  vcl  contra  rcceptas  persuaaionea  rationem  acquenti  aententia 
est.  VI,  2,  26:  quodsi  tradita  mihi  sequi  praecepta  auf^ceret,  aatiefece- 
ram  huic  parti;  .  .  sed  oruero  in  animo  eat  quae  latent,  .  .  quae  quidem 
non  aliquo  tradent«,  aed  experimento  moo  oc  natura  ipsa  duco  accepi. 
Ethische  Grundlage  der  Beredtsamheit;  I.  prooem.  Off.  IJ,  2.  16,  1.  32 
16,  11.  20,  4.  8.  XII,  1,  1;  daher  auch  XII,  7,  7:  non  convenit  oratori  i 
iusta  tucri  scientem;  vgl.  V,  7,  32.  Etwas  lockerer  II,  17,  27f  36.  vgl.  VI, 
2,  5.  24.  Opposition  gegon  den  herrachonden  Zeitgeschmack  (oben  S.  ( 
Zurückgehen  auf  die  Natur  (II,  6,  11  f.  vgl.  X,  7,  15:  pectns  est  quod  diser- 
toB  facit  et  vis  mentis)  und  die  veteres  (II,  5^  22  FF.  V,  12,  20.  YIII.  prooem. 
24  ff.  5,  34.  X,  1,  43  f),  namentlich  Cic«ro,  der  immer  mit  höchater  Ach- 
tung genannt  wird  (V,  11,  11.  17.  13,  52.  VIU,  3,  64.  66.  IX,  1,  26.  X, 
106—112.  2,  26.  7,  31.  XI,  1,  67  ff.  73  f.  85.  89.  93.  3,  184.  XII.  pf.  4. 
19  ff.  10,  12  ff.  39.  46  f.)  nud  aelhst  in  seinen  Schwächen  vertbeidigt  (vg 
XI,  1,  17—21.  23  ff,  XII,  1,  16  {.  VIII, 3,  61);  auf  ihn  gründet  sich  die  Dar- 
legung hauptsHchltch  and  weicht  nur  ungern  von  ihm  ah  (x.  B,  IV,  2,  &i 
V,  11,  2.  VII,  3,  8.  IX,  4,  2.  16.  66  f.  XI,  3,  123).  VI,  3,  3  schreibt  er  siel 
amor  immodicuB  praocipui  in  eloquentia  viri  zu  und  ruft  X,  1,  112  aus 
hnnc  Bpectemua,  hoc  propositum  nobis  sit  exemplum,  ille  sc  profeciaae 
aciat  cai  Cicero  vatde  placebit.  Die  theoretiscbe  Ausführung  iet  überall 
gewürzt  durch  Beispiele  aus  den  Kedoern  der  claBsischen  Zeit.  In  diesen 
ist  Q.  besonders  zu  Hanse,  wogegen  die  vorciceroniscben  Prosaiker  (wie 
Cato)  ignoriert  werden,  wohl  weil  sie  für  den  Stil  nicht  mustergültig  sind. 


320.    QnintilianuB.  715 

Im  Ganzen  sind  Quintilians  Studien  vielseitig,  obwohl  die  mitunter  wenig 
treffende  Charakteristik  der  Schriftsteller  in  X,  1  öfters  seine  wirkliche 
Bekanntschaft  mit  denselben  zweifelhaft  macht.  H.  Babucke ,  de  Q.  doctrina 
et  stndiis  capita  dno  (de  philosophia  Qi,  p.  6—32;  de  ratione  inter  Q.  et 
Graecos  intercedente ,  p.  33 — 46),  Königsberg  1866.  Die  Darstellung  ist 
nicht  selten  rhetorisch  belebt;  vgl.  III,  1,  3:  admiscere  temptavimus  aliquid 
nitoris,  .  .  ut  hoc  ipso  alliceremus  magis  iuventutem.  Häufigkeit  von 
Bildern  und  Vergleichungen  besonders  aus  dem  Gebiete  der  Natur  und  der 
Landwirtschaft  (I,  2,  14.  II,  6,  7.  10,  6.  16,  13  f.  XII,  10,  76.  vgl.  II,  19,  2. 
VIII,  5,  26.  X,  3,  2.  7,  28.  XII,  1,  7.  10,  19),  aber  auch  aus  andern  Kreisen 
menschlicher  Thätigkeit  (IV,  5,  6.  14.  22.  V,  10,  21.  IX,  4,  113.  129.  X,  3, 
6.  7,  23.  XII,  2,  11.  8,  10.  9,  2  f.).  Die  Sprache  strebt  grundsätzlich  nach 
Classicität,  kann  sich  aber  gleichfalls  dem  Einflüsse  der  Zeit  nicht  ganz 
entziehen.  £.  Bonnell,  de  grammatica  Quintil.,  in  Spaldings  Ausg.  VI. 
p.  XXI  ff.,  und  dessen  Lexicon  Quintilianeum  (ib.  vol.  VI).  R.  Törnebladh, 
de  elocutione  Qi,  Upsala  1858;  de  usu  particularum  apud  Q.,  Holm  1861. 
60  pp.    Voigtland,  de  brevitate  Q.,  Schleusingen  1846.  4. 

9.  Von  den  Handschriften  der  Inst.  or.  ist  die  wichtigste  der  Am- 
brosianus  saec.  XI  (A  bei  Halm),  von  mehreren  Händen  und  in  den  späte- 
ren Büchern  (IX,  4,  136  —  XII ,  11,  22  fehlen  darin)  viel  nachlässiger  als  in 
den  vier  ersten.  Zur  Ergänzung  seiner  Lücken  und  Verbesserung  seiner 
Fehler  dient  eine  ältere  Classe  mit  besserem  Texte,  aber  zugleich  durch 
wiederholten  Ausfall  von  Blätterlagen  etwa  um  y^  defect,  vertreten  boson-^ 
ders  durch  den  Bernensis  (Bn)  saec.  X,  von  welchem  Ambr.  II  (saec.  X) 
und  der  Bambergensis  saec.  X  (Bg)  abstammen.  In  letzterem  ist  zugleich 
durch  eine  spätere  Hand  (G  bei  Halm)  aus  einem  vollständigen  Codex 
(vgl.  Halm  im  Rhein.  Mus.  XXIII.  S.  218—222)  das  ursprünglich  Fehlende 
ergänzt.  Aus  ihm  stammen  der  Florentinus  saec.  XI  und  der  Turicensis 
saec.  XII.  Ausser  A  besteht  die  vollständige  aber  theils  verderbte  theils 
interpolierte  Classe  aus  Hdss.  des  XV.  Jahrh.,  wie  dem  Lassbergensis  (L) 
in  Freiburg,  dem  Monacensis  (M)  Nr.  23473  und  dem  Argoratensis  Obrechts 
(S).  Oefters  bietet  auch  des  Julius  Victor  Compilation  Abhülfe.  C.  Halm, 
über  den  Rhetor  Julius  Victor  als  Quelle  der  Verbesserung  des  quintil. 
Textes,  in  den  Sitzungsberichten  der  Münchner  Akad.  1863.  S.  389  —  419; 
üeber  die  Textesquellen  der  Rhetorik  des  Q.,  ebend.  1866.  S.  493—624; 
Rhein.  Mus.  XXII.  S.  38  f.,  und  vor  seiner  Ausgabe  p.  V — IX.  A.  Reiffer- 
scheid,  die  Quintilianhds.  des  Poggio,  Rhein.  Mus.  XXÜI.  S.  143  — 146. 
Enderlein,  comm.  de  Bamberg,  cod.  Quint.,  Schweinfurt  1862.  4.  J.  Ständer, 
Quaest.  Quint.  (Bonn  1866)  p.  6 — 18  (de  Ambr.  1  et  Bamberg,  codd.). 

10.  Ausgaben.  Ed.  princeps  Rom.  1470  fol.  Venet.  1471  fol.  Aldina 
Ven.  1614.  1621.  4.  luntina  Flor.  1616.  4.  E  codd.  emend.  E.  Gibson, 
Oxon.  1693.  4.  London  1714.  1716.  4.  Ed.  üb:.  Obrecht,  Strassburg  1698.  4. 
2  Voll.  Recogn.  et  em.  P.  Burmann,  Lugd.  Bat.  1720.  4.  2  Voll.  Recogn. 
et  emend.  Cl.  Capperonnier,  Paris  1726  fol.  Coli.  codd.  et  perp.  comm. 
illustr.  J.  M.  Gesner,  Gotting.  1738.  4.  Ad  codd.  fidem  rec.  et  annot.  expl. 
G.  L.  Spalding,  Lips.  1798—1816,  4  Voll.,  wozu  Vol.  V  von  C.  G.  Zumpt, 
1829,  und  VI  (Lexicon  Q.  et  indices)  von  E.  Bonnell,  1834.    In  us.  schol. 


716  Die  Kaiser  zeit.   Erstee  Jahrhundert.   DomitianuB. 

cur.  G.  A.  B.  Wolff,  Lips.  1816  —  1821,  2  Voll.  Notaa  critt.  adiecit  A.  G. 
Gernhard,  Lips.  1830,  2  Voll.  Rec.  C.  G.  Zumpt,  Lips.  1831.  Ad  oodd. 
Laesb.,  Turic,  Ambr.  fidem  rec.  et  illustr.  H.  Meyer,  Lips.  1833,  Vol.  I. 
Ad  fidem  codd.  re.c.  E.  Bonnell,  Lips.  Teubner  1854,  2  Voll.  Hauptausgabe 
rec.  C.  Halm,  Lips.  Teubner  1868  f.  2  Partes. 

Ausgaben  des  Buchs  X  von  C.  H.  Frotscher  (Lips.  1826),  C.  G.  Herzog 
(Leipzig  1829.  1830.  1833),  Augusti  (=»  8chneidewin,  Helmstedt  1831),  G.  A. 
Herbst  (Lips.  1834),  E.  Bonnell  (Leipzig  1851.  Berlin  1855.  1863),  £.  Alberti 
(Leipzig  Engelmann  1858),  G.  T.  A.  Erflger  (Leipzig  Teubner  1861),  C.  Halm 
(Lips.  Teubner  1869). 

Zur  Kritik  und  Erklärung.  Baph.  Begii  ducenta  problemata,  Venet. 
1492.  4.  Quaestiones  Quintilianeae  von  F.  Müller  (Halle  1840),  F.  Bahlmann 
(Berlin  1859.  4.),  F.  Meister  (Liegnitz  1860.  4.  Breslau  1865.  4. .  Vgl.  Halm 
im  Rhein.  Mus.  XXII.  S.  39—61),  R.  Törnebladh  (Calmar  1860),  J.  Stander 
(Bonn  1865).  Dörry,  de  locis  al.  Q.  emend.,  Torgau  1860.  4.  F.  Bitschl, 
Grammatisches  bei  Q.,  Rhein.  Mus.  XXIL  S.  599—614.  J.  Ständer  p.  14—29 
(de  Q.  grammatico).      , 

Zu  Buch  X  adnott.  chtt.  von  F.  Osann,  6  particulae,  Giessen  1841. 
1842.  1845.  1850.  1857.  1858.  4.  J.  Jeep,  de  locis  al.,  Wolfenbüttel  1863.  4. 
L.  Mercklin,  der  Parallelismus  in  Q.  X,  Rhein.  Mus.  XIX.  S.  1 — 32. 

Deutsche  Uebersetzung  von  Bossler  und  Baur,  Stuttgart  (Metzler)  1863  f. 
9  Bdchn. 

11.  Quintilian,  der  seine  frühere  Schriftstellerei  in  der  I.  0.  mehrfach 
erwähnt  (s.  A.  6)  und  bald  nach  Herausgabe  der  I.  0.  gestorben  zu  sein 
scheint,  gedenkt  nirgends  veröffentlichter  declamationes.  Es  ist  aber 
möglich  dass  auch  solche  nach  seinem  Tode  aus  Nachschriften  (vgl.  A.  2 
u.  6)  herausgegeben  wurden.  Wenigstens  nennt  ihn  als  Verfasser  von 
concinnae  declamationes  Hieronymus  (in  Esaiam  VUI.praef.,  sowie  Auso- 
nius  (oben  A.  3)  und  Trebell.  Poll.  XXX  tyr.  4,  2:  fuit  autem  (Postumus 
iunior)  .  .  ita  in  declamationibus  disertus  ut  eius  controversiae  Quintiliano 
dicantur  insertae,  wonach  dieselben  auch  noch  für  spätere  Schulreden  als 
Ablagerung  dienten.  Bei  den  unter  Quintilians  Namen  erhaltenen  19  grösse- 
ren und  vollends  den  145  kleineren  declamationes  (den  Resten  einer  Samm- 
lung von  388  Stücken)  spricht  nichts  für  ihre  Abfassung  durch  den  berühm- 
ten Rhetor,  wohl  aber  ihre  Ünbedeutendheit  dagegen.  Vielleicht  sind  sie 
von  einem  Schüler  desselben.  In  Hdss.  werden  sie  einem  M.  Florus  zu- 
geschrieben. Erste  Gesammtausgabe  derselben  Treviso  1482  fol.  Ascens. 
1580  u.  öfter.  Ex  bibl.  Pithoei,  Paris  1580.  Heidelberg  1594.  Notis  illustr. 
Oxon.  1675.  1692.    In  den  Ausgaben  der  I.  0.  von  Obrecht,  Burmann  u.  A. 

12.  Lact^nt.  inst.  div.  I,  21:  optime  Quintilianus  in  Fanatico:  istud, 
iuquit,  si  deus  cogit  iratus  est.  V,  7:  quod  ipsum  Quintilianus  egregie 
ac  breViter  ost^ndit  in  Capite  obvoluto.  VI,  23:  quod  optime  Quintilianus 
expressit:  homo,  inquit,  neque  etc.  Wie  es  scheint,  ein  christlicher  Schrift- 
steller. 

308         321.    Aus   der    Zeit    des   Quintilian   kennen    wir   noch    als 
rhetorischen  Schriftsteller  den  Tutilius  und  als  Rhetor  den  Prin- 


320  f.    QuintiliauUfl.    ReguluB  u.  A.  717 

ceps.  Unter  den  Rednern  machten  sicli  als  Delatoren  gefürchtet 
der  charakterlose  M.  Aquilius  Regulas,  welcher  auch  schrift- 
stellerte,  sowie  Baebius  Massa,  Mettius  Carus  und  Palfurius  Sura. 
Als  Vertheidiger  thätig  waren  ausser  Tacitus,  Plinius  und  Heren- 
nius  Senecio  besonders  Victorius  Marcellus,  Septimius  Severus 
aus  Africa,  Flavius  Ursus,  Vettius  Crispinus,  Satrius  Rufus, 
Licinius  Sura  u.  A. 

1.  QuintiL  IIJ,  1,  21:  scripsit  de  eadem  materia  (Rhetorik)  .  .  aeiatis 
nostrae  Verginius,  Plinius  (oben  307,  3),  Tutilius.  Martial.  V,  56,  5:  famae 
Tutilium  auae  relinquas.     Vgl.  noch  Plin.  Epiat.  VI,  32,  1. 

2.  Suet.  gramm.  4:  me  quidem  adolescentulo  repeto  quendam  Prin- 
cipem  nomine  aliernis  diebus  declamare,  alternie  disputare^  nonnullis  vero 
mane  disaerere,  post  meridiem  remoto  pulpito  declamare  aolitum.  Den 
luliua  Tiro  (vgl.  Plin.  Ep.  VI,  31,  7)  welcher  im  Verzeichniss  der  von 
Sueton  abgehandelten  Rhetoren  nach  Quintilian  aufgefühi*t  ist  will  Reiffer- 
scheid  (Suet.  p.  99.  418  ff.)  durch  M.  TuUius  Tiro  ersetzen,  welcher  von 
einem  Abschreiber  als  Urheber  der  notae  tironianae  (oben  188,  4)  einge- 
schwärzt  worden  sei.  Vgl.  dagegen  G.  Becker  in  Fleckeiaens  Jahrbb.  1863, 
S.  649  f. 

3.  Plin.  Epist.  I,  5,  1:  vidistine  quemquam  M.  Regulo  timidiorem, 
humiliorem  post  Domitiani  mortem?  aub  quo  non  minora  flagitia  commi- 
Berat  quam  sub  Nerone  (admodum  iu venia,  Tac.  Hist.  TV,  42),  sed  tectiora. 
(2.)  Rustici  Aruleni  periculum  foverat,  exnltaverat  morte,  adeo  ut  librum 
recitaret  publicaretque  in  quo  Ruaticum  inaectatur  atque  etiam  Stoicorum 
aimiam  appellat;  adicit  Vitelliana  cicatrice  atigmosum.  agnoscia  eloquen- 
tiam  Reguli.  (3.)  lacerat  Herennium  Seneciouem  .  .  intemperauter.  .  . 
(4.)  praeterea  reminiacebatur  quam  capitaliter  ipaum  me  apud  centumviroa 
laceaaiaaet.  (5.)  adei*am  Arrionillae,  .  .  Regulua  contra  etc.  (14.)  acripait 
(Mettiua  Modestua)  in  epiatula  quadam  quae  apud  Domitianum  recitata  est: 
Regulua  omnium  bipedum  nequiaaimua.  .  .  (15.)  eat  (Regulua)  locuplea, 
factioauB,  curatur  a  multis,  timetur  a  pluribus.  II,  11,  22:  eat  Regulo 
tam  mobile  ingenium  ut  plurimum  audeat,  plurimum  timeat.  IV,  2,  1 : 
Regulua  filium  amiait.  .  .  (3.)  amiaaum  luget  inaane.  7,  2:  nuper  adhibito 
ingenti  auditorio  librum  de  vita  eins  recitavit;  .  .  eundem  in  exemplaria 
mille  tranaacriptum  per  totam  Italiam  provinciaaque  dimiait.  (6.)  hunc  lue- 
tuosum  Reguli  librum  etc.  (7.)  eat  tam  ineptua  ut  riaum  magia  poaait 
ezprimere  quam  gemitum;  credaa  non  de  puero  scriptum,  aed  a  puero. 
.  .  (4.)  inbecillum  latua  (dea  Regulua),  oa  confuaum,  haeaitana  lingua,  tar- 
disaima  inventio,  memoria  nulla,  nihil  denique  praeter  ingenium  inaanum; 
et  tamen  eo  impudentia  ipaoque  illo  furore  pervenit  ut  orator  habeatur. 
Ala  aolchen  preiat  den  mächtigen  und  reichen  Mann  der  aervile  Martial 
I,  111  (vgl.  12  u.  82).  II,  74,  2  f.  (quanta  reduci  Regulus  aolet  turba,  ad 
alta  tonsum  templa  cum  reum  miait).  IV,  16,  6.  V,  28,  6  (licet  vincaa  .  . 
oratioue  Regulos).  63,  4  (ipse  tuo  cedet  Regulus  ingenio).  VI,  38.  64,  11. 
Gemeint  ist  er  vielleicht  (aber,  ala  noch  lebend,  nicht  genannt)  von  Juv. 


718  Die  Eaiserzeit.   Erstes  Jahrhundert.   DomitiannB. 

I,  33—36.  Er  starb  ums  J.  105;  vgl.  Plin.  £p.  VI,  2,  1:  soleo  nonnnioquam 
in  iudiciis  quaerere  M.  Begulum.  .  .  (2.)  habebat  studiis  honorem,  timebat, 
pallebat,  scribebat,  quamvis  non  posset  ediscere.  illud  ipsum  quod  .  . 
semper  haruspices  consulebat  de  actionis  eventu  a  nimia  superstitione,  sed 
tarnen  et  a  magno  studiorum  honore  veniebat.  (3.)  iam  illa  perquam 
iucunda  una  dicentibus,  quod  libera  tempora  petebat,  quod  audituros  cor- 
rogabat    W.  Teu£Pel  in  Pauly^s  Beal>£nc.  I,  2.  S.  1391,  Nr.  43. 

4.  Ueber  Baebius  llassa,  der  noch  unter  Domitian  gestürzt  wurde, 
8.  Plin.  Ep.  VII,  33,  4  ff. ;  über  Mettius  Carus  s.  W.  Teuffei  in  Pauly's  Real- 
Enc.  IV.  S.  1906,  Nr.  6.  Schol.  Juv.  I,  35:  Massa  morio  fuisse  dicitur  et 
Carus  nanus.  .  .  hi  omnes  Neronis  fnerunt  liberti,  .  .  sed  et  nequissimi 
delatores.    .  .  Massa  et  Carus  Heliodoro  deferente  occisi  sunt. 

5.  JuY.  rV,  53 — 55:  si  quid  Palfurio,  si  credimus  Armillato,  quid- 
quid  conspicuum  pulchrumque  est  aequore  toto  res  fisci  est,  ubicumque 
natat.  Dazu  Schol.  des  Valla:  Palfurius  Sura,  ut  inquit  Probus,  coa- 
sularis  viri  filius  sub  Nerone  luctatus  est  cum  virgine  lacedaemonia  in 
agone;  postea  a  Vespasiano  summotus  e  senatu  transiit  ad  stoicam  sectam, 
in  qua  cum  eloquentia  (et  artis  poeticae  gloria,  fügen  die  andern  Scholien 
bei)  praecelleret,  Domitiano  familiaritate  coniunctus  delationem  acerbissime 
exercuit,  sed  interfecto  Domitiano  accusatus  est  a  senatu  et  damnatus. 
Die  andern  Scholien:  cum  fuissent  inter  delatores  potentes  apud  Domitia- 
num  hi,  Armillatus,  Demosthenes  et  Latinus  archimimus  (oben  319,  5), 
sicut  MariuB  Mazimus  scribit.  Vgl.  Suet.  Dom.  13:  capitolino  certamine 
cunctos  ingenti  consensu  precantis  ut  Palfurium  Suram  restitueret,  pulsum 
olim  senatu  ac  tunc  de  oratoribus  coronatum  etc. 

6.  Ueber  Tacitus  und  Plinius  als  Gerichtsredner  s.  unten  328,  5  u.  335,  2. 

7.  Herennius  Senecio,  aus  Hispania  Baetica  (Plin.  Ep.  VII,  33,  5), 
Vertheidiger  des  Licinianus  (ib.  IV,  11,  12  f.)  und  (mit  Plinius)  Ankläger 
des  Baebius  Massa  (Plin.  Ep.  VII,  33,  4  ff.).  Ueber  seine  Schrift  über 
Helvidius  Priscus  und  sein/s  Hinrichtung  durch  Domitian   s.  unten  324,  2. 

8.  An  Victor ius  Marcellus  gerichtet  ist  Quintilians  Werk  (oben 
320,  7)  und  Stat.  Silv.  IV  (prooem.:  Marcelle  carissime),  4  (vom  J.  96), 
worin  z.  B.  die  Einladung  sich  zu  erholen:  certe  iam  latiae  non  miscent 
iurgia  leges,  .  .  nee  iam  tibi  turba  reorum  vestibulo.  .  .  cessat  centeni 
moderatrix  iudicis  hasta,  qua  tibi  .  .  iam  nunc  celeberrima  fama  eminet 
et  iuvenes  facundia  praeterit  annos  (v.  39—45).  nee  tibi  sola  potentis  elo- 
quii  virtus,  sunt  membra  accommoda  bellis  (v.  64  f.).  Daher,  si  latii  du- 
cis  (des  Domitian)  sie  numina  pergant,  quem  tibi  posthabito  Studium  est 
coluisse  Tonante,  quique  tuos  alio  subtexit  munere  fasces  et  spatia  anti- 
quae  mandat  renovare  Latinae  (also  curator  viae  latinae),  forsitan  ausonias 
ibis  frenare  cohortes  (v.  56 — 61)  etc.  magna  pater  dignosque  etiam  nunc 
belliger  actus  poscit  avus  praestatque  domi  novisse  triumphos  (v.  72  f.) 

9.  Stat.  Silv.  IV.  prooem.  (an  Victorius  Marcellus)  vom  J.  95:  proxi- 
mum  est  lyricum  carmen  (Silv.  IV,  5)  adSeptimium  Severum,  iuvenem 
.  .  inter  omatissimos  secundi  ordinis,  tuum  quidem  etiam  condiscipulnm, 
sed  mihi  .  .  artissime  carum.    Auch  Martial.  V,  80  mens  Severus  und  VII, 


321.   Regulns,  Victorins  Marcellas  u.  a.  Redner.  719 

38,  1  noster  S.  Aus  Africa  gebürtdg,  aber  schon  als  pner  nach  Italien  ge- 
kommen (Stat.  Silv.  IV,  5,  29 — 48),  ist  er  wohl  der  Grossvater  des  gleich- 
namigen späteren  (J.  146  in  Afrika  geborenen)  Kaisers.  £st  et  frementi 
vox  hilaris  foro,  venale  sed  non  eloquiam  tibi,  ensisque  yagina  quiescit, 
stringere  ni  inbeant  amici.  sed  rura  cordi  saepins  et  quies  (Stat.  1.  1.  49 
— 53).  hie  plora  pones  vocibus  et  modis  passu  solntis,  sed  .  .  interim  .  . 
barbiton  ingeminas  (ib.  67 — 60  vgl.  Martial.  XI,  67).    Vgl.  oben  310,  5. 

10.  Statins  Silv.  II,  6:  consolatio  ad  Flavium  Ürsum  de  amissione 
pneri  delicati,  worin  v.  95:  ubi  (tua)  nota  reis  facundia  raptis?  II.  prooem.: 
ad  Ursnm  nostmm,  iuvenem  candidissimnm  et  sine  iactnra  desidiae  doctis- 
simnm.  Er  ist  wohl  der  Sohn  des  ürsus  bei  Dio  LXYII,  3  n.  4  (J.  84): 
Ovqaov  xTjs  'lovXiag  atrriaafiivTig  vitatov  anedsiisv. 

11.  An  (Mspinus,  Sohn  des  Yettins  Bolanns,  ist  gerichtet  das  propempti- 
con  Stat.  Silv.  Y,  2  (vom  J.  95 — 96),  wonach  er  schon  in  zartem  Alter  Salier 
geworden  war  (v.  129 — 131)  Und  nuper  einen  unschuldig  angeklagten  Freund 
vor  Grericht  vertheidigt  hatte,  quamquam  non  ante  forum  legesque  severas 
passus,  sed  tacita  studiorum  occultus  in  umbra  (v.  99 — 110).  Ein  C.  Clodius 
Crispinus  war  Consul  J.  113. 

12.  Stat.  Silv.  lY.  pr.:  Plotio  Grypo  (s.  316,  2),  maioris  gradus  iuveni.  An 
ihn  ib.  9,  wo  v.  14 — 19:  tua  dicta,  .  .  quae  trino  iuvenis  foro  tonabas  aut 
centum  prope  iudices,  priusquam  te  Germanicus  (Domitian)  arbitrum  .  . 
annonae  dedit  omniumque  late  praefecit  stationibus  viarum. 

13.  Nach  Plin.  Ep.  I,  6,  11  hatte  Aquilius  Regulu8(A.  3)  unter  Do- 
mitian in  centumvirali  iudicio,  cum  responderct  .  .  Satrio  Rufo,  spöttisch 
gesagt:  Satrius  Rufus,  cui  non  est  cum  Cicerone  aemulatio  (wie  dem  Fli- 
nius)  et  qui  contentus  est  eloquentia  saeculi  nostri.    Ygl.  ib.  IX,  13,  17. 

14.  L.  Licinius  C.  f.  Sura,  Cos.  II  J.  102  u.  III  J.  107,  Gönner  des 
Martialis  (YI,  64,  12  f.:  has  nugas  .  .  quas  .  .  laudat  .  .  Sura)  vgl.  YII, 
47,  1  f.:  doctorum  Licini  celeberrime  Sura  virorum,  cuius  prisca  gravcs 
lingua  rednxit  avos.  An  ihn  die  Anfrage  wegen  einer  Naturerscheinung, 
Plin.  Ep.  lY,  30  (1:  quaestionem  altissima  ista  eruditione  dignissimam. 
11:  scrutare  tu  causas,  potes  enim).  Dio  LXYIII,  16  (J.  107):  roo  SovQa  xm 
Ai%ivCat  xal  tatpriv  Sri^ociav  %a\  dvd(^mvxa  edcoTie  (Trajan)  tiXavxriaavxi. 
YictorCaes.  13,  8.  Epit.  13,  6.  Julian.  Caess.  p.  22  (ed.  1736).  Orelli-Henzen 
160.  6448.  Borghesi  Oeuvres  Y.  p.  32  fiF.  C.  I.  lat.  II,  4282.  4608. 

16.  L.  (Mart.  lY,  66,  1)  Yalerius  Licinianus  aus  Bilbilis  (ib.  und  I,  61, 
11),  Gerichtsredner  (ib.  I,  49,  36.  lY,  65,  1  ff.,  wo  er  gar  Cicero  gleich- 
gestellt wird).  Unter  Domitian  verbannt,  von  Nerva  nach  Sicilien  begnadigt 
(Plin.  Ep.  lY,  11,  11  ff.),  wurde  er  dort  Lehrer  der  Beredtsamkeit.  Plin. 
Ep.  lY,  11,  1  (J.  104):  audistine  Yalerium  Licinianum  in  Sicilia  profiteri? 
.  .  praetorius  hie  modo  inter  eloquentissimos  causarum  actores  habebatur, 
nunc  eo  decidit  ut  exul  de  senatore,  rhetor  de  oratore  fieret.  (2.)  itaque 
ipse  in  praefatione  (einer  declamatio  oder  einer  Schrift?)  dixit  etc.  (3.)  .  . 
latine,  inquit,  declamaturus  sum.    Ygl.  ib.  14. 

16.   MaternuB  aus  Spanien,  iuris  et  aequorum  cultor  sanctissime  legum, 


720  Die  Kaiaerzeit    Erstes  Jahrhundert.    Domitianus. 

veridico  kitinm  qui  regia  ore  frenum,  angeredet   von  Mart.  X,  87   vgl.   11, 
74,  4  f. 

17.  AuBserdem  werden  als  facundus  oder  disertua  bezeichnet  Follius 
Felix  (a.  319,  1),  Marcus  (Valeriua  ?*  Mart.  X,  73)^  Sextus  (Mart.  V,  5,  1), 
Restitutus  (Mart.  X,  87,  2  ff.),  Caecilius  Seeundus  (Mart.  VII,  84  vgl.  V,  80), 
Atticus  (Mart.  VII,  32),  Aelianua  (Mart.  XII,  24,  3).  Der  Votienua  welcher 
in  Narbo  ein  hohes  Amt  bekleidet  (Mart.  VIII,  72)  iat  ohne  Zweifel  ein 
Sohn  des  Redners  (oben  271,  1). 

309  322.  £iiie  allgemein  geachtete  Stellung  nahm  in  dieser  Zeit 
ein  Sex.  Julius  Frontinus  (ums  J.  40 — 103),  ein  tüchtiger 
Geschäftsmann  im  Felde  wie  als  Civilingenieur,  dabei  ebenso 
charaktervoll  wie  anspruchslos.  EKe  Früchte  seiner  reichen  Er- 
fahrung und  Studien  legte  er  auch  in  Schriften  nieder.  Von 
einer  gromatischen  sind  Auszüge  auf  uns  gekommen.  Eine 
theoretische  über  Taktik  ist  untergegangen,  aber  von  Vegetius 
benützt;  erhalten,  jedoch  durch  viele  fremdartige  Zuthaten  ent- 
stellt, ist  eine  populär  taktische,  die  Bücher  Strategematon,  deren 
viertes  ein  Nachtrag  (Strategematica)  sein  will,  aber  zum  Plan 
und  Charakter  des  Uebrigen  nicht  stimmt  und  in  hohem  Grade 
verdächtig  ist.  Ausserdem  haben  wir  von  Frontin  eine  Schrift 
in  zwei  Büchern  de  aquis  urbis  Romae,  wichtig  durch  eine  Fülle 
geschichtlicher  Nachrichten  und  Urkunden  und  in  bündiger,  nüch- 
terner, aber  gebildeter  Sprache  gehalten. 

1.  Leben.  Tac.  Hist.  IV,  39  (J.  823=.  70):  lulius  Frontinus  praetor 
nrbanus.  Somit  spätestens  J.  41  geboren.  Frontin.  Strat.  IV,  3,  14:  auspi- 
ciis  Imperatoris  Caesaris  Domitiani  Augusti  Germanici  (proleptische  Titu- 
latur) eo  hello  quod  Civilis  in  Gallia  moverat  (J.  823)  Lingonum  .  .  civi- 
ias  .  .  ad  obsequium  redacta  LXX  milia  arraatorum  tradidit  mihi.  Tac. 
Agr.  17:  sustinuit  molem  lulius  Frontinus  (in  Britannien,  als  Nachfolger 
des  Petilius  Cerealis,  wohl  76—78  =*  829 — 831,  nach  seinem  Consulat),  vir 
inagnus,  quantum  licebat,  yalidarnque  et  pugnacem  Silurum  gentem  armis 
öiibegit  etc.  Vgl.  E.  Hübner,  Ehein.  Mus.  XII.  S.  52—66.  Mitwirkung  im 
Chattenkriege  ist  zu  folgern  aus  Strat.  I,  1,  8.  3,  10.  II,  3,  23.  11,  7.  Zurück- 
gezogenes, der  Literatur  gewidmetes  Leben  an  der  campanischen  Küste, 
Martial.  X,  58.  Cos.  I  unt/er  Domitian  (vor  Abgang  nach  Britannien);  II 
ibis  Frontino  consule,  Martial.  X,  48,  20?  vgl.  Philologus  XXIX.  S.  187) 
unter  Nerva  (Plin.  paneg.  61),  wahrscheinlich  J.  97;  III  J.  100  mit  Trajan. 
Curator  aquarum  J.  97  (aq.  1.  102  extr.).  üms  J.  103  scheint  er  gestorben 
zu  sein,  da  (J.  103  oder  104)  Plinius  sein  Nachfolger  im  Augurat  wurde 
(Plin.  Epist.  IV,  8,  3.  Vgl.  ad  Trai.  13).  Nach  Plinius  (Ep.  IX,  19,  1) 
Frontinus  vetuit  omnino  monumentum  sibi  fieri,  mit  der  charakteristbchen 
Begründung :'impensa  monumenti  supervacua  est:  memoria  nostn  durabit 
si  vita  meruimus  (ib»  6). 


322.   Prontinus.  721 

2.  Unter  Domitian  verfaBst  ist  die  gromatische  Schrift  (p.  64,  11  (F.: 
praestantissimus  postea  Domitianus  ad  hoc  beneficium  procarrit  et  uno 
edicto  totius  Italiae  metum  liberavit,  in  Bezug  auf  die  subsecivae)  und  die 
über  die  Strategeme,  und  zwar  wohl  vor  dem  Beginn  der  Kämpfe  mit  den 
Dakem,  da  immer  nur  die  mit  den  Germanen  erwähnt  werden  (s.  A.  1). 
Dabei  wird  die  offizielle  Illusion,  dass  der  Kaiser  selbst  das  gethan  habe 
was  seine  Generale  ausführten,  mit  correcter  Consequenz  durchgeführt,  wie 
später  (aq.)  auch  dem  Nerva  gegenüber.  Eigentliche  Schmeicheleien  gegen 
Domitian  finden  sich  aber  nirgends  (tantus  dux  I,  1,  8  bezieht  sich  nur 
auf  die  Stellung),  und  Plinius  kann  daher  Ep.  Y,  1,  5  sagen:  duos  quos 
tunc  (unter  Domitian)  civitas  nostra  spectatissimos  habuit,  Corellium  et 
Frontinum.  Vgl.  ib.  IV,  8,  3:  lulio  Frontino,  principi  viro.  Die  Schrift  über 
die  Wasserleitungen  endlich  verfasste  Frontinus  J.  97,  bald  nach  Uebemahme 
der  cura  aquarum.  Vgl.  A.  G.  Bezeichnend  c.  118:  quem  reditum  .  .  proxi- 
mis  tempoi-ibus  in  Domitiani  loculos  conversum  iustitia  divi  Nervae  populo 
restituit,  nostra  sedulitas  ad  certam  regulam  redegit.  101  extr.:  nobis  cir- 
cumeuntibus  rivos  fides  nostra  et  auctoritas  a  principe  data  pro  lictoribus 
erit.  130  extr.:  officii  fidem  etiam  per  oifensas  tueri  praestiterit.  Die  von 
den  schlechteren  Hdss.  dem  Frontinus  zugeschriebene  Expositio  et  ratio 
omnium  formai-um  ad  Celsum  (Schriften  der  röm.  Feldmesser  II.  p.  91 — 108) 
theilt  der  Arcerianus  vielmehr  dem  Baibus  zu;  s.  unten  339,  3. 

3.  Von  der  gromatischen  Schrift,  die  mindestens  zwei  Bücher  um- 
fasste,  sind  uns  nur  commentierende  Auszüge  erhalten  (am  besten  in  den 
Schriften  der  röm.  Feldmesser  von  Lachmann  u.  A.  1.  p.  1  —  68),  welche 
handeln  de  agrorum  qualitate,  de  controversiis  (im  Allgemeinen),  de  limiti- 
bus,  de  controversiis  agrorum.  Ueber  deren  kritische  Behandlung  s.  Lagj^- 
mann  a.  a.  0.  II.  S.  101—131. 

4.  Hindeutung  auf  ein  den  Strat.  vorausgegangenes  theoretisches  Werk 
über  das  Kriegswesen  zu  Anfang  der  Strat.:  cum  ad  instruendam  rei  mili- 
taris  scientiam  unus  ex  numero  studiosorum  eins  accesserim,  eique  destinato, 
quantura  nostra  cura  valuit,  satisfecisse  Visus  sim,  deberi  adhuc  institutae 
arbitror  operae  ut  soUertia  ducum  facta  .  .  expeditis  amplectar  commentariis. 
Auf  dieses  bezieht  sich  wohl  Veget.  I,  8  (oben  54, 2)  und  II,  3  (p.  36  L. :  Cato 
ille  maior  .  .  se  reip.  credidit  profuturum  si  disciplinam  militarem  conferret  in 
litteras.  . .  idem  fecerunt  alii  complures,  sed  praecipue  Frontinus,  divo  Traiano 
ab  eins  modi  comprobatus  industria).  Erstreckung  seines  Interesses  auch  auf 
die  Kriegskunst  der  Hellenen;  s.  Aelian.  Tact.  praef.  (griech.  Kriegsschriftst. 
n.  S.  236  f.) :  insl  dh  ini  rov  Q'sov  utatffog  aov  NsQOvag  naqpc  ^Qovtivca  reo 
iniaqfico  vnaxinai  iv  ^OQfiiaig  rifis^as  rivag  SiitQiipay  So^av  dTtspsynafiivta 
nB(fi  xi]v  iv  xotg  noXsfioig  ifineiQ^av^  .  .  svqov  ovx  iXatrova  anovdr\v  ^xovxa 
sCg  Tr\v  nagä  toig  "EIXtiol  ts&stoQripLivrjv  lux&Tiaiv  (als  für  die  römische). 
Auf  ihn  kann  sich  daher  beziehen  Aelian.  de  ordin.  inst.  1:  ns^l  xrig  %a^' 
'*OfirjQOV  raxTixijg  ivsxvxofisv  (fvyYQaq>svat  HxQaxonlBt  xs  xal  ^qovxcovl,  reo 
xad*  Tjfiäg  vnaxi%m  avögi,  falls  dort  ^qovxCvtp  gemeint  oder  zu  schreiben 
ist  und  nicht  vielmehr  an  den  (Ti.  Catius  Caesius?)  Fronto  (Cos.  96)  zu 
denken  welcher  bei  Martial.  I,  65  darum  militiae  togaeque  decus  genannt 
wird;  vgl.  Borghesi,  Oeuvres  III.  p.  382. 

TsuTrsL,  Rom.  Literaturgeschiclite.    2.  Aufl.  46 


722  I^id  Eaiserzeit.    Erstes  Jahrhundert.   Domitianus. 

5.  Gegenstand  der  Strateg.  sind  die  sollertia  ducum  facta,  quae  a 
Graecis  nna  azQaTrjyTjiuctixciv  appellatione  comprehensa  sunt  (praef.)-  •  .  in 
tres  libros  ea  diduximus.  in  primo  erunt  ezempla  quae  competant  proelio 
nondom  commisso,  in  secondo  quae  ad  proelium  et  confectam  pacationem 
pertineant;  tertius  inferendae  solvendaeque  obsidionis  habebit  strategemata. 
.  .  com  etiam  hoc  opus,  sicut  cetera  (vgl.  A.  3  u.  4),  usus  potiuB  aliomm 
quam  meae  commendationis  causa  adgressus  sim  etc.  Die  Beispiele  sind 
mit  Geschick  ausgewählt  und  vorzugsweise,  aber  nicht  ausschliesslich,  der 
römischen  Kriegsgeschichte  entnommen.  Innerhalb  der  Bücher  ist  die  An- 
ordnung sachlich,  in  den  einzelnen  Capiteln  nach  Personen,  aber  im  Uebrigen 
in  keiner  erkennbaren  Ordnung.  Wenn  Frontinus  (praef.)  auf  Vollständigkeit 
mit  Bewusstsein  Verzicht  leistet  und  meint  man  könne  die  Beispiele  bei  an- 
dern Schriftstellern  leicht  in  dem  von  ihm  gewählten  Rahmen  unterbringen, 
so  scheint  dieser  Einladung  zur  Interpolation  frühzeitig  und  in  reichem 
Masse  entsprochen  worden  zu  sein.  Die  fremden  Zusätze  verrathen  sich 
dadurch  dass  sie  die  Personenordnung  kreuzen  mit  einer  sachlichen  (idem 
fecit,  similiter,  quoque,  z.  B.  I,  3,  7.  II,  9,  3—6),  und  wegen  einer  äusseren 
Aehnlichkeit  der  Handlung  eingefügt  sind  (II,  9,  3  u.  5  capnt;  IV,  3,  14 
Nichtplünderung) ,  sowie  durch  Einführung  mittelst  dicitur,  traditur  u.  dgl. 
(wie  I,  5,  13.  II,  12,  4.  III,  4,  4.  12,  3)  oder  durch  sonst  abweichende  Dar- 
stellung (wie  I,  7,  7).  Theilweise  sind  sie  aus  Frontin  selbst  (wie  I,  6,  13. 
II,  12,  4)  und  haben  auch  wohl  den  Ausfall  des  exemplum  an  der  richti- 
gen Stelle  herbeigeführt  (wie  II,  9,  3.  5  in  III,  11  und  IV,  3,  14  in  II,  11). 
Besonders  häufig  sind  solche  Fälle  in  B.  IV,  welches  an  die  strategemata 
(Kriegslisten)  der  drei  ersten  Bücher  noch  Strategematica  (Handlungen  und 
Aeusserungen  strategischen  Sinnes)  anfügen  will  und  mit  einer  dem  Fron- 
tnius  fremden  Ruhmredigkeit  beginnt:  multa  lectione  conquisitis  Stratege- 
matibus  et  non  exiguo  scrupulo  digestis,  ut  promissum  trium  librorum  im- 
plerem,  werde  jetzt  noch  angereiht  was  sich  in  den  aufgestellten  Rubriken 
nicht  habe  unterbringen  lassen  und  eigentlich  auch  keine  strategemata  sei; 
auch  dabei  wolle  er  eine  Sachordnung  befolgen,  nämlich  de  disciplina,  de 
effectu  disciplinae,  de  continentia,  de  iustitia,  .  .  de  variis  consiliis.  Diese 
Eintheilung  nach  Moralbegriffen  hat  sehr  wenig  Aehnlichkeit  mit  der  Weise 
des  Frontinus,  stimmt  aber  um  so  auffallender  mit  der  des  Valerius  Maxi- 
mus überein,  welchem  ein  sehr  grosser  Theil  der  exempla  dieses  Buches 
entnommen  ist;  zahlreiche  andere  sind  Wiederholungen  aus  den  drei  ersten 
Büchern,  theils  freiere,  theils  genauere,  zu  welchen  Frontin  selbst  keinen 
Anlass  haben  konnte.  Der  Inteq^olator  hat  dann  auch  das  Vorwort  zu  B.  I 
durch  eine  vorbereitende  Hinweisung  auf  dieses  vierte  Buch  erweitert,  wel- 
che gleich  bezeichnend  beginnt:  si  qui  erunt  quibus  volumlna  haec  cordi 
sint,  meminerint  etc.  Dieses  Buch  und  die  andern  Interpolationen  finden 
sich  bereits  in  der  ältesten  vorhandenen  Handschrift,  dem  Gothanus  saec. 
IX,  und  die  Erweiterung  wird  überhaupt  nicht  später  als  ins  4 — 6te  Jahrh. 
fallen,  die  Zeit  des  Julius  Paris,  Exuperantius ,  Vibius  Sequester  u.  dgl. 
C.  Wachsmuth,  Rhein.  Mus.  XV.  S.  574—583.  Der  heutige  Text  ruht  noch 
immer  auf  dem  Apparat  Oudendorps.  Ausgaben  der  Strateg.:  Rom.  1487.  4. 
Mit  Vegetius  u.  a.  Colon.  1580.  Cum  notis  Stewechii  ed.  Fr.  Modius,  Lugd. 
B.  1607.   4.     In  Scriverii  scriptores  rei  militaris,  Lugd.  B.  1644.    Emend. 


322.    Frontinua.  723 

illustr.  Sam.  Tennulius,  Lugd.  B.  1675.  Hauptausgabe  von  F.  Oudendorp, 
Lugd.  B.  1731.  1779.  Ed.  N.  Schwebel,  Lips.  1772.  üeber  eine  Capitelver- 
wirrung  in  B.  II  Fr.  Haase,  Rhein.  Mus.  III  (1845)  p.  312—319.  G.  Massen, 
notices  et  extraits  des  manuscripts  .  .  au  British  Museum,  I  les  strat.  de 
Fr.,  Revue  archöol.  1869.  I.  p.  447—451.  1870.  I.  p.  19  —  21.  E.  Gedicke, 
über  eine  Blattversetzung  im  Fr.,  fiermes  VI.  S.  166—164.  vgl.  R.  Schöne, 
ebd.  S.*  248— 251.  A.  Eussner,  zu  Fr.  Str.,  in  den  Blättern  f.  bair.  Gymn. 
VII  (1871). 

6.  Durch  eine  einzige  Handschrift  von  Monte  Cassino  (saec  XI?  vgL 
Bücheier  p.  VII— XIH.  Sauppe  Götti.  G.  A.  1859,  S.  993),  von  welcher  alle 
übrigen  nur  Abschriften  sind,  ist  erhalten  das  Schrifbchen  de  aquis  urbis 
Romae  (Heinrich  und  Bücheier;  Cassin.:  de  aquaeductu  u.  R.;  Sauppe:  de 
cura  aquarum  u.  R.  oder  de  officio  aqq.),  in  allem  Wesentlichen  verfasst 
J.  97,  herausgegeben  nach  dem  Tode  des  Nerva  (divus  Nerva,  87.  118), 
unter  Trajan  (93  extr.:  novum  auctorem  Imperatorem  Caesarem  Nervam 
Traianum  Augustum  praescribente  titulo),  etwa  98  n.  Chr.  Wie  bei  den 
Strat.  gibt  ein  Vorwort  Rechenschaft  über  Zweck  und  Plan.  Cum  .  .  me 
seu  naturalis  söllicitudo  seu  fides  sedula  non  ad  diligentiam  modo  verum 
ad  amorem  quoque  commissae  rei  instigent,  sitque  nunc  mihi  ab  Nerva 
Augusto  .  .  aquarum  iniunctum  officium,  .  .  primum  ac  potissimum  existimo, 
sicut  in  ceteris  negotiis  institueram,  nosse  quod  suscepi.  (2.)  .  .  quapropter 
ea  quae  ad  universam  rem  pertinentia  contrahere  potui  more  iam  per  multa 
mihi  ofßcia  servato  in  ordinem  et  velut  in  corpus  diducta  in  hunc  commen- 
tarium  contuli.  .  .  in  aliis  antem  libris,  quos  post  experimenta  et  usum 
composui  (vgl.  A.  3 — 5),  succedenftum  res  acta  est;  huius  commentarii  for- 
tassis  pertinebit  et  ad  successorem  utilitas  sed  cum  inter  initia  administra- 
tionis  meae  scriptus  sit  inprimis  ad  meam  institutionem  regulamque  proficiet. 
Folgt  dann  die  Angabe  der  Disposition.  Mit  patriotischem  Stolze  ruft  Fr. 
c.  16  aus:  tot  aquarum  tam  multis  necessariis  molibus  pyramidas  videlicet 
otiOsas  compares  aut  inertia,  sed  fama  celebrata  opera  Graecorum?  Buch 
n  beginnt  mit  c.  64.  Editio  princeps  zwischen  1484  und  1492.  Juntina  von 
locundus,  1513.  Oft  mit  Vitruvius  zusammen  herausgegeben;  abgesondert 
hauptsächlich  von  J.  Polenus,  Patav.  1722.  4.  Dessen  notae  auch  in  der 
Ausg.  von  G.  C.  Adler,  Altena  1792.  Rec,  illustr.  et  germanice  redd.  (mit 
den  Anm.  von  Heinrich  und  Schultz)  A.  Dederich,  Wesel  1841.  XXXV  und 
318  pp.  Rec.  Fr.  Bücheier,  Lips.  (Teubner)  1858.  XIV  und  54  pp.  Vgl. 
H.  Sauppe,  Götti.  G.  A.  1869,  S.  990—997. 

7.  Gesammtausgabe  von  R.  Keuchen  (Amstelod.  1661).  Texte  ed.  Bi- 
pont.  1788  und  von  Dederich  (Lips.  1855,  Bibl.  Teubner.). 

8.  Frontini  vita  in  der  Ausg.  des  Polenus.  A.  Dederich,  Bruchstücke 
aus  dem  Leben  des  Sex.  Julius  Frontinus,  Zeitschr.  f.  d.  Alt.  Wiss.  1839, 
Nr.  105—107.  134—136,  S.  834—865.  1077—1094. 

323.    Der  Zeit  Domitians  gehört  ferner  an  der  juristischeaio 

Schriftsteller  Aufidius  Chius,   während  des  luventius  Celsus  und 

Neratius   Priscus   Wirksamkeit   zu    ihrem   bedeutenderen   Theile 

46* 


724  Die  Kaiserzeit.   Erstes  Jahrhundert.   Domitianus. 

erst  unter  Trajan  und  dessen  Nachfolger  fällt.  Als  Gramma- 
tiker ist  hauptsächlich  Aemilius  Asper  bekannt,  der  kenntniss- 
reiche und  besonnene  Commentator  des  Terenz,  Sallust  und 
Vergil;  ausserdem  Claranus  und  Martials  Freund  ApoUinaris. 

1.  Martial.  V,  61,  10:  acrior  (procurator)  hoc  Chius  non  erit  Aufidius. 
Fragm.  Vat.  77:  contra  quam  Atilicinum  respondiase  Aufidius  Chius  refert. 

2.  Ueber  Neratius  Priscus  und  luventius  Celsus  (den  Sohn)  s.  unten 
337,  1  u.  2. 

3.  Unter  den  berühmten  Grammatikern  nennt  Ausonius  praef.  ad  Syagr. 
20  (Aemilius,  s.  oben  295,  1)  und  Epist.  XYHI,  26  (quem  Claranus,  quem 
Scaurus  et  Asper,  quem  sibi  conferret  Yarro)  den  Aemilius  Asper;  vgl. 
Augustin.  de  util.  cred.  17  (Asper,  Cornutus,  Donatus).  Er  ist  später  als 
Cornutus  (oben  294,  2),  da  er  gegen  diesen  polemisierte  (Schol.  Veron.  zu 
Aen.  III,  691);  und  da  er  von  Sueton  de  gramm.  nicht  mit  behandelt  war, 
80  ist  er  wohl  auch  später  als  der  Berytier  Probus  (oben  295)  und  war  zur 
Zeit  da  Sueton  schrieb  noch  am  Leben.  Hiegegen  beweist. nichts  dass  der 
den  Namen  des  Probus  tragende  Commentar  wiederholt  den  Asper  nennt 
(p.  15,  24  K.:  Aemilius  Asper  cum  hunc  locum  adnotaret.  p.  19,  9:  non, 
ut  Asper  putat);  s.  oben  295,  5.  Ebenso  wenig  dass  Schol.  Veron.  ad  Aen. 
IX,  373  (p.  101,  6  K.)  und  bei  Serv.  Aen.  X,  539  Asper  vor  Probus  genannt 
ist,  da  nichts  dort  auf  Befolgung  der  chronologischen  Ordnung  hindeutet. 
Gellius  erwähnt  ihn  niemals  namentlich.  Vatic.  1492  (saec.  XV)  bei  Keil, 
gramm.  latt.  V.  p.  527:  Asper  grammaÜcu^  civis  rom.  tempore  Antonini 
philoBophi  fuit,  in  Verwechselung  mit  Trosius  Aper  bei  Capitol.  Ant.  phil. 
2,  3.  Aspers  Commentar  zu  Terenz  erwähnt  Donat.  zu  Phorm.  I,  2,  24. 
Ad.  III,  2,  25.  IV,  2,  20;  vgl.  Rufin.  de  metr.  Ter.  p.  2705  P.;  Aspri  in 
Vergilium  et  Sallustium  commentarios  Hieron.  adv.  Rufin.  I,  16  (FV,  1.  p.  367 
Bened.).  Der  zu  Sallust  wird  von  Charisius  öfters  berücksichtigt;  s.  bes.  II. 
p.  216,.  28  E.:  Asper  commentario  Sallustii  historiarum.  Vgl.  oben  203,  7. 
Am  bekanntesten  ist  der  zu  Vergil;  s.  Ribbeck  prolegg.  p.  128—136.  Nach 
den  zahlreichem  erhaltenen  Proben  daraus  war  A.  in  der  Textkritik  con> 
servativ,  berücksichtigte  bei  der  Erklärung  ebenso  das  Sachliche  wie  das 
Sprachliche,  und  zeigte  dabei  gutes  Urteil  und  Geschmack.  Auch  syste- 
matisch behandelte  Asper  die  Abweichungen  Vergils  vom  gewöhnlichen 
Sprachgebrauche  in  Formenlehre  wie  Syntax.  Die  Ueberreste  dieser  Quae- 
stiones  Vergilianae  oder  grammatica  Vergiliana  bei  Eeil,  Probi  comm.  (Halle 
1848)  p.  109—115.  Vgl.  p.  XV— XVII  und  H.  Hagen,  Philologus  XXV.  S.  353 
— 357.  Daraus  vielleicht  auch  sie  (pexui  vel  pectui)  Asper  de  verbo  bei 
Priscian.  (pai-tit.  IL  p.  489,  36  H.  vgl.  Inst.  X.  p.  536,  6.  499,  18  f.  H.), 
falls  es  nicht  auf  eine  allgemeine  Grammatik  (Ars)  sich  bezieht.  Im  All- 
gemeinen 8.  Suringar,  bist.  crit.  schol.  lat.  p.  95—97.  124—142.  255—258. 
Bergk,  Ztschr.  f.  d.  Alt.  Wiss.  1845,  S.  118  f.  125  f.  129  (der  ihn  für  einen 
Aristarcheer  hält).    Gräfenhan,  Gesch.  d.  dass.  Philol.  IV.  S.  75—78.  285  f. 

4.  Martial.  IV,  86:  si  vis  auribiis  atticis  probari,  exhortor  moneo- 
que  te,  libelle,  ut  docto  placeas  Apollinari,  da  er  ein  feiner  ästhetischer 
Kritiker  sei.  Vgl.  VII,  26  (meum  .  .  facetae  aures).  89,  2  (noster).  X,  30.  XI, 


328  f.    Grammatiker  und  Historiker  unter  Domitian.  725 

15,  12.    Wohl  der  Domitius  Apollinaris  an  welchen  Plin.  Episl  (U,  9  und 
V,  6)  gerichtet  ist;  vgl  ib.  IX,  13,  13  (cos.  design.  für  J,  97).    C.  I.  gr.  4236. 

5.  Martial.  X,  21,  If.:  quae  vix  intellegat  ipse  Modestus  (oben  277,  1) 
et  vix  Claranns.  Vgl.  oben  A.  3.  Porphyrio  zu  Hör.  Sat.  II,  3,  83:  Anticyra 
oppidum  et  insula  hoc  nomine,  ut  Claranus  testatur.  Diess  bezieht  sich 
am  wahrscheinlichsten  auf  den  Grammatiker  Claranus,  und  macht  wenigstens 
glaublich  dass  derselbe  den  Horaz  commentiert  habe,  obwohl  eine  sonstige 
Spur  davon  sich  nicht  findet.  Vielleicht  ist  er  auch  bei  Serv.  Aen.  XI, 
316  (quod  etiam  Clanarius  ait)  gemeint. 

6.  Martial.  X,  70,  2:  doctus  Potitus.  De  Gadibus  improbus  magister 
ib.  I,  41,  12. 

7.  Aus  dieser  Zeit  ist  vielleicht  Largius  Licinus,  der  Verfasser  eines 
Buches  Ciceromastix  (oben  271,  3  g.  E.),  was  auf  eine  Zeit  hindeutet  wo 
Cicero  Partei- Schiboleth  geworden  war.  Er  achrieb  wohl  nach  Asinius 
GalluB  und  jedenfalls  ziemlich  vor  Gellius;  s.  271,  3.  Vgl.  oben  307,  2  E. 
Ein  Larcius  Licinus  bei  Plin.  Ep.  H,  14,  9.  III,  5,  17  u.  sonst. 

324.  Geschichtliches  verfasste  zu  Domitians  Zeit  in  hann-3ii 
loser  Weise  lunius  Maximus,  oppositionell  und  dadurch  ihr  Leben 
verwirkend  Arulenus  Rusticus  und  Herennius  Senecio,  Arulenus 
zugleich  Bekenner  des  Stoicismus.  Auch  ein  Fronto  wird  als 
Stoiker  genannt,  sowie  Decianus  aus  Emerita,  der  aber  diese 
Richtung  mit  Vorsicht  zu  paaren  wusste.  Zur  epikureischen 
Lehre  hielt  PoUius  Felix.  Die  gastronomischen  Schriften  eines 
Priscus  und  eines  Calvus  'scheinen  gleichfalls  dieser  Zeit  anzu- 
gehören. 

1.  Statins  Silv.  IV.  prooem.:  Maximum  lunium  et  dignitatis  et  eloquen- 
tiae  nomine  a  nobis  diligi  satis  eram  testatus  epistula  quam  ad  illum  de 
editione  Thebaidos  meae  publicavi;  sed  nunc  quoque  eum  reverti  maturius 
e  Delmatia  rogo  (in  Silv.  IV,  7).  Vgl.  Silv.  IV,  7,  45  ff.  und  53  ff. :  tuas 
artes,  .  .  omne  quis  mundi  senium  remensus  orsa  Sallusti  brevis  et  Timavi 
reddis  alumnum.  Also  eine  Weltgeschichte,  somit  stofflich  weder  dem  Sal- 
Inst  noch  dem  Livius  ähnlich. 

2.  lunius  Rusticus  Arulenus ,  Volkstribun  J.  66  (Tac.  A.  XVI,  26),  Prätor 
J.  69  (Tac.  bist.  III,  80),  nach  Suet.  Dom.  10  von  Domitian  (J.  93)  getödtet 
quod  Paeti  Thraseae  et  Helvidi  Prisci  laudes  edidisset  (lobende  Biographie) 
appellassetque  eos  sanctissimos  vires.  Genauer  Tac.  Agr.  2  (oben  314,  5). 
Dio  LXVII,  13:  tov  'Povonyiov  xov  ^AqovXrivbv  dninTSLVSv  ort  iq)iXoa6q)ei 
(vgl.  oben  321,  3)  xal  ort  tov  Ggaasav  i£qov  (ovo^a^Sy  xal  ^Eqsvvlov  Zbvb- 
nCouva  ort  ra  ovSsfiiav  ocQxriv  iv  noXXa  ßim  fisza  rr/v  rafttctav  y-crjusi  xal 
ort  TOV  IIqCa%ov  xov  ^ EkovidCov  xov  ßCov  avviyqatphv»  Plin.  Ep.  VII,  19,  5: 
cum  Senecio  reus  esset  (durch  Mettius  Carus)  quod  de  vita  Helvidi  libros 
composuisset;  und  ib.  6:  illos  ipsos  libros  .  .  abolitos  senatus  consulto. 

3.  Martial.  XIV,  106,  2:  stoicus  hoc  (urceo)  gelidam  Fronto  petebat 
aquam.  Ueber  Palfurius  Sura  s.  oben  321,  5.  Andere  Philosophen  oben 
314,  6. 


726  r^ie  Kaiserzeit.    Erstes  Jahrhundert.   Domitianus. 

4.  Martial.  I,  8:  Thraseae  atque  Catonis  dogmata  sie  sequeris  salvus  ut 
esse  velis,  pectore  nee  nudo  strictos  incurris  in  enaes,  .  .  Deciane.  Vgl. 
ib.  39  (cecropiae  madidus  latiaeque  Minervae  artibus^  etc.).    61 ,  10.  II  praef. 

5.  Chaeremon  stoicus  bei  Martial.  XI,  ö6,  1.  Heliodorus  stoiens  in 
dem  Probus-Scholion  zu  Juv.  I,  35. 

6.  Stat.  Silv.  II,  2,  112  f.:  hie  ubi  siderias  exercet  Pollius  (oben  319,  1) 
artes,  seu  volvit  monituB  quos  dat  Gargettius  auctor  etc. 

7.  Flavius  Archippus,  philosophua,  nach  Domitian  bonus  vir  et  pro- 
fessioni  suae  etiam  moribus  respondens,  dagegen  sententia  Yeli  Paulli  pro- 
coußulis  .  .  crimine  falsi  damnatus  in  metallum;  s.  Flin.  ad  Trai.  58 — 60. 

8.  Martial.  IX,  77:  quod  Optimum  eit  disputat  convivium  facunda  Prisci 
pagina.    XI'Y,  196:  Calvus  de  aquae  frigidae  usu. 

9.  Martial.  XII,  95:  Musaei  pathicissimos  libellos  (griechisch?),  qui 
certant  Sybariticis  libellis,  .  .  lege  etc.    Vgl.  oben  319,^6. 

8.   Die  Zeit  des  Nerva  itiid  Triijan,  J.  96—117  n.  Clir. 

312  325.  Was  unter  der  verständigen  Regierung  Vespasians 
gewachsen  war,  dann  aber  vor  Domitian's  Despotismus. sicli  scheu 
verkrochen  und  verleugnet  hatte,  das  wagte  unter  Nerva's  und 
Trajan's  mildem  Scepter  sich  an  das  Tageslicht.  Wir  finden 
,daher  in  dieser  Zeit  eine  grosse  Menge  von  Schriftstellern  auf 
allen  Gebieten  der  Literatur.  Die  Recitationen  sind  noch  in 
Blüte,  aber  bereits  im  Rückgange  begriffen,  in  Folge  der  Un- 
bedeutendheit der  meisten  Erzeugnisse,  der  Uebersättigung  der 
Hörer,  und  weil  mit  der  freieren  Bewegung  auch  die  praktische 
Beredtsamkeit  jetzt  wieder  grösseren  Raum  gewonnen  hatte. 
Kein  Wunder  freilich  dass  die  Erinnerung  an  das  Erlebte  die 
meisten  Schriftsteller  mit  Bitterkeit  und  Zorn  erfüllte,  nicht 
bloss  einen  Juvenal  und  Tacitus  sondern  sogar  den  zahmen 
Piinius.  Persönlich  hatte  Nerva  Interesse  für  Poesie  und  Literatur, 
regierte  aber  zu  kurz  um  es  bethätigen  zu  können.  Trajan's 
(um  54 — 117  n.  Chr.)  Sinn  war  idealen  Gebieten  weniger  zuge- 
kehrt und  förderte  sie  nur  mittelbar.  Die  alten  Klagen  über 
das  Undankbare  der  Beschäftigung  mit  Kunst  und  Poesie  wieder- 
holen sich  daher  auch  jetzt  mit  gleicher  Lebhaftigkeit. 

1.  M.  Cocceius  Nerva,  Sohn  und  Enkel  von  Juristen  (oben  276,  2. 
293,  2),  Cos.  I  mit  Vespasian  J.  71  =  824,  II  mit  Domitian  J.  90  =  843, 
Kaiser  vom  18.  Sept.  96  (849)  bis  27.  Januar  98  (851);  vgl.  A.  Haakh  in 
Pauly's  Real-Enc.  V.  S.  592  f.  Nerva,  nostri  temporis  Tibullüs,  sagt  Mar- 
tial. Vm,  70  vgl.  IX,  26.  Plin.  Ep.  V,  3,  5 ;  oben  281,  7.  Erlass  bei  seinem 
Rp^erungsantritt  Beilage  zu  Plin.  ad  Trai.  58. 


325.    Nerva  und  Traianus.  727 


f 


^  2.   M.  UlpiuB    Traianus  aus  Italica,   geb.  18.  Sept.  53  =  806  (Die- 

rauer  S.  9  f.  A.),  Cos.  91  =  844,  von  Nerva  adoptiert  Ende  Oct.  97,  Cob. 
II  98,  Kaiser  vom  27.  Jan.  98  bis  7.  oder  8.  Aug.  117,  wo  er  (in  Kilikien) 
*  starb.    W.  Teuffei  in  Pauly's  Eeal-Enc.  VI,  2.  S.  2702  —  2711.    C.  Völker, 

!  de  imp.  .  .  Traiani  vita,  I.  Elberfeld  1859.  4.    J.  Dierauer,   Beiträge  zu 

einer  kritischen  Geschichte  Trajan's,  in  M.  Büdinger's  Untersuch,  zur  röm. 
Kaisergesch.  I  (1868)  S.  1—186.  C.  Peter,  Gesch.  Roms  III,  2.  S.  144—168. 
Dio  LXVIII,  7:  naiötias  dxgißovg,  oorj  iv  Xdyots,  ov  fistiaxB'  to  yc  yi^Bv 
^Qyov  avtrjg  xal  rjniGtato  xai  InoCsv,  Victor  Epit.  13,  7  f.:  magis  sim- 
pliciora  ingenia  aut  eruditissimos,  quam  vis  ipse  parcae  esset  scientiae 
moderateque  eloquens,  diligebat.  Julian.  Caess.  p.  22  f.:  %cc^nsQ  dwccfisvog 
Isysiv  —  vno  gad'Vfiiag  iniTQSfceLv  yctg  stcad^Bi  tcc  noXXa  zm  Sovqo.  (Lici- 
nius  Sura)  yQtt(peiv  vneQ  avxov  —  (pd'syyofisvog  fiaXXov  t]  Xiyatv  insösL- 
xvvfv  avTOLg  etc.  Plin.  paneg.  47:  quem  honorem  dicendi  magistris,  quam 
dignationem  sapientiae  doctoribus  habes!  ut  sub  te  spiritum  et  sanguinem 
et  patriam  receperuut  studia!  quae  priorum  temporum  immanitas  exiliis 
puniebat  etc.  .  .  at  tu  easdem  artes  in  complexu,  ocuüs,  auribus  habes. 
praestas  enim  quaecumque  praecipiunt  etc.  Vgl.  A.  3.  Daher  ist  wahr- 
scheinlich dass  auf  Trajan  (Friedländer:  Hadrian)  sich  bezieht  Juv.  7,  1  ff.: 
et  spes  et  ratio  studiorum  in  Caesare  tantum;  solus  enim  tristes  hac  tempe- 
state  Camenas  respexit  etc.  Vgl.  W.  TeuffeFs  Uebersetzung  S.  233  f.  Be- 
sonders begünstigte  Trajan  den  Rhetor  Dio  Chrysostomos  (Or.  XLV,  2, 
3  Emp.).  Vgl.  J.  Burckhardt,  im  N.  Schweiz.  Mus.  IV  (1864)  S.  97  —  122. 
Errichtung  von  Bibliotheken,  bes.  der  ülpia  (Dio  LXVIII,  16).  Auf  Denk- 
würdigkeiten Trajans  deutet  Priscian.  VI,  13.  p.  206,  6  f.  H.:  Traianus  in 
I  Dacicorum:  inde  Berzobim  .  .  processimus.  Ueber  eine  Rede  Trajans  im 
Senat  am  1  Jan.  100  s.  Plin.  paneg.  67.  Dagegen  Fronte  ad  Ver.  II,  1. 
p.  123  N.:  Nerva  (Trai.)  facta  sua  in  senatu  verbis  rogaticiis  commendavit. 
Vgl.  oben  aus  Julian.  Die  Antworten  Trajans  auf  die  Anfragen  des  Pliuius 
(s.  unten  335,  6  u.  9)  sind  von  schlichter  Kürze  und  treffendem  Ausdruck. 
Erlass  des  Tr.  bei  Plin.  Ep.  V,  13,  8.  Ein  Brief  Trajan's  auch  in  Henzen's 
Mon.  fr.  arval.  (1868). 

3.  Plin.  Ep.  V,  14,  6:  tandem  homines  non  ad  pericula,  ut  prius, 
verum  ad  houores  virtute  perveniunt.  Priorum  temporum  servitus  .  . 
reducta  libertas,  ib.  VIII,  14,  2  f.  vgl.  IX,  18,  4  (reddita  libertas).  Liberius 
ideoque  etiam  libentius  scribitur,  ib.  UI,  18,  6.  Studia,  quae  prope  extincta 
refoventur  (Geschichtschreibung,  Beredtsamkeit,  Philosophie),  ib.  III,  18,  5. 
Vgl.  A.  2  und  ib.  VIII,  12,  1:  litterarum  senescentium  redüctor  (Capito). 
V,  17,  6:  faveo  saeculo,  ne  sit  sterile  et  effetum.  Dagegen  I,  10^  1:  si  quando 
urbs  nostra  liberalibus  studiis  floruit,  nunc  maxime  floret.    Vgl.  A.  5. 

4.  Plin.  Ep.  I,  13,  1:  magnum  proventum  poetarum  annus  hie  (97) 
attulit.  toto  mense  aprili  nuUus  fere  dies  quo  non  recitaret  aliquis.  iuvat 
me  quod  vigent  studia,  .  .  tametsi  ad  audiendum  pigre  coitur,  was  dann 
näher  ausgeführt  wird.  Vgl.  ib.  III,  18,  4:  numquam  aut  valde  vacat 
Romae  aut  commodum  est  audire  recitantem.  VI,  17.  Juv.  1,  1  ff .  7,  40  ff. 
Tac.  dial.  8.  Plinius  selber  behandelte  diese  Vorträge  mit  grosser  Wich- 
tigkeit (ib.  VII,  17,  13.  VIII,  21,  4  ff.)  und  erstreckte  sie  auch  auf  gehal- 
tene R^den  (ib.  VII,  17). 


728  I^i6  Eaiserzeit.    ErsteB  Jahrhundert.    Traianus. 

5.  Zahhreiche  Redner,  s.  unten  336,  1 — 5.  Indessen  vgl.  Plin.  Ep.  II, 
14,  2  ff.:  pauci  (sunt)  cum  quibus  luvet  dicere.  ceteri  audaces  atque  etiain 
magna  ex  parte  adulesccntuH  obscuri  etc.  (4.)  [sequuntur  auditores  actori- 
bus  ßimiles,  conducti  et  redempti  etc.  VI,  2,  5  ff.:  et  qui  dicunt  egisse 
malunt  quam  agere  et  qui  audiunt  finire  quam  iudicarc.  Tac.  dial.  19: 
apud  iudices  qui  .  .  saepo  ultro  admonent  (oratorem)  atque  alio  transgre- 
dicntem  revocant  et  festinare  se  testantur. 

6.  Ueber  die  äussere  Lage  der  Schriftsteller  und  Gelehrten  in  Rom 
8.  Juvenals  siebente  Satire  (vgl.  unten  326,  4  E.). 

7.  J.  G.  HuUeman,  oratio  de  literarum,  praesertim  latinarum,  apud 
Romanos  studiis  Nerva  Traiano  impcratore,  Lugd.  Bat.  1858.  46  pp. 
H.  Thiersch,  Politik  und  Philosophie  in  ihrem  Yerhältniss  zur  Religion 
unter  Traianus,  Hadrianus  und  den  beiden  Antoninen,  Marburg  1853. 

8.  Wichtige  Inschriften  aus  der  trajanischen  Zeit  (vgl.  Orelli-Henzen 
782  —  804.  5440 — 5451).  a)  Das  Testament  des  Dasumins  vom  J.  108  oder 
109,  herausgegeben  von  Ambrosch  (Annali  deir  inst.  arch.  1831.  Tav.  d'agg. 
B.  C  und  p.  387—406)  und  Cl.  Cardinali  (Diplomi  imperiali  p.  217  ff.),  zu- 
letzt im  Auszuge  bei  G.  Bruns,  fontes*  p.  147 — 151;  vgl.  Rudorff  in  d. 
Ztschr.  f.  geschichtl.  Rechtswiss.  XII.  S.  301—392. 

b)  Die  Stiftungsurkunden  für  wohlthätige  Zwecke  (tabulac  alimentariae) 
aus  Veleia  (671  Zeilen)  und  (der  Ligares  Baebiani)  aus  Beneventum  (234 
Zeilen).  Ueber  erstere  vgl.  F.  A.  Wolf,  von  einer  milden  Stiftung  Trajans, 
Berlin  1808.  P.  de  Lama,  Tavola  alimentaria  Velejate,  Parma  1819.  Ab-, 
gedruckt  auch  in  Zell's  Hdb.  d.  röm.  Epigr.  I.  nr.  1777,  p.  390  ff.  E.  Des- 
jardins,  de  tabb.  aliment.  (Paris  1854);  Veleia  (Paris  1858),  und  im  Bull, 
deir  inst.  arch.  1856,  p.  1 — 20.  Ueber  die  zweite  (z.  B.  in  den  Inscr.  R. 
N.  1364,  bei  Orelli-Henzen  6664)  s.  bes.  W.  Henzen,  Tab.  al.  Baebianorum, 
Rom.  1845  (aus  den  Annali  delP  inst,  arch,  XVI.  p.  1  — 111).  Vgl.  im  All- 
gemeinen Pauly's  Real-Enc.  I,  1.  S.  774—776.  VI,  2.  S.  1556—1559. 

313  326.  Von  den  Dichtern  der  trajanischen  Zeit  ist  der  be- 
deutendste D.  Junius  Juvenalis  aus  Aquinum  (etwa  J.  47  — 
130  n.  Chr.),  welcher  bis  dahin  der  Rhetorsehule  und  dem  Kriegs- 
dienste sich  gewidmet  hatte,  jetzt  aber  Satiren  zu  veröffentlichen 
begann.  Wir  haben  deren,  in  fünf  Bücher  abgetheilt,  sechs- 
zehn. Die  letzten  und  spätesten  sind  greisenhaft.  Die  eigentlich 
charakteristischen  behandfein  die  socialen  Laster  Roms  in  beredter 
Ausmalung  und  oft  grausiger  Anschaulichkeit.  Die  vorwiegend 
dunkle  Grundfarbung,  die  immer  pathetische,  gehobene  und  ge- 
drungene Sprache  und  die  Befolgung  eines  schulgerechten  Planes 
bewirken  eine  gewisse  Eintönigkeit.  Die  Namen  sind  theils 
typisch  oder  fingiert,  theils  der  Vergangenheit  entnommen,  be- 
sonders der  Zeit  des  Nero  und  Domitian.  Manches  bleibt  un- 
verständlich, trotz  der  auf  uns  gekommenen  Scholien. 


326.   Juvenalis.  729 

1.  Für  Kenntniss  des  Lebens  von  Juvenal  bietet  am  meisten  die  von 
ihm  wahrscheinlich  unter  Domitian  im  Tempel  der  Ceres  Helvina  zu  Aqui- 
num  gesetzte  Weihinschrift  (Mommsen  I.  R.  N.  4312  =  Orelli-Henzen  Ö599" 
vgl.  C.  L.  Grotefend,  Philologus  XII.  S.  489  f.  A.  5):  (Cere)ri  sacrum  (D. 
Iu)niu8  luvenalis,  (tribunus  oder  praefectus)  coh(orti8  I)  Delmatarum,  Il(vir) 
quinq(uennali8) ,  flamen  Divi  Vespasiani,  vovit  dedicav(itq)ue  sua  pec(unia). 
Von  den  verschiedenen  Vitae  (abgedruckt  in  0.  Jahn's  Ausg.  von  1851, 
p.  386  —  390)  ist  die  älteste  die  von  Valla  dem  Probus  zugeschriebene  (I. 
bei  Jahn)  beginnend:  lunius  luvenalis,  libertini  locupletis  incertum  filius 
an  alumnus,  ad  mediam  ferc  aetatem  declamavit,  animi  magis  causa  quam 
quod  scholae  se  aut  foro  praepararet.  Sat.  XV,  27  (nuper  consule  lunco) 
zeigt  dass  Juv.  das  Consulat  des  (Aemilius)  luncus  vom  J.  127  =  880  um 
einige  Zeit  überlebt  hat.  üeber  sein  Lebensende  berichtet  Vita  I:  octoge- 
narius  urbe  summotus  est,  .  .  verum  intra  brevissimum  tempus  angore  ac 
taedio  periit;  II:  revertitur  luvenalis  Bomam,  qui  tandem  ad  Nervae  et 
Traiani  principatum  supervivens  senio  et  taedio  vitae  confectus  .  .  spiritum 
cum  tussi  expuit;  UI:  tristitia  et  angore  periit  anno  aetatis  suae  altero  et 
octuagesimo;  IV:  decessit  longo  senio  confectus  exul  Antonino  Pio  impera- 
tore.  Jedenfalls  kann  er  nicht  früher  als  unter  Hadrian  gestorben  sein,  da 
er  in  Sueton's  viri  illustres  keine  Aufoahme  fand.    Vgl.  auch  A.  2. 

2.  Dass  Juvenalis  verbannt  wurde  ist  sicher;  fraglich  aber  warum, 
wann  und  wohin.  Das  Sicherste  bietet  Apoll.  Sidon.  carm.  IX,  267  ff. :  non 
qui  tempore  Caesaris  secundi  aeterno  incoluit  Tomos  reatu,  nee  qui  con- 
simili  deinde  casu  ad  vulgi  tenuem  strepentis  auram  irati  fuit  histrionis 
exul.  Die  vitae  bringen  es  mit  Sat.  VII,  90  (quod  non  dant  proceres  dabit 
histrio  etc.)  in  Zusammenhang,  welche  Worte  in  ihrem  Contexte  keine 
Beleidigung,  kaum  einen  Tadel  des  histrio  enthalten  und  daher  Derartiges 
erst  durch  die  Art  ihrer  Verwendung  bekommen  haben  können.  Am  glaub- 
lichsten ist  desshalb  dass  unter  Trajan  oder  (wahrscheinlicher)  Hadrian  die 
Verse  im  Theater  vom  Volke  dem  betr.  histrio  zugerufen  wurden,  wofür 
dieser  seinen  Zorn  an  deren  unschuldigem  Dichter  ausliess,  da  er  am 
Volke  es  nicht  konnte.  W.  Teuffei,  Studien  u.  Char.  S.  410 — 412,  Jedenfalls 
kann  die  Verbannung  nicht  (mit  Malala  und  Suidas)  unter  Domitian  gesetzt 
werden,  schon  weil  noch  für  dessen  letzte  Jahre  Juvenals  Anwesenheit  in 
llom  durch  Martialis  (VII,  24.  91.  XII,  18)  bezeugt  ist.  Die  Verbannung 
erfolgte  nutet  der  Form  einer  militärischen  Verschickung,  wahrscheinlich 
nach  Britannien  (vita  des  cod.  Bonon.:  Traianus  .  .  fecit  eum  praefectum 
militum  contra  Scotos,  qui  bellum  Romanis  moverant,  ibi  ut  luvenalis 
interficeretur) ,  wo  die  Gehörte  bei  welcher  Juvenal  früher  Offizier  gewesen 
war  (s.  A.  1)  in  den  Jahren  104,  106,  124  n.  Chr.  stand.  Dass  der  Ver- 
bannungsort Aegypten  war  schliessen  die  meisten  vitae  aus  Sat.  XV,  45, 
welche  Stelle  nur  beweist  dass  Juv.  irgend  einmal  sich  dort  aufhielt. 

3.  J.  V.  Francke,  examen  criticum  luv.  vitae  (Altena  1820),  und  De 
vita  luv.  quaestio  altera  (Dorpat  1827  fol.).  C.  A.  Bauer,  krit.  Bemer- 
kungen über  einige  Nachrichten  aus  d.  Leben  des  Juv.,  Regensburg  1833. 
G.  Pinzger  in  Jahn's  Jahrb.  XIV  (1835).  S.  261  ff.  W.  Teuffei,  ebd.  XLIII  (1845). 
S.  103—116;  ücbcrsetzung  d.  Juv.  S.  148—153.    B.  Borghesi,  intomo  air  etä 


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7S0  Die  Kaiserzeit.   Erstes  Jahrhundert.   TraianUß. 

di  Giovenale,  Rom  1847  =  Oeuvres  V.  p.  49-— 76.  C.  Synnerberg,  de  temporibüs 
vitae  cai-minumque  luv.  rite  constituendis ,  Helaingfors  1866.  92  pp. 

4.  Die  Eintheilung  in  5  Bücher  ist  diejenige  nach  welcher  bes.  Pris- 
cian  zu  citieren  pflegt;  s.  M.  Hertz's  Ausg.  II.  p.  537  f.  Die  Ordnung  der 
einzehien  Stücke  scheint  die  .chronologische  zu  sein.  Vor  der  Zeit  Trajans 
scheint  keine  verfaset.  Die  Echtheit  der  beiden  letzten  ist  mit  unzurei- 
chenden Gründen  angefochten  worden  von  Heinrich  und  C.  Kempf  (Obser- 
vationes  in  luv.,  Berlin  1843,  und  De  luv.  eat.  XV  luvenali  abiudicanda, 
Berlin  1853.  4.);  s.  W.  Teuffei  und  W.  Hertzberg  in  ihrer  Uebersetzung 
S.  153  f.  341  f.  Gegen  die  bodenlose  Kritik  von  0.  Ribbeck,  zuerst  in 
seiner  Textausgabe  (Lips.  1859)  und  in  der  Symb.  philol.  Bonn.  p.  1 — 30, 
dann  zusammengefasst  in  der  Schrift  Der  echte  und  der  unechte  Juvenal 
(Berlin  1865),  s.  W.  Teuffei  a.  a.  0.  S.  154.  209.  246.  252.  269,  und  die 
Vindiciae  iuvenalianae  von  B.  Lupus  (Bonn  1864)  und  O..Meinertz  (Königs- 
berg 1866),  auch  0.  Jiihn's  Ausgabe  von  1868,  p.  9  f.  und  0.  Meinertz,  zur 
Kritik  u.  Erkl.  d.  Satt.  d.  Juv.,  Conitz  1871.  38  S.  4.  Vita  IV  (eine  der 
kürzesten  und  besten):  in  exilio  amx)liavit  satiras  et  pleraque  mutavit. 
Wirklich  führt  Vieles  auf  die  Annahme  einer  doppelten  Redaction  durch 
den  Dichter  selbst;  s.  W.  Teuffei,  Studien  u.  Charakt.  S.  424—434.  Aehnlich 
vermutet  L.  Friedländer,  Darstell,  a.  d.  Sittcngesch.  III.  S.  412  f.,  dass  Sat. 
Vll  grösstentheils  unter  Trajan  verfasst  sei,  die  Einleitung  aber  (v.  1 — 21 
oder  35)  erst  nachträglich  vorgesetzt  wurde,  bei  einer  Umarbeitung  oder 
neu6n  Ausgabe  nach  Hadrians  Thronbesteigung,  dessen  Interesse  für  Poesie 
bekannt  war. 

5.  Juv.  I,  22  ff.:  cum  teuer  uxorem  ducat  spado  etc.  ,.  .  difficile  est 
satiram  non^  scribere  (30).  (79  f.)  si  natura  negat,  facit  indignatio  versum, 
qualemcumque  potest,  quales  ego  vel  Clnvienus.  150  ff.:  dicas  hie  forsit- 
an:  unde  .  .  illa  priorum  scribendi  quodcumque  animo  flagrante  liberet 
simplicitas ,  cuius  non  audeo  dicere  nomen?  .  .  (170  f.)  experiar  quid  con- 
ccdatnr  in  illos  quorum  Flaminia  tegitur  cinis  atque  Latina.  Nicht  mehr 
Lebende  also  will  der  Dichter  zum  Gegenstande  seiner  Satiren  machen; 
und  es  werden  von  Lebenden  auch  nur  Marius  Priscus,  Isaeus,  Archigenes 
und  Galliens  genannt,  mit  Ausnahme  des  Ersteren  alle  in  verbindlicher 
Weise,  also  ähnlich  wie  bei  Martial  (oben  317,  6)  und  Plinius  (unten 
335,  6).  Die  andern  Namen  gehören,  soweit  sie  wirkliche  Personen  be- 
zeichnen, der  Vergangenheit  an,  vielfach  einer  sehr  entfernten,  wie  der 
des  Cicero  oder  gar  Lucilius.  Es  sind  somit  Schatten  gegen  welche  der 
Satiriker  kämpft,  aber  solche  die  in  der  Gegenwart  Abbilder  genug  haben. 
Er  bekämpft  sie  daher  auch  als  gegenwärtige.  Das  rhetorische  Pathos 
lässt  es  aber  nur  sehr  selten  (wie  II,  29  ff.  IV,  37  ff.  VIII,  212  ff.)  zu  einer 
genaueren  Zeitbestimmung  kommen.  Vgl.  Fr.  Strauch,  de  personis  luvena- 
lianis,  Götting.  1869.  63  pp.  Dieses  Pathos  sucht  und  liebt  die  dunkelsten 
Farben  und  lässt  den  Satiriker  als  das  Gegentheil  eines  Idealisten,  als 
schwarzsichtigen  Pessimisten  und  Nihilisten  erscheinen.  Ueberhaupt  haben 
den  Juvenal  die  Gewöhnungen  der  Rhetorschule  (I,  15  ff.)  auch  zur  Satire 
begleitet.  Daher  die  Aufstellung  fest  abgegrenzter  Themen  für  die  einzel- 
nen Stücke  und  die  nüchterne,  geradlinige  Durchführung  des  jedesmaligen 


326.  Juvenalis.  '         731 

Themas  bald  mit  einförmigen  XJebergangen  bald  absichtlich  ohne  Vermitt- 
lung der  einzelnen  Theile.  Daher  auch  der  immerfort  gehobene  Ton,  die 
künstliche  Gedrängtheit  der  Sprache  neben  rhetorischer  Unersättlichkeit  in 
Häufung  der  Wendungen  und  Beispiele.  Ebenso  sind  die  Verse  mit  Absicht 
markig  und  volltönend  gebildet.  W.  TeuflFel,  Studien  u.  Char.  S.  414—424. 
H.  Wücke,  quid  elocutio  luv.  a  Persiana  differat,  Stendal  1869.  18  pp.  4. 

6.  Unter  den  früheren  Schriftstellern  verräth  Juvenal  Bekanntschaft 
besonders  mit  Horaz  (z.  B.  6,  107  =  Hör.  Ep.  I,  1,  40)  und  mit  Vergil 
(z.  B.  2,  100  =  Aen.  XH,  94;  3,  198  =  Ac.  U,  311 ;  Ö,  138  ff.  =  Ae.  IV,  328. 
XII,  475;  6,  133  f  =  Ge.  III,  282);  am  häufigsten  aber  berührt  er  sich 
mit  seinem  Freunde  Martialis  (z.  B.  6,  184  =  M.  X,  68;  6,  196  ff.  =« 
M.  VI,  23;  6,  492  ff.  =M.  II,  66). 

7.  Zu  den  Satiren  des  Juv.  sind  zwei  Classen  von  Schollen  über- 
liefert. Die  eine  reicht  in  ihrem  Kerne  wohl  bis  ans  Ende  des  vierten 
Jahrh.  zurück  und  enthält  trotz  grosser  Verderbniss  nicht  wenige  Spuren 
alter  echter  Gelehrsamkeit.  Sie  finden  sich  in  dem  codex  Pithoeanus  (jetzt 
in  Montpellier,  Nr.  125)  saec.  IX  und  dem  Sangallensis  (D  476)  saec.  XI 
und  sind  darnach  herausgegeben  von  P.  Pithoeus  (J.  1585),  A.  W.  Gramer 
(J.  1823),  verbessert  von  L.  Schopen  in  Heinrich's  Ausg.  (1839)  I.  p.  156 — 
324  (ännotationes  criticae  dazu  p.  325—440),  am  besten  in  0.  Jahn's  Ausg. 
von  1851,  p.  171—385.  Aus  einer  derselben  Gattung  zugehörigen,  aber 
vollständigeren  Hds.  waren  diejenigen  welche  Georg,  Valla  Venet.  1486 
als  Schollen  des  Probus  veröffentlichte,  welche  aber  kaum  bis  zu  Sat.  8 
reichten.  Die  zweite  Classe  trägt,  wie  die  zu  Persius  (oben  297,  6),  den 
Namen  des  Cornutus  (Cornuti  expositio  super  toto  libro  luvenalis),  findet 
sich  in  jüngeren  Hdss.  (bes.  Laurent.  52,  4.  saec.  XV),  stammt  wohl  aus 
der  karolingischen  Zeit  und  ist  ebenso  wortreich  als  inhaltsleer;  s.  0.  Jahn's 
Ausg.  des  Pers.  p.  CXVI— CXXXl.  Proben  davon  bei  Schopen  (unedierte 
Schoben  zu  Juv.  III,  Bonn  1847.  4.),  K.  F.  Hermann  (Schediasma  de  scholio- 
rum  ad  luv.  genere  deteriore,  Gotting.  1849.  4.)  und  Gigch  (Apparatus 
criticus  ad  luv.,  Lugd.  Bat.  1849;  Tria  capita  ad  luv.  eiusque  scholiastas 
spectantia,  ib.  1850). 

8.  Ebenso  zerfallen  auch  die  Handschriften  der  Satiren  selbst  in 
zwei  Classen.  Von  der  älteren  ist  nur  der  Budensis  oder  Pithoeanus  (P  bei 
Jahn)  saec.  IX  (s.  A.  7)  erhalten,  und  auch  dieser  von  einer  späteren  Hand 
nach  der  zweiten  Classe  gründlich  durchcorrig^ert.  Ganz  verschollen  ist 
die  gleichartige  Hds.  des  Ge.  Valla  und  von  der  St.  Galler  (A.  7)  der  Text 
des  Juvenal.  Nur  bis  5,  96  reicht  eine  Wiener  Hdschr.  saec.  X,  über 
welche  s.  A.  Göbel  in  den  Sitzungsberichten  der  Wiener  Akad.  XXIX  (1859) 
S.  73  ff.  Zu  der  aus  MontpeUier  vgl.  F.  Rühl,  Phüologus  XXX.  S.  676  f. 
Sehr  zahlreich  sind  dagegen  die  Hdss.  der  zweiten,  interpolierten  und  stark 
verderbten  Classe.  Zwei  derselben  (Mediceus  und  Leidensis)  saec.  XI  haben 
die  subscriptio:  Legi  ego  Niceus  Bomae  apud  Servium  magistrum  et 
emendavi.  Die  Grammatiker  welche  Stellen  aus  Juv.  eitleren  folgen  meist 
den  Lesaiten  dieser  zweiten  Classe.  C.  Fr.  Hermann,  de  codicibus  luvenalis 
recte  existimandis  (Gotting.  1847.  4.)  und  Vindiciae  luvenalianae  (ib.  1854. 
4.).     0.  Jahn  in  seiner  Ausg.  von  1868,  p.  5 — 9.    Vergebliche  Versuche  die 


732  Die   Eaiserzeit.    Erstes  Jahrhundert.    Traianus. 

Classe  des  Nicaeus  als  die  bessere  zu  erweisen  machte  A.  Häckermann,  der 
pithöanische  Codex  des  Juv.  I.  Greifswald  1866.  4.;  die  Exegese  C.  P. 
Hermanns  und  die  Kritik  des  Juv.,  Greifsw.  1857;  der  pith.  Codex  des  Juv., 
Philologus  XII.  S.  668—695.  XVI.  S.  412—449.  XVII.  S.  481—491;  com- 
mentatio  in  luv.  satiras,  Greifswald  1867.  4. 

9.  Aufzählung  der  Ausgaben  des  Juv.  bei  Ruperti  I.  p.  CLXIV — 
CCLIll.  Besonders  erwähncnswerth  sind:  Ed.  princeps,  Venet.  1470  u.  Rom. 
um  1470  (fol.).  Cum  comment.  D.  Calderini  (Venet.  1475.  4.  1495.  fol.), 
G.  Vallae  (Venet.  1486.  fol.),  Cald.,  Vallae,  Mancinelli  (Venet.  1492.  fol.), 
nebst  Merulae  (Venet.  1498.  fol.).  Aid.  (1501.  8.).  Cum  comm.  Britannici 
(Brix.  1501.  fol.  u.  ö.).  Cum  notis  Pulmanni  et  Hadr.  Junü  (Antv.  1565.  8.), 
Fr.  Pithoei  (Lutet.  1585.  8.);  Schol.  Britann.,  Pith.,  Gurion.  Pulmann. 
(Lutet.  1602.  4.).  Cura  N.  Rigaltü  (Lutet.  1613.  4.  1616.  12.).  Ed.  Gran- 
gaeus  (Paris  1614.  4.).  Ciun  scholl,  et  comm.  ed.  H.  C.  Henninius  (mit 
Persius,  Ültraiect.  1685.  4.  Lugd.  Bat.  1695.  4.).  Cum  perp.  comm.  ed. 
G.  A.  Ruperti  (2  Voll.,  Lips.  1801;  Auszug  davon,  Gotting.  1803.  1819). 
Ed.  N.  L.  Achaintre  (Paris  1810.  2  Voll.);  N.  E.  Lemairo  (Paris  1823.  2  Voll.). 
Rcc.  et  ann.  E.  W.  Weber  (Weimar  1825.  8.).  In  J.  C.  Orelli  Eclogae 
poett.  latt.  (Satt.  4.  8.  10.  15.),  W.  E.  Webers  Corpus  poett.  latt.  p.  1138 
—  1173.  Ex  emend.  et  c.  comm.  C.  F.  Heinrichii;  acc.  scholia  vetera  (Bonn 
1859.  2  Voll.).  Cum  scholiis  veteribus  recensuit  et  emendavit  0.  Jahn, 
Berol.  1851.    With  a  commentary  by  J.  E.  B.  Mayor,  I.  London  1869. 

Texte  von  A.  Häckermann  (Lips.  1851),  C.  F.  Hermann  (Lips.  Teubner 
1854),  0.  Ribbeck  (s.  A.  4),  0.  Jahn  (Berol.*  1868). 

Juv.  satt,  delectus,  cum  notis  cd.  C.  Schmidt,  Bielefeld  1835.  Satt, 
tres  (3,  4,  5)  ed.  C.  L.  Roth,  Nürnberg  1841. 

10.  Uebersetzungen  von  0.  v.  Haugwitz  (Leipzig  1818),  J.  J.  C.  Donner 
(Tübi.  1821),  W.  E.  Weber  (Halle  1838),  Hausmann  (mit  lat.  Text,  Leipzig 
1839),  A.  Häckermann  (Bd.  I,  Sat.  1—5,  Greifswald  1847),  E.  C.  J.  v. 
Siebold  (mit  lat.  Text  und  Erläuterungen,  Leipzig  1858),  AI.  Berg  (Stutt- 
gart, Hoff  mann  1862  f.  3  Bdchn.),  W.  Hertzberg  und  W.  TeuflFel  (mit  Ein- 
leitungen und  Anmerkungen,  Stuttgart,  Metzler  1864 — 1867,  3  Bdchn.). 

11.  Ueber  Juvenal  s.  Manso  in  den  Nachträgen  zu  Sulzer  VI.  S.  294 
— 342.  Nisard,  ^tudes  .  .  sur  les  poetes  latins  de  lad^cadence  (Paris  1834) 
I.  p.  241  ff.  II.  p.  101—174.  W.  Teuffei  in  Pauly's  Real-Enc.  IV  (1845). 
S.  535 — 539.  Völker,  Juvenal;  ein  Lebens-  und  Charakterbild,  Elberfeld 
1851.  C.  F.  Hermann  vor  seiner  Ausg.  (1854)  p.  HI  — XVIIL  Munding, 
üb.  d.  Sat.  d.  J.  in  religiöser  und  sittlicher  Beziehung,  Rottweil  1865.  4. 
A.  Widal,  Juvdnal  et  ses  satires;  ^tudes  litteraires  et  morales,  Paris  1869. 
G.  Boissier,  J.  etson  temps,  Revue  des  deuxmondes,  Juni  1870,  p.  141 — 174. 

12.  Beiträge  zur  Textkritik  und  Erklärung  von  J.  R.  Heineckq  (Animad- 
versiones,  Halle  1804),  G.  Pinzger  (de  versibus  spuriis  et  male  suspectis, 
Breslau  1827.  4.),  J.  N.  Madvig  (de  locis  aliquot  luv.  interpretandis,  Opusc. 
acad.  I.  p.  29—63.  II.  p.  167—205),  Com.  Müller  (de  locis  aliquot  etc. 
Hamburg  1830.  4.),  C.  F.  Hermann  (spicileg.  annotationum  ad  sat.  III,  4. 
Marburg  1839.  4.     Do  sat.  VII  temporibus,  Gotting.  1843.  4.),   C.   Kempf 


326  f.   Juvenal  und  dichtende  Zeitgenossen.  733 

(Observationes  in  luv.  aliquot  locoa  interpretandos,  Berol.  1843),  G.  G. 
Matthias  (Observat.  in  sat.  1.  Marburg  1844.  4.),  N.  Mohr  (spicileg.  annotatt. 
ad  L  sat.  1  et  2,  Dorpat  1845),  A.  L.  Dollen  (Beiträge  zur  Kr.  u.  Erkl., 
Kiew  1846),  Bogen  (de  locis  aliq.  luv.  explicandis  etc.  Bonn  1849),  A. 
Häckermann  (in  Jahns  Archiv  XVI,  XVII  und  der  Berliner  Ztschr.  f.  Gymn. 
1866),  A.  Schmidt  (de  locis  aliquot  etc.  Halle  1851),  J.  T.  H.  Wolters 
(comm.  lit.  in  sat.  L,  Walddüren  1853),  A.  Göbel  (luvenaliana,  Conitz  u. 
Berlin  1859.  4.),  X.  Prinz  (Revue  de  Tinstruct  Belg.  T.  IX  u.  X),  Borghesi 
(annotazioni,  Oeuvres  V.  p.  509 — 536).   Anderes  s.  Anm.  4.  6.  8. 

G.  Lehmann,  antiquitates  Rom.  domesticae  in  luv.  satt,  illustratae,  I. 
Halle  1867. 

327.  yVie  verbreitet  noch  in  der  Zeit  des  Trajan  Gewandt-314 
heit  in  verschiedenen  Formen  der  Poesie  war  beweist  die  an- 
sehnliche Zahl  solcher  Männer  von  denen  wir,  vorzugsweise 
durch  den  jüngeren  Plinius,  wissen  dass  sie  Verse  gemacht  und 
veröffentlicht  haben.  So  Octavius  Rufus,  der  einflussreiche  Titi- 
nius  Capito,  femer  der  Nachahmer  des  Propertius  und  Horaz,  Pas- 
sennus  Paulus,  auf  dem  Gebiete  des  Epos  Caninius,  in  melischen 
Massen  Sentius  Augurinus,  weiter  Vergilius  Romanus,  der  Ver- 
fasser von  Komödien  und  Mimiamben,  und  Andere.  Grössere 
Proben  besitzen  wir  nur  von  den  Gedichten  des  Rhetors  P.  An- 
nius  Florus  aus  Africa. 

1.  Plin.  Ep.  I,  7  (Octavio  Rufe),  6:  tu  me  tuis  (versibus)  agere  non 
pateris,  quorum  tanta  cupiditate  ardeo  ut  etc.  II,  10  (Octavio),  1 :  hominem 
te  .  .  crudelem  qui  tarn  insignes  libros  tarn  diu  teneas!  .  .  (3.)  enotuerunt 
quidam  tui  versus  etc.  Vielleicht  der  Rufus  über  welchen  ib.  IX,  38: 
legi  librum  (desselben)  omnibus  numeris  absolutum. 

2.  Cn.  Octavius  Titinius  Capito,  .  .  proc(urator)  (Domitians)  ab  epi- 
stulis  et  a  patrimonio,  iterum  ab  epistulis  divi  Nervae,  .  ,  ab  epistul(i8) 
tertio  imp(eratoris)  Nervae  Caesar(is)  Traiani  Aug(usti)  Ger(manici),  "Orelli 
801.  Clarissimi  cuiusque  vitam  egregiis  carminibus  (Epigramme?)  exomat, 
Plin.  Ep.  I,  17,  3  vgl.  VIIT,  12,  4  f.:  scribit  exitus  inlustrium  virorum  .  . 
quasi  funebribus  laudationibus.    V,  8,  1:  suades  ut  historiam  scribam. 

3.  Caninius  (Rufus)  bellum  dacicum  scribere  parat,  und  zwar  im 
heroischen  Masse  der  Griechen,  Plin.  Ep.  VIII,  4,  1.  3  ff.  vgl.  IX,  33,  1.  11. 
I,  3  (Caninio  Rufo),  1  (quid  agit  Comum,  tuae  meaeque  deliciae  ?)  u.  3  ff. 
Acht  Hexameter  mythologischen  Inhalts  aus  einem  Bellum  parthicum  Traiani 
imp.  in  Riese's  Anthol.  lat.  392  (I.  p.  257  f.). 

4.  Plin.  Ep.  VI,  15,  1:  Passe nnus  Paulus,  splendidus  eq.  rom.  et 
in  primis  eruditus,  scribit  elegos.  gentilicium  hoc  illi:  est  enim  municeps 
Properti  atque  etiam  inter  maiores  suos  Propertium  numerat.  IX,  22: 
magna  me  soUicitudine  affecit  Passenni  Pauli  valetudo.  .  .  si  elegos  eius 
in  manus  sumpseris  leges  opus  tersum,  molle,  iucundum  et  plane  in  Pro- 


734  I>ie  Eaiserzeit   Erstes  Jahrhundert.    Traianus. 

perti  domo  scriptum,  nuper  ad  lyrica  defiexit,  in  quibus  ita  Horatium 
ut  in  Ulis  iUum  alterum  effingit.  .  .  magna  varietas,  magna  mobilitas. 
amat  .  .  ,  dolet  .  .  ,  laudat  .  .,  ludit  etc. 

5.  Plin.  Ep.  V,  17,  If.:  nuntio  tibi  fuisse  me  hodie  in  auditorio  Cal- 
pumi  Pisonis  (Cos.  111?).  recitabat  HccvaazsQiafimv  eruditam  sane  . .  materiam. 
scripta  elegis  erat  fluentibus  et  teneris  et  enodibns,  sublimibus  etiam   etc. 

6.  Plin.  Ep.  lY,  27:  audivi  recitantem  Sentium  (Borghesi:  Serium) 
Augurinum  (Cos.  132)  cum  . .  admiratione.  poematia  appellat.  multa tenuiter, 
multa  sublimiter,  multa  venuste,  multa  . .  cum  bile.  Folgt  eine  Probe  in 
Hendekasjllaben  in  der  Weise  des  Catull,  Calvus  und  Plinius  (unten  335,  4). 
Vgl.  ib.  IX,  8:  omnia  Bcripta  tua  pulcherrima,  maxime  tamen  illa  de  nobis. 

7.  Plin.  Ep.  VI,  21,  2:  nuper  audivi  Vergilium  Romanum  paucis 
legentem  comoediam  ad  exemplar  veteris  comoediae  scriptam.  (4.)  scripsit 
mimiambos,  .  .  scripsit  comoedias  Menandrum  aliosque  aetatis  eiusdem 
aemulatus.  .  .*nunc  primum  se  in  yetere  comoedia  .  .  ostendit.  non  illi 
vis,  .  .  non  amaritudo,  .  .  non  lepos  defuit.  omayit  virtutes,  insectatus 
est  vitia,  fictis  nominibus  decenter,  veris  usus  est  apte.  circa  me  .  .  be- 
nignitate  nimia  modum  excessit  etc. 

8.  M.  Pomponius  M.  f.  Bassulus  auf  der  Inschrift  aus  Aeclanum 
bei  Mommsen  I.  B.  N.  1137  =>  Henzen  5605  «»  Bücheier,  Greifswalder  Ind. 
lect.  1870^  p.  12:  ne  more  pecoris  otio  transfungerer,  Menandri  paucas 
Yorti  scitas  fabulas,  et  ipsus  etiam  sedulo  finxi  noyas.  id  quäle  quälest 
chartis  mandatum  diu.  Die  Correctheit  der  Verse  und  die  persönlichen 
Verhältnisse  des  Verf.  machen  die  Zutheilung  in  die  zweite  Hälfte  des 
ersten  Jahrh.  (Mommsen  im  Hermes  m.  S.  465 — 467)  oder  die  Zeit  Trajans 
(Bächeier)  wahrscheinlich.  Zur  Textgestaltung  ygl.  Bergk  in  Fleckeisens 
Jahrbb.  1870,  S.  826,  A.  3. 

9.  Im  Allgemeinen  als  Dichter  werden  genannt  Silius  Proculus  (Plin. 
Ep.  in,  15),  Cluyienus  (Juy.  1,  80) ;  als  Schriftsteller  überhaupt  luUus  Avitus 
(quantum  legit,  quantum  scripsit!  Plin.  Ep.  V,  21,  5),  Geminus  (ib.  IX, 
11,  1),  Atrius  oder  Satrius  (ib.  IX,  35),  Nonius  Maximus  (ib.  IV,  20 
vgl.  V,  6). 

10.  üeber  Annius  Florus  s.  unten  336,  7. 

315  328.  Unter  den  Prosaikern  der  trajanischen  Zeit  nimmt 
die  erste  Stelle  ein  Cornelius  Tacitus  (um  J.  54 — 119  n.  Chr.), 
Cos.  97  n.  Chr.  Auch  bei  ihm,  wie  bei  Juvenal,  fielen  die  besten 
Lebensjahre  unter  die  Regierung  des  Domitian,  wo  das  Grauen 
und  die  Entrüstung,  ohne  Entladung  nach  aussen  in's  Innerste 
zurückgedrängt,  die  ganze  Denkweise  verbitterten.  Seine  Sym- 
pathien gehören  der  aristokratischen  Republik,  aber  sein  Ver- 
stand überzeugt  ihn  von  der  Nothwendigkeit  der  Monarchie. 
Auch  hat  er  die  Abneigung  des  Aristokraten  und  des  Doctrinärs 
gegen  alles  laute  Wesen,  jedes  schroffe  Handeln,  und  theilt  die 


327  f.   Yergilius  Romanus  u.  A.   Tacitua.  735 

herrschende  Stimmung  der  Resignation,  die  er  auch  theoretisch 
zu  rechtfertigen  bemüht  ist.  Als  Geschichtschreiber  sucht  Ta- 
citus  vor  Allem  das  Thatsächliche  zu  ermitteln.  Er  folgt  den 
besten  Quellen,  aber  häufig  ohne  sie  zu  nennen,  und  sichtet  sie 
mit  strengem  Urteil.  Das  Ergebniss  seiner  gewissenhaften  Prü- 
fung spricht  er  unverhohlen  aus,  seine  eigene  Ansicht  meist  nur 
durch  die  Färbung  seiner  Ausdrücke  verrathend.  Seine  Behand- 
lung des  Stoffes  ist  eine  pragmatische:  er  sucht  mit  Eifer  nach 
den  Ursachen  des  Geschehenen  und  findet  sie  theils  in  den  Ver- 
hältnissen, theils  in  den  Menschen.  Jene  erkennt  er  bald  als 
fatalistisch  nothvFendige,  bald  als  zufallige.  Besonders  anziehend 
ist  es  ihm  ^  die  psychologischen  Zusammenhänge  der  Thatsachen 
zu  ermitteln,  und  hierin,  in  der  Charakterzeichnung  und  psycho- 
logischen ^  Analyse,  entwickelt  Tacitus  eine  Meisterschaft  ohne 
Gleichen.  Der  Grundton  seiner  Darstellung  ist,  entsprechend 
dem  Gegenstande,  ernst,  wehmütig,  bitter.  •Der  Geschichtschreiber 
hütet  sich  vor  Allem  was  seine  würdevolle  Haltung  beeinträch- 
tigen könnte,  offener  Rhetorik  wie  leidenschaftlichen  Ergüssen; 
wohl  aber  weiss  er  sie  zu  erhöhen  durch  künstlerische  Sorgfalt 
und  Berechnung  und  durch  eine  ganz  eigenthümliche  Sprache. 
Eine  Zeit  lang  schwankend  zwischen^  Mustern  der  classischen 
Zeit  entscheidet  sich  diese  schliesslich  für  die  poetisch  gefärbte 
und  pointierte  Schreibweise  der  Gegenwart,  doch  so  dass  sie 
mit  ihrer  epigrammatischen  Prägnanz,  Neuheit  und  Kühnheit  die 
Eigenschaften  der  silbernen  Latinität  noch  steigert  und  durch 
ihre  Schwierigkeiten  den  Leser  zum  Verweilen  und  Nachdenken 
nöthigt. 

1.  Vorname  Publius?  ,  Im  Med.  I  ist  die  üeberschrift  P.  Cornelii 
Taciti  von  modemer  Hand;  die  Subscriptionen  haben  P.  Comeli,  und  auch 
diese  theilweise  von  späterer  Hand.  W.  Studemund,  Eos  II.  S.  224  f.  vgl. 
L.  Urlichs,  ebds.  ü.  S.  227.  I.  S.  246.  Der  z.  B.  im  cod.  Famesianus  (C. 
Cornelii  Taciti  .  .  liber  primus  u.  s.  w.  incipit)  und  angeblich  in  Hdss.  bei 
Sidon.  Apoll.  Ep.  IV,  14  in.  (C.  oder  Caius  Tacitus  .  .  Ulpianorum  tempo- 
rum  consularis)  und  22  (cum  Cornelius  C.  Secundo  paria  suasisset)  sich 
findende  Vorname  C.  ist  entweder  vielmehr  Abkürzung  von  Cornelius  oder 
(wie  in  andern  Fällen,  s.  oben  92,  1)  aus  dem  Anfangsbuchstaben  des 
Hauptnamens  entstanden.  Sonst  wird  bei  den  alten  Schriftstellern  die  den 
Tac.  erwähnen  (z.  B.  dem  jungem  Plinius,  Flav.  Vopisc.  Aurelian.  2,  1 ; 
Oros.  VII,  10.  19;  Sidon.  Apoll,  carm.  XXIII,  154)  ein  Vorname  desselben 
niemals  angegeben.  Ebenso  heisst  er  in  den  Subscriptionen  des  Mediceus 
II  einfach  Cornelius  Tacitus. 

2.  Geburtsort.     Flavius   Vopiscus   (Tac.    10,   3)   erzählt   von    dem 


736  •  Die  Eaiserzeit.   Erstes  Jahrhnndert.   Traiantis. 

Kaiser  Tacitus  (J.  275 — 276  n.  Chr.):  Comelium  Tacitum,  scriptorem  histo- 
riae  augustae,  qaod  parentem  snum  eundem  diceret,  in  omnibus  byblio- 
thecis  conlocari  iussit,  et  ne  lectorum  incuria  deperiret  librum  per  annos 
singulos  deciee  scribi  publicitas  in  cunctU  archivis  iußsit  et  in  bybliothecis 
.  poni.  Da  nun  dieser  Kaiser  aus  Interamma  gebürtig  war  und  dort,  wie 
.  sein  Bruder  Florianns,  eine  Statue  mit  Kenotapb  hatte  (Vopisc.  Florian. 
2,  1  =s  Tac.  15,  1),  so  versetzte  man  bereitwillig  dorthin  auch  den  Histo- 
riker, und  die  Stadt  (jetzt  Terni)  errichtete  diesem  im  J.  1514  eine  Bild- 
säule (Angeloni,  storia  di  Terni  p.  42  ff.).  Aber  auch  wenn  der  verwandt- 
schaftliche Zusammenhang  zwischen  dem  Historiker  und  dem  Kaiser  Tac. 
richtig  wäre,  würde  daraus  noch  keineswegs  Gleichheit  des  Geburtsortes 
folgen;  und  die  Bezeichnung  des  Sejanus  als  municipaüs  adulter  (A.  IV,  3) 
macht  unwahrscheinlich  dass  der  Historiker  selbst  aus  einem  Municipium 
stammte.   Vielmehr  wird  hienach  als  sein  Geburtsort  Rom  anzunehmen  sein. 

3.  Plin.  n.  h.  VII,  17,  76  nach  der  Erwähnung  eines  Falls  von  un- 
natürlich früher  KOrperentwicklung  und  ebenso  frühzeitigem  Tode:  ipsinon 
pridem  vidimus  eadem  ferme  omnia  .  .  in  filio  Comeli  Taciti  equius  romani, 
Belgicae  Galliae  rationes  procurantis.  Dieser  ist  wahrscheinlich  der  Vater 
unseres  Geschichtschreibers;  wenigstens  stimmt  die  Zeit  genau.  Jeden- 
falls stammte  Tac.  aus  einem  angesehenen  und  wohlhabenden  Hanse,  wie 
sein  Bildungsgang  und  seine  politische  Laufbahn  zeigen. 

4.  Das  Geburtsjahr  des  Tacitus  lässt  sich  nur  durch  Combination 
verschiedener  Thatsachen  mit  einiger  Wahrscheinlichkeit  ermitteln.  Wenn 
er  Dial.  1  das  in's  Jahr  75  oder  76  (s.  unten  329,  A.  2)  gesetzte  Gespräch 
iuvenis  admodum  mitangehört  haben  will,  so  würde  diess  ungef^r  auf 
das  18te  bis  20Bte  Lebensjahr  (somit  Geburt  um's  Jahr  56 — 59)  führen,  da 
Tacitus  selbst  (Agr.  7)  den  18 — 19jährigen  Domitian  gleichfalls  als  iuvenis 
admodum  bezeichnet.  -Doch  gebrauchen  andere  Schriftsteller  denselben 
Ausdruck  auch  von  21— 23jährigen  Personen.  Agr.  9:  consul  (J.  77  =  830) 
egregiae  tum  spei  filiam  iuveni  mihi  despondit  ac  post  consulatum  (also 
J.  78)  coUocavit  et  statim  Britanniae  praepositus  est.  Kinder  scheint  Ta- 
citus aus  dieser  Ehe  wenigstens  zur  Zeit  des  Todes  von  Agricola  nicht 
gehabt  zu  haben,  da  solche  in  dem  Epilog  des  Agricola  nicht  wohl  hätten 
übergangen  werden  können. 

5.  Rednerische  Bildung  und  Thätigkeit.  Dial.  2:  M.  Aper  et  lulius 
Secundus  (oben  310,  3  f.),  .  .  quos  ego  in  iudiciis  non  utrosque  modo 
studiose  audiebam  sed  domi  quoque  et  in  publico  assectabar,  mira  studio- 
rum  cupiditate  et  quodam  ardore  iuvenili  etc.  Vielleicht  war  Quintilian 
(oben  320,  4)  auch  des  Tacitus  Lehrer.  Vgl.  Plin.  Ep.  VII,  20,  4:  equidem 
adolescentulus,  cum  iam  tu  fama  gloriaque  (als  Redner)  floreres,  te  sequi, 
tibi  „longo,  sed  proximus,  intervallo^'  et  esse  et  haberi  coücupiscebam. 
IV,  13,  11  an  Tac.:  rogo  ut  ex  copia  studiosorura  quae  ad  te  ex  admira- 
tione  ingenii  tui  convenit  circumspicias  praeceptores  quos  sollicitare  pos- 
simus.  IX,  23,  2:  numquam  maiorem  cepi  voluptatem  quam  nuper  ex  ser- 
mone  Corneli  Taciti.  narrabat  sedisse  se  cum  quodam  circensibns  proxi- 
mis.  hunc  post  varios  eruditosque  sermones  requisisse:  „Italiens  es  an 
provincialis?"  se  respondisse:  „nosti  me,  et   quidem  ex  studiis."     ad  hoc 


328.    Tacitus.    Leben  und  Charakter.  737 

illum:  „TacituB  es  an  PliniusV"  Von  philosophischen  Systemen  kennt  Tac. 
das  epikureische  und  stoische;  tief  können  aber  seine  Studien  hierin  nicht 
gegangen  sein;  s.  Agr.  4  (oben  48,  2).  Reden;  s.  Pliii.  Ep.  II,  1,  6:  lau- 
datus  est  (Verginius  Rutns)  a  consule  Cornelio  Tacita;  nam  hie  supremus 
felicitati  eins  cumulus  accessit,  laudator  eloquentissimus.  Derselbe  U, 
11,  2:  ego  et  Cornelius  Tacitus,  adease  provincialibus  (von  Africa)  iussi 
(J.  100);  11,  17:  respondit  Cornelius  Tacitus  eloquentissime  et,  quod  exi- 
mium  orationi  eins  inest,  asfivwg.  11,  9:  quod  ego  et  Tacitus  iniuncta^d- 
vocatione  diligenter  et  fortiter  functi  essemus. 

6.  Politische  Laufbahn.  Eist.  I,  1:  dignitatem  nostram  a  Vespa- 
siano  (f  79  n.  Chr.)  incohatam,  a  Tito  (Juni  79  bis  Sept.  81)  auctam,  a 
Domitiano  (J.  81  —  96)  longius  provectam  non  abnuerim.  Den  Anfang 
pflegte  die  Quästur  zu  machen,  welche  Tacitus  sonach  spätestens  J.  79 
bekleidete;  und  diese  setzte  ein  Alter  von  mindestens  25  Jahren  voraus, 
was  also  auf  J.  54  als  (spätestes)  Geburtsjahr  führen  würde.  Daher  be> 
zieht  Fr.  Haase  die  incohata  dignitas  auf  den  XXviratus,  L.  Ürlichs  (de 
Agr.  p.  25.  Festgruss  S.,5  f.)  auf  den  XVviratus.  Die  nächste  Stufe  nach 
der  Quästur  war  das  Yolkstribunat  oder  die  Aedilität.  Agricola  hatte  das 
Volkstribunat  bekleidet  (Agr.  6);  vielleicht  dass  aber  aucta  eher  für  die 
Aedilität  des  Tacitus  spricht.  Dieses  zweite  Amt  muss  Tacitus  spätestens 
J.  81  inne  gehabt  haben.  Unter  Domitian  verzögerte  sich  seine  Beför- 
derung (zur  Prätur).  A.  XI,  11:  is  quoque  (Domitianus)  edidit  ludos  sae- 
culares  (septimos  Domitianus  se  XIY  et  L.  Minucio  Eufo  coss.,  anno 
DCCCXXXXI,  Censorin.  d.  n.  17,  11 ;  also  J.  88  n.  Chr.  =  841  d.  St), 
iisque  intentius  affui  sacerdotio  quindecimvirali  praeditus  ac  tunc  praetor. 
—  Von  Agricola,  welcher  im  August  93  starb,  Agr.  45:  nobis  tarn  longae 
absentiae  (von  Rom,  wohl  aus  amtlichem  Anlass,  etwa  als  prätorischer 
Legionslegat  in  Germanien)  condicione  ante  quadriennium  amissus  est. 
Bald  [darauf  jedoch  muss  Tacitus  nach  Rom  zurückgekehrt  sein,  wegen 
Agr.  45:  mox  (nach  Agricola's  Tod)  nostrae  duxere  Helvidium  in  carceiem 
manus,  nos  Maurici  Rusticique  visus,  nos  innocenti  sanguine  Senecio  per- 
fudit.  .  .  praecipua  sub  Domitiano  miseriarum  pars  erat  videre  et  aspici. 
Consulat  unter  Nerva,  J.  97,  s.  A.  6.  Hadrians  Regierungsantritt  (Aug. 
117)  scheint  Tac.  noch  erlebt  zu  haben,  aber  zwischen  117  u.  120  gestorben 
zu  sein;  wenigstens  blieb  die  Absicht  (A.  IV,  24)  auch  die  Geschichte  der 
augusteischen  Zeit  ^u  schreiben  unausgeführt. 

7.  Seine  eigene  Ansicht  über  das  Verhältniss  zur  Vergangenheit 
spricht  wohl  Tacitus  aus  durch  den  Mund  des  C.  Cassius,  A.  XIV,  43: 
saepdnumero,  P.  C,  in  hoc  ordine  interfui  cum  contra  instituta  et  leges 
maiorum  nova  senatus  decreta  postularentui ,  neque  sum  adversatus,  non 
quia  dubitarem  super  omnibus  negotiis  melius  atque  rectius  olim  provisum 
et  "quae  converterentur  in  deterius  mutari,  sed  ne  nimio  amore  autiqui 
moris  Studium  meum  extollere  viderer.  simul  quidquid  hoc  in  nobis  aucto- 
ritatis  est  crebris  contradictionibus  destruendum  non  existimabam,  ut 
maueret  integrum  si  quando  resp.  consiliis  eguisset.  ^aum  in  Widerspruch 
hiemit  steht  das  A.  UI,  55  im  eigenen  Namen  als  Möglichkeit  Ausgespro- 
chene: nisi  forte  rebus  cunctis  inest  quidam  velut  orbis  .  .  nee  omnia  apud 

Tevffbl,  BOm.  LUeratturgeschicbto.  2.  Aufl.  47 


738  Die  Kaiserzeit.    Erstes  Jahrhundert.   Traianus. 

priores  meliora,  sed  nostra  quoque  aetas  multa  laudis  et  artium  imitanda 
posteris  tulit.  Vgl.  H.  I,  3  in.  Besonders  bitter  wird  Tac.  bei  Missbrauch 
der  grossen  Vergangenheit  zur  Motivierung  kleinlicher  Quälereien  in  der 
neuen  Zeit,  z.  B.  A.  III,  66.  IV,  19.  Antiquus  und  priscus  ist  bei  ihm 
immer  ein  Lob  ,(z.  B.  H.  11,  6.  64.  A.  VI,  32).  Bezeichnend  ist  auch  die 
Wärme  der  Aeusserung  A.  III,  60:  magna  eius  diei  species  fuit,  quo  sena- 
tus  maiorum  beneficia,  sociorum  pacta,  regum  etiam  .  .  decreta  ipsorum- 
que  numinum  religiones  introspexit,  libero,  ut  quondam,  quid  firmatet 
mutaretve.  Ueberhaupt  ist  des  Tacitus  Denkweise  aristokratisch  bis  zum 
VoruHeil;  das  adelige  Blut  an  sich  hat  in  seinen  Augen  hohen  Werth; 
s.  A.  IV,  3.  VI,  27  in.  XIV,  14.  Ohnehin  Sklaven  und  Barbaren  gegen- 
über theilt  er  alle  Vorurteile  des  Römei-a  (z.  B.  A.  I,  76.  II,  86.  XI,  36; 
auch  Germ.  23.  33.  Hist.  V,  2  ff.  13)  und  zeigt  nur-  selten  (wie  Agr.  30. 
A.  U,  88.  IV,  72)  einen  offenen  Sinn  für  fremdes  Unabhängigkeitsgefühl. 

8.  Von  den  drei  möglichen  Verfassungen  (cunctas  nationes  et  urbes 
populus  aut  primores  aut  singuli  regunt,  A.  IV,  33)  ist  die  republikanische 
nach  Tac.  entschieden  die  freiheitlichere  (A.  VI,  42),  aber  im  Interesse  des 
inneren  Friedens  (Dial.  36.  Bist.  I,  1)  und  in  Folge  der  Gesunkenheit  der 
Zeit  (H.  II,  37)  sowie  der  ungeheuren  Ausdehnung  des  Reichs  (H.  II,  38) 
zur  Unmöglichkeit  und  die  Monarchie  zur  Nothwendigkeit  geworden 
(H.  I,  16).  Dem  gegenüber  muss  der  Einzelne  sich  resignieren,  Dinge 
und  Menschen  nehmen  wie  sie  sind  (z.  B.  bonos  imperatores  voto  expetere, 
qualescumque  tolerare,  H.  IV,  8  vgl.  74)  und  durch  die  schwierigen  Ver- 
hältnisse mit  Klugheit  ''sich  so  hindurchzuwinden  suchen  dass  er  weder 
seine  Ehre  offen  schädigt  noch  auch  sich  ernstlichen  Gefahren  aussetzt, 
einen  Mittelweg  einschlägt  inter  abruptam  contumaciam  et  deforme  obse- 
quium  (A.  IV,  20).  .Männer  welchen  diess  gelungen  war,  gemässigte  Libe- 
rale welche  dem  Bestehenden  „Rechnung  trugen",  ihrem  Freisinn  Zügel 
anlegten  (modum  et  temperamentum  adhibere,  Dial.  41.  A.  IV,  20),  non 
contimiacia  atque  inani  iactatione  libertatis  famam  fatumque  provocabant 
(Agr.  42),  utilia  honestis  miscebant  (Agr.  8),  finden  daher  bei  Tacitus  volle 
Anerkennung;  so  Man.  Lepidus  (A.  IV,  20.  VI,  27),  L.  Piso  (A.  VI,  10), 
C.  Cassius  (A.  Xü,  12.  XIV,  43),  Agricola  (Agr.  8,  42).  Dagegen  Männer 
wie  Helvidius  Priscus  (H.  IV,  6)  und  Paetus  Thrasea  (A.  XIV,  12)  sind 
nicht  nach  seinem  Herzen;  er  setzt  zwar  niemals  Solche  herunter  welche 
für  ihre  Ueberzeugungen  zu  sterben  wissen  (vgl.  A.  IV,  34  f.  XV,  57. 
XVI,  16),  aber  es  ist  doch  als  fühlte  er  dass  neben  solchen  Männern  der 
That  die  Männer  der  heimlichen  Feder  nicht  in  gleichem  Glänze  dastehen. 
Im  Ganzen  handelte  er  unter  Domitian  nach  dem  Worte  des  erfahrenen 
Seneca  (Ep.  14,  7):  sapiens  numquam  potentium  iras  provocabit,  immo 
declinabit,  non  aliter  quam  in  navigando  procellam.  (ib.  8:)  sapiens  noci- 
turam  potentiam  vitat,  hoc  primum  cavens  ne  vitare  videatur.  pars  enim 
securitatis  et  in  hoc  est  non  ex  professo  eam  fugere,  quia  quac  quis  fugit 
damnat.    Vgl.  oben  282,  1  E. 

9.  Der  Anblick  wie  der  Despotismus  mit  fatalistischer  Gewalt  um  sich 
greift  und  das  Edelste,  wenn  es  ihm  in  den  Weg  tritt,  zermalmt  wird, 
während  der  welcher  tausendmal  den  Tod  verdient   hätte   spät   oder   nie 


328.    Tacitus.    Leben  und  Charakter.  739 

von  der  Eache  ereilt  wird ,  macht  den  Geschichtschreiber  oft  irre  an  der 
göttlichen  Gerechtigkeit;  er  sucht  in  der  tiefen  Nacht  nach  einer  Götter- 
hand die  ihn  ans  Licht  leite,  und  findet  keine.  Was  er  sieht  läset  ihn  nur 
auf  Gleichgültigkeit  oder  gar  Grollen  der  Götter  gegen  die  Menschheit 
schliessen.  H.  I,  3:  adprobatum  est  non  esse  curae  deis  securitatem  nostram,* 
esse  ultionem.  II,  38 :  eadem  illos  deum  ira,  eadem  hominum  rabieq,  eaedem 
scelenun  causae  in  discordiam  egere.  III,  72:  propitiis,  si  per  mores 
nostros  liceret,  deis.  A.  IV,  1:  deum  ira  in  rem  Rom.  XVI,  33:  aequi- 
täte  deum  erga  bona  malaque  documenta.  XIV,  12:  quae  (prodigia)  adeo 
sine  cura  deum  eveniebant  ut  multos  post  annos  Nero  iöiperium  et  scelera 
continüaverit.  Vgl.  Eist.  I,  86.  IV,  26.  Bei  dieser  Ansicht  über  die  Pro- 
digien  thut  Tacitus  auch  selten  ihrer  Erwähnung.  Nur  in  den  Hist.  (z.  B. 
I,  18.  II,  50.  III,  66.  V,  13)  und  den  letzten  Büchern  der  Ann.  (XII,  43.  64. 
XIV,  32.  XV,  7.  47)  thut  er  es  mancljmal,  vielleicht  veranlasst  durch  seine 
Quelle.  Auch  in  dieser  Inconsequenz  zeigt  sich  dass  Tac.  ein  philosophi- 
sches System  nicht  hat;  am  häufigsten  trifft  er  jedoch  in  seiner  Welt- 
anschauung mit  der  Ethik  der  Stoa  zusammen. 

10.  Literatur  über  die  politischen  und  religiösen  Ansichten  des  Tacitus. 
Süvem  S.  128  ff.  C.  Hoffmeister,  Weltanschauung  des  Tac.  S.  13  ff.  78  ff. 
C.  Zell,  Ferien  Schriften  III.  S.  67 — 129.  Kirschbaum,  quid  Tac.  senserit  de 
rebus  publicis,  Jena  1856.  F.  Haase.,  praef.  p.  XXX — XLIX.  C.  Nipperde  y 
Ausg.  der  Ann.  S.  XII— XVI.  Stäudlin,  \iber  die  Philosophie  und  Denkart 
des  Tac.,  in  Conz'  Beiträgen  1786.  S.  144  ff.  und  in  Stäudlin's  Geschichte 
des  Skepticismus  U.  S.  297  ff.  J.  Eynaston,  de  impietate  Tacito  falso  ob- 
iectata,  Oxford  1761.  4.  J.  C.  Wolf,  de  divina  mundi  moderatione  e  mente 
Taciti,  Fulda  1830.  F.  H.  A.  Haage,  Tac.  ab  impietatis  crimine  vindica- 
tus,  ad  Hist.  I,  3.  Lüneburg  1840.  4.  F.  A.  Scharpff,  Darstellung  der 
politischen  und  religiösen  Ansichten  des  Tac.,  Rottweil  1843.  4.  Kahlert, 
Taciti  sententiae  de  diis  et  deorum  regimine,  Breslau  1844,  Neustadt  1847.  4 
Fabian,  quid  Tac.  de  numine  divino  iudicaverit,  Bresl.  1852.  J.  Baumanu, 
in  Jähn's  Jahrbb.  LXXIX.  S.  257—281.  J.  G.  Pfaff,  die  Ansichten  des  Tac. 
über  das  sittlich  Gute,  Marburg  1858.  Fr.  Voigtland,  quid  senserit  Tac. 
de  divina  rorum  humanarum  moderatione,  Schleusingen  1870.  19  pp.  4. 

11.  Als  Quellen  nennt  Tacitus  die  acta  diurna  (A.  III,  3.  XIII,'  31. 
XVI,  22),  die  acta  senatus  (A.  V,  4.  XV,  74),  Agrippinac  commentarii 
(A.  IV,  53),  G.  Plinius  (H.  HI,  28.  A.  I,  69),  Corbulo  (A.  XV,  16),  Vipstanus 
Messala  (H.  111,  25." 28),  Cluvius  (A.  Xül,  20.  XIV,  2),  Fabius  Rusticus 
(A.  Xm,  20.  XIV,  2.  XV,  61),  Sisenna  (H.  III,  51).  In  der  Regel  aber 
spricht  er  nur  im  Allgemeinen  von  scriptores  annalium  (A.  IV,  53),  scripto- 
res  senatorcsquc  eorundem  temporum  (A.  II,  88),  celebemmi  auctores 
(H.  III,  51),  plurimi  maximeque«fidi  auctores  (A.  IV,  10),  temporum  illorum 
scriptores  (A.  XII,  67.  XIII,  17),  temporin  eius  auctores  (A.  V,  9  u.  sonst), 
scriptores  temporum  qui  monumenta  huius  belli  composuerunt  (H.  IT,  101), 
oder  omnes,  plerique,  plurimi,  multi,  quidam,  alii  auctores  tradunt.  Auch 
auf  mündliche  Quellen  beruft  er  sich  nicht  selten  (A.  III,  16:  audire  me 
memini  ex  senioribus;  vgl.  XI,  27.  XV,  41.  73).  Bei  Differenzen  unter 
seinen  Gewährsmännern  entscheidet  er  sich  entweder  für  das  Bestbeglau- 

47* 


740  Die  Kaiaerzeit.   Erstes  Jahrhundert.   Traianus. 

bigte  oder  für  das  innerlich  Wahrscheinlichere;  z.  B.  A.  IV,  11:  haec  vulgo 
iactata,  snper  id  quod  noUo  auctore  certo  firmantur,  prompte  refutaveris 
(als  sachlich  unwahrscheinlich;  vgl.  XIY,  2).  Häufig  suspendiert  er  sein 
Urteil  (H.  ü,  28.  A.  I,  81.  V,  10.  VI,  7.  XIII,  20),  anderswo  aber  stellt  er 
das  Ergebniss  seines  eigenen  Nachdenkens  oder  Forschens  den  Berichten 
seiner  Quellen  gegenüber  (H.  II,  101:  scripto'res  .  .  tradiderunt.  nobis  vi- 
dentur.  A.  II,  37:  invenio  apud  quosdam  auctores,  .  .  ego  reor.  Vgl.  ib. 
VI,  7).  Vgl.  im  Allgemeinen  Meierotto,  de  fontibus  quos*  Tac.  .  .  videatnr 
secutus,  Leipz.  u.  Berl.  1795.  fol.  H.  Justus,  de  fide  Taciti,  Zittau  1827. 
Bötticher,  lex.  Tac.  p.  XIX — XXIII.  R.  £.  Prutz,  de  fontibus  quos  in  con- 
scribendis  rebus  a  Tiberio  usque  ad  mortem  Neronis  gestis  auctores  secuti 
videäntur,  Halle  1838.  L.  Schiller  in  Mützell's  Zeitschr.  f.  Gymn.  VU.  1853. 
S.  280 — 291.  Friedlieb,  über  Josephus,  Tacitus,  Sueton  und  Dio  als  Quellen 
zur  Eenntniss  christlicher  Zustände,  in  Th.  Wiedemanns  Ostreich.  Viertel- 
jahrsschrift für  kathol.  Theologie  I  (1862).  Breichau,  de  fontium  delectu 
quem  in  Tiberii  vita  moribusque  describendis  Velleius,  Tacitus,  Snetonins, 
Dio  habuerunt,  Königsberg  1865.  Mommsen,  im  Hermes  IV.  S.  316  f.  325. 
Nissen,  Rhein.  Mus.  XXVI.  S.  509  ff.  540.    Vgl.  A.  14  f. 

12.  Pragmatismus:  ut  non  modo  casus  eyentusque  rerum,  ^ui  plerumque 
fortuiti  sunt,  sed  ratio  causaeque  noscantur  (H.  I,  4).  Ueber  das  Verhältniss 
aber  worin  der  Zufall  zur  menschlichen  Freiheit  und  zur  Nothwendigkeit 
des  Fatums  stehe  äussert  Tacitus  widersprechende  Ansichten;  s.  Süvern 
S.  126—134.  Hoffmeister,  Weltanschauung  8.  114  f.  117—121.  Nipperdey 
S.  XH— XIV.  Vgl.  z.  B.  A.  lU,  18:  mihi,  quanto  plura  recentium  seu  ve- 
terum  revolvo,  tanto  magis  ludibria  rerum  mortalium  cunctis  in  negotiis 
obyersantur.  IV,  20:  dubitare  cogor,  fato  et  sorte  nascendi  .  .  an  sit  ali- 
quid in  nostris  consiliis.  V,  4:  fatali  quodam  motu  .  .  seu  prava  soUertia. 
VI,  22:  mihi  haec  ac  talia  audienti  in  incerto  iudicium  est  fatone  res 
mortalium  et  necessitate  imniutabili  an  forte  yolvantur.  Häufig  stellt 
daher  Tacitus  die  natürliche  und  die  transcendentale  Erklärung  unvermit- 
telt neben  einander  (z.  B.  Varus  fato  et  vi  Arminii  cecidit,  A.  I,  55  vgl. 
Siivem  S.  131,  A.  2)  oder  den  fatalistischen  und  den  theistischen  Ausdruck 
(z.  B.  fatum  et  ira  dei,  H.  IV,  26.  Hoffmeister  S.  109  f.).  Ueberwiegend 
aber  entscheidet-  er  sich  für  die  immanenten  Erklärungsgründe,  und  nur 
wo  er  solche  nicht  klar  erkennt  denkt  er  an  ein  Einwirken  des  Fatums. 

13.  Der  Despotismus  bildet  in  seiner  Umgebung  eine  Virtuosität  der 
psychologischen  Beobachtung  aus.  Ausser  Standes  sich  nach  aussen  aus- 
zuleben, wühlt  sich  das  Individuum  um  so  tiefer  in  das  eigene  Innere  ein; 
und  darauf  angevriesen  aus  den.  Mienen  des  Despoten  eigenes  wie  fremdes 
Schicksal  herauszulesen  gewinnt  esTFebung  in  der  Symptomatik  des  Seelen- 
lebens und  lernt  es  in  den  Irrgängen  einer  Menschenbrust  sich  zurecht- 
zufinden. Diese  Virtuosität  besitzt  Tacitus  in  ganz  ungewöhnlichem  Grade; 
feine  psychologische  Bemerkungen  finden  sich  bei  ihm  in  grosser  Zahl,  wie 
z.  B.  A.  IV,  3:  neque  femina  amissa  pudicitia  alia  abnuerit.  Agr.  42:  pro- 
prium hümani  ingeni  est  odisse  quem  laeseris.  A.  XII,  67:  band  ignarus 
summa  scelera  incipi  cum  periculo,  peragi  cum  praemio.  V,  2:  facetiis 
acerbis,  quarum  apud  praepotentes  in  longnm  memoria  est.   H.  I,  56:  quod 


328.    Tacitus.   Leben  und  Charakter.  741 

in  8editionibu3  accidifc,  unde  plures  erant  omnes  faere.  Besonders  aber  hat 
Tacitus  "seine  Stärke  im  Aufspüren  der  geheimsten  Triebfedern  des  Han- 
delns, im  Entlarven  der  Heuchelei ,  in  anatomisch  genauem  Beschreiben 
der  Zustände  und  Vorgänge  der  Seele,  in  feiner  und  treifender  Charakter- 
istik. Berühmt  ist  namentlich  seine  Nachweisung  wie  Tiberius  aus  einem 
ursprünglich  guten  Regenten  allmählich  zu  einem  Scheusal  geworden  sei. 
Vgl.  oben  270,  1.  Die  Schwarzsichtigkeit  des  Tac.  zeigt  sich  jedoch  auch 
hiebei,  indem  er  selbst  im  ersten  Stadium  des  Tiberius  seine  unzweifelhaft 
guten  Handlungen  nur  als  Heuchelei  auffasst.  Indessen  hat  Tacitus  für 
das  Edle  und  Grosse  sich  einen  offenen  Sinn  bewahrt.  Ein  entschiedener 
Liebling  von  ihm  ist  Germanicus;  aber  auch  in  niedrigeren  Sphären  hebt 
er  gern  das  Gute  hervor  (z.  B.  H.  HI,  23.  IV,  50).  Das  gemütliche  Interesse 
überwiegt  sogar  über  das  historiographische  und  lässt  den  Tac.  oft  versäumen 
den  sachlichen  Zusammenhang  der  Begebenheiten  darzulegen.  Bis  zur 
Parteilichkeit  geht  aber  jenes  Interesse  nicht;  seinem  Vorsatze  sine  ira  et 
.studio  (A.  I,  1)  zu  schildern  ist  er,  Alles  in  Allem  gerechnet,  treu  geblie- 
ben. Vgl.  auch  Fechner,  de  Taciti  historica  arte  iis  conspicua  quae  de 
Germanico  et  Seiano  memoriae  prodita  sunt,  Bromberg  1867.  4. 

14.  Hist.  II,  50:  ut  conquirere  fabulosa  et  fictis  oblectare  legentium 
animos  procul  gravitate  coepti  operis  crediderim,  ita  volgatis  traditisque 
demere  fidem  non  ausim.  Auch  historische  Excurse  sind  daher  verhält- 
nissmässig  selten,  finden  sich  aber  z.  B..  H.  II,  3.  38.  III,  72.  IV,  83  f.  V,  2  ff. 
A.  III,  26  ff.  (de  principiis  imis).  VI,  11  (praefecti  urbis).  12  (libri  sibyl- 
lini).  16  (leges  fenebres).  21  f.  (Astrologie).  XI,  22  (Quästur).  Reden  von 
dem  Umfange  derer  im  Agr.  kehren  in  den  späteren  Schriften  gleichfalls 
nicht  wieder ;  kürzere  z.  B.  H.  I,  83  f.  II,  76  f.  IV,  42.  58.  64  f.  73  f.  A.  I, 
42  f.  58  f.  II,  37  f.  71.  IH,  12.  50.  IV,  34  f.  37  f.  V,  6.  VI,  8;  in  or.  obliqua 
A.  11^  14  f.  45  f.  Darlegung  der  Beweggründe  des  Handelns  in  Rede  und 
Gegenrede  z.  B.  A.  II,  76  f.  Urkunden  (bes.  Briefe)  A.  IH,  16.  53  f.  IV,  39  f. 
Wie  hierin  seine  Behandlung  wesentlich  die  rhetorische  ist,  so  auch  in 
seiner  Geringschätzung  des  Details.  A.  III,  65:  exequi  sententias  (Senats- 
abstimmungen) haud  institiü  nisi  insignes  per  honestimi  aut  notabili  de- 
decore,  quod  praecipuum  munus  annalium  reor  ne  virtutes  sileantur  utque 
pravis  dictis  factisque  ex  posteritate  et  infamia  metus  sit.  Vgl.  XIH,  31 
(cum  ex  dignitate  populi  rom.  repertum  sit  res  illustres  amlalibus,  talia 
diurnis  urbis  actis  mandare).  Namentlich  auf  die  militärischen  Operationen 
wird  geringe  Sorgfalt  verwendet. 

15.  Leidenschaftlich  wird  Tacitus  nie;  diess  wäre  ein  schwerer  Ver- 
stoss gegen  die  römisch-aristokratische  Grandezza  und  würde  ebenso  wenig 
stimmen  zu  der  Gedrücktheit  der  Zeit  in  welcher  er  lebte  und  schrieb. 
Sein  Ton  ist  daher  bei  aller  Gehobenheit  doch  zugleich  gedämpft  und  lässt 
sich  weder  durch  Hass  noch  Abscheu  oder  Verachtung  über  die  Linie  des 
Masses  hintiusdrängen.  Auch  theilt  Tac.  die  Scheu  der  Rhetorik  vor  den 
eigentlichen  Ausdrücken,  und  hässliche  Dinge  sind  seiner  vornehmen  Art 
zuwider.  Dagegen  verschmäht  er  weder  rhetorische  noch  poetische  Blumen; 
namentlich  an  Vergil  finden  sich  viele  Anklänge;  s.  E.  Wölfflin,  Philologus 
XXVr.  S.  130—132.    A.  Dräger,  Syntax  u.  Stil  des  Tac.  S.  104—106. 


742  .  I^ie  Kaiserzeit.    Erstes  Jahrhundert.    Traianus. 

16.  Die  Haupteigenthümlichkeiten  des  Stils  vqp  Tacitus  sind  (nach 
W.  Bötticher)  varietas,  brevitas,  poeticus  color.  Dass  diese  nicht  von  An- 
fang an  in  gleichem  Masse  und  gleicher  Weise  vorhanden  sind,  überhaupt 
der  Stil  des  Tac.  erst  in  deil  Annalen  die  Höhe  seiner  Eigenthümlichkeit 
erreicht  hat,  und  dass  er  auch  nach  Stimmung  und  Gegenständen  (z.  B. 
Erzählung  oder  Reden)  mehrfach  variiert,  ist  schon  öfters  bemerkt,  im 
Einzelnen  aber  nachgewiesen  worden  durch  E.  Wölfflin,  Philologus  XXV. 
S.  92—128.  133  f.  Sonstige  Literatur  über  Stil  und  Sprache  des  Tacitus: 
Lundblad  (Lund  1789.  4.),  J.  G.  Buhle  (Braunschweig  1817),  Günther  im 
Athenäum  ü,  2.  S.  262  ff.  J.  E.  Wernicke,  de  elocutione  Taciti,  Thorn 
1829.  4.  1830.  8.  K.  L.  Roth,  Tac.  synonyma  et  per  figuram  £v  dia  dvoCv 
dicta,  Nürnberg  1826.  4.  und  in  den  Excursen  zu  seiner  Ausg.  des  Agricola. 
N.  Bach  vor  dem  zweiten  Bd.  seiner  Ausgabe.  W.  Bötticher,  Lexicon  Taci- 
teum;  Berlin  1830.  L.  Döderlein,  vor  seiner  Ausg.  II.  1847.  p.  XXII— L VIII. 
Jungclaussen ,  de  Tac.  sermonis  proprietate,  Kiel  1848.  4.  C.  J.  Grysar, 
Andeutungen  über  die  Eigenthümlichkeiten  in  der  Darstellung  und  Lati- 
nität  des  Tac,  Zeitschr.  f.  Ostreich.  Gymn.  IV.  1853.  S.  1—42.  Nipperdey 
vor  seiner  Ausg.  der  Ann.  S.  XX  —  XXIV.  C.  Göbel,  de*  poetico  Tacitei 
stili  colore,  Berlin  1859.  39  pp.  8.  P.  Joachim,  nonnulla  de  elocutione 
Taciti,  I.  Görlitz  1862.  4.  U.  Zernial,  selecta  quaedam  capita  ex  genetivi 
usu  Taciteo,  Göttingen  1864.  96  pp.  8.  und  Nonnulla  de  elocutione  T.,  Burg 
1868.  4.  F.  Hüttemann,  de  usu  subiunctivi  relativi  et  absoluti  apud  Taci- 
tum,  Münster  1864.  Ph.  Spitta,  de  Tac.  in  componendis  enuntiatis  ratione,  1. 
Göttingen  1866.  160  pp.  8.  E.  Wölfflin,  ein  verkannter  Gräcismus  bei  Tac. 
(tamquam  und  quasi  =  cag),  Philologus  XXIV.  S.  115 — 123.  M.  Morgenroth, 
de  condicionalium  sententiarum  apud  Tac.  formatione,  Salzungen  1868. 
P.  Czensny,  de  infinitivo  Tac.  I.  Breslau  1868.  R.  Schmidt,  de  ellipsi  ta- 
citina,  Hamburg  1870.  17  pp.  4.  A.  Greef,  de  praepositionum  usu  ap.  Tac.  I. 
Gotting.  1869.  56  pp.  A.  Gerber,  nonnulla  de  usu  praeposit.  ap.  Tac., 
Glückstadt  1871.  31  pp.  4.  H.  C.  Mauö,  de  praepos.  Ad  usu  taciteo,  Götti. 
1870.  72  PI).  A.  Gerber,  de  particularum  quadam  in  sermone  Taciti  pro- 
prietate, Kaschau  1863.  4.;  und  De  particula  an,  Pcsth  1865.  4.  C.  Sirker, 
taciteische  Formenlehre,  Berlin  1871.  64  S.  A.A.  Dräger,  über  Syntax  und 
Stil  des  Tac.,  Leipzig  1868.  Storch,  Bemerkungen  zur  Grammatik  des  Tac., 
Memel  1868.  4. 

,  17.  Literatur  über  Tacitus  im  Allgemeinen.  Meierotto  de  .  .  Taciti 
moribus,  Berlin  1790.  fol.  Hegewisch,  über  den  schriftstollerischon  Charak- 
ter des  Tac,  in  seinen  historischen  und  liter.  Aufsätzen  (Kiel  1801)  S.  70  ff. 
.J.  S.  Gestrich,  diss,  de  vita  et  scriptis  Taciti,  Lund  1805.  W.  Bötticher,  de 
vita,  scriptis  ac  stilo  Taciti,  Berlin  1834.  N.  Bach,  Corn.  Tac,  eine  biogra- 
phische Untersuchung,  Allg.  Schulztg.  1831.  II.  Nr.  105  —  109;  nebst  den 
Nachträgen  dazu  Ebds.  1832.  Nr.  129  f.,  auch  vor  seiner  Ausgabe  T.  I.  Conz, 
über  die  historische  Kunst  der  Alten,  im  Museum  für  classische  Literatur 
(Zürich  1795),  S.  151  ff.  Ancillon,  Me'langes  (Paris  1809)  1.  p.  239  ff.  F.  Roth, 
über  Thukydides  und  Tacitus  vergleichende  Betrachtungen,  München  1812.  4. 
=  Sammlung  etlicher  Vorträge  (Frankfurt  1851)  S.  1  ff.  Süvern,  über  den 
Kunstcharakter  des  T.,  in  den  Abh.  der  Berl.  Akad.  1822—23.  (Berlin  1825) 
S.  73—136.     K.  Th.  Welcker,  Festreden   u.  s.  w.  (Freiburg  1828)   S.  68  ff. 


328  f.    TacituB.    Leben  und  Charakter.    Schriften:  dialogus.         743 

• 
K.  IIofFmeister,  die  Weltanschauung  des  T.,  Essen  1831.    Lerminier,  fitudes 

d'hißtoire  I.  p.  188  iF.  A.  C.  v.  Heusde,  comm.  de  Hooftio  et  Tacito,  Gro- 
ningen 1838.  4.  N.  Liebert,  de  doctrina  Taciti,  Würzburg  1868.  W.  Böt- 
ticher,  Prolegomena  vor  seinem  Lexicon  Taciteum  (Berlin  1830)  p.  I — CII; 
Prophetische  Stimmen  aus  Rom,  oder  das  Christliche  im  Tac.  u.  s.  w.,  Berl. 
1840.  3  Thle.  R.  v.  Bosse,  über  und  wider  T.  den  Geschichtschreiber,  in 
Jahn's  Archiv  XI.  S.  452 — 467.  F.  D.  Gerlach,  römische  Geschichtschreiber 
(Stuttgart  1855)  S.  197 — 207.  Th.  Finck  vor  seiner  Ausgabe  der  Germania 
(1857)  S.  1—224.  P.  Dubois-Guchan,  Tacite  et  son  siöcle,  Paris  1862.  2  Bde. 
F.  Savalcte,  fitude  sur  Tacite,  Paris  1864.  Daunou  in  der  Biographie  uni- 
verselle XLIV.  p.  185  ff.  Naudet  in  Höfer*s  Nouvelle  biographie  generale 
XLIII.  W.  Teuffei  in  Pauly's  Real-Enc.  VI,  2.  S.  1568—1578  und:  Ueber 
Sallustius  und  Tacitus  (Tübi.  1868.  4.)  S.  22—47.  Nipperdey  (S.  IH— XXIV) 
und  F.  Haase  vor  ihren  Ausgaben. 

329,    Die    erhaltenen    Schriften    des  Tacitus  sind   in   der3l6 
*  Ordnung  ihrer  Abfassung  folgende: 

1)  Dialogus  de  oratoribus,  verfasst  unter  Titus  oder  zu 
Anfang  der  Regierung  des  Domitian,  ein  Versuch  den  Zerfall 
der  Beredtsamkeit  seit  der  Kaiserzeit  zu  erweisen  und  zu  erklären, 
eingekleidet  in  die  Form  eines  Gespräches  zwischen  literarischen 
Berühmtheiten  der  Zeit  des  Vespasian.  Die  geistreiche  Schrift 
zeigt  dieselben  sittlichen  und  politischen  Grundanschauungen, 
dieselbe  Feinheit  ^er  psychologischen  Beobachtung  und  Charakter- 
zeichnung wie  die  späteren  Arbeiten  des  Tacitus;  aber  die  Schärfe 
ist  noch  nicht  zur  Bitterkeit  geworden;  sie  lässt  sogar  noch 
künstlerischer  Heiterkeit  Raum.  In  ihrer  Stilisierung  ist  die 
Schrift  ein  anziehendes  Denkmal  derjenigen  Periode  des  Tacitus 
wo  er,  frisch  vom  Studium  der  rhetorischen  Schriften  Cicero's 
herkommend,  deren  Fülle  und  Rundung  nachzubilden  suchte. 
Nichtsdestoweniger  verräth  sie  in  unzähligen  Wendungen  und 
Constnictionen  unwillkürlich  den  Schriftsteller  des  ersten  christ- 
lichen Jahrhunderts  und  hat  auch  mit  den  nächstverfassten  Schrif- 
ten des  Tacitus  sehr  viele  Berührungspunkte.  Uebrigens  stammen  [ 
alle  auf  uns  gekommenen  Handschriften  aus  derselben  Quelle,  und 
haben  daher  alle  am  Schlüsse  von  c.  35  dieselbe  grössere  Lücke. 

1.  Die  einseitige  Hervorhebung  der  Abweichungen  der  Schrift  von  der 
späteren  taciteischcn  Schreibweise,  unter  Verkennung  ihrer  Erklärungsgründe 
und  der  fast  nicht  minder  grossen  ücbereinstimmung  (welche  neuerdings 
besonders  von  Fr.  Weinkaüff  im  Einzelnen  nachgewiesen  worden  ist),  hat 
seit  J.  Lipsius  Viele  veranlasst  den  dialogus  dem  Tacitus  abzusprechen  und 
an  allen  möglichen  andern  Verfassern  herumzurathen,  wie  dem  Jüngern  Pli- 
nius  (Eckstein  Prolegg.  p.  46  ff.    Fr.  Hesse,  de  Plinio  minore  dialogi  de  orr. 


744  Die  Kaiserzeit.    Erstes  Jahrhundert.    Traianus. 

auctore,  Magdeburg  1831.  4.  A.  Wittich  in  Jahn's  Archiv  1839.  V.  S.  259—292. 
J.  J.  Kramarczik,  Heiligenstadt  1841.  4.),  Sueton  (Eckstein  p.  44  ff.),  Quin- 
tilian  (Eckstein  p.  52  ff.),  ynd  doch  bezeugt  —  worauf  zuerst  A.  G.  Lange, 
Vermischte  Schriften  p.  5 — 7,  aufmerksam  gemacht  hat  —  Plinius  selbst, 
und  in  einem^  Briefe  an  Tacitus  selbst,  den  taciteischen  Ursprung,  da  Ep. 
IX,  10,  2  (poemata  quiescunt,  quae  tu  inter  nemora  et  lucos  commodissimc 
perfici  putas;  vgl.  ib.  I,  6,  2  f.)  unverkennbar  auf  dial.  9.  12  hindeutet. 
In  der  ganzen  Zeit  ist  Niemand  dem  wir  das  Talent  und. den  Charakter  zu- 
trauen dürften  dass  wir  ihn  für  den  Verfasser  des  dialogus  halten  könnten. 
Wohl  aber  hat  dieser  in  allem  was  über  der  ciceronisierenden  Oberfläche 
hinausliegt  die  grösste  Aehnlichkeit  mit  den  übrigen  taciteischen  Schriften. 
Daher  stimmen  heutzutage  so  ziemlich  alle  Forscher  für  den  taciteischen 
Ursprung  der  Schrift.  Literatur  über  die  Frage.  A.  G.  Lange,  in  den 
acta  semin.  Lips.  I.  p.  77  ff.  =  Vermischte  Schriften  p.  3 — 14  ^  vorDronke's 
AusgaTDe  p.  XVI  ff.  H.  Gutmann,  diss.  qua  Tacitum  dialogi  de  or.  scripto- 
rem  non  esse  demonstratur ,  in  Orelli's  Ausgabe  p.  101  ff.;  in  seiner  Ueber- 
setzung  (Stuttgart  1830)  S.  145  ff.,  und  in  Jahn's  Archiv  XV.  S.  139—166 
(über  A.  Düpr^'s  Beweis  dass  der  Dialog  etc.  von  Tacitus  geschrieben  sei). 
F.  A.  Eckstein,  Prolegg.  p.  62  ff.  H.  C.  A.  Eichstädt,  de  dialogo  qui  in- 
scribitur  de  orr.,  Jena  1839.  4.  W.  Teuffei,  in  Jahn's  Jahrbb.  LX'XVII.  S. 
285  f.  und  Studien  u.  Char.  S.  437  —  439.  Fr.  Weinkauff,  de  Tacito  dialogi 
de  or.  auctore,  Cöln  1857  und  1859.  4.  J.  G.  Ek,  der  gegenwärtige  Stand 
der  Frage  nach  dem  Verfasser  des  dialogus,  in  der  dänischen  Zeitschrift 
für  Philologie,  Juli  1859,  S.  1—11  (Philologus  XV.  S.  191  f.).  H.  Sauppe,  im 
Philologus  XIX.  S.  256—263  nebst  J.  Classen  in  der  Zeitschrift  Eos  L  (1864) 
S.  1  ff .  J.  W.  Steiner,  über  den  dial.  de  or.  des  Tacitus,  Kreuznach  1863. 
36  S.   4. 

2.  Die  Zeit  des  Gespräches  (zwischen  Curiatius  Maternus,  M.  Aper,  Ju- 
lius Secundüs  und  Vipstanus  Messala)  wird  c.  17  in  sextam  iam  (J.  75  =  828; 
L.  Urlichs  imFestgruss  der  Würzburger  philol.  Ges.,  Würzburg  1868,  S.  1 — 16: 
VIP",  also  J.  76)  felicis  huius  principatus  stationem  qua  Vespasianus  remp. 
t'ovet  gesetzt.  Damals  will  der  Verf.  iuvenis  admodum  gewesen  sein  (s.  oben 
328,  4),  war  also  zur  Zeit  der  Abfassung  viel  älter.  Auch  spricht  der  Frei- 
mut welcher  in  der  Schrift  bewiesen  ist  für  die  Abfassung  unter  einem 
milden  Regenten,  etwa  unter  Titus,  J.  81,  oder  in  der  letzten  Regierungs- 
zeit Vespasian's,  spätestens  in  den  ersten  (guten)  Jahren  des  Domitian. 
Genauere  Anhaltspunkte  für  Bestimmung  ihrer  Abfassungszeit  bietet  die 
Schrift  nicht;  doch  muss  sie  der  Abfassung  des  Agricola  ziemlich  voraus- 
liegen, da  in  diesem  bereits  wesentlich  verschiedene  stilistische  Grundsätze 
und  Muster  befolgt  sind.    Vgl.  W.  Teuffei,  Studien  u.  Char.  S.  439  —  441. 

3.  Neben  dem  allgemeinen  culturhistorischen  Zwecke  verfolgt  die  Schrift 
wohl  auch  noch  einen  persönlichen,  die  Gründe  anzugeben  warum  Tacitus, 
trotz  seiner  umfassenden  rednerischen  Studien  und  Uebungen,  schliesslich 
doch  nicht  der  Laufbahn  des  Redners  sich  vorzugsweise  zugewendet,  son- 
dern die  stille  Wirksamkeit  des  Gelehrten  und  Schriftstellers  vorgezogen  hat. 
Die  Einwirkung  jener  Vorbildung,  hauptsächlich  im  Anschlüsse  an  Cicero, 
zeigt  sich  am  stärksten  im  dialogus  (vgl.  A.  Dräger,  über  Syntax  und  Stil 


329.    Tacitus.   Schriften:  dialogus.  745 

des  Tac.f  S.  103  f.) ;  aber  auch  in  den.  späteren  Scliriften  des  Tacitus  ist  sie 
vorbanden,  nur  in  immer  abnehmendem  Masse,  bis  das  späteste  Werk  des- 
selben, die  Annalen,  auf  dem  entgegengesetzten  stilistischen  Frincip,  der 
Zerhacktheit  und  epigrammatischen  Zuspitzung,  angelangt  ist. 

4.  Die  Quelle  sämmtlicher  Handschriften  des  dialogus,  sowie  der 
Germania  und  des  suetonischen  Bruchstückes  de  grammaticis  et  rhetoribus, 
ist  mittelbar  eine  Fuldaer  Hds.  saec.  VIII  oder  IX,  unmittelbar  aber  eine 
Abschrift  von  dieser  (etwa  aus  saec.  XIII),  welche  Henoch  aus  Ascoli  wahr- 
scheinlich im  Kloster  Hersfeld  fand  (L.  Urlichs,  Eos  Ü.  S.  230.  351  ff.)  und 
(wohl  nur  in  einer  Abschrift,  X)  um's  J.  1457  nach  Italien  brachte,  wo  der 
Fund  alsbald  weiter  vervielfältigt  wurde.  Daraus  stammt  Vaticanus  1862 
(A,  bei  Reifferscheid  V)  und  (durch  Vermittlung  der  Abschrift  des  Pontanus) 
Leidensis  XVIII  (B ,  bei  Reifferscheid  L) ,  aus  einer  mit  mehr  Verstand  und 
Willkür  angefertigten  (Y)  die  übrigen,  insbesondere  der  Neapolitanus  oder 
Farnesianus  (C,  bei  Reifferscheid  N).  Vgl.  unten  331,  5.  Reifferscheids  Sue- 
ton  p.  409—417.  A.  Michaelis  vor  s.  Ausg.  des  dial.,  bes.  p.  VIII— XIX.  — 
G.  Thomas,  über  einen  codex  Venetus  zum  Dialog  und  zur  Germania  des 
Tacitus,  Münchner  Gel.  Anz.  1853,  Nr.  1  f. 

5.  SondiBrausgaben.  Cum  varr.  notis  ed.  E.  Benzel,  üpsala  1706.  Rec. 
et  illustr.  C^  A.  Heumann,  Gotting.  1719.  Ed.  et  ill.  I.  H.  A.  Schulze,  Lips. 
1788.  Text  von  G.  Seebode,  Gotting.  1813.  Hannover  1816.  Rec.  et  annot. 
instr.  E.  Dronke,  Coblenz  1828.  Rec.  et  ann.  crit.  instr.  F.  Osann,  Giessen 
1829.  Repurg.  op.  J.  C.  Orelli,  Zürich  1830;  cum  nova  coUatione  cod.  Pe- 
rizoniani  (Leidensis),  Zürich  1846.  4.  Ed.  illustr.  W. 'Bötticher,  Berol.  1832. 
Recogn.  Fr.  Ritter,  Bonn  1836.  1859.  Recogn.  var.  lect.  et  ann.  instr.  Ph. 
C.  Hess,  Lips.  1841.  Mit  erkl.  Anm.  von  C.  Ph.  Pabst,  Leipzig  1841.  Ed. 
L.  Tross  (mit  der  Germania),  Hamm  1841.  Ad  Codices  denuo  conlatos  re- 
cogn. A.  Michaelis,  Lips.  1868. 

6.  Beiträge  zur  Textkritik  von  Dryander  (Coniecturae  in  dial.  de  orr., 
Halle  1851.  4.),  L.  Spengel  (Spec.  emend.,  München  1852.  4.  p.  9— -15),  C.  L. 
Roth  (Stuttgarter  Correspondenzblatt  1854,  S.  9  —  16.  19—25),  L.  Schopen 
(Diorthotica  in  Tac.  dial.,  Bonn  1858.  4.  u.  Anfang  einer  Ausg.  ex  rec.  L. 
Seh.,  Lips.  1859!  16  pp.),  Nipperdey  (Rhein.  Mus.  XIX.  S.  270—292.  559— 
590),  C.  Halm  (in  Fleckeisens  Jahrbb.  LXXXIX.  S.  148  —  151),  F.  Ritter 
(Rhein.  Mus.  XX.  S.  518—532.  XXI.  S.  534—550),  G.  Andresen  (in  Ritschis 
Acta  soc.  phil.  Lips.  I,  1.  1871.  p.  103  —  182),  K.  Meiser  (Eichstätt  1871) 
S.  5—34. 

7.  J.  F.  Klossmann,  Prolegomena  in  Dial.,  Breslau  1819.  8.  1833.  4. 
F.  A.  Eckstein,  Prolegomena  in  Tac.  qui  v.  f.  dial.,  Halle ,1885.  4.  A.  Gö- 
ring,  diss.  de  dial.  d.  o.  praestantia,  Lübeck  1829.  4.  G.  F.  Strodtbeck, 
ostenditur  Materninae  personae  in  d.  d.  o.  obviae  vultus  ironious,  Heil- 
bronn 1831.  4.  A.  Westermann,  Gesch.  der  röm.  Beredtsamkeit  S.  233— 
241.  Vidal,  in  Tac.  d.  d.  o.  disputatio,  Paris  1850.  F.  Deycks,  de  dial. 
Tac.  d.  or.,  Münster  1856.  4.  A.  Schaubach,  de  vocum  quarundam  quae 
in  T.  dialogo  leguntur  vi  ac  potestate,  Meiningen  1857.  P.  Voss  in  der 
Tidskrift  for  Philologi  VII.  Vgl.  oben  A.  1  und  die  Einleitungen  vor  den 
meisten  Ausgaben  und  Uebersetzungen,  sowie  vor  ßöttichers  Lexicon  Taci- 


746  Die  Kaiflorzeit    Erates  Jahrhundert.    Traianus, 

teum  p.  VJll— XIH.    Andresen,  d.  dial.  d.  T.  als  Scbullcctöre,  Bert,  Ztschr, 
f.  Gynin.   1871,   8.  305  —  328. 

8.  UeLorBCtzungen  ilee  JialoguB  von  Naat  (Halle  1787),  Hübsch  (mit 
einem  Real  com  menUr,  Nürnberg  I8-S7),  Itomback  (Ehingen  1866.  4.);  mit 
Agricola  und  Germania  von  W.  S.  Teuffet  (Stuttgart  1858  f.). 

1^  330.  2}  De  vita  et  moribus  lulii  Agricolae  liber,  eine 
Biographie  des  Schwiegervaters  von  Tacitus,  verfasst  zu  Anfang 
der  Regierung  Trajan's,  J.  08  n.  Chr.  Durch  den  stark  rheto- 
rischen Charakter  seiner  Anlage  wie  Ausführung  erinnert  das 
Werk  an  die  laudationes  fuaebres  und  an  die  Weise  des  Sallu- 
etiuB,  mit  welchem  es  auch  den  monographischen  Charakter,  die 
Gleicligitltigkeit  gegen  das  äusserlich  Geschichtliche  und  zahl- 
reiche einzelne  Wendungen  gemein  hat.  Aber  auch  an  Cicero- 
nisches  enthält  die  Schrift  noch  Anklänge.  Im  Allgemeinen  ist 
de^  historische  Stil  noch  wenig  entwickelt,  dafür  aber  eine  wohl- 
thuende  Wärme  gemütlicher  Theilnahme  illjer  das  Ganze  verbreitet. 

1,  Agr.  ^:  quaniquatn  .  .  angcat  quotidic  felicitatcm  tcmpornm  Ncrva 
Tiaianiis;  vgl.  44:  diirarc  in  haue  fclicisüimi  Bocciili  Inccm  ac  principem 
Traianiim  vidore.  Trajan  war  also  bereits  princfiia  (nicht  mehr  bloB  CacRai-), 
somit  Ncrva  todt  (f  27,  Jan.  98),  wogegen  nichts  beweist  dauB  ur  nicht 
divus  genannt  wird;  a.  L.  Uilicha,  Agr.  p,  7.  Der  Schhixa  doa  gehamiach- 
ten  Vorworts  (c.  S  extr.)  atcllt  ein  grÜBsei-ea  ge^chichtlichea  Werk  über  Do- 
mitians  Regierung,  sowie  ober  die  Zeit  dea  Ncrva  und  Trajan  (tiho  die 
Historien)  in  Aussicht,  wofür  diese  Schrift  nur  eine  vorläußgo  Abschlags- 
Kahlung  ecin  solle. 

2.  Wie  die  ciccronjschc  l'erioüe  de»  Tacitus  durch  den  L  alogu      so 
ist  seine  sallustiitchc  hauptHi'ichlich  durch  den  AgrIcoU  luid  d     Germ  a 
vertreten ,  doch  so  dasa  auch  jeno  erstcre  noch  immer  fortw  kt    ahe 
abnehniendcm  Maaae.    So  hat  der  Schluaa  von  Agr.  44  und  d      A  fang     on 
c.  45  grosse  Aehnhchkcit  mit  Cic.  de  or.  Hl,  2,  8.  3,  10  f.,  auch    |u  ca     t 
otium  (c.  G,  21.  42  =  Cic.  de  leg.  agr.  11,  37,  102)  und  forma  a    figura  an 
mi  (Agr.  46)  sind  ganz  ciceroniachc  Wendungen  (TnHC,  I,  16      7     nd  sonst) 
wie  es  überhaupt  nicht  an  Flconaatischcm  fehlt  (E.  IlQbnc     m  H  rmes  T 
S.  446  f.),    so   wenig  ala   an  reriodologiacbeni   (c.   16.  IS.  'ib    a)       nl   c    4 
extr.  erinaort  an  Cic.  pro   Mur.  31,  66.     Zahlreicher  aind   fr    1    l    j  tzt  d 
Züge  welche  an  Sallust  erinnern,   und  dessen  Einfluss   macht      ch     n   all 
weiteren  Schriften  des  l'acitua  mehr  oder  weniger  geltend    s    W   1  uffol 
vor  der  Uebersetaung  (1853),  S.  131  mit  Anm.    Bemays,  Rhe  n    M  e   XVI 
S.  313  f.,  Anm.,  nnd  besonders  E.  Wölfflin,  PhilologuB  XXVI,  8.  122—129; 
auch   A.   Gerber  im   Leutachaner  Programm    1861,    S.  ]3  fF.     Agricola   und 
Germania  verhalten  sich  zu  den  Ilistoriae  des  'l'acitua  wie  Sallust's  Catilina 
und  lugurtha  zu  desBcn  Historiae.    Vgl.  L.  TIrlicha   in  der  Eos  1.   S.  649  tF. 
An   Sallust  hat   Tacitus   offenbar   seinen  historiachcn   Stil   gebildet;   und  so 
groaa  die  Virtuosität  ist  welche  Tacitus  in  der  ihm  eigen thüm liehen  Weise- 


330.    Tacitus'  Agricola.  747 

allmählich  erlangt  hat,  so  hat  er  sie  doch  erst  stufenweise  erreicht,  und 
der  Agricola  stellt  diejenige  Stufe  dar  auf  welcher  seine  Selbständigkeit 
noch  verhältnissmässig  kleiner  war.  Er  ist  ein  rhetorisch -psychologisches 
Gemälde  ganz  in  der  Weise  des  Sallust,  mit  dessen  Proömieü,  eingestreu- 
ten Reden  und  Excursen,  seinem  geringen  Interesse  für  Zahlen-  und  Zeit- 
Angaben  (c.  41  f.),  mit  Antithesen  und  aridem  Figuren,  auch  einem  regel- 
rechten Epilog.  Nur  darf  man  deswegen  nicht  (mit  E.  Hübner,  Hermes  J. 
S.  438 — 448)  der  Schrift  den  Charakter  einer  Biographie  absprechen  und 
ausschliesslich  den  einer  laudatio  funebris  vindicieren:  sie  ist^eine  rhetorisch 
gehaltene  Biographie  mit  'allgemein  geschichtiichen  Ausblicken.  Die  Rede 
des  Calgacus  (c.  30)  erinnert  besonders  stark  an  Sallust  (Cat.  58,  17  f.  und 
den  Brief  des  Mithridates) ;  aber  auch  sonst  lesen  sich  lange  Partien  (wie 
c.  18  ff.)  ganz  sallustisch,  und  allenthalben  sind  sehr  viele  Einzelnheiten 
theils  Reminiscenzen  aus  Sallust  theils  Variationen  nach  ihm.  Vgl.  Urlichs 
de  vita  Agric.  (1868)  p.  4  f.  Dergleichen  findet  sich  zwar  auch  noch  in 
den  Annalen,  aber  verhältnissmässig  am  zahlreichsten  doch  im  Agricola. 
—  Die  historische  Studie  über  Britannien  und  die  früheren  römischen  Züge 
dorthin,  (c.  10 — 17)  hat  Tacitus  später  (Ann.,  bes.  XIV,  29  ff.)  frei  verwendet 
und  manchfach  berichtigt  und  erweitert. 

3.  Der  Text  des  Puteolanus  galt  lange  für  die  einzige  authentische 
Ueberlieferung.  Durch  Wex  ist  aber  nachgewiesen  worden  dass  dessen  Co- 
dex nichts  Anderes  enthielt  als  was  die  beiden  vaticanischen  Handschriften 
aus  der  zweiten  Hälfte  des  löten  Jahrh.  geben  durch  die  uns  der  Agricola 
erhalten  ist,  Vat.  4408  =  A  bei  Wex,  d  bei  Halm,  und  Vat.  3429  =  T  bei 
Wex,  g  bei  Halm,  und  dass  alle  Abweichungen  hievon  entweder  als  Con- 
jecturen  des  Puteolanus  oder  als  Fehler  seines  Abschreibers  oder  Setzers 
zu  betrachten  sind.  Vgl.  L.  Spengel,  Münchner  Gel.  Anz.  1853,  Nr.  25 — 27, 
und  Spec.  emendationum  in  Tac,  München  1852.  4.  p.  15.  6.  Kämmerer, 
de  indole  ac  pretio  codd.  mss.  Tac.  Agr.  et  edd.  vett.  usque  ad  Lipsium, 
Breslau  1842.  f  hat  die  üeberschrift  Cornelii  Taciti  de  vita  et  moribus 
Julii  Agricolae,  A  Cai  Coriieli  T.  de  v.  et  m.  I.  A.  Für  einzelne  Stellen 
können  die  Randbemerkungen  von  f  (M  bei  Wex)  in  Betracht  gezogen  wer- 
den; Schenkl,  Zeitschr.  f,  d.  Ostreich.  Gymn.  XU.  S.  421 — 437.  J.  Müller, 
Innsbruck  1863.  4. 

4.  Ausgaben  und  Bearbeitungen:  hinter  den  Panegyrr.  latt.  von  F. 
Puteolanus,  Mailand  1476?  4.  Per  Phil.  Pinci,  Venet.  1497.  fol.  A  M.  Vir- 
dungo,  Nürnberg  1637.  Cum  notis  Boxhornii  ed.  J.  A.  Bosius,  Jena  1664. 
Cum  notis  Buchneri  ed.  C.  Schubart,  Lipp.  1683.  Ed.  M.  Engel,  Lips.  1788. 
Lat.  und  deutsch  von  J.  Ch.  Schlüter,  Duisburg  1808.  C.  F.  Renner  und 
J.  C.  Fincke,  Götti.  1802;  zweite  Aufl.  von  A.  Schlegel,  Göttingon  1816. 
Obss.  ill.  N.  J.  Bloch,  Kopenhagen  1814.  Ed.  E.  Dronke,  Coblenz  1824; 
ed.  2.  Fulda  1843.  Ed.  E.  H.  Barker,  London  1824.  Textum  rec.  et  ad  ^ 
fid.  cod.  Vat.  emend.  U.  J.  H.  Becker,  Hamburg  1826.  Ed.  F.  G.  V.  Hertel, 
Lips.  1827,  Ed.  et  ann.  ill.  P.  Hofman-Peerlkamp,  Leyden  1827;  ed.  IL  1864. 
Urschrift,  Uebersetzung,  Anmerkungen  durch  G.  L.  Walch,  Berlin  1828.  Mit 
Erläutt.  und  Excursen  von  C.  L.  Roth,  Nürnberg  1833.  Recogn.  F.  Ritter,  Bonn 
1836.  ed.  HI.  1852.  Breviann.  expl.  F.  Dübner,  Paris  1843.  1866.  12.  Ad  fidem 


748  Die  Kaiserzeit.  Erstes  Jahrhundert.   Traianus. 

codicum  denuo  collatonim  reo.  et  commentariis  enarravit  F.  C.  Wex,  Braun- 
schweig  1862.  338  pp.  Ex-Wexii  rec.  recognovit  et  perpetua  annotatione 
illustravit  Fr.  Kritz,  Berlin  1869.  1866.  Erklärt  von  C.  Tuecking,  Pader- 
born 1869.    Schulausgabe  von  A.  A.  Trftger,  Leipzig,  Teubner  1869. 

6.  unter  den  Uebersetzungen  ist  bemerkenswerth  die  französische  von 
N(apoleon).  L(oui8).  B(onaparte).,  Florenz  1829.  4.  Deutsche  auch  von  L. 
Döderlein  (mit  Rechtfertigungen,  Aarau  1817),  H.  W.  F.  Klein  (Mönchen 
1825),  Nissen  (mit  Einleitung  und  Commentar,  Hamburg  1847),  Voigtland 
(Schleusingen  1862.  4.),  A.  Bacmeister  (Stuttgart,  Neff,  1872). 

6.  Abhandlungen  zur  Textkritik  von  Brüggemann  (Düsseldorf  1824), 
Eichstädt  (Jena  1830),  E.  Foss  (Altenburg  1837.  4.),  Fr.  Brandes  (Rostock 
1838.  4.),  Gemhard  (Weimar  1838.  4.),  Heimburg  (Jena  1839),  Wex  (Bei- 
träge zur  Kritik  u.  Erkl.  von  Tac.  Agr.,  Schwerin  1840.  4.),  Pfitzner  (Neu- 
brandenb.  1842.  4.  Ztschr.  f.  Alt.  Wiss.  1847.  Nr.  13  f.),  E.  Dronke  (Fulda 
1842.  4.),  Ch.  G.  Herzog  (Gera  1843.  4.),  Seyffert  (Kreuznach  1846.  4.),  Hutter 
(München  1849.  4.),  J.  G.  Schneider  (Coburg  1850  ff.  4.),  G.  ü.  Busch  (Rostock 
1853.  4.),  Fr.  Kritz  (de  glossematis  falso  Taciti  Agricolae  imputatis,  Erfurt 
1857.  4.),  J.  Müller  (Fiume  1858.  4.),  A.  J.  F.  Henrichsen  (lat.  und  deutsch, 
mit  krit.  u.  erkl.  Anm.,  Altena  1868.  74  S.  4.  H,  1.  Altona  1871,  48  S.  4.), 
G.  F.  Schümann  (Greifswald  1859.  4.),  G.  Liep  (Kreuznach  1861.  4.),  C.  Nip- 
perdey  (Rhein.  Mus.  XVIII.  S.  360—365.  XIX.  S.  97—113),  Fr.  Ritter  (ebds. 
XX.  S.  518—532),  J.  Classen  (Symb.  criticae,  P.  III,  Hamburg  1866.  4.),  S. 
Pfaff  (exegetisch-krit.  Bemerk,  zu  Agr.  1  u.  36,  Erlangen  1867.  4.),  L.  Ürlichs 
(Festgruss,  Würzburg  1868,  S.  6—8),  K.  Meiser  (Blätter  f  d.  bair.  Gymn. 
V,  3),  J.  Gantrelle  (c.  1—3;  Revue  de  l'instruction  publ.  en  Belgique  XIV. 
p.  333  —  363). 

7.  üeber  den  Agr.  vgl.  Niebuhr,  kleine  bist,  und  philol.  Schriften  I. 
S.  331  (nebst  N.  Bach,  Schulztg.  1831.  II.  S.  861  f.).  Weltmann  vor  sr. 
üebers.VI.  S.  34 — 46  (Prag  1817).  A.  Mohr,  Bemerkungen  zu  und  über  T. 
Agr.,  Meiningen  1823.  Walch,  über  die  Kunstform  d.  ant.  Biogr.  mit  be- 
sonderer Rücksicht  auf  d.  Agr.  des  T.,  vor  sr.  Ausg.  S.  XXXVIII— LXXIV. 
Hoffmeister,  Weltanschauung  d.  Tac.  S.  80  ff.  206  ff.  228  ff.  J.  Held,  com- 
mentat.  de  Agr.  vita  quae  vulgo  Tacito  adsignatur,  Schweidnitz  1845.  4. 
E.  Hübner,  Hermes  I.  (1866)  S.  438—448.  J.  Gantrelle,  sur  la  vie  d'Agr., 
Revue  de  Tinstr.  belgique,  1.  Mai  1870.  46  pp.  Em.  Hoffmann,  d.  Agr.  d. 
Tac,  Wien  1870.  36  S.  (Ztschr.  f.  Östr.  Gymn.)  u.  dagegen  C.  Hirzel,  über 
die  Tendenz  des  Agr.,  Tübingen  1871.  38  S.  4.  (Gymn.-Progr.). 

816  331.  3)  Germania,  eine  ethnographische  Einzelschrift,  ver- 
anlasst durch  das  hohe  Interesse  welches  dieses  Land  und  Volk 
für  die  damalige  Zeit  besass,  vielleicht  auch  durch  die  persön- 
liche Anschauung  zu  welcher  der  Verfasser  amtliche  Gelegen- 
heit gehabt  hatte.  Die  Ausführung  ist  durch  Gemütsanteil  wie 
Rhetorik  erwärmt  und  streift  oft  an  das  Sentimentale.  Obwohl 
weder  Kritik  noch  Unparteilichkeit  verleugnend,  stellt  der  Ver- 


330  f.    Tacitus'  Agricola  und  Germania.  749 

fasser  die  einfachen  Zustände  der  Germanen  gern  den  verwickel- 
ten und  verdorbenen  seiner  eigenen  Zeit  gegenüber. 

1.  Titel  im  Yat.  1862  und  Farnesianus:  Corn.  Tac.  de  origine  et  situ 
Germaniae;  ausführlicher  Pontanus:  Corneli  Taciti  de  origine,  situ,  mori- 
bus  ac  pöpulis  Germanorum  über.  Die  Schrift  zerfällt  in  zwei  Theile,  von 
denen  der  erste  in  commune  de  omnium  Germanorum  origine  ac  moribus 
handelt  (c.  27  extr.),  der  zweite  (c.  28—46)  über  die  einzelnen  Völkerschaf- 
ten. Im  letzteren  nimmt  der  Verfasser  seinen  Standpunkt  am  Bhein  und 
schildert,  landeinwärts  vorrückend,  die  Stämme  zuerst  in  der  Richtung 
von  .West  nach  Ost,  dann  (c.  35  ff.)  von  Nord  nach  Süd.  An  der  Donau 
angekommen  verfolgt  er  deren  Lauf  (c.  41),  und  schliesst  mit  den  ufern 
der  Ostsee.  Von  seinen  Quellen  nennt  er  nur  den  Caesar  (c.  28);  Spuren 
von  Quellenkritik  aber  auch  c.  3.  8.  27.  28.  33.  34.  41.  45.  Des  Plinius 
bella  Germaniae  (oben  307,  2)  sind  ohne  Zweifel  benützt.  Ueber  die  Aus- 
beutung des  Sallust  s.  R.  Eöpke,  zur  Quellenkritik  der  Germania,  in  seinen 
deutschen  Forschungen  (Berlin  1869)  S.  223—226,  und  Th.  Wiedemann,  in 
den  Forschungen  zur  deutschen  Geschichte  IV,  1  (1864)  S.  171  ff.  f  Nachtrag 
dazu,  ebd.  X.  (Götti.  1870)  S.  696—601.  C.  Breuker,  quo  iure  Sallustius 
Tacito  .in  describendis  Germanorum  moribus  auctor  fuisse  putetur,  Cöln 
1870.  14  pp.  4.  • 

2.  Da  c.  37  vom  erstem  Einfall  der  Kimbern  (J.  641  d.  St.)  bis  zum 
zweiten  Consulat  des  Trajan  (J.  98  =»  861  d.  St.)  210  Jahre  gerechnet  sind, 
so  muss  die  letzte  Bedaction  und  Herausgabe  der  Schrift  zwischen  J.  98  und 
das  dritte  Consulat  Trajans  (J.  100  n.  Chr.)  gesetzt  werden.  Dass  sie  trotz- 
dem Agr.  3  bei  den  literarischen  Planen  des  Tac.  nicht  mit  erwähnt  würd 
erklärt  sich  am  einfachsten  daraus  dass  sie  ursprünglich '  dazu  bestimmt 
war  einen  Excurs  der  Historiae  zu  bilden,  dann  aber  selbständig  bearbeitet 
und  herausgegeben  wurde,  theils  weil  der  reiche  Stoff  zu  der  Aufgabe  der 
Hist.  nicht  im  Verhältniss  gestanden  wäre,  theils  um  ihn  in  rhetorisch- 
paränetischer  Richtung  zu  verwerthen  (A.  3).  A.  Riese,  Eos  II.  S.  193—203. 
A.  Eussner,  Fleckeisens  Jahrbb.  1868,  S.  660. 

3.  Die  Germania  ist  weder  ein  Idyll  noch  ein  Roman  noch  eine  poli- 
tische Tendenzschrift  (z.  B.  um  dem  Trajan  von  einem  Feldzuge  gegen 
Germanien  abzurathen),  sondern  ein  Beitrag  zu  der  Aufgabe  die  A.  IV,  33 
ats  eine  anziehende  anerkannt  wird,  situs  gentium  describere,  wozu  schon 
der  Agr.  beigesteuert  hatte.  Aber  die  Art  der  Ausführung  ist  allerdings 
bezeichnend  für  Tacitus.  Wie  bereits  Horaz  (0.  III,  24,  9  ff.)  die  Skythen 
und  Geten  gegenüber  von  der  Verderbniss  Roms  in  ein  ideales  Licht  ge- 
rückt hatte,  so  verf^rt  hier  Tacitus  mit  den  Germanen.  Er  schildert 
diese  mit  fortwährendem  Hinblick  auf  seine  Zeit,  oftmals  hervorhebend 
was  Alles  die  Germanen  zu  ihrem  Glücke  nicht  kennen  (c.  8.  9.  11.  13.  18. 
19.  20.  24.  26.  27.  38).  Dabei  geräth  die  Schilderung  manchmal  in  einen 
weinerlichen  Ton  hinein  (z.  B.  c.  6.  7.  18. f.  27).  Doch  ist  der  Verfasser 
weit  davon  entfernt  die  Germanen  kurzweg  seiner  Zeit  als  Muster  vorzu- 
halten: er  erkennt  an  ihnen  vielmehr  wesentliche  Fehler  (c.  11.  16.  17  f. 
23  f.),  und  kehrt  (c.  33  vgl.  23)  ihnen  gegenüber  den  specifisch  rOmischen 


-^  't^.r^- 


750  Die  Kaiserzeit.    Erstes  Jahrhundert.    Traianus. 

Standpunkt  sogar  mit  Schroffheit  hervor.    Vgl.  A.  9  und  W.  Teuffers  Ein- 
leitung vor^derüebers.  (1859)  S.  132  f. 

4.  Der  rhetorische  Charakter  der  Darstellung  zeigt  sich  in  den  häufigen 
Sentenzen,  den  zahllosen  Fällen  der  Anaphora  (c.  11  sogar  mit  prout)  und 
andern  Figuren.  Vgl.  Mützell,  Ztschr.  f.  Gymn.  I  (1847)  S.  86  ff.  üeber  die 
Pleonasmen  der  Schrift  s.  C.  Halm,  Sitzungsberichte  der  Münchner  Akade- 
mie 1864,  S.  12  ff.  Auch  hier  noch  fehlt  es  nicht  an  Anklängen  an  Sallust 
(vgl.  Ph.  Hess,  variae  lectiones  et  observationes  in  T.  Germ.,  Helmstedt 
1827.  1828.  1834.  4.  Wölfflin,  Philologus  XXVI.  S.  122  f.  vgl.  A.  1  und 
330,  2);  ebenso  wenig  an  Berührungen  mit  andern  Schriften  des  Tacitus, 
besonders  dem  Agricola  (Agr.  11  extr.  =  Germ.  28;  haud  perinde,  Agr.  10 
=  Germ.  34;  in  Universum  aestimanti,  Agr.  11  =  Germ.  6;  patiens  frugum, 
Agr.  12  vgl.  Germ.  5).  Hexameter  Germ.  18.  32.  39;  iambischer  Dimeter  c.  27. 

5.  Die  Germania  ist  uns  durch  dieselbe  Handschrift  erhalten  wie  der 
dialogus  (s.  oben  329,  4),  nur  dass  die  Zahl  der  von  ihr  vorhandenen  Ab- 
schriften eine  grössere  ist;  eine  der  besseren  befindet  sich  in  der  Stutt- 
«^arter  Bibliothek.  Massmann,  Berl.  Jahrbb.  1841,  Nr.  87  ff.  R.  Tagmann, 
de'codicibus  mss.  at^ue  editionibus  vett.  Tac.  Germ.  I.  Breslau  1846;  de. 
Tac.  Germ,  apparatu  critico,  Breslau  1847,  Ausser  bei  Rudolf  von  Fulda 
findet  sich  das  ganze  Mittelalter  hindurch  keine  Benützung  der  Schrift; 
G.  Waitz,  in  den  Forschungen  zur  deutschen  Gesch.  X  (Götti.  1870).  S.  602. 

6.  Ausgaben.  Cum  notis  Willichii,  Glareani,  Melanchthonis ,  Frkf.  a. 
0.  1551.  Cum  comm.  Chr.  Coleri,  Hannov.  1602.  E  rec.  Conringii,  Heimst. 
1652.  4.  Cum  varr.  notis  ed.  J.  C.  Dithmar,  Frkf.  1726  u.  sonst.  Ed.  C.  H. 
Joerdens,  Berl.  1783.  1794.  Cum  obss.  Longolii  ed.  J.  Kapp,  Lips.  1783; 
ed.  II.  cur.  Ph.  Hess,  Lips.  1824.  Cum  varr.  lectt.  ed.  G.  G.  Bredow,  Heimst. 
1808.  1816.  Ed.  illustr.  R.  Belham  (mit  Agr.)  ed.  II.  Cambridge  1813.  Rec. 
Fr.  Paasow,  Breslau  1817.  Mit  Comm.  von  Ammon  und  Bäumlein,  Tüb.  1817. 
Lat.  und  deutsch  mit  Erläutt.,  von  G.  und  K.  Sprengel,  Halle  1819.  Erläut 
von  J.  F.  K.  Dilthey,  Braunschweig  1823.  Ed.  illustr.  Ph.  C.  Hess,  Lips.  1824. 
By  E.  H.  Barker,  London  1824.  Trad.  avec  un  comm.  par  C.  L.  F.  Panckoucke, 
Paris  1824.  Mit  Noten  von  Fr.  W.  Altenburg,  Hildburgh.  1826.  Recogn. 
cum  brevi  adnot.  ed.  G.  F.  C.  Günther,  Helmstedt  1826.  Urschrift,  üeber- 
.setzung  u.  s.  w.  von  G.  L.  Walch.  1.  Heft.  Berlin  1829.  Comm.  iustr.  Th. 
lüessling,  Lips.  1832.  Mit  krit.,  gramm.  und  bist.  Anmerkungen  von  J.  y. 
Gruber,  Berl.  1832.  Ed.  et  quae  ad  res  Gennanorum  pertinere  videntur  e 
reliquo  Tac.  opere  excerpsit  J.  Grimm,  Gott.  1835.  Text,  Uebers.,  Erläut. 
von  F.  D.  Gerlach,  2  Abth.,  Basel  1835—1837.  In  usum  schol.  recogn.  Fr. 
Ritter,  Bonn  1836.  1853.  Ad  fidem  codicis  Perizon,  ed.  L.  Tross,  Hamm  1841. 
Recogn.,  isag.  instr.,  comment.  illustr.  etc.  M.  Weishaupt,  Solothurn  1844. 
Ed.  Massmann,  Quedlinburg  1847.  Lat.  und  deutsch  von  Döderlein,  Erlang. 
1850.  Lat.,  with  ethnol.  diss.  and  notes  by  R.  G.  Latham,  London  1851. 
Mit  Agr.  til  skolcbrug  af  Bloch,  Kopenhagen  1854.  In  us.  schol.  recogn. 
M.  Haupt,  Berlin  1855.  Ed.  Schrant,  Leyden  1856.  XLl  und  334  pp.  Her- 
ausgeg.  und  sachlich  erläutert  von  Th.  Finck,  I.  Tac.  Leben,  Text  und  bes- 
serer handschriftl.  Apparat,  Göttingen  1857.  250  S.  Ex  Hauptii  rec.  recogn. 
et  perpetua  adnot.  illustr.  Fr.  Kritz,  Berlin  1860.  1865.  1869.    Erklärt  von 


/ 


331.    Tacitufl'  Germania.  751 

G.  Tücking,  Paderborn  1867.  Ausführlich  erklärt  von  L.  Curtze,  Leipzig 
1868.  424  S.  (zu  c.  1—10).  Mit  Anm.  von  B.  Hüppe,  Münster  1868.  Er- 
läutert von  H.  Schweizer-Sidler,  Halle  1871. 

7.  üebersetzungen  (ausser  den  angeführten)  von  K.  G.  Anton  (mit 
Comm.,  Halle  1824),  H.  W.  F.  Klein  (München  1826),  Bülau,  Weiske  und 
K.  V.  Leutsch  (Leipzig  1828),  J.  Horkel  (in  den  Geschichtschreibern  der 
deutschen  Vorzeit,  L  Berlin  1847),  F.  Thudichum  (Giessen  1862),  K.  A.  Low 
(Mannheim  1862),  N.  Mosler  (I.  Leipzig  1862),  L.  H.  0.  Müller  (Jena  1862.  4,), 
A.  Bacmeister  (Stuttgart,  Neff,  1868). 

8.  Abhandlungen  zur  Textkritik  von  J.  C.  Orelli  (Zürich  1819.  4.), 
Ph.  Hess  (Hebnstädt  1827.  1828.  1834.  4.),  Schober  (Naumburg  1827.  4.), 
Selling  (observ.  critt.,  accedit  coUatio  cod.  Hummeliani,  Augsburg  1830.  4.), 
Pfitzner  (zur  Kritik  und  Erkl.,  Neubrandenburg  1843.  4.),  Wex  (Schwerin 
1853.  4.),  W.  Th.  Rudolphi  (Observ.  grammaticae  et  criticae,  Münster 
1856),  C.  Nipperdey  (Rhein.  Mus.  XVllI.  S.  342  —  360),  L.  v.  Jan  (Eos  I. 
S.  76  —  79),  C.  Halm  (über  einige  controverse  Stellen,  München  1864  ==» 
Sitzimgsber.  der  Münchner  Akad.),  Fr.  Ritter  (Rhein.  Mus.  XX.  S.  196 — 217), 
A.  Reifferscheid  (Coniectanea,  in  der  Symbola  philol.  Bonn.  p.  623 — 628), 
A.  Planck  (Beiträge  zur  Erkl.,  Heilbronn  1867.  4.),  K.  Meiser  (Eichstätt 
1871,  S.  36—56). 

9.  üeber  die  Germania  und  zu  ihrer  Sacherklärung.  G.  A.  Arndt, 
disp.  quatenus  Tac.  de  Germ,  libello  fides  sit  tribuenda,  Lips.  1775.  4. 
L.  Völkel,  de  fontibus  unde  Tac.  quae  de  patria  nostra  trad.  hausisse 
videatur  deque  consilio  in  scribend.  Germ.,  Marburg  1789.  4.  G.  C.  E. 
Gharitius,  diss.  utrum  satis  fide  digna  sint  quae  T.  in  G.  tradit,  Witten- 
berg 1792.  4.  Lüden,  Gesch.  des  teutschen  Volks  L  S.  696 — 702.  G.  A. 
Rüdiger,  de  fide  historica  Tac.  in  Germ,  descr.,  Freiberg  1823.  Barby,  de 
consilio  quo  T.  Germ,  conscripserit  et  de  fide  ei  tribuenda,  Berlin  1825. 
Ebenso  Spilleke,  Berlin  1826.  4.  Leutsch,  über  die  Glaubwürdigkeit  des 
Tac.  in  Rücksicht  auf  dessen  Germ.,  Berichte  d.  deutschen  Ges.  zu  Leipzig, 
1829.  S.  46  ff.  Ghr.  Rommel,  de  Tac.  descr.  Germaniae,  Marburg  1805.  4. 
F.  Rühs,  ausführl.  Erläut.  der  10  ersten  Capp.  des  T.  über  Deutschi., 
Berlin  1821.  F.  Passow  in  Wachlers  Philomathie  I.  und  in  seinen  Verm. 
Sehr.  S.  40 — 64.  F.  W.  Altenburg,  über  Gaesar's  und  Tac.  Ansichten  von 
der  Religion  der  Deutschen,  Schleusingen  1827.  4.  U.  J.  H.  Becker,  Anm. 
und  Excurse  zu  T.  G.  1—18,  Hannover  1830.  G.  Reischle,  comm.  de  locis 
quibus  Tac.  et  Gaes.  de  vett.  Germm.  inter  se  differnnt,  Kempten  1831.  4. 
Fr.  Göller,  de  scriptis  Gaes.  et  Tac.  ex  monumcntis  medii  aevi  illustrandis, 
in  d.  Act.  soc.  gr.  I.  p.  43  ff.  F.  D.  Gerlach,  über  die  Germ,  des  Tac,  in 
der  Zeitschr.  der  Basler  Lehrer  1825.  II.  und:  über  die  Idee  von  T.  Germ., 
in  denVerhh.  der  Gothaer  Philologenvers.  (Gotha  1841.  4.)  S.  65ff.  =  Histor.  ^ 
Stud.,  Hamburg  1841.  S.  308  ff.;  sowie  in  den  Verhandl.  der  Philologenvers, 
zu  Hannover  'S.  104  —  111.  Vgl.  auch  Hoffmeister,  Weltanschauung  des  T. 
S.  201  ff.  220  ft'.  Welter,  de  fide  Tac.  in  rebus  Germm.  quaest.,  Münster 
1846.  4.  Greverus,  Bemerkungen  zu  T.  Germ.,  Oldenburg  1850.  E.  Kefer- 
stein,  Ansichten  über  4ie  Kelten  u.  s.  w.  III,  1  (Halle  1850):  des  Tac. 
Germania.    W.  Engelbert,  über  d.  G.  d.  T.  und  die  Geographie  des  Ptole- 


Die  Kaiaerzeit.    Erstes  Jahrhundert.   Traianus. 

^/\  maus  als  Hauptquellen  der  Geogr.  des  alten  Germanien,  in  der  Zeitschrift 

fflr  vaterl.  Gesch.  u.  Alt.  Kunde.  111.  Münster  1852.    MüllenhofiP,  verderbte 
(deutsche)  Namen  bei  Tac,  Zeitschr.  f.  deutsches  Alterth.  IX.  S.  223 — 261. 
^;  B.  Hüppe,  annotationes  aliquot  ad  T.  G.,  Coesfeld  1853.  4.  J.  N.  Schmeisser, 

^f  •  Bemerkungen  zur  G.  d.  T.  aus  dem  Nibelungenlied  u.  a.  altdeutschen  Ge- 

f:f   .  dichten,  Constanz  1853.    H.  Schweizer-Sidler,  Bemerkungen  zu  T.  G. ,  Pro- 

^  gramm  der  Zürcher  Eantonschule  1860.  24  S.  4.  1862.  30  S.  4.;  Fleckeisens 

fe::.^  .  Jahrbb.  LXXXV.  S.  115—123.    J.  V.  Zingerle  in  Franz  Pfeiflfers  Germania, 

i^  1860,  S.  219  f.    G.  Waitz,  über  die  principes  in  der  Germ,  des  Tac.,  in  den 

P^  Forschungen   zur   deutschen   Gesch.  II,    2  (Göttingen  1862),   sowie   dessen 

deutsche  Verfassungsgeschichte,  zweite  Aufl.  I.  Kiel  1865.  F.  Thudichum, 
der  altdeutsche  Staat,  mit  üebers.  der  Germ.,  Giessen  1862.  H.  Brandes, 
die  nobiles  der  Germanen,  in  seinem  Ersten  Bericht  über  die  germanist. 
Gesellschaft  zu  Leipzig  (Leipzig  1863)  S.  19—44.  G.  Kaufmann,  Wehrhaft- 
machung  beim  Ritterschlag  (zu  G.  12  u.  13),  Fhilologus  XXXL  S.  490—510. 
P.  D.  Ch.  Hennings,  die  agrar.  Verf.  d.  a.  Deutschen  (zu  Germ.  26.  30), 
Kiel  1869.  Latham,  on  the  authority  of  the  etc.  im  Journal  of  claas.  and 
sacred  philology  XÜ.  p.  324  —  346.  Th.  Malina,  de  consilio  quäle  T.  in 
scribendo  de  G.  libro  secutus  esse  yideatur,  Deutsch-Crone  1860.  4.  Künss- 
berg,  Wanderungen  in  das  germanische  Alterthum  (Berlin  1861)  und  dage- 
gen Boot,  Verslagen  der  holländ.  Akad.  VII.  1863.  p.  66—82.  A.  Baumstark, 
über  das  Romanhafte  in  der  Germ.  d.  T. ,  Eos  I.  S.  39—64  und  II.  S.  4^7 — 
496.  E.  Göbel,  ebds.  I.  S.  516 — 525.  A.  Riese,  die  ursprüngliche  Bestim- 
mung der  G.  d.  T.,  ebds.  U.  S.  193  —  203.  Fr.  Münscher,  Beiträge  zur 
Erklärung  der  G.  d.  T.,  Marburg  1863.  34  S.  4.  1864.  48  S.  4.  A.  Baum- 
stark, urdeutsche  Staatsalterthümer;  zur  schützenden  Erläuterung  der  G. 
des  T.,  Leipzig  1872. 

316  882.  4)  Historiae,  Darstellung  einer  selbsterletten  Zeit, 
der  Regierungen  von  Galba,  Otho,  Vitellius,  Vespasianus,  Titus 
und  Domitianus  (J.  69 — 96  n.  Chr.),  also  vorzugsweise  der 
flavischen  Dynastie,  verfasst  unter  der  Regierung  des  Trajan  und 
aus  trefflichen  Quellen  geschöpft,  wahrscheinlich  dem  Geschichts- 
werke des  älteren  Plinius.  Ursprünglich  bestand  das  Ganze  aus 
vierzehn  Büchern,  wovon  jedoch  nur  die  vier  ersten  und  vom 
fünften  etwa  die  erste  Hälfte  auf  uns  gekommen  sind.  Diese 
enthalten  die  Geschichte  der  Jahre  69  und  70  (822  f.  d.  St.), 
ohne  sie  aber  zu  Ende  zu  bringen. 

1.  Tertullian.  apol.  16:  Cornelius  Tacitus  in  quinta  Historiarum  sua- 
rum.  Der  Titel  lehnt  sich  an  den  Vorgang  des  Sisenna,  Sallust  und  Asi- 
~nius  Pollio  an  und  entspricht  (als  nostra  aetas  behandelnd,  H.  I,  43)  genau 
der  technischen  Bedeutung  des  Wortes  historiae;  s.  oben  37,  4.  Doch  meint 
Wölfflin  dass  dieser  Titel  zum  Wegfall  bestimmt  war  (oder  nur  als  Special- 
titel stehen  blieb)  als  durch  Nachlieferung  der  lulier  (Ann.)  das  ganze  Werk 
auf  drei  .Dekaden  (s.  A.  2)  ab  excessu  d.  Augusti  abgerundet  wurde.  Die 
Hist.  sind  das  im  Agr.  3  vorausangekündigte  Werk,  nur  dass  der  Plan  auf 


331  f.   Tacitus'  Germania  und  Historiae.  753 

alle  Regierungen  seit  Nero's  Tode  miterstreckt  ist,  während  die  Geschichte 
des  regierenden  Fürsten,  Trajan,  und  seines  Adoptivvaters  Nerva  auf  spätere 
Jahre  verspart  wird  (Hist.  I,   1)  und  auch  da  nicht  zur  Ausführung  kam. 

2.  Hieronymus  zum  Zacharias  III,  14  berichtet  dass  Tacitus  die  Ge- 
schichte der  Kaiser  nach  August  bis  zum  Tode  des  Domitian  triginta  volu- 
minibus  beschneben  habe,  wovon  16  Bücher  auf  die  Annalen  und  somit 
14  auf  die  Historiae  fallen.  Auch  im  Med.  II  und  andern  Hdss.  ist  diese 
Zählung  befolgt.  Die  Reihenfolge  der  Abfassung  beider  Werke  erhellt  aus 
A.  XI,  11:  utriusque  principis  (des  Augustus  und  Claudius)  rationes  (in 
Bezug  auf  die  ludi  saeculares)  praetermitto ,  satis  narratas  libris  quibus 
res  imperatoris  D(^mitiani  composui  (in  dem  die  Geschichte  des  D.  ent- 
haltenden Theile  der  Eist.),  nam  is  quoque  edidit  ludos  saeculares.  Nerva 
heisst  DivuB,  Hist.  I,  1.  Anführungen  aus  dem  sechsten  Buch  bei  Oros.  VII, 
10.  19.    Benützung  durch  Sulpicius  Severus,  s.  d. 

3.  Zum  StoflFe  der  in  der  Arbeit  begriffenen  Historiae  wollen  Beiträge 
sein  die  Briefe  des  Plinius  (vom  J.  106  oder  107)  VI,  16.  20.  VE,  33 
(historias  tuas).  Auch  war  ein  Theil  derselben  wohl  der  Über  welchen 
Tac.  dem  Plinius  (nach  Ep.  VII,  20,  1  vgl.  ib.  33,  1.  VIÜ,  7)  ad  adnotan- 
dum  zugeschickt  hatte.  Successives  Vortragen  und  Veröffentlichen  der 
einzelnen  Bücher  ist  auch  sonst  wahrscheinlich;  Mommsen  im  Hermes  IE. 
S.  107.  vgl.  IV.  S.  298,  A.  3,  Nissen,  Rhein.  Mus.  XXVI.  S.  635.  548.  Inhalts- 
übersicht über  das  Erhaltene  bei  Süvem,  in  den  Abhandl.  der  Berliner  Ak. 
1822  f.  S.  97—107. 

4.  Tacitus  und  Plutarch  schrieben  gleichzeitig,  oder  wahrscheinlicher 
Plut.  seine  Biographien  des  Galba,  Otho  (u.  Vitellius)  vor  Tac.  (Hermes  IV. 
S.  298).  Die  Uebereinstimmung  beider  Schriftsteller  erklärt  sich  daher  nicht 
aus  der  Abhängigkeit  des  einen  vom  andern  (vrie  nach  0.  Clason  Plut.  die 
Hist.  benützt  haben  soll;  s.  dessen  Schriften:  Plut.  u.  Tac.,  eine  Quellenunter- 
suchung, Berlin  1870.  73  S.;  Tac.  u.  Sueton,  Breslau  1870.  134  S.),  sondern 
aus  Benützung  einer  gemeinsamen  Quelle.  Als  solche  betrachtet  C.  Hirzel 
im  Maulbronner  Programm  (comparatio  eorum  quae  de  Impp.  Galba  et 
Othone  relata  legimus  apud  Tacitum,  Plut.,  Suet.,  Dionem,  Stuttgart  1851.  4.) 
die  acta  publica;  Th.  Wiedemann  (de  Tacito,  Suet.,  Plut.,  Cassio  Dione 
scriptoribus  imperatorum  Galbae  et  Othonis ,  Berlin  1857.  66  pp.)  den  Pli- 
nius und  Cluvius,  A.  Schmidt  (de  quibusdam  auctoribus  rom.  quos  in  de- 
scribendis  annor.  68  et  69  p.  Chr.  n.  gestis  Tac,  Plut.,  Suet.  secuti  sunt, 
Jena  1860.  4.)  eine  Vielheit  von  Schriftstellern,  H.  Peter  (d.  Quellen  Plu- 
tarchs,  Halle  1865,  S.  ,40flF.)  und  Mommsen  (Hermes  IV.  S.  298—316)  den 
Cluvius  Rufus.  Neuestcns  hat  aber  H.  Nissen,  Rhein.  Mus.  XXVI.  S.  608 — 
544  (vgl.  0.  Clason,  Tac.  xl  Sueton,  S.  76  ff.)  in  überzeugender  Weise  dar- 
gethan  dass  das  Geschichtswerk  des  älteren  Plinius  (oben  307,  5)  die  Haupt- 
quelle für  Tac.  war.  Diese  habe  Tac.  vor  Allem  gekürzt,  mittelst  Er- 
setzung der  annalistischen  Ordnung  durch  eine  zusammenfassende  sachliche, 
Präcisierung  des  breiten  Ausdrucks,  Weglassung  von  kleinem  Detail,  wie 
Citaten  und  Besprechung  abweichender  Angaben,  Zusammenziehung  der 
militärischen  Operationen  u.  dgl.    Dann  aber  habe  er  auch  den  politischen 

TEVFFEii,  Hüui.  LiteratuTgoschiohto.    2.  Aufl.  48 


754  Die  Eaiserzeit.   Erstes  Jahrliuudert.    Traianus. 

Standpunkt  verändert,  statt  des  flavischen  Charakters  seiner  Quelle  seine 
aristokratisch  senatorischen  Sympathien  für  Galba  walten  lassen  und  so 
namentlich  die  treulose  Haltung  des  Adels  und  seiner  Generale  gegenüber 
von  Otho  getilgt.  In  Bezug  auf  die  stilistische  und  künstlerische  Ver- 
arbeitung verhalte  sich  Tac.  zu  seiner  Quelle  wie  der  Bildhauer  zum 
Steinhauer.  Während  so  Plin.  die  Gnmdlage  tux  die  Darstellung  abgegeben, 
habe  Tac.  aus  anderen  Quellen  blos  kürzere  Abschnitte  oder  einzelne  Be- 
merkungen hinzugefügt,   bes.  aus  Vipstanus  Messala  (oben  309,  3). 

5.  Die  Haupthandschrifb  für  die  Historiae  ist  der  (bereits  interpolierte) 
Mediceus  II  saec.  XI  (in  Monte  Cassino  zwischen  1053  und  1087  geschrieben) 
in  longobardischer  Schrift,  welcher  elf  Bücher  Comelü  Taciti  ab  excessu 
d.  Augusti  enthält,  nämlich  Buch  XI  bis  XXI  (incl.)  =  A.  XI— XVI,  ffist. 
I—V.  Alle  übrigen  sind  von  untergeordnetem  Werth,  noch  weiter  inter- 
polierte und  Bonst  verderbte  Abschriften  welche  mittelbar  oder  unmittelbar 
auf  den  Med.  zurückgehen. 

6.  Ausgaben  der  Historiae  von  Th.  Eiessling  (Lips.  1840)  und  C. 
Heraus  (für  den  Schulgebrauch  erklärt,  I.  Leipzig,  Teubner  1864.  1871.  IL 
1870).    VgL  E.  WölfBin,  Philologus  XXVII.  S.  113  ff. 

7.  Zu  den  Historiae  Beiträge  von  A.  Böckh  (H.  I,  62.  Berol.  1830.  4.), 
F.  Jacob  (über  T.  Geschichtsb.  V,  2—5,  Lübeck  1840.  4.),  L.  Döderlein 
(Emendationes  Hist.  T.,  Erlangen  1841.  4.),  C.  Nipperdey  (Em.  H.  T.,  Jena 
1855.  4.),  L.  Urlichs  (Eos  I.  S.  250  ff.),  J.  Classen  (Symbolae  criticae,  P.  IL 
Frankfurt  1863.  4.  UI.  Hamburg  1866.  4.),  F.  Ritter  (im  Philologus  XXL 
8.  601—653),  J.  MüUer  (I.  Innsbruck  1865.  IL  1869),  E.  Wölfflin  (Philo- 
logus XXVU.  S.  117—144),  Borghesi  (Oeuvres  V.  p.  287—328:  Annotazioni 
agli  Ann.  ed  alle  Storie  di  Tac). 

8.  Völcker,  der '  Freiheitskampf  der  Bataver  unter  Claudius  Civilis, 
Elberfeld  1861  —  1863.  C.  Hagge,  Bemerkungen  zu  dem  Feldzuge  des  Vi- 
tellius  und  Otho  nach  Tacitus,  Kiel  1864.  23  S.  4.  J.  G.  Müller,  kritische 
Untersuchung  des  tacit.  Berichts  über  den  Ursprung  der  Juden,  in  den 
theoL  Stud.  u.  Erit.  1843,  S.  893 — 958.  Leonhard,  über  den  Bericht  des 
Tac.  über  die  Juden  (Hist.  V,  2  —  6),  Ellwangen  1856.  4.  H.  E.  Dirksen, 
die  römisch-rechtlichen  Mittheilungen  in  Tac.  Historien,  Berlin  1860.  4  «= 
hinterlassene  Schriften  I.  S.  204  —  212.  Mommsen,  die  zwei  Schlachten  von 
Betriacum,  im  Hermes  V.  S.  161—173,  und  dazu  H.  Nissen,  Rhein.  Mus. 
XXVI.  S.  638 — 540.  J.  Eäpper,  ex  Tac.  Hist.  inteUegi  non  posse  ostenditur 
quomodo  bellum  inter  Oth.  et  Vit  gestum  sit,  I.  Rostock  1870.   10  pp.  4. 

316  333.  ö)  Annales  oder  vielmehr  ab  excessu  divi  Augusti, 
sechzehn  Bücher,  welche  die  Regierungsgeschichte  der  julischen 
Dynastie  nach  August's  Tode  (Tiberius,  Caligula,  Claudius,  Nero) 
oder  die  Jahre  14—68  (767—821  d.  St.)  enthielten,  gleichfalls 
noch  unter  Trajan  verfasst  und  zwischen  J.  115  und  117  heraus- 
gegeben. Erhalten  ist  arber  nur  das  erste  und  das  letzte  Drittel 
des   ganzen  Werkes,    die   vier   ersten   Bücher   mit^Theilen    des 


332  f.   Tacitus'  Historiae  und  Annales.  755 

fünften  und  sechsten,  sodann,  aber  am  Anfang  und  Ende  ver- 
stümmelt, Buch  XI  bis  XVI,  so  dass  uns  fehlt  die  ganze  Re- 
gierungszeit des  Caligula,  von  der  des  Claudius  der  Anfang  bis 
in  das  Jahr  47,  und  von  der  des  Nero  J.  66 — 68.  Die  annali- 
stische Anordnung  ist  in  diesem  Werke  strenger  durchgeführt 
als  in  den  Historiae. 

1.  Urkundlich  ist  (nach  dem  Mediceus  I)  einzig  der  Titel  ^b  excessu 
d.  Augasti,  der  seine  Analogien  hat  an  den  Üeberschriften  der  Geschichts- 
werke  von  T.  Livius,  ab  urbe  condita,  und  vom  älteren  Plinius,  a  fine 
(vom  Schlüsse)  Aufidii  Bassi.  Wenn  Tacitus  selbst  mederholt  (A.  IV,  32 
vgl.  III,  65.  XIII,  31)  sein  Werk  als  annales  bezeichnet,  so  will  er  damit 
nicht  den  Titel  desselben  angeben,  sondern  die  Art  seiner  Anlage,  nach 
der  Jahresfolge  der  Begebenheiten.  (Daher  spricht  Jornandes  de  reb.  get. 
I,  2  nach  Hörensagen  von  Cornelius  annalium  scriptor,  trotzdem  dass  er 
eine  Stelle  des  Agr.  meint.)  Aber  eben  darum  if^eil  die  Bücher  ab  excessu 
d.  Augusti  wirklich  Annalen  sind  hat  es  kein  Bedenken  der  Kürze  halber 
und  zur  Unterscheidung  von  den  Historiae  sie  als  Annales  zu  citieren. 

2.  Die  Zeit  der  Veröffentlichung  erhellt  aus  A.  II,  61.  Die  dort  an- 
gegebenen Grenzen  des  römischen  Reichs  setzen  die  Eroberungen  voraus 
welche  Trajan  ums  J.  115  machte,  welche  aber  (so  weit  sie  sich  wenigstens 
über  den  Euphrat  hinüber  erstreckten)  Hadrian  gleich  nach  seinem  Regie- 
rungsantritte (August  117)  wieder  aufgab  (Spartian.  Hadr.  5,  1 — 4.  Eutrop. 
Vni,  6).  Die  Abtheilung  in  Bücher  rührt  nach  VI,  27  (in  prioribus  libris) 
und  XI,  11  (s.  oben  332,  2)  von  dem  Verfasser  selbst  her. 

3.  Die  Anordnung  ist  mit  Bewusstsein  die  annalistische;  s.  A.  IV,  71 
in.:  ni  mihi  destinatum  foret  suum  quaeque  in  annum  referre,  avebat  ani- 
mus  antire  statimque  memorare  exitus  u.  s.  w.  Abweichungen  von  dieser 
Ordnung  glaubt  Tacitus  immer  halb  entschuldigen  zu  müssen  (so  z.  B. 
VI,  38:  quae  duabus  aestatibus  gesta  coniunxi,  quo  requiesceret  animus  a 
domesticis  malis.  Vgl.  XII,  40  extr.  XIII,  9)  und  verweist  für  später  Ge- 
schehenes auf  spätere  Theile  (in  tempore  memorabo,  I,  68  vgl.  IV,  71. 
VI,  22;  in  loco  reddemus  H,  4  vgl.  H.  IV,  67:  suo  loco  reddemus).  Zwar 
können  wir  aus  den  kaum  zwei  Jahre  umspannenden  Ueberresten  der 
Historien  nicht  mit  Sicherheit  beurteilen  wie  weit  auch  in  ihnen  dieselbe 
traditionelle  Anlage  befolgt  war;  indessen  lag  eine  strengere  Durchführung 
derselben  bei  dem  späteren  Werke  in  so  fem  in  der  Natur  der  Sache  als 
sich  dieses  über  eine  längere  Reihe  von  Jahren  erstreckt«  und  zum  Theil 
langdauernde  Regierungen  umfasste.  Uebrigens  hat  Tacitus  dieser  An- 
ordnung ihr  Mechanisches  zu  nehmen  gewusst  dadurch  dass  er,  wo  der 
Gegenstand  es  gebot,  sie  zu  vcerletzen  nicht  schwer  nahm.  Zu  schroff  hat 
Niebuhr  die  Begriffe  annales  und  historiae  einander  gegenübergestellt  in 
der  Abhandlung  über  den  Unterschied  zwischen  Annalen  und  Historien, 
Rhein.  Mus.  H,  2  (Bonn  1828)  S.  284  ff.  =  Kleine  historische  und  philo- 
logische Schriften  IL  S.  229  ff.    Vgl.  oben  37,  4. 

4.  Die  ersten   sechs  Bücher   sind   uns  einzig  durch  den   Mediceus  I. 

48* 


756  I)ie  Kaiserzeit.    Erstes  Jahrhundert.    Traianus/ 

(saec.  XI)  erhalten,  nämlich  Buch  I — lY  vollständig,  von  B.  V  der  Anfang, 
worauf  eine  grosse  Lücke  folgt,  die  den  Anfang  von  Buch  VI  mityer- 
Bchlungen  hat.  Die  Lücke  behandelte  die  Fortsetzung  des  J.  29,  das  ganze 
Jahr  30  und  den  grössten  Theil  von  J.  31.  Diese  Handschrift  wurde  in 
dem  westphälischen-  Kloster  Corvey  aufgefunden-,  kam  1508  nach  Rom,  in 
den  Besitz  des  damaligen  Cardinais  Medici  (später  Papst  Leo  X),  und  von 
dort  nach  Florenz  in  die  mediceische  Bibliothek,  wo  sie  sich  noch  befindet. 
J.  1515  wurde  ihr  Inhalt  erstmals  durch  den  Druck  veröffentlicht  (durch 
Ph.  Beroaldus,  in  Rom).  Gegen  die  Zweifel  von  Fr.  Ritter,  über  Alter 
und  Herkunft  der  ersten  Handschrift  des  Tac.  zu  Florenz  (Philologus  XYII. 
S.  662—672  vgl.  seine  Ausgabe  des  Tac.  vom  J.  1864,  p.  V  ff.)  s.  L.  ür- 
lichs,  Eos  L  S.  243—247.  II.  S.  228—232.  Das  letzte  Drittel  der  Annalen 
(B.  XI — XVI)  verdanken  wir  dem  Mediceus  II,  welcher  uns  dasselbe  zu- 
sammen mit  dem  ersten  Drittel  der  Historiae  (s.  oben  332,  5)  erhalten  hat. 
Aber  von  Buch  XI  fehlt  der  Anfang,  von  Buch  XVI  ungefähr  die  zweite 
Hälfte.  Auch  diese  Handschrift  ist  noch  in  Florenz;  ausser  diesem  Originale 
selbst  aber  haben  wir  auch  eine  Anzahl  Abschriften  von  ihm;  s.  oben  332,  5. 
Zweifelhaft  ist  ob  beide  Medicei  Abschriften  desselben  Originals  sind; 
Med.  I  jedenfalls  stammt  aus  einer  Fuldaer  Handschrift  des  neunten  Jahrb., 
im  Uten  Jahrh.  für  oder  in  Corvey  gemacht.  Von  dieser  Corveyer  Ab- 
schrift wurde  der  erste  (von  taciteischen  Schriften  den  dialogus  und  <lie 
Germania  enthaltende)  Theil  im  13ten  Jahrh.  nach  Hersfeld  verliehen, 
wurde  dort  abgeschrieben,  gieng  aber  dann  verloren.  Die  vereinzelten 
Bestandtheile  dieser  dritten  (Hersfelder)  Abschrift  (von  dial.,  German., 
Sueton  de  gramm.  et  rhetor.)  gelangten  dann  (wahrscheinlich  in  der  Ab- 
schrift des  Henoch,  s.  oben  329,  4)  im  15ten  Jahrh.  nach  Italien,  theilweise 
vermehrt  durch  den  Agricola  u.  A.    L.  Urlichs  a.  a.  0.,  bes.  IL  S.  232. 

5.  C.  Heraus,  studia  critica  in  Mediceos  Tac.  Codices,  Cassel  1846;  und 
Zur  Kritik  und  Erklärung  des  Tacitus,  Hamm  1859.  30  S.  4.  E.  Wölfiiin, 
Philologus  XXVI.  S.  94—96. 

6.  Ausgaben  der  Annalen  von  Ruperti  (Gotting.  1804.  2  Voll.),  Th. 
Kiessling  (Lips.  1829),  C.  Nipperdey  f  Bd.  I,  Leipzig  1851.  Berlin  1855.  1862. 
1864. 1871;  Bd.  II,  Leipzig  1862.  Berlin  1857),  F.  W.  Otto  (B.  I— VI  mit  aus- 
führlichem Commentar,  Mainz  1854),  Orelli-Baiter  (Zürich  1859),  A.  Di^er 
(Schulausgabe,  Leipzig  Teubner  1868  f.  2  Bde). 

7.  Beiträge  zur  Kritik  und  Erklärung  der  Annalen  von  J.  P.  E.  Gre- 
\erus  (annotatiunculae,  Oldenburg  1827.  4.),  P.  Petersen  (Annotatt.  spec.  I. 
Kreuznach  1829;  11.  cum  append.  de  cod.  Neap.,  Coblenz  1835),  F.  Jacob 
(Obss.  ad  T.  Ann.  et  Hist.,  4  Partes,  Lübeck  1837—1842.  4.),  0.  Müller  (de 
A.  III,  55.  Gotting.  1841.  4.),  Bischoff  (Obss.  in  libr.  I,  Wesel  1845.  4.),  C. 
Halm  (Speiet  1846.  4.),  Schmoller  (Explic.  loci  1.  I,  Blaubeuren  1849.  4.), 
Held  (ad  loc.  diffic,  Schweidnitz  1851.  4.),  Urlichs  (in  Jahns  Jahrbb.  1854, 
S.  52  ff.  154  ff.  300  ff.),  L.  Spengel  (über  das  erste  B.  d.  A.,  München 
1855.  4.  s=  Abhandl.  der  Münchner  Ak.  VII,  2.  695 — 727;  Bemerkungen  zu 
T.  A.,  Philologus  XXm.  S.  644—651),  E.  Wurm  (Philologus  VlII.  S.  361— 370. 
IX.  S.  86—105),  W.  G.  Pluygers  (spec.  emend.,  Leyden  1859.  4.),  C.  Sirker 
(Animadvers.,  Trier  1860;  krit.  Bern,  zu  T.  A.,  Neuwied  1867.  4.),  0.  Krafft 


333  f.   Tacitus.   Annales  und  Gesammtausgaben.  757 

(bistorischö   und   geographische  Excurse   zu  Tac.  A.  I  und  II,    Maulbronn 
1864.  4.),  Borgbesi  (s.  oben  332,  7). 

8.  E.  Egli  (Feldzüge  in  Armenien  41—63  n.  Chr.,  ein  Beitrag  zur 
Kritik  des  Tac.)  in  M.  Büdingers  Untersuchungen  zur  röm.  Kaisergesch.  I 
(Leipzig  1868)  S.  265— -363.  H.  T.  Karsten,  de  Tac.  fide  in  sex  prioribus 
annalium  libris,  Utrecht  1868.  R.  Weidemann,  die  Quellen  der  ersten  sechs 
Bücher  von  T.  Ann. ,  Cleve  1868.  4.,  W.  Pfitzner,  die  Ann.  kritisch  beleuch- 
tet, I  (B.  1—6),  Halle  1869.  Tac.  Gesch.  der  B^gierung  des  K.  Tiberius 
(Ann.  B.  1 — 6)  übersetzt  und  erklärt  von  A.  Stahr,  Berlin  1871.  0.  Clason, 
de  Tac.  ann.  aetate  quaestiones  geographicae  ad  mare  rubrum  et  Aegyptum 
maxime  pertinentes,  Rostock  1871.  58  pp. 

834.  Nach  Vollendung  auch  der  Annalen  konnte  Tacitus  den3i6 
ganzen  nunmehr  von  ihm  behandelten  Geschichtsstoff  entweder 
rückwärts  oder  vorwärts  fortführen,  entweder  Augusts  oder,  wie 
er  zuerst  versprochen  hatte,  Nerva's  und  Trajan's  Regierungs- 
zeit beschreiben.  Es  seheint  dass  er  schliesslich  dem  ersteren 
Gegenstande  den  Vorzug  gab,  sei  es  weil  dieser  ihn  mehr  anzog 
oder  weil  Trajan  noch  immer  am  Leben  und  auf  dem  Throne 
war.  Ausgeführt  wurde  dieses  Vorhaben  jedoch  nicht,  ohne 
Zweifel  weil  den  Verfasser  der  Tod  daran  verhinderte.  Sonstige 
echte  Schriften  von  Tacitus  gibt  es  nicht. 

1.  Hist.  I,  1:  principatum  d.  Nervae  et  imperium  Traiani  .  .  senectuti 
seposui.  A.  ni,  24:  cetera  illius  aetatis  (der  augusteischen)  memorabo  si 
effectis  in  quae  tetendi  plures  ad  curas  vitam  produxero. 

2.  Fulgentius  exposit.  serm.  antiq.  p.  782  St.  =  p.  566  f.  M.:  Cor- 
nelius Tacitus  libro  facetiarum:  „cessit  itaque  morum  elogio  in  filiis  dere- 
licto."  Fr.  Haase  (Ed.  p.  XTV)  hält  diese  Schrift  für  eine  Jugendarbeit 
des  Tacitus;  mit  mehr  Wahrscheinlichkeit  rechnet  L.  Müller  (Fleckeisens 
Jahrbb.  95,  S.  789  f.)  dieselbe  zu  der  „Schwindelliteratur." 

3.  Gesammtausgaben  der  Werke  des  Tacitus  (vgl.  Panckoucko 
Vol.  VII:  Bibliographie  de  1055  dditions  de  Tac.):  Ed.  princeps,  Venet. 
Vendelin.  de  Spira,  um  1470.  fol.  (A.  XI— XVI,  Hist.,  Genn.,  Dial.).  Ed. 
Fr.  PuteolanuB  (mit  Agr.,  Mailand  um  1475;  Venet.  1497.  fol.),  Ph.  Beroal- 
dus  (erste  vollständige  Ausgabe,  Bom  1515  u.  sonst,  fol.),  B.  Rhenanus 
(Basel  1519.  1533.  fol),  Aid,  (Venet.  1534),  J.  Lipsius  (Antverp.  1574.  8. 
1600.  4.  1607.  1668.  fol.  u.  sonst),  C.  Pichena  (Florent.  1600.  4.  Francof. 
1607),  J.  Gruter  (Frankf.  1607),  M.  Bernegger  (Strassburg  1638.  1664), 
J.  Fr.^Gronov  (Amsterdam  1672.  [1673.]  1685.  2  Bde.),  Th.  ßyck  (Leyden 
1687.  12.  2  Voll.),  J.  und  Abr.  Gronov  (Utrecht  1721.  4.  2  Voll.),  J.  A. 
Ernesti  (Lips.  1752.  1772.  2  Voll.;  neue  Ausg.  von  J.  J.  Oberlin,  Lips.  1801. 
2  Voll.),  J.  Lallemand  (Paris  1760.  12.  3  Bde.),  Gabr.  Brotier  (mit  Supple- 
menten in  der  Weise  der  Freinsheim'schen  zu  Livius,  Paris  1771.  4.  4  Tomi. 
1776.  7  Tomi.   12.  Edinburg  1796.  4.    4  Tomi),  Bipont.  1779.  1792.  4  Bde. 


Die  KaiBerzeit.    Erat«»  Jahrhundert.  TraianuB. 

:teT),  J.  Naudet  (PariB  ISIS.  6  Bde),  Imm.  Bekkei  (cum 
2  VoU.,  Lips.  1831),  G.  H.  WaUher  (Halle  1831  —  1883. 
tnperti  (Hanover  1832  ff.  4  Toll.),  N.  Baeh  (Lipa.  1834  f. 
er  (recogn.,  brevi  adn.  inatr.,  Bonn  183*— 1836.  2  Voll.; 
t.  critico  illuetr.,  Cantabrjg,  1848.  4  VolL;  e  codd,  deono 
.  1864),  L.  Dödcrlein  (Halle  1841—1817.  2  Voll.),  C.  L.  F. 
,t  u.  franz.  üebers-,  Paris  1840  ff.  7  Bde),  Fr,  Dübner 
)De,  prooemio  de  grammatica  Tac.  et  nomenclatore  geo- 
Paria  1845.  13.),  J.  C,  Orelli  (rec.  atque  interpr.  est,  Zürieh 
11,  Vol.  1.   1859),  J.  Stoek  (ed.  illustr.  Dublin  1862.  2  Bde). 

mm.  Bekker  (Berol,  1825),  Liinemann  (Ups.  1825),  Fr. 
chnitz  1855,  2  Voll.)  uod  besooders  C.  Halm  (Lips.  Teubner. 
jcogn.  1857,  2  Voll.     Vgl.  Münchner  Gel.  Am.  1861,  S.  31 

(Berol.  1871  ff.), 
il,  Emendationes  in  Oomelii  Taciti  libroa,   Nürnberg   1866. 
Iter,   BemerkuDgen   zu   TacituB,   Rhein.    Mus.   XVI.   S.   464 

99—137.  XX.  S,  196—217,  618—532,  XXI.  S,  534  —  550. 
S.  264—281,  666-679,  XX.  S,  109—127,  275—292.  648— 
iS  — 62.  G39  — 680.  Fr,  Thoma,  ObBerrationes  criticae  in 
Bonn  1866,  52  pp,  8,  E.  Wölfflin,  Jahreebericht  Über 
US  XXV-  S.  92—134.  SXVI.  S,  92—166,  ■ 
tanngen  von  K.  F.  Bahtdt  (Halle  1807.  2  Thle),  K.  L. 
iriin  1811—1817,  6  Bde),  F,  C.  v.  Strombeck  (Bramwchweig 

Kickleffe  (Oldenburg  1825—1827,  i  Bde),  W.  Bötticher 
14,  4  Bde),  H.  Gutmann  (Stuttgart,  Metder,  1829  ff.  lOBSnd- 
.  (Stuttgart,  Hoffmann,  1854  ff.),  G.  F.  Strodtbeck,  F.  Banr, 
tgart,  Metzler,  1856  ff.),  Fr.  Bitter  (Leipzig,  Engehuann, 
ie). 

h  aQsscUieasHcher  in  die  Zeit  des  Nerva  und  Trajan 
ftstellerische  Thätigkeit  des  jUngeren  Plinius, 
id  Adoptivsohnes  von  dem  älteren.  C  Plinius 
[idus  (J.  62 — 113  n.  Chr.)  aus  Cöinmn  bekleidete 
tmeindeämter  unter  Domitian,  zuletzt  unter  Trajan 

3.  100)  und  die  Stelle  eines  kaiserlichen  Legaten 
(J.  111  f.  oder   112  f.).     Zur   Zeit   Domitians   ein 

gefeierter  Sachwalter  vor  dem  Centmnviralgericht 
alprocessen,  begann  Plinius  unter  Nerva  gehaltene 
"beitet  herauszugeben.  Wir  besitzen  von  solchen 
nkrede  für  Ertbeilung  des  Consulats,  stofflich 
ie  Geschichte  Trajans,  aber  in  ihrer  erweiterten 
end   durch    Redseligkeit  und   bombastischen  Preis 

Gleichfalls  nach  Nerva's  Regierungsantritt  äeng 
riefe   mit    der  Absicht   ihrer  Veröffentlichung    zu 


335.   PliniüB  der  jüngere.  759 

schreiben.  Es  sind  ihrer  neun  Bücher,-  verfasst  und  einzehi 
herausgegeben  von  J.  97 — 108;  dazu  noch  der  Briefwechsel  mit 
Trajan  hauptsächlich  aus  der  Zeit  der  bithynischen  Statthaltcfr- 
schaft,  aber  nicht  abgeschlossen.  Diese  Briefe  verbreiten  *  sich 
in  berechneter  Manchfaltigkeit  über  eine. Fülle  von  Gegenständen, 
sind  aber  vor  Allem  dazu  bestimmt  ihren  Verfasser  im  günstig- 
sten Lichte  zu. zeigen.  Doch  mildert  den  Eindruck  der  Eitel- 
keit die  Offenherzigkeit  womit  sich  der  Verfasser  selbst  dazu 
bekennt  und  seine  unverkennbare  Richtung  auf  das  Edle.  Die 
Form  ist  gewandt  und  glatt.  Auch  zum  Versemachen  entschloss 
sich  Plinius,  nach  Jugend  versuchen,  noch  in  seinem  vierzigsten 
Lebensjahre;  indessen  ist  von  diesen  lusus  und  ineptiae  nichts 
auf  die  Nachwelt  gekommen. 

1.    Nächst  Cicero  ist  von  allen   Schriftstellern   des  Alterthums   kaum 
einer    so   genau  und  vollständig   uns  bekannt  wie   Plinius,   hauptsächlich 
durch  ihn   selbst,   aber  auch  durch  Inschriften,   welche  zusammengestellt 
sind  von  Mommsen  im  Hermes  III.  S.  108 — 113.     Die  umfangreichste  ist 
von  den  Thermen  die  er  testamentarisch  (T.  F.  I.)  für  Comum  gestiftet,  die 
aber  von  da  nach  Mailand  verschleppt  wurde  (bei  Orelli-Henzen  1172  vgl.  III. 
p. .  124).     Er  heisst  darauf  C.  Plinius  L.  f.  Ouf.  Caecilius  Secundus,  Cos., 
Augur,  Legatus  pro  pr.  provinciae  Ponti  et  Bithyniae  consulari  potestate, 
e[x  SC.  missus  ab]  Imp.  Caesare  Nerva  Traiano  .  .  ,  Curator  alvei  Tiberis 
et  riparum  et   cloacar.    urb.,   Praef.    aerari   Satumi,   Praef.    aerari   milit., 
[Praetor,  Trib,  pleb.,]  Quaestor  imp.,  Sevir  equitum  rom.,   Trib.  milit.  leg. 
in  gallicae,  Xvir  stlitib.  iudicand.;  auf  der  aus  Yercellae  auch  Fl(amen) 
divi  T.  Aug.  (in  Comum?  Mommsen  S.  99  f.).    Hievon  lallen  unter  Domi- 
tians  Regierung  die  Stellen  als  Quaestor  Caesaris  (Ep.  VII,  16,  2),  wahrsch. 
vom  1  Juni  89  bis  31  Mai  90  (Mommsen  S.  86) ,  trib.  pleb.  (Ep.  I,  23,  2  ff. 
vgl.  YII,  16,  2.  Paneg.  95,  wahrsch.   10  Dcbr  91  bis  9    Dcbr  92),  praetor 
(Ep.  m,  11,  2.  VII,  11,  4.  16.    Paneg.  96)  J.  93  oder  94  (Mommsen  S.  84 
—86),  praef.  aerari  mil.,  J.   95— -97  oder  94—96,   (Mommsen  S.  37  f.  89); 
unter  Nerva  (und  Trajan)    die   eines   praef.    aerari_Sat.    vom   Januar  98 
bis   100  oder   101   (Mommsen   S.    42.    89  —  91,     Stobbe,  l'hilologus  XXVII. 
S.  641) ;  unter  Trajan   wurde   er  cos,  suff.   mit  lulius— £!ofB»fc»B  Tertullus 
1  Juli  bis  30  Sept.  oder  1  Sept.  bis  31  Oct.  100  (Ep.  V,  14,  5.  Paneg.  60. 
92.   Mommsen  S.  91—96),  aut^ur  J.   103   oder  104  (Ep.  IV,  8.    Mommsen 
S.  44.  95),  curator  alvei  Tib.  (Ep.  V,  14)  wahrsch.  J.  105—107  (Mommsen 
S.  47.  95),  Legat  in  i^itliynieu- J.   111   u.   112  oder  112  u.  113   (Mommsen 
S.  55.  96).   Plin.  starb  wahrscheinlich  vor  114  noch  in  der  Provinz  oder  bald 
nach  der  Heimkehr  (ebd.  S.  99),  etwa  52  J.  alt,  da  er  am  24  Aug.  79   im 
18*™  Jahre  stand  (Ep.  VI,  20,  6),  somit  61—62  geboren  war.    Verheiratet 
war  PI.  dreimal:  zweimal  unter  Domitian  (ad  Trai.  2,  2),  zuletzt  mit  Cal- 
pumia  (rV,  19  vgl.  VI,  4.  7.  VIII,  10  f.),  ohne  aber  Kinder  zu  bekommen. 
Seine  Vermögens  Verhältnisse  waren  glänzend.    J.  Massen,  C.  Plini  .  .  vita 
ordine  chronologico  digesta,  Amsterdam  1709.    Geisler,  de  Plinii  min.  vita, 


7f)0  Die  KaiBcrzeit    Erstes  Jahrhundert.   Traiamis. 

Breslau  1862.  16  pp.  4.  Tanzmann,  de  PI.  vita,  ingenio,  moribus,  Breslau 
1865.  Th.  Mommsen,  zur  Lebensgeschichte  des  jüngeren  Fliniiis ,  im 
ilermes  111.  S.  31—114  (139).  H.  F.  Stobbe,  znr  Chronologie  der  Briefe 
fies  Plin.,  Philologus  XXX.  S.  347— 393  (die  Processe  des.  Priscus  und 
Classicus). 

2.  Hieronym.  ad  a.  Abr.  2126  =  Trai.  13  —  110  n.  Chr.  (Petav.  und 
Freher.  ad  2126):  Plinius  Secundus  Novocomensis  orator  et  historicus  in- 
signis  habetur,  cuius  plurima  ingenii  opera  extant.  Seine  Lehrer  in  der 
Heredtsamkeit  s.  oben  320,  4.  Epist.  V,  8,  8:  unodevicesimo  aetatis  anno 
(licere  in  foro  coepi.  I,  18,  3:  causam  luni  Pastoris  .  .  acturus  adulescen- 
tulus  adhuc,  in  quadruplici  iudicio  (vgl.  IV,  24,  1).  VI,  12,  2:  in  arena 
mea,  h.  e.  apud  centumviros  (vgl.  IV,  16.  IX,  23,  1.  Martial,  X,  19,  14  f.). 
8o  Vertheidigung  der  Arrionilla  (Ep.  I,  5,  4  ff.),  der  Attia  Viriola  (VI,  33, 
1  f.  Vgl.  Anm.  3),  Corellia  (IV,  17,  1  u.  11),  des  Vettius  Priscus  (VI,  12,  2). 
Ausserdem  pro  Firmanis  (VI,  18),  pro  Clario  (IX,  28,  6)  u.  a.  Ep.  VI,  29, 
7  ff.:  egi  quasdam  a  senatu  iussus.  .  .  (8.)  adfui  Baeticis  contra  Baebiam 
Massam  (zusammen  mit  Herennius  Senecio,  J.  93,  vgl.  VII,  33).  .  .  adfui 
rursus  isdem  querentibus  de  Caecilio  Classico  (J.  101,  vgl.  I,  7,  2  f.  III,  4.  9). 
.  .  (9.)  accusavi  Maritim  Priscum  (J.  99?  vgl.  II,  19,  8.  ad  Trai.  3).*  .  .  (10.) 
tuituB  sum  lulium  Bassum  (nach  105?  vgl.  IV,  9,  4  ff.  13,  1  f.).  .  .  (11.) 
dixi  proxime  pro  Vareno  (Rufo^  J.  106  f.  vgl.  V,  20,  2.  VII,  6.  10).  Andere 
Criminalprocesse  Ep.  VII,  6,  8 — 13. 

3.  Die  gehaltenen  Beden  pflegte  Plinius  nachher  erweitert  und  sonst 
umgearbeitet  vorzutragen  und  nach  langer  Feile  zu  veröffentlichen.  Ep. 
IV,  14,  1.  V,  8^  6:  egi  magnas  et  graves  causas.  has  .  .  destino  retractare, 
nc  tantus  ille  labor  mens  .  .  mecum  pariter  intercidat.  Vgl.  ib.  12,  1  f. 
VII,  17.  VIII,  3,  2.  IX,  10,  2  f.  15,  2.  28,  5  (est  uberior,  multa  enim  postea 
iuserui).  So  wurde  herausgegeben  der  sermo  quem  apud  municipes  meos 
(decuriones)  habui  bybliothecam  dedicaturus  (I,  8,  2  ff.  16),  eine  actio  pro 
patria  (II,  5,  3),  die  pro  lulio  Basso  (IV,  9,  23),  pro  Vareno  (V,  20,  2), 
pro  Attia  Viriola  (VI,  33,  1  f.  vgl.  Apoll.  Sid.  Ep.  VIII,  10),  pro  Clario 
(IX,  28,  5).  Anderes  VIII,  19.  IX,  4.  üeber  die  Dankrede  an  Trajan  s. 
A.  12.  Dagegen  waren  erzählender  Art  (s.  IX,  13,  14  vgl.  IV,  21,  3  die 
Unterscheidung  von  actio  und  libri)  des  Plinius  libelli  de  ultione  Helvidi 
(im  seinem  Ankläger  Publicius  Certus)  Ep.  VII,  30,  4  £  IX,  13,  1 ;  sowie  die 
lobende  Biographie  des  jungen  Vestricius  Cottius  (ib.  III,  10  vgl.  IT,  7). 
Vgl,  imten  336,  12.  Plinius  selbst  meint  von  seinen  Reden:  temptavi  imi- 
tari  Demosthenen  .  .  in  contentione  dicendi  (Ep.  I,  2,  2  f.  vgl.  VII,  30,  5) ; 
dagegen  gab  es  schon  in  seiner  Zeit  nüchterne  Beurteiler  seiner  Redeweise 
(wie  Lupercus),  gegen  welche  er  sich  Ep.  IX,  26  vergebens  mit  Berufung 
auf  Demosthenes  vertheidigt  (ib.  5:  visus  es  mihi  in  scriptis  meis  adnotassc 
quaedam  ut  tumida  quae  ego  sublimia,  ut  improba  quae  ego  audentia,  ut 
nimia  quae  ego  plena  arbitrabar).  Vgl.  VII,  12,  4:  cum  suspicafer  futurum 
ut  tibi  tumidius  videretur  quoniam  est  sonantius  et  elatius.  Gegen  die 
Forderung  der  Kürze  verwahrt  er  sich  lebhaft  ib.  I,  20.  V,  6,  42  ff.  vgl. 
VI,  2,  5  ff.  Macrob.  V,  1 ,  7 :  pingue  et  floridum  (genus),  in  quo  Plinius 
Secundus  quondam  et  nunc  .  .  Symmachus  luxuriatur. 


335.   Plinius  der  jüngere.  761 

4.  Plin.  Ep.  VII,  4,  2  ff.:  numquam  a  poetice  aJienus  fui;  quin 
etiam  qnattuordecim  natus  annoB  graecam  tragoediam  scripsi.  .  .  (3.)  mox, 
cum  e  militia  rediens  in  Icaria  insula  ventis  detinerer,  latinos  elegos 
in  illud  ipsnm  mare  ipsamque  insulam  feci.  expertus  sum  me  aliquando 
et  heroo,  hendecasyUabis  nunc  primum.  (7.)  transii  (von  Hexametern)  ad  ' 
elegos:  hos  quoque  non  minus  celeriter  explicui.  addidi  iambos,  facilitato 
corruptus.  .  .  (8.)  inde  plura  metra,  si  quid  otii,  maxime  in  itinere 
temptavi.  poBtremo  placuit  exemplo  multorum  unum  separatim  hendeca- 
syllaborum  volumen  absolvere.  nee  paenitet:  legitur,  describitur,  cantatur 
etiam.  Erste  Erwähnung  dieser  Sammlung  ib.  IV,  14,  2  ff.:  accipies  cum 
bac  epistula  hendecasyllabos  nostros,  quibüs  nos  in  vehiculo,  in  balineo, 
inter  cenam  oblectamus  otium  temporis.  (3.)  his  ioeamur,  ludimua,  amamua, 
dolemus,  querimur,  irascimur,  describimus  aliquid  etc.  (4.)  ex  quibus  si 
non  nuUa  tibi  petulantiora  paulo  videbuntur  etc.  (8.)  .  .  cogitare  me  has 
nugas  inscribere  Hendecasyllabi.  Vgl.  V,  3.  10.  VIII,  21,  4  (liber  et  opus- 
culis  varius  et  metris).  IX,  '10,  2  (poemata  crescunt,  nach  Mommsen's 
Besserung).  16,  2  (novos  versiculos  tibi  .  .  mittemus).  25,  1  (lusus  et 
ineptias  nostras)  u.  3  (passerculis  et  columbulis  nostris).  Ausserdem  über- 
setzte Plinius  um  dieselbe  Zeit  griechische  Epigramme  des  Arrius  Antoninus 
(oben  319,  4)  ins  Lateinische  (ib.  IV,  18  vgl.  V,  15).  Daraus  vielleicht 
Anthol.  lat.  710  E.  Im  Allgemeinen  Ep.  IX,  29,  1  das  Geständniss:  variis 
me  studiorum  generibus,  nulli  satis  confisus,  experior. 

5.  Plin.  Ep.  I,  1,  1:  irequenter  hortatus  es  ut  epistulas,  si  quas 
paulo  curatius  scripsissem,  colligerem  publicaremque.  coUegi  non  servato 
temporis  ordine  (neque  enim  historiam  componebam),  sed  ut  quaeque  in 
manus  venerat.  Diese  angebliche  Planlosigkeit  kann  kaum  von  dem  ersten 
Buche  selbst  gelten.  Vielmehr  hat  schon  Tillemont  erkannt  und  Mommsen 
(Hermes  III.  S.  31 — 53)  näher  nachgewiesen  dass  die  Sammlung  chrono- 
logisch geordnet  ist,  theils  die  Bücher  unter  einander,  theils  innerhalb 
derselben  in  der  Hauptsache  auch  die  einzelnen  Briefe  (Stobbe,  Philologus 
XXVII.  S.  640  f.).  Die  Bücher  wurden  (wie  die  des  Martial  und  Statins) 
nach  einander  einzeln  herausgegeben.  Kein  Brief  veranlasst  den  Beginn 
der  Sammlung  vor  Domitian's  Tod  zu  setzen.  Buch  I  stammt  aus  Endo 
96  u.  J.  97;  II  aus  J.  97—100;  III  J.  101  f.;  IV  J.  104  f.;  V  herausgegeben 
106,;  VI  aus  J.  106  f.;  VII  J.  107?  VEI  u.  IX  J.  107  —  109.  Die  Samm- 
lung war  vollständig  veröffentlicht  als  PI.  nach  Bithynien  abgieng.  Auch 
die  Correspondenz  mit  Trajan  ist  im  Allgemeinen  nach  der  Zeitfolge  ge- 
ordnet und  jedem  Schreiben  des  PI.  gleich  die  Antwort  des  Kaisers  an- 
gehängt. Brief  15  (16)— 121  (122)  ist  aus  der  Zeit  der  bithynischen  Statt-  ' 
halterschaft;  (Sept.  111  bis  nach  Jan.  113),  ohne  aber  bis  zu  deren  Ende 
zu  reichen.  Mommsen  a.  a.  0.  S.  ,36  —  59.  99.  Die  Adressaten  sind  B.  I 
immer,  III — V  meist  mit  doppeltem  Namen  bezeichnet,  in  B.  II  und  VI — 
IX  immer  nur  mit  einem.    Vgl.  A.  10. 

6.  Die  Briefe  sind  sichtlich  von  Anfang  an  für  die  Veröffentlichung 
geschrieben..  Jede  Person  die  darin  genannt  wird  und  nicht  todt  oder 
verbannt  ist  wird  gelobt;  die  einzige  Ausnahme  macht  Regulus  (oben  321,  3) 
und  etwa  Javolenus  Priscus   (s.  unten  337,  3).     Sonst  ist  bei  jedem  Ge- 


762  I)ie  Eaiserzeit.   Erstes  Jahrhundert.    Traianne. 

tadelten  der  Name  unterdrückt  (s.  II,  6.  VI,  17.  VIl,  26.  VIII,  22;  4.  IX,  12. 
26^  1.  27,  1).  Jeder  Brief  behandelt  nur  je  einen  Gegenstand,  so  dass 
Empfehlungs-,  Gratulations-  und  Condolenzschreiben  mit  adressierten  Tages- 
neuigkeiten, ^esohreibungen  (bes.  von  Villen),  Abhandlungen  mondischen 
Inhalts  (manchmal  recht  trivialen,  wie  VII,  26.  IX,  11)  planmässig  ab- 
wechseln. Mit  der  Person  des  Verfassers  beschäftigen  sich  die  allermeisten, 
mit  gelungenen  Leistungen  oder  Aeusserungen  desselben,  seinen  Grund- 
sätzen, seiner  Lebensweise  u.  s.  w.,  und  sie  zeigen  ihn  als  zärtlichen  Gatten, 
treuen  Freund,  humanen  Sklavenhalter,  gefeierten  Redner  und  SchriftSsteUer, 
edeldenkenden  Bürger,  freigebigen  Förderer  aller  guten  Zwecke.  Da- 
gegen der  Briefwechsel  mit  Trajan  dient  dazu  die  Geduld  und  ruhige 
Umsicht  des  Kaisers  gegenüber  der  zappelnden  Rathlosigkeit  und  Wichtig- 
thuerei  seines  Statthalters  ins  Licht  zu  stellen.  Auch  VIII,  14,  12 — 24  ver- 
räth  die  grosse  Umständlichkeit  womit  eine  einfache  Frage  behandelt  ist 
wenig  geschäftsmännisches  Geschick.  Aber  auf  die  Form  ist  auch  hier 
alle  Sorgfalt  verwendet;  vgl.  I,  1  (A.  6)  und  VII,  9,  8:  volo  epistulam 
diligentius  scribas.    .  .  pressus  sermo  purusque  ex  epistulis  petitur. 

7.  Mit  seinen  Tugenden  und  Schwächen  ähnelt  PI.  seinem  Vorbilde 
Cicero  (M.  TuUius,  quem  aemulari  studiis  cupio,  Ep.  IV,  8,  4  vgl.  I,  6,  11. 
IX,  2,  2).  Er  hat  dessen  V^eichheit  und  Durst  nach  Lob,  aber  ohne  seine 
Launen  und  Bosheiten  wie  ohne  sein  grosses  Talent.  Im  Gefühle  seiner 
Schranken  hat  PL  immer  eine  Schreibtafel  zur  Hand,  um  die  Gottesgabe 
eines  Einfalls  nicht  verloren  gehen  zu  lassen.  Aufrichtig  gesteht  er:  me 
nihil  aeque  ac  diuturnitatis  amor  et  cupido  sollicitat,  Ep.  V,  8,  1  vgl. 
Vm,  2,  8.  IX,  3,  1.  14  (oben  S.  580  f.  A.  4).  23.  31.  Seine  Weichheit 
(mollitia  animi  mei,  Ep.  IV,  21,  6)  macht  ihn  milde  in  der  Beurteilung 
Anderer,  im  Leben  (Ep.  VIII,  22.  IX,  17)  wie  in  der  Literatur  (VI,  17.  21,  1), 
so  dass  Manche  ihn  tadelten  tamquam  amicos  ex  omni  occasione  ultra 
modum  landet  (VII,  28,  1),  wohl  zugleich  in  der  stillen  Hoffnung  auf 
Gegenseitigkeit.  Seine  Weichheit  lässt  ihn  den'  Verlust  von  Angehörigen 
und  Freunden  (auch  Sklaven,  wie  VIÜ,  16)  warm  und  tief  empfinden  und 
leicht  in  Thränen  ausbrechen  (z.  B.  V,  21,  6.  VIII,  16,  6.  23,  8).  Auch 
für  die  Reize  der  unbelebten  Natur  hat  er  vermöge  dieser  natürlichen 
Weichheit  einen  offenen  Sinn  (z.  B.  I,  6,  2.  9,  6.  II,  17,  3  ff.  V,  6,  13  f. 
VI,  31,  iö  ff.  VIII,  8.  20,  4  ff .  10:  me  nihil  aeque  ac  naturae  opera  de- 
lectant.  IX,  7,  2  ff.  H.  Motz,  die  Empfindung  der  Naturschönheit  S.  68—73 
u.  sonst).  Diese  Eigenschaft  streift  nicht  selten  an  Weichlichkeit  und  un- 
männliches Wesen,  z.  B.  VI,  4.  VII,  5.  Im  Ganzen  ist  Plinius  in  Nichts 
gross  und  in  Vielem  klein,  aber  er  hat  das  Gute  gewollt  (VIÜ,  2,  2 :  mihi 
egregium  in  primis  videtur  .  .  agitare  iustitiam)  und  das  Gemeine  gemieden. 

8.  Chr.  B.  Lehmus,  der  Charakter  des  jungem  Plinius,  Soest  1776. 
J.  A.  Schäfer,  über  d.  Charakter  d.  j.  PL,  Ansbach  1786  —  1791.  4.  G.  E. 
Gierig,  Leben,  moralischer  Charakter  und  schriftstellerischer  Werth  des 
j.  PL,  Dortmund  1798.  E.  Cauvet,  ^tude  sur  Pline  le  jeune,  Toulouse  1867. 
Grasset,  Pline  le  j.,  sa  vie  et  ses  oeuvres,  Montpellier  1865.  18L7  pp. 

J.  Held,  Werth  der  Briefsammlung  des  j.  PI.  in  Bezug  auf  röm.  Lit.« 
Geschichte,  Breslau  1833. 


335.   Plinius  der  jüngere.  763 

Wensch,  lezici  plimani  epec.  I.  IL  Wittenberg  1837. 1839.  4.  H.  Holstein, 
de  PL  min.  elocutione,  Naumburg  1862.  36  pp.  4.;  disp.  altera,  Magdeburg 
(Lips.  Teubner)  1869.  26  pp.  4.  Vgl.  £.  Elussmann,  philol.  Anz.  1870, 
S.  159—165. 

9.  ApolL  Sidon.  £p.  IX,  1:  addis  et  causas  quibus  hie  liber  nonus 
octo  Buperiorum  voluminibus  adcrescat,  quod  C.  Secundus,  cuius  nos  orbi- 
tas  sequi  hoc  opere  pronuntias,  paribus  titulis  opus  epistulare  determinet. 
Der  Briefwechsel  mit  Tra Jan  wurde  erst  von  Aldus  willkürlich  als  zehn- 
tes Buch  gezählt  und  ist  jetzt  durch  keine  Handschrift  mehr  vertreten.  Aber 
im  sechszehnten  Jahrh.  gab  es  noch  eine  solche  in  Frankreich,  nach  welcher 
die  81  letzten  Briefe  von  H.  Avantius  (1502)  u.  A.  (Ph.  Beroaldus  1502, 
Catanaeus  Mail.  1506),  die  sämmtlichen  (incl.  1 — 41)  aus  der  inzwischen 
nach  Italien  gekommenen  Hds.  von  Aldus  1508  herausgegeben  wurden. 
Spätere  Herausgeber  veränderten  die  Ordnung,  indem  sie  zuerst  die  Briefe 
ohne  Antwort  und  d^n  die  auf  welche  auch  die  Antwort  Trajans  erhalten 
ist  zusammenstellten.  Eeil  hat  die  ursprüngliche  Ordnung  wiederhergestellt, 
abei^  Nr.  4  ungezählt  gelassen.  Erste  methodische  Behandlung  durch  J.  C. 
Orelli,  Turici  1833,  verbessert  und  mit  einer  historia  critica  epistolarum 
Plinü  et  Traiani  vermehrt,  Turici*  ind.  lect.  1838.  4.  (1840.  4.)  Sonstige 
BeitiÄge  von  J.  Held  (Prolegg.  ad  etc.,  Schweidnitz  1835.  4.),  Gr.  Thomson 
(Dansk  Maanedskriffc  1858,  S.  425—456.  1859,  S.  152—158),  Holm  (ebd.  1859, 
S.  168—168)  und  J.  L.  üssing  (om  de  k.  Tr.  tillagte  breve  til  PL,  Kopen- 
hagen 1861.  26  S.  4). 

10.  Die  einzige  Handschrift  welche  sämmtliche  neun  Bücher  Briefe 
enthält  ist  der  Mediceus  (M)  saec.  X ,  von  welchem  Titze's  Prager  Hds.  eine 
fehlerhafte  Abschrift  ist.  Aus  gleicher  Quelle  mit  M  stammt  der  Yaticanus 
3864  (V)  saec.  X,  welcher  aber  nur  B.  I— IV  enthält.  Alle  übrigen  Hdss. 
sind  jünger  und  bieten  entweder  nur  B.  I  bis  V,  6  (zusammen  100  Briefe), 
wie  besonders  der  Florentinus  (F)  saec.  XI  und  der  verschollene  Riccar< 
dianuB  (von  Corte  benützt),  oder  nur  acht  Bücher,  indem  sie  B.  YHI  aus- 
lassen und  B.  IX  als  achtes  zählen,  ausserdem  das  letzte  und  das  5.  Buch 
in  gestörter  Ordnung  bieten.  Aelteste  Hds.  dieser  letztern  Classe  ist  der 
codex  archivii  Cassinatis  332  vom  J.  1429.  Auch  der  Dresdensis  (D)  gehört 
dahin;  in  ihm  aber,  wie  in  andern,  ist  der  Text  nach  einem  Exemplar 
der  100  Briefe-Classe  durchcorrigiert.  D  wie  M  geben  den  Adressaten  nur 
Einen  Namen,  während  F  und  Riccard.  oft  beide  Namen  bewahrt  haben 
(vgl.  A.  5  £.).  Alle  Handschriften  aber  enthalten  vielfache  willkürliche 
Abänderungen  und  Interpolationen  durch  Grammatiker.  H.  Eeil,  praef. 
seiner  Ausg.,  und  De  Plinii  epistulis  emendandis  disp.  I  (Erlangen  1865. 
23  pp.   4.)    und  II  (Eri.  1866.   23  pp.   4.). 

11.  Die  erste  Ausgabe  der  Briefe  (Venet.  1471)  enthielt  nur  acht 
Bücher;  die  von  J.  Schurener  (Rom.  1474?)  besorgte  fugte  einen  Theil^von 
B.Vin  (ohne  8,  3—18,  11)  hinzu.  Die  erste  vollständige  ist  die  von  Aldus, 
Venet.  1508,  aus  einer  von  M  verschiedenen  Hds.  Sonstige  Ausgaben  von 
J.  Gruter  (1611),  J.  Veenhusen  (cimi  notis  Caeaub.,  Gruteri,  J.  Fr.  Gronovii 
etc.,  Lugd.  B.  1669),  G.  Cortius  et  P.  D,  Longolius  (Amstelod.  1734.  4.). 
Ed.  F.  N.  Titze,  Prag  1820.  Auswahl  mit  Anm.  von  G.  A.  Herbst,  Halle 
1839.    Erläutert  von  M.  Döring,  Freiberg  1843,  2  Bde.' 


764  Die  Kaiserzeit,    Erstes  Jahrhundert.    Traianus. 

12.  Die  Dankrede  an  Trajan  für  die  Ertheilung  des  Consulats  (Epist. 
IT,  1,  6.  III,  13.  18.  IV,  5.  VI,  27,  2 f.  Paneg.  1,  6.  2,  3.  3,  1.  90,  3)  wird 
panegyricus  genannt  schon  von  Apoll.  Sidon.  Ep.  VIII,  10.  „Wahr- 
scheinlich hat  sie  unter  der  Erweiterung  und  der  zu  peinlichen  Sorgfalt 
bei  der  nachträglichen  schriftlichen  Ausführung  gelitten.  Wie  sie  -.jetzt 
vorliegt,  gespreizt  und  gewunden,  unter  dem  Scheine  des  Freimuts  mit 
übermässigen  und  abgestandenen  Schmeicheleien  vollgepfropft,  .  .  begrei- 
fen wir  das  Urteil  F.  A.  Wolfs  (praef.  zu  Cic.  p.  Marcell.  p.  XII):  enecuisget 
principem  novus  consul  si  ita  dixisset  ut  scripsit"  (M.  Hertz,  Renaissance 

-  u.  s.  w.  S.  11).  Ueberliefert  ist  sie  in  zwei  Reoensionen,  die  aber  beide 
verdorben  sind.  Die  ältere  ist  vertreten  durch  die  drei  Palimpsestblätter 
(saec.  VI — Vin)  aus  Dobio  welche  A.  Mai  in  seiner  Ausg.  des  Symmachus 
(Mediol.  1815)  veröffentlicht  hat,  genauer  H.  Keil,  de  schedis  Ambrosianis 
rescriptis  paneg.  FL,  Halle  1869.  16  pp.  4.  Die  andere  besteht  aus  Hdss. 
des  löten  Jahrhunderts  (z.  B.  Vat.  3461),  welche  alle  aus  einer  Hds.  der 
panegyrici  abgeschrieben  sind  die  im  J.  1433  J.  Aurispa  in  Mainz  sah;  H. 
Keil,  Jo.  Aurispae  epistula,  HaUe  1870.  4. 

Ausgaben  zuerst  in  den  Panegyrici  veteres  von  Puteolanus,  Gnspiuianus 
(1513)  u.  a.,  dann  cum  comment.  J.  Lipsii,  Antverp.  1600.  1604.  4.  u.  sonst. 
Emend.  J.  M.  Gesner,  Gotting.  1735.  1749.  Cum  notiö  varr.  cur.  J.  Arntzen, 
Amstelod.  1738.  4.  Cum  comm.  ed.  C.  G.  Schwarz,  Norimb.  1746.  4.  Bec. 
G.  E.  Gierig,  Lips.  1796.     Texte  revu  par  Fr.  Dübner,  Paris  1843. 

■  ■  

Kritische  Beiträge  von  J.  C.  Held  (Observationes  in  PI.  pan^.,  Baireuth 
1824.  4.),  M.  Haupt  (Hermes  V.  p.  26—28).  J.  Dierauer,  über  den  Paneg. 
des  j.  PI.,  in  M.  Büdingers  Unters,  zur  röm.  Kaisergesch.  I  (1868)  S.  187 — 217. 

13.  Gesammtausgaben  (vgl.  A.  11)  besonders  von  H.  Stephanus  (cum 
notis  Is.  Casauboni,  Paris  1591),  M.  Z.  Boxhorn  (Lugd.  B.  1653),  J.  M. 
Gesner  (Lips.  1739.  1770;  cum  notis  varr.  ed.  G.  H.  Schaefer,  Lips.  1805), 
G.  E.  Gierig  (rec.  et  prolegg.  instr.,  Lips.  1806),  H.  Keil  (recogn.,  Lips,  1853, 
Bibl.  Teubner.),  besonders  dessen  grössere  Ausgabe  (mit  index  nominum  von 
Mommsen)»  LipS.  Teubner  1870. 

Uebersetzungen  von  Schäfer  (Erlangen  1801  f.),  E.  A.  Schmid  u.  F.  Strack 
(Frankf.  1819,  2  Bde.),  C.  F.  A.  Schott  (Stuttgart,  Metzler,  5  Bdchn.),  E. 
KluBsmann  (Stuttgart,  Hof&nann  1869  f.). 

318  336.  Ausser  diesen  beiden  bedeutendsten  Rednern  ihrer 
Zeit  kennen  wir  besonders  durch  Plinius  noch  eine  grosse  An- 
zahl  von  Männern  aus  allen  Ständen  welche  im  Senat  und  vor 
Gericht  als  Redner  und  Sachwalter  thätig  waren  und  zum  Theil 
ihre  Reden  auch  veröffentlichten.  So  namentlich  Pompejus 
Saturninus,  welcher  auch  Verse  machte,  und  Voconius  Romanus. 
Die  grosse  Zahl  dieser  praktischen  Redner  und  ihr  entschiedenes 
Uebergewicht  über  die  Schulredner  zeugt  von  der  Bedeutung 
welche  das  öffentliche  Leben  wieder  gewonnen  hatte.  Ein  achtungs- 
werther  Vertreter  der  Schulberedtsamkeit   ist  P.  Annius  Florus 


336.   Redner:  Voconiua  Romanus  u.  A.  765 

von  welchem  ein  anziehendes  grosseres  Bruchstück  auf  uns  ge- 
kommen und  der  auch  als  Dichter  bekannt  ist.  Die  Geschicht- 
schreibung hat  auch  ausser  Tacitus  die  Richtung  auf  das  Per- 
sönliche (Claudius  PoUio,  C.  Fannius,  Plinius)  und  auf  Dar- 
stellung der  letzten  Vergangenheit  (Pompeius  Planta). 

1.  Plin.  Ep.  I,  16,  1:  Pompeium  Saturninum  .  .  (2.)  audivi  causaa 
agentem  .  .  polite  et  ornate  etc.  (3.)  senties  quod  ego  cum  orationes  eius 
in  inanuB  sumpseris,  quas  facile  cuilibet  veterum,  qnorum  est  aemulas, 
comparabis.  (4.)  idem  tarnen  in  historia  magis  satisfaciet  etc.  (5.)  praeterea 
facit  versus  quales  Catullus  aut  Calvus.  quantum  (in)  illis  leporis  etc. 
(6,)  legit  mihi  nuper  epistulas:  .  .  Plautum  vel  Terentium  metro  solutum 
legi  credidi.  An  ihn  ib.  I,  8.  V,  21  (,  1;  litterae  tuae  .  .  te  recitaturum  statim 
ut  venissem  pollicebantur).     VII,  7.  15.  IX,  38. 

2.  Plin.  Ep.  II,  13,  4:  Voconius  Romanus  .  .  ipse  citerioris  Hispa- 
niae  .  .  flamen  prozime  fuit.  (7.)  ad  hoc  ingenium  ezcelsum,  subtile,  dulce, 
facile,  eruditum  in  causis  agendis  (vgl,  VI,  33).  epistulas  quidem  scribit 
ut  Musas  ipsas  latine  loqui  credas.  An  ihn  ib.  I,  5.  III,  13  und  wohl  auch 
(Romano)  II,  1.  VI,  15.  33.  VIII,  8.  IX,  27.  28  (wo  3: 'nuntiaa.multa  te 
nunc  dictare  nunc  scribere  quibu  snos  tibi  repraesentes)  u.  a.  ad  Trai.  4,  4: 
pro  moribuB  Romani  mei,  quos  et  liberalia  studia  exomant  et  eximia  pietas. 
Er  ist  wohl  der  C.  Licinius  C.  f.  Gal.  Marinus  Voconius  Romanus  im  C.  I. 
lat.  II,  3866  vgl.  3865  a. 

3.  Suet.  Vesp.  13:  Salvium  Liberalem  in  defensione  divitis  rei 
ausum  dicere  .  .  et  ipse  laudavit  (Vesp.).  Unter  Domitian  verbannt.  Plin. 
Ep.  II,  11,  17:  postero.die  (J.  100)  dixit  pro  Mario  Salvius  Liberalis,  vir 
subtilis,  dispositus,  acer,  disertus.  Vgl.  ib.  III,  9,  36  (J.  101).  Cos.  wohl 
unter  Nerva  (Orelli  1170  und  die  Acta  der  fratres  arvales,  zu  denen  er  seit 
1.  März  78  gehörte:  C.  Salvius  C.  f.  Vel.  Liberalis  Nonius  Bassus);  s.  Pauly's 
Real-Enc.  I,  2.  S.  2298,  No.  Söuund  den  Index  zu  KeiVs  Plin.  (1870)  p.  424. 

4.  Als  praktische  Redner  bezeichnet  Plinius  ausserdem  folgende  Zeit- 
genossen: Catius  Fronto  (Ep.  H,  11,  3  u.  18.  IV,  9,  15.  VI,  13,  2  vgl.  oben 
322,  4  E.),  Claudius  Capito  (VI,  13,  2),  Claudius  Marcellinus  (U,  11,  16), 
Claudius  Restitutus  (HI,  9,  16),  Cornelius  Minicianus  (VII,  22),  Cremutius 
Ruso  (VI,  23,  2),  Erucius  Claras  (Cos.  117,  vir  .  .  disertus  atque  in  agendis 
causis  exercitatus,  ib.  II,  9,  4),  Fabius  Hispanus  (facundia  validus,  ib.  IIT, 
9,  12),  _C.  Fannius  (s.  A.  8)^  (Cn.  Pedanius)  Fuscus  Salinator  (Cos.  118;  ib. 
VI,  11.  26),  Herennius  PoUio  (IV,  9,  14),  lulius  Africanus  (VII,  6,  11),  Enkel 
des  gleichnamigen  Redners  (oben  292,  4);  Lucceius  Albinus  (III,  9,  7.  IV, 
9,  13),  Minicius  (lustus?  vgl.  ib.  VII,  11,  4)  dessen  Stilart  tenuitas  war 
(VII,  12,  5);  Pomponius  Rufus  (IV,  9,^  3),  Titius  Homullus  (Ep.  IV,  9,  15. 
V,  20,  6),  Trebonius  Rufinus  (IV,  22,  If.),  Tuscilius  Nominatus  (V,  4,  If. 
13,  1  ff.),  Varisidius  Nepos  (IV,  4,  1),  ümmidius  Quadratus  (VI,  11.  VII,  24; 
Cos.  J.  118). 

6.  Plin.  Ep.  VI,  5,  6:  et  (luventius),  Celsus  (unten  337,  2)  Nepoti  ex 
libello  respondit  (im  Senat)  et  Celso  (Licinius)  Nepos  ex  pugillaribns.   V,  13, 


766  Die  Kakerzeit.   firstea  Jahrhundert.    Traianus. 

6  f.:  Nigrinas  trib.  pleb.  recitayit  (im  Senat)  libellum  dlBertom  et  gravem, 
quo  questos  est  vaenire  advocationes  etc.  vgl.  Y,  20 ,  6  (dixit  .  .  Nigrinos 
presse,  graviter,  omate). 

6.  Als  Schulredner  sind  aus  dieser  Zeit  (ausser  Licinianus,  oben  321, 
15)  bekannt  Isaeus  (Plin.  Ep.  II,  3.  Juv.  3,  74.  Philostr.  vit.  soph.  I,  20) 
und  lulius  Genitor  (rhetor  latinus,  Plin.  Ep.  III,  3,  3  ff.;  an  ihn  ib.  III,  11. 
Vn,  30.  IX,  17),  sowie  Vettius  (Juv.  7,  160).  Auch  Sueton  heisst  schola- 
sticus  bei  Plin.  Ep.  I,  24,  4  vgl.  18,  1  (ne  quid  adversi  in  actione  patiaris). 

7.  Die  Einleitung  des  Dialogs  von  P.  Annius  Florus  über  die  Frage 
Yergilius  orator  an  poeta  wurde  von  Th.  Oehler  in  einer  Brüsseler  Hand- 
schrift gefunden  und  von  F.  Bitschl  (Rhein.  Mus.  I.  1842.  S.  302 — 314)  erstmals 
herausgegeben  und  commentiert.  Darauf  auch  in  den  Ausgaben  des  lulius 
Florus  (unten  343)  von  0.  Jahn  p.  XLI— -XLIV  und  von  Halm  p.  106—109. 
Beiträge  zur  Textkritik  von  J.  Freudenberg  (Rhein.  Mus.  XXII.  S.30f.)  und  E. 
Bährens  (lectt.  latt.,  Bonn  1870,  p.  19 — 22).  Aus  diesem  Dialog  erfahren  wir 
über  den  Verfasser  dass  er  puer  sub  Domitiano  zu  Rom  im  capitolinischen  Agon 
aufgetreten,  aber  aus  Parteilichkeit  nicht  gekrönt  worden  sei;  aus  Yerdruss 
hatte  er  sich  auf  Reisen  begeben,  zuletzt  aber  in  Tarraco  niedergelassen 
und  die  professio  litterarum  betrieben.  Hier  trifft  ihn  der  Interlocutor  und 
fragt  ihn  z.  B.:  quid  tu  tam  diu  in  hac  provincia?  nee  .  .  urbem  illam 
revisis  ubi  versus  tui  a  lectoribos  concinnntur  et  in  foro  omni  clarissimus 
ille  de  Dacia  triumphus  (Trajans,  J.  102  oder  106)  exultat?  Wirklich  finden 
wir  ihn  unter  Hadrian  zu  Rom,  da  er  ohne  Zweifel  der  Florus  poeta  ist 
mit  welchem  Hadrian  scherzhafte  Yerse  wechselte  (Spartian.  Hadr.  16); 
vgl.  Charis.  I.  p.  53,  14  u.  140,  6  E.  (Annius  Florus  ad  divum  Hadrianum: 
poematis  delector).  123,  17  (Florus  ad  divum  Hadrianum).  Auch  ist  ganz 
glaublich  dass  er  der  Yerf asser  ist  der  ansprechenden  26  trochäischen  Tetra- 
meter, Lebensbeobachtungen  enthaltend,  welche  im  codex  Salmasianus  und 
Thuaneus  die  Aufschrift  haben  Flori  de  qualitate  Vitium  (Nr.  245 — 252  bei 
A.  Riese,  Anthol.  lat.  p.  168 — 170),  sowie  der  fünf  Hexameter  Flori  über 
die  Rosen  (ib.  Nr.  87,  p.  101).  Beides  an  L.  Müller's  Rutil.  Nam.  p.  26—81. 
E.  H.  0.  Müller,  de  P.  Annio  Floro  poeta  et  carmine  quod  Pervigilium 
Yeneris  inscriptum  est,  Berlin  1855.  46  pp.  Ueber  das  Yerhältniss  zum 
Florus  der  Bella  s.  unten  343,  1. 

8.  Plin.  Ep.  Y,  5,  1:  nuntiatum  mihi  est  C.  Fannium  decessisse,  .  . 
hominem  elegantem,  disertum  etc.  (2.)  .  .  pulcherrimum  opus  imperfectum 
reliquit.  (3.)  quamvis  enim  agendis  causis  distringeretur  scribebat  tarnen 
exitus  occisorum  aut  relegatorum  a  Nerone  et  iam  tres  libros  absoiverat, 
subtiles  et  diligentes  et  latinos  atque  inter  sermonem  historiamque  medios, 
ac  tanto  magis  reliquos  perficere  cupiebat  quanto  firequentius  hi  lectita- 
bantur.  Ygl.  ib.  5:  primum  librum  quem  de  sceleribus  eins  (des  Nero) 
ediderat  etc. 

9.  Schol.  des  Yalla  zu  Juv.  2,  99:  quod  bellum  (des  Oalba,  Otho,  Vi- 
tellius)  descripsit  Cornelius  Tacitus,  post  Comelium  vero,  ut  Probus  in- 
quit,  Pompeius  Planta,  qui  ait  Bebriacum  etc.  Plin.  Ep.  IX,  1  (Maxime 
suo),  1:  saepe  te  monui  ut  libros  quos  vel  pro  te  vel  in  Plantam  .  .  com- 
posuisti  quam  maturissime  emitteres:  quod  nunc  praecipue  morte  eins  an- 


336  f.   Redner  (Annius  Florus),  Historiker  und  Juristen.  767 

dita  et  hortor  et  moneo.  Er  ist  wohl  der  Pomp.  Planta  der  als  Präfect 
von  Aegypten  (J.  98)  bei  Plin.  ad  Trai.  7  u.  10  genannt  wird;  Maximus 
aber  ist  wohl  der  Nonius  Maximus  dessen  libri  Pliniua  Ep.  IV,  20  rühmt 
und  an  welchen  auch  Ep.  Y,  5  (s.  A.  8)  gerichtet  ist.  Ein  Messius  Maximus 
ib.  III,  20.   IV,  26. 

10.  Ueber  einen  ungenannten  der  Terissimum  librum  über  die  jüngste 
Vergangenheit  recitaverat  Plin.  Ep.  IX,  27.  Vgl.  ib.  31  (Sardo):  legi  librum 
tuum,  identidem  repetens  ea  maxime  quae  de  me  scripsisti. 

11.  Plin.  Ep.VII,  31,  6:  Claudius  PoUio  quam  fideliter  amicos  colat 
multorum  supremis  iudiciis,  in  his  Anni  Bassi,  gravissimi  civis,  credere 
potes,  cuius  memoriam  tam  grata  praedicatione  prorogat  .  .  ut  librum  de 
vita  eins  (nam  studia  quoque  sicut  alias  bonas  artes  veneratur)  ediderit. 

12.  Plinius  stellt  Ep.  V,  8  halb  in  Aussicht  dass  er,  wenn  er  mit  der 
Bearbeitung  und  Herausgabe  seiner  Reden  zu  Ende  sei,  sich  der  Geschicht- 
schreibung zuwenden  werde.  Indessen  die  glänzenden  Leistungen  des  Täci- 
tus  auf  diesem  Gebiete  werden  ihn  eher  davon  zurückgeschreckt  haben, 
und  so  blieben  die  rhetorisch  -  biographischen  Schriften  über  Helvidius  und 
Vestricius  Cottius  (oben  335,  3)  das  Einzige  was  er  in  dieser  Art  yerfasste. 
Was  H.  Nissen  (Rhein.  Mus.  XXVI.  8.  644 — 648)  über  seine  redigierende 
Thätigkeit  bei  der  Herausgabe  des  Geschichtswerkes  seines  Oheims  (oben 
307,  5)  vermutet  ist  wenig  einleuchtend. 

337.  Die  Jurisprudenz  hat  unter  Trajan  eine  Anzahl3i9 
ausgezeichneter  Vertreter.  So  die  letzten  Proculianer  Neratius 
Priscus  und  Juventius  Gelsus^  heide  zum  Gonsulat  gelangt  und 
noch  im  Käthe  Hadrians^  dabei  fruchtbare  Schriftsteller.  Auf 
Seiten  der  Sabinianer  stand  Javolenus  Priscus,  sowie  auch  wohl 
der  charaktertüchtige  Freund  des  Plinius,  Titius  Aristo,  und  der 
von  Salvius  Julianus  commentierte  Minicius.  Minder  bedeutend 
und  wenig  bekannt  sind  Laelius  Felix,  Varius  LucuUus,  Arrianus, 
Octavenus,  Vivianus  u.  a. 

1.  Fompon.  Dig.  I,  2,  2,  63:  successit  .  .  patri  Celso  Celsus  filius  et 
Frist  US  Neratius,  qui  utrique  consules  fuerunt,  Celsus  quidem  et  iterum 
(s.  A.  2),  Ner.  Pr.  aber  mit  dem  Grossvater  von  M.  Aurel,  Annius  Verus 
(Dig.  XL VIII,  8,  6),  wahrscheinlich  unter  Domitian,  etwa  J.  83  nach  Sickel 
und  Borghesi  bei  Mommsen  I.'R.  N.  4931  (aus  Altilia):  L.  Neratio  L.  f.  Vol. 
Prisco,  praef.  aer.  Sat.,  Cos.,  Leg.  pr.  pr.  ih  prov.  Pannonia  (J.  98),  womit 
wörtlich  übereinstimmt  ib.  4932  aus  Saepinum,  wo  auch  noch  ein  jüngerer 
Ner.  Pr.  (Sohn  des  Juristen?)  genannt  ist  (L.  Neratius  L.  f.  Vol.  Pr  .  .  .  . 
Vllvir  epul. ,  leg.  Aug.  pr.  pr.  .  .  .  inferiore  et  Pannonia),  welchen  Dirksen 
(Abhandi.  d.  Berl.  Ak.  1852,  S.  202  —  204),  sich  stützend  auf  eine  unechte 
(Pratilli'sche)  Inschrift  (Orelli  763  =■  Mommsen  520*),  für  den  Rechtsgelehrten 
hielt.  Spart.  Hadr.  18,  1:  cum  iudicaret  in  consilio  habuit  .  .  iunsconsultos 
et  praecipue  lulium  Celsum  (vgl.  Muratori  Inscr.  p.  2006,  1.  Orelli  2369), 
Salvium  lulianum,  Neratium  Priscum  aUosque,  wonach  Neratius  ein  hohes 


768  Die  Kaiserzeit.   Eretes  Jahrhundert.    Traianus. 


j 


Alter  erreicht  haben  musa.  Am^einflussreichBten  unter  Trajan;  8.  Spart. 
Uadr.  4,8:  frequens  opinio  fait  Traiano  id  animi  fuisse  ut  Neratium  Pris- 
cam .  .  auccessorem  relinqueret,  .  .  usque  eo  ut  Prisco  aliquando  dixerit: 
commendo  tibi  provincias,  si  quid  mihi  fatale  contigerit.  Vgl.  Dig.  XXXVll, 
12,  5:  divuB  Traianus  .  .  consilio  Neratii  Prisci  et  Aristonis  etc.  Von  seinen 
Schriften  sind  in  den  Digesten  an  64  Stellen  excerpiert  (s.  Hommel,  Palin- 
genesia  I.  p.  501 — 512):  Responsorum  libri  III,  Membranarum  libri  YII  und 
Regularum  libri  XY;  angeführt  werden  ausserdem  Neratius  libro  IV<^  Epi- 
stolarum  (Dig.  XXXIII,  7,  12.  §.  35  u.  43;  daraus  wohl  die  epistola  Neratii 
ad  Aristonem,  ib.  XIX,  2,  19,  2),  libri  ex  Plautio  (Dig.  VIII,  3,  6,  1  vgl. 
oben  311,  6)  und  ein  liber  de  nuptiis  (Gcllius  IV,  4,  4).  Vgl.  auch  A.  3. 
J.  C.  Sickel,  de  Neratio  Prisco  icto,  Lips.  1788.  4.  Rudorff,  röm.  Rechts- 
gesch.  I.  S.  181  f.     K.  Viertel,  de  vitis  ictorum  (1868)  p.  26  —  30. 

2.  P.  luventius  Celsus  T.  Aufidius  Hoenius  Severianus  (Dig. V,  3, 20,  6. 
Orelli-Henzen  7182),  Sohn  des  Juristen  luv.  Celsus  (oben  311,  4),  ums  J.  95 
einer  der  gegen  Domitian  Verschworenen  (Dio  LXVII,  13),  PrUtor  106  oder 
107  (Plin.  Ep.  VI,  5,  4),  Cos.  I  wohl  unter  Trajan,  II  unter  Hadrian  J.  129 
(Dig.  1.  1.  Cod.  lust.  Vn,  9,  3.  Gruter  p.  573,  2.  Henzen  I.  l.).  Schriften: 
Digestorum  libri  XXXIX,  angelegt  nach  dem  System  der  hadrianischen 
Codification  (B.  1—12  u.  24—27  nach  der  Reihenfolge  des  Edicts,  B.  13—23 
über  Testamente  und  Legate,  28—39  über  sonstige  Gegenstände  des  Civil- 
rechts),  woraus  in  den  Digesten  sich  142  Stellen  finden,  besonders  ausführ- 
liche VIII,  6,  6.  XXVIII,  5,  59.  XXXm,  10,  7.  XL VII,  2,  67;  auch  s.  fragm. 
Vat.  75.  77.  79.  80.  Nur  angeführt  werden  seine  Commentarii  in  mindestens 
7  Büchern  (Dig.  XXXIV,  2,  19,  6),  Epistolae  in  mindestens  11  (ib.  IV,  4,  3,  1) 
und  Quaestiones  in  wenigstens  19  Büchern  (ib.  XII,  1,  1.  XXVIII,  5,  9,  2. 
XXXIV, '2,  19,  3).  Celsus  geht  in  seinen  Ueberresten  mit  Vorliebe  auf  die 
Juristen  der  Republik  (bes.  Servius,  Labeo  und  Tubero)  zurück  und  beruft 
sich  öfters  auch  auf  mündliche  Erklärungen  seines  Vaters  (Dig.  XXXI,  20: 
et  Proculo  placebat  et  a  patre'  sie  accepi.  ib.  29:  pater  mens  referebat  etc.). 
Griechische  Wendungen  Dig.  XIII,  3,  3.  XXXIII,  10,  7.  Er  zeigt  Schärfe, 
theilweise  auch  Derbheit.  Bei  den  älteren  Juristen  hiess  eine  grobe  Ant- 
wort auf  eine  thörichte  Frage  responsio  Celsina  auf  eine  quaestio  Domiti- 
ana,  aus  Anlass  von  Dig.  XXVIII,  1,  27:  Domitius  Labeo  Celso  suo  salutem. 
Quaero  an  etc.  (ob  der  Notar  der  ein  Testament  aufgesetzt  auch  als  Testa- 
mentszeuge fungieren  könne).  luvehtius  Celsus  Labeoni  suo  salutem.  Aat 
non  intellego  quid  sit  de  quo  me  consulis  aut  valide  stulta  est  consultatio 
tua.  plus  enim  quam  ridiculum  est  dubitare  an  aliquis  etc.  Vgl.  ib.  III,  5, 
10,  1:  istam  sententiam  Celsus  eleganter  deridet.  Hommel,  Palingenesia  I. 
p.  149 — 172.  Heineccius,  de  P.  luventio  Celso  Icto  eximio,  Frankfurt  a.  O. 
1727.  4.  =  Opp.  IL  p.  518  —  532.     Rudorff,  Röm.  Rechtsgesch.  I.  S.  181. 

3.  Pompon.  1. 1.  (s.  A.  1):  successit .  .  Caeiio  Sabine  (oben  311, 1)  Prise  üb 
lavolenus,  .  .  lavoleno  Prisco  Abumius  Valens  et  Tuscianus,  item  Salvius 
lulianns.  Dig.  XL,  2,  5:  lulianus:  .  .  ego,  qui  meminissem  lavolenum, 
praeceptorem  meum ,  et  in  Africa  et  in  Syria  servos  suos  manumisisse  cum 
consilium  praeberet.  Plin.  Ep.  VI,  15:  Passennus  Paulus  .  .  scribit  elegos. 
.  .  is  cum  recitaret  ita  coepit  dicere:  ^Prisce,  iubes.'     ad  hoc  lavolenus 


337.   Jaristen:  luventius  CeUus,  lavolenus,  Aristo  n.  A.  769 

Priscus  (aderat  enim,  ut  Paulo  amicissimus) :  *ego  vero  non  iubco.'  cogita 
qui  risuB  hominum.  .  .  est  omnino  Priscus  dnbiae  sanitatis,  interest  tarnen 
officiis,  adhibetur  consiliis  atque  etiam  ius  civile  publice  respondet.  Um 
so  weniger  schlimm  wird  es  mit  seiner  sanitas  oder  gar  deliratio  (ib.  4) 
gewesen  sein.  Plinius  hat  für  Humor  kein  Organ  und  war  vielleicht  selbst 
auch  durch  lavolenus  in  seiner  Eitelkeit  verletzt.  Sehr  zweifelhaft  ist  ob 
lav.  unter  Pius  noch  lebte,  da  Capitol.  Ant.  Pi.  12,  1  die  Hdss.  vielmehr 
Diaboleno  haben.  Juristische  Schriften  von  ihm  sind  in  den  Digesten  an 
206  Stellen  ezcerpiert.  Wir  kennen  als  solche:  libri  XV  ex  Cassio,  Episto- 
larum  libri  XIV,  ad  Plautium  oder  ex  Plautio  libri  V,  libri  ex  Posterioribus 
Labeonis  oder  Posteriorum  Labeonis  (oben  260,  2)  a  lavoleno  epitomatorum, 
mindestens  sechs.  Hommel,  Palingenesia  I.  p.  197  —  220.  Freilich  ist  es 
fraglich  ob  da  wo  Priscus  schlechtweg  genannt  wird  er  gemeint  ist  oder 
Neratius;  denn  Dig.  VII,  8,  10,  2  (et  Priscus  et  Keratins  putant)  schreibt 
Mommsen,  nach  der  üebersetzung  des  Stephanos  {Mci  tpaci  n(^%ovX6g  xb 
Sfue  xal  NeQariog)  vielmehr  et  Proculus  et  N.  G.  A.  Jenichen,  de  Pr.  lav. 
icto  incomparabili,  Lips.  1734.  4.  H.  van  Alphen,  spicilegia  de  I.  Pr.  icto, 
Utrecht  1768  und  in  Oelrichs  thesaur.  nov.  III,  1.  J.  G.  Lindner,  prolusio 
de  I.  Pr.  ad  Plin.  Ep.  VI,  16.  Arnstadt  1770.  4.  C.  L.  Neuber,  die  Jurist. 
Classiker  (Berl.  1806)  S.  146  —  182. 

4.  Plin.  Ep.  I,  22,  1  fF.  (ums  J.  100):  perturbat  me  longa  et  pertinax 
valetudo  Titi  Aristonis,  quem  singulariter  et  miror  et  diligo.  nihil  est 
enim  illo  gravius,  sanctius,  doctius  etc.  (2.)  quam  peritus  ille  et  privati 
iuris  et  publici!  quantum  rerum,  quantum  exemplorum,  quantum  antiqui- 
tatis  teneti  etc.  (3.)  .  .  et  tamen  plerumque  haesitat,  dubitat  diversitate 
rationum,  quas  acri  magnoque  iudicio  ab  origine  oausisque  primis  repetit 
etc.  (6.)  in  summa,  non  facile  quemquam  ex  istis  qui  sapientiae  studium 
habitu  corporis  praeferunt  huic  viro  comparabis.  .  .  in  toga  negotiisque 
versatur,  multos  advocatione,  plures  consilio  iuvat.  Auch  nach  dem  Wei- 
teren  scheint  es  dass  er  sich '  zum  Stoicismus  bekannte.  Damals  genas  er 
wirklich;  denn  an  ihn  sind  gerichtet  Ep.V,  3  (Titio  Aristoni  suo)  vom  J.  105 
und  VIII,  14  vom  J.  108  (1:  cum  sis  peritissimus  et  privati  iuris  et  publici 
etc.  10:  scientia  tua,  cui  semper  fuit  curae  iura  .  .  sie  antiqua  ut  recentia 
.  .  tractare).  Dig.  XXXVII,  12,  5  (oben  A.  1).  Schriften  von  ihm  erwähnt 
Plinius  noch  nicht;  auch  werden  solche  in  den  Digesten  nie  excerpiert, 
wohl  aber  gelegentlich  (besonders  durch  Pomponius,  s.  unten  345,  8)  seine 
Noten  (notat,  adnotat  u.  dgl.)  zu  (Labeo,  Cassius  und)  Sabinus  (wonach 
Aristo  Sabinianer  war),  Dig.  II,  14,  7,  2  (eleganter  Aristo  Celso  respondit). 
IV,  8,  40  (Cassium  audisse  se  dicentem  Aristo  ait).  XX,  3,  3  (Aristo  Neratio 
Prisco  scripsit  etc.  Vgl.  XL,  4,  46).  VII,  1,  7,  3.  VII,  8,  6  (Ar.  apud  Sabi- 
num).  XXVIII,  5,  17,  6.  XXIX,  7,  9.  XXXIII,  9,  3,  1.  fragm.Vat.  68.  83.  88. 
199;  einmal,  (Dig.  XXIX,  2,  99)  Aristo  in  decretis  Frontinianis  (oben  322?). 
Gell.  XI,  18,  16:  memini  legere  me  in  libro  Aristonis  icti,  haudquaquam 
indocti  viri,  etc.  Dig.  XXXVII,  5,  6  (wo  Salvius  Aristo  an  Julianus  eine 
juristische  Anfrage  richtet)  ist  Salvius  wohl  zu  streichen  und  jedenfalls  ein 
anderer  Aristo  zu  verstehen.  J.  J.  Enschede,  de  T.  A.,  Lugd.  B.  1829. 
Th.  Mommsen,  Zeitschr.  für  Rechtsgesch.  VII  (Weimar  1868).  S.  474  —  478. 
IX.  S.  87  f.  A.  13. 

TsuFFKL,    Böm.  Literalurgcsohichtc.  2.  Anfl.  49 


770  Die  Kaiseraeit.    Erstes  Jahrhundert.    Traiaons. 

5.  Dig.  XLI,  1;  19:  Aristo  ait;  .  .  quod  et  Varium  Lacullnm  aliquando 
dubitasse.  Also  wohl  älterer  Zeitgenosse  des  Aristo.  Mommsen :  Yarronem 
Lncnllum  (cf.  Cic.  p.  Tnll.  8)? 

6.  Ein  Mini ci US  ist  als  juristischer  Schriftsteller  bekannt  durch  die 
in  den  Digesten  40nial  excerpierten  Noten  Julians  zu  seinem  Werke  (ex 
Minicio,  apud  oder  in  Minicium).  Sehr  zweifelhaft  ist  seine  Identität  mit 
dem  (L.)  Minicius  Natalia  welchem  divus  Traianus  rescripsit  (Dig.  II,  12,  9), 
dem  Cos.  von  J.  107  mit  Q.  Licinius  Granianus  (Mommsen  I.  B.  N.  4496. 
Bull,  archeol.  1846,  p.  42),  welcher  auf  Inschriften  mehrfach  Torkommt, 
wie  sein  gleichnamiger  Sohn  (L.  Minicius  L.  f.  Oal.  Natalis  Quadronius 
VeruB,  COS.,  procos.  prov.  Africae  etc.),  der  PiAfect  des  Alimentenwesens 
unter  Hadrian.  Annali  dell'  inst.  arch.  1849.  p.  22S — 226.  E.  Hübner, 
Monatsber.  der  Berl.  Ak.  1860,  8.  232  f.  F.  Kämmerer,  de  Minicio  Natali 
icto  romano,  Rostock  1839.    E.  Viertel,  de  vitis  ictorum  p.  20—26. 

7.  Gellius  XV,  27,  1:  in  libro  Laelii  Felicis  ad  Q.  Mucium  (oben 
161,  2)  primo  scriptum  est  Labeonem  (oben  260,  1  f.)  scribere  etc.  Vgl. 
ib.  4:  in  eodem  Laeli  Felicis  libro  haec  scripta  sunt  etc.  (über  Einrich- 
tungen der  Bepublik,  bes.  comitia).  Vielleicht  ist  er  der  Jurist  Laeliue 
der  noch  unter  -Hadrian  lebte,  s.  Dig.  V,  4,  3:  Laelius  scribit  se  Tidisse 
.  .  mulierem  quae  ab  Alexandria  perducta  est  ut  Hadriano  ostenderetur. 
Vgl.  ib.  XXXIV,  5,  7.  Auch  ib.  V,  3,  43  (idque  et  Laelius  probat).  Merck - 
lin,  Philologus  XVI.  S.  168—172,  welcher  auf  ihn  femer  bezieht  Macrob. 
I,  6,  13  (M.  Laelius  augur  refert  etc.)  und  Gell.  XIII,  14,  7:  quod  ego  in 
Elydis,  grammatici  veteris,  commentario  offendi,  indem  er  dort  Felicis 
liest  (vgl.  Bhein.  Mus.  XVIIl.  S.  297  —  300),  tf!  Hertz  dagegen  (Rhein. 
Mus.  XVU.  S.  680  fP.)  wahrscheinlicher  Heraclidis. 

8.  Ulpian.  Dig.  V,  3,  11:  Arrianus  libro  II  de  interdictis.  XLIII, 
3,  1,  4:  bellissime  Arrianus  scribit.  Vgl.  XXVHI,  6,  19:  quam  sententiam 
et  layolenus  probat  et  Pomponius  et  Arrianus.  XXXVIU,  10,  6  (aus  Paulus). 
XLIV,  7,  47  (aus  Paulus).  Vielleicht  dass  er  der  Arrianus  Maturus  ist  an 
welchen  Plin.  Ep.  I,  2.  II,  11  f.  IV,  8.  12.  VI,  2.  VUI,  21  gerichtet  sind. 
Vgl.  ib.  in,  2,  2  ff.  Ein  Arrianus  Severus,  praef.  aerarii  in  der  Zeit  nach 
Trajanus,  Dig.  XLIX,  14,  42  (aus  Aburins  Valens). 

9.  Dig.  XXXVIU,  1,  47  aus  Aburius  Valens:  Campanus  scribit'  etc. 
Vgl.  Pompon.  ib.  XL,  6,  34,  1  aus  Pomponius:  Campanus  ait  etc. 

10.  Dig.  XXXI,  49,  2:  quod  (Labeonis)  merito  Priscus  Fulcinius 
falsum  esse  aiebat.  XXV,  2,  3,  4:  Mela,  Fulcinius  aiunt.  XXXIX,  6,  43 
aus  Neratius  libro  I  Responsorum:  Fulcinius  (putat  oder  dicit)  etc.  Vgl. 
XXIV,  1,  29  (aus  Pomponius):  .  .  Fulcinius  scripsit.  XXV,  1,  1,  8  (Fulci- 
nius inquit]t. 

11.  Paulus  Dig.  IV,  6,  36,  9:  Vivianus  scribit  Proculum  (oben  276,  5) 
respondisse;  und  XIII,  6,  17,  4:  Vivianus  scripsit.  Vgl.  XXIX,  7,  14:  qui- 
dam  referunt  .  .  apud  Vivianum  Sabini  et  Cassii  et  Proculi  expositam  esse 
controversiam.  Vgl.  noch  ib.  IX,  2,  27,  24.  XIX,  6,  17.  XXI,  1,  1,  9.  17,  3. 
unten  A.  13.    E.  Viertel  p.  16  f.  setzt  ihn  vor  Celsus  und  Octavenus. 

12.  Dig.  XXIII,  2,  44,  3  (aus  Paulus):  Octavenus  ait.    XL,  9,   32,  2 


337  f.   Juristen  (Minicius  u.  A.)  und  Grammatiker  (Velius  Longus).     771 

(aus  Terentius  Clemens) :  idem  Octavenus  probat.  PomponiuB  Dig.  XL,  5,  20 
(bellissime  Aristo  et  Oct.  putabant)  und  4,  61,  2  (hoc  amplius  Oct.  aiebat). 
XXX,  9  (0.  scripsit).  Nach  Dosith.  12  kannte  er  die  lex  lunia  Norbana 
vom  J.  772.  Das  Sctum  luventianum  aber  kennt  er  noch  nicht  und  ist 
daher  nicht  später  als  unter  Trajan  zu  setzen.  K.  Viertel,  de  vitis  ictorum 
(Königsb.  1868)  p.  13—15. 

13.  Dig.  XXXVn,  14,  10  aus  Terentius  Clemens:  id  etiam  Proculo 
placuisse  Servilius  refert,  wo  Mommsen  an  placuisse  Yiviano  (A.  11)  denkt. 

14.  Dig.  III,  5,  30  aus  lulianus:  Valerius  Severus  respondit  etc.  Vgl. 
Ulp.  ib.  III,  3,  8  pr.:  Valerius  Severus  scribit.  Ein  C.  Val.  Sev.  war  cos. 
suff.  124  n.  Chr.     Orelli-Henzen  6466. 

« 

16.  Dig.  XXXVII,  12,  3  aus  Paul.  VIII  ad  Plaut:  Paconius  ait.  Gegen 
die  Aenderungsversnche  (z.  B.  von  A.  Schmidt,  in  Bekker  u.  Muther  Jahrb. 
d.  gem.  Rechts  III.  1859.  S.  391  ff.)  s.  E.  Viertel,  de  vitb  ictorum  p.  10 — 13. 
Vgl.  Cod.  V,  37,  6:  imperator  Alexander  (J.  223)  A.  Paconio. 

338.  Die  namhaftesten  Grammatiker  in  der  Zeit  dess^o 
Trajan  sind  Urbanns,  Velius  Longus  und  wohl  auch  Flavius 
Caper.  Unter  dem  Namen  des  Caper  haben  wir  zwei  kleine 
Schriften  de  orthographia  und  de  verbis  dubiis^  welche  aber 
nur  dürftige  Auszüge  aus  den  ursprünglichen  Schriften  desselben 
sein  können.  Urbanus  gehörte  zu  den  Erklärem  des  Verguß  wie 
auch  Velius  Longus^  von  welchem  eine  Abhandlung  de  ortho- 
graphia auf  uns  gekommen  ist.  Der  viel  angefochtene  Caesellius 
Vindex  schrieb  wohl  in  dieser  Zeit  sein  lexikalisches  Werk  Stro- 
mateus  oder  lectiones  antiquae  in  alphabetischer  Ordnung.  Auch 
Cloatius  Verus  ist  wohl  hieher  zu  setzen. 

1.  Von  Urbanus  wird  bei  Serv.  Ae.  V,  617  eine  gegen  Cornntus  ge- 
richtete (s.  Longus  bei  Schol.  Veron.  Ae.  V,  488;  p.  96,  10  ff.  E.)  Bemerkung 
angeführt.  Hienach  war  Ürb.  jünger  als  Comutus  (oben  294,  2)  und  etwas 
älter  als  (Velius)  Longus.  Seine  Leistungen  für  Vergil  waren  mehr  wohl- 
gemeint als  bedeutend.    Bibbeck  prolegg.  ad  Verg.  p.  167 — 169. 

2.  Gellius  XVUI,  9,  4:  Velio  Longo,  non  homini  indocto,  fidem 
esse  habendam,  qui  in  commentario  quod  fecisset  de  usu  antiquae  lectionis 
scripserit  etc.  Charis.  p.  176,  14  E.:  Velius  Longus  in  11  Aeneidos  (d.  h. 
in  seinem  Commentar  zu  Aen.  II).  ib.  p.  113,  29'' f.  (vgL  666,  22)  E.:  Velius 
Longus  de  hac  regula  dixit  in  V  ea  parte  (im  Commentar  zu  Ae.  V,  380). 
Daraus  auch  ib.  p.  210,  7  E.;  s.  Lachmann  zu  Lucr.  p.  146.  Non  doctum 
modo  sed  omni  fere  ex  parte  egregium,  accuratum  et  prudentem  et  ele- 
gantem Aeneidos  (nam  de  ceteris  libris  nihil  traditur)  interpretem  habuerim, 
qui  Probi  exemplo  ad  uberiores  de  rebus  maxime  grammaticis  quaestiones 
digressus  est;  Ribbeck  prolegg.  p.  169  (~  171).  .Auch  in  der  erhaltenen 
Schrift  des  Vel.  Long,  de  orthographia  (p.  2213—2238  P.)  ist  Vergil  viel- 
fach berücksichtigt.   Vel.  Long,  zeigt  sich  darin  als  ein  fleissiger  Sammler, 

49* 


772  I)ie  Kaiseneit.   Erstes  Jahrhundert.    Traiaous. 

der  aber  die  sprachlichen  Thatsachen  ziemlich  urteilslos  aufhäuft;  Brambach, 
lat  Orthogr.  S.  46  f.  Dass  man  thermae  Titianae  (nicht  Titinae)  sagen 
müsse  hatte  Long,  in  einer  eigenen  Abhandlung  erwiesen. 

.3.  Auf  einem  Irrthum  beruht  die  Angabe  von  Pompej.  p.  154,  13  E. 
(Gramm.  V) :  Caper,  ille  magister  Augusti  Caesaris,  elaboravit  vehementissime 
et  de  epistnlis  Ciceronis  collegit  haec  (?)  verba  ubi  dizerat  ipse  Cicero 
^piissimusS  Vgl.  Excerpta  ib.  p.  327,  16:  Caper  antiquissimus  doctor.  Wenn 
Caper  Lehrer  eines  Kaisers  war  (etwa  eines  FlaTius),  so  jedenfalls  nicht 
des  August;  vielmehr  muss  er  nach  Valerius  Probus  und  Sueton  gelebt 
haben.  Er  ist  daher  ohne  Zweifel  der  Grammatiker  Flavius  Caper  welcher 
den  Probus  citierte  (Charis.  p.  118,  1  E.  ausBomanus:  Fl.  Caper  .  .  Valerium 
Frobum  putare  ait)  und  wie  es  scheint  auch  als  Hauptquelle  benütet  hatte. 
Dass  er  wie  vor  Romanus  (der  ihn  öfters  anführt)  so  auch  vor  Terentius 
Scaurus  schrieb  wäre  sicher  wenn  das  Citat  bei  Dausquius  (Orthographia  I. 
p.  162)  Scaurus  lib.  IX  de  orthographia:  raro  Capri  testimonio  s  . .  exprimitur 
irgend  glaubwürdig  wftre.  Vgl.  Christ,  Pfailologus  XVIII.  S.  166,  und  Steup, 
de  Probis  p.  192  (es  sei  aus  Agroec.  p.  2269  P.  und  Priscian  I.  p.  170,  9).  Sueton 
zählt  den  Fl.  Caper  nicht  unter  den  alten  Grammatikern  auf,  wohl  weil  er 
in  seiner  Zeit  noch  (oder  noch  nicht)  lebte.  Nach  der  Richtung  seiner 
Studien  ist  Fl.  C.  jedenfalls  nicht  nach  saec.  II  zu  setzen.  Priscian  YII. 
p.  772  P.  B-  354,  .9:  Caper,  antiquitatis  doctissimus  Inquisitor.  Bei  Charisius, 
Servius  und  Priscian  werden  Stellen  aus  seinen  Schriften  oft  angeführt, 
mit  den  Titeln  de  latinitate  («-.  orthographia)  oder  de  lingua  latina,  femer 
de  dubiis  generibus  oder  dubii  generis  oder  dubii  sermonis,  sowie  enucleati 
sermonis  (welche  Christ  S.  168  f.  mit  der  Schrift  de  latinitate  identificiert) 
und  über  ex.  Hieronym.  c.  Rufin.  II,  9  (11.  p.  497  Vall.):  in  Capri  coounen- 
tariis  deutet  nur  auf  grammatische  Schriften.  Commentare  zu  Plautus  und 
Terenz  (Ritschi,  Parerga  I.  p.  361—364)  oder  zu  Vergil  (Ribbeck,  prolegg. 
p.  166)  verfasste  Caper  wohl  nicht;  ebensowenig  wohl  (trotz  Agroec.  prooem., 
wo  Caper  multis  litterarum  operibus  celebratus,  in  commentando  etiam 
Cicerone  praecipuus  heisst)  zu  Cicero.  Die  seinen  Namen  tragenden  Schriften 
de  orthographia  (p.  2239->2246  P.)  und  de  verbis  dubiis  (p.  2247— >2250  P.) 
haben  nichts  von  dem  Reichthum  an  Belegen  aus  alten  SchriftsteUem 
welcher  die  Anführungen  aus  Caper  auszeichnet,  sind  mager,  und  zusammen- 
hangslos, die  eine  sogar  in  alphabetischer  Ordnung,  die  de  orthogr.  aber 
durch  Zuthaten  des  Compilators  weniger  entstellt.  F.  Osann,  de  Fl.  Capro 
et  Agroecio  grammaticis  (Giessen  1849.  4.)  p.  3.  5—20.  W.  Christ,  Philo- 
-logus  XVIII.  S.  165—170.    W.  Brambach,  lat.  Orthogr.  S.  43  f. 

4.  Gellius  VI  (VII),  2,  1  f.:  turpe  erratum  offendimus  in  illis  celebra- 
tissimis  commentariis  lectionum  antiquarum  Caeselli  Vindicis,  hominis 
hercle  pleraque  haud  indiligentis.  (2.)  quod  erratum  multos  fugit,  quam- 
quam  multa  in  Caesellio  reprehendendo  etiam  per  calumnias  rimarentur 
(besonders  seine  jüngeren  Zeit-  und  Fachgenossen  Terentius  Scaurus  und 
Sulpicius  Apollinaris).  Dieselbe  Schrift  angeführt  ib.  II,  16,  5  ff.  III,  16,  11. 
XI,  15,  2  ff.  XX,  2,  2  und  wohl  auch  IX,  14,  6.  XVIII,  11  gemeint.  Darin 
war  die  alphabetische  Ol>dnung  befolgt;  s.  Charis.  p.  117,  13  E.  (Vindex 
A  litterae  libro  I).     239,  21   (Caesellius  Vindex  libro  B  litterae).     195,   26 


338  f.    Grammatiker  (Flavius  Caper  u.  A.)  und  Gromatiker.  773 

(Caea.  Vind.  libro  L).  Die  Gleichartigkeit  des  Inhalts  macht  wahrschein- 
lich dass  nur  ein  anderer  Titel  desselben  Werkes  Stromateus  war;  s.  Pris- 
cian.  p.  210,  7  (Gaesellius  Yindez  in  stromateo).  230,  11  (Gaesellius  in 
stromateo)  vgl.  p.  229,  10  Htz.  F.  Ritschi,  Parerga  I.  S.  360.  Anf  ihn 
beziehen  sich  (durch  Vermittlung  späterer  Bearbeitungen  für  den  Schul- 
bedarf) wohl  auch  die  Excerpte  des  Cassiodor  (p.  2314  ff.  P.)  ex  orthographo 
Caesellio  und  ex  Lucio  Caecilio  Vindice;  s.  Gräfenhan,  Gesch.  d.  class. 
Philol.  IV.  S.  121  f.  Tgl.  8.  68—71.  W.  Brambach,  lat.  Orthogr.  S.  38—41. 
Amob.  adv.  gent.  I,  69  (oben  277,  4).  Rufin.  de  metr.  p.  2713  P. 
J.  Eretzschmer,  de  Gellii  fontibus  (1860)  p.  96—98. 

6.  Gellius  XVI,  12,  iff.:  Cloatius  Verus,  in  libris  quos  inscripsitr 
verborum  a  Graecis  tractorum  (auch  bei  Macrbb.  III,  18,  4),  non  pauca 
hercle  dicit  curiose  et  sagaciter  conquisita,  neque  non  tarnen  quaedam 
futilia  et  frivola.  .  .  (6.)  commode  haec  sane  omnia  et  conducenter.  sed 
in  libro  quarto  faenerator,  inquit,  appellatus  est  quasi  (paivsQataQy  dnb 
tov  (paivsa^ai  etc.  (6.)  idque  dixisse  ait  Hypsicraten  quempiam  gramma- 
ticum  (oben  166,  12).  Cloatius  könnte  sonach  bereits  der  augusteischen  Zeit 
angehört  haben.  Doch  ist  er  dem  Gellius  offenbar  yiel  genauer  bekannt  . 
als'Hypsicr.  und  daher  wohl  seiner  eigenen  Zeit  näher.  Neben  jenem  etymo- 
logischen Werke  yerfasste  Cloatius  ein  wie  es  scheint  mehr  sachlich  ge- 
haltenes Ordinatorum  graecorum  libri,  wovon  ein  zweites  Buch  angeführt 
wird  von  Macrob.  III,  6,  2  (Altar  des  Apollon  zu  Delos)  und  ein  viertes 
ib.  18,  8  (nux)  und  19,  2  (Aufzählung  von  Aepfelarten  in  alphabetischer 
Ordnung). 

6.  Gellius  XX,  11,  Iff.:  P.  Lavini  über  est  non  incuriose  factus.  is 
inscriptus  est  de  verbis  sordidis.  in  eo  scripsit  sculnam  volgo  dici  etc. 
.  .  (4.)  sculnam  autem  scriptum  esse  in  logistorico  Varronis  .  .  idem  Lavi- 
ni us  in  eodem  libro  admonet.  Der  bei  Macrob.  III,  8,  3  genannte  Laevinus 
ist  mit  diesem  Lavinius  schon  darum  nicht  identisch  weil  das  aus  jenem 
Angeführte  offenbar  gebundene  Form  hat;  eher  wäre  er  =s  Laevius  (oben 
148,  5  ff). 

7.  üeber  den  Literarhistoriker  L.  Cotta  s.  oben  166,  13. 

339«  Unter  Trajan  schrieben  endlich  mehrere  Gromatiker.321 
So  Hyginus,  von  welchem  wir  Ueberreste  eines  umfassenden 
gromatisch-juristischen  Werkes,  sowie  eine  Schrift  de  munitio- 
nibus  besitzen.  In  der  ihm  gleichfalls  zugeschriebenen  Schrift 
de  limitibus  (constituendis)  ist  Prontinus  stark  benützt.  Femer 
Baibus  ist  der  Verfasser  einer  auf  uns  gekommenen  Darstel- 
lung der  elementaren  geometrischen  Begriffe,  nicht  aber  des 
Werkchens  de  asse.  Nicht  viel  später  als  unter  Trajan  kann 
auch  der  Gromatiker  Siculus  Placcus  fallen^  dessen  Fachschrift 
de  condicionibus  agrorum  vollständig  und  in  gutem  Zusammen- 
hange erhalten  ist. 

1.   Die  Ueberreste  des  Gromatikers.Hyginus  besonders  in  Lachmann's 


774  Die  Kaiserzeit   Erstes  Jahrhundert.    Traianus. 

Schriften  der  röm.  Feldmesser  I  (18'i8).  S.  108  —  134.  Das  ganze  Werk 
zerfiel  in  drei  Abschnitte,  de  limitibas  (p.  108 — 113),  de  condicionibus 
agroruin  (p.  113  — 123),  de  generibus  controversiarum  (p.  123—134).  Vgl. 
Blume  im  Rhein.  Mus.  VIL  S.  142  —  164.  Lachmann,  Schrr.  d.  Feldm.  IL 
S.  136  —  141.  Ursprünglicher  Zusammenhang;  s.  p.  128:  hae  sunt  condiciones 
agrorum  quas  cognoscere  potui.  nunc  de  generibus  conti'oversiarum 
))erscribam  quae  solent  in  quaestionem  dednci.  Zur  Abfassungszeit  (vielleicht 
J.  103,  Hultsch,  metrolog.  script.  IL  p.  6,  not.  4)  vgl.  p.  121,  7  ff.  (nuper 
quidam  evocatus  Augusti,  .  .  cum  in  Pannonia  agros  veteranis  ex  voluntate 
.  .  imperatoris  Traiani  Aug.  Germanici  adsignaret)  und  p.  131,  17  ff. 
, (wonach  in  Samnium  von  Vespasian  bedachte  Veteranen  noch  lebten).  Die 
Schrift  des  Frontinus  (oben  322,  3)  ist  benützt,  aber  mit  Selbständigkeit; 
die  Darstellung  ist  etwas  mehr  handwerksmässig ,  aber  die  eines  gründ- 
lichen Kenners;  die  Redeweise  die  eines  Technikers,  aber  in  gutem  Latein. 
C.  Lachmann  a.  a.  0.  II.  S.  139.  lieber  ein  anderes  Werk  des  Hygin.  ib.  L 
p.  133,  14  ff.:  cuius  edicti  (von  Domitian)  verba,  itemque  constitutiones 
quasdam  aliorum  principum  itemque  divi  Nervae  in  uno  libello  contulimus. 
Den  Namen  des  Hyginus  trägt  auch  ein  im  Anfang  unvollständig  erhaltenes 
Schriftchen  de  castrametatione  oder  de  munitionibus  castrorum,  und  ihr 
letzter  Herausgeber  C.  C.  L.  Lange  (Gotting.  1848)  hat  (Prolegomena  critica 
et  historica  in  Hyg.  de  mun.  castr.  libellum,  Gotting.  1847,  p.  51—63)  ihr 
Anrecht  auf  diesen  Namen  erfolgreich  verfochten. 

2.  Die  von  Blume  und  Lachmann  aufgestellte  Unterscheidung  eines 
zweiten,  jüngeren  Gromatikers  Hyginus  als  Verfasser  der  Schrift  de  limi- 
tibus  constituendis  (abgedruckt  bei  Lachmann,  Schrr.  d.  röm.  Feldm.  I. 
p.  166 — 208),  ist  mit  guten  Gründen  bekämpft  worden  durch  L.  Lange, 
prolegomena  1.  1.  p.  44—51  und  Göttinger  Gel.  Anz.  1853,  S.  527—530. 

3.  Ueberschrift  des  Werkes  von  Baibus  im  Arcerianus  (vgl.  oben 
322,  2  E.):  Balbi  ad  Gelsum  expositio  et  ratio  omnium  formarum  (d.  h. 
geometrischen  Figuren;  wirklich  abgehandelt  werden  aber  in  dem  Erhal- 
tenen nur  die  mensurae)  in  Lachmann's  Ausg.  d.  röm.  Feldm.  I.  p.  91 — 108 
vgl.  Lachmann  ebd.  IL  S.  131  —  136.  Th.  Mommsen  ebd.  IL  S.  146  —  150. 
151 — 157.  Es  ist  einte  Geometrie  für  Feldmesser,  geschöpft  besonders  aus 
Euklid  und  Heron,  aber  -nur  zum  kleinsten  Theile  erhalten.  Hultsch  in 
den  metrolog.  script.  IL  p.  7  —  13.  Nach  der  Vorrede  hatte  der  Verf.  sein 
Werk  bereits  angefangen  als  intervenit  clara  sacratissimi  imperatoris  nostri 
(des  Trajan)  expeditio  (p.  92 ,  7  f.).  Im  Felde  lernte  er  die  Wichtigkeit 
der  venerabilis  Ai  (d.  h.  trianguli,  nach  Hultsch;  Gud.  di)  ratio  praktisch 
kennen.  '  postquam  ergo  mazimus  imperator  victoria  Daciam  proxime  re- 
seravit  (wohl  durch  den  ersten  dakischen  Krieg)  statim  ut  e  septentrionali 
plaga  annua  vice  transire  permisit  ego  ad  studium  meum  .  .  reversus  multa 
.  .  recollegi  (p.  93,  6  ff.).  Der  Gelsus  welchem  die  Schrift  gewidmet  ist 
hatte  an  einem  gromatischen  Instrument  (der  dioptra  nach  Hultsch  p.  8  f.) 
eine  Erfindung  gemacht  (invento  tuo,  p.  92,  16)  und  scheint  ein  Genie- 
offizier von  höherem  Range  gewesen  zu  sein.  Baibus  wird  von  den  späteren 
Gromatikern  mehrmals  angeführt,  ohne  daas  klar  ist  ob  verlorene  Theile 
desselben  Werks  oder  andere  Schritten  desselben  Verfassers  gemeint  sind. 


339.   Gromatiker:  Hyginus,  Balbas  u.  A.  775 

4.  Im  ArcerianuB  lautet  die  subBcriptio  des  liber  coloniarum  (röm. 
Feldm.  I.  p.  239):  huic  addendas  mensuras  limitum  et  terminorum  ex  libris 
Angusti  et  Neronis  CaeBamm ,  sed  et  Balbi  meneoriB,  qui  temporibus  Augusti 
omniam  provinciarum  et  formas  civitatiam  et  mensuras  compertae  in  com- 
mentarÜB  contolit  et  legem  agrariam  per  diversitates  provinciamm  distinxit 
ac  declaravit.  Der  Urheber  dieser  subscrjptio  hielt  also  für  die  Quelle 
des  lib.  col.  einen  Feldmesser  Baibus,  den  er  unter  August  setzte,  wohl 
weil  ihm  die  von  Baibus  herrührenden  Verzeichnisse  des  ager  divisus  ad- 
signatus  als  Ergebniss  der  augusteischen  Beichsyermessung  erschienen. 
Gehen  die  erhaltenen  Städteverzeichnisse  (libri  coloniarum)  wirklich  awi 
Baibus  zurück,  so  ist  anzunehmen  dass  sie  nach  dessen  Tod  von  andern 
Mensoren  fortgeföhrt  wurden,  da  dieselben  bis  in  die  Zeit  des  M.  Aurelius 
und  Commodus  (J.  177 — 180)  herabreichen.  Th.  Mommsen,  in  d.  Schrr.  d. 
röm.  Feldm.  IL  S.  176 — 181.  Text  dieser  libri  coloniarum  von  Lachmann 
ebd.  I.  p.  209  —  262.  Abhandlung  darüber  von  Th.  Mommsen,  ebd.  II. 
S.  157 — 188,  nach  welchem  zwei  Redactionen  zu  unterscheiden  sind:  eine 
bessere  (lib.  col.  I  bei  Lachmann),  vertreten  besonders  durch  den  Arce- 
rianus  (A  bei  Lachmann),  im  Falatinus  (P)  saec.  IX  oder  X  bereits  mit 
der  jüngeren  (liber  col.  II  bei  Lachmann,  p.  252  ff.)  vermischt,  deren 
Hauptquelle  der  Gudianus  saec.  IX  oder  X  ist.  Die  im  Are.  überlieferte 
Redaction  ist  im  Wesentlichen  eine  Schrift  der  guten  Zeit,  von  sachlicher 
Fülle  und  technisch  knappem  Ausdruck,  epitomiert  ums  J.  450  n.  Chr., 
die  spätere  Bedaction  aber  (aus  dem  sechsten  christl.  Jahrh.)  voll  Ver- 
wirrung und  ünkenntniss  (a.  a.  0.  bes.  8.  165 — 174.  181  ff.). 

5.  Das  Schriftchen  de  asse  minutisque  eins  portiunculis,  heraus- 
gegeben zuerst  von  Fabius  Calvus  aus  Ravenna  an  seiner  Uebersetzung  des 
Hippokrates  (Rom  1525)  aus  den  Schlussbl&ttem  des  cod.  Arcerianus  (Th. 
Mommsen  in  den  röm.  Feldm.  II.  S.  150  f.  vgl.  Lachmann  ebd.  S.  134  f.), 
besser  von  J.  Fr.  Gronov  an  seiner  Ausg.  des  Maecianus  und  den  spätem 
Herausgebern  des  Letztem  (s.  unten  356),  zuletzt  von  F.  Hultsch  (Metro- 
log, scr.  II.  p.  72 — 75),  ist  präcis  und  sachkundig  geschrieben  und  fdr  die 
Münzgeschichte  seiner  Zeit  von  Wichtigkeit.  Es  kann  aber  —  entweder 
selbst  oder  in  dem  ihm  etwa  zu  Grunde  liegenden  ausführlicheren  Werke  — 
erst  aus  dem  dritten  christL  Jahrh.  stammen,  da  darin  z.  B.  unter  den 
Theilen  des  as  der  tremissis  aufgeführt  wird,  welcher  erst  unter  Alexander 
Severus  geprägt  wurde;  s.  W.  Christ  in  den  Sitzungsber.  der  Münchner 
Akad.  1863,  S.  105  ff.     F.  Hultsch,  metroL  scr.  U.  p.  14—16. 

6.  Die  Schrift  des  Siculus  Flaccus  de  condicionibus  agrorum  be- 
Bchränkt  sich  in  ihrer  jetzigen  Gestalt  auf  Italien.  Sie  beginnt:  condi- 
ciones  agrorum  per  totam  Italiam  diversas  esse  plerisque  etiam  remotis 
a  professione  nostra  hominibus  notum  est;  worauf  diese  Thatsache  aus 
der  Geschichte  erklärt  wird.  Die  Stilisierung  ist  in  ihrer  Art  sorgfältig. 
Die  Art  der  Erwähnung  des  Domitiänus  p.  168,  13  L.  (de  quibus  Domi- 
tianus  finem  statuit)  macht  wahrscheinlich  dass  Fl.  ziemlich  nach  dessen 
Regierung  geschrieben  hat.  Näheres  Über  sein  Alter  ist  aber  nicht  bekannt; 
s.  L.  Lange,  Götti.  Gel.  Anz.  1853,  S.  530  f.  Die  Schrift  ist  durch  die 
zweite  Classe  der  Handschriften  der ,  Agrimensoren   (s.  A.  4)  erhalten  und 


776  Die  Kaiserzeit.   Zweites  Jahrhundert. 

daran  die  nomina  limitum  angehängt;  in  denen  der  ersten  Classe  sind  ein- 
zelne Blätter  in  den  Hyginus  hineingerathen  (Lachmann  II.  S.  132.  137  f.). 
Abdruck  des  Werkes  in  den  Sammlungen  der  Agrimensoren,  zuletzt  in 
der  Yon  Blume,  Lachmann  und  Rudorff  I  (Berlin  1848)  p.  134—165.  Sonder- 
ausgabe von  J.  C.  Schwarz,  Coburg  1711.  4. 

7.  unter  Trajan  verfasst  ist  die  den  Namen  des  Aelianus  tragende 
raxTiH^  9'B4oq£cc,  Vgl.  EOchly  und  Büstow,  die  griech.  Kriegsschriftsteller  IT,  1. 

8.  Ein  Schriftchen  betitelt  In  artem  medendi  isagoge  gibt  sich  als 
verfasst  von  Soranus  Ephesius,  insignis  peripateticus  et  vetustissimus 
archiater,  also  ohne  Zweifel  von  dem  berühmten  Methodiker  dieses  Namens, 
von  welchem  wir  griechisch  geschriebene  Werke  chirurgischen  und  gynäko- 
logischen Inhaltes  noch  besitzen  und  welcher  wahrscheinlich  unter  Trajan 
und  Hadrian  zu  Rom  wirkte.  Jenes  Schriftchen  (abgedruckt  in  den  Samm- 
lungen der  medici  vett.  von  Torinus  1528  und  Aldus  1547)  ist  aber  so  leer 
und  geschmacklos  dass  es  vielmehr  ein  Erzeugniss  des  Mittelalters  sein  wird. 

B.   Zweites  Jahrhundert,  J«  117—211  n«  Chr. 

3'22  340«  Mit  der  Regierung  Hadrians  beginnt  eine  Zeit  deren 
Charakter  von  dem  des  silbernen  Zeitalters  auffallend  absticht. 
Die  Erschöpfung  welche  von  all  den  Aufregungen  der  letzten 
Jahrzehnte  zurückgeblieben  gibt  sich  kund  in  der  völligen  Un- 
fähigkeit der  Zeit  zu  selbständigen  und  eigenthümlichen  Hervor- 
bringungen. Desto  zugänglicher  ist  sie  für  fremde  Einflüsse. 
Nur  Wenige  aber,  deren  Bildung  noch  in  Quintilians  Zeit  wur- 
zelt, wie  SuetoniuS;  Plorus  und  wohl  auch  Justinus,  schliessen 
sich  an  die  besseren  Muster  an;  die  Meisten  treibt  Ungeschmack 
und  Schwäche  zu  Vermengung  aller  Stilgattungen  und  Aufsuchen 
des  Entlegenen  und  Seltsamen.  So  besonders  seit  der  eitle  und 
verschrobene  Hadrian  die  Zeit  beherrscht  und  der  Africaner  Fronto 
in  der  Literatur  den  Ton  angibt.  Eifrig  wühlt  man  in  den 
Schätzen  der  Vergangenheit,  und  in  Sueton  besitzt  das  Jahr- 
hundert einen  Yarro  in  dem  verkleinerten  Massstabe  der  Eaiser- 
zeit.  Aber  nach  ihm  bekommt  die  Forschung  immer  mehr  einen 
pedantischen  Beigeschmack.  Es  fehlt  an  der  Fähigkeit  das  Ge- 
wonnene richtig  zu  verwenden,  ja  schon  es  ganz  in  sich  auf- 
zunehmen. Immer  verbreiteter  wird  daher  das  Bedürfodss  den 
Reichthum  der  Yergangenlieit  ins  Kleine  zusammenzuziehen, 
immer  grosser  die  Zahl  der  Epitomatoren.  Grelehrsamkeit  erf&llt 
Markt  und  Strasse;  Gelehrtthun  wird  zur  Modesache:  Gramma- 
tiker und  Lehrer  der  Rhetorik  gibt  es  eine  Unzahl,  und  theil- 
weise  spielen  sie  eine  grosse  Rolle.     Aber  ungeleitet  von  histo- 


340.   Uebersicht.  777 

rischem  Sinne  und  in  Dienst  genommen  von  einer  eitlen  Rhetorik 
ohne  Stilgefühl;  treibt  die  Gelehrsamkeit  planlos  dahin  und  ver- 
geudet ihre  Schätze.*)  Im  Ganzen  ist  das  Uebergewicht  auf  Seiten 
der  griechischen  Literatur^  welche  eben  jetzt  in  der  neuen  Sophi- 
stik  einen  Nachsommer  erlebt.  Hellas  und  der  hellenisierte 
Osten  liefert  die  meisten  Talente,  die  denn  in  ihrer  Muttersprache 
schreiben,  wie  Plutarch,  Appian,  Arrian  und  besonders  Lukianos. 
Aber  auch  manche  Schriftsteller  des  Westens,  wie  Pavorinus, 
schreiben  nur  griechisch,  andere,  wie  schon  Sueton  und  Hadrian, 
dann  Fronto,  Apulejus,  TertulHan  und  Modestinus,  sowohl  in 
griechischer  als  lateinischer  Sprache.  Die  Literatur  streift  den 
nationalen  Charakter  ab  und  wird  universal.  Ein  Förderungs- 
mittel dafür  ist  die  Sitte  der  Rhetoren  im  ganzen  Reiche  umher 
epideiktische  Vorträge  zu  halten,  welche  von  den  Griechen  auch 
auf  die  lateinisch  Redenden,  wie  Apulejus,  übergeht.  Selbstän- 
diges Leben  entwickeln  nur  die  Fachwissenschaften.  Die  Medicin 
hat  ihren  Galenos  (ums  J.  131  —  201);  aber  aus  Eleinasien  ge- 
bürtig schreibt  dieser  griechisch.  Dagegen  die  Jurisprudenz  hält 
nicht  nur  die  Ueberlieferungen  der  Vergangenheit  fest,  sondern 
bildet  sie  mit  Geist  und  Scharfsinn  weiter.  Eine  Reihe  glänzender 
Namen  —  besonders  Julianus,  Pomponius,  Gajus  —  löst  sich  in 
rascher  Folge  ab  und  gipfelt  zuletzt  in  Papinianus.  Sie  üben 
ihren  Einfluss  auf  die  Rechtsentwicklung  theils  als  Lehrer  und 
Schriftsteller  theils  indem  sie  die  kaiserlichen  Rescripte  verfassen, 
welche  jetzt,  nach  Abschluss  des  Edictrechts  durch  Julianus,  die 
einzige  Quelle  neu6n  Rechtes  bilden.  Auch  in  der  sprachlichen 
Darstellung  sind  die  Juristen  die  Vertreter  des  reineren  Ge- 
schmackes. In  demselben  Verhältniss  wie  Jurisprudenz,  Gelehr- 
samkeit und  Schönrednerei  das  Jahrhundert  beherrschen  tritt 
die  Poesie  zurück.  Das  einzig  Nennenswerthe  ist  aus  dem 
Schlüsse  dieser  Zeit  das  Pervigilium  Veneris.  Das  Uebergewicht 
der  Gelehrsamkeit  bekundet  sich  auch  auf  diesem  Gebiete  durch 
das  Zurückgehen  auf  die  metrischen  Formen  der  voraugustei- 
schen Zeit,  des  Varro,  Laevius  und  Plautus,  mit  technischer 
Eleganz,  aber  ohne  Gefühl  für  das  Passende.  Die  geistige  Reg- 
samkeit neben  geistigem  Unvermögen  führt  auf  Superstition. 
Der  weitverbreitete  Hang  für  Uebematürliches  ruft  viele  schwin- 
delhafte  Erscheinungen   hervor,    aber   er  bietet  zugleich    einen 


*)  Vgl.  z.  B.  Gellius  XIV,  6,  3  fF. 


778  I^ie  Kaiserzeit    Zweites  Jahrhundert. 

günstigen  Boden  für  eine  neue  Religion.  Das  Ghristenthnm^ 
das  bisher  nur  in  der  griechischen  Literatur  sich  bemerklich 
gemacht  hatte,  fangt  nun  an  auch  in  die  romische  seinen  Schat- 
ten hineinzuwerfen.  Seine  Lehre  von  der  Sünde  und  Gnade 
und  vom  besseren  Jenseits  ergreift  die  Armen  und  Bedrängten 
imd  das  Geschlecht  der  Frauen  und  erfüllt  sie  mit  eiiler  Todes- 
freudigkeit welche  auch  die  Männerwelt  aufmerksam  macht,  und 
die  grossartige  Lehre  von  dem  einen  Gotte,  dem  Schopfer  des 
Himmels  und  der  Erde,  imponiert  den  Gebildetsten  um  so  mehr 
je  gründlicher  sie  längst  innerlich  vom  Polytheismus  abgekehrt 
sind.  Wohl  zeigen  sich  innerhalb  des  Christenthums  verschiedene 
Uichtungen,  die  sich  unter  einander  leidenschaftlich  bekämpfen. 
Aber  auch  diess  dient  dazu  die  Blicke  auf  die  neue  Erscheinung 
hinzulenken,  und  in  der  Abstossung  von  Extremen,  der  Aus- 
gleichung von  Gegensätzen  bildet  sich  ein  lebensvoller  Kern. 
Die  antike  formelle  Bildung  sucht  der  eine  Theil  der  christlichen 
Schriftsteller,  wie  Minucius  FeHx  und  Lactantius,  zu  erhalten 
und  dem  christlichen  Geiste  anzupassen*);  die  andere  Richtung, 
deren  ältester  Vertreter  Tertullian  ist,  dann  Gommodianus,  steht 
unter  dem  Einflüsse  orientalischer  Culturelemente,  verhält  sich 
zur  antiken  Bildung  ablehnend  und  kehrt  zur  altrömischen  Gleich- 
gültigkeit gegen  die  äussere  Form  zurück.  Unter  dem  gemein- 
samen Einflüsse  local  klimatischer*'*')  und  nationaler  (semitischer) 
Verhältnisse  wie  der  christlich -biblischen  Art  zu  denken  und 
zu  sprechen  bildet  sich  im  Süden  und  Osten  des  Reichs  all- 
mählich eine  eigenthümliche  Ausdrupksweise,  welche  in  Nord- 
africa  ihre  bedeutendsten  Vertreter  findet  und  daher  africanische 
Latinität  genannt  zu  werden  pflegt.  Dort  herrscht  überhaupt 
in  dieser  Zeit  am  meisten  geistige  Bewegung.  Die  alte  wie  die 
neue  Richtung  der  Geister  hat  in  Nordafrica  lange  fort  ihre 
Vorkämpfer,  einen  Fronto  und  Apulejus  wie  einen  Tertullian 
und  weiterhin  Cyprianus  und  Augustinus.  Wie  die  persönliche 
Richtung  des  Herrschers  noch  fortwährend  von  Einfluss  bleibt 
auch  auf  den  Gang  der  Literatur,  so  zerfallt  das  ganze  Jahr- 
hundert  in   drei  Abschnitte:    die   Zeit  Hadrians  (J.  117  — 138), 


*)   Vgl.  auch  Hieronym.    ad   a.  2220  «  204  n.  Chr.:  Musanuß  (Arm.: 
Musianus)  nostrae  philosophiae  Ecriptor  agnoscitur. 

**)   Apoll.   Sidon.   ep.  VIII,  11:    urbium  cives  africanarum ,    quibus  ut 
est  regio  sie  mens  ardentior. 


340  f.    üebersicht.    Hiidrianus.  779 

die  der  Antonine  (J.  138—176),  endlich  die  des  Commodus  und 

Septimius  Severus  (J.  176 — 211). 

1.  lieber  das  ganze  Jahrhundert  vgl.  M.  Hertz,  Benaissance  und 
Rococo  in  der  römischen  Litteratur.    Ein  Vortrag.    Berlin  1865.  50  S. 

1.  Die  Zeit  des  Hadrianus,  J.  117—138  n.  Chr. 

341.  P.  Aelius  Hadrianus  (J.  76—138)  war  eine  selt-323 
same  Natur,  in  der  die  entgegengesetztesten  Eigenschaften  bei 
einander  waren.  Abergläubisch  und  skeptisch,  pedantisch  und 
witzig,  grüblerisch  und  ironisch,  unendlich  anregbar  und  masslos 
eigensinnig,  gesellig  und  argwöhnisch,  gutmütig  und  grausam, 
blieb  er  sich  gleich  nur  in  dem  ewigen  Wechsel  der  Stimmungen 
und  Launen  und  dem  hohen  Begriffe  von  seinem  eigenen  Werthe. 
Für  Alles  hatte  er  Interesse,  für  Nichts  Ernst  und  Ausdauer. 
Seine  rastlose  Beweglichkeit  streifte  ans  Krankhafte;  aber  indem 
sie  ihn  trieb  das  Reich  zu  durchwandern  wurde  sie  die  Ursache 
vieler  nützlichen  Einrichtungen.  Am  meisten  gewann  und  litt 
die  Literatur  unter  seiner  Vorliebe  und  Grillenhaftigkeit.  Doch 
reichten  seine  eigenen  Hervorbringungeh  auch  hier  über  das 
Dilettantische  nicht  hinaus. 

1.  Spartians  vita  Hadriani.  A.  Haakh  in  Faaly's  Real^Enc.  UI.  S.  1028 
— 1045.  F.  Gregorovius,  Geschichte  des  röm.  Kaisers  Hadrian  und  seiner 
Zeit,  Königsberg  1851.  282  S.  G.  Peter,  Geschichte  Roms  III,  2  (Halle  1869) 
S.  168—187.  C.  Knaut,  Hadr.  als  Regent  und  als  Charakter,  Berlin  1871. 
43  S.  4. 

2.  Hadrianus  war  geboren  am  24.  Januar  76  (829)  zu  Rom,  stammte 
aber,  wie  Trajan,  mit  dem  er  verwandt  war,  aus  Italica  in  Spanien.  Con- 
sul  109,  von  Trajan  kurz  vor  seinem  Tode  adoptiert  (August  117).  f  zu 
Bajä  am  10.  Juli  138. 

3.  Spart.  Hadr.  14,  8  ff.:  fuit  poematum  et  litterarum  nimium  (omnium) 
studiosissimus;  arithmeticae,  geometriae',  picturae  peritissimus.  iam  psal- 
lendi  et  cantandi  scientiam  prae  se  ferebat;  .  .  idem  armornm  peritissimus. 
.  .  idem  severus,  laetus;  comis,  gravis;  lascivus,  cunctator;  tenax,  überaus; 
Simulator,  verus;  saevus,  clemens,  et  semper  in  omnibus  varius.  15,  10 f.: 
quamvis  esset  oratione  et  versu  promptissimus  et  in  omnibus  artibus  peri- 
tissimus, tamen  professores  omnium  artium  semper  ut  doctior  risit,  con- 
tempsit,  obtrivit.  cum  his  ipsis  professoribus  et  philosophis  libris  vel  car- 
minibus  invicem  editis  saepe  certavit.  16,  1  ff.:  famae  celebris  tam  cupi- 
dus  fuit  ut  libros  vitae  suae  scriptos  a  se  libertis  suis  litteratis  dederit, 
iubens  ut  eos  suis  nominibus  publicarent.  nam  et  Phlegontis  libri  Hadri- 
ani esse  dicuntur.  Catachannas  (vgl.  Fronto  Epist.  p.  35  u.  ^56  N.)  libros 
obscurissimos  Antimachum  imitando  scripsit.  .  .  amavit  praeterea  genus 
vetustum  dicendi.     .  .  Ciceroni  Catonem,  Vergilio  Ennium,  Sallustio  Cae- 


780  I^ie  Kaiserzeit.    Zweites  Jahrhundert.   Hadrianus. 

lium  (oben  142,  6  f.)  praetulit,  eademque  iactatione  de  Homcro  ac  Piatone 
iudicavit.  mathesin  sie  scire  sibi  Tisus  est  ut  etc.  sed  quamvis  esset  in 
reprehendendis  mosicis,  tragicis,  comicis,  grammaticis,  rhetoribus,  oratori- 
bus  facilis,  tarnen  omnes  professores  et  bonoravit  et  divites  feeit,  licet  eos 
quaestionibuB  semper  agitayerit.  .  .  in  summa  familiaritate  Epictetum  et 
Ueliodorum  philosophoa  et,  ne  nominatim  de  omnibns  dicam,  grammaticos, 
rhetores,  musicos,  geometras,  pictores,  astrologos  habuit,  prae  ceteris,  ut 
multi  adserunt,  eminente  Favorino.  doctores  qui  professioni  suae  inhabi- 
les  videbantur  ditatos  honoratosque  a  profeseione  dimisit.  20,  2  ff.:  apnd 
Alexandriam  in  museo  multas  quaestiones  professoribus  proposuit  et  pro- 
positas  ipse  (ipsi  0.  Jahn)  dissolvit.  .  .  fuit  memoriae  ingentis,  facnltatis 
immensae.  nam  ipse  et  orationes  dictavit  et  ad  omnia  respondit.  ioca  eins 
plurima  extant;  nam  fuit  etiam  dicaculus.  Victor  Caess.  14,  1  f.:  Aelius 
Hadrianus  eloquio  togaeque  studiis  accommodatior  .  .  Bomae  .  .  Graeconim 
more  .  .  gymnasia  doctoresque  curare  occoepit,  adeo  quidem  ut  etiam  lu- 
dum  ingenuarum  artium,  quod  Athenaeum  vocant,  constitueret. .  Spartian. 
Hei.  4,  2:  litteratis,  quorum  Hadrianus  speciosa  societate  gaudebat. 

4.  Dio  LXIX,  3:  ^y  ^Adqmvoq  .  .  qpvace  qpiJtoZoyof  Iv  i%atiQa  t^  yltoa- 
cv^y  %al  tivcc  xal  nsia  »al  Iv  ^ntei  noirjiiata  navxodeaca  xataliloinBv. 
€piXozi(Ucc  tB  yaQ  dnXTqexm  ^x^^fj^o  %al  xaxit  xovxo  aal  xalXa  navxa,  xal  ri^ 
^Qaxvxaxa  infxrjSsvsv.  Spart.  Hadr.  3^  1:  quaestnram  gessit  .  . ,  in  qua 
cum  orationem  imperatoris  in  senatu  agrestius  pronuntians  risus  esset  us- 
que  ad  summ  am  peritiam  et  facundiam  Latinis  operam  dedit.  16,  5:  con- 
troversias  declamavit.  Photius  Bibl.  cod.  C  (I.  p.  86  Bk.):  'Adgucvov  xov 
ßaodifog  fisXixai  didtpoQoiy  Big  xo  fiixQiov  xov  Xoyov  avriyykivat  nal  ov% 
aridiiq.  Charis.  II.  p.  222,  21  ff.  E.:  divus  Hadrianus  orationum  XII:  a 
vobis,  p.  c,  peto  etc.  Gell.  XVI,  13,  4:  divns  Hadrianus  in  oratione  quam 
de  Italicensibus  .  .  in  senatu  habuit.  Inschriftlich  erhalten  ist  seine  Grab- 
rede  auf  seine  Schwiegermutter,  die  ältere  Matidia;  s.  Th.  Mommsen,  Ab- 
handl.  d.  Berl.  Akad.  1863,  S.  483  ff.  Lagerrede  an  die  Truppen,  Renier 
Inscr.  de  TAlg.  5  (wo  A,  11:  Catullini  legati  mei)  aus  Lambaese.  Brief  in 
Henzen's  acta  arv.  (1868).  Schmähschrift  gegen  die  Aerzte  die  ihn  nicht 
heilen  kOnnen,  Epiphan.  m^l  iisx^tov  p.  170  A.  Grammatische  Erörterungen 
im  Zeitgeschmacke  in  seinen  sermones;  s.  Charis.  II.  p.  209,  12  ff.:  Obiter 
divu^  Hadrianus  sermonum  I  quaerit  an  latinum  sit,  quamquam  (inquit) 
apud  Laberium  haec  vox  esse  dicatur.  Zusammenstellung  von  Anekdoten 
(mündlichen  und  schriftlichen  Aeusserungen  des  Hadr.)  bei  Dositheus ,  ^s£ov 
'AÖQiavov  dnotpaaeis  xal  iniaxoXaC.  D.  Adriani  sententiae  et  epistolae  ed. 
Goldast,  Genf  1601;  in  Schulting^s  iurisprud.  anteiustin.  (Lugd.  1717.  4.) 
p.  856  ff.,  bei  Fabricius  Biblioth.  graeca  XII.  (Hamburg  1740)  p.  516 — 554, 
und  an  Böcking's  Dosith.  UI.  p.  1  —  21.  Die  von  Hadrian  ausgegangenen 
Rcscripte  gesammelt  bei  Hänel,  Corpus  legum  p.  88  — 101. 

5.  Spart.  Hadr.  14,  7  ff.:  oracula  .  .  quae  Hadrianus  ipse  composuisse 
iactatur.  .  .  de  suis  dilectis  multa  yersibus  composuit  Apulej.  apol.  11: 
divus  Hadrianus,  cum  Voconi  amici  sui  poetae  tumulum  yersibus  munera- 
retur,  ita  scripsit:  Lascivus  versu,  mente  pudicus  eras.  .  .  ipsius  etiam 
divi  Hadriani  multa  id  genus  legere  me  memini.  vgL  oben  336,  7.    Spart 


341  f.   HadrianuB.    Suetonius.  781 

Hadr.  25,  9  f.:  moriens  hos  versus  fecisse  dicitur:  Animula  etc.  tales  autem 
Dec  multo  meliores  fecit  et  graecos.  Sechs  trockene  (griechische)  Epigramme 
unter  seinem  Namen  (zwei  davon  auch  unter  dem  des  Germanicus,  oben  270, 
5)  in  Bruncks  Analecta  11.  p.  285  =»  IL  p.  260  Jacobs.  Hendekasyllaben 
auf  einer  'Weihinschrift  von  Thespiae,  'Eq>ri(i.  ccqx.  1869,  Nr.  408.  Mit  wenig 
Beglaubigung  und  Becht  werden  in  Hdss.  ihm  auch  Stücke  der  sog.  lateini- 
schen Anthologie  zugeschrieben,  wie  392.  393.  660  B.;  ebenso  metrische 
Verzeichnisse  der  Amazonen  ib.  I,  1.  p.  257  f.  Biese  und  in  L.  Müller's 
Butil.  Nam.  p.  25  f.  Viel  späteren  Ursprungs  muss  auch  (vermöge  seiner 
Prosodie)  das  epitaphium  Borysthenis  equi  bei  Biese  Nr.  903  sein. 

342.  Die  bedeutendste  Erscheinung  in  der  Literatur  der324 
Zeit  ist  C.  Suetonius  Tranquillus  (etwa  75 — 160  n.  Chr.), 
schon  unter  Trajän  als  Sachwalter  und  Schriftsteller  wirksam, 
unter  Hadrian  eine  Zeit  lang  Geheimsecretär,  dann  aber  seine 
Müsse  mit  encyclopädischer  literarischer  Thätigkeit  in  der  Weise 
des  Varro  ausfüllend,  hauptsächlich  auf  den  Gebieten  der  Cultur- 
und  Literatur- Geschichte,  aber  so  dass  das  Sprachliche  dabei 
immer  mit  berücksichtigt  war.  Das  Nationale,  Römische  wird  in 
erster  Reihe  bedacht,  doch  ohne  Einseitigkeit;  ein  Theil  der 
Schriften  war  sogar,  wie  es  scheint,  in  griechischer  Sprache  ver- 
fasst.  Philosophisches  erscheint  nur  in  der  modischen  Form  des 
Naturwissenschaftlichen,  in  dieser  aber  mit  desto  stärkerer  Ver- 
tretung. Die  Richtung  auf  das  Lidividuum,  seine  Besonderheiten, 
Erlebnisse  und  Bethätigungen,  tritt  schon  hier  überall  hervon 
Noch  mehr  aber  in  den  viri  illustres,  von  denen  wir  noch  nam- 
hafte- Ueberreste  besitzen,  und  in  den  Biographien  der  zwölf 
Kaiser  von  Caesar  bis  Domitian,  welche  uns  fast  vollständig 
erhalten  sind.  Das  Werk  theilt  zwar  die  Gleichgültigkeit  aller 
rhetorischen  Arbeiten  gegen  das  Chronologische,  ist  über  Kriegs-^ 
Vorgänge  und  politische  Verhältnisse  allzu  schweigsam,  auch 
etwas  einförmig  angelegt;  aber  es  ist  aus  guten  Quellen  «mit 
treuem  Fleisse  und  verständigem  Urteil  geschöpft  und  bietet  uns 
reichen  StofiF  in  '  gedrängter  Darstellung  und  einfacher  sach- 
gemässer  Sprache. 

m 

1.  Suet.  Domitian.  12:  interfuisse  me  adnlescentulum  memini  (in  Born) 
cum  a  procuratore  .  .  inspiceretur  nonagenarius  senex  an  circumsectns  esset. 
Gramm.  4:  me  adolescentulo  repeto  quendam  Principem  nomine  declamare 
etc.  (oben  321,  2).  Ner.  57:  cum  poat  viginti  annos  (nach  Nero's  Tod  oder 
Vologaesns'  erster  Sendung,  also  nach  J.  88  und  Tor  91,  wo  Vologaesns 
starb),  adnlescente  me,  eztitisset  (ein  falscher  Nero)  etc.  Jedenfalls  fiel 
also  Sueton's  adulescentia  unter  Domitian,  seine  Geburt  also  etwa  76  n.  Chr. 
Aus  der  Zeit  Trajans  Nachrichten  über  Sueton  in  Pliu.  Epp.,  nämhch  I,  18 


782  Die  Eaiserzeit.    Zweites  Jahrhundert   Hadrianus. 

(VerschiebuDg  einer  actio  des  Säet,  wegen  eines  beängstigenden  Traumes). 
24  (Fürsprache  fÜrTranquillus,  contubemalis  meua  und  scholasticus ,  in  Be- 
zug auf  den  Kauf  eines  agellus).  III,  8  (Suet.  bittet  ut  tribunatum,  quem 
a  Neratio  Mareello  —  also  etwa  J.  100  —  impetravi  tibi,  in.  .  propinquum 
tuum  transferrem).  Y,  10  (Aufforderung  an  Suet.,  etwa  vom  J.  105,  seine 
scripta  oder  yolumina  endlich  herauszugeben).  IX,  34  (Frage  über  eigene 
Recitationen  des  PI.),  ad  Trai.  94  (Suetonium  Tranquillum,  probissimum, 
honestissimum,  eruditissimum  virum,  .  \  in  contnbemium  adsumpsi  tanto- 
que  magis  diligere  coepi  quanto  hunc  propins  inspexi.  Für  ihn  wird  wegen 
seines  infeliz  matrimonium  das  ius  trium  liberorum  erbeten,  ums  J.  112) 
und  95  (Gewährung  dieser  Bitte).  Spartian.  Hadrian.  12,  3:  Septicio  Claro 
praef.  praet.  (J.  119 — 121)  et  Suetonio  Tranquillo  epistularum  magiatro 
multisque  alüs,  quod  apud  Sabinam  uzorem  iniussu  suo  familiarius  se  tone 
(während  Hadrians  Abwesenheit)  egerant  quam  reverentia  domus  aulicae 
postulabat,  successores  dedit.  Vgl.  Suet.  Aug.  7:  quae  (imago  August!)  dono 
a  me  principi  (dem  Hadr.)  data  inter  cubiculi  lares  colitur.  Seitdem  scheint 
Suet.  sich  ausschliesslich  schriflstelleriBCher  Thätigkeit  gewidmet  zu  haben. 
Noch  Fronto  Epist.  p.  118  f.  N.:  succidaneum  sibi  Tranquillum  nostrum 
parayit  etc.  .  .  invenit  me  Tranquillns  etc.  .  .  TranquiUi  industriae  etc. 
vgl.  ib.  p.  182  N.  (internatium  '.  .  Suetonius  Tranquillns  spinam  sacram 
appellat,  wonach  Suet.  damals  todt  war). 

2.  Suidas  II.  p.  119.0  f.  Beruh.:  TodyyLvXXog  6  £ovrit(övtog,  xQ7i^x£<sag 
(vgl.  Plin.  Ep.  I,  18)  y^afifuxTtxcg  ^aifuxroß,  iyQccipB  negl  täv  na(f  "iEXlijtfi 
naiduiv  ßtßX£av  a  (s.  A.  4),  sre^l  toMf  xaga  *P(Ofia£ov£  9e<o(ftmv  xal  dymvtov 
ßißXCtt  ß'  (S.  T.  in  libro  ludicrae  historiae  primo,  Gell.  IX,  7,  3;  vgl.  A.  4), 
nsql  zov  xaza  'P<o(uciovg  iviavxov  ßißUov  a  (s.  A.  3),  ne^l  xäv  iv  zoVg 
ßißUoig  arjiisiotv  a  (Reifferscheid  p.  419  f.),  nsgl  trjg  Kmiqatvog  noXixfiag  a\ 
dvttXiyii  dh  t^  Jidvitm.  ne^l  6vo(idtttiv  %vQ£mVy  xal  Uiiag  iadT^fidtav  %al 
vno8rj(uix(ov  rutl  x&v  &U.(ov  olg  xig  dfi(ptiwvxai.  (Suetonius  in  libro  de 
genere  vestium,  Serv.  Aen.  VII,' 612  vgl.  A.  3),  %e(fl  dvaiptifuiMf  Xi^sanf  rjxoi 
ßXaaq>rifumv  %al  no&ev  i-Kdaxri  (Auszüge  daraus  in  griech.  Sprache  bei  E. 
Miller,  Melanges  p.  413  —  426:  ZovtixCvov  T^oyxvXov  mnii  etc.  vgl.  ib.  p. 
389 — 394),  nkql  'Pdfirjg  xal  xcäv  iv  avTJj  vopUfUOV  %al  rid-öav  ßißX£a  ß'  (s.  A.  3), 
avyytvmov,  Kaiadgmv  iß^  —  nsQtixH  8h  ßiovg  xora  dta9o%dg  avx&v  dno 
'lovXiov  tag  dofuxutvov  —  ßißXia  V,  axififia  (?  Tgl.  Reifferscheid  p.  370) 
^Pfofutiiov  dvSQciv  intffTjfuav  (de  illustribus  yiris).  Ausserdem  T(fdyrivlXog  iv 
xm  nsQl  IniaTJfjiaiv  noQvmv  (Lyd.  de  magistr.  III,  64),  S.  Tr.  in  libro  de  vitiis 
corporalibus  (Serv.  Ae.  YII,  627;  s.  A.  3),  Suetonius  in  libro  qui  est  de  in- 
stitutione  ofißciorum  (über  die  Hof-  und  Staatsämter  und  deren  Geschichte, 
Reifferscheid  p.  346—349  vgl.  p.  465  f.),  tres  Suetonii  libri  quos  de  regibus 
dedit  (AuBon.  Epist.  19,  vgl.  A.  4),  Suet.  Tr.  de  rebus  variis  (Charis.  11.  p.  236, 
17  aus  lulius  Romanus);  endlich  Prata  in  mindestens  sehn  Büchern  (s.  A.  3). 
Vgl.  J.  Regent,  de  C.  Suetonii  vita  et  scriptis,  Breslau  (1856)  63  pp.  Zu- 
sammenstellung der  Üeberreste  der  deperditi  libri  in  Roth^s  Ausgabe  p.  275 
— 306,  sowie  besonders  in  S.  Tr.  praeter  Caesarum  libros  reliquiae  ed.  A. 
Reifferscheid,  Lips.  (Teubner)  1860.  XX  und  p.  1  —  360,  nebst  den.Quaest. 
Sueton.  ib.  p.  361 — 478. 


342.    Snetonius.  783 

3.  Durch  Bei£fer8cheidB  Quaest.  Suet.  (bes.  c.  II  u.  III,  p.  426  S.)  ist 
theils  erwiesen  theils  wahrBcheinlich  gemacht  dass  von  den  bei  Suidaa 
aufgeführten  Einzeltiteln  mehrere  vielmehr  Theile  grösserer  Werke  waren. 
So  scheinen  die  Prata  in  den  ersten  acht  Büchern  specifisch  Römisches 
abgehandelt  zu  haben  (also  wohl  =»  nsifl  *P<6ftrig  bei  Suidas),  meist  wohl 
nach  Yarro,  und  zwar  so  dass  Sach-  und  Spracherklärung  neben  einander 
hergiengen,  mit  Belegen  aus  älteren  Schriftstellern.  Die  Schrift  ;r£^l  ovo- 
yMZfov  xvQ^fov  kann  daher  wohl  ein  Theil  davon  gewesen  sein,  sowie  die 
de  genere  vestium  u.  s.  w.  B.  4  scheint  die  legea  behandelt  zu  haben,  B.  5 
die  mores,  =  tcsqI  xmv  Iv  *P(6firj  voyUyboav  xai  rfiÄv.  Buch  8  erörterte  die 
römische  Zeitrechnung,  die  feriae,  dies  fasti  u.  dgl.,  ist  also  wohl  identisch 
mit  der  Schrift  «e^l  xov  x.  *P.  hiavxov.  Die  weiteren  Bücher  waren  natur- 
wissenschaftlichen Inhalts,  mit  Vorliebe  auf  Curiositäten  gerichtet,  die  seit 
Sextius  in  Rom  einheimische  Farallelisierung  des  Physischen  und  Ethischen 
verfolgend  (das  Individuum  ein  Mikrokosmos),  und  gleichfalls  das  Sprach- 
liche genau  berücksichtigend.  Buch  9  hatte  vielleicht  den  Titel  de  mundo 
und  erörterte  Winde  und  Wetter,  Meere  und  Küsten,  mit  deren  eigentlichen 
Benennungen;  B.  10  wohl  de  animantium  naturis.  Möglich  dass  in  einem 
elften  Buche  die  Botanik,  in  einem  zwölften  die  Mineralogie  abgehandelt 
war.  Dieses  Werk  -^RTurde  von  den  Späteren  stark  ausgebeutet,  wie  von 
Schol.  Germanic.  (oben  270,  10),  Ambrosius,  Servius  und  ganz  besonders 
von  Isidorus,  durch  dessen  Vermittlung  namentlich  die  naturhistorischen 
Theile  im  Mittelalter  grossen  Einfluss  übten.  Aber  auch  die  grammatischen 
Bestandtheile,  besonders  die  über  Synonymik,  wurden  vielfach  ausgezogen 
imd  anderweitig  verwendet.  Vielleicht  gehen  theüweise  hierauf  zurück  die 
aus  einem  Montpellierschen  Codex  von  d'Orville  veröffentlichten  Differentiae 
sermonum  (R«mmi  Palaemonis  ex  libro  Suetoni  Tranquilli  qui  inscribitur 
Pratum),  abgedruckt  im  Sueton  von  Roth  p.  306—320  (vgl.  ib.  p.  XCV— C) 
und  von  Reifferscheid  p.  274—296  (vgl.  ib.  p.  450—452).  Vgl.  oben  277,  3  E. 
Im  Ganzen  sind  sie  ein  Gemisch  von  wenigen  guten  (alten)  und  vielen  ganz 
werthlosen  Bemerkungen  aus  dem  Anfang  des  Mittelalters.  Der  erste  Theil 
behandelt,  in  der  Weise  der  spätem  Grammatiker,  die  Synonymik  zusammen 
mit  der  Orthographie,  die  zweite  Hälfte  aber  ist  alphabetisch  angelegt  (I 
bis  V)  und  enthält  ein  Citat  aus  Nigidius  Figulus,  daher  diese  eher  einen 
suetonischen  Kern  haben  könnte.    Vgl.  Brambach,  lat.  Orthogr.  S.  42. 

4.  Die  drei  Bücher  de  regibus  scheinen  den  Stoff  nach  den  drei  Erd- 
theilen  (Europa,  Asien,  Afrika)  behandelt  zu  haben  und  von  Africanus  in' 
seiner  Chronik  benutzt  zu  sein.  Dass  darin  (wie  in  der  Pornographie, 
Reifferscheid  p.  466  f.)  die  (gestalten  der  ältesten  Zeit  fast  euhemeristisch 
verflacht  waren  machte  sie  für  tendenziöse  Ausbeutung  geschickt.  Reiffer- 
scheid p.  458 — 461.  Auch  fähren  manche  Spuren  auf  die  Annahme  einer 
suetonischen  Geschichte  der  Bürgerkriege  zwischen  Pompejus  und  Caesar, 
Antonius  und  Octavian ,  welche  Cassius  Dio  und  Hieronymus  benutzt  hatten 
(Reifferscheid  p.  469-^472).  Die  ludicra  historia  (Reifferscheid  p.  461 — 165) 
umfasste  vielleicht  4  Bücher:  itE^l  xmv  nuQ*  '^EXXrjat  naiSiciv  xal  dymvmv 
ßtßXia  ^  und  sre^l  zonv  nagä  *Pmiuxioig  naiSimv  nal  Q'ionqiÄv  ßißXCa  ß\  Die 
Ueberreste  bei  Reifferscheid  p.  322 — 331;  332—346;  zum  erstem  Theile  s. 


784    ,  Die  Eaiaerzeit.   Zweites  Jahrhundert.   Hadrianus. 

auch  E.  Miller,  M^langes  de  litt,  grecque  (Paris  1868)  p.  435  f.  vgl.  p.  S95f.; 
zum  zweiten  Theil  der  libcr  de  pueronun  lusibuft  bei  Serv.  Ae.  Y,  602. 

5.  Dass  Saeton  auch  in  griechischer  Sprache  geschrieben  habe  behauptet 
Roth ,  bestreitet  Reifferscheid  (p.  455.  462).  Der  die  griechischen  Spiele  be- 
handelnde Theil  der  historia  ludicra  konnte  allerdings  ebenso  leicht  von 
Späteren  ins  Griechische  Überaetzt  als  ursprünglich  griechisch  verfasst  sein ; 
aber  die  voä  E.  Miller  (1.  1.  p.  413  ff.)  herausgegebenen  üeberreste  der 
Schrift  nsffl  dva(pT^(MX}v  li^scav  sind  nach  Inhalt  und  Anlage  so  specifisch 
griechisch  dass  sie  die  Annahme  bioser  üebersetzung  ins  Griechische  aus- 
schliessen.  Wir  werden  daher  in  dieser  Doppelseitigkeit  ein  Symptom  der 
Zunahme  des  Eosmopolitismus  und  des  Uebergewichts  der  hellenischen 
Literatur  erkennen  müssen,  das  sich  bald  häufiger  zeigt;  s.  oben  S.  777. 
Die  Erweiterung  des  Gesichtskreises  war  aber  nur  quantitativ;  an  Tiefe 
hat  die  Betrachtung  gegenüber  von  Varro  nicht  gewonnen.  Dafür  bewahrte 
den  Sueton  seine  rationalistische  Nüchternheit  vor  den  Yerirrungen  der 
Alterthümler  seiner  Zeit  (Reifferscheid  p.  422  f.  449);  er  bekennt  sich  zu 
der  Ciceronischen  Richtung  und  tritt  für  Cicero  selbst  gegen  Verkleinerer 
ein  (A.-2).  Die  Frontonianer  suchten  daher  den  Sueton  in  den  Schatten 
zu  drängen  (Reifferscheid  p.  473  f.)^  aber  ohne  Erfolg;  vom  dritten  Jahrh. 
an  tritt  er  als  Wissensquelle  sogar  immer  mehr  an  die  Stelle  des  Varro. 

6.  Suetons  Sprache  erstrebt  vor  Allem  Einfachheit,  Klarheit  und  Kürze 
(Vopisc.  Firm.  1,  2:  Suetonio  .  .  familiäre  fuitamare  brevitatem);  der  eigent- 
lichste Ausdruck  ist  ihm  der  liebste,  selbst  wenn  er  unsauber  wäre,  und  er 
gebraucht  daher  auch  ungewöhnlich  viele  griechische  Wörter  (Thimm 
p.  27—35).  Das  Streben  nach  Kürze  hat  manche  haii«  Auslassungen  ver- 
anlasst ,  sowie  die  zahllosen  Faiücipialconstructionen ,  verhältnissmässig 
noch  häufiger  als  bei  Livius  und  ohne  dessen  Kunst  (Thimm  p.  90  ff.). 
Doch  konnte  auch  Sueton  dem  Einflüsse  seiner  Zeit  sich  nicht  ganz  ent- 
ziehen; er  venUth  sich  in  manchen  Gräcismen  (Thimm  p.  36  f.),  poetischen 
Wendungen  (ib.  p.  61  ff.)  und  Constructionen ,  besonders  dem  freien  Ge- 
brauche des  Ablativ  (p.  74  ff.),  Conjunctiv  (p.  80  ff.)  und  Infinitiv  (p.  86  ff.), 
sowie  in  dem  Bemühen  nach  Abwechselung  im  Ausdrucke.  H.  R.  Thimm, 
de  ufiu  atque  elocutione  C.  Suetonii  Tranquilli,  Königsberg  (1867)  98  pp. 

7.  Von  den  Schriften  Suetons  sind  nur  erhalten  ein  Theil  der  viri 
illustres  und  die  Kaiserbiographien.  Das  Werk  de  viris  illustribus 
handelte  höchst  wahrscheinlich  de  poetis,  oratoribus,  historicis,  philosophis, 
grammaticis  et  rhetoribus,  unter  Beschränkung  also  auf  die  Literatur,^ 
sowie  auf  die  römische  Welt.  Nach  Voranschickung  eines  Verzeichnisses 
der  abgehandelten  Männer  wurde  die  ältere  Geschichte  des  betr.  Faches 
kurz  dargestellt  und  dann  die  Hauptvertreter  desselben  in  chronologischer 
Ordnung  besprochen.  Die  Reihe  der  Redner  begann  Sueton,  wie  es  scheint, 
erst  mit  Cicero,  wie  die  der  Geschichtschreiber  mit  Sallust;  die  früheren, 
welche  nach  Suetons  Ansicht  nur  historisches  Interesse  hatten,  werden  in 
der  Einleitung .  berührt  worden  sein.  Juvenalis,  Tacitus  und  der  jüngere 
Plinius  waren  in  dem  Werke  nicht  mitbehandelt,  vielmehr  schloss  es  (wie 
die  Caesares)  mit  der  Zeit  des  Domitianus.  Quellen  waren  besonders  Varro 
und  die  scriptores  de  viris  ill.  (s.  oben  207,  2),  sowie   wohl   Asconius  und 


342.    Suetonius.  785 

Feneatella.  Von  den  früheren  Theilen  des  Werkes  besitzen  wir  die  Aus- 
züge welche  Diome^es  (Reifferscheid  p.  370 — 379)  und  Hieronymus  (in  seiner 
lateinischen  Bearbeitung  der  Chronik  des  Eusebios)  daraus  gemacht  haben; 
femer  aus  dem  Buche  de  poetis  durch  Hdss.  der  betr.  Dichter  vitae  des 
Terenz,  Horaz,  und  theilweise  des  Lucafius  (Yergilius  und  Persius);  aus  dem 
de  historicis  Reste  einer  vita  des  älteren  Plinius.  Endlich  ist  von  dem 
wohl  letzten  Abschnitt,  de  grammaticis  et  rhetoribus,  welcher  das  Interesse 
der  Grammatiker  besonders  erregte  und  daher  schon  frühe  selbständig  ver- 
yielföltigt  wurde,  der  index  (welcher  theilweise  die  Vornamen  ergänzt)  und 
der  grössere  Theil  (25  von  36)  erhalten  durch  Abschriften  derselben  Hand- 
schrift (des  Henoch)  welche  auch  den  dialogus  und  die  Germania  des 
Tacitus  enthielt;  s.  oben  329,  4.  Im  Allgemeinen  s.  Reifferscheid  p.  363 
— 425  (de  poetis  p.  370—406).  H.  Dörgens,  über  Suetons  Werk  de  yiris 
ill.,  Leipzig  s.  a.  (1857).  Suet.  de  gramm.  et  rhett.  libelli  .  .  rec.  et  adn. 
crit.  instr.  F.  Osann,  Giessen  1854.  H.  Dörgens,  Suetons  Lebensbeschr.  be- 
rühmter Männer  in  vier  Büchern;  wiederhergestellter  lat.  Text  mit  üeber- 
setzuugen  und  Erläuterungen,  Leipzig  1863.  Vgl.  noch  Th.  Mommsen, 
Philologus  I.  S.  180  ff.  und  Unten  bei  Hieronymus  (425,  8). 

8.  Hauptwerk  de  vita  Caesarum,  gewidmet  dem  praef.  praet.  C. 
Septicius  Clarus  (Lyd.  de  magistr.  H,  6),  welcher  J.  119 — 121  dieses  Amt 
bekleidete,  somit  verfasst  J.  120.  Eintheilung  in  acht  Bücher,  so  dass  die 
sechs  ersten  Kaiser  (Caesar  bis  Nero)  je  ein  Buch  bilden ,  die  drei  des  J.  69 
das  siebente,  die  drei  Flavier  das  achte.  Der  Anfang  des  Caesar  fehlt; 
Lydus  scheint  ihn  noch  gehabt  zu  haben.  Der  Stoff  ist  aus  guten  Quellen 
mit  Sorgfalt  und  Urteil  zusammengetragen;  Vellejus,  Josephus  und  Plutarch 
sind  nicht  benützt;  auch  Tacitus  ist  selten  berücksichtigt,  und  genannt  so 
wenig  als  Plinius  (oben  308,  5)  und  Cluyius  Rufus  (oben  309,  2).  De  Sue- 
tonii  fontibus  et  auctoritate  Abhandlungen  von  F.  C.  L.  Schweiger  (Got- 
ting.  1830.  4.)  und  A.  Krause  (Berlin  1831.  86  pp.).  Lehmann,  Claudius 
S.  39  ff.  Oct.  Clason,  Plut.  u.  Tac.  (Berlin  1870)  S.  70—73;  Tac.  u. 
Sueton,  Breslau  1870.  134  S.  G.  Dedering,  de  Suet.  vita  Caesaris  P.  I. 
Jena  1870.  47  pp.  Das  Werk  ist  ein  biographisches,  kein  eigentlich  histo- 
risches, konnte  sich  daher  den  Umblick  auf  gleichzeitige  Begebenheiten  und 
pragmatische  Anlage  erlassen,  nicht  aber,  wie  es  doch  that,  zusammen- 
fassende Charakteristik  der  Geschilderten.  Aber  psychologische  Feinheit 
geht  dem  Verfasser  YöUig  ab.  Zahlen  sind  selten,  ebenso  Unterscheidung 
der  Zeiten  und  Beweise  von  politischer  Einsicht.  Ebenso  wenig  ist  es  ein 
Kunstwerk.  Die  Anlage  ist  gleichförmig:  die  Vorgeschichte  eines  Kaisers 
fiach  der  Zeitordnung,  die  Regierungsthätigkeit  nach  bestimmten  Rubriken 
(Fehler  und  Tugenden,  Lebensweise,  Person  u.  s.  w.)  geordnet,  zuletzt  Tod 
und  dessen  Vorzeichen,  Bestattung,  Nachgeschichte.  Im  Beibringen  von 
Thatsachen,  auch  kleinlichen  und  schmutzigen,  ist  Suet.  unermüdlich,  und 
gewiss  hat  er  niemals  wissentlich  die  Wahrheit  verletzt  oder  vorenthalten. 
Sein  persönliches  Urteil  spricht  er  selten  aus;  aber  es  fehlt  ihm  darum 
nicht  an  sittlichem  Ernst  (vgl.  z.  B.  Tib.  42  ff.  49),  und  Commodus  wusste 
wohl  warum  er  eum  qui  Tranquilli  librum  vitam  Csdigulae  continentem 
legerat  ieris  obici  iussit  (Lamprid.  Comm.  10).  Dass  Sueton  nicht 
TsvnvL,  BOm.  Literaturgeschichte.    8.  Aufl.  5Q 


786  Die  Kaiserzeit.    Zweites  Jahrhundei*t.    Hadrianns. 

Bchmeicheln  mochte  zeigt  sein  Abschliessen  mit  Domitiao.    Vgl.  C.  L.  Roths 
praef.  p.  IX— XVI. 

9.  Die  Handschriften  haben  am  Anfang  alle  dieselbe  Lflcke,  stammen 
somit  alle  von  derselben  ürhandschrifb  ab,  die  selbst  schon  fehlerhaft  und 
anch  nicht  von  Interpolationen  frei  war.  Seit  Karl  M.  wnrde  dieses  eine 
Exemplar  yervielföltigt.  Die  älteste  und  weitaus  beste  Hds.  ist  der  Mem- 
mianus  (nach  seinem  frühesten  bekannten  Besitzer  de  Mesmes)  ans  Ende 
saec.  IX,  jetzt  in  Paris  (Nr.  6115).  Ihm  kommt  am  nächsten  der  Vaticanus 
Lipsii  saec.  XI  oder  XII  (6.  Becker  in  der  Symbola  philolog.  Bonn.  S. 
687  fif.),  sowie  der  Mediceus  tertius  saec.  XI.  Andere  Claesen  sind  ver- 
treten durch  Mediceus  I  und  Paris.  6116;  die  zahlreichen  aus  saec.  XV  sind 
ohne  Werth.  Roth  praefatio  p.  XVII  f.  XX— XXXII.  üeber  Excerpte  in 
Miscellanhdss.  ib.  p.  XXXII— XXXiV.   Vgl.  noch  Beckers  Quaesi  critt.  (A.  11). 

10.  Ed.  princ.  gleichzeitig  drei,  iwei  Rom  1470,  eine  Venet.  1471. 
Die  wichtigsten  späteren  Ausgaben  sind  die  von  Phil.  Beroaldus  (Bologna 
1493.  1506),  Des.  Erasmus  (1518)^  Rob.  Stephanus  (Paris  1543)^  Is.  Casau- 
bonus  (Genf  1596.  4.  Paris  1610.  fol.),  J.  G.  Grävius  (Utrecht  1672.  1691. 
1703.  4.),  S.  Pitiscus  (Utrecht  1690.  Leovard.  1714.  2  Voll.),  P.  Burmann 
(Amstelod.  1736.  4.  2  Voll.),  J.  A.  Ernesti  (Lips.  1748.  1775;  recogn.  F.  A. 
Wolf,  Lips.  1802.  4  Voll.),  Fr.  Oudendorp  (Lugd.  Bat.  1751),  J.  H.  Bremi 
(erläutert,  Zürich  1800.'  1820),  P.  G.  Baumgarten- Crusius  (Lips.  1816,  3  Voll.), 
C.   B.   Hase   (Paris  1828.  2  Voll.),  und  besonders  rec.  C.   L.  Roth^  Lips. 

L  Teubner_1868. 

11.  Beiträge  zur  Kritik  und  Erklärung  von  D.  Ruhnken  (scholia  ed. 
J.  Geel,  Lugd.  B.  1828),  H.  E.  Dirksen  (hinterlassene  Schriften  I.  S.  213 
— 242),  G.  Becker  (Quaestiones  criticae  de  Suet.  Caess.,  Königsberg  1862.  4. ; 
in  Fleckeisens  Jah'rbb.  87,  S.  193  ff.  89,  S.  839  ff.  und  Symbola  philol. 
Bonn.  S.  687—694),  R.  Unger  (Suetoniana,  Friedland  1864.  4.)  u.  A. 

12.  Uebersetzungen  der  Kaiserbiographien  z.  B.  von  K.  Andree  und 
H.  Reichardt  (Stuttgart,  Metzler,  6  Bdchn)  und  von  A.  Stahr  (Stuttgart, 
Hoffmann  1857,  2  Bdchn).    Leben  Caesars  von  H.  Dörgens,  Leipzig  1864. 

325  343.  Einen  Abriss  der  römisclien  Geschichte  bis  auf  August^ 
Bellorum  omnium  annorum  DCC  libri  duo,  verfasste  Plorus, 
hauptsächlich  nach  Livius^  aber  lediglich  aus  rhetorischen 
Gesichtspunkten^  nicht  ohne  Geist;  doch  mit  wenig  Geschmack 
und  viel  Phrasen,  sowie  mit  zahlreichen  wissentlichen  und 
unabsichtlichen  Entstellungen  der  geschichtlichen  Wahrheit. 

1.  Titel  im  cod.  Bamberg.:  luli  Flori  epitomae  de  T.  Livio  bellorum 
omnium  annorum  DCC  libri  duo.  Da  die  Uebereinstimmung  in  dem  Namen 
Florns  und  im  Zeitalter  (A.  3),  sowie  im  rhetorischen  Charakter  und  auch 
in  manchen  einzelnen  Wendungen  (s.  A.  4)  es  nahe  legt  den  Verfasser  der 
Bella  mit  dem  Rhetor  und  Dichter  P.  Annius  Florus  (oben  336,  7)  zu  identi- 
ficieren  (so  Mommsen  u.  Halm),  so  wäre  dann  jenes  luli  ftlr  eine  Corruptel 
aus  Publi  anzusehen,  Annei  der  geringeren  Hdss.  aber  (A.  5)  als  Verderbniss 
von  Aunii.    Halm  in  Fleckeisens  Jahrbb.  69,  S.  192  f. 


342  f.   Suetonius.   Florua.  787 

2.  Malalas  VIII.  p.  211,  2  Bonn.:  lipc&ag  6  aotpcixaTog  ^X^Qog  vn-^ 
sfiv7ifioitiO€v  in  tav  Ai^lov  avyyQaiiiiatotv.  Livius  ist  oft  wörtlich  abge- 
schrieben, namentlich  bei  rhetorischen  Wendungen ;  doch  bildet  er  keines- 
wegs die  einzige  Quelle  des  Auszugs;  s.  U.  KOhler,  qua  rat.  Liv.  ann.  (1860) 
p.  23—25.  27 — 29.  Namentlich  Lucanus  ist  gleichfalls  benützt,  0.  Jahn 
p.  XL VII  f.  Meinert,  Wiener  Jahrbb.  XXVIII.  S.  186—191.  Ebenso  Caesar 
und  Sallust  (Heyn  p.  36 — 53).  Zweck  und  Inhalt  ist  ein  Panegyrikus  auf 
das  römische  Volk.  Praef.  3:  in  brevi  quasi  tabella  totam  eins  imaginem 
amplectar,  non  nihil,  ut  spero,  ad  admirationem  principis  populi  coUatAirus 
si  pariter  atque  insemel  universam  magnitudinem  eins  ostendero.  FL  wollte 
non  tam  narrare  bella  romana  quam  romanum  Imperium  laudare  (Augustin. 
civ.  dei  III,  19).  Erwählt  daher  immer  die  dem  römischen  Volke  günstigste 
Darstellung,  wo  er  sie  finden  mag.  Heyn  p.  13 — 19.  Neben  diesen  tendenz- 
iösen Entstellungen  errorum  nullnm  fingi  potest  genus  cuius  non  luculenta 
exempla  unaquaeque  libri  eius  pagina  suppeditet,  ü.  Köhler  p.  26,  mit  den 
Beispielen  Yon  Missverständniäfien,  Verwechselungen,  Widersprüchen,  chrono- 
logischen und  geogi'aphischen  Fehlem  u.  s.  w.  ib.  p.  27  vgl.  0.  Jahn 
p.  XXXIV.  XL  VI  f.  Spengel  S.  340—342.  Heyn  p.  3—9.  19—35.  Die  An- 
lage ist  in  der  Hauptsache  nach  der  Zeitfolge,  erstrebt  aber  daneben  eine 
gewisse  Sachordnung,  wie  in  den  Rubriken  de  seditionibus  (I,  17  vgl.  U, 
2—5),  res  in  Hispania  gestae  (I,  33).  »  Zu  Grunde  gelegt  ist  die  Eintheilung 
(vgl.  oben  264,  3)  nach  Altersstufen  (infantia,  adolescentia,  iuventus,  senectus), 
indem  der  Verf.  populum  rom.  quasi  unum  hominem  considerat  (praef.  4). 
Jahn  p.  XXXVin  f.  Spengel  S.  345  f.  Nach  einer  Uebersicht  der  Königs- 
zeit (I,  1)  folgt  (I,  2)  eine  rhetorische  anacephalaeosia  darüber,  wie  auch 
am  Schlüsse  des  ersten  Buchs  eine  worin  über  den  fortschreitenden  Sitten- 
verfall rhetorische  Klage  geführt  ist.  Das  letzte  behandelte  bellum  ist 
(II,  33)  b.  cantabricum  et  asturicum,  worauf  (II,  34)  paz  Parthorum  et 
consecratio  Augusti.  Das  erste  Buch  behandelt  die  gute  Zeit  des  röm. 
Volks,  das  zweite  seinen  Verfall  (seit  den  Gracchen).  Moralisiert  wird  viel 
(Spengel  S.  328—331).  Probe  des  politischen  Standpuncts  II,  1:  seditionum 
omnium  causas  tribunicia  potestas  excitavit,  quae  specie  quidem  plebis 
tuendae, .  .  re  autem  dominationem  sibi  adquirens,  Studium  populi . .  aucupa- 
batur.    Beispiele  lächerlicher  Ausmalungen  bei  Spengel  S.  337 — 339. 

3.  Zur  Abfassungszeit  vgl.  praef.  8:  a  Caesare  Augusto  in  saeculum 
nostrum  haut  multo  minus  anni  ducenti,  quibus  inertia  Caesarum  quasi 
consenuit  atque  decozit,  nisi  quod  sub  Traiano  principe  movit  lacertos  et 
praeter  spem  omnium  senectus  imperii  quasi  reddita  iuv.entute  reviruit. 
F.  N.  Titze  (De  epitomes  .  .  quae  .  .  Flori  .  .  fertur  aetate  probabilis- 
sima  etc.  Linz  1804,  und  in  seiner  Ausg.,  Prag  1819)  setzte  den  Fl.  unter 
August  und  erklärte  die  hiemit  nicht  vereinbaren  Stellen  für  unecht;  b. 
dagegen  Meinert  in  den  Wiener  Jahrbb.  XXVUI  (1824)  S.  169—201.  Gossrau, 
de  Flori  qua  vixerit  aetate,  Quedlinburg  1837.  4.  (unter  Trajan). 

4.  0.  Jahn  p.  XLVII:  totus  sermo  declamatorem  arguit  et'cuiusvis 
generis  artificiis,  figuris,  sententiis  male  acuminatis  ita  refertus  est  ut  pauper 
Bcriptoris  Ingenium  et  iudicium  male  formatum  neminem  latere  possit. 
Vgl.    die   praefatio   von   Grävius.     Vor   der  Masse  des  Schwülstigen  und 

50* 


788  Die  Eaiserzeit.   Zweiiefl  Jahrhundeil.   Hadrianus. 

^  üebertriebenen  verschwindet  das  Gelungene.  Vgl.  Spengel  S.  322 — 326. 
343  f.  Wie  der  Gesichtskreis  des  Rhetors  ein  beschränkter  ist,  so  auch 
sein  Sprachschatz;  Wiederholangen  sind  sehr  häufig;  namentlich  hat  Fl. 
eine  Leidenschaft  f^r  quasi,  das  er  in  seinen  81  Capiteln  125nial  gebraucht 
(quippe  76mal),  sowie  für  Ausmfongen  (Spengel  S.  336  f.).  Nachahmung 
des  Lucanus  (vgl.  Anm,  2)  und  des  Tacitos  (E.  Wölfflin  im  Philologus 
XXIX.  S.  657  f.).  Im  (Gebrauche  von  post  Uebereinstimmung  mit  Ter- 
tuUian,  s.  Binsfeld  im  Rhein.  Mus.  XXYI.  S.  313.  Mit  dem  Dialog  des 
P.  Annius  Florus  (oben  336,  7)  haben  die  Bella  manche  Wendungen  ge- 
mein; so  per  diversa  terrarum  in  Halms  Ausg.  p.  107,  11  und  Bella  I,  40,  27. 
41,  1.  n,  7,  2;  Victor  gentium  populus  (rom.)  ib.  p.  106,  26  und  Bella  I,  44, 
3.  II,  1,  3.  34,  61.     Halm  in  Fleckeisens  Jahrbb.  1864,  S.  192  f. 

6.  Den  späteren  Jahrhunderten  und  dem  Mittelalter  eqipfahl  sich  der 
Abriss  durch  seine  Kürze  und  wohl  auch  durch  seine  Rhetorik.  Jahn 
p.  XLYIII  f.  Besonders  Jordanes  hat  ihn  stark  ausgebeutet  (ib.  p.  VI  f.); 
später  citiert  ihn  Malalas  ( A.  2. )  wohl  nach  einer  griechischen  Bear- 
beitung. Daher  gibt  es  auch  eine  sehr  grosse  Zahl  von  Handschriften  des 
Florus.  Die  beste  ist  der  Bambergensis  saec.  IX  (B  bei  Jahn).  Ihm  ähnlich 
war  die  Handschrift  welche  Jordanes  (de  success.  regn.)  benutzte.  Alle 
andern  bekannten  Hdss.  stammen  aus  einer  viel  schlechtem  und  inter- 
polierten Quelle;  die  älteste  imter  diesen  ist  der  Nazarianus  (N)  saec.  IX  in 
Heidelberg,  wo  der  Abriss  in  vier  Bücher  getheilt  und  einem  L.  Annaeus 
Florus  beigelegt  ist.  Jahn  p.  V — XV,  und  über  das  Verhältniss  von  B  zu 
N  ib.  p.  XV— XXXIV. 

6.  Ed.  princeps  Paris  1470.  4.  Die  wichtigeren  späteren  Ausgaben 
sind  die  von  Camers  (Vienn.  1618.  4.),  E.  Vinetus  (am  Solinus  1664.  4.  u. 
sonst),  J.  Gruter  (Heidelberg  1697),  Gl.  Salmasius  (ap.  Commel.  1609  u. 
sonst),  J.  G.  Grävius  (Utrecht  1680),  C.  A.  Düker  (Lugd.  B.  1722),  J.  F. 
Fischer  (Lips.  1760),  F.  N.  Titze  (Prag  1819).  Erste  kritische  Ausgabe  von 
0.  Jahn  (Juli  Flori  epit.  .  .  rec.  et  emendavit,  Lips.  1862,  vgl.  C.  Halm  in 
Fleckeisens  Jahrbb.  69,  S.  172—196);  dann  recogn.  C.Halm,  Lips.Teubner  1854. 

7.  Beiträge  zur  Textkritik  von  F.  E.  Köhler  (Observ.  criticae  in  Jul. 
Fl.,  Gotting.  1866.  42  pp.),  J.  Freudenberg  (Rhein.  Mus.  XXII.  S.  26  —  30), 
J.   P.   Binsfeld   (Quaest.    Florianae   crit.,   Düsseldorf  1869.    11  pp.   4.),  E. 

*'  Blihrens  (lectiones  latt.,  Bonn  1870,  p.  6—19),  H.  Sauppe  (de  arte  critica 
in  Flori  Bellis  recte  facienda,  Gotting.  1870.  19  pp.  4.  Ind.  hib.),  H.  Müller 
(Fleckeisens  Jahrbb.  103,  S.  666—676  und  Rhein.  Mus.  XXVI.  S.  360—362). 

8.  Ueber  Florus  vgl.  (ausser  Aelterem,  wie  Heintze,  de  Floro  non 
historico,  sed  rhetore,  Weimar  1787  "=  Sjntagm.  opusc.  p.  260  ff.)  A.  Baum- 
stark in  Pauly's  Real-Eno.  lU.  S.  490—494.  H.  G.  Plass,  disp.  de  auctor- 
ibus  eius  quae  vulgo  fertur  L.  Annaei  Flori  epitome  rerum  rom.,  Verden 
1868.  16  pp.  L.  Spengel,  über  die  Geschichtsbücher  des  Florus,  in  den 
Abhandl.  der  Münchner  Akademie  XXXVI  (historisch-philol.  Cl.  IX)  1861. 
S.  319  —  360.  Jos.  Reber,  das  Geschichtswerk  des  Florus,  Freising  1866. 
71  S.    C.  Heyn,  de  Floro  historico,  Bonn  1866.  63  pp. 

326         344.   Aus   derselben  Zeit   ist  wohl  auch   des  Justinus  6e- 
achiclitsabrisS;  sowie  des  Juventius  Martialis  Geschichte  Caesars. 


343  ff.   FloruB  u.  a.  Hietoriker.    Salvius  Julianue.  789 

Die  andern  Schriftsteller  auf  dem  Gebiete  der  Geschichte  waren 
Griechen  und  schrieben  griechisch,  wie  Cassius  Longinus  und 
Phlegon. 

1.  üeber  Justinus  b.  oben  253,  3.  4.  6 — 11. 

2.  Apoll.  SidoD.  ep>i8t.  IX,  14:  si  omittantur  quae  de  titulis  dicta- 
toris  invicti  (des  Julius  Caesar)  scripta  Patavinis  sunt  yolumimbus,  quis 
opera  Suetonii,  quis  luveutii  Martialis  historiam,  quisve  ad  eztremum 
Balbi  epbemeridem  (oben  193,  1)  fando  adaeqnayerit? 

3.  Cassius  Longinus,  nach  Eusebios  Chron.  I,  41  (Mai  scriptt.  vett.  nova 
coUectio  Vni.  p.  198)  Verfasser  von  XVIII  libri  quibus  olympiades  CCXXVIII 
complezus  est.  Er  wird  daher  wohl  auch  um  Ol.  228  =^  J.  135  ff.  n.  Chr. 
gelebt  haben.  Vgl.  A.  4.  H.  Peter,  bist.  rom.  I.  p.  CLXXIY  f.  Euseb. 
bist.  eccl.  VI,  13,  '7:  (ivtj^iovevbi  (Clem.  Alex.)  .  .  xal  Kaaatavov  cog  %ccl 
avtov  x^fovoy^tplav  nsnoirjfjLSvov. 

4.  üeber  Phlogon  Tgl.  341,  3.  Hauptwerk  die  14  Bücher  'Olvfiniddegy 
quibus  olympiades  CCXXIX  summatim  continentur  (Euseb.  chron.  I,  41). 
Vgl.  A.  Westermann  in  Pauly's  Real-Enc.  V.  S.  1540  f. 

.  345.  Unter  den  Juristen  der  Zeit  ist  der  einflussreichste327 
der  Sabinianer  Salvius  Julianus,  welcher  in  Hadrians  Auftrag 
die  Edicte  der  Prätoren  aus  der  Zeit  der  Republik  sammelte, 
sichtete,  und  in  sachlicher  Ordnung  veröffentlichte,  auch  selb- 
ständige juristische  Werke  (besonders  Digesta)  verfasste  und  noch 
Jahrhunderte  hindurch  hohes  Ansehen  genoss.  Jüngere  Zeit- 
genossen von  ihm  sind  die  Juristen  Abumius  Valens,  Pactumeius 
Clemens  und  Sex.  Pomponius,  Letzterer  wichtig  als  Verfasser 
einer  in  die  Digesten  aufgenommenen  ^kurzen  Geschichte  des 
Rechts  und  der  Jurisprudenz  bis  auf  die  Zeit  des  Hadrian,  aber 
auch  sonst  ein  fruchtbarer  und  bis  ins  hohe  Alter  thätiger  juri- 
stischer Schriftsteller. 

1.  Fompon.  Dig.  I,  2,  2  fin.:  lavoleno  Prisco  (successit)  Abumius 
Valens  et  Tuscianus  (sonst  unbekannt),  item  Salvius  lulianus.  Vgl. 
oben  337,  3.  Letzterer  war  ex  Adrumetina  colonia  (Spart.  Did.  lulian.  1,  2) 
in  Africa  und  (mütterlicher  Seits)  proavus  des  nachmaligen  Kaisers  Didius 
lulianus,  bis  consul  (vgl.  Dig.  XL,  2^  6),  praefectus  urbi  et  iuris  consultus 
(Spart.  Did.  lul.  1,  1).  Spart.  Hadr.  18,  1:  cum  iudicaret  in  consilio  habuit 
.  .  iuris  consultos  et  praecipue  lulium  Celsum  (vgl.  oben  337,  2),  Salvium 
lulianum  etc.  Fronte  ad  Caes.  IV,  1  f.  ist  Julian  krank  und  Fronte  be- 
sucht ihn  dem  M.  Aurel  zu  Liebe.  Noch  die  Divi  fratres  Dig.  XXXVII, 
14,  17  pr. :  plurium  etiam  iuris  auctorum,  sed  et  Salyii  luliani  amici  nostri 
(vgl.  M.  Aurel  bei  Fronte  Ep.  ad  Caes.  IV,  2),  clarissimi  viri,  hanc  sen- 
tentiam  fuisse  (er  war  also  damals  schon  todt).  Sein  Grabmal  war  miliario 
quinto  via  Labicana  (Spart.  Did.  lul.  8,  10). 

2.  Eutrop.  VIII,  17:  Salyii  luliani,  qui  sub  divo  Hadriano  perpetuum 


790  '      I^ie  Eaiserzeit.   Zweites  Jahrhundert.   Hadrianus. 

composuit  edictum.  Hieronym.  ad  ^.  Abr.  2147  (Hadriazd  15 sb  131  n.  Chr.): 
SalYiuB  lolianus  perpetuam  composuit  edictum.  lieber  dieses  Datum  s. 
Mommsen,  üb.  d.  Chronographen  (1850)  S.  673,  A.  1.  Justinians  Constit. 
Jidca'KSV  18:  'AÖgtavog  .  .  ore  tä  nocQa  xmv  nQatxmQoav  %az  %xoq  B%aaxov 
vofio^sxoviisva  iv  ß^axBt  tivi  ovvijys  ß^ßX^ca,  xov  %QcixLaxov  'lovXiccvov  ^r^og 
xovxo  nccQaXaß(6v.  Constit.  T^'^ta  (Cod.  I,  17,  2  vom  J.  533)  18:  et  ipse 
lulianus,  legum  et  edicti  perpetui  subtilissimus  t^onditor,  in  suis  libris  hoc 
retnlit  .  .  et  divus  Hadrianus  in  compositione  edicti  et  scto  quod  eam 
secutum  est  etc.  A.  F.  Budorff,  Edictum  perpet.  (Lips.  1869)  p.  9  f.  Cod. 
UI,  33,  15  (vom  J.  530):  summum  auctorem  iuris  scientiae  Salvium  lulianum. 
IV,  5,  10  (vom  J.  530):  sublimissimum  testeQi  adducit  Salvium  lulianum, 
summae  auctoritatis  hominem  et  praetoriani  edicti  ordinatorem.  VI,  61,  5 
(vom  J.  473):  luliani,  tantae  existimationis  viri  atque  disertissimi  iuris- 
periti.    Schüler  von  ihm  waren  Africanus  und  Terentius  Clemens. 

3.  Eigene  Schriften  des  lulianus.  Digestorum  libri  XC  (Ind.  Flor.), 
woraus  in  die  justinianischen  Digesten  376  Fragmente  aufgenommen  sind, 
wie  auch  Titel  und  Plan  von  lulians  Werk  auf  das  justinianische  Einfluss 
übte.  Es  enthielt  zusammenhängende  Erörterungen  über  die  Rechtswissen- 
schaft in  Verbindung  mit  Fragen  der  auditores  und  den  darauf  von  dem 
Lehrer  ertheilten  Antworten.  Th.  M.ommsen,  Ztschr.  f.  Rechtsgesch.  IX. 
S.  82—88.  Die  ersten  58  Bücher  folgen  der  Ordnung  des  Edicts  und  sind 
unter  Hadrian  verfasst  und  veröffentlicht;  die  späteren  Bücher  unter  Anto- 
ninus  Pius ;  s.  H.  H.  Fitting  (oben  47,  9)  S.  4 — 7.  Vgl.  Rudorff,  röm.  Rechts- 
gesch. I.  S.  171.  E.  Viertel,  de  vitis  ictorum,  Königsberg  1868,  p.  6 — 8. 
Noten  zu  dem  Werke  schrieben  Ulpius  Marcellus  und  Cervidius  Scaevola, 
schon  unter  Pius,  dann  Mauricianus  und  Paulus.  Julian  selber  verfasste 
Noten  zu  ürseius  Ferox  (oben  311,  3)  in  4  Büchern  (Ind.  Flor.;  doch  vgl. 
Viertel,  de  vitis  ictorum  p.  18 — 20),  die  in  den  Digesten  41  mal  epitomiert 
sind,  und  zu  Minicius  (oben  337,  6)  in  6  Büchern  (?  vgl.  E.  Viertel  p.  24 
— 26).  Aus  Julians  liber  singularis  de  ambiguitatibus  sind  in  den  Digesten 
vier  Fragmente.  Im  Ganzen  s.  Hommel,  Palingen.  I.  p.  223—318.  Das 
Citat  lulianus  libro  I  ad  edictum  (Dig.  III,  2,  1)  beruht  auf  Verwechslung 
der  Redaction  des  Edictum  durch  Julian  (Anm.  2)  mit  einem  selbständigen 
Werke  (Zimmern,  Gesch.  d.  röm.  Privatr.  I,  1  S.  132,  A.  16). 

4,  HeinecciuB,  de  Salvio  luliano,  Ictorum  sua  aetate  coryphaeo,  Halle 
1733.  4.  =  Opp.  n.  p.  798—818.  VII.  p.  196—  261.  F.  A.  Biener,  de  S.  I. 
meritis  de  edicto  praetorio  rite  aestimandis,  Lips.  1809.  4. 

6.  L.  Fulvius  C.  f.  Pupin(ia)  Aburnius  Valens  (Orelli  3153  vgl. 
Dig.  XXXn,  78,  6).  Da  er  nach  der  Inschrift  bei  Orelli  3153  (wo  er  noch 
clarissimus  iuvenis  heisst)  die  nominelle  Stadtpräfectur  (vor  dem  Eintritt 
in  den  Senat)  J.  118  bekleidete,  so  wird  er  kurz  vor  J.  100  geboren  sein. 
Er  verfassle  Action^s  in  mindestens  7  Büchern  (Dig.  XXXVI,  4,  15)  und 
libri  fideicommissorum,  gleichfalls  in  mindestens  7  Büchern  (Dig.  XXXIII, 
1,  15),  welche  letztere  Schrift  in  den  Pandekten  19mal  benützt  ist.  Vgl. 
Hommel,  Palingen.  U.  p.  533 — 536.  Da  er  in  letzterer  nicht  nur  den  lavo- 
lenus  citiert  (ib.  XXXIII,  1,  15)  sondern  auch  den  (Salvius)  lulianus  (ib. 
IV,  4,  33:  lulianus  .  .  respondit.  XXXII,  94:  lulianus  .  .  putavit)  und  den 


345.   Juristen:  lulianus,  Pompouius  u.  A.  791 

Trajan  als  divue  bezeiclmet  (XLIX,  14,  42),  so  sclieint  er  den  lulianus 
überlebt  zu  haben.  Er  ist  daher  ohne  Zweifel  der  Fulvius  (so  Mommsen, 
statt  Salvios)  Valens  bei  Capitol.  Ant.  Pi.  12,  1:  usus  est  iuris  peritis  .  . 
Fulvio  Valente.  Vgl.  Dig.  XLVJII,  2,  7,  2:  divus  Pius  Salvio  (Fulvio) 
Valenti  rescripsit.  P.  F.  Smeding,  de  Salvio  Aburnio  Valente  eiasque  qnae 
in  Dig.  adsxmt  fragmentis,  Lugd.  Bat.  1824.  *  Zimmern,  Gesch.  d.  röm.  Privatr. 
I,  1.  S.  334  f.  K.  Viertel,  de  vitis  ictorum  p.  30 — 33.  Mommsen,  Ztschr.  f. 
Rechtsgesch.  IX.  S.  90,  A.  21. 

6.  Pompon.  Dig.  XL,  7,  21,  1:  Pactumeius  Clemens  aiebat  etc. 
Genauer  ist  er  bekannt  durch  die  Inschrift  aus  Constantine  bei  Renier, 
inscr.  de  TAlg.  1812  =»  Henzen  6483:  P.  Pactumeio  P.  f.  Quir.  Clementi, 
Xvir  stlit.  iud., .  Quaest.,  Leg.  Rosiani  Gerdni  (Dig.  XL VIII,  6,  6,  2.  XL VIII, 
6,  6)  soceri  sni  procos(ulis)  in  Achaia,  trib.  pleb.,  fetiali,  legato  divi 
Hadriani  Athenis  .  .  ,  praetori  urbano,  leg.  divi  Hadriani  ad  rationes  civi- 
tatium  Syriae  putandas,  legato  eiusdem  «in  Cilicia,  Consuli  (suff.  im  J.  138 
nach  Borghesi),  legato  in  Cilicia  Imp.  Antonini  Aug.,  leg.  Bosiani  Gemini 
procos.  in  Africa,  iurisconsulto,  patrono  IV  coloniarum.    Vgl.  ib.  18i3  f. 

7.  Sex.  Pomponius  lebte  und  schrieb  sowohl  unter  Hadrian  als 
unter  M.  Aurelius  oder  doch  den  divi  fratres.  Bezeichnend  ist  die  Aeusse- 
rung  aus  seinen  Epistolae  B.  VII  (Dig.  XL,  5,  20):  ego  discendi  cupiditate, 
quam  solam  vivendi  rationem  optimam  in  LXXVIII"'"  annum  aetatis  duxi. 
Da  er  in  demselben  Buche  (Dig.  L,  12,  14)  den  Antoninus  als  divus  be- 
zeichnet, so  schrieb  er  diess  frühestens  J.  162,  war  somit  nicht  vor  J.  84 
n.  Chr.  geboren.  Und  dass  er  ein  Zeitgenosse  von  Julian  war  erhellt  theils 
daraus  dass  seine  Geschichte>  der  Jurisprudenz  (A.  10)  mit  Letzterem  schliesst, 
theils  daraus  dass  Beide  einander  citieren  (A.  8).  Pomponius  aber  scheint 
den  Julian  überlebt  zu  haben,  da  Julian  nur  äin  Werk  des  Pomp, 
benützt  hat,  Pomp,  aber  mehrere  des  Julian;  s.  A.  8.  Als  seine  Lehrer 
nennt  Pomp,  die  Juristen  Pegasus  (Dig.  XXXI,  43,  2:  P.  solitus  fuerat 
distinguere),  Aristo  (ib.  XL,  5, 20 :  putabat.  XXXVl,  1,72:  aiebat,  vgl.  XXXIX, 
5,  18.  Fragm.  Vat.  83.  88.)  und  Octavenus  (XL,  4,  61:  aiebat.  5,  20: 
putabat).  Häufig  geht  er  in  seinen  Schriften  auf  die  veteres  zurück,  ins- 
besondere auf  Q.  Mucius,  Ser.  Sulpicius,  Trebatius,  Alfenus,  Labeo. 

8.  Verhältniss  zwischen  Julianus  und  Pomponius.  Pomp,  benützt  des 
Julian  Dig.  und  citiert  ihn  häufig,  wenigstens  in  den  libri  ex  Plautio,  den 
Epistolae  et  variae  lectiones,  sowie  in  den  libri  ad  edictum;  vgl.  Dig.  VI, 
1,  21  (Pomponius  libro  XXXIX*»  Ad  edictum  scribit  etc.  lulianus  autem  etc. 
idque  Pomponius  libro  XXXIV  °  Variarum  lectionum  probat).  XIV,  6,  19 
(lulianus  scribit).  XXXIX,  2,  18,  5  (Pomponius  relata  luliani  soriptura 
dicit  non  se  improbare  etc.).  XL,  4,  40  (aus  Pomp.  libr.  V  ex  Plaut.:  lulia- 
nus ait).  61  (et  lul.  ait).  XL,  5,  20  (apud  lulianum  ita  scriptum  est.  .  .  ea 
quae  lulianus  scribit,  ans  Epist.  VII).  XLIX,  14,  35  (aus  Epist.  XI:  apud 
lulianum  scriptum  est).  Fragm.  Vat.  75  (Pomponius  ait  libro  VII  ex  Plautio, 
relata  luliani  sententia.  .  .  urgetnr  tarnen  luliani  sententia  argumentis 
Pomponii).  Julian  benützt  (in  seinen  Dig.)  des  Pomp.  Bücher  ad  Sabinum;' 
vgl.  Fragm.  Vat.  88  (lulianus  subicit  Sextum  quoque  Pomponium  referre). 
Dig.  XXVIII,  5,  41  (ut  refert  Sex.   Pomponius,  vgl.  Mommsen,  Ztschr.  f. 


\ 


792  Die.Kaiserseit.    Zweites  Jahrhundert.   HadrianuB. 

Rechtsgesch.  VII.  8.  478  Anm.).  KVII,  2,  63,  9  (ait  lolianuB  Sextum  Pom- 
poninm  referre  Sabinum  respondentem  etc.).  Vgl.  Fitting  8.  8  f.  11.  12.  13. 
Die  Aufeinanderfolge  lulianns  et  Pomponius  Dig.  XXVIII,  2,  9,  2.    XLY, 

I,  2,  5.  Vgl.  GaJ.  Inst.  II,  218  (luliano  et  Sezto  placuit).  Zu  einer  Unter- 
scheidung zweier  Juristen  des  Namens  Pomponius  ist  kein  -triftiger  Grund 
vorhanden.  Budorff,  Rechtsgesch.  I.  8.  172  f.  Fitting  8.  13  f.  Mommsen 
a.  a.  0.  8.  478  f. 

9.  Schriften  des  Pomponius.  Enchiridii  über  singularis,  Ad  Sabinum 
libri  XXXV,  und  Fideicommissorum  libri  Y,  sämmtlich  unter  Hadrian  ver- 
fasst,  die  Noten  ad  Sabinum  sicher  vor  Julians  Digesten;  Ad  edictum, 
mindestens  79  Bücher,  Vor  Julians  Redaction  des  Edictum  perpetuum  ge- 
schrieben; Ad  Q.  Mucium  lectionum  libri  XXXIX  (ob.  151,  2)  nach  Hadrian, 
wahrscheinlich  unter  Antoniüus  Pius  yerfasst;  ex  Plautio  libri  VII,  unter 
Antoninus  Pius  geschrieben,  wie  auch  wahrscheinlich  Senatusconsultorum 
libri  V;  Epistolarum  et  variarum  lectionum  libri  (Dig.  IV,  4,  50.  L,  12,  14), 
falls  diese  zwei  Titel  wirklich  zusammengehören  sollten,  mindestens  41  Bücher, 
aus  der  Zeit  der  divi  fratres  (s.  A.  7).  Nicht  wohl  vor  Pius  yerfasst  war 
die  Schrift  De  stipulationibus  in  mindestens  acht  Büchern,  und  spätestens 
unter  Pius  der  Regularum  Über  singularis.  Aus  unbekannter  Zeit  sind 
seine  Enchiridii  libri  II.  Ebenso  die  Zusammenstellung  der  juristischen 
Ansichten  des  Aristo  (oben  337,  4)  aus  dessen  notae,  decreta,  responsa  und 
epistulae;  s.  Dig.  XXIY,  3,  44  (aus  Paulus):  Nerva  et  Cato  responderunt, 
ut  est  relatum  apud  Sex.  Pomponium  Digestorum  ab  Aristone  libro  quinto; 
ibidem  Aristoni  consensit.  Im  Ganzen  sind  die  Schriften  des  Pomp,  in  den 
Digesten  585mal  benützt;  s.  die  Zusammenstellung  bei  Hommel,  Palingenesia 

II.  p.  303 — 386.  Sie  waren  geschätzt  theils  wegen  ihrer  Casuistik  theils 
als  Auszüge  aus  angesehenen  älteren  Juristen. 

10.  Das  Enchiridion  (liber  sing.)  enthielt  wie  es  scheint  eine  Erläute- 
rung der  rechtlichen  Grundbegriffe  (Dig.  L,  16,  239)  und  einen  Abriss  der 
Geschichte  des  röm.  Rechts  und  der  Rechtswissenschaft  bis  auf  Julianus  (Dig. 
I,  2,  2).  Vgl.  oben  S.  275  f ,  d.  Sonderausgaben  von  E.  Böcking  (Bonn 
1831)  und  F.  Osann  (recogn.  et  annot.  crit.  instr.,  Giessen  1847).  §  41—44 
cum  notis  ed.  E.  Schrader,  Berlin  1837.  14  pp.  4. 

11.  H.  B.  Reinold,  de  Sex.  Pomponio  icto,  Würzburg  1710  (=  Opusc. 
p.  502 — 548).  Heineccius  de  Sex.  P.  eximio  aevi  sui  icto,  Opp.  III,  2.  p. 
66  —  126.  Zimmern,  Gesch.  d.  röm.  Privatrechts  I,  1.  8.  337—340.  Fitting 
(oben  47,  9)  8.8  —  14.  ^ 

328  346*  Rhetoren  der  hadrianisclien  Zeit  sind  der  gelehrte 
Spanier  Antonios  Julianus  und  Castricius.  Die  meisten  und 
angesehensten  aber  schrieben  in  griechischer  Sprache.  So  Hadrian 
selbst,  Polemon,  Lollianus,  Dionysios  aus  Milet,  Favorinus  u.  A. 
In  lateinischer  Sprache  yerfasst  und  erhalten  si^d  nur  die  Schul- 
reden eines  sonst  unbekannten  Calpumius  Flaccus. 

1.  Gellius  I,  4,  1:  Antonius  lulianus  rhetor  perquam  fuit  honesti 
atque  amoeni  ingenii.  doctrina  quoque  ista  utiliore  ac  delectabili  veterum> 
que  elegantiarum  cura  et  memoria  multa  fuit.    ad  hoc  scripta  omnia  anti- 


345  f.  Juristen  und  Rhetoren.   Pomponios  u.  A.  793 

quiora  tam  cariose  spectabat  et  aut  virtutes  pensitabat  ant  vitia  rimabatar 
ut  iudicium  esse  factom  adamussim  diceres.  ib.  8:  ad  hunc  modmn  lulia- 
nns  enodabat  diiudicabatqne  veterum  scriptorum  sententiaB,  quae  apud  eum 
adulescentes  delectitabant.  XIX,  9,  2:  venerat  nobiscmn  ad  eandem  cenam 
Antonius  luÜanus  rhetor,  docendis  publice  iuvenibus  magister,  hispano  ore 
florentisque  bomo  facundiae  et  rerum  litterarumque  veterum  peritus.  Pro- 
ben seiner  Gelehrsamkeit  ib.  IX,  1,  2  ff.  XV,  1,  4  fiF.  XVm,  6,  5  ff.  XIX,  9, 
8  ff.  XX,  9.  DasB  er  ein  Lehrer  des  Gellius  war  erhellt  aus  Gell.  XVTII,  5, 
1:  cum  A.  I.  rhetore,  viro  hercle  bono  et  facundiae  florentis,  complurcs 
adulescentuli,  familiäres  eius,  Puteolis  aestivarum  feriarum  lud  um  .  .  agita- 
bamuB.  Vgl.  ib.  IX,  15,  1  ff.:  cum  A.  I.  rhetore  per  feriarum  tempus  .  . 
Neapolin  concesseramns.  XV,  1,  1  ff.:  declamaverat  A.  I.  rhetor  .  .  feliciter. 
.  .  ergo  familiäres  eius  circumfnsi  undique  eum  prosequebamur  domum. 
Auf  später  herausgegebene  Schriften  desselben  scheint  zu  deuten  ib.  XVIII, 
5,  12:  hoc  tum  nobis  lulianus  .  .  dixit.  sed  eadem  ipsa  post  etiam  in 
pervulgatis  commentariis  scripta  offendimus.  üeber  einen  älteren  Ant.  lul. 
s.  oben  309,  7. 

2.  T.  Castricius,  rhetoricae  disciplinae  doctor,  qui  habuit  Romae  locum 
principem  declamandi  ac  docendi,  summa  vir  auctoritate  gravitateque  et  a 
divo  Hadriano  in  mores  atque  litteras  spectatus,  quo  .  .  usus  sum  magistro. 
Gellius  XIII,  22,  1.  vgl.  XI,  13,  1.  I,  6,  4.  11,  27,  3.  Fronte  epist.  ad  am.  II,  2 
(Castricius  noster). 

3.  Ueber  Hadrians  Declamationen  s.  oben  341,  3;  über  Aelius  Verus 
unten  349,  2;  über  Heliodorus  unten  347,  8. 

4.  Philostr.  vit-  soph.  II,  14  (p.  71,  24  ff.  Bibl.  Teubner.)  über  Herodes 
Atticus:  noXifiatvcc  (A.  6)  xal  ^aßcnQivop  (A.  5)  xal  SnonsUavov  iv  Stdaa- 
%dloig  lavtov  i7ye  xocl  SstiovvStp  tm  'A^rivccCat  ^i(po£trj6sv ,  .  .  tovg  dh  HQtriHOvg 
tav  Xoyav  SBaykvsi  zs  zm  Kvtdiq}  xal  MowazCm  zS  in  TQccXXiaiv  avveyivszo 
xal  TavQtp  zm  TvQim  (unten  348,  2)  inl  zaig  UXazoivog  do^ccLg. 

5.  Hieronym.  ad  a.  Abr.  2148  »  Hadr.  16  =  132  n.  Chr.:  Favorinus 
et  Polemo  rhetores  insignes  habentur.  Favorinus  aus  Arelate  (Arles), 
Schüler  des  Dion  (Chrysostomos),  mit  Plutarch  und  Fronto  (s.  unten  352,  1) 
befreundet,  encyclopädischer  Schriftsteller,  z.  B.  Verfasser  von  philosophi- 
schen Schriften  {IIvqq<ovBioi  zQonot  und  *AnoiJkvrifiovsv(tMza)  sowie  einer  Ilavzo- 
Sccnfj  tazof^la,  Kenner  auch  der  römischen  Literatur  und  darin  der  Alter- 
thümelei  entgegentretend  (Gellius  I,  10  vgl.  VUI,  2.  XVIII,  7.  XX,  1,  20); 
8.  Philostr.  vitae  soph.  I,  8  mit  Eayser  (Heidelberg  1838)  p.  181  —  183. 
J.  L.  Marres,  de  Favorini  Arelatensis  vita,  studiis,  scriptis,  Utrecht  1853. 
146  pp.   Vgl.  unten  358,  1, 

6.  Ueber  (Antonius)  Polemo  in  Smyma  (ums  J.  85  —  140)  s.  Philostr. 
vitae  soph.  I,  25  mit  C.  L.  Eaysers  notae  p.  267  f.  L.  Preller  in  Pauly's 
Real-Enc.  V.  S.  1793  f. 

7.  (L.  Egnatius  Victor)  Lollianus  nQovazrj  zov  'A^r^vriei  d'f^ovov  (der 
Sophistik)  jtQmzog,  s.  Philostr.  v.  soph.  I,  23  mit  Kayser  p.  261  f. 

8.  *Dio  LXIX,  3:    zov  ^aovtnQivov  zov  FaXdzriv  zov  zb  diovvciov  zbv 


794  Die  Kaiserzeit.    Zweites  Jahrhundert.   Hadrianns. 

# 

Mtlriaiov  tovg  aotpiatdg  etc.    Ueber  Letzteren  s.  Philostr.  yitae  soph.  I,  22; 
Tgl.  unten  347,  9.   351,  4. 

9.  Unter  dem  Titel  Ezcerptae  X  rhetorum  minorum  haben  wir  51  de- 
clamationes ,  ursprünglich  also  eine  Sammlung  yon  Schulreden  Mehrerer. 
Erhalten  sind  aber  nur  die  Excerpte  aus  Calpurnius  Flaccus.  Denn  die 
Annahme  dass  es  Excerpte  des  Calp.  Fl.  aus  zehn  Rhetoren  seien  wird  da- 
durch ausgeschlossen  dass  dieselben  in  den  einzelnen  declamationes  immer 
nur  die  Auffassung  ^ines  Rfaetors  geben.  (M.  Hertz.)  Unsicher  ist  aber  die 
Zeit  dieses  Calp.  Fl.  Erstmals  veröffentlicht  wurden  die  Excerpte  durch  Petr. 
Pithöus,  zusammen  mit  den  pseudoquintilianischen  (oben  320,  11),  Paris 
1.Ö80;  dann  in  den  Ausgaben  der  letzteren  von  J.  Fr.  Gronov  (Lugd.  B.  1665), 
U.  Obrecht  (Strassburg  1698.  4.)  und  P.  Burmann  (Lugd.  «B.  1720.  4.). 

329  347.  Der  namhafteste  Grammatiker  aus  der  Zeii  Ha- 
drians  ist  Q.  Terentius  Scaurus,  Verfasser  einer  lateinischen 
Grammatik  und  einer  Poetik^  sowie  Commentator  des  Plautus 
und  Vergil ,  vielleicht  auch  des  Horaz.  Erhalten  ist  von  ihm 
nur  eine  kleine  Schrift  de  orthographia^  welche  aber  für  die 
Sprachgeschichte  Wichtigkeit  hat.  Derselben  Zeit  gehorten  auch 
Velleius  Celer,  Äelius  Melissus,  Domitius  an,  von  den  Griechen 
aber  die  Grammatiker  Vestinus  und  besonders  Heliodorus. 

1.  Gellius  XI,  15,  3:  Terentius  Scaurus,  divi  Hadriani  temporibus 
grammaticus  vel  nobilissimus ,  inter  illa  quae  de  Caeselli  (oben  338,  4) 
erroribus  composuit.  Vgl.  Capitolin.  Ver.  2,  5:  audivit  (Verus)  Scaurinum 
grammaticum  latinum,  Scauri  filium  qui  grammaticus  Hadriani  fuit.  An- 
führungen aus  seinem  Hauptwerke  besonders  bei  Charisius  und  Diomedea 
(aus  Bomanus),  sowie  in  den  Explanationes  in  aitem  Donati  (Keil  lY.  p.  486  ff.). 
Charis.  I.  p.  133,  iE.:  Scaurus  in  airte  grammatica.  136,  16:  Scaurus  artis 
grammaticae  libris.  Dagegen  ib.  146,  36:  Scaurus  libro  III  ist  nach  dem 
Zusammenhang  auf  die  Selbstbiographie  des  M.  Aemilius  Scaurus  (oben  141, 
fO)  zu  beziehen.  Rufin.  Excerpt.  p.  2711  P.  =  384  Gaisf.:  Scaurus  in  com- 
mentario  Plauti  in  Pseudulo  dicit  etc.  Ritschi,  Parerga  p.  376  f.  Commen- 
tare  zur  Aeneis  und  wohl  auch  zu  den  Bucolica;  s.  Ribbeck  Prolegg.  p.  172. 
Charis.  p.  202,  26  ff.  E.:  impariter  Horatius  epistolarum  (H,  3,  76):  vcrsibus 
impariter  iunctis,  ubi  Q.  Terentius  Scaurus  in  commentariis  in  artem  po- 
eticam  libro  X  etc.  Der  hiedurch  erregte  Schein  eines  ausführlichen  Werkes 
über  Horaz  a.  p.  wird  feerstört  durch  ib.  210,  19 ff.:  Maro  (Aen.  I,  1):  Troiae 
qui  primus  ab  oris,  ubi  Q.  Ter.  Sc.  commentariis  in  artem  poeticam  libro 
X  etc.  Gräfenhan  (Gesch.  d.  dass.  Philol.  IV.  S.  300  f.)  will  grammaticam 
statt  poeticam.  Die  Anführungen  von  Definitionen  des  Scaurus  über  rhe- 
torische Figuren  (wie  hypozeuxis,  macrologia)  sprechen  eher  für  eine  die 
Rhetorik  mitbefassende  Poetik.  Die  einzige  unsichere  Spur  eines  Commen- 
tars  zu  Horaz  ist  Porphyr,  zu  Hör.  S.  E,  5,  92  (H.  p.  308  H.):  capite  ob- 
stipo:  trist!  ac  severo.  Scaurus  inclinato  dicit;  vgl.  Zangemeister  (oben 
S.  489,  Z.  1)  p.  40  ff.  Die  Ueberreste  des  Scaurus  verrathen  keine  alterthü- 
melnde  Richtung;  er  scheint  vielmehr  zu  den  CÜceronianem  gehört  zu  haben. 


847  f.    Terentius  Scaurus  u.  a.  Grammatiker.  795 

2.  Die  kleine  Schrift  de  orthographia  ad  Thesemn  (bei  Putsche  p.  2249 
— 2264)  ist  verständig  angelegt  nnd  durch  Berücksichtigung  alter  Formen 
werthvoU.  p.  2262:  haec  sunt  quae  urgenti  tempore  complecti  tibi  in 
praesentia  potni,  Thesen,  si  quid  exemplis  defecerit  vel  quaestionibus, 
subiungetur.  nam  quod  ad  rem  maxime  pertinet,  regulam  vides.  Darauf 
folgen,  lose  angehängt,  einzelne  Bemerkungen,  die  sich  aber  nur  zum  Theile 
auf  Orthographie  beziehen;  mindestens  die  stilistischen  über  den  Gebrauch 
der  Präpositionen  werden  von  einem  andern  Verfasser  sein.  Schluss:  brevi- 
tatem  huius  libelli,  si  tibi  yidetur,  adglutinabis  ei  quem  de  litteris  novis 
(Bergk:  des  Kaisers  Claudius)  habes  a  me  acceptum.  W.  Brambach,  lat. 
Orthogr.  S.  47—49.  lieber  die  handschriftliche  Ueberlieferung  der  Schrift 
s.  üsener,  Rhein.  Mus.  XXIV.  S.  108  f. 

3.  Priscian.  X,  67.  p.  547  Htz.:  Velleius  (D:  Vellius)  Celer  respondens 
Hadriano  imperatori  per  epistulam  de  hoc  (die  Quantität  von  ambitus) 
interroganti  .  .  ostendit  etc.  Vielleicht  ist  er  der  KsXsq  rexvoyQoeqfog,  ßaaiU- 
xcov  fisv  ^mexoXmv  ngootartig,  Jtovvöim  Ös  tbv  i%  (»«t^axtiov  XQ^''^^^  didtpof^og 
bei  Philostr.  vit.'soph.  I,  22.     Vgl.  A.  9. 

4.  Gellius  XVIII,  6,  1  ff. :  Aelius  Melissus  in  nostra  memoria  fuit  Romae 
summi  quidem  loci  intcr  grammaticos  id  temporis;  sed  maiore  in  litteris 
erat  iactantia  et  aotpiaxhia  quam  opera.  is  praeter  alia  quae  scripsit  com* 
plura  librum  composuit  .  .  cui  titulus  est  .  .  de  loquendi  proprietate. 

5.  Gell.  XVIII,  7,  1  ff.:  Domitio,  homini  docto  celebrique  in  urbe 
Roma  grammatico,  cui  cognomentum  Insano  factum  est,  quoniam  erat 
natura  intractabilior  et  morosior,  ei  Domitio  Favorinus  noster  cum  fbrte 
.  .  obviam  venisset  atque  ego  cum  Favorino  essem  etc. 

6.  Aus  derselben  Zeit  ist  vielleicht  auch  Q.  Octavius  Avitus,  s.  oben     • 
221,  3. 

7.  üeber  Sulpicius  Apollinaris,  welcher  schon  in  dieser  Zeit  von  Ein- 
fluss  ist,  8.  unten  353,  2. 

8.  Ueber  lulius  Vestinus  s.  Suidas  s.  v. 

9.  Dio  LXIX,  3:  Jiovvetog  (oben  346,  8)  ngog  zov  avtov  (des  Hadrian)  • 
Idiov  ^HXiodatQov,  xov  tag  inictoläg  avzov  dueyayovta,  slnsiv  Xsystai  oxi 
KaCaccQ  XQ'IC^'^^  f'^'^  <^o^  ^^^  tifiriv  dovvai  ^vvocrai,  frjxOQa  di  üs  noiriaat 
ov  dvvaxat.  Vgl.  A.  3.  Um  so  bedeutender  war  er  als  Grammatiker,  da 
er  ohne  Zweif<&l  identisch  ist  mit  dem  Metriker  Heliodoros,  über  welchen 
8.  R.  Westphal,  allg.  Metrik  (1865)  S.  137—146  =^  Metrik«  I  (1867).  S.  214  ff. 
0.  Hense,  heliodorische  Untersuchungen,  Leipzig  (Teubner)  1870.  170  S. 

348.  Die  Philosophie  war  in  dieser  Zeit  vorzugsweise  durchsso 
Griechen  vertreten,  wie  Plutarchos  und  den  Platoniker  Calvisius 
Taurus.  Von  Fachschriftsteilem  ist  der  bedeutendste  der  Medi- 
ciuer  Caelius  Aurelianus  aus  Africa,  von  welchem  zwei  Schriften 
über  acute  und  chronische  Krankheiten  auf  uns  gekommen  sind. 
Diese  lassen  ihn  als  Methodiker  und  scharfen  Beobachter  er- 
scheinen.    Ihre  Sprache  ist  dunkel  und  incorrect. 


796  ^^  Eaiserzeit.   Zweites  Jahrhundert.   Hadrianus. 

1.  Hieronjm.  ad  a.  Abr.  2135  »•  Hadr.  3  «^  119  n.  Chr.:  Plutarchus 
ChaeroneuB  et  Sextus  et  Agathobulos  et  Oenomans  philosophi  insignes 
habentor.  Ad  2142  a.  Hadr.  10  »  126  n.  Chr.:  Quadratos  discipaloB  apo- 
stolorum  (vgl.  de  vir.  ill.  19)  et  Ariatides  Atheniensis  noater  philoaophaa 
libros  pro  chriatiana  religione  Hadriano  dedere  compoaitoa.  Vgl.  noch 
oben  346,  4. 

2.  Hieronym.  ad  a.  Abr.  2161  »-  145  n.  Chr.:  Tanrua  Berytina  plato- 
nicae  aectae  philoaophua  clama  habetur.  (}eDina  VII,  10,  1:  philoaophaa 
Taurua,  vir  memoria  noatra  in  diaciplina  platonica  celebratua.  XYIII,  10,  3: 
Calviaiua  Tanrua  philoaophua.  Vgl.  oben  346,  4.  Zur  Methodik  aeinea  ün- 
terrichta  vgl.  Gell.  I,  26,  1  f.  II,  2,  1  ff.  (ad  philoa.  T.  Athenaa  viaendi 
eius  gratia  venerat  vir  clariaa.).  VII,  13,  1  ff.  X,  19.  XVn,  8  u.  20.  XVIII 
10,  3  ff.  XIX,  6,  2  f.  XX,  4.  Seine  Schriften  waren  alle  in  griechiacher 
Sprache. 

3.  lieber  eine  Bearbeitung  der  g^nealogiae  dea  Hyginua  a.  oben  257,  7. 

4.  Ueber  die  Chorographie  aua  Pliniua  n.  h.  a.  oben  ^308,  7. 

6.  Caeliua  Aurelianua  aua  Sicca  in  Numidien  lebte  zwischen  Soranua 
(oben  294,  8)  und  GaJenoa,  da  er  Letzteren  nie  erwähnt,  während  Soranua 
Bein  Hauptgewähramann  iat.  Vgl.  acut.  11,  1:  Soranua,  cuiua  haee  annt 
quae  latinizanda  auacepimua.  U,  28:  cuiua  yeriaaimaa  apprehenaionea  latino 
aermone  deacribere  laboramua.  chron.  II,  7:  Mnaaeaa  et  Soranua,  cuiua 
etiam  noa  amamus  iudicium.  Daa  Werk  Aber  die  acuten  Krankheiten 
(celerum  oder  acutarum  paaaionum)  beateht  aua  drei  Büchern  (Paria  1533 
u.  1826),  daa  über  die  chronischen  (tardarum  oder  chronicanun  paaaionum) 
aua  fünf  (Baail.  1529  fol.  Aid.  1547).  Beide  zuaammen  herauagegeben  Lugd. 
1566,  beaaer  Amatelaed.  1709.  4.  (cur.  J.  C.  Amman,  mit  Noten  von  y.  AI- 
meloveen)  =>  Venet.  1757.  4.  Lauaanne' 1774.  Auch  in  den  Sammelwerken  der 
medici  yeterea.  Vgl.  V.  Roaen ,  ein  Bruchatück  dea  CA.,  im  Hermea IV.  S. 
141—144.  Bemerkens werth  aind  beide  Werke  durch  die  treue  und  lebendige 
Schilderung  der  Krankheiten,  sowie  durch  die  manchfachen  Anführungen 
älterer  Schriftsteller  und  ihrer  Meinungen,  das  Latein  als  Probe  der  africa- 
nischen  Latinität.  Cassiod.  diy.  script.  inst.  II,  31  empfiehlt  ihn.  Eine 
Anzahl  anderer  Schriften  des  Aur.  die  er  gelegentlich  anführt  (a.  Ammana 
Ausg.  p.  710),  wie  muliebrium  passionum  libri,  de  pasaiohum  cauaia  u.  a., 
aind  yerloren  gegangen.  C.  G.  Kühn,  de  C.  A.  inter  methodicoa  medicoa 
haud  ignobili,  Lips.  1816.  4.  =*  Opuac.  acad.  IL  p.  1  ff.  Chöulant,  Bücher- 
künde  f.  d.  alt.  Medicin  S.  206—209. 

6.  Ueber  die  baaia  capitolina,  mit  einer  Widmungainschrift  yerschie- 
dener  Regionen  und  zahlreicher  yici  Roms  an  Hadrian  (auf  dem  Capitol) 
8.  Gruter  p.  249  ff.  E.  Braun ,  Philologus  Suppl.  11.  S.  405  ff.  H.  Jordan, 
über  eine  Untersuchung  des  sog.  capitolinischen  Stadtplanes,  Monatsber.  der 
Berl.Akad.  1867,  S.  526—548.  A.  Klügmann,  Philologus  XXVII.  S.  474— 493. 

• 

331  349.  Dichter  von  Namen  hat  Hadrians  Zeit  nicht  aufzu- 
weisen. Doch  besang  Annianus  die  Freuden  des  Lajidlebens 
(Falisca)   und   verfasste   Fescenninen.    Ausserdem  wurden  latei- 


348  f.   CaeliuB  Anrelianus.    Annianas  u.  a.  Dichter.  797 

nische  Verse  gemacht  von  Hadrian  selbst,  von  Annius  Florus, 
L.  Aelius  Verus,  Voconius  u.  A.  Dem  spielenden  Charakter 
dieser  Beschäftigung  entsprach  es  dass  jetzt  Versarten  wie  der 
iambische  Dimeter  beliebt  wurden. 

1.  üeber  Hadrians  Gedichte  s.  oben  341,  3  u.  5;  über  Annius  Florus 
oben  336,  7;  über  Voconius  oben  341,  5. 

2.  Spartiaff.  Hadrian.  23,  11:  adoptavit  (J.  136?)' Ceionium  Commodum 
Verum  invitis  Omnibus  eumque  Aelium  Verum  Caesarem  appellavit.  Aelius 
2,  6:  hie  .  .  primum  L.  Aurelius  Verus  est  dictus,  sed  ab  Hadriano  adsci- 
tns  in  Aeliorum  familiam  .  .  et  appellatus  est  Caesar.  5,  1  f.:  fnit  .  .  eru- 
ditus  in  litteris ,  .  .  eloquentiae  celsioris,  versu  facilis.  4,  7 :  cum  de  provin- 
cia  Aelips  redisset  atque  orationem  pulcherrimam,  quae  hodieque  legitur, 
sive  per  se  seu  per  scriniorum  aut  dicendi  magistros  pararet,  qua  kalendis 
lanuariis  Hadriano  patri  gratias  ageret,  .  .  kalendis  ipsis  lanuariis  (des 
J.  891  =B  138)  perit.  Dieser  L.  Ceionius  Commodus  Verus  Aelius  (Helius) 
Caesar  ist  Vater  des  L.  Verus  (unten  360,  1  u.  6). 

3.  Gell.  VI,  7,  1:  Annianus  poeta  praeter  ingenii  amoenitates  lit- 
terarum  quoque  vetemm  et  rationum  in  litteris  oppido  quam  peritus  fuit 
et  sermocinabatur  mira  quadäm  et  scita  suavitate.  ib.  3:  se  andiente  Probum 
grammaticum  (oben  296)  .  .  legisse  dicit.  Also  war  Ann.  wohl  nicht  nach 
J.  70  geboren.  IX,  10,  1:  Ann.  poeta  et  pleriqne  cum  eo  einsdem  Musae 
viri.  XX,  8,  1:  A.  poeta  in  fundo  suo  quem  in  agro  Falisco  possidebat  .  . 
me  et  quosdam  item  alios  familiäres  vocavit.  Auson.  cento  nupt.  (Idyll. 
Xni)  8.  f.:  nam  quid  Anniani  fescenninos?  Lachmann  ad  Terent.  Maur.  p. 
Xin— XV  hält  den  A.  für  den  poeta  Faliscus  welchem  Terentian.  v.  1816—1821 
ludicra  carmina  zuschreibt,  vgl.  ib.  1998:  talia  docta  Phalisca  legimus. 
Mar.  Vict.  p.  122,  12  E.  (Gramm.  VI):  quod  genus  metri  Annianus  Faliscum 
Carmen  inscribii  L.  Müller,  Rhein.  Mus.  XXV.  S.  337  —  344  und  an  seiner 
Ausg.  des  Rutil.  Nam.  p.  34 — 44. 

4.  Gellius  XIX,  7,  1:  in  agro  Vaticano  lulius  Paulus  poeta,  vir 
bonus  et  rerum  (vgl.  XiH,  18,  2:  morum)  litterarumque  vetemm  iupense 
doctus,  herediolum  tenue  possidebat.  eo  saepe  nos  ad  sese  vocabat  etc. 
Vgl.  ib.  V,  4,  1  u.  XVI,  10,  9  (I.  P.  poeta,  vir  memoria  nostra  doctissimus). 
I,  22,  9  (homo  in  m.  n.  d.).  Vielleicht  (H.  Meyer)  identisch  mit  dem  Paulus 
welcher  den  Antipater  und  Afranius  commentierte  (oben  142,  6  E.).  H.  Peter, 
bist.  iatt.  I.  p.  CCXXXI  f. 

6.  Suid.  V.  MsaqiiiiSTig  (H.  p.  791  f.  Beruh.):  JTpr/ff,  XvQiTiog,  ysyovtag 
ini  zmv  ^ASqiavov  xQOvmVy  dneXevd'BQog  avxov  ^  iv  toig  iidUaTCC  (p^og. 
yqdfpn  ovv  dg  'AvxCvoov  ^naivov  .  .  xal  aXXa  duitpoQa  (isXt}.  Capitolin. 
Ant.  Pi.  7,  7  f.:  salaria  multis  subtrazit  quos  otiosos  videbat  accipere. 
.  .  unde  etiam  Mesomedi  lyrico  salarium  immin uit.  Hieronym.  ad  a.  Abr. 
2160  SS  144  n.  Chr.:  Mesomedes  Cretensis  citharicorum  carminum  (in  grie- 
chischer Sprache)  musicus  poeta  agnoscitur.  Erhalten  ist  sein  Hymnos  auf 
Nemesis. 


798  Dio  Kaiserzeit.   Zweites  Jahrhundert.   Antoninus  Piua 

2.  Die  Zeit  der  Antoniue,  J.  138—180  u.  Chr. 

a)  Antoninus  Pius,  J.  138  —  161  n.  Chr. 

332  350.  An  der  Literatur  hat  Antoninus  Pius  (J.  86  —  161 
n.  Chr.)  sich  nicht  persönlich  betheiligt,  aber  durch  seine  muster- 
hafte Regierung  ihr  Frieden,  Raum  und  Stimmung  gewährt. 
Indessen  war  die  geistige  Fähigkeit  der  Nation  so  tief  gesunken 
dass  ein  Fronto  jetzt  das  grosse  Wort  führte  und  nur  auf  den 
Gebieten  der  Jurisprudenz  und  der  Grammatik  sich  einiges  Leben 
zeigte.  Die  griechische  Literatur  aber  hat  in  dieser  Zeit  neben 
leeren  Schönrednern  und  dem  Periegeten  Pausanias  den  geist- 
reichen Schriftsteller  Lukianos  und   den  As^onomen  Ptolemäus. 

1.  T.  Aurelius  Fulvus  Boionius  Arrius  Antoninus,  geb.  den  19  Sept. 
86,  Cos.  120,  Procos.  in  Asien  wahrsch.  128,  nach  dem  Tode  des  Vems 
(A.  3)  von  Hadrian  adoptiert  26  Febr.  138  als  T.  Aelius  Hadrianus  Anto- 
ninus, Kaiser  seit  10  Juli  138;  stirbt  7  März  161.  Consecrationsname  diyns 
Antoninus  Pius,  häufig  abgekürzt  d.  A.  oder  d.  P.  Vgl.  G.  R.  Sievers  in 
Pauly's  Real-Enc.  I,  1.  S.  1192—1197  und  in  seinen  Studien  zur  Gesch.  d. 
röm.  Kaiser  (Berlin  1870)  S.  171—224.  X.  Bossart  und  Jak.  Müller,  Zur  Ge- 
schichte des  K.  A.  P. ,  in  M.  Büdingers  Untersuch,  zur  röm.  Kaisergesch.  ü. 
(1868)  S.  289—321. 

2.  Capitolin.  Anton.  Pi.  2,  1:  fuit  .  .  eloquentiae  nitidae,  litteraturae 
praecipuae.  11,  3:  rhetoribus  et  philosophis  per  omnes  proyincias  et  hono- 
rcs  et  salaria  detnlit.  Vgl.  Modestin.  Dig.  XXVII,  1,  6  aus  einer  i^iatolf] 
'AvzoivCvov  tov  Kvaeßovg:  at  (ihv  iXättovg  TrdAetff  Svvavtai  nivzB  iatifovg 
dzsXstg  B%uv  %al  rgsCg  aotpKPtoig  aal  yQafifiati'KOvg  zovg  Caovg  (grössere  7 
Aerzte,  je  4  Lehrer^  die  grössten  10  Aerzte  und  je  6  (rjxoQsg  und  ypa^- 
yMzmol).  (§.  7.)  nsql  dh  zav  cptXocoqxüv  rj  avzri  Sueza^Lg  zov  Ulov  ovz<o 
Xeyei'  tpilocotpcov  Sh  ov\  izdx^  d^id^ftog  Std  z6  anaviovg  elvcu  zovg 
(piXoaoffovvzag.  Capitol.  Ant.  Pi.  11,  3:  orationee  plerique  alienas  dixenmt 
quae  Bub  eins  nomine  feruntur;  Marius  Maximus  eins  proprias  fuisse  dicit. 
Erwähnung  einer  oratio  des  A.  P.  und  des  Veras  (gratiaram  actio)  bei 
Fronto  ep.  ad  Caes.  V,  38  f.  Zwei  Briefe  des  A.  P.  an  Fronto  in  Naber's 
Ausgabe  von^  Front.  Epist.  p.  163  f.  167  f.  Die  von  A.  P.  ausgegangenen 
Rescripte  sind  zusammengestellt  bei  Hänel,  Corpus  legum  p.  101 — 114. 

3.  Die  zehn  Bücher  der  Uegn^yriaig  z^g  *EXXdSog  von  Pausanias  sind 
in  langen  Zwischenräumen  verfasst,  B.  I  u.  II  noch  unter  Hadrian,  abge- 
schlossen nicht  vor  J.  185.  Vgl.  Hans  Beichardt  in  Pauly's  Keal-Enc.  V. 
S.  1258—1264. 

4.  üeber  Lukianos  aus  Samosata  (geb.  ums  J.  120)  vgl.  L.  Preller  in 
Pauly's  Real-Enc.  IV.  S.  1165 — 1181.  Wissowa,  zur  innem  Geschichte  des 
zweiten  Jahrh.  n.  Chr.  aus  Lukian,  Breslau  1848.  1853.  4.  W.  A.  Passow, 
Lukian  und  die  Geschichte,  Meiningen  1854.  24  S.  4. 

5.  Ueber  den  Astronomen,  Mathematiker  und  Geographen  Claudius 
Ptolemaeus  in  Alexandria  vgl.  die  Literaturübersicht  von  Bahr  in  Pauiy's 
Real-Enc.  VI,  1.  S.  238—242,  Nr.  51,  sowie  E.  Schönfeld,  ebd.  1, 1.  S.  783—787. 


350  f.   Antoninus  Pias.    Fronto.  799 

351.  Die  hervorragendste  und  bezeichnendste  Gestalt  der333 
Zeit  ist  der  Rhetor  M.  Cornelius  Fronto  aus  Cirta  (etwa  90 — 
168  n.  Chr.),  schon  unter  Hadrian  hochangesehen  als  Redner, 
unter  Antoninus  Pius  Lehrer  des  M.  Aurelius  und  L.  Verus, 
Consul  143  n.  Chr.  Wir  besitzen  von  ihm  vorzugsweise  den 
grössten  Theil  seines  Briefwechsels  mit  M.  Aurelius  als  Thron- 
folger und  als  Kaiser.  Der  Rhetor  erscheint  darin  eitel,  süss*" 
lieh,  verschroben,  mit  wenig  Geist  und  viel  Geschmacklosigkeit, 
aber  kenntnissreich,  ein  eifriger  Verehrer  der  alten  römischen 
Literatur  und  eifrig  bemüht  für  ihre  Verbreitung,  dabei  ein 
ehrenwerther  CTiarakter,  rechtlich  und  freimütig,  seine  einfluss- 
reiche Stellung  nie  missbrauchend,  ein  treuer  Gatte  und  Freund 
und  ein  väterlicher  Berather  seiner  Schüler,  deren  Dankbarkeit 
in  den  nächsten  Zeiten  seinem  Namen  hellen  Glanz  verschafft  hat. 

1.  Geburtstag  des  Fronto  bald  nach  Neigahr;  s.  ep.  ad  Caes.  V,  32 
vgl.  30  f.  u.  p.  94  Naber.  Cirtensis  noster,  Minne.  Pel.  Oct.  9;  vgl.  Fronto 
p.  242:  Aißvg  z6v  Aißvtov,  auch  p.  122.  200  f.  Amtliche  Laufbahn  vor 
dem  Consnlat  in  der  Inschrift  bei  Renier,  Inscr.  de  TAlg.  2717:  M.  Cornelio 
T.  f.  Quir.  Frontoni  ülvir.  capital.,  Q.  provinc.  Sicil.,  Aedil.  pl.,  Praetori, 
municipes  Calamensinm  patrono.  Das  Patronat  von  Cirta  lehnt  er  ab  ep. 
p.  200  f.  Consul  143  ».  896  d.  St.  für  die  Monate  Juli  und  August;  s.  ep. 
ad  Caes.  II,  1.  7.  8.  10.  p.  32.  34.  243,  1.  254  g.  E.  Auson.  grat.  act. 
p.  290  f.  Bip.  Als  Proconsul  sollte  er  Asien  verwalten  (ad  Caes.  Y,  36.  ad 
Ant.  Pi.  8),  erhielt  aber  seiner  Gesundheit  wegen  Befreiung  Ton  diesem 
Posten  (p.  169).  Er  erlebte  noch  die  Regierung  der  divi  fratres  (J.  161—169) 
und  die  Caesar:grurde  des  Commodns  (Oct.  166;  vgl.  ep.  p.  161  f.:  maliui 
mihi  nummum  Antonini  aut  Commodi  aut  Pii),  nicht  mehr  aber,  wie  es 
scheint,  den  Tod  des  L.  Yerus  (Jan.  169). 

2.  Persönliche  Verhältnisse.  Fronto  p.  232:  quinque  amisi  liberos;  .  . 
quinqae  omnes  unumquemque  semper  unicum  amisi.  Zuletzt  blieb  ihm 
nur  eine  Tochter,  welche,  wie  ihre  Mutter,  Gratia  hiess  (Gr.  maior  und 
minor,  ad  Caes.  11,  13.  IV,  6.  p.  36.  70)  und  sich  mit  C.  Aufiditls  Yictorinus 
(s.  unten  361,  2)  vermählte.  Diese  hatte  zwei  Söhne,  von  denen  der  eine, 
Yictorinus  Fronto  (Fr.  p.  181  f.),  bei  dem  Qrossvater  Fr.  erzogen  wurde, 
der  andere  dreijährig  in  Germanien  starb.  Ygl.  Fjr.  p.  137;  in  paucissimiR 
mensibus  et  uxorem  carissimam  et  nepotem  trimulum  amisi;  p.  236:  uxo- 
rem  amisi,  nepotem  in  Germania  amisi,  .  .  Decimanum  (einen  Freund) 
nostrum  amisi  (nach  Anfang  von  J.  162;  vgl.  p.  94:  incolumitate  filiae, 
nepotum).  üeber  seine  eigene  Gesundheit  hat  Fronto  (bes.  ad  Caes.  Y) 
viel  zu  klagen.  Fast  keinen  Eörpertheil  gibt  es  der  dem  gichtbrüchigen 
Manne  (Gell,  n,  26,  1.  -XIX,  10,  1)  nicht  zu  schafiPen  machte;  er  klagt  über 
Schmerzen  biachii,  cubiti,  umeri,  genus,  tali,  cefvicum,  inguinis  und  in- 
guinum,  digitorum  in  sinistro  pede,  plantae,  manus  dexterae,  nervorum, 
articulorum,  membrorum  omnium,  oculorum,  internati,  über  cholera,  mor- 


800  Die  Kaiserzeit.    Zweites  Jahrhundert.    Antoniuns  Pius. 

aas  ventris  cum  proflavio,  fauces  miseras,  taseis,  schlechte  Nächte  u.  8.  w. 
Anwendung  der  Wassercur  z.  B.  p.  169:  victu  tenui  et  aqua  potanda  malam 
valetudinem  .  .  mitigare.  Besitz  der  Maecenatiani  horti  (p.  23).  Urenkel 
Leo,  Apoll.  Sid.  ep.  VIII,  3. 

3.  Persönlicher  Charakter.  Fronte  p.  236  f.  (nach  dem  Tode  seines 
Enkels):  mors  cum  aderit  .  .  quae  mihi  conscius  sum  protestabor:  nihil  in 
longo  yitae  meae  spatio  a  me  admissum  quod  dedecori  aut  probro  aut 
flagitio  foret;  nullum  in  aetote  agunda  avarum,  nullum  perfidum  facinus 
meum  eztitisse,  contraque  multa  liberaliter,  multa  amice,  multa  fideliter, 
multa  constanter,  saepe  etiam  cum  periculo  capitis  consulta.  cum  fratre 
optimo  concordissime  vixi.  .  .  honores  quos  ipse .  adeptus  sum  numquam 
improbis  rationibus  concupivi.  .  .  studia  doctrinae  rei  Amiliari  meae  prae- 
tuli  (vgl.  p.  135,  2:  nostrae  res  haud  copiosae;  doch  vgl.  Grell.  XIX,  10, 
1  ff.).  .  .  yerum  dixi  sedulo,  verum  audivi  libenter.  .  .  quod  cuique  potoi 
pro  copia  commodavi.  .  .  neque  jne  parum  gratus  quispiam  repertus 
segpüorem  effecit  ad  beneficia  quaecumque  possem  prompte  impertienda. 
Vgl.  M.  Aurel.  epist.  III,  17:  a  Marco  Comelio  meo,  oratore  maximo,  homine 
optimo.  Die  fast  zärtliche  Anhänglichkeit  seiner  Schüler  an  ihn,  auch  noch 
auf  dem  Throne,  ist  das  beste  Zeugniss  für  Fronto;  ebenso  seine  Briefe  ad 
amicos;  vgl.  p.  165:  numquam^  ita  animatus  fui,  Imp.  (Ant.  Fi.),  ut  coeptas 
in  rebus  prosperis  amicitias  si  quid  adversi  increpuisset  desererem.  In  dem 
liebenswürdigen  Briefe  über  seinen  Enkel  p.  181  f.  entwickelt  der  z&rÜiche 
Qrossvater  sogar  Humor. 

4.  Fronto  p.  244:  ^^eoy  xoxs  iihv  U^rpfoSotov  tov  aofpov,  rote  Se 
Jiovvaiov  (oben  346,  8)  xov  frjtOQog.  p.  73:  a  meo  magistro  et  parente 
Athenodoto  ad  imagines  quasdam  rerum  .  .  animo  comprehendendas  .  .  in- 
stitutus  sum.  p.  154:  mens  magister  Dionysius.  Vgl.  p.  169:  Alezandriam 
ad  familiäres  meos  scripsi.  Vielleicht  studierte  er  dort,  als  Cirtensis.  Die 
LXIX,  18  (J.  136):  KoQViqliog  ^QOvrcaVj  6  ta  ngata  zmv  tote  *Pm(Mcüov  iv 
SUttig  (psifoiisvos.  Auch  unter  Antoninus  Pius  gerichtlicher  Redner;  ad  Caes. 
V,  27  (ad  agendum  ad  forum  ibam).  34  (in  plurimis  causis  a  me  defensus). 
p.  169  (duas  amicorum  causas  .  .  tutatus  sum)  und  p.  252  (vom  J.  143):  nee 
tu  consilium  causarum  agendarum  dimiseris  aut  tecum   simul  omnia  ora 

«taceant.  Als  solche  Gerichtsreden  sind  bekannt  pro  Bithynis  (ad  amic.  I, 
14  f.  p.  183  f.),  pro  Ptolemaeensibus  (Charis.  p.  138,  11  K.),  in  Heroden 
Atticum  (ep.  p.  111  g.  E.  »«  138,  3  vgl.  p.  42  f.),  pro  Demonstrato  Petiliano 
(ep.  p.  111  =  187),  in  Pelopem  (Sidon.  epist.  VllI,  10:  M.  Fronto,  cum  re- 
liquis  orationibus  emineret,  in  P.  se  sibi  praetulit).  Dazu  politische,  wie 
ep.  p.  25:  divom  Hadrianum  .  .  laudavi  in  senatn  saepenumero  .  .  et  sunt 
orationes  istae  frequentes  in  omnium  manibus,  und  die  Dankrede  für  das 
Consulat  im  Senat  (p.  105  vgl.  p.  163.  239),  die  gratiarum  actio  in  senatu 
pro  Carthaginiensibus  (p.  260  f.)  u.  a. 

5.  Verhältniss  zu  M.  Aurelius  und  Verus.  Capitolin.  Antonin.  phil.  2, 
4  f.:  oratoribus  usus  est  graecis  Aninio  Macro,  Caninio  Celere,  et  Herode 
Attioo;  latino  Frontone 'Comelio  (vgl.  Dio  LXXI,  35).  sed  nudtum  ex  bis 
Frontoni  detulit,  cui  et  statuam  in  senatu  petit.  Eutrop.  VIII,  12:  latinas 
litteras   eum   Fronto,   orator  nobilissimus,   docuit.     Hieronym.  ad  a.  Abr. 


361.    Fronto.  801 

2180  =s  164  n.  Ohr.  (vgl.  dagegen  A.  1):  Fronto  orator  insignis  habetur, 
qni  M.  Antoninmn  Verum  latiniB  litteris  erudivit.  Orelli  1176  aus  Pisaurnm: 
M.  Comeli  Frontouis  oratoris,  consulis,  magidtri  imperatorum  Luci  et 
Antonini.  Ueberschwänglich  ist  in  den  Briefen  die  Bewunderung  unä 
Zärtlichkeit  des  M.  Aurel  gegen  seinen  Lehrer  (z.  B.  I,  2.  II,  2  f.  in, 
17  ff.),  sowie  die  Liebe  des  Letzteren  zu  seinem  Schüler  (z.  B.  p.  50:  quid 
est  mihi  osculo  tuo  snavius?  ille  mihi  Buavis  odor  etc.  74,  1  f.:  si  quando 
te  .  .  Video  in  somnis  numqbam  est  quin  amplectar  et  exosculer),  die  sich 
öfters  in  Schmeicheleien  ergiesst,  obwohl  er  ihm  gelegentlich  auch  die 
Wahrheit  sagt  (besonders  p.  74,  7  ff.  vgl.  p.  64  f.  66.  96  ff.).  Und  wie  der 
Schüler,  namentlich  seit  er  Kaiser  geworden,  sich  von  der  Rhetorik  ab  und 
der  Philosophie  zuwendet,  versucht  Fronto  alle  Tonarten,  von  der  Wehmut 
bis  zur  Bitterkeit,  um  ihn  von  dieser  vermeintlichen  Verirrung  zurückzu- 
bringen. Vgl.  p.  142.  144—146.  148.  153  f.  161.  So  p.  160:  tu  mihi  vifere 
.  .  laboris  taedio  defessus  eloquentiae  studium  reliquisse,  ad  philosophiam 
devertisse,  ubi  nullum  prooemium  cum  cura  excolendum,  nuUa  narratio 
breviter  et  dilucide  .  .  coUocanda,  nullae  quaestiones  partiendae,  nuUa  argu- 
menta quaerenda,  nihil  exaggerandum  etc.  Fast  komisch  wirkt  es  wie  er 
weiterhin  dieses  verlassene  Paradies  ihm  ausmalt.  Sehr  ernsthaft  aber  p.  155: 
fateor  .  .  unam  solam  posse  causam  incidere  qua  causa  claudat  aliquantum 
amor  erga  te  mens,  —  si  eloquentiam  neglegas.  Etwas  boshaft  schreibt  er 
ihm  p.  227:  Chrysippum  tuum,  quem  quotidie  ferunt  madescere  solitum; 
noch  stärker  an  seinen  Schwiegersohn:  non  sine  metu  fui  ne  quid  philo- 
Bophia  perversi  suaderet  (dem  M.  Aurel).  Der  Schüler  bekennt  als  Kaiser 
{etg  savt.  I,  11)  von  Fronto  gelernt  zu  haben  ro  iniat^aai  ola  ^  xvQawinri 
ßaatiavia  xal  noiTiiXia  xal  vnoHQiais  )cal  ort  mg  ininav  ot  naXaviisvoi  ovtol 
Tcaff  riiiiv  svnccTQLSat  aaxoqyoz^qoC  nong  ilal.  Vgl.  an  Fronto  III,  12  (p»  49): 
me  felicem  nuncupo  .  .  quod  verum  dicere  ex  te  disco. 

6.  Die  Lieblingsschriftsteller  des  Fronto,  deren  Studium  er  auch  seinen 
Schülern  dringend  empfahl,  waren  Plautus,  Ennius,  Gato,  Gracchus,  Lucre- 
tius,  LaberiuB,  Sallustius;  vgl.  p.  62.  ad  Caes.  II,  3  f.  13  f.  ÜI,  11.  18.  IV,  5 
u.  sonst.  Terenz  und  Vergil  werden  bei  ihm  nicht  erwähnt;  doch  finden 
sich  Anklänge  an  Vergil ,  Horaz  (Hertz ,  Renaissance  S.  47  f.  A;  76)  und  Ta- 
cituB  (ep.  p.  144  =s  Hiflt.  IV,  6).  Eine  entschiedene  Antipathie  hegt  er  gegen 
Seneca,  als  Philosophen  und  als  seinen  stilistischen  Gegenfilssler ;  s.  oben 
293,  1.  Ironisch  p.  224:  ut  homo  ego  multum^  facundus  et  Senecae  Annaei 
sectator.  Den  Cicero  rühmt  er  manchmal,  namentlich  wo  ihm  gegen  Ver- 
ächter der  Beredtsamkeit  dessen  Ansehen  willkommen  ist,  wie  p.  145  (tri- 
bunalia  Catonis  et  Gracchi  et  Ciceronis  orationibus  celebrata).  Vgl.  p.  125 
u.  184,  2  f.  (ut  aestimes  nostrum  mediocre  ingenium  quantum  ab  illo  eximiae 
eloquentiae  viro  abfuat).  Die  Briefe  Ciceros  zieht  er  dessen  Reden  vor;  s. 
oben  180,  1.  Auch  behauptet  er  (p.  63):  eins  scripta  omnia  studiosissime 
lectitavi.  Oefters  aber  hat  tullianus  bei  Fronto  eine  halb  geringschätzige 
Färbung;  vgl.  p.  23.  25.  76  (oratiunculae).  98  (sententiae).  Auseinander- 
setzung mit  der  Schreibweise  Cicero^s  p.  63  f.,  z.  B.:  mihi  videtur»a  quae- 
rcndis  scrupulosius  verbis  procul  afuisse,  vel  magnitudine  animi  v^  fnga 
laboris  vel  fiducia.   .  .  itaque  .  .  in  omnibus  eins  orationibus  pauoissima  ad- 

TxtTFMsz.,  Böm.  Literaturgeschichte.    2.  Aufl,  51 


802  Die  Eaiserzdit.   Zweites  Jahrhnnclert.  Antoninns  Pins. 

modom  reperias  insperata  atqne  inopinaia  verba,  qnae  nonnisi  com  studio 
atqne  cura  atqne  vigilia  atqne  mnlta  vetenim  carminnm  memoria  indagan- 
tur  (was  Fronto's  Stärke  nnd  Fehler  ist).  Doch  erkennt  er  dabei  an:  mnlto 
satins  est  volgaribus  et  nsitatis  quam  remotis  et  reqnisitis  uti,  si  parom 
,  significet  (p.  63  f.  vgl.  III,  1.  p.  40.  161  f.). 

7.  Erhaltene  Schriften.  Briefwechsel  mit  M.  Anrel  als  Thronfolger  (M. 
Caesar)  5  Bücher  und  als  Kaiser  (Antoninus  Augustus),  ursprünglich  wohl 
gleichfalls  5  Bücher  (ad  Marcum  invicem  lY,  Charis.  p.  197.  Vgl.  p.  223, 
8  f.  E. ;  ad  Antoninum  quinto,  ib.  p.  223,  27  f.),  wovon  aber  kaum  zwei  auf 
uns  gekommen  sind.  Femer  (p.  113 — 138  N.)  ad  Verum  Imp.  Aurelium 
Caesarem  zwei  Bücher,  worin  besonders  ausführlich  II,  1  der  ekstatische 
Preis  einer  epistula  des  Verus.  Dazu  Briefwechsel  mit  Antoninus  Pius  (p. 
163  —  171)  und  zwei  Bücher  ad  amicos  (p.  172 — 201),  auch  Briefe  in  grie- 
chischer Sprache  (p.  174.  239 — 251).  Gleichfalls  an  M.  Aurelius  gerichtet 
sind  die  Abhandlungen  de  eloqnentia,  deren  Werth  im  Vergleich  mit  der 
Philosophie  (p.  139  —  148),  und  de  orationibus  (p.  155 — 162),  sowie  die  Zu- 
schrift de  hello  parthico  (p.  217 — 222)  und  die  Principia  historiae  betitelte 
(p.  202—210  N.),  welche  die  militärische  Thätigkeit  des  Verus  (d.  h.  seines 
Unterfeldherm,  des  Avidius  Cassius)  im  Orient  panegyrisch  behandelt. 
Dem  M.  Aurel  als  Caesar  gewidmet  sind  die  facetiarum  et  voluptatis  causa 
(p.  212  vgl.  p.  228,  2)  geschriebenen  laudes  fumi  et  pulveris  und  laudes 
neglegentiae  (p.  211 — 216);  ihm  als  Kaiser  die  Briefe  de  feriis  alsiensibus 
(p.  223 — 231),  eine  heitere  Aufforderung  die  Ferien  zur  Erholung  zu  benützen; 
femer  des  Kaisers  Trostschreiben  an  Fronto  wegen  des  Tods  seines  Enkels 
und  Fronto's  Antwort  darauf  (p.  231—236).  Auch  der  i^atmos  (p.  255 — 
259),  ein  Gegenstück  zu  den  beiden  in  Piatons  Phaedrus,  ist  eingeleitet 
durch  Briefe  des  M.  Caesar  aus  Fronto*s  Consulatsjahr.  Einen  rhetorischen 
Zweck  hat  auch  die  Erzählung  von  Arion  (p.  237  f.).  Endlich  trägt  den 
Namen  des  Fr.  ein  geringhaltiges  grammatisches  Sohrifbchen,  de  differentiis 
vocabulorum  (bei  Gothofredus  p.  1327—1835,  Putsche  p.  2191— -2203;  auch 
in  Mai^s  und  Niebuhrs  Ausgg.  d.  Fr.),  welches  höchstens  durch  Benützung 
der  Schriften  des  Fr.  Anspruch  auf  jenen  Namen  haben  kann.  Anderes  s. 
unten  bei  Messius. 

8.  Üeber  die  Abfassungszeit  der  Briefe  vgl.  Nabers  Ausg.  p.  XX — XXX. 
Das  zweite  Buch  ad  Caes.  ist  aus  dem  Consulat  Fronto's;  das  erste  zeigt 
den  Caesar  als  22  jährig  (p.  23,  3),  das  vierte  als  25  Jahre  alt  (p.  75  g.  E.). 
Der  Inhalt  ist,  als  Correspondenz  zwischen  einem  Lehrer  der  Biietorik  und 
seinem  Schüler,  für  die  Zeitgeschichte  wenig  fruchtbar,  vielmehr  oft  klein- 
lich, einförmig  und  sich  wiederholend  (p.  111  »-  137  f.;  p.  135  »■  176,  1  f.; 
p.  149  B»  159),  aber  dabei  doch  lehrreich  und  in  seiner  Art  anziehend. 
Die  Mischung  von  Griechisch  und  Latein  geht  bis  ins  Maccaronische  (in 
hac  eUove  III,  8.  p.  47,  1).  Aber  zugleich  verfolgt  den  Fronto  auch  in 
die  Briefe  hinein  seine  Manier,  die  gewundene,  tändelnde  Sprache  mit 
eingesprengten  alterthümlichen  und  seltsamen  Worten  (z.  B.  fraglo),  und 
das  Schulmeistern  kann  er  nicht  lassen  weder  nachdem  sein  Zögling  den 
Thron  bestiegen  noch  in  eigenem  Schmerze  (de  nepote  amisso  p.  233,  7  ff. : 
fata  a  fando  appellata  aiunt:  hoccine  est  recte  fari?).   Noch  unmittelbarere 


361  f.   Fronto  u.  a.  Rhetoren.  803 

Proben  der  dlocntio  noyella  (p.  153),  der  ornatae  et  pompaticae  orationes 
(p.  66,  1)  mit  ilirem  mühseligen  (ad  Caea.  II,  1)  Anputz  sind  die  rhetori- 
schen Abhandlungen;  die  von  geechichtlichem  Inhalte  zugleich  Muster  der 
schlimmen  Art  von  Geschichtsbehandlung  welche  den  geschichtlichen  Stoff 
lediglich  als  Mittel  für  rhetorische  Zwecke  verwendet.  Sehr  unrichtig  ist 
daher  jedenfalls  das  Urteil  von  Eumenius  (paneg.  Constant.  14,  2):  Fronto 
romanae  eloquentiae  non  secundnm ,  sed  alterum  decus.  In  ähnlicher  Weise, 
voll  pedantischer  Gelehrsamkeit,  waren  auch  die  mündlichen  Erörterungen 
Fronto's  und  seiner  damaligen  Fachgenossen  gehalten,  nach  den  Proben 
bei  Gellius  U,  26.  XIII,  29.  XIX,  8.  10.  13.  Keine  der  Abhandlungen  weist 
über  das  J.  160  zurück. 

9.  Schriften  des  Fronto  (abgesehen  von  der  de  differentiis)  kennen  wir 
erst  durch  Ang.  Mai,  der  den  einen  Theil  zu  Mailand  in  der  Ambrosiana, 
den  andern  zu  Rom  in  der  Vaticana  in  einer  rescribierten  Handschrift  aus 
dem  Kloster  Bobbio  auffand  und  herausgab  (Mediolan.  1816  und  Rom  1823 
u.  1846).  Die  ursprüngliche  Schrift  ist  aus  saec.  VI,  die  Erhaltung  aber 
sehr  trümmerhafb.  Abdruck  der  Mailänder  Ausg.  Frankfurt  1816,  besser 
durch  Niebuhr  (mit  Beiträgen  von  Buttmann  und  Heindorf)  BeroHni  1816. 
Nach  einer  Nachvergleichung  von  du  Rieu  recensuit  S.  A.  Naber,  Lips. 
(Teubner)  1867.  XXXVI  u.  296  pp. 

10.  Beiträge  zur  Textkritik  von  L.  Schopen  (Bonn  1830. 1841.  4.),  H.  Alan 
(Dublin  1841),  J.  Mähly  (Philologus  XVII.  S.  176—178.  XIX.  S.  169  —  161), 
M.Haupt  (de  emendatione  librorum  Fr.,  Berlin  1867.  4.),  R.  Ellis  (Journal  of 
philology  I,  London  1868,  p.  16  ff.),  A.  Eussner  (Rhein.  Mus.  XXV.  p.  641 
— 547),  R.  Klussmann  (Eqiendat.  fronton.,  Götting.  1871.  30  pp.). 

11.  Frdr.  Roth,  Bemerkungen  über  die  Schriften  des  M.  Corn.  Fronto 
und  über  das  Zeitalter  der  Antonine,  Nürnberg  (1817.)  24  S.  4.  =»  Samm- 
lung etlicher  Vorträge  (Frankfurt  1861)  Nr.  3.  Niebuhr,  kleine  Schriften  II. 
S.  62  ff.  F.  A.  Eckstein  in  Ersch  und  Gruber  Enc.  I,  51.  S.  442  —  446. 
M.  Hertz,  Renaissance  u.  s.  w.  S.  26  —  29. 

A.  Philibert  Soup^/  de  Fr.  reliquiis,  Amiens  1853.  H.  E.  Dirksen, 
Beitrag  zur  Auslegung  einiger  Stellen  des  Fr.,  hinterlassene  Schriften  I. 
S.  243  — 253. 

12.  Firmic.  Mat.  math.  IL  praef.  (p.  16  ed.  1561):  Antiscia  Hipparchi 
secutus  est  Fronto,  quae  nullam  vim  habent  nullamque  substantiam.  et 
sunt  quidem  in  Frontone  pronuntiationis  atque  apotelesmatum  verae  sen- 
tentiae,  antisciorum  vero  inefficaz  studium;  quod  quidem  secutus  est  quia 
rationem  veram  non  fuerat  assecutus.  .  .  apotelesmata  et  Fronto  verissime 
scripsit,  quae  Graecorum  libris  ac  monumentis  abundantissime  continentur. 
Was  für  einen  Fronto  hier  Firm,  meint  ist  unbekannt;  vielleicht  den  Stoiker 
(oben  324,  3). 

362.    Mit  Fronto  befreundet  waren  die  Fachgenossen  Favo-334 
rinus,   Herodes  Atticus,   sowie  der  Geschichtschreiber  Appianos, 
welche  aber,  wie  auch  Arrianus,   sämmtlich  nur  in  griechischer 
Sprache   schrieben.    Als   Gerichtsredner  kennen   wir   L.   Fabius 
Severus  aus  Tergeste. 

61* 


804  Die  Eaiserzeii    Zweites  Jahrhundert   Antoninus  Pins. 

1.  G^ellios  II,  26,  1:  Favoriniu  philosophas  cam  ad  M.  Frontonem 
consülarem,  pedibns  aegmm,  visnin  iret  etc.  Fronto  p.  216  N.:  FaTorinus 
noster.    Vgl.  oben  346,  5. 

2.  Zwischen  den  beiden  Prinzenlehrem  und  Rhetoren  (s.  351,  6)  FroDto 
und  Herodes  Atticus  fehlte  es  zwar  nicht  an  Beibungen,  wie  es  scheint 
mehr  durch  Schuld  des  Letzteren  (vgl.  351,  4),  und  M.  Aurel  hatte  zwischen 
beiden  zu  vermitteln  (Fronto  p.  60  f.).  Doch  stellte  sich  schliesslich  für 
die  Dauer  ein  gutes  Einvernehmen  her.  Fronto  p.  111  u.  138:  fieri  ami- 
cissimum,  tarn  hercule  quam  est  Herodes  summus  nunc  mens,  quamquam 
extet  oratio  (gegen  ihn).  Vgl.  über  diesen  Ti.  Claudius  Atticus  Hät^odes 
aus  Marathon  (J.  101 — 177  n.  Chr.)  PhUostr.  vit.  soph.  II,  1  und  E.  Keil 
in  Pauly's  Beal-Enc.  I,  2.  S.  2096  —  2104.  G.  F.  Hertzberg,  Gesch.  Griechenl. 
IL  S.  374—409.   H.  K&mmel  in  Jahns  Jahrbb.  102,  S.  1—24.  Vgl.  unten  354,  6. 

3.  üeber  Appianus  aus  Alezandria  s.  A.  Westermann  in  Pauly's  Beal- 
Enc.  I,  2.  S.  1340 — 1345.  Schreiben  desselben  an  Fronto,  worin  er  ihm 
zwei  äxlaven  als  Geschenk  anbietet,  und  ablehnende  Antwort  des  Fronto 
p.  244—251  Naber. 

4.  Hieronym.  ad  a.  Abr.  2163  ».  147  n.  Chr.:  Arrianus  philosophus 
(und  Historiker)  Nicomedensis  agnoscitur  et  Maximus  Tyrius.  Arrianos 
war  J.  131  Statthalter  von  Eappadokien.  Vgl.  Westermann  in  PaAily's 
Real-Enc.  I,  2.  S.  1762 — 1767.  Gleichzeitig  ist  auch  der  Traumdeuter 
Artemidoros  6  JalSvavog  (Westermann  ebd.  S.  1790  f.  Nr.  2). 

5.  In  lateinischer  Sprache  ist  aus  dieser  Zeit  insohriftlich  erhalten 
die  Grabrede  auf  Murdia  L.  f.  mater  bei  Orelli  4S60;  vgl.  oben  79,  6. 

6.  Ueber  den  quaestor  urbanus  L.  Fabius  Severus,  Sohn  des  Fabius 
Veras  in  Tergeste  (Triest),  s.  das  Ehrendecret  bei  Orelli-Henzen  7168,  worin 
z.  B.:  ut  qui  a  prima  sua  statim  aetate  id  egerit  uti  .  .  et  dignitate  et 
eloquentia  cresceret.  nam  ita  multas  et  magnificas  causas  publicas  apud 
Optimum  principem  Antoninum  Aug.  Pium  adseruisse,  egisse,  vicisse  .  .  ut 
quamvis  admodum  adulescens  senilibus  tamen  et  perfectis  operibus  et 
factis  patriam  suam  obstrinxerit.  .  .  civilia  studia,  quae  in  eo  quamvis 
admodum  iuvene  iam  sint  peracta  adque  perfecta  etc.  .  .  causis  publicis 
patrocinando,  quas  .  .  sua  eximia  ac  prudentissima  oratione  semper  nobis 
cum  victoria  firmiores  remisit. 

335  353.  Die  Gelehrsamkeit  und  Grammatik  war  in  dieser  Zeit 
populär:  überall ^  auf  Markt  und  Strasse  und  in  öffentlichen  Ge- 
bäuden wie  in  Privatwohnungen^  bei  Mahlen  wie  bei  Kranken- 
besuchen; wurden  vor  einem  aufmerksamen  Hörerkreise  gelehrte 
Fragen  erörtert;  auch  in  schriftlichen  Anfragen  und  Antworten 
in  der  Weise  der  Juristen.  Der  angesehenste  Vertreter  dieser 
Richtung  ist  C.  Sulpicius  Apollinaris  aus  Karthago^  der  Leh- 
rer des  Gellius,  sowie  des  Pertinat,  Verfasser  von  quaestiones 
epistolicae    und   metrischen  Inhaltsangaben  zu  Plautus^    Terenz 


352  f.   Bhetoren  und  Grammatiker:  Sulpicius  Apollinaris.  805 

und  der  Aeneis.  Neben  ihm  ist  besonders  Arruntius  Celsus  zu 
nennen,  welcher  gleichfalls  sich  der  Erforschung  der  alten  Lite- 
ratur widmete. 

1.  Zur  Charakteristik.  Gellius  XX,  10,  2:  rem  doceo  grammaticam; 
.  .  si  quid  igitur  ex  Yergilio,  Plauto,  Eanio  quaerere  habes,  quaeras  licet*. 
XIX,  13,  1:  stabant  forte  una  in  vestibulo  palatii  fabulantes  Fronte  Cor- 
nelias et  Festus  Fostumias  (unten  360,  1)  et  Apollinaris  Sulpicius,  atque 
cgo  ibi  adsistens  cum  quibusdam  aliis  sermones  eorum  quos  de  litterarum 
disciplinis  habebant  curiosius  captabam.  XVIII,  4,  1:  in  Sandaliario  forte 
apud  librarioB  fuimus,  cum  ibi  in  multorum  hominum  coetu  Apollinaris 
Sulpicius  iactatorem  quempiam  Sallustianae  lectionis  inr^sit  inlusitque. 
XIII,  20,  1:  cum  in  domus  Tiberianae  bybliotheca  sederemus  .  .  prolatus 
forte  liber  est  etc.  tum  quaeri  coeptüm  est  etc.  XIX,  10,  1  ff. :  memini 
me  quondam  et  Celsinnm  lulium  Numidam  (vgl.  ib.  7,  2)  ad  Frontonem 
Comelium,  pedes  tunc  graviter  aegrum,  ire  et  visere.  .  .  offendimus  eum 
cubantem  .  .  circumundique  sedentibus  multis  doctrina  aut  genere  aut 
fortuna  nobilibus  viris.  Aus  Anlass  eines  Eostenüberschlags  ffir  ein  Bad 
entspinnt  sich  eine  Erörterung  über  den  Ausdruck  praeterpropter. 

2.  Gell.  17,  17,  11:  equidem  memini  Sulpicium  Apollinarem, 
yirum  praestanti  litterarum  scientia,  .  .  dicere.  XU,  13,  1 :  Sulpicium  Ap., 
doctum  hominem.  XIII,  18,  2  f.:  ad  S.  A.,  hominem  memoriae  nostrae 
doctissimum,  .  .  nam  id  tempus  ego  adulescens  Bomae  sectabar  eum  dis- 
cendi  gratiä.  ib.  20,  6:  Apollinaris,  ut  mos  eins  in  reprehendendo  fuit, 
placide  admodum  leniterque.  XYI,  5,  5:  Sulpicium  Ap.  memini  dicere, 
virum  eleganti  scientia  ohiatum.  XVIII,  4,  1:  A.  S.,  vir  in  memoria  nostra 
praeter  alios  ctoctus.  üeber  des  Gellius  Verhältniss  zu  ihm  s.  d.;  f  um  J.  160, 
da  Pertinax  (s.  d.)  sein  Nachfolger  wurde  (Capitolin.  Pert.  1,  4).  Gellius 
XV,  5,  3:  Sulpicius  Ap.  in  quadam  epistula  scriptum  reliquit.  Vgl.  ib.  XIII, 
18,  3.  In  diesen  quaestiones  epistolicae  war  namentlich  auch  Vergil  be- 
rücksichtigt (vgl.  Gell.  II,  16,  8  ff.),  von  dessen  Aeneis  vielleicht  er  selbst 
eine  Ausgabe  veranstaltete  und  für  diese  die  drei  Disticha  bei  Sueton.  p.  63 

,  Rffsch.  (de  qua  re  Sulpicii  Carthaginiensis  extant  .  .  versus)  verfasste,  sowie 
die  Inhaltsangaben  zu  den  12  Büchern  je  in  6  Hexametern  und  je  mit  dem 
Anfangsvers  des  betr.  Buches  beginnend,  in  Riese's  anthol.  lat.  663.  und 
da  er  auch  zu  den  terenzischen  Stücken  Inhaltsangaben  in  je  12  Senaren 
verfdsste  (sie  haben  im  Bemb.  je  die  Ueberschrift:  C.  Sulpici  Apollinaris 
periocha),  so  ist  sehr  wahrscheinlich  die  Vermutung  von  Bitschi  (Trin.  ed. 
I.  p.  CCCXVIII)  dass  die  zu  den  plautinischen  in  je  15  Senaren  (oben  98,  2) 
gleichfalls  von  ihm  herrühren.  Gräfenhan,  Ztschr.  f.  d.  Alt.  Wiss.  1847, 
S.  19  f.    Ribbeck,  prolegg.  in  Vergil.  p.  173  f. 

3.  Ammtius  Celsus  (Charis.  p.  213,  18.  222,  6  u.  30  E.),  ein  Gramma- 
tiker der  schon  von  Julius  Romanus  benützt  war  und  dessen  kurze  Er- 
läuterungen zu  einzelnen  Ausdrücken  bei  Plautus  und  Terenz  sowie  in 
Aen.  XI  bei  Charisius,  Donatus  (ad  Phorm.  I,  2,  32)  und  Priscian  öfters 
angeführt  werden  (meist  unter  dem  Namen  Celsus,  seltener  Arruntius). 
Förmliche  Commentare  zu  jenen  Dichtern  scheint  er  aber  nicht  verfaast 
zu  haben.    Ritschl  Parerga  p.  367—370.    Ribbeck  prolegg.  p.  26  f. 


806  Die  Kaiserzeit.   Zweites  Jahrhundert.   Antoninas  Pins. 

4.  Jul.  Capit.  y.  Antonin.  philos.  2,  3:  usus  .  .  grammaticis  .  .  latinls 
Trosio  Apro  et  Polione  et  Eutychio  Proculo  Siccensi. 

5.  Ein  gelehrter  Dilettant  war  Emcius  Claras,  qui  praef.  urbi  et  bis 
consul  fuit,  vir  morum  et  litterarum  veterum  stndiosissimus ,  Gell.  XIII, 
18,. 2  und  3  (vir  eruditus),  vgl.  VII,  6,  12.  Er  ist  wohl  der  Sex.  Erucius, 
Sohn  des  Redners  Erucius  Clarus  -unter  Trajan  (oben  336,  4),  welchem 
iuvenis  probissimus  der  jüngere  Plinius  die  Quaestur  und  das  Volks tribunat 
verschaffte  (Plin.  Epist.  II,  9)  und  welcher  J.  146  n.  Chr.  cos.  II  war,  praef. 
urbi  aber  nach  J.  138;  Steup,  de  Prob.  p.  74  —  77.  Vgl.  noch  Fronto  p. 
166  N.    Dio  LXVIII,  30. 

6.  Gellius  II,  3,  6:  venit  nobis  in  memoriam  Fidum  Optatum,  multi 
nominis  Romae  grammaticum,  ostendisse  mihi  librum  etc. 

7.  Capitol.  Pert.  12,  7:  adhibebat  (cenis)  .  .  Valerianum,  qui  cum 
eo  docuerat,  ut  fabulas  litteratas  haberet. 

.  8.  Aus  dieser  Zeit  ist  (nach  Mommsen  und  Bücheier)  der  Aurunker 
Fusius'Philocalus,  magister  ludi  litterari,  summa  quem  castitate  in  disci- 
pulos  suos,  idemque  testamenta  scripsit  cum  fide,  nach  seiner  Inschrift  im 
Hermes  I.  p.  148  *»  Bücheier,  Greifswalder  Sonunerkat.  1870,  p.  19  f.  Da- 
gegen H.  Nissen:  den  Philoc.  über  die  erste  Eaiserzeit  hinaus  zu  rücken 
verbietet  die  Paläographie  der  Inschrift  und  die  Technik  des  Denkmals. 

9.  Ungenannte  Grammatiker  und  Gelehrte  der  Zeit  bei  Gellius  z.  B. 
XIX,  10,  7  (grammaticum  haud  incelebri  nomine  Romae  docentem).  13,  4 
(grammatico  cuipiam  latino,  Frontonis  familiär!) .  V,  4,  2  (grammaticus 
quispiam  de  nobilioribus).  XIV,  6,  1  (duos  grammaticos  non  paryi  in  urbe 
Roma  nominis).  Vgl.  I,  7,  4  (amicus  noster,  homo  lectione  multa  exer- 
citus,  cui  pleraque  omnia  veterum  litterarum  quaesita  .  .  erant).  V,  21 
(vir  adprime  doctus,  mens  amicus).  X,  1,  1 — 8.  XFV,  6,  1.  XX,  10,  2  (ro- 
gavi  Romae  grammaticum,  celebri  hominem  fama  et  multo  nomine). 

336  354.  Die  Philosophie,  insbesondere  der  Stoicismus,  hatte 
zwar  nicht  so  zahlreiche  Bekenner  wie  die  Rhetorik,  doch  wuchs 
deren  Bedeutung  seitdem  der  junge  Thronfolger  dafür  eine  Leiden- 
schaft bekundete.  Originalität  besass  keiner  dieser  Philosophen, 
ehrenwerthen  Charakter  aber  Junius  Busticus.  Auch  das  Christen- 
thum  hatte  schon  jetzt,  wenigstens  im  Osten,  dogmatische  Ver- 
fechter. 

1.  Ueber  die  verhältnissmässige  Seltenheit  der  q>iXocoq>ovvrfg  s.  oben 
360,  2. 

2.  Capitol.  M.  Ant.  philos.  2,  6  ff.:  philosophiae  operam  vehementer  dedit, 
et  quidem  adhuc  puer.  .  .  usus  est  etiam  Commodi  magistro,  .  .  Apollonio 
Chalcedonio  stoico  philosopho  (vgl.  ad  Front.  V,  36:  ApoUonius  magister 
mens  philosophiae).  3,  2  f.:  audivit  et  Sextum  Ghaeronensem  Plutarchi 
nepotem  (vgl.  oben  848,  1.  Dio  LXXI,  1.  Philostr.  vit.  soph.  II,  1,  9), 
lunium  Rusticum,  Claudium  Maximum  (s.  A.  4)  et  Cinnam  Catulum,  stoicos. 


353  f.   Grammatiker  und  Philosophen.  807 

peripateticae  vero  Btudiosum  audivit  Claudium  Severum.  Dio  LXXI,  35: 
StSaayuüXovg  slx8  tmv  i%  (piXoaotplctg  loymv  xov  xs  ^Povaxinov  xov  'lovviov  xcct 
'Jnollca'veov  xov  Nt%ofir}Siay  xovg  Zr^voiveiovg  Xoyovg  (leXsxmvxag.  Hieronym. 
ad  a.  Abr.  2165  »:  149  n.  Chr.:  Apollonios  stoicus  natione  Chalcidicus  et 
Basilides  Scythopolitanus  philosophi  inlustrea  habentur,  qui  Yerissimi  quoque 
Gaesaris  praeceptores  faemnt.  M.  Anrelius  selbst  nennt  (eCg  iavx.  l,  6  ff.) 
als  Solche  die  auf  seine  philosophische  Bichtnng  Einfluss  hatten:  Jioyvrixog, 
'AnolXmfiog^  Si^xog,  'AXs^avSQog  6  nXax(ovi.%6g^  KdxavXog.  Fronte  p.  115, 
6  ff.:  quid  nostra  memoria  Euphrates,  Dio,  Timocrates,  Athenodotus?  quid 
herum  magister  Musonius? 

3.  Capitol.  1.  1.  (s.  A.  2):  luniutn  Rusticum  .  .  et  reveritus  est  et 
sectatus,  qui  domi  militiaeque  poUebat,  stoicae  disciplinae  peritissimum, 
cum  quo  omnia  communicavit  publica  privataque  .  consilia,  .  .  quem  et 
consulem  iterum  designayit  (II  J.  162  n.  Chr.),  cui  post  obitum  a  senatu 
statuas  postulayit.  Dig.  XLIX,  1,  1,  3  aus  einem  rescriptum  divorum  fra- 
trum:  .  .  ad  lunium  Rusticum  amicum  nostrum,  praef.  urbi.  M.  Aurel.  stg 
iavx.  I,  7:  naga  ^PovaxCnov  .  .  x6  {li}  inxQanijvai  slg.  tv^ov  aofpi^axLKOv  .  . 
xal  x6  dnoaxrjvac  (rjxoQi%^g  xal  7C0irixi%7Jg  xal  daxBioloyüxg  .  .  xal  x6 
dnQißcig  dvayiyv(6c%eiv  .  .  Hol  x6  Ivxvxsiv  xotg  'Eni^xrjxsCoig  vnoiivrJiiciaLv, 
&v  otHod'sv  fiixiSoütiBv,  Themist.  or.XIII.  XVII.  Orelli  1190  (L.  lunius  Rusticus 
philosophus  stoicus).  Vielleicht  aber  ist  er  der  Q.  lun.  Rust.,  Consul  (unter 
AntoninuB  Pius)  mit  Q.  Flavius  Tertullus  (Gruter  p.  131,  3).  Vgl.  oben  314,  6. 

4.  Der  Stoiker  Claudius  Maximus  (A.  2)  ist  wohl  der  Md^iiiog 
welchen  M.  Aurel  sCg  iavx.  I,  15  {naqdyilriaig  Ma^ifiov  x6  Tt^axstv  savxov) 
als  für  seine  Bildung  einflussreich  und  VIU,  25  als  längst  (vor  seiner  Gattin 
Secunda)  gestorben  erwähnt.  Er  ist  daher  wohl  auch  der  Claudius  Maximus 
vor  welchem,  als  Proconsul  in  Africa  (um  150),  Apulejus  der  Zauberei 
angeklagt  war.  Vgl.  dessen  apol.  19  (virum  tam  austerae  sectae  tamque 
diutinae  militiae).  25  (vir  severus).  36  (pro  tua  eruditione  legisti  profecto 
Aristotelis  .  .  multüuga  volumina  etc.).  48  (doctrinae  tuae  congruens;  vgl. 
ib.  91).  64  (seit  me  vera  dicere  Maximus,  qui  .  .  legit  in  Phaedro 
diligenter  etc.). 

5.  Gellius  Xin,  8,  4 :  Macedo  philosophus ,  vir  bonus,  familiaris  meu», 
.  .  censebat.    Ueber  lulius  Aquilinus  s.  unten  361,  9. 

6.  Hieronym.  ad  a.  Abr.  2192  =  176  n.  Chr.:  Atticus  platonicae  sectae 
philosophus  agnoscitur  (vielmehr  sein  Todesjahr,  s.  oben  352,  2). 

7.  M.  Aurel.  Vni,  25:  Sgiiisig  fthv  Xdga^  aal  Jrjfirix^iog  6  TlXaxio- 
vmog  xal  8^  xig  xoiovxog,  ndvxa  iq>rj(isifa,  xs&vrjitoxa  ndXai. 

8.  Hieronym.  ad  a.  Abr.  2157  ^^  141  n.  Chr.:  lustinus  philosophus 
librum  pro  nostra  reügione  scriptum  Antonino  tradidit.  2170  sa  154  n.  Chr. : 
Crescens  cynicus  agnoscitur,  qui  lustino  nostri  dog^atis  philosopho  .  . 
persecutionem  suscitavit. 

9.  Der  Freund  des  Lukian  und  Epikureer  KiXaog^  welcher  gegen  die 
Magie  geschrieben  hatte  und  welchem  Lukian  seinen  'AXi^avS^og  widmete 
(c.  1.  21.  61),  wird  von  den  Scholien  zu  Alex.  1  mit  dem  kenntnissreichen 
und  scharfsinnigen  Gegner  des   Christenthums  identificiert  gegen  welchen 


#• 


808  P'ie  Kaiserzeit.   Zweites  Jahrhundert.   Antoninus  Piua. 

Origencs  seine  ncht  Bücher  contra  Celsnm  schrieh  und  über  welchen  b.  F. 
C.  Baur,  Eirchengcschichte  der  drei  ersten  Jahrh.  '  S.  882—409. 

337  355.  Für  den  Betrieb  der  Geschichte  war  wenig  günstig 
die  Herrschaft  der  rhetorischen  Phrase  und  die  Windstille  der 
Zeit.  Vielleicht  verfasste  damals  L.  Ampelius  seinen  liber  memo- 
rialis;  ein  magerer  Abriss  des  Wissenswürdigsten  aus  der  Astro- 
nomie, Geographie  und  besonders  Geschichte.  Auch  der  Abriss 
der  romischen  Geschichte  aus  der  Zeit  der  Republik,  mit  grosser 
Vorliebe  für  Märchen  und  Wunder,  welcher  den  Namen  des 
Granius  Licinianus  trägt,  ist,  mindestens  in  der  Gestall  welche 
die  auf  uns  gekommenen  Ueberreste  darbieten,  in  diese  Zeit 
zu  setzen. 

1.  Der  liber  memorialis  (50  Capitel)  ist  einem  Macrinus  gewidmet 
(Macrino  suo),  der  nicht  näher  bezeichnet  wird.  Wäre  es  derjenige  welcher 
vom  April  217  bis  Juni  lS18  Kaiser  war  und  am  8  Juni  218  n.  Chr.  54 
(oder  52)  J.  alt  erschlagen  wurde,  so  wäre  die  Abfassung  des  Schriflchens 
ans  Ende  des  Jahrh.  zu  rücken.  Doch  ist  der  Name  Macrinus  häufig  genug. 
Andererseits  ist  der  späteste  in  dem  Schriftchen  erwähnte  Name  der  des 
Trajanus  (47,  7:  fortuna  Traiani  principis;  vgl.  23:  Caesar  Dacicus), 
bei  den  Partherkämpfen  (c.  31)  von  denen  des  L.  Verus  nicht  die  Rede. 
Wohl  aber  ist  neben  Nepos  und  der  Quelle  des  liber  de  viris  illustribus 
(und  für  die  ersten  Capp.  Nigidius  Figulus)  besonders  Florus  benützt.  Selt- 
sam spricht  sich  das  Schriftchen  über  die  rOmische  Verfassung  aus.  c.  29 
u.  18  extr.:  ex  eo  (August)  perpetua  Caesarum  dictatura  dominatur.  c.  30 
wird  sie,  wohl  durch  Ausschreiben  einer  republikanischen  Quelle,  für  eine 
gemischte  erklärt:  nam  et  regiam  potestatem  consules  habent  et  penes  se- 
natum consilii  publici  summa  est  et  plobs  habet  suffragiorum  potestatem. 
Auch  die  ausgedehnte  Berücksichtigung  des  Orient  spricht  für  nichtitalischen 
Ursprung  des  Verfassers.  In  späteren  Jahrhunderten  (bes.  im  cod.  Theo- 
dos.) ist  der  Name  Ampelius  häufiger.  % 

2.  Erste  Ausgabe  des  Ampelius  von  Claudius  Salmasius,  Lugd.  Bat. 
1638  (hinter  Florus)  nach  einem  jetzt  verschollenen  codex  lureti;  dann  in 
den  Ausgaben  des  Florus  von  Düker  u.  A.  Selbständig  von  C.  H.  Tzschucke 
(cum  notis,  Lips.  1793),  F.  A.  Beck  (mit  Comm.,  Leipzig  1826) ;  von  E.  WölflF- 

• 

lin  (Lips.   Teubner    1854)   hinter   Halms    Florus,    nach    des   Salmasius  Ab- 
schrift jenes  codex. 

3.  C.  E.  Gläser,  üb.  das  Zeitalter  d.  Amp.,  Rhein.  Mus.  II  (1843) 
S.  145  f.  E.  Wölfflin,  de  L.  Amp.  libro  mem.  quaestiones  criticae  et  histo- 
ricae,  Gotting.  1854.  50  pp.  F.  Bücheier,  Rhein.  Mns.  XIII.  S.  179  if. 
n.  Jacob,  quaestiones  Amp.,  Clevo  1860.  4.  (p.  18 — 25).  Beiträge  zur  Text- 
kritik von  L.  Urlichs  (Rhein.  Mus.  XVII.  S.  632  —  637),  M.  Zink  (Eos  U. 
S.  317—328),  A.  Eussner  (Spec.  crit.,  Würzburg  1868,  p.  37—42). 

4.  Macrob.  I,  16,  30:  apud  Granium  Licinianum  libro  secundo. 
Serv.  Aen.  I,  737:  Granius  Licinianus  coenae  suae  (V?).  Solin.  polyh. 
11,  12  (p.  37,  12  M.):  Liciniano  placet.    Vgl.  oben  196,  15. 


355.   Gescliiclite:  Ampeüns.   Granius  Licinianus.  809 

5.  J.  1863—1855  fand  P.  de  Lagarde  (Bötticher;  vgl.  Philologuß  IX. 
S.  394  f.)  und  dann  G.  H.  Pertz  zu  London  im  British  Museum  den  Licinia- 
nus in  einem  aus  Aegypten  stammenden  codex  ter  scriptus  (zu  oberst  eine 
syrische  Uebersetzung  von  Chrysostomus^  Homilien,  darunter  ein  lat.  .Gram- 
matiker, zu  Unterst  Licinianus),  aus  13  Pergamentblättem,  welcher  1856  von 
dem  Sohne  C.  A.  F.  Pertz  näher  untersucht  und  daraus  Berol.  1857.  4. 
herausgegeben  wurde:  Gai  Grani  Liciniani  annalium  quae  supersunt  etc. 
Doch  beruht  der  Vorname  auf  völlig  unsicherer  Lesung.  Die  Ueberreste  sind 
aus  B.  XXVI,  XXVni  und  XXXVI  und  beziehen  sich  auf  Ereignisse  der  J.  591 
und  676  d.  St.  Die  Anlage  ist  annalistisch.  Wahr-  und  Wunderzeichen, ' 
Anekdoten  und  Curiositäten  sind  mit  Umständlichkeit  behandelt,  auch  wird 
ausführlich  gegen  Sallusts  Weise  polemisiert  (s.  oben  204,  3).  Die  Er- 
zählung scheint  sich  (etwa  in  40  Büchern)  über  Caesars  Tod  nicht  hinaus- 
erstreckt zu  haben;  doch  wird  das  von  Hadrian  vollendete  Olympieion  zu 
Athen  erwähnt  (p.  8  f.  Bonn.:  aedes  Olympii  lovis  Atheniensis  diu  im- 
perfecta permanserat).  Diese  Thatsache,  sowie  die  eingehende  Beschäftigung 
mit  Sallust  bei  ausdrücklicher  Unterscheidung  von  dessen  Zeit  (tempo^a 
reprehendit  sua),  und  die  Alterthümelei  (Ariobardianen,  Archelauo),  passt 
am  ehesten  für  das  Zeitalter  der  Antonine.  Weiter  herabzugehen  missräth 
die  Anführung  durch  Solinus  oder  dessen  Quelle^  die  chorographia  pliniana 
(oben  308,  7).  Vgl,  Mommsen,  Solin.  p.  XXVIII.  Die  Bonner  Herausgeber 
dagegen  (Bücheier  u.  A.)  nehmen  wegen  jener  alterthümlichen  Formen  Ab- 
fassung dos  ursprünglichen  Werkes  unter  August  und  Epitomierung  in  der 
Zeit  der  Antonine  an,  Madvig  aber  Entstehung  im  3 — 4:  christl.  Jahrb.  Mit 
dem  augusteischen  Zeitalter  fällt  auch  die  Identification  des  Verfassers  mit 
Granius  Flaccus  (oben  196,  15). 

6.  Ausgaben  von  Pertz  (A.  5)  und:  Grani  Liciniani  quae  supersunt 
emendatiora  edidit  philologorum  Bonnensium  heptas,^  Lips.  (Teubner)  1858. 
XXII  u.  64  pp. 

Beiträge  zur  Textkritik  von  C.  G.  Schmidt  (Philologus  XIII.  S.  224 
—226),  G.  Linker  (Fleckeisens  Jahrbb.  77,  S.  628  —  633),  K.  Keil  (ebd. 
S.  640—650),  J.  A.  Wynne  (Philologus  XV.  S.  357—362),  H.  Heerwagen 
(Nürnberg  1868.  4),  D.  Comparetti  (Rhein.  Mus.  XIH.  S.  457  ff.),  C.  M.  Fran- 
cken (in  Fleckeisens  Jahrbb.  Suppl.  III,  2.    S.  235  ff.). 

7.  Ueber  Lic.  s.  besonders  G.  Linker  in  Fleckeisens  Jahrbb.  LXXVII. 
S.  633 — 640  und  J.  N.  Madvig  in  den  Abhandl.  der  Eopenhagener  Gesell- 
schaft der  Wissenschaften,  December  1857. 

8.  Ueber  Fronto's  historische  Arbeiten  s.  oben  361,  7  u.  8. 

356.  Die  Juristen  Roms  theilten  sich  in  dieser  Zeit  in338 
Praktiker,  welche  mit  oder  ohne  öfiFentlichen  Charakter  Bescheide 
über  Rechtsfragen  ertheilten  und  Processe  führten,  und  in  eigent- 
liche Rechtslehrer.  Die  Ersteren  sind  meist  Schüler  des  Julianus. 
So  Vindius  und  der  durch  die  Schwierigkeit  seiner  Erörterungen 
bekannte  Sex.  lulius  Africanus,  ferner  Terentius  Clemens,  lunius 
Mauricianus   und  Satuminus.     Der  Lehrer   des  M.  Aurelius   im 


810  I^ic  Eaiserzeit.   Zweites  Jahrhundert.   Antoninus  Pins. 

Rechte^  L.  Volusius  Maecianus,  verfasste  neben  jurisüsclien 
Schriften  auch  ein  auf  uns  gekommenes  Büchlein  über  die  Ein- 
theilungsweise  des  Geldes,  der  Gewichte  und  Masse.  Zu  den 
noch  in  den  späteren  Jahrhunderten  angesehensten  Juristen  ge- 
hört Ulpius  Marcellus  unter  Pius  und  M.  Aurel. 

1.  GelliuB  Xm,  13,  1:  cum  .  .  in  lucem  fori  prodissem  quaesitom  esse 
memini  in  plerisque  Romae  statiombus  ins  publice  docentium  (vgl.  fragm. 
Vat.  150:  neque  geometrae  neque  hi  qui  ins  civile  docent.     Dig.  XXVII, 

1,  6,  12.  L,  13,  1,  5:  iuris  civilis  professores)  aut  respondentinm  etc.  unter 
den  Letzteren  hatte  ein  Theil  amtlichen  Charakter;  vgl.  oben  8.  420.  Capi- 
tolin.  Antonin.  Pi.  12,  1:  mnlta  de  iure  sanxit  ususque  ex  iuris  peritis 
Vindio  Vero  (A.  2),  Fulvio  Valönte  (oben  346,  6),  Volusio  Maeciano  (A.  7), 
Ulpio  Marcello  (A.  8)  et  Diaboleno  (vgl.  oben  337,  3). 

2.  M.  Vi  »diu  8  Verus  (A.  1)  war  Cos.  138  n.Chr.  Fragment.  Vat.  77: 
Vindius  dum  consulit  lulianum  in  ea  opinione  est.    Maecian.  Dig.  XXXV, 

2,  32,  4:  Vindius  noster.  ,  Vgl.  ülpian.  ib.  II,  14,  7,  18  (Vindius  scribit). 
V,  1,  6  (Pomponius  et  V.  scripserunt).  Paul.  ib.  II,  9,  2,  1  (putat  V.  .  . 
idque  Inlianns  scribit  etc.    Pomponius  et  V.  scribunt). 

3.  Gellius  XX,  1,  1  ff.:  Sex.  Caecilius  in  disciplina  iuris  atque  in 
legibus  populi  rom.  noscendis  interpretandisque '  scientia  usus  auctoritate- 
que  inlustris  fuit.  ad  eum  forte  .  .  phüosophu»  Favorinus  (oben  346,  5) 
accessit  etc.  in  illis  binc  eorum  sermonibus  orta  mentiost  legum  decem- 
viralium.  .  .  eas  leges  cum  Sex.  Caecüius,  inquisitis  exploratisque  multarum 
urbium  legibus,  .  .  eleganti  .  .  brevitate  verborum  scriptas  dieent  etc. 
Verhältnis»  zu  Julian;  s.  Paul.  Dig.  XIX,  1,  45  pr.:  idque  et  lulianum  agi- 
tasse  AfricanuB  refert.  Ulp.  Dig.  XXV,  3,  3,  4:  lulianus  Sexto  Caecilio 
Africano  respondit.  XXX,  39  pr.:  A&icanus  1.  XX*  Epistolarum  apud 
lulianum  (in  einer  Schrift  des  J.  ?)  quaerit.  Afnc.  Dig.  Xu,  6,  38  pr. :  id 
maxime  consequens  esse  ei  sententiae  quam  lulianus  probaret.  Vgl.  ib.  XU, 
1,  23  und  Xin,  7,  31:  lulianus  ait.  Schriften  (ausser  den  Epistolae):  Quae- 
stionum  libri  IX,  Erörterungen  über  einzelne  Bechtss&tze  oder  BechtsfUle, 
häufig  in  Form  von  Frage  und  Antwort,  wohl  im  Anschlüsse  an  die  münd- 
lichen Vorträge  Julians  (Mommsen,  Ztschr.  f  Bechtsgesch.  IX.  S.  90 — 93), 
spätestens  zu  Anfang  der  Regierung  des  Pius  verfasst  (Fitting,  Alter  d. 
Schrr.  S.  15).  In  den  Digesten  finden  sich  daraus  131  Fragmente,  zu- 
sammengestellt bei  Hommel,  Palingenesia  p.  3 — 26.  Bei  den  Juristen  der 
letzten  Jahrhunderte  ist  Africani  lex  sprüchwörÜich  für  etwas  Schwieriges. 
Die  Stellen  wo  Caecilius  oder  Sextus  angeführt  wird  (wie  Gaj.  n,  218:  luliano 
et  Sexto  placuit)  beziehen  sich  wohl  gleichfalls  auf  ihn.  Mommsen,  Ztschr. 
f.  Bechtsgesch.  VII.  S.  479.  IX.  S.  92,  A.  29.  Im  Allg.  Cüjacius  Tractat. 
IX.  ad  Afr.,  Opp.  IL  p.  1253  ff.  F.  Kämmerer,  Observ.  iur.  civ.  (Rostock 
1827)  I.  p.  74  ff.    Zimmern,  Gesch.  d.  röm.  Privatr.  I,  1.  S.  360—362. 

4.  Terentius  Clemens,  Verfasser  von  zwanzig  Büchern  ad  legem 
luliam  et  Papiam,  woraus  in  den  Digesten  sich  35  Stellen  finden  (Hommel, 
Paliiigenfißia  II.  p.  499 — 502).  Dig.  XXVIII^  6,  6  nennt  er  den  lulianus 
noster  (hoc  ita  interpretari  I.  n.  videtur)   und  berücksichtigt  auch  sonst 


356.   Juristen:  Africanüs,  Maecianus  n.  A.  .    811 

öfter  deBsen  Digesta,   so  dasa  sein  Werk  in  der  letzten  Zeit  des  Pias  ver- 
fasst  scheint.    Fitting,  Alter  d.  Schrr.  S.  16. 

5.  Innius  Mauricianns  schrieb  unter  Pius  (Dig.  XXXI,  57:  divus 
Hadrianus  .  .  et  prozime  Imp.  Antoninus.  XXXm,  2,  23:  nuper  Imp. 
AntoninuB  .  .  rescripsit.  XLIX,  ^14,  15)  gleichfalls  Ad  legem  luliam  et 
Papiam  libri  VI,  sowie  mindestens  2  Bücher  De  poenis  (Dig.  IT,  13,  3). und 
Koten  zu  Julians  Digesten;  vgl.  Ulp.  Dig.  IT,  14,  7,  2:  puto  recte  lulianum 
a  Mauriciano  reprehensum  in  hoc  etc.  VIT,  1,  25,  1:  lulianus  quidem 
libro  XXXV°  Digestorum  scripsit;  .  .  Marcellus  vero  et  Mauricianus  etc. 
sed  luliani  sententia  humanior  est 

6.  Venuleius  Saturninus  schrieb  nach  dem  ind.  Flor.  10  Bficher 
Actionum,  6  Interdictorum,  4  de  officio  proconsulis,  3  publicorum  oder 
de  publicis  iudiciis,  19,  stipulationum.  Einen  verschiedenen  Charakter  hat 
der  liber  de  poenis  paganorum,  welcher  Tom  ind.  Florent.  dem  Yenul.  Sat., 
dagegen  Dig.  XLYIU,  19,  16  (unmittelbar  nach  einem  Fragment  aus  Yen. 
Sat.)  einem  Claudius  Sat.  zugeschrieben  wird,  an  welchen  zwei  Rescripte 
des  Pius  gerichtet  waren  (Marcian.  Dig.  XX,  3,  1,  2  und  L^  7,  4  pr.:  divus 
Pius  Claudio  Satumino  rescripsit)  und  welcher  unter  den  divi  fratres  die 
Prätur  bekleidete  (Dig.  XVII,  1,  6,  7).  Aber  auch  in  den  Fragmenten  aus 
Venul.  Sat.  (bei  Hommel,  Palingenesia  11.  p.  539 — 549)  weist  nichts  über 
die  Zeit  des  Pius  oder  der  divi  fratres  hinaus;  daher  Fitting,  d.  Alter  d. 
Schrr.  S.  17 — 19  einen  einzigen  Juristen  des  Namens  Claudius  Venuleius 
Saturninus  annimmt.  Nichts  beweist  hiegegen  Cod.  V,  65,  1  (Imp.  Anto- 
ninus A.  Satumino  J.  213)  oder  ib.  VII,  35,  1  (Imp.  Alexander  A.  Venuleio 
yeterano,  J.  224)  oder  gar  eine  ganz  späte  Interpolation  bei  Lamprid. 
Alex.  Sev.  68.  Indessen  die  Citate  aus  Demosthenes  und  der  Ilias  bei 
Claudius  Saturninus,  denen  bei  Venuleius  Sat.  nichts  Aehnliches  entspricht, 
gebieten  zwei  Juristen  mit  demselben  Cognomen  und  ungefähr  aus  der- 
selben Zeit,  aber  mit  verschiedenen  Gentilnamen,  zu  unterscheiden.  Wohl 
später  ist  Q.  Saturninus  in  den  Dig.  XII,  2,  13,  5  (Marcellus  scribit  etc.  cui 
Q.  Sat.  consentit)  und  XXXIV,  2,  19,  7  (Q.  Saturninus  libro  X°  Ad  edictum 
scribit). 

7.  Capitol.  M.  Ant.  philos.  3,  6:  studuit  et  iuri,  andiens  (ums  J.  146) 
L.  Volusium  Maecianum.  Vgl.  bei  Fronte  p;  61  N.,  auch  oben  A.  1. 
Er  war  befreundet  mit  Salv.  lulianus  (lulianus  noster,  Dig.  XXXV,  1,  86. 
2,  30,  7.  XXXVI,' 1,  65,  1)  und  mit  Vindius  (Vindius  noster,  ib.  XXXV, 
2,  32,  4).  Dig.  XXXVn,  14,  17  pr.:  divi  fratres  .  .  rescripserunt :  .  .  Volu- 
sianus  Maecianus,  amicus  noster,  ut  iuris  civilis  praeter  veterem  et  bene 
fundatam  peritiam  anxie  diligens  etc.  Volcat.  Gall.  Avid.  Cass.  7,  4: 
exercitus  .  .  Maecianum,  cui  erat  commissa  Alexandria,  .  .  invito  atque 
ignorante  Antonino  (M.  Aurel.)  interemit  (als  Mitverschworenen  des  Cas- 
sius,  J.  175).  Unter  Antoninus  Pius  verfasste  er  seine  16  Bücher  Quae- 
ßtiontmi  de  fideicommissis  oder  Fideicommissorum  (Dig.  XL,  5,  42:  Anto- 
ninus Aug.  Pius  noster  etc.)  und  wohl  auch  die  Schrift  Ex  lege  rhodia 
(ib.  XIV,  2,  9).  Ausserdem  libri  XIV  de  publicis  iudiciis.  Die  Ueberreste 
dieser  Schriften  bei  Hommel,  Palingenesia  I.  p.  353  —  360.  Erhalten  ist 
das  metrologische  Hülfsbuch  das  er  für  seinen  prinzlichen  Schüler  verfasste: 


812    '         Die  Eaiecrzeit.  -  Zweites  Jahrhundeii.    Anioninus  Piua. 

Distributio  .  .  partium  in  rebus  quae  constant  pondere,  numero,  mensnra. 
Vgl.  das  Vorwort:  Saepenumero,  Caesar,  animadverti  aegre  ferentem  te 
quod  assis  distributionem ,  et  in  heredum  institutione  et  in  aliis  mnltis 
necessariam,  ignotam  haberes.  quare,  ne  tarn  exigua  res  Ingenium  tuum 
ullo  modo  moraretur,  cum  partes  ipsas  tum  vocabula  et  notas  proponendas 
existimavi  Der  Schluss  ist  verloren.  Herausgegeben  von  J.  F.  Gronovius 
(de  sestertiis  etc.,  Lugd.  Bat.  1691)|  £.  3öcking  (Bonn  1831  und  im  Corpus 
iur.  antciust.  p.  183  ff.),  Mommsen  (Abhandl.  der  sitohs.  Ges.  d.  Wiss.  III. 
Leipzig  1853.  4.),  F.  Hnltsch  (Scriptores  metrolog.  rom.  p.  61 — 71),  Huschke 
(iurisprud.  anteiust. "  p.  330—340).  Vgl.  Th.  Mommsen  a.  a.  0.  S.  281—288. 
Hultsch  1.  l.  p.  17—22. 

8.  ülpius  Marcellus  (vgl.  A.  1)  war  auch  noch  im  Bathe  des  M. 
Aurelius;  vgl.  seinen  Bericht  über  eine  Verhandlung  proxime  in  cognitione 
principis,  wobei  Sententia  Imperatoris  Antonini  Aug.  Pudente  et  Pollione 
C08S.  (J.  166)  und  Sachwalter  der  einen  Partei  Cornelius  Priscianus  war, 
advocatus  fisci  aber  Calpuniius  Longinus,  Dig.  XXVIII,  4,  3  (wo  auch  der 
Grundsatz:  in  re  dubia  benigniorem  interpretationem  sequi  non  minus 
iustius  est  quam  tutius)  aus  (Ulp.)  Marcellus  libro  XXIX  Digostorum.  Die 
Identität  des  Juristen  mit  dem  L.  ülpius  Marcellus  welcher  leg.  Aug.  pr. 
pr.  Pannon.  infer.  (Gruter  p.  100,  4)  und  unter  Commodus  Statthalter  von 
Britannien  war  bezweifelt  (mit  Walch)  A.  Haakh  in  Pauly^s  Rcal-Enc. 
VI,  2.  S.  2718,  A.  2,  indem  er  Letzteren  für  den  Sohn  des  Juristen  erklärt 
Schriften  des  Juristen:  Digestorum  libri  XXX  (?  vereinzelt  und  zweifelhaft 
lib.  XXXI  in  Dig.  XLVI,  8,  73  und  lib.  XXXIX  in  Dig.  XLIX,  15,  2),  in 
den  justinianischen  128mal  excerpiert,  Notae  ad  luliani  Digesta,  Ad  legem 
luliam  et  Papiam  libri  VI,  Besponsorum  Über  singularis.  De  officio  con- 
sulis  (libro  quinto  angeführt  von  Marcian,  Dig.  XL,  15,  X,  4)  und  vielleicht 

Jiyrenn  nicht  von  Macer)  Publicorum  (iudiciorum)  libri  (libro  II,  Dig.  III, 
2,  22),  De  officio  praesidis  (Dig.  IV,  4,  43:  Marcellus  libro  I  de  off.  praes.). 
Zusammenstellung  bei  Hommel,  Palingenesia  I.  p.  363 — 396.  Ueber  Dig. 
XXIX,  2,  63  (libro  singulari  Regularum  Pomponii  Marcellus  notat)  vgl.  Asher, 
Ztschr.  f.  Rechtsgesch.  V.  S.  102  f.  Von  jenen  Schriften  sind  die  Digesta  er- 
weislich nach  dem  Tode  des  Pius  verfasst  (Dig.  IV,  1,  7:  Marcellus  libro  III 
Digestorum:  Divus  Antoninus  Marcio  Avito  praetori  .  .  rescripsit)  imd  (s. 
oben)  J.  166  oder  167  abgeschlossen,    die  Abfassungszeit  der  übrigen  aber 

-ist  nicht  bekannt  Fitting,  d.  Alter  d.  Schrr.  S.  23  f  Im  Allgemeinen 
M.  Tydeman,  de  L.  Ulpii  Marcelli  icti  vita  et  scriptis,  Utrecht  1762 
(=  Oelrichs  thesaur.  nov.  I,  1).  C.  F.  Walch,  Opusc.  (1785.  4.)  I,  2.  p.  313  ff. 
(de  aetate  Ülpii  Marcelli).    Zimmern,  Gesch.  d.  röm.  Privatr.  I,  1.  S.  357 — 359. 

339  357.  Ausschliesslich  als  Lehrer  und  Schriftsteller  wirkte 
in  Rom  der  aus  dem  Osten  des  romischen  Reiches  gebürtige 
Jurist  Gaius  (etwa  J.  110 — 180  n.  Chr.),  Verfasser  zahlreicher 
Schriften,  von  welchen  die  berühmtesten  waren  seine  sieben 
Bücher  Rerum  cotidianarum  (Aurei  genannt)  und  seine  vier 
Bücher  Institutionum,  Einführung  in  die  Rechtswissenschaft,  ein 
seitdem   vielvertretener  Literaturzweig,   verfasst  und  wohl  auch 


366  f.   Ulpius  Marcellus.   Gains.  813 

*  

herausgegeben  ums  J.  161  n.  Chr.  Diese  Institutiones  sind  uns 
grösstentheils  erhalten  und  machen  durch  die  anmutige  Leben- 
digkeit und  Ungezwungenheit  ihrer  Darstellung  und  ungleich- 
massige  Behandlung  des  Stoffes  wahrscheinlich  dass  sie  aus  münd- 
lichem Vortrage  entstanden  sind.  Um  seiner  klaren  Fasslichkeit 
willen  wurde  das  Werk  ein  beliebtes  Lehrbuch  und  hat  auch 
fiir  die  Listitutionen  des  Justinian  als  Grundlage  gedient. 

1.  Gaj.  Dig.  XXXIV,  6,  7  pr.:  nostra  quidem  aetate  Serapias  Alexan- 
drina mulier  ad  divom  Hadriannm  perducta  est.  Gajus  wird  also  schon 
unter  Hadrian  in  Rom  gewesen  sein.  Trotzdem  meint  Th.  Mommsen, 
Jahrb.  d.  gem.  deutschen  Recht«  III  (1859).  S.  4  — 13,  dass  G.  in  Asien 
(etwa  Troas)  gelebt  und  gelehrt  habe.  Er  schliesst  diess  daraus  dass  G. 
so  selten  und  spät  in  der  Literatur  berücksichtigt  werde  (s,  A.  2),  aus 
seiner  Bezeichnung  mit  dem  blossen  Vornamen,  seiner  Berücksichtigung 
des  Provinzialrechts  (vgl.  A.  3  f.),  des  ausserrömischen  Rechts  und  der 
altern  röm.  Rechtsquellen  neben  Uebersehen  von  Neuerem,  seiner  genauen 
EenntnisB  des  Griechischen,  und  Dig.  L,  15,^7:  Gaius  .  .:  iuris  italici  sunt 
Tffoaag,  BrJQvtog,  Jv(^qa%iov.  Aber  alles  diess  reicht  nicht  aus  um  die 
deutlichen  Anzeichen  von  Abfassung  der  Inst,  in  Rom  aufzuwägen;  s. 
Huschke,  iurisprud.  anteiust.*  p.  84 — 86  und  besonders  H.  Dernburg,  d. 
Inst  d.  Gaj.  S.  80—98.  Ein  Kosename  von  Seiten  der  Schüler  des  G.  war 
Gaius  wohl  nicht,  sondern  der  Gebrauch  des  Vornamens  war  eine  auch 
sonst  bei  Juristen  und  Kaisern  gebräuchliche  Abkürzung;  vgl.  Anm.  2  u.«4. 
Nicht  unmöglich  ist  auch  dass  G.  diesen  Namen  wirklich  aus  seiner 
hellenistischen  Heimat  nach  Rom  brachte.  Vielleicht  hatte  er  schon  vorher 
dort  gelehrt  und  sich  seine  Kenntniss  des  Provinzialrechts  u.  s.  w.  erworben; 
der  entscheidende  Theil  seiner  Wirksamkeit  als  Lehrer  und  Schriftsteller 
fällt  aber  sicher  nach  Rom. 

2.  Pompon.  Dig.  XLV,  3,  39  (non  sine  ratione  est  quod  Gaius  noster 
dixit)  bezieht  sich  auf  einen  Gestorbenen,  etwa  das  auch  sonst  Gaius  kurz* 
weg  genannte  Schulhaupt  G.  Cassius  Longinus;  s.  oben  293,  3;  vgl.  G.  M. 
Asher,  Zeitschr.  f.  Rechtsgesch.  V.  S.  83  f.  Die  Juristen  der  nächsten  Zeit 
nennen  den  G.  niemals,  was  darin  dass  G.  keine  responsa  ertheüte  seinen 
Grund  haben  kann  und  auch  Andern  widerfährt,  s.  Dernburg  S.  106  — 107. 
Früheste  sichere  Erwähnung  des  G.  in  dem  Gitiergesetz  von  J.  426.  Nächst- 
dem  Serv.  Georg.  III,  306  (quod  et  Gaius  homerico  confirmat  exemplo  «a 
Inst.  UI,  141),  Priscian.  VI.  p.  282  H.  (Gaius  in  I  Institutorum  »>  Inst.  I,  113). 
Die  Lex  romana  Visigothorum  (J.  606)  enthält  auch  einen  liber  Gaii  in 
zwei  Büchern,  eine  verkürzte  und  durch  Zusätze  ans  sonstigen  Quellen  ver- 
änderte Bearbeitung  von  Gajus'  Inst,  wohl  schon  aus  saec.  V;  s.  Dernburg 
S.  119 — 131.  Wenigstens  erhellt  aus  Justinians  Const.  Omnem  reip.  (Dig. 
prooem.)  1  dass  bis  dahin  im  ersten  juristischen  Studienjahr  ex  tanta  legpim 
multitudine  .  .  nihil  aliud  nisi  sex  tantummodo  libros  et  ipsos  confusos  .  . 
studiosi  accipiebant;  .  .  in  his  autem  sex  libris  Gai  nostri  Institutiones  et 
libri  singulares  quatuor  (jene  bildeten  also  damals  nur  2  Bücher  <»  liber 
Gai)  .  .  connumerabantur.     Das  hier  (und  Inst,  prooem.  6.  IV,  18,  6)  )^e- 


814  Die  Eaiserzeit.   Zweites  Jahrhundert.   Antoninns  Pius. 

brauchte  Gaius   noster  beweist  Alles  eher  als  Landsmannschaft  zwischen 
G.  und  Justinian. 

3.  Gaius  Inst.  I,  188:  nos  diligentius  hunc  tractatum  executi  snmus 
et  in  Edicti  interpretatione  et  in  his  libris  quos  Ex  Q.  Mncio  fecimus. 
in,  33:  de  quibus  (die  bonorum  possessiones)  in  his  commentariis  consulto 
non  agimus  quia  alias  hoc  ius  totum  propriis  commentariis  explicavimus. 
54:  aJioqui  diligentior  interpretatio  (der  iura  patronorum  et  libertorum) 
propriis  commentariis  exposita  est.  Sonach  sind  sicher  vor  den  Inst,  ver- 
fasst  die  Bücher  Ex  Q.  Mucio  und  der  Edictcommentar.  Nur  steht  nicht 
fest  ob  unter  letzterem  blos  der  ad  edictum  praetoris  urbani  gemeint  ist 
oder  zugleich  auch  die  libri  XXX  (mit  den  aedil.  cur.  XXXII)  ad  edictum 
provinciale  (einer  bestimmten  Provinz?  vgL  Mommsen,  Ztechr.  f.  d.  Rechts- 
gesch.  IX.  S.  96 — 97  A.).  Doch  ist  Letzteres  wahrscheinlich,  da  in  den 
Ueberresten  des  Werkes  (vgL  Hommel,  Paling.  I.  p.  66  —  100)'  nichts  über 
Pius  hinauBweist  und  zwar  divus  Hadrianus,  Imp.  rAntoninus,  princeps 
Antoninns  darin  genannt  wird,  niemals  aber  divus  Antoninus  oder  divus 
Pius  oder  gar  Yerua.  Fitting,  Alter  der  Schrr.  S.  19  f.  Auch  der  Commen- 
tar  ad  ed.  praet.  urb.  (oder  k«rz  edictum  urbicum)  war  ein  umfangreiches 
Werk;  vgl.  Dig.  XXX,  73  und  L,  17,  56:  Gaius  libro  III  de  legatis  ad  ed. 
praet.  (oder  urbicum).  L,  17,  55:  Gaius  libro  II  de  testamenüs  ad  ed.  ur- 
bicum. Ausserdem  zwei  Bücher  ad  edictum  aedilium  curulium  (Dig.  XXI, 
1,  32.  2,  67). 

4.  Von  den  Institutionen  (oder  Instit^jba,  s.  A.  2)  ist  der  Titel  nicht 
eilialten.  Ihrem  Begriffe  gemäss  enthalten  sie  totius  doctrinae  substantiam 
(Lactant.  inst.  div.  V,  4,  3).  Plan  I,  8:  omne  ius  quo  utimur  vel  ad  per- 
sonas  pertinet  (B.  I)  vel  ad  res  (B.  II  Sachenrecht  und  testamentarisches 
Erbrecht;  B.  III  Intestaterbrecht  und  Obligationen)  vel  ad  actiones  (B.  IV). 
Die  Eintheilung  in  vier  commentarii  rührt  von  G.  selbst  her;  s.  z.  B.  II,  23 
(superiore  commentario  tradidimus  «»  I,  119).  III,  38  (sup.  comm.  trad. 
»  n,  119.  148  f.).  IV,  153  (secundo  comm.  rettulimus  »  II,  89  f.).  III,  181 
(sequenti  comm.  referemus  «»  IV,  103  f.).  Die  Bezeichnung  als  commentarii 
{tmoiivrinatu  im  Unterschiede  von  (JvyypcfftfMxra)  weist  den  Anspruch  auf 
buchmässige  Ausarbeitung  und  stilistische  Vollendung  ab  und  wird  z.  B. 
von  Collegienhefben  gebraucht;  s.  Demburg  S.  55 — 62.  So  zeigen  auch  die 
Inst,  des  G.,  bei  schärfster  Bestimmung  der  Begriffe  und  präciser  Abgren- 
zung der  Bechtssätze  (Demburg  S.  52 — 54),  eine  gewisse  Behaglichkeit  der 
Darstellung  in  Wiederholungen,  Variationen  und  Uebergängen  (Demburg  S. 
40 — 50).  Auch  Anakolnthien  sind  nicht  selten  (ebd.  S.  50  f.).  Die  Locker- 
heit der  consecntio  temporum  theilt  G.  z.  B.  mit  Sueton  (oben  342,  6). 
Im  (Ganzen  aber  ist  die  Sprache  des  'G.  rein  und  insbesondere  frei  von 
firontonischen  Archaismen.  Besonders  B.  IV  hat  über  den  Process  viele 
neue  Aufschlüsse  gebracht;  über  Staatsrechtliches  B.  I.  Vgl.  E.  Schrader, 
was  gewinnt  die  röm.  Bechtsgesch.  durch  des  G.  Inst.?  Heidelberg  1823  (» 
Heidelb.  Jährbb.  1823 ,  Nr.  60—64).  Eigen  ist  dem  G.  die  Verdeutlichung 
des  rOm.  Rechte  durch  Ausblicke  auf  das  Peregrinenrecht.  Gitiert  werden 
gewöhnlich  nur  ältere  Juristen;  von  Zeitgenossen  einzig  Julianus  (11,  218. 
280)  und  (II,  218)  Sextus  —  Pomponius;  Demburg  S.  102  f.  A.  6.    Abfas- 


367.    Gaius.  815 

sung  in  Born;  vgl.  IV,  109  und  Dernbnrg  S.  86  —  93.  Das  erste  Buch  ist 
am  Ende  der  Regierung  des  Pius  yerfasst,  welcher  als  optimus  imp.  Anto- 
ninus  (I,  102)  und  imp.  Antoninus  (I,  63.  74),  dagegen  schon  11,  196  als 
diyus  Pius  Antoninus  bezeichnet  wird  (daher  ib.  11,  120.  126.  161.  imp. 
Ant.  bereits  dem  Marcus  gelten  wird);  s.  Demberg  S.  67—74  vgl.  74 — 80. 
Mommsen,  Ztschr.  f.  Rechtsgesch.  IX.  S.  107  f.  A.  37. 

6.  üeberliefert  sind  uns  die  Inst,  des  G.  einzig  durch  ein  Palimpsest 
des  Domcapitels  zu  Verona  saec.  V  (darüber  geschrieben  sind  Werke  des 
Hieronymus;  nfir  äin  Blatt  ist  nicht  rescribiert),  aber  corrupt  und  auch  de- 
fect.  Erster  Entdecker  war  Niebuhr  (1816),  worauf  Göschen  in  Verbindung 
mit  Hollweg  die  Schrift;  entzi£Eerte  und  (Berol.  1820)  erstmals  herausgab. 
Revision  (durch  Bluhme)  Berol.  1824;  ed.  in  (rec.  Lachmaan)  Berol.  1842. 
Vergleichende '  Zusanmienstellung  der  Inst,  des  Gaj.  und  des  Justinian  von 
Elenze  und  Böcking,  Berl.  1829.  4.  Vgl.  die  Collatio  von  W.  van  Swinderen 
(Annal.  acad.  Groning.  1821)  und  F.  Potter  v.  Loon  (Groning.  1823). 

Ausgaben  des  G^jus  von  E.  Böcking  (Bonn  1841.  ed.  V.  Lips.  1866). 
Codicis  Veronensis  apographum  .  .  scripsit  .  .  et  publicavit  E.  Böcking, 
Lips.  1866.  Auch  in  R.  GneisVs  Institutionum  syntagma  (Lips.  1868)  und 
Ph.  E.  Huschke's  iurisprudentia  anteiustiniana  (ed.  IT.  Lips.  1867.  p.  101 — 324). 
Neue  Vergleichung  und  Herausgabe  angekündigt  durch  W.  Studemund. 

Beiträge  zur  Kritik  und  Exegese  von  E.  Gans  (Schollen  zum  G.,  Berlin 
1821),  H.  R.  Brinkmcuin  (notae  subit.}  Schleswig  1821),  0.  A.  D.  Ünterholzner 
(Coniect.  de  supplendis  lacunis,  Berl.  1823),  H.  E.  Dirksen  (Versuche  zur 
Kritik  u.  Ausl.  S.  104  ff.),  Puchta  (Verisimilia,  Lips.  1837.  4.),  Assen  (Adno- 
tatt.,  Lugd.  B.  1838),  Ph.  E.  Huschke  (bes.:  Gaius,  Beiträge  zur  Kritik  und 
zum  Verständniss  sr.  Inst.,  Leipzig  1866.  244  S.  und  Kritische  Bemerkungen 
zum  G.,  Ztschr.  f.  Rechtsgesch.  VU.  1868.  S.  161—192),  M.  S.  Mayer  (ad  IV, 
48;  Tubing.  1863),  K.  M.  Pöschmann  (Studien  zu  G.  I.  Leipzig  1864.  H.  1860. 
m.  1862),  P.  P.  Bremer  (zu  IV,  44;  Rhein.  Mus.  XV.  S.  484—488),  A.  F. 
Rudorff  (üb.  d.  lezikCen  Excerpte  aus  den  Inst.  d.  G.,  Berlin  1866.  Abhandl. 
d.  Berl.  Ak.),  A.  v.  d.  Höven  (tentamina  crii,  Ztschr.  f.  Rechtsgesch.  VII. 
p.267 — 269),  W.  Studemund  (über  den  antiquar.  Gewinn  aus  d.  neuen  Collation 
d.  G.,  Verhandl.  d.  Würzburger  Philologenvers.,  Leipzig  1869,  S,  121—131), 
P.  Krüger  (kritische  Versuche  im  Gebiete  des  röm.  Rechts,  Berlin  1870, 
S.  113—139). 

C.  F.  Elvers,  promptuarium  Gaianum,  Gotting.  1824. 

6.  Nach  dem  Tode  des  Pius  verfasst  sind  (wegen  divus  Antoninus) 
Pideicommissorum  libri  H  (Dig,  XXXH,  96.  XXXV,  1,  90.  XXXVI,  63,  6), 
sowie  (mindestens  die  letzten  der)  XV  libri  ad  legem  luHam  et  Papiam 
(Dig.  XXXI,  66)  und  der  liber  singularis  ad  SGtnm  Tertullianum  pig. 
XXXVIII,  17,  8)  unter  Marcus  und  Orphitianum  vom  J.  178  n.  Chr.  (Dig. 
XXX Vni,  17,  9).  Jedenfalls  nach  Julians  Digesten  verfasst  sind  De  ver- 
bomm  obligationibus  libri  HI  und  Ad  legem  XH  tabularum  libri  VI,  und 
wohl  auch  der  liber  singularis  de  formula  hypothecaria  (Dig.  XX,  1,  16  pr.), 
sowie  Rerum  cotidianarum  (s.  Aureorum)  libri  VII,  eine  Erörterung  der  im 
täglichen  Leben  Anwendung  findenden  Rechtssätze,  in  der  Ordnung  der  In- 
stitutionen und  von  Justinian  gleichfalls  für  die  seinigen  benützt;  s.  prooem. 


816  Die  Eaiserzeit.  Zweites  Jahrhandert.   Autoninas  PiuB. 

6:  qaas  ex  omnibns  antiqnoram  Institationibns  et  praecipne  ex  commentariis 
Gai  nostri  tarn  Institutionom  quam  Berum  cotidianamm  .  .  compositas  etc. 
Vgl.  Dig.  XLIV,  7,  5  (aas  Galus  libro  lU  Aureorum),  5  (Jaliano  placuit). 
Unbekannt  ist  die  Abfassungszeit  der  Schriften  Ad  legem  Gliciam^  liber 
(singularis  und  libri  III)  Begularum,  libri  III  de  manumissionibus,  der  Ubri 
singulares  dotalicion,  de  tacitis  fideicommissis  und  de  casibus.  Zusammen- 
stellung bei  Hommel^  Palingenesia  p.  56 — 126. 

7.  DasB  Gaitts  das  ins  respondendi  nicht  hatte  erhellt  mit  Wahrschein- 
lichkeit theils  aus  seinem  Schweigen  Inst.  I,  7,  theils  aus  'seiner  Nichter- 
wähnung b6i  den  Juristen  der  folgenden  Zeit,  auch  daraus  daes  er  weder 
Quaestiones  noch  Besponsa  verfasste.  Auch  als  Schriftsteller  strebte  er 
über  den  engen  Kreis  der  Fachm&nner  hinaus  und  erreichte  Popularität 
unbeschadet  der  Gründlichkeit  und  Schärfe. 

8.  Ueber  Gaius  vgl.  Zimmern,  Gesch.  d.  röm.  Privatr.  I,  1.  S.  341—350. 
liudorff,  röm.  Bechtsgesch.  I.  S.  173 — 176.  Huschke,  iurisprud.  anteiust' 
p.  82 — 100.  H.  Dernburg,  d.  Institutionen  des  G.  ein  CoUegienheft  aus  d. 
J.  161  n.  Chr.,  Halle  1869.   132  S. 

341  368.  Sehr  unerheblich  ist  was  wir  aus  der  Zeit  des  M.  An- 
toninus  von  Erzeugnissen  in  gebundener  Form  kennen^  falls  nicht 
etwa  das  Pervigilium  Veneris  dieser  Zeit  angehört^  ein 
strophisch  angelegtes  Gredicht  in  wohlklingenden  trochäischen 
Septenaren,  eine  Fruhlingsfeier  enthaltend  und  die  Venus  ver- 
herrlichend als  die  belebende  Macht  des  Alls.  Auch  von  dem 
scherzhaften  Epos  welches  den  Namen  Vespa  trägt  ist  wahr- 
.  scheinlich  dass  es  ungefähr  aus  dieser  Zeit  stammt. 

1.  lustinus  f^austinus,  M.  .  .  ,  Verfasser  eines  akrostichischen  Gedichts 
auf  Antoninus  Pius,  in  der  Anthol.  lat.  von  Meyer  I.  J  252,  Nr.  812. 

2.  Gellius  XIX,  8,  3:  quispiam  familiaris  eins  (des  Fronto),  bene  eru- 
ditus  homo  et  tum  poeta  inlustris. 

3.  Ueber  des  Sulpicius  Apollinaris  Verse  s.  oben  353,  2. 

4.  Ueber  Mesomedes  s.  oben  349,  5. 

5.  Das  Pervigilium  Veneris  ist  durch  den  codex  Sabnasianus  saec. 
VII  (A)  und  den  Pithoeanus  oder  Thuaneus  =»  Par.  8071,  saec.  IX  oder 
X  (B)  überliefert  und  trägt  in  jenem  die  Ueberschrift:  peruirgilium  Veneris 
trocaico  metro.  sunt  uero  versus  (d.  h.  Gedichte  in  dem  betr.  ^schnitte 
der  Sammlung,  A.  Riese  Anthol.  lat  I.  p.  XXI— XXIV)  XXU.  Es  besteht 
aus  93  Versen,  welche  durch  den  Refrain  cras  amet  qui  numquam  amavit, 
quique  amavit  cras  amet  in  Strophen  von  ungleichem^Üinfang  (mindestens 
4^  Versen)  getheilt  sindT^  Die  religiöse  Anschauungsweise  ist  universalistisch 
und  zeigt  zugleich  Einfluss  der  Philosophie.  Venus  ist  als  Genetrix  auf- 
gefasst,  deren  Gült  durch  Hadrian  aufgefrischt  worden  war,  und  ihre  Feier 
als  ein  Frühlings-  und  Blumen-Fest.  Als  LotaX  ist  Sicilien  gedacht  (v. 
49  ff.).    Die  Darstellung  ist  rhetorisch  belebt  und  streift  ofb  ans  Sentimen- 


358.   Pervigiliiiin  Veneria.  .  817 

tale.  Der  Verfasser  zeigt  griecliische  Bildung,  klingt  jedoch  einmal  (v.  86) 
an  Vergil  (Aen.  XI,  458)  an.  Melancholischer  Schluss:  illa  (die  Nachtigall) 
cantat,  nos  tacemus.  quando  ver  venit  mepun?  quando  fiam  uti  chelidon 
et  tacere  desinam?  was  im  Geiste  des  Gedichts  anf  Verjüngung  durch  die 
Liebe  deutet.  Africanische  Latinität  kann  in  dem  öfters  (v.  4,  6,  12,  24, 
34,  38,  45  f.,  61,  88  Bü.)  und  theilweise  frei  gebrauchten  de  nicht  gefunden 
werden.    Aehnlich  findet  sich  dasselbe  bei  Beposianus  (v.  30). 

6.  Die  Nachfrage  nach  dem  Verfasser  des  Perv.  muss  der  Natur  der 
Sache  nach  erfolglos  bleiben.  Am  meisten  Aehnlichkeit  hat  das  Gedicht 
mit  Versen  des  Annius  Florus  (oben  336,  7),  welcher  das  gleiche,  damals, 
wie  es  scheint,  wieder  in  die  Mode  gebrachte,  Versmass  angewandt  hat,  ' 
und  mit  seinem  Refrain  erinnert  es  an  die  Weise  des  Nemesianus.  Itaque,  in 
temeritatis  crimen  ne  incurrämus,  acquiescendum  in  hoc  erit  ut  medio  inter 
Florum  et  Nemesianum  tempore,  h.  e.  secundo  vel  tertio  p.  Ch.  n.  saeculo, 
conditum  Pervigilium  esse  statuamus  (Bücheier  p.  51).  Es  näher  dem  Zeit- 
alter der  Antonine  zuzurücken  könnte  die  vorherrschend  heitere  Stimmung 
des  Gedichts  und  sein  verhältnissmässig  reiner  Geschmack  geneigt  machen, 
wenn  dergleichen  nicht  trügte.  L.  Müller  setzt  es  vielmehr  ins  dritte  oder 
vierte  Jahrb.,  und  dafür  spricht  die  Geistesverwandtschaft  mit  Beposianus 
u.  Aehnlichem  (unten  393).  Aus  ähnlicher  Zeit  und  Richtung  der  durch 
Metriker  aufbewahrte  Vers  (Refrain?):  tolle  thyrsos,  aera  pulsa,  iam  Lyaeus 
advenit. 

7.  Ausgaben  des  Perv.  V.  von  J.  Lipsius  (Elect.  I,  5.  1580),  P.  Pithoeus 
(Errones  Venerii  1587),  J.  Dousa  (Coniect.  1588,  1692),  P.  Scriverius  (Baudü 
amores,  Hag.  1638),  J.  Clericus  (?  cum  comm.  varr.,  Hag.  1712),  Sanadon' 
(Paris.  1728),  Wernsdorf  (poetae  lat.  min.  IlC  p.  463—482,  mit  prooem. 
p,  425—462),  E.  C.  P.  Schulze  (comm,  ill.,  Gotting.  1812.  4.),  J.  C.  Orelli 
(in  seiner  Ausg.  des  Phädrus  p.  220—227  u.  230 — 233,  wozu  praef.  p.  215— 
219,  und  annot.  p.  228  f.  234—239),  in  den  Abhh.  von  Heidtmann,  Göbel, 
0.  Müller  (s.  A.  8)  und  sonst.  Pristino  nitori  restitutum  (von  P.  Linde- 
mann), Lips.  1862.  Adnotabat  et  emendabat  Fr.  Bücheier,  .Lips.  Teubner/ 
1859.  63  pp.  16.    In  AL  Rieses  Anthol.  lat.  I.  p.  144—148. 

8.  Abhandlungen  De  Pervigilio  Veneris  von  H.  Paldamus  (Greifswald 
1830.  4.),  G.  H.  Heidtmann  (Greifsw,  1842),  Th.  Bergk  (Halle  1859),  Ol. 
Jacobi  (Lund  1867.  4.),  0.  Müller,  de  Annio  Floro  (Berlin  1855)  p.  18  ff. 
F.  C.    Göbel,  de  ephymniorum  rationibus  (Gotting.   1858)  p.  56—61. 

9.  Beiträge  zur  Textkritik  von  J.  Frei  (Rhein.  Mus.  X.  S.  195—213), 
F.  Bücheier  (ebd.  XV.  p.  446  —  451),  L.  Müller  (Fleckeisens  Jahrbb.  83, 
S.  639—651),  J.  Mähly  (Philologus  XXHI.  S.  356—361),  K.  Schenkl  (Ztschr. 
f.  d,  Ostreich.  Gymn.  XVIII.  1867.  S.  233— 243),  Bährens  (Fleckeisens  Jahrbb. 
105,  S.  55  f.). 

10.  Unter  dem  Titel  Vespae  iudicium  coci  et  pistoris  iudice  Vulcano 
ist  ein  Epos  von  99  Hexametern  durch  den  codex  Salmasianus  überliefert, 
und  zwar  unmittelbar  vor  dem  Pervigilium  Veneris;  ausserdem  durch  den 
Parisinus  8071  (Thuaneus),  saec.  IX— X ;  gedruckt  zuletzt  bei  Riese,  Anthol. 
lat.  199  (I,  p.  140—143).  Der  Inhalt  ist  ein  Wettstreit  zwischen  Koch  und 
Bäcker,  von  denen  jeder  seine  Kunst  preist,  die  des  anderen  herabsetzt. 

Tkvpfkl,  Böm.  Literatnrgeschicbte.  2.  Aufl,  52 


818  ^e  Kaiserzeii.   Zweites  Jahrhnnd^ri.    M.  Aurelins. 

Der  Schiedsrichter,  Vulcanus,  urteilt  dasB  Beide  ihren  Werth  haben  and 
daher  das  Streiten  nnt^rlassen  sollten.  Es  ist  ein  komisches  Epos,  hat  aber 
die  Form  des  Wettkampfes  mit  dem  Idyll  gemein  nnd  schliesst  sich  zu- 
gleich an  die  rhetorischen  tnaivoi  und  ^oyoi  an.  Vgl.  oben  269,  1.  301,  7. 
Auf  Rom  als  Boden  deutet  z.  B.  die  crustula  am  ersten  Januar  (y.  46  vgl.  16). 
Der  Bau  der  Verse  ist  elegant,  Ton  und  Ausfdhrung  nicht  ohne  Anmut 
Auf  das  zweite  Jahrhundert  deutet  dass  der  Verfasser  von  sich  sagt:  ille 
ego  Vespa  precor  cui  divae  saepe  dedistis  per  multas  urbes  populo  spectante 
favorem  (y.  3  f.).  Er  ist  also  ein  reisender  Literat  (Rhetor),  der  im  r5> 
mischen  Reiche  umher  Productionen  seiner  Kunst  gibt,  wie  Apuleius  und 
yiele  Andere  in  der  Zeit  der  neueren  Sophistik.  Als  Rhetor  kennzeichnet 
ihn  der  Gegenstand  des  Gedichts  und  der  Schulgeruch  seiner  Witze;  ygl. 
44  f.  Satyros  —  saturos;  Panes  —  panes;  82  gallos  —  Gallos,  sowie  das 
Spiel  mit  der  Doppelbedeutung  yon  ius  y.  29.  60.  6?  Gelehrt  ist  die  spon- 
deische  Messung  yon  quasi  (y.  82  f.).  Auch  in  der  griechischen  Literatur 
(besonders  Mythologie)  zeigt  der  Verf.  Kenntnisse  und  spricht  seinen  Poly- 
theismus mit  einem  heiteren  Behagen  aus,  welches  yon  Störung  durch  das 
Christenthum  noch  nichts  weiss.  Dass  y.  6  zur  Empfehlung  des  Gedichtes 
angefClhrt  wird:  aliquid  quoque  iuris  habebit  scheint  auf  eine  Zeit  lu 
weisen  wo  die  Jurisprudenz  noch  in  Blüte  stand.  Vgl.  W.  Teuffei,  Studien 
n.  Charakt.  S.  458  f. 

b.   Die  Zeit  des  M.  Aurelius,  J.  161  —  180  n.  Chr. 

342  369.  Trotz  der  Trefflichkeit  des  Rögenten  war  die  Regie- 
rung des  M.  Aurelius  eine  Zeit  des  Schreckens  für  das  römische 
Reich,  durch  die  fortwährenden  Kriege  im  Osten  und  Norden, 
sowie  eine  furchtbare  Pest  und  Hungersnoth.  Unter  dem  Drucke 
solcher  Verhältnisse  konnte  sich  das  geistige  Leben  wenig  ent- 
falten, so  freien  Spielraum  ihm  der  Kaiser  liess,  welcher  für 
alles  Edle  empfängUch,  nur  gegen  sich  selbst  streng,  sonst  aber, 
im  Vergleich  zu  seiner  Aufgabe,  eher  allzu  weich  war.  Die 
Literatur  steht  noch  unter  dem  Einflüsse  der  Richtung  des  Fronte, 
innerhalb  deren  aber  Apulejus  viel  mehr  Originalität  beweist  als 
Gellius.  Die  Philosophie  ist  hochbegünstigt,  aber  der  Stoicismus 
zu  einer  allgemeinen  Lebensweisheit  abgeblasst  und  der  soge- 
nannte Piatonismus  mit  Mysticismus  und  Schönrednerei  reichlich 
getränkt.  Die  Grammatik  ist  innerhalb  der  griechischen  Literatur 
glänzend  vertreten  durch  ApoUonios  Dyskolos,  die  Medicin 
durch  Galenos.  Auch  der  Sophist  Aristeides  aus  Bithynien 
gehört  dieser  Zeit  an. 

1.  M.  Annius  Verus,  geb.  26  April  121,  auf  Hadrians  Wunsch  mit 
L.  Verus  von  Antoninus  Plus  adoptiert;  seit  dessen  Thronbesteigung  M. 
(Aelius)  Aurelius  Caesar.    Als  Kaiser  (seit  7  März   161)  M.  Aurelius  Anto- 


369.   üebersicht.   M.  Aureliufl.  819 

ninns  Aug.  (von  Fronto  vorher  Caesar,  jetzt  Antonine  oder  M.  Aui'eli  an- 
geredet). Sein  Mitregent  L.  Aurelins  Veras  Aug.  heisst  seit  seiner  Conse- 
cration  (f  Jan.  169)  divus  Veras,  in  den  RechtsbÜchern  auch  divus  Lucius. 
M.  Aurelius  selbst  heisst  nach  seinem  Tode  (17  März  180)  divus  M.  Anto- 
ninus  Pius,  bei  den  Juristen  divus  Marcus,  aus  der  Zeit  der  Doppelregierung 
divi  fratres. 

2.  Unterricht  des  Fronto,  s.  oben  351,  5.  G.  Boissier,  la  jeunesse  de 
Marc-Auräle  et  les  lettres  de  Fronton,  Bevue  des  deux  mondes  1  April  1868, 
p.  671 — 698.  Mit  seinem  angeborenen  Eifer  ezcerpiert  der  Caesar  die  ihm 
von  Fronto,  empfohlenen  Schriftsteller,  sammelt  Synonyma^  Sentenzen,  Vcr- 
gleichungen  und  sonstige  Eedefiguren,  macht  auch  selbst  Verse  (hezametri, 
Fronto  p.  24.  34  N.),  empfindet  aber  immer  stärker  die  Leerheit  dieses 
Thuns  und  lässt  sich  durch  Junius  Busticus  (oben  354,  2  f )  für  die  (stoische) 
Philosophie  gewinnen,  zum  grossen  Verdrusse  des  Fronto;  s.  oben  351,  5. 
Wendepunkt  ums  J.  146;  vgl.  ad  Front  IV,  13  (p.  75  N.):  Aristonis  libri 
me  hac  tempesjate  .  .  habent  male;  .  .  nimis  quam  saepe  erubescit  dis- 
cipulus  tuus  sibique  suscenset  quod  viginti  quinque  annos  natus  nihildum 
bonarum  opinionum  et  puriorum  rationum  animo  hauserim. 

3.  Erhalten  sind  von  M.  Aurel  ausser  den  Briefen  an  Fronto  (andere 
Briefe  z.  B.  bei  Capitol.  Clod.  Alb.  10,  6  flP.)  die  zwölf  Bücher  Selbst- 
betrachtungen {fl^  avtov)  in  griechischer  Sprache,  aus  J.  169  — 176,  apho- 
ristische Tagebuchblätter,  Reflexionen  und  gute  Vorsätze  die  von  dem 
edelsten  Willen  zeugen.  Dass  es  ihm  an  Schärfe  {ÖQifivtrjg)  fehle  erkennt 
er  selbst  als  Mangel;  vgl.  Avidius  Cassius  bei  Vulcat.  Gall.  (Av.  Cass.  14, 
3.  5):  Marcus  homo  sane  optimus,  qui  dum  clemens  dici  cupit  eos  patitur 
vivere  quorum  ipse  non  probat  vitam.  .  .  M.  Antoninus  philosophatur  et 
qnaerit  de  elementis  et  de  animis  et  de  honesto  et  iusto,  nee  sentit  pro 
republica.  Capitol.  Ant.  phil.  8,  3:  dabat  se  Marcus  totum  philosophiae, 
amorem  civium  adfectans. 

4.  Digest.  XXVII,  1,  6,  8:  o  ^siotatog  natriQ  ijlov  -(wohl  M.  Aurel, 
nicht  Pius,  dessen  Verordnung  enger  begrenzt  war,  s.  oben  350,  2)  na^sX- 
^Oiv^fvd'vs  inl  triv  ciQ%7\v  öiatdyfiati  tag  vnagxovaag  tifMg  xal  utslsiag 
ißsßcciaasv ,  yQcctjfag  (piXoaotpovg ,  fi^roQccg,  yQccfLuccTLnavg,  CatQovg  dtsXstg 
elvai  yvfivaaLccQXLciv  etc.  nal  (ir^xs  %q£vsiv  (jli^xs  JCQsaßevstv  (irixs  sig  etqa- 
tbCov  natuXiysa^ai  ättovtag.  etc.  Capitol.  M.  philos.  23,  9 :  fama  fuit  quod 
sub  philoBophornm  specie  quidam  remp.  vezarent  et  privates. 

5.  üebersicht  über  M.  AureVs  Leben  und  Regierung  von  G.  R.  Sievers 
in  Pauly's  Real-Enc.  I,  1.  S.  1197  —  1203.  Vgl.  E.  Zeller  in  seinen  Vor- 
trägen und  Abhandl.  (Leipzig  1865)  S.  82—107. 

6.  Briefwechsel  zwischen  Fronto  und  L.  Verus  (vgl.  A.  1),  s.  oben  351,  7. 
Preis  der  eloquentia  des  Verus  durch  Fronto  p.  120  f.  Verus  bestellt  sich 
bei  Fronto  eine  verherrlichende  Darstellung  seiner  Thaten  ib.  p.  131  f.  Des 
Veras  gratiaram  actio  ib.  V,  38  f.  (p.  87);  seine  orationes  ad  senatum  et 
allocutiones  ad  exercitum  ib.  p.  131  f.  OfBzieller  Kriegsbericht  in  Briefform 
(J.  163  f.)  ib.  p.  126  f. 

7.  Capitol.  Ant.  phil.  8,  1:  adepti  imperium  ita  civiliter  se  ambo  ege- 

52* 


820  I)i6  EaiBerzeit.   Zweites  Jahrhundert.   M.  Anrelins. 

runt  ut  .  .  eos  MaruUus,  sni  temporis  xnimographus,  caviUando  impone 
perstringeret.  Vgl.  ib.  29,  2  (de  quo  mimuB  in  acena  praesente  Antonino 
dixit  etc.).   Serv.  Aen.  YII,  499  (MarulluB  mimographus).   Vgl.  oben  8,  6. 

8.  GelliuB  XIX,  11,  3  f.:  hoc  distichon  amicus  mens,  ov%  aiuovaog  adu- 
lescens,  in  plures  versiculos  .  .  vertit.  Folgen  15  iambische  Dimeter.  lam- 
bische  Inschrift  des  exodiarius  Ursus  bei  Orelli  2591  =»  Bücheier,  Greifs- 
walder  Ind.  lect.  1870,  p.  18.  Ephemeris  epigraph.  I  (Rom  u.  Berlin  1872) 
p.  56 — 67. 

'  9.  üeber  Apollonios  6  dvü%olog  aus  Alexandria  übersichtlich  A.  Wester- 
mann in  Pauly's  Beal-Enc.  I,  2.  S.  1319  —  1321.  Sein  Sohn  ist  der  nicht 
minder  berühmte  Grammatiker  Herodianus,  dessen  reliquiae  collegit,  dispo- 
suit,  emendavit,  explicuit,  praefatus  est  Aug.  Lentz,  2  Voll.,  Lips.  1867  ff. 
Auch  der  Atticist  Phrynichos  lebte  unter  M.  Aurel  und  Commodus. 

10.  üeber  P.  Aelius  Aristides  (J.  117—189  n.  Chr.?)  aus  Bithynien  vgl. 
Pauly's  Real-Enc.  I,  1.   S.  340  —  342. 

11.  üeber  Galenos  (J.  131  —  201?)  L.  Choulant,  Handb:  d.  Bücherk.  f. 
d.  alt.  Med.  S.  98—120. 

12.  Den  divi  fratres  {tsQoitccTOi  ßaaiXsrg  Uvrtovivog  nal  OvtJQog)  widmete 
im  J.  162  der  Rhetor  Polyaenos,  ein  MaTudatv  avrnfy  seine  acht  Bücher 
ZtQaxriyi%d  meist  aus  griechischen  Quellen,  theilweise  untergegangenen. 
Recensuit,  auctiores  edidit,  indicibus  instruxit  E.  WOlfflin,  Lips.  Teubn.  1860. 

343  860.  Unter  den  übrigen  Schülern  des  Fronte  scheint  der 
bedeutendste  gewesen  zu  sein  dessen  Schwiegersohn  C.  Aufidius 
Victorinus,  Cos.  II  J.  183  n.  Chr.;  nächstdem  Servilius  Silanus 
und  Postumius  Festus.  Ueberhaupt  scheint  es  dass  Alle  welche 
in  dieser  Zeit  zu  Rom  als  öffentliche  Uedner  wirkten  unter 
Fronto's  Einfluss  standen^  wenn  sie  auch  nicht  Alle  seine  Art 
beibehielten.  So  auch  der  auf  verschiedenen  Gebieten  (Epistolo- 
graphie,  Fabel,  Rhetorik,  Geographie  u.  A.)  schriftstellerisch  tha- 
tige  Julius  Titianus. 

1.  Fronto  p.  95  f.  N.:  ut  parentes  cum  in  voltu  liberum  oris  sui  linia- 
menta  dinoscunt,  ita  ego  cum  in  orationibus  vestris  vestigia  nostrae  sectae 
animadverto,  yiyrfi's  dh  tpQBva  Arjtci'  meis  enim  verbis  exprimere  yim 
gaudii  mei  nequeo.  p.  200:  suadeo  Yobis  (den  Cirtenses)  patronos  creare 
.  .  eos  qui  nunc  fori  principem  locum  occupant,  Aufidium  Victorinum  (A. 
2),  quem  .  .  mihi  generum  cum  illis  moribus  tantaque  eloquentia  elegi. 
Servilium  quoque  Silanum  (Cos.  189,  vgl.  Lamprid.  Commod.  7,  5)  Optimum 
et  facundissimum  virum  iure  municipis  patronum  habebitis,  cum  sit  vicina 
et  amica  civitate  Hippone  regio.  Postumium  Festum  (Gell.  XIX,  13,  1)  et 
morum  et  eloquentiae  nomine  recte  patronum  vobis  feceritis,  et  ipsum 
nostrae  provinciae  et  civitatis  non  longinquae.  Capitol.  Ant.  phil.  3,  8: 
frequentavit  et  declamatorum  scholas  publicas  amavitque  e  condiscipufis 
praecipuos  senatorii  ordinis  Seium  Fuscianum  et  Aufidium  Victorinum,  ex 
equestri  Baebium  Longum  et  Calenum. 


359  f.   M.  Aurelius  und  andere  Schüler  des  Fronto.  821 

2.  C.  Aufidiua  (Fronto  p.  75)  Victorinus  (vgl.  A.  1)  war  praef.  urbi 
und  l>i8  consul  (Orelii  1176)  nnd  befehligte  in  Germanien.  Fronto  p.  232: 
Victorinum,  ^pielate,  mansuetudine,  veritate,  innocentia  maxima,  omnium 
denique  optimaram  artiom  praecipnmn  virum.  Vgl.  p.  179.  J.  186  gab  er 
sich  selbst  den  Tod,  xuCnsq  %a\  vno  tov  Mdgitov  iv  rotg  navv  xtyi,rfiBlg 
xal  xri  xr^g  '^v%rig  dgex^  Hoi  x^  xav  Xoytov  naQaönsvj  ovSevog  xäv  %ad'' 
iccvxov  dsvxcQog  yevofievog^  Dio  LXXII,  11.  Sein  Sohn  (von  Fronto's  Toch- 
ter Gratia)  Victorinus  Fronto  (oben  351,  2)  ist  ohne  Zweifel  der  (Aufidius) 
Fronto  consul  (J.  199  n.  Chr.)  der  seinem  Sohne  M.  Aufidius  Fronto  die  Grab- 
schrift bei  Ofelli  1176  (aus  Pisaurum)  setzte;  und  auch  C.  Aufidius  Victo- 
rinus, Cos.  200  n.  Chr.,  ist  wohl  ein  (jüngerer)  Sohn  von  ihm.  Vgl.  W.  Teuf- 
fei in  Pauly's  Real-Enc.  I,  2.  S.  2130  f.  Nr.  20  und  33. 

3.  Fronto  p.  191:  Volumnio  Quadrato:  legam,  fili,  libenter  orationem 
istam  quam  misisti  mihi  et  si  quid  videbitur  corrigendum  corrigam.  Vgl. 
ib.  p.  190. 

4.  Fronto  p.  191:  Fabianum,  spectatuni  in  iudiciis  civilibus,  frequen- 
t«m  in  foro,  meum  familiärem.  Vgl.  Spart.  Sever.  13,  3:  occidit  .  .  Masti- 
cinm  Fabianum. 

5.  Ueber  das  Auflreten  des  Sohnes  von  Squilla  Gallicanus  als  Redner 
8.  Fronto  p.  188  f.  (orator  noster). 

6.  Fronto  p.  179  N.:  Antoninus  Aquila  vir.  doctus  est  et  facundus. 
Ihn  empfiehlt  Fronto  ib.  dem  Victorinus  fElr  eine  Lehrstelle  (der  Bhetorik) 
in  seiner  Provinz. 

7.  Fronto  p.  173:  commendando  Comeliano  Sulpicio  familiarissinio 
meo.  .  .  industrius  vir  est,  strenuus,  ingenio  libero  ac  liberali,  .  .  litto- 
rarum  studio  et  bonarum  artium  elegantia  mihi  acceptissimus. 

8.  Fronto  p.  175:  Montanum  Licinium  sie  diligo  etc.  bonarum  artium 
scctator  est  mens  Montanus,  tum  doctrina  et  facundia  est  eleganti. 

9.  Fronto  p.  176:  lulium  Aquilinum,  virum  .  .  doctissimum,  facun- 
dissimum,  philosophiac  disciplinis  ad  optima«  artes,  eloqucntiac  studiis 
ad  egregiam  facundiam  eximie  eruditum.  .  .  si  eum  audire  disputantem  de 
platonicis  disciplinis  dignatus  fueris.  (p.  177:)  maximi  concursus  ad  audi- 
endum  eum  Eomae  saepe  facti  sunt. 

10.  Apoll.  Sidon.  ep.  I,  1:  quem  (den  Cic.)  nee  Julius  Titianus  sub 
nominibus  illustrium  feminarum  (fingierte  Briefe)  digna  similitudine  expres- 
sit.  propter  quod  illum  ceteri  quique  Frontonianorum,  utpote  consecta- 
ncnni  aomulati  cur  veternosum  dicendi  gcnus  imitaretur  (das  ciceronischc, 
statt  das  neumodische  des  Fronto),  oratorum  simiam  nuncupaverunt.  Die- 
ser Titianus  ist  wohl  der  Titianus  senior  qui  provinciarum  libros  pulcher- 
rimos  scripsit  et  qui  dictus  est  simia  temporis  sui,  quod  cuncta  esset 
imitatus  (Capitolin.  Maximin.  27,  5).  Jene  libri  sind  wohl  die  chorog^aphia 
bei  Serv.  Ae.  IV,  42  (Barcaei  .  .  secundum  Titianum  in  chorographia 
Phocnicem  .  .  superavere),  vgl.  ib.  XI,  651  und  Isid.  origg.  IX,  2,  64  über 
die  Amazonen  (unimammas).  Auch  das  Fragment  über  den  Aetna  bei 
Gregor.  Turon.  de  cursu  stell.  30  (ed.  Haase  1853,  p.  14:  meminit  et  huius 
montis  et  ille  Julius  Titianus  his  verbis  etc.),  vgl.  A*  Mai,  coli.  Vat.  III. 


822  I^ic  Kaiserzeit.   Zweites  Jahrhunderfc.  M.  Aureliua. 

}).  239:  ist  wohl  daraus.  Ihm  gilt  daher  wohl  Cassiod.  diviu.  Icct.  25: 
cosmographiae  quoqiic  notitiaiu  vobis  percurrendam  esse  .  .  suademus;  .  . 
quod  vobis  proYCnict  absolute  si  libellum  Inlii  oratoris  .  .  studiose  legere 
fcstinetis.  Vgl.  Auson.  epist.  16,  81  (oben  27,  2),  wonach  aesopiam  trizne- 
triam  vertit  (in, Prosa)  fandi  Titianus  artifez.  Auch  der  TitianuB  welcher 
über  Rhetorik  schrieb  (Isid.  origg.  II,  2,  1)  ist  wohl  er  (vgl.  Serv.  Ae.  X,  18: 
Titianus  et  Galvus,  qui  themata  omnia  de  Vergilio  elicuerunt  et  adforma* 
nint  ad  dicendi  usum)  und  nicht  sein  Sohn  (unten  375,  8).  Dann  ist  auch 
glaublich  dass  sich  auf  ihn  besieht  Diomed.  I.  p.  368,  26  K.:  Titianus 
(libri:  tyrannus)  de  agri  cultura  primo.  Vgl.  Macrob.  III,  19*  6.  Fr.  Haase, 
Greg.  Tur.  etc.  Breslau  1853.  4.  (Geburtstagsprogr.)  p.  37  f. 

11.  Ungefähr  aus  dieser  Zeit  ist  wohl  auch'Bomanius  lovinus,  rhetor 
eloquii  latini,  dem  seine  dankbaren  Erben  die  Grabschrift  setzten:  Condi- 
tus  hau  RomaniuB  est  tellure  lovinus,  docta  loqui  doctus  quique  loqui  do- 
cuit.  Manibus  infernis  si  vita  est  gloria  vitae,  vivit  et  hie  nobis  ut  Cato 
vcl  Cicero.     Orelli-Ucnzen  5606  aus  Rom. 

12.  Capitol.  Helv.  Pert.  1,  4  f.:  puer  litteris  elementariis  et  calculo 
imbutus,  datus  etiam  graeco  grammatico  atque  inde  Sulpicio  Apollinari 
(oben  353,  2),  post  quem  idem  Pertinax  grammaticen  professus  est.  sed 
cum  in  ea  minus  quaestus  proficeret,  per  LoUianum  Avitum,  consularem 
virum  (Cos.  144  n.  Chr.),  .  .  ducendi  ordinis  dignitatem  petit.  2,  1:  hello 
parthico  (J.  163  fF.)  promcritus  etc.  Geboren  war  Pert.  1  Aug.  126,  Cos.  179 
und  192;  drei  Monate  lang  Kaiser  und  ermordet  J.  193  =>  946  d.  St. 

340  361.  Für  viele  Gebiete  des  Wissens  wie  für  die  Eenntniss 
ihrer  Zeit  von  hoher  Wichtigkeit  sind  die  zwanzig  Bücher 
Noctes  atticae  die  wir  von  A.  Gellius  (um  125 — 175  n.  Chr.) 
besitzen.  Obwohl  selbst  von  beschränktem  Geiste,  kleinlich  und 
blind  in  seiner  Bewunderung  wie  in  seinen  Abneigungen,  hat 
Gellius  mit  treuem  Fleiss  und  redlicher  Gewissenhaftigkeit  ge- 
sammelt und  zusammengestellt  was  er  aus  Unterredungen  und 
Büchern  über  alte  Literatur  und  Sprache,  Recht  und  Philosophie 
und  auch  Naturwissenschaft  gelernt  hatte.  Die  Ordnung  ist  eine 
zufällige,  die  Sprache  nüchtern,  aber  durchzogen  von  alterthüm- 
lichen  Ausdrücken.  Vom  achten  Buche  ist  nur  die  Inhalts- 
übersicht auf  uns  gekommen. 

1.  Leben  und  Bildungsgang.  Gellius  XYIII,  4,  1:  cum  iam  adules- 
centuli  Romae  praetextam  et  puerilem  togam  mutassemus  (15—17  J.  alt) 
magistrosque  tunc  nobis  nosmet  ipsi  exploratiores  quaereremus,  .  .  Apolli- 
naris  Sulpicius  (oben  353,  2)  etc.  VII,  6,  12:  adulescens  ego  Romae,  cum 
ctiamtum  ad  grammaticos  itarem,  audivi  Apollinarem  Sulpicium,  quem  in 
primis  sectabar,  .  .  Erucio  Claro  praef.  urbi  (oben  353,  5)  dicere.  XX,  6,  1: 
percontabar  A.  S.  cum  eum  Romae  adulescentulus  sectarer.  ib.  15:  haec 
mcmini  mihi  Apollinarem  dicere  eaque  tunc  ipsa  ita  ut  dicta  fiierant  notavi. 
Auch  noch  später  wandte  sich  G.   in  Zweifelfällen  am  liebsten  an  S.  A.; 


S60  f.  Schüler  des  Fronto.   Gellius.  823 

vgl.  XI,  16,  8.  XII,  13,  1.  XIII,  20,  1  (ego  et  Ap.  S.  et  quidam  alii  mihi 
aut  illi  familiareB).  Für  Rhetorik  war  des  G.  Lehrer  Antonius  lulianas 
(oben  346,  1),  sowie  T.  Castricius  (oben  346,  2),  und  auch  Fronto  von  Ein- 
fluss  (XIX,  8,  1).  Vorzugsweise  aber  fesselte  ihn  fortwährend  Favorinus 
(oben  346,  5),  vgl.  bes.  XVI,  3,  1:  cum  Favorino  Eomae  dies  plerumque 
totos  eramus  tenebatque  animos  nostros  homo  ille  fandi  dulcissimus,  atque 
eum  quoquo  iret  .  .  sequebamur.  M.  Hertz,  Kam.  Gell.  mant.  altera  (Bresl. 
1869.  4.)  p.  5—9. 

2.  Gell,  praef.  12:  volvendis  .  .  moltis  admodum  voluminibns  per  omnia 
semper  negotiorum  intervalla  in  quibus  fiirari  otium  potui  exercitus  defes- 
susque  sum.  XI,  3,  1 :  quando  ab  arbitriis  negotüsque  otium  est  et  motandi 
corporis  gratia  aut  spatiamur  aut  vectamur.  XVI,  10,  1:  otium  erat  quo- 
dam  die  Bomae  in  foro  a  negotiis  etc.  XIV,  2,  1:  quo  primum  tempore 
a  praetoribus  lectus  in  iudices  sum  (für  iudicia  privata)  libros  .  .  de  officio 
iudicis  scriptos  conquisivi,  ut  homo  adulescens  (25  J.  alt,  s.  Big.  XLII,  1, 
57.  L,  4,  8),  a  poetarum  fabulis  et  a  rhetorum  epilogis  ad  iudicandas  lites 
YOcatuB  rem  iudiciariam  .  .  cognoscerem.  XII,  13,  1:  cum  Bomae  a  con 
sulibuB  iudex  extra  ordinem  datus  .  .  essem.  J.  Steup,  de  Prob.  p.  VII.  vgl. 
p.  77  (vix  ante  a.  p.  Chr.  120  videtur  natus  esse).  L.  Friedländer  setzt  des 
Gell.  Geburt  erst  um  130  n.  Chr. 

3.  Fortsetzung  der  Studien  als  iuvenis  (II,  21,  1.  4  vgl.  VII,  10,  1. 
XII,  5,  4.  XV,  2,  3),  also  ungefähr  30  J.  alt  und  nach  dem  Richteramto 
(A.  2),  zu  Athen.  Gell.  I,  2,  1:  Herodes  Atticus  .  .  accersebat  saepe  nos, 
cum  apud  magistros  Athenis  essemus,  .  .  me  et  cl.  v.  Servilianum  complu- 
resque  alios  nostrates  qui  Roma  in  Graeciam  ad  capiendum  ingenii  cultum 
concesserant.  Vgl.  XVIII,  2,  1  ff.  13,  1  ff .  Hauptsächlich  schloss  sich  G. 
hier  an  Taurus  (oben  348,  2)  an  (XII,  5,  1  f.),  kam  aber  auch  mit  Pere- 
g^inus  Proteus  (f  J.  165)  viel  zusammen  (XII,  11,  1  vgl.  VIII,  3).  Aufenthalt 
in  Athen  mindestens  ein  Jahr  lang  (XVIH,  2,  1:  Saturnalia  Athenis  agita- 
bamus,  u.  13,  1:  Saturnalibus  Athenis  .  .  lusitabamus).  Vielleicht  aus  der 
Zeit  der  Rückkehr  nach  Rom  XIII,  13,  1:  cum  ex  angulis  secretisque  li- 
brorum  ac  magistrorum  in  medium  iam  hominum  et  in  lucem  fori  prt)di8- 
sem  (XIII,  13,  1)  etc.;  vgl.  A.  2  und  I,  22,  6:  memini  ego  praetoris  .  . 
tribunali  me  forte  adsistere. 

4.  Das  Werk  des  Gellius.  Praef.  1:  hoc  ut  liberis  quoque  meis  partae 
istiusmodi  remissiones  essent.  (2.)  usi  autem  sumus  ordine  rerum  fortuito 
quem  antea  in  excerpendo  feceramus.  nam  proinde  ut  librum  quemque  in 
manus  ceperam  .  .  vel  quid  memoratu  dignum  audieram  .  .  promisce  ad- 
notabam.  .  .  (3.)  facta  igitur  est  in  his  quoque  commentariis  eadem  rerum 
disparilitas  quae  fuit  in  illis  adnotationibus  pristinis.  .  .  (4.)  sed  quoniam 
longinquis  per  hiemem  noctibus  in  agro  .  .  terrae  atticae'  commentationes 
hasce  ludere  ac  facere  exorsi  sumus,  idcirco  eas  inscripsimus  Noctium 
esse  atticarum.  (13.)  erunt  autem  in  his  commentariis  pauca  quaedam 
scrupulosa  et  anxia  vel  ex  grammatica  vel  ex  dialectica  vel  etiam  ex 
geometria,  .  .  item  paucula  remotiora  ex  augurio  iure  et  pontificio.  (22.) 
Volumina  commentariorum  ad  hunc  diem  viginti  iam  facta  sunt.  (23.)  quan- 
tum  autem  vitae  mihi  deinceps  deum  voluntate  erit  quantumque  a  taenda 


824  I^ie  Kaiserzeit.   Zweites  Jahrhundert.  M.  Aurelius. 

rc  familiari  procurandoqne  cultu  liberorum  meoruin  dabitur  otiuin,  ea 
omnia  .  .  tempora  ad  colligendas  huiuBcemodi  memorianim  delectatiunculas 
conferam.  Es  scheint  aber  nicht  dass  diess  zur  Ausfahrung  kam,  vielleicht 
weil  G.  bald  nach  Vollendung  der  20  Bücher  starb.  Der  Anfang  der 
praefatio  wie  der  Schluss  von  B.  KX  ist  nicht  erhalten,  von  B.  VIU  nur  die 
Capitelüberschriften. 

5.  Radulphns  de  Diceto  (oben  253,  3  E.) :  Agellius  scribit  anno  CLXIX 
(F.  Rühl,  die  Verbreitung  des  Just.  S.  33  vgl.  36).  Dazu  stimmt  dass  als 
Consularen  bezeichnet  werden  Herodes  Atticus  (Cos.  143),  Fronto  (Cos.  143), 
Erucius  Clarus  (Cos.  146).  Der  Umstand  dass  von  keinen  Schriften  des 
Fronto  die  Rede  ist,  z.  B.  nicht  (XVI,  19}  von  dem  Arion  desselben, 
erklärt  sich  aus  der  Gewohnheit  des  G.  von  Lebenden  die  er  bewundert, 
wie  Herodes  Atticus  und  theilweise  auch  Favorinus,  nicht  Schriften  zu 
erwähnen,  sondern  sie  selbst  persönlich  und  redend  einzufahren  (M.  Hertz, 
mant.  alt.  p.  7).  Wenig  erhellt  aus  XX,'  1,6:  trecentesimo  anno  p.  B.  c. 
tabulae  (XII)  scriptae  sunt,  a  quo  tempore  ad  hunc  diem  anni  esse  non 
longe  minus  DCC  (DC?  Vogel)  videntur.  Auch  die  hin  und  wieder  sich 
fmdenden  nuper  führen  bei  ihrer  Unbestimmtheit  nicht  weit.  Sicher  ist 
vom  Aufenthalte  in  Italien  nuper  gebraucht  XI,  16,  2.   XIII,  13,  1.   XV,  4,  1. 

II,  24,  2;    dagegen  XVIII,  2,  7  von  den  Satumalien  in  Athen.    Vgl.  noch 

III,  3,  7:  nuperrime,  cum  legeremus  Fretum  .  .  Plauti.  Die  Zusammen- 
ätellung  des  Stoffes  scheint  sich  also  über  eine  längere  Zeit  erstreckt  zu 
haben.  Vgl.  Th.  Vogel  I.  p.  7 — 9.  L.  Friedländer,  de  A.  G.  vitae  tem- 
poribus,  Königsberg  1869.  7  pp.  4.;  Sittengesch.  III.  S.  414—420. 

6.  Gellius  ist  eine  Famulusnatur:  das  Bewundern,  Schlepptragen, 
Applaudieren  ist  ihm  ein  Bedürfniss,  und  er  übt  es  gegenüber  von  dem 
Entgegengesetztesten,  gleichzeitig  gegen  Fronto  und  Cicero  (vgl.  XVII,  1, 1  ff.). 
Seine   Anhänglichkeit  an   die   von   ihm  Erkorenen   hat  etwas  Rührendes, 

>  ausser  wo  sie  sich  in  Geringschätzung  derer  ausspricht  die  zu  einer  andern 
Schule  gehören.  In  seiner  ebenso  gutherzigen  wie  beschränkten  Mittel- 
mässigkeit  spiegelt  er  den  Charakter  seiner  Zeit  treulich  wieder,  ihre 
wichtigthuerische  Geschäftigkeit  ohne  ernstes  Ziel,  ihre  Verranntheit  in 
Nichtigkeiten,  ihren  völligen  Mangel  an  eigenem  Geiste,  an  Productions- 
kraft,  Urteil  und  Verstand,  ihre  Gelehrsamkeit  wie  ihre  Pedanterie.  Es 
gelingt  ihm  oft  recht  anschauliche  und  (unfreiwillig)  ergötzliche  Bilder  von 
dem  Treiben  in  seiner  Zeit  zu  geben.  Ausserdem  ist  für  uns  seine  Anhäufung 
von  Excerpten  aus  verlorenen  alten  Werken  von  um  so  grösserem  Werthe 
weil  der  Verfasser  mit  seiner  ängstlichen  Gewissenhaftigkeit  da  wo  er 
wirklich  selbst  gesehen  hat  vollen  Glauben  verdient  Freilich  ist  auch  er 
von  der  Sucht  seiner  Zeit  ergriffen  gelehrter  zu  erscheinen  als  er  ist,  und 
hat  wohl  Manches  aus  secundären  Büchern  entnommen  was  er  aus  den 
Quellen  selbst  geschöpft  zu  haben  behauptet.  Vgl.  Mercklin  S.  641  ff. 
Kretzschmer  p.  13  ff. 

7.  Vir  elegantissimi  eloquii  et  multae  ac  facundae  scientiae  heisst  Gellius 
bei  Augustin.  de  civ.  dei  IX,  4.  Nonius  Marcellus  und  vollends  Macrobius 
schreiben  ihn  aus,  ohne  ihn  aber  zu  nennen.  Im  Allgemeinen  vgl.  M.  Hertz, 
Renaissance  S.  35 — 38.    Th.  Vogel,  de  A.  Geltii  vita,  studiis,  scriptis  nar- 


361  f.   Gellius.   Apuleius.  825 

ratio  et  iudiciam,  Zittau  1860.  4.  p.  1 — 26;  de  A.  Gellii  copia  .verborum, 
Zwickau  1862.  4.  p.  1 — 32.  J.  Eretzscliiner,  de  A.  G.  fontibus.  I.  de  auctp- 
ribus  Gellii  grammaticis,  Greifswald  1860.  108  pp.  Li  Mercklin,  die  Citier- 
methode  und  Quellenbenützung  des  A.  G.,  Jahrb.  f.  class.  Philol.  Suppl.  111 
(1860)  S.  636—710;  A.  Gellii  capita  quaedam  ad  fontes  revocata,  Dorpat 
1861.  4.  M.  Hertz,  A.  G.  und  Nonius  Marcellus,  in  Fleckeisens  Jahrbb. 
85,  S.  706—726.   779—799. 

8.  Alle  bekannten  älteren  Handschriften  des  Gellius  enthalten 
entweder  nur  die  7  ersten  oder  die  12  letzten  Bücher.  Der  Text  der 
sieben  ersten  Bücher  gründet  sich  vornehmlich  auf  eiii  palatinisches 
Palimpsest  der  Yaticana,  auf  Vat.  3452  u.  Par.  5765  saec.  XIIl,  sowie  einen 
Rottendorf.  saec.  XH  in  Leyden;  Buch  IX  bis  XX  auf  Paris.  8664  saec.  XIH, 
und  Voss.  7  (Vossianus  maior  bei  Gronov)  in  Leyden,  sowie  ein  Berner 
Bruchstück  saec.  XII.  Vereinzelt  steht  der  verschollene  Buslidianus,  wel- 
cher beide.  Hälften  umfasste.  Vgl.  M.  Hertz,  Berichte  üb.  d.  Verhandl. 
der  Berl.  Akad.  1847,  S.  403  f.  408—417.  Schon  J.  Fr.  Gronov  hat  die 
massgebenden  Handschriften  herausgefunden,  und  M.  Hertz  darauf'  weiter 
gebaut. 

9.  Editio  princeps  Rom.  1469  fol.  1472  fol.  Ascensiana  1511.  4. 
Aldina  1515.  Ed.  L.  Carrio,  Paris  1585.  Hauptausgabe  von  J.  Fr.  und 
Jak.  Gronovius,  Lugd.  B.  1706.  4.  (Lips.  1762,  von  J.  L.  Conradi,  2  Voll.). 
Ed.  A.  Lion,  Gotting.  1824.  Ex  recensione  M.  Hertz,  Lips.  (Teubner)  1853. 
2  Voll. 

10.  GeUü  quae  ad    ius   pertinent  von  J.  v.   Glöden    (Rostock    1843), 
H.  E.  Dirksen  (d.  Auszüge  aus  d.  Schrr.  d.  röm.  Rechtsgel.  bei  Gell.,  hinter-« 
lassene  Schriften  I.  S.  21—63),  M.  Hertz  (capp.  IV,  Breslau  1868.   4.).    A. 
Fleckeisen,  zur  Kritik  der  altlatein.  Dichterfragmente  bei  G.,  Leipzig  1854. 

Sonstige  Beiträge  zur  Textkritik  und  Erklärung  von  Ch.  Falster 
(Adnotatt.  in  Gellii  libr.  VIII,  Hafniae  1721),  A.  Gramer  (ad  G.  excursus 
I— IV,  Kiel  1827—1832.  4.),  R.  Klotz  (quaestiones  Gellianae,  Lips.  1857.  4.), 
M.  Hertz  (Vindiciae  G.,  Greifs wald  1858.  4, ;  Ramentorum  Gell,  mantissae 
I.  IL,  Breslau  1868  f.  4.),  Th.  Mommsen  (ad  Gell.  IV,  1.  4.  in  den  Sym- 
bolae  Bethmanno  Hollw.  oblatae,  Berlin  1868)  u.  A. 

362.  Unter  Antoninus  Kus  und  M.  Aurelius  lebte  und344 
schrieb  der  Platoniker  und  Rhetor  L.  Apulejus  aus  Madaura 
in  Afriea.  In  Karthago  ^  Athen  und  durch  Reisen  gebildet,  war 
er  eine  Zeit  lang  zu  Rom  als  Anwalt  thätig,  dann  in  Afriea  als 
Wanderredner  und  Lehrer  der  Beredtsamkeit.  Er  ist  ein  echtes 
Kind  seiner  Zeit  und  seiner  Heimat  durch  die  bunte  Vielseitig- 
keit seines  geistigen  Strebens  und  literarischen  Wirkens  ^  seinen 
Mangel  an  Kritik,  seine  phantastische  Wundersucht,  seine  eiÜe 
Selbstüberschätzung,  und  den  Ungeschmack  seiner  aus  allen 
Zeiten  und  Stilarten  zusammengesetzten  Darstellung.  Aber  durch 
Lebendigkeit,   Originalität  und  Leichtigkeit  der  Hervorbringung 


826  I^ie  Eaiscrzeit.   Zweites  Jahrhundert   M.  AareliuB. 

nimmt  er  unter  den  Schriftstellern  des  Jahrhunderts  einen  her- 
vorragenden Rang  ein. 

1.  Der  Vorname  (im  cod.  Victorianus  der  apologia  und  vor  de  dogm. 
Plat.)  könnte  von  dem  Helden  der  Metam.  entnommen  sein.  Apuleius 
philoBophus  platonicus  Madaurensis,  de  dogm.  PI.  III.  p.  203  Bip.  YgL 
apol.  10.  Augustin.  civ.  d.  YIII)  14:  Apuleius  Platonicus  Madaarensis. 
Charis.  p.  240  E.:  ut  apud  Apuleium  Platonicum  de  proverbiis  scriptum 
est  libro  II.  Demnach  scheint  Plat.  einen  Theil  der  Bücheruberschriften 
gebildet  zu  haben.  Augustin.  civ.  dei  VIII,  12 :  in  utraque  lingua  .  .  Apu- 
leius Afer  extitit  Platonicus  nobilis. 

2.  Ueber  das  Leben  des  Apulejus  bis  zu  seinem  Processe  (s.  A.  3) 
gibt  die  apologia  reiche  Aufschlüsse.  Da  der  Process  noch  unter  Pius  f&llt 
(ap.  85),  die  Frau  des  Ap.  damals  40  J.  alt  war  (ib.  89),  und  zwischen 
Ap.  und  seiner  Gattin  grosse  Altersungleichheit  bestand,  so  kann  Ap.  da- 
mals nicht  mehr  als  25  J.  alt  gewesen  sein,  seine  Geburt  mag  daher  um 
125  fallen.  Vgl.  unten  363,  3.  Florid.  18,  86 :  pueritia  apud  vos  (Carthag.) 
et  magistri  vos,  et  secta,  licet  Athenis  Atticis  confirmata,  tarnen  hie 
incohata  est  et  vox  mea  utraque  lingua  iam  vestris  auribus  ante  proximum 
sexennium  probe  cognita.  20,  97:  ego  et  alias  crateras  (als  Grammatik 
und  Rhetorik)  Athenis  bibi,  poeticae  .  .  ,  geometriae  .  .  ,  musicae  .  .  ,  dia- 
lecticae  .  .,  iam  vero  universae  philosophiae.  Met.  XI,  28:  viriculas  patri- 
monii  peregrinationis  adtriverant  impensae.  .  .  quae  res  .  .  victum  ube- 
riorem  subministrabat  .  .  quaesticulo  forensi  nutrito  (in  Rom)  per  patro- 
cinia  sermonis  romani. 

3.  Auf  einer  Reise  von  Madaura  nach  Alex^dria  zu  Oea  erkrankt, 
wurde  Ap.  dort  mit  einer  reichen  Wittwe,  Aemilia  Pudentilla,  bekannt 
und  heiratete  sie.  Darüber  erbost  erhob  deren  Verwandtschaft  gegen  Ap. 
vor  dem  Procos.  Claudius  Maximus  (oben  354,  4)  eine  Anklage  auf  Zaube- 
rei, durch  die  er  die  Wittwe  an  sich  gezogen  habe.  Hiegegen  vertheidigt 
sich  Ap.  in  der  apologia  (s.  unten  363,  1).  Sicher  wurde  er  freigesprochen, 
lebte  aber  (nach  dreijährigem  Aufenthalt  ^  Oea,  ap.  55)  seitdem  zu  Kar- 
thago, von  wo  aus  er  in  Africa  herumreiste  und  sich  hören  Hess.  In  den 
nächsten  Jahrhunderten  aber  trug  ihm  jenes  Abenteuer  den  Ruf  eines 
magus  und  Wunderthäters  ein  der  es  mit  denen  des  Christenthums  auf- 
nehmen könne.  Augustin.  Ep.  n.  quaest.  VI  (Vol.  II.  p.  426  c  ed.  Gaumc, 
Paris  1838):  si  hoc  quod  de  lona  scriptum  est  Apuleius  Madaurensis  vel 
ApoUonius  Tyaneus  fecisse  diceretur,  quorum  multa  mira  nullo  fideli  auctore 
iactitant.  Epist.  136  (ib.  II.  p.  599  a):  Apollonium  quidem  suum  nobis  et 
Apuleium  aliosque  magicae  artis  homines  in  medium  proferunt,  quomm 
maiora  contendunt  extitisse  miracula.  Ep.  138,  18  (ib.  p.  623  a):  Apollo- 
nium et  Apuleium  ceterosque  magicarum  artium  peritissimos  conferre  Christo 
vel  etiam  praeferre  conantur.  Lactant.  inst.  V,  3,  7:  Apuleium,  cuius  solent 
et  multa  et  mira  memorari. 

4.  Augustin.  Ep.  138  (II.  p.  623  d):  Apuleius,  ut  de  illo  potissimum 
loquamur  qui  nobis  Afris  Afer  est  notior,  .  .  ne  ad  aliquam  quidem  iudicia- 

.     riam  reip.  potestatem  cum  omnibus  suis  magicis  artibus  potuit  pervenire, 


362.  ApuleiuB  (Leben  und  Charakter).  827 

honesto  patriae  saae  loco  natiis  et  liberaliter  educatus  inagnaque  praedi- 
tue  eloquentia.  .  .  sacerdoB  provinciae  pro  magno  foit  ut  munera  ederet 
.  .  et  pro  statua  sibi  ad  Oeenses  locanda  .  .  adversus  contradictionem 
quorundam  civium  litigaret.  quod  posteroB  ne  lateret,  eiusdem  litis  oratio- 
nem  Bcriptam  memoriae  commendavit.  Apul.  Flor.  XVI:  vobis  occipiam, 
principes  Africae  viri,  gratias  agere  ob  statuam  quam  mihi  praesenti 
honeste  postulastis  et  absenti  benigne  decrevistis  etc.  ib.  (72 — 74  Oud.): 
testimonia  mihi  perhibuit  in  curia  Carthaginiensium  non .  minus  splendi- 
dissima  quam  benignissima  vir  consularis.  .  .  nam  .  .  libello  miseo,  per 
quem  postulabat  locum  celebrem  statuae  meae,  .  .  commemoravit  inter 
no8  iura  amicitiae  a  commilitio  studiorum  eisdem  magistris  honeste  incohata. 
.  .  quin  etiam  commemoravit  et  alibi  gentium  et  civitatium  honores  mihi 
statuarum  et  alios  decretos.  .  .  etiam  docuit  argumento  suscepti  sacerdo- 
tii  Bummnm  mihi  honorem  Carthagini  adesse.  .  .  Aemilianus  Strabo,  vir 
consularis,  brevi  votis  omnium  fiituruB  proconsul,  sententiam  de  honoribuB 
meis  in  curia  Carthaginiensium  dixit  etc.  Ueber  das  weitere  Leben  und 
die  Todeszeit,  von  Ap.  ist  nichts  bekannt. 

5.  Apol.  55:  sacrorum  pleraque  initia  in  Graecia  participavi.  ,  .  multi- 
iuga  Sacra  et  plurimos  ritus  et  varias  cerimonias  studio  veri  et  officio  erga 
deos  didici.  63:  morem  habeo  quoquo  eam  simulacrum  alicuius  dei  inter 
libellos  conditum  gestare  eique  diebus  festis  ture  et  mero  et  aliquando 
victimis  supplicare.  Das  Geflissentliche  und  Ostentatorische  dieser  Werk- 
heiligkeit erklärt  sich  theils  aus  abergläubisch  mystischem  Wesen  und 
Geheimnisskrämerei  theils  aus  Opposition  gegen  das  allmählich  um  sich 
greifende  Christenthum,  welchem  Ap.  abgeneigt  war;  s.  Met.  XI,  14:  nee 
vel  nnum  vitium  nequissimae  illi  feminae  deerat:  .  .  saeva  scaeva,  virosa 
ebriosa,  pervicax  pertinax,  .  .  inimica  fidel,  hostis  pudicitiae.  tunc  spretin 
atque  calcatis  divinis  numinibus  in  vicem  certae  religionis  mentita  sacrilega 
praesumptione  dei  quem  praedicaret  unicum  confictis  observationibus  vacuis 
fallens  omnes  homines  etc.  Auch  der  Piatonismus  der  Zeit,  zu  welchem 
Ap.  sich  bekannte  (A.  1),  war  ein  solcher  mystischer;  vgl.  Flor.  15  (60  f. 
Oud.):  noster  Flato,  nihil  ab  hac  secta  (des  Pythagoras)  vel  paululum 
devius,  pythagorissat  in  plurimis.  aeque  et  ipse,  ut  in  nomen  eins  a  magi- 
stris meis  adoptarer,  utrumque  (Eeden  und  Schweigen)  meditationibus  acade- 
micis  didici. 

6.  Apol.  4:  accusamus  apud  te  philosophum  et  tam  graece  quam 
latine  disertissimum.  Met.  I,  1:  in  urbe  latia  advena  studiorum  Quiritium 
indigenam  sermonem  aerumnabili  labore,  nullo  magistro  praeeunte,  ag- 
gressus  excolui.  en  ecce  praefamur  veniam  si  quid  exotici  ac  forensis 
sermonis  rudis  locutor  offendero.  Einen  fremdartigen  Charakter  hat  die 
Darstellung  des  Ap.  immer  behalten,  bei  aller  Gewandtheit  womit  er  die 
Sprache  beherrscht.  Namentlich  fdhlt  er  nicht  wie  wunderlich  sich  plau- 
tinische  Worte  und  Wendungen  in  einer  ernsthaften  Bede  ausnehmen. 
Dazu  die  Ueberladung  mit  rhetorischen  Figuren  aller  Art,  das  gespreizte 
Pathos  und  die  manierierte  Künstlichkeit.  Erdmann,  de  Apulei  elocutione, 
Stendal  1864.  4.  H.  Eretschmann,.  de  latinitate  Apulei,  Königsberg  1865 
140  pp.    Th.  Jeltsch,  de  Apulei  Floridis  (Breslau  1868)  p.  3—32. 


828  I>ie  Kaisci'zeit.    Zweites  Jahrhundert.   M-  Aurelius. 

7.  Apul.  Flor.  9  (31  Oud.):  plura  mea  extant  in  Camenis  quam  Hip- 
piae  in  opificiis  operibus.  ib.  (37  Oud.):  fateor  uno  chartario  calamo  me 
reficere  poemata  omnigenus,  apta  virgae  {(dßdog,  also  Epen),  lyrae,  socco, 
cothumo,  item  satiraa  ac  griphos,  item  historias  varias  remm,  nee  non  ora- 
tiones  laudatas  disertis,  nee  non  dialogos  laudatos  philosophis,  atqae  haee  et 
alia  eiusdem  modi  tarn  graece  quam  latine,  .  .  simili  stüo.  20  (98  Oud.): 
eanit  Empedocles  carmina,  Plato  dialogos,  Socrates  hymnos,  Epicharmus 
modoB  (?  mimo8?  comoedias?),  Xenophon  historias,  Xenophanes  satlras: 
Apuleius  vester  haec  omnia  novemque  Musas  pari  studio  colit.  Zur  Zeit 
seiner  Anklage  (s.  A.  3)  hatte  Ap.  nicht  nur  Öffentliche  Beden  gehalten 
und  herausgegeben  (Apol.  65.  vgl.  73.  24.  33  extr.),  sowie  Naturales  qnae- 
stiones  in  griechischer  und  in  lateinischer  Sprache  veröffentlicht  (ib.  36.  38), 
sondern  auch  Gedichte  gemacht,  wovon  Proben  ib.  6  (e  ludicris  meis  epi- 
stolium  de  dentificio,  Trimeter  Über  ein  Zahnpulver,  an  einen  Calpnmius 
gerichtet)  und  ib.  9  (versus  amatorii,  in  elegischer  Horm,  gesuchter  kfinst- 
1  icher  Preis  der  Söhne  des  Scribonius  Laetus  unter  den  Namen  Charinus 
und  Kritias,  vgl.  Auson.  Idyll.  XIII  s.  f. :  esse  Apuleium  in  vita  philosophum, 
in  epigrammatis  amatorem);  dazu  Aesculapü  hymnus  graeco  et  latino  car- 
mine,  cui  dialogum  similiter  graecum  et  latinum  praetexni  (Flor.  18  =« 
91  Oud.).  24  Senare  L.  Apulei  (UvBx6fiEvo£,  Ex  Menandro)  von  lascivem 
Tone  Anthol.  lat.  712  R. 

8.  Sonstige  Schriften:  ein  iifmtixog  (Lyd.  magg.  III,  64),  Hermagoras 
(nach  den  Ueberresten  bei  Priscian  vielleicht  ein  Roman  wie  die  Meta- 
TOorph.);  Epitoma  historiarum  (Priscian.  II.  p.  482  Htz.;  vgl.  I.  p.  250  f.: 
Apuleius  in  Epitoma);  Schriften  über  Arithmetik  tnaclrNikomachus,  s.  Cas- 
siod.  de  arithm.  zu  Ende  und  Isid.  Orig.  III,  2),  Musik  (Cassiod.  de  mus. 
z.  E.),  über  Astronomie  (Lyd.  de  mens.  IV,  7.  73  u.  de  ostent.  3.  4.  7.  10. 
44.  54),  medicinalia  (Priscian.  VI,  11.  p.  203,  14  H.),  de  arboribus  (Serv. 
Verg.  Ge.  II,  126)  und  anderes  Landwirtschaftliche  (Phot.  bibl.  cod.  163. 
Pallad.  R.  R.  I,  35,  9.  Geopon.  I,  14.  XIII,  5  und  sonst;  s.  0.  Jahn,  Be- 
richte der  Sachs.  Ges.  d.  W.  1850,  S.  286.  E.  Meyer,  Gesch.  der  Botanik 
II.  S.  196  f);  endlich  auch  eine  Bearbeitung  des  platonischen  Phaidon 
(Ap.  Sidon.  epist.  II,  9.  Priscian.  X,  19.  p.  511  H.),  sowie  eine  Schrift  de 
proverbiis  (s.  A.  1).  Ap.  Sidon.  ep.  IX,  13:  a  platonico  Madaurensi  formnlas 
mutuare  convivalium  quaestionum  etc. 

9.  G.  F.  Hildebrand,  de  vita  et  scriptis  Ap.,  Halle  1835  und  vor  sr. 
Ausgabe  des  Ap.  0.  Jahn,  Berichte  d.  sachs.  Ges.  d.  Wiss.  1850,  S.  283 
—287.  Chr.  Cavallin,  de  L.  Ap.  scriptore  latino  adversaria,  Lund  1857. 
54  pp.  E.  Goumy,  de  A.  fabularum  scriptore  et  rhetore,  Paris  1859.  W. 
Teuffei  in  Pauly's  Rcal-Enc.  I,  2.  S.  1348—1353.  M.  Hertz,  Renaissance 
S.  32—34. 

345  363«  Von  den  zahlreichen  Schriften  des  L.  Apulejüs  in 
griechischer  und  lateinischer  Sprache,  Versen  wie  Prosa,  sind 
erhalten  1)  Apologia,  Selbstvertheidigung  aus  Anlass  der 
Anklage  auf  Zauberei,  nachträglich  ausgeführt,  mit  redseligem 
Behagen    und    lebhaftem    Gefühle    seiner    üeberlegenheit    und 


362  f.   ApuIeiuB  (Schriften).  829 

Wichtigkeit.  2)  Florida,  eine  Blumenlese  aus  Reden  und 
Declamationen  des  Apulejus,  von  gemischtem  Inhalt,  aus  Ge- 
schichte und  Philosophie,  Natur  und  Leben.  3)  Metamorphoseon 
libri  XI,  ein  phantastisch  satirischer  Sittenroman,  verfasst  unter 
M.  AureUus  und  dem  Lukios  des  Lukianos  nachgebildet.  Den 
Inhalt  bilden  die  Erlebnisse  eines  Menschen  welcher  aus  Versehen 
durch  Zauberei  auf  längere  Zeit  in  einen  Esel  verwandelt  wurde, 
unter  Einflechtung  von  allerlei  Erzählungen  und  namentlich  des 
Märchens  von  Amor  und  Psyche.  4)  de  deo  Socratis,  eine 
wortreiche  Darlegung  der  platonischen  Lehre  von  Gott  und  den 
Dämonen.  5)  Drei  Bücher  de  dogmate  Piatonis,  von  denen  aber 
das  dritte  vielmehr  die  formale  Logik  nach  Aristoteles  behandelt. 
6)  de  mundo,  nach  -Theophrast  gearbeitet. 

1.  Apologia  sive  de  magia  über.  AuguBtin.  civ.  dei  YIII,  19:  hnius 
philosophi  plätonici  copiosiasima  et  disertissima  extat  oratio,  qua  crimen 
artium  magicarum  a  se  alienum  esse  defendit.  Vgl.  oben  362,  2  u.  3.  Die 
Bede  nimmt  den  Schein  an  als  wäre  sie  so  vor  Gericht  gehalten,  was  aber 
unmöglich  ist.  Die  frivole,  theilweis  alberne  Begründung  der  Anklage 
(z.  B.  mit  dem  Besitze  eines  Spiegels,  c.  13  ff.)  machte  dem  Redner  seine 
Arbeit  leicht,  und  er  benützt  um  so  mehr  die  Gelegenheit  sich  selbst  ins 
Licht  zu  stellen.  Sonderausgaben  von  Casaübonus  (Heidelberg  1594.  4.), 
Pricäus  (Paris  1636.  4.);  Commentar  yon  Gentilis,  Hannover  1607.  550  pp. 
Edidit  G.  Krüger,  Berol.  1864.  Vgl.  H.  Sauppe,  Götti.  Gel.  Anz.  1865, 
S.  1645—1560. 

2.  Die  Florida  'sind  wörtliche  grössere  Auszüge  aus  den  heraus- 
gegebenen Vorträgen  des  Ap.,  angefertigt  in  unbekannter  Zeit  und  sowohl 
nach  stofflichen  wie  nach  formellen  Bücksichten.  Die  Anfänge  fehlen  oftj 
einige  Male  auch  der  Schluss.  Inhalt,  Bestimmung  und  Charakter  der 
einzelnen  Stücke  ist  verschieden;  neben  Proben  des  floridum  genus  im 
Sinne  des  Ap.  auch  solche  von  verhältnissmässig  einfacher  Darstellung. 
Ebenso  werden  die  Stücke  aus  verschiedener  Zeit  sein;  Nr.  17  ist  aus  der 
de?  Antoninus  Pius,  da  der  dort  gepriesene  procos.  Africae  (Ser.)  Scipio 
Orfitus  im  J.  149  n.  Chr.  das  Consulat  bekleidete.  Nr.  12  ist  aus  einer 
chorographia  nach  Plinius  (oben  308,  7)  geschöpft;  Mommsen  Solin.  p.  XXII 
— XXIV.  Der  Titel  Flor,  wird  wohl  erst  von  dem  Excerptor  herrühren. 
Unbekannt  ist  ob  die  Auswahl  vollständig  erhalten  ist  und  wann  die  (dem 
Excerptor  noch  fremde)  Eintheilung  in  vier  Bücher  erfolgte.  Apulei  Flori- 
dorum  quae  supersunt  ed.  Gust.  Krüger,  Berolin.  1865.  4.  AI.  Goldbacher, 
de  L.  Apul.  Mad.  Ploridorum  quae  dicuntur  origine  (p.  3 — 21)  et  locis 
quibusdam  corruptis  (p.  21—36),  Lips.  1867.  Th.  Jeltsch,  de  Apulei  Floridis 
(über  die  Gleichheit  des  Sprachgebrauchs  mit  dem  der  übrigen  Schriften 
des  A.),  Breslau  1868.  Beiträge  zur  Textkritik  von  H.  Müller,  Rhein.  Mus. 
XXII.  S.  463  f.  645—648.    XXIII.  S.  445—453. 

3.  Die  Metamorphosen  sind  jedenfalls  nach  der  Apologie  verfasst. 


830  Die  Kaiserzeit.   Zweites  Jahrbundert.   M.  Aurelius. 

M 
0 

Zeitandeatung  I,  2:  a  Plutarcho  illo  inclito  ac  moz  Sexto  pfailoBopbo 
nepote  eius.  Vgl.  oben  354,  2.  Zeitgrenze:  Capitol.  Clod.  Alb.  12,  12: 
cum  ille  neniis  quibusdam  anilibus  occupatus  inter  milesias  ponicas  Apnlei 
sui  (auch  Albinus  war  ans  Africa  gebürtig)  et  ludicra  litteraria  consenesceret 
(Albinus  f  197).  Anfang  des  Werkes:  at  ego  tibi  sermone  isto  milesio 
varias  fabnlas  conseram  .  . :  figuras  fortunasque  hominuib  in  alias  imaginea 
conTersas  et  in  se  rursum  .  .  refdbtas  ut  mireris.  ezordior.  .  .  fabolam 
graecanicam  incipimus.  Ueber  die  Verwandlung  von  Menschen  in  Tbiere 
mit  Beibehaltung  des  menschlichen  Bewussteeins ,  aber  ohne  menschliche 
Sprache  (wie  schon  üdyss.  x,  239  f.),  s.  Augustin.  civ.  d.  XVIII,  17  f.,  wo  (c.  18): 
et  nos  cum  essemns  in  Italia  audiebamus  talia  de  quadam  regione  illarum 
partium,  ubi  stabularias  mulieres  .  .  dare  solere  dicebantnr  .  .  viatoriboa 
nnde  in  iumenta  illico  yerterentur  .  . ;  nee  tarnen  in  eis  meutern  fieri  bestia- 
lem,  sed  rationalem  humanamque  servari,  sicut  Apuleius  in  libris  quos 
Asini  aurei  titulo  inscripsit  sibi  ipsi  accidisse  ut  .  .  asinus  fieret  aut  indi- 
cavit  aut  finxit.  Letzteres  Missverständniss  ist  dadurch  veranlasst  dass  der 
Held  seine  Abenteuer  selbst  erzählt.  Der  Stoff  ist  vollkommen  gleich  mit 
Lukian's  Aoviuog  rj  Xhog:  nur  die  Namen  sind  verändert  und  statt  des 
heiteren  Schlusses  von  Lukian  ein  ernsthaft  phantastischer,  aber  sehr  un- 
passender angefügt.  Sonst  ist  Manches  was  gegen  die  Speculationen  auf 
die  Wundersucht  der  Zeit  gerichtet  ist  aus  dem  griechischen  Originale  bei- 
behalten; daher  um  so  weniger  zu  bezweifeln  ist  dass  dieses  Original  die 
Schrift  LukiAis  war  und  nicht  die  (selbst  abergläubische)  des  angeblichen 
Lukios  aus  Paträ;  s.  W.  Teuffei,  Studien  u.  Charakt.  S.  446  —  457,  vgl.  £. 
Bohde,  über  Lukian's  Schrift  Aov%ios  u.  s.  w.  (Leipzig  1869)  S.  14 — 18. 
Verwandte  Erzählungen  sind  aber  schon  älter;  vgl.  Met.  X,  22  «»  Lukian. 
Aov%.  51  mit  Charis.  p.  223,  14  E.:  Sisenna  Milesiarum  XIII  (oder  XIV): 
ut  eum  paenitus  utero  suo  recepit.  Ausser  dem  ist  aus  andern  (griechischen) 
ünterhaltungsbüchern ,  auch  wohl  wirklichen  Vorgängen  der  letzten  Zeit, 
eine  Anzahl  von  Spuk-,  Räuber-  und  Schmutzgeschichten  unorganisch  ein- 
geflochten, sowie  (IV,  28 — VI,  24)  die  bella  fabella  von  Amor  und  Psyche, 
deren  Kern  wohl  in  den  Orient  zurückreicht,  die  aber  in  der  vorliegenden 
Gestalt  sicher  nach  einem  griechischen  Originale  gearbeitet  ist,  unter  starker 
Romanisierung  im  Einzelnen  (W.  Teuffei  a.  a.  0.  S.  451  f.).  Auch  ausser 
dem  Schlüsse  hat  Ap.  wohl  Manches  in  dem  Werke  aus  sich  selbst  hinzu- 
gefügt. Sein  eigen  ist  jedenfalls  der  geschraubte  und  gezierte  Ton  der 
Darstellung.  Für  die  Sittengeschichte  ist  das  Werk  sehr  wichtig  und 
öfters  auch  heiter  zu  lesen.  Specialausgaben:  Bonon.  1500  foL  (cum  Be- 
roaldi  commentariis).  Venet.  1501.  fol.  Ed.  Pricaeus,  Goud.  1650.  Reo. 
Fr.  Eyssenhardt,  Berlin  1869.  Uebersetzt  von  Sieder  (Frankfurt  1605)  und 
Rode  (Berlin  1783,  2  Thle).  Fabula  de  Psyche  et  Cupidine  rec.  I.  C.  Orelli, 
Zürich  1833;  rec.  et  emend.  0.  Jahn,  Lips.  1856.  16.  Deutsch  von  F.  Pres- 
sel,  Ulm  1864.  0.  Jahn,  Novelletten  aus  Apulejus;  in  seinen  populären 
Aufsätzen  aus  d.  Alt.  Wiss.  (Bonn  1868)  S.  75—114. 

4.  Augustin.  de  civ.  d.  VIII,  14:  Apuleius  Platonicus  Madaurensis  de 
hac  re  sola  unum  scripsit  librum  cuius  esse  titulum  voluit  de  deo  Socra- 
tis,   ubi   disserit  et  exponit  ex   quo   genere   numinum  Socrates  habebat 


363.   Apuleius  (Schriften).  831 

adiunctum  etc.  dicit  enirn  apertiesime  et  copiosissime  asserit  non  illum 
deum  faisse,  sed  daemonem,  diligenti  dispntatione  pertractans  iBtam  Plato- 
nis  de  deorum  sublimitate  et  hominnm  humilitate  et  daemonum  medietate 
sententiam.  Priscian.  X,  17  (p.  509,  9  H.):  Apuleius  in  dialogo  qui  est  de 
deo  Soeratis.  Recens.  M.  Buckley,  London  1844.  Beitiftge  zur  Textkritik 
von  A.  Goldbacher,  Ztachr.  f.  d.  Ostreich.  Gymn.  XIX.  1868.  S.  803  —  818. 

5.  De  dogmate  Piatonis  libri  III.  Das  erste  Buch  behandelt  das 
äussere  Leben  Platon's  und  seine  Naturphilosophie;  das  zweite,  an  Fausti- 
nus  filins  gerichtete,  desseh  Ethik.  Das  dritte,  de  philosophia  rational i 
sive  ^£^1  EQfiTivsiag,  handelt  die  Logik,  statt  nach  Piaton,  vielmehr  in 
dürrster  Weise  nach  Aristoteles  und  den  Peripatetikem  ab,  kann  daher 
nicht  wohl  von  dem  Platoniker  Apulejus  herrühren  und  fehlt  auch  in  den 
besten  Handschriften.  Hildebrand  I.  p.  XLIY  meint  es  sei  durch  einen 
Grammatiker  des  dritten  oder  vierten  Jahrh. .  (weil  schon  Cassiodor  das 
Buch  citiert)  der  Schrift  des  Ap.  zur  Ergänzung  hinzngefflgt.  Dagegen 
0.  Jahn  (Berichte  der  sächs.  Ges.  d.  Wiss.  1850,  S.  282  f.)  und  C.  Prantl 
(Gesch.  der  Logik  im  Abendlande  I.  S.  579  S.y  halten  an  der  Urheberschaft 
des  Ap.  fest,  indem  0.  Jahn  die  Schrift  als  Theil  eines  encyklopädischen 
Werkes  aufFasst.  A.  Goldbacher^  zur  Kritik  ü.  Erkl.  von  Ap.  de  dogm.  PL, 
Wien  1871  (Sitzuugsber.  der  Wiener  Ak.,  philologisch-hist.  GL  LXVL 
S.  159—192). 

H.  Eoziol,  zur  Kritik  u.  Erkl.  der  kleineren  Schriften  des  Ap.,  im 
sechsten  Jahresbericht  des  Leopoldstädt.  Gymn.  in  Wien  1870,  S.  22 — 39. 

6.  Augustin.  de  civ.  dei  IV,  2:  quae  .  .  Apuleius  breviter  stringit 
in  eo  libello  quem  de  mundo  scripsit.  Die  Schrift  ist  gleichfalls  an 
Faustinus  gerichtet  und  enthält  viel  specifisch  Römisches;  s.  c.  35.  37..  14 
extr.  (Catonem  in  libris  Originum).  5  (in  nostro  mari).  17  (ut  Vesuvius 
noster  solet).  Hölscher,  über  das  Buch  des  Ap.  de  mundo,  Herford  1846.  4. 
Im  Proömium:  quare  nos  [Aristotelem  prudentissimum  et  doctissimom 
philosophorum  et]  Theophrastum  auctorem  secuti  fehlen  die  eingeklam- 
merten Worte  in  den  besten  Handschriften.  Vielleicht  sind  sie  ein  Zusatz 
eines  Grammatikers  welcher  die  pseudo- aristotelische  Schrift  nsQl  %6eiiov 
für  die  Hauptquelle  hielt.  Sehr  wenig  glaublich  ist  dass,  wie  A.  Stahr 
(Aristot'eles  unter  den  Römern  S.  164  ff.)  und  Barthöldmy  St.  Hilaire  (Ueber- 
setzung.der  Meteorolog.  des  Aristoteles,  Paris  1863,  p.  325 — 355)  meinen, 
vielmehr  die  Schrift  «sql  Koafiov  eine  griechische  Bearbeitung  von  der  des 
Apul.  aas  dem  dritten  oder  vierten  christl.  Jahrh.  sei.  Vgl.  Hildebrand  in 
seiner  Ausg.  des  Ap.  I.  p.  XLIV— XLIX.  Die  Ansicht  von  Fr.  Adam  (de 
auctore  libri  pseudo-aristot.  neql  noofiov^  Berol.  1861),  dass  sowohl  die 
lateinische  als  diä  griechische  Redaction  von  Ap.  herrühre,  hat  gegen  sich 
dass  die  lateinische  offen  an  Faustinus  gerichtet  ist,  während  die  griechische 
eine  Anrede  an  Alexander  M.  fingiert. 

7.  Ausserdem  trägt  in  den  Handschriften  den  Namen  des  Ap.  -a)  eine 
lateinische  Uebersetzung  eines  Gesprächs  über  Gott,  Welt  und  den  Men- 
schen, betitelt  Asclepius,  weil  darin  Hermes  Trismegistus  mit  Asklepios 
sich  unterredet.  Diesen  Bestandtheil  der  Hermesliteratur  kannten  in  dieser 
lateinischen  Bearbeitung  schon  Lactantius  (Inst.  VII,  18)  und  Augustinus 


S32  Di6  Eaiserzeit.   Zweites  Jahrhunclert.   M.  Aurelius. 

(de  civ.  dei  VIII,  23.  24.  26.  Orat.'  de  haeres.  V,  2),  ohne  sie  aber  mit 
der  Person  des  Ap.  in  Verbindung  zu  bringen,  wovon  auch  vemünftdger 
Weise  nicht  die  Rede  sein  kann.  Das  ziemlich  absurde  neuplatonische 
Product  yerräth  entschiedenen  Einfluss  des  Christenthums.  Material  bei 
Hildebrand  1.  p.  XLIX-LIV. 

b)  Die  wahrscheinlich  aus  dem  fönfben,  vielleicht  schon  dem  vierten 
christlichen  Jahrh.  und  aus  Africa  (s.  c.  84.  vgl.  mit  Plin.  N.  H.  XX,  10,  43) 
stammende  Compilation  besonders  aus  Dioskorides  und  Plinius,  betitelt  de 
herbarum  virtutibus  (medicaminibus) ,  128 — 131  Capitel,  wovon  ein  Theil, 
de  betonica,  auch  selbständig  und  ins  Angelsächsische  übersetzt  wurde; 
herausgg.  (öfters  als  Apuleius  Barbarus)  besonders  in  Parabilium  medicani. 
ßcriptores  antiqui,  ed.  I.  C.  G.  Ackermann  (Norimb.  1788),  vgl.  Choulant, 
Bücherk.  d.  alt.  Med.  S.  213  f.  E.  Meyer,  Gesch.  d.  Botanik  n.  S.  316—327. 
L.  Spengel  im  Philologus  XXI.  S.  120—122  und  L.  Mfiller,  Rhein.  Mus. 
XXIII.  S.  187 — 190  (über  den  cod.  Leid,  davon  aus  saec.  VI). 

c)  de  remediis  salutaribus  (Excerpte  aus  Plinius  Naturgesch.  XIX.  und 
XX.,  8.  Sillig  Quaest.  Plin.  I.  p.  8  ff.  E.  Meyer  a.  a.  0.  S.  327  f.),  wovon 
ein  Fragment,  e  cod.  Salmasiano  nunc  primum  editum,  in  Silligs  Pliniusausg. 
Vol.  V  in.  vgl.  p.  XLI,  und  emendiert  von  M.  Haupt,  Hermes  IV.  p.  166  f. 

d)  Wenig  überzeugend  sind  die  Gründe  aus  denen  Val.  "^Rose  (Anec- 
dota  graeca  I,  Berlin  1864,  S.  61—102;  Text  p.  103—169,  vgl.  Aristoteles 
pseudepigr.  p.  696  ff.)  eine  anonyme  lateinische  Schrift  über  Physiognomie, 
nach  Polemon  mit  Zusätzen  aus  Eudoxos  und  Aristoteles,  dem  Ap.  zu- 
getheilt  hat.  Indessen  scheint  sie  spätestens  in  der  Mitte  des  dritten 
christl.  Jahrh.  geschrieben  zu  sein.  H.  Sauppe,  Götti.  Gel.  Anz.  1866,  S.  22  f. 
und  (zur  Textkritik)  S.  23—26. 

8.  Von  den  Handschriften  der  Werke  des  Ap.  ist  die  wichtigste 
Flor.  3  =»  Laur.  LXVIII,  2  (P  bei  0.  Jahn,  Krüger  u.  Eyssenhardt)  saec.  XI. 
Aus  ihm  stanmien  alle  andern,  auch  Laur.  XXIX,  2  (9  bei  Jahn  u.  s.  w.) 
saec.  XII,  der  aber  älter  ist  als  -die  secunda  manus  (f)  des  F.  Die  andern 
sind  interpoliert.  H.  Keil,  Observationes  (oben  121,  1)  p.  77 — 81.  Ver- 
zeichniss  derselben  bei  Hildebrand  I.  p.  LX  ff.  ^ 

9.  Ausgaben.  Ed.  princeps  Rom.  1469.  Junt.  1512.  1522.  Cum 
comm.  Phil.  Beroaldi,  Bonon.  1500.  Aldina  1521.  Emend.  illustr.  P.  Colvius, 
Lugd.  Bat.  1588.  2  Voll.  Post  Colvii  ed.  expurg.  B.  Vulcanius,  Lugd.  B. 
1594.  Ed.  sec.  (cura  Jos.  Scaligeri)  ib.  1600.  Cum  nott.  varr.  1614.  2  Voll. 
Rec.  Elmenhorst,  Frankfurt  1621.  Ed.  J.  Floridus,  Paris  1688.  2  Voll. 
Ed.  Bip.  1788.  2  Voll.  Hauptausgabe  von  F.  Oudendorp,  Lugd.  B.  1786 
—  1823.  3  Voll.  4.  Samnaelansgabe  jyon  G.  F^jgildebrand^  Lips.  1842. 
2  Voll.  8.  Ed.  minor,  Lips.  1843.  L.  Spengel,  die  griechischen  Stellen  im  Ap., 
Rhein.  Mus.  XVI.  S.  27—37.  Oeuvres  completes  d'Apul^e,"  trad.  en  frau^ais 
))ar  V.  B^tolaud,  Paris  1835.  3  Voll.  Nouvelle  Edition  entierement  refon- 
due,  Paris  1862.  2  Voll. 

10.  Die  mageren  Schriften  des  sogen.  Apuleius  minor  frühestens  saec.  X^ 
de  nota  aspirationis  und  de  diphthongis,  hat  F.  Osann  (p.  87  — 146)  zu- 
sammen   mit    L.   Caecilii    Minutiani    Apulci    de    orthographia    fragmonta 


363  f.   ApuleiuB  (Schriften).   Juristen:  Cervidius  Scaevola  u.  A.     833 

(p.  3 — 13;  animadversiones  d&zu  p.  14 — 83),  Darmstadt  1826  (XXXIV  u. 
168  pp.)  herausgegeben.  Dass  aber  letztere  (zuerst  herausgg.  von  A.  Mai, 
Rom  1823),  worin  mit  Citaten  aus  allen  möglichen  untergegangenen  Schrif- 
ten geprunkt  wird,  ein  Machwerk  aus  der  zweiten  Hälfte  des  16.  Jahrh.  sind 
hat  Madvig  nachgewiesen,  Opusc.  acad.  I.  p.  1 — 26  und  (gegen  Osann,  in 
Jahn's  Jahrbb.  XIII.  S.  306—837)  p.  26  —  28.  Vgl.  R.  Merkel  in  sr.  Ausg. 
der  Ibis  p.  384  ff. 

« 

364«  Als  Juristen  waren  unter  M.  Aurelius  noch  ins46 
Tbätigkeit  Maecianus^  Ulpius  Marcellus  u.  A.  Zu  diesen  gesellte 
sich  jetzt  besonders  Q.  Cervidius  Scaevola,  der  Lehrer  des 
Papinian.  Seine  Schriften,  namentlich  die  vierzig  Bücher  Digesta, 
sind  in  den  Pandekten  stark  benutzt  Sie  schlössen  sich  äusser- 
lich  meist  an  Julians  System  an^  dasselbe  auf  der  Grundlage 
gegebener  Fälle  weiterbildend.  In-  derselben  Zeit  verfasste 
Papirius  Justus  eine  Sammlung  kaiserlicher  Constitutionen  und 
schrieb  Patemus  ein  Werk  de  re  militari.  Ein  jüngerer  Zeit- 
genosse derselben  war  wohl  Papirius  Fronto. 

1.  Capitol.  M.  FhiloB.  11,  10:  usus  est  Scaevola  praecipue  iuris  perito. 
Spartian.  Carac.  8,  3:  memoriae  traditur  .  .  eum  (Papinian)  cum  Severe 
(dem  nachmaligen  Kaiser  Septimius  Sev.)  professum  sub  Scaevola.  Dig. 
XXXVI,  1,  22  pr.:  Scaevola  divum  Marcum  in  auditorio  .  .  iudicasse  refert. 
Dass  er  aber  schon,  unter  Pins  gewirkt  habe  geht  aus  seiner  Anföhrung 
von  Imp.  Antoninus  Pius  libertis  Sextiae  Basiliae  (Dig.  XXXTV,  1,  13,  1) 
nicht  hervor.  Tryphoninus  und  Paulus  nennen  ihn  regeln^s^ '^caevola 
noster,  Paulus  einmal  (Dig.  XXYIII,  6,  38,  3)  sogar  Q.  Cßrvidius  Scaevola 
noster  (dicebat),  woraus  folgt  dass  diese  von  ihm  Schüler  waren,  nicht 
aber  dass  sie  noch  bei  seinen  Lebzeiten  schrieben;  s.  Th.  Mommsen,  Ztschr. 
f.  Kechtsg.  IX.  S.  115  f. 

2.  Hauptschrift  des  Scaevola:  Digestorum  libri  XL,  verfasst  in  der 
ersten  Hälfte  von  M.  Aurels  Regierung  (Fitting  S.  26);  unter  Ck>mmodus 
(vor  dem  J.  195)  Besponsorum  libri  VI  und  Quaestionum  libri  XX,  letztere, 
wie  es  scheint,  mit  ausführlicher  Entwicklung  der  Gründe  fBr  die  in  jenen 
Werken  gegebenen  Rechtsentscheidungen.  Ausserdem:  lib^  singularis 
quaestionum  publice  tractatarum;  libri  IV  Begularum  (vgl.  A.  4).  Die 
Excerpte  aus  diesen  Schriften  (an  307  Stellen)  bei  Hommel,  Palingenesia  IL 
p.  413—491.  Nur  citiert  werden  Scaevola's  Notae  ad  luliani  Digesta  und 
Notae  ad  Marcelli  Digesta  (ib.  p.  457.  491  f.),  und  nur  im  Index  Floren- 
tinus  genannt  wird  sein  liber  singularis  de  quaestione  familiae.  An  Clau- 
dius Tryphoninus  und  Paulus  fand  Scaev.  Commentatoren. 

3.  Modestinus  Dig.  XXYII,  I,  13,  2:  ovtmg  %al  KeffßÜMg  IhucißoUs 
xal  UccvXog  %al  Jofiiriog  OvXitutvog ,  ot  %o^(pcciot  xAv  voiUTuivy  yifdq>ovaiv. 
Tryphon.  Dig.  XXXV,  1,  109:  magno  ingenio  de  iure  aperto  respondit 
Cod.  Theod.  IV,  4,  3,  3  nennen  ihn  die  Kaiser  Arcadius  und  Honorius 
auctorem    prudentissimum    ictoinim.     Fremde    Ansichten    werden    in    den 

Tkuffkl,  RQm.  Literaturgetchiohte.    8.  Auä.  53 


834  Die  Eaiserzeit.    Zweites  Jahrhundert.   M.  Aurelius. 

Ueberresten  der  Digesta  des  Scaev.  (bei  Hommel  p.  413—457)  fast  niemals 
berücksichtigt,  desto  häufiger  aber  wird  von  vorgekommenen  Fällen  aus- 
gegangen; wohl  eine  Folge  des  Anschlusses  an  Julians  Werk.  Dagegen  in 
den  Quaestiones  werden  Vorgänger  nicht  selten  genannt. 

4.  J.  0.  Westenberg,  de  iurisprudentia  Q.  C.  Sc,  Lugd.  B.  1734.  4. 
(=B  Trias  opusc.  acad.  ed.  Püttmann,  Lips.  1795).  J.  L.  Conrad!,  de  vita 
et  scriptis  Q.  C.  Sc,  Lips.  1754  f.  4.  (»»  Opusc  I).  Zimmern,  Gesch.  d. 
röm.  Privatr.  I,  1.  S.  359—361.  Rudorff,  röm.  Rechtsg.  S.  186  f.  Fitting, 
Alter  d.  Schrr.  S,  25—27. 

5.  Dositheus  gibt  im  dritten  Buche  seiner  'EQfirivBVfiarci  (unten  370,  5) 
unter  der  Ueberschrift  av/ygcifiiicetiov  vofunov  (uxXicxa  neoi  ilsv&sifdcsatv 
=  disputatio  forensis  maxime  de  manumissionibus  einen  Abschnitt,  aus  dem 
Werke  eines  Juristen,  theilweise  mit  griechischer  Uebersetzung.  Es  wird 
daher  fragmentum  Dositheanum  genannt  oder,  nach  seinem  Inhalte,  fragm. 
de  iuris  speciebns  et  manumissionibus.  Da  das  Stück  einem  Begulae  be- 
titelten Werke  entnommen  scheint  (3:  regulas  igitur  exequenti  quae  ad 
haec  studia  peitinent) ,  so  hat  Dirksen  den  Gäjus  für  den  Verfasser  erklärt, 
Lachmann  und  Rudorff  (röm.  Rechtsgesch.  I.  S.  194.  242)  den  Paulus,  Voigt 
den  PomponiuB,  Huschke  aber  (lurisprud.  anteiust.'  p.  341  f.)  den  Seae- 
vola,  weil  in  dessen  Ueberresten  sich  besondere  Berücksichtigung  des  Grie- 
chischen wahrnehmen  lasse.  Abdruck  jenes  Stückes  in  den  Ausgaben  des 
Dositheus  von  E.  Böcking  (Bonn  1832.  Corpus  iuris  anteiust.  p.  193  ff. 
ülpiani  fragm.,  Lips.  1855,  p.  159  ff.)  und  bei  Huschke,  lurisprud.  anteiust.' 
p.  343—350. 

6.  Ueber  Claudius  Satuminus  s.  oben  356,  6. 

7.  Papirius  lustus  de  constitutionibus  libri  XX  nach  Index  Flor. 
In  den  Digesten  sind  aus  B.  I,  II  und  VIII  Stellen  angeführt  (s.  Hommel, 
Paling.  I.  p.  617 — 619).  Die  aus  den  beiden  ersten  Büchern  beginnen  alle: 
Imperatores  Antoninus  et  Veras  Augg.  rescripserunt,  sind  also  aus  J.  161 
— 169;  das  Fragment  aus  B.  VIII  (Dig.  II,  14,  60)  beginnt:  Imp.  Antoninus 
Avidio  Cassio  rescripsit,  stammt  somit  aus  J.  169 — 175.  Wenn  daher  das 
Werk  die  chronologische  Ordnung  befolgte,  so  wären  die  ersten  Bücher 
unter  den  divi  fratres,  die  weiteren  unter  'M.  Anrel  herausgegeben  worden. 
Das  letzte  Drittel  konnte  dann  unter  Commodus  verfasst  sein  und  dessen 
Constitutionen  enthalten.  A.  C.  Stockmann,  Pap.  I.  fragmenta  illnstrata, 
Lips.  1792.  4.  P.  E.  Piepers,  de  P.  L  icto,  Lugd.  B.  1824.  4.  Zimmern, 
I,  1.  S.  155  f.  356.  Rudorff,  Rechtsgesch.  I.  S.  185.  274.  Fitting,  Alter 
d.  Schrr.  S.  24  f.    Huschke,  Zeitschr.  f.  Rechtsgesch.  VI.  S.  281.  320.  327  f. 

8.  Tarrutenius  Paternus,  unter  M.  Aurelius  dessen  ab  epistulis 
latinis  (Dio  LXXI,  12:  TaQQOvtT^vi^ov  öh  ndtsgvov  tov  tag  ini^atolocg  avroif 
tag  XatCvag  Sia  x^^Qog  ex^*^*^)  ^^^  zugleich  siegreicher  Befehlshaber  gegen 
die  Markomannen,  noch  unter  Commodus  praef.  praet.,  aber  auch  hin- 
gerichtet; s.  A.  Haakh  in  Pauly's  Real-Enc  V.  S.  1223  f.  Sein  Werk  de 
re  militari  umfasste  nach  dem  ind.  florent.  4  Bücher.  Zwei  Stellen  aus 
B.  1  u.  II  Dig.  XLIX,  16,  7.  L,  6,  6  vgl.  XLIX,  16,  12,  1.  Veget.  de  re 
mil.  I,  8  (oben  54,  2):  quae  Paternus,  diligentissimus  iuris  militaris  adsertor. 


364  f.    Juristen  unter  M.  Aurelius.    Septimine  Severus.  835 

in  libros  redegit.   H.  E.  Dirksen,  der  Bechtsgelehrte  und  Taktiker  Patemus 
u.  8.  w.,  Berlin  1856.  4.  =  hinterlassene  Schriften  II.  S.  412  ff. 

9.  Callistr.  Dig.  L,  16,  220,  1:  sed  et  Papirius  Fronte  libro  tertio 
Respopsorum  ait,  und  XIV,  2,  4  fin.:  haec  ita  Papirius  Fronte  respondit. 
Marcian.  Dig.  XV,  1,  40  pr.:  eleganter  P.  Fr.  dicebat,  und  XXX,  114,  7: 
yerius  esse  existime  quod  et  Scaevola  notat  et  Papirius  Fronte  scribit. 

8«   Die  Zelt  des  Commodus  und  Septimias  SeyemB, 

J,  180—211  n.  Chr. 

365.  Des  M.  Aurelius  ungleicher  Sohn  Commodus  (J.  161347 
— 192)  hatte  für  nichts  Geistiges  Interesse.  Der  tüchtige  Sep- 
timius  Severus  (J.  146  —  211)  aber,  welcher  nach  den  kurzen 
Regierungen  des  Pertinax  und  Didius  Julianus  auf  den  Thron 
gelangte,  verfasste  eine  Selbstbiographie.  Als  Jurist  wirkt  in 
dieser  Zeit  hauptsächlich  Papinianus.  Das  Christ^nthum  gewinnt 
auch  unter  den  Gebildeten  an  Boden  und  hat  so  beredte  Ver- 
theidiger  wie  Minucius  Felix  und  Tertullianus.  In  gebundener 
Form  hat  die  Zeit  nur  vergilische  centones  aufzuweisen. 

1.  Commodus  geb.  31  August  161,  Caesar  seit  12  Oct.  166,'  Kaiser 
seit  17  März  180,  mit  dem  Titel  M.  Aurelius  Commodus  Antoninus  Pius 
Felix  Aug.,  ermordet  31  December  192  n.  Chr.  Saevior  Domitiano,  in- 
purior  Nerone,  Lamprid.  19,  2.  H^buit  litteratorem  graecum  Onesicratem, 
latinum  Capellam  Antistium;  orator  ei  Ateius  Sanetus  fuit,  ib.  1,  6. 

2.  Lamprid.  Comm.  3,  4:  appellatus  est  a  mimis  quasi  constupratus, 
eosdemque  .  .  subito  deportavit.  13,  2:  vei-sus  in  eo  (eum)  multi  scripti 
sunt,  de  quibus  .  .  Marius  Maximus  gloriatur. 

» 

3.  P.  HelviuB  Pertinax,  Kaiser  vom  1  Jan.  bis  28  März  193;  s.  oben 
360,  12.  Didius  Salvius  lulianus  ist  es  nach  ihm  66  Tage  lang;  s.  W. 
Teuffei  in  Pauly's  Real-Enc.  IV.  S.  397—400. 

4.  L.  Septimius  Severus  Pius  Pertinax  Aug.  (Arabiens,  Adiabe- 
nicus,  Partbicus  etc.),  in  den  Bechtsquellen  kurzweg  Severus,  geb.  8  April  146 
zu  Leptis  in  Africa,  Cos.  unter  Commodus  (186?),  Kaiser  193,  macht  seinen 
Sohn  Caracalla  zum  Augustus  J.  198,  f  ^  Februar  211.  Vgl.  A.  Haakh  in 
Pauly's  Real-Enc.  VI,  1.  S.  1132—1136,  Nr.  1.  Spartian.  Sev.  1,  4  f.:  prius 
quam  latinis  graecisque  litteris  imbueretur,  quibus  eruditissimus  foit. 
.  .  octavo  decimo  anno  publice  declamavit.  postea  sttidiorum  causa  Romam 
venit  (unter  M.  Aurelius).  3,  7:  Athenas  petit  studiorum  sacrorumque  causa. 
18,  5:  pbiloBopbiae  ao  dicendi  studiis  satis  deditus,  doctrinae  quoque  nimis 
cupiduB.  18,  11:  cum  eum  ex  humili  per  litterarum  et  miHtiae  of&cia  ad 
imperium  .  .  fortuna  duxisset.  Victor  Caes.  20,  28:  ortus  medie  humilis 
primo  litteris,  deinde  imbutus  foro;  quo  parum  commodante  .  .  dum  tentat 
varia  .  .  conscendit  imperium.  Eutrop.  VIII,  18:  hie  primum  fisci  advocatus, 
mox  militaris  tribunus  etc.    Spartian.  Sev.  19,  9:  canorus  voce,  sed   afrnm 


836  Die  KaiBeneit.    Zweites  Jahrhundert  (J.  180—211). 

quiddam  asqne  ad  senectatem  sonans.  Vgl.  16,  7:  cum  soror  sua  Leptitana 
ad  eum  venisset  vix  latine  loqnens.  Dio  LXXVI,  16:  natdsiecg  ins&viift 
(ucXXov  7}  InfTVyxccvB  xal  dta  rovxo  noXvyvmfiayv  fucHov  ^  noXvloyog  r{». 

5.  Spartian.  Sev.  18,  6:  vitam  snam  privatam  publicamque  ipse  con- 
pOBuit  ad  fidem,  solum  tarnen  vitium  cmdelitatis  excnsans.  3,  2:  uxorem 
.  .  de  qua  tacuit  in  historia  yitae  privatae.  Vict.  Gaes.  20,  22:  idem  abs 
se  gesta  omatn  et  fide  paribos  conposnit.  Capitol.  Clod.  Alb.  10,  1:  SeveruB 
qoidem  ipse  haec  de  eodem  loquitur.  Dio  LXXY,  7:  Xsym  yag  (über  des 
AlbinuB  Tod)  ovx  oaa  o  SsovrJQog  fy^atfrev,  dXX'  oca  aXti^ag  iytvfro. 
Schreiben  des  Sev.  an  den  Senat  bei  Capit.  Clod.  Alb.  12,  6  ff . 

6.  Capitol.  Albin.  11,  7:  agri  oolendi  peritissimus^  ita  ut  etiam  Geor- 
gica  scripserit  (Clodius  Albinus,  um  130 — 194  n.  Chr.).  müesiaB  nonnulli 
eiusdem  efise  dicuut,  quarum  fama  non  ignobilis  habetur,  quamvia  medio- 
criter  scriptae  sint.    Vgl.  Haakh  in  Pauly's  Real-Enc.  Tl.  S.  463  f. 

7.  TertuU.  de  praescript.  haeret.  39:  vides  hodie  ex  Vergilio  fabulam 
in  totum  aliam  componi,  materia  secundum  versus,  versibus  secundum 
materiam  concinnatis.  denique  Hosidius  Geta  Medeam  tragoediam  ex 
Vergilio  plenissime  exsuxit.  mens  quidam  propinquus  ex  eodem  poeta 
inter  cetera  stili  sui  otia  Pinacem  Cebetis  explicuit.  Ein  solcher  cento, 
Medea,  mit  sehr  saloppem  Versbau,  ist  (ohne  den  Kamen  des  Hos.  G.^ 
überliefert  durch  den  cod.  Salmas.,  in  Riese's  anthol.  lat.  17  (1.  p.  49 — 66  •. 

:>4S  866«  Mit  Severus  befreundet  und  ungefähr  gleichaltrig  war 
der  grosse  Jurist  Aemilius  Papinianus.  Unter  Severus  prae- 
fectus  praetorio,  wurde  er  bald  nach  dem  Regierungsantritt  von 
dessen  Sohn  Caracalla  liingerichtet,  weil  er  auch  dem  andern 
Sohne,  Geta,  die  Treue  bewahrte.  Papinian  zeichnet  sich  aus 
nicht  blos  durch  juristische  Genialität,  durch  die  Sicherheit  und 
Klarheit  womit  er  den  einzelnen  Fall  rechtlich  beurteilt,  sondern 
zugleich  durch  lebendiges  Gefühl  für  Recht  und  Sittlichkeit, 
wodurch  er  über  die  Schranken  der  Nationalitat  vielfach  sich 
erhob  und  die  Verehrung  noch  späterer  Jahrhunderte  sich  ver- 
diente. Von  seinen  Schriften  sind  die  bedeutendsten  die  37 
Bücher  Quaestiones  und  die  19  Bücher  Responsa,  welche  beide 
in  den  justinianischen  Sammlungen  sehr  fleissig  benützt  sind. 

1.  Spartian.  Carac.  8,  2  f.:  Papinianum  amicissimnm  fuisse  imperatori 
iSevero  et,  ut  aliqui  loquuntur,  adfinem  etiam  per  secundam  uxorem  (Julia, 
aus  Syrien)  memoriae  traditur,  et  huic  praecipue  utrumque  filium  (Geta 
und  Caracalla)  a  Severo  commendatum,  eumque  cum  Severo  professum 
Bub  Scaevola  (oben  864,  1  —  4),  et  Severo  in  advocatione  fisci  (b.  oben 
365,  4)  BUCcesBisse.  Tryphonin.  Dig.  XX,  5,  12  pr.:  rescriptum  est  ab 
imperatore  (Severus?),  libeUos  agente  Papiniano;  vgl.  Vict.  Caes.  20,  38  f.: 
quem  femnt  illo  tempore  Bassiani  scrinia  curavisse,  .  .  cum  constet  satis 
praefecturam  praetorio  gessisse.'    Paul.  Dig.  XTI,   1,  40:  lecta  est  in  audi- 


866.   PapimanuB.  837 

torio  Aemilii  Papiniani,  praefecti  praetorio,  icti  cautio  huius  modi.  Dio 
LXXVI,  10  (J.  204):  avtov  (einen  Räuber)  h  üccitivicepog  o  inanixog  tftnj- 
iftto  etc.  Vgl.  ib.  14  (J.  208);  n€t(fi6t7i%i  aot  Ilanwucvog  6  inaifxog.  £t 
war  also  in  der  Präfectur  Nachfolger  des  Plautianas  (Herodian.  III,  10,  6  ff.), 
welcher  J.  203  hingerichtet  wnrde.  Vgl.  A.  2  f.  Mnratori  p.  361 ,  1  »» 
Henzen  5603  (vom  28  Mai  206):  snb  Maecio  Laeto  et  Aemilio  Papiniano 
pp.  pp.  VT.  em(inenti88imi0).     , 

2.  Dio  LXXI,  1  (J.  211):  tovg  oIxbIovs  tovg  filv  dni^llaisv  (Caracalla 
nach  seiner  Thronbesteigung),  iv  xal  Tlanivtavog  6  enuQxog  riv,  rovg  äs 
nccl  aniuxBivsv.  ib.  4:  ig  dvo  (ivffiuSag  nccQccxQfi(i>a  dntMLXBivzv ,  .  .  i%  9\ 
xmv  initpuvmv  dv9Qmv  äXXovg  re  %al  tov  Ilccjtiviavov.  xal  to»  yt  tbv 
Tlanivtavov  tpovsveavri  iitBtti»,r}itsv  ort  d^ivjj  ecvtov  nctl  ov  ^itpBi  SiBXQTlifccto. 
Spartian.  Carac.  3,  2:  (nach  Ermordung  des  Geta,  27  Febr.  212  n.  Chr.) 
innitens  Papiniano  et  Ciloni  ad  palatium  redit.  4,  1  f.:  dein  in  conspectu 
eins  PapinianuB  securi  percussus  a  militibus  et  occisus  est.  .  .  filium  etiam 
Papiniani,  qui  ante  triduum  quaestor  opulentum  munus  ediderat,  interemit. 
8,  7  f.:  constat  eum  quasi  fautorem  Getae  occisum  (vgl.  Spart  G^ta  6,  3). 
et  fertur  quidem  Papinianus,  cum  raptus  a  militibus  ad  palatium  traheretur 
occidendus,  praedivinasse,  dicens  stultissimum  fore  qui  in  suum  snbrogaretur 
locum  nisi*  adpetitäm  crudeliter  praefecturam  vindicaret.  Andere  Dar- 
stellungen ib.  8,  4 — 6.    Victor  Caes.  20,  33  f.  Zosim.  I,  9. 

3.  Spartian.  Sev.  21,  8:  Papinianum  iuris  asylum  et  doctrinae  legalis 
thesaurum,  quod  parricidium  excusare  noluisset,  occidit,  et  praefectum 
quidem,  ne  homini  per  se  et  per  scientiam  suam  magno  deesset  et  dignitas. 
Inst.  II,  23,  7  und  Cod.  VI,  25,  6,  1 :  homo  excelsi  ingenii  Papinianus.  Cod. 
V,  71,  14  u.  VI,  42,  16:  vir  prudentissimus  Papinianus.  VT,  42,  30:  acu- 
tissimi  ingenii  vir  et  merito  ante  alioB  excellens  Pap.  VII,  32,  3:  consul- 
tissimi  viri  Pap.  VH,  45,  14:  Pap.  summi  ingenii  vir.  Cod.  Theod.  I,  4,  3. 
Cassiod.  VI,  5.  Hieron.  Epist.  77,  3  u.  a.  VgL  A.  4.  Die  öfters  tadelnden 
Notae  welche  Marcian,  Ülpian  und  Paulus  zu  den  Schrift;en  des  Pap.  hinzu- 
fügten (vgl.  Cod.  Theod.  IX,  43.  Dig.  XVIII,  1,  72.  XXU,  1,  1,  2)  wurden 
von  Constantin  J.  321  cassiert  (Cod.  Theod.  I,  4,  1:  qui  dum  ingenii  laudem 
sectantur  non  tam  corrigere  eum  quam  depravare  maluerunt),  von  Justinian 
nicht  völlig  verschmäht,  doch  mit  Vorsicht  benützt;  s.  Cod.  I,  17,  J,  6: 
ea  quae  tmtea  in  Notis  Aemilii  Papiniani  ex  Ülpiano  et  Paulo  nee  non 
Marciano  adscripta  sunt,  quae  antea  nullam  vim  obtinebant  propter 
honorem  splendidissimi  Papiniani,  non  statim  respuere,  sed  si  quid  ex  his 
ad  repletionem  summi  ingenii  Papiniani  laborum  vel  interpretationem 
necessarium  esse  perspexeritis  et  hoc  ponere  legis  vicem  obtinens  non 
moremini. 

4.  Schriften  des  Pap.  Conatit.  Omnem  (Dig.  prooem.)  6:  vobis  .  . 
pulcherrimuB  Papinianus  non  solum  ex  Responsis,  quae  in  XIX  libros  com- 
posita  fuerunt,  sed  etiam  ex  libris  XXX  V 11  Quaestionum  et  gemino  volumine 
Definitionum,  nee  non  De  adulteriis  (libri  II  und  ein  liber  singularis)  .  . 
sui  recitationem  praebebit.  ne  autem  tertii  anni  auditores,  quos  Papinianistas 
vocant,  nomen  et  festivitatem  eins  amittere  videantur  etc.  Ausser  jenen 
Schriften  auch  De  ofßcio  aedüium  liber  singularis;   vgl.  Dig.  XLin,  10: 


838  Die  Kaiseneit.   Zweites  Jahrlmndert  (J.  180—211). 

i%  tov  acTwofunov  ftavoßißXov  tov  UamvMvov.  Ein  Fragment  ex  libr.  I. 
Bespons.'  sab  titnlo  de  pactis  in  der  lex  rom.  Visigothoriun  (Hosclike, 
iarispr.  anteiost.  '  p.  351);  43  Auszüge  aus  Pap/s  Schriften  in  den  Fragm. 
Vatic.,  und  695  Stellen  in  Justinians  Gesetzbfichern.  Letztere  zusammen- 
gestellt bei  Hommel,  Palingenesia  II.  p.  515 — 614.  Einen  ebenbürtigen 
Commentator  fanden  seine  Ueberreste  an  Cujacius  (Opera  Tom.  lY). 

5.  In  den  Ueberresten  der  Quaestiones  (welche  der  Ordnung  des  Edicts 
folgen)  nennt  Pap.  wiederholt  Optimus  Imp.  noster  Severus  (Dig.  XXXI, 
ß7,  9.  L,  5,  7.  vgl.  XXII,  1,  6),  lässt  aber  bei  früheren  consecrierten  Kaisern 
die  übliche  Bezeichnung  als  Divus  sehr  häufig  weg.  In  den  Besponsa  fügt 
sich  Pap.  bei  der  Titulatur  der  Kaiser  den  Regeln  des  Curialstils  mit  einer 
einzigen  (erzählenden)  Ausnahme  (Dig.  XX,  2,  1).  Dass  die  Besponsa 
später  (nach  198)  verfasst  sind  erhellt  aus  der  Bezeichnung  von  Severus 
und  Garacalla  als  optimi  maximique  principes  nostri  (Dig.  XXXIV,  9,  16,  1 
vgl.  fragm.  Vat.  294) ;  schon  Buch  IV  ist  nach  J.  206  verfasst,  und  B.  XV  ff. 
im  Laufe  von  211;  s.  Dig.  XXXIV,  9,  18  pr.  aus  B.  XV:  divus  Severus. 
Fitting,  das  Alter  d.  Schriften  S.  28—32.  Th.  Mommsen,  Zcitschr.  f.  Rechts- 
gesch.  IX.  S.  100  f. 

6.  Rechthaberischer  Eigensinn  ist  dem  Pap.  fremd;  s.  z.  B.  Dig.  XVIII, 
7,  6,  1:  nobis  aUquando  placebat.  .  .  sed  iu  contrarium  me  vocat  Subini 
seutentia.  Bezeichnend  auch  Dig.  XXVIII,  7,  15:  quae  facta  laedunt  pietatem, 
ezistimationem ,  verecundiam  nostram  et ,  ut  generaliter  dicam ,  contra 
bonos  mores  fiunt,  nee  facere  nos  posse  credendum  est.  Die  Darstellung 
hat  oft  die  Bündigkeit  von  Axiomen,  wie:  non  videntur  rem  amittere  quibus 
l>ropria  non  fuit;  donari  videtur  quod  nullo  iure  cogente  conceditur;  ins 
publicum  privatorum  pactis  mutari  non  potesi 

7.  Ev.  Otto,  PapinianuB,  s.  de  vita,  studiis,  scriptis,  honoribus  et  morte 
Aem.  Pap.,  Lugd.  Bat.  1718.  Brem.  1743.  B.  Voorda,  Papinianus,  s.  optimi 
icti  et  viri  forma  in  A.  P.  spectata,  Lugd.  Bat.  1770.  4.  Zimmern,  Gesch. 
d.  röm.  Privatr.  I,  1.  S.  361—364.  G.  Bruns  in  Pauly's  Real-Enc.  V.  S.  1141 
—  1144.  Rudorff,  Rechtsgesch.  I.  S.  188  f.  H.  E.  Dirksen,  üb.  d.  schrift- 
stellerische Bedeutsamkeit  des  Pap.,  hinterlassene  Schriften  II.  S.  449  ff. 

349  367«  Zeitgenossen  des  Papinian  sind  die  Juristen  Messius, 
Callistratus  und  Claudius  Tryplioninus,  die  beiden  Letzteren  durch 
die  Digesten  auch  als  Schriftsteller  bekannt.  Der  Halbgrieche 
Arrius  Menander  war  im  kaiserlichen  Bathe  und  schrieb  de  re 
militari.  Auch  der  Kirchenschriftsteller  Tertullianus  verfasste  in 
seiner  vorchristlichen  Zeit  juristische  Schriften. 

1.  Dig.  XLIX,  14,  50:  Valerius  Patruinus  procurator  imperatoris  .  . 
pracdia  .  .  addixerat.  .  .  Papinianus  et  Messius  novam  sententiam  indu- 
xcrunt;  .  .  pronuntiavit  tamen  secundnm  illorum  opiuioDcm  .  .  Trypho- 
iiiiio  (A.  3)  suggerente  etc.  Der  hier  genannte  Jurist  Messius  ist  sonst  nicht 
bekannt;  ein  T.  Messius  Extricatus  war  Cos.  II  im  J.  217  u.  Chr. 

2.  Des  Callistratus  vier  Bücher  de  iure  fisci  und  zwei  Bücher  Quae- 
stiones sind  unter  Severus  verfasst;  s.  Dig.  XLIX,   14,  2,  6  (aus  de  iure 


366  f.   PapiniannB  n.  a.  Juristen.  839 

fisci  n):  Imperator  noater  Seyems  Aug.  .constituit,  und  Dig.  I,  3,  38  (aus 
Quaestionum  I):  Imperator  noster  Severus  rescripsit.  Dagegen  das  Werk 
de  cognitionibus  (libri  VI)  ist  aus  dem  Anfang  der  Mitregentschaft  des 
Caracalla  (J.  198—211);  s.  Dig.  I,  19^  3,  2  (imperatores  nostri  Severus  et 
Antoninus)  aus  B.  VI,  und  L,  2,  11  (principes  nostri)  aus  B.  I,  neben  imp. 
noster  Severus  Aug.  ib.  L,  4,  14,  4  (gleichfalls  aus  B.  I).  Es  berück- 
sichtigte besonders  das  Bedürfoiss  der  Untersuchungsrichter,  auch  durch 
praktische  Bemerkungen  wie  Dig.  I,  18,  19.  Ausserdem  Edicti  monitorii 
libri  oder  Ad  edictum  monitorium  und  Institutionum  libri  III,  wie  es  scheint 
nach  GajuB.  Die  99  Excerpte  aus  diesen  Schriften  die  sich  in  den  Pan- 
dekten finden  s.  bei  Hommel,  Palingenesia  I.  p.  129 — 146.  Dass  Gallistr. 
ein  geborner  Grieche  ist  verräth  sich  nicht  selten  in  seiner  Sprache. 
G.  A.  Jenichen,  Ep.  singularia  de  Call,  icto,  Lips.  1742.  4.  Pinto^  de  Call, 
icti  Bcriptis  quae  supersunt,  Lugd.  Bat.  1836.  302  pp. 

3.  A.  Claudius  Tryphoninus  (Cod.  I,  9,  1),  mit  Papinian  im  con- 
silium  principis  (s.  A.  1),  schrieb  Notae  zu  Scaevola's  Digesten  in  welchen 
M.  Aurel  divus  heisst  (Dig.  XVIII,  7,  10:  Claudius),  die  aber  schon  von 
Papinian  in  B.  XIV  seiner  Responsa  angefahrt  wurden  (Dig.  XXXIV,  9,  25,  1 : 
apud  Scaevolam  libro  XXX  Digestorum  Claudius  notat).  Später  verfaast 
sind  seine  21  Bücher  Disputationum ;  s.  Dig.  XXVII,  1,  44  (aus  B.  II)  und 
XLIX,  15,  12,  17  (aus  B.  IV):  imp.  noster  (Caracalla)  cum  divo  Severe 
patre  suo;  XLVIII,  19,  39  (aus  B.  X):  optimi  imperatoris  nostri.  UngenaiU 
XX,  ^5,  12  pr.  (aus  B.  VIII):  rescriptum  est  ab  imperatore  (Severus),  libellos 
agente  Papiniano.  Die  Ueberreste  bei  Hommel,  Palingönesia  II.  p.  509 
—  530.  Fitting,  d.  Alter  d.  Schrr.  S.  32.  Bescrlpt  des  Caracalla  an  ihn 
vom  J.  213  im  Cod.  I,  9,  1.    Chr.  Rau,  de  Cl.  Tr.  icto  rom.,  Lips.  1768.  4. 

4.  Ulp.  Dig.  IV,  4,  11,  2  in  einem  Rechtsfalle  aus  der  Zeit  des  im- 
perator  Severus  (also  wohl  J.  193 — 198):  cum  susceptam  tutelam  non  alii 
soleant  deponere  quam  .  .  hi  qui  circa  principem  sunt  occupati,  ut  in 
consiliarii  Menandri  Arrii  persona  est  indultum  (erst  in  der  Zeit  des 
Ulpian?).  Seine  vier  Bücher  über  das  Militärrecht  sind  unter  Severus 
zwischen  198  und  211  verfasst;  s.  Dig.  XLIX,  16,  13,  6:  divus  Severus  et 
Antoninus  .  .  iusserunt,  quod  .  .  Menander  scribit,  während  sonst  Menander 
von  der  Mitregentschaft  des  Cafäcalla  absiebt;  s.  Dig.  XLIX,  16,  4,  9 
(vgl.  ib.  5,  4):  imperator  noster  rescripsit.  Die  Stellen  und  Anfahrungen 
daraus  bei  Hommel,  Paling.  I.  p.  447 — 450.  Coelest.  Mirabelli  comm.  ad 
fragm.  A.  M.,  Biturig.  1667  und  cum  notis  ed.  J.  G.  Harnisch,  Lips.  1752.  4. 
P.  J.  Siiringar,  de  A.  M.  icto  eiusque  fragmentis,  Lugd.  Bat.  1840.  Fitting, 
d.  "Alter  d.  Schrr.  S.  33  f. 

5.  Unbekannt  ist  das  Zeitalter  des  Rutilius  Maximus  aus  dessen  über 
singularis  ad  legem  Falcidiam  Dig.  XXX,  125  eine  Stelle  angeführt  wird 
(zwischen  solchen  des  Neratius  und  des  Paulus).  Vgl.  Fragm.  Vat.  113: 
frustra  Maximus  .  .   iudicavit  etc.  und:  Maximi  sententia  .  .  placuit. 

6.  Aus  TertuUiani  Quaestionum  libri  VIII  werden  in  den  Digesten 
zwei  Stellen  angeführt,  aus  seinem  Über  singularis  de  castrensi  peculio 
drei ;  s.  Hommel ,  Paling.  II.  p.  505  f.  Wie  er  selbst  den  Sex.  Pomponius 
citierte  (Dig.  XXIX,  2,  30,  6)  so  wird  er  von  Ulpian  in  den  unter  Caracalla 


840  IHe  Kaiserzeit.   Zweites  Jalurhundert  (J.  180—211). 

verfassten  libri  ad  Sabimun  mehrff^h  angeflüirt.  Der  Jorist  dieses  Namens 
ist  also  jedenfallB  gleichzeitig  mit  dem  Eirchenschriftsteller  (unten  369). 
Ihn  von  diesem  zu  unterscheiden  ist  um  so  weniger  ein  Anlass  ab  Letzte- 
rer unzweifelhaft  Jurist  war  (tovc  ^VmyMUov  voitovg  rixQißwtota  avSffa 
.nennt  ihn  Euseb.  h.  eccl.  II,  2)  und  in  seinen  theologischen  Schriften  allent- 
halben den  rechtskundigen  Adyocaten  verr&th  (z.  B.  apolog.  1 — 6.  28 — 44. 
de  anima  6),  andererseits  die  angebliche  Verschiedenheit  der  Darstellung 
in  den  juriitiachen  üeberresten  gegenfiber  yon  den  theologischen  Schriften 
auf  Rechnung  des  beiderseitigen  Gegenstandes  kommen  mag.  J.  H.  Blumen- 
bach, de  Bcto  Q.  Septimio  Florente  presbytero  et  icto  Tertulliano,  Lips. 
1786.  4.  J.  C.  Wiesenhavem,  de  icto  Q.  Sept.  Flor.  Tertulliano,  Hildes- 
heim 1743.  4.  J.  A.  Pagenstecher,  de  iurisprudentia  TertuUiani,  Harderov. 
1768.  4.  Zimmern,  Privatr.  I,  1.  S.  365—367.  Budorff,  Rechtsgesch.  I. 
S.  196  f.    Fitting,  d.  Alter  d.  Schrr.  S.  33. 

360  368.  Die  älteste  auf  uns  gekommene  cl^tliche  Schrift  in 
lateinischer  Sprache  ist  des  M.  Minucius  Felix  Dialog  Octavius. 
Die  gegen  das  Christentham  und  seine  Bekennet  bestehenden 
Vorurteile  und  Einwendungen  werden  darin  mit  Lebendigkeit 
und  Schärfe  dargelegt^  aber  auch  mit  Geist^  Scharfsinn  imd 
Beredtsamkeit  als  nichtig  erwiesen.  Der  Verfasser  steht  auf 
der  Höhe  der  philosophischen  und  ästhetischen  Bildung  seiner 
Zeit  und  schreibt  auch  für  Gfebildete.  Die  Form  lehnt  sich  an 
antike  Vorbilder  an  und  ist  gewandt  und  geschmackrolf. 

1.  Lactant.  inst.  div.  V,  1  (p.  230  Fri.):  si  qui  forte  litteratorum  se 
ad  eam  (die  sapientia  et  veritas  ««  Christenthum,  ygl.  A.  4)  contulerunt 
defensioni  eins  non  suffecerunt.  ex  üs  qui  mihi  noti  sunt  Minucius  Felix 
non  ignobilis  inter  causidicos  loci  fuit.  huius  liber,  cui  Octavio  titnlus 
est,  declarat  quam  idoneus  veritatis  assertor  esse  potuisset  si  se  totnm  ad 
id  Studium  contulisset.  Septimius  quoque  Tertullianus  etc.  (unten  369,  2). 
Vgl.  ib.  I,  11  (p.  29):  Minucius  Felix  in  eo  libro  qui  Octavius  inscribitur. 
Hieronjm.  de  yir.  ill.  68:  Minucius  Felix,  Bomae  insignis  causidicus,  scripsit 
dialogum  Christian!  et  ethnid  disputdntium  qui  Octavius  inscribitur.  sed 
et  alius  sub  nomine  eins  fertur  De  fato  vel  Contra  mathematicos,  qui  cum 
sit  et  ipse  diserti  hominis  non  mihi  videtur  cum  superioris  libri  stilo  con- 
venire.  Veranlasst  war  die  Unterschiebung  dadurch  dass  Octav.  36,  6  (ac 
de  fato  satis  vel,  si  pauca  pro  tempore,  disputaturi  alias  et  uberius  et 
plenius)  eine  derartige  Schrift  halb  in  Aussicht  gestellt  wird.  Nach  der 
Reihenfolge  seiner  Aufz&hlung,  welche  im  Wesentlichen  chronologisch  ist, 
aber  mit  häufigen  Inconsequenzen,  scheint  Hieron.  den  Minucius  unter 
Severus  zu  setzen.  Vgl.  noch  Hieron.  £p.  70,  6  (ad  Magnum  or.):  veniam 
ad  LatinoB.  quid  Tertulliano  emditius?  .  .  Minucius  Felix,  causidicus  ro- 
mani  fori,  in  libro  cui  titulus  Octavius  est  et  in  altero  contra  mathemati- 
cos (si  tarnen  inscriptio  non  mentitur  auctorem)  quid  gentilinm  scriptu- 
rarum  dimisit  intactum?  Septem  libros  adv.  g.  Amobius  edidit  totidemque 
discipulus  eins  Lactantius.    .  .  Victorinus  etc.    Cyprianus  etc.    Unter  den 


36a.  Minucitis  Felix.  841 

beiden  Zeitgenossen,  Minucius  und  Tertnllianus ,  stellt  Hieron.  den  be- 
rühmteren und  vielleicht  auch  physisch  älteren  voran.  Dass  aber  der  Octa- 
vius  früher  verfasst  ist  als  die  älteste  grössere  christl.  Schrift  des  Tert., 
sein  apologeticum,  erhellt  aus  der  von  A.  Ebert,  Abhandl.  der  sächs.  Ges. 
d.  Wiss.  1868,  8.  363 — 379,  gelieferten  Nachweisung  dass  Tert.  in  diesem 
apol.  den  Oct.  benutzt  hat. 

2.  Dialogische  Form  in  der  Weise  des  Aristoteles  und  Cicero,  zu- 
letzt des  Annius  Florus  (oben  336,  7).  Insbesondere  lehnt  sich  die  Ein- 
kleidung' an  Ciceros  Schrift  de  deorum  natura  an;  s.  Ebert  (A.  1)  S.  328 — 331. 
354—358:  367  f.  E.  Behr,  der  Oct.  des  M.  F.  in  seinem  Verhältn.  zu  Cic. 
de  d.  n.,  Gera  1870.  35  S.  Diss.  Auch  Seneca's  Schriften  de  superstitione 
und  de  Providentia  sind  benützt.  Interlocutoren  sind  Caecilius  Natalis, 
Octavius  lanuarius,  und  der  Verfasser  (Marcus).  Letzterer  und  Caecilius 
haben  ihren  Wohnsitz  in  Born,  des  Minucius  Freund-  und  Studiengenosse 
(contubemalis),  der  Sachwalter  (28,  3)  Octavius,  in  der  Provinz  (etwa 
Africa).  Die  Scene  ist  an  der  Meereslcfiste  bei  Ostia;  die  Zeit  in  die  das 
erzUilte  Gespräch  versetzt  wird  eine  ziemlich  lange  vergangene,  als  der 
jetzt  verstorbene  Octavius  noch  ganz  kleine  Kinder  hatte  (2,  1)  und  Fronte, 
wie  es  scheint,  noch  am  Leben  war  (Cirtensis  nostri  oratio  sagt  Caecilius 
9,  6;  tuus  Fronte  31,  2  Octavius).  Von  neueren  Schriftstellern  werden 
Thallus  (21,  4)  und  Antonius  lulianus  (oben  346,  1)  genannt.  Benützung 
der  griechischen  Apologeten  ist  nicht  zu  erweisen.  Nach  der  Offenheit  der 
Darlegung  und  dem  völligen  Fehlen  von  Bitterkeit  sollte  man  glauben  die 
Schrift  wäre  aus  einer  Zeit  wo  das  Christenthum  keine  äusseren  Anfech- 
tungen  zu  erfahren  hatte. 

3.  CaeciUuk  (A.  2)  greift  das  Christentl^um  an,  als  Abfall  von  dem 
Glauben  der  Väter  and  als  verstossend  gegen  Moral  und  Sitte.  Octavius  (A.  2) 
vertheidigjb  es,  zuerst  (c.  17 — 27)  als  einen  Fortschritt  gegenüber  von  dem 
Polytheismus,  dessen  Mängel  und  schlimme  Conseqnenzen  nachdrücklich 
gegeisselt  werden,  dann  (28 — 38)  tritt  er  für  die  sittlichen  Anschauungen 
und  Gebräuche  der  Christen  ein.  Der  (xegner  bekennt  sich  in  der  Haupt- 
sache überzeugt,  wenn  ihm  auch  noch  Zweifel  bleiben;  der  Verfasser  kann 
sich  daher  den  übernommenen  schiedsrichterlichen  Ausspruch  ersparen.  Vgl. 
die  Inhaltsangabe  bei  Ebert  (A.  1)  S.  332—340. 

4.  Das  Schriftchen  gibt  uns  eine  deutliche  Vorstellung  von  dem 
Christenthum  der  Gebildeten  der  Zeit^  das  hauptsächlich  in  Abkehr  von 
den  Süm-  und  Schamlosigkeiten  des  Polytheismus  bestand  und  in  lebhafte^ 
Erfossnng  der  Idee  des  einen  [(xottes.  Bei  Ausführung  dieser  Idee  wird 
der  Verfasser  warm  (c.  18).  Sein  Ton  gewinnt  hier  begeisterten  Schwung, 
wie  auch  da  wo  er  von  dem  Stolze  und  der  Todesfreudigkeit  der  Christen 
spricht,  in  der  (übrigens  stark  an  Sen.  de  provid.  2,  9  erinnernden)  Stelle 
c.  37:  quam  pulchrum  spectaculum  deo  cum  christianus  .  .  libertatem  suam 
adversus  reges  et  principes  erigit,  soli  deo,  cuius  est,  cedit  etc.  Das 
Christenthum  erscheint  als  eine  höhere  Stufe  geistiger  Bildung,  im  Gegen- 
satze  zur  imperitiae  volgaris  caecitas  (3,  1)  als  lux  sapientiae  et  veritatis 
(1,  4).  Die  christlichen  Dogmen  werden  mit  feinen  wählerischen  Händen 
angefasst;   so  specifische  wie  Trinität  und  Christologie  (z.  B.  Logoslehre] 


842  Die  Kaiserzeit.   Zweites  Jahrhundert  (J.  180 — 211). 

bleiben  unberührt,  auch  von  der  Taufe  wird  nicht  die  Bede,  Bibelcitate 
kommen  nicht  vor.  Für  die  populäre  Wirkung  des  Schriftchens  war  diess 
alles  gewiss  nur  günstig.  Der  Standpunct  der  Betrachtung  ist  überwiegend 
ein  ethischer  und  philosophischer.  Die  Philosophen  werden  ab  solche  an- 
erkannt welche  de  divinis  praedictionibus  prophetarum  umbram  interpo- 
latae  veritatis  imitati  sint.  Dagegen  38,  5:  philosophorum  supercilia  con- 
temnimus,  quos  corruptores  et  adulteros  novimus  et  tyrannos  et  semper 
adversus  sua  vitia  facundos.  Dieses  Verhalten  zum  Ghristenthum  gleicht 
dem  des  Seneca  zum  Stoicismus,  und  auch  sonst  lässt  sich  Min.  als  ein 
zum  Ghristenthum  fortgeschrittener  Seneca  (Ebert  S.  38S,  A.  67)  bezeich- 
nen. Die  gewählte  Form  ist  mit  Sorgfalt  und  Geschick  durchgeführt.  Die 
Sprache  ist  zwar  manchmal  (bes.  in  der  Einleitung)  geziert,  aber  doch  viel 
natürlicher  und  frischer  als  die  des  Fronto  und  Apulejus.  Mit  Letzterem 
hat  Min.  übrigens  manche  eigenthümliche  Wendungen  gemein,  wie  pluri- 
mum  quantum,  impiatus  u.  dgl. 

6.  Der  Octavius  ist  nur  durch  eine  pariser  Handschrift  saec.  IX  (den 
regius,  Nr.  1661)  erhalten,  und  zwar  als  achtes  Buch  des  Arnobius  adv. 
gentes  und  in  sehr  verdorbener  Gestalt.  Die  zweite  vorhandene  Handschrift, 
in  der  burgundischen  Bibliothek  zu  Brüssel  (Burgundicus),  ist  nur  eine 
Abschrift  der  pariser. 

6.  Editio  princeps  (aus  dem  regius)  Rom.  1543  (hinter  Amobiu»). 
Erste  selbständige  Ausgabe  von  Balduinus,  Heidelberg  1560.  Mit  Emen- 
dationen  von  Fulvius  Ursinus,  Rom.  1583.  Ed.  Des.  Heraldus  (Paris  1605. 
1613),  Rigaltius  (Paris  164ä.  1645),  J.  Ouzelius  (cum  notis  variorum,  Lugd. 
Bat.  1672),  J.  Davisius  (cum  observ.,  Cantabrig.  1707),  J.  Gronovius  (Lugd. 
Bat.  1709.  Botterd.  1743),  J.  G.  Lindner  (Langensalza  1760;  ed.  II.  1773), 
C.  de  Muralt  (praef.  est  J.  G.  Orelli,  Zürich  1836),  Migne  (Patrolog.  curs. 
III,  Paris  1844,  p.  231—360,  nebst  allerlei  Abhandl.  p.  194—231.  371^652), 
Fr.  Oehler  (Lips.  1845),  J.  B.  Eayser  (in  us.  schol.,  Paderborn  1863),  und 
besonders  rec.  et  comm.  critico  instr.  G.  Halm  (Gorp.  script.  eccl.  lat.  II), 
Wien  1867. 

7.  J.  D.  van  Hoven,  de  aetate,  dignitate  et  patria  Min.  Fei.,  Gamp. 
1762.  4.  (auch  in  Lindners  Ausg.  von  1773).  H.  Meier,  comm.  de  Min.  Fei., 
Zürich  1824.  G.  BQren,  Minuciana,  i.  e.  Annotatt.  critt.  ad  etc.  praemissa 
commentatione  de  ipsius  scriptoris  aetate,  Bedburg  1859.  26  pp.  4.  J.  B. 
Eajser  in  Th.  Wiedemanns  Ostreich.  Quartalschrift  f.  kathol.  Theol.  I,  4. 
1862.  A.  Ebert,  TertuUians  VerhSltniss  zu  Min.  Felix,  Leipzig  1868  (Ab- 
handl. d.  Sachs.  Ges.  d.  Wise.  V.  8.  321—386).  Beiträge  zur  Textkritik  bei 
E.  Bährens,  lectiones  latt.  (Bonn  1870)  p.  22—31. 

8.  Deutsche  üebersetzungen  von  J.  G.  Russwurm  (Hamburg  1824.  4.) 
und  J.  H.  B.  Lübkert  (Leipzig  1836). 

351  369.  Eine  merkwürdige  Gestalt  ist  Q.  Septimius  Florens 
Tertullianus  (um  145 — 220  n.  Chr.),  ein  Scliriftsteller  voll 
Originalität  und  Genialität,  begabt  mit  lebhafter  Phantasie  und 
schla^ertigem  Witze  und  von  einer  Leidenschaftlichkeit  die  ihm 


368  f.   MinuciuB  Felix.   TertuUianus.  843 

oft  eine  hinreissende  Beredtsamkeit  verleiht^  noch  öfter  aber  über 
ihr  Ziel  hinausschiesst  und  in  ihrer  düsteren  Glut  sich  selbst  ver- 
zehrt/ ohne  Licht  .und  Wärme  zu  verbreiten.  Sein  Lebenselement 
ist  der  Kampf  ^  und  seine  zahlreichen  Schriften  sind  überwiegend 
Streitschriften^  polemisch  und  apologetisch.  Zuerst  verficht  er 
das  Christenihum  gegen  seine  Bedränger  und  Widersacher, 
besonders  im  Apologeticum;  aber  innerhalb  des  Christenthums 
selbst  fand  sein  schwärmerisches  Wesen  volles  Genügen  erst  an 
der  Lehre  des  Montßnus  mit  ihren  phantastischen  Weissagungen 
und  ihrer  strengen  Askese,  und  Tert.  wurde  nun  deren  Vor- 
kämpfer im  Abendlande,  doch  so  dasS  sein  scharfer  Verstand 
die  Schroffheiten  derselben  abschwächte.  Ton  und  Charakter 
dieser  Schriften  ist  überall  der  gleiche:  gedankenreich  und 
formlos,  leidenschaftlich  und  spitzfindig,  die  Sprache  beredt  und 
markig,  gedrängt  und  energisch  bis  zur  Dunkelheit. 

1.  Hieronym.  de  vir.  illustr.  53:  Tertullianus  presbyter  nunc  demum 
primus  post  Victorem  (sub  Severo  principe,  c.  34)  et  ApoUoniiim  (sub 
Coinmodo  principe,  c.  42)  Latinomm  ponitur,  provincioe  Africae,  civitatis 
Cartbaginiensis ,  patre  centurione  proconsulari.  hie  acris  et  vehementis 
ingenü  sub  Severe  principe  et  Antonino  Caracalla  maxime  floruit  multaque 
scripsit  Volumina,  quae  quia  nota  sunt  pluribus  praetermittimus.  .  .  hie 
cum  usque  ad  mediam  aetatem  presbyter  ecclesiae  permansisset,  invidia 
postea  et  contumeliis  clericorum  romanae  ecclesiae  (vgl.  Tert.  de  cultu 
fem.  I,  7.  Euseb.  bist.  eccl.  IT,  2)  ad  Montani  dogma  delapsus  in  multis 
libris  noyae  prophetiae  (d.  h.  des  Montanismus)  meminit ,  specialiter  autem 
adyersum  ecclesiam  texuit  volumina  de  pudicitia,  de  persecutione ,  de  ieiu- 
niis,  de  monogamia,  de  ecstasi  libros  VI  (nicht  erhalten),  et  septimum 
quem  adversum  ApoUonium  composuit.  ferturque  yixisse  usque  ad  decre- 
pitam  aetatem  et  multa  quae  non  (Yat.:  nunc)  eztant  opuscula  condidisse. 
Solche  verlorene  Schriften  des  Tert  sind  de  vestibus  Aronis  (Hieron.  Ep.  64, 
23);  de  animae  submissione;  de.superstitione  saeculi;  de  carne  et  anima;  de 
spe  fidelium;  de  trinitate;  de  animalibus  mundis  et  immundis;  de  circum- 
cisione;  de  virginitate;  contra  ApeUicianos;  de  paradiso  (Tert.  de  an.  56); 
in  griechischer  Sprache  de  spectaculis;  de  baptismo;  de  velandis  virgini- 
bus;  de  Corona  militis,  deren  lateinische  Bearbeitung  von  Tert.  erhalten 
ist.    Ueber  Tert.  als  Juristen  s.  oben  367,  6. 

2.  Hieronym.  Ep.  70,  5:  quid  TertuUiano  eruditius,  quid  acutius? 
ApologeticuB  eins  et  Contra  gentes  libri  cunctam  saeculi  obtinent  discipli- 
nam.  Lactant.  inst.  div.  Y,  1  (p.  230  Fri.):  Septimius  Tertullianus  fuit 
omni  genere  litteranim  peritus,  sed  in  eloquendo  parum  facilis  et  minus 
comptus  et  multum  obscurus  fuit.  ergo  ne  hie  quidem  satis  celebritatis 
invenit.  Ausser  dieser  Dunkelheit  stand  ihm  auch  sein  Montanismus  im 
Wege.  Seine  theologische  Schrifbstellerei  zerföUt  nämlich  in  zwei  Perioden : 
eine  allgemein  christliche  und  eine  montanistisch  gefä^rbte.   Aus  der  erstem 


844  Die  Eaiserzeit.   Zweites  Jahrhundert  (J.  180 — 211). 

sind  von  den  erhaltenen  Schriften  Apologeticum ,  Ad  nationes  libri  II,  De 
testimonio  auimae,  De  cultu  feminarum  II,  De  patientia,  De  poenitentia, 
De  oratione,  De  baptismo,  Ad  oxorem  II,  Ad  martyres,  Adversas  ludaeos. 
Den  r ebergang  zum  Montanismus  zeigt  bereits  De  'Corona  militis  und 
weiterhin  die  Schriften  welche  die  montanistischen  Anschauungen  in  positiver 
Weise  darlegen,  De  fuga  in  persecutione.  De  exhortatione  castitatis.  De 
virginibuB  velandis,  De  monog^amia.  De  pudicitia,  De  praescriptionibus 
haereticomm.  De  anima,  De  came  Christi,  De  resurrectione  camis,  Scor- 
piacum.  Ad  Scapulam,  De  idololatria.  De  spectaculis,  sowie  diejenigen 
welche  ^e  literarischen  oder  dogmatischen  Angriffen  gegenüber  verthei- 
digen:  De  ieiunio  adversus  psychicos  (»»  catholicos,  im  Gegensatz  zu  den 
pneumatici  oder  Montanisten),  Adversus  Praxean,  Adv.  Hermogenem,  Adv. 
Marcionem  libri  V,  Adv. « Valentinianos.  Die  datierbaren  Schriften  Tertul- 
lians  fallen  zwischen  199  und  212  n.  Chr.  Das  deutlichste  Datum  ist  Adv. 
Marc.  I,  15:  ad  XY  iam  Seven  imperatoris  =«  J.  207.  J.  A.  Ndsselt,  de 
vera  aetate  ac  doctrina  scriptorum  Tert.,  in  dessen  Opusc.  ad  bist.  eccl. 
III.  p.  1  ff.  -=  Tertull.  ed.  Oehler  m.  p.  640—619.  G.  ühlhom,  fundar 
menta  chronologiae  Tertullianeae,  GOtti.  1852.  "£ellner,  zur  Chronologie 
Tert.'s  I  (de  pallio  und  Jahr  des  üebertritts  ^  193  ~  zum  Christenthum),  Tübi. 
theol.  Quartalschr.  LII  (1870),  S.  647—666.  IL  ebd.  LH!  (1871),  S.  585—609. 

3.  Der  MontanismuB  ist  eine  in  Fhrygien  entstandene  Erscheinung, 
beruhend  auf  einseitiger  üeberspannung  des  christlich  religiösen  Gefühls, 
das  sich  .beth&tigte  in  ekstatischen  vision&ren  Zuständen  und  in  chiliastischen 
Tr&umen  von  dem  nahen  Ende  der  Dinge  (der  itvvziXsia)  und  den  Freuden 
des  himmlischen  Jerusalem,  für  das  man  sich  durch  eine  gesteigerte  Askese 
und  strenge  Sittenzucht  (Enthaltung  von  Fleisch  und  Wein,  von  Schau- 
spielen, Verschleierung  der  Jungfrauen,  Keuschheit  u.  dgl.)  vorzubereiten 
suchte.  Er  hat  Analoga  fast  in  jedem  Jahrh.  des  Christenthums,  an  aller- 
lei Schwarmgeistern,  wie  den  Wiedertäufern,  Camisarden,  Irvingiahem  u.  a. 
Secten.  Einen  besonders  fruchtbaren  Boden  fand  er  bei  dem  weiblichen 
Geschlechte  (Prophetinnen).  Aber  auch  f&r  einen  Creist  wie  Tertullianus 
hatte  etwas  Anziehendes  der  Gedanke  auf  einer  höheren  Stufe  der  Frönunig- 
keit  zu  stehen  als  die  übrige  Gemeinde  und  ein  unmittelbares  Werkzeug 
des  göttlichen  Geistes  zu  sein,  und  sein  Hass  gegen  alles  Halbe  musste 
Gefallen  finden  an  der  montanistischen  Strenge.  F.  C.  A.  Schwegler,  der 
Montanismus  u.  die  christl.  Kirche  des  zweiten  Jahrb.,  Tübingen  1841, 
und  dazuL.  Georgii  in  den  deutschen  Jahrbüchern  1842,  S.  46—69.  129 — 161. 
F.  Ch.  Baur,  Kirchengesch.  der  drei  ersten  Jahrh.  (Tübi.  1863)  S.  236—246. 

4.  Unter  den  Schriften  des  Tert.  hat  besonders  viel  aUgemeines 
Interesse  das  apologeticum^  verfiust  J.  199,  eine  Yertheidigungsschrift 
gerichtet  an  rom.  imperii  antistites  (praesides)  und  namentlich  die  von  Mi- 
nucius  Felix  nicht  behandelten  politisch-rechtlichen  Anschuldigungen  gegen 
die  Christen  (Nichtverehrung  der  Götter  und  der  Kaiser,  gleichgültiges 
oder  feindseliges  Verhalten  zum  Staate)  ausfOhrlich  erörternd.  Vgl.  A.  Ebert 
(oben  368,  7)  S.  342—349.  Neben  dem  Octavius  (oben  368,  1)  scheint  auch 
Justins  dnoXoyia  benützt.  Die  Polemik  ist  einschneidend  und  bitter,  die 
Darstellung  rhetorisch  und  originell.    Ausgaben  von  S.  Havercamp  (Lugd. 


S69.   Tertullianus.  845 

ß.  1718),  Fr.  Oehler  (mit  ad  nat.,  Halle  1849),  J.  Kayser  (Paderborn  1866). 
J.  li,  Mosheim,  de  vera  aetaie  apol.  a  Tert.  conscripti  initioque  perse- 
cntionis  Severi,  in  Oehlers  Ausg.  des  Tert.  III.  p.  490—510. 

5.  Von  cultorgeschichtlicher  und  antiquarischer  Bedeutung  sind  be- 
sonders die  Schriften  Ad  nationes,  De  idololatria,  De  spectaculis,  De  paUio 
(ed.  Cl.  Salmasius,  Paris  1622.  Lugd.  B.  1656).  Die  Schrift  Adversus  lu- 
daeos  stimmt  fast  wörtlich  überein  mit  adv.  Marc.  lU  (Semler  p.  640 — 657 
bei  Dehler);  adv.  Yalent.  ist  eine  freie  üebersetzung  von  Irenäud  c.  haer.  1. 
(Semler  ib.  p.  658  —  681).  Ad  nationes  ist  theilweise  eine  Wiederholung 
des  apolog.  Der  Schrift  de  praescr.  haer.  ist  in  älteren  Ausgaben  eine 
unechte  Schrift  adversus  haereses  angehängt,  üeber  die  Schrift  contra 
Praxean  s.  R.  A.  Lipsius  in  Liebner's  Jahrbb.  f.  deutsche  Theol.  XLLI  (1868) 
S.  701—724.  üeber  T.'s  Bedeutung  für  die  neutestamentliche  Kritik  s.  H.^ 
Rönsch,  das  neue  Testament  Tert.'s,  Leipzig  1871.  731  S. 

6.  In  Handschriften  saec.  IX  und  X  werden  auch  christliche  Gedichte 
(de  Sodoma,  de  lona)  dem  Tert.  zugeschrieben,  ohne  irgend  welche  Be- 
rechtigung, ohne  Zweifel  nur  weil  sie  irgend  einmal  mit  Werken  des  Tert. 
zusammengeschrieben  oder  zusammengebunden  waren.  Vgl.  L.  Müller,  Rhein. 
Mus.  XXn.  S.  329—344.  464. 

7.  Aufzählung  der  Ausgaben  von  TertuUians  Werken  bei  Schönemann, 
Bibl.  historico-litteraria  patrum  I.  p.  9  ff .  ■  Ed.  princeps  per  B:  Bhenannni, 
Basil.  1521  fol.  Cum  adnotatt.  J.  Pamelü,  Antv.  1579  foL,  Franeker  1597 
u.  sonst.  Cum  observ.  N.  Rigaltii,  Lutet.  1634.  1641  fol.  u.  sonst.  Rec. 
J.  S.  Semler,  Halle  1770.  6  Voll.  Cura  Fr.  Oberthür,  Würzburg  1780. 
2  VoU.  Ed.  Leopold,  Lips.  1839  ff.  (in  (rersdorf  s  Bibl.  patr.).  In  Migne's 
Patrolog.  curs.  Vol.  I — HI.  Tert.  quae  supersunt  omnia,  ed.  Franc.  Dehler, 
Lips.  1853  f.,  3  Voll.,  wovon  Vol.  III  (Lips.  1851)  eine  Zusammenstellung  der 
Abhandlungen  De  Tert.  vita  von  J.  Pamelius,  P.  Allix,  N.  de  Nouny  (diss. 
in  apolog.,  ad  nat.,  ad  Scap.),  J.  L.  Mosheim  (s.  A.  4.),  G.  Zentner,  J.  A. 
Nösselt  (s.  A.  2),  J.  S.  Semler  (de  varia  et  incerta  indole  librorusi  Tert.) 
u.  J.  Eaye  (de  Tei-t.  et  eins  scriptis,  p.  697 — 729).  Ed.  minor  cum  adn. 
crit.  et  indicibus,  Lips.  1854. 

8.  Coenen,  comm.  de  Tert.,  Utrecht  1825.  128  pp.  A.  Neander,  Anti- 
gnostikus,  Geist  des  Tert.  und  Einl.  in  dessen  Schriften,  Berlin  1825. 
1849.  K.  Hesseiberg,  Tert.'s  Lehre  aus  seinen  Schriften  entwickelt.  I.  Einl. 
Leben  und  Schriften,  Dorpat  1848.  135  S.  Grotemeyer,  über  Tert.  Leben 
u.  Schriften,  I.  Kempen  1863.  4.  A.  Hauber,  Tert.  Ejimpf  gegen  die. zweite 
Ehe,  theolog.  Studien  u.  Erit.  von  üllmann  1845,  S.  607 — 662.  F.  A.  Burck- 
hardt,  die  Seelenlehre  des  Tert.,  Budissin  1857.  4.  E.  Leimbach,  Tert.  als 
Quelle  fSr  d.  christl.  Archäologie,  in  Eahnis'  Zeitschr.  f.  bist  Theol.  1871,  3; 
und  T.'s  Sacramentsbegriff,  in  Hundeshagen's  theol.  Stud.  u.  Erit.  1871,  8. 

9.  P.  Langen,  de  usu  praepositionum  TertuUianeo,  Münster  1868. 
18  pp.  4.  Vgl.  oben  343,  4.  J.  Schmidt,  de  latinitate  Tert.,  Erlangen  1870. 
35  pp.  4. 

10.  Dupin,  auteurs  eccles.  I.  (ed.  1688)  p.  274— 379  (p.  320  f.  eine  gute 
Charakteristik  des  Tert.).    R.  Ceillier,  bist.  g^n.  des  auteurs  s.  et  eccl.  ü. 


846  Die  Kaiserzeit.    Zweitee  Jahrhundert  (J.  180—211). 

(1730)  p.  374  —  629.    Kirchengeschichtliche  Werke,  wie-  von  F.  Bdhringer, 
Kirchengesch.  in  Biographien  (Zürich  1864)  S.  11—767. 


370«  Dem  Ende  des  zweiten  Jahrh.  scheint  anzugehören 
der  Commentator  des  Terentius  und  Horatius  und  wohl  auch 
des  Persius,  Helenius  Acron^  sowie  der  Granunatiker  und  Er- 
klärer des  Horaz  (und  Lucan)^  Pomponius  Porphyrion,  dessen 
Scholien  wir  noch  besitzen.  Aus  dem  Anfange  des  dritten  Jahrh. 
haben  wir  von  Dositheus  eine  Grammatik  nebst  Uebungs- 
stücken  in  lateinischer  und  griechischer  Sprache.  Von  den 
Schriften  des  kenntnissreichen  älteren  Sammonicus  Serenus,  eines 
..grossen  Bücherfreundes,  ist  nichts  auf  uns  gekommen.  .  Ebenso 
kennen  wir  die  des  Statilius  Maximus  über  Cato  d.  ä.  und  Cicero 
nur  durch  Anführungen.  Auch  der  Epitomator  des  Verrius  Flac- 
cuS;  Festus,  muss  spätestens  dieser  Zeit  angehören. 

1.  Des  HeleniuB  Acro  Conimentare  za  Terenz  Eanuchus  and  Adelphi 
werden  von  Julius  Romanus  bei  Chürisius  13  Mal  erwähnt.  So  p.  210  K.: 
Terentius  in  Eunucho  (v.  5):  nil  prius  n.  f.,  ubi  Helenium  Acronem  errasse 
dicendum  est,  qui  prius  sie  intellexit  etc.  Vgl.  ib.  p.  201»  3.  216,  9. 
Helenius  Acron  commentariis  quos  Adelphis  Terenti  non  indiligentes  attu- 
lit,  ib.  p.  192  vgl.  p.  200,  16.  219,  5.  126,  17.  130,  12.  197,  26.  210,  11 
sowie  p.  119,  12  ff.:  id  Helenius  Acron  sie  oportere  dici  in  eadem  Terentii 
fabula  (Adelph.)  disputavit  Verriumque  dicit  errare  etc.  .  .  qui  autem  cum 
Helenio  faciunt  hanc  afferunt  causam  etc.  £r  lebte  also  (nach  Gellius,  der 
ihn  nie  erwähnt,  und)  vor  Romanus.  Commentator  des  Horaz,  s.  oben 
236,  3.  Porphyr,  zu  Hör.  S.  I,  8,  26  (II.  p.  160  Hth.):  memini  me  legere 
apüd  Helenium  Acronem,  Saganam  nomine  fuisse  Horatii  temporibus  etc. 
Vielleicht  in  (oder  aus)  der  Schritt  de  personis  horatianis.  Auch  den  Persius 
scheint  er  commentiert  zu  haben.  Schol.  Pers.  U,  66:  Acron  tradit  quod 
etc.,  und  Parrhasius  (in  Gruteri  Lampas  I.  p.  736)  berichtet:  incidi  in  Probi 
grammatici  commentarios  in  primam  Persii  satiram.  .  .  in  üs  ita  scriptum 
legimus;  curas  (v.  1)  Acroni  proprie  dicere  videtur  etc.  Daher  will  0.  Jahn 
(Pers.  p.  CLIX)  diejenigen  Bestandtheile  der  Cornutusscholien  welche  für 
Comutus  zu  keuntnissreich  sind  und  doch  nicht  auf  Valerius  Probus  sich 
zurückführen  lassen  dem  (Helenius)  Acro  zuschreiben.  Von  einem  Commeu- 
tare  des  Acron  zu  Vergil  aber  gibt  es  keine  sicheren  Spuren;  Ribbeck 
Prolegg.  p.  176.    Vgl.  Gräfenhan,  Gesch.  d.  class.  Philol.  IV.  S.  308—313. 

2.  Den  Namen  des  Acro  trogt  (schon  in  einem  Glossare  saec.  VIII, 
spätestens  saec.  X,  s.  Usener  im  Rhein.  Mus.  XXIII.  S.  190  f.)  eine  Samm- 
lung von  Scholien  zu  Horaz  welche  zwischen  saec.  VII  und  IX  entstanden 
scheint.  Wenigstens  ist  zu  S.  I,  5,  97  der  Grammatiker  des  saec.  VI 
Theoctistus  (s.  d.)  genannt.  Der  ursprüngliche  Verfasser  hatte  den  echten 
Acro  (A.  1)  und  Porphyrie  (A.  4)  noch  vor  sich ;  dieser  Grundstock  schwimmt 
aber  in  einer  Masse  werthloser  mittelalterlicher  Bemerkungen  von  verschie- 
denen Urhebern.     0.  Keller,  Symbola  philol.  Bonn.  S.  499-—  502  glaubte 


870.    Acro.   Dositheus.    Porphyrio.  847 

zwei  Partien  unterscheiden  zu  können,  von  denen  die  ältere  aus  Anfang 
von  saec.  V  wäre,  die  jüngere  aus  dessen  Ende.  Vgl.  .J.  Schienger  im 
Mainzer  Gymn.  Progr.  1868,  p.  1  f.  und  die  Literatur  oben  S.  486,  Z.  1  ff. 

3.  Eine  St.  GaUer  Handschrift  saec.  IX — X  von  70  Blättern  enthält  auf 
Bl.  1 — 31  die  grammatica  Dosithei  magistri,  mit  einer  wörtlichen  Ueber- 
Setzung  ins  Griechische  (z.  B.  ars  tex^rj  grammatica  yQap^fiatiiiri  est  sativ 
scientia  yvcaats),  welche  aber  schon  nach  der  Erörterung  des  Nomen  immer 
seltener  wird  und  schliesslich  (wohl  aus  üeberdruss  des  Abschreibers)  ganz 
aufhört.  Neben  der  Grammatik  selbst  sind  auch  Uebungsstücke  zum  Ueber- 
setzen  (sQfLrivfvfiata)  gegeben;  so  (mit  dem  Datum  J.  207)  aus  Hygini  ge- 
nealog^  (oben  257,  6),  Hadrians  dnotpaasig  (oben  341,  5),  das  Stück  de 
manumissionibus  (oben  364,  6).  C.  Lachmann,  Versuch  über  Dositheus, 
Berlin  1837.  4.  H.  E.  Dirksen,  die  römisch -rechtlichen  Quellen  des  Mag. 
Dos.,  hinterlass.  Schrr.  IT.  S.  392  ff.  Ausser  diesen  schon  früher  veröffentlichten 
Theilen  hat  H.  Keil  die  eigentliche  Grammatik  (den  ersten  Theil,  quae  est 
de  arte  grammatica  et  de  octo  partibus  orationis)  herausgegeben  (Dosithei 
ars  grammatica  ex  codice  Sangallensi)  Halle  1869—1871.  70  pp.  4.  Sie  ist 
aus  den  gleichen  Quellen  geschöpft  wie  Charisius,  Diomedes,  Donatus  u.  A. 
Dadurch  dass  jedes  lateinische  Wort  durch  ein  griechisches  wiedergegeben 
wird  ist  ein  seltsames  Eauderwälsch  entstanden.  Beiträge  zur  Textkritik 
von  H.  Hagen  im  lit.  Centralblatt  1871,  S.  1269  f.  Ueber  Boucherie,  Comptes 
rendus  de  Tacad.  des  inscr.  1868,  p.  270  ff.  vgl.  Steup,  de  Probis  p.  41 
not.  Blatt  32 — 70  der  Hds.  besteht  aus  allerlei  astrologischen  und  chrono- 
logischen Abhandlungen. 

4.  Pomponius  Porphyrio  (nach  der  Münchner  Scholienhds.)  lebte 
zwischen  140  und  300  n.  Chr.^  wahrscheinlich  um  200-^260,  und  war  wohl 
aus  Africa  gebürtig  und  ein  Frontonianer,  jedoch  auch  mit  Rom  und  einem 
grossen  Theile  Italiens  wohlbekannt.  Jul.  Romanus  bei  Charis.  p.  220,  28  E: 
ut  Porphyrio  ex  Verrio  et  Festo  etc.  Schol.  Lucan.  I,  214:  Porfirioh  pu- 
niceum  interpretatus  est  quasi  phoeniceum,  .  ..  Cornutus  vero  etc.  Sein 
Commentar  zu  Horaz  zeigt  weit  mehr  selbständiges  urteil  als  Pseudo-Acro 
(A.  2)  und  beschäftigt  sich  vorzugsweise  mit  der  logischen,  rhetorischen  und 
grammatischen  Erläuterung,  wogegen  die  Sacherklärung  sehr  spärlich  ist. 
Im  Mittelalter  war  dieser  Commentar  weniger  benützt  als  der  des  Pseudo' 
Acro  und  ist  daher  auch  weit  weniger  interpoliert.  0.  Keller  in  der  Symb. 
philol.  Bonn.  S.  491—499.  E.  Schweikert  (oben  236,  4  E.)  1864.  p.  31—36. 
44.  W.  Meyer,  Beiträge  zur  Kritik  des  Horazscholiasten  Porphyrion,  Mün- 
chen 1870.  46  S. 

6."Macrob.  UI,  16,  6:  temporibus  Severi  principis,  qui  ostentabat 
duritiam  momm  (also  Septimius  Sev.),  Sammonicus  Serenus,  vir  saeculo 
Buo  doctus,  cum  ad  principem  suum  scriberet,  verba  Plinii  .  .  praemisit 
etc.  Spartian.  Geta  6,  6:  Sereni  Sammonici  libros  familiarissimos  habuit 
quos  ille  ad  Antoninum  (Geta  selbst?)  scripsit.  Ein  Missverständniss  ist 
daher,  falls  es  sich  überhaupt  auf  Samm.  bezieht,  Lyd.  de  magistr.  III,  32 
extr. :  xal  xavra  {i^v  neQl  tmv  noxa^L^v  (Rhein  und  Donau)  %aza  IkcfMu- 
nov  (?)  zov  Qmiuciov  Catoffinov ,  og  TtQog  diOTtXrjtiavov  mxl  VaXiqiov  zov 
yiqovza  «f^l  noi%Ck(ov  S^zrjfiaxtov  Sislizdr,.    Spartian.  Carac.  4,  4:  occisi 


848  Die  Kaiierzeit.   Zweites  und  drittes  Jahrhundert. 

(J.  212)  nonnulli  etiam  cenantes,  inter  quos  etiam  Sammonicas  Serenus, 
ciiius  libri  plorimi  ad  doctrinam  ertant.  Macrob.  lU,  9,  6:  repperi  in  libro 
quinto  Berum  reconditarum  Saminonici  Sereni  utromqne  Carmen.  Sidon. 
'Apoll,  ad  Polem.  (vor  carm.  14):  sine  M.  Yarrone,  sine  Sereno,  non  Septi- 
mio,  sed  Sammonico,  sine  Censorino  etc.  ad  Leont.  (vor  carm.  22):  lolinm 
Firmicum,  Sammonicum  Satuminum  (?),  in  libris  matheseos  peritissimos 
conditores,  .  .  didicisse.  Vgl.  Arnob.  adv.  g.  VI,  7.  Serv.  Verg.  Ge.  I,  SO.  102. 
Capitol.  Gordian.  18,  2 :  Sereno  Sammonico,  qui  patris  eins  amicissimus,  sibi 
autem  praeceptor  fuit,  nimis  acceptus  et  canis,  usque  adeo  ut  omnes  libros 
Sereni  Sammonici  patris  sui,  qni  censebantm*  ad  sexaginta  et  dno  milia, 
Gordiano  minori  moriens  ille  relinqueret. 

6.  Statilius  Maximus  wird  bei  Gellius  niemab  erw&hnt,  scheint 
daher  später  zu  sein  als  dieser.  Andererseits  fQhrt  Julias  Bomanus  (unten 
375)  bei  Gharisius  in  dem  Abschnitte  über  die  Adverbien  ihn  öfters  an. 
Vgl.  Charis.  p.  194,  11  E.:  licet  St.  M.  de  singularibus  apud  Ciceronem 
quoque  positis  notet.  p.  218,  6:  ut  St.  M.  de  sing,  apud  eum  (Cic.)  quoque 
positis  notat.  Vgl.  ib.  p.  196,  4  (vgl.  Cic.  de  inv.  II,  12 ,  42).  209,  4  (quod 
St.  M.  notat  nesciens  etc).  212,  16.  213,  13.  214,  17^  215,  22.  217,  3  u.  8. 
218,  28.  219,  24  f.  Auf  ein  ähnliches  Werk  des  St.  M.  über  Cato  senex 
deuten  die  Anführungen  ib.  p.  202,  11.  (206,  9.)  217,  14.  220,  16.  240,  1  K. 
Die  Anlage  dieser  Schriften  des  St.  war  vielleicht  lexicalisch.  Gräfenhan, 
Gesch.  d.  class.  Philol.  IV.  S.  234  f.  Auch  emendierte  St  M.  Beden  des 
Cicero  nach  guten  alten  Abschriften;  s.  die  Subscription:  Statilius  Maximus 
rursus  emendavi  ad  Tyronem  et  Laetanianum  et  Domm.  et  alios  veteres. 
III  oratio  eximia.    0.  Jahn,  Berichte  der  sächs.   Ges.  d.  W.  1851,  S.  329  f. 

7.  Ueber  Festus  s.  oben  256,  5  ff.  Falls  schon  Forphyrio  ihn  citiert  hatte 
(s.  A.  4),  so  müsste  Festus  etwa  aus  der  Mitte  des  zweiten  Jahrh.  sein. 

8.  Ein  Aquila  (AavXag)  y^aftfuxrixog  xal  fiovamog  und  tpiXoaotpoSj  axolia 
Xoymä  ysy^atpiog  neQl  avlloyiaficiv  bei  Siiid.  s.  v.  (I.  p.  188  Bnh.). 

€•  Drittes  Jahrhundert,  J.  211—805  n.  Chr. 
1.  Erste  Hftlfte,  J.  211    258  n.  Chr. 

353  371.  Diese  Zeit  um&sst  die  Regierungen  von  CaracaUa 
(J.  211—217),  Macrinus  (J.  217),  Elagabaius  (J.  217—222), 
Alexander  Severus  (222—235),  Maximinus  (235—238),  Gordia- 
nus  I  u.  n  (238),  Gordianus  HI  (238—244),  Philippus  Arabs 
(J.  244—249),  Decius  Traianus  (249—251),  Gallus  (251—253). 
Von  einigem  Bestände  waren  nur  die  von  GaracaUa,  Alexander 
und  Gordianus  IQ.  Während  dieser  Jahrzehnte  setzt  sich  der 
allgemeine  Bückgang  fort,  und  er  beginnt  jetzt  sich  auch  auf 
die  Jurisprudenz  auszudehnen.  Mit  Papinian  verglichen  ist  des 
Ulpianus  und  Paulus  Thätigkeit  überwiegend  die  des  Sammlers 
und  Verarbeiters.     Achtbare  Gelehrte  sind  Censorinus  und  Julius 


870  f.    Statilius  Maximue  u.  A.   UeberBicht.  849 

Romanus,  sowie  Gargilius  Martialis.  Die  Geschichtschreibung  ver- 
tritt in  der  römischen  Literatur  der  Vorgänger  der  scriptores 
historiae  augustae,  Marius  Maximus.  Dagegen  schreiben  Cassiuß 
Dio  und  Herodian  g;riechisch.  Das  Christenthum  hat  einen 
Cyprianus,  und  an  Commodianus  seinen  ersten  Dichter,  aber  in 
barbarischer  Form.  Serenus  Samonicus  zeigt  in  seiner  Vorliebe 
für  archaistische  Formen  den  Einfluss  des  Zeitalters  der  Antonine. 
Die  Provinzen,  seit  Caracalla's  Constitutio  Antoniniana  vom  J.  212 
Italien  auch  rechtlich  gleichgestellt,  liefern  wie  jetzt  dem  Throne 
so  fortwährend  auch  der  Literatur  den  reichsten  Beitrag. 

1.  BassianuB  Caracalla  (oder  Caracallus),  geb.  4  April  188,  Caesar 
(M.  Aurelius  Antoninus)  196,  zum  Augustus  von  seinem  Vater  Sept.  Seve- 
rus  ernannt  198,  dessen  Nachfolger  Febr.  211,  Anfangs  mit  seinem  Bruder 
(P.  Septimius)  Geta,  nach  dessen  Ermordung  allein,  erschlagen  8  April  217. 
Als  consecriert  Antoninus  Magnus.  Ulp.  Dig.  I,  5,  17:  in  orbe  romano  qui 
sunt  ex  constitutione  imperatoris  Antonini  (vgl.  Dio  LXXVII,  9)  cives  ro- 
mani  effecti  sunt. 

2.  Caracalla's  praef.  praet.  und  Mörder  Opilius  Macrinus  war  mit 
seinem  Sohne  Diadumenus  Eaiso»  1  J.  2  M.  Beide  wurden  erschlagen. 
Capit.  Macrin.  14,  4:  quod  cum  Macrinus  audisset  fecit  iambos,  qui  non 
extant.  iucundissimi  autem  fuisse  dicuntur.  Vgl.  ib.  11,  5:  hos  versus 
nescio  qui  latinos  .  .  in  foro  posuit.  quibus  acceptis  Macrinus  his  versibus 
respondisse  fertur  (zwei  Distichen). 

3.  Elagabal,  ursprünglich  Yarius  Avitus  Bassianus,  Sohn  der  Soae- 
mias,  von  seiner  Grossmutter  Julia  Maesa  für  einen  Sohn  Caracalla's  aus- 
gegeben und  daher  M.  Aurjelius  Antoninus  Heliog.  genannt,  Müxz  222  von 
den  Prätorianern  erschlagen.  Sein  Nachfolger  wurde  der  Sohn  seiner 
Tante  (lulia)  Mamma  ea: 

4.  Alexander  Aug.  (so  in  den  Rechtsquellen  immer),  adoptiert  von 
Elagabal,  was  aber  Alex,  später  verleugnete  und  sich  Sohn  des  Antoninus 
Magnus  (A.  1)  nannte.  Als  Caesar  M.  Aurelius  Alexander,  als  Augustus 
auch  Severus.  Geboren  um  205,  Kaiser  seit  222,  ermordet  März  235. 
Lamprid.  Alex.  27,  5  ff.:  facundiae  graecae  magis  quam  latinae  nee  versu 
invenustus.  .  vitas  principum  bonorum  versibus  scripsit.  K.  Salzer,  die 
syrischen  Kaiser  Heliog.  und  Alex.  Sev.,  Heidelberg  1866.  Lamprid.  Alex. 
44,  4  f.;  rhetoribus,  grammaticis,  medicis,  haruspicibus,  mathematicis, 
mechanicis,  architectis  salaria  instituit  et  auditoria  decrevit  et  discipulos 
cum  annonis  pauperum  filios,  modo  ingenuos,  dari  iussit  (in  Rom),  etiam 
in  provinciis  oratoribus  forensibus  multum  detulit,  plerisque  etiam  anno- 
nas  dedit,  quos  constitisset  gratis  agere.  68,  1:  ut  scias  qui  viri  in  eius 
consilio  fuerint:  Fabius  Sabinns,  Sabini  insignis  viri  filiiis,  Cato  temporis 
Bui;  Domitius  Ulx)ianus,  iuris  peritissimus ;  Aelius  Gordianus,  Gordiani  imp. 
filins  scientia  iuris  insignis;  luliua  Paulus,  iuris  peritissimus;  Claudius  Yena- 
cus,  orator  amplissimus;  Catilius  Severus,  cognatus  eius,  vir  omnium  doc- 

TsvFPEXi,  Böm.  Literatargeschicbfce;   2.  Aufl.  54 


850  Die  Kaiserzeit.   Drittes  Jahrhundert.   Caracalla. 

tis&imus;  Aoliiis  SereniaDUs,  omnium  vir  sanctissimus;  Qnintilius  MarcelluA, 
quo  meliorem  ne  historiae  quidem  continent. 

5.  C.  lulius  MaximinuB  (litterarum  fere  rudis,  Aur.  Vict.  Caea.  25)  und 
sein  gleichnamiger  Sohn,  3  J.  lang  Kaiser,  J.  238  erschlagen  von  Pupienus. 

6.  M.  Antonius  Gordianus  (J.  158  —  238)  und  sein  Sohn  (Gord. 
iunior,  193 —238)  waren  nur  36  Tage  Kaiser.  Der  Vater,  vita  venerabilis,  cum 
Piatone  semper,  cum  Aristotele,  cum  Tullio,  cum  Vergilio  ceterisque  veteribus 
ageuE,  alium  quam  merebatur  exitum  passus  est,  Capitol.  Gord.  7, 1.  Vgl.  A.  4. 
Adulescens  cum  esset  .  .  poemata  scripsit,  quae  omnia  extant,  et  quidem 
cuncta  illa  quae  Cicero  (oben  186,  2).  .  .  scripsit  praeterea  quemadmodum 
Vergilius  Aeneidos  .  .  ita  etiam  ille  Antoniniados  (libros),  h.  e.  Antoninum 
Pinm  et  Antoninum  Marcum  versibus  disertissimis  libris  XXX  vitam  illorum 
et  bella  et  .publice  pnvatimque  gesta  perscribens.  et  haec  quidem  pueru- 
luB.  .  .  ubi  adolevit  .  .  controversias  declamavit  etc.  ib.  3,  3  f.  Scripsit 
et  laudes  soluta  oratione  omnium  Antoninorum  qui  ante  eum  fuerunt.  ib. 
4,  7.  Dessen  Enkel  (von  einer  Tochter,  Orelli-Henzen  5529  f.  vgL  Capitol. 
Gord.  4,  2),  Gordianus  III,  war  Kaiser  zuerst  mit  Clodius  Pupienus  Maxi- 
mus und  Caecilius  Balbinus,  nach  deren  baldigem  Untergang  aber  allein. 
Duxit  uxorem  filiam  Misithei  (oder  Timesithei)  doctissimi  viri,  quem  causa 
eloquentiae  .  .  praefectum  statim  fecit,  Capitol.  Gord.  23,  6.  Extat  et 
soceri  eius  ad  eum  epistula  et  ipsius  Gordiani  ad  socerum,  qua  intellegi- 
tnr  eius  saeculum  emendatiuB  ac  diligfbtius  socero  adiuvante  pcrfectum, 
ib.  24,  1  und  die  Briefe  ib.  24,  2—25,  4.  Oratio  Gordiani  ad  senatum  zum 
Lobe  des  Timesitheus  ib.  27,  4  ff.  Aber  Gordianus  M.  Philipp!  (A.  7)  praef. 
praet.  insidiis  periit  sexennio  imperii  (Febr.  244),  Victor  Caes.  27,  8. 

7.  M.  lulius  Philippns  Arabs  Thraconites  und  dessen  Sohn  Philippus 
annos  potentiae  quinque  egere  (Victor  Caes.  28,  1.  11).  J.  248  «=  1001  d. 
St.  Feier  des  tausendjährigen  Bestandes  von  Born. 

8.  C.  Messius  Q.  Traianus  Decius,  Sirmiensium  vico  ortus,  und  sein 
Sohn  Etruscus  (Caesar),  im  Kampfe  gegen  die  Gothen  gefallen  J.  251. 

9.  Gallus  und  Hostilianus  Augusti;  doch  stirbt  Host,  bald;  des  Gallus 
Sohn,  Volusianus,  Caesar.  Vater  und  Sohn  durch  Aemilius  Aemilianns 
verdrängt  und  getödtet,  der  aber  selbst  nur  3  Monate  regierte,  diese  alle 
zusammen  nur  zwei  Jahre.    Victor  Caes.  30  f. 

.351  372.  Fast  ausschliesslich  unter  Caracalla's  Regierung  fallt 
die  schriftstellerische  Thätigkeit  des  Juristen  Domitius  Ulpianus 
aus  TyruS;  praefectus  praetorio  unter  Elagabal  und  Alexander 
(Severus),  unter  Letzterem  eine  Zeit  lang  allmächtig,  aber  auch 
ermordet  (J.  228).  Von  seinen  zahlreichen  Schriften  waren  die 
bedeutendsten  die  83  Bücher  Ad  edictum  und  die  51  Bücher 
Ad  Sabinum.  Sein  Eegularum  liber  singularis  und  Institutionum 
libri  II  sind  uns  auch  selbständig  erhalten,  aber  nur  zu  einem 
kleinen  Theile.  Lange  fort  standen  seine  Werke  in  hohem  An- 
sehen   wegen    ihrer    stofflichen   Reichhaltigkeit,    verbunden    mit 


371  f.   Gordianus.   Ulpianus.  851 

treffendem  Urteil,  und  ihrer  klaren  Darstellung.  In  den  j^sti- 
nianischen  Digesten  bilden  die  Auszüge  aus  seinen  Schriften  ein 
volles  Drittel  des  Gesammtwerkes. 

1.  Ulp.  Dig.  L,  15,  1  pr.:  est  in  Syria  Phoenico  splendidisßiina  Tyri- 
orum  colonia,  unde  mihi  origo  est.  Spartian.  Pescenn.  Nig.  7,  4:  Paulus 
(unten  373)  et  Ulpianus  .  .  Papiniano  in  consilio  fuerunt  ac  postea,  cum 
unus  ad  memoriam,  alter  ad  libellos  paruisset,  statim  praefecti  facti  sunt. 
Lamprid.  Heliogab.  16,  4:  removit  et  Ulpianum  ictum,  ut  bonum  Yirum, 
et  Silvinum  rhetorem,  quem  magistrum  Caesaris  fecerat.  et  Silvinus  qui- 
dem  occisus  est,  Ulpianus  yero  reservatus.  Alexand.  Sev.  26,  5:  Paulum 
et  Ulpianum  in  magno  honore  habuit,  quos  praefectos  ab  Heliogabalo  alii 
dicunt  factos,  alii  ab  ipso,  nam  et  consiliarius  Alexandri  et  magister  scri- 
nit  Ulpianus  fuisse  perhibetur,  qui  tarnen  ambo  assessores  Papiniani  fuisse 
dicuntur.  Yict.  Caes.  24,  6:  Domitium  Ulpianum,  quem  Heliogabalus  prae- 
torianis  praefecerat,  eodem  honore  retinens  Pauloque  inter  exordia  patriae 
reddito,  iuris  auctoribus,  quantus  erga  optimos  atque  aequi  studio  esset 
edocuit.  Lamprid.  Alex.  Sev.  5i,  4:  Ulpianum  pro  tutore  habuit,  primum 
repugnante  matre,  deinde  gratias  agente,  .  .  atque  ideo  simimus  Imperator 
fuit  quod  eins  consiliis  praecipue  remp.  rexit.  15,  6:  negotia  et  causas 
prius  a  scriniorum  principibus  et  doctissimis  iurisperitis  et  sibi  fi delibus, 
qnorum  primus  tunc  Ulpianus  fuit,  tractari  .  .  praecepit.  31,  2:  neque 
umqua'm  solum  quemquam  nisi  praefectum  suum  vidit,  et  quidem  Ulpia- 
num, ex  assessore  semper  suo,  causa  iustitiae  singularis.  Vgl.  noch  ib. 
27,  2.  34,  6.  67,  2.  Cod.  VIII,  38,  4  (vom  30  März  222):  secundum  respon- 
sum  Domitii  Ulpiani,  praefecti  annonae,  icti,  amici  mei.  lY,  65,  4  (vom 
1  December  222):  ad  Domitium  Ulpianum,  praefectum  praet.  et  parentem 
meum.  Dio  LXXX,  1:  'Als^avögog  .  .  /ioyi,i%C(p  xlvI  OvXniava  rr/v  te  tav 
doQvg>6Q<ov  ngoczacCav  xal  xa  Xoma  tijg  ctQxrig  instgeips  ngayfiata.  ib.  2: 
6  OvXmavog  7toU,ä  filv  tmv  ova  OQd'cog  vno  xov  ZagSavanaXlov  fCQaxQ'iv- 
t(ov  inrjvcjQ^oDGs ,  zov  dh  Örj  ^Xaoviavov  xov  xb  Xqtjoxov  dnonxsivag,  iv 
ccvxovg  dLaSi^rjxaiy  xal  avxog  ov  noXXm  vazsQOv  v^o  xciv  öoQvqiOQcov  ini- 
^BfjLtvoav  ot  WHxog  xuxBCfpayriy  natitBq  %cd  itQog  xb  naXdxiov  dvadgancov 
%ccl  nQog  ccvxov  xov  avxonifdxoQcc  xi\v  xs  iitjxsqcc  avxov  naxcccpvyoav/  Der 
Hauptanstifter  dabei  sei  Epagathos  gewesen.  Genaueres  bei  Zosim.  I,  11. 
Hieronym.  ad  a.  2242  =s  226  n.  Chr.  (Amand.  ad  2241):  Ulpianus  ictus 
assessor  Alexandri  insignissimus  habetur. 

2.  Von  Ulpian  ist  vor  Severus'  Tode  (J.  211)  herausgegeben  nur  der 
libcr  singularis  de  excusationibus ,  wovon  die  jüngere,  unter  Caracalla  ver- 
öffentlichte Schrift  de  officio  praetoris  tutelaris  gewissermassen  die  zweite 
Auflage  ist  (Mommsen).  Der  Edictcommentar  ist,  wenigstens  in  seiner 
ersten  Hälfte,  gleichfalls  unter  Severus  geschrieben,  aber  erst  später  her- 
ausgegeben oder,  wenn  schon  früher  veröffentlicht,  später  noch  einmal 
überarbeitet  worden.  Die  grosse  Masse  seiner  Publicationen  fällt  in  die 
Zeit  der  Alleinregierung  Caracalla's  (J.  211 — 217)  oder  hat  doch  in  dieser 
Zeit  von  ihm  die  Schlussredaction  erhalten.  Caracalla  wird  darin  durchaus 
als  lebend  (imperator)  erwähnt.    Nur  die  fünf  Bücher  de  adulteriis  scheinen 

64* 


852  Die  Kaiserzeit.    Drittes  Jahrhundert.   Caracalla. 

unter  Macrinus  (oder  Elagabal)  verfasst.  Fitting,  d.  Alter  d.  Schriften 
S.  34—44,  nebst  Th.  Mommsen,  Zeitschr.  f.  Rechtsgesch.  IX.  S.  101  f.  113  f. 
Ein  Missverständniss  ist  Lamprid.  Heliog.  16,  2:  Sabinum  consularem,  ad 
quem  libros  ülpianus  icripsit,  .  .  iussit  occidi.   Vgl.  vielmehr  oben  276,  1. 

3.  Die  sogenannten  Pragmenta  ülpiani  sind  durch  einen  Vati- 
canus  saec.  X  erhalten  und  heissen  dort  Tituli  ex  corpore  ülpiani,  Sie 
gehören  alle  zu  dessen  liber  singularis  B«gularum.  Er  folgt  darin  nach 
Anlage  und  Ausführung  wesentlich  dem  Gajus.  Am  Anfang  fehlt  Einiges, 
am  Schlüsse  Vieles;  die  Mitte  ist  mit  wenig  Verstand  aus  ülpians  Werk 
excerpiert.  Huschke,  iurisprud.  anteiust. '  p.  467  —  470.  Editio  princeps 
davon  durch  Jo.  Tilius,  Paris  1549.  Ausgaben  (meist  mit  den  Inst.,  A.  4) 
von  Hugo  (Götti.  1788.  1811.  1814.  1822.  1834),  E.  Böcking  (Bonn  1831. 
1836.  1845.  ed.  IV  Lips.  1865,  mit  einer  Abhandl.  von  Th.  Mommsen,  de 
Ülp.  regul.  libro  sing.),  J.  Vahlen  (Bonn  1856).  Auch  in  R.  Gneist's  Instit. 
syntagma  (Lips.  1868)  und  Huschke's  iurisprud.  anteiust.*  p.  472  —  621. 
Heimbach,  üb.  Ulp.'s  Fragmente,  Leipzig  1834.  K.  D.  A.  Röder,  Versuche 
zur  Berichtigung  von  Ulp.  Fragm.,  Gott.  1856.  99  S. 

4.  Vom  ersten  Buche  der  Institutionen  des  Ulp.  wurden  J.  1835 
durch  Endlicher  in  der  Wiener  Hofbibliothek  auf  dem  Querstreifen  eines 
Einbandes  Reste  von  zwei  Blättern  einer  alten  Hds.  (vielleicht  saec.  V) 
gefunden  und  veröffentlicht.  Endlicher,  de  inst.  Ulp.  fragmento  Vindob. 
nuper  reperto,  Wien  1835.  Vgl.  Th.  Mommsen,  in  Savigny's  Zeitschr.  f. 
gesch.  Rechtswiss.  XV  (Berl.  1850)  S.  372  ff.  Huschke,  iurisprud.  anteiust.  * 
p.  522—524.  Abgedruckt  (s.  A.  3)  z.  B.  bei  Huschke  I.  1.  p.  525—527. 
F.  P.  Bremer,  de  Dom.  Ulp.  instit.  scripsit  atque  earundem  inst,  reliquias 
adiecit,  Bonn  1863.  106  pp.  Ausser  jener  Hds.  finden  sich  13  Stellen  des 
Werks  in  den  Pandekten  (Hommel,  Paling.  III.  p.  411 — 413),  andere  in 
der  Collatio  legum.  Alles  beisammen  in  P.  Krüger's  kritischen  Versuchen 
auf  d.  Gebiete  d.  röm.  Rechts  (Berlin  1870)  S.  163—172,  vgl.  ebd.  S.  140  ff. 

5.  Hauptwerke  des  Ülp.  Ad  edictum  libri  LXXXIII,  nämlich  81  die 
in  den  Pandekten  excerpiert  sind  und  deren  Grundstock  bilden  (bei  Hom- 
mel, Palingenesia  III.  p.  39—383)  und  dazu  2  Bücher  Ad  edictum  aedilium 
curulium  (ib.  jd.  383 — 394),  sowie  (in  zwei  Auflagen,  s.  Cod.  lust.  constit. 
Cordi  nobis  §.  3  fin.)  Ad  Sabinum  (vgl.  A.  2)  libri  LI  (Hommel  IlL  p.  459 
—589).  Ausserdem  Ad  legem  luliam  et  Papiam  libri  XX;  Ad  legem  luliam 
de  adulteriis  libri  JI;  Ad  legem  Aeliam  Sentiam  libri  IV;  Protribunalium 
oder  de  omnibus  tribunalibus  libri  X;  De  appellationibus  libri  IV;  De  censibus 
libri  VI;  Fideicommissorum  libri  VI;'  De  adulteriis  libri  V  (vgl.  A.  2);  De 
sponsalibus;  Da  officio  proconsulis  libri  X  (B.  VII  enthielt  die  Rescripte 
gegen  die  Christen  und  die  mathematici,  Lactant.  inst.  V,  11..  Collat.  leg. 
XV,  2;  vgl.  A.  F.  Rudorff,  über  den  liber  de  off.  procos.,  Berlin  1866.  4. 
Abhandl.  d.  Berl.  Ak.);  De  officio  consulis  libri  III;  De  officio  quaestoris 
libri  II  (oder  I);  libri  singulares  de  officio  consularium,  de  off.  curatoris 
reip.,  praefecti  vigilum,  praefecti  urbi,  praetoris  tutelaris,  de  excusationibus 
(A.  2).  Ferner  Disputationum  (publicarum)  libri  X,  Opinionum  libri  VI, 
Rcsponsorum  libri  II,  Institutionum  libri  II  (A.  4),  Regularum  liber  singu- 
laris (A.  3),  Regularum  libri  VII.    Im  Ganzen  sind  aus  diesen  Schriften  in 


372.   Ulpianus.  853 

die  Pandekten  2462  Stellen  aufgenommen;  sie  bilden  T.  III  von  Hommera 
Palingenesia  (618  pp.).  Nur  citiert  werden  Ulpians  Pandectarum  libri  X, 
sowie  seine  Noten  zu  Aristo  (Dig.  XXIX,  7,  9),  Marcellus  (ib.  XX,  1,  27. 
XXVI,  7,  28,  1)  und  zu  Papinian's  Responsa  (ib.  III,  5,  31,  2.  L,  8,  3  pr.). 

6.  Cod.  IX,  41,  11  (Diocletian,  J.  290):  vir  prudentissimus  Domitius 
Ulpianus  in  Publicarum  disputationum  libris  ad  perennem  scientiae  memo- 
riam  refert.  Justiuian  Cod.  VI,  25,  9  (J.  631):  tarn  ülpiano  quam  Papiniano, 
viris  disertissimis.  VI,  51,  9:  non  ineleganter  summi  ingenii  vir  Ulpianus. 
Novell.  XCVII,  6,  1:  Ovlniavov  tov  aofptoTcctov.  Sein  Schüler  Modestinus 
nennt  ihn  6  ^gdttatog  (Dig.  XXVI,  6,  2,  5.  XXVII,  1,  2  fin.  4,  1).  Im  Ganzen 
war  Ulpian's  literarische  Thätigkeit  eine  reproductive;  die  Originalität 
Papinians  geht  ihm  ab^  aber  er  weiss  seinen  Stoff  sicher  zu  beherrschen 
und  geschickt  darzustellen.  Auffallend  ist  dass  er  seinen  Zeitgenossen 
Paulus  nie  nennt,   wie  dieser  ihn  nur  ein  einziges  Mal  (Dig.  XIX,  1,  43). 

7.  J.  Lectius,  de  vita  et  scriptis  D.  U.,  Genf  1601  =  Otto  Thesaur.  I. 
H.  Steger  (F.  C.  Conradi),  de  D.  U.,  Lips.  1725.  4.  Zimmern,  röm.  Privat- 
recht I,  1.  S.  367—374.  F.  A.  Schilling,  diss.  de  ü.,  Breslau  1824.  G.  Bruns 
in  Pauly's  Real-Enc.  VI,  2.  S.  2697—2700.  Rudorff,  Rechtsgesch.  I.  S.  189 
—  192. 

8.  In  Handschriften   welche    die   Notitia  dignitatum    enthalten  findet 
,   sich  auch  eine  kurze  Uebersicht  der  Verwandtschaftsgrade  (vgl.  373,  4)  welche 

mit  der  Terminologie  des  Gajus  übereinstimmt  und  durch  Klarheit  sich 
auszeichnet,  daher  Huschke  (iurispr.  anteiust.  ^  p.  529)  glaubt  dass  sie  einem 
Werke  des  Uli)ian  entnommen  sei ,  den  Regulae  oder  Instit.  Abgedruckt  bei 
Böcking,  Corp.  iur.  anteiust.  p.  173  und  in  sr.  Ausg.  von  Ulp.  Fragm.*  p.  183, 
bei  Huschke  1.  1.  p.  530  f.' 

9.  Das  fragmentxmi  de  iure  fisci,  welches  durch  zwei  Blätter  der 
Capitelsbibliothek  in  Verona  erhalten  ist  und  erstmals  zusammen  mit  Gajus 
veröffentlicht  wurde ,  will  Huschke,  iurisprud.  anteiust.  *  p,  636 — 538  gleich- 
falls wegen  der  scribendi  elegantia  et  tota  tractandi  ratio  dem  Ulpian  zu- 
schreiben, und  erklärt  sich  namentlich  gegen  die  Urheberschaft  des  Paulus, 
an  welche  z.  B.  Rudorff  (Rechtsgesch.  I.  S.  1^93  f.  241  f.)  glaubt,  und  gegen 
die  Versetzung  in  die  Zeit  Diocletians  (zwischen  J.  286  und  326),  welche 
C.  W.  Walch  (de  aetate  fragm.  veteris  icti  de  i.  f.,  Jena  1838)  vertheidigte. 
Sicher  ist  es  aus  dem  Ende  des  zweiten  oder  Anfang  des  dritten  Jahrh. 
Abgedruckt  ist  dasselbe  in  Göschen's  Ausgabe  des  Gajus  (oben  357,  5),  in 
Böcking's  Ausgaben  des  Ulpian;  auch  in  Huschke's  iurisprud.  anteiust.* 
p.  539—545.     Edidit  P.  Krüger,  Lips.  (Teubner)  1868.  22  pp. 

373.  Ein  noch  fruchtbarerer  Schriftsteller  als  ulpian  war355 
dessen  Zeitgenosse  Julius  Paulus,  gleichfalls  unter  Alexander 
Severus  praefectus  praetorio  und  einflussreich.  Er  scheint  den 
Ulpian  überlebt  zu  haben.  Seine  juristische  Geltung  war  nicht 
viel  minder  gross;  doch  steht  er  an  schriftstellerischer  Gewandt- 
•  heit,  Sorgfalt  und  Darstellungsgabe  dem  Ulpianus  entschieden 
nach.     Die    Stoffe   und   Titel    der   beiderseitigen   Schriften   sind 


854  I)ie  Kaiserzcit.   Drittes  Jahrhundert.    Caracalla. 

vielfach  dieselben.  Zahlreiche  Gegenstände  behandelte  Paulus 
monographisch.  Das  umfassendste  seiner  Werke  waren  seine 
80  Bücher  Ad  edictum,  das  am  meisten  benützte  seine  Sententiae. 
Letztere  sind  in  verkürzter  Gestalt  erhalten.  Ausserdem  bilden 
die  Auszüge  aus  seinen  Werken  ein  Sechstheil  von  dem  ganzen 
Umfang  der  justinianischen  Pandekten.. 

1.  Paulas  war,  wie  Papinian,  Schüler  des  Scävola  (oben  364,  1)  und 
Mitglied  des  kaiserlichen  consilium  (unter  Septimius  SeveruB).  Paul.  Üig. 
XXIX,  2,  97:  Papinianus  putabat,  .  .  diceham,  .  .  pronuntiavit  (ünperator). 
IV,  4,  38:  victa  tarn  apud  praetorem  quam  apud  praefectum  urbi  provo- 
caverat.  putabam  bene  iudicatum,  .  .  imperator  autem  motus  est  quod  etc. 
dicebam  etc.  movit  etiam  illud  imperatorem  etc.  Vgl.  ib.  XLIX,  14,  50. 
Früher  Sachwalter  (Dig.  XXXII,  78,  6:  cum  vir  ita  legasset  .  .  ego  apud 
praetorem  fideicommissarium  petebam  .  .  nee  obtinui),  später  Beisitzer  des 
praof.  praet.  unter  Papinian;  s.  Paul.  Dig.  XII,  1,  40:  lecta  est  ,  .  (oben 
366,  1)  cautio  huius  modi.  dicebam  etc.  Magister  scrinii  raemoriae,  unter 
Elagabal  verbannt,  durch  Alexander  (Severus)  zurückgerufen  und  zum 
l)raef.  iiraet.  ernannt;  s.  oben  372,  1. 

'  2.  Die  drei  Bücher  Decretorum  und  die  Schriften  de  iurisdictione 
tutelari  (ed.  II)  und  de  excusationibus  tutelarum  sind  schon  vor  dem  Tode 
des  Severus  (J.  211)  herausgegeben,  die  sententiarum  libri  V  wie  es  scheint 
kurz  nach  Severus'  Tod.  Unter  Caracalla  fallen  sicher  die  Tractate  de 
publicis  iudiciis,  de  libertatibus  dandis,  ad  orationem  divi  Severi,  de 
cognitionibus,  vielleicht  auch  die  zwei  Bücher  ad  legem  luliam  und  die 
drei  FideicommisBOrum.  Unter  Elagabal  (J.  218—222)  die  Bücher  de  ceusibus. 
Erst  unter  Alexander  (222—235)  mindestens  abgeschlossen  sind  die  Responsa. 
Jedenfalls  nach  Caracalla's  Tode  (217)  verfasst  sind  die  Abhandlungen  de 
adnlteriis  und  de  iure  libellorum,  und  abgeschlossen  (unter  Elagabal  oder 
Alexander)  der  Edictcommentar.  Im  Allgemeinen  bietet  Paulus,  wegen 
seiner  geringeren  Genauigkeit  in  den  Angaben,  wenig  Anhaltspunkte  für 
die  Bestimmung  der  Abfassungszeit  seiner  Schriften.  Vgl.  Fitting,  üb.  d. 
Alter  d.  Schrr.  S.  44—50  und  dazu  Th.  Mommsen,  Ztschr.  f.  Rechtsgesch. 
IX.  S.  106  f.  111  f.  (A.  53).    114—116. 

3.  Die  Sententiarum  ad  filium  libri  V  waren  eine  Art  von  juri- 
stischem Vademecum,  enthaltend  die  unbestrittenen  Grundsätze  über  die 
häufigsten  Rechtsverhältnisse,  ohne  Begründung  und  Quellennachweise,  nach 
der  Ordnung  des  Edicts.  Ihre  Fasslichkeit  und  Kürze  empfahl  sie  den 
Laien  und  verschaffte  ihnen  öffentliche  Geltung  in  einer  Zeit  welche  von 
langen  Controversen  nichts  wissen  wollte.  Verordnung  Constantins  vom 
J.  327  (Cod.  Theod.  I,  4,  2):  Sententiarum  libros,  i^lenissima  luce  et  per- 
fcetissima  elocutione  et  iustissima  iuris  ratione  succinctos^  in  iudiciis  pro- 
latos  valere  non  dubitatur.  Theodosius  II  und  Valentinian  III  (J.  426)  er- 
weiterten dieas  (Cod.  Theod.  I,  4,  3):  Pauli  sententias  semper  valere 
praecipimus;  vgl.  Consult.  7,  3.  Für  die  leges  barbarorum  bildeten  diese 
Sent.  die  Hauptquelle  des  geltenden  Rechtes  (daher  receptae  sent.).  Da- 
durch dass  sie,    aber   in  weiterer  Abkürzung,   in  das  Breviarium  Alarici 


373.    Der  Jurist  Paulus.  855 

Aufnahme  fanden  sind  sie  auf  uns  gekommen.  Die  dortigen  Excerpto 
werden  ergänzt  durch  Anführungen  in  den  fragmenta  Vaticana,  der  Col- 
latio  legum,  Consultatio  und  besonders  in  den  Digesten.  Vgl.  Huschke, 
iurisprud.  anteiust.*^  p.  352 — 358.  Ausgaben  bes.  von  Cujacius  (1566)  und 
von  J.  A.  Schulting  (Iurisprud.  vetus  anteiust.),  L.  Arndts  (im  Bonner  Cor- 
jius  iuris  anteiust.  und  Bonn  1833),  G.  Hänel  (Lex  Rom.  Visigoth.,  Lips. 
1849),  Huschke  (iurisprud.  anteiust.*  p.  359 — 46&)  u.  a.  Die  Auszüge  in 
den  Pandekten  bei  Hommel,  Paling.  IL  p.  227—268. 

4.  Durch  den  index  Florentinus  und  die  Pandekten,  sowie  die  Fragm. 
Vaticana  kennen  wir  die  weite  Ausdehnung  der  Schriftstellerei  des  Pauhis: 
Ad  edictutai  libri  LXXX,  w'ozu  Ad  edictum  aedilium  curulium  libri  (II?), 
und  die  kürzere  Bearbeitung  (mit  Nachträgen)  Brevium  libri  XXIII  (oder 
ad  edictum  de  brevibus).  Quaestionum  libri  XXVI;  Manualium  libri  III; 
Scntentiarum  V  (A.  3);  Institutorum  II  (vgl.  Huschke,  iurisprud.  antei. * 
p.  466);  Regularum  VII.  Reaponsorum  libri  XXUI;  Decretorum  III;  De- 
ere torum  s.  imperialium  sententiarum  in  cognitionibus  prolatarnm  oder 
Factorum  libri  VI.  Ad  Sabinum  libri  (XVH?);  ad  Vitellium  libri  IV  (?vgl. 
Mommsen  ad  Dig.  XXXII,  78  pr.  Ztschr.  f.  Rechtsgesch.  IX.  S.  116);  Epito- 
marum  Alfeni  (oben  205,  3)  libri  VIII;  Labeonis  nsi^avav  libri  VIII;  ad 
Plautium  libri  XVIII;  ad  Neratium  libri  IV;  Notae  ad  lulianum,  Scaevo- 
lam,  Papinianum.  Ad  legem  luliam  et  Papiam  libri  X;  ad  legem  Aeliam 
Sentiam  libri  III;  ad  legem  luliam  libri  IL  De  adulteriis  libri  III;  Fidei- 
commissorum  libri  III;  de  officio  consulis  II;  de  off.  proconsulis  II;  de  ceu- 
sibus  U;  de  iure  fisci  IL  Ausserdem  59  libri  singulares  über  alle  Gebiete 
des  Rechts.  So  de  legibus,  ad  legem  Cinciam,  municipalem,  Falcidiam, 
Velleiam,  Fusiam  Caniniam;  de  senatus  consultis;  ad  S.  C.  Orfitianum, 
TertuUianum ,  Silanianum,  Turpilianum,  Velleianum,  Claudianum,  Libonia- 
num;  ad  orationem  divi  Marci,  divi  Severi;  ^e  iure  libellorum;  ad  regulam 
Catonianam;  de  iure  singulari;  de  iuris  et  facti  ignorantia;  de  variis  lectio- 
nibuB.  De  officio  praefecti  urbi,  praefecti  vigilum,  praetoris  tutelaris,  asses- 
sorum;  de  iurisdictione  tutelari  (in  zwei  Ausgaben),  de  excusationibus 
tutelarum;  de  gradibua  et  affinibus  (vgl.,  372,  8);  de  dotis  repetitione;  de 
dönationibus  inter  virum  et  uxorem ;  de  intercessionibus  feminarum ;  deusuris. 
De  testamentis  mehrererlei  Monographien.  De  libertatibus  dandis ;  de  assig- 
natione  libertorum;  de  iure  patronatus.  De  actionibus,  concurrentibus 
actionibus,  conceptione  formularum,  hypothecaria  formula,  cognitionibus, 
liberali  causa,  septemviralibus  iudiciis,  appellationibus.  De  poenis  omnium 
legum,  poenis  paganorum,  militum;  de  portionibus  quae  liberis  damna- 
torum  conceduntur;  de  publicis  iudiciis,  extraordinariis  crinpiinibus ,  adul- 
teriis. Im  Ganzen  finden  sich  in  den  Digesten  2080  Auszüge  aus  seinen 
Schriften;  s.  Hommel,  Palingenesia  IL  p.  3 — 300. 

5.  Modestin.  Dig.  XXVII,  1,  13,  2  (oben  364,  3).  Gordianus  im  Cod. 
V,  4,  6  (J.  239),  Diocletian  ib.  IX,  22,  11  (J.  287)  u.  Justinian.  const.  Omnem 
(Dig.  prooem.)  5:  responsum  viri  prudentissimi  Pauli.  In  Folge  der  Gel- 
tung seiner  sententiae  (A.  3)  heisst  P.  iuridicus  schlechtweg  Consult.  7,  3 
und  bei  Isid.  Orig.  V,  24,  30. 

6.  A.  A.  Pagenstecher,   lul.  Paulus,   in  d.  Sylloge  diss.,   Brem.  1713. 


856  l^i©  Kaiserzeit.   Drittes  Jahrhmidert.    Caracalla. 

E.  A.  0.  C.  Pagenstecher,  Paalus  iniuria  vapiilans,  Wetzlar  1726.  4.  (=  Tractat. 
iur.  I.  Würzb.  1734).  F.  C.  Conradi,  J.  P.  ab  iniuria  criticorum  vindicatus, 
Heimst.  1733  (==  Parerg.  IV.  p.  507  ff.).  Zimmern,  Privatr.  I,  1.  S.  368—371. 
374—378.  G.Bnins,  in  Pauly's  Real-Enc.  V.  S.  1251  f.  Rudorff,  Rechtsgesch. 
I.  S.  192—195. 

366  374,  Neben  diesen  Grössen  der  Jurisprudenz  wirkten  und 
schrieben  in  dieser  Zeit  auch  noch  eine  Anzahl  Juristen  zwei- 
ten und  dritten  Ranges,  unter  welchen  die  bedeutendsten  waren 
Aelius  Marcianus,  Aemilius  Macer  und  besonders  der  Schüler 
Ulpians,  Herennius  Modestinus,  welcher  sein  Werk  über  die 
excusationes  griechisch,  die  übrigen  aber  lateinisch  schrieb. 

1.  Panl.  (Quaest.  •XII)  Dig.  XL,  18,  4:  Licinius  Rnfinns  Inlio 
Paulos  .  .  quaero  .  .  peto  itaque  plenissime  instmas.  XXFV",  1,  41:  Lici- 
nius Rufinus  libro  VI  Regularam:  .  .  nam  et  Imp.  Antoninus  (Caracalla, 
8.  Mommsen,  Ztschr.  f.  Rechtsgesch.  IX.  S.  102,  A.  24)  constituit  etc. 
XLII,  1,  34:  Licinius  Rufinus  libro  XIII  Regularum  (ind.  Flor,  weiss  nur 
von  XII  Büchern).  Die  13  Digesten-Excerpte  aus  diesem  Werke  bei  Hommel, 
Paling.  II.  p.  399  f.  Abhandlungen  de  L.  R.  von  H.  J.  0.  König  (Halle 
1772.  4.)  und  C.  A.  H.  Clodius  (Lips.  1791.  4.). 

2.  Inst.  IV,  3,  1:  sie  et  HomeruB  in  Odyssea  ait,  sicut  Aelius 
Marcianus  in  suis  Institutionibus  refert.  Vgl.  Dig.  XXXIl,  65,  4.  Im 
Ganzen  waren  es  16  Bücher,  in  der  Hauptsache  n<ach  Gajus,  jedoch  im 
Familien-  und  Erbrecht  mit  Anschluss  an  Sabinus  und  unter  Anfügung 
des  ins  extraord.  (Straf-,  Fiscal-  und  Kriegs-Recht) ;  verfasst  nach  dem  Tode 
des  Caracalla  (divi  Severus  et^  Antoninus).  Auch  alle  andern  Schriften  des 
Marcianus  sind  nach  Caracalla's  Tod  (217)  abgefasst,  da  er  immer  entweder 
divus  Antoninus  oder  Ant.  Magnus  (Magnus  Ant.)  oder  divus  Magnus  Ant. 
genannt  wird;  nämlich  Publicorum  iudiciorum  libri  II  (worin  auch  Papi- 
nianus  Respons.  XVI  citiert  wird),  Regularum  libri  V,  und  die  libri  singu- 
lares  de  delatoribus  und  ad  formulam  hypothecariam.  Von  den  z^ei 
Büchern  de  appellationibus  ist  wenigstens  sicher  dass  sie  nach  Sever's 
Tode  geschrieben  sind.  Fitting,  Alter  d.  Schrr.  S.  60 — 52  mit  Mommsen, 
Ztschr.  f.  Rechtsgesch.  IX.  S.  106  f.  109.  112.  Kein  Zeitmerkmal  enthalten 
die  Ueberreste  des  liber  sing,  ad  SC.  Turpilianum  und  der  Notae  ad  Papi- 
nianum.  In  den  Digesten  sind  diese  Schriften  275  Mal  benützt;  s.  Hommel, 
Paling.  1.  p.  399  —  436.  Rescripte  an  (diesen?)  Marcianus  von  Alexander 
(Cod.  II,  13,  6  und  X,  58  aus  J.  223.  VII,  21,  4  aus  J.  228)  und  von  Gor- 
dianuB  (Cod.  IV,  21,  4)  aus  J.  239.  G.  Oelrichs,  de  vita,  studiis,  honoribus 
et  scriptis  Ael.  M.  icti,  Utrecht  1754.  4.    Zimmern,  röm.  Privatr.  I,  1.  S.  380  f. 

3.  Aemilius  Mac  er,  Verfasser  von  je  zwei  Büchern  Publicorum 
iudiciorum.  Ad  legem  vicesimae  hereditatum.  De  officio  praesidis,  De 
appellationibus.  De  re  militari,  welche  in  den  Pandekten  an  62  Stellen 
benützt  sind;  s.  Hommel,  Paling.  I.  p.  341  —  350.  Die  Schrift  de  app.  ist 
sicher  unter  Alexander  verfasst  (Dig.  XLIX,  13,  1),  die  anderen  jedenfalls 
nach  dem  Tode  des  Severus.    Ulpian,  Paulus  und  Menander  werden  darin 


374.   MarcianuB,  Modestinus  u.  a.  Juristen.  857 

wiederholt  erwÄhnt.  Fitting,  Alter  d.  Schrr.  S.  52  f.  Von  einem  A.  Aem. 
Macer  eine  devote  Inschrift  zu  Ehren  des  Caracalla  Tom  15  Aug.  216  bei 
Orelli  930. 

4.  Florentinus,  Verfasser  von  Institutionum  libri  XII  nach  dem 
System  des  Gajus,  in  den  Digesten  mitbenutzt;  s.  Hommel,  Paling.  I. 
p.  175-^178.  Es  wird  darin  divus  Pius,  Aquilius  Gallus  und  Trebatius 
genannt.  Er  wäre  sicher  der  Zeit  des  Alexander  zuzutheilen  wenn  fest- 
stände dass  der  im  Cod.  III,  28 ,  8  yom  J. '  223  (Irop.  Alexander  Aug.  Flo- 
rentino) Genannte  er  sei.  Abhandlungen  über  ihn  und  seine  üeberreste 
von  A.  F.  Rivinus  (Wittenb.  1762.  4.),  C.  F.  Walch  (de  Flor,  icti  philoso-. 
phia,  Jena  1754  =  Opusc.  I.  p.  337  —  346),  J.  Th.  Mathews  (Lugd.  B. 
1801.  4.),  Th.  Schmalz  (Königsberg  1801). 

5.  lulius  Aquila  (im  ind.  Flor,  wohl  unrichtig  Gallus  Aq.),  Verfasser 
von  zwei  Büchern  Responsa,  welche  in  den  Digesten  zweimal  (XXVI,  7, 
34.  10,  12)  ausgezogen  sind.    Zimmern,  röm.  Privatr.  I,  1.  S.  386  f. 

6.  Furius  Anthianus  verfasste  einen  Edictscommentar,  von  welchem 
der  ind.  Flor.  ((liQog  iSUzov  ßißUu  nivte)  noch  5  Bucher  kennt.  Die 
drei  Excerpte  aus  dem  ersten  Buch  die  sich  in  den  Digesten  (II,  14,  62. 
IV,  3,  40.  VI,  1,  80)  finden  geben  keinen  Anhalt  zur  Bestimmung  seiner 
Zeit.    P.  F.  Besier,  de  F.  A.  icto,  Lugd.  B.  1803. 

7.  Aelius  Florianus  Herennius  Modestinus  (nach  der  Fullonen- 
inschrift  bei  Kellermann,  Vig.  laterc.  p.  30  =  Rhein.  Mus.  XXI.  S.  10  f.). 
ülp.  Dig.  XL VII,  2,  52,  20:  quod  et  Herenriio  Modestino,  studioso  meo, 
de  Delmatia  consulenti  rescripsi.  Capitol.  Maximin.  iun.  (geb.  217)  1,  5: 
grammatico  latlno  usus  est  Philemone,  iurisperito  Modestino.  Imp.  Gordia- 
nus  J.  239  (Cod.  III,  42,  fS):  merito  tibi  a  non  contemnendae  auctoritatis 
icto  Modestino  responsum  est.  J.  244  praef.  vigilum  in  Rom  (FuUonen- 
inschrift  L  L).  VgL  Arcad.  Charis.  Dig.  L,  4,  18,  26:  mixta  munera  .  . 
Herennius  Mod.  et  notando  et  disputaudo  et  optima  ratione  decrevit. 
Schriften  des  Mod.:  Excusationum  libri  VI  (griechisch);  Differentiarum  IX 
und  Regularum  X  (Huschke,  iurisprud.  anteiust. '  p.  546);  Pandectarum  XI  f; 
Responsorum  XIX;  Ad  Q.  Mucium  mindestens  XXXI  Bücher;  De  poenis  VT; 
libri  singulares  de  enucleatis  casibus,  heurematicis ,  difierentia  dotis,  in- 
officioso  testamento,  mannmissionibus ,  praescriptionibus,  ritu  nuptiarum, 
legatis  et  fideicommissis,  testamentis.  Zusammenstellung  der  344  Excerpte 
daraus  in  den  Digesten  bei  Bommel,  Paling.  I.  p.  453  —  494.  Keiner  der 
üeberreste  weist  mit  Sicherheit  über  die  Zeit  von  Caracalla's  Alleinregierung 
hinaus.  Bestimmt  nach  Caracalla's  Tod  verfasst  sind  die  libri  differen- 
tiarum, Pandectarum,  Excusationum;  unter  Alexander  der  Über  sing,  de 
enucleatis  casibus.  In  B.  I  der  Excusationes  (Dig.  XXVI,  6,  2,  5)  war 
Paulus  libro  IX  Responsorum  (oben  373,  2)  angeführt,  so  dass  dieselben 
frühestens  unter  Alexander  vertasst  sein  können.  Widmung  dieses  Werkes 
{ncLffaCxTiGig  inixQonrig  %a\  nLOVQazoQcccg)  an  Egnatius  Dexter,  Dig.  XXVII, 
1,  1.  Fitting,  d.  Alter  d.  Schrr.  S.  53  —  55.  Im  Allgemeinen  s.  Zimmern, 
röm.  Privatr.  I,  1.  S.  883—386. 

375.     In  den  ersten  Jahrzehnten  des  dritten  Jahrh.  schrieb357 
der  von  Charisius  sehr  stark  benützte  gelehrte  Grammatiker  C. 


85S  Die  Kaiscrzeit.  Driltcä  Jahrhuiiilcrt.     Caracalla. 

« 

lulius  Roraaniis,  sowie  der  Metriker  Juba,  der  sich  an  Caesius 
ßassus  und  Heliodor  angeschlossen  hatte,  um  dieselbe  Zeit  war 
auch  Censorinus  thätig,  Verfasser  mehrerer  grammatischer 
Werke.  Auf  uns  gekommen  ist  seine  Schrift  de  die  natah, 
einem  reichen  Gönner  Namens  Q.  Caerellius  gewidmet  und  im 
J.  238  verfasst.  Sie  ist  hauptsächlich  aus  Suetonius  geschöpft 
und  enthält  werthvoUe  Angaben  für  Geschichte  und  Chronologie. 
Die  Behandlung  ist  rhetorisch. 

1.  G.  lulius  RomanuB  (Charie.  p.  230,  1  E.)  ist  unter  den  von 
Chaiisius  benützten  Grammatikern  der  keuntniesreicbste  ( disertissimus 
Artis  soriptor,  ib.  p.  2.32,  7).  Aus  ihm  nimmt  Charisius  ganze  grosse  Ab- 
schnitte, wie  über  die  Analogie  (p.  116—147)  und  die  Adverbien  (p.  190 
— 224),  wörtlich  in  sein  Buch  herüber,  so  wortgetreu  dass  er  auch  die 
Verweisungen  des  Romanus  auf  andere  Theile  seines  Werkes  oder  andere 
Schriften  mit  abschreibt,  wie  de  consortio  casuum  (Charis.  p.  132,  31),  de 
consortio  pracpositionüm  (p.  209,  20  f.),  nfQl  oQ&oyQatp^ag  quaestiones 
(p.  135,  15),  de  distinctionibus  u.  s.  w.  Das  von  Char.  benützte  Werk  des 
llomanus  war  vielleicht  ein  einziges  'Aq>oQpu)tl  betiteltes,  und  alle  speciellen 
Titel,  wie  liber  de  analogia  (Charis.  p.  56,  4.  114,  1.  116,  29),  liber  de 
tulverbiis  (ib.  p.  114,  28),  nur  Theile  davon.  Vgl.  Charis.  p.  230,  1:  G.  I. 
H.  libro  atpoQfiöiv  sub  titulo  de  coniunctione;  p.  238,  16:  I.  R.  libro  dtpoQ- 
fKov  sub  titulo  de  praepositione.  Ein  Erkennungszeichen  des  I.  R.  ist 
dass  er  den  Vergilius  regelmässig  Maro  nennt.  Da  I.  R.  den  Briefwechsel 
des  Fronto  mit  M.  Aurelius  (Charis.  p.  223,  26)  und  den  Apiüejus  (ib. 
p.  240,  28.  248,  5)  citiert,  sowie  den  Helenius  Acro  (oben  870,  1)  und  Por- 
phyrio  (oben  370,  4),  so  wird  er  in  die  erste  Hälfte  des  dritten  Jahrh.  zu 
setzen  sein.  Die  Quellen  des  Rom.  waren  bes.  Plinius  und  Flavius  Caper, 
auch  Asper  und  Terentius  Scaurus.  Vgl.  F.  Osann,  Beitrage  II.  S.  327 
—330.  H.  Keil,  grammatici  lat.  I.  p.  XLV— XLVIII.  A.  Schottmüller,  de 
riini  libr.  gramm.  I.  p.  32  ff.     W.  Christ,  Philologus   XVIII.   S.   121  —  123. 

2.  Mar.  Victorin.  bei  Keil,  gramm.  VI.  p.  88,  4  f. :  luba  noster  atqne 
alii  Graecorum  opinionem  secuti  referunt  etc.  ib.  p.  94,  6  ff.:  luba  noster, 
qui  inter  metricos  auctoritatem  primae  eruditionis  obtinuit,  insistens  Heliodori 
(oben  347,  9)  vestigiis,  qui  inter  Graecos  huiusce  artis  antistes  aut  primus 
aut  solus  est.  Servius  Aen.  V,  222:  secundum  lubam  artigraphum.  Die 
Zelt  desselben  bestimmt  "sich  dadurch  dass  in  der  Anführung  aus  Juba  bei 
Priscian.  de  metr.  Ter.  8  (II.  p.  421  Htz )  auf  einen  Vers  angespielt  ist 
welcher  dem  Annianus  (s.  d.)  angehört.  Er  ist  daher  frühestens  ums  J.  200 
zu  setzen.  Dazu  stimmen  auch  Wendungen  wie  intellegi  datur.  H.  Keil, 
quaestiones  grammaticae  (Lips.  1860)  p.  15—22.  R.  Westphal,  griech. 
Metrik  II,  2  (1865)  S.  146—149  =  P  (1867)  S.  223  ff.  Sammlung  der  üeber- 
reste  des  Juba  von  B.  ten  Brink  (lubae  Maurusii  de  re  metrica  scriptoris 
latini  reliquiae,  Utrecht  lß64),  H.  Wentzel  (Symbolae  oriticae  ad  bist,  script. 
rei  metr.  lat.,  Breslau  1858,  p.  18—25)  und  H.  Keil  (1.  1.  p.  19  ff.). 

3.  Anführung  aus  dem  vierten  Buche  der  Ars  des  Juba  bei  Rufin. 
p.  385  Gaisf.  (über  den  iambischen  Trimeter).    (luba)  in  octavo  bei  PriBcian. 


375.    Grammatiker:  Romanus.   luba.    Censorinus.  859 

IL  p.  420,  24  mit  der  Anm.  von  Hertz,  üebercinstimmnng  mit  den  Scholien 
zu. Hephästion  und  der  von  H.  Eeil  aus  einem  Ambros.  herausgegebenen 
Abh.  nsgl  trig  tav  nod^v  ovoiiaeiag.  Für  die  einzelnen  Metra  hatte  Juba 
zahlreiche  Beispiele  gegeben.  Benützt  wurde  sein  Werk  von  Sacerdos  und, 
wie  es  scheint,  von  Terentianus,  sowie  Asmonius;  epitomiert  von  Marius  Vic- 
torinus.  Auch  für  Pseudo-Atilius  und  Diomedes,  sowie  für  die  Metrik  in 
Endlichers  Analecta  p.  521  diente  er  als  Quelle. 

4.  Priscian.  I,  17  (p.  13,  19  f.  Htz.):  Censorino,  doctissimo  artis 
grammaticae.  Vgl.  ib.  16  (p.  13,  9).  Bei  Cassiod.  de  art.  gramm.  1  wird 
er  neben  Polemon,  Phocas  und  Probus  genannt.  Priscian.  XIV,  1, 6  (II.  p.  27, 
23  H.):  Censorinus  plenissime  de  his  docet  in  libro  quem  de  accentibus 
scribit.  Grössere  Stelle  daraus  ib.  4,  40  f.  (p.  45—47  H.).  Vgl.  Cassiod.  de 
mus.  p.  576. 

6.  Cassiod.  de  mus.  p.  573  (vgl.  ib.  p.  577):  Censorinus,  qui  ad  Q. 
Caerellium  scripsit  de  natali  eins  die.  Abfassung  J.  238;  s.  18,  12.  21,  6 
(hie  annus,  cuius  velut  index  et  titulus  est  Ulpii  et  Pontiani  consulatus, 
.  .  est  a  Roma  condita  DCCCCXCI"').  Aus  der  Widmung  (c.  1):  te,  Q. 
Ca  ereil  i,  virtutis  non  minus  quam  pecimiarum  divitem  ista  non  capiunt, 
.  .  quod  sapicntium  disciplina  formatus  satis  liquide  comperisti  huiusmodi . . 
esse  Tcav  fLsccav  etc.  quare  cum  dona  pretiosa  neque  tibi  .  .  desint  nee 
mihi  per  rei  tenuitatem  supersint,  quodcumque  hoc  libri  est  meis  opibus 
comparatum  natalicii  titulo  tibi  misi.  in  quo  non,  ut  plerisque  mos  est, 
aut  ex  ethica  parte  philosophiae  praecepta  ad  beate  vivendum  quae  tibi 
scriberem  mutuatus  sum,  aut  ex  artibus  rhetorum  locos  laudibus  tuis  cele- 
brandis  persecutus,  .  .  sed  ex  philologis  commentariis  quasdam  quaestiun- 
culas  delegi,  quae  congestae  possint  aliquantum  volumen  e^cere.  iam 
vero  cum  tuo  coUatu  scirem  me  plura  didicisse,  .  .  ego  a  quo  plura  in 
litteps  percepi  tibi  hacc  exigua  reddo  libamina.  c.  15:  quare,  sanctissime 
Caerelli,  cum  istum  annum  (das  49ste)  .  .  sine  uUo  incommodo  transieris, 
(wirst  du  das  8l8te  erleben).  .  .  quem  veterum  nunc  memoria  suspicimus 
prudentia  vel  temperantia  vel  iustitia  vel  fortitudine  tibi  antestare  dici- 
mus?  .  .  tu  officiis  municipalibus  functus,  honore  sacerdotii  in  principibus 
tuae  civitatis  conspicuus,  ordinis  etiam  equestris  dignitate  gradum  pro- 
vincialiuAi  supergressus  .  .  omnium  omnino  amorem  cum  maxima  gloria 
consecutus  es.  .  .  de  eloquentia  quoque  sileo,  quam  omnia  provinciarum 
nostrarum  (Spanien  oder  Gallien?)  tribunalia,  omnes  praesides  noverunt, 
quam  denique  urbs  Roma  et  auditoria  sacra  mirata  sunt. 

6.  Censorinus  prunkt  mit  seiner  Gelehrsamkeit  und  nennt  eine  Menge 
(meist  griechischer)  Schriftsteller,  von  denen  er  gewiss  viele  nie  zu  Gesicht 
bekommen  hat.  So  von  Lateinern  den  Fulvius,  lunius  Gracchanus,  Licinius 
Macer,  Fenestella  und  vielleicht  auch  den  Varro,  so  oft  er  diesen  auch 
anfahrt.  Die  Hauptquelle  war  wohl  Suetons  Pratum  (Reifferscheid  Suet. 
p.  434).  Vgl.  Jahn  p.  IX.  Auf  Horaz  spielt  Cens.  öfters  an  ( 1 ,  1  ff.  ==  0. 
IV,  8.  3,  6  =  0.  I,  1,  2).  In  der  Behandlung  des  Stoffes  zeigt  er  quaesita 
sermonis  elegantia,  quae  nobis  quidem  nimia  videtur  et  affectata,  et  rhe- 
toricum  artificium  (Jahn  p.  X).  Eine  einfache  sachgemässe  Darstellung 
mochte  der  Bestimmung  der  Schrift  als   Festgabe   zum  Geburtstag  nicht 


860  I^ie  Kaiserzeit.    Drittes  Jahrhundert.    Caracalla. 

würdig  erscheinen.  Diese  Bestimmung  bildet  den  Mittelpunkt  der  Erörterung. 
Zuerst  wird  das  der  Geburt  Vorausgehende  (Zeugung  u.  s.  w.)  abgehandelt, 
mit  einer  kühnen  Wendung  (12,  1:  nee  vero  incredibile  est  ad  nostros 
natales  musicam  pertinere)  die  Musik  mit  hereingezogen,  die  Lebensstufen 
besprochen,  dann  die  verschiedenen  Arten  der  Zeitein theilung  (c.  17  ff.). 
Mitten  in  der  Besprechung  der  Theile  des  Tages  und  der  Nacht  und  ihrer 
Benennungen  (24,  6)  brechen  die  Handschriften  ab. 

7.  Das  Schriftchen  ist  überliefert  besonders  durch  den  codex  Darm- 
stadiensis  saec.  VII  und  den  meist  mit  ihm  stimmenden  Väticanus  saec. 
X,  in  ziemlich  yerdorbener  Gestalt.  Die  übrigen  Hdss.  haben  alle  sehr 
wenig  Werth.  0.  Jahn  p.  XVI — XXII.  Wegen  Verwandtschaft  des  Inhalts 
unmittelbar  angehängt  ist  in  den  Hdss.,  aber  noch  corrupter,  ein  Bruch- 
stück dessen  Verfasser,  Zeit  und  Zweck  unbekannt  ist,  und  das  zuerst 
de  naturali  institutione  handelt,  dann  de  caeli  positione,  de  stellis  fixis 
et  errantibus,  de  terra,  von  da  aber  überspringt  zu  Erörterungen  de 
geometrica,  formis,  figuris,  postulatis,  welche  aus  Euklid  übersetzt  sind, 
und  darauf  ebenso  unerwartet  handelt  de  musica  (Geschichte),  de  rythmo, 
de  musica  (theoretisch),  de  modulatione,  de  nietiis  i.  e.  numeris,  de  legi- 
timis  numeris,  de  numeris  simplicibus.  Also  wohl  Theile  eines  encyklopä- 
dischen  Werkes.  0.  Jahn  p.  XI:  hoc  fragmentum  ..praeter  multa  volgaria 
atque  inepta  haud  pauca  tamen  continet  aliunde  non  nota,  quae  satis 
probant  ecriptorem  (besonders  in  den  Abschnitten  über  Musik  und  Metrik) 
fontibus  antiquioribus  usum  esse.  Insbesondere  hebt  er  die  Uebereiu- 
Stimmung  mit  manchen  Partien  der  Scholien  zu  Germanicus  (oben  270,  8) 
hervor,  was  sich  wohl  aus  Gemeinsamkeit  der  Quelle  (Suetons  Prata?) 
erklärt.  Dieses  Bruchstück  wurde  zuerst  durch  Carrio  von  dem  Werke 
des  Censorinus  abgetrennt  und  ist  abgedruckt  in  den  meisten  Ausgaben 
des  Letzteren,  z.  B.  von  0.  Jahn  p.  76—100  (vgl.  p.  X— XIII),  von  Hultsch 
p.  65—73. 

8.  Ausgaben  des  Censorinus.  Ed.  princeps  Bonon.  1497  fol.  Aldina 
Ven.  1681.  Rec.  L.  Carrion,  Lutet.  1583.  Lugd.  B.  1593.  Rec.  et  ill.  H. 
Lindenbrogius,  Hamburg  1614.  4.  Lugd.  B.  1642.  Cantabr.  1695.  Ed.  E. 
Puteanus,  Lov.  1628.  4.  Ex  rec.  A.  Götz,  Alt.  1742.  Ex  rec.  Havercampi, 
Lugd.  B.  1743.  1767.  Cum  adn.  J.  S.  Gruber,  Norimberg.  1805.  1810.  Erste 
kritische  Ausgabe:  Rec.  et  emend.  0.  Jahn,  Berlin  1845.  Rec.  Fr.  Hultsch, 
Lips.  Teubner  1867. 

9.  Beiträge  zur  Textkritik  des  Cens.  von  L.  ürlichs  (Eos  H.  S.  458 
—460.  Rhein.  Mus.  XXIT.  S.  465-476),  F.  Hultsch  (Eos  IL  S.  623—626), 
F.  Lüdecke  (Götti.  Gel.  Anz.  1868,  S.  482—486),  M.  Schanz  (spec.  crit.  ad 
Plat.  et  Censorinum  pertinens,  Götti.  1867). 

10.  Lamprid.  Alex.  Sev.  3,  2  f.:  in  prima  pueritia  litteratores  habnit 
Valerium  Cordum  et  T.  Veturium  et  Aurelium  Philippum  libertum  patris, 
qui  vitam  eins  postea  in  litteras  misit;  grammaticum  in  patria  graecum 
Nehonem,  rhetorem  Serapionem,  philosophum  Stilionem,  Romae  gramma- 
ticos  Scaurinum  Scauriui  filium,  doctorem  celeberrimum,  rhetores  luliam 
Frontinum  et  Baebium  Macrianum  et  lulium  Granianum,  cuius  hodieqiie 
declamatae  feruntur.    Capitol.  Maximin.  27,  3 — 5 :  usus  est  magistro  graeco 


375  f.  Censorinns.   Gargilius  Martialis.  8G1 

lifcteratore  Fabillo,  cuiua  epigrammata  graeca  multa  et  exstaut.  .  .  gram- 
matico  latino  usus  est  PhilemoDe,  iuris  perito  Modestino  (oben  374,  7), 
oratoie  Titiano,  filio  Titiani  senioris  (oben  360,  10).  habuit  et  graecum 
rhetorem  Eugamium  sui  temporis  darum. 

11.  M.  Damatius  Urbanus,  summarum  artium  liberalium  litterarum 
studiis  utriusque  linguae  perfectc  eruditus,  optima  facundia  praeditus  etc. 
Inschrift  aus  Sitifis  (Africa)  vom  J.  231  bei  Henzen  5607  =  Renier  luscr. 
de  r  Alg.  ^338. 

376.  Das  grosse  Werk  des  Gargilius  Martialis  behandelte 
die  Landwirtschaft  mit  Einschluss  der  medieinischen  Verwendung 
der  landwirtschaftlichen  Erzeugnisse  und  der  Thierheilkunde,  nach 
griechischen  und  römischen  Quellen,  besonders  Plinius  d.  A.,  mit 
reicher  Belesenheit  und  nach  gesunden  physiologischen  Anschau- 
ungen. Ansehnliche  Theile  davon  sind  uns  erhalten,  namentlich 
durch  das  vierte  Buch  des  sogenannten  Plinius  Valerianus.  Ohne 
Zweifel  derselbe  Martialis  schrieb  auch  über  die  Lebensweise  des 
Alexander  Severus. 

1.  Cassiod.  inst.  div.  litt.  28:  quodsi  huius  studii  requirantur  auctores, 
de  hortis  scripsit  pulcerrime  Gargilius  Martialis,  qui  et  nutrimenta  olerum 
et  virtutes  eorum  diligenter  exposuit.  Serv.  Georg.  IV,  148  (aliis):  Gar- 
gilium  Martialem  significat.  Die  früheste  Erwähnung  des  G.  M.  ist  bei 
Palladius  (Mart.  9,  9:  haec  omnia  G.  M.  asseruit,  vgl.  Martialis  ib.  lan.  15,  10. 
19.  Mart.  10,  5.  16.  34.  Apr.  3,  5.  Mai  6.  lun.  5,  3.  Oct.  12,  5.  7.  Dec.  4,  1). 
Andererseits  citiert  M.  (s.  A.  5)  Quintilii,  die  durch  Commodus  (etwa  J.  181) 
ausgerottet  wurden  (Lamprid.  Comm.  4,  9).  Er  lebte  also  im  dritten  Jahrh., 
wie  der  Historiker  Garg.  Mart.  (unten  377,  6  u.  11);  und  da  Beide  medi- 
cinische  Kenntnisse  besassen,  so  werden  sie  wohl  identisch  sein  und  um 
J.  240  geschrieben  haben. 

2.  Ein  (jetzt  verlorener)  Mediceus  der  Script,  rer.  rust.  enthielt  (nach 
dem  Index  bei  Victorius)  am  Schlüsse  auch  unus  (liber)  Gargili  Martialis. 
J.  1826  wurden  in  der  Neapler  Bibliothek  in  einem  Palimpsest  einige 
Blätter  aus  dem  Abschnitte  de  pomis  entdeckt  (Quitten,  Pfirsiche,  Mandeln, 
Kastanien),  die  mit  Palladius'  Anführung  und  mit  Ps.  Plin.  IV,  42  stimmen. 
Herausgeg.  von  A.  A.  Scotti,  dann  A.  Mai  (Class.  auct.  I.  1828.  p.  387  ff.), 
wiederabgedruckt  Lüneburg  1832.  Einige  Jahre  darauf  entdeckte  Mai  selbst 
in  zwei  Hdss.  (angeblich  saec.  X  u.  XII)  der  Vaticana  ein  (gleichlautendes) 
Fragment  mit  der  Ueberschrift  Incipit  liber  tertius  de  pomis  Martialis; 
abgedruckt  ib.  III  (1830).  p.  418—426  vgl.  p.  416  f.  VII.  p.  X.  Mehr  davon 
war  aber  schon  durch  J.  Schott  veröffentlicht  (Argentorati  1533  fol.)  in 
den  drei  ersten  Büchern  des  vermeintlichen  lateinischen  Oribasius;  s.  V. 
Böse,  Anecd.  gr.  II.  S.  110  ff.  vgl.  A.  4. 

3.  Aus  einer  Leidner  Hds.  von  Veget.  mulomed.  Curae  boum  ex  coi-pore 
Gargilii  Martialis  veröffentlicht  von  M.  Gesner  und  J.  G.  Schneider  (Scripto- 
res  r.  r.  IV,  1.  p.  168—171  vgl.  ib.  IV,  2.  p.  73—76).   Als  Beitrag  zur  land- 


862  Die  Kaiserzeit.   Drittes  Jahrhundert.     Caracalla. 

wirtschaftl.  Thierheilkunde  herausgeg.  von  C.  Th.  Schuch ,  Donaueschingen 
1857.  47  S.  8. 

4.  In  der  St.  Galler 'Hds.  762  (saec.  IX),  welche  eine  lateinische  Be- 
arbeitung von  Hippokrates  «fgl  diaitrjg  (B.  II)  enthält,  sind  (B.  1  u.  4)  die 
Abschnitte  negl  Xa%civ<ov  und  nf^l  onagrig,  statt  sie  aus  Hippokr.  mitzu- 
übersetzen,  aus  dem  Werke  des  G.  M.  (den  Abschnitten  de  oleribus  und 
de  ponais)  entnommen.  Stellenweis  stimmen  diese  wörtlich  überein  mit 
c.  1—38  (de  oleribus)  u.  39 — 58  (de  pomis)  in  B.  IV  des  Ps.  Plia,  (Valer.), 
die  daher  dem  G.  M.  angehören;  und  zwar  ist  letztere  Fassung  aus- 
führlicher und  treuer  (Rose,  Anecd.  II.  S.  125  f.).  Abdruck  aus  der  St. 
Galler  Hds.  bei  Rose  IL  S.  131  — 150  (de  virtutibus  herbarum).  151  —  156 
(Hippokrates  de  cibis).  157  f.  (Auszüge  aus  Mart.  u.  A.  in  einer  Berliner 
Hds.  saec.  XII).  Drei  ausführlichere  Auszüge  (in  der  Weise  von  Ps.  Plin.  IV) 
am~  Schlüsse  von  B.  II  der  St.  Galler  Hds.;  s.  ebd.  S.  129.  De  pruno 
ebd.  S.  130. 

5.  Hauptquellen  des  Mart.  scheinen  Dioskorides  und  Galenos  gewesen 
zu  sein;  aber  auch  das  hippokratische  Werk  nsgl  Siaitris  war  benützt, 
Aristoteles  in  Georgicis  (Rose,  Aristot.  pseudep.  p.  273  f.)  u.  A.  angeführt; 
von  römischen  Vorgängern  Celsus,  Columella,  Curtius  lustos  (bei  Mai  p. 
396.  399.  410),  lulius  Atticus,  lulius  Frontinus,  G.  Plinius  (p.  412  Mai; 
Plinius  noster  bei  Rose  S.  129),  Quintilii  (p.  392.  394.  396.  405.  410.  412 
Mai),  Sextilius  Niger  (Rose  S.  129). 

6.  E.  Meyer,  Geschichte  der  Botanik  II.  S.  228—236.  Val.  Rose,  An^c- 
dota  graeca  et  graecolatina  II  (Berlin  1870).  S.  103—160. 

353  377.  Die  Geschichtschreibung  hatte  in  Marius  Maximus 
(ungefähr  J.  165 — 230)  einen  Fortsetzer  der  suetonisehen  Kaiser- 
biographien für  die  Regenten  von  Nerva  bis  Elagabal;  in  grosser 
Ausführlichkeit,  doch  nicht  ohne  Sinn  für  Wahrheit.  Die  erste 
Hälfte  der  Historia  augusta  besteht  aus  dürftigen  Auszügen  aus 
seinem  Werke.  Neben  ihm  nennen  deren  Urheber  als  Vorgänger 
und  Quelle  besonders  häufig  den  lunius  Cordus,  welcher  minder 
bekannte  Imperatoren  von  Clodius  Albinus  bis  zu  Maximus  und 
Balbinus  beschrieb,  mit  Eingehen  auf  die  kleinlichsten  Einzel- 
heiten; Aemilius  Parthenianus,  Aelius  Maurus,  Marcellinus  u.  A. 
In  griechischer  Sprache  verfasste  Herodianus  eine  Geschichte 
der  selbsterlebten  Zeit  vom  Tode  des  Marcus  (Aurelius)  bis  zum 
Regierungsantritt  von  Gordianus  III  (J.  180 — 238)  in  acht 
Büchern,  Cassius  Dio  aber  eine  römische  Geschichte  in  achtzig 
Büchern,  von  der  Gründung  der  Stadt  bis  zum  J.  229  n.  Chr. 
(982  d.  St.).  Noch  umfassender  waren  die  Arbeiten  des  Sex. 
Julius  Africanus,  des  Urhebers  der  vergleichenden  heidnisch- 
christlichen  Chronologie. 

1.   Cassius  Dio  Cocceianus  aus  Nikäa  in  Bithynien^  am  J.  155 — 230 


377.    Marina  Maximus  u.  a.  Geschichtschreiber.  8G3 

n.  Chr.,  CÖB.  (unter  Macrinus,  221?)  II  unter  Alexander  J.  229.  Zehnjährige 
Vorarbeiten  zu  seinem  Geschichtswerke,  zwölf  Jahre  lang  Ausarbeitung. 
Die  J.  222 — 229  sind  nur  summarisch  behandelt.  Vollständig  erhalten  sind 
die  Bücher  37— 64,  umfassend  die  Jahre  689  —  744  d.  St.;  von  den  ersten 
34  Büchern  nur  spärliche  Ueben'este,  grössere  von  B.  35  und  36.  Die 
späteren  Tbeile  kennen  wir  durch  die  constantinischen  Excerpte,  den  Aus- 
zug des  Xiphilinus  und  des  Zonaras.  Vom  J.  180  an  schildert  Dio  Selbst- 
erlebtes  (LXXII,  4).  Ausgaben  von  F.  W.  Sturz  (Lips.  1824.  1843.  9  Voll.), 
Imm.  Bekker  (Lips.  1849.  2  Voll.)  und  L.  Dindorf  (Lips.  Teubner  1863 
— 1865,  5  Voll.).  De  Dionis  Cassii  fontibus  et  auctoritate  Abhandlungen 
von  R.  Wilfnans  (Berol.  1835)  und  Grasshof  (Bonn  1867).  Schwegler,  röm. 
Geschichte  I.  S.  124  f. 

2.  Aehnlichen  Gegenstand  hatte  des  Asinius  Quadratus  XilistTi^lg  oder 
XiUaQxtay  eine  Geschichte  des  römischen  Reiches  während  seines  tausend- 
jährigen Bestandes  in  15  Büchern.  Auch  IlaQ^Lyia  und  rsQftaviJitt  verfasste 
er;  8.  Pauly's  Real-Enc.  I,  2.  S.  1868  f.,  Nr.  28.   C.  Rubel  (A.  6)  p.  32  f. 

3.  Hieron.  vir.  ill.  63:  lulius  Africanus,  cuius  quinque  de  tempo- 
ribus  extant  volumina,  sub  imp.  M.  Aurelio  Antonino  qui  Macrino  succes- 
serat  (also  unter  Elagabal;  vgl.  F.  Rühl,  die  Verbreitung  Justins  S.  33.  37) 
legationem  pro  instauratione  urbis  Emmaus  suscepit.  .  .  extat  eins  ad 
Aristiden  epistola,  in  qua  super  diacp(ovCa  quae  videtur  esse  in  genealogia 
salvatoris  apud  Matthaeum  et  Lucam  plenissime  disputat.  Von  ihm  rührt 
die  Ansetzung  von  Chr.  Geburt  auf  J.  5500  der  Welt  her.  Fortgeführt  war 
sein  xqovoXoycKov  nsvtdßißXov  bis  auf  J.  218  n.  Chr.  Ideler,  Handbuch  der 
Chronologie  IL  S.  456  ff.  Ein  Nachfolger  von  ihm  war  Hippolytus  aus 
Portus,  dessen  Ostertafel  für  die  Jahre  222  —  237  auf  einer  Marmorplatte 
(welche  zugleich  die  Schriften  des  Hipp,  aufzählt,  z.  B.  XgovLiia)  im  Vati- 
can  aufbewahrt  ist.  Th.  Mommsen,  der  Chronograph  vom  J.  354  (Leipzig 
1850)  S.  595  f.  697  f.  610. 

4.  Herodian  schrieb  rrjg  ftsra  Mxpxov  ßaadsiag  tctoglai^  in  deren 
Eingang  er,  im  Gegensatze  zu  den  meisten  Geschichtschreibern,  welche 
TTiq  ^\v  dXrid'sicig  iv  taig  dtpriy/iasaiv  (aXLy(6Q7iaav ,  ovx  ijxicrra  8h  iitsfis- 
Xr'i^riGav  (pQoiaEcog  te  xorl  ev^pcovlag,  von  sich  sagt:  iya  61  tatoQiccv  ov 
nag'  aXXav  (XTcods^diLsvog  ayvcDOtov  ts  %ccl  dficcQzvQov,  vno  vsuqu  de  rj 
TG>v  ivTSv^ofisvcDv  fivrnjLTj  ^  (lEtd  ndarig  dtigißBlag  ij^goiaa  slg  avyyQa<pr]v, 
eine  Erklärung  die  in  keiner  Weise  beeinträchtigt  wird  dadurch  dass  er 
fortfahrt:  ovn  ccteQn^  xriv  yviaciv  xal  toig  vgtsqov  ^caad'at,  JCQogdourjaag 
tgyoDv  ^sydXmv  zs  xal  noXXatv  iv  6Xly(p  %g6v(o  yEvofiivov.  Nur  ist  zuzu- 
geben dass  Dio  vermöge  seiner  höheren  Stellung  öfters  mehr  in  der  Lage 
war  das  Richtige  zu  kennen.  Ausgaben  von  F.  A.  Wolf  (Halle  1792), 
I.  Bekker  (Berol.  1826.  Lips.  Teubner  1855).  E.  Volkmann,  de  H.  vita, 
scriptis  fideque,  Königsberg  1859.  J.  V.  Poblocki,  de  H.  vita,  ingenio, 
scriptis,  Münster  1864.  R.  Sievers,  über  das  Geschichtswerk  des  H.,  Phi- 
lologus  XXVI.  S.  29  —  43.  253  —  271.  E.  Brocks,  de  IV  prioribus  h.  aug. 
Script.  (1869)  p.  46 — 69.  J.  J.  Müller  in  Büdingers  Unters,  z.  röm.  Kaiser- 
gesch.  III.  S.  138  ff.  181—191  (bes.  B.  II  u.  III).  K.  Dändliker,  die  drei 
letzten  Bücher  H.'s,  ebd.  III.  S.  203—319. 


864  Die  Kaiaerzeit.   Di-ittes  Jahrhundert.   Caracalla. 

5.  Orelli-Henzen  5502  (aus  Rom):  L.  Mario  L.  f.  Quir.  Maxime 
Perpetuo  Aureliano  cos.  (J.  195),  aacerdoti  feciali,  leg.  Aug.  pr.  pr.  pro- 
vinciae  Syriae  Colae  (Kölesyrien),  leg.  Aug.  pr.  pr.  provinciae  Germaniae 
inferioris,  item  provinc.  belgicae,  duci  exercit.  mysiaci  apud  ßyzantium  et 
apud  Lugdunum,  leg.  leg.  I  Italic,  cur.  viae  latinae,  item  reip.  Faventi- 
norum,  allecto  inter  praetorios,  trib.  pleb.,  candidato  quaestori  urbano, 
trib.  laticl.  leg.  XXII  Primig.,  item  III  Italicae,  IVvir.  viarum  curandarum. 
Vgl.  ib.  2275.  Borghesi,  iscrizione  ardeatina  di  M.  M.,  Oeuvres  Y.  p.  455 
— 484.  Die  Identität  des  Gescbichtschreibers  mit  diesem  hohen  Militär- 
und  Civil- Beamten  wird  aber  zweifelhaft  durch  des  Ersteren  vorige  Un- 
kenntniss  der  Feldzüge  des  Severus  im  Orient  und  seine  geringe  Aufmerk- 
samkeit für  Kriegsbegebenheiten  überhaupt  (J.  J.  Müller  S.  32  vgl.  S.  170 
— 174).  Um  so  genauere  Kenntniss  zeigt  er  von  den  Vorgängen  unter 
Macrinus  und  ist  daher  ohne  Zweifel  der  praef.  urbi  d.  J.  217  Md^ifios 
MccQios  bei  Dio  LXXVIII,  14;  vielleicht  auch  der  Cos.  Maximus  J.  207  (und 
L.  Marius  Maximus,  cos.  II  J.  223).  In  den  späteren  Jahren  des  Commodus 
(um  190)  war  er  bereits  erwachsen  und  in  Born  (Lamprid.  13,  2:  versus  in 
eo  —  den  Bruch  des  Comm.  —  multi  scripti  sunt,  de  quibus  etiam  in 
opere  suo  Marius  Maximus  gloriatur),  vielleicht  schon  Senatsmitglied  (vgl. 
ib.  18,  1  f.:  adclamationes  senatus  post  mortem  Commodi  .  .  de  Mario 
Maximo  indidi),  und  dann  also  um  165  geboren.  Da  er  sein  Werk  über 
Elagabal  (f  222)  nicht  hinausführte  (J. 'J.  Müller  S.  26  —  28),  so  wird  er 
den  Tod  des  Alexander  (f  235)  nicht  mehr  erlebt,  wohl. aber  unter  diesem 
geschrieben  haben. 

6.  Capitol.  Clod.  Alb.  12,  14:  quae  qui  diligentius  scire  velit  legat 
Marium  Maximum  de  latinis  scriptoribus,  de  graecis  scriptoribus  Herodia- 
num,  qui  ad  üdem  pleraque  dixerunt.  Vopisc.  Probus  2,  7:  ut  imitarer  .  . 
Marium  Maximum,  Suetonium  Tranquillum,  Fabium  Marcellinum,  Gargilium 
Martialem  (oben  376)  ceterosque  qui  haec  et  talia  non  tam  diserte  quam  vere 
memoriae  tradiderunt.  Firm.  1,  1:  Marius  Maximus  Avidium  Marci  tem- 
poribus  .  .  libris  alienis  innexuit  (vgl.  Müller  S.  28  f.).  1,  2:  Marius  Maxi- 
mus, homo  omnium  verbosissimus,  qui  et  mythistoricis  se  voluminibus 
implicavit.  Lamprid.  Alex.  Sev.  48,  6:  neque  in  vita  eins  (Traiani)  id 
Marius  Max.  ita  exposuit  etc.  30,  6:  de  quo  in  libris  suis  Marius  Max. 
loquitur,  cum  Hadriani  disserit  vitam.  Volcat.  Avid.  Cass.  6,  7:  Marius 
Max.  refert  in  eo  libro  quem  secundum  de  vita  Marci  Antonini  edidit. 
Vgl.  ib.  9,  5.  Capitol.  Pert.  15,  8:  epistula  quae  vitae  illius  (des  Pert.)  a 
M.  M.  apposita  est.  Vgl.  Czwalina  I.  p.  15 — 19.  Lamprid.  Alex.  Sev.  5,  4: 
Mai'ius  Max.  dixit  in  vita  (Septimi)  Severi.  Spartian.  Geta  2,  1:  in  vita 
Severi  Marius  Max.  primo  septenario  (Müller  S.  180  f.)  satis  copiose  rettulit. 
Lamprid.  Heliog.  11,  6:  Marius  Max.  dicit  in  vita  ipsius  Heliogabali.  Mit 
Letzterem  schloss  M.  M.,  nachdem  er  mit  Nerva  begonnen  hatte  (Maller 
S.  23—28).  Es  werden  daher  wohl  zwölf  vitae  gewesen  sein,  wie  bei 
Sueton.  Die  minusculi  tyrauni  waren  bei  den  anerkannten  Augusti  ge- 
legentlich eingeflochten.  Vopisc.  Firm.  1,  1 :  et  Suetonius  Tranq.  Vindicem 
tacuit  .  .  et  Marius  Max.  Ammian.  XXVIU,  4,  14  (quidam  .  .  luvenalem 
et  Marium  Maximum  curatiore  studio  legunt).   J.  J.  Müller,  d.  Geschieh tschr. 


377.   Marius  Maximus  u.  a.  Geschieh tschreiber.  8G5 

M.  M. ,  eine  kritische  Untersuchung ,  in  M.  Büdingers  Untersuchungen  zur 
röm.  Kaisergesch.  111  (1870).  S.  17  —  174.  194  —  102.  Der  dortige  Versuch 
einer  Reconstruction  des  Werkes  von  M.  M.  (S.  33—116)  verfährt  freilich 
vielfach  allzu  rasch.  C.  Rubel,  de  fontibus  IV  priorum  bist.  aug.  scripto- 
rum  I  (Bonn  1872)  p.  8.  12  —  18.  22—24.  26  —  28.  30  —  32.  37  f.  40  f.  44 
48  f.  49  f.  53.  57—60.  62—64. 

7.  Capitol.  Macrin.  1,  3 — 5:  lunio  Cordo  studium  fuit  eorum  im- 
peratorum  vitas  edere  quos  obscuriores  videbat;  qui  non  multum  profecit. 
nam  et  pauca  repperit  et  indigna  meraoratu,  adserens  se  minima  quaeque 
persecutnrum ,  quasi  vel  de  Traiano  auf  Pio  aut  Marco  sciendum  sit  quo- 
tiens  processerit,  quando  cibos  variaverit  et  quando  vestem  mutaverit 
et  quos  quando  promoverit.  quae  ille  omnia  exequendo  libros  mythistoricis 
replevit.  Max.  et  Balb.  4,  5:  placet  aliqua  dici  de  moribus  atque  genere, 
non  eo  modo  quo  lunins  Cordus  est  persecutus  omnia,  sed  illo  quo  Sue- 
tonius  Tranquillus  et  Valerius  Marcellinus  (=»  Fabius  Marc.?),  quam  vis 
Curius  Fortunatianus,  qui  omnem  hanc  historiam  perscripsit,  pauca  con- 
tigerit,  Cordus  vero  tarn  multa  ut  etiam  pleraque  et  minus  honesta  per- 
scripserit.  ib.  4,  2:  libris  quos  luuius  Cordus  affatim  scripsit.  Gordian.  21, 
3  f.:  non  nobis  talia  dicenda  sunt  quae  lunius  Cordus  ridicule  ac  stulte 
composuit  de  voluptatibus  domesticis  ceterisque  infimis  rebus,  quae  qui 
velit  Bcire  ipsum  legat  Cordum,  qui  dicit  et  quos  servos  habuerit  unus- 
quisque  principum  et  quos  amicos  et  quot  paenulas  quotve  chlamydes. 
Maximin,  27,  7:  lunins  Cordus,  harum  rerum  persecutor.  Vgl.  ib.  28,  10. 
29,  10.  31,  4  und  sonst.  Wahrscheinlich  ist  derselbe  auch  gemeint  ib.  12, 
7:  Aelius  (oder  Helius)  Cordus  dicit  hanc  omnino  ipsius  orationem  fuisse. 
Vgl.  J.  J.  Müller  (A.  6)  S.  92  f.  A.  3.  K.  Dändliker,  in  Büdingers  Untersuch. 
IIL  S.  306—314.    0.  Rubel  p.  9  f.  19  f.  26.  38—40.  45  f.  50—52.  53—55.  61. 

8.  Capitol.  Maximin.  32,  1:  scribit  Aelius  Sabinus. 

9.  Volcat.  Avid.  Cass.  5,  1:  de  hoc  (Av.  Cass.)  multa  .  .  inveniuntur 
apud  Aemilium  Parthenianum ,  qui  adfectatores  tyrannidis  iam  inde  a  ve- 
teribuB  historiae  tradidit.  Hauptquelle  des  Volcatius  im  Leben  des  Avidius 
Cassius?   C.  Czwalina  I.  p.  19.    C.  Rubel  p.  34  f. 

10.  Spartian.  Sever.  20,  1:  legisse  me  apud  Helium  Maurum,  Phlegon- 
tis  Hadriani  libertum,   memini  Septimium  Severum  etc.     C.  Rubel  p.  55  f. 

11.  Lamprid.  Alex.  Sev.  48,  6  f.:  scio  volgnm  hanc  rem  .  .  Traiani 
putare;  sed  neque  in  vita  eins  id  Marius  Maximus  ita  exposuit  neque  Fa- 
bius Marcellinus  (vgl.  A.  6  f.)  neque  Aurelius  Verus  neque  Statins  (oder 
Tatius)  Valens,  qui  omnem  eins  vitam  in  litteras  miserunt.  contra  autem 
et  Septimius  (qui  vitam  eins  non  mediocriter  executus  est,  4b.  17,  2)  et 
Acholius  et  Encolpius  (ib.  17,  1)  vitae  (des  Alexander  Sev.)  scriptores  ce- 
terique  de  hoc  (Alex.)  talia  praedic&verunt.  Dazu  ib.  37,  9:  ne  longum  sit 
omnia  inserere  quae  Gargilius  (vgl.  A.  6)  eins  temporis  (des  Alex.)  scriptor 
singillatim  persecutus  est.    Auch  vgl.  oben  375,  10. 

12.  Lamprid.  Diadum.  9,  2:  LoUius  Urbicus  in  historia  temporis  sui 
dicit  etc. 

TEri'FBT/,   Rdm.  LiteratargoBChichte.  S.  Aufl.  55 


866  Die  Kaiserzeit.    Drittes  Jahrhundert.  Caracalla. 

13.  Capitol.  Gordian.  21,  6:  lectum  apud  Volcatium  Terentianum,  qui 
et  ipse  historiam  sui  temporis  scripsit,  .  .  Gordianum  seniorem  Augusti 
voltum  repraesentasse  etc.  Gräfenhan,  Gesch.  d.  class.  Philol.  IV.  ß.  302  f. 
identificiert  ihn  (oder  den  Volc.  Gallicanus>  mit  dem  Volcatius  welcher 
Commentare  in  orationes  Ciceronis  verfasate  (Hieron.  apol.  c.  Rufin.  I,  16). 

14.  Lactant.  inst.  div.  I,  21  (p.  62  Fri.):  Pescennius  Festus  in  libris 
historiarum  per  satoram  refert  Carthaginienses  Saturno  humanas  hostias 
solitoB  immolare  etc. 

15.  Aus  der  Mitte  dieses  Jahrh.  war  wohl  die  Karte  yon  welcher  die 
tabula  Peutingeriana  eine  Copie  ist;  s.  oben  58,  3. 

359  378.  Wie  Minucius  Felix  und  Tertullian  war  auch  der 
Bischof  von  Karthago,  Thascius  Caecilius  Cyprianus  (um  200 
— 257),  rhetorisch  gebildet.  Er  hat  nicht  die  Originalität,  Frucht- 
barkeit und  Lebendigkeit  des  von  ihm  bewunderten  Tertullianus, 
aber  er  ist  klarer  und  correcter,  seine  Darstellung  ebenmässiger 
und  gefalliger.  Reichliche  Anführungen  aus  den  heiligen  Büchern 
verleihen  seinen  Schriften  einen  specifischer  christlichen  Charak- 
ter, und  ihr  Freibleiben  von  Häretischem  verschaffte  ihnen  ein 
langdauerndes  Ansehen.  Der  Inhalt  derselben  ist  theils  apologe- 
tisch, theils  praktisch  paränetisch.  Für  die  Geschichte  der 
Kirchenverwaltung  sind  besonders  seine  Briefe  von  Wichtigkeit. 
Um  dieselbe  Zeit  schrieb  in  Rom  Novatianus,  welcher  gleich- 
falls den  Tertullian  benützte. 

1.  Hieron.  vir.  ill.  67:  Cyprianus  Afer  pnmam  gloriose  rhetoricam 
docuit,  exinde  suadente  presbytero  Caecilio,  a  quo  et  cognomentum  sor- 
titus  est,  christianus  factus  omneo)  substantiam  suam  panperibus  erogavit 
ac  post  non  multum  temporis  electus  in  presbyterum  etiam  episcopus 
Carthaginiensis  constitutus  est  (J.  248).  huius  ingenii  superfluum  est  indi- 
cem  texere,  cum  sole  clariora  sint  eius  opera.  passus  est  (durch  Ent- 
hauptung) Bub  Valeriano  et  Gallieno  principibus  (a.  Abr.  2272  s»  256  n.  Chr. 
nach  Amand.,  2273  «=  257  nach  den  übrigen  Hdss.  von  Hieron.  chron.), 
persecutione  octava,  eodem  die  quo  Romae  Cornelius  (XVIH  Eal.  Oct.),  sed 
non  eodem  anno.  68:  Pontius,  diaconus  Cypriani,  usque  ad  diem  passionis 
eius  cum  ipso  exilium  sustinens,  egregium  volumen  vitae  et  passionis 
Cypriani  reliquit.  Er  hatte  ihn  nämlich  J.  250  auf  seiner  Flucht  vor  der 
Verfolgung  unter  Decius  (der  siebenten)  begleitet.  Die  den  Namen  des 
Pontius  tragende  vita  Cypriani  (z.  B.  in  Harteis  Ausg.  III.  p.  XC  ff.)  ist 
mindestens  stark  interpoliert.  Kvn^iavov  ayiov  avö^a  lutliGza  ndvttov  ot 
KaQxrjdovLOL  csßovrctL  und  feiern  ihm  ein  Jahresfest,  KwQiavdy  Prokop. 
Vand.  I,  21. 

2. *..Cyprians  Schriften:  Ad  Donatum  (de  gratia  dei);  Quod  idola  dii 
non  sint  (Hieron.  epist.  70,  5.  p.  429  f.  Vall.:  Cyprianus  quod  idola  dii  non 
sunt  qua  brevitato,  qua'  historiarum  omuium  scicntia,    ([uo  cum  verborum 


378.     Cyprianus.  867 

et  Beu&uum  splendore  perstrinzit!  Doch  ist  der  Octavius  und  das  Apologet!- 
cum  darin  stark  ausgebeutet);  Ad  Quirinum  (Testim.  adv.  lud.)  libri  III; 
De  habitu  virginum  (nach  TertuUian's  Schrift);  De  catholicae  ecclesiae 
unitate;  De  lapsis;  De  dominica  oratione;  De  mortalitate;  Ad  Fortunatum 
(de  exhortatione  martyrii;  gleichfalls  nach  TertuUian  gearbeitet);  Ad  De- 
metrianum  (vgl.  Lactant.  inst.  V,  4);  De  opere  et  eleemosynis ;  De  bono 
patientiae  (Abklatsch  von  Tertull.  de  pat.);  De  zelo  et  livore;  endlich  11 
Predigten  und  81  Briefe,  letztere  in  verschiedenen  Redactionen,  je  nach 
den  Landschaften  wo  sie  im  Gebrauche  waren.  Merkwürdig  ist  auch  das 
ProtocoU  über  die  Provinzialsynode  zu  Carthago  J.  256  (de  haereticis  bap- 
tizandis),  in  Harteis  Ausg.  I.  p.  435—461. 

3.  Lactant.  inst.  div.  V,  1  (p.  230  f.  Fri.):  unus  igitur  (vgl.  oben 
369,  2)  praecipuus  et  clarus  extitit  Cyprianus,  quoniam  et  magnam  sibi 
gloriam  ex  artis  oratoriae  professione  quaesierat  et  admodum  multa  con- 
scripsit  in  suo  genere  miranda.  erat  enim  ingenio  facili,  copioso,  suavi 
et,  quae  sermonis  maxima  est  virtus,  aperto,  ut  discernere  non  qneas 
utrumne  omatior  in  eloquendo  an  facilior  in  explicando  an  potentior  in 
persuadendo  fuerit.  hie  tarnen  placere  ultra  verba  sacramentum  ignoran- 
tibus  non  potest,  quoniam  mystica  sunt  quae  locutus  est  et  ad  id  prae- 
parata  ut  a  solis  fldelibus  audiantur;  denique  a  doctis  huius  saeeuli  quibus 
forte  scripta  eius  innotuerunt  derideri  solet.  audivi  ego  quendam  homi- 
nem  sane  disertum  qui  eum  immutata  una  littera  Copreanum  vocaret, 
quasi  qui  elegans  ingenium  et  melioribus  rebus  aptum  ad  aniles  fabulas 
contulisset.  Hieron.  Ep.  68,  10  (p.  326  Vall.):  TertuUianus  creber  est  in 
sententiis,  sed  difficilis  in  loquendo;  beatus  Cyprianus  instar  fontis  puris- 
simi  dulcis  incedit  et  placidus.  84,  2  (p.  523  Vall.):  beatus  Cyprianus 
TertuUiano  magistro  utitur,  ut  eius  scripta  probant.  Vgl.  de  vir.  ill.  63: 
vidi  ego  quendam  Paulum  Concordiae,  quod  oppidum  Italiae  est,  senem 
qui  se  beati  Cypriani  iam  grandis  aetatis  notarium,  cum  ipse  admodum 
esset  adolescens,  Romae  vidisse  diceret  referreque  sibi  solitum,  numquam 
Cyprianum  absque  Tertulliani  lectione  unum  diem  praeterisse  ac  sibi  crebro 
dicere  'Da  magistrum!'  Tertullianum  videlicet  significans. 

4.  Ausgaben  der  Werke  des  Cypr.  (s.  Hartel  III.  p.  LXX  ff.)  von  Des. 
Erasmus  (Basil.  1620  fol.  und  sonst),  W.  Morel  (Paris.  1564),  J.  Pamelius 
(cum  adnot.,  Antverp.  1568  fol.  und  sonst),  N.  Rigaltius  (ill.  observ.,  Paris. 
1648  foL  und  sonst),  Fell  und  Pearson  (Oxon.  1682),  St.  Baluzius  (beendigt 
von  dem  Mauriner  Prudentius  Maranus,  Paris  1726  fol.  Ven.  1728.  1758  fol.), 
Fr.  Oberthür  (Würzburg  1782.  2  Voll.),  Migne  (Patrolog.  curs.  IV,  Paris 
1844),    J.  G.  Krabinger  (recogn.  et  adn.  crit.  instr.,    Tubing.  1853.    1869. 

2  Voll.;  enth.  nur  die  Hauptabhh.),  W.  Hartel  (rec.  et  comm.  crit.  instruxit, 

3  Voll,  Wien  1868  —  1871).  Die  Schrift  de  unitate  eccL  ad  opt.  libr.  fid. 
expr.  .  .  M.  F.  Hyde,  Buckington  1853.  Auserlesene  Schriften,  fibersetzt 
von  Krabinger,  Augsburg  1848. 

6.  H.  Dodwell,  dissert.  Cyprianicae,  1684.  4.  R.  Ceillier,  bist,  genör. 
des  auteurs  s.  et  eccl.  III  (Paris  1732)  p.  1  —  224.  P.  G.  Lumper,  bist, 
theolog.  crit.  XI.  (August.  1790)  p.  58  ff.  F.  W.  Rettberg,  Th.  C.  Cypr. 
dargestellt  nach  seinem  Leben  und  Wirken,  Götti.  1831.    Ueber  den  (pro- 

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Die  Kaiserzeit.    Drittes  Jahrhundert.   Cavacalla. 


blematischen)  Antheil    des  Cypr.    au  der  Sammlung  der  notae  tironianae 
[♦;/:*.  vgl.  W.  Schmitz  in  der  Symb.  philol.  Bonn.  S.  640—543.     Auch  s.   398,  5. 


6.  Hieronjm.  vir.  ill.  70:  Novatiauus  Romanae  urbib  presbyter 
adversus  Comelium  (J.  260)  cathedram  sacerdotalem  conatus  invadere 
Novatianorom  quod  graece  dicitur  Kad-af^mv  dogma  constituit^  nolens 
apostatae  recipere  poenitentes.  huius  auctor  Novatus  Cypriani  presbyter 
foit  (vgl.  Hier,  zu  Euseb.  chron.  2269  =  263  n.  Chr.:  Novatus  presbyter 
Cypriani  Bomam  veniens  Novatianum  et  ceteros  confcssores  sibi.  sociat, 
eo  quod  Cornelius  poenitentes  apostatas  recepisset).  scripsit  autem  De 
pascha,  De  sabbato,  De  circumcisione,  De  sacerdote,  De  oratione,  De  eibis 
iudaicis,  De  instantia,  De  Attalo,  multaque  alia,  et  De  trinitate  grande 
volumen,  quasi  inttojirjv  operis  Tertulliani  faciens,  quod  plerique  nescien- 
tes  Cypriani  existimant.  Hieron.  £p.  10,  3  (p.  24  Yall.)  erbittet  sich  epi- 
stolas  Novatiani,  ut  dum  schismatici  hominis  venena  cognoscimus  libentius. 
sancti  martyris  Cypriani  bibamus  anüdotum.  Vgl.  noch  Cyprian.  Epist.  60. 
Euseb.  bist.  eccl.  VI,  43.  E.  Ceillier  (vgl.  Anm.  5)  III.  p.  290—296.  Die 
Schriften  De  trinitate  und  De  cibis  iud.  epistola  sind  erhalten  und  vielen 
Ausgaben  des  Tertullian  und  des  Cyprian  (z.  B.  von  Oberthür)  angehängt. 
Selbständig  von  Ed.  Weichmann  (Oxon.  1724)  und  Jackson  (London  1728). 
'In  Migne's  Patrologiae  cursus  III  (1844)  p.  885—970.    Vgl.  ib.  p.  861—884. 

360  379.  An  Männern  welche  die  gebundene  Form  mit  Kunst 
handhaben  fehlt  es  der  Zeit  nicht;  nur  verstehen  sie  nicht 
immer  Form  und  Inhalt  in  Einklang  zu  bringen.  So  erzählte 
Alfius  Avitus  die  römische  Geschichte  in  iambischen  Dimetem 
und  verfasste  Marianus  in  demselben  Masse  Lupercalia.  Aber 
Septimius  Serenus  wusste  in  seinen  Opuscula  (ruralia)  viele 
metrische  Formen  der  Griechen  mit  Geschick  und  Anmut  nach- 
zubilden. Das  auf  uns  gekommene  Lehrgedicht  des  Q.  Serenus 
Sammonicus  De  medicina  praecepta,  in  "1115  Hexametern, 
behandelt  zwar  einen  wenig  geeigneten  Stoff  in  rhetorischer 
Weise,  folgt  jedoch  in  der  Verstechnik  den  besten  Mustern. 
Ein  fruchtbarer  Versemacher  war  in  dieser  Zeit  der  ältere 
Gordianus  mit  seiner  Antoninias. 

1.  Terentianus  2446 — 2451  vom  iambischen  Dimeter:  plerumque  nee 
Carmen  modo  sed  et  volumen  ezplicat,  ut  pridem  Avitus  Alfius  libros 
poeta  plpsculos,  usus  dimetro  perpeti,  conscribit  Excellentium.  Drei  Dimeter 
aus  dem  ersten  Buche  von  Alphius  Avitus  Excellentium  in  einem  Theile 
der  Hdss.  von  Priscian.  IV,  29  (p.  134,  3  Htz.);  aus  dem  zweiten  sechs 
Dimeter  ib.  VIII,  71  (p.  426  f.),  vgl.  p.  409  und  II.  p.  238  (spatiandö); 
zwei  ib.  XII,  23  (I.  p.  691).  Daraus  in  den  Sammlungen  (Anthol.  lat,) 
von  Burmann  und  von  Meyer.  Wernsdorf  poetae  lat.  min.  p.  XXXI — XXXIII. 
L.  Müller  de  re  metr.  p.  102  f.  und  in  sr.  Ausg.  des  Rutil.  Nam.  p.  51  f. 


378  f.   Novatianus.    Septimius  Serenuß  u.  a.  Dichter.  869 

2.  Fünf  iambißche  Dimefcer  von  Marianus  Lupercaliorum  poeta  bei 
Philargyr.  und  (Serv.)  zu  Verg.  Ecl.  1,  20.  Vgl.  L.  Muller  de  re  metr. 
p.  103  und  in  sr.  Auag.  des  Rutil.  Nam.  p.  63. 

3.  Terentian.  1891  — 1900:  dulcia  Septimius  qui  scripsit  opuscula 
nuper  ancipitem  tali  cantayit  carmine  lanum  etc.  1973 — 1982:  nemo  tamen 
culpet  ei  sumo  ezempla  novella;  nam  et  melius  nostri  servarunt  metra 
minores.  Septimius,  docuit  quo  ruris  opuscula  libro,  boc  genere  adsidue. 
cecinit.  .  .  sie  bephthemimeres  servayit  carmine  utroque.  1991:  ultima 
quae  metro  fuit  boc  inventa  Sereni.  2627  —  2630:  hoc  de  Septimii  potes 
iunctis  noscere  versibus.  Beispiele  kunstreicher  metrischer  Gebilde  des 
Serenus  bei  Diomedes  p.  511.  513  (vgl.  Martian.  Cap.  V,  518).  514.  517. 
518  K.  Andere  bei  Nonius  (z.  B.  p.  539  M.:  Serenus  opusculo  Hb.  I;  p.  210: 
Ser.  opusculis,  dagegen  p.  214  Ser.  Buralibus),  Servius  u.  a.  Zusammen- 
stellung der  Ueberreste  bei  Wemsdorf  poetae  lat.  min.  IL  p.  279  —  291. 
L.  Müller  in  sr.  Ausg.  des  Rutil.  Nam.  p.  44—51.  Das  was  Terentian!  1998 
als  docta  Phalisca  bezeichnet  schreibt  Mar.  Yict.  p.  2578  miss  verstand  lieh 
(L.  Müller,  Rhein.  Mus.  XXV.  S.  338  —  342)  dem  Septimius  Serenus  zu. 
üebrigens  erneuerte  Sept.  Ser.  die  von  Annianus  (oben  349,  3)  aufgebrachte 
Gattung;  vgl.  Serv.  de  cent.'  metr.  p.  465  K.  (T.  IV):  docta  falisca,  Serene, 
reparas.  Ihn  meint  wohl  auch  Ap.  Sidon.  carm.  IX,  260  (Stella  et  Septi- 
mius Petroniusque) ,  vgl.  ad  Polem.  (oben  370,  5),  sowie  Hieronym.  ep.  53 
(p.  279  Vall.) :  Catullus  et  Serenus.  Ueber  Sept.  Ser.  vgl.  Wernsdorf  1.  1. 
p.  247 — 253.  C.  Lachmanns  Terentianus  p.  XII— XV.  L.  Müller  metr.  p.  97: 
et  numerorum  elegantia  et  sensuum  proprietate  excelluit.  quare  abstrusa 
quaedam  et  contorta  imitationi  veterum  et  imbecillitati  saeculi  facile  con- 
donabuntur.  Vgl.  Rhein.  Mus.  XXV.  S.  343  f.  Das  Tändelnde-  das  er 
manchmal  hat  war  durch  die  Eünstlichkeit  der  Metren  mitbedingt. 

4.  Lamprid.  Alex.  30,  2:  latina  cum  legeret  non  alia  magis  legebat 
quam  de  officüs  Ciceronis  et  de  rep. ,  nonnumquam  et  oratores  (oder  ora- 
tiones)  et  poetas,  in  quis  Serenum  Sammonicum,  quem  ipse  noverat 
et  dilexerat,  et  Horatium.  Vgl.  Capitol.  Gord.  (iun.)  18,  2  (oben  370,  5). 
Da  der  Vater  (370,  5)  niemals  als  Verfasser  von  Poetischem  genannt  wird 
und  Alexander  erst  7  Jahre  alt  und  noch  nicht  in  Rom  war  als  derselbe 
getödtet  wurde,  so  ist  die  Stelle  des  Lamprid.  und  damit  das  Lehrgedicht 
eher  auf  den  Sohn  zu  beziehen.  Dieser  müsste  dann  vor  Alexander,  also 
vor  235,  gestorben  sein.  Der  Vater  hätte  das  Lehrgedicht  auch  wohl  mit 
mehr  Gelehrsamkeit  ausgestattet.  Die  Angaben  desselben  lassen  sich  fast 
alle  aus  Plinius  nachweisen,  neben  welchem  nur  Dioskorides  jcfgl  vlrig 
taTQLTirjg  und  tcsqI  svnoQ^atmv  (paQ(id%(ov  benützt  ist.  Eigene  Sachkennt- 
niss  verräth  der  Verfasser  nirgends,  desto  mehr  Aberglauben,  in  Mitteln 
wie  das  Umhängen  eines  mit  Abracadabra  beschriebenen  Papiers  (944 — 940), 
urina  canis  (1104)  u.  dgl.  Genannt  werden  Ennius  (oben  99,  6),  der  To- 
gatendichter  Titinius  (oben  111,  2),  Horaz  (533:  quodque  satis  melius  ver- 
bis  dicemus  Horati),  Livius  (728  f.:  tertia  namque  Titi  simul  et  centesima 
Livi  Charta  docet  etc.).  Die  Phraseologie  ist  aus  Vergil,  Horaz,  theil weise 
auch  Lucretius,  entnommen.  Zu  Anfang  obligate  Anrufung  des  Phöbus 
für   salutiferum   quod   pangimus  .  .   carmen  (4);    vgl.  397  f.:    dis  ista  re- 


SlO  Die  Kaiserzeit.    Dritk's  Jahrhimdcrt.    Caracalla. 

quirat,  at  nos  pauperibuB  praecepta  feramus  amica.  Aehnlich  523  —  526. 
Begonnen  wird  mit  Mitteln  fCir  Üebel  des  Kopfes  (celsa  de  corporis  arce,  3), 
geschlossen  (falk  das  Gedicht  ToUständig  ist)  mit  Mitteln  gegen  Warzen. 
In  den  älteren  Ausgaben  ist  das  Gedicht  in  65  Capitel  eingetheilt.  In 
Bezug  auf  SynalOphe  und  Caesur  werden  strenge  Gesetze  befolgt,  die  nur 
selten  zu  Gunsten  technischer  'Ausdrücke  durchbrochen  werden;  dagegen 
04:1  ff.:  mortiferum  magis  est  quod  Graecis  ri(UTQitaiov  volgatur  verbis; 
hoc  nostra  dicere  lingua  non  potuere  ulli,  puto,  nee  voluere  parentes. 
Das  GFanze  ist  mehr  die  Spielerei  eines  formgewandten  jüngeren  Mannes 
als  eine  ernsthafte  Arbeit. 

5.  Handschriften:  Turicensis  saec.  IX  oder  X  (F.  A.  Reuss,  lect.  Sam- 
mon.  part.  I.  Würzburg  1836.  4.),  eine  Paderbomer  saec.  XIII,  Breslauer 
(Ch.  G.  Grüner,  variae  lectt.  in  Q.  S.  S.  ex  cod.  vratisl.  decerptac,  Jena 
1782.  4.),  Leipziger.  Editio  princeps  s.  1.  et  a.  (Mailand  vor  1484).  Son- 
stige'Ausgaben  von  G.  Humelberg  aus  Ravensburg  (Tigur.  1640.  4.  1581.  4.), 
R.  Keuchen  (Amstelod.  1662.  1706),  J.  Ch.  G.  Ackermann  (Lips.  1786). 
Oefters  mit  Celsus  und  in  Sammelwerken,  wie  Burmanns  poetae  lat.  min. 
IL  p.  185  ff.,  W.  E.  Webers  corpus  poetar.  lat.  p.  1174—1188,  vgL  p.  LXI 

—  Lxm. 

6.  J.  B.  Morgagni  epistolae  duae  in  Serenum  Sam.  z.  B.  in  dessen 
Opusc.  miscelL  (Neapel  1763.  4.)  I.  p.  191—226.  Thierfelder,  des  Q.  S.  S. 
medicinisches  Lehrgedicht,  in  Küchenmeisters  Ztschr.  f,  Medicin  V,  2'{1866). 
Choulant,  Bücherkunde  der  alt.  Med.  (Leipz.  1841)  S.  210—212.  E.  Meyer, 
Geschichte  der  Botanik  IL  S.  209—217. 

'  7.  D.  Gaelius  Balbinus,  Cos.  IL  J.  213,  nach  dem  Tode  des  älteren 
Gordianus  vom  Senat  mit  Maximns  Papienus  zum  Kaiser  ernannt,  aber 
sehr  bald  mit  diesem  von  den  Prätorianern  erschlagen  (J.  238);  s.  Pauly's 
Real-Enc.  I,  2.  S.  2243  f.  Nr.  4.  Capitol.  Max.  et  Balb.  7,  5:  eloquentia 
clarus,  poeta  inter  sui  temporis  poetas  praecipuus.  Vgl.  ib.  2,  7:  vitae, 
quam  a  prima  aetate  in  studiis  semper  ac  litteris  tenuit. 

8.  Capitol.  Maxim.  27,  6:  Toxotius  .  .  Senator,  qui  perit  post  prae- 
turam,  cuius  etiam  poemata  extant. 

9.  üeber  die  Verse  von  Macrinus,  Albinus  und  Gordianus  (Autoninitw) 
s.  oben  365,  6.    371,  2.  6. 

10.  Frühestens  dieser  Zeit  gehört  wohl  der  Albinus  an  aus  dessen 
Herum  romanarum  primo  Priscian.  VII,  2  (p.  304  H.)  drei  Hexameter  an- 
führt, worin  cui  zweimal  als  lambus  gebraucht  ist.  Vgl.  L.  Müller,  metr. 
p.  270  mit  oben  247,  6  g.  E. 

361  380.  Eine  eigenthümliche  Gestalt  ist  Commodlanus  aus 
Gaza,  von  welchem  wir  zwei  Gedichte  besitzen,  erfüllt  von  einem 
wenn  auch  nicht  ganz  dogmatisch  correcten  christlichen  Eifer, 
und  dabei  in  Hexametern  gehalten  welche  aller  Metrik  und 
Prosodie  spottend  nach  dem  blosen  Gehöre  und  volksmässiger 
Betonung  gebaut  sind.     Das  ältere  von   beiden,   die  ums  J.  238 


379  f.    Serenua  Sammonicus.   Commodianus.  871 

verfassten  Instructiones,  fügt  zu  dieser  BaAarei  noch  die  einer 

akrostichisehen   Anlage.     Das   Carmen   apologeticum   aber,  vom 

J.  249,  hat  jene  Grille  aufgegeben  und  entwickelt  um  so  grös- 
seren Wortreichthum. 

1.  Gennadius  de  scriptor.  eccl.  15:  Commodianus  dam  inter  saecu- 
lares  litteras  etiam  nostras  legit  occaaionem  accepit  fidei.  factus  itaque 
christianus  .  .  Bcripsit  mediocri  sermone  quasi  versu  librum  adversne  pa- 
ganos.  et  quia  parum  nostrarum  attigerat  litterarum  ms^gis  illorum  de- 
struere  potuit  dogmata  quam  nostra  firmare.  Instr.  80  hat  die  Ueber- 
Schrift  Nomen  Gazaei  (aus  Gaza  im  palästinischen  Syrien)  und  bildet,  die 
Anfangsbuchstaben  von  hinten  gelesen,  die  Worte  Commodianus  mendicus 
Christi.  Praef.  4  ff. :  dgo  similit^r  erravi  tempore  multo,  fana  prosequendo, 
parentibus  insciis  ipsis  abstuli  me  tandem  inde,  legendo  de  lege.  .  .  ob 
ea  perdoctus  ignaros  instruo  verum.  Apolog.  3  f.:  errabam  ignarus  spa- 
tians,  spe  captus  inani,  dum  furor  aetatis  primae  me  pörtabat  in  auras. 
(11  ff.)  aggressusque  fui  träditör  in  codice  legis,  quid  ibi  rescirem.  statim 
mihi  lampada  fulsit,  .  .  et  ideo  tales  hortor  ab  errore  recedant.  In  beiden 
Gedichten  derselbe  Patripassianismus  (J.  L.  Jacobi,  in  J.  Müllers  Zeitschr. 
f.  Christi.  Wiss.  IV.  1853.  Nr.  26)  und  Chiliasmus.  Instr.  40,  10:  ipsejieus 
vita  est,  pependit  ipse  pro  nobis;  vgl.  apolog.  763  f.:  unus  est  in  coelo 
deuB  coeli,  terrcte  marisque,  quem  Moises  docuit  ligno  pendcre  pro  nobis. 
Instr.  80,  6 ff.:  hoc  placuit  Christo,  resurgere  mortuos  imo  .  .  sex  milibus 
annis  completis,  mundo  finito;  vgl.  apol.  783  f.:  sex  milibus  annis  perv6- 
nient  ista  repletis ;  .  .  tunc  homo  resurget  etc.  Auch  der  sprachliche  Ausdruck 
und  der  Versbau  ist  in  beiden  Gedichten  derselbe;  nur  zeigt  das  carmen 
apol.  in  letzterer  Hinsicht  einigen  Foi-tschritt,  indem  verhältnissmässig 
häufiger  ein  correcter  Hexameter  sich  unter  die  barbarisch  gebauten  verirrt, 

"in  den  ersten  100  Versen  achtmal  (v.  16,  17,  24,  44  f.,  49,  89,  97).  Instr. 
kennen  (acr.  41  f.)  nur  Einen  Antichrist  (Belial),  das  carmen  aber  zwei 
(Nero  und  der  Mann  aus  dem  Osten,  je  S%  Jahre).  A.  Ebert  S.  414 — 419. 
Leimbach  S.  23—27. 

2.  Die  Instructiones  bestehen  aus  80  Gedichten  von  verschiedenem 
pmfang,  je  nach  dem  Thema  das  sie  akrostichisch  behandeln,  z.  B.  prae- 
fatio;  de  fulmine  ipsius  levis;  de  septizonio  et  stellis;  Apollo  sortilegus 
falsus;  Hercules;  de  Ammudate  et  deo  magno;  repugnantibus  adversus 
legem  Christi  dei  vivi;  item  gentilibus  ignaris,  qui  iudaeidiant  fanatici; 
de  populo  absconso  sancto  omnipotentis  Christi  dei  vivi  etc.  Die  erste 
Hälfte  (acr.  1—46)  beschäftigt  sich  vorzugsweise  mit  den  Heiden,  acr.  37 
—40  mit  den  Juden,  41  —  45  Weltende  und  Auferstehung;  46 — 80  wenden 
sich  an  die  Christen,  Eatechumenen  und  Geistliche.  Bekanntschaft  mit 
den  früheren  apologetischen  Schriften  (oben  368  f.)  ist  unverkennbar.  Für 
den  Zwang  den  sich  der  Verf.  durch  'die  wunderliche  akrostichische  An- 
lage anthüt  entschädigt  er  sich  reichlich  durch  den  über  Stock  und  Stein 
hinwegsetzenden  Bau  seiner  Verse.  Zur  Abfassungszeit  vgl.  6,  2  f.:  cur 
annis  ducentis  (seit  Christi  Tod)  fuistis  infantes?  Dodwell,  diss.  de  Com- 
modiani  aetate,   an  dessen  annales  Quintil.  (Oxon.  1698)  und  in  der  Ausg. 


872  I^ie  Kaiserzeit.   Drittes  Jahrhundert.    Z Weite  Hälfte. 

> 
von  SchurzfleiBch.    A.  Sbert  S.  417.    Erste  Ausgabe  von  N.  Rigaltius  (TulH 

Leuc.  1650.  4.),  dessen  (einzige  bekannte)  Hds.  verschollen  ist;  Varianten 
von  zwei  Abschriften  derselben  in  Pitra^s  Spicileg.  Solesm.  lY;  spätere 
Ausgaben  von  H.  L.  Schurzflebch  (Yitemberg.  1704.  4.),  in  Migne^s  Patro- 
logiae  cursus  ni  (Paris  1844)  p.  202— 262,  und  an  Fr.  Oehler's  Minuc.  Felix. 

3.  Das  Carmen  apologeticum  adversus  ludaeos  et  gentes  ist  aus  einem 
cod.  (ohne  Versabtheilung)  in  Middle-Hill  saec.  VI  11  abgedruckt  bei  J.  B. 
Pitra,  spicilegium  Solesmense  I  (Paris  1852)  p.  21—49.  Vgl.  p.  537 — 643, 
566  f.  p.  XVI— XXV,  sowie  T.  iV.  p.  222—224.  H.  Rönsch  (revidierter  Text 
mit  Erläuterungen)  in  Kahnis' Ztschr.  f.  histor.  Theol.  1871,  S.  163—302.  Im 
Ganzen  sind  es  1054  Verse,  von  denen  aber  die  letzten  30  in  der  Handschrift 
trümmerhaft  und  unleserlich  sind.  Am  Schlüsse:  explicit  tractatus  sancti 
episcopi  Commodiani  (Archives  des  missions  IV,  3.  p.  97).  Zeitandeutung 
v.  798  if..*  sed  quidam  haec,  aiunt,  quando  haec  (Watende)  Ventura  puta* 
muB?  (800)  multa  quidem  s'igna  fient  tantae  termini  pesti,  sed  erit  initinm 
septima  persecutio  nostra  (nach  Augustin.  civ.  d.  XVIlt ,  52  die  des  Decius). 
ecce  ianua  pulsatur  et  cogitur  esse  (?)  quae  cito  traiciet  Gothis  inrumpen- 
tibus  amnem  (die  Donau,  J.  250)  rex  Apolion  erit  cum  ipsis,  nomine  dirus. 
(806)  pergit  ad  Romam  cum  multa  milia  gentis  decretoque  dei  captivat  ex 
parte  subactos.  (878  ff.)  haec  Nero  tum  faciet,  .  .  ut  urbs  et  populus  ille 
cum  ipso  tradatur,  tollätur  imperium  quod  füit  inique  repletum,  quod  per 
tributa  mala  diu  maceraverat  omnes.  Im  Hinblick  auf  diese  Nähe  des 
Weltendes  werden  die  noch  Ungläubigen  ermahnt  sich  bei  Zeiten  dem 
Christenthum  zuzuwenden.  A.  Ebert,  Commodians  Carmen  apologeticum,  in 
den  Abhandl.  d.  sächs.  G.  d.  W.  (philol.-hist.  Cl.)  1868.  S.  887  —  420.  C. 
Leimbach,  über  C.'s  carm.  ap.^  Schmalkalden  1871.  28  S.  4. 

4.  Die  Hexameter  des  Comm.  haben  fest  sechs  Hebungen,  kehren  sich 
aber  sonst  weder  an  Hiatus  noch  an  Silbenmessung,  haben  sogar  vielfach 
eine  falsch  betonende  Aussprache  zur  Voraussetzung  (z.  B.  toUatur,  immites 
als  Daktylus).  Durch  die. Willkürlichkeit  der  Praxis  die  sie  befolgen  (denn 
was  L.  Müller  de  re  metr.  p.  448  aufstellt  wird  nicht  wohl  für  Grundsätze 
gelten  können)  sind  die  Verse  des  Comm.  viel  schwieriger  zu  lesen  als 
correct  gebaute^  zumal  da  die  Bäthselhaftigkeit  gesteigert  wird  durch 
fremdartige  (plebejische  ?)  Formen  (wie  den  Sing,  milia  und  den  Plur.  nunti») 
und  Constructionen.  Anführungen  des  Terenz,  Cicero  und  Vergil;  Entleh- 
nungen aus  Letzterem. 

5.  Dieselbe  Verbindung  von  akrostichischer  Anlage  mit  barbarischer 
l'rosodie  und  Metrik  wie  die  Instr.  des  Comm.  (A.  2)  zeigt  auch  die 
Inschrift  des  L.  Praecilius  Fortunatus  aus  Cirta  bei  R^nier,  Inscr.  de 
l'Alg.  2074. 

2.   Zweite  Hälfte,  J.  258—805  u.  Chr. 

352  381.  Der  Beginn  dieser  Jahrzehnte  bildet  eine  schlimme 
Zeit  für  Italien  und  das  römische  Reich.  Im  Innern  verderb- 
liche Seuchen,    nach  Aussen  allenthalben  harte  Bedrängniss,  im 


380  f.    Commciüanus.  —  üebereicht.  873 

Westen  durch  die  Franken,  im  Norden  durch  die  Alemannen, 
im  Nordosten  durch  die  GothenJ  und  im  Osten  durch  Sapor. 
Dazu  die  Regierung  in  den  Händen  des  unfähigen  Gallienus 
(J.  218  —  268),  der  zuerst  mit  seinem  Vater  Valerianus  (J.  253 
— 260),  nach  dessen  Gefangennahme  durch  die  Perser  allein 
das  Scepter  führte  (J.  260 — 268);  dessen  Schlaffheit  bewirkte 
dass  viele  Befehlshaber  in  den  Provinzen  sich  für  selbständig 
erklärten  und  allgemeine  Verwirrung  und  Auflösung  herrschte. 
In  raschem  Wechsel  folgt  sich  eine  Reihe  von  Kaisern  thra- 
kischen  und  illyrischen  Ursprungs  und  durch  ihre  kriegerische 
Tapferkeit  emporgehoben,  manche  auch  sonst  tüchtig,  wie  Clau- 
dius (J.  268—270),  Aurelianus  (J.  270—275),  Probus  (J.  276 
— 282).  Aber  keiner  regiert  lange  genug:  die  meisten  werden, 
wie  bisher,  von  dem  Heere  das  sie  emporgehoben  auch  er- 
schlagen. Endlich  ersteht  in  dem  dalmatischen  Sklavensohne 
Diocletianus  (J.  245 — 313;  reg.  284 — 305)  eine  bedeutende  or- 
ganisatorische Kraft.  Aber  wie  er  der  letzte  Kaiser  war  wel- 
cher triumphierte  und  welcher  consecriert  wurde,  so  endet  über- 
haupt mit  ihm  die  alte  Zeit,  das  Römerthum  i^nd  das  römische 
Reich.  Waren  besonders  orientalische  Elemente  schon  bisher 
reichlich  in  alle  Lebensgebiete  eingedrungen,  so  werden  jetzt 
auch  nordische  einflussreich.  Aeusserlich  bequemt  sich  alles 
der  herrschenden  Sprache  an,  und  lateinisch  schreibt  der  Syrer 
Commodianus  wie  in  Bithynien  Lactantius;  ebenso  in  den  fol- 
genden Zeiten  Ammianus  aus  Antiochia,  Claudianus  aus  Alexan- 
dria und  Priscianus  aus  Caesarea.  Aber  Form  wie  Inhalt  leidet 
unter  diesen  Einflüssen.  Die  Gebildeten  zwar  huldigen  einer 
geistlos  nachahmenden  Correctheit,  wie  Nemesianus  und  später 
Terentianus  Maurus;  bei  der  Masse  dagegen  greift  die  Barbarei 
immer  weiter  um  sich,  und  die  Sprache  selbst  verarmt  und  ver- 
wildert. Die  allgemeine  Gedrücktheit  lässt  nichts  Grosses  auf- 
kommen, weder  im  Guten  noch  im  Schlimmen.  Am  kläglichsten 
sind  die  Jahrzehnte  vor  Diocletian.  Die  Jurisprudenz,  die  bis 
dahin  auf  der  Höhe  sich  gehalten,  verstummt  jählings,  haupt- 
sächlich wohl  weil  die .  Codification  des  Edicts  keinen  eben- 
bürtigen Nachwuchs  aufkommen  Hess.  Den  Stand  der  Gelehr- 
samkeit veranschaulicht  der  geistlose  Epitomator  Solinus.  Die 
Geschichtschreibung  schleppt  sich  in  ärmlichster  Weise  weiter. 
Die  Grammatik  vertritt  ein  Stümper  wie  Nonius  Marcellus.  Die 
Beredtsamkeit   zeigt    sich   in   bombastischer  Schmeichelei  gegen 


874  Die  Kaiserzeit.    Drittes  Jahrtanndei-t  (J.  253-284). 

die  Herrscher;  von  Gallien  ausgehend  beginnen  die  Panegyriker 
schon  in  dieser  Zeit.- 

1.  Bahnbrechend  (bes.  für  die  Auffassung  Diocletians)  J.  Burckhardt, 
die  Zeit  Constantins  des  Grossen,  Basel  1853.  512  8.  Nachfolger:  Th.  Bern- 
hardt, Geschichte  Roms  von  Yalerian  bis  zu  Diocletians  Tode  (253  —  313 
n.  Chr.).  I.  Politische  Geschichte  des  römischen  Reiches  von  Yalerian  bis 
zu  Diocletians  Regierungsantritt  (253—284),  Berlin  1867.  318  8.  Th.  Preuss, 
Kaiser  Diocletian  und  seine  Zeit,  Berlin  1869.  182  8. 

2.  Trebell.  PoU.  Gallien.  11,  6—9:  fuit  Gallienus  .  .  oratione,  poe- 
mate  atque  omnibus  artibus  clarus.  huius  illud  est  epithalamion  quod 
inter  centum  poetas  praecipuum  fuit.  nam  cum  fratrum  suorum  filios  iun- 
^eret  et  omnes  poetae  graeci  latinique  epithalamia  dixissent,  idque  per 
dies  plurimos,  ille  .  .  ita  dixisse  fertur  etc.  (Anthol.  lat.  711  R.).  longum 
est  eins  versvTs  orationesque  conectere,  quibus  suo  tempore  tarn  inter  poetas 
quam  inter  rhetores  emicuit.  sed  aliud  in  imperatore  quaeritur,  aliud  in 
oratore  vel  poeta  flagitatur.  G.  Thomas,  über  das  Epithalamium  des  Gall., 
Sitzungsberichte  der  Münchener  Akad.  1863,  II.  S.  41  f.  Im  Allgemeinen 
Th.  Bernhardt  (A.  1)  I.  8,  51  ff. 

3.  Vopisc.  Car.  11:  Numerianus,  Cari  filius  (jüngerer 'Bruder  des 
Cannus)  .  .  eloquentia  praepoUens  (vgl.  7,  1 :  adulescentem  cum  lectissimum 
tum  etiam  disertissimum),  adeo  ut  publice  declamaverit  feranturque  illius 
scripta  nobilia,  declamationi  tamen  magis  quam  tulliano  adcommodatiora 
8tiIo.  vcrsu  autem  talis  fuisse  praedicatur  ut  omnes  poetas  sui  temporis 
vicerit.  nam  et  cum  Olympio  Ncmesiano  contendit  .  .  et  Aurelium 
ApoUinarem  iamborum  scriptorem,  qui  patris  eins  gesta  in  litteras  rettulit, 
isdem  quae  recitaverat  editis  veluti  radio  solis  obtexit.  huius  oratio  fertur 
ad  senatum  missa  tantum  habuisse  eloquentiae  ut  illi  statua  .  .  quasi  rhe^ 
tori  decerneretur,  .  .  cui  subscriptum  est:  Numeriano  Caesari,  oratori 
tüMiporibus  suis  potentissimo.  Mit  seinem  Vater  Carus,  aus  Narbo,  war 
er  und  Carinus  Caesar  J.  282  —  284,  nach  jenes  Tode  ganz  kurze  2ieit 
Augustus,  bald  aber  wurde  er  von  seinem  Schwiegervater  Arrius  Aper 
erschlagen,  8ept.  284.    Vgl.  Th.  Bernhardt  (A.  1)  I.  S.  245—263. 

4.  Die  Verwilderung  der  Form  (Vulgärmetrik  und  Vulgärlatein)  nimmt 
von  dieser  Zeit  an  auf  den  Inschriften  (aus  Volkskreisen  und  Gegenden  wie 
Africa)  überhand;  ein  »tarkes  Beispiel  davon  ist  die  des  Praecilius  (oben 
380,  5).  Vgl.  W.  Fröhner,  Philologus  XIII.  8.  170  flF.  XVI.  8.  719. 
Namentlich  der  Casusgebrauch  geräth  in  grosse  Verwirrung,  z.  B.  filias 
fecerunt  (Renier  863),  ob  meritis  (ib.  1769),  cum  Albininm  coniugem  (ib. 
2-276),  per  lulio  Casto  fratre  (ib.  752). 

• 

5.  Die  ausserrömischen  Redner  und  8tiliBten  haben  ein  lebhaftes  Gefühl 
der  Schwierigkeiten  mit  denen  sie  zu  ringen  haben.  Panegyr.  Gonstäntin« 
(VllI)  1,  2;  neque  ignoro  quanto  inferiora  sint  ingenia  nostra  romanis. 
ßiquidem  latine  et  diserte  loqui  illis  ingeneratum  est,  nobis  elaboratum, 
et  si  quid  forte  commode  dicimus  ex  illo  fönte  et  capite  facundiae  imitatio 
nostra  derivat.    Pacat.  in  Theodos.  1,  3:  huc   accedit  auditor  senatus,  cui 


381  f.    Uebersicht.   Nemesianus.  875 

difficile  &it  .  .  pro   iqgenita   atquc   hereditaria   orandi   facultate   non  esse 
fastidio  radein  hunc  et  incultum  transalpini  sermonis  horrorem. 

6.  Verbreitung  des  Christenthams  auch  unter  den  Gebildeten.  Arnob. 
II,  6:  tarn  magnis  ingeniis  praediti  oratores,  grammatici,  rhetores,  consulti 
iuris  ac  medici ,  philosophiae  etiam  secreta  rimantes  magisteria  haec 
expetunt,  spretis  quibus  paulo  ante  fidebant.  Ein  Philosoph  welcher  (zu 
Nikomedia,  also  wohl  griechisch)  gegen  das  Christenthum*  schrieb  bei 
Lactaut.  inst.  V,  2. 

a.    Die  Zeit  vor.Diocletian,  J.  253 — 284. 

382.  Zur  Zeit  von  Carus  und  seinen  Söhnen  verfasste363 
M.  Aurelius  Olympius  Nemesianus  aus  Karthago  sein  Lehr- 
gedicht über  die  Jagd  (Cynegetica),  von.  welchem  die  ersten 
425  Verse  auf  uns  gekommen  sind.  Sie  bewegen  sich  mit  Ge- 
wandtheit, Sicherheit  und  Wortfülle  in  den  herkömmlichen  Ge- 
leisen. Die  Technik  derselben  ist  in  allem  Wesentlichen  die- 
selbe wie  in  den  von  dem  gleichen  Verfasser  herrührenden  vier 
Eklogen  welche  an  die  des  Calpurnius  angereiht  sind. 

1.  Vopisc.  Car.  11,  2:  (Numerianus)  cum  ülympio  Nemesiano  con- 
tendit,  qui  'AUsvztyicCy  Kvvriyhzi%K  et  NavtivM  scripsit  inque  (?)  omnibus 
colonis  illustratus  emicuit.  Vgl.  oben  381,  3.  In  dem  einzig  erhaltenen 
dieser  drei  Lehrgedichte  wird  zuerst  ausführlich  dargelegt  dass  der  Verf. 
mythische  Stoffe,  als  schon  viel  behandelt,  nicht  bearbeiten  wolle:  nos 
saltus  viridcsque  piagas  camposque  patentes  scrutamur  (40  ff.)  etc.  taliquc 
placct  dare  Untea  curae,  dum  non  magna  ratis,  vicinis  sueta  movcri  litto- 
ribus,  .  .  nunc  primum  *dat  vela  notis  portusque  fideles  linquit  (58  ff.).  Für 
später  stellt  er  (63  ff.)  den  Söhnen  des  Carus  Besingung  ihrer  Thaten  in 
Aussicht:  mox  vestros  meliere  lyra  memorare  triumphos  accingar,  divi 
fortissima  pignora  Cari,  atque  canam  nostrum  geminis  sub  finibus  orbis 
(im  Norden  und  Osten)  litus  et  edomitas  fraterno  numine  gentes  etc.  haec 
vobis  nostrae  libabunt  carmina  Musae  cum  primum  vultus  sacros  .  .  con- 
tigerit  vidisse  mihi  etc.  Das  Gedicht  ist  also  ausserhalb  Roms  und  nach 
dem  Tode  des  Carus,  J.  284,  verfasst.  Die  Bezeichnung  der  Spanier  durch 
gcns  ampla  iacet  trans  ardua  Calpes  culmina  (251  f.)  deutet  darauf  dasn 
der  Verf.  in  Africa  schreibt,  wie  denn  N.  in  der  Hds.  des  Th.  ügoletiis 
(oben  301,  1)  poeta  carthaginiensis  heisst.  Von  den  425  Hexametern  welche 
allein  erhalten  sind  fallen  102  auf  die  Einleitung;  im  Weiteren  ist  nur 
von  den  Vorbereitungen  zur  Jagd,  insbesondere  den  Jagdhunden,  die  Hede. 
Vereinzelte  Archaismen  wie  mage  (317),  Häufige  Reminiscenzen  bes.  aus 
Vergil.  Ueber  die  vier  Eklogen  des  N.  und  deren  Verhältniss  zu  seinen 
Cyneg.  s.  oben  301,  1  und  3.-5. 

2.  In  der  Zeit  des  Erzb.  Hinkmar  von  Rheims  diente  die  Schrift  als 
Schulbuch  (puer  scholarius  in  libro  qui  inscribitur  Kynegeticoi\  Cartha- 
giniensis Aurelii  didici).  In  den  Hdss.  und  Ausgaben  steht  sie  gewöhnlich 
mit   der   verwandten   Schrift  des  Gratius  zusammen;  s.  oben    248,   1.    In 


876  Die  Kaiserzeit.    Drittes  Jahrhundert  (J.  253—284). 

Wernsdorfs  poetae  latt.  min.  I.  p.  90 — 120,  in  Weimers  corpus  poett.  latt. 
p.  1189  — 1191.  Beiträge  zur  Textkritik  bei  M.  Haupt,  de  carmin.  buc. 
(Lips,  1864.  4.)  p.  85—87. 

3.  Aus  einem  Lehrgedichte  über  den  Vogelfang  zwei  Bruchstücke 
von  28  Hexametern  bei  Wernsdorf  poett.  latt.  min.  I.  p.  128— 181  und  Anthol. 
lat.  883  f.  B.  Aber  der  Ursprung  ist  apokryph,  und  wenn  auch  der 
Archaismus  contemplaverit  (v.  8)  nicht  gegen  N.  spricht,  so  jedenfalls  der 
SpondeuB  gulae  (v.  28)  und  die  Häufigkeit  der  Verschleifung  eines  langen 
Vocals  (v.  5,  6,  14,  27).    Sie  sind  wohl  ein  Erzeugniss  der  neueren  Zeit 

4.  Der  Anfang  von  Pontica  eines  unbekannten  Verfassers,  bestehend 
aus  22  wohlgebauten  Hexametern  in  gehobener  und  gebildeter  Sprache, 
ist  durch  Zufall  in  Handschriften  des  Solinus  gerathen;  s.  Hommsen  Solin. 
p.  XXXIX— XLI.  Wernsdorf  poetae  latt  min.  I.  p.  153—157.  161—163. 
Vgl.  J.  Klein,  Rhein.  Mus.  XXII.  S.  627  f.    Anthol.  lat.  720  R. 

5.  Verwandten  Inhaltes  ist  das  Gebet  zum  Oceanus  um  glückliche 
Seefahrt  (28  Hexameter)  von  heidnischem  Verfasser,  bei  Wernsdorf  IV. 
p.  314—318  vgl.  p.  51.    Anthol.  lat.  718  R. 

6.  Das  Lobgedicht  auf  Hercules  (oben  21,*  4)  das  sich  in  Hdss.  des 
Claudianus  findet,  von  Wernsdorf  (poetae  latt.  min.  L  p.  275—282)  aber 
aus  unerheblichen  Gründen  dem  Nemesianns  zugetheilt  wurde,  könnte  nach 
der  Eleganz  seiner  Rhythmen  wohl  aus  dieser  Zeit  stammen.  L.  Müller 
de  re  metr.  p.  57. 

3(54  383«  Die  Geschichte  der  Zeit  findet  eine  Reihe  von  Dar- 
stellern, für  welche  die  kurze  Dauer  der  einzelnen  Regierungen 
gunstig  gewesen  wäre,  wenn  es  nicht  den  meisten  an  innerer 
Unabhängigkeit  gefehlt  hättiC.  Wir  .kennen  sie  aber  nur  durch 
die  scriptores  historiae  augustae  welche  aus  ihnen  geschöpft 
haben.  Bedeutender  als  alle  war  jedenfalls  der  griechisch  schrei- 
bende Dexippus. 

1.  Yopisc.  Aurelian.  12,  4:  in  ea  re,  quam  fidei  causa  inserendam 
credidi  ex  libris  Acholii,  qui  magister  admissionum  Valeriani  principis 
(J.  253 — 260)  fuit,  libro  Actorum  eins  nono.  Lamprid.  Alex.  64,  5:  qui  .  . 
hbtoricos  eius  temporis  legant  et  maxime  Acholium,  qui  et  itinera  huius 
principis  scripsit.    Vgl.  ib.  14,  6.  48,  7  (oben  377,  11). 

2.  Trebell.  Valerian.  8,  2:  ut  Caelestinus  dicit. 

3.  Trebell.  Gallien.  18,  6 :  quae  qui  volet  scire  legat  Palfuriiun  Suram, 
([iii  ephemeridas  eius  vitae  composuit. 

4.  Trebell.  XXX  tjr.  6,  5:  satis  credimus  luli  Atheriani  partem  libri 
cuiusdam  ponere,  in  quo  de  Victorino  sie  loquitur.  Folgt  ein  freimüÜg^eä 
Urteil.  Macrob.  III,  8,  2:  apud  Calvum  Aterianus  (libri:  actherianas) 
adfirmat  legendum  etc.  Er  ist  ohne  Zweifel  auch  der  Haterianus  welcher 
in  den  Veroneser  Vergilscholien  (zu  Aen.  VII,  337.  IX,  360.  390.  397.  X,  242) 
als  Commentator  der  Aeneis  genannt  wird  (Ribbeck,  Prolegg.  Verg.  p.  177  f.). 
Gräfenhan,  Gesch.  d.  class.  Philol.  IV.  S.  303  f. 


383  f.    Geschichtschreiber  vor  Diocletiau.    Aquila.  877 

5.  Trebell.  XXX  tyr.  12,  3:  verba  Ballistae ,  quantum  Maeonius 
Astyanax,  qui  consilio  interfuit,  adeerit,  haec  fueruDt. 

6.  Trebell.  XXX  tyr.  15,  8  von  Zenobia:  mulier,  ut  Cornelius 
Capitolinus  adeerit,  speciosissima. 

7.  Trebell.  XXX  tyr.  25,  2:  illibato  patrimonio,  quod  quidem  ad  suos 
posteroB  misit,  ut  Dagellius  (?)  Fascus  dicit. 

8.  Trebell.  Claud.  5,  3  f.:  et  hunc  (Anreolus)  tarnen  quidam  historici 
laudare  conati  sunt,  et  ridicule  qnidem.  nam  Gallus  Antipater,  ancilla 
bonorum  et  historicorum  debonestamentum,  principium  de  Aureolo  habuit: 
venimuB  ad  imperatorem  nominis  sui. 

9.  Vopißc.  Tacit  11,  7:  si  quis  omnia  de  hoc  viro  cupit  scire  legat 
Suetonium  Optatianum,  qui  eius  vitam  adfatim  scripsit. 

10.  Vopisc.  Firm.  6,  2:  ea  quae  de  iUo  (Firmus)  Aurelius  Feativus, 
libertus  Aureliani,  singillatim  rettulit  (lauter  res  leves)  si  vis  cognoscere 
eundem  oportet  legas. 

11.  Vopisc.  Aurelian.  1,  6  f.:  ephemeridas  iUius  viri  (des  Aurelianus) 
scriptas  habemus,  etiam  bella  charactere  historico  digesta.  .  .  quae  omnia 
ex  libris  linteis,  in  quibus  ipse  cotidiana  sua  sciibi  praeceperat,  .  .  condisces. 

12.  Vopisc.  Firm.  etc.  10,  4:  M.  Salvidienus  hanc  ipsius  (Saturnini) 
orationem  yere  foisse  dicit,  et  fiiit  re  vera  non  parum  litteratus.  nam  et 
in  Africa  rhetoricae  operam  dederat  et  Bomae  frequentaverat  pergulas 
magistrales. 

13.  Vopisc.  Gar.  4,  3:  Fabius  Oexyllianus,  qui  tempora  Cari,  Carini 
et  Numeriani  solertissime  persecutus  est. 

14.  Vopisc.  Gar.  17,  7:  de  eius  luxuria  .  .  quicumque  ostiatim  cupit 
noscere  legat  etiam  Fulvium  Asprianum  usque  ad  taedium  gestorum  eius 
universa  dicentem. 

16.  Vopisc.  Firm.  etc.  14,  4:  ut  Onesimus  dicit,  scriptor  vitae  Probi. 
Vgl.  ib.  13,  1.  Gar.  4,  2  (0.,  qui  diligentissime  vitam  Probi  scripsit).  7,  3. 
16,  1.    17,  6. 

16.  P.  Herennius  Dexippus  siegte  J.  269  über  die  Gothen.  Er  war 
Qi^tcDQ  xal  ffvyyQatpBvs  (G.  Inscr.  gr.  380).  Wir  haben  Nachrichten  über 
seine  4  Bücher  rmv  (isra  'AXi^avSQoVy  seine  übersichtliche  Xqoviutj  ictoql/k 
vom  Anfang  bis  J.  268,  und  seine  £7ivd't%a.  Vgl.  Westermann  in  Pauly's 
Real-Enc.  U.  S.  987.  L.  Dindorf,  bist.  gr.  min.  I  (Lips.  Teubner  1870) 
p.  165—200. 

384.    Ungefähr  aus  dieser  Zeit  ist  der  Rhetor  Aquila  Ro-365 
manus,    von   dem   wir   ein   mageres  und   flüchtig  geschriebenes 
Büchlein    De   figuris    sententiarum   et    elocutionis    besitzen,    an 
welches  später  Julius  Bufinianus  seine  ähnliche  Schrift  als  Er- 
gänzung anschloss. 

1.  Jul.  Ruf.  beginnt:  hactenus  Aquila  Romanus  ex  Alexandro  Numenoi. 
exinde  ab*  eo   praeteritas,   aliis   quidem   proditas   (figuras),   subtexuimus. 


878  Die  Kaiserzeit.    Drittes  Jahrhundert  (J.  253—284). 

Aquila  widmet  seine  Schrift  einem  Ungenannten^  den  er  im  Eingang  so 
anredet:  rhetoricos  petis  longioris  morae  ac  diligentiae  quam  pro  angustiis 
temporia,  quod  me  profecto  urget,  ideoque  postea  plenum  hoc  tibi  munus 
reddemns.  in  praesenti  antem  nomina  ipsamm  figurarum  cum  exemplia 
(lateinischen)  percurrisse  suf&ciat.  17:  hae  fere  sunt  ab  eleganüssimis 
electae  figurae  sententiarum.  quibus  si,  ut  adulescens  acerrimo  ingenio, 
utebaris  .  .  ex  imitatione  lectionis  tnllianae,  .  .  nihil  mimm  est.  Die 
Schrift  ist  vollständig  erhalten,  steht  aber  der  des  Rutilius  Lnpus 
(oben  266)  an  Werth  weit  nach.  Die  Sprache  ist  hart^  nachlässig  und 
verstösst  vielfach  gegen  die  gute  Latinität. 

2.  Ausgaben  meist  an  denen  des  Rutilius  Lupus,  wie  der  von  Ruhnken 
(Lugd.  B.  1768)  p.  189—194.  In  C.  Halms  rhetores  latt.  min.  (Lips.  1863) 
p.  22  —  37.  Beiträge  zur  Textkritik  von  J.  G.  Fröhlich  (in  Fleckeisens 
Jahrbb.  89,  S.  208—211)  und  J.  Simon  (Philologus  XXVIII.  S.  628—647). 
Wensch,  de  Aquila  Romano,  Wittenberg  1861.  4.  (?) 

3.  Ueber  Saturninus  s.  383,  12. 

3(57  385.  In  den  ersten  Jahrzehnten  dieses  Zeitraumes  verfasste 
der  Grammatiker  C.  Julius  Solinus  seine  Collectanea  rerum 
memorabilium.  Das  Werk  ist  in  der  Hauptsache  ein  Auszug 
aus  einer  nach  Plinius'  nat.  historia  gemachten  Bearbeitung  der 
Geographie;  für  die  geschichtlichen  Theile  ist  eine  Chronik  aus 
bester  Zeit  benützt.  Die  eigenen  Zuthaten  des  Verfassers  sind 
stofflich  werthloS;  seine  Darstellung  geschmacklos  geziert  und 
umständlich.  Aber  der  Bildungsstufe  der  folgenden  Zeiten  sagte 
die  Schrift  in  hohem  Grade  zu.  Eine  im  sechsten  Jahrhundert 
veranstaltete  Bearbeitung  derselben  gab  ihr  den  neuen  Titel 
Polyhistor. 

1.  Aldhelm  (f  709)  citiert  (p.  323)  Julius  Solinus  in  collectanea  reruin 
memorabilium;  der  Mönch  Dicuil  (J.  825)  lulius  Solinus  in  coUectaneis. 
Im  cod.  Heidelberg,  lautet  die  Ueberachrift:  Julius  Solinus  Adyento  sal- 
(utem);  im  Paris.  6831:  lulii  Solini  collectio  rerum  memorabihum;  in 
andern  Hdss.  saec.  X  (z.  B.  Monac.  6384)  die  Subscription:  expl.  fei.  G. 
luli  Solini  grammatici.  Servius  (Georg.  IJ,  216)  und  Jsidor  (de  rer.  nat. 
40,  1)  nennen  den  Verf.  einfach  Solinus ;  ebenso  Priscian,  mit  dem  Beisatze 
in  coUectaneis  (X,  60),  in  memorabilibus  (II,  61.  V,  15.  VI,  15.  XVIII,  213), 
auch  (fehlerhaft)  in  admirabilibus  (VI,  44),  einmal  (J,  28)  in  coUectaneis 
vel  polyhistore,  letztere  zwei  Worte  wohl  aus  späterer  Interpolation 
(Mommsen  p.  LXII). 

2.  Mommsen  p.  VI:  cum  Solini  Über  saeculo  V  iam  pervulgatus 
fucrit  (s.  unten  A.  5),  a  feliciore  autem  litterarum  latinarum  aevo  tarn 
rerum  eins  exilitas  quam  sermonis  infantia  abhorreat,  hoc  restat  quaercu- 
dum,  utrum  saeculo  III  probabilius  adscribatur  an  quarto.  Mommsen  ent- 
Hchoidet  sich  für  das  Erstere  (die  Zoit  den  Valerianus  und  Gallienus),  weil 


385.    Solinue.  879 

Sol.  Constantinopel  nur  unter  dem  Namen  Byzantium  kennt  und  von  der 
durch  Diocletian  und  Constantin  getroöenen  Eintheilung  der  Provinzen  bei 
ihm  noch  keine  Spur  ist,  so  wenig  als  vom  Christenthum.   Vgl.  ib.  p.  VII  f. 

3.  Aus  Solin's  Widmung  an  Adventus.  (1.)  Cum  et  aurium  dementia 
et  optimarum  artium  studiis  praestare  te  ceteris  sentiam  .  .  reputavi  exa- 
men  opusculi  istius  tibi  potissimum  dare.  .  .  (2.)  Über  est  ad  compendium 
praeparatus  quantumque  ratio  passa  est  ita  moderate  repressus  ut  nee 
prodiga  sit  in  eo  copia  nee  damnosa  concinnitas.  cui  .  .  velut  fermentum 
cognitiouifi  magis  inesse  quam  bratteas  eloquentiae  deprehendes.  (3.)  ex- 
quisitis  enim  aliquot  voluminibus  studuisse  me  impendio  fateor  ut  et  a 
notioribus  referrem  pedem  et  remotis  largius  immorarer.  locorum  com- 
memoratio  plurimum  tenet,  in  quam  partem  ferme  inclinatior  est  universa 
materies.  ~ .  .  (4.)  inseruimus  et  pleraque  differenter  congruentia,  ut  .  .  saltem 
varietas  ipsa  legentium  fastidio  mederetur.  .  .  (ö.)  nonnuUa  etiam  digna 
memoratu,  quae  praetermittere  incuriosum  videbatur  quorumque  auctoritas 
.  .  de  Bcriptoribus  manat  receptissimis.  quid  enim  proprium  nostrum  esse 
possit,  cum  nihil  oniiserit  antiquitatis  diligentia  quod  intactum  ad  hoc 
usque  aevi  permaneret?  .  .  opiniones  universas  eligere  maluimus  potius 
quam  innovare.  (6.)  .  .  des  velim  infantiae  meae  veniam.  constantia 
veritatis  penes  eos  est  quos  secu.ti  sumus.  Das  Hauptaugenmerk  ist  auf 
auffallende  Erscheinungen  irgend  welcher  Art  {ytaQccdo^a)  gerichtet.  Von 
Rom  wird  ausgegangen,  dann  folgt  Italien  mit  den  Inseln,  Griechenland 
mit  seinem  Norden  (bis  Thrakien)  und-  den  Inseln;  Fontus,  Skythien; 
Germanien,  Gallien,  Britannien,  Hispanien;  Nord-Africa  und  Aegypten; 
Asien  (Arabien,  Syrien,  Eleinasien,  Assyrien,  Indien,  Parthien).  Schluss  mit 
den  Gorgades  und  Hesperiden.    Im  Ganzen  66  Capitel  (vgl.  A.  6). 

4.  Drei  Viertheile  von  Solinus  sind  stofflich  aus  Plinius  entnommen, 
dessen  Darstellung  rhetoriBch  aufgebläht  wird,  unter  vielen  starken  Miss- 
verständnissen (Mommsen  p.  IX).  Dass  aber  nicht  unmittelbar  aus  Plinius, 
erhellt  aus  mancherlei  Zuthaten  welche  Sol.  nicht  selbständig  gemacht 
haben  kann,  namentlich  der  von  Plin.  nicht  genannten  Gewährsmänner, 
oder  des  Vornamens,  oder  der  Zeit  (ib.  p.  XIX  f.).  Auch  die  Zusätze  aus 
Mela  werden  sich  schon  in  der  Quelle  des  Söl.  gefunden  haben,  der  choro- 
graphia  pliniana  (oben  308,  7).  Ueber  die  chronologischen  Zuthaten  s.  oben 
286,  4.    Vgl.  Mommsen  Sol.  p.  249—254. 

5.  Solins  Buch  wurde  abgeschrieben  schon  von  Theodosius  11  (J.  402 
—  460)  nach  der  Subscription  in  der  ersten  Classe  der  Handschriften: 
lulius  Solinus  (de  memorabilibus)  explicit  feliciter.  studio  et  diligentia 
domni  Theodosii  invictissimi  principis.  0.  Jahn,  Berichte  der  sächs.  Ges. 
d.  W.  1861,  S.  342  f.  Benützt  wurde  es  von  Augustinus  (de  civ.  dei)  und 
Capeila  (neben  Plinius),  von  Priscian  (bes.  in  seiner  üebersetzung  der 
Periegese  des  Dionysius),  Servius  (s.  A.  1)  und  Isidor  (de  nat.  rer.  und 
origg.).  Capella  und  Isidor  haben  ihrerseits  den  Sol.  öfters  missverstanden 
(Mommsen  p.  IX  f.).  Von  der  fleissigen  Benützung  im  Mittelalter  zeugen 
die  vielen  Hdss.  (A.  6).  Mommsen  p.  XXX— XXXU.  p.  265—259.  Ein 
Auszug  in  Hexametern  wurde  saec.  X  gemacht  unter  dem  Namen  Theodcncua 
(z.  B.  in  einer   Brüsseler   Hds.   saec.   XII),    auch   unter   dem   von   Petrus 


880  Die  Kaiserzeit.  Drittes  Jahrhundert  (J.  253—284). 

DiaconuB  (saec.  XII) ;  s.  Mominsen  p.  XCII  f.  Latapie ,  mäm.  sur  Tahrdge 
po<§tique  du  Polyh.  SoL  par  Thierry  (Theodericus),  attribue  jusqu'ici  ä 
Pierre  Diacre  (Petr.  Diac),  Bull,  de  Tacad.  de  Bruxclles  XVI.-  p.  79 — 101; 
vgl.  Roulez  ib.  p.  143  f. 

6.  Die  Handschriften  des  Sol.  theilen  sich  in  drei  Classen,  welche 
alle  auf  einen  schon  theilweis  corrupten  archetypus  zurückgehen  (Mommsen 
p.  XXXII — XXXIY),  von  einander  sich  aber  schon  durch  ihre  Abweichung 
in  den  Bubriken  (ib.  p.  XXXVII  und  p.  239 — 246)  und  der  Capiteleintheilung 
(ib.  p.  XXXVIII  f.)  unterscheiden.  Die  erste  Classe  (bes.  Heidelberg,  und 
Paris.  6813.  6833)  saec.  XI  fiP.  stammt  von  einer  Hds.  (spätestens  saec.  YHI) 
welcher  das  vorletzte  Blatt  fehlte.  Die  wenigen  Interpolationen  die  sie 
hat  sind  fast  alle  aus  Isidor  (Mommsen  p.  238  und  p.  XLI — XLIV).  Haupt- 
vertreter der  zweiten  Classe  ist  Leidensis  saec.  IX.  Sie  hat  vor  der  ersten 
Vorzüge,  aber  schon  zahlreichere  Zusätze  (p.  XLIV  —  LH).  Die  dritte 
enthält  theils  Variationen  im  Ausdruck  theils  Erweiterungen  des  Inhalte 
(p.  234^237  M.)  aus  Plinius  selbst  und  andern  Quellen,  herrührend  aus 
einer  alten  durchgreifenden  Umarbeitung  (etwa  durch  schottische  Mönche 
welche  sich  am  Bodensee  angesiedelt,  saec.  VI),  mit  neuer  praefatio 
(p.  233  M.)  und  Umänderung  des  Titels  in  den  unpassenden  Polyhistor, 
und  unter  Annahme  des  Scheins  als  ob  diese  Umarbeitung  den  Solinus 
selbst  zum  Urheber  hätte  (Mommsen  p.  LVHI  —  LXVI).  Der  genaueste 
Vertreter  dieser  Classe  ist  der  Angelomontanus  saec.  X  (A).  Contaminiert 
ans  Cl.  I  und  III  ist  Sangallensis  saec.  X  (S),  aus  Cl.  II  und  III  Paris. 
6810  (P),  s.  Mommsen  p.  LH— LX,  und  dessen  Elenchus  p.  LXXIX—XCHI. 

7.  Ausgaben  (ed.  princeps  Venet.  1473  fol.)  von  J.  Camers  (Wien 
1520  fol.),  El.  Vinetus  (Pictav.  1664.  4),  M.  Delrio  (Antv.  1572.  Lugd.  1646) 
u.  A.  Hauptwerk:  Claudii  Salmasii  Exercitationes  in  Sol.  Polyh.,  Paris 
1629  und  (cur.  S.  Pitisco)  Utrecht  1689.  2  Voll.  fol.  Lips.  1777.  8.  Muster- 
hafte Bearbeitung  durch  Th.  Mommsen  (recognovit),  Berol.  1864.  XCFV 
und  287  pp.    Vgl.  Fr.  Lüdecke,  Gott.  Gel.  Anz.  1866,  S.  1089—1109. 

8.  Ueber  die  22  Hexameter  in  Hdss.  des  Solinus  s.  oben  382,  4. 

ogg  386.  Gegen  das  Ende  dieser  Zeit  scheint  Nonius  Marcellas 
das  auf  uns  gekommene  lexikalische  Werk  (Compendiosa  doctrina 
per  litteras)  verfasst  zu  haben.  Es  ist  nach  zufalliger  Reihen- 
folge (c.  2 — 4  in  alphabetischer)  mechanisch  zusammengeschrieben^ 
namentlich  unter  starker  Benützung  des  Gellius.  Trotz  des 
allenthalben  grell  zu  Tage  tretenden  Mangels  an  gründlichen. 
Kenntnissen^  Urteil  und  Sorgfalt  ist  das  Werk  doch,  nach  dem 
Untergänge  besserer,  von  unschätzbarem  Werthe,  hauptsächlich 
durch  seine  Anführungen  aus  der   älteren   römischen   Literatur. 

1.  Nonius  Marcellus  heisst  in  den  Ueberschriften  peripateticus  tubur- 
ticensis^  was  jedenfalls  auf  Africa  als  seine  Heimat  hinweist;  s.  Grerlach 
und  Eoth  p.  IV — VHI.  Der  grammaticus  pertenuis  meriti  Marcellus, 
welchem  amissam  primum  Narbo  dedit  patriam  (Auson.  prof.  Burdig.  18), 


386.   Nonius  Marcellus.  881 

wird  er  daher  nicht  sein.  Die  späteaten  Schriftsteller  die  N.  nennt  sind 
Apulejus  (s.  V.  abstemius)  und  (Septimius)  Serenas  (oben  379,  3).  Die 
ausnahmsweise  Berücksichtigung  des  Letzteren  scheint  auf  persönliche  Be- 
ziehungen zu  ihm  oder  doch  Zeitnähe  zu  deuten.  Theils  angeführt  theils 
stillschweigend  ausgeschrieben  (M.  Hertz,  Philologus  XI.  S.  693—596,  vgl. 
zu  Prifician  XV,  13.  p.  70)  wirdNonius  von  Priscian.  p.  36,  21  (teste  Nonio 
Marcello  de  doctorum  indagine  »  c.  12).  269,  24  (quod  ponit  N.  M.  de  doct. 
ind.).  499,  20  H.  (Nonius  Marcellus  de  matatis  coniugationibuB  «»  c.  10). 
Die  Ueberschrift  (im  Guelferbytanus  u.  a.)  de  compendiosa  doctrina  per 
litteras  ad  filinm  findet  zwar  nur  auf  drei  von  den  19  Capiteln  Anwendung; 
doch  sind  diese  drei  die  umfangreichsten  (p.  49 — 286  von  den  383  pp.  bei 
Gerlach  und  Roth). 

2.  Inhalt  imd  Eintheilung.  c.  1:  de  proprietate  sermonum.  2:  de 
honestis  et  nove  veterum  dictis,  per  litteras.  3:  de  indiscretis  generibus, 
per  litteras.  4:  de  varia  significatione  sermonum  (per  litteras).  6:  de 
differentiis  verborum.  6:  de  inpropriis.  7:  de  contrariis  generibus  verborum. 
8:  de  mutata  declinatione.  9:  de  generibus  et  casibus.  10:  de  mutatis 
coniugationibus.  11:  de  indiscretis  adverbiis.  12:  de  doctorum  indagine. 
13:  de  genere  navigiornm  (nur  17  Artikel).     14:   de  genere  vestimentorum. 

,15:  de  genere  vasorum  vel  pocolorum.  16:  de  (genere  vel)  colore  vesti- 
mentorum (13  Artikel).  17:  de  genere  ciborum  vel  pomorum  (16  Artikel). 
18:  de  genere  armorum.  19:  de  propinquitate  (9  ganz  kurze  Artikel,  ohne 
Belege;  schliesslich:  de  quibus  exempla  multa  sunt  in  antiquis  auctoribus 
et  maxime  in  Afranio  et  iuris  vetustissimis  scriptoribus).  Die  7  letzten 
Capitel  (p.  364—383  ed.  G.  et  R.)  sind  also  sachlich  angelegt,  aber  von 
Vollständigkeit  sehr  weit  entfernt. 

3.  Die  Anlage  des  Werkes  ist  eine  so  mechanische  dass  in  neuester 
Zeit  mit  Erfolg  dag  Verfahren  des  Non.  bei  seiner  Compilation  aufgezeigt, 
das  grobe  Gewebe  in  seine  Fäden  zerlegt  worden  ist.  Zuerst  andeutungs- 
weise von  F.  W.  Schneidewin  (Götti.  gel.  Anz.  1843,  S.  697  f.),  ausgeführt 
sodann  in  Bezug  auf  die  Benützung  des  Gellius  von  M.  Hertz  in  Fleck- 
eisens Jahrbb.  85  (J.  1862),  sS.  706—726.  779 — 799;  erweitert  von  A.  Riese 
in  der  Symbola  phil.  Bonn.  S.  483—487,  A.  Schottmüller,  ebd.  S.  809—832 
(üb.  d.  Bestandtheile  des  ersten  Cap.  des  N.  M.)  und  P.  Schmidt,  de  Nonii 
Marcelli  auctoribus  grammaticis  (Lips.  1868)  165  pp.  nebst  Uebersichts- 
tafel.  Hierdurch  ist  festgestellt  dass  Non.  fast  in  allen  Capp.  im  Wesent- 
lichen das  gleiche  Verfahren  befolgt  hat.  Bestimmte  Reihen  von  Citaten 
wiederholen  sich  fortwährend  in  der  gleichen  Ordnung;  er  hat  dieselben 
also  in  einer  regelmässigen  Reihenfolge  aus  seinen  Quellen  in  seine  Samm- 
lungen und  sein  Buch  eingetragen.  Gewöhnlich  beginnt  die  Plautusreihe 
auf  18  der  fabulae  Varronianae  beschränkt,  dann  folgen  Beispiele  aus 
Lucretius,  Attius,  Pomponius,  Lucilius  (B.  1—20),  Pacuvius,  Cic.  de  rep,, 
Varro  (22  saturae),  Sallust,  Afranius;  Cic.  de  off.,  Hortons.,  de  seu.  und 
de  rep.;  Vergil,  Terenz,  Cic.  Verrinae,  Lucilius  (B.  20 — 26),  Verzeichniss 
vonVerba  (bes.  bei  Dramatikern),  Adyerbia,  abermals  die  genannten  philo- 
soph.  Schriften  des  Cicero;  darauf  Beispiele  aus  Plaut.  Amphitruo,  Asin. 
und  Aulul.;  wieder  aus  Varro  (18  saturae);  dann  die  Excerpte  aus  Gellius; 

Tkukfkl,  £öm.  Litcraturgeichiclito    2.  Anfl.  56 


882  Die  Kaiserzeit.    Drittes  Jahrhundert.   Diocletianus. 

abermals  aus  6  saturae  des  Varro;  Cic.  de  fin.;  Sisenna;  Cic.  or.,  de  or., 
Acad.  nad  Tusc;  endlich  aus  Varro  de  vita  pop.  rom.,  de  re  rust.  und 
aus  Cato.  Die  Abweichungen  von  dieser  Reihenfolge  sind  verhältniss- 
mässig  selten  und  erklären  sich  ohne  Zweifel  aus  Zufölligkeiten. 

4.  Seine  eigentlichen  Quellen  zu  nennen  hütet  sich  Nonius  sorgfältig, 
und  der  Name  des  Gellius  e.  B.,  den  er  so  stark  ausschreibt,  findet  sich 
bei  ihm  niemals.  Sicher  aber  sind  es  nur  secundäre  und  späte,  Commen- 
tare  zu  Schriftstellern,  Sammelwerke,  Wörterbücher  und  Grammatiken. 
Doch  giengen  diese  selbst  ohne  Zweifel  auf  ältere  zurück,  wie  auf  Verrius 
Fl  accus.  Vielfach  berührt  er  sich  mit  Charisius,  aber  nur  weil  dessen 
Hauptquellen  auf  derselben  Linie  der  gelehrten  Tradition  sich  hielten,  oder 
die  des  Nonius  gleichfalls  aus  Caper,  Plinius  oder  Probus  geschöpft  hatten. 
Diese  seine  Quellen  hat  aber  N.  höchst  oberflächlich  benützt  und  mehr 
darin  geblättert  als  gelesen.  Alle  Gelehrten  die  sich  mit  ihm  näher  befasst 
wetteifern  in  Ausdrücken  der  Verachtung  über  ihn.  Schon  Bentley  (zu  Hör. 
S.  I,  2,  129)  nennt  ihn  einen  fatuus;  Bücheier  (Rhein.  Mus.  XIII.  p.  596) 
sagt:  cum  Nonio  qui  comparari  posset  levitate  et  stupiditate  neque  anti- 
quitas  neque  nostra  aetas  uUum  grammaticum  tulit.  Ebenso  L.  Müller 
(metr.  p.  22  ff.),  Schottmüller  (Symb.  S.  810),  P.  Schmidt  (p.  38  u.  92), 
Kitschi  (Neue  plant.  Ezc.  I.  S.  117)  u.  A.  Ist  es  dem  N.  doch  sogar  be- 
gegnet dass  er  M.  Tullius  und  Cicero  für  zwei  verschiedene  Autoren  hielt 
(Schmidt  p.  92). 

5.  Ueber  die  Handschriften  des  N.  s.  Gerlach  vor  seiner  Ausgabe 
p.  XXIV  —  XXVIII.  Ed.  princeps  von  Pomponius  Laetus,  Rom.  1470. 
\'enet.  1476.  Ed.  Pius,  Mediol.  1500  und  Paris.  1611.  Aldina  Ven.  1513. 
1527.  Basil.  (Proben)  1526.  Ed.  Hadr.  lunius,  Antv.  1665.  Jos.  Mercier, 
Paris  1583  nnd  bes.  1614;  abgedruckt  Lips.  1825.  Ad  fidem  veterum  codd. 
tMÜderunt  et  appar.  crit.  indicesque  adiec.  F.  D.  Gerlach  et  G.  L.  Roth, 
}'>asil.  1842  (c.  1  u.  4  von  G.,  das  Uebrige  von  R.).  Collatis  V  codd.  saec. 
IX  et  X  ed.  L.  Quicherat,  Paris  1871.  XXXII  u.  678  pp.  Angekündigt  eine 
kritische  Ausg.  von  L.  Müller  (Lips.  Teubner). 

6.  J.  Vahlen,  analectornm  Nonianorum  libri  II,  Lips.  1859.  40  pp. 
L.  Müller,  de  re  metr.  p.  29  —  39  und  in  Fleckeisens  Jahrbb.  95,  S.  490 
—406.    97,  S.  422—434.  Ilhein.  Mus.  XXIV.  S.  239—250.     Anderes  s.  A..  3. 

b.   Die  Zeit  Diocletians,  J.  284—305. 

309  387.  Die  wichtigste  Kunst  ist  fortwährend  die  der  Rede. 
Sie  hat  ihren  Hauptsitz  jetzt  in  Gallien,  wo  Massilii^,  Narbo, 
Tolosa,  Burdigala,  Augustodunum ,  Remi  (Durocortorum)  und 
Treviri  eigene  Rhetoren  haben  und  deren  Unterrichte  die  Leb- 
liaftigkeit  und  Sprachgewandtheit  des  Volkes  entgegenkam.  Hier 
bildete  sich  eine  Redeweise  welche  sich  von  der  trüben  Ge- 
schraubtheit der  Africaner  durch  Glätte  und  Correctheit  unter- 
sclieidet;  an   Wortfülle  sie   überbietet,   an   Gedankengehalt  aber 


386  f.   Nonius  Marcellus.  Panegyriker.  883 

hinter  ihnen  zurückbleibt.  Stoff  und  Ton  der  Beredtsamkeii 
war  bedingt  durch  die  politischen  Verhältnisse.  Entsprechend 
dem  orientalisch  despotischen  Ceremoniel  welches  Diocletian 
einführte  und  welches  die  Person  des  Kaisers  'dem  gewöhnlichen 
Verkehre,  damit  aber  auch  den  Schwertern  der  Soldateska  ent- 
rückte, widmete  sich  die  Beredtsamkeit  der  Verherrlichung  der 
Kaiser,  der  Verkündigung  ihrer  übermenschlichen  Vorzüge  und 
Leistungen.  Es  beginnt  die  Zeit  und  Literatur  der  Panegy- 
riker, welche  an  den  Vorgang  des  jüngeren  Plinius  anknüpft, 
in  ihrem  Stile  aber  eher  an  Cicero.  Die  beiden  ältesten  auf 
uns  gekommenen  Vorträge  dieser  Art  sind  von  unbekannten 
Rednern  am  Hof  lager  zu  Trier  gehalten  zum  Lobe  von  Diocletians 
Mitregenten,  -  Maximianus  Herculius,  in  den  Jahren  289  und 
291.  Vier  andere  besitzen  wir  von  dem  Rhetor  Eumenius 
aus  Autun  (geb.  um  250),  welcher  der  ciceronischen  Rundung 
und  Fülle  nachstrebt.  Sie  sind  gehalten  in  den  Jahren  296 
und  297,  310  und  311.  Die  älteste  spricht  für  Wiederherstellung 
von  Schulen  in  seiner  Vaterstadt,  die  jüngste  dankt  in  deren 
Namen.  Die  beiden  anderen  sind  Lobreden  auf  den  Caesar 
Constantius  Chlorus  und  dann  auf  dessen  Sohn,  den  Kaiser 
Constantinus. 

« 

1.  Die  Sammlangen  der  panegyrici  veteres  enthalten  gewöhnlich 
auch  die  älteste  Rede  dieser  Art,  den  Panegyricus  des  Plinius  (oben  335, 
12).  Weiterhin  erstrecken  sie  sich  von  Diocletian  bis  Theodosius;  s.  unten 
396.  410.  419.  Handschriften  derselben  gibt  es  zahlreiche;  doch  reicht 
keine  über  saec.  XV  zurück,  und  alle  stammen  aus  demselben  archetypus, 
wahrscheinlich  dengenigen  welchen  Joh.  Aurispa  J.  1433  in  der  Mainzer 
Bibliothek  auffand;  s.  H.  Keil,  praef.  in  Plin.  p.  38  f.  und  Joa.  Aurispae 
epistula  (Halle  1870.  4.)  p.  IV  und  VHI.  Die  relativ  besten  sind  der  vetus 
Bertiniensis,  vetus  Puteani  und  Vaticajius  3461;  s.  H.  Rühl  (A.  3)  p.  7 — 18. 
In  diesen  Hdss.  pflegt  auf  den  Paneg.  des  Plinius  zu  folgen :  Latini  Pacati 
Drepani  panegyricus  Theodosio  Aug.  dictus;  Claudi  Mamertini  pro  consulatu 
suo  gratiarum  actio  loliano  Aug.;  Nazari  panegyricus  Constantino  Aug. 
dictus ;  dann  erst  die  kürzeren  Lobreden  auf  Maximian  und  Diocletian  und 
dessen  Nachfolger.  Die  Ausgaben  (A.  2)  befolgen  meist  die  chronologische 
Ordnung. 

2.  Ausgaben  der  panegyrici  von  Jo.  Cuspinianus  (Vienn.  1513.  4), 
B.  RhenanuB  (Basil.  1620.  4),  P.  Navius  (Venet.  1576),  J.  Livineius  (Ant- 
verp.  1599),  C.  Bittershusius  (cum  notis  J.  Gruteri  et  Acidalii,  Francof. 
1607),  Chr.  Cellarius  (rec.  et  adn.  illustr.,  Hai.  1703),  J.  de  la  Banne  (in 
US.  Delph.,  Venet.  1728.  4.),  Chr.  G.  Schwarz  (Altorf  1739—1748.  4.),  L. 
Patarol  (notis  ac  nummis  illustr.,  Venet.  1743.  4.),  Wolfg.  Jäger   (ex  cod. 

56* 


884  Die  Kaiserzeit.    Drittes  Jahrhundert.    Diocletiamis. 

ras.,  Nürnberg  1779.  2  Voll.),  H.  J.  Amtzen  (cum  notis  et  animadv.,  Utrecht 
liyo— 1795,  2  Voll.  4.),  Valpy  (London  1838). 

3.  J.  G.  Walch,  parerga  acad.  (Lips.  1721)  p.  849  ff.  C.  G.  Heyne, 
ceuBura  XII  panegyricorom  vetemm,  in  seinen  Oposcnla  acad.  VI.  p.  80 
—  118.  J.  Burkhardt,  die  Zeit  Constantins,  S.  62  —  66.  H.  Rühl,  de  XII 
panegyricis  latinis  propaedeumata,  Greifswald  1868.  Fr.  Eyssenhardt, 
lectionea  panegyricae,  Berlin  1867.  4.  (Fr.  Werder'sches  Gymn.) 

4.  Die  beiden  ältesten  Reden,  aof  Maximian,  werden  ohne  hand- 
e(  hriftliche  Berechtigung  einem  (älteren)  Mamertinus  zugeschrieben.  Ihr 
Verfasser  ist  unbekannt,  und  H.  Rühl  (A.  3)  p.  18  —  31  hat  durch  Nach- 
\v«'isiing  ihrer  Verschiedenheit  in  der  rhetorischen  Behandlung  und  sprach- 
licheo  Eigenthümlichkoiteu  wahrscheinlich  gemacht  dass  sie  überhaupt 
nicht  von  dem  gleichen  Verfasser  herrühren.     Vgl.  A.  6. 

5.  Die  erste  ist  gehalten  am  Geburtstage  Roms  (21  April)  vor  Beginn 
des  Unternehmens  gegen  Carausius  (c.  12),  J.  289,  ausserhalb  Roms  (13,  4. 
11,  1.  4),  im  Norden  (12,  5),  in  einer  Stadt  an  einem  schiffbaren  Flusse 
[12,  G),  ohne  Zweifel  in  Maximians  Residenz  zu  Trier.  Ob  sein  Held  jemals 
vom  Uebergange  des  älteren  Scipio  nach  Africa  gehört  habe  ist  der  Redner 
(c.  H)  nicht  sicher. 

G.  Die  zweite  (Genethliacus)  ist  zu  Maximians  Geburtstag  (2,  1) 
gehalten,  mit  welchem  der  seines  Mitregenten  Diocletian  verbunden  wurde; 
jeiieiifalls  vor  der  Ernennung  des  Constantius  und  Galerius  zu  Caesares 
(1  März  293;  s.  Preuss,  Diocl.  S.  172  f.).  Navalia  tropaea  (über  Carausius) 
Htehen  noch  isimer  in  Aussicht  (19,  5);  doch  wird  über  diesen  Punkt  leicht 
hinweggegangen,  sodass  über  den  Misserfolg  bereits  einiges  Gras  gewachsen 
scheint.  Auch  diese  Rede  ist  sicher  ausserhalb  Roms  (12,  1.  19,  5)  und 
Jinseits  der  Alpen  (9,  3  ff.)  gehalten.  Der  Verfasser  hat  schon  einmal  den 
Ma.ximian  in  einer  Rede  verherrlicht;  s.  1,  1  ff.:  ut  expectationem  sermonis 
eiiiis  quem  tuis  quinquennalibus  (Nov.  289)  praeparaveram  hac  natalis 
])iiiedicatione  compensem  et  dicendi  munus,  quod  tunc  voti  promissione 
^iiHCcperam,  nunc  .  .  repraesentem.  voveram  autem  .  .  ut  me  dignatione 
«iULi  pridem  andieras  rursus  audires.  .  .  gaudeo  igitur  .  .  dilatam  esse 
ilhim  cupiditatem  meam.  neque  enim  orationis  eins  quam  composueram 
l'ario  iacturam,  sed  eam  reservo  .  .  decennalibus  tuis.  5,  1:  sed  de  rebus 
bellicis  victoriisque  vestris  .  .  et  multi  summa  eloquentia  praediti  saepe 
dixerunt  et  ego  pridem,  cum  mihi  auditionis  tuae  divina  dignatio  eam 
<-opiam  tribuit,  quantum  potui  praedicavi.  Diessmal  beschränke  er  sich 
(Uiher  auf  der  Kaiser  pietas  (c.  6 — 12)  und  felicitas  (c.  13—18).  Letzteres 
Thema  war  auch  schon  von  dem  früheren  Redner  (A.  5),  nur  kürzer,  be- 
handelt (9  f.  11,  1.  7.  13^  1  ff.),  keineswegs  blos  die  res  bellicae.  Der 
je'!/ ige  lieduer  setzt  bei  dem  Kaiser  mehr  geschichtliche  Kenntnisse  voraus 
(c.  10).  Auch  liebt  er  das  Ausmalen  ins  Detail  (10—12)  und  kühnere  rhe- 
tori.'iche  Figuren  (c.  15).  Er  citiert  (14,  2)  den  Vers  lovis  omnia  plena 
des  poeta  romanus  (Vergil.  Ecl.  III,  60)  und  nennt  (16,  3)  den  Ennius: 
jWii  romani  carminis  primus  auctor.  Eigenthümlich  sind  diesem  Redner 
^'e<^'enüber  von  dem  ersten  (A.  5)  die  Partikeln  si  quidem  und  quasi,  sowie 
ut  euim  (7,  5)  und  nihilominus. 


387.    Panegyriker:  Euraeniua  u.  A.  885 

7.  Eumen.  pro  rest.  schol.  1,  1:  certum  babco  .  .  pleroßque  mirari 
quod  ego,  qui  ab  ineunte  adolescentia  usque  in  hone  diem  numquam  isto 
in  loco  dixerim  et  quantulumcumque  illud  est  quod  .  .  videor  consecutus 
exercere  privatim  quam  in  foro  iactare  maluerim,  nunc  demnm,  sero  quo- 
dam  tirocinio,  ad  insolitum  mihi  tribunal  adspirem.  3,  1 :  relictis  docendi 
praecipiendique  rationibuB.  6,  2:  (Conetantium)  mirari  satis  nequeo,  qui 
.  .  me  fiiio  potiua  meo  ad  pristina  mea  studia  aditum  molientem  ipsum 
iusserit  disciplinas  artis  oratoriae  retractare  et  hoc  mihi  munus  iniunxerit. 
11,  2  f.:  salarium  me  liberalissimi  principes  .  .  in  sezcenis  milibus  nummum 
accipere  iusserunt,  .  .  ut  trecena  illa  sestertia  quae  sacrae  memoriae 
magister  acceperam  .  .  geminarent.  hoc  ego  salarium  .  .  cupio  ad  restitu- 
tionem  huius  operis  .  .  destinare.  13,  1:  litteras  quibus  mihi  tanti  prin- 
cipes instituendam  iuventutem  commendare  dignati  sunt,  worin  (14, 3)  z.  B. : 
auditorio  huic  ...  te.potissimum  praeficere  debuimus,^  cuius  eloquentiam  et 
gravitatem  morum  ex  actus  nostri  habemus  administratione  compertam. 
hortamur  igitur  .  .  ut  professionem  oratoriam  repetas  etc.  17,  3:  illic 
avum  meum  quondam  docuisse  audio ,  honlinem  Athenis  ortum ,  Eomae 
diu  celebrem,  mox  in  ista  urbe  (Antun)  .  .  detentum.  cuius  locum,  in  quo, 
ut  referunt,  maior  octogenario  docuit  etc.  Panegyr.  Constantino  Aug. 
23,  1  f.:  tibi  .  .  commendo  liberos  meos,  praecipueque  illum  iam  summa 
fisci  patrocinia  tractantem  (er  war  also  advocatus  fisci).  .  .  praeter  illos 
quinque  quos  genui  etiam  illos  quasi  meos  numero  quos  provexi  ad  tute- 
lam  fori,  ad  ofBcia  palatii.    Das  Todesjahr  des  Eum.  ist  unbekannt. 

8.  Die  Rede  pro  instaurandis  scholis  (von  Augustodunum) ,  gehalten 
im  J.  296  (s.  c.  21)  vor  dem  praeses  provinciae  (Gall,  Lugd.  L),  enthält 
hauptsächlich  die  Erklärung  dass  Eum.  hiefür  seinen  Gehalt  bestimme 
(s.  A.  7).  Ausserdem  wird  ihm  zugetheilt:  2)  panegyricus  auf  den  Caesar 
Gonstantius,  gehalten  Ende  296  zu  Trier;  vgl.  4,  4:  habenda  est  ratio 
temporis,  Caesare  staute  dum  loquimur.  Der  Vorsatz  wird  aber  schlecht 
gehalten.  6,  3:  aliis  haec  (die  Thaten  von  Diocletian,  Maximian  und 
Galerius)  .  .  celebrabo  temporibus,  .  .  ipsis  qui  gessere  praesentibus.  Maxi- 
mian ist  noch  in  Mauretanien  beschäftigt  (5,  2),  Gonstantius  hat  seine 
Lingonica  victoria  (paneg.  Constantin.  6,  3)  noch  nicht  erfochten.  Der 
Verf.  hat  sein  Lehramt  bereits  wieder  verlassen  und  sich  an  den  Hof  be- 
geben; 8.  1,  2  ff.:  quo  in  genere  orationis  quanta  esset  cura  .  .  sensi  etiam 
cum  in  quotidiana  illa  instituendae  iuventutis  exercitatione  versarer.  .  .  sed 
cum  ex  veteri  illo  curriculo  me  .  .  post  indultam  a  pietate  vestra  quietem 
(Quiescierung  ?)  studium  ruris  abduxerit  etc.  Hinweisung  auf  eine  Rede 
zu  Ehren  des  Maximianus  1,  5;  auf  sein  früheres  Hofamt  2,  1;  auf  den 
Wiederaufbau  seiner  Vaterstadt  Augustodunum  20,  2.  —  3)  tanegyricus 
Constantino  Aug.  dictus  in  Trier  (22,  4  f.  vgl.  13,  2),  am  dies  natalis 
der  Stadt  (22,  4),  kurz  nach  Maximians  Hinrichtung  in  Massilia  (20,  3), 
J.  310.  Wieder  Vorsatz  der  brevitas  (1,  3.  7,  1).  Der  Verf.  will  in  der 
media  aetas  stehen  (1,  1).  Die  Lobhudelei  ist  sehr  stark  aufgetragen, 
z.  B.  10 — 12.  21,  4.  22,  1.  Schliesslich  Einladung  des  Const.  zum  Besuche 
von  Augustodunum  (22,  3  und  7).  4)  Gratiarum  actio  Constantino  Aug. 
im  Namen  des  in  Flavia  umgenannten  Augustodunum,  seiner  patria,  für 


8H6  l^io  Kaiserzeit.    Dritte»  Jalirliumlert.    Dioclctianus. 

die  Stcucruachiässe  und  sonstigen  Wohlthaten  welche  Constantin  bei  seiner 
kürslichen  Anwesenheit  in  der  Stadt  (J.  310  oder  311)  erwiesen.  Der 
Schluss  scheint  unvollständig.  Gehalten  in  Trier  (2,  1).  Zur  Zeitbestimmung 
vgl.  13,  2:  quinquennalia  tua  nobis,  etiam  perfecta,  celebranda  sunt.  Vom 
Christenthum  ist  in  allen  Reden  keine  Spur,  vielmehr  der  Polytheismus 
mit  einer  gewissen  AbsichÜichkeit  hervorgekehrt.  Zur  Textkritik  Haupt 
im  Hermes  IV.  p.  161  f. 

9.  Burckhardt,  Constantin  S.  66:  Eumenius  zeichnet  sich  nicht  blos 
durch  Tact  und  Talent  vor  den  anderen  Lobrednem  ans,  er  ist  auch  ein 
ganz  ehrwürdiger  Patriot,  der  nicht  zu  eigenem  Yortheil  schmeichelte. 
Vgl.  A.  7.    Benützung  des  Tacitus  (Agr.  12)  in  paneg.  Const.  9,  3. 

10.  Einen  Gallus  rhetor  sucht  für  den .  Unterricht  seines  Sohnes  in 
Rom  Symmach.  ep.  VI,  34.  Vgl.  ib.  IX,  88:  gallicanae  facundiae  haustns 
requiro,  non  quod  his  septem  montibus  eloquentia  latiaris  excessit,  sed 
quia  praecepta  rhetoricae  pectori  meo  senex  olim  Garumnae  alumnus 
immulsit. 

370  388.  Von  den  sechs  scriptores  historiae  augustae 
haben  drei  noch  unter  Diocletian  geschrieben,  nämlich  Aeliii.s 
Spartianus,  Vulcatius  Gallicanus  und  Trebellius  Pollio.  Von 
Spartianus  rühren  sicher  die  Biographien  des  Hadrianus,  Helius 
Verus,  Septimius  Severus,  Pescennius  Niger  her  und  wahrscheinlich 
auch  die  des  Pius,  Marcus,  Verus,  Albinus  und  Macrinus. 
Vulcatius  Gallicanus  ist  Verfasser  der  Lebensbeschreibung  des 
Avidius  Cassius.  Von  Trebellius  Pollio  sind  die  der  Valeriani 
(unvollständig),  Gullieni,  der  von  ihm  sogenannten  dreissig 
Tyrannen  und  die  des  Claudius  erhalten.  Die  ganze  Sammlung 
umfasst  die  Kaiser  von  Hadrian  bis  Numerianus  (J.  117 — 284); 
nur  die  der  Jahre  244  —  253  sind  nicht  in  eigener  Bearbeitung 
auf  uns  gekommen.  Zeit  und  Urheber  der  Zusammenstellung 
ist  nicht  bekannt.  Die  Abgrenzung  des  Eigenthums  der  ein- 
zelnen Verfasser  ist  vielfach  unsicher.  Gemeinsam  ist  allen  das 
Merkmal  der  Geistesarmut  und  Unfähigkeit;  indessen  an  gutem 
Willen  fehlt  es  ihnen  nicht,  und  vielfach  sind  sie  für  uns  die 
einzige  Geschichtsquelle. 

1.  Alle  Handschriften  der  scriptores  bist.  aug.  stammen  aus  der- 
selben Quelle,  da  sie  dieselbe  Lücke  haben,  welche  mit  den  Biographien 
der  Kaiser  nach  Gordian.  III  auch  den  Anfang  der  vita  Valerianorum  ver- 
schlang. Die  massgebenden  Hdss.  sind  der  Bambergensis  saec.  IX  und 
der  Palatinus  (in  Rom)  saec.  X  oder  XI.  Nach  einem  ihnen  gans  ähn- 
lichen codex  ist  geschrieben  Vatic.  1899  saec.  XIV.  Die  anderen  sind 
saec.  XV  und  ohne  Werth.  Vgl.  die  praefatio  in  H.  Peters  Ausgabe.  Hand- 
schriftlicher Titel  der  Sammlung:  vitae  diversorum  principum  et  tyranno- 
rum  a  divo  Hadriano   usque  ad  Numerianum  a  diversis  compositae.    Die 


387  f.  Panegyriker.    Scriptores  hist.  aug.  887 

Ordnung  der  vitae  in  den  Hdss.  ist  gemischt  aus  der  chronologischen  des 
Stoffes  und  der  literarischen  nach  den  Verfassern;  s.  Brocks  p.  48  f. 

2.  Ed.  princ.  der  scriptores  hist.  aug.  von  Bon.  Accursius,  Mediol. 
1476  fol.  Aldina,  Venet.  1516.  1519.  Ausgaben  von  B.  Erasmus  (Basil. 
1518  fol.  u.  ö.),  J.  B.  Egnatius  (Paris.  1544),  J.  Gruter  (Hanov.  1611  fol.), 
Is.  Casaubonus  (Paris  1603.  4.  1620  fol.  mit  den  notae  von  Gl.  Salmasius). 
Sammelausgabe  Lugd.  Bat.  1671.  2  Voll.  Cum  notis  U.  Obrechti,  Strass- 
burg  1677.  Cum  praef.  J.  L.  E.  Püttmanni,  Lips.  1774.  Henr.  Jordan  et 
Fr.  Eyssenhardt  recensuerunt,  Berol.  1864,  2  Voll.  Becens.  Herm.  Peter, 
Lips.  Teubner  1865,  2  Voll.  Spartiani  vita  Hadr.  comm.  illustr.  J.  Center- 
wall, üpsala  1870. 

3.  H.  Dodwell,  praelectiones  Camdenianae  (Oxon.  1692)  p.  32  —  161. 
G.  Mascov,  de  usu  et  praestantia  hist.  aug.  in  iure  civili  (1731),  in  seinen 
Opusc,  Lips.  1776.  C.  G.  Heyne,  censura  sex  scriptorum  hist.  aug.,  Opuscula 
acad.  VI.  p.  62 — 78.  H.  E.  Dirksen,  die  Script,  h.  aug.^  Andeutungen  zur 
Textkritik  und  Auslegung  derselben,  Leipzig  1842.  271  S.  G.  Bernhardy, 
de  Script,  h.  a.  prooemia  duo,  Halle  1847.  4.  Fr.  Bichter,  über  die  scr. 
h.  a.,  Rhein.  Mus.  VU  (1850).  S.  16 — 61.  Krause,  de  fontibus  et  auctoritate 
scriptorum  h.  a.,  Neustettin  1857.  24  pp.  4.  H.  Peter,  historia  critica  scri- 
ptorum h.  a. ,  Lips.  1860.  40  pp.  E.  Plew,  de  diversitate  auctorum  h.  a., 
Königsberg  1869.  E.  Brocks,  de  IV  prioribus  h.  a.  scriptoribus,  Königs- 
berg 1869.  69  pp.  C.  Czwalina,  de  epistularum  actorumque  quae  a  scripto- 
ribus h.  a.  proferuntur  fide  atque  auctoritate,  part.  I.  Bonn  1870.  46  pp. 
C.  Eübel,  de  fontibus  IV  priorum  h.  a.  scriptorum,  Bonn  1871.  64  pp.  J. 
J.  Müller  in  Büdinger's  Unters,  zur  röm.  Kaisergesch.  III.  S.  33 — 116. 
C.  Paucker,  de  latinitate  scriptorum  h.  a.  meletemata,  Dorpat  1870.  214  pp. 

Beiträge  zur  Textkritik  von  A.  Becker  (Observationes  criticae  in  etc., 
Breslau  1838),  H.  Peter  (Exercitationes  criticae  in,  Posen  1863.  4.),  0.  Hirsch- 
feld (Hermes  IIL  S.  230—232),  M.  Haupt  (Hermes  I.  p.  45.  III.  p.  217—220. 
IV.  p.  152  flP.),  J.  Oberdick  (Zeitschr.  f.  Ostreich.  Gymn.  1865,  S.  737  —  746. 
1868.  S.  340  —  343),  J.  J.  Cornelissen  (Coniectanea  lat.,  Daventr.  1870.  4.), 
J.  Golisch  (Schweidnitz  1870.  4.  und  in  Pleckeisen's  Jahrbb.  103,  S.  646— 648), 
E.  Bährens  (ebd.  S.  649—664). 

4.  An  Diocletian  gerichtet  sind  folgende  vitae.  1)  Helius  Caesar,  mit 
der  Ueberschrift:  Diocletiano  Aug.  Aelius  Spartianus  suus  sal.  In  animo 
mihi  est,  Diocletiane  Aug.,  tot  principum  maxime.  2)  Marcus  (19,  3:  ut 
vobis  ipsis,  sacratissime  imp.  Diocletiane,  et  semper  visum  est  et  videtur). 
3)  Verus  (11,  4:  praeter  vestram  clementiam,  Diocletiane  Aug.).  4)  Avid. 
Cass.  3,  3  (proposui  enim,  Diocletiane  Aug.).  5)  Septim.  Sever.  20,  4:  re- 
putanti  mihi,  Diocl.  Aug.  6)  Pescenn.  Nig.  9,  1:  haec  sunt,  Diocletiane 
maxime  Augustorum  etc.  7)  Macrin.  16,  4  (serenitati  tuae,  Diocl.  Aug., 
detulimus,  qaia  te  cupidum  veterum  imperatorum  esse  perspeximus).  Von 
diesen  vitae  ist  Avidius  Cassius  sicher  dem  Vulcatias  Gallicasus  zuzutheilen, 
da  diess  in  den  Hdss.  mit  dem  sonst  nicht  wiederkehrenden  Zusätze  (V.  G.) 
v.  cl.  geschieht  und  der  ganze  Name  gleichfalls  nicht  wiederkehrt.  Die 
übrigen  sechs  werden  in  den  Hdss.  unter  Spartianus  und  Capitolinus  so  ver- 


888  Die  Kaißorzcit.   Drittes  JaViihundert.    Dioclctiamie. 

theilt  dass  dem  Spart,  ausser  Nr.  1  auch  Nr.  5  und  6  zugewiesen  wird,  dem 
Cap.  Nr.  2  und  3 ,  sowie  7 ,  Letzteres  ohne  individuellere  Angaben  und  gegen 
die  Wahrscheinlichkeit,  da  Capitolinuß  (unten  397)  sicher  unter  Constantin 
und,  wie  es  scheint,  nach  Besiegung  des  Licinius  (J.  323)  schrieb.  Ausser- 
dem haben  2  und  3  (auf  welchen  Hei.  2,  9  voraus  verwiesen  ist:  de  huins 
familia  plenius  in  vita  .  .  filii  huiusce  .  .  disseremus;  vgl.  Ver.  1,  6  ff. 
nebst  Fr.  Riohter  S.  39  g.  E.)  ganz  denselben  Charakter  wie  1  (vgl.  Brooks 
p.  23  ff.),  Nr.  7  aber  denselben  wie  6.  In  beiden  dieselbe  Vorliebe  für 
Anführung  von  Briefen  und  Vergilstellen  (wie  auch  im  Helius)  und  die- 
selbe Quellenangabe  (Pesc.  Nig,  9,  1 :  haec  .  .  didicimus  ex  pluribus  libris. 
Macrin.  1,1:  nos  ex  diversis  historicis  eruta  in  lucem  proferemus,  und  15, 
4:  quae  de  plurimis  coUecta  etc.).  Es  ist  daher  wahrscheinlich  dass  sie 
alle  von  Spartianus  herrühren.  Andererseits  wird  imClodius  Albinus  auf 
den  Pescennius  (Alb.  1,  4:  sortem  illam  qua  .  .  in  Pescennii  vita  diximus  = 
Pesc.  8,  1  f.)  und  auf  den  Severus  (Alb.  12,  14:  quae  quidem  omnia  in  vita 
eins  posita  sunt  =«  Sever.  9 — 12)  desselben  Verfassers  zurückverwiesen,  so- 
dass auch  der  Albinus  von  Spartianus  verfasst  scheint;  und  im  (sicher  spartia- 
nischen)  Helius  erläutert  der  Verfasser  eine  Angabe  die  er  in  der  vita 
Hadriani  gemacht  habe  (Hei.  5,  5:  de  quo  genere  cibi  aliter  refert  Marin» 
Maximus,  non  pentapharmacum  sed  tetrapharmacum  appellans,  ut  et  nos 
ipsi  in  eins  vita  persecuti  sumus,  =»  Hadr.  21,  4:  unice  amavit  tetraphar- 
macum). Ferner  stimmt  Pius  (der  in  den  Hdss.  dem  Capitolinus  zuge- 
schrieben wird,  während  der  Zusatz  ad  Diocletianum  Aug.,  wie  beim  Did. 
lul.,  auf  Interpolation  beruht)  ganz  mit  Hadrianus,  Marcus  und  Severus 
(Brocks  p.  23  ff.)  und  scheint  daher  von  demselben  Verfasser.  Ausserdem 
werden  in  den  Hdss.  dem  Spartianus  zugetheilt  die  vitae  des  Didius  lulia- 
uus,  Caracalla  und  Geta,  letztere  wohl  mit  Unrecht,  da  sie  dem  Constantin 
gewidmet  ist,  und  daher  wohl  auch  die  damit  zusammenhängende  des 
Caracalla  (Carac.  11,  1:  occidendi  Getae  multa  prodigia  extiterunt,  ut  in 
vita  eins  exponemus  =  Get.  3,  3  ff.;  Get.  1,  1:  quaestionem  .  .  cur  etiam 
Geta  Ant.  a  me  tradatur).  Keinen  sicheren  Gegenbeweis  enthält  die  un- 
persönliche Rückverweisung  auf  Severus  im  Carac.  1,  2.  Auch  die  Weise 
des  Did.  lul.  hat  (ausser  dem  stemma  zu  Anfang)  wenig  mit  der  spartia- 
nischen  gemein.  Diese  ganze  verwickelte  Frage  ist  neuerdings  von  E. 
Brocks  scharfsinnig  erörtert  worden,  leider  aber  unter  Nichtberücksichti- 
gung der  Rück-  und  Vorverweisungen  (vgl.  Fr.  Richter  S.  39 — 42)  und 
unter  einseitiger  Betonung  der  Anlage  und  Ausdrucksweise,  welche  durch 
die  jeweils  abgeschriebene  Quelle  bedingt  sein  wird.  Mit  Sicherheit  kann 
für  Spartian  nur  von  Helius  ausgegangen  werden. 

5.  Spartian.  Hei.  1,  1:  in  animo  mihi  est  .  .  non  solum  eos  qui 
principum  locum  .  .  retentarunt,  ut  usque  ad  divum  Hadrianum  feci,  sed 
illos  etiam  qui  vel  Caesarum  nomine  appellati  sunt  nee  principes  aut 
Augusti  fuerunt,  vel  quolibet  alio  genere  aut  in  famani  aut  in  spem  prin- 
cipatus  venerunt,  cognitioni  numinis  tui  sternere.  7,  ö:  de  quo  idcirco 
non  tacui  quia  mihi  propositum  fuit  omnes  qui  post  Caesarem  dictatorem, 
h.  e.  divum  lulium,  vel  Cacsares  vel  Augusti  vel  principes  appellati  sunt 
quique  in  adoptionem  venerunt  vel  impcratorum  filii  aut  parentes  Caesa- 
rum nomine  consecrati   sunt    singulis    libris   exponero,    meae   satisfaciens 


388.    Spartianiis.    Volcatius.    Trcbellius  Pollio.  «80 

conscientiac ,  et«i  multis  nulla  sit  necessitas  talia  requircndi.  Seine  Ab- 
sicht war  also  eine  vollständige  KaisergeBchiclite  in  biographischer  Form, 
unbekannt  ist  ob  diese  Absicht  wirklich  ausgeführt  wurde;  jedenfalls  ist 
nur  ein  Theil  erhalten.  Seine  Hauptquelle  war  Marius  Maximus  (oben 
377,  5  f.).  Zeitandeutung  Hei.  2,2:  nostris  temporibus  a  vestra  dementia 
Maximianus  atque  Constantins  Caesares  dicti  sunt  (J.  292). 

6.  Vulcat.  Gall.  Avid.  Cass.  3,  3:  proposui,  Diocletiane  Aug.,  omnes 
qui  imperatorum  nomen  sive  iusta  ex  causa  sive  iniusta  habuerunt  in  litteras 
mittere,  ut  omnes  purpuratos  Augustes  cognosceres.  SeinTlan  war  also 
etwas  enger  als  der  des  Spartianus  (A.  5).  In  die  erhaltene  Sammlung 
fand  aber  nur  sein  Avidius  Cassius  Aufnahme.  Eigcnthümlich  ist  dieser 
vita  eine  ausgedehnte  Berücksichtigung  der  Briefe  (etwa  aus  Aemilius 
Parthenianus) ,  die  aber  von  höchst  zweifelhafter  Echtheit  sind  (Czwalina 
p.  19  ff.)-  Vgl.E.  E.  Hudemann,  Philologus  VII.  S.  585  —  688.  IX.  S.  189  ff. 

7.  Vopisc.  Aurelian.  2,  1:  quoniam  sermo  nobis  de  Trebellio  Pol- 
lione,  qui  a  duobus  Philippis  usque  ad  divum  Claudium  et  eins  fratrcm 
Quintillura  iraperatores  tam  claros  quam  obscuros  memoriae  prodidit, 
.  .  fnit,  adserente  Tiberiano  quod  Pollio  multa  incuriose,  multa  brevitcr 
prodidisset.  Der  Anfang  des  Antheils  von  Pollio  und  damit  die  Widmung 
ist  verloren.  Kr  ist  der  Erfinder  des  müssigen  und  schiefen  Begriffs  der 
XXX  tyranni.  Pollio  XXX  tyr.  1,  1  f.:  scriptis  iam  pluribus  libris,  non 
historico  nee  diserto,  sed  pedestri  adloquio  .  .  in  unum  eos  (die  XXX) 
libellum  contuli,  .  .  maxime  cum  vel  in  Valeriani  vel  in  Gallieni  vita  plera- 
que  de  bis  dicta  .  .  constet.  33,  8:  libellum  non  tam  diserte  quam  fide- 
liter  scriptum,  neque  ego  eloquentiam  mihi  videor  pollicitus  esse,  sed 
rem,  qui  hos  libellos  quos  de  vita  principum  edidi  non  scribo,  sed  dicto, 
et  dicto  cum  ea  festinatione  .  .  ut  respirandi  non  habeam  facultatem. 
11,  6  f.:  ut  fidelitas  historica  servaretur,  quam  ego  prae  ceteris  custodien- 
dam  putavi,  qui  quod  ad  eloquentiam  pertinet  nihil  curo.  rem  enim  vobis 
proposui  deferre,  non  verba.  Claud.  11,  5:  vera  dici  fides  cogit,  simul  ut 
sciant  ii  qui  adulatores  nos  aestimari  cupiunt  id  quod  historia  dici  postulat 
[nos]  non  tacere.  ib.  3,  1:  in  gratiam  me  quispiam  putet  Constantii 
Caesaris  loqui,  sed  testis  est  et  tua  conscientia  et  vita  mea  me  nihil  um- 
quam  cogitasse^  dixisse,  fecisse  gratiosum.  10,  7:  ut  sit  omnibus  darum 
Constantium  divini  generis  virum  .  .  esse,  .  .  salvis  Diodetiano  et  Maxi- 
miano  Augg.  et  eins  fratre  Galerio.  Er  schrieb  also  noch  bei  Lebzeiten 
des  Chlorus  (f  25  Juli  306),  aber  nach  Vollendung  der  diocletianischen 
Thermen  (J.  2318  =»  302  nach  Hieron.  ehr.);  s.  XXX  tyr.  21,  7:  in  bis 
locis  fuerunt  in  quibus  thermae  Diocletianae  sunt  exaedificatae ,  tam 
aetemi  nominis  quam  sacrati.  Sein  Grossvater  hatte  unter  Aurelian  gelebt 
und  war  dem  Tetricus  befreundet  gewesen  (XXX  tyr.  25,  3).  Valerian. 
8,5:  quoniam  vereor  ne  modum  voluminis  transeam,  .  .  ad  aliud  volumen 
transeam.  .  .  semper  enim  me  vobis  dedidi  .  .  et  famae.  Gallien.  14,  2: 
Claudius,  ut  suo  dicemus  loco,  vir  optimus.  XXX  tyr.  31,  5  ff.:  haec  sunt 
quae  de  XXX  tyranni.s  dicenda  videbantur.  .  .  nunc  ad  Claudium  princi- 
pem  redeo.  de  quo  speciale  mihi  volumen  .  .  videtur  edendum.  Claud. 
1,1:    ventum   est   ad  principem   Claudium,    qui  nobis   intuitu    Constanti 


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890  Die  Kaiberzeit.    Drittes  Jahrhundert.   Diocletianiis. 


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Caesaiis  cum  cura  in  litteras  digerendus  est.    XXX  tyr.  31,   10:   nemo  in 

teniplo  Pacifl  dicturus  est  me  feminas  inter  tyrannos,  .  .  ut  ipsi  de  me  so- 

%^-  lent  cum  risu  et  ioco  iactitare,  posuisse.    Richter  (Rhein.  Mus.  VH.)  S.  20 

— 23.  H.  Peter,  hist.  crit.  p.  9  f.  H.  Cannegieter,  Treb.  P.  neglegentia 
caetigata,  in  sm.  Liber  sing,  de  mut.  nom.  rom.  rat.  (Utrecht  1758.  4.) 
p.  177  ff. 

8.  Vopisc.  Aurelian.  44 ,  2 :  Herennianus  teste  Aaclepiodoto  saepe  dice- 
bat  Diocletianum  frequenter  dixisse,  und  44,  3:  Asclepiodotus . .  .  perhibet. 

9.  Vopisc.  Car.  18,  5:  quorum  (des  Diocletian  und  seiner  drei  Collegen) 
yitam  singulis  libris  Claudius  Eusthenius,  qui  Diocletiano  ab  epistulis  fnit, 
scripsit. 

10.  Ueber  den  2aitto%6g  tcTOQLxog  bei  Lyd.  magg.  III,  32  s.  oben  370,  5. 

11.  Aus  dem  Ende  des  Jahrh.  ist  die  älteste  lateinische  üebersetzung 
des  Romans  von  Pseudo-Kallisthenes  über  Alexander  d.  Gr.  (aus  J.  200) 
unter  dem  Titel  Res  gestae  Alexandri  Macedonis  translatae  ex  Aesopo 
Graeco  und  dem  Namen  des  lulius  Yalerius.  Sie  ist  im  Itinerar.  Alex. 
(aus  J.  340  —  346)  bereits  benützt.  Vgl.  C.  Kluge,  de  it.  Alex,  p.  34—45. 
Ueber  den  Sprachgebrauch  des  lul.  Val.  (z.  B.  häufig  quod  statt  acc.  c. 
inf.)  vgl.  ib.  p.  46 — 49.  51  —  54.  Erstmals  herausgegeben  wurde  sie,  aus 
einem  codex  Ambrosianus,  von  A.  Mai  an  den  Itin.  Alex.  (Mediol.  1817.  4.) 
und  (ergänzt)  in  den  Classici  auctt.  e  codd.  vaticanis  VII.  p.  61  ff.  Vgl. 
Spicileg.  rom.  VIII.  p.  513  ff.  J.  Zacher,  Pseudo-Eallisthenes,  Halle  1867. 
Auch  eine  abgekürzte  Fassung  dieser  Üebersetzung  (saec.  V)  ist  erhalten 
und  herausgegeben  von  J.  Zacher,  lulii  Valerii  epitome;  zum  ersten  Mal 
herausgegeben,  Halle  1867.  XIV  u.  64  S.  J.  Mähly,  zu  lul.  Val.  ep.,  in  der 
Zeitschr.  f.  deutsche  Philol.  von  Höpfner  u.  Zacher  III,  4.  1871. 

12.  Zu  den  Geschichtsquellen  aus  der  Zeit  Diocletians  gehört  das  von 
Mommsen  in  Verona  gefundene  und  herausgegebene  Provinzenverzeichniss 
vom  J.  297,  Abhandl.  d.  Berl.  Akad.  von  1862,  S.  489—631.  Vgl.  Revue 
archäol.  XIII  (1866)  p.  377  ff.  XIV.  p.  369  ff.  XV.  p.  1  ff.  Vom  Ende  des 
J.  301  ist  Diocletians  edictum  de  pretiis;  Th.  Mommsen,  Diocletians 
Edict  u.  s.  w.  Leipzig  1861.  H.  W.  Waddington,  ädit  de  DiocIetien  etc. 
publik  avec  de  nouveaux  fragments  et  un  commentaire,  Paris  1864.  Vgl. 
K.  Keil,  Rhein.  Mus.  XIX.  S.  610—614. 

371  389.  Durch  die  Theilung  des  Reichs  und  der  Regierungs- 
gewalt war  die  Möglichkeit  widerstreitender  Rechtsentscheidun- 
gen und  daher  Rechtsunsicherheit  entstanden.  In  Folge  dessen 
hatte  man  unter  Diocletian  das  Bedürfniss  das  geltende  Recht, 
soweit  es  auf  kaiserlichen  Verfügungen  beruhte,  zusammenzu- 
stellen. Daher  die  Sammlung  von  Constitutionen  der  Kaiser 
von  Hadrian  bis  Diocletian,  veranstaltet  durch  einen  Juristen 
GregorianuS;  der  codex  Gregorianus.  Im  vierten  Jahrhundert 
wurde  dieser  ergänzt  durch  die  ähnliche  Sammlung  des  Her- 
mogenianus,    welche   in    dreierlei   Bearbeitungen   vom  J.  291 


388  f.    lulius  Valerius.    Codex  Gregorianus  \uid  Herniog.  891 

bis  365  reichte.  Beide  Sammlungen  siöd  nur  noch  in  den  Ent- 
lehnungen vorhanden  welche  daraus  besonders  in  Justinians 
Codex  sich  finden. 

1.  Die  Ueberreste  des  codex  Greg,  und  Hermog.  am  besten  heraus- 
gegeben von  G.  Hänel  im  Bonher  Corpus  iuris  anteiust.  (Bonn  1837.  4.): 
Codicis  Gregoriani  et  codicis  Hermog.  fragmenta  ad  XXXVI  librorum 
ms8.  .  .  fidem  recogn.  et  annot.  crit.  instruxit.  Chr.  Vt.  Pohl,  diss.  de  codd. 
Greg,  atque  Herrn.,  Lips.  1774.  4.  Zimmern,  Gesch.  d.  röm.  Privatr.  I,  1. 
S.  157—164.  H.  F.  Jacobson,  diss.  crit.  de  codd.  G.  et  H.,  Königsberg  1826. 
Hänels  praefationes.  Rudorff,  rÖm.  Rechtsg.  I.  S.  274  —  277.  Huschke, 
über  den  Gr.  u.  H.  codex,  Zeitschr.  f.  Rechtsgesch.  VI  (1867).  S.  279-  331. 

2.  Der  Titel  codex  Gregorianus  ist  wohl  eine  bequeme  Abkürzung 
des  ursprünglichen,  der  etwa  lautete:  Gregoriani  codex  constitutionum 
principalium.  Die  älteste  sichere  Constitution  daraus  ist  vom  J.  196;  aber 
da  der  aus  ihm  geschöpfte  codex  lust.  auch  eine  von  Hadrian.  enthält,  so 
wird  Greg,  mit  diesem  begonnen  haben.  Die  späteste  Constitution  des  Gr. 
ist  vom  J.  295,  um  welche  Zeit  die  Sammlung  wohl  herausgegeben  wurde. 
Diocletian  und  Maximiauus  waren  darin  domini  nostri  genannt  (CoUat.  I, 
10).  Huschke  S.  280 — 286.  Anregung  durch  Diocletian  ist  wahrscheinlich, 
da  von  den  scriptores  bist.  aug.  (s.  388) ,  welche  gleichfalls  mit  Hadrian  be- 
ginnen, diess  gewiss  ist.  Vorgänger  Papirius  lustus,  oben  364,  7.  Seiten- 
stück Julians  Redaction  des  prätorischen  Edicts  (oben  345,  2).  Als  eine 
Sammlung  des  kaiserlichen  ius  generale  umfasste  der  cod.  Gr.  Constitutio- 
nen aller  Art,  mit  Ausscheidung  des  Veralteten.  Ordnung  wahrscheinlich 
die  auch  im  cod.  lust.  im  Wesentlichen  befolgte  des  Edicts.  Umfang  etwa 
16  Bücher,  ungefähr  wie  cod.  Theod.,  welcher  selbst  auch  ad  similitudinem 
Gregoriani  atque  Hermogeniani  codicis  (cod.  Theod.  I,  1,  5)  angelegt  ist. 
Die  drei  letzten  Bücher  scheinen  das  Crimin airecht  enthalten  zu  haben. 
Aufgenommen  waren  die  Urkunden  selbst,  mit  Inscriptionen  und  Subscnp- 
tionen;  einzelne  waren,  wegen  der  undatierten  im  cod.  lust.,  den  Schriften 
von  Juristen  entnommen.    Huschke  S.  294—303.  314—321. 

3.  Der  codex  Hermogenianus  wird  immer  nach  dem  Greg,  genannt 
und  aus  ihm  nur  Titel  (nicht  Bücher)  angeführt.  Er  war  daher  wohl  eine 
Ergänzung  des  Greg.  Aus  dem  Herm.  werden  nur  Rescripte  citiert,  das 
früheste  vom  J.  291.  Nach  Dig.  IV,  4,  17  war  die  Sammlung  später  als 
Constantins  Verordnung  vom  J.  331  dass  vom  praef.  praet.  nicht  weiter 
appelliert  werden  könne.  Consult.  9,  1 — 7  weist  ihm  aber  noch  sieben  von 
Valentinian  und  Valens  aus  J.  364  f.  zu.  Die  letzte  Ausgabe  scheint  somit 
um  366  veröffentlicht  zu  sein;  vgl.  Sedul.  pasch,  op.  praef.  (p.  149  Arev.): 
cognoscant  Hermogenianum ,  doctissimum  iuris  latorem,  tres  editiones  sui 
operis  confecisse.  Sie  unterschieden  sich  von  einander  wohl  hauptsächlich 
durch  Berücksichtigung  nachgekommener  Rescripte.    Huschke  S.  291 — 294. 

4.  Index  florent.  nennt  unter  den  Quellen  der  justinianischen  Digesten 
an  letzter  Stelle  ^Eg^oysviavov  initofiav  ßtßUcc  fj  i^X^vai  cxi%,  al.),  ein 
Auszug  aus  dem  ius,  verfasst  ums  J.  339;  s.  J.  Gothofredus  prolegg.  ad 
cod.  Theod.  p.  CCX.   Die  Excerpte  daraus  bei  Hommel,  Paling.  I.  p.  185 — 


892  Die  Kaiserzeit.    Drittes  Jahrhundert.    Diocletiaims. 

j"  194.    J.  FincfltroB,  comm.  in  Herrn,  icti  iuris  epitomarura  libros  VI,  Ccrvar. 

1757.  4.    2  Voll.    H.  E.  Dirksen,   über   des  H.   libri   iuris  ep.,   hintcrlass. 
Schrr.  U.  S.  482  ff. 

i^^'6  390.  Unter  der  Regierung  des  Diocleüanus  schrieb  wohl  der 
Grammatiker  und  Metriker  Marius  Plotius  (Claudius)  Sacerdos, 
von  welchem  wir  eine  Ars  grammatica  in  drei  Büchern  besitzen, 
deren  drittes  die  Metrik  behandelt  und  viele  griechische  Beispiele 
enthält. 

1.  Grammat.  lat.  ed.  Putsch,  p.  2623  (=»  Scriptores  rei  metr.  ed. 
Gaisford  }>.  242):  Marius  Plotius  Sacerdos  composui  Bomae  docens  de 
metris.  Cum  de  institutis  artis  grammaticae  primo  libro  me  tractavisse 
comperisset  vir  cl.  Uranius  nee  ei  displicoisset,  vel  quod  non  absurde  com- 
positus  vel  quod  ad  eins  filium  v.  cl.  mihi  contubemalem  et  aetate  paene 
studiisque  coniunctum  Gaiannm  scriptus  esset,  compulit  ut  etiam  de  Do- 
minum verborumque  ratione  nee  non  de  structurarum  compositionibus 
exprimendis  breviter  laborarem.  cuius  praestantissimi  viri  iussionibus  libens 
arbitror  libro  secundo  nos  explicabiliter  oboedisse.  nunc  in  hoc  sive  tertio 
Pive  novissimo  Artium  libro  .  .  vobis  viris  amplissimis,  nobilitatis  splendore 
praedito  Maximo  et  omni  laude  praedicabili  Simplicio,  quorum  et  ad 
quos  eeria  nonnisi  de  litteris  exercentur,  quoniam  .  .  me  posse  de  metris 
etiam  tractare  iudicastis,  (de  his)  breviter  esse  componendum  decrevi.  Buch 
I  u.  II  (Grammatik)  wurden  nach  einem  cod.  Vindob.  saec.  (VII — )  VIII 
erstmals  herausgegeben  von  Endlicher  und  Eichenfeld,  Analecta  gramm. 
(Vindob.  1837)  p.  1— -74.  Vgl.  p.  I — V.  Die  zwei  ersten  Quaternionen 
sowie  der  fQnfte  sind  verloren.  Schluss  von  B.  I  (p.  46):  hucusque  Artium 
grammaticarum  fecimus  instituta.  de  catholicis  vero  nominnm  atqne  verbomm 
latius  exponemus.  Subscriptio :  M.  Claudi  Sacerdotis  Artium  grammaticarum 
(Hb.  I  expl.)  feliciter.  p.  74:  M.  Claudi  Sac.  Art.  gramm.  lib.  II  expl.  fei. 
Der  Inhalt  von  Buch  II  ist  mit  den  Catholica  des  Probns  (oben  295,  8) 
nahezu  identisch,  was  F.  Osann  (Beiträge  II.  S.  299  ff.)  daraus  erklart  dass 
Sac.  den  Probus  geplündert  habe,  H.  Wentzel  (Symb.  crit.  p.  28  ff.  vgl. 
p.40 — 43)  aber  Prob,  den  Sac.,  und  Steup  (de  Probis  p.  149 — 166,  vgl.  Rhein. 
Mus.  XXVI.  S.318  ff.)  daraus  dass  Sac.  der  wirkliche  Verfasser  der  Cath.  Bei 
und  die  beiden  Schriften  (Cath.  Probi,  B.  II  des  Sacerdos)  nur  zweierlei 
Exemplare  desselben  Werkes.  Vgl.  oben  295,  8  a.  Da  Cathol.  p.  9  f.  Saxon 
(Saxönis)  und  Franco  (Franconis)  als  Beispiele  aufgeführt  sind,  so  kann 
deren  Abfassung  nicht  vor  Diocletian  fallen.  Der  Gaianus  welchem  B.  I 
des  Sacerdos  gewidmet  ist  wird  daher  derjenige  sein  an  welchen  im  Cod. 
lust.  m,  32,  11.  V,  46,  3.  VI,  42,  26.  VIII,  28,  18  Rescripte  des  Diocletian 
(u.  Maximian)  gerichtet  sind.  Die  Uebereinstimmung  des  Inhaltes  mit  den 
Angaben  des  Plotius  Sac.  und  die  grosse  Aehnlichkeit  beider  Namen  machen 
wahrscheinlich  dass  Plotius  Sacerdos  und  Claudius  Sacerdos  dieselbe  Person 
sind  (Endlicher,  Wentzel,  Steup).  Diomedes  (p.  317  E.)  wusste  bereits  nicht« 
mehr  von  diesem  Vorgänger.  Wentzel  p.  37.  W.  Christ,  Philologus  XVTII . 
S.  130  f.  178  f.    Steup  p.  165  f.  not.  44. 

2.  Das  dritte  Buch  des  Sacerdos,  de  metris,  ist  schon  länger  bekannt 


390  f.    Sacerdos.    Terentianuß  Maunis.  893 

(bei  Putsche  p.  2623  fF.,  beiGaisford  p.  242  fiF.)«  Darin  wird  schon  Juba  citiert 
(p.  301  G.)-  Gewidmet  ist  es  einem  Maximns  (Kescripte  an  Maximus  aus  den 
J.  294—305  im  Cod.  lust.  VI,  9,  6.  IX,  22,  18.  41,  15.  X,  31, 11)  und  Simplicius 
(a.  A.  1).  De  graecis  nobilibus  metris  lectis  a  me  et  ex  his  quidquid  singulis 
fuerit  Optimum  decerpto  composui,  p.  297  G.  Westphal,  allg.  Metrik  S.  50  f. 

391.  Dem  Ende  des*  dritten  Jahrhunderts  gehört  wahr-372 
scheinlich  der  Metriker  Terentianus  aus  Mauretanien  an.  Er 
verfasste  in  seinen  späteren  Jahren,  nach  dem  Vorgange  des 
Caesius  Bassus  und  dem  Lehrbuche  seines  Landsmannes  luba, 
in  gebundener  Form  6in  kurzes  Lehrbuch  de  litteris,  syllabis, 
metris,  gerichtet  an  seinen  Sohn  Bassinus  und  Schwiegersohn 
Novatus.  Es  besteht  aus  drei  Theilen,  von  welchen  der  letzte 
in  unvollendeter  Gestalt  auf  uns  gekommen  ist.  Materiell  ohne 
Selbständigkeit,  legt  es  um  so  rühmenderes  Zeugniss  ab  von 
der  Gewandtheit  des  Verfassers  in  der  Handhabung  manchfaltiger 
metrischer  Formen. 

1.  Mar.  Victor,  p.  2529  P.:  Terentianus,  non  poenitendus  inter  ceteros 
artis  metricae  auctor.  Terentian.  1969  ff.  (nach  Anführung  eines  Beispiels 
aus  Pomponius  Secundus):  non  equidem  possum  tot  priscos  nosse  poetas 
ut  veterum  exemplis  valeam  quae  tracto  probare;  Maurus  item  quantos 
potui  cognoBcere  Graios?  .  .  nemo  tamen  culpet  si  sumo  exempla  novella, 
worauf  er  den  Septimius  Serenus  (oben  379,  3)  citiert,  wie  anderswo  den 
Alfius  Avitus  (oben  379,  1).  Durch  diese  Thatsachen  wird  unzweifelhaft 
dass  das  Zeitalter  des  Ter.  von  Lachmann  (p.  XI)  richtig  bestimmt  ist; 
vgl.  L.  Müller  de  re  metr.  p.  55.  99.  Westphal,  allg.  Metrik  S.  44.  71. 
Bedenken  dagegen  von  G.  Studer,  Rhein.  Mus.  IL  S.  63 — 66.  Noch  Gräfen- 
han  (Gesch.  d.  class.  Philol.  IV.  S.  99.  134  f.)  setzt  ihn,  gemäss  der  früheren 
Identificierung  mit  dem  Terentianus  qui  nunc  niliacam  regit  Syenen  bei 
Martial.  I,  86,  6  f.,  unter  Nerva  imd  Trajan. 

2.  Terent.  Vorwort  (stichische  Glykoneen)  51  ff.:  sie  nostrum  senium 
quoque  .  .  angustam  studii  viam  et  callem  tenuem  terit.  (59  f.)  quid  sit 
littera,  quid  duae,  iunctae  quid  sibi  syllabae.  Diess  wird  im  ersten  Thcile 
(in  Sotadeen)  ausgeführt,  v.  85  —  278  (sat  duco  meas  hactenus  occupasse 
nugas).  Darauf  (v.  342  —  1281)  de  syllabis  (versus  heroici)  in  trochäischen 
Tetrametern  imd  daktylischen  Hexametern  nach  einem  Vorworte  (279 — 341), 
welches  aber  vielmehr  ein  Epilog  ist.  Es  beginnt:  sy Ilabus  .  .  disputatas 
attuli  versibus,  sane  modorum  quo  sonora  laevitas  addita  stili  levaret 
Biccioris  taedium.  haec  prius ,  Bassine  fili  et  tu  gener  Novate  mi,  perpolite 
qua  potestis  crebriore  limula.  319  ff.:  morosa  intentio  tam  legentis  debet 
esse  quam  fnit  nobis  quoque,  qui  .  .  forsitan  nee  locta  multis  e  latebris 
scalpsimus,  ardui  laudem  expetentes,  non  favorem  ex  obviis.  348  f.:  hoc 
opus,  de  syllabis  quod  recepi  nunc  loquendum.  Die  erste  Hälfte  wiederholt 
in  erweiterter  Gestalt  den  Inhalt  des  in  Sotadeen  geschriebenen  opusculum 
de  litteris.    Die  Erörterung  der  Sylbenprosodie  beginnt  erst  997.    Zweiter 


894  Die  Kaiserzeit.   Drittes  Jahrhundert.   Diocletianiis. 

Epilog  1282  —  1299:  forsitan  hanc  aliquis  verbosum  dicere  libnim  non 
dubitat  etc.  (1291  f.:)  haec  ego  cum  ecripu  bis  qoinia  mensibus  aeger 
pendebam  etc.  (1296  ff.:)  sie  varios  tarn  longa  dies  renoyando  dolores 
duxit  ad  hoc  tempue  semper  sine  fine  minando.  cum  potni  tarnen  obrepena 
incepta  peregi,  quo  yitae  dubius  vel  sie  virisse  yiderer.  Der  dritte  Theil 
handelt  de  metris  ^v.  1300  —  2981),  mit  besonderer  Berücksichtigung  des 
(Catull  und)  Horaz  (von  t.  2914  an  ausschliesslich  die  Epodenmasse);  daher 
die  Üeberschrift  der  ed.  pnnceps  „de  metris  Horatii"  ursprünglich  sein 
könnte.  Die  Einleitung  handelt  (abermals)  kurz  de  syllabis,  litteris,  dann 
(1835  ff.)  de  pedibus.  Die  specielle  Metrik  beginnt  v.  1580,  ist  wohlge- 
ordnet und  bildet  je  das  besprochene  Mass  nach.  Dieser  Theil  hat  weder 
Vorwort  noch  Schluss;  auch  finden  sich  Wiederholungen  früherer  Verse 
(1806 — 1312  »  357  f.  360—364)  und  sonstige  Spuren  der  Nichtvollendung 
(Lachmann  p.  IX).  Terentianus  de  litteris  (»»  v.  188)  citiert  Priscian.  Xm, 
15  (IL  p.  10  H.);  Terentianus  de  syllabia  (=  v.  283)  id.  VII,  22  (p.  305  H.). 

3.  Von  den  drei  Theilen  (oder  Büchern)  ist  der  wichtigste  der  dritte, 
die  Metrik,  trotz  mancher  Missverständnisse  und  Unzulänglichkeiten  (z.  B. 
1797),  als  Wiedergabe  einer  älteren  Metrik,  in  welcher  auch  griechische 
Beispiele  gegeben  waren  (vgl.  2128).  Dieses  Original  war  wohl  das  Werk 
des  Caesius  Bassus  (oben  299,  1—3),  dessen  Ordnung  aber  von  Ter.  mehr- 
fach abgeändert  ist.  R.  Westphal,  allg.  Metrik  (1865)  S.  56—72.  127—130. 
=  Griech.  Metrik*  I.  S.  138—153.    H.  Keil,  gramm.  lat.  VI.  p.  251  f. 

4.  Der  Text  des  Ter.  beruht,  da  die  vollständigen  Hdss.  seitdem  ver- 
loren gegangen  sind,  auf  der  editio  princeps  (Mediolani  1497.  4.)  mit  dem 
Titel :  Terentianus  de  litteris  syllabis  et  metris  Horatii.  Spätere  Ausgaben 
Paris.  1510.  1531.  4.  Venet.  1533.  4.  In  Puteche's  grammatici  lat.  p.  2383  ff. 
Mit  umstÄndlichem  Commentar  von  L.  Santen  (ed.  D.  J.  van  Lennep), 
Utrecht  1825.  4.  Recensuit  C.  Lachmannus,  Berol.  1886.  An  Gaisfords 
Hephaestion  (Oxon.  1865)  L  p.  215 — 315;  annotationes  IL  p.  349 — 642. 

373  392.  Noch  unter  Diocletian  schrieb  der  Rhetor  Arnobius 
zu  Sicca  in  Numidien  ums  J.  295,  nach  seinem  Uebertritt  zum 
Christenthum,  zur  Rechtfertigung  dieses  Schrittes,  seine  sieben 
Bücher  adversus  nationes.  Diese  Apologie  hält  sich  überwiegend 
polemisch  und  verräth  wenig  Yerständniss  des  Christenthnms. 
Den  Polytheismus  bekämpft  sie  mit  rhetorischer  Masslosigkeit, 
Vorliebe  für  das  Derbe  und  in  buntscheckiger  Sprache. 

1.  Hieronym.  chron.  ad  a.  Abr.  2343  =  327  =«  1080  d.  St,  (wahr- 
scheinlich das  Todesjahr  des  Am.):  Arnobius  rhetor  in  Africa  clams 
habetur,  qui  cum  Siccae  ad  declamandum  iuvenes  erudiret  et  adhuc 
ethnicus  ad  credulitatem  (d.  h.  zum  Christenthum)  somniis  compelleretar, 
neque  ab  episcopo  impetraret  fidem  quam  semper  impugnaverat,  einen- 
brayit  adversum  pristinam  religionem  luculentissimos  libros  et  tandem, 
veluti  quibtisdam  obsidibus  pietatis  (datis),  foedus  impetravit.  De  vir. 
illustr.  79:    Arnobius  sub  Diocletiano  principe  Siccae  apud  Africam  Acren- 


391  f.   Terentianas  Maurus.    Araobins.  895 

üssime  rhetoricam  docuit  Bcripsitqae  adyersam  gentes^quae  vulgo  extant 
Yolmnina.  Epist.  70,  6  (ad  Magnum):  septem  libros  ady.  gentes  Arnobius 
edidit.  ibid.  58  (ad  Paulin.),  10  (p.  326  Vall.):  Arnobius  inaequalis  et 
nimius  et  absque  operis  sui  partitione  confasna.  Für  die  Abfassung  der 
Schrift  ums  J.  295  <=  1048  d.  St.  vgl.  I,  13:  trecenti  sunt  anni  ferme, 
minus  vel  plus  aliquid,  ex  quo  coepimus  esse  christiani  et  terraruuKiu 
orbe  censeri,  und  U,  71:  aetatis  cuius  urbs  Roma  in  annalibus  indicatur? 
annos  ducit  quinquaginta  et  mille,  aut  non  multum  ab  bis  minus.  Un- 
bestimmte Hindeutung  auf  Christenverfolgungen  der  Vergangenheit  IV,  36: 
nostra  scripta  cur  ignibus  meruerunt  dari,  cur  immaniter  conventicula  dirui? 

2.  Arnob.  I,  1:  quoniam  comperi  nonnullos  .  .  dicere,  postquam  esse 
in  mundo  christiana  gens  coepit  terrarum  orbem  perisse,  .  .  statui  pro 
captu  ac  mediocritate  sermonis  contraire  invidiae  et  calumniosas  dissolvere 
criminationes.  Dies  geschieht  in  6.  I,  das  zuletzt  in  eine  Rechtfertigung 
der  Anfänge  des  Christenthums  .j^erläuft.  Dort  c.  62  die  Behauptung: 
Christus  interemptus  est  non  ipse,  sondern  homo  quem  induerat  et  secum 
ipse  portabat.  B.  II  vergleicht  die  Lehren  der  Philosophie  und  des  Christen- 
thums und  gibt  eine  gnostisch  gefärbte  Psychologie.  B.  III — V  polemi- 
sieren gegen  die  heidnische  Mythologie,  VI  und  VII  gegen  Tempel-  und 
Bilderdienst,  Opfer  und  Schauspiele.  Seine  Quellen  nennt  Arn.  nicht,  ob- 
wohl er  seine  Vorgänger^  unter  den  Griechen  besonders  den  nQOTQSTtti'nog 
des  Clemens  Alex.,  stark  benützt  hat.  Am  meisten  Ausbeute  liefern  ihm 
Epikureer  (wie  Lucretius,  vgl.  E.  Klussmann  im  Philologus  XXVI.  S.  362 
— 366),  Rationalisten  (wie  der  Euhemerus  des  Ennius),  Antiquare  wie 
Varro.  Durch  die  Menge  des  zusammengerafften  Stoffes  hat  Arn.  auch 
antiquarischen  Werth. 

3.  Kenntniss  des  Alten  Testaments  besitzt  Arn.  nicht,  und  von  dem 
•Neuen  nur  sehr  ungenaue  (Oehler  p.  XIII— XVIII).  Die  Göttlichkeit  Christi 
gründet  er  "fast  ausschliesslich  auf  seine  Wunder,  welche  I,  48  in  einer 
Weise  ausgeführt  werden  dass  es  zweifelhaft  erscheint  ob  Am.  die  Evan- 
gelien selbst  gelesen  hat.  An  ihm  selber  bewährt  sich  keineswegs  seine 
Behauptung  (I,  58):  numquam  veritas  sectata  est  fucum,  nee  quod  ex- 
ploratum  et  certum  est  circumduci  se  patitur  orationis  per  ambitum  Ion- 
giorem;  eher  seine  lockeren  Ansichten  über  Barbarismen  und  Solöcismen 
I,  59.  Häufung  rhetorischer  Figuren,  z.  B,  II,  39  —  42  fortwährend  die 
Anaphora  und  rhetorische  Frage  idcirco  (deus)  animas  misit  ut  etc.  Be- 
sonders liebt  Arn.  die  Verbindung  synonymer  Ausdrücke. 

4.  Der  Text  des  Am.  beruht  einzig  auf  einem  Parisinus  saec.  IX 
(s.  oben  368,  5)^  in  welchem  die  Schrift  Adversus  nationes  betitelt  ist. 
Ed.  princeps  von  F.  Sabaeus,  Rom.  1543.  fol.  Ausgaben  von  Gelenius 
(Basil.  1546.  1560),  Cantems  (Antv.  1682),  ürsinus  (Rom.  1683),  Elmenhorst 
(Hanov.  1603.  Hamb.  1610),  Stewechius  (Antv.  1604),  Salmasius  (Lngd.  B. 
1661),  in  Gallandi  bibl.  patr.  IV.  p.  133  —  224,  und  von  Oberthür  (Würz- 
burg 1783).  Ed.  J.  C.  Orelli,  Lips.  1816.  Ex  nova  cod.  Paris,  collatione 
rec,  perpet.  (5omm.  instr.  G.  F.  Hildebrand,  Halle  1844.  In  Migne's  cursns 
patrol.  V  (Paris  1844)  Text  p.  718—1288;  allerhand  Abhandl.  ib.  p.  351—714. 
1291—1372.    Rec.  ill.  Fr.  Oehler  (in  Gersdorfs  bibl.  patr.  XII),  Lips.  1846. 


890  Dio  Kaiserzeit.   Drittes  Jahrhundert.    Diocletianus. 

5.  lieber  Arnobias  vgl.  L.  Ceillier,  hist.  gdn^r.  des  auteurs  sacr^s  etc. 
HL  p.  373—387.  Th.  Hug  in  Pauly's  Real-Enc.  I,  2.  S.  1747—1750. 
J.  Meursius^  criticus  Amobianus,  Lugd.  B.  1598.  J.  C.  Bulenger,  eclogae 
ad  Arn.,  Tolos.  1623.    Le  Nourry,  Apparat,  ad  bibl.  patr.  II.  p.  257 — 570. 

6.  E.  Elnssmann,  emendationes  Arnobianae,  Lipa.  1863.  4;  Philologns 
XXVI.  S.  623—641.  Th.  Hug,  Beitrftge  zur  Krit.  lat.  Pros.  (Basel  1864) 
S.  21—31.    M.  Zink,  in  den  Blättern  f.  d.  bair.  Gymn.  VII.  8.  296—312. 

374  393.  Des  Amobius  Schüler  in  der  Beredtsamkeit;  Lactan- 
tius  Firmianus,  Lehrer  der  Rhetorik  in  Nikomedia,  später 
im  Westen  Lehrer  des  Prinzen  Crispus,  zeichnet  sich  vor  allen 
christlichen  Schriftstellern  aus  durch  die  Reinheit  und  Glatte 
seiner  nach  den  besten  Mustern  gebildeten  Darstellung.  Auch 
hat  ihm  sein  Uebergang  zum  Christenthum  die  Dankbarkeit 
gegen  die  Quellen  aus  denen  er  bisher  seine  geistige  Nahrung 
geschöpft  nicht  gemindert.  Minder  correct  als  seinen  Stil  fand 
die  spätere  Zeit  seine  Orthodoxie.  Von  seinen  zahlreichen  Schrif- 
tehnn  Frosa  und  Versen  sind  die  bedeutendsten  auf  uns  ge- 
kommen: seine  sieben  Bücher  Institutionum  divinarum^  eine  po- 
puläre, apologetisch  gehaltene  Darlegung  der  christlichen  Lehre 
als  der  höchsten  Wahrheit,  die  wir  auch  in  kürzerer  Fassung 
besitzen-,  De  opificio  dei,  eine  populäre  Anthropologie  aus  christ- 
lichen Gesichtspunkten;  De  ira  dei,  eine  ähnliche  Bearbeitung 
der  Lehre  von  Gott.  Fanatischer  als  die  übrigen  Schriften  des 
Lactantius,  sonst  aber  seiner  Weise  durchaus  nicht  unähnlich 
ist  die  unter  dem  Namen  L.  Caecilius  überlieferte  get^chichtlich 
wichtige  Tendenzschrift  über  das  Ende  aller  Verfolger  des 
Christenthums  von  Nero  bis  Galerius  und  Maximinus  Daza. 

1.  Hieronym.  de  vir.  ül.  80:  Firmianus,  qui  et  Lactantius,  Amobii 
discipulus,  sub  Diocletiano  principe  accitus  cum  Flavio  grammatico ,  cuius 
De  medicinalibus  verau  conipositi  extant  libri  (vgl.  contra  lovin.  II.  p.  332 
ValL:  Marcellum  Sidetem  et  nostrum  Flavium  hexametris  versibus  disse- 
rentes;  Plin.  Val.  de  re  med.  III,  14),  Nicomediae  rhetoricam  docuit  et 
penuria  discipulorum ,  ob  graecam  videlicet  civitatem,  ad  scribendom  se 
contulit.  .  .  hie.  extrema  senectute  magister  Caesaris  Crispi,  filii  Gonstan- 
tini,  in  Gallia  fuit,  qui  postea  (J.  326)  a  patre  interfectus  est.  Chron.  ad 
a.  2333  s=>  317  n.  Chr.:  Crispum  Lactantius  latinis  litteris  erudivit,  vir 
omnium  suo  tempore  eloquentissimus ,  sed  adeo  in  hac  vita  pauper  ut 
l)lerumque  etiam  necessariis  indiguerit.  Epist.  70,  5  (ad  Magnum):  septem 
libros  adversus  gentes  Aruobius  edidit  totidemque  discipulus  eins  Lactan- 
tius, qui  De  ira  quoque  et  Opificio  dei  duo  volumina  condidit;  quos  si 
legere  volueris  dialogorum  Ciceronis  in  eis  imtofiriv  reperies.  68,  10  (ad 
Paulin.):  Lactantius  quasi  quidam  fiuvius  eloquentiae  tullianae  utinam  tarn 


393.    Lactantiufi.  '897 

nostra  affirmare  potuisset  quam  facile  aliena  destruxit!  Lactaut.  inet.  V,  2: 
ego  cum  in  Bithynia  oratorias  litteras  accitus  docerem.  I|  1:  professio  .  . 
illa  oratoria  in  qua  diu  versati  non  ad  virtutem,  aed  plane  ad  argutam 
malitiam  iuvenes  erudiebamus.  .  .  multum  tamen  nobis  exercitatio  illa 
fictarum  liüum  contulit  ut  nunc  maiore  copia  et  facultate  dicendi  causam 
veritatis  peroremns.  III,  13:  equidem  tametsi  operam  dederim  ut  .  .  di- 
cendi assequerer  faculiatem  propter  Studium  docendi  tamen  eloquens  num- 
quam  fiii,  quippe  qui  forum  ne  attigerim  quidem.  Lact,  ist  wohl  italischen 
Ursprungs,  da  er  die  Römer  als  nostri  (inst.  I,  6.  p.  11,  2  Fri.)  den  Ghraeci 
(ib.  p.  2,  17)  gegenüber  zu  stellen  pflegt. 

2.  Hieron.  vir.  ill.  80:  habemus  eins  Symposium,  quod  adolescentulus 
scripsit,  ^OdotnoQixov  de  Afriea  usque  Nicomediam,  hezametris  scriptum 
yersibus,  et  alium  librum  qui  inscribitur  Grammaticus,  et  pulcherrimum 
De  ira  dei  et  Institutionum  divinarum  adyersum  gentes  libros  VII  et  'Eni- 
xofiiiv  eiusdem  operis  in  libro  uno  acephalo  et  Ad  Asclepiadem  libros  II ; 
De  persecutione  librum  unum;  Ad  Probum  Epistolarum  libros  IV;  Ad 
Seyerum  (ygl.  vir.  ill.  111)  epistolarum  libros  II;  Ad  Demetrianum  audi- 
torem  suum  epistolarum  libros  II ;  Ad  eundem  de  opificio  dei^yel  forma- 
tione  hominis  librum  unum.  Auf  dpn  Grammaticus  bezieht  sich  wohl 
Victorin.  de  carm.  her.  5  (VI.  p.  209,  llf.K.):  nostra  quoque  memoria  Lactantius 
de  metris  pentameter,  inquit,  et  tetrameter.  Die  Briefe  ad  Probum  stam- 
men yielleicht  noch  aus  der  vorchristlichen  Zeit  des  Lact,  und  behandelten 
(vorzugsweise)  Gegenstände  aus  dem  Gebiete  der  Gelehrsamkeit,  während 
die  ad  Demetrianum  Christliches  erörterten.  Hieron.  epist.  84,  7  (ad  Pam- 
mach.  et  Oc):  Lactantius  in  libris  suis  et  maxime  in  epistolis  ad  Deme- 
trianum Spiritus  sancti  omnino  negat  substantiam  et  errore  iudaico  dicit 
eum  vel  ad  patrem  referri  vel  ad  filium;  und  comm.  in  ep.  ad  Gal.  4,  6: 
multi  per  imperitiam  scripturarum,  quod  et  Firmianus  in  octavo  (?Vall.: 
altero)  ad  Demetrianum  epistolarum  libro  facit,  asserunt  spiritum  s.  saepe 
patrem,  saepe  filium  nominari  etc.  Damasus  an  Hieronymus  (Hier.  opp. 
ed.  Vall.  I,  1.  p.  169):  fateor  tibi,  eos  quos  mihi  iampridem  Lactantii 
dederas  libros  ideo  non  libenter  lego  quia  et  plurimae  epistolae  eins  usque 
ad  mille  spatia  versuum  tenduntur  et  raro  de  nostro  dogmate  disputant; 
quo  fit  ut  et  legenti  fastidium  generet  longitudo  et  si  qua  brevia  sunt 
scholasticis  magis  sint  apta  quam  nobis,  de  metris  et  regionum  situ  et 
philosophis  disputantia.  Eufin.  de  metr.  p.  2712  P.:  Firmianus  ad  Probum 
de  metris  comoediarum  sie  dicit  etc.  Hieron.  comm.  in  ep.  ad  Gal.  (Opp. 
ed.  Vall.  VII,  1.  p.  426):  Lactantii  nostri  quae  in  tertio  ad  Probum  volu- 
mine de  ba^  gente  (Galatae)  opinatus  sit  verba  ponemus.  F.  Osann,  Bei- 
träge IL  S.  365 — 367.  Die  Absicht  eine  eigene  Schrift  gegen  die  Juden 
zu  schreiben  (inst.  VII,  1  extr.:  sed  erit  nobis  contra  ludaeos  separata 
materia,  in  qua  illos  erroris  et  sceleris  revincemus)  scheint  Lact,  nicht  aus- 
geführt zu  haben. 

3.  De  opificio  dei.  Widmung  (nicht  vor  J.  304):  quam  minime  sim 
quietus,  etiam  in  summis  necessitatibus  (vgl.  A.  1),  ex  hoc  libello  potens 
existimare,   quem  ad  te  rudibus  paene  verbis,  .  .  Demetriane,   perscripsi, 

Tkufpsl,  Böm.  Lltcraturgesohichto.    2.  Aufl.  07 


898  Die  Kaiserzeit.  Prittes  Jahrhundert.    Üiocletianus. 

ut  et  qaotidianom  Stadium  meam  nosceres  et  non  deessem  tibi,  praeceptor 
etiam  nunc,  sed  honestioris  rei  meliorisque  doctrinae  (als  früher  in  der 
Beredtsamkeit)^  .  .  profiteor  nulla  me  necessitate  vel  rei  vel  temporis  im- 
pediri  qnominus  aliquid  excudam  qno  philosophi  nostrae  sectae  quam 
tuemur  instructiorea  doctioresque  in  poBterum  fiant.  .  .  tentabo  .  .  corporis 
et  animi  .  .  rationem  explicare.  Auch  der  somatische  Theil  wird  eingehend 
behandelt,  nach  Aristoteles  und  den  Stoikern,  teleologisch  und  theologisch. 
Vergil  und  Lucretius  werden  öfters  angeführt.  Letzterer  bek&mpft.  Schluss 
(c.  20):  haec  ad  te,  Demetriane,  interim  paucis  et  obscuriuB  fortasse  .  . 
peroravi;  quibus  contentus  esse  debebis,  plura  et  meliora  lectums  si  nobis 
indulgentia  caelitus  venerit.  tunc  ego  te  ad  verae  philosophiae  doctrinam 
et  planiuB  et  verius  cohortabor.  statu!  enim  quam  multa  potero  litteris 
tradere  quae  ad  vitae  beatae  statum  spectent^  et  quidem  contra  philosophos. 
.  .  incredibilis  enim  vis  eloquentiae  etc.  Offenbar  eine  Hindeutong  auf  die 
institutiones,  welche  hiernach  vielleicht  ursprünglich  gleichfalls  seinem 
Schüler  Demetrianus  gewidmet  waren ;  vgl.  A.  4.  Ausgabe  der  Schrift  cum 
notis  Des.  Erasmi  (Basil.  1629.  Paris.  1629),  Willichii  (1642). 

4.  Lact,  instit.  I,  1  (p.  4,  4  Fr.):  veritatis,  cui  asserendae  atque 
illustrandae  septem  volümina  destinavimus.  .  .  quae  licet  possit  sine  elo- 
quentia  defendi,  .  .  tarnen  claritate  ac  nitore  sermonis  (vgl.  V,  2:  omate 
copioseque)  illustranda  .  .  est^  ut  potentius  in  animos  influat  (p.  2  n.  M.)- 
si  quidam  prudentes  .  .  institutiones  civilis  iuris  compositas  ediderunt, 
.  .  quanto  melius  nos  .  .  divinas  institutiones  litteris  persequemur. 
Vgl.  de  ira  2:  herum  imperitiam  iam  coarguimus  in  secundo  divinarum 
institutionum  libro.  .  .  quos  ex  parte  iam  refutavimus  in  quarto  supra 
dicti  operis  hbro.  11:  docuimus  in  nostris  institutionibus.  17:  quibus 
in  sexto  libro  institutionum  satis  respondimus.  Das  erste  Buch  hat  in  den 
IldsB.  die  Ueberschrift  De  falsa  religione,  B.  II:  de  origine  erroris;  III:  de 
falsa  sapientia;  IV:  de  vera  sapientia;  V:  de  iustitia;  VI:  de  vero  cultu; 
VII:  de  vita  beata.  Das  Christenthum  will  Lact,  erweisen  als  cum  selam 
religionem  tum  etiam  et  solam  et  veram  sapientiam  (V,  4  extr.);  es  ist 
ihm  die  geoffenbarte  veritas  und  iustitia.  Seine  Vorgänger  Minucius  Felix, 
Tertullian  und  Cyprian  nennt  (z.  B.  V,  1)  und  benützt  er.  Sehr  häufig 
citiert  er  aber  auch  classische  Schriftsteller,  besonders  den  Cicero  und 
Vergil,  nächstdem  Lucretius  und  Ovid  (Met.  und  Fasti),  femer  Ennius, 
Plautus,  Terenz,  Lucilius,  Horaz,  Persius^  Varro,  Sallust,  Seneca  u.  A. 
In  einem  Theile  der  Hdss.  findet  sich  I,  1  eine  ausführlichere  Anrede  an 
Constantinus  Imperator  maximus,  V,  1  nach  den  ersten  Worten  wenigstens 
Constantine  imperator  maxime.  Rührt  diess  überhaupt  von  Lact,  her,  so 
kann  es  nur  eine  spätere  Einschaltung  (aus  J.  318 — 328,  Ebert  S.  135  ff.) 
in  einer  jenem  Kaiser  überreichten  Abschrift  sein.  Die  wirkliche  Abfassung 
fällt  zwischen  J.  307  u.  310;  s.  Ebert  (A.  7)  S.  127—131.  Ein  noch  späterer 
Zusatz  (etwa  aus  J.  325)  ist  am  Schlüsse  von  VII,  26. 

5.  Ausser  den  Institutiones  selbst  ist  auch  der  Auszug  daraus  er- 
halten. Eingang:  quamquam  divinarum  institutionum  libri  quos  iam  pri- 
dem  ad  illustrandam  veritatem  religionemque  conscripsimus  ita  legentium 
animos   instruant  ut   nee  prolixitas   pariat   fastidium   nee   oneret   überlas 


393.  LactantiuB.  '  899 

tarnen  horum  tibi  epitomen  fieri,  Pentadi  frater»  desideras.  .  .  faciam  quod 
posttdas,  etsi  difficile  videtur  ea  quae  aeptem  mazimia  volominibas  expli- 
cata  sunt  in  unum  conferre.  Erste  vallständige  Ausgabe  von  C.  M.  PfafF 
(Parib  1712),  dann  J.  Davis  (Gantabrig.  1718). 

6.  Hieron.  comm.  in  ep.  ad  Ephes.  4,  26  (Opp.  VII,  %.  p.  628  Vall.): 
Firmianos  noster  De  ira  dei  docto  pariter  et  eloquehti  sermone  conscripsit. 
Die  Schrift  bekämpft  hauptsächlich  die  Epikureer.  Vgl.  c.  22:  -haec  habui 
quae  de  ira  dei  dicerem,  Donate  carissime,  ut  scires  quemadmodum  refel- 
leres  eos  qui  deum  faciunt  immobilem,  restat  ut  more  Giceronis  utamur 
epilogo  ad  perorandum.  .  .  illorum  persuasionem  revincamus  qui  sine  ira 
deum  esse  credentes  dissolvunt  omnem  religionem.  Als  seine  Quelle  be- 
hauptet er  (c.  1)  doctrinam  dei,  ohne  diess  aber  je  zu  beweisen;  vielmehr 
beruhen  alle  Argumente  auf  eigener  und  fremder  Reflexion.  Die  Abfassung 
nach  den  instit.  erhellt  aus  c.  2^  11  und.  17  (s.  A.  4). 

7.  Die  Schrift  de  mortibus  persecutorum  (vom  Ende  313  oder 
Anfang  des  J.  314,  Ebert  S.  123  f.)  ist  durch  eine  einzige  Hds.  überliefert, 
bibl.  Colbert.  1297,  und  nach  dieser  zuerst  herausgegeben  (Paris  1679)  von 
Steph.  Baluze  (Miscell.  n.  p.  1  S.  347  ff.).  Ueberschrift:  Lucii  Cecilii  liber 
ad  Donatum  confessorem  de  m.  p.  Anfang :  audivit  dominus  otrationes  tnas, 
Donate  carissime.  .  .  ecce  .  .  ecclesia  rursum  ezurgit.  .  .  excitavit  enim 
deua  principes  (Gonstantin  und  Licinius)  qui  tyrannorum  nefaria  et  cruenta 
imperia  resciderunt  etc.  c.  36:  hoc  edictum  proponitur  Nicomediae  prid.  Kai. 
Maias  (d.  J.  311).  tunc  apertis  carceribus,  Donate  carissime,  .  .  liberatus  es, 
cum  tibi  carcer  sex  annis  pro  domicilio  fuerit.  48 :  Nicomediam  ingressus  . .  die 
id.  Jun.  (des  J.  313)  .  .  litteras  proponi  iussit.  .  .  sie  ab  eversa  ecclesia  usque 
ad  restitutam  fuerunt  anni  decem,  menses  plus  minus  quattuor.  Die  genaue 
Eenntniss  aller  YorgSiige  in  Nikomedia,  die  Widmung  an  Donatus  (vgl.  A.  6), 
die  grosse  Uebereinstimmung  des  Wortschatzes  und  häufige  Gitate  aus  Yergil 
(auch  Horaz)  machen  nahezu  gewiss  dass  die  Schrift  wirklich  die  von 
Hieronym.  (s.  A.  2)  de  persecutione  betitelte  ist,  L.  Gaedlius  (oder  Gaelius)  also 
mit  Recht  von  Hdss.  unter  den  Namen  des  Lact.  aufgefGLhrt  wird.  Die  knappe 
Darstellung  des  Schrifbchens,  gegenüber  der  Redseligkeit  der  Institutionen, 
erklärt  sich  aus  der  Verschiedenheit  des  Gegenstandes,  der  leidenschaftliche 
Ton  aus  dem  Siegesjubel  nach  langer  unmittelbarer  (xefahr  und  lange  ver- 
haltenem Grolle.  Uebrigens  hatte  es  schon  inst.  Y,  23  geheissen:  quidquid 
adversum  nos  mali  principes  moliuntur  fied  ipse  (deus)  permittit.  et  tamen 
iniustissimi  persecutores  .  .  non  se  putent  impune  laturos.  .  .  veniet,  veniet 
rabiosis  ac  voracibus  lupis  merces  suä,  qui  iustas  et  simplices  animas 
nullis  facinoribus  admissis  excruciaverunt.  Davon  ist  die  vorliegende  Ten- 
denzschrift (de  mort.)  die  Ausführung.  Die  Bedenken  von  N.  Le  Nourry, 
0.  F.  Fritzsche  (ed.  p.  YIII— X)  u.  A.  sind  nicht  triftig,  obwohl  Letzterer 
richtig  urteilt  dass  der  Yerf.  non  historicum ,  sed  suae  partis  patronum  egit. 
J.  BurckharA,  Gonstantin  S.  46.  327—329.  337,  A.  2.  338  f.  343  f.  349  (A.  1). 
365,  A.  1.  356.  366.  368,  A.  0.  Rothfuchs,  qua  historiae  fide  Lactantius  usus 
sit  in  libro  de  m.  pers.,  Marburg  1862.  42  pp.  4.  Hunziker  in  Büdingers 
Untersuch,  z.  röm.  Kaisergesch.  I.  S.  117  ff.  und  bes.  A.  Ebert,  über  den 
Yerfasser  des  Buches  de  m.  p.,  in  den  Berichten  d.  sächs.  Ges.  d.  Wiss.  1870, 
S.  115—138.    Sonderausg.  von  F.  Dübner,  Paris  1868. 

67* 


900  Die  Kaiserzeit.   Drittes  Jahrhundert.  DiocletianüB. 

8.  Den  Namen  des  Lact,  tragt  auch  das  Gedicht  im  elegischen  Masse 
(170  Verse)  über  den  Vogel  Phoenix.  Es  ist  rhetorisch  wortreich  and 
bewegt  sich  in  der  conventionellen  mythologischen  Phraseologie.  Die  letzten 
zehn  Verse  sind  in  Ton  und  Technik  abweichend.  Vielleicht  fehlt  der 
eigentliche  Schluss.  Das  Gedicht  findet  sich  in  den  meisten  Ausgaben  des 
Lact.,  bei  Wemsdorf  poetae  lat.  min.  IIL  p.  298 — 322  (vgl.  p.  283— 297),  in 
Webers  corp.  poeti  latt.  p.  1416  f.,  und  besonders  in  AI.  Biese's  Anthol. 
lat.  Nr.  731.  Sonderausgaben  von  A.  Martini  (Lüneburg  1825)  und  H.  Leyser 
(Quedlinburg  1839).  Zweifelhafteren  Ursprungs  ist  das  Carmen  de  passione 
domini  (80  Hexameter).  Die  55  Disticha  de  resurrectione  domini  gehören 
vielmehr  dem  Venantius  Fortunatus,  die  100  aenigmata  aber  dem  Sjmpho- 
sius  (s.  unten  442). 

9.  Lact,  spricht  seine  Bewunderung  des  Cicero  sehr  oft  unbefangen 
aus,  z.  B.  de  opif.  1  (vir  ingenii  singularis)  und  20  (eloquentiae  ipsius  uni- 
cnm  exemplar).  inst.  I,  15  (non  tantum  perfectus  orator  sed  etiam  philo- 
sophus).  in,  13  (romanae  linguae  summus  orator  .  .  vir  eloquentissimus). 
VII ,  1  (eximius  orator).  Nennt  er  doch  sogar  den  Ovid  einen  -poeta  non 
insuavis  (de  ira  20).  Noch  war  der  Satz  nicht  erfunden  dass  alle  Tu- 
genden der  NichtChristen  nur  maskierte  Laster  seien.  Auch  seine  positive 
Christlichkeit,  so  ehrlich  und  eifrig  sie  ist,  hat  keine  Spur  von  dogmatischer 
Klügelei  und  Starrheit.  Behauptungen  wie  inst  V,  3:  non  idcirco  a  nobis 
deum  creditum  Christum  quia  mirabilia  fecit,  sed  quia  vidimus  in  eo  facta 
esse  omnja  quae  nobis  annuntiata  sunt  vaticinio  prophetarum  mussten 
späterer  Eetzerriecherei  sehr  unbefriedigend  erscheinen.  Schon  Hieronymus 
(s.  A.  1  f.)  und  Sidonius  (Ep.  IV,  3;  instruit  ut  Hieronymus,  destruit  ut 
Lactantius,  ädstruit  ut  Augustinus)  erkannten  diese  schwache  Seite  des 
Lact.  Vgl.  F.  W.  Ammon,  Lact.  opin.  de  relig.  in  syst,  redig..  Erlangen 
1820.  Overlach,  die  Theologie  des  Lact.,  Schwerin  1858.  40  S.  4.  Dor- 
pater  Zeitschr.  f  Theol.  IV.  Um  so  allgemeiner  war  die  Anerkennung 
seiner  Latinität.  J.  A.  Krebs,  de  stilo  Lact.,  Halle  1706.  4.  M.  N.  Kort- 
holt,  de  Cicerone  christiano  Lactantio,  Giessen  1711.  4. 

10.  Die  Handschriften  von  Lact,  (ausser  mort.  pers.)  sind  zahl- 
reich, aber  meist  aus  saec.  XIV  und  XV  und  noch  nicht  methodisch  ver- 
verthet.  Noch  zahlreicher  sind  die  Ausgaben  seiner  Werke.  Besonders 
erwähnenswerth  sind:  Ed.  princeps  Rom.  1465  fol.  (das  erste  in  Italien 
gedruckte"  Buch).  Cum  comm.  X.  Bet\ilei,  Basil.  1563  fol.  Studio  M. 
Thomasii,  Antv.  1570.  Cum  comm.  op.  S.  Gallaei,  Lugd.  B.  1660.  Eec. 
J.  G.  Walchius,  Lips.  1715.  Cum  notis  ed.  C.  A.  Heumann,  Grotting.  1736. 
Bec.  et  notis  ill.  J.  L.  Bünemann,  Lips.  1739.  Ed.  J.  B.  Le  Brun  et  N. 
Lenglet  du  Fresnoy,  Paris  1748.  2  Voll.  4.  Ed.  Oberthür,  Wflrzb.  1783. 
2  Voll.  In  Gallandi  Bibl.  ''patr.  IV.  p.  229  ff.  Bipontina  1786.  2  Voll. 
Ed.  0.  F.  Fritzsche,  Lips.  1842.  1844  (Gersdorfs  bibl.  patr.  J,  1.  2).  In 
Migne's  Patrol.  curs.  Tom.  VI  u.  VII  (Paris.  1844). 

11.  E.  Ceillier,  bist,  gen^r.  des  auteurs  s.  et  ecci.  IH.  p.  387 — 434.  Le 
Nourry,  Apparatus  ad  bibl.  patr.  II.  diss.  IIL  p.  571  ff.  Walchs  Diatribe 
vor  seiner  Ausg.  J.  G.  Geret,  de  Lact,  eiusque  theologia  iudicia,  Witten- 
berg 1722.  4.    f.  Bertold,  Prolegomena  zu  Lact.,  Metten  1861.  38  S.  4, 


39.1  f.   Lactantius.    Reposianits  u.  a.  Poetische.  901 

394.  Aus  der  Zeit  vor  dem  amtlichen  Siege  des  Christen-375 
thums  scheint  eine  Anzahl  von  Schriftwerken  in  gebundener 
Form  zu  stammen  welche  sich  mit  Unbefangenheit  oder  gar 
Heiterkeit  auf  dem  Boden  der  alten  Mythologie  bewegen  und 
die  überlieferten  Formen  meist  mit  Correctheit,  öfters  mit  Künst- 
lichkeit handhaben.  Dahin  gehört  besonders  des  Reposianus 
kleines  Epos  auf  die  Verbindung  von  Mars  und  Venus,  die 
Weihinschrift  des  T.  Caesius  Taurinus,  die  Distichen  des  Pen- 
tadius,  sowie  stofflich  die  Rede  des  Achill  beim  Vernehmen  der 
Trompete  des  Diomedes,  der  Bri^f  der  Dido  an  Aeneas  und  der- 
gleichen NachbUdungen  von  Originalen  der  classischen  Zeit. 

1.  Üeber  die  Gedichte  des  Lactantius  s.  oben  393,  2;  über  die  ihm 
zugeschriebenen  393,  8.  Ueber  das  Pervigilium  Veneria  oben  368,  6fiF.;  über 
Yespae  iadicium  oben  358,  10.    Sprüche  in  gebundener  Form  (Cato)  s.  24,  2. 

2.  Die  182  Hexameter  des  Reposianus  de  concubitu  Martis  et 
Veneris  bei  Wemsdorf  poetae  latt.  .min.  IV.  p.  319 — 346,  in  den  lateinischen 
Anthologien,  zuletzt  von  Biese  I.  p.  170 — 176.  Neben  halbsentimentaler  * 
Naturbeschreibung  (eines  Waldes,  v.  33 — 60)  zeigt  der  Verfasser  eine  lüsterne 
Phantasie  und  etwas  frivole  Grundsätze  (140  ff.  178  ff.).  Die  Cäsuren  und 
Verschleif ungen  sind  normal,  doch  fällt  auf  93  tuo  einsilbig,  126  gratiosa 
als  paeon  in  (oder  palimbacch.  ?).  Wemsdorf  IV.  p.  52  f.  Burckhardt,  Con- 
stantin  S.  169  f. 

3.  Von  einem  Modestinus  ein  Epigramm  von  11  Hexametern  auf  den 
schlafenden  Amor,  mit  der  Verschleifung  myrti  inter  und  den  Hiaten  Dido 
et,  Eyadne  igne,  zuletzt  bei  Riese  anthol.  lat.  I.  p.  183.  vgl.  p.  X. 

4.  T.  Caesius  Taurinus  widmet  das  Bild  seines  Vaters  T.  Caesius 
Primus,  welcher  Fruchthändler  oder  curator  annonae  war,  der  Fortuna 
quae  tarpeio  coleris  vicina  Tonan£i   mit  23    Hexametern.    Wemsdorf  IV. 

•  p.  309—313.    Meyer,  Anthol.  lat.  622  (vgl.  I.  p.  174). 

5.  Von  Pentadius  (vgl.  oben  393,  5)  enthält  der  cod.  Salmasianus 
sechs  Gedichte  im  elegischen  Masse,  in  Riese's  Anthol.  lat.  234  f.  266. 
266  —  268  (I.  p.  162  —  164.  181  f.).  Die  drei  ersten  etwas  grösseren  (de 
fortuna,  de  adventu  veris,  auf  Narcissus)  sind  alle  echoici;  s.  oben  32,  9; 
die  drei  andern  sind  Epigramme. 

6.  Von  ungenanntem  Verfasser  und  eine  rhetorische  Stilübung  ist 
das  Schreiben  der  Dido  an  Aeneas  ehe  sie  sich  den  Tod  gibt,  in  160  Hexa- 
metern (wovon  6  Einleitung,  deren  Schluss:  cui  grata  voluptas  esse  potest 
modicum  dignetur  amare  poetam),  bei  Wemsdorf  IV.  p.  439 — 461,  vgl.  p.  55  f., 
und  zuletzt  bei  Riese  anthol.  I.  p.  94—99.  Stofflich  nach  Vergil,  die  Art 
der  Ausführung  ovidisch.  Der  AufwancT  an  rhetorischen  Figuren ,  Senten- 
zen u.  dgl.  ist  gross;  zweimal  wiederholt  sich  die  Künstelei  einer  refrain- 
artig behandelten  Wendung:  v.  42  —  82  neunmal,  je  nach  4  Versen,  sua 
taedia  solus  fallere  nescit  amor,  v.  100 — 116  viermal  cui  digna  rependes 
si  mihi  dura  paras?    Häufigkeit  der  Alliteration.    Aeussere  Form  tadellos 


902  t)ie  Kaisenseit.   Viertes  Jahrhundert. 

(doch  132  quod  als  Länge).    Glaubensbekenntniss  121  f.:  esse  deos  natura 
docet,  non  esse  timendos  rerum  facta  probant.  ' 

7.  Die  wortreiche  Bede  des  Achill  in  parthenone,  cum  tubam  Dio- 
medis  audisset  (89  Hexameter),  ist  gleichfalls  eine  rhetorische  Schularbeit 
(snasoria),  nicht  ohne  prosodische  und  metrische  Anstösse  (v.  12,  47,  66, 
70,  71,  72,  80).  Man  würde  ihr  zu  viel  Ehre  erweisen  wenn  man  sie 
schon  ins  dritte  Jahrhundert  setzen  wollte.  Wemsdorf  IV.  p.  425  —  438 
vgl.  p.  54  f.    Biese  anthol.  I.  p.  136  — 139. 

D.  Viertes  Jahrhundert  n.  Chr. 

376  395.  Dem  vierten  Jahrhundert  prägen  zwei  Thatsacheii 
seinen  Charakter  auf:  der  amtliche  Sieg  des  Christenthums  und 
die  Verlegung  der  Residenz  nach  Constantinopel.  Schon  unter 
Diocietian  hatte  Rom  aufgehört  der  Aufenthalt  des  Kaisers  zu 
sein;  indem  Constantin  nunmehr  dem  neuen  Geist  eine  neue 
Stätte  schuf  wurde  Rom  sich  selbst  überlassen  und  bewahrte 
nur  um  so  länger  seinen  antik  heidnischen  Charakter.  Der  Sieg 
des  Christenthums  enthält  den  Bruch  mit  der  alten  Welt,  zu- 
gleich aber  die  Rettung  ihrer  Cultur,  da  die  siegreichen  Bar- 
baren, hätte  nicht  das  Christenthum  sie  gezügelt,  die  abend- 
ländische Civilisation  erbarmungslos  zertreten  hätten.  Damit  dass 
der  Polytheismus  aufhörte  Staatsreligion  zu  sein  war  jedoch  das 
Christenthum  noch  nicht  selbst  Staatsreligion  geworden;  seine 
Anhänger  sind  zwar,  begünstigt,  der  Polytheismus  wird  zuerst 
in  seinen  Auswüchsen,  dann  allmählich  in  seinen  Lebensäusse- 
ruugen  bekämpft  und  verboten,  in  der  Hauptsache  aber  herrscht 
bis  gegen  das  Ende  des  vierten  Jahrhunderts  Parität  und  Reli- 
gionsfreiheit In  die  Minorität  gedrängt  umklammern  die  cha- 
raktervolleren Anhänger  des  alten  Glaubens  desto  .leidenschaft- 
licher dessen  Formen,  wiewohl  vergeblich,  da  der  Polytheismus 
längst  in  der  Auflösung  begriffen  war  und  die  äusseren  Ver- 
hältnisse sein  Ende  nur  beschleunigten  und  mit  dem  Schimmer 
des  Martyriums  umgaben.  Dem  Christenthum  aber  brachte  sein 
Sieg  auch  Gefahren.  Manche  Abweichungen  und  Gegensätze 
in  seiner  Mitte,  welche  zur  Zeit  der  gemeinsamen  Verfolgung 
unbemerkt  geblieben  waren,  wurden  jetzt  der  Anlass  tiefgehender 
Spaltungen  und  gegenseitiger  Zerfleischung.  Das  treue  Bekennt- 
niss  genügte  nicht  mehr;  man  forderte  eine  bestimmt  vorge- 
zeichnete Form  desselben,  und  schon  jetzt  begann  der  Glaube 
in  Orthodoxie  und  äusserer  Kirchlichkeit  zu  erstarren.'  Das  naive 
Verhalten  zur  alten  Bildung,   wie   es  Minucius  Felix  und  noch 


395.   Uebersicht.  903 

Lactanz  gehabt  hatte,  wich  einer  bewussten  Abkehrung,  und  erst 
nach  dem  völligen  Erlöschen  des  Heidenthums  fand  sich  allmählich 
die  Ausgleichung.  In  der  Literatur  hat  das  Christenthum  jetzt  die 
Zeit  seines  Glanzes:  die  grossen  Kirchenväter  Ambrosius,  Hiero- 
nymus  und  zum  Theil  auch  Augustinus  gehören  diesem  Jahr- 
hundert an.  Aber  auch  das  Heidenthum  hat  einen  Synmiachus 
aufzuweisen.  Ueberhaupt  fehlt  es  der  Zeit  nicht  an  Lehen,  wohl 
aber  an  Originalität.  Greisenhaft  wie  sie  ist  zehrt  sie  an  den 
Erinnerungen  aus  der  Vergangenheit.  Die  Rhetorik  hat  fort- 
während das  üeberge wicht  und  zählt  viele  Namen,  aber  wenige 
von  einigem  Glänze.  Sie  beginnt  ihren  Einfluss  auch  auf  die 
Jurisprudenz  zu  erstrecken,  welche  darüber  auch  noch  die  frühere 
Festigkeit  und  Sicherheit  der  Terminologie  einbüsst.  Die  Gram- 
matik tritt  die  alten  Geleise  aus  und  schreibt  unverdrossen  Vor- 
gänger ab  (Charisius,  Diomedes).  Die  Geschichtschreibung  hat 
Epitomatoren  an  Aurelius  Victor,  Eutropius  und  Sex.  Rufus  und 
nimmt  einen  höheren  Flug  nur  in  dem  wackeren  Ammianus 
Marcellinus.  Die  Poesie  wird  als  Zugabe  der  prosaischen  Stilistik 
behandelt,  hat  daher  einen  starken  Schulgeschmack  und  bewegt 
sich  mit  Vorliebe  in  allerhand  Künsteleien,  baut  centones  u.  dgl.; 
die  zahlreichen  christlichen  Dichter,  deren  bedeutendster  Prudentius 
ist,  leiden  unter  der  Unvereinbarkeit  der  alten  Form  mit  dem 
neuen  Inhalt,  schlagen  zum  Theil  aber  auch,  wie  Damasus  und 
Ambrosius,  den  volksmässigen  Weg  des  Reimes  ein. 

1.  Hauptflchrift :  J.  Burckhardt,  die  Zeit  Constantios  des  Grossen 
(Basel  1853),  bes.  S.  157  ff.  248  ff.  346  ff.  487  ff.  Auch  vgl.  Th.  Mommsen, 
Berichte  d.  sächs.  Ges.  d.  Wiss.  1860,  S.  69  —  72.  212  f.  A.  de  Broglie, 
l'eglise  et  Tempire  romain  au  lY*  si^cle;  I:  R^gne  de  Constantin,  2  Voll. 
Paris  1856;  II:  Oonstance  et  Julien,  1859,  2  Voll.  H.  Richter,  das  west- 
römische Reich,  besonders  unter  den  Kaisern  Gratian,  Yalentinian  II  und 
Maximus  (J.  375—388),  Berlin  1865.  S.  540  ff. 

2.  Constantin  wirft  sich,  nach  dem  Tode  seines  Vaters  Constantius 
Chlorus  (25  Juli  306),  zum  Regenten  auf,  wird  von  Galerius  als  zweiter 
Caesar  anerkannt,  und  wird,  nach  allmählicher  Beseitigung  des  Severus, 
Galerius,  Maximinus  Daza,  Maxentius  und  Licinius,  J.  323  alleiniger  Herr- 
scher des  römischen  Reiches;  t  Pfingsten  337.  Seine  Söhne  Constantin  II, 
Constantius  und  Constans  (Caesares  schon  seit  317,  323,  333)  J.  337  —  361. 
Der  Sohn  von  Constantius  I  Bruder  lulius  Constantius,  lulianus  (geb.  331. 
t  27  Juni  363;  s.  W.  Teuffei  in  Pauly's  Real-Enc.  IV.  S.  401  —  413.  415 
—417),  war  Kaiser  361—363;  sein  Nachfolger  loyianus  (s.  W.  Teuffei  a.  a.  0. 
S.  245—248)  Juli  363— Febr.  364.  Nach  dessen  Tod  Theilung  des  Reichs 
zwischen  die   Brüder  Valentinianus  I  (geb.  321,  J.   364 — 375  Kaiser  des 


1 


904  Die  Kaiscrzcit.    Viertos  Jahrhundert. 

Westenä)  und  Valens  (geb.  326;  regiert  den  Osten  364  —  378;  s.  0.  Clcss 
in  Pauly's  Beal-Enc.  VI,  2.  S.  2289—2307).  Des  Ersteren  'Nachfolger  sein 
Sohn'Gratianus  (geb.  369)  876—388  (Cless  a.  a.  0.  S.  2307  —  2314),  dann 
dessen  Bruder  (geb.  371)  Valentinianus  II  J.  383  —  392  (Cless  S.  2314  f.). 
Im  Osten  war  des  Valens  Nachfolger  der  westliche  Kaiser  Gratianus,  der 
aber  (Jan.  379)  die  Regierung  des  Ostens  dem  Spanier  Theodosius  I  (geb. 
346)  übertrug.  Dieser  regierte  nach  dem  Tode  Valentinians  II  J.  392—395 
beide  Reichshälfben  (s.  Cless  a.  a.  0.  S.  1824—1837).  Nach  dessen  Tode 
(Jan.  395)  abermalige  Theilung  des  Reichs  zwischen  seine  unfähigen  Söhne 
Arcadius  (geb.  377,  f  ^^^)t  ^^^  ^^^  Osten  erhielt,  und  Honorius  (geb.  384 
t  423),  dem  der  Westen  zufiel,  Anfangs  unter  der  Vormundschaft  des 
Vandalen  Stilicho. 

3.  Das  Wanken  aller  Verhältnisse  und  immer  gewaltigere  Einströmen 
barbarischer  Horden  erregt  selbst  auf  Seiten  der  siegreichen  Kirche  das 
Gefühl  als  ob  die  Tag^es  Reichs  gezählt  wären.  Hieronym.  Ep.  60  (ad 
Heliod.),  16:  horret  animus  temporum  nostrornm  ruinas  persequi.  .  .  ro- 
manus  orbis  ruit,  et  tamen  cerviz  nostra  erecta  non  flectitur.  Zum  Ver- 
hältniss  zwischen  der  alten  Bildung  und  dem  Christeuthum  vgl.  ib.  22 
(ad  Eustoch.),  29  f.:  quid  facit  cum  psalterio  Horatius?  cum  evangeliis 
Maro?  cum  apostolo  Cicero?  cum  ante  annos  plurimos  .  .  lerosolymam 
pergerem  bybliotheca,  quam  mihi  Romae  summo  studio  ac  labore  confe- 
ceram,  carcre  omnino  non  poteram.  itaque  .  .  lecturus  Tullium  ieiunabam. 
post  noctium  crebras  vigilias  .  .  Plautus  sumebatur  in  manus.  si  quando 
.  .  prophetäs  legere  coepissem,  sermo  horrebat  incultus.  Da  habe  er  eine 
Vision  gehabt  als  würde  er  vor  Gericht  geschleppt,  gegeisselt  und  ihm 
zugerufen:  Ciceronianus  es,  non  Christianus. 

4.  Für  die  thatsächliche  Religionsfreiheit  sind  bezeichnend  Zusammen- 
stellungen wie  bei  Firmic.  math.  VIII,  24:  sacerdotes,  prophetas,  aruspicee, 
religiöses.  Rhetorische  Uebertreibung  ist  es  wenn  Mamertinus  (grat.  act. 
23,  5)  behauptet  man  habe  unter  den  christlichen  Kaisern  nicht  gewagt 
zum  Himmel  zu  blicken,  ans  Furcht  in  den  Verdacht  des  Sonnencultus 
(28,  6;  vgl.  unten  396,  6.  401,  4.  Anthol.  gr.  III.  p.  148  f.  J.  Anth.lat.  389  R.) 
zu  kommen.  Andrerseits  war  Julians  Regierung  für  die  Christen  mehr 
eine  Versuchung  als  eine  Verfolgung.  Vgl.  Hieronym.  ad  a.  2378  «=  362: 
luliano  ad  idolorum  cultum  converso  blanda  persecutio  fuit,  inliciens  magi» 
quam  impellens  ad  sacrificandum.  in  qua  multi  ex  nostris  voluntate 
propria  corruerunt.  Zu  den  Begriffen  und  Ausdrücken  welche  einen 
gemeinsamen  Boden  für  beide  Religionen  bildeten  gehört  besonders  divi- 
nitas,  das  sich  bei  beiden  Firmicus  findet,  ebenso  bei  Mamertinus  (gtat- 
act.  7,  2  und  28,  4:  pro  sancta  divinitas!  vgl.  ib.  15,  2.  32,  1)  und  Con- 
stantins  instinctu  divinitatis  (Orelli  1075).  Symmach.  ep.  II,  53  (festa  divi- 
nitatis).  VIU,  13.  71  f.  IX,  12.  X,  78.  Noch  Ap.  Sidwi.  (ep.  III,  1.  IV,  6) 
und  Salvianus  (de  gub.  VI,  4.  15.  17.   VII,  3.  9.  10  f.  und  sonst). 

5.  Aussagen  des  Symmachus.  Epist.  III,  11:  trahit  nos  usus  temporis 
in  argutias  plansibilis  sermonis.  .  .  spectator  veteris  monetae  solus  supersum, 
ceteros  delenimenta  aurium  capiunt.  .  .  te  autem  non  paeniteat  scriptorum 
meorum  ferre  novitatem. 


n 


395  f.   üebersicht.   Constiintin  u.  seine  Lobredner.  905 

396.  Dem  Consta ntinus  fehlte  es  nicht  an  Sinn  für377 
die  Literatur,  und  er  verfasste  auch  selbst  Memoiren,  von  welchen 
jedoch  nur  wenige  Spuren  erhalten  sind.  Sicher  betrachtete 
er  aber  die  Literatur  nur  als  Mittel  für  die  Zwecke  seiner  Herr- 
schaft, und  er  liess  sich  daher  auch  gern  die  Lobreden  gefallen 
die  man  ihm  öffentlich  hielt.  Vier  derselben  sind  auf  uns  ge- 
kommen, darunter  zwei  von  dem  Rhetor  Eumenius,  eine  von 
Nazarius.  Von  den  übrigen  Rhetoren  kennen  wir  zwei  auch 
als  Schriftsteller  über  Rhetorik,  Marcomannus  und  Titianus,  beide 
als  Quellen  des  C.  lulius  Victor. 

1.  Ly^dns  de  magistr.  II,  30:  taig  SiaXs^soi  Kcovoravrivov ,  ceg  avtog 
olvL^ia  (ptov^  YQcc'tf/ug  anoXiXotnev.  III,  33:  Koavaxtxvrivog  .  .  tag  avtog  6 
ßaoilevg  iv  toig  iavtov  Isysi  ovyyQaftpLceatv.  .  .  noXvg  mv  iv  rj  ncci-  - 
devcfi  Xoyoav,  Predigten  des  Const  vor  seinem  Hof  und  sonstigen  Zu- 
hörern, Euseb.  vita  Const.  IV,  29  —  33.  Burckhardt,  Constantin  S.  400  f. 
Victor  Epit.  41,  14:  nutrire  artes  bonas,  praecipue  studia  litteramm;  legere 
ipse,  scribere,  meditari.  Eutrop.  X,  7 :  civilibus  artibus  et  studiis  liberaLibus 
deditus.  Optatianus  an  Const.:  eins  imperatoris  qui  inter  belli  pacisque 
virtutes  .  .  etiam  Musis  tibi  familiaribus  adeo  vacas  ut  .  .  huius  etiam 
studii  in  te  micet  splendor  egregias.  Eine  Probe,  von  Constantins  Kunst- 
urteil  unten  398,  1.  Die  in  seinem  Namen  verfassten  Erlasse  haben  den 
seit  Diocletian  dafür  aufgekommenen  bombastischen  Stil,  welcher,  der 
übermenschlichen  Stellung  des  Redenden  entsprechend,  den  Ton  himm- 
lischer Offenbarungen  affectiert.  M.  Voigt,  drei  epigraphische  Constitutionen 
Constantins  d.  Gr.,  Leipzig  1860.  Ueber  seinen  Sohn  Constantius  sagt 
Victor  Caess.  42,  22:  litterarum  ad  elegantiam  prudens  atque  orandi  genere 
leni  iucundoque,  nach  seinem  Tode  aber  die  Epit.  42,  18:  facundiae  cupidus; 
quam  cum  assequi  tarditate  ingenii  non  posset  alifs  invidebat. 

2.  Gesetze  Constantins  vom  J.  321,  326,  333    (Cod.  Theodos.  XIII,  3) 

bestätigen  den  vom  Staat  angestellten  Professoren  und  den  Aerzten  sammt 

ihren  Familien  die  Immunität  bes.  vom  Decurionat  und  vom  Kriegsdienst. 

Er  selbst  schreibt  an  Optatianus:  saeculo  meo  scribentes  dicontesque  non 

aliter  benignus  auditus  quam  lenis  aura  prosequitur.    denique  etiam  studiis 

meritum  a  me  testimonium  non  negatur.    Vgl.  Victor  1.  1.  (A.  1). 

« 

3.  Geschichtschreiber  des  Constantin:    Eusebios'    vita   Constantini   in 

unredlicher,  serviler  Weise  (Burckhardt,  Const.  S.  346  f.  374  f.  389  f.  398  f. 
418);  Praxagoras,  Bemarchios,  Eunapios,  sämmtlich  in  griechischer  Sprache. 

4.  Ueber  des  Eumenius  zwei  Reden  vor  Constantin  s.  oben  387,  8 
(Nr.  3  u.  4). 

5.  Festrede  auf  die  Vermählung  Constantins  mit  Fausta,  der  Tochter 
des  Maximian,  J.  307,  gehalten  zu  Trier  von  einem  ungenannten  gallischen 
Rhetor,  Nr.  V  bei  Jäger.  Des  Schwiegervaters  wiedererwachtes  Gelüste 
nach  der  Herrschaft  wird  durch  eine  Prosopopoee  (Anrede  der  Roma  c.  1 1 : 


906  Die  Kaieerzeit.    Viertes  Jahrhundert   Erste  üälfte. 

quousqae  hoc,  Maximiane,  paiiar  etc.)  in  ciceronischem  Stile  motiviert. 
Anachronistisch  heisst  13,  4  Agrippa  Au^sts  Schwiegersohn  im  actischen 
Kriege.  Vom  Unglück  9,  1:  qoae  non  Ulis  (dis)  volentibus,  sed  aut  alior- 
som  adspicientibus  aut  fatali  rerum  cursu  urgente  videntur  accidere.  Vgl. 
12,  3  vom  Sol:  deus  ille  cuius  dona  sunt  quod  vivimus  et  videmus.  Biirck- 
hardt,  Constantin  S.  353  f. 

6.  Panegyricus  auf  Constantin  (VIII  bei  Jäger),  gehalten  zu  Anfang 
313,  nach  Constantins  Bückkehr  von  seinem  italienischen  Feldzug,  in  Trier 
durch  einen  NichtrÖmer  (1,  2),  welcher  semper  res  a  numine  tuo  gestas 
praedicare  solitüs  est  (1,  1).  Der  Feldzug  wird  verhältnissmässig  einfach 
erzählt,  da  die  Thatsachen  selbst  laut  genug'  sprechen.  Dass  Const  den- 
selben contra  haruspicum  monita  (2,  4)  unternommen  habe  wäre  später 
wohl  nicht  mehr  oder  anders  gesagt  worden.  Ueber  das  Verhältniss  zur 
folgenden  Rede  (IX)  s.  A.  7.  Cicero  heisst  summus  orator  (19,  5),  Vcrgil 
magnus  poeta  (12,  3).  Anspielung  auf  Vergilisches  (quantae  molis  sit  24,  2) 
und  Horazisches  (distentus  24,  2  vgl.  Hör.  S.  II,  6,  40).  Kühnere  Wen- 
dungen werden  entschuldigt  (ut  sie  dizerim  1,  6). 

7.  Hieronym.  chron.  ad  a.  Abr.  2340  «>  324  n.  Chr.:  Nazarius  rhetor 
insignis  habetur.  Vgl.  ad  a.  2352  «»  336:  Nazarii  rhetoris  filia  (nach  Pon- 
tacus:  Eunomia)  in  eloquentia  patri  coaequatur.  Auson.  prof.  Burdig. 
14,  9:  (gloria  fandi)  Nazario  et  claro  quondam  dflata  Paterae  (A.  8)  egregie 
multos  excoluit  iuvenes.  Seinen  Namen  trägt  ein  panegyricus  auf  Con- 
stantin vom  J.  321.  Es  ist  Constantins  15^*'  Regierungsj^hr  (2,  2)  und 
beatissimorum  Caesarum  quinquennia  prima  (1,  1.  2,  3.  38,  2).  Der  Caesar 
Crispus  hat  schon  kriegerische  Leistungen  hinter  sich  (c.  36  f.)  und  Con- 
stantinus  Caesar  kann  schon  schreiben  (37,  5).  Der  Kaiser  selbst  ist  ab- 
wesend (3,  1),  wird  aber  nichtsdestoweniger  fortwährend  angeredet.  Die 
Eroberung  Roms  (J.  312)  pridie  (pridem?)  prolixius  mihi  dicta  sunt  (30,  2). 
Diess  geschieht  in  der  vorausgehenden  Rede  (s.  A.  6);  daher  man  auch 
diese  dem  Naz.  zugeschrieben  hat.  Doch  ist  die  beiderseitige  Eigenthüm- 
lichkeit  der  Identification  nicht  günstig.  Dieselbe  Person  heisst  VTII  Pom- 
peianus,  IX  Ruricius.  In  VIII  ist  Historisches  (bes.  aus  der  röm.  Ge- 
schichte) häufig,  EX  selten.  Der  religiöse  Standpunkt  ist  VIII  vag  deistisch 
(13,  2.  26,  1),  IX  etwas  mehr  christlich  geförbt  (bes.  7,  3  vgl.  auch  c.  14). 
Die  Vorliebe  des  Naz.  für  Substantivbildungen  (ratiocinator,  auxiliator, 
discriminatrix,  concitatrix,  incitatrix,  omatrix,  interpolatrix ;  molitio,  de- 
pulsio  ,  deiectio , .  adeptio ,  insultatio,  exsultatio),  Comparativwendungen 
(benignius  quam  securius  u.  dgl.  2,  6.  1,  3.  3,  4.  25,  3.  26,  1.  27,  4.  28,  5 
u.  sonst)  und  poetische  Ausdrücke  (securus  sui,  aevi  immatums,  immodicus 
animi;  dies  conditur;  praecipitante  die,  relaxaverat  acies;  caeci  eventus, 
cruda  hieme  u.  dgl.)  theilt  VIII  nicht;  die  Nachstellung  von  quippe,  VIII 
nur  in  einer  aus  I  (5,  3)  entlehnten  Stelle  (9,  5),  ist  in  IX  häufig  (1,  2. 
3,  6.  8,  2.  9,  4.  32,  8);  dagegen  kommt  sed  enim  (vero)  in  IX  nicht  vor, 
wohl  aber  VIII  (8,  1.  20,  4);  ebenso  et  quidem,  alioquizi,  der  Inf.  in  der 
Ausrufung  (2,  2).  VIII  hat  eine  ebenso  grosse  Vorliebe  für  daktylischen 
Satzschluss  (z.  B.  c.  3,  5  und  10)  wie  IX  für  bakchischen,  ionischen  und 
trochäischen  (z.  B.  c.  12). 


396.   Nazariua  u.  a.  RhetoreD.  ^  907 

8.  Hieronym.  ad  a.  2352  ==  336  n.  Chr.:  Patera  rhetor  Romac  glorio- 
sifisime  docet.  Epist.  120  (ad  Hedybiam),  1  (Opp.  I.  p.  818  Yall.) :  maiores 
tui  Patera  atque  Delphidius,  quorum  alter  antequam  ego  nascerer  rhe- 
toricam  Bomae  docuit,  alter  me  iam  adolescentulo  omnes  Gallias  prosa 
versuque  suo  illustravit  ingenio.  Ihm  gewidmet  ist  Aason.  prof.  Burdig.  4 
mit  der  Inschrift:  Attius  Patera  pater,  rhetor,  worin  z.  B.  Patera,  fandi 
nobilis  (2),  .  .  iuvenisque  te  vidi  senem  (4),  doctor  potentum  rhetorum  (6). 
tu  BaJocassis  etirpe  Druidarmn  satus  .  .  Beleni  sacratnm  ducis  e  templo 
genuB  (7.  9).  fratri  patriqne  nomen  a  Phoebo  datum  (Phoebicius,  s.  ib. 
10,  17  ff.)  natoque  de  Delphis  tuo  (13  f.).  Der  Sohn,  Attius  Tiro  Del- 
phi dius,  wird  besungen  ib.  5,  worin  z.  B.:  facunde,  docte,  lingua  et  in- 
genio celer,  iocis  amoene  Delphidi,  frühzeitig  poeta  nobilis.  puer  cele- 
brasti  lovem.  mox  inde  .  .  epos  ligasti  metricum.  Dann  als  Redner  be- 
rühmt (vgl.  Ammian.  XVIII,  1,  4  vom  J.  359:  Numerium  Narbonensis 
paulo  ante  rectorem  accusatum  ut  furem  .  .  Delphidius  orator  acerrimus 
vehementer  impognans  etc.)  habe  er  sich  durch  den  Ehrgeiz  in  die  poli- 
tische Laufbahn  drängen  lassen,  die  ihm  aber  beinahe  Verderben  gebracht 
hätte,  mox  inde  rhetor,  nee  docendi  pertinax,  .  .  medio  .  .  aevi  raptus  es. 
Seine  Wittwe  Euchrotia  und  Tochter  Procula  schlössen  sich  an  Priscillianus 
an;  s.  Sulpic.  Sev.  chron.  II,  48,  2  f.  51,  3.  J.  -Scaliger  lect.  auson.  I,  10. 
Vgl.  unten  410,  3. 

9.  Hieronym.  ad  a.  2352  ^=.336  n.  Chr.:  Tiberianus  vir  disertus 
praefectus  praetorio  Grallias  regit.  Wohl  derselbe  Tib.  welcher  J.  326  comes 
per  Africam  (Cod.  Theod.  XII,  5,  1),  J.  332  comes  Hispaniarum  (Cod.  lust. 
VI,  1,  6)  und  336  vicarius  Hispaniarum  war  (Cod.  Theod.  III,  6,  6).  Ein 
anderer  unten  397,  2.  vgl.  388,  7.  Hexameter  eines  Tiberianus  bei  Serv.  Aen.  VI, 
136;  vgl.  ib.  532:  Tiberianus  inducit  epistolam  vento  allatam  ab  antipodibus, 
quae  habet:  Superi  inferis  salutem.  Tiberianus  in  Prometheo  ait,  bei 
Fulgent.  mythol.  HI,  7  (p.  120  M.)  vgl.  I,  26  (p.  62);  Vergil.  contin. 
p.  154  M.  (ut  T.in  libro  de  Söcrate  memorat).  Fulgent.  expos.  serm.  s.  v. 
sudum  (p.  183  M.):  Tiberianus:  aureos  subducit  ignes  sudus  ora  Lucifer. 
Versus  Piatonis  a  quodam  Tiberiano  (Var.  ad  quendam  Tib.)  de  graeco  in 
latinum  translati  in  Haupts  Ausg.  von  Ovids  Halieut.  p.  65  f.  (vgl.  p.  XXVI) 
und  Riese's  Anthol.  lat.  490  (vgl.  ib.  IL  p.  X,  not.  5).  Qnicherat,  Bibl.  de 
r^cole  des  chartes  IV.  p.  267  ff.  Es  sind  32  correcte  Hexameter,  eine 
Anrufung  des  omnipotens,  der  mit  pantheistischer  Färbung  y.  21  f.  ange- 
redet wird:  tu  genus  omne  deum,  tu  rerum  causa  vigorqne,  tu  natura 
omnis,  deus  innumerabilis  unus.  .  Vgl.  M.  Zink,  Fulgentius  S.  69  f. 

10.  Rhetores  latt.  min.  ed.  Halm  p.  371:  C.  lulii  Victoris  ars  rhe- 
torica  Hermagorae,  Ciceronis,  Quintiliani,  Aquili,  Marcomanni,  Titiani  (so 
Mai  und  Bergk;  der  cod.  hat  Taciani).  In  Marcomannus  tritt  erstmals 
ein  deutscher  Name  in  die  römische  Literatur  ein. 

11.  Hieron.  chron.  ad  a.  2361  «»  345  n.  Chr.:  Titianus,,  vir  eloquens, 
praefecturam  praet.  apud  Gallias  administrat.  Er  ist  wohl  der  Cos.  des 
J.  337  TL  Fabius  Titianus;  s.  A.  Haakh  in  Pauly's  Real-Enc.  VI,  2. 
S.  2007,  Nr.  9.  Ein  anderer  ist  wohl  der  Titianus  magister  welcher  als 
Lehrer  eines  Kaisers  compluria  omamenta  erhielt  und  zuletzt  municipalem 


908  I^ie  Kaiserzcit.   Viertes  Jahrhundert.    Erste  Hälfte. 

scholani  apud  VisoDtionem  Lugdunumque  variando  non  aetate  quidem,  scd 
vilitate  consenuit,  AnsOD.  grat.  act.  p.  290  Bip.   Vgl.  noch  A.  10  u.  oben  375, 10. 

12.  Exuperius  aus  Burdigala,  Bhetor  zu  Tolosa  und  zu  Narbo,  Er- 
zieher der  Prinzen  Delmatius  und  Hannibalianus,  welche  J.  335  Cäsaren 
wurden  und  ihm  honorem  praesidis  Hispanumque  tribunal  verschafften, 
Auson.  prof.  Burdig.  17. 

378  397.  Zu  Anfang  des  Jahrhunderts  wurde  der  von  Trebellius 
PoUio  aufgegebene  geschichtliche  Plan  zu  Ende  geführt  durch 
Flavius  Vopiscus  aus  Syrakus.  Ihm  werden  zugeschrieben  die 
Biographien  von'  Aurelianus,  Tacitus  und  Florianus,  der  vier 
Usurpatoren  Firmus,  Saturninus^  Proculus  und  Bonosus,  von  Probus, 
Garus  und  seinen  Söhnen.  Dem  Constantin  gewidmet  sind  die 
den  Namen  des  Aelius  Lampridius  tragenden  Biographien  des 
Elagabal  und  Alexander,  femer  die  dem  lulius  Capitolinus  zu- 
geschriebenen der  beiden  Maximine,  der  drei  Gordiane  sowie  des 
Maximus  und  Balbinus.  Während  die  früheren  einfache  Excerpte 
aus  Marius  Maximus  sind,  scheinen  diese  späteren,  von  Severus 
an,  aus  einer  Mehrheit  von  Quellen  compiliert  zu  sein. 

1.  üeber  die  scriptores  historiae  angustae  überhaupt  8.  ol^Bn  388,  1  ff. 

2.  Yopisc.  Aurelian.  1:  Hilaribus  .  .  impletis  .  .  vehiculo  suo  me  .  . 
praef.  urbis  (J.  303,  s.  Richter,  Rhein.  Mus.  VlI.  S.  18  f.)  .  .  lunius  Tiberianus 
accepit.  Auf  dessen  Aufforderung  bearbeitete  Vopiscus  das  Leben  des 
Aurelianus:  parui  Tiberiani  praeceptis,  accepi  libros  graecos,  .  .  ex  quibus 
oa  .  .  in  unum  libellum  contuli,  nach^Diocletians  Abdankung  (vgl.  44,  2  f.), 
als  Constantius  Imperator  war  (44,  5).  Die  Darstellung  ist  breit;  viel 
unverarbeitetes  MateriaL  Später  die  vita  Taciti  atque  Floriani  (Tac.  16,  5). 
nunc  nobis  adgrediondus  est  Probus.  .  .  haec  ego  in  aliorum  vita  de 
Probo  credidi^praelibanda,  ne  .  .  Probe  indicto  deperirem  (ib.  16,  6  f.). 
Dann  die  des  Probus.  Prob.  1,  6:  non  patiar  ego  ille  a  quo  dudum  solus 
Aurelianus  est  ezpeditus,  .  .  Tacito  Florianoque  iam  scriptis  non  me  ad 
Probi  facta  conscendere,  si  vita  suppetet  omnes  qui  supersunt  usque  ad 
Maximianum  Diocletianumque  dicturus.  neque  ego  nunc  facultatem  elo- 
quentiamque   poUiceor,    sed  res  gestas.    2,  7:  mihi  quidem  id  animi  fiiit 

•  ut  non  Sallustios  .  .  atque  omnes  disertissimos  imitarer  viros  in  vita  prin- 
cipum  et  temporibus  disserendis,  sed  Marium  Maximum  .  .  ceterosque  qui 
haec  et  talia  non  tarn  diserte  quam  vere  memoriae  tradiderunt.  24,  6  ff.: 
haec  sunt  quae  de  Probo  cognovimus.  .  .  nunc  in  alio  libro  .  .  de  Firmo 
et  Satumino  et  Bonoso  et  Proculo  (die  quadriga  tyrannorum)  dicemus. 
.  .  post  inde ..  .  Carum  incipiemus  propagare  cum  liberis.  ßonos.  15,  10: 
supersunt  mihi  Carus,  Carinus  et  Numerianus,  nam  Diocletianus  et  qui 
sequuntur  stilo  maiore  dicendi  sunt.  Car.  18,  3:  post  quos  Diocletiannm 
et  Maximianum  principes  dii  dederunt,  iungentes  talibus  viris  Galerium 
atque  Gonstantium.    Deren  Leben  sei  schon  von  Claudius  Eusthenius  (oben 


397.    VopiscuB.    Lampridius.  909 

388,  9)  beschrieben,  quod  idcirco  dixi  ne  quis  a  me  rem  tantam  requi- 
reret.  Der  ProbuB  ist  einem  Celsinas  gewidmet,  die  quadriga  tyr.  einem  • 
Bassus  (vgl.  unten  398,  2).  Firm.  2,  1:  scis,  mi  Basee,  quanta  nobis  con- 
tentio  proxime  fuerit  cum  amatore  historiarum  M.  Fonteio,  .  .  contra  ego 
mecumque  Bufus  Celans  et  Ceionius  lulianns  et  Fabius  Sosianus  conten- 
derent  etc.  Andere  Zeitgenossen  der  Gos.  Furius  Placidus  (Aurel.  15,  4) 
und  lunius  Messala  (Car.  20,  4).  Des  Yopiscus  Grossvater  (Sat.  9,  4.  Bon. 
15,  4.  Car.  13,  3.  14,  1)  und  Vater  (Aurel.  43,  2)  hatten  eine  angesehene 
Stellung.  Yop.  selbst  lebte*  zu  Bom  als  Anhänger  der  alten  Religion,  deren 
Superstition  er  theilte  (Aurel.  21,  4;  doch  mendacia  haruspicum,  Tac.  15, 
4.)  Auch  an  die  Wunder  des  ApoUonius  von  Tyana  glaubt  er  und  ver- 
spricht (Aurel.  24,  9),  si  vita  suppetit,  .  .  breviter  saltem  tanta  viri  facta 
in  litteras  mittam.  Bei  jeder  Gelegenheit  liebt  Vop.  seine  Kenntnisse  aus- 
zukramen. Benützung  von  Urkunden.  Bei  Verschiedenheit  der  Quellen- 
angaben gewöhnlich  in  medio  relinquere,  z.  B.  Aurel.  16,  2  f.  Prob.  3,  3. 
Car.  .4,  1  ff.  Vgl.  F.  Richter,  Rhein.  Mus.  VII.  S.  17  —  20.  H.  Peter,  hist. 
crit  p.  10—13. 

3.  Clod.  Albin,   (nach    BP  lulii  Capitolini)   4,  2:   quae  familia  hodie 
quoque,  Constantine  maxime,  nobilissima  est.   Maximini  II  (nach  BP  gleich- 
falls von  lul.  Cap.)  1,  1 :  ne  fastidiosum  esset  clementiae  tuae,  Const.  max., 
singuloB  quosque    principes   .  .  per   libros   singulos  legere,  adhibui  mode- 
rationem.    Ebenso  Gordiani  III  (lul.  Cap.  nur  nach  ed.   princ.)  1,  1:  fuerat 
quidem  consilium,  venerabilis  Auguste,  ut  singulos  quosque  imperatores  .  . 
libris  singulis  ad  tnam  clementiam  destinarem.     .  .   sed   inprobum  visum 
est  etc.    Vgl.  ib.  34,  6:  quae  omnia,  Constantine  uüäxime,  idcirco  sum  per- 
secutus  ne  quid  tuae  cognitioni  deesset.    Geta  (nach  ed.  pr.   von  Spartian, 
vgl.  A.  4)  1,  1 :  scio,  Constantine  Aug.,  et  multos  et  clementiam  tuam  quae- 
stionem  posse  m(tVere  cur  etiam  Geta  Antoninus  a  me  tradatur.    Heliogab. 
(nach  BF  Aeli  Lampridii)  2,  4:  Antoninorum  nomen,  quod  tu,   Constantine 
sacratissimc,  ita  veneraris  ut  etc.   34,  1:  mirum  fortasse  cuipiam  videatur, 
Constantine  venerabilis,  quod  etc.  c.  35  (vgl.  A.  4).   Alexänd.  (Aeli  Lampridii 
nach  BP)  65,  1:  soles  quaerere,  Constantine  maxime,  quid  sit  quod  etc. 

4.  Dem  Lampridius  werden  durch  die  Hdschrr.  zugetheilt  ausser 
Elagabal  und  Alexander  auch  Commodus  und  Diadumenus.  Letzterer  wird 
am  Schluss«  des  Elagabal  versprochen.  Die  Ueberein Stimmung  in  den 
Eigenthümlichkeiten  der  Darstellung  macht  wahrscheinlich  dass  auch  Per- 
tinax  und  Geta  von  demselben  Verfasser  sind  (E.  Brooks  p.  32 — 39).  He- 
liog.  35:  cuius  vitam  me  invitum  et  retractantem  ex  Graecis  Latinisque 
collectam  scribere  ac  tibi  offerre  voluisti,  cum  iam  aliorum  ante  tulerimus. 
scribere  autem  ordiar  qui  post  sequentur.  quorum  Alexander  optimus  et 
cum  cura  dicendus  est,  .  .  Aurelianus  praecipuus  et  .  .  auctor  tui  generis 
Claudius,  de  quo  vereor  ad  clementiam  tuam  scribens  vera  dicere,  ne 
malevolis  adulator  .videar  esse.  .  .  his  iungendi  sunt  Diocletianus  .  .  et 
Maximianus  .  .  ceterique  ad  pietatem  tuam.  te  vero,  Auguste  venerabilis, 
multis  paginis  isdemque  disertioribus  illi  proseqnentur  quibus  id  felicior 
natura  detulerit.  his  addendi  sunt  Licinius,  Severus  atque  Maxentius,  quo- 
rum omniüm  ins  in  dicionem  tuam  venit  (J.  323),  sed  ita  ut  nibil  eorum 


910  Die  Eaiserzeit.   Viertes  Jahrhundert  Erste  Hälfte. 

virtuti  derogetur.  non  enim  ego  id  faciam  qnod  pleriqne.  scriptores  solent, 
ut  de  üs  detraham  qui  victi  sunt.  Auch  sonst  zeigt  Lampr.  moralisches 
und  patriotisches  GefQhl ;  s.  Heliog.  1,  1  f.  34,  1  f.  Alex.  1.  2.  Jene  weiter- 
gehenden Absichten  kamen  wahrscheinlich  nicht  vollständig  zur  Ausführung 
(Alex.  64,  2:  Aurelianum  et  deinceps.  de  quibus,  si  Tita  suppeditaverit, 
ea  quae  comperta  fnerint  publicabimus) ;  jedenfalls  sind  die  späteren  vitae 
nicht  erhalten. 

6.  Durch  die  Hdss.  dem  Capitolinus  zugeschrieben  wird  die  vita 
der  Maximini,  sowie  durch  die  ed.  pr.  die  darauffolgenden  der  Gordiani, 
des  Maximus  und  Balbinus.  Die  Behandlung  und  Darstellung  ist  in  allen 
dreien  wesentlich  die  gleiche  (Brooks  p.  1 — 14):  die  selbstgeföJlige  Polemik 
gegen  Vorgänger  (bes.  Cordus),  das  Interesse  für  Literarhistorisches,  die 
Benützung  auch  griechischer  Quellen,  das  Streben  nach  rhetorischem  An- 
strich (bes.  Anaphora).  Die  sachlichen  Abweichungen  zwischen  den  Maxi- 
mini und  den  beiden  andern  yitae  (B.  Schulz,  Berl.  Zeitschr.  f.  Gymn.  XIX. 
1865.  S.  932 — 937)  erklären  sich  aus  dem  Befolgen  verschiedener  Quellen. 
Ueber  das  Verhältniss  zu  Herodian  s.  Brooks  p.  46—69.  Brooks  (p.  14 — 21) 
vindiciert  auch  die  vitae  des  Clodius  Albinus,  Opilius  Macrinns  und  Alexander 
dem  Capitolinus,  gibt  dabei  aber  zu  dass  dieselben  non  plane  eodem 
tumido  stilo  conscriptae  seien  wie  die  der  Maximini  u.  s.  w.  üeber  diese 
und  andere  den  Namen  des  Cap.  tragende  vitae  s.  oben  388,  4.  Zur  Cha- 
rakteristik des  Cap.  vgl.  Gordian.  21,  3  f.:  haec  de  Gordiano  iun.  digna 
memoratus  comperimus;  non  enim  nobis  talia  dicenda  sunt  quae  lunius 
Cordus  ridicule  ac  stulte  composuit  (oben  377,  7).  .  .  quorum  etiam  scientia 
null!  rei  prodest,  si  quidem  ea  debeant  in  historia  poni  ab  historiographis 
quae  aut  ingienda  sint  aut  sequenda.  Max.  et  Balb.  4,  5:  placet  aliqua 
dici  de  moribus  atque  genere,  non  eo  modo  quo  lunius  Cordus  est  perse- 
cutns  omnia,  sed  illo  quo  Suetonius  Tranquillus  et  Vaferius  MarceUinivs. 
Maximin.  29,  6  (vgl.- 28,  10):  ne  qui^  praetermissum  esse  videatur;  33,  4: 
ne  quis  me  hoc  nescisse  credejet. 

6.  Capitol.  Max.  II.  1,  2:  servavi  hunc  ordinem  quem  pietas  tna 
(Constantin)  etiam  ab  Tatio  Cyrillo  clariss.  viro,  qui  graeca  in  latinum 
vertit,  servari  voluit. 

7.  Ueber  die  Memoiren  Constantins  und  seine  Geschieh tschi^eiber  s. 
396,  1.  3;  über  die  Welt-  und  die  Stadtchronik  aus  dem  J.  334  s.  unten  407. 

379  398.  In  gebundener  Form  schrieben  unter  Constantin 
Optatianus  und  luvencus.  Publilius  Porfirius  Optatian^us  er- 
wirkte sich  durch  ein  Lobgedicht  auf  Constantin  von  aberwitziger 
Eünstlichkeit  Rückberufung  aus  der  Verbannung  und  die  Huld 
des  Kaisers.  Der  spanische  Presbyter  C.  Vettius  Aquilius  luvencus 
aber  verfasste  Bearbeitungen  der  alt-  und  neu -testamentlichen 
Geschichte  im  epischen  Versmass  und  in  der  Phraseologie  der 
.  römischen  Epiker,  besonders  des  Vergil,  jedoch  in  einer  sehr 
sehwankenden  Prosodie. 


'397  f.  CapitolinuB.    Optatianus.  '  911 

1.  Hieron.  ad  a.  Abr.  2345  »  Const.  23  =  329  n.  Chr.:  Porfirius  misso 
ad  Confitantinuin  insigni  volumine  exilio  liberatur.  Dieses  volumen  ist  er- 
halten nebst  dem  Belobnngsschreiben  Constantins  und  der  Danksagung  des 
Optatianus  für  die  gnädige  Aufnahme.  Aus  Constantin^s  Schreiben:  si  tantum 
pondus  et  gravitas  spectarentur  in  carmine,  et  gjraeca  post  chium  maeo- 
niumque  yatem  et  latina  post  rusticum  mantuanum  eloquentia  siluisseti  .  . 
frater  carissime.  .  .  gratum  mihi  est  studiomm  tuorum  facilitatem  in  illud 
exisse  ut  in  papgendis  versibns,  dum  antiqua  servaret,  etiam  nova  nova  Ijra 
conderet.  vix  hoc  custoditum  pluribus  fuit,  qui  modis  quibusdam  arctis 
innexi  litterarum,  distinctionibus  versuum  —  qui  ita  medium  corpus  pro- 
positi  occulte  permeant  ut  oculorum  sensus  interstincta  colorum  pigmenta 
delectent  —  hoc  tenuere  propositum  ut  etc.  .  .  gratum  igitur  hoc  mihi 
dicationis  tuae  munus  fuit.  exercitatio  mentis  et  naturae  facilitas  compro- 
bata  est.  Optatianus  dankt  dann  Domino  Constantino  maximo,  pio,  invicto 
et  venerabili,  semper  aususto  dass  er  Carmen  quod  artioribus  Musarum 
ligaveram  vinculis  sogar  gelesen  habe.  Zweifelhaft  ist  ob  er  mit  dem 
Stadtpräfect  Ton  Rom  dieses  Namens  in  den  J.  329  u.  333  identisch  ist. 
Vgl.  TiUemont,  bist,  des  emp.  IV.  Constantin,  art.  LXI,  und  notes  sur 
Const.  LH. 

2.  J.  Burckhardtf^Constantin  S.  314  f.:  „Das  unerreichte  hat  iil  diesen 
zum  Theil  erstaunlich  schwierigen  Spielereien  Publilius  Optatianus  Porfirius 
geleistet.  Er  war  aus  irgend  einem  Grunde  in  die  Verbannung  geschickt 
worden  und  legte  es  nun  darauf  an  durch  ganz  verzweifelte  poetische 
Luftsprünge  sich  bei  Const.  wieder  zu  Gnaden  zu  bringen,  was  ihm  auch 
gelang.  Es  sind  26  Stück  Gedichte,  meistens  in  20-— 40  Hexametern,  jeder 
von  gleich  viel  Buchstaben,  so  dass  jedes  Gedicht  wie  ein  Quadrat  aus- 
sieht. Eine  Anzahl  Buchstaben  aber  welche,  durch  rothe  Farbe  erkennbar, 
zusammen  irgend  eine  Figur  (z.  B.  das  Monogramm  XP)  vorstellen,  bilden, 
zusammengelesen,  wieder  besondere  Sprüche.  Die  Marter  die  der  Leser 
empfindet  lässt  auf  die  des  Dichters  schliessen.  .  .  Am  Ende  folgen  vier 
Hexameter  deren  Worte  man  auf  18  verschiedene  Weisen  durcheinander 
mischen  kann,  so  dass  inmier  wieder  eine  Art  von  Metrum  und  Sinn  heraus- 
kommt." Vgl.  L.  Müller  de  re  metr.  p.  466—470.  Solche  durch  die  roth- 
geschriebenen Buchstaben  entstehende  Sätze  sind:  Publilius  Optatianus 
Porfirius  haec  lusi;  omne  genus  metri  tibi  pangens,  optime  Basse;  orbem 
totum  pacavit  trucidatis  tyrannis;  sit  victoria  comes  Aug.  et  natis  eius; 
Constantine  maxime  imperator  et  invicte  .  .  omnia  magnus.  Ein  Theil 
bildet  auch  Akrosticha,  wie:  omnipotens  genitor,  tuque  o  divisio  mixta, 
filius  atque  pater  et  sanctus  spiritus  unum,  faveas  votis.  Für  jedes  Stück 
liegt  eine  Gebrauchsanweisung  des  Verf.  bei.  Das  erste  Gedicht  lässt  die 
Thalia  in  Traue?ranzug  erscheinen:  cum  dederit  Clemens  veniam  natumque 
laremque  reddiderit,  comptis  ibis  et  ipsa  comis. 

3.  Ausgaben  in  P.  Pithoei  poemata  vett.,  Paris.  1590.  Lugd.  1596. 
Publ.  Opt.  Porf.  panegyricuB  dictus  Constantino  Aug.  ex  codice  mpto  Paulli 
Velseri,  Augsburg  1595,  fol.  und  in  Marci  Velseri  opera  (Nürnberg  1682 
fol.)  als  unpaginierter  Anhang.  Drei  Proben,  die  Gedichte  welche  eine  ara 
pythia,  eine  syrinx  und  eine  Orgel  (organon)  darstellen,  mit  Einl.-u.  Comm. 


912  Die  Kaiserzeit.    Viertes  Jahrhundert.    Erste  Hälfte. 

bei  Wemsdorf,  poetae  latt.  min.  11.  p.  S66 — 413.  F.  Liceti  encyclop.  ad 
Syriogam  Porphyrü,  Padaa  1635.  4.  Die  versus  anacyclid  auch  im  cod. 
Salmasianus  (Riese's  anthol.  lat  I.  p.  92  f.).  Mit  anderen  in  Meyer's  anth. 
lat  nr.  236—240.  Migne's  Patrolog.  XIX.  p.  391  ff.  Angekflndigt  eine  Ausg. 
von  Luc.  Müller  (Bibl.  Teubner.). 

4.  Hieron.  ad  a.  Abr.  2346  »  Const  23  »  329  n.  Chr.:  luvencus 
presbyter  natione  Hispanus  evangelia  heroicis  versibus  explicat.  VgL  Epist. 
70,  6  (I.  p.  430  Vall.)  und  De  vir.  ill.  84:  luvencus,  nobilissimi  generis 
Hispanus  presbyter,  quattuor  evangelia  hexametris  versibus  paene  ad  ver- 
bum  transferens  quattuor  libros  composuit  et  nonnulla  eodem  metro  ad 
sacramentorum  ordinem  pertinentia.  floruit  sub  Constantino  principe.  Vgl. 
luvenc.  bist.  ev.  IV,  808  f. 

6.  Schriften  des  luvencus.  1)  Historia  evangelica  in  vier  Büchern, 
hauptsächlich  nach  Matthäus.  Die  Evangelien  sind  in  einer  lateinischen 
Uebersetzung  benützt.  2)  Historia  veteris  testamenti.  Ein  cod.  Lorscheusis 
scti  Nazarii  enthielt  nach  einem  Verzeichniss  saec.  XI:  Cypriani  (vielmehr 
luvenci)  metrum  super  Heptateuchum ,  libros  regum,  Esther,  ludith  et 
Macchabaeorum.  Lange  wareu  aber  nur  etwa  350  Hexameter  über  die 
Genesift  bekannt,  welche  dann  Martene  (Collectio  vett.  scriptt.  1724;  Gallandi 
Bibl.  patr.  IV.  p.  587  if.)  aus  einem  sehr  alten  (angeblich  saec.  VII)  codex 
Corbeiensis  (=»  Sangermanensia  841  in  Paris)  um  ungefähr  1200  vermehrte. 
Am  Schlüsse  (von  luvenci  Historia.  Genesis) :  Incipit  Exodus,  welcher  Theil 
aber  fehlt.  Weitere  3266  Verse  hat  aus  drei  Hdss.  (Cantabrigiensis  und 
zwei  Laudunenses,  aus  Laon),  welche  aber  aus  derselben  Urhandschrift 
stammen  (Pitra  p.  XXXVII  f.),  veröffentlicht  J.  B.  Pitra,  Spicilegium  Soles- 
mense  I  (Paris  1852)  p.  171—258  (vgl.  p.  XXXV— XLV),  nämlich  a)^  54 
weitere  Hexameter  zur  Genesis;  b)  metrische  Bearbeitung  der  Exodus, 
V.  55  —  1392  (1388);  c)  Proben  aus  der  (in  den  Hdss.  vollständigen)  Be- 
arbeitung von  Leviticus,  Numeri  und  Deuterouomium  p.  224—258.  d)  Buch 
Josua,  586  Hexameter,  p.  208—223.  Das  Lied  des  Moses  (Deuteron.  32)  ist 
in  phaläkischen  Hendekasy Ilaben  gehalten  (p.  253 — 258).  Auch  das  Buch 
,  der  Richter  und  die  der  Könige  waren,  wie  es  scheint,  mitbehandelt.  Vgl. 
oben  21,  3. 

6.  Ueber  die  Quantität  der  Vocale  verräth  luvencus  sehr  unsichere 
Vorstellungen.  Er  gebraucht  den  Diphthongen  ae  (unter  Vermittlung  der 
Schreibung  e?)  häu6g  kurz  (z.  B.  in  den  Hexameterausgängen  Aegypti, 
praesentat,  aetemae,  maerente),  ebenso  ämissae,  protinus  u.  dgl.;  dagegen 
kurze  Vocale  als  lang,  nicht  blOs  in  der  Cäsur,  wie  das  a  des  neutrum,  us 
der  zweiten  Declination ,  ferner  läborum ,  läticibus ,  cnpitum ,  fugacem, 
futurum  u.  dgl.  Besonders  im  Anfang  und  am  Schlüsse  des  Verses  sind 
solche  Incorrectheiten  häufig.  Archaistische  Formen  (wie  mage,  dicier, 
miscerier,  faxunt,  cleptat,  lampada)  werden  nach  Versbedürfniss  angewandt 
In  den  Hendekasyllaben  steht  statt  des  ersten  Trochäus  häufig  ein  lambus. 
Andere  Proben:  cuius  gloriäe  convenft  honores  (1080);  cui  semper  valid& 
vigent  inventa  (1083);  illos  bestiae  mordicus  vorabunt  (1159);  quam  dum 
stelligerä  per  astra  tollo  (1183);  quem  cunctus  populüs,  aug^li  laudant  (1190); 
parcit  BubditTs  et  pios  reservat  (1194). 


398  f.   luvencns.     Fragmenta  yaticana.  913 

7.  Eine  yoUständige  Ausgabe  des  luv.  gibt  es  noch  nicht.  Von  den 
älteren  sind  etwa  zu  erwähnen:  ed.  princeps,  Daventriae  um  1490.  4.  Stu- 
dio Th.  Poelmanni,  Basil.  1551.  Cum  notis  ed.  Krh.  Keasch,  Frankf.  1710. 
Ad  Taticanos  codd.  rec.  F.  Arevalus,  Rom.  1792.  In  Migne's  Patrolog.  XIX. 
0.  Korn,  die  Handschriften  der  bist,  evang.  des  luv.  in  Danzig,  Born  und 
Wolfenbüttel;  ein  Beitrag  zur  Kritik  des  luv.,  Danzig  1870.  4.  (Leipzig, 
Teubner).  —  A.  B.  Gebser,  de  C.  Yett  Aq.  luy.  yita  et  scriptis,  Jena  1827. 

8.  Bemerkens werthe  althochdeutsche  Glossen  zu  luy.  bist,  evang.  bei 
Pitra  1.  1.  p.  269—261. 

9.  Aus  Julian*s  Zeit  vielleicht  Claudii  hymnus  auf  Luna  »■  Isis  s»  Inno 
»  Cybebe,  AnthoL  lat  723  B. 

399.  Die  Jurisprudenz  zeigt  in  der  constantinischensso 
Zeit  noch  einiges  Leben^  beth'ätigt  sich  aber  ausschliesslich  im 
Sammehi  und  Epitomieren.  Ihr  gehören  die  beiden  letzten  Ju- 
risten an  von  welchen  sich  in  den  Digesten  Excerpte  finden^ 
Aurelius  Arcadius  Charisius,  Verfasser  von  juristischen  Mono- 
graphien^ und  Hermogenianus,  der  Urheber  des  codex  Hermo- 
genianus  und  eines  Auszuges  aus  dem  Juristenrecht  (epitomae 
iuris).  Ebenso  ist  noch  bei  Constantins  Lebzeiten  verfasst 
die  Sammlung  von  Rechtsquellen  welche  Fragmenta  vati- 
cana  genannt  zu  werden  pflegt.  Sie  war  wohl  eine  Privat- 
arbeit von  gleichem  Inhalte  wie  die  später  von  Justinian  ange- 
ordnete, gibt  aber  die  benützten  Quellen  mit  grösserer  Treue 
wieder  als  die  justinianische  und  war  daher  vielleicht  noch  um- 
fangreicher als  diese;  sicher  indessen  ist  sie  mit  weniger  Sach- 
kenntnisse Sorgfalt  und  praktischem  Geschick  angelegt.  Sie 
umfasste  sowohl  kaiserliche  Constitutionen  als  Auszüge  aus  den 
Schriften  älterer  Rechtsgelelirten;  insbesondere  des  Ulpian  sowie 
des  Paulus  und  Papinianus.  Von  dem  ursprünglichen  Ganzen 
ist  uns  nur '  ein  -kleiner  Theil  durch  ein  Palimpsest  in  der  Vati- 
cana  erhalten,  und  auch  dieser  nur  theilweise  vollständig. 

1.  Im  Leben  bethätigt  sich  die  Bechtekenntniss  einzig  in  dem  Berufe 
des  Anwalts  und  fdllt  mit  der  Beredtsamkeit  zusammen.  Bei  dem  Astro- 
logen und  ehemaligen  Anwalt  Firmicus  werden  unter  den  zahlreichen  Be- 
rufsarten die  er  erw&hnt  Bechtsgelehrte  niemals  genannt,  wohl  aber  z.  B. 
VIII,  27  g.  E. :  advocati  optimi  et  regum  amici  ac  praecipni  oratores.  Auch 
im  kaiserlichen  Cabinet  sind  nach  ihm  nicht  sowohl  Juristen  verwendet  als 
Stilisten;  vgl.  z.  B.  VIU,  %1\  regum  interpretes  vel  magistros,  scribas  quo- 
que  et  sacrarum  (kaiserliche)  litterarum  officia  tractantes.  SO:  litterar  um 
officia  tractantes,  regibus  notos  et  eorum  scribas.  Vgl.  Mamertin.  grat. 
act.  20,  1:  iuris  civilis  scientia,  quae  Manlios,  Scaevolas,  Servios  in  amplis- 
simum  gradum  dignitatis  evexerat,   libertinorum  artificium  diccbatnr  (von 

TsvvFBii.  Bona.  Literftturgegohichte.   8.  Aufl,  58 


914  Die  Eaiserzeit.    Viertes  Jahrhundert.    Erste  Hälfte. 

den  Vornehmen  des  byzantinischen  Hofes).  Dagegen  von  Julian  qui  in 
oratoria  facultate,  qui  in  scientia  iuris  civilis  excellit  ultro  ad  familiaritatem 
vocatur  (ib«  25,  3).  Ammian.  XXX,  4, 11  f.  (J.  374):  secundnm  est  genus  eorum 
qui  iuris  professi  seien tiam,  .  .  nt  altius  videantur  iura  callere,  Trebatium 
loquuntur  et  Cascellium  etc.  ib.  16  f.  (von  den  B^chtsan walten):  e  qui- 
bus  ita'sunt  rüdes  nonnulli  ut  numquam  se  Codices  habuisse  meminerint. 
et  si  in  circulo  doctorum  auctoris  veteris  inciderit  nomen,  piscis  aut  edulii 
peregrinum  esse  vocabulum  arbitrantur. 

2.  Dig.  I,  11,  1:  Aurelius  Arcadius  Charisius,  magister  libellorum, 
libro  singulari  de  officio  praefecti  praet.  (worin  •  er  die  Verordnung  Con- 
stantins  vom  J.  331  über  dessen  Competenz  bereits  kannte).  Darauf  be- 
zieht sich  AvQi^lUog  6  vofunog  bei  Lyd.  de  magistr.  I,  14.  Dig.  L,  4,  18: 
Arcadius  Charisius  libro  singulari  de  muneribus  civilibus.  Ausserdem  vier 
Fragmente  aus  seinem  liber  sing,  de  testibus,  Dig.  XXII,  5,  1.  21.  25.  (Are. 
qui  et  Charisius)."  XLVIII,  18,  10.  Chr.  Rau,  de  Aur.  Are.  Ch.  vetere  icto, 
Lips..  1773.   4. 

3.  '  lieber  Hermogenianua  und  den  Codex  Hermog.  s.  oben  389,  3  f. 

4.  Das  Palimpsest  der  Fragm.  vat.  stammt  aus  dem  Kloster  Bobio  (bei 
Piaccnza),  von  wo  der  erste  Theil  (sechs  Blätter,  ursprünglich  beschrieben  mit 
Theilen  des  cod.  Theod.,  dann  mit  Cassian.  coli.  3  u.  4)  nach  Turin  kam,  der 
viel  grössere  zweite  aber  (100  Blätter,  wovon  57  mit  Cassian.  coli.  4 — 10 
überschrieben)  nach  Rom  in  die  Vaticana  (Nr.  576C).  Von  den  57  doppelt 
beschriebenen  Blättern  dieses  cod.  vat.  gehören  33  zu  obigem  Sammelwerke, 
22  zum  cod.  Theod.,  2  zur  lex  rom.  Burgundionum.  Die  ursprüngliche 
Schrift  ist  dieselbe  wie  im  veroneser  Gaius  (oben  357,  5)  und  in  den  Dig. 
florentina,  wahrscheinlich  aus  Ende  von  saec.  IV  oder  Anfang  von  V.  Die 
ursprünglichen  Quatemionen  wurden  (wahrsch.  saec.  VIII)  für  das  Neu- 
beschreiben  der  Länge  nach  so  zerschnitten  dass  aus  zwei  zusammenge- 
hörigen Blättern  drei  neue  wurden.  Verloren  gegangen  ist  von  dieser 
Handschrift  des  Cassian  (s.  unten  450)  der  Anfang  (coli.  1.  2)  und  der 
Schluss  (c6ll.  11 — 24).  Nach  Herstellung  der  ursprünglichen  Ordnung  wur- 
den 18  vollständige  Blätter  gewonnen,  '2  welche  %  und  8  welche  %  des 
juristischen  Textes  enthalten.   Von  dem  ursprünglichen  Umfange  des  Wer- 

• 

kes  ist  diess  aber  sicher  nur  ein  kleiner  Theil.  Verbesserungen  des  Textes 
theils  vom  ursprünglichen  Schreiber  theils  von  demjenigen  Besitzer  der 
Handschrift  welcher  (etwa  ein  Menschenalter  später)  die  Schollen  auf 
dem  Rande  und  zwischen  den  Zeilen  beigeschrieben.  Dieselben  sind  un- 
gleich vertheilt,  am  häufigsten  im  Titel  de  donationibus ,  und  meist  kurz 
(Stellennachweise,  Citate  u.  dgl.). 

6.  Auffindung  (J.  1821)  jmd  erste  Herausgabe  durch  Ang.  Mai:  Iuris 
civilis  anteiust.  reliquiao  ineditae  ex  cod.  rescripto  bibl.  pontif.  vaticanae, 
Rom.  1823.  118  pp.  =  Paris  1823  und  (mit  Eintheilung  in  341  §§.)  Berol. 
1824.  Recogn.,  comra.  crit.  et  exeg.  instr.  A.  de  Buchholtz,  Königsberg 
1828.  Recogn.  A.  Bethraan-Hollweg,  Bonn  1833.  12,  (=  Corpus  iur.  civ. 
anteiust.  I.  p.  229—302).  Nach  D.  Detlefsens  sorgfältiger  Nachvergleichung 
herausgeg.  von  Th.  Mommson  in  einer  grössern  (Quart-)  Ausgabe  (Codicis 


399.    Charisius.   Fragmenta  vaticana.  915 

vaticani  5766,  in  quo  insunt  iuris  anteiust.  fragmenta  q.  d.  vaticana,  ezem- 
plum  addita  transcriptione  notisque  critt.  edidit,  Abhandl.  der  Berl.  Ak. 
vom  J.  1859,  Berlin  1860,  p.  265—408;  Text  p.  266  —  377)  und  in  einer 
kleineren  (Bonn.  1861,  XXIV  u.  144  pp.  12.}.  In  Huschke's  iurisprud. 
anteiust.'  p.  610—721  (Text  p.  622  ff.). 

,6.  Die  üeberschrifb  des  Werkes  ist  nicht  erhalten.  Von  einer  Ein- 
theilung  in  Bücher  ist  keine  Spur,  wohl  aber  (wie  bei  cod.  Hermog.  und 
GoUatio)  in  Titel  (species),  die  über  je  zwei  Seiten  vertheilt,  aber  nicht 
numeriert  sind.  Die  Quellen  sind  je  zu  Anfang  beigeschrieben  (z.  B.  2: 
Papinianus  libro  III  responsorum)  und  gelten  so  lange  fort  bis  eine  neue 
genannt  ist.  Hauptgrundlage  Ulpiail,  bes.  ad  Sabinum  und  de  excusationibus 
s»  de  officio  praet.  tutel.  (obefb  372,  2).  Die  Schrift  eines  Ungenannten 
(Yenuleius  Saturninus?  vgl.  oben  356,  6)  de  interdictis  ist  90-;- 93  aus- 
führlicher citiert  (.  .  libro  I  de  interdictis  sub  titulo  in  eum  qui  etc.)  als 
sonst  zu  geschehen  pflegt  und  ist  daher  wohl  späterer  Zusatz  von  anderem 
Urheber  (Mommsen  p.  396).  Vgl.  Huschke  p.  615  f.  Diese  Excerpte  sind 
in  ihrer  ursprünglichen  Gestalt,  ohne  Abänderung  und  Verarbeitung, 
gegeben,  und  darin  besteht  der  Hauptwerth  dieser  üeberreste. 

7.  Die  kaiserlichen  Erlasse  sind,  wie  im  cod.  lust.  und  dessen  Quellen 
(vgl.  oben  389,  2),  mit  Ueberschrift  und  Unterschrift  mitgetheilt,  ohne 
Nennung  der  Sammlungen  woraus  sie  entnommen  sind.  Cod.  Theodos.  ist 
in  den  Fragm.  vat.  nicht  benützt,  da  hier  die  betr.  Rescripte  in  voll- 
ständigerer Fassung  gegeben  sind  als  im  Theod.  Wohl  aber  ist  cod. 
GregorianuB  und  Hermog.  stark  ausgebeutet.  Dazu  Rescripte  (bes.  der 
Jahre  296  n.  298)  aus  dem  westlichen  Beichstheile,  von  Maximian  erlassen, 
die  sich  nicht  im  cod.  lust.  finden  und  die  vielleicht  aus  einer  Ausgabe  des 
cod.  Hermog.  stammen  welche  später  und  vollständiger  war  als  die  von. 
den  Byzantinern  zu  Grund  gelegte  (vgl.  oben  389,  3).  Endlich  Verordnungen 
aus  Constantins  Zeit  in  unverkürzter  Fassung,  die  Aufschriften  überdiess 
anders  ^  gehalten  als  im  cod.  Greg,  und  Hermog.  Die  späteste  erwähnte 
kaiserliche  Verfügung  (§.  37)  ist  von  Valentinian  (J.  369—872),  die  nächst- 
vorhergehende aber  aus  Constantins  Regierung  (J.  312—337).  Jene  valen- 
tinianische  scheint  daher  gleichfalls  (s.  A.  6)  ein  späterer  Zusatz,  zumal  da 
sie  sich  durch  ihre  umständliche  und  schwülstige  Fassung  von  den  übrigen 
der  Sammlung  unterscheidet,  mit  Ausnahme  derer  aus  J.  316  (§.  249),  330 
(§.  248),  337  (§.  35),  welche  daher  vielleicht  ebenfalls  erst  nachträglich 
hinzugefügt  sind.    Vgl.  A.  9. 

8.  Das  Erhaltene  ist  aus  den  Titeln  ex  empto  et  venditp,  de  usoirnctn, 
de  re  uxoria  ac  dotibus,  de  excusatione  (besonders  ausführlich),  quando 
donator  intellegatur  revocasse  voluntatem,  ad  legem  Cinciam  de  donationibus, 
de  cognitoribus  et  procuratoribus.  Die  Anlage  ist  planlos.  Im  Ganzen 
ist  auch  hier  (vgl.  389,.  2)  die  Ordnung  des  Edicts  befolgt,  doch  mit  un- 
verständlichen Abweichungen  (Mommsen  p.  401).  Innerhalb  der  einzelnen 
Titel  selbst  sind  weder  Excerpte  aus  Juristen  und  Rescripte  geschieden 
und  in  regelmässiger  Folge  aufgeführt  noch  bei  letzteren  die  Zeitordnnng 
eingehalten ;  Wiederholungen  und  Widersprüche  sind  nicht  selten.  Minder 
geläufige  Abkürzungen  werden  unrichtig  aufgelöst  (z.  B.  f.  e.  durch  factum 

68* 


916  Die  Eaiserzeit.   Viertes  Jahrhundert   Erste  Hälfte. 

est  statt  familiae  erciscundae;  1.  c.  durch  litium  causa  statt  litis  contestatio). 
Der  Verf.  muss  daher  mangelhafte  Sachkenntniss  gehabt  und  flüchtig  ge- 
arbeitet haben.  Mommsen  p.  401  —  403.  Die  Bestimmung  der  Sammlung 
war  ohne  Zweifel  für  gerichtlichen  Gebrauch;  auf  amtlichen  Charakter  aber 
deutet  nichts.  Angeführt  wird  sie  nie.  Abfassung  durch  Mehrere  (Huschke ' 
p.  616  f.)  ist  nicht  erwiesen.  Ob  das  Werk  jemals  ganz  fertig  wurde  ist 
nicht  bekannt. 

9.  Abfassung  jedenfalls  vor  cod.  Theod.  (s.  A.  7;  also  yor  438)  und 
vor  dem  Citiergesetz  (J.  426),  da  Gajus  nicht  benützt  ist,  wohl  aber  (§.  66), 
wie  es  scheint,  die  durch  jenes  Gesetz  ausgeschlossenen  Noten  Ulpians  zu 
Papinian.  Auf  Entstehung  bei  Lebzeiten  Constantins  führt  die  (von  den 
Byzantinern  unterlassene)  Beseitigung  der  Namen  des  Maximianus  Herculius 
und  GalQrius  Maximianus,  die  Beifügung  von  divus  «einzig  bei  Diocletian 
(und  Gonstantius),  nicht  aber  (falls  288  d  =  dominus)  bei  früheren  Kaisern; 
endlich  die  Bezeichnung  des  Constantin  durch  Aug.,  auch  unter  Weglassung 
des  Namens  selbst.  Die  ungleiche  Behandlung  des  Licinius  (bald  genannt, 
bald  unterdrückt)  scheint  zu  beweisen  dass  das  Werk  noch  vor  dessen 
Sturz  (J.  323)  verfasst,  nach  demselben  aber  (unvollständig)  revidiert  worden 
ist.  Vgl.  A.  7  £.  Für  Entstehung  im  Westen  (Italien  oder  Gallien)  spricht 
die  besondere  Berücksichtigung  weströmischer  Verfügungen  (s.  A.  7),  der 
Auffindungsort  der  Handschrift  (s.  A.  4),  die  ünbekanntschaft  mit  Modestin's 
griechisch  geschriebenem  Werke  de  excusationibus,  und  wohl  auch  die 
Nichtbenutzung  der  Sammlung  in  der  justinianischen.  Mommsen  p.  403— 
406.    Vgl.  Huschke  p.  618  ff.  (aus  der  Zeit  von  Honorius  oder  Theodosius  I). 

10.  üeber  die  Fragm.  vat.  vgl.  B.  Borghesi,  giorn.  arcad.  XXII  (Rom 
1824)  p.  48 — 95.  G.  Bruns,  quid  conferant  vat.  fr.  ad  melius  cognoscendum 
ins  rom.,  Tübingen  1842.  Mommsen  Quartausg.  p.  379—408,  nebst  Dnodez- 
ausg.  praef.    Huschke,  iurisprud. '  p.  610 — 620. 

381  400.  Die  Grammatik  verengerte  sich  immer  mehr  auf  den 
Bedarf  der  Schule  und  verzichtete  auf  geschichtliche  Erforschung 
und  gelehrten  Apparat.  Von  dieser  Art  scheint  das  Werk  -des 
Cominianus  gewesen  zu  sein,  welches  eine  der  Hauptquellen 
des  Charisius  war  und  bei  Späteren  mit  diesem  zusammenfloss. 
Die  Metrik  behandelten  um  diese  Zeit  Albinus  (in  gebundener 
Form),  Asmonius  und  Atilius  Fortunatianus.  Der  Grammatiker 
Euanthius  commentierte  den  Terenz. 

1.  Gharis.  I,  18  (p.  147  K.):  ablativus  casus  singularis,  ut  ait  Co- 
minianus grammaticus,  etc.  U,  11  (p.  175  E.):  de  coniugationibus  .  • 
Cominianus  disertissimus  grammaticus  ita  disseruit.  II,  12  (p.  180):  Com. 
grammaticus  ita  de  participio  breviter  refert.  13  (p.  18,1):  haec  quidem 
(de  adverbio)  breviter  Com.  gr.  disserit.  14  (p.  224):  de  coniunctione,  ut 
ait  Com.  15  (p.  230):  de  praepositione,  ut  a.  C.  16  (p.  238):  de  interiectione, 
ut  a.  C.  IV,  1  (p.  266):  de  barbarismo,  ut  a.  C.  (p.  266)  de  soloeciamo, 
ut  a.   C.     Jedesmal  ist  dann  ein  längerer  Abschnitt  dem  C.  entnommen. 


399  f.   CominianuB  u.  a.  Grammatiker.  917 

Die  sonstigen  Erwähnungen  des  C.  (z.  B.  Schol.  Bern,  zu  Vergil.  Buc.  IIT, 
21.  Georg.  I,  216.  m,  311)  sind  aus  Chariaius  geschöpft  oder  gelten  diesem 
selbst.  H.  Keil,  gramm.  latt.  I.  p.  XLYIII.  Auch  der  Verfasser  der  sogen, 
excerpta  Charisii  hat  den  Com.,  besonders  im  Abschnitte  de  pronomine, 
benützt,  aber  ohne  ihn  zu  nennen.    W.  Christ,  Philologus  XVIII.  S.   139. 

2.  Die  sog.  excerpta  Cominiani  (A.  Mai  class.  auct.  V.  p.  150)  sind 
gleichfalls  in  Wahrheit  Auszüge  aus  Charisius;  s.  H.  Keil,  gramm.  latt.  I. 
p.  XXII  f.  not.  und  zu  p.  180,  27.  Daher  kann  die  einmal  darin  vor- 
kommende Erwähnung  des  Donatus  für  die  Bestimmung  der  Zeit  des  Com. 
nicht  verwendet  werden. 

3.  H.  Keil  1.  1.  p.  XLViri:  adparet  non  solum  de  VIII  partibus  ora- 
tionis  .  .  sed  etiam  de  vitiis  orationis  .  .  (Cominianum)  exposuisse  ea  ratione 
uBum  nt  brevi  et  simplici  oratione  suae  aetatis  consuetudinem  doceret  om- 
niaque  quae  ad  usnm  antiquitatis  pertinerent  vel  pauUo  doctiorem  dispu- 
tationem  reqnirerent  a  suo  consilio  aliena  putaret.  Daher  er  vermutet 
Cominianum  non  lalde  antiquum  gramm  aticnm  fnisse  et  librum  suum  non 
doctis  hominibus,  sed  pueris  destinavisse  (p.  XLIX).  Vgl.  noch  F.  Osann, 
Beiträge  IT.  S.  317  f.  324—327.  340  und  dagegen  Keil  1.  1.  p.  LVI.  W.  Christ, 
Philologus  XVIU.'  S.  123  f. 

4.  Charis.  p.  229,  19  nach  Anführung  einer  Ansicht  des  Romanus  (oben 
376):  sed  Marcius  Salutaris  vir  perfectissimus  .  .  rectius  sensit.  Diese  Titu- 
latur weist  den  Grammatiker  M.  S.  (der  den  Vergil  commentiert  zu  haben 
scheint)  in  die  constantinische  Zeit,  und  die  Anführung  wird  entweder  aus 
Comittianus  geschöpft  oder  eine  eigene  Zuth^t  des  Charisius  sein. 

5.  Zwei  Hexameter  eines  Albin us  de  metris  bei  Max.  Victorin.  de 
carm.  her.  p.  289  Lind.  Also  wohl  eine  Arbeit  in  der  Weise  des  Terentianus 
(oben  391).  Er  ist  wohl  der  von  Rufin.  I,  30.  p.  388  Gaisf.  genannte 
Alb.  F.  Osann,  Beiträge  II.  S.  361,  A.  10  identificiert  ihn  mit  dem  Alb. 
welcher  einen  Abriss  der  Musik  verfasste  (Cassiod.  de  mus.  6)  und  über 
Geometrie  und  Dialektik  schrieb  (Boethius),  sowie  mit  dem  in  einer  In- 
schrift als  philosophus  bezeichneten  Ceionius  Rufius  Albinus,  Cos.  335  u. 
345  n.  Chr.,  unter  Zustimmung  von  Jul.  Caesar  in  Pauly's  Real-Enc.  I,  1. 
S.  649  f.  Nr.  4. 

6.  Prisciflb.  X,  24  (p.  516,  16  H.):  Asmonius  in  arte  quam  ad  Con- 
stantium  (wohl  II)  imperatorem  scribit.  Priscian.  de  metr.  Terent.  6  —  8 
(p.  412  Gaisf.)  gibt  eine  Stelle  des  A.  über  den  Trimeter  der  lateinischen 
Komiker.  Der  Inhalt  beider  Stelleu  weist  auf  dieselbe  Quelle  welcher  auch 
Mar.  Vict.  folgt.  Vgl.  H.  Keil,  quaest.  gramm.  (Lips.  1860)  p.  16  fF.  und 
Ind.  lect.  halens.  1871 ,  p.  Vif.    B.  Westphal,  allg.  griech. Metrik  S.  45  f.  Jul. 

'  Caesar  in  Pauly's  Real-Enc.  I,  1.  S.   1240  n.  M.     Der  Name  Asm.  deutet 
auf  semitischen  Ursprung. 

7.  Unter  dem  Titel  Ars  Fortunatiani  (am  Schlüsse:  Ars  Atilii  Fort, 
expl.)  ist  erhalten  und  bei  Putsche  (p.  2685—2706),  Gaisford  (p.  333  —  362) 
und  Keil  (VI.  p.  278—304)  abgedruckt  eine  Uebersicht  der  Metrik  (omnis 
summa  metrorum,  p.  279,  5  K.),  gewidmet  einem  jungen  Römer  von  Rang 
der  die  Grammatik  hinter  sich  hat,  jetzt  Rhetorik  studiert  und  eine  Dar- 


918  Die  Eaiserzeit.  Viertes  Jahrhundert.   Erste  Hälfte. 

Stellung  der  Horatiana  metra  verlangt  hat.  Von  seiner  Arbeit  behauptet 
der  Verf.:  nt  Sallustins  ait,  carptim  quae  memoria  digna  videbantur  de 
multis  auotoribuB  excerpta  perscripsi.  In  Wahrheit  folgt  sie  dem  Caesius 
BasBUB  (oben  299,  1)  und  dem  luba  (oben  375  )  und  stimmt  daher  überein 
mit  Marius  Victorinus,  Diomedes  und  den  Analecta  Vindob.  (p.  516  ff.).  Aus- 
führlich sind  schliesslich  (p.  294  ff.  E.)  die  me^ra  Horatiana  behandelt.  So 
lange  man  den  Namen  At.  Fort,  auf  das  Werk  des  Caesius  Bassus  erstreckte 
nannte  man  diese  Ars  bald  AtUius  H  bald  Pseudo-Atilius.  Vgl.  J^  Cäsar  in 
Pauly's  Real-Enc.  I,  2.  S.  2025  f.  H.  Wentzel,  Symb.  critt.  (Breslau  1858) 
p.  11  —  13.  Westphal,  griech.  Metrik'  I.  S.  128.  Üeber  die  Hdss.  und 
Ausgaben  s.  H.  Keil,  gramm.  VI.  p.  245—250. 

8.  Hieron.  ad  a.  2375  (nach  Bong.  u.  Freh.;  Schöne  zu  2374)  »  359 
n.  Chr.:  Euanthius  eruditissimus  grammaticonim  Constantinopoli  diem 
obit.  Vgl.  Bufin.  Antioch.  de  metr.  com.  p.  2706  P.  ^s  378  Gaisf. : 
Euantius  in  commentario  Terentii  de  fabula  .  .  sie  dicit:  concinna  etc.  .  . 
et  postea  sie:  veteres  etsi  etc.  Beide  Stellen  finden  sich  im  ersten  Theile 
der  Abhandlung  de  tragoedia  et  comoedia  (p.  XXVII.  XXVllI  Zeune  =»  XIII. 
XIV  Klotz),  der  somit  von  Euanthius  herrührt.  Vgl.  oben  12,  2.  Auch 
von  dem  sogen.  Donatcommentar  zu  Terenz  wird  ein  Theil  zu  des  Euanth. 
commentum  in  Terentii  fabulas  gehören;  s.  Usener,  Rhein.  Mus.  XXIII. 
S.  493—496.  Vgl.  Dziatzko,  ebds.  XXV.  S.  438  f.  Rufin.  1.  1.  p.  2713  F. 
»  388  G.    Ritschi,  Parerga  p.  358.  360. 

9.  Aus  dieser  Zeit  ist  auch  die  Ars  vaticana  (oben  295,  8  b.),  vgl.  p.  119, 
26  K.r  ut  puta  Roma,  Tiberis,  DiocIetianae  (thermae). 

.)82  401.  Noch  bei  Constantins  Lebzeiten  begann  Firmicus 
Maternus  in  Sicilien  seine  acht  Bücher  Matheseos,  die  aber 
erst  ums  J.  354  vollendet  vrurden.  Das  Werk  ist  eine  voll- 
ständige  Theorie  des  Stemglaubens,  in  neuplatonischem,  vom 
Christenthimi  abgewandtem  Geiste.  Der  Verfasser  ist  ein  Ehren- 
mann, dem  es  mit  seiner  Sache  heiliger  Ernst  ist,  aber  befangenen 
Geistes  und  in  seiner  Darstellung  einförmig.  Um  dieselbe  Zeit 
(J,  347)  richtete  der  gleichnamige  Christ  an  Constantins  Söhne 
Constantins  und  Constans  seine  Schrift  de  errore  profanarum 
religionum,  w^orin  er  dieselben  zum  Sturze  des  Heidenthumes 
anstachelt.  Jenes  Werk  ist  vollständig  erhalten,  von  der  letzteren 
Schrift  aber  vier  Blätter  verloren  gegangen. 

1.  Der  Verfasser  heisst  in  der  subscriptio  am  Schlüsse  von  math.  VI II: 
lulius  Firmicus  Maternus  lunior  Siculus  v.  c(lari8simu8).  Vgl.  Apoll.  Sidon. 
carm.  22,  praef.:  lulinm  Firmicum,  .  .  Saturninum  in  libris  matheseos  pe- 
ritissimos  conditores.  Gewidmet  ist  das  Werk  dem  Procos.  Mavortius 
Lollianus  (praef.  p.  2  vgl.  VIII,  15.  p.  221:  talis  -—  wie  die  Catones  — 
nostris  temporibus  Lollianus,  qui  severitutis  merito  litiam  ordinarii  con- 
sulatus  insignia  consecutus  est),  welcher  z.  B.  proconsul  provinciae  Africae 


400  f.   Euanthius.   Firmicus  Maternus  der  Heide.  919 

war  (Orelli-Henzon  6481),  J.  842  praef.  urbi,  355  Cos.  ord.  (Ammian.  XV, 
8,  17),  356  praef.  praefc.  Italiae  (Ammian.  XVI,  8,  5:  vir  sublimis  con- 
Btantiae.  Cod.  Theod.  VI,  29,  1.  XI,  30,  26.  36,  11).  Vgl.  Borghesi  bei 
Gervasio,  Osservazioni  sulla  iscr.  onoraria  di  Mavorzo  Lolliano  (Neapel  1846) 
p.  14  ff.  Sollte  hienach  die  Widmung  und  Buch  VIII  im  J.  354  verfaBst 
sein,  BO  weist  dagegen  die  Erwähnung  der  Sonnenfinsterniss  des  17.  Juli 
334  (Firm.  I,  2.  p.  5  ed.  1551:  cum  sol  medio  diei  tempore  fulgida  splen- 
doris  Bui  denegat  lumina,  quod  Optatii  et  Paulini  consulatu,  ut  de  rccentio- 
ribuB  loquar,  .  .  futurum  mathematicorum  sagax  praedixit  intentio)  und  des 
Constantin  als  noch  lebend  (Firm,  praef.  p.  2  und  I,  4.  p.  14:  dominus  et 
AuguBtus  nostcr  ac  totius  orbis  imperator,  pius,  felix  ac  providus  princeps, 
Constantinus  Bciiicet  maximus,  divi  Constautini  filius  etc.  ib.  p.  15:  Con- 
stantinum-  maximum  principem  et  cius  invictissimos  liberos,  dominos  et 
Caesares  nostros)  auf  viel  früheren  Beginn  der  Arbeit  hin.  Bursian  ed. 
(A.  6)  p.  Vni.  Und  dass  die  Abfassung  sich  über  eine  längere  Zeit  er- 
streckte erhellt  gleich  aus  dem  Anfang:  olim  tibi  hos  libellos,  Mayorti, 
decus  nostrum,  me  editurum  esse  promiseram,  verum  saepius  inconstantia 
verecundiae  retardavit  etc.  .  .  tibi  omnem  divinao  mathescos  disciplinam 
<licaturum  me  esse  sjioponderam.  Ueber  die  persönlichen  Verhältnisse  des 
Verf.  besagt  die  praefatio  weiter:  cum  esses  in  Campaniae  provtnciae  fas- 
cibus  constitutus,  .  .  ad  mc  primum  in  has  oras  siculas,  ad  ea  potissimum 
studia  quibuB  ab  ineunte  aetate  uterque  nostrum  devinctus  erat,  suavissime 
devertisti.  .  .  posteaquam  de  actibus  et  processibus  nostris  confabulati 
Bunius  Bcrutatus  a  me  es  .  .  totius  Siciliae,  quam  incolo,  situm,  .  .  cetera 
quae  tibi  a  primo  aetatis  gradu  et  atticae  et  romanae  litterae  de  admira- 
bilibus  provinciae  siculae  tradiderunt.  Im  Verlaufe  habe  er  sich  hinreissen 
lassen  (p.  2)  ut  i)romitterem  me  tibi  editurum  quidquid  Aegyptii  veteres 
.  .  Babyloniique  prudentes  (vgl.  A.  3)  de  vi  stellarum  ac  potestatibus  .  .  nobis 
tradiderunt.  Zwar  habe  er  dieses  Versprechen  sogleich  bereut;  sed  trepida- 
tionem  meam  hortatio  sermonis  tui  erexit  coegitque  adgredi  quod  frequenter 
ex  desperatione  deserui.  nam  cum  tibi  totius  orientis  gubcrnacula  domini 
atque  imp.  nostri  Constautini  Aug.  .  .  iudicia  tradidisscnt,  mahntest  du  mich 
fortwährend,  proconsuli  itaque  tibi  et  ordinario  consuli  designato  promissa 
reddimus.  .  .  LoUiane  doctissime.  Ueber  seine  Laufl^ahn  als  Anwalt  IV. 
praef.  (p.  83):  patrocinia  tractantes  tenuerunt  nos  causarum  conflictationes 
et  caninae  (ut  ita  dicam)  contentionis  iurgiosa  certamina.  ex  quo  studio 
nihil  mihi  aliud  per  singulos  dies  nisi  pericnlorum  cumulus  et  grave  onus 
invidiae  confercbatur.  .  .  deserui  itaque  hoc  studium.  .  .  liberal!  animo, 
contemptis  foreusibus  lucris,  .  .  fidele  patrocinium  defensionis  cxbibui.  in 
otio  itaque  constitutus  .  .  hoB  ad  te,  Lollianc,  .  .  libellos  scripsi,  ut  a  ter- 
rena  quodam  modo  couversatione  sepositus,  .  .  ad  purganda  animi  vitia, 
quae  ex  pravorum  hominum  conversatione  contraxeram,  caelestibus  ac  di- 
vinis  me  disputationibus  applicarem. 

2.  Firmicus  sucht  der  Astrologie  eine  sittliche  Richtung  und  einen 
priesterlichen  Anstrich  zu  geben.  Vgl.  II,  33  (p.  43  f.):  nunc  tu,  quicunque 
hos  libros  legere  conaris,  .  .  ad  imaginem  te  divinitatis  similitudinemque 
forma,  ut  sis  semper  pra^onio  veritatis  oruatus.     oportet  enim  cum  qui 


920  Die  Eaiserzeit.   Yieries  Jahrhundert.   Erste  H&lfte. 

quotidie  de  diis  ac  com  diis  loquitur  animum  Baum  ita  formare  atque  in- 
stmere  ut  ad  imitationem  divinitatis  semper  accedat.  qoare  .  .  esto  pu- 
dicQB  et  inter  sobrios,  parvo  yictn  parnsque  opibas  contentus.  dato  operam 
ot  institiito  .  .  tao  institatam  bonorum  .  .  yincas  sacerdotnm.  .  .  dabis 
Baue  responaa  publice,  .  .  ne  quid  a  te  tale  forte  quaeratur  qnod  non  liceat 
nee  interrogare  nee  dicere.  cave  ne  quando  de  statu  reip.  yel  de  vita  rom. 
impöratoris  aliquid  interroganti  respondeaB.  .  .  sed  et  sceleratus  atque 
omni  animadversione  dignuB  est  ai  quis  interrogatuB  de  fato  dizerit  impera- 
toriB.  .  .  Bed  nee  aliquis  mathematicuB  verum  aliquid  de  fato  imperatoris 
definire  potuit;  boIub  enim  imperator  stellarum  non  subiacet  caBibus.  .  . 
etiam  ipse  in  eorum  deorum  numero  couBtitutus  est  quem  ad  focienda  et 
couBervanda  omnia  divinitas  statuit  principaliB.  Davon  solle  man  einen 
solchen  Befrager  zu  überzeugen  suchen,  dasB  er  von  seinem  Vorhaben  abstehe, 
sed  nee  deferre  te  volo  si  quis  aliquid  male  quaesierit,  ne  .  .  morti  eins 
causa  eztitisse  videaris,  quod  alienum  est  a  propoaito  sacerdotis.  .  .  tibi 
in  omni  conversatione  placeat  quieta  moderatio.  fuge  seditiones.  .  .  nolo 
te  vitia  hominum  in  tractatu  genituramm  manifeatius  explicare,  .  .  ne  quod 
homini  malus  stellarum  decrevit  cursuB  non  dicere,  sed  ezprobrare  videaris. 
secerne  te  a  spectaculorum  semper  illecebris;  .  .  (p.  46)  antistites  enim 
deorum  separates  et  alienos  esse  decet  a  pravis  illecebiis  voluptatum. 
Erst  wenn  der  Leser  sich  in  diese  ethische  Verfaaaung  geset^  habe 
solle  er  weiter  gehen  et  posteriores  libros,  quos  de  apotelesmatis  scripsi- 
mus,  secura  mentis  animositate  perdisce.  Aehnlich  beschwört  er  Yll 
praef.  (p.  193  f.)  den  Mavortiua  ne  haec  veneranda  communia  profanis 
vel  imperitia  auribus  intimentur,  aed  üa  tantum  quoa  animua  incorruptus 
ad  rectum  vivendi  ordinem .  .  instituit  etc.  Vgl.  VIU,  33 :  haec  filüs  tuis  tantam 
trade,  quos  a  prima  aetate  ad  omne  virtutis  officium  instituisti  etc.  J.  Burck- 
hardt,  Constantin  S.  244—246. 

3.  Matheseos  libri  nennt  der  Verf.  selbst  sein  Werk  in  der  praef.  zu 
II  und  III.  In  der  peroratio  VIII,  33:  accipe  itaque,  Mavorti  decus  nostrum, 
.  .  Septem  hos  libros,  ad  septem  stellarum  ordinem  numerumque  compo- 
sitos.  nam  primus  Über  solum  patrocinium  defensionis  accepit  (Vertheidi- 
gnng  der  Astrologie  gegen  ihre  Gegner),  in  ceteris  vero  libris  Bomanis 
hominibus  novi  operia  tradidimus  diaciplinam.  Das  zweite  Buch  enth&lt 
die  allgemeinen  Grundlagen  (institutionis  über,  VIII,  5).  IV,  19  (p.  114): 
quia  iam  expedita  prima  operis  nostri  parte  ad  secundam  principalem  ac* 
cedimus,  quae  etiam  in  quatuor  membra,  veluti  prima,  divisa  est,  .  .  sin- 
guloruni  partes  summatim  enumerabimus.  B.  VI  enthält  die  genitura  von 
Paris,  Demosthenes  und  Hermodoros,  Homer,  Thersites  u.  A. ;  VII  die  ge- 
niturae  adoptivorum,  paedi eorum,  cinaedorum,  causidicorum ,  damnatorum 
n.  A.  B.  VUI  behandelt  die  sphaera  barbarica.  B.  I  gibt  Bdapiele  ans 
der  römischen  Geschichte.  VUI  praef.  (p.  212):  quod  bis  libris  superesse 
credo,  hoc  explicare  curabo;  nam  aliud  mihi  tempus  ad  explicandam  myrio- 
genesin  reservavi.  Die  angegebenen  Quellen  sind  so  superatitids  wie  der 
ganze  Inhalt.  Vgl.  II.  praef:  nos  omnia  quae  de  lata  arte  Aegyptii  Baby- 
loniique  dixerunt  docili  aermonia  institutione  tranatulimus.  III  praef: 
illi  divini  viri  .   .   Petoairia   Necepaoque  .  .    nobia  tradiderunt.    IV  praef. 


401.   FirmicuB  Maternus  der  Heida  921 

(p.  84):  omnia  qnae  AeBcnlapio  Mercurius  Enichnusque  tradidemnt,  quae 
Petosiris  explicavit  et  Necepso,  quae  Abraham,  Orpheus  et  Critodemus 
ediderunt  cet-erique  omnes  huius  artis  antiscii  perlecta  pariter  atque  coUecta 
.  .  in  his  perscripsimus  libris.  IV,  10  (p.  98) :  quae  diyinus  ille  Abraam  et 
prudentiBsimas  Achilles  .  .  nobis  tradidere.  IV,  16  (p.  107):  Necepso,  Aegypti 
iuBtissimus  imperator,  optimus  quoque  astronomus.  (p.  109):  magnns  ille 
Petosiris  hanc  partem  leviter  attigit.  Vlll,  6:  neque  enim  .  .  Petosiris  et 
Necepso,  quorum  alter  imperii  gubernacala  tennit,  .  .  id  quod  dos  edituri 
sumus  inyenire  potuerunt.  Bemerkenswerth  ist  III,  16  (p.  81):  si  fuerit 
haec  domus  Mercurius,  dabit  astronomiam ;  si  Venus,  cantilenas  et  laetitiam; 
.  .  si  luppiter,  divinum  cultum  scientiamque  in  lege;  si  Satumus,  scientiam 
alchimiaö.  Wohl  die  erste  Erwähnung  der  Alchimie,  falls  die  Stelle  nicht 
eine  spätere  Interpolation  ist,  worauf  die  christliche  Färbung  des  Ausdrucks 
in  lege  führen  könnte.  Aus  jener  magischen  Literatur  stammt  auch  die 
Uebertrag^ng  der  astrologischen  Symbolik  auf  den  menschlichen  EGrpcr 
(vgl.  A.  4),  wie  später  bei  den  Pnscillianisten ;  Bemays,  d.  Chronik  des 
Sulp.  S.  14  mit  A.  24. 

4.  Dass  durch  die  decreta  planetarum  die  menschliche  Willensfreiheit 
und  Zurechnungsfähigkeit  aufgehoben  wird  scheint  Firm,  sich  nicht  klar 
gemacht  zu  haben,  und  seine  moralischen  Ermahnungen  (s.  A.  2)  sind  daher 
ohne  Boden,  so  oft  und  gern  er  sie  einschärft.  Die  Einsicht  in  die  feste 
Vorausbestimmung  unserer  Schicksale,  meint  er,  müsse  Schmerz  und  Freude 
dämpfen  (VIII  praef.).  Auch  die  theologischen  Consequenzen  der  Lehre  sind 
nicht  klar  gezogen.  I,  3  (p.  7)  leugnet  Firm,  die  Religionsgeföhrlichkeit  der 
Lehre  (homines  a  cnltu  deorum  religionumque  revocari):  nos  enim  timeri 
deos,  nos  coli  facimus,  nos  numen  eorum  maiestatemque  monstramus,  cum 
omnes  actus  nostros  divinis  eorum  dicimns  agitationibns  gubemari.  Aber 
diese  dii  sind  selbst  yerschwommene  Gestalten,  bald  mit  den  sidera  zu- 
sammenfallend, bald  neben  ihnen  stehend,  bald  als  Einheit  bezeichnet,  bald 
als  Mehrheit.  Vgl.  III  praef.  (p.  45):  ad  imaginem  mnndi  formam  hominis 
.  .  deüs  ille  fabricator  hominis,  natura  monstrante^  perfecit.  .  .  ita  ut  in 
parvo  corpore  omnium  elementorum  vim  atque  snbstantiam  natura  cogente 
conferret,  den  Menschen  quasi  minorem  quendam  mundum  machte.  V  praef. 
(p.  115):  tu  quicumque  es  deus,  qui  per  singulos  dies  caeli  cursum  .  .  con- 
tinuas,  .  .  solus  omnium  g^bemator  ac  princeps,  .  .  cui  tota  potestas  nu- 
minum  serrit,  .  .  tu  omnium  pater  pariter  ac  mater,  tu  tibi  pater  ac  filius, 
uno  vinculo  necessitatis  obligatus,  .  .  da  yeniam  quod  tuorum  cursus  siderum 
eorumque  efficacias  explicare  conamur.  .  .  yosque  perennium  siderum  cursus, 
tuque  ])  etiam  humanorum  corporum  mater,  ac  tu  .  .  0  optime  maxime, 
.  .  ad  cuius  arbitrium  fatorum  ordo  disponitur^  da  yeniam  quod  gracilis 
sermo  ad  numinis  tui  secreta  peryenit  etc.  Vgl.  I,  4  (p.  14):  Sol  optime 
maxime,  .  .  mens  mundi  atque  temperies,  .  .  et  tu  luppiter  (der  Planet), 
Tarpeiae  rupis  habitator  etc.  Dumpf  wie  die  Atmosphäre  des  Werkes  ist 
auch  sein  Ton,  bald  technisch  trocken  und  dürftig,  bald  mystisch  feierlich, 
mit  zahlreichen  Wiederholungen  nicht  blos  in  technischen  Formeln  sondern 
auch  in  stilistischen  Wendungen  und  Ausdrücken.  Wo  er  zu  einer  rheto- 
rischen Figur  greift  spinnt  Firm,  sie   bis  zur  Ermüdung   aus.     Er  bittet 


922  Die  Kaiserzeit.   Vierte»  Jahrhundert.   Erste  Hälfte. 

daher  ,(pracf.  I.  p.  2):  ne  in  istis  libris  pondus  et  perfectae  gratiam  oraÜonis 
requiras.  .  .  in  nobis  tenue  est  ingeniom  et  sermo  subtUis  et,  qaod  yere 
confitendam  est,  matbesis  permodica.  Vgl.  I,  1  (p.  4):  postolantes  ut  .  . 
yeritatis  fides,  non  orationis  splendor  ac  substantia  requiratur.  Der  Sprach- 
schatz enthält  manches  erst  in  diesem  Jahrhundert  Aufgekommene,  wie 
animositas,  partilis,  ac  vor  Vocaien  u.  dgl. 

6.  Handschriften  des  Firm,  besiizt  die  Münchner  Bibliothek  (nach 
Halm)  zwei,  eine  sacc.  XI,  die  aber  nur  B.  I  und  U,  1  —  31  enthält,  und 
eine  (bis  auf  einige  Zeilen  am  Schlüsse)  vollständige  aus  dem  Anfang  von 
saec.  XVI.  Ed.  princeps  (de  nativitatibus)  Venet.  1497  fol.  In  den  astro- 
nomici  vett.  (Venet.  Aid.  1499  fol.,  worin  Firmici  libri,  ex  scythicis  oris 
ad  nos  nuper  allati),  und  besonders  per  Nie.  Pruckncrum  astrologum,  Basil. 
1533  und  1651  fol.,  in  letzterer  Ausgabe  p.  1-244,  worauf  des  Ptolemäus 
'Jnotsliaficeta  f  arabische  und  chaldäische  Schriften  in  lateinischer  Bearbei- 
tung, und  Manilius.  Neuere  gibt  es  nicht.  Ausfüllung  einiger  Lücken 
durch  Lessing  (sämmtl.  Werke,  Ausgabe  von  Lachmann  IX.  S.  409  —  430). 
—  Fabricius  Bibl.  lat.  III.  p.  114  ff.  ed.  Emesti. 

6.  Die  christliche  Schrift  ist  überliefert  durch  einen  Palati  nus  (nr.  165) 
saec.  X  in  der  Vaticana,  woraus  sie  zuerst  Matthias  Flacius  Illyricus  her- 
ausgab (Strassburg  1562),  sorgfältiger  Conr.  Bursian  (Lips.  1856)  und  dann 
C.  Halm,  an  seinem  Minucius  Felix  (Vindob.  1867)  p.  75  —  130.  Die  Sub- 
scription  lautet:  lulii  Firmici  Matemi  v.  c.  de  errore  profanarum  rcligio- 
num  explicit.  Vom  ersten  Quaternio  fehlen  die  vier  äusseren  Blätter  (1, 
2  und  7,  8). 

7.  Die  angeredeten  Kaiser  heissen  sacratissimi  imperatores  (6,  1.  8, 
4.  16,  4.  20,  7.  24,  9.  28,  6.  29,  1)  oder  sacrosancti  imp.  (13,  1)  oder  prin- 
cipes  (17,  1),  auch  domini  imperatores  (25,  1).  Bezeichnend  sind  folgende 
Stellen.  16*,  4:  amputanda  sunt  haec  (die  heidnischen  Opfer),  sacr.  imp., 
penitus  atque  delenda  et  severissimis  edictorum  vestrorum  legibus  corri- 
genda.  .  .  ad  hoc  vobis  deus  summus  commisit  imperium.  ^0,  7:  vos  nunc, 
Constanti  et  Constans,  sacr.  imp.,  .  .  erigite  vezillum  fidei.  .  .  hostium 
pr<Tstravistis  ezercitum,  .  .  idololatriae  ezcidium  et  profanarum  aedium 
ruinam  .  .  Christus  .  .  vestris  manibus  reservavit.  28,  6:  tollite,  tollite  se- 
curi,  sacr.  imp.,  omamenta  templorum:  deos  istos  aut  monetae  ignis  aut 
metallorum  coquat  flamma,  donaria  universa  ad  utilitatem  vestram  domi- 
niumque  transferte.  post  excidia  templorum  in  maius  dei  estis  virtute  pro- 
vecti.  vicistis  hostes,  .  .  et  insperatam  imperatoris  (des  Constans,  J.  343) 
faciem  Britannus  ezpavit.  29,  1:  vobis,  sacr.  imp.,  .  .  hoc  dei  summi  lege 
praecipitur  ut  severitas  vestra  idololatriae  facinus  omnifariam  persequatur. 
29,  3:  deus  .  .  numquam  vobis  laborantibus  denegavit  auzilium:  strati  sunt 
adversantium  cunei,  .  .  missi  sunt  superbi  sub  iugum  populi  et  persica  vota 
conlapsa  sunt.  Letzteres  kann  sich  darauf  beziehen  dass  J.  346  Sapor  die 
Belagerung  von  Nisibis  aufgab  {nccQSKa&iasv  Tjfiegag  ißSoiLfinovra  oxtco 
xal  ndliv  alaxvvd'flg  tivfxmQrjasv ,  Theophanes)  und  konnte  jedenfalls  nach 
den  Misserfolgen  welche  Constantius  J.  348  gegen  Sapor  hatte  nicht  mehr 
gesagt  werden.   Auch  wurde  Constans  im  J.  350  erschlagen.   Die  Abfassung 


401.   FirmicuB  MaternuB  der  Heido  und  der  ChriBt.  923 

wird  daher  346  oder  347  fallen.  Der  Verfasser  zeigt  (c.  7)  genauere 
Eenntniss  der  Umgegend  von  Henna  in  Sicilien  und  mag  daher  (wie  der 
Heide)  von  dort  gebürtig  sein  oder  dort  seinen  Aufenthalt  gehabt  haben. 

8.  Die  Argumentation  ist  die  bei  den  christlichen  Apologeten  ge- 
wöhnliche; nur  geht  der  Verf.  auch  auf  die  religiösen  Vorstellungen  und 
Gebräuche  des  Orients  (Aegypter,  Phryger,  Assyrer,  Perser)  näher  ein. 
Auch  wendet  er  in  ausgedehnterem  Masse  als  seine  Vorgänger  Bibelstellen 
(bes.  aus  A.  T.)  an.  Dieselben  sind  angeführt  nach  einer  lateinischen  Ueber- 
setzung  welche  im  zweiten  Jahrh.  in  Africa  gemacht  zu  sein  scheint  und 
stimmen  überein  mit  den  Anführungen  bei  Cyprian  und  Primasius  (saec. 
VI);  Bursian  p.  IX — XI.  Doch  verräth  Firm,  auch  Kenntniss  des  Griechi- 
schen. Z.  B.  13,  4:  Porphyrius  (s.  A.  9)  .  .  in  libris  quos  apx)cllat  tcsqI  trjg 
in  •Xoylfov  (ptloaocpLag.  Die  quinque  Miner vac  (16,  1)  scheint  er  aus  Cic. 
de  deor.  nat.  zu  haben.  Die  Darstellung ' ist  pathetisch,  voll  Ausrufungen 
und  rhetorischer  Fragen,  c.  8  führt  er  den  Sol  redend  ein  (ethopoeiaco 
sermone  8,  4).  Die  Sprache  zeigt  Plebejismen  im  Gebrauche  von  suus  statt 
eiuB,  in  der  consecutio  temporum  und  der  Anwendung  von  quod  nach  ne- 
scientes,  persuadetur;  s.  Halm  p.  135—137. 

9.  In  sprachlicher  Hinsicht  zwar  stimmt  die  christliche  Schrift  mit 
der  heidnischen  manchfach  übercin  (Bursian  p.  Vll);  aber  diess  erklärt 
sich  durch  die  Annahme  dass  beide  Verfasser  in  ihrer  Jugend  die  gleiche 
Schule  genossen  (Bursian  p.  IX).  Denn  in  allem  Uebrigen  ist  Beider  Stand- 
punkt diametral  verschieden.  Der  Heide  ist  eine  friedliche,  milde,  fata- 
listisch resignierte  Natur,  der  Christ  fanatisch  aggressiv;  den  Tempelraub 
missbilligt  der  Heide  (III,  8.  p.  70.  13.  p.  77),  der  Christ  hetzt  dazu  auf. 
Von  dem  Neuplatoniker  Porphyrius  sagt  der  Heide  (VII.  praef.  p.  193): 
apud  Pythagoreos  noster  Porphyrius  religiosa  epulantem  animum  nostrum 
silentio  consecravit  (ib.);  der  Christ  nennt  ihn  (13,  4)  hostis  dei,  veritatis 
inimicus,  sceleratamm  artium  magister.  Solche  Gegensätze ,  die  selbst  pach 
einander  in  demselben  Individuum  undenkbar  sind,  müssten  nach  den  Zeit- 
verhältnissen beider  Schriften  sogar  gleichzeitig  beisammen  gewesen  sein. 
Andrerseits  macht  die  Gleichheit  beider  Namen  wahrscheinlich  dass  die 
Verfasser  Brüder  oder  Vettern  waren.    Bursian  p.  IX. 

10.  Die  HauptauBgaben  der  christlichen  Schrift  s.  oben  A.  6.  Sonst 
wurde  sie  öfters  mit  Minucius  Felix  oder  Cyprianus  oder  Arnobius  zusam- 
men veröfiFentlicht;  abgesondert  auch  Hamburg  1603  durch  Jo.  a  Wower. 
Edidit  Fr.  Munter  (Kopenhagen  1826.  XXX  u.  122  pp.),  Fr.  Oehler  (Lips. 
1847).  Ausserdem  z.  B.  in  Gallandi  bibl.  patr.  V.  p.  23  flf.,  in  Migne's  curs. 
patrol.  XU  (Paris  1845)  p.  971—1050  (Abdruck  von  Münter's  Ausg.). 

Jo.  Mi.  Hertz,  de  lul.  Firm.  Mat.  eiusque  imprimis  de  err.  prof.  rel. 
libello,  Kopenh.  1817.    J.  Burckhardt,   Constantin  S.  222.  263  (Anm.).  406. 

402.    Für   Philosophie   ist  Athen  die   hohe  Schule,    und383 
sie  wird  dort  in  der  theosophischen  und  theurgischen  Weise  der 
Neuplatoniker   betrieben,    welche    ein   Gegengewicht   gegen   das 
Christenthum  bilden  sollte.    Auch  nach  Rom  erstreckt  sich  diese 


924  Die  Eaiserzeit.   Viertes  Jahrhundert.    Erste  Hälfte. 

Richtung;  hier  aber  herrscht  daneben  nüchterner  aristotehscher 
Schulschematismus  und  Eklekticismus  im  Stile  von  Yarro  und 
Cicero. 

1.  lieber  den  Neuplatonismus  der  Zeit  vgl.  Burckhardt,  Constantin 
S.  248  f.  254  ff.  Vertreter  desselben  unter  Constantin  sind  Porphyrius, 
Jamblichus  und  dessen  Schaler  Sopater,  der  von  Constantin  luerst  begün- 
stigt, später  (nach  330)  hingerichtet  wurde  (Burckhardt  a.,  a.  0.  S.  404  f.); 
Nikagoras  aus  Athen  (Corp.  inscr.  gr.  4470).  Aus  Julian 's  Zeit  Maximus, 
Proairesius  u.  A.  Mamertin.  grat.  act.  luliano  23,  4:  tu  phiiosophiam,  paulo 
ante  suspectam  ac  nedum  spoliatam  honoribus  sed  accusatam  ac  ream, 
non  modo  iudicio  liberasti  sed  amictam  purpura  .  .  in  regali  solio  collo- 
casti.    Victor  epit.  43,  5:  iuverat  philosophos  et  Graecorum  sapientissimoä. 

2.  Hieronym.  chron.  a.  2347'«"  331  n.  Chr.:  Metrodorus  philosophus 
agnoscitur:  Er  war  JlbQaoyBvrig  (Cedren.).  Ammian.  XXV,  4,  23  (Constan- 
tius  .  .  Metrodori  mendaciis  avidius  adquiescit).    Sokr.  bist.  eccl.  I,  19. 

3.  Für  die  römische  Literatur  vertritt  den  Neuplatonismus  Firmicns 
(oben  401,  1 — 5).  Er  spricht  von  Porphyrius  noster  (s.  401,  9)  und  hat  I, 
3  (p.  9)  eine  Lobrede  auf  Plotinus  (quas  ille  philosophiae  non  attigit  par- 
tes etc.).  Andere  Schriftsteller  über  Astrologie  bei  Ap.  Sidon.  c.  22  praef.: 
lulianum-Vertacum,  FuUonium  Saturninum,  in  libris  matheseos  peritisaimos 
conditores;  vgL  ib.  ep.  VlII,  11.  Augustin.  contra  acad.  111,  18,  41:  ob  Pia- 
tonis .  .•  emicuit  mazime  in  Plotino,  qui  platonicus  philosophus  ita  eius 
similis  iudicatus  est  .  .  ut  in  hoc  ille  r^vixisse  putandus  sit.  19,  42:  itaque 
nunc  philosophos  non  fere  videmus  nisi  aut  cynicos  aut  peripateticos  aut 
platonicos. 

4.  Donat.  zu  Ter.  Eun.  IV,  5,  4  (hoc  multum  academicos  iuvat  etc.). 
Augustin.  Epist.  I,  1:  academicos  ego  ne  inter  iocandum  quidem  umquam 
lacessere  anderem.  Contra  acad.  II,  23:  inter  quos  (die  academici)  et  me 
.  .  nihil  distat  nisi  quod  Ulis  probabile  visum  est  non  posse  inveniri  ve- 
ritatem,  mihi  autem  inveniri  posse  probabile  est.  nam  ignoratio  veri  est 
.  .  utrisque  communis. 

6.  Augustin.  confess.  VIII,  3  (s.  403,  2)  vgl.  VII,  9  (13):  quosdam 
Platonicorum  libros  ex  graeca  lingua  in  latinam  versos.  Gemeint  sind  die 
des  Bhetors  Marius  Victorinus  (unten  403,  2).  Cassiod.  ezpos.  in  Psalm.  II.  p. 
28:  si  quis  .  .  de  modis  syllogismorum  .  .  plenissime  nosse  desiderat  Ari- 
stotelem  in  Graecis,  Victorinum  autem  Marium  lectitet  in  Latinis. 

3S4  403.  Vielseitig  gebildet  und  thätig  war  gegen  die  Mitte 
des  Jahrh.  der  Grammatiker  und  Rhetor  C.  Marius  Victori- 
nus, Verfasser  philosophischer  und  rhetorischer  Schriften  und 
einer  Metrik  in  vier  Büchern  welche  auf  uns  gekommen  ist. 
In  seinen  späteren  Lebensjahren  zum  Christenthum  übergetreten 
schrieb  Vict.  nunmehr  auch  (-ommentare  zu  paulinischen  Brie- 
fen und  verfocht  die  orthodoxe  Lehre  gegen  Arianer  und  Ma- 
nichäer.     Auch  Gedichte  biblischen  Inhaltes  trugen  den  Namen 


40S  f.    Philosophie.   Marius  Yictorinus,  925 

des  Victorinus.  Die  Berechtigung  denselben  auf  Marius  Victo- 
rinus  zu  beziehen  ist  aber  ebenso  zweifelhaft  wie  bei  einer  An- 
zahl grammatischer,  metrischer  und  rhetorischer  Schriften. 

1.  Hieronym.  vir.  illustr.  101:  Victorinua  natione  Afer  Romae  sub 
Constantio  principe  rbetoricam  docuit  et  in  eztrema  senectute  Christi  se 
tradens  fidei  (b.  Augustin.  confess.  YIIl,  2)  scripsit  adversus  Arium  libros 
more  dialectico  valde  obscnros,  qui  nisi  ab  eruditis  non  intelleg^ntur,  et 
commentarios  in  apostolum.  Praef.  comm.  in  epist.  ad  Galat.:  non  quia 
ignorem  C.  Marium  Victorinum,  qui  Romae  me  puero  rbetoricam  docuit, 
edidisse  commentarios  in  apostolum,  sed  quod  occüpatus  ille  eruditione 
saecularium  litterarum  omnino  sanctas  ignoraverit.  Chron.  ad  a.  2370 
(Freh.  ad  a.  2371)  =-  364  n.  Chr.:  Victorinus  rhetor  et  Donatus  gramma- 
ticus,  praeceptor  mens,  Romae  insignes  habentur.  e  quibns  YictorinuB 
etiam  statuam  in  foro  Traiani  meruit  (vgl.  A.  2).  Cassiod.  de  inst,  div.: 
Victorinus  ex  rhetore  episcopus.  Von  ihm  verschieden  und  älter  ist  aber 
der  Victorinus  Petavionensis  episcopus  dessen  Commentare  zu  alttestament- 
lichen  Schriften  Hieronym.  vir.  ill.  74  aufzählt  und  welcher  ad  extremum 
martyrio  coronatus  est  (ib.). 

2.  Augustin.  confess.  VUI,  2  (3):  legisse  me  quosdam  libros  Platoni- 
corum  quos  Victorinus  quondam  rhetor  urbis  Romae,  quem  christianum 
defunctum  esse  audieram,  in  latinam  linguam  transtulisset.  .  •.  ille  doctis- 
simus  senex  et  omnium  liberalium  doctrinarum  peritissimus  quique  philo- 
sophomm  tam  multa  legerat  et  diiudicaverat,  doctor  tot  nobilium  sena- 
torum,  qui  etiam  ob  insigne  praeclari  magisterii  .  .  statuam  in  rom.  foro 
meruerat  et  acceperat.  Isidor.  Orig.  II,  25,  1:  nunc  Isagogas  Porphyrii 
(Einleitung  in  die  Kategorien  des  Aristoteles)  öxpediamus.  ib.  9:  Isagogas 
autem  ex  graeco  in  latinum  transtulit  Victorinus  orator,  commentumque 
eins  quinque  libris  Boetius  edidit,  der  dabei  den  Vict.  orator  sui  temporis 
ferme  doctissimus ,  nennt.  Victorini  (commentarii)  in  dialogos  (Ciceronis) 
erwähnt  Hieronym.  apol.  c.  Rufin.  I,  16.  Cassiod.  de  dialect.  p.  639  b 
(==  Isid.  Or.  II,  28,  26):  librum  Marii  Victorini  qui  inscribitur  de  syllogis- 
mis  hypotheticiH.  Daraus  Isid;  Or.  II,  29  (de  divisione  definitionum  ex 
Marii  Victorini  libro  abbreviata).    F.  Osdnn,  Beiträge  IL  S.  373—377. 

3.  Die  den  Namen  des  Marius  Victorinus  tragende  Ars  grammatica  de 
orthographia  et  de  metrica  ratione  behandelt  in '  ihren  vier  Büchern  fast 
ausschliesslich  die  Metrik.  Nur  B.  I  enthält  zuerst  Grammatisches,  aus 
denselben  Quellen  woraus  auch  Charisius,  Diomedes  und  Dositheus  ge- 
schöpft haben,  dann  eine  längere  Ausfuhrung  über  Orthographisches,  welche 
ein  nachlässiger  Auszug  aus  einer  guten  alten  Quelle  ist,  etwa  Verrius 
Flaccus  (W.  Schady,  de  Mari  Vict.  I,  4  de  orthogr.  P.  I,  Bonn  1869.  49  pp.). 
Die  zweite  Hälfte,  p.  37 — 60,  handelt  dann  abermals  von  den  Buchqt^ben 
und  Silben^  aber  vorzugsweise  aus  metrischen  Gesichtspunkten.  Auch  alles 
Weitere  ist  metrischen  Inhaltes.  Der  erste  Theil  (ausser  B.  I  auch  II  und 
III,  2.  3)  ist  eine  vollständige  Metrik  nach  dem  Systeme  des  Hephästion, 
der  zweite  (III,  1.  4  ff.  bis  Ende)  eine  Theorie  der  Metra  nach  der  von 
Varro  und  Caesius  Bassus  befolgten  Lehre  der  metra  derivata.    Die  erste 


926  Die  Kaiserzeit.   Viertes  Jahrhundert.   Erste  Hälfte. 

Hälfte  ist  parallel  den  Darstellungen  des  Atilins  und  des  Diomedes  (West- 
phal,  allg.  griech.  Metrik  S.  147  f.),  die  zweite  Hälfte  stimmt  mit  Terentianus 
zusammen  (Westphal  S.127— 129).  Quelle  ist  wohl  hauptsächlich  Juba  und 
Terentianus,  vielleicht  durch  Vermittlung  des  Aphthonius.  Westphal  S.  43  f. 
136  f.  143.  Subscription  von  B.  I:  Marii  Victorini  de  metris  didascaliciB 
über  I  expl.  fei.  Citate  aus  B.  U  (Victorinus  dicit)  bei  Rufin.  de  metr. 
terent.  p.  380  f.  G.  Buch  IV  hat  in  allen  Hdss.  die  Subscription:  Aelii 
Festi  Aphthonii  y.  p.  de  metris  (omnibus)  explicit  über  IV  feliciter.  Es 
scheint  daher  dass  Aphthonius  der  durch  Vict.  (von  der  zweiten  Hälfte  von 
B.  I  an)  ausgeschriebene  und  erweiterte  nächste  Vorgänger  ist;  s.  H.  Keil, 
quaest.  gramm.  I.  p.  VU — X.  Anders  Th.  Bergk,  Philologus  XVI,  S.  639 — 
647.  Herausgegeben  (nach  Palat.  1753  saec.  IX — X)  ist  diese  Metrik  erst- 
mals durch  J.  Camerarius  (Tübingen  1637.  4.),  dann  in  der  Sammlung  von 
Putsche  p.  2460  ff.,  am  besten  in  Gaisfords  Scriptores  rei  metr.  lat.  p.  1 — 
241.  'Darauf  folgt  (gleichfalls  von  Mar.  Vict.)  ein  index  metrorum  Horatii, 
sodann  Definitionen  von  ode,  melos  u.  s.  w.  (aus  einer  Abh.  de  partibos 
carminum)f  im  Paris,  mit  der  Subscription:  explicit  ars  grammatica  Victo- 
rini Mari  de  orthogr.  et  de  metrorum  ratione.  —  H.  Keil,  quaestionum 
gramm.  P.  I:  de  Marii  Victorini  arte  grammatica,  Halle  1871  (Lectionsverz« 
f.  Sommer).  XII  pp.  4. 

4.  Durch  viele  Hdss.  und  meist  zusammen  überliefert  sind  zwei  triviale 
Schriften  De  ratione  metrorum  und  De  finalibus  syllabis.  Aelteste  Hdss.  Bo- 
biensis  (jetzt  Vindobon.  16)  sacc.  VllI  (commentum  Maximini  Victorini  de  rat. 
metr.),  Frising.  81  (in  München)  saec.  X  (commentarium  Maximiani  Vict.  de 
r.  m.)  und  Paris.  7491  saec.  X  (comm.  Maximi  V.  de  r.  m.).  Erstere  mag  aus 
einem  Werke  von  Maximus  Vict.  entnommen  sein,  doch  in  abgekürzter 
oder  fragmentarischer  Fassung.  Vgl.  Osann,  Beiträge  II.  S.  362 — 364.  De 
final,  syll.  steht  ohne  Angabe  des  Verf.  in  Paris.  7630  saec.  VUI,  Sangall. 
876  saec.  IX,  Bern.  207  und  Palat.  1753  saec.  IX— X.  Den  Namen  des  Vic- 
torinus trägt  im  Bern.  338  saec.  IX  nur  der  Schluss  (de  caesuris);  im 
Vindob.,  Fris.,  Paris.  7491  u.  a.  heisst  der  Verf.  des  Ganzen  Metrorius  (oder 
Metr.  Maximus,  Metr.  Maximinus),  welcher  Name  wohl  aus  der  Ueberschriil; 
de  final,  metrorum  entstanden  ist  (Max. '  hinzugefügt  von  Vict.  her).  Die 
Schrift  stimmt  vielfach  wortlich  überein  mit  des  Servius  B.  de  finalibus 
ad  Aquilinum  (Osarin  a.  a.  0.  II.  S.  377  —  380.  H.  Keil ,  gramm.  lat  IV. 
p.  XLIII— XLV),  und  ist  ein  Schulbuch  aus  unbekannter  Quelle,  mit  sehr 
wenig  Resten  älterer  Gelehrsamkeit.  Abgedruckt  zuletzt  bei  Eichenfeld 
und  Endlicher,  Anal.  Vindob.  p.  453  ff.  (Maximus  Vict.),  auch  bei  Mai 
auct.  class.  ITI.  p.  504  ff.  (Metrorius  Maximinus).  H.  Keil,  quaest.  gramm. 
(Halle  1871.  4.)  p.  I— VIII  u.  p.  X. 

5.  Wesentlich  den  gleichen  (xegenstand  wie  die  in  Anm.  4  und  gleich- 
falls für  den  Schulbedarf,  aber  ohne  directe  Berührung  mit  denselben,  be-. 
handeln  die  in  wenigen  Hdss.  überlieferten  Schriften  De  arte  frammaüca 
und  De  hexametro  (s.  heroico)  versu  in  katechetischer  Form.  Aelteste  Hds. 
Vatic.  1587  saec.  X  (ars  Victurini),  von  der  gramm.  allein  Sangall.  877 
saec.  X  (ars  Victorini  grammatici),  der  Anfang  im  Vindob.  16  saec.  Vlil 
(liber  Palemonis  de  arte) ;   De  hex.   allein  im  Paris.  7559  saec-  X  (ars  Pa- 


403.   Marius  Victorinus.  927 

lamonis  de  metr.  inst.).  Wie  beide  äasaerlich  vereinigt  sind  und  theilweise 
demselben  Verf.  (Palaemo)  zugeschrieben  werden,  so  haben  sie  auch  manche 
Aebnlichkeit  (z.  B.  Vorliebe  für  qnippe  und  quoties),  und  ans  beiden  ist 
Vieles  aufgenommen  in  die  ars  grammatica  des  Audaz  (unten  474,  5).  Unter 
Victorinus  ist  wohl  Marius  Vict.  gemeint,  Yon  welchem  aber  jedenfalls  die 
erhaltene  (verworrene  und  lückenkafte)  Fassung  der  gramm.  nicht  herrührt. 
Vielleicht  ist  gramm.  aus  ihm  entnommen,  aber  mit  starken  Kürzungen 
und  Aenderungen.  Abgedruckt  (als  Erotemata  grammatica)  in  Eichenfeld 
und  Endlicher,  Anal.  Vindob.  p.  199  flP.  Vgl.  Osann,  Beiträge  IL  S.  356—368. 
H.  Keil,  quaest.  gramm.  II  (Halle  1871.  4.)  p.  V—X.  Die  Schrift  De  hexa- 
metro  v.  gibt  sich  selbst  (s.  Schluss)  als  Ueberrest  aus  einem  grössern  metri- 
schen Werke  und  stammt  aus  der  Mitte  des  vierten  Jahrh.  (vgl.  p.  1957  P.: 
nostra  quoque  memoria  Lactantius  etc.).  Von  der  Lehre  des  Marius  Victo- 
rinus weicht  sie  mehrfach  ab.  Ist  sie  d&her  von  demselben  Verf.  wie  gramm., 
und  zwar  von  Mar.  Vict.,  so  wäre  anzunehmen  dass  M.  V.  zuerst,  als  er  die 
gesammte  Grammatik  bearbeitete,  die  gewöhnlich  damit  verbundene  Metrik 
in  der  herkömmlichen  Weiae  und  oberflächlich  mitbehandelte,  später  aber, 
Aphthonii  librum  nactus,  de  elementis  artis  grammaticae  pauca  repetivit 
iisque  doctiores  quosdam  commentarios  (bes.  de  orthogr.)  addidit,  de  metris 
autem  multo  uberius  quam  antea  factum  erat  exposuit  (H.  Keil,  quaest. 
gramm.  11.  p.  XII).  Vgl.  Osann  IL  S.  358—361.  Beide  Schriften  (gramm. 
u.  de  hex.)  abgedruckt  bei  Putsche  p.  1937 — 1974,  bei  Lindemann  p.  271 — 
304.  Vgl.  Lersch,  Ztschr.  f.  d.  Alt.  Wiss.  1840,  S.  109  vgl.  Class.  Mus.  IX. 
1845.  p.  284—290.  Oräfenhan,  Gesch.  d.  class.  Philologie  IV.  S.  91—93. 
F.  Osann,  Beiträge  IL  S.  364  ff.  H.  Wentzel,  Symb.  critt.  (Bresl.  1858) 
p.  55 — 63.  H.  Keil,  quaest.  gramm.  II:  de  Maximi  Victorini  libris  de  arte 
grammatica  qui  feruntur,  Halle  1871  (Lectionsverz.  für  1871  f.).   XH  pp.  4. 

6.  Der  breite  und  wenig  Vernünftiges  enthaltende  Commentar  zu 
Ciceros  rhetorica  (oben  179,  1)  welcher  auf  uns  gekommen  ist  gehört  aller- 
dings wohl  einem  Victorinus,  da  in  diesem  Namen  alle  Hdss.  übereinstimmen, 
nicht  aber  unserem  Bhetor  Marius  Victorinus. .  Vielmehr  heiöst  der  Verf. 
im  cod.  Vaticanus  (im  Darmstad.  saec.  VII  fehlt  das  erste  Blatt)  Q.  Lau- 
rentius  Fabius  Victorinus  Marius,  im  Frising.  (saec.  X)  Victorinus  kurzweg, 
und  erst  im  Bamberg,  (saec.  XI)  Marius  Fabius  Victorinus.  Abgedruckt 
ist  dieser  Commentar  in  den  Sammelwerken  der  Rhetores  latini,  zuletzt  in 
Orelli's  Ausgabe  des  Cicero,  Vol.  V,  1.  p.  1—180,  und  in  Halms  Rhetores 
lat.  min.  p.  153  —  304.  Vgl.  Halm  p.  VIII  f.  Gräfenhan,  Gesch.  d.  class. 
Philol.  IV.  S.  304.  C.  L.  Kayser,  Mar.  Vict.  und  Cic.  de  inv.,  Philologus 
VL  S.  706—718. 

7.  Die  christlichen  Schriften  des  M.  V.  s.  Anm.  1.  Die  biblisch -exe- 
getischen scheinen  nicht  erhalten,  mit  Ausnahme  der  Schrift  De  verbis 
scripturae:  factum  est  vespere  et  mane  dies  unus.  Wohl  aber  besitzen 
wir  von  ihm  De  trinitate  contra  Arium  libri  IV  und  De  6(ioovGiq>  recipiendo. 
Ferner  tragen  seinen  Namen  die  Schriften  De  generatione  verbi  divini 
opusculum  (=  Cönfutatorinm  Candidi  Ariani)  und  Ad  lustinum  Manichaeum 
contra  duo  principia  Manichaeorum  et  de  vera  carne  Christi.  In  der  Bibl. 
patr.  max.  (Lugd.  1677)  Tom.  IV,  in  Gallandi  Bibl.  patr.  Tom.  VHI  und 
Migne's  Patrol.  VHI  finden  sich  diese  Schriften  beisammen. 


928  I>ie  Kaiserzeit.   Viertes  Jahrhundert.   Erste  Hälfte. 

8.  Die  christlichen  Gedichte  von  einem^  beliebigen  Victorinus  sind 
a)  De  fratribus  VII  Maccabaeis  interfectis  ab  Antiocho  Epiphane,  gegen 
400  Hexameter;  b)  drei  Hymnen  de  trinitate;  c)  hymnus  de  pascha  domini 
B.  de  ligno  vitae  »»  cruce,  70  Hexameter;  d)  De  Jesu  Christo  deo  et  do- 
mino,  1S7  Hexameter.  Vgl.  G.  Fabricius,  poetae  Christ,  und  A.  Rivinus, 
sanctae  reliquiae  Victorinorum ,  Gotha  1662. 

9.  Sub  Constantino  et  eins  filiis  setzt  Hieronymus  de  yiris  ill.  fol- 
gende christliche  Schriftsteller  (meist  in  griechischer  Sprache)  an:  Eusta- 
thius  (85),  Marcellus  (86),  Athanasius  (87),  Antonius  monachus  (88);  Bub 
Constantio  principe  aber  Basilius  (89),  Theodorus  (90),  Eusebins  ans  Emesa 
(91),  Triphyllius  (92),  Donatus  der  Häretiker  (93),  Asterius  (94),  Lucifer  (un- 
ten  411,  4),  Eusebius  Sardus  (9B),  Fortunatianus  (97),  Acadus  (98),  Serar 
pion  (99)  und  Hilarius  (unten  410,  1—3). 

• 

385  404.  Um  die  Mitte  des  Jahrhunderts  lehrte  zu  Rom  der 
Grammatiker  und  Rhetor  Aelius  Donatus^  von  dem  wir  noch 
zweierlei  besitzen:  eine  Grammatik  (Ars)  welche  wesenÜich  aus 
denselben  Quellen  geschöpft  ist  wie  die  von  Chaiisius  und  Dio- 
medes^  sowie  einen  werthvollen  Commentar  zu  Terenz,  der  aber 
nicht  in  seiner  ursprünglichen  Gestalt  auf  uns  gekommen,  ist. 
Auch  hatte  Donatus  den  Vergil  (Georgica  und  Aeneis)  commen- 
tiert^    wovon  zahlreiche  Anführungen  bei  Servius  erhalten  sind. 

1.  Hieronym.  chron.  ad  a.  354  n.  Chr.  s.  403,  1.  Comm.  in  Eccles. 
c.  1  (T.  III.  p.  390  Vall.):  praeceptor  mens  Donatus.  Apol.  adv.  Rufin.  I, 
16  (T.  n.  p.  472):  (puer  legeris)  in  Terentii  comoedias  praeceptoris  mei 
Donati  (commentarios) ,  aeque  in  Vergilium  et  aliorum  in  alios.  Der  Com- 
mentar zu  Terenz  hat  in  den  codd.  die  Ueberschrift:  Aelii  Donati  v.  c. 
oratoris  urbis  Bomae.  Alle  weiteren  Angaben  über  sein  Leben  sind  mittel- 
alterliche Erfindungen.  So  insbesondere  die  scurrile  vita  Donati  von 
Flaccus  Rebius  in  H.  Hagen's  Anecdota  Helvet.  p.  CCLX  f. 

2.  Die  Ars  Donati  grammatici  urbis  Romae  ist  in  einer  doppelten 
Bearbeitung  erhalten,  einer  kürzeren  (Ars  minor),  welche  nur  die  acht 
Redetheile  behandelt  (bei  Keil  IV.  p.  365—366),  und  einer  ausführlicheren  in 
drei  Büchern  (bei  Putsche  p.  1735—1779,  bei  Keil  IV.  p.  367—402).  Ueber 
die  Handschriften  derselben  s.  Keil  IV.  p.  XXXI— XL.  Die  Uebereinstim- 
mung  mit  Charisius  und  besonders  Diomedes  erklärt  sich  aus  der  Benützung 
derselben  Quellen.  In  der  Regel  hat  Diomedes  die  reichhaltigere  Dar- 
stellung (Keil  p.  XL  f.).  Bei  den  Späteren  wurde  die  des  Donatus  bevor- 
zugt und  commentiert  wie  epitomiert.  So  Servii  commentarius  in  artem 
Donati  (Keil  IV.  p.  405 — 448),  des  angeblichen  Servius  oder  Sei^ius  zwei 
Bücher  ezplanationum  in  artem  Donati  (Keü  IV.  p.  486 — 565  vgl.  H.  Hagen's 
Anecd.  Helvet.  p.  148—168  nebst  p.  LXXXIX— XCVI);  des  Pompejus  com- 
mentum  artis  Donati  (Keil  V.  p  95—312),  des  Bischofs  Julianus  commen- 
tarius in  Donatum  (s.  unten  486,  6),  und  die  commenta  Einsiedlensia  in 
Douati   artem   minorem,   maiorem,  barbarismum   (Hagen's  Anecd.  Helvet, 


404  f.   Donatus.    Palladius.  929 

p.  202  —  274,  nebst  p.  CV[[  — CXVI).    Gräfenhan,  Gesch.  d.  class.  Philol. 
IV.  S.  107— 109. 

8.  Ps.  Serg.  explan.  bei  Keil  IV.  p.  486:  hie  Donatus  v(ir)  c(lariB8i- 
mus)  d(octisBimu8  ?)  Vergilianum  carmen  et  Terentii  comoedias  mirifice 
commentavit.  Der  Conimentar  zu  Terenz  (oben  108,  3)  ist  eine  bunte  Com- 
pilation  aus  zwei  bis  drei  Commentaren,  wovon  einer  der  des  Donatus  war, 
ein  zweiter  der  des  Euanthius  (oben  400,  8).  Die  Bemerkungen  rhetori- 
schen und  philosophischen  Inhalts  fallen  wahrscheinlich  in  Donaths  Antheil. 
Usener,  Rhein.  Mus.  XXIII.  S.  493 — 495.  £d.  princeps  Rom.  1472;  dann  in 
den  meisten  älteren  Ausgaben  des  Terenz  bis  auf  Zeune  herab.  L.  Schopen, 
de  Terentio  et  Donato  eius  interprete,  Bonn  1821,  und  Specimeu  emend. 
in  Ael.  Donati  comm.  Ter. ,  Bonn  1826.  4.  A.  Richter,  de  Donati  comm.  Ter., 
Bonn  1864.  W.  Hahn,  zur  Entstehungsgeschichte  der  Scholien  des  D.  zum 
Terenz,  Halberstadt  1870.  16  S.  4.  (Progr.  d.  Realsch.)  Von  der  Abhandlung 
De  tragoedia  et  comoedia  ist  die  zweite  Hälfte  (beginnend :  Comoedia  est  fa- 
buladiversa  etc.)  wahrscheinlioh  aus  Donats  Einleitung  (s.  oben  12,  2);  äichpr 
die  gehaltreiche  vita  Terentii  (oben  107, 1)  welche  Donat  aus  Sueton  herüber- 
genommen und  nur  mit  einem  kurzen  Nachwort  begleitet  hat.  Gräfenhan, 
Gesch.  d.  cla«8.  Philol.  IV.  S.  813—315.  Die  Haupthandschrift  ist  ein  Pa- 
risinus saec.  XI;  die  andern  alle  (saec.  XV)  stammen  aus  der  gleichen 
Quelle,  wahrscheinlich  dem  codex  welchen  J.  Aurispa  J.  1433  in  Mainz 
auffand;  H.  Keil,  lo.  Aurispae  epistula  (Halle  1870.  4.)  p.  VIII  f. 

4.  Der  von  Servius  und  Priscian  (XV,  2.  p.' 61  Htz.:  Donatus  in  com- 
mento  Aeneidos;  vgl.  XVHI,  126.  p.  266)  erwähnte  Vergilcommentar  des 
Donatus  ist  nicht  erhalten.  Nach  den  Anführungen  scheint  es  dass  D. 
darin  functus  est  et  emendando  et  distinguendo  et  explicando  et  quaestio- 
nibus  solvendis  omnibus  fere  interpretis  officiis,  tamen  ut  quae  restant 
vituperatione  multo  saepius  quam  laude  digna  videantur,  Ribbeck  Prolegg. 
in  Verg.  p.  178,  mit  der  näheren  Begründung  p.  178—185.  Ueber  Ti. 
Claudius  Donatus,  dessen  Interpretationes  zur  Aeneis  erhalten  sind,  s.  un- 
ten 422,  5  ff.  M.  D.  A.  v.  d.  Hoeven,  Ep.  ad  Suringarium  de  Donati  comm. 
in  Verg.  Aen.,  Leovard  1846. 

5.  In  einer  Berner  Hds.  werden  als  Schüler  des  Donatus  (und  aus  Si- 
cilien  gebürtig)  aufgeführt  Honoratus  (womit  wohl  bes.  der  centimeter  ge- 
meint ist,  unten  423,  4),  Sergius  (gilt  wohl  dem  liber  de  syllaba,  de  pedi- 
bus  etc.),  Maximus  (Victorinus)  und  Metrorius  (oben  403,  4).  H.  Hagen, 
Anecd.  Helv.  p.  CXLIX  f. 

406.  In  diesen  Jahrzehnten  war  es  wohl  dass  Palladius.ssc 
seine  14  Bücher  über  Landwirtschaft  verfasste,  ohne  Anspruch 
auf  Gelehrsamkeit  in  kurzem  Abriss  die  Lehren  der  Vorgänger 
und  der  Erfahrung  zusammenstellend.  Den  Haupttheil  bildet 
(B.  Il-r-Xin)  die  Aufzählung  der  ländlichen  Geschäfte,  nach 
Monaten  geordnet.  Buch  XIV,  das  von  der  Baumzucht  handelt, 
ist  einem  Pasiphilus  gewidmet  und  besteht  aus  85  elegischen 
Distichen. 

TnrrFsii,  BOm.  lilteraturgeioUohie.  2.  Ann.  50 


930  Die  Kaisorzeit.   Viertes  JahrLundert.    Erste  Hälfle. 

1.  Aufschrift:  Palladii  Rutilii  Tauri  Aemiliani,  viri  ill.,  de  re  mstica 
über  I  etc.  Dein  vierten  Jahrh.  gehört  Fall,  jedenfalls  an;  fraglich  ist  nur 
welchem  Theile  desselben.  Die  Person  des  Pasiphilus  entscheidet  wenig, 
da  es  zweifelhaft  bleibt  welcher  der  verschiedenen  Männer  dieses  Namens 
darunter  zu  verstehen  ist,  ob  der  praef.  urbi  des  J.  355  (Gruter  p.  1080,  1. 
Borghesi,  Memor.  der  Turiner  Akad.  XXXVIII.  1835  =  Oeuvres  III.  p.463ff.i 
oder  der  Philosoph  der  dem  Eutropius  J.  371  das  Leben  rettete  (Ammian. 
XXIX,  1,  36)  oder  der  im  Cod.  Theod.  11,  1,  8  (J.  395)  genannte.  Nicht 
wahrscheinlich  ist  daher  dans  der  bei  Rutil.  Nani.  It  207  ff.  gerühmte 
Palladius,  Sohn  des  Exuperantius,  ein  facundus  iuvenis  aus  Gallien  der 
mit  Rutil.  Nam.  verwandt  war,  unser  Schriftsteller  ist.  Da  dieser  den 
.verschwommenen  Monotheismus  des  vierten  Jahrh.  theilt  (I,  1 :  si  divina 
faverint;  XIV,  21:  ipse  poli  rector  etc.),  daneben  aber  unbefangen  den 
Apollo,  Bacchus,  die  Nymphen  und  andere  Gestalten  des  alten  Glaubens 
nennt ,  so  möchten  wir  ihn  am  ehesten  als  .  Zeitgenossen  des  Astrologen 
Firmicus  Matemus  betrachten,  und  als  Adressaten  von  B.  XIV  (s.  A.  2)  den 
praef.  urbi  355.  Der  Name  Palladius  ist  saec.  IV  und  V  häufig  an  höheren 
Beamten;  s.  Hänel  index  leg.  p.  123.  Borghesi's  Taums  führt  irre.  Die 
Bezeichnung  der  Capitel  durch  tituli  wurde  durch  den  cod.  Theod.  schwer- 
lich aufgebracht,  vielmehr  angenommen. 

2.  B.  I  gibt  im  Ueberblick  quae  pertinent  ad  generale  praeceptum 
(l,  43,  4).  Auf  Stil  wird  verzichtet:  neque  enim  formator  agricolae  debet 
artibus  et  eloquentia  rhetores  aemulari,  quod  a  plerisque  factum  est  (I,  1, 
1).  Die  Quellen  werden  selten  genannt,  am  häufigsten  Columella,  dann 
Gargilius  Martialis,  Mago,  einmal  auch  Apuleius.  Pallad.  III,  30  =  Geo- 
pon.  V,  38  (Sotion).  Gewöhnlich  beruft  sich  P.  unbestimmt  auf  Graeci. 
Eigene  Erfahrung;  vgl.  IV,  10,  16:  quod  ego  in  Sardinia  (et  in)  territorio 
Neapolitano  in  fundis  meis  comperi.  ib.  24:  ego  .  .  in  Italia  .  .  plantar 
grandes  ficonim  .  .  disposui.  Viel  Aberglauben  läuft  mit  unter.  Meist 
kurze  Sätzchen.  B.  XTV  (ad  Pasiphilum,  virum  doctissimum)  ist  eine  Nach- 
ahmung von  Colum.  X,  aber  eine  unglückliche.  Schon  die  Wahl  des  ele- 
gischen Versmasses  ist  unpassend.  Der  Ausführung  fühlt  sich  die  Mühe 
au  welche  sie  gekostet.  Die  Anlage  ist  eintönig,  der  Ausdruck  ohne  Leich- 
tigkeit, voll  von  unzeitigem  Pathos.    Versbau  correct. 

3.  Cassiod.  div.  lectt.  28:  Aemilianus  explanatos  duodecim  (er  denkt 
wohl  nur  au  den  Wirtschaftskalender)  libros  de  hortis  vel  pecoribus  aliis- 
que  rebus  jilanissima  bicidatione  disseruit.  Im  Mittelalter  war  Pall.  wegen 
seiner  unmittelbar  praktischen  Anordnung  und  Dürftigkeit  viel  benutzt. 

4.  Text  in  den  Scrij^tores  rei  rusticae,  s.  oben  52,  5.     Sonderausgabe 
.  Paris  1536.  4.    Buch  XIV  (de  insitionibus)  auch  bei  Werusdorf,  poetae  latt. 

min.  VI.  p.  135—159  vgl.  p.  15—21. 

5.  Ueber  Pall.  s.  bes.  E.  H.  P.  Meyer,  Gesch.  der  Botanik,  II  (1855) 
S.  328—333. 

387         406.    Dem   vierten  Jalirhundert  gehl)reii  die   verscluedeiieii 
Koisebflclior  (Itineraria)    an  welche    auf  uns  gekommen  sind. 


405  f.    Palladins.    Ttineraria.  931 

Aus  dem  Anfange  desselben  stammen  wolil  die  beiden  sogenann- 
ten Itineraria  Antonini,  Verzeichnisse  von  Reiserouten  im 
römischen  Reiche,  zu  Land  und  zur  See.  Aus  dem  J.  333  ist 
die  Uebersicht  einer  Pilgerfahrt  von  Burdigala  nach  Jei'usalem 
(Itinerarium  Bnrdigalense  oder  Hierosolymitanum).  Für  den 
Feldzug  des  Constantius  gegen  Persien  (also  J.  340 — 345)  verfassi 
und  jenem  Kaiser  gewidmet  ist  das  Itinerarium  Alexandri,  ein 
Abriss  des  persischen  Zugs  von  Alexander  dem  Grossen.  Von 
den  beiden  vorhandenen  Verzeichnissen  der  Regionen  der  Stadt 
Rom  stammt  die  eine  Fassung  aus  der  Mitte  des  Jahrh.,  die 
andere  aus  dessen  zweiter  Hälfte. 

1.  Yetera  Romanorum  itineraria  (Antonini,  Hierosol.  und  Hieroclis 
Synecdemua)  cum  notis  varr.  ed.  P.  Wesseling,'^  Amsterdam  1735.  4.  Fortia 
d'Urban,  Becueil  des  itin^raires  anciens,  avec  dix  cartes,  Paris  1845.  4. 

2.  Itinerarium  provinciarum  Antonini  Aug.  (p.  1 — 234  Parthey)  und 
Imp.  Antonini  Aug.  itinerarium  maritimum  (p.  235  —  259  P.).  Die  Grund- 
lage ist  nach  Parthey  (Itinerarium  Antonini  et  Hierosol.  ex  libris  mss.  edd. 
G.  Parthey  et  M.  Pinder;  accedunt  duo  tabulae,  Berlin  1848)  p.  VI  aus 
der  Zeit  des  Caracalla;  dazu  kamen  aber  fortwährend  Zusätze.  Die  er- 
haltene Recension  der  bessern  Hdss.  Diocletiani  aetate  neque  vetustior  est 
neque  recentior  (ib.),  da  sie  einerseits  den  Namen  Diocletianopolis  enthält, 
andererseits  die  Angabe  der  Entfernungen  noch  nicht  von  Constantinopel 
ausgeht,  sondern  meist  von  Rom  (p.  VII).  Das  Itinerar  Antonius  herausgeg. 
von  T.  Tobler,  St.  Gallen  1863. 

3.  L.  Renier,  Itin.  romains  de  la  Gaule,  Paris  1850.  M.  Pinder,  über 
das  It.  Burd.  und  die  bisher  unbenutzte  Veroneser  Hds.  desselben  (Monats- 
ber.  d.  Berl.  Akad.  von  1860.  S.  316).  A.  de  Barthöl^my,  It.  de  Bordeaux 
a  Jerusalem  d'apr^s  un  ms.  de  V^rone,  Revue  archdol.  1864.  II.  p.  98 — 112. 
A.  Bertrand,  les  voies  rom.  en  Gaule^  Paris  1863.  Aur^s,  concordance  des 
voies  apollinaires  (A.  5)  et  de  Titin^raire  de  Bordeaux  ä.  Jerusalem  .  .  et  com- 
paraison  .  .  avec  Titin.  d'Antonin  et  avec  la  table  Th^odosienne,  Nismes  1868. 

4.  Itinerarium  Alexandri  ad  Constantium  Aug.  ed.  nunc  primum  .  . 
Ang.  Mai,  Mediol.  1817.  4.  (Frankf.  a.  M.  1818.  8.);  auch  in  seinen  Classici 
auct.  Tl.  VII  zu  Anfang,  und  von  C.  Müller  an  F.  Dübners  Ausg.  des  ,Ar- 
rianos  (Paris  1846),  nach  Pseudo-Kallisthenes,  p.  156— -167.  Ed.  D.  Volkmann, 
Naumburg  1871.  VIII  u.  32  pp.  4.  Vgl  Letronne,  Journ.  des  savants  1818, 
p.  401  flf.  F.  Haase,  Miscell.  phüol.  11  (Breslau  1868.  4.)  p.  20  ff.  Anfang: 
dextrum  admodum  sciens  et  omini  tibi  et  magisterio  futurorum,  domine 
Constauti,  bonis  melior  imperator,  si  orso  feliciter  iam  accinctoque  persi- 
cam  expeditionem  itinerarium  principum  eodem  opere  gloriosorum,  Alexandri 
scilicet  Magni  Traianique,  componerem,  libens  sane  et  laboris  cum  amore 
succubui.  Der  Schluss  (nach  c.  120)  und  damit  der  den  Trajan  betreffende 
Theil  ist  verloren.  Geschöpft  ist  die  Schrift  vorzugsweise  aus  Arrian  (C. 
Kluge,    de  itinerario  Aiexandri  M.,    Berlin  1861,  p.  4—16)  und  Pseudo- 

59* 


932  Die  Eaiserzeit.   Viertes  Jahrhundert. 

Eallisthenes  (ib>.  p.  20 — 31)  in  der  Üebersetzung  des  lulius  ValeriuB  (oben  388, 
11).  lieber  den  Sprachgebrauch  (Archaismen  u.  dgl.)  s.  Kluge  p.  46 — 51. 
54  f.    (Gracismen).     Beiträge  zur  Textkritik  bei  Kluge  p.  66 — 64. 

6.  Im  Bade  Yicarello  (Aquae  Apollinares)  sind  drei  Gefösse  mit  Reise- 
routen gefunden  worden.  A.  Jacob,  les  trois  itin.  des^Aquae  Ap.,  Paris 
1859.     Vgl.  Revue  arch^ol.  1862,  I.  p.  254  flf.  1870,  II.  p.  124—129. 

6.  W.  A.  Becker,  Handb.  d.  röm.  Alterthümer  I.  S.  709  ff:  L.  Preller,  die 
Regionen  der  Stadt  Rom,  berichtigt  mit  Einl.  und  Commentar,  Jena  1846. 
Mommsen,  Abhandl.  d.  sächs.  Ges.  d.  W.  1850.  S.  601  —  605.  R  Jordan, 
Topographie  d.  St.  Rom  im  Alterthum,  IL  Berlin  1871.  680  S.  (Urkunden 
S.  537  —  670.)  Vgl.  unten  407,  3  (XI).  Sammlung  der  Texte  auch  in  C.  L. 
Urlichs,  codex  urbis  Romae  topographicus,  Würzburg  1871.  256  pp. 

7.  Die  Regionenverzeichnisse  stammen  wohl  beide  aus  eii^  Urkunde 
der  Zeit  Constantins  welche  eine  Uebersicht  der  14  Regionen  (Stadtqnar- 
tiere)  gab  in  welche  August  Rom  eingetheilt  hatte.  Die  ältere  Recension 
(geschrieben  zwischen  J.  334  u.  357)  findet  sich  in  den  Hdsa.  der  Notitia 
dignitatum  und  wird  daher  meist  Notitia  (regionum)  genannt;  die  jüngere 
(nach  J.  357,  wahrscheinlich  vor  403  gemachte)  hat  den  Titel  Curiosum  urbis 
Romae  regionum  XIV  cum  breviariis  (Anhängen)  suis.  Vgl.  H.  Jordan  a. 
a.  O.  II.  S.  1—236.  Abdruck  ebd.  S.  637—582.  Durch  Zusätze  zum  Cnrio- 
sum  aus  der  basis  capitolina  (oben  348,  6)  und  aus  Schriftstellern  bildeten 
Italiener  ,de8'15ten  Jahrh.  eine  Art  Leitfaden  der  Topographie,  welchem 
das  Aussehen  eines  neuentdeckten  Schriftstellers  (P.  Victor)  gegeben  wurde. 
Den  Namen  Sex.  Rufus  erhielt  das  Curiosum  wahrscheinlich  weil  es  hinter 
dem  Breviarium  desselben  (unten  409,  7  f.)  sich  in  Hdßs.  fand.  H.  Jordan 
a.  a.  O.  II.  S.  299—312. 

8.  Aufzeichnungen  eines  ungenannten  Mönchs  aus  dem  Kloster  Ein- 
siedeln (Anonymus  Einsiedlensis)  über  seinen  Ai^fenthalt  in  Rom  (saec  IX), 
herausgegeben  von  G.  Hänel,  in  Jahns  Archiv  V.  S.  115  ff.,  bei  Urlichs 
(A.  6)  p.  59—78,  und  bei  H.  Jordan  a.  a.  0.  11.  S.  646—663  vgl.  S.  329—356. 

9.  Eine  Arbeit  aus  der  Mitte  von  saec.  XII  sind  die  sog.  Mirabüia 
Romae,  von  verschiedenen  Verfassern  und  in  zwei  Recensionen  erhalten. 
Herausgegeben  von  G.  Parthey  (e  codd.  vaticanis  emendata),  Berlin  1869, 
von  Urlichs  (A.  6)  p.  91  ff.  und  H.  Jordan  a.  a.  0.  II.  S.  605  —  643  vgl. 
g.  367—536  (bes.  S.  386  f.). 

2.  Zweite  Hälfte  des  Jahrliniidert». 

a.  Die  Zeit  vor  Theodosius  I. 

388  407.  Aus  dem  Anfange  der  zweiten  Hälfte  des  Jahrh.  be- 
sitzen wir  eine  wiclitige  Geschichtsquelle  an  dem  reichhaltigen 
historischen  Handbuch  für  die  Stadt  Rom  aus  dem  J.  354,  in 
der  Wiener  Handschrift  noch  verbunden  mit  einer  Clironik  und 
dem  Regionenverzeichniss  au.s  dem  J.  334  und  mit  Fortsetauiigeu 
bis  ins  J.  539  n.  Chr.  *" 


406  f.    Itineraria.   Chronograpli  des  J.  354.  933 

1.  Th.  Mommsen,  über  den  Chronographen  vom  J.  354;  in  den  Ab- 
handl.  der  eächs.  Ges.  d.  Wies.  II  (philologisch-hist.  Cl.  I)  vom  J.  1850,  S. 
549--668. 

2.  Die  Bestandtheile  des  Handbuches  sind  in  der  Brüi^seler  Hds.  und 
der  ersten  Hälfte  des  Vindobonensis  (s.  A.  4)  folgende: 

I.  Kalender,  geschrieben  zwischen  340  und  350  durch  den  Kalli- 
graphen Furius  Philocalus,  überarbeitet  zwischen  350  und  361 
(Mommsen  S.  565—571);  s.  oben  72,  9. 

III.  Consularfasten  (der  sogen.  Anonymus  Norisianus,  nach  der  Aus- 
gabe des  Norisius,  Florent.  1689),  das  vollständigste  und  zuver- 
lässigste aller  handschrifblich  erhaltenen  Consularverzeichnisse, 
vom  Anfange  des  Consulats  bis  J.  354  n.  Chr.  Mommsen  S.  572. 
Abdruck  S.  611—623. 

IV.  Ostertafelj  fortgefQhrt  bis  ins  J.  358,  mit  späteren  schlechten  Er- 
gänzungen bis  J.  410  f.  Mommsen  S.  572  —  580.  Abdruck  S.  624 
—626. 

V.    Verzeichniss  der  römischen  Stadtpräfecten,  vom  J.  258 — 354.  Ebd. 

S.  580.  Abdruck  S.  627—630. 
VI.  Depositio  episcoporum  et  martyrum,  Verzeichniss  der  Begräbniss- 
und Gedächtnisstage  der  römischen  Bischöfe  und  der  Märtyrer 
vom  J.  255  (235)  bis  335,  abgefasst  336,  ergänzt  352—369;  Vor- 
läufer des  christlichen  Kalenders.  Das  Martyrologium  ist  das 
älteste  bekannte  und  die  Grundlage  des  den  Namen  des  Hiero- 
nymus  tragenden.  Ebd.  S.  580  f.  Abdruck  8.  631—633. 
VII.  Verzeichniss  der  römischen  Bischöfe  bis  auf  Liberius  (J.  352—369) 
nach  Consulatsjahren ,  angelegt  um  230,  vollendet  unter  Liberius; 
die  erste  Hälfte  (bis  J.  230)  ohne  selbständigen  Werth,  die  zweite 
(J.  231—352)  von  offiziellem  Charakter.  Ebd.  S.  582—585.  Ab- 
druck S.  634—637. 

3.  In  der  Wiener  Handschrift  kommen  zu  diesen  im  J.  354  zu  Rom 
verfassten  Bestandtheilen : 

IX.  eine  Weltchronik,  an  die  Bibel  sich  anschliessend,  eine  jüngere 
Kedaction  des  im  liber  generationis  (bis  J.  234)  vorhandenen  Tex- 
tes, zweierlei  Uebersetzungen  desselben  griechischen  Originals, 
wahrscheinlich  von  Hippolytns  aus  Portus  (oben  377,  3).  Momm- 
sen S.  585—598.  Abdruck  S.  637—643. 
X.  Stadtchronik,  mit  der  Ueberschrifb  Origo  gentis  Romanorum,  Ge- 
sammtübersich't  der  röm.  Geschichte  bis  auf  Licinius,  wobei  die 
älteste  euhemeristisch  behandelt  und  überall  die  städtischen  Merk- 
würdigkeiten hervorgehoben  werden.  Ebd.  S.  598—601.  Abdruck 
S.  644—648. 

XI.  Regionenverzeichniss  in  der  Recension  der  Notitia  regionum;  s. 
oben  406,  6  f. 

Znsätze  aus  späterer  Zeit,  mit  dem  Uebrigen  nicht  zusammenhängend, 
sind  Annalen  in  doppelter  Fassung,  einer  kürzereu  und  geringhaltigeren 
(II),  fortgeführt  biß  539,  und  einer  ausführlicheren  (VIH)  von  Caesar  bis 
403  und  wieder  455—496;  Mommsen  S.  685.  610.    Abdruck  S.  656—668. 


934  I^ie  Kaiaeraeit.    Viertes  Jahrhundert.    Zweite  H&lfte. 

4.  Die  Handschriften  zerfallen  in  zwei  Familien,  den  verschollenen 
cod.  Peirescianus  saec.  VlII  oder  IX  und  dessen  Abschrift,  den  cod.  Bni- 
xellensis  saec.  XVI,  andererseits  Bernensis  saec.  VIII  oder  IX  (nur  wenige 
Blätter),  aus  dßin  Originale  wovon  eine  Abschrift  ist  der  Vindobonensis, 
der  vollständigste  von  allen.     Mommsen  S.  550 — 561. 

5.  Herausgegeben  von  Mommsen  a.  a.  0.  S.  611  —  668.  Die  früheren 
Ausgaben  einzelner  Theile  s.  ebd.  S.  561 — 564. 

6.  Vielleicht  noch  aus  dem  vierten  Jahrh.  stammt  auch  die  Passio 
sanctorum  IV  coronatorum,  worin  der  Papst  Melchiades  (J.  311 — 314)  als 
gestorben  erwähnt  wird.  Abgedruckt  ist  sie  zuletzt  (durch  W.  Wattenbach) 
in  M.  Büdinger's  Untersuch,  z.  röm.  Kaisergesch.  HI.  S.  323—338;  vgl. 
dazu  0.  Hunziker,  ebd.  S.  3—11,  0.  Benndorf,  ebd.  S.  339 — 356,  und  M. 
Büdinger,  ebd.  S.  367—379. 

389  408.  Die  Geschichtschreibung  der  Zeit  hat  nur  kurze  Abrisse 
aufzuweisen,  von  Aurelius  Victor,  Eutropius  und  Sextus  Rufus. 
Von  Sex.  Aurelius  Victor  selbst  verfasst  ist  wohl  die  kurze 
Kaisergeschichte  (Caesares)  bis  gegen  das  Ende  des  Constantius. 
Damit  wurde  (wohl  im  fünften  Jahrh.)  verbunden  eine  üebersicht 
der  römischen  Geschichte  während  der  Königszeit  und  der  Re- 
publik in  biographischer  Form  (de  viris  illustribus),  von  unbe- 
kanntem Verfasser,  aber  aus  der  Zeit  des  Victor.  Zur  Vervoll- 
ständigung hat  frühestens  der  Veranstalter  dieser  Sammlung  die 
Urgeschichte  Roms  (origo  gentis  romanae)  hinzugefügt  welche 
gleichfalls  erhalten  ist,  geschichtlichen  Werthes  jedoch  vollstän- 
dig ermangelt.  Aus  jener  Kaisergeschichte  aber  vnirde  ein  Aus- 
zug veranstaltet,  unter  Fortführung  bis  auf  den  Tod  von  Theo- 
dosius  I.     Auch  diese  Epitorae  ist  auf  uns  gekommen. 

1.  Hieronym.  Epist.  10,  3  (p.  24  Vall.):  ne  putes  modica  esse  quae 
deprecor:  .  .  scilicet  commentarios  Fortunatiani  et,  propter  notitiam  per- 
secutorum,  Aurelii  Victoris  historiam.  Es  ist  also  die  Kaisergeschichte  die 
er  verlangt  und  deren  Verfasser  somit  Victor.  Ammian.  XXI,  10,  6  (J.  361): 
ubi  (in  Naisaus)  Victorem,  apud  Sirmium  visum  scriptorem  historicuni  ex- 
indeque  venire  praeceptum,  Pannoniae  secundae  consularem  praefecit  (lu- 
lianus)  et  honoravit  aenea  statua,  virum  sobrietatis  gratia  aemulandum, 
multo  post  urbi  praefectum.  Lyd.  de  inagistr.  Hl,  7:  airmvaiy  ovg  OvtytTcaQ 
6  latOQinog  iv  xy  lazoqCcc  tc5v  ifKpvWmv  (pQOviisvraq^ovg  oISb  (==  Oaes.  39,  -44). 
Victor  Caes.  20,  5:  mihi  .  .  qui  rure  ortus  tenuique  et  indocto  patre  in 
liaec  tempora  vitam  praestiti,  studiis  tantum  honestiorem.  Das  Schriftchen 
ist  aus  guten  Quellen  geschöpft,  nimmt  gegen  die  Zeit  des  Verfassers  hin 
an  Ausführlichkeit  zu  und  schliesst  mit  dem  J.  360.  Constantius  heisst 
noster  princeps  42,  5;  vgl.  34,  7  und  41,  9.  nostra  aetate  28,  2;  noatra 
memoria  39,  6.  40,  14.  Der  Verfasser  ist  Heide  (vgl.  z.  B.  40,  15.  41,  20) 
und  hält  viel  auf  Prodigien.    Die  eingestreuten  Reflexionen,  über  den  Werth 


408.    Aurelius  Victor.  935 

der  litterae  und  Dioralisclien  Inhalts  (bes.  20,  2  ff.  u.  i;j.  28,  7  ff.  39,  5  u. 
7.  40,  13  f.  41,  21.  42,  2  ff.),  verrathen  keinen  weiten  geistigen  Horizont. 
Die  Ueberschrift  nennt  den  Verf.  Sex.  Aurelius  Victor,  die  der  origo  g.  r. 
aber  Victor  Afer.  Ein  Aurelius  Victor,  XVvir  sacr.  fac,  leg.  Augg.  propr. 
prov.  Pannoniae  inf.  bei  Orelli  3715  (aus  Ameria). 

2.  Das  Schriftchen  de  viris  illustribus  urbis  Komae  reicht  in  86  Capp. 
von  dem  Albanerköuige  Procas  bis  auf  Cleopatra  und  behandelt  auch  Nicht- 
römer  welche  in  die  römische  Geschichte  eingriffen  (wie  Pyrrhus  und 
Ilannibal.  Benützt  ist  Cornelius  Nepos,  Hyginus  (Wölfflin  über  Ampel. 
S.  25 ff.),  Sueton  und  Florus;  Livius  aber,  wie  es  scheint,  nicht  im  Original. 
Vgl.  C.  Aldenhoven,  Hermes  V.  S.  150—164.  Es  enthält  werthvolle  An- 
gaben und  unteracheidet  sich  in  seiner  knappen  Darstellung  vortheilhaft 
von  der  wortreichen  des  Victor  (Caess.).  Sonderausgaben  von  Brohm  (für 
Schulen,  Berlin  1832)  und  E.  Keil  (mit  Commentar,  Breslau  1850). 

« 

3.  Die  Epitome  hat  die  Ueberschrift:  Do  vita  et  moribus  imperatonim 
romanorum  excerpta  ex  libris  Sex.  Aurelii  Victoris,  a  Caesare  Aug.  usque 
ad  Theodosium  imp.  Die  Vergleichung  mit  den  Caess.  zeigt  dass  der  Verf. 
zu  seiner  Vorlage  gelegentlich  aus  anderen  Quellen  oder  der  Erinnerung 
Zusätze  gemacht  hat.  Ganz  sein  Eigenthum  sind  c.  43-  48.  Sie  sind  sach- 
lich unparteiisch,  formell  aber  kümmerlich. 

4.  Die  origo  gentis  romanae  ist  ein  insipides  Büchlein  welches  in  23 
Capp.  von  Saturnus  bis  Romulus  gelangt  und  -Anfangs  seine  Weisheit  aus 
der  Aeneis  schöpft,  dann  aber  mit  allerlei  falscher  Gelehrsamkeit  sich  auf- 
putzt, mit  Citaten  wie:  ut  docet  Alexander  Ephesius  libro  I  belli  Marsici 
(9);  ut  scribunt  Volcatius  et  Acilius  Piso  (10);  ut  scribit  M.  Octavius  libro 
1.  at  vero  Domitius  libro  1  docet  (12);  ut  scribit  Lutatius  libro  III  (13);  ut 
docet  Julius  Caesar  lib.  l  itemque  A.  Postumius  in  eo  volumine  quod  de 
adventu  Aeneae  conscripsit  atque  cdidit  (15);  ut  scribunt  C.  Caesar  et  Sex. 
Gellius  in  origine  g.  rom.  (16);  ut  scriptum  est  in  annali  pontificum  IV, 
lib.  Cincii  et  Caesaris  II,  Tuberonis  I  (17);  ut  scriptum  est  annalium  libro 
IV  et  epitomarum  Pisonis  II;  Aufidius  sane  in  Epitdmis  et  Domitius  libro 
I  tradunt  (18);  ut  scribit  Valerius  Antias  lib.  l  (19);  at  vero  Fabius  Pictor 
lib.  I  et  Vennonius  (20);  Licinius  Macer  lib.  I  docet  .  .  contra  Eguatius  lib. 
I  tradit  (23).  Solche  Raritäten  bewirken  dass  man  das  Machwerk  am 
liebsten  dem  XV  Jahrb.  zutheilen  würde  (Niebuhr,  Orelli,  W.  A.  Becker, 
Hulleman,  Rotter,  W.  Harless),  wenn  nicht  innere  Gründe  und  die  That- 
sache  dass  es  ältere  Hdss.  gab  nöthigten  es  vielmehr  einem  Schulmanne 
des  5  —  6.  Jahrh.  zuzuweisen  (Jak.  Mähly,  II.  Jordan),  also  der  Zeit  des 
Fulgentius  (s.  459, 17),  dem  es  würdig  zur  Seite  steht.  Vgl.  noch  1,  6:  quare 
(Vergil.  Aen.  1,213)  addiderit  tutus  suoloco  plenissime  adnotavimus  in  com- 
mentatione  (prius)  quam  hoc^cribere  coepimus,  cognita  ex  libro  qui  inscriptus 
est  De  origine  patavina.  Mähly,  de  auctore  libelli  qui  inscrib.  de  or.  g.  r., 
Jahns  Archiv  XVIII.  p.  132  —  153  vgl.  XIX.  p.  315  —  319.  C.  L.'Roth,  ebd. 
XIX.  S.  314  f.  Reiffenberg,  Bull,  de  l'acad.  de  ßruxelles  XL  Nr.  5.  X.  p. 
468  ff.  H.  Rotter,  de  auctore  libelli  de  or.  g.  r.,  Cottbus  1858.  4.  H.  Jor- 
dan, Rhein.  Mus.  XVIII.  S.  589  f.,  Caton.  reliqq.  p.  XXIX  f.  und  Hermes  IH. 
S.  389--426. 


936  Die  Kaiflerzeit.    Viertes  Jahrhundert.   Zweite  Hälfte. 

5.  Aasgaben  der  vier  Schriftchen  besonders  von  A.  Schott  (Antverp. 
1579),  S.  Pitiscus  (cum  notis,  Utrecht  1696),  J.  Arntzen  (Amstelod.  1733.  4.), 
J.  F.  Grüner  (Coburg  1757),  Fr.  Schröter  (Lips.  1829—31,  2  Voll.).  Auch 
in  histor.  rom.  scriptores  minores,  Bipont.  1789,  und  sonst. 

r>90  .  409.  Unter  Valens  verfasste  Eutropius  seinen  Abriss  der 
ganzen  römischen  Geschichte  (breviarium  ab  urbe  condita)  in 
zehn  Büchern,  nach  den  geläufigen  Quellen,  mit  gutem  Urteil, 
Geschick  und  Unparteilichkeit,  und  in  einfacher  Sprache.  Seine 
Kürze  und  Brauchbarkeit  machte  das  Schriftchen  bald  beliebt 
und  verschaffte  ihm  Uebersetzer  (ins  Griechische)  wie  Fortsetzer 
und  Aufnahme  in  die  historia  miscella.  Gleichzeitig  mit  der 
Arbeit  des  Eutropius  ist  die  ähnliche,  aber  viel  dürftigere  des 
Ruf  US  Festus,  welche  gleichfalls  auf  uns  gekommen  ist.  Viel- 
leicht ist  aus  derselben  Zeit  auch  des  lulius  Obsequens  Ver- 
zeichniss  der  Prodigien  in  den  Jahren  505 — 742  d.  St.,  nach 
einem  Auszuge  aus  Livius. 

1.  Said.  8.  V.  (I.  p.  656  Bnh.):  EvTQontos,  'itaXog,  ffOfpiatrjg.  ^rrjv 
Qm^iaCtiTiv  tazogiav  imto^mag  rrj  'italmv  q)(ov^  sygwipSy  xal  aXXa,  Eatrop. 
X;  16,  1:  lulianus  .  .  Parthis  intulit  bellum,  cai  ezpeditioni  ego  qnoque 
interfui.  Vgl.  Georg.  Codin.  de  orig.  Const.  p.  18  Bonn.  Widmung  Yalenti 
maximo  perpetuo  Aug.:  res  rom.  ex  voluntate  mansuetudinis  tuae  ab  urbe 
condita  ad  nostram  memoriam,  quae  in  negotiis  vel  bellicis  vel  civilibus 
eminebant,  per  ordinem  temporum  brevi  narratione  collegi  strictim,  additis 
ctiam  bis  quae  in  principum  yita  egregia  extiterunt.  Das  Werk  schliesst 
mit  dem  Tode  Jovian's  (J.  364):  quia  ad  inclitos  principes  venerandosque 
(die  regierenden)  perventum  est  interim  operi  modum  dabimus.  nam 
reliqna  stilo  maiore  dicenda  sunt,  quae  nunc  non  tarn  praetermittimus 
quam  ad  maiorem  scribendi  diligentiam  reservamus.  Der  Zeit  nach  könnte 
der  Verf.  gemeint  sein  bei  Ammian.  XXIX,  1 ,  36  (J.  371) :  Eutropius  Asiam 
proconsulari  tune  obtinens  potestate  (vgl.  Gregor.  Naz.  Epist.  138)  ut 
factionis  conscius  arcessitus  in  crimen  abscessit  innocuus,  Pasiphilo  ex- 
imeiite  philosopho.  Liban.  de  vita  I.  p.  106  R.  Epist.  IV,  191.  Greg.  Naz. 
Ep.  137.  Im  Cod.  Theod.  (und  Tust.)  wird  (dieser)  Eutr.  als  praef.  praet, 
in  den  Jahren  380,  381,  384—387  öfters  erwähnt;  s.  die  Stellen  bei  Häoel, 
index  legum  p.  109.  Er  ist  wohl  auch  der  Eutr.  (cui  pollet  Minerva  III,  47) 
an  welchen  Symmach.  Ep.  III,  46 — 53  gerichtet  sind. 

2.  Suid.  V.  Kamtojv  (II.  p.  66  Bnh.):  iLBTccq)Qaai.v  trjg  iTcitoftrjg  EvtQO- 
TtLov  gcoftaCotl  initepLOvtog  Aißiov  xov  *P(opLaiov.  Letzteres  ist  auch  für  die 
Ültere  Zeit  nicht  ganz  richtig,  da  Eutr.  manche  von  Livius  abweichende 
Angaben  hat;  s.  ü.  Köhler,  qua  rat.  Liv.  ann.  (1860)  p.  38  ff.  Namentlich 
ist  eine  erweiterte  Redaction  des  Dion  mitbenutzt;  A.  Köcher,  de  loaDu. 
Ant.  (1871)  p.  23  f.  Für  die  Kaisergeschichte  sind  Sueton,  die  Chronik  von 
354  (Mommsen,  der  Chronograph  S.  601)  und  die  scriptores  h.  a.  verwerthet. 
Xeben   den   Thatsachen   gibt  Eutr.    hier   in    der   Regel   auch   eine   kurze 


\ 


409.  Eutropius.  Rufus  Festus.  937 

Charakteristik,  Ton  deren  Unparteilichkeit  Proben  sind   die  Urteile   über 
Constantin  und  Julian  (X,  6  ff.  16). 

3.  Auf  sonstige  Schriften  des  E.  deutet  des  Suidas  wxl  aXlcc.  Spüren 
derselben  sind  nicht  erhalten,  falls  nicht  etwa  eine  ist  das  Citat  bei  Pri- 
scian  I,  8  (p.  8,  19  H.):  id  etiam  Eutropius  confirmat,  dicens  (über  x). 

4.  Benützung  des  breviarium  von  E.  durch  Hieronymus ,  Orosius  u.  A. 
In  der  historia  miscella  steht  es  an  der  Spitze;  Tgl.  oben  39,  5.  Johannes 
aus  Antiochia  scheint  den  Eutr»  in  einer  (erweiternden)  griechischen  Bearbei- 
tung vor  sich  gehabt  zu  haben,  A.  Köcher  de  lo.  Ant.  1871,  p.  17 — 24. 

6.  Uebersetzung  des  Breviarium  ins  Griechische  durch  den  Lykier 
Capito  (s.  A.  2),  vielleicht  unter  Anastasius.  Erhalten  ist  (bis  X,  12)  die 
eines  Paeanius,  vielleicht  aus  dem  Ende  von  saec.  V.  Sie  ist  umschreibend 
gehalten  und  auch  von  Missverständnissen  nicht  frei.  Herausgegeben  zuerst 
von  F.  Sylburg,  bist,  graec.  script.  min.  (Frankf.  1690)  III.  p.  62  ff. ;  dann  in 
den  Ausgaben  des  Eutr.  von  Cellarius,  Hearne,  Havercamp,  Verheyk;  eigens 
von  C.  F.  Schmid  (Lauenburg  1736),  J.  F.  S.  Kaltwasser  (Gotha  1780). 
Weber,  de  lat.  script.  quae  Graeci  transtulerunt  II.  (Kassel  1852)  p.  16—21. 
E.  Schulze,  de  Paeanio  Eutropii  interprete,  Philologus  XXIX.  p.  286 — 299. 

6.  Unter  den  Handschriften  des  brev.  ist  besonders  wichtig  der 
Gothanus  saec.  IX.  Editio  princeps  Rom.  1471  .  4.  Sonstige  Ausgaben 
besonders  von  A.  Schonhov  (Basil.  1546.  1562),  Ch.  Cellarius  (Zeiz  1678  u. 
sonst),  Th.  Hearne  (Oxon.  1703),  S.  Havercamp  (Lugd.  B.  1729),  H.  Verheyk 
(Lugd.  B.  1762.  1793),  C.  H.  Tzschucke  (Lips.  1796;  kürzer  Lips.  1804). 
Schulausgaben  mit  deutschen  Anm.  von  F.  W.  Grosse  (Halle  1813),  G. 
Seebode  (m.  Wörterb.,  Hannover  1817.  1837),  F.  Hermann  (Lübeck  1818), 
C.  Ramshorn  (Leipzig  1837),  0.  Eiohert  (Hannover  1871).  Texte  (Bibl.  Teub- 
ner.)  von  Baumgarten-Crusius  und  R.  Dietsch  (Lips.  1849.  1853V  Wörter- 
buch zu  Eutr.  von  0.  Eichert,  Breslau  1850. 

7.  Widmung:  D.  n.  Valenti  imp.  pio  perp.  semper  Aug.  Sex.  Rufus 
V.  c.  Brevem  fieri  dementia  tua  praecepit.  parebo  libens  praeceptis,  quippe 
cui  desit  facultas  latius  eloquendi.  .  .  res  gestas  signabo,  non  eloquar.  ac- 
cipe  ergo  quae  breviter  dicta  brevius  computentur.  c.  2:  ab  urbe  cond. 
in  ortum  perennitatis  vestrae  .  .  anni  numerantur  MCXVII.  Schluss  (c.  29): 
quam  magno  deinceps  ore  tua,  o  princeps  invicte,  facta  incluta  sunt  per- 
sonanda!  quibus  me,  licet  imparem  dicendi  nisu,  et  aevo  gravier  prae- 
parabo,  .  .  gloriosissime  principum  Valens  Auguste.  Titel:  Breviarium  re- 
rum  gestarum  populi  rom.,  oder  Sex.  Rufi  v.  c.  rerum  gestarum  pop.  rom. 
epitome;  Rufi  Festi  v.  c.  rer,  gest.  pop.  rom.  liber  u.  dgl. 

8.  Handschriften  des  Rufus  Festus  sind  häufig.  Ausgaben  (nach  der 
piinceps,  wahrsch.  Neapel.  1470.  4.)  von  Chr.  Cellarius  (Zeiz  1673.  Hai.  1698), 
an  den  Ausgaben  des  Eutrop.  von  Havercamp  und  Verheyk;  ferner  von 
C.  H.  Tzschucke  (in  us.  schoL,  Lips.  1793),  C.  Münnich  (recogn.,  Hannover 
1815),  R.  Mecenate  (ad  mss.  emend.,  Rom.  1829). 

9.  Von  lulii  Obsequentis  ab  a.  u.  c.  DV  (J.  Bernays  im  Rhein.  Mus. 
XII.  S.  436  ff.)  prodigiorum  Über  gibt  es  keine  Handschrift,    sondern  nur 


938  T)ie  Kaiserzeit.    Viert<?s  Jahrhundert.    Zweite  Hälfte. 

die  editio  princeps  des  AldiiB,  Venet.  1508  (mit  Plinius  d.  J.).  Spätere  Aus- 
gaben bes.  von  J.  Scheffcr  (Amstelod.  1679),  Fr.  Oudendorp  (Lugd.  Bat  1720^ 
vgl.  Acta  phil.  Monac.  TT.  p.  291  ff.),  J.  Kapp  (Hof  1772)  und  bes.  rec.  et 
emend.  0.  lahn  (Lips.  1853,  an  den  periochac  des  Livius,  p.  109  ff.  vgl.  p. 
XTIT  ff.;.  Das  Schriftchcu  ist  lediglich  aus  Livius  geschöpft,  und  auch  aus 
diesem  nicht  unmittelbar,  sondern  aus  einem  Abriss  wo  die  Consulnamen 
im  Ablativ  vorangestellt  waren,  wahrscheinlich  dem  gleichen  welchen  Cas- 
siodor  benützt  hat  (Mommsen,  Cassiod.  S.  552).  Durch  diese  Beschränktheit 
des  gelehrten  Horizonts,  wie  andererseits  das  heidnisch-superstitiöse  Inter- 
esse für  die  Prodigien,  bestimmt  sich  ungefälir  die  Abfassungszeit. 

391  410.  Die  Kunst  der  Rede  hat  in  dieser  Zeit  zahlreiche 
Vertreter,  besonders  in  Gallien,  wie  Gennadius,  Minervius,  Al- 
kimus,  Delphidius,  Arborius  und  bald  auch  Ausonius;  daneben 
in  griechischer  Sprache  die  Sophisten  Himerios,  Libanios  u.  a. 
Die  einzige  Rede  in  lateinischer  Sprache  die  wir  besitzen  ist 
des  Claudius  Mamertinus  Danksagung  für  das  durch  Julian 
ihm  verliehene  Consulat,  gehalten  am  ersten  Januar  362  zu  Con- 
stantinopel.  Sie  gibt  in  ihrer  Weise  ein  treues  Bild  von  Julians 
Persönlichkeit  und  Regententhätigkeit. 

1.  Hieron.  chron.  a.  2369  =»  353  n.  Chr.:  Gennadius  forensis  orator 
Romae  insignis  habetur. 

2.  Hieron.  chron.  a.  2369  =  353  n.  Chr.  rMinervius  Burdigalensis  rhetor 
Romae  florentissime  docet.  Dieser  Ti.  Victor  Minervius  lehrte  zuerst  zu 
Constantinopel,  dann  zu  Rom,  zuletzt  in  seiner  Heimat  Burdigala;  s.  Auson. 
prof.  Burd.  1.  Seine  Söhne  Alethius  Minervius  (ib.  6.  Symmach.  Epist.  IV, 
18.  35 — 49,  bes.  35:  crevisti  .  .  paternae  in  me  familiaritatis  successi(»nem) 
und  Protadius  (Symm.  Ep.  TV,  17—34;  vgl.  ib.  36  mit  18)  waren  gleichfalls 
Rhetoren  und  gelangten  zu  äusserer  Stellung.  Vgl.  Claudian.  LXXTV  (epigr. 
24).  Des  Erstem  Sohn  hiess  gleichfalls  Protadius  (Symm.  Ep.  IV,  47).  Ein 
dritter  Bruder  war  Florentinus  (ib.  IV,  50—57),  welcher  unter  Honorius 
Quaestor  war  und  das  Geschäft  condendarum  sanctioniim  hatte  (ib.  IV,  50). 
Dessen  Sohn  hiess  wiederum  Minervius  (ib.  55),  und  vielleicht  dessen  Bru- 
der war  Nemesius  (ib.  56). 

3.  Hieron.  chron.  a.  2371  =  355:  Alchimus  et  Delfidius  rhetores  in 
Aquitanica  florentissime  docent.  üeber  Delphidius  vgl.  oben  396,  8.  La- 
tinuB  Alcimus  Alethius  war  nach  Auson.  prof.  Burd.  2,  21  ff.  Lehrer  des 
(Kaisers)  Julian  und  des  Sallustius;  vgl.  Apoll.  Sidon.  Epist.  V,  10  (abun- 
dantia  Delphidii,  Agroecii  disciplina,  fortitudo  AlcLmi).  TUT,  11  (si  a  te  in- 
structio  rhetorica  poscatur,  hi  Paulinum,  illi  Alcimum  non  requirnnt). 
Verse  welche  in  den  Hdss.  dem  Alcimus,  Alcinous  oder  Avitus  zugeschrie- 
ben werden  hat  diesem  Ale.  (welchen  Ausonius  1.  1.  palmae  forensis  et  Ca- 
menarum  decus  nennt)  zugetheilt  Meyer,  anthol.  lat.  254 — 260,  Vgl.  A. 
Riese,  Zeitschr.  f.  d.  östr.  Gymn.  1867,  S.  398  ff.  u.  Anthol.  lat.  713—715.  740. 
In  einer  Berliner  Hds.  saec.  IX  finden  sich   als  Libri  Alchimi  verzeichnet: 


410.    Minervins,  MamertiniiB  u.  a.  Rhetoren.  939 

In  adulesccntem  qui  in  pnblico  patre  cadente  risit  etc.   und  eine  Contro- 
versia  fullonis  vel  (==s  et)  calvi;  s.  Haupt,  Hermes  HI.  p.  222  f. 

4.  Sulpic.  Sev.  chron.  H,  46,  2  f.:  huiiis  (des  Marcus,  def  den  Ono- 
Bticismus  aus  Aegypten  nach  Spanien  brachte)  auditores  fuere  Agape  <juae- 
dam  .  .  et  rhetor  Helpidius  (Elp.).  ab  bis  Priscillianus  est  institutus,  familia 
nobilis,  .  .  facundus,  multa  lectione  eruditus,  disserendi  ac  disputandi  prom- 
ptisßimus.  47,  2:  damnati  (J.  380)  .  .  Helpidius  et  Priscillianus  laici  (auf 
der  Synode  von  Caesaraugusta).  Vgl.  51,  3.  Ein  anderes  Haupt  der  Secte 
(Priscillianisten)  war  Latronianus,  s.  unten  415,  8. 

5.  Aemilius  Magnus  Arbo r ins,  mütterlicher  Oheim  und  Lehrer  des 
Ausonius  (Auson.  parent.  3),  Rhetor  zu  Tolosa,  in  Spanien  und  Constan- 
tinopel,  wohin  er  berufen  wurde  nachdem  er  in  Tolosa  Constantini  fratres 
(seine  Halbbrüder  Dalmatius,  Hanniballianus  und  Julius  Constantius)  exilii 
specie  sepositos  kennen  gelernt  hatte  und  wo  er  auch  starb  (Auson.  prof. 
Burd.  16).  Er  ist  daher  vielleicht  der  comes  Arborius  im  Cod.  Theod.  I, 
32,  4  (J.  379)  und  der  praef.  urb.  Arb.  ib.  VI,  35,  9.  XIV,  3,  16  (J.  380). 
Vgl.  Ap.  Sidon.  Epist.  V,  10  (rigor  Magni).  Ein  redseliges,  im  Ausdrucke 
vielfach  ungelenkes  und  modern  klingendes,  im  Technischen  zwar  ziemlich 
correctes,  aber  einförmiges  erotisches  Gedicht,  46  Distichen  in  nympham 
nimis  cultam  (bei  Riese,  anth.  lat.  897),  wird  von  Rivinus  und  Lotichius 
ohne  Angabe  von  Gründen  ihm  zugeschrieben. 

6.  Ueber  den  älteren  Symmachus  s.  unten  418,  1. 

7.  Claudius  Mamertinus  (grat.  act.  17,  5),  von  Juliahus  in  dem- 
8el"ben  (21,  5.  22,  2)  Jahre  (361)  zum  praef.  aerarii  (1,  4.  22,  2;  Comes  lar- 
gitionum,  Ammian.  XXI,  8,  1),  praef.  praet.  per  lllyricum  et  Italiam  (1,  6 
vgl.  Symmach.  ep.  X,  60.  Ammian.  XXI,  12,  25.  XXVI,  5,  5)  und  Consul 
(vgl.  Ammian.  XXI,  10,  8.  12,  25.  XXII,  3,  1)  ernannt,  dankt  dem  Kaiser 
hiefür  in  dieser  Rede  (Nr.  X  in  den  Panegyrici  von  Jäger).  Da  unter  die- 
sem Fürsten  der  Servilismus  weniger  im  Wei-the  war  (21,  1.  26,  3)  als  die 
Aufrichtigkeit  (libertas,  s.  32,  3),  so  begnügt  sich  der  Redner  die  wirk- 
lichen Eigenschaften  desselben,  seine  Strenge  gegen  schlechte  Beamte  (4, 
3  ff.),  Sparsamkeit  gegen  sich  neben  Freigebigkeit  gegen  Andere  (10),  Ein- 
fachheit (11),  rastlose  Thätigkeit  (13  f.),  Wahrheitsliebe  (26),  Ruhmesdurst 
(31),  rhetorisch  auszustaffieren  und  durch  den  Gegensatz  zu  den  früheren 
Regierungen  (11.  19  f.  25)  zu  heben.  Auch  unterlässt  der  Redner  nicht 
sich  selbst  gehörig  ins  Licht  zu  stellen.  Er  scheint  übrigens  Julians  Ver- 
trauen so  wenig  entsprochen  zu  haben  wie  die  meisten  damit  Beehrten; 
s.  Ammian.  XXVII,  7,  1  (J.  368):  vix  dies  intercessere  pauci  cum  Mamer- 
tinum  praefectum  praet.  ab  urbe  regressum  *  .  Avitianus  ex  vicario  pecu- 
latus  detulerat  reum.  cui  ideo  Vulcatius  successit  Rufinus  etc.  Zur  Zeit 
der  Rede  ist  Mam.  schon  in  vorgerückterem  Lebensalter  (17,  2.  18,  5). 
Spracheigen th ümlichkeiten :  participare  consilium  1,  1.  pati  ut  2,  4.  dent 
recordari  19,  3.  nedum  (23,  4)  und  universi  (9,  4)  unrichtig  gebraucht; 
arcana  vacuare  (18,  1).  et  vere  (20,  2.  26,  3).  Poetische  Wendungen  wie 
lata  camporum  (10,  1  vgl.  12,  1.  3).  Archaismen  wie  voltü  satagente  (28, 
3),  adulare,  autumo,  sublimare  u.  dgl.    Abdruck  der  Rede  in  den  panegy- 


940  I>ie  Kaiserzeit.   ViertcB  Jahrhundert.   Zweite  Hälfte. 

rici  (oben  887,  1—3),  sowie  in  Migne's  patrolog.  XVIII.  p.  409—430.    Vgl. 
Hermes  IV.  p.  152. 

8.  Julianus  selbst  war  der  Rede  mündlich  und  schriftlich  in  hohem 
Grade  mächtig;  seine  Schriften  sind  aber  alle  griechisch  geschrieben. 
Eutrop.  X,  16:  liberalibus  disciplinis  apprime  eruditus,  graecis  doctior  at- 
que  adeo  ut  latina  eruditio  nequaquam  cum  graeca  scientia  conveniret; 
facundia  ingenti  et  prompta.  Julian  ist  eine  auf  das  Edle  gerichtete  Natur, 
aber  phantastisch  und  daher  über  das  Ziel  hinausschiessend  und  in  den 
Mitteln  sich  vergreifend.  Vgl.  W.  Teuffei  in  Pauly's  Eeal-Enc.  IV  (1845). 
S.  401  —  413.  416  f.  Änm.,  und  Studien  u.  Charakt.  S.  168—190.  D.  F. 
Strauss,  der  Romantiker  auf  dem  Throne  der  Caesaren,  Mannheim  1847. 
F.  Chr.  Baur,  d.  christl.  Kirche  im  vierten  bis  sechsten  Jahrh.  (1863)  S. 
17 — 43.  J.  F.  A.  Mücke,  Flavius  Claudius  lulianus  nach  den  Quellen; 
I.  Julians  Kriegsthaten,  Gotha  1866;  II.  J.'s  Leben  und  Schriften,  Gotha  1869. 

9.  Preis  der  Verdienste  Valentinians  I.  um  die  Wiederherstellung  der 
öffentlichen  Beredt«amkeit  bei  Symmach.  in  Valent.  II ,  22  f. :  sonet  apud 
te  libertas  forensis  eloquü ,  quam  dudum  exulem  tribunalibus  reddidisti. 
ruh  emerituB  torpebat  orator;  .  .  nusquam  malus  silentium  quam  in  sa- 
crariis  litterarum.  .  .  solvisti  vincla  linguarum.  (23.)  .  .  par  fuit  ut  elo- 
quentiae  usum  redderes.    .  .  ingenia  liberasti  etc. 

10.  Himerius  um  J.  315  —  385.  Gesammtausgabe  seiner  Reden  von  G. 
und  J.  Ch.  Wernsdorf  (Götti.  1790),  Fr.  Dübner  (accurate  excusso  cod. 
optimo  et  unico  XXII  declamationum  Paris,  Didot,  1849;  mit  Philostratus, 
Kallistratus  un^Eunapius). 

11.  Libanius  um  J.  315 — 393.  Libanii  sophistae  orationes  et  declama- 
tiones  rec.  et  illustr.  J.  J.  Reiske,  Altenburg  1791  —  1797,  4  Voll.  Libanii 
epistolae  graece  et  lat.  cum  not.  J.  Ch.  Wolf,  Amstelod.  1738  fol.  E.  Mon- 
nier,  histoire  de  Lib.  I.  Paris  1866.  G.  R.  Sievers,  das  Leben  des  Lib., 
Berlin  1868.  324  S. 

392  411.  Ein  fruchtbarer  theologischer  Schriftsteller  in  gallicani* 
schem  Stile  war  Hilarius^  Bischof  von  Poitiers.  Er  betheiligte 
sich  literarisch  an  den  arianischen  Streitigkeiten  ^  richtete 
Zuschriften  an  Constantius  und  verfasste  eine  Anzahl  Commentare 
zu  Schriften  des  alten  wie  des  neuen  Testaments.  Auch  von  dem 
sardinischen  Bischof  Lucifer  sind  Schriften  dogmatischen 
Inhaltes  auf  uns  gekommen,  sowie  von  den  Bischöfen  Phoebadius 
und  Potamius. 

1.  Hieron.  viri  ill.  100:  Hilarius,  urbis  Pictavorum  Aquitaniae  epi- 
scopuB,  factione  Saturnini  Arelatensis  episcopi  de  synodo  Biterrensi  (J.  356) 
in  Phrygiam  relegatns,  XII  adversus  Arianos  confecit  libros  et  alium  librnm 
De  synodis  quem  ad  Galliarum  episcopos  scripsit,  et  in  Psalmos  (I  et  11. 
LI — LXII.  CXVni — CL)  commentarios ,  in  quo  opere  imitatus  Origenem 
nonnulla  etiam  de  suo  addidit.  est  eins  et  ad  Constantium  libellus,  quem 
viventi  Constantinopoli  porrexerat  (J.  360),   et  alius  in-  Constantium  quem 


410  f.    Rhetoren.   Hilarius.  941 

* 

post  mortem  eius  (J.  361)  scripsit,  et  liber  adversus  Valentem  et  Ursacium, 
bistoriam  Ariminensis  et  Seleuciensis  (J.  359)  synodi  contineoB;  et  ad  prae- 
fectum  Sallüstium  sive  contra  Dioscorum;  et  liber  hymnorum  et  Mysteri- 
orum  alius;  et  commentarii  in  Matthaeum  et  tractatus  in  lob  quos  de 
graeco  Origenis  ad  eensum  transtulit;  et  alius  elegans  libellus  contra  An-  v 
zentium ,  et  nonnnllae  ad  diversos  Epistolae  (auch  an  Constantius ,  J.  355). 
aiunt  qnidam  ecripsisse  eum  et  in  Cantica  canticorum,  sed  a  nobis  hoc  opus 
ignoratnr.  mortnus  est  Pictavis,  Valentiniano  et  Valente  regnantibus  (J.  367). 
Auch  sonst  wird  H.  oft  von  Hieronymus  angeführt,  z.  B.  Epist.  70,  5  (ad 
Magn.  or.,  Opp.  ed.  Vall.  I.  p.  430):  Hilarius,  meorum  confessor  temporum 
et  episcopus,  XII  Quintiliani  libros  et  stilo  imitatus  est  et  numero  (in 
seiner  Schrift  de'trinitate,  contra  Arianos),  brevique  libello  quem  scripsit 
contra  Dioscorum  medicum  quid  in  litteris  posset  ostendit.  58,  10  (ad 
Paulin.,  Opp.  1.  1.  p.  326):  Hilarius  gallicano  cothurno  attoUitur  et  cum 
Graeciae  floribus  adometur  longis  interdum  periodis  involvitur  et  a  lectione 
simpliciorum  fratrum  procul  est.  Auch  chron.  a.  2372  =  356  (Verbannung). 
2375  =  359  (Rückkehr).  2376  =  360:  Gallia  per  Hilarium  Arminiensis 
(vielmehr  Ariminensis,  vgl.  ad  a.  2375,  u)  perfidiae  dolos  damnat.  2384  = 
368  (Tod).  Eine  vita  Hilarii  von  Venantius  Fortunatus  in  den  Ausgaben 
der  Werke  des  Hil. ;  Gedicht  desselben  auf  ihn,  Venant.  misc.  II,  19. 

2.  Ausgaben:  Paris.  1510  fol.  Per  Des.  Erasmum,  Basil.  1523.  1526. 
1535  fol.  Ex  ed.  J.  Gillotii,  Paris  1572.  1606.  fol.  Benedictinerausg.  (von 
P.  Coütant)  Paris  1693  fol.  (und  Veron.  1730.  2  Voll.  fol.).  Ed.  Fr.  Ober- 
thür,  Würzburg  1785ff.  3  Voll.  8.  In  Migne's  Patrolog.  T.  IX  u.  X  (Paris  1844). 
Dazu  J.  B.  Pitra,  spicileg.  Solesm.  (Paris  1851)  p.  49  — 159  Commentare 
zu  paulinischen  Briefen  welche  wahrscheinlich  von  H.  verfasst  sind  (vgl. 
Pitra  p.  XXVI — XXXIV)  aus  einem  cod.  Corbeiensis  saec.  IX,  p.  159—165  zur 
Genesis,  und  p.  166 — 170  aus  einer  St.  Galler  Evangelienhandschr.  saec.  VIII 
114  Hexameter  über  die  Geburt  Christi  mit  lockerer  Prosodie  (v.  15. 
17.  18.  38.  80.  88),  bes.  häufiger  Verlängerung  einer  kurzen  Silbe  (26.  29. 
31.  34.  50.  82.  109.  113),  aber  auch  zweifelhafter  Berechtigung  diesem  H. 
zugeschrieben  zu  werden. 

3.  R.  Ceillier,  bist.  g^n.  V.  p.  1 — 150.  J.  H.  Reinkens,  Hilarius  von 
Poitiers,  eine  Monographie,  Schaffhausen  1864.  XXXVH  u.  359  S.  Vgl.  J. 
Wagenmann,  GöttL  gel.  Anz.  1865,  S.  1641—1668. 

4.  Hieron.  vir.  ill.  95:  Lucifer,  Caralitanus  episcopus,  cum  Pancratio 
et  Hilario  rom.  ecclesiae  clericis  ad  Constantium  imp.  a  Liberio  episcopo 
pro  fide  legatus  missus,  cum  nollet  sub  nomine  Athanasii  Nicaenain  dafh- 
nare  fidem,  in  Palaestinam  relegatus  .  .  contra  Constantium  imp.  scripsit 
librum  eique  legendum  misit  ac  non  multo  post,  sub  luliano  principe,  re- 
versus  Caralis  Valentiniano  regnante  obiit  (J.  871).  Vgl.  Hier,  chron.  ad 
a.  2371.  2378  =  365.  362  n.  Chr.  In  den  libri  duo  Ad  Constantium  Aug. 
pro  s.  Athanasio  (um  360)  bezeichnet  er  den  Kaiser  als  Schlange,  bellua, 
immanissima  fera,  latro,  sacrilegus,  camifex,  homicida,  idololatra,  templum 
daemonum,  religionis  eversor,  haereticus,  apostata,  Vorläufer  des  Antichrist 
und  Antichrist  selbst.  Auf  Befragen  des  Florentinus  mag.  off.  erklärte  sich 
L.  als  Verfasser  und  wollte  den  Mjrtyrertod  -erleiden  (moriendum  esse  pro 


U42  Die  Kaiserzeit.    Vieiies  Jahrhuudert.  Zweite  Hälfte. 

filio  dei).  Des  Kaisers  Tod  vereitelte  diese.  Gleich  fanatisch  orthodox  sind 
die  etwas  früheren  Schriften  De  non  conveniendo  cum  haercticls  liber  ad 
CoDstantium  Aug.  und  De  non  parcendo  in  deuzn  delinquentibus.  Ed.  prin- 
ceps  von  Luciferi  opuscula  (von  Jo.  Tilius)  Paris  1668.  In  der  Bibl.  patr. 
max.  (Lugd.  1677)  IV.  p.  181  flF.,  Gallandi  bibl.  patr.  VI.  p.  155  ff.  Auch 
Venet.  1778  fol.  cur.  J.  D.  et  J.  Coletis,  wieder  abgedruckt  in  Migne's  Pa- 
trolog.  XllI  (1845)  p.  692—1038. 

5.  Hieron.  vir.  ill.  108:  Phoebadius,  Agenni  Gallianim  episcopus, 
edidit  contra  Arianos  librum  (ums  J.  358;  ed.  Th.  Besä,  Genev.  1570;  ed 
P.  Pithoeus,  Paris  1586.  4.r  rec.  C.  Barth,  Frankf.  1623;  in  Gallandi  bibl. 
patr.  V.  p.  250  ff.,  der  bibl.  patr.  max.  III.  p.  300  ff.,  in  Migne's  Patrolog. 
XX).  dicuntur  et  alia  eius  esse  opuscula,  quae  necdum  legi,  vivit  nsque 
hodie  (J.  392)  decrepita  senectute. 

6.  Von  Potamius,  Bischof  von  Lissabon,  ist  erhalten  eine  Epistola 
ad  Athanasium  episc.  Alexandr.  de  consubstantialitate  fiiii  dei,  verfasst  um 
355,  erstmals  herausgegeben  1657,  und  Anderes;  s.  Gallandi  bibl.  patr.  Y, 
Migne's  Patrol.  VIII. 

7.  Zenonis  sermones,  rec.  et  illustr.  P.  et  Hier.  Ballerini,  Veron.  1739  fol. 
Gallandi  bibl.  patr.  V.  p.  109  ff.,  Migne's  Patrol.  XL 

8.  Gennad.  vir.  ill.  4:  Vitellius  Afer  Donatianorum  schisma  defendeus 
Hcripsit  de  eo  quod  odio  sint  mundo  servi  dei.  .  .  scripsit  et  adversum 
gentes  etc.  .  .  et  ad  regulam  ecclesiasticam  pertinentia-  multa  disserait. 
damit  sub  Constante  filio  Constantini  principis. 

393  412.  Gleichzeitig  und  von  einander  unabhängig,  aber  aus 
denselben  Quellen  und  daher  oft  mit  einander  wörtlich  überein- 
stimmend schrieben  die  beiden  Grammatiker  Charisius  und  Dio- 
medes.  Flavius  Sosipater  Charisius  ist  von  Wichtigkeit  dadurch 
dass  er  die  von  ihm  benützten  Vorgänger,  insbesondere  den 
lulius  Romanus,  Cominianus  und  Palämon,  wörtlich  ausschreibt, 
bald  unter  Nennung  ihres  Namens,  bald  ohne  diesen,  und 
dadurch  einen  guten  Theil  der  älteren  grammatischen  Literatur 
uns  erhalten  hat.  Von  den  fünf  Büchern  seiner  Grammatik 
sind  übrigens  wesentliche  Theile  verloren  gegangen.  Von  den 
drei  Büchern  der  ars  grammatica  des  Diomedes  ist  das  dritte 
von  besonderem  Werthe,  da  es,  vielleicht  aus  Sueton  de  poetis,  viele 
schätzenswerthe  Nachrichten  aufbewahrt  hat.  Ungefähr  aus  der- 
selben Zeit  stammt  auch  die  den  Namen  Probus  tragende  Ars 
vaticana. 

1.  Vorwort:  Fl.  Sosipater  Charisius  v.  p.  magister  [urbis  Roznae] 
filio  karissimo  s.  d.  Amore  latini  sermonis  obligare  te  cupiens,  f.  k.,  arteni 
grammaticam  (diesu  war  also  wohl  der  Titel)  sollertia  doctissimoniiu  vi- 
roruin  polit:im  et  a  mc  digestam  in  lil^ris  V  dono  tibi   misi.    .      erit    iaui 


412.     Charisius.  943 

taae  diligentiae  frequenti  recitatione  studia  mea  ex  variis  Artibus  inrigata 
memoriae  .  .  mandare,  ut  quod  originalis  patriae  natura  denegavit  virtute 
animi  adfectasse  videaris.  Dass  der  Verf.  aus  Campanien  gebürtig  war 
geht  auB  p.  216,  23  K.:  hodieque  noetri  per  Campaniam  sie  loquuntur  nicht 
hervor  und  ist  nach  dem  obigen  orig.  patriae  (vgl.  A.  2  E.)  nicht  wahrscheinlich. 

• 

2.  Das  Zeitalter  des  Ch.  und  Diomedes  wird  bestimmt  einerseits  durch 
die  von  ihnen  benützten  Quellen  (s^  A.  3),  von  welchen  Cominianus  und 
Marcius  Salutaris  (oben  400,  1—4)  die  jüngsten  zu  sein  scheinen,  anderer- 
seits durch  die  Schriftsteller  von  welchen  sie  selbst  angeführt  werden, 
nämlich  Priscian,  Rufinus  (de  metr.  com.)  und  Servius  (ad  Aen  IX,  329 
und  wohl  auch  Buc.  III,  21).  Die  häufige  Uebereinstimmung  des  Char.  und 
D.  mit*  Donatus  und  Marina  Victorinus  (oben  403  f.),  ohne  dass  diene  doch 
jemals  genannt  würden,  ist  wohl  aus  Gemeinsamkeit  der  Quellen  zu  er- 
klären und  beweist  wohl  dass  jenes  Grammatikerpaar  diesem  zeitlich  nahe 
steht.  Keil,  Gramm,  lat.  I.  p.^LVf.  Christ,  Philologus  XVIIL  S.  130  f. 
Wahrscheinlichkeit  hat  auch  die  Vermutung  von  üsener,  Rhein.  Mus.  XXlIl. 
S.  492  f.,  dass  bei  Hieron.  chron.  2375  ==  359  (s.  oben  400,  8):  Euanthiua 
.  .  Constantinopoli  diem  obit.  in  cuius  locum  ex  Africa  Charistus  (Bongars. ; 
dagegen  Freh.  u.  a.  Chrestus)  adducitur,  zu  lesen  sei:  Charisius.    Vgl.  A.  6. 

3.  Die  Hauptquellen  des  Charisius  sind  Palämo  (oben  277,  3),  Julius 
Romanus  (oben  375,  1)  und  Cominianus  (oben  400,  1—3),  wozu  wohl  noch 
Scaurus  (oben  347,  1)  und  andere  hinzukommen  mögen  (Christ,  Philologus 
XVIIL  S.  127).  Keil,  Gramm,  latt.  L  p.  XLV  ff.  A.  Schottmüller,  de  Plin. 
libr.  gramm.  (1858)  p.  7 — 26.  Diese  Quellen  pflegt  Char.  wörtlich  auszu- 
schreiben, und  wo  sie  einander  widersprechen  getraut  er  sich  selten  eine 
selbständige  Entscheidung.  Das  Werk  ist  daher  wesentlich  compilatorisch 
und  im  Einzelnen  mit  wenig  Sorgfalt*  und  Urteil  gearbeitet;  s.  Christ  a. 
a.  0.  S.  120.  M.  Hertz,  Rhein.  Mus.  XX.  S.  320.  Auch  die  Anordnung 
ist  sehr  unvollkommen.  Mit  der  neueren  (z.  B.  von  Cominianus  befolgten) 
Anlage  nach  den  acht  Redetheilen  wusste  Ch.  die  altern  Monographien 
über  einzelne  Theile  der  Grammatik  nicht  zu  verschmelzen  und  gibt  daher 
in  B.  I  allgemeine  Abschnitte  über  Declination,  Comparation,  Analogie, 
B.  II  eine  aus  verschiedenen  Artes  zusammengestellte  Theorie  der  acht 
partes  orationis,  B.  III  eine  ausführliche  Erörterung  über  die  Bildung  der 
perfecta,  incohativa,  frequentativa  u.  s.  w. ,  B.  IV  ein  Allerlei  von  Gram- 
matischem (Barbarismen  u.  dgl.),  Rhetorischem  (Tropen,  Figuren  u.  s.  w.), 
B.  V  idiomata,  Synonymen  u.  s.  w.  Doch  ist  der  Anfang  von  B.  I,  der 
letzte  Theil  von  B.  IV  und  das  Meiste  von  B.  V  verloren  gegangen.  In- 
haltsübersicht nach  dem  prooemium. 

4.  Für  den  Text  des  Char.  ist  fast  die  einzige  Quelle  der  Neapolitanus 
saec.  VII  oder  VHI.  Ausgaben  von  J.  Pierius  Cyminiua  (Neapel  1532. 
fol.),  G.  Fabricius  (Basil.  1551;  mit  starken  Interpolationen),  in  den  Gram- 
matici  latini  von  Putsche  und  Lindemann  (Vol.  IV,  Lips.  1840)  und  be- 
sonders von  H.  Keil  (T.  I.  Lips.  1857).  'Der  Abschnitt  de  versu  saturnio 
(bei  Keil  p.  288  f.)  eigene  herausgegeben  von  F.  W.  Schneidewin,  Gotting. 
1841.  4.  Ueber  Char.  vgl.  noch  F.  Osann,  Beitrage  IL  S.  319  —  340.  L, 
Spengel,  Münchner  gel.  Anz.  1840, 'S.  502  ff. 


944  Die  Kaiserzeit.   Viertes  Jahrhundert.   Zweite  Hälfte. 

5.  Aosser  Char.  selbst  sind  aach  Excerpte  aus  seiDem  Werke,  gefertigib 
im  fränkischen  Reiche,  auf  uns  gekommen,  welche  theilweise  auch  zur 
Ausfüllung  von  Lücken  in  dem  Erhaltenen  dienen.  So  besonders  die  ex- 
cerpta  Bobiensia  saec.  VII — VIII,  jetzt  in  Wien,  veröffentlicht  zuerst  von 
Eichenfeld  und  Endlicher,  Anal,  gramm.  (Wien  1837)  p.  75 — 124,  zuletzt 
von  Keil,  gramm.  latt.  I.  p.  633 — 565  vgl.  ib.  p.  XVII  f.  Doch  sind  diese 
nicht  ausschliesslich  dem  Charisius  entnommen,  sondern  den  Quellen  des- 
selben, insbesondere  dem  Palaemo  und  Cominianus ;  s.  Christ,  Philologus 
XVIII.  S.  136-  139.  Vgl.  noch  oben  400,  1  f.  Ferner  excerpta  Parisina 
ib.  p.  XVIII  f.  Üeber  die  aus  einem  cod.  Bernensis,  Leidensis  und  Sanct- 
amandinuB  s.  ib.  p.  XIX — XX IL 

6.  Der  Grammatiker  Flavianus  ist  vielleicht  (U.  Keil,  Hermes  T.  S.  333. 
H.  Hagen,  Anecd.  Helv.  p.  CLXIII  ff.)  identisch  mit  Charisius,  da  alle  Stellen 
worin  jener  citiert  wird  sich  wörtlich  oder  fast  wörtlich  bei  Char.  wieder- 
finden. Davon  will  Biese  (Heidelb.  Jahrb.  1871,  S.  585  f.)  auch  das  Prae- 
nomen  Flavius  (Flav.)  des  Char.  ableiten. 

7.  Das  Werk  des  Diomedes  hat  bei  Rufinus  p.  2715  und  in  den 
Subscriptionen  die  Ueberschrift  Ars  grammatica  and  ist  einem  Athanasins 
gewidmet.  Das  Vorwort  besagt:  artem  merae  latinitatis  puraeque  elo- 
quentiae  magistram  .  .  summo  studio  .  .  triuo  digestam  libello  .  .  censui 
esse  mittendam  etc.  .  .  prima  pars  universi  seimonis  membra  continet; 
altera  non  solum  observationes  quae  arti  grammaticae  accidere  solent  sed 
etiam  structuram  pedestris  orationis  .  .  demonstrat;  tertia  pedum  quali- 
tatem,  poematum  genera  metrorumque  tractatus  .  .  docet.  B.  I  entspricht 
somit  B.  I — III  des  Charisius,  ist  aber  einheitlicher  und  planmässiger.  B. 
III  dient  zum  Ersätze  für  die  Verstümmelung  von  Chans.  IV, 

8.  Diomedes  stimmt  vielfach  wörtlich  mit  Charisius  überein  (vgl.  O^ann, 
Beiträge  II.  S.  331 — 335),  ohne  dass  doch  einer  den  andern  nennt.  Diess 
wäre  weniger  auffallend  wenn  D.  den  Ch.  ausgeschrieben  hätte,  da  D. 
überhaupt  in  Nennung  seiner  Quellen  sehr  spai*6am  ist.  Indess  hat  D. 
eben  in  solchen  Partien  welche  auffallend  mit  Ch.  übereinstimmen  zugleich 
Angaben  die  sich  bei  Ch.  nicht  finden  (wie  Char.  III,  8.  p.  262  ff.  vgl.  mit 
Diom.  p.  389,  10 — 395,  10),  so  dass  D.  dieselben  Quellen  in  grösserem  um- 
fang benützt  haben  muss.  Neben  den  Quellen  die  dem  D.  mit  Ch.  ge- 
meinsam .  sind  (besonders  Flavius  Caper)  hat  D.  aber  vielleicht  auch  (B^  III) 
den  Suetouius  ausgebeutet  (0.  Jahn,  Rhein.  Mus.  IX.  S.  629  f.  Beifferscheid 
Sueton.  p.  370—373  u.  dagegen  Steup,  de  Prob.  p.  190),  femer  den  Teren- 
tianus  und  wohl  auch  griechische  Techniker  (Christ,  Philologus  XVIII. 
S.  129  f.).  Keil,  gramm.  I.  p.  XLIX— LV.  Die  Art  der  Benützung  dieser 
Quellen  ist  bei  D.  weniger  sklavisch  und  urteilslos,  aber  von  dem  Richtigen 
doch  noch  so  weit  entfernt  dass  Reifferscheid  ihn  miserrimus  grammaticns 
nennt  (Suet.  p.  372),  von  seinem  Stupor  et  supina  neglegentia,  insignis  in 
excerpendo  neglegentia  (p.  373)  und  insignis  incogitantia  (p.  375)  zu  sprechen 
weiss.  Westphal  aber  (allg.  Metr.  S.  48)  meint:  „D.  ist  unter  den  Metrikem 
einer  der  unwissendste n,  aber  nichtsdestoweniger  der  interessanteste'*,  wegen 
der  Quellen  die  er  abgeschrieben  habe;  s.  ebd.  S.  48  f.  76—86.  125  f.  135  f. 


I 


412  f.    Dioraedes.    Avienufi.  045 

9.  Das  Zeitalter  des  D.  bestimmt  fiich  durch  das  seines  Doppelgängers 
und  Zeitgenossen  Charisius  (A.  2).  Hat  er  nach  der  Mitte  von  saec.  IV 
geschrieben,  so  ist  e»  von  Sacerdos  (oben  390)  weit  genug  entfernt  um  von 
ihm  nichts  mehr  zu  wissen  (Christ,  Philol.  XVIII.  S.  130  f.). 

10.  Keil  gramm.  I.  p.  XXIX:  Diomedis  quamvis  multi  hodie  extent 
libri  manu  scripti,  tamen  tanta  est  eorum  omnium  similitudo  ut  quasi  pro 
uno  codice  habendi  sint.  Alle  stammen  aus  einem  archetypus  saec.  VIII, 
von  welchem  die  ältesten  Ableger  sind  zwei  Pariser  Hdss.  7494  (A)  und 
7493  (B)  und  ein  Monacensis  (M),  alle  drei  saec.  IX;  s.  ib.  p.  XXIX— XXXII. 
Aus  derselben  Quelle  stammen  auch  Excerpte  aus  dem  Werke  des  D.,  von 
welchen  das  älteste  ist  Paris.  7630  saec.  VIII  (ib.  p.  XXXIV). 

11.  Ausgaben  (Keil  I.  p.  XLIV  f.)  Ven.  1476  (ap.  Nie.  lenson.),  von  J. 
Rivius  (Ven.  1511),  J.  Th.  Bellovacus  (Paris^  1616),  H.  Buschius  Pasiphilus 
(Colon.  1616.  1623),  J.  Caesaiius  (Hagenau  1626.  Colon.  1633.  1636.  Lips. 
1641),  in  den  gramm.  lat.  voi^  Patsche,  den  scriptores  rei  metr.  von  Gais- 
ford^  (nur  B.  III)  und  besonders  den  gramm.  latt.  von  H.  Keil  I  (Lips.  1867) 
p.  298—629.     Vgl.  W.  Christ,  Philologus  XVIII.  S.  127—186. 

12.  Ueber  die  Ars  vaticana  s.  oben  296,  8  b.  Ihre  Zeit  ergibt  sich 
daraus  dass  sie  (p.  119,  26  E.)  die  (thermae)  Diocletianae  erwähnt.  6ie  ist 
später  als  Donatus  und  scheint  von  einem  christlichen  Verfasser  herzu- 
rühren (vgl.  p.  129,  12  ff.).  Vielleicht  hiess  er  wirklich  Probus  (wenn  auch 
nicht  Valerius  Pr.);  der  gleichnamige  Gönner  des  Lactantius  (oben  393,  2) 
ist  er  aber  schwerlich.  Vgl.  Steup,  de  Prob.  p.  167  ff.  173.  176.  Oratio 
molestissima,  praecepta  persaepe  ineptissima,  Keil  gramm.  IV.  p.  XXVIII  f. 
Auszug  daraus  (auch  aus  dem  Abschnitt  de  orthographia),  aber  mit  vielen 
fremdartigen  Bestandtheilen  (Steup  p.  170  —  176),  die  Appendix;  s.  oben 
S.  661  E. 

13.  Carminius  schrieb  de  elocutionibus  (Serv.  Aen.  V,  233)  und  scheint 
auch  den  Vergil  commentiert  zu  haben  (vgl.  Serv.  Ae.  VI,  638.  862.  VlII, 
406).  Carmini  curiosissimi  et  docti  verba,  qui  in  libro  de  Italia  secundo 
ait,  Macrob.  S.  V,  19,  13  f. 

14.  Statins  Tullianus  de  vocabulis  rerum  libro  I  ait  etc.  Macrob.  III, 
8,  6  vgl.  Serv.  Ae.  XI,  643. 

413.  Einen  Dichter  von  entschiedener  Begabung  haben394 
diese  Jahrzehnte  an  Rufius  Festus  Avienus,  Proconsul  von 
Africa  (J.  366  f.)  und  Achaja  (J.  372).  Aber  indem  er  die  aus- . 
getretenen  Geleise  verlassen  wollte  wurde  er  durch  den  un- 
poetischen Zug  seiner  Zeit  in  prosaische  hineingeführt  und  verfiel 
doch  wieder  in  Nachahmung,  ja  Uebersetzung.  Seine  Arbeiten 
sind  vorzugsweise  Lehrgedichte,  im  epischen  Masse  eine  Ueber- 
setzung der  ^aivoiiava  des  Aratos,  sowie  eine  Descriptio  orbis 
terrae  nach  der  Periegesis  des  Dioifysios;  im  iam  bischen  Trimeter 
eine  Beschreibung   der  Küste   des    Mittelmeeres,   des    schwarzen 

Teitffei.,  Rüm.  LiteratnrgMchlobte.    2.  Aufl.  CO 


946  Die  Eaiserzeit.    Viertes  Jahrhundert.   Zweite  H&lft«. 

und  des  kaspischen  (ora  maritima)^  in  mehreren  BQchem,  von 
welchen  aber  nur  der  grossere  Theil  des  ersten  erhalten  ist,  so- 
wie eine  Bearbeitung  der  römischen  Geschichte  nach  Livius  und 
ein  Auszug  der  Aeneis,  welche  beiden  letztem  Arbeiten  ganz  ver- 
loren sind.  Dazu  kleinere  Gedichte,  Epignunme  in  Hexametern. 
Üeberall  verräth  Avienus  edles  Streben  und  eine  reine  Form, 
nach  den  besten  Mustern  gebildet,  insbesondere  nach  Yergil; 
aber  auch  rhetorische  Wortseligkeit  und  Ueberwuchem  des  ge- 
lehrten Stoffes  über  die  dichterische  Gestaltung. 

1.  Inschrift  aus  Born  bei  Fabretti  X,  507  «  Meyer  anthol.  lat.  278 
(R.  Festus  ▼.  c.  de  se  ad  deam  Nortiam):  Festus,  Musoni  suboles  proleeque 
Avieui,  unde  tai  latices  traxerunt,  Caesia,  nomen,  Nortia,  te  veDeror,  lare 
cretus  Yolsiniensi^  Romam  habitans,  gemino  proconsalis  auctus  honore, 
carmina  multa  serens,  vitam  insons,  integer  aevom,  coniugio  laetns  Fla- 
cidae  numeroque  frequenti  natorom  exultans  etc.  Der  Dichter  war  somit 
ein  Nachkomme  des  Musonius  Rofas  (oben  294,  S),  wie  dieser  ans  YolBinii 
in  Etrarien  gebürtig  and  daher  anhänglich  an  die  dort  verehrte  Nortia, 
sowie  an  die  aqua  Caesia  (vgl.  Meyer's  anth.  lat.  899),  Vater  einer  zahl- 
reichen Familie,  zu  welcher  der  Placidus  gehören  wird  welcher  obige  b- 
Bchrift  mit  den  zwei  Distichen  vermehrte:  sancto  patri  filius  Placidus.  Ibis 
in  optatas  sedes,  nam  luppiter  aethram  (vgl.  Avien.  phaen.  2)  pandit,  Feste, 
tibi,  Candidas  ut  venias.  iamque  venis,  tendit  dextras  choras  inde  deorom 
et  toto  tibi  iam  plaaditur  ecce  polo.  Das  doppelte  Proconsulat  stimmt 
dazu  dass  Cod.  lust.  III,  16,  1  (J.  366)  und  Cod.  Theod.  IX,  19,  3  (J.  ?61) 
ein  Festus  als  Proconsul  AMcae  genannt  wird  und  C.  I.  gr.  372  die  Athener 
J.  372  ihrem  Procos.  'Povtpiog  ^/jatog  ihre  Dankbarkeit  bezeigen.  Vgl  de 
Rossi,  Ann.  d.  Inst.  XXI  (1849).  p.  345.  Dann  wird  er  wohl  auch  der 
Festus,  consularis  Syriae  im  Cod.  Tust.  XII,  58,  3  (J.  365)  sein.  '  Auf  längeren 
Aufenthalt  des  Dichters  in  Africa  deutet  orb.  terr.  329 — 333.  or.  mar.  273  f., 
in  Griechenland  orb.  terr.  603  f. 

2.  Hieronym.  comm.  zum  Titusbrief  c.  1  (Opp.  VH,  1.  p.  706  VaiL): 
Arati,  quem  Cicero  in  latinum  sermonem  transtulit  et  Gennanicus  Caesar 
(oben  270,  6)  et  nuper  Avienus  et  multi  quos  enumerare  perlongum  est 
Dagegen  noch  Lactantius  kennt  die  Aratea  nur  in  der  Bearbeitung  des 
Cicero  (inst.  V,  5.  p.  238  Fr.)  und  des  Caesar  (I,  11.  p.  30)  Germanicus  (I, 
21.  p.  54  f.  y,  5).  Titel  im  Gudianus  saec.  X:  Rufi  Festi  Avieni  v.  c.  Arati 
Phaenomena  (im  Yindobon.  saec.  X:  Rufi  Festi  Arati).  Auf  die  ^^vofUfa 
kommen  1325,  auf  die  Prognostica  oder  SiocTjfisLa  552  Hexameter.  Av. 
sucht  seine  Vorgänger  zu  überbieten  durch  treue  Wiedergabe  des  grie- 
chischen Originals,  dichterischen  Schwung  und  Einflechtung  von  allerlei 
Mittheilungen  aus  den  Werken  von  Philosophen  und  Astronotnen,  auch  aus 
mystischen  Quellen.  Am  nächsten  schliesst  sich  Av.  an  Germanicus  an. 
In  der  ed.  princeps  (Von.  1488)  p.  5—56.  Ausgaben  in  den  meisten  Samm- 
lungen der  Aratea.  J.  C.  Schaubach  (oben  270,  9),  novae  edit.  Avieni  spe- 
cimen  (Meiningen  1817  ff.  4.)  und  Ueber  die  Aratea  von  Cic.  etc.  in  Jahn's 
Archiv  Xn  (1846)  S.  197—210. 


413.   Avienus.  947 

3.  Orbis  terrae  oder  Descriptio  o.  t.  in  1394  Hexametern  nach  der 
Iltffiriyriaig  des  Dionysios,  der  aber  nicht  genannt  wird.  Das  Original  wird 
bald  abgekürzt,  bald  durch  gelehrte  Arabesken  erweitert,  und  durch  Leb- 
haftigkeit der  Darstellung  übertroffen.  Am  Anfang  und  Schlüsse  die  obli- 
gate Anrofang  der  Musen  und  des  Apollo.  In  der  ed.  princ.  p.  66 — 95. 
Sonstige  Ausgaben:  Veuet.  1602.  Vienn.  1608.  4.  1616.  4.  Bonon.  1613.  4. 
Antverp.  1632.  4.  Cum  notis  N.  Heinsii  all.  cur..  H.  Friesemann,  Amstelod. 
1786-.  In  Wemsdorfs  poetae  latt.  min.  V.-  p.  726—888,  wozu  Einl.  (p.  719  ff.) 
und  animadv.  (p.  889—1163).  In  Dionysius  Perieg.  ed.  G.  Bemhardy  (Lips. 
1828)  I.  p.  427—460;  in  Geographi  graeci  min.  ill.  C.  MüUerua  (Par.  1861) 
II.  p.  176 — 189.  Erlauterungsschriften :  (l.  Wassii)  Animadversiones  in  Av. 
descr.,  in  Miscellan.  observ.  I,  2.  p.  273—277  (Oudendorp).  3.  p.  373—390. 
V,  1.  p.  64—80.  2.  p.  165.  Symbolae  litterar.  II,  3  (Brem.  1745).  p.  569 
—684. 

t 

4.  Orae  maritimae  liber  primus  (ed.  princ).  Das  Ganze  erstreckte  sich 
(v.  61  ff.)  auf  die  gesaramte  westliche  und  südliche  Küste  Europa*s.  Er- 
halten ist  aber  nur  ein  Bruchstück  von  703  Senaren,  enthaltend  eine  Be- 
schreibung der  Küste  vom  atlantischen  Ocean  bis  nach  Massilia,  überdiöss 
in  lückenhafter  und  verderbter  Gestalt.  Widmung  an  einen  Probus,  der 
liberum  loco  .  .  amore  sanguinisque  vinculo  ist  (14  f.)  und  wissbegierig 
(16  ff.),  wahrscheinlich  Anicins  Probus  Cos.  406.  Rückverweisung  auf  den 
orbis  in  y.  71  ff.:  reliqua  scripta  sunt  nobis  in  illo  plenius  volumine  quod 
de  orbis  oris  partibusque  fecimus.  Ueber  seine  Quellen  gibt  y.  37  ff.  etwas 
renommistische  Auskunft:  ad  eins  (des  Sallust)  inclitam  descriptionem  .  . 
multa  rerum  iunximus  ex  plurimorum  sumpta  commentariis,  nämlich  aus 
Hekatäus,  Hellanikus,  Phileas,  Skylax,  Pausimachus,  Damastes  (vgl.  372), 
Bakorus,  Euktemon  (vgl.  350),  Kleon,  Herodot  und  Thukydides.  Dazu  ge- 
legentlich Dionysius  (331),'  Juba  (280),  Himilco  (y.  117.  383.  412)  u.  A. 
Hauptquelle  war  wohl  ein  alter  Periplus  (Müllenhoff)  von  einem  lonier 
aus  der  Zeit  des  Hekataios,  welcher  im  zweiten  Jahrh.  y.  Chr.  von  einem 
ausserhalb  Massalia's  wohnenden  Griechen  mit  allerlei  (meist  thörichten) 
Zuthaten  versehen  worden  war  (A.  v.  Gutschmid).  Dass  die  Nachrichten 
über  den  Westen  auf  den  (nicht  genannten)  Eratosthenes  und  weiterhin 
Pytheas  zurückgehen  bat  wahrscheinlich  gemacht  W.  Christ,  Avien.  und 
d.  ältesten  Nachr.,  S.  164—166.  Das  den  verschiedenen  Quellen  Entnommene 
ist  nicht  zu  einem  selbständigen  Ganzen  verarbeitet.  Die  Darstellung  ist 
fliessend.  Neben  Archaismen  wie  ducier  Worte  wie  intimare,  intimatio. 
Griechische  Eigennamen  werden  öfter  prosodisch  willkürlich  behandelt,  statt 
der  geläufigeren  neuern  die  veralteten  bevorzugt,  barbarisch  klingende  durch 
glattere  ersetzt.  Die  Handss.  des  Gedichts  sind  verschollen.  Aeltester  Text 
in  der  ed.  princ.  p.  95 — 113.  Ausserdem  bes.  in  Wernsdorfa  poetae  lat. 
min.  V.  p.  1166—1296;  vgl.  p.  1157—1164.  F.^A.  Ukert,  über  des  A.  Oia 
maritima,  in  dessen  Geogr.  der  Griechen  und  Römer  II,  1.  (Weimar  1821) 
S.  473  —  484.  Description  que  Festus  Avienus  a  faite  de  la  cöte  de  la 
Gaule  Narbonnoise  dans  le  poSme  intitule  Ora  maritima,  par  (Jean)  Astruc, 
in  den  M^molres  pour  Thist.  nat.  de  Languedoc,  Paris  1737.  4.  W.  Christ, 
Avien.  u.  d.  ältesten  Nachrichten  über  Iberien  und  die  Westküste  Europa's, 

60* 


048  Die  Eaiserzeit.   Viertes  Jahrhundert.    Zweite  H&lfte. 

München  1866.  4.  (Abhandl.  d.  bair.  Ak.  XI.  1868.  S.  113—187),  bes.  S.  150 
— 177.  F.  de  Saulcy,  ^tude  topographique  sur  TO.  mar.  de  R.  F.  Ar., 
Revue  arch^'ol.  1867.  T.  p.  54—62.  81—98.  K.  MClllenhoff,  deutsche  Alter- 
thumskunde  I.  (Berlin  1870)  S.  73 — 210,  nebst  A.  v.  Gutschmid  im  Lit. 
Centralbl.  1871,  S.  523—626  und  W.  Christ  in  Fleckeisen's  Jahrbb.  103, 
S.  710—715.    C.  Muller,  Philologus  XXXII.  S.  106—121. 

5.  RufuB  Festus  Avienus  v.  c.  Flayiano  Myrmecio  v.  c.  Üeberschrift 
von  31  Hexametern,  scherzhaftes  Gedicht,  enthaltend  eine  Bitte  um  Zu- 
sendung von  Granatäpfeln,  abgedruckt  schon  in  der  ed.  princeps,  bei  Wema- 
dorf  poetae  latt.  V.  p.  1296— -1301  u.  A.,  zuletzt  in  der  Anthol.  lat  876 
Rse.  Der  Adressat  ist  vielleicht  der  Flavianus  welcher  J.  358 — 361  procos. 
Africae  war  (Cod.  Theod.  VIII,  5,  10.  XI,  36,  14)  oder  deijenige  welcher 
J.  377  vicarius  Africae  (ib.'  XVI,  6,  2),  382  f.  praef.  praet.  lUyrici  et  Italiae 
(ib.  VII,  18,  8.  IX,  29,  2.  40,  13).  Dagegen  Nr.  280  bei  Meyer  =  26  (I. 
p.  82  f.)  Rse  wird  nur  von  einem  Theile  der  Hdss.  dem  Av.  zugeschrieben; 
und  noch  zweifelhafter  ist  sein  Anrecht  auf  277  M.  (de  cantu  Sirenum). 
Noch  Anderes  wird  dem  Av.  ohne  Grund  beigelegt. 

*  6.  Servius  Aen.  X,  272:  Stoici  dicunt  has  Stellas  (cometas)  esse  ultra 
XXXII.  quarum  nomina  et  effectus  Avienus,  qui  iambis  scripsit  Virgilii  fa- 
bulas^  [comjmemorat.  .  .  sane  Avienus  cometarum  has  differentias  dicit 
etc.  zu  Georg.  I,  488:  diri  cometae]  criniti  [et]  pessimi,  quia  sunt  et  boni, 
.  .  quam  rem  plenissime  Ayienus  exsequitur.  zu  Aen.  X,  388:  haec  fabula 
in  latinis  nusquam  invenitur  auctoribus.  Avienus  tamen,  qui  totum  Vir- 
gilium  et  Livium  iambis  scripsit,  hanc  commemorat  dicens  graecam  esse. 
Letzteres  also  eine  Arbeit  in  der  Art  des  Alfius  Avitus  (oben  379,  1). 

7.  Gesammtausgaben  des  Av.:  editio  princeps  (Venet.  1488.  ^4.)  und 
von  Ramirez  de  Prado  (Madrid  1634.  4.). 

8.  Ueber  Avienus  vgl.  Wernadorf,  poetae  latt.  min.  V.  p.  621  —  716. 
A.  Holder  in  Pauly's  Real-Enc.  I,  2.  S.  2149—2163. 

395  414.  Fast  über  das  ganze  vierte  Jahrh.  (um  310 — 390) 
reicht  das  Leben  des  Rhetors  D.  Magnus  Ausonius  aus  Bur- 
digala.  Zum  Lehrer  des  Prinzen  Gratianus  berufen,  wurde  er 
nach  der  Thronbesteigung  seines  Zöglings  mit  politischen  Wür- 
den, zuletzt  (J.  379)  auch  mit  dem  Consulat,  geehrt.  Unter 
Theodosius  L  lebte  er  in  seiner  Heimat  in  eifriger  literarischer 
Thätigkeii  Aus  dieser  Zeit  stammen  die  meisten  seiner  Schrif- 
ten, welche  zahlreich  auf  uns  gekommen  sind.  Als  Probe  seines 
prosaischen  Stiles  zwar  haben  wir  einzig  die  Dankrede  an 
Gratian  für  die  Ertheilung  des  Consulats;  desto  mehr  aber  von 
dem  was  er  in  gebimdener  Form  geschrieben  hat.  Poetischen 
Werth  haben  diese  Arbeiten  freilich  wenig,  wohl  aber  sto£Elichen 
und  formellen.  Seine  vielseitigen  Kenntnisse,  sein  treues  6e- 
dächtniss  und  seine  grosse  Formgewandtheit  lassen  ^^n  Ausonius 


414.    Ausonius.  949 

nicht  leicht  bei  einer  Aufgabe  im  Stich  welche  er  sich  stellt, 
auch  wenn  der  Gegenstand  an  sich  ein  trockener  oder  die  Nach- 
bildung einer  metrischen  Form  Selbstzweck  ist.  Von  den  Per- 
sönlichkeiten und  Verhältnissen  seiner  Zeit  und  Heimat  bieten 
seine  Gredichte  ein  reiches  Bild,  namentlich  von  den  Verwandten 
und  den  Fachgenossen  des  Rhetors  (professores  Burdigalenses), 
und  die  Schilderung  einer  Rhein-  und  Moselreise  (Mosella)  aus 
der  Gegend  von  Bingen  bis  Trier  im  Stile  des  Epos  ist  theil- 
weise  auch  durch  die  Art  der  Behandlung  anziehend. 

1.  AnsoD.  in  der  praef.  epigramm.  an  Sjagrius:  AiiBonias  genitor  nobis; 
ego  nomine  eodem  qoi  sim,  qua  secta,  stirpe,  lare  et  patria,  adscripsi. 
.  .  Yasates  patria  est  patri;  gens  Aedaa  matri  de  patre,  Tarbellis  sed 
genetriz  ab  Aqnis.  (7.)  ipse  ego  Burdigalae  genitus.  .  .  genitor  studuit 
medicinae.  .  .  (15.)  nos  ad  grammaticen  studinm  convertimus  et  mox 
rhetorices  etiam  qiiod  satis  attigimns.  nee  fora  non  celebrata  mihi,  sed 
cura  docendi  cnltior,  et  nomen  grammatici  merni.  .  .  (28.)  exactisque  de- 
hinc  per  trina  decennia  fastis  asserni  doctor  municipalem  operam.  aurea 
et  Augnsti  (Yalentinians  I)  palatia  iussns  adire  augnstam  subolem  gram- 
maticus  docui,  mox  etiam  rhetor.  .  .  (36.)  cnius  (des  Gratianus)  ego  Comes 
et  Qnaestör  (sacri  palatii)  et,  culmen  bonorum,  praefectus  Gallis  et  Libyae 
et  Latio  (praef.  praet.  Africae,  Dlyrici,  Italiae  J.  376;  praef.  Gralliarum  J. 
378),  et  prior  indeptus  fasces  latiamque  curulem  Consul  (J.  379),  collega 
(Q.  Clodius  Hermogenianus  Olybrius)  posteriore,  fui.  Von  diesem  seinem 
Consulat  spricht  der  eitle  Schulmann  unzählige  Male,  am  ausführlichsten 
in  der  Gratiarum  actio.  In  einem  germanischen  Feldzuge  seinen  kaiser- 
lichen Zögling  begleitend  hatte  der  Wittwer  einst  als  Beuteantheil  eine 
junge  Schwäbin,  Sulpitilla  Bissula,  erhalten;  s.  Idyll.  7  und  A.  Bacmeister, 
alemann.  Wanderungen  I  (Stuttg.  1867)-.  S.  76—92  (ein  alemann.  Idyll  aus 
dem  4.  Jahrb.).  üeber  sein  Verhältniss  zu  Symmachus  s.  dessen  Ep.  I,  13 
— 43,  bes.  32  (Aus.  an  Symm.):  expertus  es  fidem  meae  mentis  atque  dicto- 
rum  cum  in  comitatu  degimus  ambo  aevo  dispari,  ubi  tu  veteris  militiae 
praemia  tiro  meruisti,  ego  tirocinium  iam  veteranus  exercui.  Nach  Gra- 
tian's  Tod  (J.  383)  zog  sich  Aus.  in  seine  Heimat  zurück,  wo  er  in  höchst 
behaglichen  Verhältnissen  lebte.  R.  Dezeimeris,  note  sur  Femplaceraent 
de  la  yillula  d'Ausone,  Bordeaux  1869.  14  pp.  8.  Sein  Todesjahr  ist  un- 
bekannt, fällt  aber  ohne  Zweifel  in  das  letzte  Decennium  des  Jahrhunderts. 
E.  Böcking  vor  seinen  Ausgg.  der  Mosella,  zuletzt  in  den  Jahrbb.  der 
rheinl.  Alt  Fr.  VE  (Bonn  1846).  S.  60—68.  W.  Teuffei  in  Pauly's  Real-Enc. 
I,  2.  S.  2186  f. 

2.  Schriften  in  Prosa:  Danksagungsrede  an  Gratian,  gehalten  in  Trier, 
eine  Blumenlese  von  rhetorischen  Figuren  und  Schmeicheleien  für  den 
Kaiser,  ohne  dass  aber  der  Redner  darüber  sich  selbst  vergessen  würde. 
,  In  dv  ed.  Bipontina  p.  284—302.  Vgl.  Hermes  IV.  p.  150  f.  In  Prosa  sind 
auch'*die  Ferioehae  in  Homeri  lliadem  et  Odysseam,  mit  metrischer  üeber - 
setzun§  der   Eingangsverse   der   einzelnen   Bücher,  ed.  Bip.  p.  303  —  328. 


950  Die  Kaiserzeit.  Viertea  Jahrhundert.   Zweite  Hälfte. 

Verloren  sind  die  apologi  Aesopi,  sowie  die  seinem  Sohne  Hesperius  ge- 
widmeten fasti,  fortgeführt  hia  zum  J.  382  (sein  eigener  Name  war  quartns 
ab  imo)  und  eingeleitet  und  beschlossen  durch  Epigramme,  welche  erhalten  sind. 

3.   Schriften  in  gebundener  Form: 

a.  Epigramm  ata,  146  Stöcke,  mit  dreifacher  praefatio,  an  Theo- 
dosius,  Syagrius  und  Latinns,  von  verschiedenem  Umfang  und  meist  im 
elegischen  Mass,  aber  auch  im  heroischen,  iambischen  u.  a.  Auch  grie- 
chische sind  darunter  (29.  31.  88),  sowie  griechisch-lateinische  (28.  82.  40). 
Der  Inhalt  ist  manchfaltig,  Uebersetztes  (besonders  aus  d^r  griechiBchen 
Anthologie)  und  Eigenes,  auf  Eunstwei^ke  (wie  Myrons  Kuh,  Timomacbos' 
Medea),  Anekdoten  und  Persönliches  (wie  gegen  den  Bhetor  Bufus  45 — 52), 
aus  verschiedenen  Zeiten  (wie  18  f.  noch  zu  Lebzeiten  seiner  früh  ver- 
storbenen Frau),  theilweise  denselben  Gedanken  variierend  (22  f.  29  f.  40  f. 
42  f.  82  f.  84  f.  86  ff.  91  f.  123  f.,  129  f.  132  f.)  und  viel  Unbedeutendes 
enthaltend.    Dazu  die  vier  Epigramme  auf  seine  Fasti. 

b.  Ephemeris,  Tageseintheilung,  in  mancherlei  Versmassen.  Es  ist 
aber  nur  Anfang  und  Ende  erhalten. 

c.  Parentalia,  30  Gedichte,  von  verschiedenem  Umfang  und  meist 
im  elegischen  Masse,  auf  gestorbene  Verwandte,  theilweise  warm  gefehlt, 
verfasst  nach  seinem  Consulat  (4,  31)  und  als  er  schon  36  Jahre  Wittwer 
war  (9,  8). 

d.  Gommemoratio  professorum  Burdigalensium,  soweit  Auso- 
niuB  sie  noch  persönlich  kannte  und  in  irgend  welchem  Verhältniss  zu 
ihnen  stand  (8,  7  f.  12,  7),  eine  Art  Fortsetzung  und  Seitenstüok  zu  den 
Parentalia  (vgl.  11,  7.  16,  1.  26,  9  und  praef.),  gleichfalls  lauter  Grestorbene 
behandelnd,  auch  Unbedeutende  (8,  7  f.  10,  5  ff.  48  ff .  12),  bis  19  lauter 
aus  Burdigala  Gebürtige,  von  20  an  auch  dort  nur  Ans&ssige;  allm&hlich 
entstanden  (s.  14,  1  ff.)  und  in  wechselnden  Massen  (eleg.,  iamb.,  troch. 
Tetr.,  Anapäste,  sapph.). 

e.  Huic  libello  Epitaphia  subnezi,  sc.  titulos  sepulcrales  heroum  qui 
hello  troico  interfiierunt  (Aus.),  apud  philologum  quendam  gefunden  und 
von  Aus.  ins  Lateinische  übersetzt.  Mit  dem  Peplos  des  Ps.  Aristoteles 
stimmen  sie  zum  kleinsten  Theile  fiberein. 

f.  Aliquot  aliorum  epitaphia,  auf  Niobe,  Dido ,  Diogenes  Sinop. ,  aber 
auch  originale,  wie  auf  eine  Anicia,  auf  einen  equus  admirabilis  (iussu 
Augusti)  etc. 

g.  De  XII  Ca^saribus  per  Suetonium  Tranquillum  scriptis,  an  seinen 
Sohn  Hesperius  gerichtet  (versus  memoriales),  zuerst  monostichisch ,  je  12 
Hexameter  über  deren  Aufeinanderfolge,  Regierungsdauer,  Tod;  dann  so 
dass  jedem  Kaiser  zwei  Distichen  gewidmet  sind  und  die  Reihe  bis  Hela- 
gabal  fortgeführt  wird,  mit  der  Absicht  sie  bis  auf  seine  eigene  Zeit  fort- 
zusetzen. 

h.  Ordo  nobilium  urbium,  in  14  Stücken  17  Städte  (Rom  bis  Bur- 
digala) in  Hexametern  vorführend  und  nach  dem  Falle  des  Maximus  (J. 
388)  verfasst  (7,  5  ff.).  Auch  bei  Wernsdorf,  poetae  latt.  min.  V.  p.  1312 
—  1349. 


414.    Ausonius.  951 

i.  Ludus  YII  sapientum  mit  der  üeberschrifk  Ausonius  cos.  Latino 
Drepanio  Pacato  procos.  und  einer  Widmung  im  elegischen  Masse,  sonst 
in  Senaren,  eine  Art  Puppenspiel,  worin  nach  dem  Prologus  und  einem 
Ludius  die  7  Weisen  der  Reihe  nach  auf  die  Bühne  treten  und  ihr  Sprüch- 
lein hersagen,  am  redseligsten  Solen,  und  schliesslich  zum  Klatschen  auf- 
fordern. Darauf  folgt  in  den  Hdss.  noch  eine  Variation  dieser  7  Sprüche 
in  je  7  Versen  von  verschiedenem  Metrum  (abgedruckt  auch  bei  Wölfflin, 
PubHl.  Syr.  p.  149 — 152),  welche  aber  von  Aus.  wohl  so  wenig  verfasst 
sind  als  die  angpehängten  9  aus  dem  Griechischen  übersetzten  Hexameter, 
worin,  nach  einer  Einleitung  von  2  Versen,  jeder  Spruch  monostichisch 
ausgedrückt  ist. 

k.  Idyllia,  d.  h.  kleine  Gedichte,  20  Stücke,  meist  im  epischen  oder 
elegischen  Masse,  theilweise  mit  Einleitungen  in  Prosa,  und  zum  Theil 
schulmeisterliche  Spielereien,  wie  über  die  Dreizahl  (XI),  de  aetatibus  ani- 
malium,  'HaiSSsiov  (XVIII),  die  Memorialverse  über  die  zwölf  Arbeiten  des 
Hercules  (XIX)  und  die  neun  Musen  und  ihre  Verrichtungen  (XX);  als  py- 
thagoreisch (und  übersetzt)  geben  sich  XV— XVII.  Bemerkenswerth  ist  I, 
ein  Epikedion  auf  seinen  Vater;  XIV  ein  (^mit  Ausnahme  des  Schlusses) 
hübsches  Gedicht  auf  die  Rosen  (vgl.  oben  225,  5.  A.  5);  XII  Techno- 
paegnion,  Wort-  und  Verskünsteleien  mit  den  einsilbigen  Wörtern,  in 
sachlicher  Ordnung  (de  membris,  de  diis,  cibis,  das  Alphabet  u.  dgl.);  XIII 
cento  nuptialis,  aus  lauter  vergilischen  Versen  und  Verstheilen,  auf 
Veranlassung  des  Kaisers  Valentinian  I.  verfasst  und  an  diesen  sowie  Gra- 
tianus  gerichtet;  den  letzten  Absatz,  der  die  consummatio  matrimonii  ent- 
hält und  an  Massivität  nichts  zu  wünschen  übrig  lässt,  entschuldigt  der 
Verfasser  in  einem  eigenen  Vorwort  und  verbittet  sich  Schlüsse  daraus 
auf  seine  Denk-  und  Lebensweise.  Das  berühmteste  Stück  dieser  Samm- 
lung aber  ist  X  Mosella,  483  Hexameter,  verfasst  zu  Trier  gegen  Ende 
des  J.  370  (Böcking  S.  69.  97  f.).  Das  stofflich  sehr  interessante  Gedicht 
hat  auch  nicht  Mangel  an  ästhetisch  anziehenden  Partien,  wie  50—77  (Ge- 
fühl für  Naturschönheit),  230—237,  259  ff.  Die  Anlage  ist  die  conventionell 
epische,  mit  Götteranrufungen  und  zahlreichen  Excursen,  wie  über  die 
Moselfische  (77—151),  Fischfang  (240  ff.),  Baukünstler  und  Prachtbauten 
(298  ff.  aus  Anlass  der  Villen  am  Ufer,  283  ff.  318  ff.),  auch  mythologischen 
(170  ff.  208  ff.).  Eine  eingehendere  Behandlung  der  berühmten  Männer  und 
Städte  des  Moselthales  verschiebt  der  Verfasser  bis  er  sich  in  die  Heimat 
zurückgezogen  habe,  382  ff.  448  ff.  Symmach.  ep.  I,  14:  volitat  tuus  Mosella 
per  manus  sinusque  multorum,  divinis  a  te  versibus  consecratus.  Abge- 
druckt z.  B.  in  Wemsdorfs  poetae  latt.  min.  I.  p.  192  —  230.  Special- 
aupgaben  besonders  von  L.  Tross  (Hamm  1821  u.  1824)  und  E.  Böcking 
(lat.  u.  deutsch,  Berlin  1828.  4.  recogn.,  s.  l.  et  a.  »  Bonn  1842;  Mosel- 
gedichte des  Ausonius  und  Venantius,  lat.  u.  deutsch,  mit  krit.  und  erkl. 
Anm.,  Jahrbb.  der  rhein.  Alt.  Fr.  VII.  Bonn  1845).  Kritischer  Beitrag  zur 
Moseila,  von  C.  C.  C.  Völker,  in  der  Symb.  philol.  Bonn.  (1864).  p.  447—454. 

1.  Edogarium,  allerlei  astronomische  und  astrologische  Versificationen 
im  epischen  und  elegischen  Masse ,  über  die  Namen  der  Steinbilder, 
Wochentage,  Monate,  römische  Festtage,  griechische  Agonen  u.  dgl. 


952  I^ie  Kaiserzeit.   Viertes  Jahrhundert.   Zweite  Hälfte. 

m.  Epistolarum  liber,  25  Stücke,  in  verschiedenen  VersmaBsen 
(XVII  ganz  in  Prosa,  andere  theilweise,  wie  XI,  XIX ,  XXI  f. ) ,  XHI  zwei 
griechische  Hexameter,  XII  in  scherzhafter  Mischjang  griechischer  und  la- 
teinischer Wörter  und  Formen  (ß.  Köhler,  Ausonius  und  die  macaronische 
Poesie,  Rhein.  Mus.  XII.  S.  434 — 436).  Die  Sammlung  ist  nach  den  Adres- 
saten geordnet  und  besteht  aus  lauter  wirklichen  Briefen  (beziehungsweise 
Gelegenheitsgedichten),  meist  in  scherzhaftem  Tone  und  aus  der  Zeit  nach 
dem  Consulat  (6,  1.  15,  30.  20,  5)  und  aus  des  Verfassers  letztem  Aufent- 
halt in  Burdigala  (vgl.  9,  11.  12,  31.  19  g.  E.  20,  7),  doch  I  an  seinen  Vater, 
bei  Geburt  eines  Enkels,  II  (Bruchstück)  und  III  an  seinen  Sohn  Hesperius, 
IV  u.  XVI  (J.  376—378)  aus  der  Zeit  da  er  Prinzenlehrer  war  und  aas  dem 
Felde  (4,  81.  16,  76).  An  Theon  gerichtet  sind  IV — VII,  an  Axius  Paulus 
VIII-XIV,  an  Pontius  Paulinus  XIX— XXV.  Auf  die  letzten  drei  Briefe, 
welche  besonders  lebendig  gehalten  sind,  in  des  Adressaten  Hände  aber 
erst  nach  vollen  drei  Jahren  gelangten,  haben  wir  auch  die  Antworten, 
Paulin.  carm.  10  u.  11  der  Ausgabe  von  Migne,  sowie  in  der  Zweibrücker 
Ausg.  des  Ausonius,  p.  342 — 364. 

4.  Ausonius  ist  zum  Christen thum  übergetreten,  vielleicht  bei  seiner 
Berufung  an  den  Hof,  vielleicht  aber  auch  schon  in  der  Jugend,  denn  er 
hatte  fromme  Tanten.  Er  bringt  in  seinen  Gedichten  dem  Christenthum 
mehrfach  seine  Huldigung  dar;  so  in  der  Ephemeris  durch  ein  wortreiches 
Gebet  an  Christus,  im  Eingang  der  Id.  durch  ein  Ostergebet,  und  sonst 
durch  manche  christliche  Wendung.  Tief  geht  freilich  dieser  christliche 
Anstrich  nicht.  Viel  besser  als  in  der  Bibel  ist  der  Dichter  in  seinem 
Terenz,  Vergil  und  Horaz  zu  Hause;  wo  er  einen  christlichen  Ton  an- 
stimmt ist  es  vielfach  Accommodation,  wie  in  der  Bede  vor  dem  fronmien 
Gratian  (p.  284.  300.  301),  in  dem  Briefe  an  den  orthodoxen  Paulinus  (Ep. 
25,  113  f.);  noch  häufiger  macht  sich  die  gutheidnische  Grundlage  seiner 
Denkweise  unwillkürlich  geltend.  So  Prof.  Burd.  26,  12  S.:  dum  remeat 
illud,  iudicis  dono  dei,  commune  cum  dis  saeculum,  oder  wenn  er  Id.  I, 
24  ff.  mit  der  Trinität  (vgl.  Ephem.  2,  15  ff.  Id.  11,  88)  die  Theilung  des 
Throns  unter  drei  Regenten  (Valentinian  I  und  seine  Söhne  Gratianus  und 
Valentinian  II,  J.  376—383)  parallelisiert,  oder  den  Kaiser  öfters  Gott  nennt 
(praef.  epigr.  ad  Theodos.  16:  non  tutum  renuisse  deo;  vgl.  grat.  act. 
p.  286.  288.  300  extr.  Bip.),  oder  von  der  Nemesis  (Ep.  24,  61  ff.)  und  der 
invidia  fati  (Prof.  Burd.  13,  10)  spricht.  Auch  das  christliche  Dogma  von 
der  Unsterblichkeit  des  Individuums  steht  ihm  keineswegs  fest,  s.  Par.  15, 
9  f.  22,  15.  Prof  Burd.  1,  39  ff.  22,  22.  23,  13.  26,  7.  Aber  nichts  ist 
begreiflicher  als  solches  Schwanken  in  einer  Zeit  des  üeberganges.  Vgl. 
Böcking,  Jahrbb.  d.  rheinl.  Alt.  Fr.  VH.  S.  66—68. 

6.  Symmach.  ep.  I,  21  rühmt  an  A.  morum  gravitas  et  disciplinanun 
vetustas;  vgl.  ib.  30:  es  ingenio  placabili  inter  reliqua  virtutum.  Idyll.  11, 
43  schildert  Aus.  sich  selbst  als  tranquillus,  Clemens,  oculis,  voce,  ore,  ee- 
renus.  Was  er  ib.  IV  praef.  von  einer  einzelnen  Arbeit  meint,  sie  sei  fu- 
catius  concinnata  quam  verius  et  plus  coloris  quam  suci  habens  (und  ve- 
nustula  magis  quam  forticula),  gilt  so  ziemlich  von  allen.  Von  einer  tüch- 
tigen Grundlage  seines  Wesens  zeugt  aber  die  Pietät  womit  er. von  seinen 


414.    Ausonitts.  953 

Angebörigen,  besonderB  Beinern  Vater,  spricbt  (wiewohl  auch  hier  viel 
Eitelkeit  mit  im  Spiel  iat)  und  die  AnhäDglichkeit  seiner  SchCller  an  ihn. 
Sein  Gedächtniss  ist  unerschöpflich  und  liefert  ihm  Thatsachen,  Notizen, 
Reminiscenzen  in  Fülle,  oft  wo  sie  nicht  am  Platze  sind  und  auch  an  der 
Stelle  YOn  Gedanken.  Häufig  erwähnt  er  in  wie  kurzer  Zeit  er  ein  Gedicht 
hingeworfen  habe.  DafSr  fehlt  es  denn  auch  offc  an  Feile.  Er  bildet  die 
verschiedenen  metrischen  Formen  mit  Gewandtheit  nach,  aber  doch  ohne 
feineres  Yerständniss  far  die  Besonderheit  und  den  geistigen  Charakter 
der  einzelnen.  Seine  daktylischen  Verse  baut  er  zwar  in  Bezug  auf  die 
Gäsur  correct  und  befolgt  in  den  sapphischen  die  strengen  Regeln  des 
Horaz;  aber  in  den  iambischen  erlaubt  er  sich  den  Spondeu»  auch  an  den 
geraden  Stellen,  und  in  Kürzung  langer  wie  Verlängerung  kurzer  Silbeii 
manche  Willkürlichkeiten.  Th.  Rähse,  de  re  metr.  Ausonii,  Berlin  1868. 
39  pp.  Vgl.  im  Allgemeinen  P.  Bayle,  dictionnaire  s.'v.  C.  G.  Heyne, 
censura  ingenii  et  morum  Ausonii,  in  sn.  Opusc.  acad.  VI.  p.  22—34.  J.  C. 
Demogeot,  ^tudes  historiques  et  litt^raires  sur  Ausone,  Bordeaux  1838. 
P.  G.  Deydou,  un  poäte  bordelais:  Ausone,  Bordeaux  1868.  22  pp!  G.  Kauf- 
mann in  F.  Raumer's  historischem  Taschenbuch  1869,  S.  8—28.  90—92. 

6.  Die  ältesten  Handschriften  sind  der  Vossianus  111  saec.  IX  (vgl. 
Riese,  Anthol.  Iat.  II.  p.  XVI  — XIX)  und  der  Sangallensis  899  mit  der 
Jahreszahl  867,  welche  aber  vielmehr  dessen  Urschrift  zu  gelten  scheint. 
Wirre  Aufzählung  bei  Rähse  p.  4  f.  Selten  enthalten  sie  die  Arbeiten  des 
Aus.  vollständig,  desto  häufiger  Fremdartiges.  So  sind  durch  Hdss.  des 
Aus.  erhalten  von  einem  Schulmann  Sulpicius  Lupercus  (Servasius  lunior) 
drei  sapphische  Strophen  (de  vetustate)  und  eine  elegische  Klage  über  die 
Vernachlässigung  der  Studien  vor  dem  Gelderwerb.  Das  erstere  Gedicht 
belegt  die  Vergänglichkeit  der  irdischen  Dinge  durch  fünf  Beispiele. 
Christliches  in  Gedanken  oder  Wendungen  enthält  es  so  wenig  als  die 
Elegie  (42  Verse);  vielmehr  klingt  in  dieser  heidnisch  v.  21:  illud  (aurum) 
templorum  damno  excidioque  requirit.  Schauplatz  ausseritalisch,  vielleicht 
tjrallien,  vgl.  29  f.  (romani  sermonis  egent  etc.).  Abschreckende  Schilderung 
von  dem  verkümmerten  Aussehen  eines  Schulmanns  v.  31  fP.  Ausdrucks- 
weise und  Versbau  mühsam  und  prosaisch,  z.  B.  v.  27  f.  Die  obligaten 
Archaismen  mage  und  fandier  fehlen  nicht.  Abgedruckt  sind  die  Gedichte 
z.  B.  bei  Wernsdorf,  poetae  latt.  min.  III.  p.  235 — 241.  408  f.  vgl.  ib.  p.  142 
—144,  und  in  Riese's  Anthol.  Iat.  648  f.  (II.  p.  101—103). 

7.  In  der  Art  des  Aus.  ist  auch  das  Tetrastichon  authenticum  de 
singulis  meusibuB,  im  cod.  Voss.  86,  gedmckt  bei  Riese,  Anthol.  Iat.  395 
(p.  259—261). 

8.  Ueber  die  Ausgaben  der  Werke  des  Aus.  s.  Böcking,  Jahrbb.  d. 
rheinl.  Alt.  Fr.  VIT.  S.  3—11.  Wir  erwähnen  die  editio  princeps  (Venedig 
1472.  fol.),  die  Ascensiana  (Paris.  1511.  4),  Aldina  (1517.  8)^  die  von  Pul- 
mann (Antwerpen  1568.  16.),  Jos.  Scaliger  (nebst  seinen  lectiones  Ausonianae, 
Lugd.  1575.  Heidelberg  1588  und  sonst),  El.  Vinetus  (Bordeaux  1580.  1590. 
4.),  J.  ToUius  (Amstelod.  1669.  12),  J.  B.  Souchay  (Paris  1730.  4.),  ed.  Bipon- 
tina  (1785),  W.  E.  Webers  Corp.  poet.  Iat.  p.  1206—1267  (ohne  die  Dankrede). 


954  Die  Kaiserzeit.   Viertes  Jahrhundert.   Zweite  Hälfte. 

396  415.  Das  Bedürfniss  des  Cultus  veranlasste  die  Abfassung 
christlicher  Lieder.  Zu  den  ältesten  die  wir  besitzen  gehören 
die  des  Damasus  (J.  305 — 384),  welche  schon  stark  sich  dem 
Eeime  zuneigen.  Neben  den  lyrischen  haben  wir  yon  ihm  auch 
episch  gehaltene,  sowie  Grabschriffcen;  von  seinen  prosaischen 
Schriften  nur  Briefe.  Dogmatische  Schriften  sind  erhalten  von 
Pacianus,  Optatus,  Philastrius.  Als  christliche  Schriftsteller  der 
Zeit  sind  uns  bekannt  Aquilius  Severus,  Latronianus  u.  A. 

1.  Hieron.  de  vir.  111.  103:  Damasua,  romanae  urbis  episcopus  (seit 
J.  366,  vgl.  Ammian.  XXVII,  3,  12  f.),  elegans  in  versibuB  componendis 
ingeninm  habuit  multaque  et  brevia  metro  edidit  et  prope  octogenarins 
Bub  TheodoBio  principe  (J.  384)  mortnuB  est.  Vgl.  ehren,  ad  a.  2382  =-  366. 
Snid.  V.  ddiiaeog,  Hieron.  epist.  22,  22 :  legas  .  .  de  virginitate  libellos  . . 
papae  Damasi  .  .  versu  prosaqne  compoaita  (volumina).  48,  18.  u.  sonst. 

2.  Verse  des  Damasus  sind  tbeils  handschriftlich  theils  als  Grab- 
schrifbeu  (in  Rom)  überliefert.  Letztere  bes.  bei  de  Rossi,  Inscriptt.  christ. 
I,  329  (p.  146).  IL  Von  des  Dam.  cultor  atqne  amator,  Furins  Dionysius 
Philocalus  (oben  72,  9),  sind  sie  mit  besonderer  kalligraphisoher  Zierlich- 
keit geschrieben;  de  Rossi  I.  p.  LVL  Die  meisten  Verse  des  Dam.  sind 
io  Hexametern,  einige  im  elegischen  Mass;  c.  8  in  iambischen  Dimetern, 
c.  30  in  katalektischen  daktylischen  Tetrametem.  LetEtere  beide  haben 
den  Reim,  c.  8  freier  (bemerkenswerth  v.  3  f.  der  Reim  praedioat  .^  gloria; 
11  f.  praeparat  .  .  gaudia),  c.  30  regelmässiger.  Bei  den  Versen  im 
epischen  Masse  ist  die  prosodische  Willkür  besonders  im  AnÜBJig  (z.  6. 
sordibus  depositis,  impium  maledicum,  prophetam  Christi)  nnd  Ende  der 
Reihe  (precee,  frStremqne,  irenen)  häufig.  3,  1:  haec  verb&  cecinit;  4,  1: 
trin&  coniunctio  mundi;  ebenso  Verschleifung  des  langen  Vocals  nnd  Hiatus. 
Die  Gegenstände  sind  Apostel,  Märtyrer,  Päpste,  verstorbene  Christen  (s.  B. 
Mutter  und  Schwester  des  D.);  c.  2  ein  Glückwunsch  an  den  £[ai8er  zu 
Ostern.  In  37  Gedichten  nennt  D.  27mal  seinen  Namen,  c.  6  gehört  viel- 
mehr einem  Silvius,  s.  Anthol.  lat.  689  a  (R.). 

3.  Damasi  papae  opera  quae  extant  .  .  cum  notis  Martii  Milesii  Sar- 
razanii  ed.  F.  Ubaldin,  Rom.  1638.  4.  Paris.  1672.  Damasi  carmina  sacra 
.  .  illustr.  ab  A.  Rivino,  Lips.  16&2.  Aucta  et  illustr.  ab  A.  M.  Merenda, 
Rom.  1764.  fol.  In  Gallandi  bibl.  patr.  VI.  Maittaire,  opera  veternm  poeii 
latt.  (2  VolL  London  1718  fol.),  Migne's 'Patrolog.  XEL  p.  347  —  376  (Epi- 
stolae).  376—417;  opera  apocrypha- p.  423—441. 

üeber  Damasus  s.  z.  B.  die  prolegomena  von  Merenda  (bei  Migne 
Xm.  p.  109—347  vgl.  p.  417—423).  R.  Ceillier,  bist,  gön^r.  VI.  p.  454— 
477.  Hölscher,  de  Damasi  et  Hilarii  qui  feruntur  hymnis  sacris,  Münster 
1868.  4.    A.  Couret,  de  Damasi  .  .  carminibus,  Grenoble  1870.  79  pp. 

4.  Hieron.  vir.  ill.  106:  Pacianus,  in  Pyrenaei  ingis  Barcilonae  epi- 
scopus castitate  et  eloquentia  et  tarn  vita  quam  sermone  clarus,  scripsit 
varia  opuscula,  de  quibus  est  Cervus  (?)  et  Contra  Novatianos.   sub  Theo- 


415  f.   Damasus,  Philastrius  u.  A.    Dictys.  955 

dosio  principe  (J.  391)  iam  ultima  seneciute  mortuas  est.  Väter  dee  Flavius 
Dexter.  Die  Sohrifb  Contra  Nov.,  eine  Busspredigt  n.  a.  ist  erhalten;  s. 
Paciani  opera  studio  Jo.  Tilii,  Paris  1538,  in  der  Bibl.  patr.  max.  IV. 
p.  305,  in  Gallandi  bibl.  patr.  VII.  p.  257  ff.,  und  in  Migne's  Patrolog.  XIII. 
üeber  P.  vgl.  R.  Ceillier  VI.  p.  718—739. 

6.  Hieron.  yir.  ill.  110:  Optatus  Afer,  episcopus  Milevitanus,  ex 
parte  catholica,  scripsit  Valentiniano  et  Valente  principibus  adversum  Do- 
natianae  partis  calumniam  libros  VI  (Var.:  VII).  Ausgaben  davon:  1549 
fol.  Ed.  Fr.  Balduinus,  Paris.  1563  u.  sonst.  Opera  et  studio  L.  Ellies  du 
Pin,  Paris.  1700  fol.  u.  sonst.  In  Gallandi  bibl.  patr.  V.  p.  461  ff.  Cur. 
F.  Oberthür,  Würiburg  1790.    In  Migne's  Patrolog.  XI. 

6.  Augustin.  de  haeres.  praef.:  Philastrius  quid  am  Brixiensis  epi- 
scopus, quem  cum  sancto  Ambrosiq  Mediolani  etiam  ipse  vidi,  scripsit  hinc 
librum  nee  illas  haereses  praetermittens  quae  in  populo  iudaeo  fuerunt  ante 
adventum  domini  easque  XXVIII  commemoravit  et  post  dom.  adv.  CXXVIII. 
scripsit  hinc  etiam  graece  episcopus  Cyprius  Epiphanius,  aus  Philastidus 
schöpfend.  Philastri^  de  haeresibus  liber  in  Migne's  PatroL  XII  und  bes. 
in  Fr.  Oehler's  Corpus  haeresiologicum  I  (Berlin  1866)  p.  1—185.  Vgl.  R. 
Ceillier,  bist.  g^n.  VI.  p.  739—751.  Der  Nachfolger  des  Ph.  war  Gauden- 
tius,  in  der  Zeit  des  Ambrosius. 

7.  Hieron.  vir.  ill.  111:  Aquilius  Severus  in  Hispania,  de  genere 
illius  Severi  ad  quem  Lactantii  duo  epistolarum  (in)8cribuntur  libri  (oben 
393,  2),  composuit  volumen  quasi  odoinoQi%6v  totius  suae  vitae  statum 
continens  tam  prosa  quam  versibus,  quod  vocavit  KazaatffOfprjv  sive  Flei- 
(fttVf  et  sub  Valentiniano  principe  obiit. 

8.  Hieron.  vir.  ill.  122:  Latronianus,  provinciae  Hispaniae,  valde  eru- 
dituB  et  in  metrico  opere  veteribus  comparandus,  caesus  est  Treveris  cum 
Priscilliano  (J.  385;  vgl.  Sulpic.  Sev.  chron.  II,  61,  3).  .  .  extant  eins  ingenii 
opera  diversis  metris  edita.    Vgl.  oben  410,  4. 

9.  Hieron.  vir.  ill.  123:  Tiberianus  Baeticus  scripsit  pro  suspicione 
qua  cum  Priscilliano  accusabatur  haereseos  apologeticum  tumenti  compo- 
sitoque  sermone. 

416.  Ungefälar  aus  dieser  Zeit  stammen  zwei  Iateiiii8che397 
üebersetzungen  des  Diktys  und  des  Josephus.  Die  lateinische 
Bearbeitung  der  fabelhaften  Geschichte  des  trojanischen  Ejrieges 
von  dem  angeblichen  Kreter  Diktys  trägt  den  Namen  eines 
Septimius  und  hat  eine  künstliche,  überallher  zusammengetragene 
SjJrache,  voll  Archaismen,  poetischen  Wendungen  und  späten 
Bildungen.  Von  alten  Mustern  ist  vorzugsweise  Sallust  befolgt. 
Die  Uebersetzung  von  Josephus'  Geschichte  des  jüdischen  Krieges, 
welcher  lange  Zeit  irrthümlich  der  Name  Hegesippus  beigelegt 
wurde,  ist  aus  der  Zeit  des  Ambrosius,  wo  nicht  von  diesem 
selbst  verfasst.     Das   Original  wird  darin   theils   verkürzt  theils 


_._   J 


956  Die  Eaiserzeit.   Viertes  Jahrhundert.   Zweite  Hälfte. 

rhetorisch  erweitert;  auch  macht  sich  der  christliche  Standpunkt 
des  Bearbeiters  lebhaft  geltend.  Gleichfalls  aus  dieser  Zeit  ist 
die  älteste  lateinische  Bibelübersetzung  (Itala),  und  auch  die 
Uebersetzung  des  Pelagonius  ist  wenigstens  nicht  viel  jünger« 

1.  Suidas  B.  y.  dixxvq  (I.  p.  1369  f.  Bnh.):  Jintvg  iffxoQinog.  syQaiffv 
'Etprifisgida.  fern  de  t«  fitd"'  iDfiriQov  naxaloyddfjv  iv  ßißltoig  d"',  'ftaltxd^ 
TQoa'Ciiov  dia%6ffiiov,  ovrog  eyQa'tpe  ta  ne^l  otifnayrjg  'Eldvrjg  xal  neffi  Me- 
veldov  xcel  ndctig  llia%rjg  vno^iaBmg.  Eudokia  (p.  128)  erw&hnt  auch  den 
Uebersetzer  {Senxriiuvog  zig  Q<o\utiog  ffovpog  .  .  Big  xr^v  ^mfujcfKriv  tptavriw 
ltexrivBy%sv).  Das  Buch  hat  Malala  in  verkürzter  Gestalt  seiner  Chrono- 
graphie einverleibt,  nnd  auch  andere  Byzantiner  haben  es  als  Geschichts- 
quelle benützt.  Ueber  die  Einkleidung  des  Buchs  berichtet  Suidas  1.  1.: 
ort  int  KXavSiov  xrig  Kgiqxrig  vno  aeiaiiov  nctxsvsx^'Biarig  xal  nollmv  xdtpiov 
dvsax&tvxoiv  svffid'ri  iv  Ivl  xovxoav  xo  avvxay^  xrjg  taxoglag  ^C%xvog^  xov 
x^<oX%ov  negiixov  nolsfiov,  onsQ  laßmv  KXavSiog  i^idmne  yQdq>sa9'at,  Diess 
stimmt  mit  dem  prologus  der  lateinischen  Fassung:  Dictys  .  .  foit  socius 
Idomeuei  .  r  et  Merionis,  .  .  a  quibus  ordinatus  est  ut  annales  belli  troiani 
conscriberet.  igitur  de  toto  hello  X  (Dederich  emendiert:  IX)  volnmina  in 
tilias  digessit  phoeniceis  litteris.  quae  .  .  praecepit  moriens  ut  secum  ae- 
pelirentur.  .  .  verum  .  .  tertio  decimo  anno  Neronis  imperii  (J.  66  «s  819 
d.  St.)  in  GnoBo  civitate  terrae  motus  facti  etc.  pastores  .  .  ad  suum 
dominum  Enpraxidem  .  .  pertulemnt.  qui  .  .  litteras  Rutilio  Rufo,  illins 
ineulae  (Kreta)  tunc  consulari,  obtulit.  ille  .  .  ad  Neronem  oblata  sibi 
transmisit.  .  .  Nero  .  .  iussit  in  graecum  sermonem  ista  transferri.  . .  quomm 
seriem  qui  sequitur  textus  ostendit.  Wiederholt  (I,  13.  V,  17.  VI,  10)  prägt 
der  Redende  ein  dass  er  selbst  Augenzeuge  des^  Erzählten  gewesen  sei. 
Das  Werk  gehört  zu  der  Wunder-  und  Schwindelliteratur  wie  sie  im  ersten 
christlichen  Jahrh.  besonders  üppig  aufschoss  (vgl.  E.  Zeller,  Vorträge 
S.  297  flF.  Hercher,  über  Ptol.  Chennus,  in  Fleckeisen's  Jahrbb.  Suppl.  1855, 
S.  276  ff.  E.  Rohde,  über  Lucians  Aovmog  S.  21).  Das  griechische  Original 
könnte  daher  aus  jener  Zeit  stammen.  Doch  suchte  schon  saec.  XV  Lascaris 
vergeblich  nach  demselben,  und  H.  Dunger  (d.  Sage  .vom  trojan.  .Kriege, 
1869,  S.  18  f.)  glaubt  daher  dass  ein  solches  überhaupt  niemals  existiert 
habe,  so  wenig  als  von  Dares.    Vgl.  oben  396,  9  u.  unten  459,  17. 

2.  Zu  dem  Vorwort  seines  (angeblichen?)  griechischen  Originals  fügt 
der  Uebersetzer  noch  eih  eigenes,  worin  die  meisten  Angaben  von  jenem 
wiederholt  werden,  so  dass  dasselbe  wohl  bestimmt  war  an  die  Stelle  des- 
selben zu  treten.  Es  war  aber  durch  seine  Stellung  der  Gefahr  jdes  Unter- 
gangs leichter  ausgesetzt  und  fehlt  in  vielen  Hdss.  Hauptinhalt:  L.  (Var.: 
Q.)  Septimius  Q.  Aradio  s.  d.  Ephemerida  belli  troiani  Dictys  Gretensis'.  . 
conscripsit  litteris  punicis  etc.  nobis  cum  in  manus  forte  libelli  venissent 
avidos  verae  historiae  cupido  incessit  ea  uti  erant  latine  disserere,  non 
magis  confisi  ingenio  quam  ut  otiosi  animi  desidiam  discuteremus.  itaque 
piiorum  quinque  volurainum  .  .  eundem  numerum  servavimus;  residua 
quattuor  de  reditu  Graecorum  in  unum-  redegimus  atque  ad  te  misimns. 
tu,  Rufine  mi,  ut  par  est,  fave  coeptis.   Der  Adressat  heisst  also  Q.  Aradiua 


416.  üebersetznngen  des  Dictys  u.  A.  957 

Rufinus.  Ein  Aradius  Rufinus  wurde  J.  304  und  dann  wieder  zweimal  im 
J.  312  n^  Chr.  praef.  urbis  (Chronograph  von  354,  S.  628  Mo.)  und  ist  wohl 
auch  der  Cos.  Rufinus  des  J.  316;  ein  anderer  (dessen  Sohn  oder  Enkel?) 
bei  Ammian.  XXIII,  1,  4:  Rufinum  Aradium  comitem  orientis  in  locum 
avunculi  sui  luliani  recens  defuncti  provexit  (Julianns,  J.  363).  Vgl.  Cod. 
Theod.  X,  19,  2.  Wohl  dem  Ersteren  gilt  das  Epigramm  des  Vaters  yon 
Symmachus  (Symm.  Ep.  I,  2)  worin  Ar.  Ruf.  z.  B.  unus  amor  cunctis  et 
praesidium  trepidorum  heisst.  Einer  von  beiden  ist  wohl  auch  der  Adressat 
des  Septimius,  welchen  Letzteren  man  wohl  eher  unter  den  Schulmännern 
der  Zeit  zu  suchen  hat  als  (mit  Perizonius)  unter  den  hohen  Staatsbeamten. 

3.  Für  das  Zeitalter  des  Septimius  lässt  die  Person  des  Adressaten 
(s.  A.  2)  die  Wahl  nur  zwischen  dem  Anfang  des  vierten  Jahrhunderts  und 
dessen  zweiter  Hälfte.  Dazu  stimmt  auch  seine  Sprache,  welche,  nach  den 
Nach  Weisungen  von  Dederich  p.  XXXVIII — LVI  und  in  seinem  Glossarium 
Sept.  p.  241  ff.  (vgl.  Perizonius  ib.  p.'^LXXXVI  f.),  zwar  mit  Apulejus  manche 
Berührungspunkte  hat  (p.  XLVIII — LIV),  aber  ebenso  viele  mit  dem  ver- 
meintlichen Hegesippus,  mit  Ammianus,  Sulpicius  Severus,  Orosius  u.  a. 
Wir  entscheiden  uns  daher  für  die  Zeit  des  Theodosius  1.  Die  eingestreuten 
Reden  (bes.  II,  21  ff.  Y,  2)  sind  besonders  deutlich  den  sallustischen  nach- 
gebildet. Ausser  Sallust  ist  aber  auch  Cornelius  Nepos,  Livius  u.  a.  aus- 
gebeutet. 

4.  Die  lateinische  üebersetzung  des  Septimius  wurde  im  Mittelalter 
viel  benützt  (bes.  zur  Ergänzung  des  Dares,  s.  H.  Dunger,  d.  Sage  v.  troj. 
Kriege  S.  26.  32.  37—39.  69  f.,  auch  69  f.)  und  daher  anch  häufig  abge- 
schrieben. Die  älteste  und  beste  Handschrift  ist  der  Sangallensis  205  saec. 
IX.  Ausgaben  meist  zusammen  mit  Dares.  Colon.  1470  oder  1475.  Mediol. 
1477  fol.  Ed.  Cratauder,  Basil.  1529.  Spätere  von  Jos.  Mercerius  (Paris 
1618.  Amstel.  1631),  Anna  Tan.  Fabri  filia  (Paris  1680.  Amstel.  1702.  4.), 
U.  Obrecht  (cur.  S.  Artopoei,  Argentor.  1691),  L.  Smids  (JLmstelod. 
1702.  4.)^  und  bes.  A.  Dederich  (Bonn  1832;  wohlfeilere  Ausg.  Bonn  1837; 
CXVni  u.  644  pp.),  wo  auch  (p.  LVII— CXVII)  lac.  Perizonii  dissertatio  de 
D.  Cr.  etc.  Vgl.  Q.  F.  Hildebrand  in  Jahns  Jhbb.  XXIII.  S.  278  ff.  Eine 
kritische  Ausg.  von  Dictys  und  Dares  ist  von  f.  Meister  in  Aussicht  gestellt. 

5.  Aelteste  deutsche  üebersetzung  mit  dem  Titel:  Warhafftige  Hi- 
stori  vnd  beschreybung  v.  d.  Troianischen  krieg  vnd  Zerstörung  der  Stadt 
Troie,  durch  die  hochgeachteten  Geschichtschreiber  Dictyn  Cretensem  vnd 
Darem  Phrygium,  Erstlich  in  Griech.  sprach  beschriben,  darnach  Latein, 
vnd  yetzund  newlich  durch  Marcum  Tatium  a.  d.  Latein  ins  Teütsch  ver- 
wandelt, vormals  nie  gesehen,  mit  durchaus  schönen  Figuren  gezieret. 
Augsp.  1636.  fol.    Vgl.  H.  Dunger  a.  a.  0.  S.  64—70. 

6.  Ueberschrift  im  Cassellanus:  losephi  liber  I  etc.  Daraus  loseppus, 
losippus,  Aegesippus,  Egesippus,  Hegesippus.  Das  griechische  Original  ist 
theils  gekürzt  (B.  V  =»  Joseph.  V--VII),  theils  durch  Zusätze  aus  andern 
Quellen  (bes.  römischen)  und  rhetorische  Zuthaten  erweitert  und  ins  Christ- 
liche umgefärbt  (z.  B.  II,  12.  HI,  2.  IV,  6).  Constantinopel  ist  Residenz 
(III,  5);  auf  Abfassung  gegen  Ende  von  saec.  IV  deutet  V,  15,  24  ff.     Diese 


958  I)ie  Kaiserzeii.  Viertes  Jakrkundert.   2weite  Hälfte. 

ist  die  Zeit  des  Ambrosius,  und  diesem  schreiben  Mediol.  und  andere  HdRs. 
die  Uebersetzung  ea.  Auch  die  rhetorische  Bildung  des  Verf.  und  seine 
Bekanntschaft  z.  B.  n^it  Sallust,  sowie  manche  einzelne  Spracheigentham- 
lichkeiten  würden  stimmen.  Benützung  der  Bibelübersetzung  des  Hiero- 
nymus  ist  nicht  erweislich,  wohl  aber  Benützung  dieser  Uebersetzung  des 
Josephus  durch  Mdor.    J.  Caesar  an  Webers  Ausg.  p.  890 — 399. 

7.  Ueber  die  Handschriften  der  Josephus-Uebersetzung,  unter  welchen 
die  Mailänder  (saec.  VII)  und  die  Kasseler  (saec.  VIII  — IX)  die  ältesten 
sind,  B.  Caesar  p.  399—403. 

8.  Editio  princepp  Paris.'  1510.  Darauf  1511.  1524.  Colon.  1525.  1530. 
1544.  Ed.  Cornelius  Gualtherus  Gandavensis,  Colon.  1559.  1575.  In  der 
Bibl.  patr.  maxima  (1677)  V.  p.  112.S— 1209;  in  Gallandi  bibl.  patr.  (Ven. 
1788)  VII.  p.  653—771,  und  Migne's  Patrol.  curs.  XV  (1845).  p.  1962—2206. 
Kritische  Ausgabe  von  C.  F.  Weber:  .Hegesippus  qui  dicitur  s.  Eges.  de 
hello  iudaico,  ope  cod.  Cassell.  recognitus;  opus  morte  Weberi  interroptom 
absolvit  C.  J.  Caesar,  Marburg  1864.  404  pp.  4.  (zuerst  in  8  Marburger 
üniversitätsprogrammen,  1857 — 1864). 

9.  Sonstige  Uebersetzungen  aus  dieser  Zeit.  Sjmmach.  ep.  III,  11 
(Naucellio):  opusculi  tui  quo  prisca  cuiusque  reip.  ex  libro  graeco  in  la- 
tinum  transtulisti. 

10.  Eine  lateinische  Uebersetzung  des  apokryphen  Buchs  Esra  ans 
dem  Griechischen  wird  schon  von  Tertullian  n.  A.  angeführt;  s.  A.  Hilgen- 
feld,  Messias  lodaeorum  (Lips.  1869)  p.  XXIl  ff. 

11.  Für  die  Kenntniss  der  lateinischen  Volkssprache  sehr  wichtig  ist 
eine  vor  Hieronymus  buchstäblich  aus  dem  Griechischen  der  LXX  gemachte 
Bibelübersetzung  (Itala),  die  für  Leviticus  und  Numeri  e  codice  perantiquo 
Ashbnmhamiense  herausgegeben  wnrde  London  1868.  Bibliorum  sacr. 
latinae  versiones  antiquae,  seu  vetus  italica  etc.  opera  et  studio  P.  Sabatier, 
Paris.  1751.  3  Voll.  fol.  Latinae  vet.  test.  versionis  antehieronymianae 
fragmenta  e  cod.  Fuldensi  eruta  ed.  E.  Ranke,  Marburg  1856;  und  Par 
palimpsestorum  Wircebnrgensium  (aus  saec.  V);  antiquissimae  vet.  test. 
versionis  latinae  (wahrscheinlich  von  zwei  Verfassern)  fragmenta;  e  cod.  rescr. 
eruit  E.  R.  Wien  1871.  Fr.  Kaulen,  Geschichte  der  Vulgata,  Mainz  1868;  Hand- 
buch zur  Vulgata,  eine  systematische  Zusammenstellung  ihres  lat.  Sprach- 
charakters, Mainz  1870.  280  S.  H.  Rönsch,  Itala  und  Vulgata,  das  Sprach- 
idiom der  urchristlichen  Itala  und  der  katholischen  Vulgata,  Matlourg  1869. 

12.  pie  Bibel -Uebersetzungen  des  Hieronymus  und  Rufinus  s.  unten 
427  f. 

13.  Etwa  aus  dem  Anfang  von  saec.  V  ist  die  besonders  durch  Bob- 
bio'sehe  Palimpseste  erhaltene  Uebersetzung  der  Thierheilkunde  des  Pe- 
lagonius,  welcher  den  Columella  citiert  und  etwa  in  der  Zeit  des  Con- 
»tantin  geschrieben  hatte.  In  den  Hippiatrici  Paris  1530  fol.  Basil.  1587.  4. 
Pelagonii  veterinaria  ex  Riccardiano  codioe  exscripta  ab  los.  Sarcfaiano 
nunc  primum  edita  cura  C.  Cionii,  Florent.  1826.  Dazu  Wiener  Jahrbb. 
XXVI.  (1824),  Anzeigebl.  S.  25  ff.  32  ff.  XLIV  (1828).  S.  141  ff.  Anzeigebl. 


416  f.    Üebersetzung  des  Josephus  u.  A.    Theodosius  I.  95d 

S.  46  ff.    H.  Molini,   sopra  la  veterinaria  di  P.,   Padua  1828.    F.  ösann, 
quaedam  de  Pelagonio  Hippiatricortim  scriptore,  Giessen  1843.  4. 

b.   Die  Zeit  von  Theodosius  I.    J.  879  ff. 

417.  Von  den  Kaisern  in  den  beiden  letzten  Jahrzehntenses 
des  vierten  Jahrb.  hatte  nur  Gratianus  (J.  359  —  383)  Sinn  für 
Literatur.  Theodosius  I  (J.  346 — 395),  wie  Trajan  überwiegend 
Eriegsmann,  theilte  seine  Thätigkeit  als  Kaiser  (379 — 395)  zwi- 
schen Kämpfe  gegen  äussere  Feinde  an  den  Ost-  und  Nord- 
Grenzen  seines  Reiches  sowie  gegen  Usurpatoren  (Maximus  und 
Eugenius)  und  Bemühungen  zur  Ausbreitung  der  nikänischen 
Orthodoxie  auf  Kosten  des  Polytheismus  und  der  arianischen 
Lehre.  Wirklich  erlischt  allmählich  der  Polytheismus.  Zwar 
halten  einzelne  Kreise,  wie  in  Rom  die  Familien  Symmachus 
und  Nicomachus,  mit  dem  Interesse  für  die  alte  Literatur  auch 
die  Anhänglichkeit  an  den  alten  Glauben  noch  länger  fest. 
Aber  ihre  Bestrebungen  werden  immer  vereinzelter  und  erfolg- 
loser: Symmachus  und  Ammianus  sind  die  letzten  namhaften 
Vertreter  des  Polytheismus  in  der  Literatur.  In  demselben  Ver- 
hältniss  wächst  die  Zahl  und  die  Bedeutung  der  christlichen 
Schriftsteller.  Alle  überragt  die  Gestalt  des  Ambrosius.  An 
Vielseitigkeit  des  Wissens  und  der  literarischen  Thätigkeit  thut 
keiner  es  dem  Hieronymus  gleich,  und  auch  von  der  Wirksamkeit 
des  Augustinus  fallen  die  Anfange  schon  in  diese  Zeit.  In 
manchfachen  metrischen  Formen  verfasst  Prudentius  Gedichte 
christlichen  Inhalts  und  bald  nachher  wird  durch  Sulpicius  Se- 
verus  und  Orosius  die  Geschichte  aus  christlichen  Gresichtspunk- 
ten  bearbeitet.  Das  Dogma  herrscht  und  bethätigt  sich  auch 
auf  dem  Gebiete  der  Geschichte  und  der  Auslegung  durch  alle- 
gorische und  symbolische  Auffassung  der  biblischen  Gestalten 
und  Vorgänge.  Die  medicinische  Literatur  besteht  in  Ueber- 
tragungen  griechischer  Werke  (Thebdorus^Priscianus)  oder  aber-  - 
gläubischer  Erweiterung  älterer  lateinischer  (Marcellus  Empiricus, 
Sex.  Placitus).  Sonst  hat  di«  Zeit  ausser  Ve^etius,  nur  Rhetoren 
wie  Pacatus  und  Grammatiker  wie  Servius  und  Ti.  Donatus  auf- 
zuweisen. 

1.  Victor  Epit  47,  4:  fnit  Gratianus  (s.  oben  396,  2)  litteris  haud 
mediocriter  institutus  (vgl.  414,  1):  Carmen  facere,  ornate  loqui,  explicare 
controversias  rhetorum  more.  Auson.  epigr.  1,  5  (bellandi  fandiqne  potena 
Auguatns)  und  grat.  act.  p.  297.  Symmach.  paneg.  Grat.  7.  Ep.  X,  21: 
Musis  in  palatio  loca,   lautia  tu  dediati.    Vgl.  Cod.  Theod.  XIII,   13,  U, 


960  Die  Kaiserzeit   Viertes  Jahrhundert  (J.  379  ff.). 

Sozom.  VII,  1 :  vofiov  td'BTO  fiet  ddtiag  ixdfftovg  d^Qi]<f%evHif  mg  ßovXovtai^ 
xofl  ixuXijöidteiv  y  nir^v  Mcivi%aiiov  xal  xmv  td  ^attHvov  %al  EvvoftCov 
(fifovovvtmv,  Symmach.  ep.  X,  61 :  uil  ille  decerpsit  aacraram  virg^num  privi- 
legiisy  decrevit  nobilibus  sacerdotia,  romanis  caerimoniis  non  negayit  im- 
pensas,  .  .  cnmque  alias  religiones  ipse  sequeretur  has  servavit  imperio. 

2.  Victor  epit.  48,  9  Aber  TheodosiuB  (oben  395,  2):  simplicia  in- 
genia  aeque  diügere,  crudita  mirari,  sed  iunoxia.  Vgl.  das  Epigramm  des 
AemiliuB  Probus  (oben -195,  7):  Thendosio  et  doctis  carmina  nuda  placent 
Theodos.  ad  Aaäbnium  (Auson.  opp.  p.  335  Bip.):  amor  mens  qui  in  te  est 
et  admiratio  ingenii  atque  eruditionis  tuae  .  .  fecit,  parens  iucundissime, 
ut  .  .  familiärem  sermouem  autographum  ad  te  transmitterem,  postulans 
pro  iure  .  .  privatae  inter  nos  caritatis  ne  fraudari  me  scriptorum  tuomm 
lectione  patiaris ,  qnae  olim  mihi  cognita  et  iaqpi  per  tempus  oblita  rarsum 
desidero.  Auson.  epigr.  praef.  9  f.:  scribere  me  Augustus  iubet  et  mea 
carmina  poscit  paene  rogans.  Auch  Libanios  und  Themistios,  so  gut  wie 
Sjmmachus,  blieben  von  dem  Kaiser,  trotz  seines  orthodoxen  Eifers,  an- 
behelligt,  ja  geschätzt  und  befördert.  Symmach.  ep.  V,  35:  romanae  iu- 
yentutis  magistris  subsidia  soUemnis  alimoniae  detracta  sunt.  Pet.  Erasm. 
Müller,  comm.  bist,  de  genio,  moribus  et  luxu  aevi  Theodosiani,  2  Partes, 
Kopenhagen  1797.  H.  Richter,  das  weströmische  Reich  (1865)  S.  407  ff. 
A.  de  Broglie,  IMglise  et  Tempire  romain  au  IV®  siecle;  III:  Valentinien  et 
Theodose,  Paris  1866.  2  Voll.  464  u.  533  pp.  G.  R.  Sievers,  Stadien  zur 
Gesch.  d.  röm.  Kaiser  (1870)  S.  281—334. 

399  418.  Eine  hervorragende  Stelle  unter  den  Anhängern  der 
alten  Zeit  nimmt  drei  Generationen  hindurch  die  Familie  der 
Symmachus  ein,  Ton  welchen  der  berühmteste  der  mittlere 
ist,  Q.  Aurelius  Symmachus  (um  J.  350  — 420),  Cos.  391  n.  Clir. 
Ehrenwerth  von  Charakter,  aber  ohne  Energie  und  mit  den 
Vorurteilen  eines  romischen  Patriciers  behaftet,  hat  er  selbst 
wenig  Glauben  an  den  Bestand  seiner  Sache.  Seine  Leichtig- 
keit und  Eleganz  in  mündlicher,  und  schriftlicher  Darstellung 
haben  auch  Gegner  anerkannt.  Wir  besitzen  Proben  seiner  ju- 
gendlichen Beredtsamkeit  in  drei  zum  grösseren  Theile  erhalte- 
nen Lobreden  auf  Valentinian  I  und  dessen  Sohn,  den  jungen 
Mitkaiser  Gratianus;  sie  theilen  die  Manier  der  übrigen  Pane- 
gyriker,  stehen  aber  den  besseren  derselben  an  Gehalt  entschieden 
nach.  Aus  seinen  reiferen  Jahreir  haben  wir  grössere  Stücke 
aus  sechs  Senatsreden.  Wichtiger  sind  seine  Briefe,  welche  viel- 
leicht von  seinem  Sohne  gesammelt  und,  in  Nachahmung  der 
Sammlung  des  jüngeren  Plinius,  in  zehn  Büchern  herausgegeben 
worden  sind.  Sie  geben  mit  ihrer  glatten  Inhaltslosigkeit  ein 
Bild  von  der  Schwächlichkeit  ihres  Verfassers  und  seines  Kreises. 
Am    bedeutendsten    ist   die   amtliche  Correspondenz  im  zehnten 


418.   Sjmmachn«.  961 

Buche,  namentlicli  das  Gresuch  um  Wiederherstellung  des  Altars 
der  Victoria  im  Sitzungssaal  des  Senats,  welches  den  Bischof 
Ambrosius  und  den  Prudentius  zu  Gegenschriften  veranlasste.    • 

1.  Der  Vater  des  Redners.  Orelli  1186:  Lucio  Aur.  Avianio  Symmaclio 
y.  c.  praefecto  urbi  (J.  364  nach  dem  cod.  Theod.  z.  B.  I,  6,  2;  vgl.  Symm. 
£p.  II,  44.  Ammian.  XXVII,  3,  3:  inter  praecipua  nominandus  exempla  doc- 
trinarum  et  modestiae),  consuli  (um  376?  vgl.  A.  4),  pro  praefectis  praetorio  in 
urbe  Boma  finitimisque  provinciis,  praefecto  annonae  urbis  Bomae,  pontifici 
maiori,  Quindecemviro  s.  f.,  multis  legationibus  pro  ampl.  ord.  desideriis 
apud  divoB  principes  functo  (z.  B.  bei  Constantius,  Ammian.  XXI,  12,  24), 
qui  primuB  in  senatu  sententiam  rogari  solitus  auctoritate,  prudentia  atq. 
eloqnentia  .  .  magnitudinem  loci  eius  inpleverit,  auro  inlustrem  statuam 
etc.  (J.  377).  J.  381  oder  382  war  er  noch  am  Leben;  s.  Synmiach.  ep.  I, 
101.  Vgl.  I,  44:  egit  ille  senatui  gratias  ea  facundiae'  gravitate  qua  notus 
est.  Brief  von  ihm  an  seinen  Sohn  ep.  I,  2,  worin:  quia  nihil  est  quod 
agam  et,  si  iiihil  agam,  subit  me  maiorum  meorum  misera  recbrdatio,  in- 
veni  quod  illis  libellis  quos  nuper  dictaveram  possimus  adicere.  Es  sind 
5  (mittelmässige)  Epigramme  von  je  6  Hexametern  auf  angesehene  Männer 
seiner  Zeit,  in  Nachahmung  der  Hebdomades  des  Varro  (oben  S.  274). 
AehnHches  AnthoU  lat.  831—849.  851 — 865  B.  Briefe  seines  Sohnes  an  ihn 
Ep.  I,  1.  3—12. 

2.  Orelli  1187  (aus  Bom):  Q'.  Aur.  Symm  ach  o  v.  c,  Quaest.  (Epp. 
IX,  119),  Praet.  (Epp.  VHI,  14),  Pontifici  maiori  (vgl.  Epp.  I,   47.  49.  61. 

IX,  108.  128  f.),  correctori  Lucaniae  et  Brittiorum  (J.  866,  s.  Cod.  Theod. 
VIII,  5,  25),  comiti  ordinis  tertii,  procons.  Airicae  (J.  373,  Cod.  Theod.  XII, 
1,  73;  vgl.  Benier  Inscr.  de  l'Alg.  2740.  Symin.  ep.  VHI,  5.  20.  X,  1),  praef. 
urb.  (J.  384  u.  418  f.),  cos.  ordinario  (J.  391,  vgl.  Epp.  H,  62—64.  81. 
V,  15.  IX,  130),  oratori  disertissimo.   Vermählt  war  er  mit  Busticiana  (ep. 

X,  54,  vgl.  Ap.  Sidon.  ep.  II,  10),  der  Tochter  von  Orfitus  (ep.  IX,  131.  X, 
54),  wohl  dem  praef.  urbi  J.  365—359,  und  hatte  von  ihr  eine  Tochter  und 
einen  (einzigen,- s.  ep.  IV,  6.  V,  68.  VI,  7.  41)  Sohn,  Q.  Fab.  Memmius 
Symmachus  (Orelli  1187  f.),  welcher  noch  bei  Lebzeiten  des  Vaters  die 
Quästur  (z.  B.  quaestorium  parvuli  nostri  munus,  ep.  V,  22)  und  Prätm* 
(praet.  urb.)  erlangte,  rhetorisch  gebildet  war  (ep.  VI,  34  vgl.  61.  VII,  9. 
VIII,  69.  IV,  20),  und  zur  Frau  hatte  die  Enkelin  des  älteren  Nicomachus 
Flavianus  (Orelli  -  Henzen  5593  vom  J.  431;  vgl.  ib.  1188),  während  des 
Symm.  Tochter  vermählt  war  an  den  Oheim  seiner  Schwiegertochter,  den 
jüngeren  Nicomachus  Flavianus  (unten  421,  1  f.).  Kinder  der  Tochter:  dul- 
cissimi  nepotes,  Ep.  VI,  40;  nepticula  mea  Galla  ib.  VI,  32.  Nachkommen 
des  Sohnes  sind  wohl  die  Q.  Aurelii  Symmachi  welche  Coss.  waren  J.  446, 
485,  522  (Q.  Aur.  Anicius  Symm.).  Des  Bedners  Wohnung  in  Bom  war 
auf  dem  mens  Caelius  (Epp.  VII,  18  vgl.  19) ;  ausserdem  hatte  er  zahlreiche 
Besitzungen,  z.  B.  bei  Formiä,  Cora,  im  Laurens  ager,  in  der  ^Nähe  Boms 
(auburbanum)  wie  in  Sicilien  (IX,  51)  und  Africa  (VII,  66).  Zwei  Brüder 
starben  vor  ihm  (I,  46.  101.  III,  6.  19). 

3.  Tirocinium  des  Bedners  Symm.  in  Germanien  neben  Ausonius,  s.  oben 

TnjrrEii,  Böm.  Literatuigesohichte.   2.  Aufl.  *  -  61 


9G2  Die  Eaiscrzeit.  .Viertes  Jahrhundert  (J.  379  ff.). 

414,  1.  Vgl.  Epist.  I,  14.  in  Yolent  II,  6.  8.  Galliacher  Lehrer  der  Be- 
redtsamkeit,  s.  oben  387,  10.  Da  ums  J.  360  Symm.  schon  ein  hoffnungs- 
voller Knabe  war  (Libau.  epist.  923),  so  wird  er  spätestens  350  geboren 
sein.  Gestorben  kann  er  nicht  vor  420  sein,  da  er  in  den  Wirren  bei  der 
Papstwahl  nach  dem  Tode  des  Zosimus  (f  26  Decbr.  418),  zwischen  Enla- 
lius  und  Bonifacius  I,  als  praef.  urb.  eine  Bolle  spielte  (Epist.  X,  71 — 83). 
Ueber  seine  Gesundheit  hat  S.  in  seinen  Briefen  fast  so  viel  zu  klagen  wie 
Fronto,  namentlich  auch  über  Podagra  und  Chiragra. 

4.  Beden  des  Symm.  *sind  (aber  keine  vollständig)  erhalten  durch 
ein  Mailänder  Palimpsest  saec.  VI,  herausgg.  von  A.  Mai  (Mediol.  1815 
=»  Frankf.  1816  und  in  Niebuhrs  Ausg.'  des  Fronto,  Berol.  1816),  dann 
aus  einem  cod.  Vatic.  und  Bobiens.  vermehrt  an  Mai's  iuris  civ.  anteiosi 
reliqq.  (Born  1823),  in  der  Scriptor.  vett.  nova  coli.  T.  I,  4.  und  an  Mai's 
Ausg.  von  Cic.  de  rep.  (Born  1846).  H.  C.  A.  Eichstädt,  de  Symm.  oratt 
particc.  ab  A.^Maio  in  lucem  protr.,  Jena  1816.  4.  H.  Meyer,  orait.  rom. 
fragm.*  p.  627—636.  Vgl.  Hermes  IV.  p.  33—36.  Diese  Stficke  sind  aus 
folgenden  neun  Beden :  Zwei  Lobreden  auf  Valentinian  I,  gehalten  in  GaUien, 
die  eine  frühestens  J.  368  (wegen  c.  9  lustrum  imperialium  annorum),  die 
andere  auf  des  Kaisers  drittes.  Consulat,  J.  370,  beide  jugendlich  bomba- 
stisch und  mit  Geschmacksfehlern  (wie  I,  1  caesam  glaciem  potare;  I,  3 
Gratianus  seminarium  principatus  et  vena  regalis  genannt;  II,  12:  navigia 
ripam  momorderUnt).  3.  Lobrede  auf  den  jungen  Augustus  Oratianus,  also 
frühestens  Ende  367  gehalten,  vor  Gratianus,  wahrsch.  in  Trier.  4 — 6  Beden 
im  römischen  Senat,  lauter  kurze  Stücke  (höchstens  4  Capp.),  nämlich  4. 
bei  Einführung  eines  Consul,  über  die  Methode  der  Consulwahl  in  seiner 
Zeit  (Ernennung  durch  den  Kaiser  auf  Vorschlag  —  postulatio  —  des  Se- 
nats); 6.  Danksagung  für  die  Wahl  seines  Vaters  zum  Consul,  nach  dem 
Tode  von  Valentinian  I,  J.  376  oder  377;  6.  Empfehlung  des  jungen  Try- 
getius  fSr  die  Quästur  (vgl.  Ep.  I,  44.  62);  7.  Antrag  (petitio,  vgl.  Ep.  V, 
43)  auf  Aufnahme  des  Sohns  von  lulianus  Busticus  (s.  A.  6),  Synesiüs,  in 
den  Senat;  8.  Empfehlung  des  neuen  Senatsmitgliedes  Severus;  9.  Empfeh- 
lung des  Valerius  Fortunatus  für  die  Quästur  (hrsgg.  von  Mai  1823). 

6.  Ausserdem  werden  in  den  Briefen  des  Symm.  erwähnt  zwei  Senats- 
reden, quarum  una,  ad  Polybii  filium  pertinens,  ex  recenti  negotio  naia 
est,  altera  dudum,  cum  res  in  curia  agitaretur,  a  me  parata,  nunc  opere 
largiorc  aucta  processit;  huic  argumentum  est  repudiata  censura  (Nicht- 
wiedcreinfiihrung  derselben),  quam  tunc  totius  senatus  fugavit  auctoritas 
(Ep.  IV,  45).  Vgl.  Ep.  IV,  29.  V,  9  (una  ad  urbanos  fasces  resnltantem 
candidatum  tenuit,  altcri  argumentum  dedit  iam  pridem  decreto  senatus 
improbata  censura).  I,  105  (libellus  quo  nuper  in  senatu  sustuli  civium 
secunda  suffragia).  VII,  68.  Dazu  die  Lobrede  auf.  den  Usurpator  Maxi- 
mus (Ep.  II,  31),  welche  aber  dem  Symm.  von  Theodosius  sehr  verübelt 
wurde  (post  amaros  casus  orationum  mearum,  Ep.  VIII,  69  vgl.  Cassiod. 
bist.  trip.  IX,  23.  Sokr.  h.  e.  V,  14.  Suid.  v.  %ad'oaia>ütg)  und  Begfltigungs- 
schreiben  wie  laudes  Theodosii  (Ep.  II,  13)  nach  sich  zog.  Ep.  IV,  64: 
nee  tantum  epistulas  poscis,  oratiunculas  quoque  nostras  non  editas  deferri 
in  manus  tuas  praecipis.    .  .  misi  igitur  ex  recentioribus  numero  quinque. 


418.    Symmachns.  9G3 

6.  Die  Briefe  sind.  Öfters  unter  Verletzung  der  Zeitfolge,  nach  den 
Empfangern  geordnet.  B.  I  enthält  die  Briefe  an  seinen  Vater  (1  — 12), 
AuBonius  (13—43),  Agorio  Praetextato  (44—56.  74),  (Anicio)  Probo  (56—61), 
Celsino  Titiano  fratri  (62—73),  Hesperio  (75  —  88),  Antonio  (unten  419,  2), 
Syagrio  (94—107.  U,  14  f.  49).  Buch  II  fast  nur  Briefe  an  Flavianus  frater 
(unten  421,  1).  B.  III:  luliano  Rustico  (1—9),  Naucellio  (10—16),  Gregorio 
(unten  419,  3),  Mariniano  (23—29),  Ambrosio  (30—37),  Hilario  (38—42),  Si- 
lurio  (48—45),  Eutropio  (46  —  53),  Ricomeri  (54  —  70),  Timasio  (71  —  73), 
Promoto  (74—80),  Rufino  (81—91).  B.  IV:  Stiliconi  (1—14),  Batoni  (15  f.), 
Protadio  (17—34),  Minervio  (35—49),  Florentino  (50—57),  Eupraxio  (58—65), 
Euaignio  (66—84).  Buch  V:  Hierophanti  (1—3),  Theodoro  (4—16),  Magnillo 
(16—33),  Hephaestioni  (34—37),  Neoterio  (38—46),  Felici  (47—54),  Sallustio 
(55—57),  Patemo  (58—66),  Olybrio  et  Probino  (67—71),  Licinio  (72—77), 
Helpidio  (78 — 98).  B.  VI  die  Briefe  Nicomachi  filiis,  an  den  Schwiegersohn 
des  Symm.  und  dessen  Bruder.  B.  VII:  Symmacho  filio  (1 — 15),  Attalo 
(16—25),  Macedonio  (26—29),  Attico  (30—34),  Decio  (35  —  60),  Patricio 
(61—66),  Alypio  (67—71),  fratribus  (72—80),  Messalae  (81—92),  Longimano 
(93—101),  Petronio  et  Patruino  (102—104),  Patruino  (105-128.  VIII,  18  f.), 
Sibidio  (129—131).  B.  VIII  enthält  vereinzelte  Briefe  an  viele  Personen, 
sowie  solche  von  unbekannter  Adresse,  was  noch  häufiger  ist  in  B.  IX.  In 
B.  X  die  amtliche  Correspondenz  mit  Theodosius  sen.,  Gratianus  Aug.,  Va- 
lentinianus,  Theodosius,  Honorius;  insbesondere  als  praef.  urbi  (22—83). 
Selten  sind  Briefe  seiner  Correspondenten ,  wie  seines  Vaters  (1 ,  2) ,  des 
Ausonius  (I,  32)  und  die  kaiserlichen  Erlasse  X,  72  ff. 

7.  Trotz  der  Stellung  des  Brief sehreibers  und  der  meisten  seiner 
Adressaten  tragen  die  Briefe  des  S.  dennoch  zur  Eenntniss  der  Zeitge- 
schichte verhältnissmässig  wenig  bei  (cassa  rebus  oratio,  Ep.  III,  10  vgl. 
II,  35).  Sogar  Tagesneuigkeiten  sind  nur  B.  VI  stärker  vertreten  (vgl.  I, 
46.  II,  36.  57),  und  auch  Geschäftsbriefe  wären  nicht  zahlreich  wenn  nicht 
der  Ankauf  von  Rennpferden,  Gladiatoren  und  seltenen  Thieren  (VI,  43. 
IX,  132.  125.  X,  19)  fiir  die  eigenen  Spiele  und  die  seines  Sohnes  die  Fe- 
der des  S.  in  fast  fieberhafte  Thätigkeit  versetzte.  Zahllos  sind  dagegen 
die  Empfehlungsschreiben  (Ep.  IV,  48:  litteras  nonnullis  humanitate  prae- 
stamus),  die  Fürsprachen  für  näher  und  ferner  Stehende  (I,  64:  commen- 
dari  a  me  episcopum  forte  mireris.  causa  istud,  non  secta,  persuasit;  vgl. 
VII,  51:  trado  sancto  pectori  tue  .  .  Severom,  episcopum  omnium  sectarum 
attestatione  laudabilem),  sogar  Bettelbriefe  (z.  B.  IV,  67.  VII,  116)  und 
Brautwerbungen  für  Andere  (IX,  7.  43.  49).  Nächstdem  Glückwünsche, 
Beileidsbezeugungen,  Todesanzeigen,  Einladungen,  Grüsse,  Reisen,  eigene 
und  fremde  Gesundheit,  Theuerungsverhältnisse  u.  dgl.,  besonders  häufig 
Klagen  dass  Adressat  so  selten  oder  so  kurze  Briefe  schreibe  6der  Ver- 
theidigung  gegen  solche  Klagen  Anderer.  Wiederholungen  sind  nicht 
selten,  z.  B.  der  Satz  dass  der  Verreiste  zuerst  zu  schreiben  habe  findet 
sich  zehnmal  (III,  8.  IV,  28.  V,  80.  70.  73.  VI,  60.  VIIl,  56.  60.  68.  IX,  63). 
VII,  81.  83.  89  ist  an  dieselbe  Person,  V,  54  u.  66  ß,n  verschiedene  dasselbe 
geschrieben.  Auch  eine  Anzahl  Ausdrücke  (wie  stilus,  paginae,  summates, 
delenimentum)  kehrt  oft  wieder,   und  sehr  häufig  beginnen  die  Briefe  mit 

Ol* 


964  Die  Kaiserzeit.   Viertes  Jahrliundert  (J.  379  ff.). 

einer  Sentenz.  Im  Ganzen  aber  strebt  S.  sichtlich  nach  Abwechslung  in 
der  Form,  und  seine  Briefe  sind  eine  Mustersammlmig  für  verbindliche 
Dnd  zierliche  Wendungen.    Vgl.  oben  45,  9. 

8.  Ep.  y,  85  (an  Helpidius) :  quod  epistulas  meas  condis  amoris  est  tui, 
qui  describenda  nescit  eligere.  .  .  nimis  vereor  ne  ista  simplicitas  incidat  in 
lectorem  alterum,  tibi  disparem.  quare  velim  tibi  habeas  quae  incogitata 
proferimus;  licet  eadem  mei  quoque  librarii  servare  dicantur.  Vgl.  V,  86:  si 
quid  horum  quae  apud  te  incuriosius  loquor  cuipiam  lectori  nanseam  moverit, 
non  tarn  in  scribendo  neglegentia  displicebit.  Mit  der  Bflcksicht  auf  die 
Veröffentlichung  sind  daher  die  Briefe  (wenn  auch  nicht  von  Anfang  an) 
sicher  geschrieben.  Dass  sie  aber  nicht  von  dem  Verfasser  selbst  veröffent- 
licht worden  sind  zeigt  der  rohe  Zustand  in  dem  sie  uns  vorliegen.  Sogar 
blose  Papierschnitzel  sind  aufgenommen,  wie  VIII,  71  f.  zwei  Formulare 
des  Einladungsschreibens  zu  seines  Sohnes  Antritt  der  Prätur.  Letzterer 
Umstand  macht  wahrscheinlich  dass  der  Herausgeber  der  Sammlung  der 
Sohn  ist. 

9.  Hanpthandschrift  der  Briefe  Paris.  8623  saec.  X;  s.  0.  Clasön,  de 
Symm.  epp.  codice  Par.,  Bonn  1867.  Hoffentlich  der  Vorläufer  einer  kri- 
tischen Ausgabe,  für  welche  man  gern  einige  Dutzende  unnützer  Horatiana 
hingäbe.  Ausgaben:  ex  off.  J.  Schotti,  Argent.  1510.  4.  Basil.  1549.  Cura 
Fr.'Iureti,  Paris.  1580.  1604.  4.  Bec.  et  auxit  J.  Lectius,  Genev.  1587.  1598 
u.  sonst.  E  rec.  C.  Scioppii,  Mogunt.  1608.  4.  Ex  rec.  J.  Ph.  Parei  (mit 
Lexicon  Symm.),  Neustadt  a.  d.  H.  1617.  Frankf.  1642.  1651.  Zuletzt  in 
Migne's  Patrol.  XVIII  (Paris  1848)  p.  145—406. 

Beiträge  zur  Textkritik  von  C.  F.  W.  Müller  (Jahn's  Jahrbb.  73,  S. 
324—334)  und  C.  Schenkl  (die  Excerpte  a.  d.  Br.  d.  S.  im  Spec.  bist  des 
Vincent.  Bell,  Ztschr.  f.  d.  Ostreich.  Gymn.  1860,  S.  412—416). 

10.  Verse  des  S.  Epist.  I,  1  (Hexameter  und  Distichen).  8  (Anakreon- 
teen).  Vergilius  noster  (vates)  Ep.  I,  1.  9.  paneg.  Grat.  9.  Flaccus  tnns 
(des  Vaters)  ep.  I,  4. 

11.  Maorob.  V,  1,  7:  (genus  dicendi)  pingue  et  floridum,  in  quo  Pli- 
nius  See.  quondam  et  nunc  nuUo  veterum  minor  noster  Symmachus  luxu- 
riatur.  Frudent.  c.  Symm.  I,  632  ff.:  o  linguam  miro  verborum  fönte  flnen- 
tem,  romani  decus  eloquii  etc.  U.  praef.  55  ff.:  tanti  .  .  viri,  quo  nunc 
nemo  disertior  etc.  Ap.  Sidon.  Ep.  I,  1:  Q.  Symmachi  rotunditatem.  Die 
Beden  bewegen  sich  mit  Vorliebe  in  kurzen  Sätzen  mit  wohlberechnetem 
Tonfall  und  sind  mit  rhetorischen  Blumen  aller  Art  reich  ausgestattet. 
Einen  oratorischen  Anstrich  haben  auch  die  Briefe,  namentlich  darin  dass 
sie  die  technischen  Bezeichnungen  (wie  acta  senatus)  als  unedel  zu  meiden 
suchen.  Dos  Symm.  Sprache  strebt  zwar  nach  Classicität,  lässt  aber  mit 
Bewusstsein  Modernes  zu.  Vgl.  Wortbildungen  wie  genialitas,  optimitas, 
placiditas,  autumnitas,  incentor,  edecimo,  exambio;  Wendungen  wie  fors 
fuat  an  (lit),  quin  immo,  incoram;  Gonstructionen  wie  fungi  officium,  ho- 
noris tui  delector,  sollicitor  tarditatis,  bonarum  artium  spectatus,  die  häu- 
fige Setzung  von  quod  n^h  verb.  sent.  et  declarandi  (z.  B.  VIII,  46.  IX, 
10.  39.  X,  24.  78),  aliquanü  servi  u.  dgl.  Vgl.  Ep.  III,  11:  trahit  nos  usus 
temporis  in  argntias  plausibilis  sermonis.    quare  aequius  admitte  linguam 


"  418.   SymmacbuB.  965 

saecnli  nostri  et  deesse  huic  epistnlae  atticam  sanitatem  boni  consule.  .  .  te 
non  paeniteat  scriptorum  meorum  ferro  novitatem.  ITT,  44:  UQxai6(i6v 
Bcribendi  non  invitns  adfecto.    .  .  praestat  Tullium  sequi. 

12.  Als  Mensch  erinnert  S.  an  Cicero:  er  ist  von  makelloser  Reinheit 
des  Wandels,  wohlwollend,  immer  bereit  zu  helfen,  ein  gemütlicher  Fa- 
milienvater, versöhnlich  (vgl.  Ep.  VII,  100.  128),  weich  bis  zur  Aengstlich- 
keit  und  Empfindlichkeit.  Auch  zum  Egoismus  wird  diese  Weichheit:  so 
reich  er  ist,  so  schreit  er  alsbald  über  Druck  (impressio)  wenn  die  Noth 
der  Zeit  ihn  im  gewohnten  Behagen  stören  will,  und  für  ihn  und  seine 
Freunde  sollte  man  es  mit  dem  Rechte  nicht  allzustreng  nehmen.  Seine 
Aengstlichkeit  lässt  ihn  nie  von  etwas  Erfreulichem  sprechen  ohne  ein 
praefiscine:  pracfata  dei  (numinum,  fortunae,  divinitatis)  venia  oder  prae- 
fato  (praemisso)  divinitatis  honore  (favore).  Vgl.  noch  Epp.  I,  49.  VI,  40. 
Neben  dieser  Superstition  hat  er  den  ganzen  Hochmut  des  Römers  und 
Aristokraten.  Ep.  II,  46:  in  bonam  partem  traho  quod  Saxonum  numerus 
morte  contractus  intra  summam  decretam  populi  voluptatibus  stetit,  ne 
nostrao  editioni  .  .  abscedoret.  nam  quando  prohibuisset  privata  custodia 
dcsperatae  gentis  impias  manus ,  cum  XXIX  fractas  sine  laqueo  fauces  pri- 
mus  ludi  gladiatorii  dies  viderit?  Ep.  I,  3:  Bais  .  .  otiabar.  eo  postquam 
rumor  allatus  est  terrae  filios  con venire,  oppido  cavimus  ne  sobriam  soli- 
tudinem  nostram  sodalitas  plebeia  fuscaret.  I,  52:  pars  melior  humani 
generis  senatus  (vgl.  p.  Sevcr.  1:  apud  nobilissimos  humani  generis).  Und 
doch  kennt  er  sehr  wohl  die  Erbärmlichkeit  dieses  Collegiums;  vgl.  VI,  22. 
VIII,  19.  X,  12.  Dagegen  hindert  ihn  sein  Stolz  auch  an  Kriecherei  gegen 
die  Machthaber  des  Hofes  (Ep.  IX,  88.  X,  61),  und  selbst  dem  Kaiser  ge- 
genüber beweist  er  edlen  Freimut  (Ep.  X,  34.  41.  43.  61).  Politischen 
Scharfblick  aber  k^n  man  ihm  nicht  beimessen. 

13.  Ueber  seine  Zeit  spricht  sich  S.  je  nach  seiner  Stimmung  und 
nach  der  Stellung  des  Angeredeten  verschieden  ans.  Bald  rühmt  er  (bo- 
norum) temporum  iustitia,  dementia,  aequitas,  felicitas,  serenissima  tem- 
pora,  saeculi  humanitas  und  dass  es  virtuti  amicum  sei,  bald  beklagt  er 
die  herrschende  Willkür  und  Gesetzlosigkeit.  Im  Ganzen  aber  gehört  sein 
Ilcrz  der  grossen  Vergangenheit  und  mit  ihr  auch  dem  Glauben  der  Väter, 
bei  welchem  Rom  gross  war.  Für  seine  Person  macht  er  zwar  vom  Poly- 
theismus wenig  Gebrauch:  selten  nennt  er  einzelne  Götter  (love  teste, 
Ep.  IX,  92),  sondern  dii  überhaupt  oder  caelestes,  numina,  divina,  oder 
dcus,  fortuna,  mens  divina  u.  s.w.;  Christen  gegenüber  accommodiert  er  sich 
sogar  zu  der  Erklärung:  in  eligendo  episcopo  dei  omnipotentis  expectandum 
esse  iudicium  (Ep.  X,  71).  Vgl.  419,  9.  Er  kennt  den  Mangel  an  Ernst  im^ 
eigenen  Lager  (I,  51),  und  ist  selbst  von  Skepticismus  so  wenig  frei  (si 
innocentiam  divina  respiciunt  VIII,  18  vgl.  ib.  6:  nihil  curare  caelestes,  a 
qua  opinione  dissentio.  IX,  61 :  quid  interest  qua  quisque  prudentia  verum 
inquirat?  uno  itinere  non  potest  perveniri  ad  tam  grande  secretum)  dass 
sein  Versuch  gegen  die  Vestalin  Primigenia  einzuschreiten  (IX,  128  f.)  als 
Inconsequenz  wie  als  Anachronismus  erscheint.  Aber  der  alte  Glaube  ist 
ihm  eine  Fahne,  zu  der  sich  nicht  offen  zu  bekennen  Abfall  ist:  nunc  aris 
deesse  Romanos  genus  est  ambiendi  (I,  51).    Er  verzichtet  darauf  für  sei- 


966  Die  Eaiserzeit.  Viertes  Jahrhundert  (Jv  379  ff.). 

neu  Glauben  die  frühere  Herrschaft  zu  verlangen;  nur  Duldung,  nur  nicht 
Verfolgung,  erbittet  er  sich  in  der  berühmten  relatio  an  Valentinian  IT 
und  dessen  Mitrcgenteu  in  Sachen  des  Victoria- Altars  (£p.  X,  61),  die  eben- 
so trefflich  stilisiert  wie  als  Nothruf  einer  dem  Untergang  verfallenen  Re- 
ligion ergreifend  ist  (z.  B. :  repetimus  religionum  statum  qui  reip.  diu  pro- 
fuit.  .  .  praestate,  oro  vos,  ut  ea  quae  pueri  suscepimus  senes  posteris 
relinquamus),  und  deren  Beweisführung  unwiderleglich  wäre  wenn  nicht 
die  Behauptung  sich  eingemischt  fönde  dass  der  Nothstand  des  Reiches 
herbeigeführt  sei  durch  die  Vernachlässigung  der  Religion,  d.  h.  das  Auf- 
kommen des  Ohristenthums.  Die  erfolgreichen  Entgegnungen  des  Ambro- 
sius  in  dessen  Epist  17.  18  (Migne,  patrol.  XVI.  p.  961 — 982).  VillemaiD^ 
Melanges  IL  p.  36  ff.  H.  Richter,  das  westrOm.  Reich  S.  660  ff.  687  ff.  699  f 
In  den  Streitigkeiten  zwischen  Eulalius  und  Bonifacius  handelte  S.  nach 
bestem  Wissen  und  mit  voller  Unparteilichkeit  (ab  impugnatione  et  favore 
ambarum  partium,  ut  decebat,  credidit  temperandum  X,  76),  und  auch  die 
Anhänger  der  einen  Partei  erklären  seine  falsidica  relatio  nur  daraus  dass 
er  disciplinae  et  religionis  inscius  sei  (Ep.  X,  74). 

14.  J.  Gothofredus,  vita  Symmachi,  vor  Pareus'  lex.  Symm.  C.  Q.  Heyne, 
censura  ingenii  et  morum  Symm.,  Opusc.  ac.  VI.  p.  6 — 18.  Susiana  (von 
Suse)  ad  Symm.  ed.  J.  Gurlitt,  Hamburg  1816 — 1818.  4.  E.  Morin,  ^tude  snr 
la  vie  et  les  ^rits  de  S.,  Paris  1847.   J.  Burckhardt,  Constantin  S.  491—497. 

400  419.  Symmachus  selbst  nennt  als  Redner  seiner  Zeit  (Ani- 
cius)  lulianus,  Antonius,  Gregorius  und  Severus.  Auf  uns  ge- 
kommen ist  einzig  die  Lobrede  3,uf  Theodosius  I  welche  der 
jüngere  Fachgenosse ,  Landsmann  und  Freund  des  Ausonius,  der 
Rhetor  Latinus  Drepanius  Pacatus,  J.  389  zu- Rom  im  Senate 
gehalten  hat.  Sie  zeichnet  sich  vor  den  übrigen  Reden  dieser 
Art  durch  Stoffreichthum  und  lebhafte  Darstellung  aus  und  zeugt 
auch  von  des  Verfassers  Belesenheit  in  der  alten  Literatur. 

1.  Symm.  Ep.  I,  43  an  Ausonius:  scis  in  illo  forensi  pulvere  quam 
rara  cognatio  sit  facundiae  et  boni  pectoris.  .  .  haec  in  meo  familiari  ac 
necessario  (Julianus)  ea  societate  viguerunt  ut  etc.  numquam  in  mercedem 
ornamenta  linguae  corrupit  etc.  Er  ist  wohl  der  Sohn  des  Cos.  322,  praef. 
urb.  339,  Anicius  lulianus.    Vgl.  auch  oben  418,  4  u.  6. 

2.  Symm.  Ep.  I,  89  (Antonio):  non  incognito  quidem  nobis  eloquii 
splendore  nituisti,  sed  .  .  maiestatc  scripti  aptata  gloriam,  quam  magisterio 
arte  quaesisti',  recons  auxit  oratio.'  nam  .  .  simile  quiddam  planeque  con- 
venieuB  auribus  patrum  .  .  sonuisti  etc.  Antonius  war  also  Senatsmitglied. 
An  ihn  auch  ib.  I,  90—93. 

3.  Symm.  ep.  IIl,  18  (Gregorio):  cum  mihi  de  scriniis  tuis  profecta 
delegaretur  oratio.    An  ihn  ib.  17 — 22. 

4.  Symmach.  p.  Sever.  3  (p.  56  M.  1815):  quis  credat  summatem  fa- 
cundiae, diu  inter  fori  ornamenta  numeratum,  praesidalem  dadum  (erst 
karzlich)  recepisse  provinciam?  Vielleicht  der  Severus,  optimus  Senator  an 


419.   Pacatus  u.  a.  Redner.  967 

welchen  Ep.  YIII,  6  gerichtet  ist;  vgl.  ib.  VI,  5  (sanctue  amicus  noater  S.). 
38.  49.  yjl,  51.  116  (illustris  memoriae  vir  S.). 

5.  Macrob.  I,  5,  13:  Postumianum ,  qui  forum  defensionum  digoatione 
nobilitat.  Vgl.  ib.  2,  1.  3.  6.  Vielleicht  mit  einem  der  Vorgenannten  iden- 
tisch. Ein  Ungenannter  der  pari  nitore  atque  gravitate  Beden  und  Ge- 
schichte schreibt  bei  Symmach.  £p.  IX,  110. 

6.  Eusebio,  oratorum  eloquentissimo  Macrob.  Sat.  I,  24,  14.  Ein 
EusebiuB  wird  unter  den  scriptores  de  numeris  genannt  in  Halms  rhet-  lat. 
min.  p.  581,  18.  vgl  p.  598,  20. 

7.  Augustin.  confess.  IV,  14,  21:  Ilierium  romanae  urbis  oratorem 
.  .  efferebant  laudibus,  stupentes  quod  ex  homine  Syro,  docto  prius  graecao 
facundiae,  postea  in  latina  etiam  dictor  mirabilis  extitisset. 

8.  AuBOnius  widmet  (Aus.  cos.)  Latino  Drepanio  Pacato  proconsnli 
seinen  Indus  VII  sapp.  und  das  technopaegnion  (Pacato  procos.),  in  dessen 
grammaticomastix  er  ihn  bonus,  doctus,  facilis  vir  nennt.  Die  dritte  Wid- 
mung der  Epigramme  aber  gilt  Latino  Pacato  Drepanio  filio  (hoc  nuUus 
mihi  carior  eorum,,  quem  pluris  faciunt  novem  sorores  quam  cunctos  alios, 
Marone  dempto).  Aus  Burdigala  selbst  scheint  er  nicht  zu  sein,  da  ihn 
Aus.  unter  den  profess.  Burdig.  nicht  aufführt;  vgl.  Sidon.  epist.  VIII,  11: 
quid  agunt  Nitiobroges  (Hauptstadt  Aginnum),  quid  Vesunnici  tui?  .  .  tu  .  . 
nunc  Drepanium  illis,  modo  istis  restituis  Anthedium  (unten  459,  4).  Pacat.  2, 
1:  cum  ab  ultimo  Galliarum  recessu,  qua  littus  occani  cadentem  excipit 
solem  et  deficientibus  terris  sociale  miscetur  elementum,  ad  contuendum 
te  properassem.  Vgl.  ib.  23,  1.  24,  4  ff.  47,  5.  Auf  ihn  könnte  sich  be- 
ziehen Synunach.  ep.  IX,  72. 

9.  Pacatus  hat  das  Bekenntniss  der  meisten  classisch  Gebildeten  sei- 
ner Zeit,  einen  neutralen  Monotheismus.  Vgl.  4,  2:  supremus  rerum  fabri- 
cator;  21,  1:  numen  stmimum,  im  Unterschiede  von  dem  numen  z.  B.  des 
Kaisers  (21,  2.  vgl.  18,  4),  welcher  der  sichtbare  Gott  ist  (deum  quem  vi- 
demus  4,  5).  Daneben  ist  viel  die  Bede  von  fata  (8,  1.  11,  4.  15,  3)  und 
der  fortuna  (8,  2.  9,  1.  23,  4.  42,  2).  Aus  seiner  Vogelperspective  betrachtet 
er  als  einzige  Schuld  der  durch  Maximus  gemordeten  Priscillianisten  ihre 
nimia  religio  und  diligentius  culta  divinitas  (29,  2).  Des  Theodosius  Leistun- 
gen in  Orthodoxie  und  Heiden  Verfolgung  berührt  er  mit  keiner  Silbe.  Die 
Beispiele  aus  der  röm.  Geschichte  werden  mit  Vorliebe  aus  der  Zeit  der  Be- 
publik genommen  (o.  5.  7.  8.  9.  18. 19. 20.  23.  33.  46),  sowie  aus  der  Mythologie 
(17,  1.  39,  4.  44,  5);  aus  der  Eaiserzeit  nur  11,  6.  12,  1.  Vgl.  418,  13.  421,  6. 

10.  Den  Hauptinhalt  der  Bede  des  Pac.  bildet,  nach  einer  preisenden 
Charakteristik  des  Theodosius  als  Mensch  und  Kaiser,  eine  energische  Schil- 
derung der  Zustände  unter  dem  Usurpator  Maximus  und  des  siegreichen  Feld- 
zuges von  Theod.  gegen  ihn.  Dadurch  ist  die  Bede  eine  wichtige  Geschichts- 
quelle, zumal  da  sie  sich  sichtlich  an  die  Wahrheit  hält  und  die  Ueber- 
treibungen  des  panegyrischen  Zweckes  sich  leicht  abziehen  lassen.  Der 
Verf.  zeigt  sich  wohlbewandert  in  der  Literatur  der  classischen  Zeit  wie 
der  nächsten  Vergangenheit;  auf  Cicero,  Vergil,  Horaz,  Ovid  spielt  er  häufig 
an,   und  unter  seinen  Vorgängern  benfitzt  er  besonders  den  Mamertinus. 


968  ^         Die  Kaiserzeit.  Viei-tes  Jahrhundert  (J.  379  ff.). 

Die  römische  Geschichte  yermittelt  ihm  Yorzugsweisc  Valerius  Maximus 
und  FloruB.  An  Tacitus  erinnert  er  manchmal  durch  Farbengel»ung  und 
sententiöse  Haltung  (z.  B.  38,  1:  spem,  quae  postrema  homines  deserit). 
Obligate  Einführung  der  redenden  Resp.  11,  4  ff.;  Wettstreit  zwischen  Con- 
stantia,  Patientia,  Prudentia,  Fortitudo  und  der  Fortuna  c.  40.  Zahlreiche 
rhetorische  Figuren,  meist  gut  durchgeführt.  Sprache  verhältnissmässig 
einfach,  doch  cadenzenreich  und  in  vielen  poetischen  Wendungen  und  son- 
stigen Eigenthumlichkeiten  an  die  Zeit  erinnernd.  So  parcam  replicare 
(3,  4.  6,  3),  aevi  maturus  (8,  3  vgl.  31,  1),  memoriam  convenire  (18,  2  vgl. 
41,  1),  oblita  fide  (12,  2  vgl.  24,  2),  ire  in  Utteras  (33,  1);  das  kanzleimäs- 
sige  reiro  =  olim  (c.  1.  13.  14.  22.  31),  iugis,  impervius;  Vorliebe  für  den 
Inf.  perf.,  Gerundivum  für  Möglichkeit  (z.  B.  39,  5.  45,  3)  u.  dgl. 

11.  Abdruck  der  Rede  in  den  pancgyrici  veteres,  s.  oben  387,  1—3. 
In  der  Ausgabe  von  Schwarz-Jäger  nr.  XI. 

12.  Als  causidici  werden  bei  Symmach.  cpp.  genannt  Lampadius  (V, 
16),  Epictetus  (V,  41.  IX,  31),  Celsus  (X,  43).  Vgl.  ib.  II,  42.  V,  75.  IX, 
32  (causidicinae  candidati).  Ein  Jurist  Marinianus  ib.  III,  23;  Prosdocius 
VI,  74  vgl.  ib.  V,  74.  Ein  Process  aus  dieser" Zeit  ib.  X,  39.  48.  Auch 
der  durch  Claudianus  bekannte  Minister  des  Arcadius,  Rufinus,  war  ur- 
sprünglich causidicus  (Philostorg.  XI,  3). 

401  420.  Andere  Rhetoren  in  der  Zeit  des  Symmachus  waren 
Palladius,  Syagrius  und  der  durch  Arbogast  auf  den  Kaiserthron 
erhobene  Eugenius.  Als  Schriftsteller  keünen  wir  Messius  Aru- 
sianus  durch  die  dem  Olybrius  und  Probinus  (Coss.  395)  ge- 
widmeten Exempla  elocutionum,  und  auch  des  Chirius  Fortu- 
nati an  us  rhetorisches  Schulbuch  in  katechetischer  Form  ist,  bei 
seiner  Richtung  auf  das  Classische,  keinenfalls  später  zu  setzen. 

1.  Symmach.  Ep.  I,  15  (Ausonio):  Palladii  rhetoris  nostri  declamatio 
.  .  cohiplacita  summatibus  litterarum.  .  .  movit  novns  Athenaei  hospes  la- 
tiare  concilium  divisionis  arte  etc.  ib.  94  (Syagrio):  Palladium  spectatum 
bonis  Omnibus  facundiae  atque  eruditionis.  .  .  mereri  facundiam  PaUadii 
ut  doleamus  quod  urbi  negatus  est,  mereri  amabilitatem  eins  ut  quod  ac- 
citus  est  gaudeamus.  Vgl.  Ap.  Sidon.  ep.  V,  10.  Vielleicht  ist  er  (oder  der 
oben  23,  2  genannte)  der  Pall.  von  welchem  die  schulmännischen  Verse 
über  Orpheus  (im  Versmasse  von  Hör.  0.  I,  14)  herrühren,  abgedruckt  bei 
Wernsdorf,  poetae  lat.  min.  III.  p.  396  f.  vgl.  p.  342 — 346. 

2.  Flavius  Syagrius  Cos.  381,  Afranius  S.  Cos.  382.  Vgl.  Consul  am- 
plissime,  Symmach.  ep.  I,  101  (Syagrio).  ib.  96:  es  linguae  melior.  96: 
de  facundiae  penu.  Ausonius  widmet  Syagrio  seine  Epigramme  (v.  40: 
patronum  nostris  te  paro  carminibus).  Briefe  des  Symm.  an  ihn,  s.  oben 
418,  6.  Derselbe  ist  wohl  der  magister  ofBciorum  J.  379  Syagrius  im  Cod. 
Theod.  VII,  12,  2,  vielleicht  auch  der  praef.  praet.  Syagr.  J.  380—382  im 
Cod.  Theod. 

3.  An   die  Stelle   des   von   ihm   erwürgten  Valentinian  IT  setzte  der 


420  f.    AruBianus.    Fortunatianus.  Ammianus.  969 

Franke  Arbogast  J.  392  Evyiviov  xiva  iiayiargoir  (Philostorg.  X ,  2).  Vgl. 
Sokrat.  h.  e.  V,  25:  ygafi^atixog  zig  ovofJMti  Evy.  Zosim.  IV,  54,  1:  r^v 
tiS  iv  toCg  ßaoileioig  ccvaötQStpofisvog  Evy.  ovofuc,  naiSeia  nQor^tKov  inl 
toaovtov  müTS  xcel  QTjtoqiTtov  inavsXsa^oci  ßiov  xal  ngosötavcci  didaayiatsiov. 
Hist.  misc.  XIII,  11:  grammaticus  quidam  nomine  Eng.,  litteramm  doctor, 
.  .  imp.  Valentiniani  antigraphus  et  propter  eloquentiam  a  multiB  honora- 
tu8.    J.  394  von  Theodosius  besiegt  und  getodtet. 

4.  Im  apographum  Gudii  Ueberschrift:  Arusiani  Messi  y.  c,  or., 
comitis  primi  ordinis  Excmpla  elocutionum  ex  Vergilio,  Sallustio,  Terentio, 
Cicerone.  Im  Berliner  cod.  Santen.  saec.  IX:  Incipit  messi  oratoris  de  elo- 
cutionibus.  Olybrio  et  probino  messius.  Dazu  stimmt  dass  p.  217.  244  L. 
Symmachus  genannt  wird.  Es  ist  eine  alphabetisch  angelegte  Sammlung 
von  Substantiven,  Adjectiven,  Präpositionen  und  bes.  Zeitwörtern  welche 
eine  verschiedene  Gonstruction  zulassen,  mit  je  einer  Belegstelle  für  jede 
Construction  aus  einem  oder  mehreren  -der  vier  Schriftsteller.  Daher  Gas- 
siod.  de  inst.  div.  15:  regulas  elocutionum  latinarum,  i.  e.  quadrigam  Mcssii. 
Wohl  für  den  Gebrauch  der  Rhetorschule.  Abgedruckt  in  Mai's  Ausg.  des 
Fronto  und  bei  Lindemann,  corp.  gramm.  I.  p.  209—266  vgl.  p.  201—207. 
Suringar,  hist.  er.  scholl,  latt.  II.  p.  202—206.  Osann,  Beiträge  II.  S.  349—351. 
M.  de  Am.  van  der  Iloeven,  Spec.  litt.  .  .  cum  appcndice  de  Ar.  M.  ex.  cl., 
Amsterdam  1845.     Gräfenhan,  Gesch.  d.  class.  Philol.  IV.  S.  194—196. 

5.  C.  Chirii  Fortunatiani  ai-tis  rhetoricae  libri  III  in  C.  Ilalms  rhe- 
tores  latini  minores  p.  79  — 134.  Die  katechetische  Form  ist  mit  wenig 
Geschick  durchgeführt.  So  lautet  die  letzte  Frage:  Quae  hcc^oXov  in  actione 
observanda  sunt?  Antwort:  ne  pronuntiatio  artem  reddere  videatur  etc. 
Hauptquelle  ist  Quintilian ;  die  Beispiele  meist  aus  Cicero.  C.Halm,  Sitzungs- 
her.  der  münchner  Ak.  II  (1862).  S.  13  ff. 

421.  Eifer  für  die  alte  Geschichte  bethütigte  die  dem402 
Symmachus  eng  befreundete  und  verschwägerte  Familie  der 
Nicomachi  Flaviani,  der  eine  indem  er  selber  Annales  und  andere 
Schriften  verfasste,  der  andere  indem  er  dem  Texte  des  Livius 
Sorgfalt  zuwandte.  Wir  besitzen  aus  dieser  Zeit  und  dem  Kreise 
des  Polytheismus  das  Werk  des  Ammianus  Marcellinus  (um 
J.  330 — 400)  aus  Antiochia,  welcher  nach  einer  langen  verdienst- 
vollen kriegerischen  Laufbahn  ums  J.  390  zu  Rom  eine  Fort- 
setzung des  Tacitus  in  31  Büchern  verfasste.  Dieselbe  enthielt 
die  Jahre  96 — 378,  von  Nerva  bis  zum  Tode  des  Valens;  doch 
sind  die  dreizehn  ersten  Bücher,  worin  die  Geschichte  cursorisch 
bis  zum  J.  353  fortgeführt  war,  untergegangen.  Das  Erhaltene 
ist  besonders  werthvoU  als  Geschichte  der  eigenen  Zeit  des 
Verfassers,  der  den  Ereignissen  vielfach  nahe  stand  und  die 
Wahrheit  zu  sagen  aufrichtig  bemüht  ist.  Ammianus  ist  eine 
soldatische  Natur,   von  verständigem  Urteil,   ehrlich   und  derb. 


970  Die  Kaiserzeit.   Vierteff  Jahrhundert  (J.  379  ff.)* 

abergläubisch  und  tolerant^  gern  prunkend  mit  seiner  Gelehrsam- 
keit, auf  dem  Gebiete  der  Federführung  aber  gar  nicht  zu  Hause. 
Seine  Sprache  ist  fast  nicht  zu  verstehen,  unleidlich  geziert  und 
überladen,  eine  Quäl  seiner  Leser.  Seinem  Werke  angehängt 
wird  meist  der  Anonymus  Valesii,  Excerpte  von  geschichtlichem 
Werthe  über  die  Zeit  Constantins  und  Theoderichs. 

1.  Orelli  IIBS:  Virio  Nicomacho  Flaviano  t.  c,  quaest.,  praei, 
pontif.  maiori,  consulari  Siciliae,  vicario  Africae  (J.  377),  quaestori  intra 
palatium  (»  aulae  divi  Theodosi,  um  381  f.),  praef.  praet.  (Italiae,  Illyr.  et 
Africae)  iterom  (J.  382  und  um  391  f.)»  coe.  ord.  (J.  394),  historico  diser- 
tisfiimo,  Q.  Fab.  Memmius  Symmachas  y.  c.  prosocero  optimo.  Der  Sohn 
des  Redners  Sjmmachus  hatte  die  Enkelin  des  Nicom.  I  und  der  Sohn  des 
Nie.  die  Tochter  des  Symmachus  geheiratet;  .s.  oben  418,  2.  Nachdem 
Nicom.  I  wegen  seines  Uebergangs  zu  Engenius  (s.  420,  3)  von  TheodoBius 
entsetzt  worden  war  wurde  J.  431  er  (nach  seinem  Tode)  und  sein  Sohn 
(A.  2)  rehabilitiert;  s.  Orelli-Henzen  5593,  wo  der  betreffende  Erlass  von 
Theodosius  II  und  Placidus  ValentinianuB  mitgetheilt  ist.  Anch  vgl.  das 
christliche  Gedicht  des  cod.  Paris.  8084  (unten  430,  14)  v.  25  ff.  mit  Momm- 
sen,  Hermes  lY.  p.  359 — 363.  Den  Flayianus  senior  sie  in  monumenta  yii- 
tntnm  suamm  titnlosque  revocamus  ut  qtddquid  in  istnm  caeca  insimula- 
tione  commissum  est  procul  ab  eins  principis  (Theodosius  I)  voto  fnisae 
iudicetis  coius  in  eum  effusa  benivolentia  et  usque  ad  annalium,  qnos  cod- 
secrari  sibi  a  quaestore  et  praefecto  suo  (eben  Nicom.  I)  voluit,  (praedi- 
cationem?)  provecta  excitavit  livorem  inproborum  (Henzen  1.  !.)•  Macrob.  1, 5, 
13:  Flavianum,  qui  quantum  sit  mirando  viro  Venusto  patre  praestantior  non 
minns  omatu  momm  gpravitateque  vitae  quam  copia  profnndae  eruditionis 
(z.  B.  im  Auguralwesen,  Macrob.  I,  24,  17.  Sozom.  YII,  22.  Nikephor.  XII, 
32)  adseruit.  Er  ist  bei  Macrob.  einer  der  Wortführer.  Philosophische 
Bildung;  s.  Symmach.  ep.  II,  61:  de  hoc  vestra  existimatio  sit,  qui  talium 
rerum  profitemini  notionem.  Vgl.  Macrob.  I,  6,  4:  Flavianus  et  Eustathius 
(unten  422,  6),  par  insigne  amicitiae.  Möglich  daher  dass  die  von  Johan- 
nes Saresber.  (polier.  II,  26.  YIII,  11  f.)  benützte  Schrift  eines  Flayianna 
De  vestigiis  philosophorum  von  ihm  herrührt.  Vgl.  Beifferscheid,  Bhein. 
Mus.  XVI.  S.  23  —  25.  Apoll.  Sidon.  epp.  VIII,  3:  Apollonü  pythagorici 
vitam  non  ut  Nicomachus  senior  e  Philostrati,  sed  ut  Tascius  Victorianns 
e  Nicomachi  schedio  excripsit,  .  .  misi. 

2.  Dessen  Sohn,  Nicomachus  Flavianus  II.  Orelli-Henzen  559S:  N. 
Fl.  cons.  Cainp.,  procons.  Asiae  (J.  383),  praef.  urbi  saepins  (z.  B.  J.  399  f., 
402),  nunc  (J.  431)  praef.  praet  Italiae,  Illyrici  et  Africae.  Liban.  or.  XXYII. 
Cod.  Theod.  (Hänel,  Ck)rp.  leg.  p.  111).  Subscription  der  ersten  Dekade  des 
Livius  (oben  251,  10):  Nicomachus  Flavianus  v.  c.  III  praefect.  urbis  (noch 
nicht  praef.  praet.,  also  vor  J.  431  geschrieben)  emendavi  apud  Hennam. 
Sein  Schwiegervater  Symmachus  besass  ein  Exemplar  des  Livius;  s.  ep- 
IX,  13:  munuB  totius  Liviani  operis,  quod  spopondi,  etiam  nunc  diligentia 
emendationis  moratur.  Dass  die  Nicomachi  in  Sicilien  Güter  hatten  s.  ib. 
II,  30.  VI,  57.  66. 


421.    Nicomachus.    Ammianus  Marcellinus.  971 

3.  Orelli-Henzen  5593:  Apprus  Nicomachus  Dexter,  v.  c,  ex  praef. 
nrb.  (zwischen  427  und  431),  avo  optimo  (dem  Nie.  I)  statuendam  curavi 
(J.  431).  Dieser  Nie.  III  war  wohl  der  Sohn  eines  jüngeren  Bruders  von 
Nie.  II  und  einer  Tochter  des  Appius  Claudius  Tarronius  Dexter  (Grutcr 
p.  34,  1).  Subscription  des  Livius  (A.  2):  Nicomachus  Dexter  y.  c.  emen- 
davi  ad  exemplum  parentis  mei  (vgl.  oben  45,  9)  Clementiani. 

4.  üeber  die  drei  Nicomachi  s.  G.  B.  de  Rossi,  Annali  deir  inst.  arch. 
XXI  (S.  N.  VI.  1849)  p.  285—356,  und  B.  Borghesi  ib.  p.  357—363. 

5.  Ammianus  Marcellinus  stammt  aus  guter  Familie,  s.  Amm.  XIX, 
8,  6.  Früh  ins  römische  Heer  eingetreten  stand  er  J.  353  im  Gefolge  des 
mag.  eq.  Ursicinus  im  Oriente^  begleitete  denselben  nach  Italien  und  Gal- 
lien, focht  unter  (Kaiser)  Julian  gegen  die  Alemannen  und  nahm  an  dessen 
persischem  Feldzuge  Theil.  J.  371  lebte  er  in  Antiochia  (XXIX,  1,  24), 
später  in  Rom.  Auch  in  Aegypten  war  er  gewesen;  s.  XYII,  4,  6.  XXII, 
5,  1.  Schlusswort  (XXXI,  16,  9):  haec  ut  miles  et  Graecus  a  principatu 
Caesaris  Nervae  exorsus  adusque  Yalentis  interitum  pro  virinm  explicavi 
mensura,  opus  veritatem  professum  numquam  (ut  arbitror)  sciens  silentio 
ausus  corrumpere  vel  mendacio.  scribant  reliqua  potiores,  aetate  doctri- 
nisque  florentes.  Liban.  ep.  983:  iv  iniSei^eüi  rarg  fihv  yiyovagj  tatg  9h 
ierj,  TTJg  cvyy gatprjg  slg  nolXa  tstfirjiLivrig.  .  .  d%ova>  8h  xriv  *Pmfiriv  avxrflf 
üt6(pavovv  üoi  tov  novov.  .  .  Torvrl  8h  ov  tov  avyyQaq>ia  xoefiei  pMVOv 
dXXa  xal  Tjfiag  (die  Antiochener)  iv  iaziv  6  avyy^afpBvg,  ib.  235:  og  vno 
fi^ff  xov  fS%riyMxog  elg  ^axqaxuotag^  vno  8h  xmv  i^yatv  slg  tptXoooipovg  iy- 
yiyQunxai,  .  .  6  %ctXog  Ufifuavog, 

6.  Ammianus  ist  entschiedener  Polytheist,  aber  in  der  synkretistischen 
und  abgeblassten  Weise  der  Gebildeten  seiner  Zeit  (vgl.  419,  9).  An  der 
Spitze  steht  ihm  äin  numen  caeleste,  divinum,  superum,  aetemum  von  sehr 
unbestimmten  Umrissen,  und  in  der  Hauptsache  lenkt  Alles  fortuna  oder 
fatum  (XXUI,  5,  5:  nuUa  vis'humana  vel  virtus  meruisse  um  quam  potuit 
ut  quod  praescripsit  fatalis  ordo  non  fiat).  Etwas  mehr  Persönlichkeit 
haben  die  Untergötter.  Vgl.  XVI,  5,  5:  Mercurio  supplicabat,  quem  mundi 
velociorem  sensum  esse,  motum  mentium  suscitantem,  theologicae  prodidere 
doctrinae.  XIV,  11,  25:  haec  .  .  aliquoties  operatur  Adrastia,  quam  voca- 
bulo  duplici  etiam  Nemesin  adpellamus.  .  .  quam  theologi  veteres  fingentes 
lustitiae  filiam  ex  abdita  quadam  aetemitate  tradunt  omnia  despectare 
terrena.  (26.)  haec  ut  regina  causarum  et  arbitra  rerum  ac  disceptatrix 
urnam  sortium  temperat  etc.  (27.)  eademque  necessitatis  insolubili  retina- 
culo  mortalitatis  vinciens  fastus  tumentes  incassum  .  .  opprimit  etc.  XXII, 
3,  12:  hnmanorum  spectatrix  Adrastia.  XXI,  1,  8:  vaticina  verba,  quibus 
numen  praeesse  dicitur  Themidis.  XVII,  7,  12:  Neptunum^  humentis  sub- 
stantiae  potestatem,  Ennosigaeon  et  Sisichthona  poetae  veteres  et  theologi 
nuncupaverunt.  An  portenta,  prodigia,  omina  (XXV,  10,  1.  11.  XXI,  16,  21), 
wie  an  auspicia  und  auguria  hat  er  Glauben.  Aber  er  ist  auch  gegen  das 
Christenthum  gerecht  (XXI,  16,  18:  christianam  religionem  absolutam  et 
simplicem  anili  superstitione  confundens),  und  tadelt  es  selbst  an  dem  von 
ihm  verehrten  Julian  als  inclemens  quod  docere  vetuit  magistros  rhetoricos 
et  grammaticos  christianos  ni  transissent  ad  numinum  cultum  (XXV,  4,  20). 


I 

-t 


972  Die  Kaiserzeit.   Viertes  Jahrhundert  (J.  379  ff.). 

Gern  blickt  er  in  die  alte  Zeit  zurück  und  verwendet  sie  zur  Kritik  der 
Gegenwart,  z.  B.  XXV,  9,  9  ff .  10,  13.  Ganz  besonders  bezeichnend  ist 
seine  Schilderung  der  Beredtsamkeit  und  Rechtspflege  in  seiner  Zeit  (um 
370)  XXX,  4. 

7.  Abfassung  des  Werks  vor  der  Zerstörung  des  Serapeums  (XXII,  16, 
12)  Juli  391  und  nach  der  Präfectur  des  Aur.  Victor  (XXI,  10,  6)  J.  389, 
s.  Cart  p.  46  ff.  Titel  im  Vat.  1873:  rerum  gestarum  libri.  Wölfflin  ver- 
mutet als  ursprünglichen  A  prineipatu  divi  (oder  Caesaris)  Nervae  (vgl. 
XXXI,  16,  9)  oder  eine  Combination  davon  mit  dem  des  Vat.  B.  1 — 13 
war  vielleicht  schon  in'Priscian's  Zeit  verloren  (Gardthausen  bei  Fleckeisen 
103,  S.  846,  A.  12). 

8.  Ammian.  XV,  1,1:  utcumquo  potuimus  veritatcm  scrutari  ea  quae 
videre  licuit  per  aetatem  vel  perplexe  interrogando  versatos  in  medio  scire 
narravimus  ordine  casuum  exposito  diversorum.  XVIII,  6,  23:  cum  nos 
cauti,  vel,  ut  verius  dixerim,  timidi  nihil  exaggeremus,  praeter  ea  quae 
fidei  testimonia  neque  dubia  neque  incerta  monstrarunt.  XXVI,  1,  1:  di- 
ctis  impensiore  cura  rerum  ordinibus  adusque  memoriae  conflnia  proiüoris 
con venerat  iam  referre  a  notioribus  pedcm,  ut  et  pcricula  dcclinentur  ve- 
ritati  saepe  contigua  et  examinatores  contexendi  operis  deinde  non  perfe- 
ramus  intempestivos ,  welche  alle  Kleinigkeiten  erwähnt  wissen  wollen, 
praeceptis  historiae  dissonantia,  discurrere  per  negotiorum  celsitudines 
adsuetae,  non  humilium  minutias  indagare  cansarum.  Indessen  inscitia 
volgari  contempta  ad  residua  narranda  pergamus  (ib.  2).  Die  Anlage  des 
Werkes  ist,  wie  bei  Tacitus,  in  der  Hauptsache  annalistisch.  Uebermässig 
häufig  werden  gprosse  Excurse,  bes.  geographischen  Inhalts,  eingefügt  (vgl.  V. 
Gardthausen  p.  1  f.),  die  zum  Theil  aus  eigener  Anschauung  geschöpft  sind 
(z.  B.  XXII,  16,  12),  überwiegend  aber  aus  Büchern,  namentlich  der  choro- 
graphia  pliniana  (Mommsen  Solin.  p.  XXIV — XXVIII)  und  einer  Epitome 
des  Ptolemäus.  Dabei  vergisst  Amm.  manchmal  (wie  XXIII,  6,  6)  den  Un- 
terschied zwischen  der  Zeit  seiner  Quellen  und  seiner  eigenen  zu  berück- 
sichtigen. Auch  sonstige  chronologische  Verstösse  kommen  vor.  Reden  sind 
gleichfalls  nicht  selten  cingcflochten.  Im  Berichte  über  Julian  stimmen  A. 
und  Zosimus  vielfach  wörtlich  überein;  s.  H.  Sudhaus,  de  ratione  quae 
intercedat  inter  Zosimi  et  Amm.  de  hello  a  lul.  imp.  cum  Persis  gesto 
relationes,  Bonn  1870. 

m 

9.  Salmasius  praef.  de  hellenist.  p.  39  über  Amm.:  quis  phrases  um- 
quam  usurpavit  duriores,  inconcinniores,  rusticiores?  prorsus  loquitur  ut 
homo  graecus  et  militaris,  qui  voces  tantum  latinas  tenet,  quomodo  collo- 
candae  sint  nescit.  Die  Wortstellung  des  Amm.  ist  g^z  unberechenbar. 
Dazu  der  pathetische  Stelzengang,  die  Ueberladung  mit  bildlichen  und 
poetischen  Wendungen,  die  unnatürlichen  Gonstructionen.  Diese  Darstellung 
ist  das  Ergebniss  verschiedener  Umstände,  hauptsächlich  der  Unselbständig- 
keit des  Ausländers  und  Soldaten  gegenüber  den  heterogenen  Bestand- 
theilcn  seiner  Bildung  und  Leetüre,  Dichtern  und  Prosaikern,  Sallust 
(Gardthausen  p.  7.  36),  Tacitus  (E.  Wölfflin,  Philologus  XXIX.  S.  658—560) 
und  Gellius,  sowie  der  Entartung  des  Zeitgeschmackes. 

10.  Handschriften  gibt  es  ungefähr  20;   die  bedeutendsten  sind  die 


421.    Ammianus.  973 

Fuldaer  (saec.  IX— X),  welche  vor  dem  J.  1417  durch  Foggio  (A.  Mai,  spi- 
cileg.  rom.  X.  p.  311)  nach  Italien  kam  und  jetzt  Vatic.  1873  ist  (V.  Gardt- 
hausen  im  Hermes  VI.  S.  243  —  247.  A.  Eiessling  S.  481),  sowie  die  jetzt 
verlorene  Hersfelder,  die  wir  nur  noch  durch  S.  Gelenius  (A.  11)  kennen; 
M.  Haupt  im  Berliner  Ind.  lect.  Sommer  1868.  4.  Mommsen  im  Hermes  VI. 
S.  231  ff.  Von  der  geringem  (unvollständigen)  Clasae  ist  der  beste  Ver- 
treter der  Petrinus  (im  Archiv  der  Peterskirche)  vom  J.  1342.  Die  fran- 
zösischen Ammianhdss.  sind  alle  Abschriften  des  Fuldensis.  Die  älteste  und 
beste  von  diesem  in  Italien  gemachte  Copie  ist  die  der  Magliabecchiana 
aus  dem  Nachlass  des  Niccolo  Niccoli.  Vgl.  V.  Gardthausen  in  Fleckeisens 
Jahrbb.  103,  S.  829—854. 

11.  Ausgaben.  B.  14 — 26  gedruckt  zuerst  Bom.  1474  (durch  A.  Sabinus) 
nach  einer  Abschrift  der  Fuldaer  Hds.,  verbessert  Bologna  1517  (durch  P. 
Castellus).  Nachdruck  davon  (durch  D.  Erasmus)  Basil.  1518  (Corpus  bist, 
rom.).  Neue  Auflage  hiervon,  aber  unter  (ungleicher)  Benützung  des  Hers- 
feldensiß  (bes.  für  B.  27  —  30)  durch  S.  Gelenius,  Basil.  1533  (Juli).  Vgl. 
Hermes  VI.  S.  235—242.  V.  Rose,  Anecd.  H.  S.  163  f.  Gleichzeitig  ed. 
Accursius  (Augsburg  Mai  1533)  nach  einer  noch  in  Deutschland  gemachten 
Abschrift  des  Fuldensis.  Cum  notis  intcgris  Frid.  Lindenbrogii  (Hamburg 
1609.  4.),  Henr.  et  Hadr.  Valesiorum  (Paris.  1636.  4.  1681.)  et  lac.  Gronovii 
(Lugd.  Bat.  1693.  fol.  et  4.),  quibus  Thom.  Beinesii  quasdam  et  suas  adiecit 
Jo.  Aug.  Wagner.  Ed.  absolvit  C.  G.  A.  Erfurdt,  Lips.  1808.  3  Voll.  Rec.  Fr. 
Eyssenhardt,  Berl.  1871.  Vgl.  A.  Eiessling  in  Fleckeisens  Jahrbb.  103,  S. 
481—504.  V.  Gardthausen,  Götti.  Gel.  Anz.  1871,  S.  1302—1310.  Mommsen  im 
Hermes  VI.  S.  231—242.   Edidit  V.  Gardthausen,  Lips.  (Bibl.  Teubner.)  1872. 

üebersetzt  von  L.Tross  u.  C.  Bfichele,  Stuttg.  (Metzler)  1827  ff.  8  Bdchn. 

12.  Cl.  Chifflet,  de  A.  M.  vita  et  libris,  Lovan.  1627  und  in  den  Ausgg. 
C.  G.  Heyne,  censura  ingenii  et  historiarum  Am.  Marc,  Opusc.  VI.  p.  35 
— 51.  De  Ammiano  Marc.  Abhandlungen  von  A.  A.  Ditki  (Rössel  1841.  4.), 
C.  A.  Müller  (Posen  1852.  4.),  E.  A.  W.  Möller  (Königsberg  1863).  Quae- 
stiones  Ammianeae  von  Reuscher  (I:  A.  vita,  Frankf.  a.  0.  1859.  4.),  E.  E. 
Hudemann  (Landsberg  a.  W.  1864.  4.),  W.  A.  Cart  (Berlin  1868),  P.  Langen 
(Düren  1868.  4.  und  Philologus  XXIX.  S.  469—487),  H.  Kallenberg  (gram- 
maticae,  Halle  1868).  J.  Horkel  in  seineu  Reden  u.  Abhandl.  (Berl.  1862) 
S.  229 — 256.  J.  Hermann,  observationes  critt.  Amm.,  Bonn  1855.  R.  Unger, 
de  A.  M.  locis  controversis ,  Neustrelitz  1868.  M.  Haupt,  Berlin  1868.  4. 
V.  Gardthausen,  coniectanea  Amm.  codice  adhibito  Vat.,  Kiel  1869.  46  pp. 
A.  Kellerbauer  in  d.  Blattern  f.  bair.  Gymn.  VH.  S.  11—24. 

13.  Die  zuerst  von  H.  Valesius  (Valois)  an  seiner  Ammianausg.  (Paris 
1636)  und  seitdem  in  den  meisten  Ausgaben  des  A.  (z.  B.  Wagner -Erfurdt 
I.  p.  609  —  628)  veröffentlichten  Excerpta  de  Constantino  Chloro,  Constan- 
tino  M.  et  aliis  imperatoribus  (bes.  de  Odoacrc,  Theoderico)  stehen  auch 
in  Muratori  Script,  rer.  ital.  XXIV.  p.  635  ff.  Die  erste  Hälfte  ist  eine 
beachtenswerthe  Quelle  für  die  Geschichte  Constantins.  J.  Burckhardt, 
Constantin  S.  367,  A.  3.  S.  372.  374.  Von  verschiedenem  Charakter  ist  die 
mit  Zenon  beginnende  zweite  Hälfte,  zwar  stofflich  gleichfalls  werthvoll, 
aber  in  einer  barbarischen  Sprache  gehalten.    I^cide  Hälften  haben    zum 


974  Die  Kaiserzeit.   Viertes  Jahrhundert  (J.  379  ff.). 

Verfasser  einen  Christen.    G.  Waitz,  Götti.  Gel  Anz.  1865,  S.  81  ff.    Wai- 
tenbach,  Dentschl.  Geschichtsquellen  S.  44. 

14.  Aus  der  Zeit  des  Ammianus  ist  wohl  der  Snipicius  Alexander  aas 
dessen  Historia  (Buch  III  u.  IV)  Gregor  von  Tours  (hist.  Franc.  II,  9)  einige 
Stellen  anführt 

403  422.  Die  Philosophie  wurde  in  dieser  Zeit .  hauptsächlich 
Ton  solchen  Kreisen  betrieben  welche  in  ihr  eine  Stütze  und 
WaSe  gegen  das  übermächtige  Christenthum  suchten,  wie  von 
dem  hochgestellten  und  edlen  Vettius  Praetextatus.  Selbständige 
Bedeutung  hat  aber  keiner  der  Männer  die  besonders  Ton  Sym- 
machus  als  Philosophen  bezeichnet  werden. 

1.  Vettius  Agorius  Praetextatus,  augur,  pontifex  Vestae,  pontif. 
Solis,  XVvir,  curialis  Herculis,  sacratus  Libero  et  Eleaainüs,  hierophanta, 
neocorus,  taurobolatus,  pater  patrum,  in  rep.  'vero  quaestor  candidatas, 
praetor  urb.,  corrector  Tusciae  et  Umbriae,  consularis  Lusitaniae,  procons. 
Achaiae  (Zosim.  IV,  3),  praef.  urbi  (J.  367  —  370,  s.  Cod.  Theod.),  legatns 
a  senatu  missus  V,  praef.  praet.  II  Italiae  et  Illjrici  (das  zweite  Mal  J. 

384,  8.  Cod.  Theod.  VI,  5,  2.    Cod.  lust.  I,  64,  5),  cons.  ord.  designatius  (J. 

385,  wo  er  starb),  nach  seiner  Grabschrift  im  Capitol  (Donati  72,  2.  vgl 
Orelli  2354),  welche  zeigt  dass  noch  immer,  wie  schon  in  der  Zeit  des 
Apulejus,  die  tüchtigsten  Anhänger  der  alten  Religion  bestrebt  waren 
durch  Vielheit  der  Culte  zu  ersetzen  was  ihnen  an  innerer  Befriedigung 
und  Sicherheit  abgieng.  Dazu  sollte  ihm  auch  die  Philosophie  (Macrob. 
Sat.  I,  24,  21)  behülflich  sein.  Boeth.  de  interpret  ed.  sec.  I.  p.  289:  Vei^ 
tius  Praetextatns  priores  postremosque  Analyticos  non  vertendo  Arifetotelem 
latino  senÄoni  tradidit,  sed  transferendo  Themistium.  Vielleicht  ist  von 
ihm  auch  die  unter  Augustins  Namen  erhaltene  Schrift  De  X  categoriia. 
In  dem  Gedicht  auf  ihn  das  seine  Gattin  Aconia  Fabia  Paulina  auf  sein 
Grab  schreiben  Hess  (zuletzt  bei  Bücheier,  Greifswalder  Sommerkat.  1870, 
p.  13 — 15)  rühmt  v.  8  ff.  von  ihm:  tu  quidquid  lingua  utraquest  proditum 
cura  sophorum  porta  quis  caeli  patet,  vel  quae  periti  condidere  carmina, 
vel  quae  solutis  vocibus  sunt  edita,  meliora  reddis  quam  legende  sumpseras 
(theils  durch  Uebersetzen  theils  durch  Emendieren,  vgl.  oben  421,  2  f.). 
A.  Haakh  in  Pauly's  Beal-Enc.  VI,  2.  S.  2535,  Nr.  42.  0.  Jahn,  Berichte 
d.  Sachs.  G.  d.  W.  1851,  S.  338  —  342.  H.  Bichter,  das  weström.  Reich 
(1865)  S.  339  f.    Vgl.  oben  418,  6. 

2.  Symmach.  epist.  I,  29:  nihil  moror  ceteros  .  .  qui  philosophiam 
fastu  et  habitu  mentiuntur.  paucos,  et  in  his  praecipue  familiärem  meum 
Batrachum,  nostra  aetas  tulit  quorum  germana'  sapientia  ad  vetustatem 
vergeret.  Augustin.  )epist.  I,  1:  hoc  saeculo  cum  iam  nullos  videamus  phi- 
losophos  nisi  forte  amiculo  corporis,  quos  quidem  haud  censuerim  dignoe 
tam  venerabili  nomine. 

3.  Fürsprache  für  das  salarium  des  professor  philosophiae  PriBoianns 
bei  Symmach.  ep.  I,  79.    Ein  philosophiae  candidatus  ib.  I,  41. 


422  f.  Praetextatus.    Servins.  975 

4.  Als  Philosophen  werden  in  den  Briefen  des  Symmachus  genannt 
MaximuB  (II,  29),  Asclepiades  (Y,  31),  lamblichus  (IX,  2),  Kicias  (IX,  39), 
Celsns  (X,  25). 

5.  Macrob.  I,  7,  3:  Horus  (vgl.  Symm.  Ep.  II,  39),  vir  corpore  atque    . 
animo  ioxta  validus,  qui  post  innnmeras  inter  pugiles  palmas  ad  philoso- 
phiae  stadia  migravit  sectamque  Antisthenis  et  Cratetis  atqne  ipsius  Dio- 
genis  secntas  inter  Gynicos  non  incelebris  habebatnr. 

6.  Macrob.  I,  5,  13:  Eustathium,  qui  tantus  in  omni  genere  philo- 
sophiae  est  ut  etc.  YII,  1,  8:  quia  te  unicmu,  Eustathi,  sectatorem  philo - 
sophiae  nostra  aetas  tulii    Vgl.  oben  421,  1. 

7.  lieber  Nicomachus  Flavianus  I  s.  oben  421,  1. 

8.  Ueber  Augustinus  philosophische  Schriften  s.  unten  434,  6. 

423.  Ein  jüngerer  Zeitgenosse  des  Symmachus  war  der404 
Grammatiker  Servius  Honoratus,  welcher  zu  Rom  lehrte  und 
schrieb^  hauptsächlich  bekannt  als  Verfasser  des  reichhaltigen 
Commentars  zu  den  vergilischen  Gedichten  welcher,  obwohl 
durch  Verkürzungen  und  Interpolationen  entstellt,  auf  uns  ge- 
kommen ist.  Das  Verdienst  desselben  besteht  vornehmlich  in 
der  Belesenheit  womit  Servius  eine  Fülle  von  Stoflf  aus  der  My- 
thologie, Geschichte,  Geographie,  und  besonders  den  religiöse^ 
Alterthümem  zusammengebracht  hat;  Urteil  und  Geschmack 
zeigt  Servius  zwar  wenig,  aber  doch  viel  mehr  als  sein  Fach- 
genosse, Ti.  Claudius  Donatus,  von  welchem  gleichfalls  ein  an 
seinen  Sohn  Donatianus  gerichteter  Vergilcommentar  erhalten  ist. 
Auf  das  Sachliche  erstreckt  sich  dieser  sehr  wenig;  wohl  aber 
ist  eine  vita  Vergüii  vorausgeschickt,  welche  so  weit  als  sie  aus 
Suetonius  stammt  von  Wichtigkeit  ist.  Ausser  jenem  Gommentar 
zu  den  vergilischen  Gedichten  besitzen  wir  von  Servius  einen 
Commentar  zur  Ars  des  Aelius  Donatus  und  eine  Uebersicht  der 
verschiedenen  Metra  (Centimeter).  Auch  tragen  seinen  Namen 
Abhandlungen  de  accentibus,  de  ultimarum  syllabarum  natura 
(de  finalibus)  und  de  metris  Horatii. 

1.  Bei  Macrobius  erscheint  als  Interlocntor,  neben  Yettius  Praetex- 
tatus  (t  J.  385,  6.  oben  422,  1),  Symmachus  u.  A.,  Servius  inter  gramma- 
ticos  doctorem  recens  professus,  iuxta  doctrina  mirabilis  et  amabilis  vere- 
cundia,  Macrob.  I,  2,  15  vgl.  24,  8.  20.  YII,  11,  2:  et  Disarius,  age,  Servi, 
non  solum  adulescentium  qui  tibi  aequaevi  sunt  sed  senum  quoque  om- 
nium  doctissime,  etc.  Ist  die  fingierte  Gespr&chsKeit  etwa  J.  380,  so  war 
demnach  Servius  etwa  J.  355  geboren.  Wie  die  Gesellschaft  in  der  er  bei 
Macr.  auftritt  so  macht  sein  gelehrtes  Interesse  fdr  die  alte  Beligion  (Pon- 
tifical-  und.  Auguralwesen)  höchst  wahrscheinlich  dass  er  sich  zur  letzteren 


976  Die  Eaiserzeit  Viertes  Jahrhundert  (J.  379  ff.). 

auch  bekannte.  Von  Christlichem  wenigstens  ist  in  seinem  Commentar 
^eine  Spur.  Servius  magister  urbis,  Acro  zu  Hör.  S.  I,  9,  76.  Vgl.  Macrob. 
VI,  6,  1 :  Servius  .  .  cotidie  romanae  indoli  enarrando  eundem  vatem  (Vergil) 
necesse  est  habeat  huius  .  .  scientiam  promptiorem.  Name:  Marina  (oder 
Maurus)  Servius  Honoratus;  oft  mit  Sergius  verwechselt. 

2.  Dass  der  Vergücommentar  des  Servius  nich4,^n  seiner  ursprünglichen 
Gestalt  überliefert  ist  zeigen  handgreiflich  die  Stellen  wo  in  demselben 
Servius  selbst  citiert  wird  (ad  Ecl.  I,  12.  IX,  1:  ut  Servius  dicit),  sowie 
der  verschiedene  Umfang  des  Commentars  in  den  einzelnen  Handschriffcen ; 
s.  G.  Thilo,  Rhein,  Mus.  XIV.  S.  535  —  550.  XV.  S.  119  ff.  Mommsen  ebd. 
XVI.  S.  442  ff.  Hauptansgabe  von  P.  Daniel,  Paris  1600  fol.  (Genf  1636). 
Ausserdem  Ausgaben  von  P.  Burmann  (an  seinem  Vergil,  Amsterd.  1746.  4.} 
und  von  H.  A.  Lion  (Gotting.  1826,  2  VolL).  Eine  kritische,  die  ver- 
schiedenen Bestandtheile  sondernde  ist  in  Aussicht  gestellt  von  G.  Thilo. 
Proben:  Servil  comm.  Aen.  I,  129 — 300  (Naumburg  1856.  4.);  G^org.  1, 
1—100  (Halle  1866.  4.),  sowie  Quaestiones  Servianae,  Halle  1867.  53  pp.  4 
Th.  Bergk,  Servii  Casselani  Part.  I— V,  Marburg  1843  —  1846.  4.  Böhmer, 
lectionum  Serv.  fasc,  Gels  1858.  4. 

3.  Ueber  Servius  und  seinen  Vergücommentar  vgl.  Lion  p.  V — VIII. 
Suringar,  bist.  crit.  scholl,  latt.  IL  p.  59 — 92.  £.  Teuber,  de  Mauri  Servii 
gramm.  vita  (p.  1 — 17)  et  commentarüs  part.  I,  Breslau  (1843)  Diss.  (p.  17 
— 8i' de  codicibus  Servii;  p.  28 — 36  de  editionibus;  p.  38 — 59  über  Werth 
und  Quellen  des  Commentars).  Grafenhan,  Gesch.  d.  class.  Philol.  IV.  S. 
93  f.  325—327.    Ribbeck,  prolegomena  Verg.  p.  189—192. 

4.  Commentar  zur  Ars  des  Donatus  s.  oben  404,  2.  Die  Explanationes 
in  Donatnm  (ebd:)  sind  wohl  nur  mit  Benützung  der  Gelehrsamkeit  des 
Servius  gearbeitet  und  ihm  selbst  so  wenig  ähnlich  dass  man  seinen  Namen 
durch  Sergius  (vgl.  Anm.  10)  ersetzte.  De  accentibus  bei  Endlicher  und 
Eichenfeld,  Analecta  gpranun.  p.  525  ff.  Dass  der  Inhalt  aus  Varro  entlehnt 
sei  ist  unerweislich.  De  ratione  ultimarum  syllabarum,  ad  Aquilinum,  in 
Putsche's  gramm.  p.  1799—1810  und  bei  Endlicher  1.  l.  p.  491  ff.  (manche 
mal  dem  Donat  zugeschrieben,  H.  Hagen,  Anecd.  Helv.  p.  CL).  Damit 
sachlich  identisch  ist  das  Schriftchen  de  finalibus,  ad  Aquilinum,  bei  Keil 
gramm.  IV.  p.  449—455,  vgl.  oben  403,  4  E.  Dagegen  L.  Müller  in  Fleck- 
eisens Jahrbb.  93,  S.  564  f.  Einem  jungen  Albinus  (praetextatomm  decus) 
gewidmet,  dessen  pater  avusque  .  .  maximam  reverentiam  litterae  debent 
(der  Vater  wohl  identisch  mit  dem  Albinus  bei  Macrob.),  ist  der  Centimeter 
libellus  (tot  enim  metrorum  genera  digessi  quanta  potni  brevitate),  bei 
Putsche  p.  1815 'ff.,  in  Gaisford^s  scriptores  rei  metr.  p.  363  ff.,  in  Eeüs 
gramm.  IV.  p.  456—472;  vgl.  ib.  p.  XLV— XLVII.  Westphal,  allg.  Metrik 
S.  47  f.  nebst  L.  Müller  in  Fleckeisens  Jahrbb.  93,  S.  563  f.,  der  den  Verf. 
in  die  Zeit  der  gothischen  Herrschaft  über  Italien  versetzt  (Albinus  sei  der 
Cos.  493  n.  Chr.)  und  hervorhebt  d^s  die  Beispiele  alle  selbstgemachte 
seien  (vgl.  p.  461,  25  K.:  versiculos  tibi  dactylicos  cecini,  puer  optime, 
quos  facias;  p.  463:  Vergilius,  Mantua  quem  crcavit;  .  .  Maecenaa  atavis 
Lydia  quos  fert  genite,  und  den  Schlussvers  p.  467:  rem  tibi  confeci, 
doctissime ,  dulcisonoram).   Um  so  eher  wird  der  Verfasser  ein  Grammatiker 


423.    Ti.  Donatus.  977 

von  höherer  Bedeatnng  sein.  Vgl.  oben  404,  5.  Daran  schlicsst  sich  im 
Paris.  7530  an:  Servil  de  metris  Horatii  (bei  Keil  IV.  p.  468—- 472  vgl. 
p.  XLVII  f.)  mit  der  Widmnng:  Servius  Fortunatiano  dn.  Superfluiim, 
amice,  fore  puiavi  et  post  Terentiannm  metra  digerere  [Lücke]  .  .  aliud 
agenti  obtulerat  exposita  viderentur  (Verweisung  auf  den  Centinieter  odor 
auf  Terentianus?).  quare  Horatium  cum  in  Campania  otiarer  excepi  etc. 
Diese  Ferienarbeit  steht  dem  Centimeter  weit  nach  und  scheint  von  einem 
andern  Verfasser  zu  sein;  vgl.  L.  Müller  a.  a.  0.  Khein.  Mus.  XXV.  S.  340  f. 

5.  Die  Interpretationes  des  Donatus  ku  Vergil  herausgegeben  Nea- 
pel 1535  und  an  den  VergilauBgaben  von  6.  Fabricius  (BasiL  1561  fol.) 
und  Lucius  (Basil.  1613  fol.).  Vorausgeschickt  ist  ein  Schreiben.  Ti.  Clau- 
dius Donatus  Ti.  Claudio  Maxime  Donatiano  filio  s.  p.  d.  Incertum  metnens 
vitae,  quod  magis  senibus  inctunbit  et  proximum  est,  cursim  scripsi  quae 
potui,  relinquens  plnrima,  .  .  ut  si  quid  mihi  adversi  accideret  haberes  inter- 
pretationnm  mearum  quod  imitareris  exemplo.  verum  quia  .  .  contigit 
diutius  vivere  hos  libros  Interim  legendos  curavi.  Denn  er  sei  entschlossen 
die  hier  übergangene  Sacherkl&rung  in  einer  eigenen  Arbeit  nachzuholen, 
sie  fiet  ut  origines  singularum  personarum  quas  Vergilius  Aeneidos  libris 
comprehendit  .  .  (cognoscas).  simul  etiam  cognosces  oppidorum  insularum- 
que  rationem,  regionum,  .  .  templorum  ac  fanorum,  herbärum,  quin  etiam 
et  lignorum  vocabula  et  cetera  bis  similia.  sed  haec  sie  accipias  velim  ut 
ex  commentariis  scias  veterum  me  esse  coUecturnm;  antiqua  enim  et  fa- 
bulosa  ac  longinquitatis  causa  incognita  nisi  priscorum  docente  memoria 
non  poterunt  explicari.  Zur  Ausarbeitung  oder  Vollendung  dieser  Realien 
der  Aeneis  (also  einer  Arbeit  ähnlich  der  des  Vibius  Sequester)  scheint  es 
aber  nicht  gekommen  zu  sein.  Das  Werk  sollte  einen  Anhang  zu  den  In- 
terpretationes bilden  oder  die  Stelle  eines  beabsichtigen  Registers  dazu 
vertreten;  vgl.  zu  VII,  646:  catalogus  iste  huic  Interpretationum  libro  non 
fiierat  inserendus.  nihil  enim  habet  quod  artificiose  posset  exponi.  est 
qnippe  nominibus  hominum,  gentium,  fluviorum,  deorum,  .  .  herbarum,  .  . 
fontium  plenus.  tamen  ne  quid  libro  decerpi  videatur  dicemus  aliqua  eins 
ano  libro  qui  XIII"'  erit,  cum  totius  operis  conplexione  dicturi,  ut  historiae 
per  Xn  libros  sparsae  et  cetera  quae  supra  dicta  non  sunt  possint  eviden- 
ter apparere. 

6.  Servius  citiert  öfters  (z.  B.  Aen.  II,  557.  798.  Ecl.  III,  38),  meist 
polemisierend,  Donatus  kurzweg,  ohne  zweierlei  Personen  zu  unterscheiden. 
Er  scheint  daher  auch  nur  Einen  Vergilcommentator  dieses  Namens  ge- 
kannt zu  haben,  ohne  Zweifel  den  älteren  (oben  404,  4).  In  den  interpo- 
lierten Partien  könnten  aber  dann  die  Interpretationes  des  jüngeren  Dona- 
tus mitbenutzt  sein. 

7.  Ueber  Donaths  vita  Vergilii  s.  oben  220,  1,  b.  Im  Paris.  1011  hat 
sie  an  ihrer  Spitze  einen  Brief  mit  der  üeberschrift:  Fl.  Donatus  L.  Munatio 
Buo  salutem.  In  den  übrigen  Hdss.  (st  sie  ohne  Üeberschrift  an  den  Com- 
mentar  des  Servius  angeschlossen. 

8.  Ueber  Donat  vgl.  Suringar,  bist.  crit.  scholl.  IL  p.  31 — 58.  6rä- 
fenhan,  Gesch.  d.  class.  Philol.  IV.  S.  315—818. 

TsuFFXi.,  Rom.  Literaturgeschichte.   2.  Aufl,  62 


.      978  Die  Kaiserzeit.   Viertes  Jahrhundert  (J.  379  ff.). 

9.  Claudius,  in  ^er  Ars  anonyma  cod.  Bern.  123  fünfmal  angeführt 
und  schwerlich  identisch  mit  Claudius  Sacerdos  (oben  390),  vielmehr  ihn 
benützend.    J.  Steup,  Rhein.  Mus.  XXVI.  8.  820—823. 

10.  Sergii  (aus  Italien)  novem  (libri)  de  littei-a  et  de  barbarismo  an- 
geführt in  dem  Verzeichniss  eines  cod.  Bern.  (Hagen,  Anecd.  Helv.  p.  CXLIX), 
womit  wohl  Donatcommentare  gemeint  sind.  Zu  den  9  Büchern  welche 
im  Mittelalter  unter  dem  Namen  des  Sergius  umliefen  wird  wohl  gehören 
die  Abhandlung  bei  Hagen  1.  1.'  p.  143-— 158  (vgl.  oben  404,  2).  sowie  die 
Ueberreste  ib.  p.  CXCII— CCIII.    Vgl.  Hagen  ib.  p.  CL. 

11.  Ein  Grammatiker  Maximns  aus  Madaura  der  den  Polytheismus 
gegen  Augnstin  vertheidigt  bei  Augustin.   epist.  16  (Migne  XXXIÜ.  p.  81). 

12.  Ueber  den  Artigraphen  Probus  s.  oben  412,  12;  über  lunius  Phil- 
argyrius  unten  465,  13. 

405  424.  Dem  Theodosius  I  widmete  Flavius  Vegetius  Rena- 
tus  seine  Epitoma  rei  militaris  in  vier  Büchern,  welche  vorzugs- 
weise geschichtlich  angelegt  ist,  sich  selbst  als  ein  Werk  des 
Fleisses  gibt  und  auf  selbständigen  sachlichen  Werth  oder  stil- 
istische Vorzüge  keinen  Anspruch  macht.  Vielleicht  um  einige 
Jahrzehnte  jünger  ist  die  ausführliche  Thierheilkunde  (mulo- 
medicina)  eines  P.  Vegetius,  nach  älteren  Quellen  in  ungebildeter 
Sprache. 

1.  Ueberschrift:  Flavi  Vegeti  Benati  viri  inlustris,  comitis  Epitoma 
rei  militaris.  Der  Kaiser  dem  er  seine  Schrift  widmet  wird  zwar  von  dem 
Verf.  selbst  nicht  genannt,  doch  ist  nahezu  sicher  dass  es  Theodosius  I 
ist;  s.  C.  Lang  in  sr.  Ausg.  p.  VII  f.  Und  zwar  ist  zur  Zeit  der  Abfassung 
Gratianus  bereits  todt  (p.  21,  6:  tempus  divi  Gratiapi),  die  Schrift  also 
zwischen  384  und  395  geschrieben.  Zwischen  der  Herausgabe  von  ß.  I  und 
der  des  Weitereu  war  eine  Pause,  s.  A.  3. 

2.  Der  Verfasser  bekennt  sich  zum  Christenthum ,  wurzelt  aber  mit 
seinen  religiösen  Vorstellungen  in  der  alten  Zeit  und  unterscheidet  sich 
daher  in  seiner  Art  über  religiöse  Dinge  sich  auszudrflcken  sehr  wenig  von 
den  NichtChristen  seiner  Zeit.  Vgl.  II,  5  (p.  37  fj.):  iurant  (milites)  per  deum 
et  Christum  et  sanctum  spiritum  et  per  maiestatem  imperatoris,  quae  se- 
cundum  deum  generi  humano  diligenda  est  et  colenda.  nam  imperatori 
.  .  tamquam  praesenti  et  corporali  deo  fidelis  est  praestanda  devotio.  Die 
andern  derartigen  Aeusserungen  könnten  ebenso  gut  bei  Firmicus  oder 
Symmachus  stehen;  so  I  praef.:^  non  recte  aliquid  incohatur  nisi  post  deum 
favcrit  imperator.  II,  21:  etiam  divinitatis  (s.  oben  395,  4)  instinctu  legio- 
nes  a  Romanis  arbitror  constitutas.  IV,  40:  transitns  siderum  .  .  cum  prae- 
scripto  cursu  dei  arbitrio  creatoris  wiscipiunt  signa.  Bezeichnend  für  den 
superstitiösen  Charakter  seines  Glaubens  IV,  35:  dass  das  Schiffsbauholz 
nur  in  den  acht  Tagen  a  XV*  luna  usque  ad  XXn*<^  gefällt  werden  dürfe, 
wenn  es  nicht  wurmstichig  werden  solle,  et  ars  ipsa  et  .  .  cotidianus  usus 


424.   Vegetius.  979 

edoctdt  et  contcmplatioDe  ipsioB  religionis  agnoscimas,   quam  pro  aeierni- 
täte  bis  tantnm  diebns  placuit  celebrari. 

3.  Yeget.  I  praef.:  tanto  inferiorem  me  antiquis  BCriptoribus  esse  vix 
sensi,  licet  in  boc  opuscnlo  nee  yerborum  concinnitas  sit  neceesaria  nee 
acamen  ingenii,  sed  labor  diligens  ac  fidelis,  nt  quae  apud  diversos  bisto- 
ricos  yel  armorum  diBciplinam  docentea  dispersa  et  involuta  celantur  pro 
utilitate  rom.  proferantur  in  medium.  II  praef.:  cum  haec  (instituta  maio- 
rum  partis  armatae)  litteris  breviter  comprehendere  maiestati  vestrae  .  . 
recognoscenda  praeciperer,  certavit  saepius  devotio  cum  pudore.  .  .  libel- 
lum  de  dilectu  atqne  exercitatione  tironum  (B.  I)  dudum  tamquam  famulus 
obtuli,  non  tamen  culpatus  abscessi.  III  praef.:  quae  per  diversos  auctores 
librosque  dispersa,  imperator  invicte,  mediocritatem  meam  abbreviare  ius- 
sisti.  n,  3  nennt  V.  als  Vorgänger  bes.  Cato  und  Frontinus:  borum  in- 
stituta, herum  praecepta  in  quantum  valeo  strictim  fideliterque  signabo. 
Vgl.  I,  28.  III,  26.  IV  praef.  Vergilius  iii  Georgicis  und  Varro  in  libris 
navalibus  angef^rt  IV,  41  vgL  II,  1:  Latinorum  egregius  auctor  (Verg. 
Aen.).    Sallustius  citiert  I,  4.  9. 

4.  Jedes  Bucb  bat  ein  Vorwort,  B.  I  imd  III  auch  ein  Schlusswort 
von  höfisch  rhetorischem  Charakter.  Buch  I  behandelt  dilectus  atque  exer-. 
citatio  tironum,  B.  II  institutionem  disciplinamque  militarem  (III,  1),  B.  III 
den  eigentlichen  Krieg  und  das  Strategische,  B.  IV  die  Belagerungskunst 
(rationes  quibus  vel  nostrae  civitates  defendendae  sint  vel  bostium  sub- 
ruendae),  c.  1 — 30.  Darauf  IV,  31:  praecepto  maiestatis  tuae,  imperator 
invicte,  terrestris  proelii  rationibus  absolutis  navalis  belli  residua  .  .  est 
portio;  de  cuius  artibus  ideo  pauciora  dicenda  sunt  quia  iam  dudum  pacato 
mari  cum  barbaris  nationibus  agitur  terrestre  certamen.  Die  Inhaltsangaben 
zu  den  einzelnen  Capp.  (rubricae)  sind  nicht  von  Veg.  selbst,   aber  schon 

im  5 — 6.  Jahrb.  verfasst;  s.  C.  Lang  praef.  p.  X  f. 

» 

5.  Der  Wortschatz  zeigt,  wegen  der  Beschaffenheit  des  Gegenstandes 
und  der  Benützung  älterer  Autoren,  verbältnissmässig  nicht  viel  späte  Be- 
standtbeile.  Doch  verrathen  Worte  und  Wendungen  wie  missibilis,  in  ante, 
aliquanti,  proximior  deutlich  genug  die  Zeit  der  Abfassung. 

6.  Handschriften  des  Veg.  gibt  es  über  140,  die  ältesten  aus  saec.  X. 
Aufzählung  und  Beurteilung  derselben  bei  Lang  p.  XI— XL.  Ein  Theil 
derselben  hat  die  Subscription:  Fl.  Eutropius  emendavi  sine  exemplario 
Constantinopolim  Consul.  Valentiniano  Aug.  VII  et  Abien.  (==  J.  450  n.  Chr.). 
0.  Jahn,  Berichte  d.  sächs.  G.  d.  W.  1861,  S.  844  f.  Verkürzender  Auszug 
aus  I,  1  ff.  II,  23  f.  von  Rabanus  Maurus  (14  Capp.)  aus  einer  Trierer  Hds. 
saec.  XII  herausgeg.  von  E.  Dümmler,  Zeitschr.  f.  deutsches  Alterth.  N.  F.  III. 
S.  443—451.  Excerpte  aiiß  B.  IV  in  dem  Palimpsest  Vatic.  Reg.  2077  saec.  VII. 

7.  Ausgaben.  Ed.  pr.  Utrecht  um  1473  fol.  Spätere  bes.  von  Fr.  Modius 
(Colon.  1680),  G.  Stewechius  (Antv.  1684.  4.);  von  P.  Scriverius,  cum  notis 
Stewechii,  Modii,  Antv.  1607,  2  Voll.  4.  (Wesel  1670.  8.).  Ed.  N.  Schwc- 
belius,  Nürnberg  1767.  4.  Cum  notis  varr.  Strassburg  1806.  Rec.  C.  Lang, 
Lips.  (Teubner)  1869.  A.  Gemoll,  exercitationes  Veg.,  Hermes  VI.  p.  113—118. 

62* 


980  Die  Kaigeraeit.    Viertes  Jalirhundert  (J.  379  ff.)- 

8.  Des  P.  Vegetius  mulomedicina  sive  ars  veterinaria  ist  gedrackt 
Basil.  1528.  4.  1574.  ^4.  (ed.  J.  Sambuciu),  in  J.  M.  Oeaner^s  (U.  p.  173— 
305)  Q.  J.  G.  Schneiderte  (Vol.  IV)  scriptores  rei  rosticae,  bei  den  Früheren 
in  vier,  bei  Schneider  in  sechs  Bächer  abgetheilt  (B.  I  =  T.  II  Sehn.;  IIT  = 
IV  n.  V  Sehn.). 

9.  Ueber  seine  Grundsätze  spricht  nich  P.  Vegetius  in  wiederholten 
Vorreden  aus.  I.  praef.  6:  cum  ab  initio  aetatis  alendorum  equorum  stu- 
dio flagrarem  hanc  operam  non  invitus  arripui  ut  condnctis  in  nnum  la- 
tinis  dumtaxat  auctoribus  universis,  adhibitis  etiam  mulomedicis  et  medicis 
non  omissis  .  .  in  quantum  mediocritas  ingenii  patitur  plene  ac  breviter 
omnia  epitome  congererem.  II  (Gesn.).  praef.  1:  mulomedicinae  ars  iam 
dudam  .  .  coUapsa  est.  numqnid  vero  exemplo  Hunnorum  .  .  artis  usus 
intercidet?  III  (Gesn.).  praef.  1  f.:  mulomedicinae  me  commentarios  ordi- 
nante  civium  atqne  amicorum  freqnens  querela  .  .  suspendit.  .  .  cedens 
itaqne  familiarium  honestissimae  voluntati  ex  diversis  auctoribus  enucleata 
coUegi  pedestrique  sermone  in  libellum  contuli.  cuius  erit  praecipua  feU- 
citas  si  eum  nee  scholasticus  fastidiat  et  bubnlcus  intellegat.  Ganz  dem 
Gesichtskreise  und  der  Ausdrucksweise  des  Schlusses  von  saec.  IV  entspricht 
IV  (Gesn.).  pra^.  1  ff. :  sollemnis  excusatio  neglegentium  est  dispendia  ex 
dissimulatione  venientia  deo  imputare  vel  casibus.  .  .  quae  fortasse  vera 
yideantur  in  homine,  qui  divina  Providentia  ac  dispositione  fatorum  creditur 
regi.  animalia  vero,  cum  quibus  diyinitas  nihil  dignatur  habere  commune, 
nisi  hominum  studio  impensisque  curentur  absque  ambiguitate  depereunt. 

10.  Als  Vorgänger  (und  Quellen)  nennt  Veg.  I.  praef.  2  f.  Pelagonius 
(vgl.  ib.  17.  15.  IV,  13,  3.  14,  2.  27,  3),  Columella,  Chiron  und  Absyrtus 
(vgl.  ib.  38,  6.  IV,  13,  4.  22,  1.  27,  1  f.).  Citieren  des  Vergil  I.  praef.  8 
(MantuanuB  poeta  divino  ore  testatur)  und  56,  36  (quod  naturaliter  laudat 
Vergilius).  Die  aufgeffihrten  Pferderacen  zeugen  von  weitem  geogra- 
phischem Horizont.  Z.  B.  I,  56,  37:  equos  quos  vulgo  trepidiarios,  militari 
verbo  tottonarios  vocant  ita  edomant  (Parthi)  etc.  IV,  6,  2  f.  (G.):  ad 
bellum  Hunniscorum  longo  primo  docetur  utilitas  patientiae.  etc.  Toringos 
deinde  et  Burgundiones  iniuria&  tolerantes,  tertio  loco  Frigiscos  etc.  Die 
Anatomie  des  Pferdes  wie  sie  Veg.  gibt  wird  von  Sachverständigen  gelobt. 

425.  Von  den  fünf  Büchern  aus  welchen  der  sogenannte 
Plinius  Yalerianus  besteht  sind  die  drei  ersten  eine  Sammlung 
angeblicher  Heilmittel  die  grösstentheils  aus  der  Naturgeschichte 
des  Plinius  zusamjnengelesen  und  unt.er  die  verschiedenen  Krank- 
heiten vertheilt  sind.  Das  vierte  Buch  aber  ist  dem  Werke  des 
Gargilius  Martialis  über  Gartenbau  (de  pomis  und  de  oleribus) 
entnommen.  Das  fünfte  ist  eine  Zusammenstellung  diätetischer 
Vorschriften  (diaetae)  aus  der  dem  sechsten  Jahrh.  n.  Chr.  an- 
gehörigen  lateinischen  Bearbeitung  der  Diätetik  des  Alexander 
Trallianus. 


424  f.    Vegetius.   Plinius  Valerianus.  981 

1.  Die  5  Bücher  sind  in  Hdss.  nicht  selten  (z.B.  St.  Graller  751  saec.  X) 
und  tragen  darin  den  Titel  (der  nur  für  die  drei  ersten  passt)  Plini  Se- 
cundi  de  remediis  oder  de  fisicis.  Herausgegeben  wurden  sie  erstmals 
durch  Pighinucci  (Born  1^09)  als  Medicina  pliniana,  sodann  durch  Albanus 
Torinus  (Basel  1628  fol.)  in  seiner  Sammlung  De  re  medica,  worin  (nach 
Sorani  isagoge,  Oribasii  fragmentum  und  vor  Apuleius  de  herbarum  vir- 
tutibus  u.  de  betonica)  fol.  13-*- 98  C.  Plinii  Secundi  de  re  medica  libri  Y 
accuratius  recogniti  et  (nothis  ac  pseudepigraphis  semotis)  ab  innumeris 
mendarum  miUibus  fide  vetustisßimi  codicis  repurgati.  Abdruck  des  Basler 
Textes  in  den  Medici  antiqui,  Venet.  Aid.  1547.  Der  Name  Valerianus 
ist  eine  Erfindung  von  Paolo  Giovio  in  Como  (Pauli  Jovii  tractatus  de 
piscibus  romanis,  Born.  1524  fol.,  cap.  35).  Vgl.  E.  Meyer,  Gesch.  d.  Botanik 
II.  S.  398—405.    V.  Rose,  Anecd.  gr.  II.  S.  105—114. 

2.  Die  drei  ersten  Bücher  gehören  zusammen  und  finden  sich  in  Hdss. 
auch  ohne  B.  4  u.  5,  aber  nach  Umfang,  Fassung  und  Eintheilung  vielfach 
unter  sich  abweichend,  indem  sie  im  Laufe  der  Zeit  durch  Weglassungen 
und  Zusätze  fortwährend  verändert  wurden.  In  der  St.  Galler  Hds.  751 
ist  (aber  ohne  den  Namen  des  Plinius)  noch  ein  viertes  Buch  angereiht: 
Antidota  per  singnlas  passioues  de  diversis  auctoribus  electa.  Auszüge  aus 
den  drei  Büchern  schon  in  zwei  Bamberger  Hdss.,  Capitulatio  secunda 
(saec.  IX)  und  liber  Pauli. 

3.  Anfang  des  Vorworts  zu  B.  1  —  9:  Frequenter  mihi  in  peregrina- 
tionibus  accidit  ut  aut  propter  meam  aut  propter  meorum  infirmitatem 
varias  fraudes  medicorum  ezperiscerer,  ^quibusdam  utilissima  remedia  in- 
gentibus  pretiis  vendentibus,  alias  curare  nescientibusj  cupiditatis  causa 
suscipientibus.  .  .  quapropter  necessarium  mihi  visum  est  undique  vali- 
tudinis  auxilia  contrahere  et  velut  in  breviarium  colligere,  uti  quocumque 
venissem  possem  huiusmodi  insidias  vitare  etc.  Der  Verf.  ist  also  ein  viel- 
reisender Nichtarzt.  Aehnliche  Polemik  I,  9  in.  Die  Anordnung  ist  die  nach 
den  Körpertheilen  und  deren  Leiden,  vom  Kopf  bis  zu  den  Zehen  (II,  52: 
clavis  et  callis  curandis;  II,  54:  ad  ungularum  dolorem).  B.  III  enthält 
die  Mittel  gegen  constitutionelle  Krankheiten  und  gegen  Gifte.  Der  Ton 
ist  sachlich  trocken.  Ausnahme  I,  7:  De  capülis  denigrandis.  Potest  videri 
aupervacuum  inter  remedia  corporis  ponere  ea  quae  ad  decorem  pertinent. 
sed  quosdam  pudet  aut  ipsos  rubeos  esse  aut  in  tantum  luxuriae  indulgent 
ut  etc.  .  .  operae  pretium  est  bis  qui  erubescunt  senes  esse  succurrere  etc. 
Aufzählung  der  in  den  drei  Büchern  genannten  Pflanzen  bei  E.  Meyer 
(A.  1.)  S.  405—412. 

4.  Rose  (A.  1)  S.  106:  „die  ursprüngliche  Anlage  der  Sammlung  (von 
B.  1—3)  ist  vielleicht  im  Anfang  von  saec.  IV  gemacht,  vor  der  des  Mar- 
celluB  (s.  426,  1  ff.),  der  den  Verf.  schon  unter  dem  falschen  Namen  des 
Plinius  kennt  (Plinius  uterque)  und  dessen  Werk  in  ausgedehnter  Weise 
verwerthet."  (Vgl.  ebd.  S.  177.)  Aber  Plinius  uterque  kann  gesagt  sein 
mit  Rücksicht  auf  den  von  Marcellus  aufgenommenen  angeblichen  Brief 
des  (jungem)  Plin.  ad  amicos  (s.  426,  3),  und  die  Uebereinstimmung  er- 
klärt sich  vielleicht  aus  der  Gleichheit  der  Quellen.  Wenigstens  ist  in 
den    zusammentreffenden   Partieen   die  beiderseitige   Ordnung    meist  ver- 


982  Die  Kaiserzeit.    Viertes  Jahrhundert  (J.  379  ff.). 

schieden,  während  dem  Scribouiue  Largus  gegenüber  sie  von  Marc,  bei- 
behalten ist.  Vgl.  Ps.  Plin.  I,  7  (ovnm  corvinum  aus  Plin.  n.  fa.  XXIX, 
109  .  .  sextarios  sanguisugarum  aus  Plin.  XXXII,  68  .  .  siliquae  ervi  aus 
ib.  XXII,  153  .  .  folia  cupressi  aus  ib.  XXIV,  16  .  .  spodilinm  aus  ib.  XXIV, 
26  .  .  yermium  terrenorum  cinis  aus  ib.  XXX,  134)  mit  Marcell.  I,  7  (hi- 
rundinum  stercus  .  .  medium  lapidem  .  .  ovi  conrini  interiora  .  ,  vermium 
terr.  cinis  .  .  folia  cupressi  .  .  nuces  inglandes  .  .  sanguisugarum  sextarina 
.  .  ervi  siliquae).  Marcell.  I,  1.  p.  86  cxtr.  finden  sich  die  5  leisten  Mittel  in 
derselben  Ordnung  wie  bei  Ps.  Plin.  fol.  1  (13)  B,  verschiedene  andere  aber 
in  ganz  abweichender.  Benätzung  der  medicin.  respOns.  des  Caelius  Aurelianus 
nach  einem  guten  Texte  (Rose  S.  175.  177). 

5.  Buch  IV  und  V  haben  weder  unter  sit-h  hoch  mit  B.  I — III  irgend 
welchen  Zusammenhang;  sie  sind  ursprünglich  selbständige  Auszüge,  die 
erst  später  durch  das  Belieben  eines  Sammlers  oder  Schreibers  mit  dem 
vermeintlichen  liber  Plinii  (B.  1—3)  verbunden  wurden.  Als  Theile  der 
sämmtlichen  Werke  des  Plin.  in  jungem  Hdss.,  wie  der  Prager  sacc.  XIV  f., 
worin  die  nat.  bist,  Phisice  Plinii  See.  Hb.  I  —  IV,  dann  B.  V  als  Liber 
dietarum  Plinii,  weiter  ein  über  urinarum,   Anthimus    nebst  Nomina  her- 

barum,  zuletzt  die  Briefe  des  Jüngern  Plinius.     Rose  S.  61.  107. 

» 

6.  Buch  IV  findet  sich  in  Hdss.  selbständig  (ohne  Titel)  und  ist  ein 
alter,  wörtlich  abBchreibcnder  Auszug  der  Heilmittel  aus  dem  grossen  Werke 
des  Gargilius  Martialis  über  Landwirtschaft;  s.  oben  376. 

7.  Auch  Buch  V  (45  theilweis  sehr  kurze  Capp.)  findet  sich  in  Hdss. 
selbständig,  oder  zwar  den  4  Büchern  Plinii  iun.  de  medicina  nachfolgend, 
aber  mit  eigenem  Titel:  liber  diaetarum  divcrsorum  medicorum  h.  c.  Alexandri 
et  aliorum.  Wirklich  ist  es  mit  wenigen  Ausnahmen  (c.  14  u.  22  Sorani 
dieta;  37  f.  dieta  Galeni)  wörtlich  aus  dem  lateinischen  Alexander  (unten 
489,  9),  somit  frühestens  aus  saec.  VII.    V.  Rose  (A.  1)  S.  107—109. 

40(5  4:26.  Unter  dem  Namen  desMarcellus,  ex  mag.  offieiorum 
unter  Theodosiiis,  haben  wir  ein  Arzneibuch  welches  vorzugs- 
weise aus  Scribonius  Largus  geschöpft ,  aber  mit  vielen  aber- 
gläubischen Zuthaten  gemischt  ist.  Kein  abergläubisch  aber  und 
zugleich  mit  Vorliebe  dem  Schmutzigen  zugewandt  ist  die  Samm- 
lung von  Heilmitteln  aus  dem  Thierreich  welche  den  Namen  des 
Sextus  Placitus  ( Papyriensis )  trägt  und  von  der  auch  ein 
Auszug  (des  Constantinus  Africanus)  uns  erhalten  ist.  Dagegen 
das  mediciiiische  Werk  des  Theodorus  Priscianus  erstrebt  in 
seiner  Weise  Wisseiischaftlichkeit. 

1.  Marcelli  viri  ill.  de  mcdicamcntis  cmpiricis,  physicis  ac  rationabili- 
bus  liber  .  .  iam  prinmm  in  luccm  emergens  .  .  per  Janum  Cornariiim  etc., 
BiiBil.  1536  fol.  (p.  1 — 264).  Auch  in  den  Sammlungen  der  Medici  antiqui 
von  Aldus  (Venet.  1547)  und  Stephanus  (Paris.  1567).  Vorwort:  Marcellus 
vir  ill.  ex  mag.  off.  Theodosii  sen.  filiis  suis  s.  d.     Also  schrieb  er  unter 


425  f.    Plinius  Valerianus.    Marcellus  Empiricue.  983 

Tbeodosius  II,  somit  nicht  vor  408.  Er  ist  wohl  der  Marcellus  magistcr  off. 
im  J.  395  im  Cod.  Theod.  VI,  29,  8.  und  XVI,  5,  29  (wo  ihm  das  Ein- 
schreiten gegen  Nichtchristen  im  Hofdienste  aufgetragen  wird).  Vgl.  Snidas 
II.  p.  702  Bnh.:  Mdg^Bllog,  fidyiatgog 'AgyiaSiov  tov  ßaaileag,  yioofiog  (XQStfjg 
dndarig  etc.  Da  er  (in  der  praef.)  den  Ausonius  unter  seinen  Mitbürgern 
nennt  so  wird  er  als  Burdigalensis  bezeichnet,  von  Andern  nach  seiner  rein 
empirischen  Richtung  Emj^iricus.     Arzt  war  er  nicht. 

2.  Das  Buch  de  medicamentis  zählt  in  36  Capiteln  einfache,  zusammen- 
gesetzte und  zauberische  Mittel  gegen  alle  Krankheiten  vom  Kopfe  bis 
zu  den  Fusszehen  auf.  Angebliche  Quellen:  non  aolum  veteres  medicinae 
artis  auctores  latino  dumtaxat  sermone  perscriptos  .  .  lectione  scrutatus  sum 
£ed  etiam  ab  agrestibus  et  plebeiis  remedia  fortuita  atque  simplicia  quae 
experimentis  probaverant  didici.  In  Wahrheit  hat  er  gewöhnlich  zuerst  den 
Scribonius  Largus  (ol)en  289,  2  —  6)  ausgeschrieben  und  datan  in  rohester 
Weise  aus  andern  Quellen  eine  Unmasse  anderer  Mittel  angereiht.  Vgl. 
oben  425,  4.  Bemerkenswerth  sind  die  zahlreichen  Pflanzennamen  (E.  Meyer, 
Gesch.  d.  Botanik  11.  S.  3.05  —  315),  theilweise  mit  ihren  keltischen  Be- 
Zeichnungen  (z.  B.  p.  48:  herba  quae  graece  chamaeacte,  latine  ebulus, 
gallice  odocos  dicitur);  J,  Grimm,  über  Marcellus  Burdig.,  Berlin  1849.  4. 
(Abhandl.  d.  Bcrl.  Ak.  von  1847.)  Schluss  des  Vorworts:  epistolas  quoqne 
eorum  quorum  studium  aemulatum  me  esse  scripsi  huic  operi  .  .  adieci 
(A.  3).  .  .  versiculis  quoque  lusimus  migmatum  et  specierum  digestione 
compositig.  .  .  quod  opusculum  in  infima  parte  huius  codicis  coUocavi 
(e.  A.  4),  et  ut  sermone  uostro  Opera  haec  .  .  claudantur  et  nugas  nostras 
multiplex  foliorum  celet  obiectns. 

3.  Nach  der  praef.  und  einer  Uebersicht  der  griechischen  und  römischen 
Maase  folgen  Epistolae  diversorum  de  qualitate  et  observatione  medicinae 
(vgl.  A.  2),  zuerst  des  Hippokrates  (vielmehr  des  Diokles)  an  König  An- 
tiochus  (Antigonus),  von  Largius  Designatianus  (vgl.  oben  289,  2)  für  seine 
Söhne  übersetzt,  dann  eiusdem  Hippocratis  ex  graeco  translata  ad  Mae- 
cenatom,  Plinii  Secundi  ad  amicos  de  medicina,  des  Scribonius  Largus  an 
Kallistus  ( oben  289 ,  3 ) ,  unter  der  unrichtigen  Ueberschrift  Cornelius 
Celsus  C.  lulio  Calisto  s.  d.;  sodann  Cornelius  Celsus  Pullio  Natali  s.  d. 
(beginnend:  Lectis  duobus  iibris  compositionum  ^^raecis,  P.  N.j  quos 
misisti  mihi  ut  in  latinum  sermonem  converterem,  libenter  parui  tuae  vo- 
luntati  etc.);  endlich  Epistula  Vindiciani  comitis  archiatrorum  ad  Valen- 
tinianum  Imp.  Letzterer  Brief  war  vielleicht  ursprünglich  die  Widmung 
des  darin  erwähnten  Werkes  de  expcrtis  remediis,  aus  welchem  B^cept- 
buche  (de  vindiciani  afri)  eine  Anführung  in  der  lat.  Uebersetzung  des  Cassius 
Felix  (s.  456,  2)  sich  findet  (Rose,  Anecd.  IL  S.  177  A.).  üeber  Vindicianus 
vgl.  eod.  Theod.  XIII,  3,  12  (vom  J.  379).  X,  19,  9  (Vom  J.  378:  v.  c, 
vicarius).    Augustin.  Epist.  138,  3.  confess.  IV,  1,  5.  VII,  6,  8. 

4.  Angehängt  sind  dem  Buche  de  med.  (s.  A.  2)  78  Hexameter  worin 
alle  möglichen  Arzneimittel  aufgezählt  sind.  Schlusswunsch  an  den  Leser: 
quotque  bis  sunt  versus,  tot  agant  tua  tempora  lanos.  Willkürliche  Prosodie 
der  griech.  Namen,  z.  B.  Abdera  (5).    Vgl.  E.  Meyer,  Gesch.  d.  Botanik  II. 


Ü84  Die  Kaiserzeit.    Viertes  Jahrhundert  (J.  379  ff.). 

S.  301 — 304.  Abgedrackt  in  Ausgaben  des  Marcellns  (A.  1)  wie  des  Celsus, 
öfters  unter  dem  Namen  des  Yindicianus  (A.  3)  oder  gar  des  Serenns  Sa- 
monicus;  in  Riese's  Anthol.  lat.  910. 

5.  Ueberschrift  nach  den  Hdss.:  Sexti  Placiti  Papyriensis  de  medi- 
cina  ex  animalibus  liber.  In  34  Capp.  (vgl.  A.  7)  werden  von  22  Säuge- 
thieren  (c.  17:  de  puello  et  puella  virgine),  dann  von  12  Vögeln  Mittel  für 
alle  möglichen  Uebel  aufgeführt,  so  dass  gewöhnlich  mit  dem  Hirn  des 
betr.  Thiers  begonnen  und  allmählich  zu  den  Extremiläten  herabgestiegen 
wird.  Unter  den  Uebeln  nehmen  Impotenz,  Unfrachtbarkeit  u.  dgl.  eine 
hervorragende  Stelle  ein,  unter  den  Heilmitteln  die  partes  obscenae,  Ex- 
cremente  u.  s.  w.  Vgl.  1,  15:  cervi  tcsticulorum  sicconun  aliqua  pars  pota 
concubitnm  excitat.  sed  hoc  non  agit  ni&i  voluntas  sibi  praeveniat.  17,  18 j 
Ad  profluvium  mulieris.  Si  locum  saepe  lotio  viri  laverit  —  5,  1 :  cerebrum 
apri  coctum  et  potatum  cum  vino  omnes  dolores  sedat.  7,  1:  lupi  carnes 
conditas  et  decoctas  qui  ederit  a  daemonibus  seu  ab  umbris  quae  per 
phantasmata  apparent  yel  apparere  creduntur  non  potest  inquietari.  3,  13: 
Ad  morbum  articulorum.  vulpes  viva  in  amplo  vase  decoCta  donec  ossa 
relinquat  mire  sanat  (als  Bad  gebraucht).  Dass  einige  Mittel  der  Verf. 
selbst  mit  Erfolg  angewendet  haben  will  (27,  2  vgl.  2,  12)  beweist  bei  deren 
Beschaffenheit  nicht  dass  er  ein  Arzt  war. 

6.  Da  der  Verf.  Plinius'  nat.  bist.  (bes.  B.  28)  zur  Hauptquelle  hat, 
so  wird  er  ein  Lateiner  sein.  Vgl.  17,  19:  Ad  febres  acerrimas.  A  vestigio 
spadonis  discedentis  a  ianua  si  sustuleris  quodlibet,  dicens:  Tollo  te  ut 
ille  Gains  febribus  liberetur.  24,  12:  Ad  pedicnlosos,  quem  affectum  Graeci 
phthiriasin  nominant.  Vgl.^l6,  22:  Ad  phthiriacos,  i.  e.  pedicnlosos.  5,  7: 
epinyctidas,  i.  e.  pustellas  quae  nocte  ingravescunt.  Nichts  beweisen  hie- 
gegen  die  zahlreichen  griechischen  EunstausdrQcke  und  die  Rechnung  nach 
Drachmen  und  Obolen  (als  Gewicht);  vgl.  Hultsch,  Metrol.  S.  114.  Un- 
mittelbare Zeitandeutungen  euthält  die  Schrift  nicht;  aber  ihr  aber- 
gläubischer Charakter  neben  leidlicher  Einfachheit  und  Correctheit  der 
Sprache  empfiehlt  sie  in  saec.  IV  zu  setzen.  Vgl.  auch  18:  de  catta  seu 
feie,  u.  Anm.  7. 

7.  Der  Anfang  fehlt  und  lautet  im  Auszuge  des  Constantinus  Africanus 
(ums  J.  1087) :  Regi  Aegyptiorum  Oetaviano  Aug.  salutem.  Plurimis  exemplis 
expertus  sum  victoriam  tuam  et  prudentiam  tuam,  tarnen  arbitror  numquam 
iacidisse  in  manus  tuas  tantae  utilitatis  virtutem,  quae  ab  Aesculapio  ac- 
ceptas  etc.  Wenn  schon  in  der  vollständigen  Schrift  Octavian  zu  einer 
sagenhaften  Gestalt  verflüchtigt  war,  so  müsste  dieselbe  viel  später  gesetzt 
werden.  Mit  der  Widmung  ist  von  Sex.  Plac.  auch  das  erste  Cap.  (de 
taxione)  verloren  und  nur  durch  den  Epitomator  erhalten,  falls  es  nicht 
»pätere  Interpolation  i^t,  dergleichen  sich  in  dem  Schriftchen  zahlreiche 
finden. 

8.  Ausgaben  von  Fr.  Emericus  (Norimberg.  1538.  4.),  Albanus  Torinus 
(Basil.  1538),  G.  Hummelberg  (Zürich  1539.  4.),  in  den  Sammlungen  von 
Stephanus  (1567),  Rivinus  (1654)  und  J.  Chr.  G.  Ackermann  (Parabilium 
medicamentorum  scriptores  antiqui,  Nürnberg  u.  Altorf  1788),  wo  p.   1 — 76 


426  f.  Placitus.    Priscianus.    Ambrosius.  985 

(praef.  p.  1—22;  notae  p.  77  — 112),   und   die   Epitome   des  Constantinus 
Africaniis  p.  115 — 124. 

9.  Von  dem  archiater  Theodorus  Priscianus,  einem  Schüler  des 
Vindicianns  (A.  3),  besitzen  wir  noch  fünf  Bücher  Medicinae  praesentaneae, 
eine  lateinische  Bearbeitung  einer  (nicht  erhaltenen)  griechischen  Schrift 
desselben  Verfassers.  Derselbe  bekennt  sich  noch  zum  alten  Glauben. 
Angeführt  wird  er  schon  von  Alexandres  aus  Tralles  (saec.  VI).  Heraus- 
gegeben von  S.  Gelenius  (Basil.  1532.  4.)  und  (unter  dem  Namen  Octavius  ~ 
Horatianus)  von  H.  Neuenar  (Strassburg  1532.  fol.),  sowie  (unvoUstöndig) 
von  J.  M.  Bernhold  (Ansbach  1791).  Verloren  ist  des  Th.  Pr.  Antidotarium 
und  sein  Buch  de  simplici  medicina.  E.  Meyer,  Gesch.  d.  Botanik  II. 
S.  286—299.  Dagegen  trägt  mit  Unrecht  seinen  Namen  ein  schlecht  ge- 
schriebenes Schriftchen  Diaeta  (20  Capitel),  brsgg.  v.  G.  E.  Schreiner 
(Halle  1632)  u.  sonst.    Ghoulant,  Handb.  d.  Bücherk.  S.  216—218. 

427.  Auf  christlicher  Seite  ist  die  glänzendste  Erscheinung407 
der  charaktervolle  Bischof  von  Mailand,  Ambrosius  (um  340 — 
397),  ebenso  gewandt  vrie  energisch  und  kühn,  persönlich  un- 
eigennützig und  menschenfreundlich,  aber  unersättlich  für  die 
Macht  und  den  Ruhm  seiner  Kirche,  Von  seinen  Schriften  sind 
geschichtlich  die  v^ichtigsten  die  Briefe  und  die  Leichenreden 
auf  Valentinian  und  Theodosius.  Besondere  Berühmtheit  ge- 
wannen seine  Kirchenlieder  (hymni),  welche  sich  näher  an  die 
classische  Form  hielten  als  die  des  Damasus. 

1.  Biographie  des  A.  von  Paulinus,  worin  c.  3  ff.:  posito  in  admini- 
stratione  praefecturae  Galliarum  patre  eins  Ambrosio  natus  est  (vielleicht 
zu  Trier)  Ambrosius.  .  .  postquam  edoctus  liberalibus  disciplinis  ex  urbe 
(Rom)  egressus  est  .  .  ita  splendide  causas  peroravit  ut  eligeretur  a  viro 
ill.  Probo  tunc  praef.  praet.  ad  consilium  tribuendum.  post  haec  cousu- 
laritatis  suscepit  insignia,  ut  regeret  Liguriam  Aemiliamque  provincias, 
venitque  Mediolanum.  per  idem  tempua  mortuo  Auxentio  Arianae  perfidiae 
episcopo  etc.  Ambros.  de  off.  I,  1,  4^  ego  raptus  de  tribunalibus  et  ad- 
ministrationis  infulis  ad  sacerdotium.  Hieron.  ad  a.  2390  (Bong,  ad  a.  2391) 
=  374:  post  Auxenti,  seram  mortem  Mediolanii  Ambrosio  episcopo  consti- 
tuto  omnis  ad  fidem  rectam  Italia  convertitur.  Einfiuss  auf  Augustin 
(confess.  V,  13  f.  VI,  3  f.).  Festigkeit  gegenüber  der  arianisch  gesinnten 
Kaiserinwittwe  lustiua  und  ihrem  Sohne,  dem  jungen  Kaiser  Valentinian. 
Diplomatische  Sendungen  an  den  Usurpator  Maximus.  Energie  gegen 
Theodosius  wegen  seiner  Blutthat  in  Thessalonich  (J.  390).  Tod  an  Ostern 
(4.  April)  397.  Paulinus'  vita  Ambrosii.  Tillemont,  Mömoires  T.  X  (1705). 
p.  78  ff.  729  ff.  R.  Ceillier,  bist.  gän.  des  auteurs  sacr^s  VII  (1738). 
p.  329—693.  F.  Böhringer,  die  Kirche  Christi  I,  3  (Zürich  1845)  S.  1—98. 
G.  Richter,  das  weström.  Reich  S.  302  f  578  f.  592  —  619.  643  ff.  Pruner, 
die  Theologie  des  h.  Ambr.,  Eichstädt  1862.  59  S.  4. 

2.  G.  Richter  a.  a.  0.   S.  602:    „des  A.  Gelehrsamkeit  ist  weder  sehr 


086  Die  Eaiserzeit.    Viertes  Jahrhundert  (J.  379  ff.). 

gründlich  noch  sehr  ausgedehnt;  seine  Bibel ausl^gung  gewaltsam,  verworren, 
wunderlich;  seine  Speculationen  erheben  sich  nicht  weit  über  das  nik&niBche 
Symbol;  seine  polemischen  Werke  sind  ohne  Schärfe  der  Dialektik  und 
arten  in  Predigten  aus;  seine  Predigten,  obwohl  A.  für  einen  Meister  des 
Vortrags  galt,  geben  Gewöhnliches  mit  Pathos  und  Uebertreibung.  Nur 
dann  wird  ihr  Eindruck  grösser  wenn  einmal  die  innerste  Erregung,  die 
Charakterkraft  des  Redenden  hervorbricht  Denn  die  Bedeutung  des  A. 
liegt  in  seinem  persönlichen  Auftreten:  er  ist  der  Feldherr  und  Staatsmann 
der  streitenden  Kirche,  er  hat  ihre  äussere  Macht  ausgedehnt  wie  kein 
Anderer.  Den  Nacken  der  Mächtigsten  unter  ihr  Joch  zu  beugen,  ihre 
Gegner  einzuschüchtern,  zu  verdrängen,  zu  vernichten  war  seine  Stärke.'* 

3.  Ambrosii  Opera  z.  B.  Basil.  (Frohen)  1527  fol.  (von  Des.  Erasmus), 
besonders  aber  studio  et  labore  monachorum  ord.  Sti.  Benedicti  (Jac.  da 
Frische  und  Nie.  Le  Nourry),  Paris.  1686—1690,  2  Voll.  fol.  In  Migne's 
Psitrol.  T.  XV  und  XVI  (Paris  1845).  Vgl.  auch  W.  Cureton,  spicilegium 
syriacum,  London  1855. 

4.  Unter  den  Schriften  des  A.  hebt  Hieronymus  besonders  hervor  de 
viduis  liber  und  de  virgiuitate  tres  libellos  (Episi  48,  14  vgl.  22,  22:  de 
virginitate  .  .  Ambrosii  nostri  quae  nuper  scripsit  ad  sororem  opuscala,  iu 
quibus  tanto  se  effudit  eloquio  etc.).  Augustin.  ad  Hier.,  £p.  116,  21 
(p.  774  Vall.):  Ambrosius  noster  .  .  suos  libros  utilium  praeceptionum  plenos 
De  officiis  (ministrorum)  voluit  appellare.  Sie  sind  dem  ciceronischen 
Werke  nachgebildet.  Sonderausgabe  (cum  Paulini  libello  de  vita  S.  Am- 
brosii) von  J.  G.  Krabinger,  Tubing.  1857.  Bittner,  de  Cic.  et  Ambr.  ofB- 
ciorum  libris,  Braunsberg  1849.  4.  Hieron.  Ep.  84,  7  (p.  529  ValL):  nuper 
sanctus  Ambrosius  sie  Hexa^meron  (Schöpfungsgeschichte)  illius  (des  Ori- 
gcncs)  compilavit  ut  magis  Hippolyti  sententias  Basiliique  sequeretur.  Dario 
Zuthaten  aus  Sueton's  Prata,  s.  Reifferscheid  Sueton.  p.  442  f.  Briefe  sind 
91  erhalten,  zum  Theil  von  dem  Umfange  von  Abhandlungen.  Ueber  die 
gegen  Symmachus  gerichteten  s.  oben  418,  13.  Reden:  De  obitu  Valenti- 
niani  consolatio;  De  obitu  Theodosii  oratio;  De  excessu  fratris  sui  Satyri 
libri  II.  Sonstige  Schriften:  a)  dogmatische:  De  fide  libri  V  ad  Gratianum 
Aug.;  De  spiritu  sancto  libri  III  ad  Gratianum;  De  poenitentia  libri  II; 
De  mysteriis;  De  incarnationis  dominicae  sacramento.  b)  praktische  (ausser 
de  off.  min.  libri  HI,  de  virginibus  ad  Marcellinam  sororem  libri  III,  de 
viduis):  De  virginitate,  Do  institutione  virginis  ad  Eusebium,  Exhortatio 
virginitatis.  De  lapsu  virginis  consecratiie.  De  bono  mortis;  De  fug^  sae- 
cali.  c)  exegetische:  De  paradiso;  De  Cain  et  Abel;  De  Noö  et  arca;  De 
Abraham  libri  II;  De  Isaac  et  anima;  De  lacob  et  vita  beata  libri  II;  De 
losepho  patriarcha:  De  benedictionibus  patriarcharum;  De  Elia  et  ieiunio; 
De  Nabuthe;  De  Tobia;  De  interpellatione  lob  et  David  libri  IV;  Apologia 
prophetae  David  ad  Theodosium  Aug.;  Enarrationes  in  XII  psalmos;  Ex- 
positio  in  psalmum  CXVIII;  Expositio  evangelii  secundum  Lucam,  libri  X. 

5.  Die  zwölf  Hymnen  des  A.  (Morgengebete,  Preis  von  Gott  und 
Christus)  sind  sämmtlich  im  iambischen  Dimeter  gehalten  und  meist  in  vier- 
zeilige  Strophen  abgetheilt.  Die  Verse  reimen  sich  häufig,  aber  nicht  regel- 
mässig.   Verlängernde  Wirkung  des  Rhythmus,  z.  B.  castus  amor;   honor 


427  f.    Ambrosius.   Hieronymus.  987 

natüs  et  gaiidium;  am  häufigsten  in  hymn.  6  (fünfmal  in  sechs  Versen);  ebenso 
Verkürzung  (cum  spiritu  paraclKto).  Verschleifung  nicht  selten.  Einführung 
von  Wechselgesängen  zwischen  Priester  und  Gemeinde  (cantus  Ambrosianus) ; 
Tgl.  Augustin.  conf.  IX,  7,  15:  tunc  (unter  Ambr.)  hymni  et  psalmi  ut 
canerentur  secundüm  morem  orientalium  partium  .  .  institutum  est  et  ex  ' 
illo  in  hodiernum  retentum.  Von  diesem  berühmtesten  Dichter  von  Kirchen- 
liedern her  wurden  später  Kirchenlieder  überhaupt  ambrosianische  genannt, 
wie  das  bekannte  Te  deum  laudamus. 

6.  Ueber  die  vielleicht  von  A.  verfasste  Uebersetzung  von  Josephus 
bell.  iud.  s.  oben  416,  6—8. 

428.  Der  gelehrteste  Vertreter  des  Christenthums  und  zu-408 
gleich  ein  scharfsinniger  Dialektiker^  dabei  nicht  ohne  Leiden- 
schaftlichkeit, ist  Hieronymus  aus  Stridon,  in  seinem  langen 
Leben  (um  J.  340 — 420)  unermüdlich  thätig  als  Schriftsteller, 
(Jie  Schriften  des  alten  und  neuen  Testaments  commentierend 
und  übersetzend,  die  alte  Bildung  durch  lateinische  Bearbeitungen 
mit  Christenthum  und  Gegenwart  vermittelnd,  dabei  allzeit  bereit 
zu  brieflicher  Belehrung  und  zu  hitzigen  Streitschriften.  Von 
hervorragender  Wichtigkeit  sind  seine  erweiternde  Uebersetzung 
der  Chronik  des  Eusebius,  seine  christliche  Literaturgeschichte 
(viri  illustres),  seine  Bibelübersetzung  und  seine  reichhaltigen 
Briefe. 

1.  Ilieronym.  viri  ill.  135:  Hieronymus,  patre  Eusebio  natus,  opi)ido 
Stridonis,  quod  .  .  Dalmatiae  quondam  Pannoniaequc  confinium  fuit,  usque 
in  praesentem  annum,  i.  e.  Theodosii  principis  XIV"™  (J.  392),  haec  scripsi 
(ö.  A.  2).  Geburtsjahr  nach  Prosper  Aq.  331,  wahrscheinlicher  (Zöckler 
S.  21—24)  frühestens  340.  Sein  Lehrer  zu  Rom  in  der  Grammatik  Donatus 
(oben  404)  und  ein  ungenannter  Rhetor  fady.  Rufin.  I,  30),  schwerlich 
Victorimis  (Zöckler  S.  30  f.).  Reise  nach  Gallien.  Aufenthalt  in  Aquileja. 
Wiederholte  Reisen  in  den  Orient  (Syrien).  Askese  in  der  Wüste  J.  374 
— 378.  Epist.  123,  10:  cum  in  chartis  ecclcsiasticis  iuvarem  Damasum 
romanae  urbis  episcopum  et  orientis  atque  occidentis  synodicis  consulta- 
tionibus  responderem  (J.  382).  Verkehr  mit  vornehmen  Römerinneu,  bes. 
Marcella,  Melania,  Paula  (Zöckler  S.  109—126.  140  flf.  276  —  278.  288  f.). 
Adv.  Rufin.  111,  6:  ego  philosophus,  rhetor,  grammaticus,  dialecticus, 
Hebi>aeus,  Graecus,  Latinus  trilinguis.  Prosper  de  ingrat.  56  if.:  hebraeo 
simul  et  graio  latioque  venustus  cloquio,  morum  exemplum  mundique 
magister  Hieronymus.  Vgl.  Zöckler  S.  365  ff.  Seine  Schriften  sind  meist 
verfasst  in  dem  Kloster  bei  Bethlehem,  wohin  er  sich  J.  386  zurückgezogen 
hatte  und  bis  zu  seinem  Tode  (30.  Sept.  420)  blieb.  Vita  Hieronymi  ex 
eius  potissimum  scriptis  concinnata  von  D.  Erasmus  (Ed.  Vol.  1)  und  be- 
sonders von  Vallarsi  (ed.  T.  XI.  p.  1 — 280).  Martianay,  la  vie  de  St,  Jdrome, 
Paris  1706.  4.  Tillemont,  Mämoires  T.  XII.  p.  1—356.  L.  Engelstoft,  H. 
Strid.  interpres,  criticus,  exegeta,  apologeta,  historicus,  doctor,   monachus, 


fiss  Die  Kaitserzeit.    Vierte«  Jahrhundert    J.  3711  ttX 

Kopenh.  1797.  D.  t.  Colin  in  Ensch  nnd  Gnibcr  ü,  8.  S.  72  ff.  F.  Col- 
lombet,  hist.  de  S.  J^rome,  Paris  1844,  2  YoU.  (fibeneizt  Ton  Laudiert  u. 
Knoll,  Rottweil  1848*.  0.  ZAckler,  R;  sein  Leben  und  Wirken  ans  aeineD 
Bchriften  dargestellt,  Gotha  1865.  476  S.  A.  Thierry,  St  J^rome,  la  societ« 
chretienne  ä  Rome  et  IVmigration  romaine  en  terre  sainte,  2  Voll. 
Pari^  1867. 

2.  Hieron.  y.  ill.  135:  osque  in  praedeniem  annum  (392  n.  Chr."^  .  . 
baec  ttcni>fli;  Vitam  Pauli  monachi.  Epitttolarum  ad  diversos  libmm  unum. 
Ad  Ueliodomm  exbortatoriam.  Altercationem  Lociferiani  et  orthodosi. 
Cbronicon  omnimodae  bitstoriae.  In  Hieremiam  et  in  Ezechiel  homilias 
Origenits  XXVIII,  qoas  de  graeco  in  latinnm  Terti.  De  Seraphim,  de  Osanna 
et  de  frngi  et  Inxarioso  filiis.  De  tribus  qnaestionibos  legis  Teteris. 
Homilias  in  cantica  canticonun  duas.  Adversns  Helvidiom  de  rirginitate 
Mariae  perpetna.  Ad  Enstochium  de  virginitate  servanda.  Ad  Marcellam 
epistolamm  libmm  nnnm.  Consolatoriam  de  morte  filiae  ad  Paulam.  In 
epistolam  Pauli  ad  Galatas  commentariomm  libros  III.  Item  in  ep.  ad 
Ephes.  libroa  III.  In  ep.  ad  Tit.  libi-nm  nnum.  In  ep.  ad  Philem.  librnin 
unum.  In  Ecclesiasten  commentanos.  Qnaeationnm  hebraicamm  in  Grenesim 
libmm  unum.  De  locis  libnmi  unnm.  Hebraicomm  nominum  libnuu 
unum.  De  spiritu  sancto  Didjmi,  quem  in  latinnm  transtuli,  libmm  nnom. 
In  Lucam  homilias  XXXIX.  In  psalmos  X— XYI  tractatas  YII.  Malcbi, 
captivi  monachi,  vitam  et  beati  Hilarionis.  Novum  testamentum  graecae 
fidei  reddidi  (die  vier  Evangelien  codicum  graecomm  emendata  coUatiooe, 
ded  vetemm,  nach  der  praef.  an  Damasus),  vetus  iuxta  hebraicam  transtnli. 
Epistolamm  autem  ad  Paulam  et  Eustochium,  quia  quotidie  scribuntur, 
incertus  est  numerus.  Scnpsi  praeterea  in  Michaeam  explanationum 
libroB  II,  in  Sophoniam  libmm  unum,  in  Nahum  libmm  nnum,  in  Habacuc 
libros  II,  in  Aggaeum  libmm  unum,  multaque  alia  de  opere  prophetali 
quae  nunc  habeo  in  manibus  et  necdum  expleta  sunt.  Der  sichtliche 
Mangel  an  Sachordnung  und  die  sonstige  Art  des  H.  machen  wahrschein- 
lich dass  die  Aufzählung  in  der  Hauptsache  die  chronologische  ist.  Vgl. 
comm.  in  lonam,  praef.:  triennium  circiter  fluxit  postquam  qninque  pr9- 
l>heta8  interpretatus  sum,  Michaeam,  Nahum,  Abacuc,  Sophoniam  et 
Aggaeum,  et  alio  opere  detentus  non  potui  implere  quod  coeperam.  scripsi 
enim  libmm  de  illustribus  viris  et  adversum  lovinianum  duo  volumina^ 
Apologeticum  quoque  et  De  optimo  genere  interpretandi  ad  Pammachium 
et  Ad  Xepotianum  vel  De  Nepotiano  duo3  libros  (Trostachreiben,  Zöckler 
8.  216 — 219),  et  alia  quae  enumerare  longum  est.  Noch  später  verfasete 
Schriften  des  H.  sind  (ausser  weiteren  Briefen)  von  den  erhaltenen: 
Contra  loannem  Hierosolymitanuni  (Zöckler  S.  248  f.  400  ff.),  Adversos 
Rufinum  libri  III  (Zöckler  S.  241  ff.  250—266.  407—418),  Regula  S.  Pachomii, 
Contra  Vigilantium  (Zöckler  S.  303  —  310.  418  —  420),  Dialogorum  contia 
Pelagianos  libri  III  (Zöckler  S.  310  ff.  420  ff.),  Commentariomm  iu 
Matthaeum  libri  IV,  Commentarius  in  Dauielem,  Commeutarii  iu  lesaiam 
und  in  leremiam  u.  A.  (Zöckler  S.  291  ff.). 

3.  Gesammtausgaben  von  Des.  Eraemus  (Basil.  Iöl6,  zuletzt  Basil.  156o. 
9  Voll,  fol.),  Marianus  Victorius  aus  Rieti   (Rom.    1566,  9  Voll.  fol.  Antv. 


428.    llierouymus.  989 

1578  f.)»  den  Benediciinern  (studio  et  labore  lo.  Martianay  et  Ant.  Pouget, 
Paris.  1693—1706,  5  Voll,  fol.)  und  besonders  von  Dom.  Vallarsi  (Veron. 
1734—1742,  11  Voll.;  Venet.  1766  —  1772).  Abdruck  der  zweiten  Vallarsi- 
8chen  Ausg.  in  Migne's  Patrol.  XXII— XXX  (Paris  1845.  4.). 

4.  6.  Richter,  das  weström,  Reich  (1866)  S.  602:  „Hier,  war  der 
Disputator  und  Dialektiker  der  streitenden  Kirche.  Sein  Griffel  war  zum 
Meinungskampfe  gespitzt,  geistreich,  witzig,  keck,  voller  Fechterkünste, 
schonungslos  durchbohrend.  Auch  vermochte  er  durch  eine  elegante  Ge- 
lehrsamkeit zu  glänzen.'*  Der  Einiluss  seiner  rhetorischen  Bildung  zeigt 
sich  in  seiner  Vorliebe  für  effectvoUe  Ausmalungen,  seinem  Hang  zu  Ueber- 
treibungen  und  Rabulistereien,  sowie  einer  gewissen  Eitelkeit  und  Empfind- 
lichkeit. Seine  Lieblingsschriftsteller  sind  unter  den  profanen  Cicero  und 
Vergil,  nächstdem  Horaz,  auch  Terenz  und  Persius,  während  Juvenal  nie 
erwähnt  wird.  Weniger  bewandert  war  er  in  der  griech.  Literatur  (E. 
Lübeck,  Hier,  quos  noverit  scriptores  et  ex  quibus  hauserit,  Lips.  1871.  54 pp.). 
Zöckler  S.  323—340.  Nächst  dem  rhetorischen  Charakter  seiner  Schriften 
tritt  ihre  asketische  Richtung  in  den  Vordergrund. 

5.  Die  Kenntnisse  im  Hebräischen  die  sich  H.  mit  Hülfe  von  Rab- 
binern  erworben  (Zöckler  S.  66  —  58.  154  f.  Vgl.  S.  171  f.  179  ff.  344  ff.) 
finden  bei  den  Specialforschern  alle  Anerkennung.'  M.  Rahmer,  die  he- 
bräischen Traditionen  in  den  Werken  des  H.  durch  eine  Vergleichung  mit 
den  jüdischen  Quellen  kritisch  'beleuchtet;  I:  die  Quaestiones  in  Genesin, 
Breslau  1861.  Hieronymi  quaestiones  hebraicae  in  libro  Geneseos  e  recogn. 
P.  de  Lagarde,  Lips.  1868.  Die  Schriften  Interpretationis  hebr.  nominum 
und  De  situ  et  nominibus  locomm  hebr.  in  P.  de  Lagarde's  Onomastica 
Sacra,  Gotting.  1870.  Seine  Bibelübersetzung  ist  in  ihrer  Art  ein  Meister- 
werk; sie  hat  die  ältere  (oben  416,  11)  verdrängt  und  ist  selbst  die  Grund- 
lage der  noch  geltenden  Vulgata  geworden.  G.  Riegler,  kritische  Geschichte 
der  Vulgata,  Salzbach  1820.  L.  van  Ess,  pragmatisch-kritische  Geschichte 
der  Vulg.,  Tübingen  1824.  Zöckler  S.  99—106.  183—186.  207  f.  282.  342 
— 367.    üeber  seine  Commentare  s.  Zöckler  S.  368—381. 

6.  Die  Briefe,  zum  Theil  mit  dem  Umfange  von  kleinen  Büchern 
(z.  B.  ep.  22  ad  Eustochium  de  conservanda  virginitate),  hat  Vallarsi  nach 
ihrer  Zeitfolge  in  fünf  Classen  eingetheilt.  Vgl.  1.  p.  XXXVI:  prima  (Ep. 
1 — 18)  illas  exhibet  quas  Hier,  ab  a.  370,  antequam  eremum  peteret  et  in 
ipsa  eremo,  scripsit  ad  usque  381,  quo  relicta  solitudine  contendit  Romam. 
in  altera  (19—45)  illae  succedunt  quas  Romae  dedit  ab  a.  3S2  ad  385,  quo 
Hierosolymam  navigavit.  tertia  (46—95)  illas  complectitur  quas  e  Bethleemi 
monasterio  scripsit  ab  a.  386  usque  ad  400,  quo  in  alexandrina  synodo 
Origenes  damnatus  est.  quarta  (96  —  144)  illas  repraesentat  quas  ab  eo 
tempore,  a.  401,  ad  vitae  usque  finem,  a.  420,  exaravit.  in  quintam  denique 
classem  tres  illas  (145  —  147)  redegi  quarum  tempus  minus  compertum, 
iisque  tres  alias  (148—150)  subdidi  quarum  auctor  incertus  est.  Recht- 
fertigung der  chronologischen  Anordnung  ib.  p.  XXXVI— LXIV.  Ep.  85,  1 
(p.  633  Vall.):  uno  ad  occidentem  navigandi  tempore  tantae  a  me  simul 
epistolae  flagitantur  ut  si  cuncta  ad  singulos  velim  rescribere  occurerre  ne- 
queam.     unde   accidit  ut  omissa    compositione    verborum   et  scribentium 


990  Die  Kaiserzeit   Viertes  Jahrhundert  (J.  379  ff.). 

sollicitadine   dictem   qtiidquid  in   buccam   venerit.     Schaubach^   Über  die 
Briefe  des.h.  Hier.,  Coblenz  1856.  4. 

7.  Die  üebersetzung  der  Chronik  des  Eusebius  (vgl.  Zöckler  S.  84—86. 
383 — 385)  ist  gewidmet  Vincentio  et  Gallieno.  Das  Vorwort  hebt  die 
Schwierigkeit  aller  üebersetzangen  hervor:  et  ad  conunonem  difBcnltatem 
.  .  hoc  nobis  proprium  ß<^cedat  quod  historia  multiplex  est,  habens  in  bar- 
bara  nomina,  res  incognitas  Latinis,  nnmeros  inextricabiles,  virgulas  rebus 
pariter  ac  nnmeris  intertextas  (p.  2  Seh.).  .  .  (p.  3:)  Graecomm  fidem  sno 
auctori  adsignent  et  quae  nova  insemimus  de  aliis  probatissimis  viris  libata 
cognoscant.  sciendnm  etenim  est  me  et  interpretis  et  scriptoris  ex  parte 
officio  usum,  quia  et  graeca  fidelissime  expressi  et  nonnulla  quae  mihi  inter- 
missa  videbantnr  adieci,  in  romana  maxime  historia ,  quam  Eusebius  huius 
conditor  libri  .  .  perstrinxisse  mihi  videbatur.  itaque  a  Nino  et  Abraham 
usque  ad  Troiae  captivitatem  pura  graeca  translatio  est.  a  Troia  autem 
usque  ad  XX  Constantini  annum  nunc  addita  nunc  mixta  sunt  plurima 
quae  de  Tranquillo  et  ceteris  inlustribus  in  historicis  curiosissime  excerpsL 
a  Constantini  autem  supra  dicto  anno  (J.  325)  usque  ad  consulatum  Augg. 
Valentis  sexies  et  Valentiniani  iterum  (J.  378)  totnm  meum  est.  quo  fine 
contentus  reliquum  temporis  Gratiani  et  Theodosii  latioris  historiae  stilo 
reservavi,  .  .  quoniam  dibacchantibus  adhuc  in  terra  nostra  barbaris  incerta 
sunt  omnia.  Damit  stimmt  die  Bemerkung  nach  Ol.  276,  2  »»  a.  Abr.  2342 
(J.  326):  huc  usque  historiam  scripsit  Eusebius  Pamphili  martyris  contu- 
bernalis.  cui  nos  ista  subiecimus.  Eusebius  begann  mit  dem  ersten  Jahre 
Abrahams  »»  43  des  Ninus  =—  22  des  Europs  »  ersten  der  16ten  Dynastie 
der  Thebäer.  OL  1,  1  »  a.  Abr.  1240  (Mai;  Scaliger  und  Fontacus  1241). 
Abr.  2016  »In.  Chr.  Die  Geburt  Christi  setzte  Eus.  ins  J.  5199  d.  W. 
A.  V.  Gutschmid,  de  temporum  notis  quibus  Eusebius  utitur  in  chronicis 
canonibus,  Kiel  1868..  4. 

8.  Die  eigenen  Zuthaten  des  Hier,  lassen  sich  controlieren  durch  die 
von  Interpolationen  freie  armenische  Üebersetzung  der  Chronik  des  Euse- 
bius, gefunden  1816  und  herausgegeben  von  I.  Zorab  et  A.  Mai  (Mailand 
1818),  besser  opera  I.  B.  Aucher  (Venet.  1818).  Die  Reste  des  griechischen 
Originals  sowie  die  üebersetzung  des  Hier,  herausgegeben  von  A.  Pontacub 
(Bordeaux  1604.  fol.),  in  Jos.  Scaligers  thesaurus  temporum  (Lugd.  1606. 
Amsterd.  1658.  fol.),  von  Vallarsi  (ed.  Hier.  t.  VIII),  Th.  Boncalli  (vetust. 
lat.  scr.  chronica,  Patav.  1787,  t.  I),  in  Mai's  Scriptt.  vett.  nova  coli.  VIII 
(Rom  1833),  und  besonders  von  A.  Schöne  (Eusebi  chronicorum  libri  duo. 
Vol.  II.  Berol.  1866);  vgl.  dessen  Quaestionum  Hieronym.  capita  selecta 
(Lips.  1864)  und  Götti.  Gel.  Anz.  1867,  S.  986  —  996.  A.  v.  Gutschmid  in 
Fleckeisens  Jahrbb.  95,  S.  677—688. 

9.  Th.  Mommsen,  über  die  Quellen  der  Chronik  des  Hier.,  Abhandl. 
d.  Sachs.  Ges.  d.  W.  H  (philol.  bist.  Cl.  I),  Leipzig  1850,  S.  669—693.  Hie- 
nach  (S.  683  f.)  waren  die  Quellen  des  H.  ausser  dem  Kanon  und  der  se- 
ries  regum  des  Eusebius:  Eutrop's  breviarium,  breviarium  Sex.  Bufi,  die 
Stadtchronik,  Sueton's  Schrift  de  viris  in  litteris  illustribus  (oben  342,  7), 
die  dem  H.  noch  vollständig  vorlag,  eine  verlorene  latina  historia  de  ori- 
gine   gentis   rom.    und   ein  verlorenes  Werk  über  die  Zeit  von  Pompejua' 


428  f.   Hieronymus.   Rufinas.  991 

Tod  bis  zur  Schlacht  bei  Actiam.  Am  wenigsten  Verlags  bieten  seine 
Jahrszahlen,  da  er  seine  Anmerkungen,  wo  er  in  seinen  Quellen  keine  Jahrs- 
zahl dafür  fand,  beliebig  unter  gewissen  Jahren  unterbrachte  (vgl.  z.  B. 
oben  198,  2.  372,  iE,  392,  1.  Bitschi,  Parerga  S.  609  ff.  Beifferscheid's 
Sueton  p.  365.  380—387).  Fortgesetzt  wurde  die  Chronik  des  H.  von  Pros- 
per  und  Cassiodor. 

10.  Die  Schrift  de  viris  illustribus  (oder  de  scriptoribus  ecclesia- 
sticis)  ist  verfasst  J.  392  und  gewidmet  dem  praef.  praet.  Dezter.  Vgl. 
Zöckler  S.  190—194.  385—387.  Vorwort:  hortaris  me,  Dezter,  ut  Tran- 
quillum  sequens  ecclesiasticos  scriptores  in  ordinem  digeram  et  quod  ille 
in  enumerandis  gentilium  litterarum  viris  fecit  illustribus  ego  in  nostris 
faciam,  i.  e.  ut  a  passione  Christi  usque  ad  XIV""*  Theodosii  Imp.  annuni 
(392)  omnes  qni  de  scripturis  sacris  memoriae  aliquid  prodiderunt  tibi 
breviter  ezponam.  .  .  ego  .  .  magistrum  memet  ipsum  habeo,  quamquam 
Eusebius  Pamphili  in  X  ecdes.  bist,  libris  mazimo  nobis  adiumento  fuerit 
et  singulorum  de  quibus  scripturi  sumus  volumina  aetates  auctorum  suo- 
rum  saepe  testentur.  In  Vallarsi's  Ausg.  (T.  II,  2.  p.  821  ff.)  ist  die  alte 
griechische  üebersetzung  welche  D.  Erasmus  unter  dem  Namen  des  Sophro- 
nius  herausgab  mit  abgedruckt,  sowie  (p.  967  ff.)  des  Gennadius  Fortsetzung 
der  Arbeit  des  Hier. 

429,  Vorzugsweise  der  erbitterten  Streitschrift  welche  Hie-409 
ronymus  gegen  den  ehemaligen  Freund  richtete  verdankt  seine 
Berühmtheit  Tyrannius  (Turanius)  Rufinus  (um  345 — 410),  aus 
Aquileja,  dessen  literarische  Thätigkeit  fast  ausschliesslich  darauf 
gerichtet  war  die  Werke  griechischer  Kirchenlehrer,  besonders 
des  Origenes  und  Eusebius,  lateinisch  zu  bearbeiten.  Um  Wort- 
treue  war  es  ihm  dabei  nicht  zu  thun.  Ebenso  gehalten  ist 
seine,  üebersetzung  der  Sprüche  des  Sextius.  Andere  christliche 
Prosaiker  der  Zeit  waren  die  Grammatiker  Cresconius,  Euagrius, 
Dexter,  Anastasius,  Chromatius. 

1.  Gennad.  vir.  ill.  17:  Rufinus  Äquileiensis  ecclesiae  presbyter  non 
minima  pars  fuit  doctorum  ecclesiae  et  in  transferendo  de  graeco  in  lati- 
num  elegans  ingenium  habuit.  denique  maximam  partcm  Graecomm  bj- 
bliothecae  Latinis  exhibuit:  Basilii  scilicet  Caesariensis  .  . ,  Gregorii  Nazian- 
zeni  .  . ,  dementia  Romani  recognitionum  libros ,  Eusebii  Caesariensis  .  . 
ecclesiasticam  historiam,  Sexti  sententias,  Evagrii  sententias  (s.  A.  4).  inter  ^ 
pretatns  est  etiam  sententias  Pamphili  martyris  adversum  mathematicos. 
.  .  Origenis  autem  non  omnia,  quia  etHieronymus  transtulit  aliquanta.  .  .  ex- 
posuit  idem  Rufinus  Symbolum.  .  .  disseruit  et  benedictionem  Jacob  super 
patriarchas  triplici,  i.  e.  historico,  morali  et  mystico,  sensu,  scripsit  et 
Epistolas  ad  timorem  dei  hortatorias  multas,  intcr  quas  praeminent  illae 
quas  ad  Probam  dedit.  Historiae  etiam  ecclesiasticae  (des  Eusebius)  .  . 
addidit  X  et  XI"™  librum.  sed  et  obtrectatori  opusculorum  suorum  (dem 
Hieronymus)  respo'ndit  duobus  voluminibus,   arguens  et  convincens  de  dei 


992  Die  Kaiserzeit.    Viorics  Jahrhundert  (J.  .'UO  ft\). 

intoitu  et  eoclesiae  ntilitate  .  .  ingenium  agitasse,  illum  vero  aemulationis 
Btimulo  incitatum  ob  obloqiiendnm  BÜlam  vertisse.  Vgl.  Ap^  Sidon.  Ep.  II, 
9:  Origenes  Turranio  Rnfino  interpretatns  .  .  inspiciebatur  .  .  ad  verbum 
sententiamque  translatiiR. 

2.  Rufini  opera  ad  codd.  emend.  Domin.  Vallarsi,  Veron.  1745.  fol. 
Tom.  I  (unvollendet)  =  Migne's  Patrolog.  XXI,  Parin  1849.  Enthält: -«lo 
benedictionibas  patriarcharnm  libri  TI;  Commentarius  in  symbolum  apo> 
stolorum;  Historia  monachornm;  Historiae  eccl.  libri  II;  Apologiae  in  Hie- 
ronymmn  libri  II;  Apologia  altera  ad  Anastasium  papam.  Ansserdem 
PseudorufinischeB.  Die  Uebersetzungen  deB  Bnf.  in  den  Ausgaben  des  Ori- 
genes u.B.  w.,  die  StreitBchrifben  in  denen  des  Hieronymos.  üeber  Bufinus 
vgl.  B.  Ceillier,  bist.  gen.  X.  p.  1 — 65.  J.  Fontanini,  bist.  lit.  Aquileienais 
(Born  1742.  4.),  auch  in  Valiarsi'B  n.  Migne's  Ansg.  F.  J.  F.  B.  M.  de  Ru- 
beis,  dissertationeB  (Venet.  1754.  4.).  J.  H.  Marzuttini,  de^Turanii  Bufini 
pr.  Aq.  fide  et  religione,  Patar.  1835. 

3.  Hieronym.  Ep.  4  (p.  14  Yall.):  Bufinus,  qui  cum  sancta  Melania 
ab  Aegypto  Hierosolymam  yenisse  narratur,  individua  mihi  germanitatis 
caritate  conexns  est.  .  .  in  illo  conspicies  expressa  eanctitatis  inaignia  etc. 
Der  Streit  des  H.  mit  B.  bezog  eich  auf  die  Stellung  zu  Origenes,  welchem 
B.  zugethan  blieb  auch  nachdem  er  für  häretisch  erklärt  worden  war.  Je 
unzweifelhafter  H.  selbst  früher  zu  den  Lobrednem  des  Or.  gehört  hatte 
(vgl.  Ep.  84),  desto  gereizter  und  derber  wurde  er  jetzt  gegen  B.,  der  ihn 
öffentlich  daran  erinnerte.  Auch  schriftstellerische  Eifersucht  mischte  sich 
ein.  Vgl.  oben  428,  2  g.  E.  Proben  des  nunmehrigen  Tones  von  H.  gegen 
Buf.  bei  Funccins  de  veg.  senect.  74,  p.  800.  Dem  Paulinus  (Nol.)  gilt  Buf. 
als  eine  Autorität  in  Fragen  der  Gelehrsamkeit;  s.  Paulin.  epist.  28,  5 
und  ep.  46. 

4.  Ueber  des  R.  Bearbeitung  der  Sprüche  des  Sextius  s.  oben  261,  6. 
Hieronym.  ep.  133,  3  (p.  1029  Vall.):  Evagrius  Ponticus  Iberita  (vgl.  Gen- 
nad.  vir.  ill.  11)  .  .  edidit  librum  et  sententias  nsQl  dnad'siag.  .  .  huius  libros 
per  orientem  graecos  et  interpretante  discipulo  eins  Rufino  latinos  plerique 
in  occidente  lectitant.  qui  librum  quoque  scripsit  quasi  de  monachis. 
.  .  illam  autem  temeritatem,  immo  insaniam  eius  quis  digno  possit  expli- 
care  sermone  quod  Sexti  Pythagorei,  hominis  absque  Christo  atque  ethnici, 
immutato  nomine  Sixti  martyris  et  romanae  ecclesiae  episcopi  praenotavit 
(ohne  Zweifel  bona  fide).  in  quo  iuxta  dogma  Pythagorioorum  .  .  multa 
de  perfectione  dicitur,  ut  qui  volumen  philoBophi  nesciunt  sub  martyris 
nomine  bibant  de  aureo  calice  Babylonis.  denique  in  ipso  volumioe  nulla 
prophetarum,  .  .  nulla  Christi  fit  mentio,  ut  episcopum  et  martyrem  sine 
Christi  fide  fuisse  contendat.  fecerat  hoc  et  in  sancti  Pamphili  martyris 
nomine,  ut  librum  primum  VI  libromm  defensionis  Origenis  .  .  nomine 
Pamphili  martyris  praenotaret,  quo  scilicet  egregia  illa  IV  Origenis  negl 
ciffxäv  Yolumina  latinis  infnnderet  auribus.  Letztere  Schrift  ist  nur  in  der 
Uebersetzung  des  R.  erhalten.^ 

5.  Gennad.  vir.  ill.  16:  Faustinns  presbyter  scripsit  ad  personam 
Flaccillae  reginae  (f  386)  Adversum   Arianos  et  Macedonianos  libros  VIL 


429  f.  Rnßnus,  Dexter  ii.  A.    Prudeiitius.  993 

.  .  scripsit  et  librum  quem  Valentiniano ,  Theodosio  et  Arcadio  impp.  pro 
dcfensione  suorum  .  .  obtulit.  Beide  Bind  erhalten  und  gedruckt  z.  B.  in 
der  Bibl.  patr.  max.  V,  in  Gallandi  bibl.  patr.  VIII,  und  in  Migne's  Pa^ 
trol.  XIII. 

6.  Augustin.  retract.  II,  26:  grammaticus  quidam  donatista  Creaco- 
nius  cum  invenisBet  epistolam  meam  .  .  putavit  mihi  esse  respondendum 
et  hoc  ipsum  scripsit  ad  me.  cui  operi  eins  libris  quattnor  respondi.  .  .  hos 
autem  IV  libros  quando  scnpsi  iam  contra  Donatistas  legCR  dederat  Ho- 
norius  imperator. 

7.  Ueber  den  Donatisten  Tichonius  s.  unten  436,  2. 

S,  Hieron.  vir.  ill.  125:  Evagrius  Antiochiae  episcopus  .  .  vitam  beati 
Antonii  de  graeco  Athanasii  in  sermonem  npstrum  transtulit. 

9.  Hieron.  vir.  ill.  132:  Dexter  Paciani  (oben  415,  4)  filius,  clarus 
apud  saeculum  et  Christi  fidei  deditus,  fertur  ad  me  omnimodam  historiam 
texuisse,  quam  necdum  legi.  Das  Werk  ist  nie  fertig  geworden  oder  ver- 
loren gegangen.  Das  Chronicon  Dextri  (von  J.  762  — 1183  d.  St.)  welches 
der  spanische  Jesuit  Hieronymus  Romanus  de  Higera  gefunden  haben  wollte 
(gedruckt  z.  B.  Caesaraugust.  1694.  4.  in  Migne's  Patrol.  XXXI)  ist  eine 
Fälschung. 

10.  Zwei  Briefe  des  Anastasius,  Bischof  von  Rom  J.  398 — 402,  s.  Cou- 
stant,  Epist.  pontiff.  I.  p.  719  if.  (486  ff.  Schön.).  Gallandi  bibl.  patr.  VIII. 
p.  246  ff.     In  Migne's  patrol.  XX.  p.  68—76.  XXI.  p.  627  ff. 

11.  Von  Chromatius,  Bischof  von  Aquileja,  f  406,  Predigten  über  das 
Ev.  Matthäi  z.  B.  in  Gallandi  bibl.  patr.  VIII.  p.  333  ff.  und  in  Migne's 
patrol.  XX.  p.  323  ff. 

430.  Der  bedeutendste  christliche  Dichter  ist  Aurelius  Pru-4io 
dentius  Clemens  (J.  348  bis  um  410),  dessen  rhetorische  Bildung 
sich  in  der  Wortfülle  und  Gewandtheit  bekundete  v^omit  er  mancli- 
f altige,  zum  Theil  ganz  abstracte^  Gegenstände  in  verschiedenen 
Versmassen,  besonders  aber  im  epischen,  behandelte.  Am  ge- 
lungensten sind  die  Märtyrergeschichten  (Peristephanon),  welche 
öfters  warm,  lebendig  und  anschaulich  werden.  Die  Gedichte 
in  lyrischen  Metren  zeigen  Anschluss  an  Horaz.  Die  Prosodie 
trägt  die  Spuren  der  Zeit  an  sich,  doch  in  verhältnissmässig 
geringerem  Umfange  als  Anderes  aus  dieser  Zeit.  Aus  ihr  ist 
auch  die  Darstellung  der  heiligen  Geschichte  in  vergilischen 
Versen  durch  Proba  Faltonia  und  Anderes. 

1.  Gennad.  vir.  ill.  13:  Prudentius,  vir  saeculari  litteratura  eruditus, 
composuit  Siztoxaiov  de  toto  vetere  et  novo  testamento  personis  exceptis. 
coramentatus  est  autem  in  morem  Graccorum  Hexaemeron  de  mundi  fabrica 
(nicht  erhalten,  vgl.  ib.  67).  .  .  fecit  et  in  laudem  martyrum  sub  aliquorum 
nominibus  Invitatorium  ad  martyrium  librum  unum  et  Ilymnorum  alterum. 

TKumsL,  Rom.  Literaturgeschichte.'  2.  Aufl.  63 


Die  Kaiseraeit.   Vierte»  Jahrhundert  (J.  379  ff.). 

Ute  Anrelina  Pradentiiii  ClemODs  c.  B.  im  «ehr  alten  cod 
ebort  Salia  oob.  (prüf.  24)  —  J.  346,  in  Spaaien  {wahncheiu- 
irriB,  e.  Perist.  TV,  31  v^l.  I,  116  noatro  oppido;  weoiger  be- 
I.  97  für  CaeiaraugoatA  =>  SaragOBsa).  Ueber  ieiu  Leben 
docuit  toga  (virilia)  iofectuDi  vitiid  faJia  toqui  (in  der  Khe- 
>.)  .  .  esin  iorgia  turbidoa  armarunt  animoe  (Advocat).  . .  (16  ff.; 
ideramine  frenoa  nobilium  reiimua  arbinnt  (als  pr&eaee  eJDer 
:ivile  boniB  reddidimns,  terraimus  reoa.  taodem  militiae  (Hof- 
evectum  pietas  principis  (TheodoBioa)  extnlit,  adanmptum 
iubena  ordiae  proximo.  Ala  er  G7  J.  alt  war  (praef.  1  B-) 
er  die  Sammlung  aeiner  Gedichte  heraäa. 
34  ff.:  fine  sab  ultimo  peccatrix  aoima  stultitiam  exust,  saMem 
3celebret,  si  meritia  neqnit:  hymnia  continuet  dies,  oec  uoi 
a  domianm  caoat,  pugoet  coDtra  bereaea,  cütholicam  diacatisl 
;et  sacra  gentium,  labem,  Roma,  taia  inferat  idSlia,  Carmen 
tTOveat,  laudet  apoatoloa.  lat  hier  die  UrdooDg  der  Ab- 
ingehalten,  ao  wäre  die  Aufeinanderfolge:  Catbemerioon. 
iamortigenia,  rajcbomachia.  Contra  Symmachum  libri  II, 
Dittocbaeon.  Die  Titel  aind  also  fast  auBschliesalii^  griecfaii^li 

ui/tväv  liber  behandelt  einen  Tages-  und  Lebenslauf  im 
inoe  and  enthält  1.  hymnus  ad  galli  cantum.  2.  hj'mnui 
ide  im  dim.  iamb.  ac).  3.  h.  ante  cibum  (<«tr.  dnct  cX 
>um  (phalaec).  f>.  h.  ad  incensnm  lucernae  (aaclep,  miDi. 
nunm  (dim.  iamb.  c).  7.  b.  ieionantium  (trim.  iamb,  ac.) 
inium  (sappb.  Strophen).  9.  h.  omnia  horae  (tetr.  troch.  c.l. 
luias  defuncti  (dim.  anap.  c).  11.  h.  VIU  kal.  lan.  (Chriil 
Epiphaniae  (ErscbeiouDgsfeat),  beide  im  dim.  iamb.  ac. 
ams,  eine  verBificisrt«  Trinitätslebre  mit  gelegentlicher  B«- 
Haupthäresen,  wie  der  Patripa^aiaDer,  Arianer,  Sabeltisier, 
)  Doketiamus  u,  b.  w.  Nach  doppelter  EiDleitucg,  im  Heia- 
dem  MasBe  toq  üorat.  epo.  1  —  10,  folgt  das  Oedicbt  selbst 

yrvtta.  Nach  einem  Vorwort  über  Kain  und  Abel  (Im  triu 
ie  Entstehung  der  Sdnde  abgehandelt  (in  966  Heiametem), 
jegenaatze  zu  dualiatitcben  AaSasaungen  der  Gnostiker  wie 
iraef.  36;  v.  66.  124.  aoi). 

axia  beatebt  aus  einer  praefatio  im  Senar  und  915  Heiamc 
apf  um  die  Seele  des  Henscben  wird  gef3brt  von  deD  Ali- 
'  Ira,  Patientia,  Superbia,  Sobrietaa,  Avoritia,  Virius,  Spe«, 
Concoi'dia,  Diacotdia  u.  a.  f. 

Symmachnm  libri  11.  Nach  einem  Vorwort  im  asolep.  mio 
r>7  Heiameter,  B.  II  (mit  praef  in  Glykoneen]  ltS3  Heia- 
den Gregenstand  b.  oben  418,  13.  Daa  erste  Buch  bekämpf 
lus  im  Allgemeinen,  das  zweite  die  einzelnen  Bebaoptongen 


430.   Prudentius.  995 

8.  TIsqI  cxBcpaviov  über,  zum  Preise  von  chriatlichen' Märtyrern:  1.  In 
honorem  Emeterii  et  Chelidonii  Calagurritanorum ,  120  tetr.  troch.  c.  2. 
Laurentii,  584  dim.  iamb.  ac.  in  vierzeiligen  Stropben.  3.  Eulaliae,  215  tetr. 
dact.  c.  4.  XYIII  martyrum  Caesaraugustanorum ,  60  sapphisclie  Strophen. 
5.  Vincentii,  575  dim.  iamb.  ac.  6.  Fruetnosi  epi&c.  Tarraconensis  etAugnrii 
et  Enlogii  diaconorom,  162  phaläkische  Hendekasyllaben.  7.  Qnirini  epiac. 
eccl.  siecianae,  90  Glykoneen.  8.  De  loco  in  quo  martyres  passi  sunt,  nunc 
baptisterium  Calagurri,  9  Distichen.  9.  Passio  Cassiani  forocorneliensis, 
106  Verse  im  Masse  von  Hör.  Epo.  16.  10.  Romani,  fast  von  dem  umfange 
eines  Epos,  aber  in  (1140)  iambischen  Senaren  (in  fünfzeiligen  Strophen?), 
mit  ausführlicher  Darstellung  des  christlichen  und  des  polytheistischen 
Standpunktes    in   Rede    und    Gegenrede.      11.    Hippolyti,    123    Distichen. 

12.  Petri   et   Pauli   apostolorum,    66  Verse   im  Masse  von  Hör.  0.  I,  4. 

13.  Cypriani,  106  archilochische  Verse.    14.  Agnetis  virginis,  133  alkäische 
Hendekasyllaben. 

9.  Dittochaeon  (Doppelnahrung?),  49  vierzeilige  Epigramme  im  epi- 
schen Masse  über  einzelne  Gegenstände  des  A..  und  N.  T.  von  Adam  und 
Eva  bis  zur  Apokalypse,  eine  Art  christlicher  Bildergalerie. 

10.  Die  prosodischen  Verstösse,  unter  dem  Einflüsse  des  Rhythmisie- 
rens,  sind  bei  Prud.  selten  so  gedrängt  wie  praef.  39  ff.  (oben  A.  2).  Zu- 
sammenstellung derselben  in  DresseFs  Ausg.  p.  XVII  f.  not.  54.  Archaismen 
wie  aquai,  venarier  nach  Versbedürfniss,  doch  nicht  sehr  häufig. 

11.  Handschriften  des  Prud.  gibt  es  zahlreiche;  die  älteste  (saec.  V — VI) 
und  wichtigste  ist  der  von  N.  Heinsius  benützte  cod.  Pnteaneus  (jetzt  Paris. 
8084).  P.  Krüger,  Hermes  IV.  p.  352  f.  Verzeichniss  der  italienischen  bei 
Dressel  p.  XLVI  ff. 

12.  Verzeichniss  und  Beschreibung  der  Ausgaben  bei  Dressel  p.  XXV — 
XLVI.  Besonders  erwähnenswerth  sind  die  von  V.  Giselin  (Antv.  1664  u.  oft), 
J.  Weitz  (Hanau  1613),  N.  Heinsius  (Amstel.  1667),  Chr.  Cellarius  (Halle 
1703),  Faustinus  Arevalus  (Rom.  1788  f.  2  Voll.),  Th.  Obbarius  (rec.  et 
expl.,  Tubing.  1845),  Migne  (Patrolog.  LIX  u.  LX),  Alb.  Dressel  (ad  vaticc. 
all.  codd.  fid.-  rec,  ill.  expl.,  Lips.  1860). 

13.  H.  Middeldorpf,  de  Prudentio  et  theologia  Prudentiana,  Bcrl.  1823. 
1827.  4  =  Illgen's  Zeitschr.  f.  bist.  Theol.  II  (1832)  p.  127  —  190.  F.  De- 
lavigne,  de  lyrica  apud  Prud.  poesi,  Toulouse  1848.  J.  B.  Brys,  de  vita  et 
scriptis  Prud.,  Löwen  1856.  C.  G.  Schmidt,  Prudentiana,  in  der  Zeitschr. 
f.  luth.  Theologie  von  Delitzsch  XXVII  (1866).  Gl.  Brockhaus,  Aur,  Prud. 
Gl.  in  seiner  Bedeutung  für  die  Kirche  seiner  Zeit,  Leipz.  1872.  335  S. 

14.  Im  cod.«  Paris.  8084  des  Prudentius  (s.  A.  11)  findet  sich  auch 
ein  christliches  Gedicht  von  122  Hexametern  aus  J.  394  oder  395,  worin 
unter  vielen  Verstössen  gegen  die  Prosodie  (z.  B.  v.  44:  colläribus  subito 
membrü  circumdare  suetus)  mit  Hinweisung  auf  Vorgänge  der  letzten  Ver- 
gangenheit (Fiavianus,  oben  421,  1)  der  Polytheismus  bekämpft  wird.  Gh. 
Morel,  Revue  arch^ol.  1868.  I.  p.  453—457.  H.  p.  44—55.  A.  Riese,  Anthol. 
lat.  I.  p.  13—17,  vgl.  p.  XL  J.  B.  Rossi,  Bull,  di  arch.  crist.  1868,  p.  49—58. 
61 — 75.  Th.  Mommsen  im  Hermes  IV.  p.  350  —  363  (carmen  non  minus 
pium  et  chrifitianum  quam  iueptuni  et  barbarum). 

63* 


I 

I 

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996  Die  Kaiserzeit.    Viertes  Jahriinndert  (J.  379  ff.)- 

15.  laidor.  origg.   l,   38,  -25  (vgl.  de  scripi.  eccL  5):    Proba,    nxor 
Adelphi  (procoosulis),  centonem  ex  Yergilio  .  .  expressit.    Vgl.  oben  26,  S. 

.J.  Fontanini,  de  antiqaitt.  Hortae  (Rom  1708.  4)  II,  1  f.,  der  diese  Falconia 
(Faltonia)  Proba  aus  Horta  von  Anicia  Faltonia  Proba  wie  von  Valeria 
Proba  unterscheidet  Der  cento  ist  oft  gedruckt  (Fabricius,  bibl.  lat.  med. 
aet.  ed.  Mansi  I.  p.  143  f.),  zuerst  Venet.  1472  foL,  dann  z.  B.  von  Meibom 
(Helmst&dt  1697.  4.),  in  den  Centones  homerici  et  vergiliani  (oben  26,  6), 
zuletzt  in  Migne^s  patrol.  XIX.  p.  803  —  817.  Cento  Probae  inlustris  im 
Palat.  1763  saec.  IX— X.  Nach  Montfancon,  diar.  ital.  p.  36  hat  eine  Uda. 
saec.  X  die  Unterschrift:  Proba  uzor  Adelphi,  mater  Olybrii  et  Alypii,  cum 
Constantini  bellum  adversus  MagnenÜum  conscripsisset,  conscripsit  et  hunc 
librum.  Wirklich  deutet  sie  in  der  praef.  auf  dergleichen  Veröffentlichungen 
hin:  iamdudum  temerasse  duces  pia  foedera  pacis,  .  .  di^ersasque  neces 
regum,  crudelia  bella,  .  .  confiteor,  scripsi;  satis  est  nieminisse  malorum. 
nunc,  deus  omnipotens,  sacrum,  preoor,  accipe  carmen,  .  .  arcana  ut  possim 
vatis  Proba  cuncta  referre.  .  .  Vergiliunx  cecinisse  loquar  pia  munera 
Christi.  Vom  A.  T.  ist  nur  die  Schöpfung,  Sündenfall  und  Sintflut  aus- 
führlicher erzählt,  cetera  facta  patrum  pugnataque  in  ordine  bella  prae- 
tereo  atque  aliis  post  me  memoranda  relinquo.  Worauf  sie  sich  zur  Geburt 
Christi  wendet  und  seine  Geschichte  bis  zur  Ilimmelfahrt  fortfahrt  Ein 
Grammatiker  der  diesen  cento  (oder  einen  andern  christlichen)  für  einen 
Kaiser  (Arcadius?)  abschrieb  fügte  eine  Widmung  an  diesen  in  schlechten 
Versen  bei  (Anthol.  lat.  735  B.):  Romulidum  ductor,  .  .  spes  orbis  fratris- 
que  decus,  dignare  Maronem  mutatum  in  melius  divino  agnoscere  sensu, 
Bcribendum  famulo  quem  iusseras.  .  .  haec  relegas  servesque  diu  tradasque 
minori  Arcadio,  haec  ille  suo  generi,  haec  tua  semper  accipiat  doceatque 
8008  augusta  propago.  Vgl.  unten  466,  6.  J.  Aschbach,  die  Anicier  und 
die  römische  Dichterin  Proba,  Wien  1870  (Sitzungsberichte  der  Wiener  Ak., 
philol.  bist  Cl.  LXIV.  S.  369—446). 

16.  Ueber  Severus  Sanctus  Endelechios  s.  unten  441,  1  u.  2. 

411  431.  In  Versen  und  Prosa  schrieb  der  Verwandte  und 
Schüler  des  Ausonius,  Meropius  Pontius  Anicius  Paulinus  aus 
Burdigala  (J.  353 — 431).  Rhetorisch  gründlich  gebildet  verfasste 
er  einen  Panegyricus  auf  Theodosius,  nach  dessen  Sieg  über 
Eugenius.  Erhalten  sind  von  ihm  51  Briefe  und  eine  Anzahl 
Gedichte  im  epischen  und  in  melischen  Metren.  J.  389  zum  Chri- 
stenthum  übergetreten,  widmete  Paulinus  seine  Feder  der  Ver- 
herrlichung seines  Glaubens  und,  als  er  J.  409  Bischof  von  Nola 
geworden,  dem  Preise  des  dort  verehrten  Märtyrers  Felix.  Seine 
Formgewandtheit  und  umfassende  Kenntniss  der  weltlichen  Li- 
teratur tritt  in  diesen  Arbeiten  klar  zu  Tage. 

1.  Gennad.  vir.  ill.  48:  Paulinus,  Nolae  Campaniae  episeopus,  composuit 
versu  brevia  (?),  sed  multa,  et  ad  Celsum  quendam  (s.  A.  4  E.)  epitaphii  vice 
consolatorium  libellum  super  morte  christiani  et  baptizati  infautis,  spe  chri- 


J 


430  f.   Proba.   Pauli nus  Nol.  997 

stiana  munitom;  et  ad  Severum  (A.  2  E.)  plores  epistolas,  et  ad  Theodosiam 
imp.  ante  episcopatum  prosa  panegyricum  super  victoria  tyrannorum,  eo 
masime  quod  fide  et  oratione  plus  quam  armis  vicerit  (ygl.  Hieron.  ep. 
58,  8:  librum  tuum  quem  pro  Theodosio  principe  prudenter  ornateque 
compositum  transmisisti  libenter  legi  et  praecipue  mihi  in  eo  subdivisio 
placuit  etc.  Paulin.  epist.  28,  6:  ut  in  Theodosio  non  tarn  imperatorem 
quam  Christi  servum  .  .  praedicarem).  fecit  et  Sacramentarium  et  Hym- 
narium.  ad  sororem  quoque  epistolas  multas  de  contemtu  mundi  dedit. 
edidit  et  ex  diversis  causis  diversa  disputatione  tractatus.  praeeipuum  tamen 
omnium  eins  opusculorum  est  Liber  de  poenitentia  et  laude  generali  om- 
nium  martyrnm.  claruit  temporibus  Honorii  et  Valentiniani  non  solum 
eruditione  et  sanctitate  vitae  sed  et  potentia  adversum  daemones.  Aus- 
führliche Prolegomena  von  Muratori  bei  Migne  LXI.  p.  16 — 124'  und  die 
Zeugnisse  über  P.  ib.  p.  126—152.  A.  Buse,  Paulinus  Bischof  y.  Nola  u. 
seine  Zeit,  Regensburg  1856.   2  Bde. 

2.  Ausonius  hat  dem  P.  sein  Technopaegn.  gewidmet  und  an  ihn 
Epist.  19 — 25  gerichtet  (z.  B.  23,  33  ff. :  ego  sum  tuus  altor  et  ille  praeceptor 
primus,  veterum  largitor  bonorum,  primus  in  Aonidum  qui  te  coUegia 
duxi).  Vgl.  oben  S.  952,  Z,  13  ff.  Poetische  Antwort  des  P.  carm.  10,  wo 
93  ff.:  tibi  disciplinas,  dignitatem,  litteras,  linguae,  togae,  famae  decus, 
provectuB,  altus,  institutus  debeo,  patrone,  praeceptor,  pater.  Doch  musste 
Aus.  bald  sich  überzeugen  dass  auf  seinen  Zögling  seine  reiche  und  fromme 
Frau,  Therasia,  viel  grösseren  Einfluss  hatte  als  der  alte  halbheidnische 
Lehrer.  Augustin.  de  civ.  dei  I,  10:  Paulinus  noster,  Nolensis  episcopus, 
ex  opulentissimo  divite  voluntate  pauperrimus  (er  schenkte  seinen  Beichthum 
den  Armen,  s.  Sulpic.  v.  Mart.  25,  4).  Briefwechsel  mit  Hieronymus,  Au- 
gustinus und  Sulpicius  Severus.  Vgl.  435,  1.  441,  1.  4.  Cos.  (suff.)  vor 
Ausonius  (Aus.   epist.  20),  also  vor  379. 

3.  Ausgaben  der  Werke  des  P.  von  H.  Rosweyd  (Antv.  1622),  P.  F. 
Chifflet  (Dijon  1662.  4),  J.  B.  Lebrun  des  Mareltes  (Paris  1685.  2  Voll.  4.), 
L.  A.  Muratori  (Veron.  1736.  fol.),  in  der  Bibl.  patr.  max.  VI,  und  in  Mi 
gne's  patrol.  LXI  (Paris  1847).  Carmen  eucharisticum  prolegomenis  et  adnot. 
ill.  ed.  L.  Leipziger,  Breslau  1858. 

4.  Von  den  erhaltenen  36  Gedichten  des  P.  stammen  noch  aus  seiner 
vorchristlichen  Zeit -scherzhafte  poetische  Zuschriften  an  Gestidius  (1.  2), 
und  ein  Bruchstück  de  regibus  nach  Sueton  (3).  Von  den  christlichen  Ge- 
dichten hat  die  grössere  Hälfte  den  Felix  zum  Gegenstande  (c.  12  — 14. 
18  von  469  Hexametern;  19  von  730;  20;  21  von  858  Hexametern;  23, 
26—34,  theil weise  fragmentarisch),  c.  6  Johannes  den  Täufer;  andere  sind 
Gebete  (4  f.),  Paraphrasen  von  Psalmen  (z.  B.  7:  beatus  ille  qui  procul 
vitam  suam  ab  impiorum  segregarit  coetibus),  oder  polemisch-apologetischen 
Inhalts  (c.  36:  discussi,  fateor,  sectas,  Antonius ,  omnes^  plurima  quaesivi, 
per  singula  quaeque  cucurri,  sed  nihil  inveni  melius  quam  credere  Christo). 
In  den  melischen  Metren  schliesst  sich  P.  an  Horaz  an,  indem  er  vorzugs- 
weise die  sapphischen  Strophen  und  die  Epoden  (Hör.  Epo.  1  — 10)  nach- 
bildet, jene  besonders  c.  17  an  den  Bischof  Niketas  in  Dakien  (85  Strophen), 


998  Die  Kaiserzeit.    Viertes  Jahrhundert  (J.  379  ff.). 

diese  in  c.  24  an  Cytherius  (942  Verse).    Im  elegischen  Masse  das  Epitha- 
lamium  c.  25,  sowie  c.  36  auf  den  Tod  des  jungen  Celsus  (630  Verse).  Vgl.  A.  1. 

412  432«  Wohl  noch  aus  der  Regierungszeit  des  Theodosius 
und  von  einem  theologischen  Verfasser  ist  die  Lex  dei  oder 
Vergleichung  der  mosaischen  und  der  römischen  Gesetzesbestim- 
mungen über  die  häufigsten  Vergehen  (Collatio  legum  mosai- 
carum  et  romanarum);  mit  der  Absicht  die  Uebereinstimmung 
beider  und  die  mosaischen  als  die  wesentliche  Grundlage  der 
römischen  nachzuweisen. 

1.  Handschriftlicher  Titel:  Lex  dei  quam  deus  praecepit  ad  Moysen. 
Die  16  Titel  handeln  1)  de  sicariis  et  homicidis;  2)  de  atroci  iniuria;  3)  de 
iure  et  saeyitia  dominorum  cohibenda;  4)  de  adulteris;  5)  de  stupratoribus; 
6)  de  incestis;  7)  de  furibus;  8)  de  falso  testimonio;  9)  de  familiari  testi- 
monio  non  admittendo;  10)  de  deposito;  11)  de  abigeis;  12)  de  incendiariis-, 
13)  de  termino  moto;  14)  de  plagiariis;  15)  de  mathematicis  et  Manichaeis; 
16)  de  legitima  successione.  Vorangestellt  werden  immer  die  mosaischen 
Bestimmungen  (Moyses  dicit;  scriptura  divina  dicit),  in  einer  Uebersetzung 
welche  weder  die  des  Hieronymus  noch  die  des  Sulpicius  Severus  ist,  noch 
auch  sich  genau  an  die  LXX  anschliesst.  Alsdann  folgen  die  römischen 
liechtsbestimmungen  in  Excerpten  aus  den  Hauptschrifben  von  Gajus,  Fa- 
pinian,  Ulpian,  Paulus  und  Modestinus,  sowie  kaiserlichen  Constitutionen 
aus  dem  codex  Gregorianus  und  Hermogenianus  nebst  einigen  neueren 
Gesetzen.    Das  neueste  angeführte  ist  das  von  Theodosius  aus  J.  390  (V,  2). 

2.  Zur  Tendenz.  VII,  1:  quodsi  XII  tabulae  .  .  iubent,  scitote  iuris- 
consulti  quia  Moyses  prius  hoc  statuit,  sicut  lectio  manifestat.  Vgl.  VI,  7: 
maledicti  sunt  omnes  incesti  per  legem,  cum  adhuc  rudibus  populis  ex  di- 
vino  nutu  condita  iisdem  adstipulantibus  sauciretur.  et  utique  omnes 
malefici  puniti  sunt  quos  divina  et  humana  sententia  consonA  voce  dam- 
iiavit.  XIV,  3,  6:  sciendum  tamen  est  ex  novellis  constitutionibus  .  . 
plagiatores  .  .  puniendos,  quamvis  et  Paulus  etc.  V,  2:  hoc  qnidem  (was 
Paulus  scnt.  II  ausgesprochen)  iuris  est;  mentem  tamen  legis  Moysis  Imp. 
Thcodosii  constitutio  (vom  J.  390)  ad  plenum  secuta  cognoscitur.  Diese 
8prachproben  könnten  auf  einen  Verfasser  von  griechischer  Nationalität  hin- 
weisen (vgl.  A.  3). 

3.  Da  der  Verfasser  nur  den  codex  Gregorianus  und  Hermogenianus 
kennt,  noch  nicht  aber  den  Theodosianus,  von  Häretikern  nur  die  Mani- 
chäer  erwähnt  und  von  Theodosius  d.  Gr.  wie  von  einem  Lebenden  zu 
sprechen  scheint  (V,  2;  s.  A.  2),  so  ist  glaublich  dass  das  Werk  am  Ende 
von  dessen  Regierung  verfasst  ist,  also  in  der  Zeit  des  Ambrosius  und 
Rufinus,  ohne  dass  aber  irgend  welche  sichere  Spuren  auf  die  ürheber- 
öchaft  eines  dieser  beiden  hinführten.  Doch  muss  der  Verfasser  mit  den 
Schriften  der  römischen  Juristen  genauer  bekannt  gewesen  sein  als  sonst 
bei  Theologen  der  Fall  war.  Er  kann  daher  ursprünglich  Redner  gewesen 
sein.  Abfassung  nach  dem  Citiergesetz  von  426  ist  aus  der  Beschränkung 
auf  die  fünf  Juristen  desselben  nicht  zu  folgern,  da  jenes  Gesetz  nur  fixierte 


432  f.   Lex  dei.   Claudianus.  991) 

was  längst  thatsachlich  bestand.  Auf  Entstehung  im  Orient  (vgl.  A/2  E.) 
ist  zu  schliessen  daraus  dass  V,  2  f.  ein  von  Valentinian,  Theodosius  und 
Arcadius  J.  390  gemeinsam  erlassenes  Gesetz  im  Texte  nur  Theodosii  con- 
stitutio  heisst. 

4.  Ueberlieferung  durch  drei  Handschriften ,  den  Pithoeanus  (in  Berlin) 
saec.  IX,  Vercellensis  und  Vindobonensis  saec.  XL  Erste  Ausgabe  durch  Pi- 
thoeus,  Paris.  1573.  4.  Neuere  von  F.  A.  Biener  (ins  civ.  anteiust.  IL  p.  1417  fF.) 
und  bes.  F.  Blume  (Bonn  1833  =  Bonner  corp.  iur.  anteiust.  I.  p.  389—396) 
und  Ph.  E.  Huschke  (iurisprud.  anteiust.  p.  630—590  =  549—609  ed.  IL). 

5.  Huschke,  über  Alter  und  Verfasser  der  leg.  m.  et  r.  collatio,  Zeit- 
schrift f.  geschichtl.  Bechtswiss.  XIII.  S.  1 — 49,  und  in  der  iurisprud.  ant. 
p.  528  —  530  =  647  —  549.  A.  F.  RudorflF,  röm.  Bechtsgesch.  I.  S.  284—286 
und:  über  den  Ursprung  und  die  Bestimmung  der  lex  dei  oder  mos.  et 
rom.  leg.  coli.,  Berlin  1869.  32  S.  4.  (AbhandL  d.  Berl.  Ak.).  H.  E.  Dirksen, 
über  die  coli.  leg.  u.  s.  w.  in  sn.  hinterlass.  Schrr.  IL  S.  100  ff. 

8.  Viertes  bis  filnftes  Jahrhundert« 

433.  In  das  Ende  des  vierten  und  den  Anfang  des  fünf-413 
ten  Jahrh.  fallt  die  Thätigkeit  einer  Anzahl  von  Schriftstellern, 
von  denen  die  hervorragendsten  sind  auf  heidnischer  Seite  Clau- 
dianus und  auf  christlicher  Augustinus.  Obwohl  aus  Alexandria 
gebürtig  hat  Claudius  Claudianus  vorzugsweise  in  lateinischer 
Sprache  gedichtet  und  sich  in  die  Dichter  der  classischen  Zeit 
so  hineingelebt  dass  er  deren  Sprache  und  Versbau  mit  voll- 
kommener Sicherheit  handhabt.  In  seinem  Formtg^nt  ein  Nach- 
zügler besserer  Zeiten  erinnert  Claudianus  an  Statius  auch  durch 
sein  Phrasenthum  und  seine  Schmeichelei  gegen  Grosse,  über- 
triflPt  aber  jenen  weit  an  Gehalt,  Fruchtbarkeit,  Reichthum  der 
Phantasie  und  Vielseitigkeit.  Seine  Gegenstände  entnimmt  er 
meist  der  unmittelbaren  Gegenwart,  zum  Preise  hochstehender 
Gönner,  wie  besonders  des-  Stilicho  und  Honorius,  auch  zum 
Angriff'  auf  gemeinsame  Gegner  (Rufinus,.  Eutropius).  Sogar 
blose  Gelegenheitsgedichte  behandelt  er  mit  dem  Aufwände  form- 
licher Epen.  Diese  Arbeiten  bieten  reichen  historischen  Stofl^; 
doch  wird  ihr  Werth  als  Geschichtsquellen  manchfa^h  geschmä- 
lert durch  poetisches  Ausmalen  und  des  Dichters  persönliche 
Stellung  zu  den  Handelnden.  Die  drei  Bücher  über  den  Raub 
der  Proserpina  zeigen  die  Meisterschaft  des  Claudianus  im  Schil- 
dern besonders  glänzend.  Aber  als  Erbe  der  alexandrinischen 
Mythengelehrsamkeit  beweist  er  sich  auch  in  seinen  andern  Ge- 
dichten. Meistens  stösst  dabei  Claudian  ab  durch  das  Missver- 
hältniss  zwischen   den  aufgebotenen  Mitteln  und  der  Kleinlich- 


10()0  Die  Kaieerzcit.   ViertCH  bis  füufbee  Jahrhundert. 

keit  des  Gegenstandes,   sowie  durch  das  Gesuchte  und  die  rhe- 
torische Masslosigkeit  seiner  Ausführungen. 

1.  Orelli  1182  =  Mommsen  I.  K.  N.  6794  (C.  I.  gr.  lil,  6246):  Claudio 
Claudiano  v.  c.  tribuno  et.  notario  inter  ceteras  (vig)cntes  artes  praeglorio- 
äissimo  poetarum,  licet  ad  raemoriam  scmpiternam  carmiaa  ab  eodem 
t^cripta  Bufficiant,  adtaraen  testimonii  gratia  ad  iudicii  sui  fidem  dd.  du. 
Arcadias  et  Honorius  felicisBirai  ac  doctisBimi  imperatored  scnatu  pcteute 
Htatuam  in  foro  divi  Traiani  erigi  collocarique  iusserunt.  Elv  ivl  Biq- 
ytUoio  voov  xal  Moveav  'OfirJQOV  KXavdiavov  ^PdfArj  %al  Baailrjg  f^iöctv. 
Ap.  Sidon.  carm.  IX,  271  ff.:  non  pelusiaco  satuB  Canopo,  qui  ferruginei 
toroB  mariti  et  Musa  canit  iuferos  suporua.  Suid.  II.  p.  272  Bernh.:  Klav- 
Aictvog  'jilsiccvSQBvs ,  inonoiog  vstotegog'  ysyovsv  IkI  tav  XQOvmv  'J^naÖlov 
Httl  *Ov<oQiov  Tfov  ßccaiXimv.  Claud.  XXXIX  (ep.  1),  20:  conditor  hie  (Ale- 
xander M.)  patriae.  56  ff.  XLIII  (ep.  5),  3:  nostro  cognite  Nilo.  Augustin. 
c-iv.  dei  V,  26 :  unde  et  poeta  Claudianus,  quamvis  a  GhriBti  nomine  alieDu^, 
in  eins  (des  TheodoBiuB)  tarnen  laudibns  dixit.  Vgl.  Oros.  VII,  35:  unus 
vx  ipsii)  (den  Gegnern  des  ChriBtenthuniB),  poeta  quidein  eximius,  sed 
paganus  pervicacissimoB,  .  .  teBtimoniam  tulit.  Ueber  das  J.  404  weist  in 
den  Gedichten  des  Ci.  keine  sichere  Spur  hinaus;  jedenfalls  hat  er  den 
Sturz  seines  Gönners  Stilicho  (J.  408)  nicht  überlebt. 

2.  Die  Ordnung  der  Gedichte  des  Gl.  ist  in  den  Hdschr.  und  Au»- 
^aben  sehr  verschieden  (Gesner  p.  XXXIX  ff.).  Seit  Gesner  ist  die  ge- 
wöhnliche dass  die  grösseren  Gedichte  vorangestellt  werden,  dann  die 
ßriefe,  Idylle  und  Epigramme. 

3.  Grössere  Gedichte  mit  geschichtlichem  Stoffe.  Haupthandschrift  Vatic- 
2809  saec.  XI;  ^  L.  Jeep  (A.  11).  I:  in  cousulatum  Olybrii  et  Probini  (J. 
;i'J5),  279  Hexameter.  II— V:  zwei  Bücher  in  Rufinum  von  387  und  527  He- 
xametern, je  eingeleitet  durch  ein  Vorwort' im  elegischen  Masse.  VI  u. 
V^II:  de  III  consulatu  Honorii  Aug.  (J.  396),  211  Hexameter  mit  einem  clegi- 
^^chen  Vorwort.  VIII:  de  IV  cons.  Honorii  Aug.  (J.  398),  656  Hex.  IX 
u.  X:  de  nuptiis  Honorii  et  Mariae  (J.  398),  341  Hex.  mit  elegischem 
Vorwort.  Berchem,  de  Gl.  epithalamio  in  nupt.  H.  et  M.,  Grefeld  1861.  4. 
XI  —  XIV:  fescennina  aus  demselben  Anlass  im  alkäischen,  ^nakreontischen, 
iinapästischen  und  asklepiadeischen  Masse.  XV:  de  hello  Gildonico,  b26Ees^ 
meter,  beschreibend  die  Rüstungen  zu  dem  Kriege  gegen  den  Mauren- 
iürsten  Gildo  (J.  398).  XVI  und  XVII:  de  cons.  FI.  Mallii  Theodori  v.  c. 
(J.  399),  339  Hex.  mit  elegischem  Vorwort.  XVIII  — XX  zwei  Bücher  ifl 
Entropium,  513  und  602  Hex.,  das  zweite  mit  Vorwort  im  elegischen  Masse, 
nach  J.  399.  XXI  u.  XXII,  zum  Preise  des  Vandalen  Stilicho,  zwei  Bücher 
von  385,  476  Hexametern;  dazu  XXIII  f.:  de  consulatu  Stilichonis  (J.  400), 
369  Hex.  mit  elegischem  Vorwort.  XXV  f.:  de  belle  getico,  647  Hex.  mit  elegi- 
schem Vorwort,  Stilicho's  Kämpfe  gegen  die  Gothen  J.  400—403.  XXVII f.: 
in  VI  cons.  Honorii  Aug.  (J.  404),  660  Hex.  mit  elegischem  Vorwort.  Vgl. 
L.  Jeep,  Rhein.  Mus.  XXVÜ.  S.  269—277.  XXIX:  laus  Serenae  Reginae,  der 
Nichte  und  Adoptivtochter  von  Theodosius  I.  und  Gattm  von  Stilicho,  unvoll- 
endet geblieben  oder  erhalten  (237  Hex.).  XXX  f.:  Epithalamium  dictum  Pallas 
dio  V.  c.  tribuno  et  notario  et  Celerinae,  145  Hex.  mit  vier  Distichen  Vorwort- 


433.   Claudianuß.  1001 

4.  In  diesen  Zeitgedichten  hält  sich  Claudian  in  so  weit  an  die  ge- 
schichtliche Wahrheit  als  er  Thatsachen  niemals  erdichtet  oder  sie  wesent- 
lich abändert;  aber  in  der  psychologischen  Ansnialung  und  Auffassung  und 
der  poetischen  Ausschmück aug  lässt  er  seine  Phantasie  walten  und  Liebe 
oder  Uass  einwirken.  Sein  eigentlicher  Held  ist  der  wackere  Stilicho; 
Honorius  findet  Preis  als  der  Inhaber  des  Thrones,  aber  ohne  Andichtung 
unwahrer  Eigenschaften.  Ebenso  unei*sättlich  wie  im  Lobe  des  Stilicho 
ist  Claud.  in  Bcthätigung  des  Hasses  gegen  den  östlichen  Reichsminister 
Rufinus,  der  Verachtung  gegen  dessen  Nachfolger,  den  Eunuchen  Eutropius; 
beidesmal  im  Interesse  des  Stilicho  und  in  leidenschaftlichstem  Tone,  doch 
ohne  thatsächliche  Verletzung  der  Wahrheit.  Ed.  Vogt,  de  Gl.  Claudiani 
carminum  quae  Stiliconem  praedicant  fide- historica,  Bonn  1863,  p.  1  — 13. 
50 — 66.  G.  Zciss,  ClaudianuB  upd  das  röm.  Reich  von  359  bis  408,  I. 
Landshut  1863.  4.  11.  1865.  4.  P.  Schultz,  de  Stilichone  iisque  quae  de  eo 
agunt  fontibus,  Claudiano  imprimis  et  Zosimo,  Königsberg  1864.  J.  U.  Ney, 
Vindiciae  Claudianeae,  sive  de  Cl.  fide  historica,  Marburg  1865.  4.  E.  Vogt, 
die  polit.  Bestrebungen  Stilicho's  u.  s.  w.  I:  Einleitung  und  Quellen,  Cöln 
1870.  24  S.  4. 

5.  Gedichte  mythologischen  Inhalts.  Die  3  (Jeep:  4)  Bücher  de 
raptu  Proserpinae  sind  durch  mehr  als  50  Udss.  überliefert  (relativ 
beste  Laurent.  XXIV,  112  saec.  XII  — XIII),  aber  abgesondert  (Vat.  2807 
theilt  sie  dem  Claudiauus  parvus  zu),  wohl  in  Folge  der  Zerreissung  des 
archetypus,  wobei  der  letzte  Theil  als  eigener  codex  erschien.  L.  Jeep,  d. 
Hdss.  von  Cl.*8  R.  Pr.,  in  Ritschis  Acta  soc.  Lips.  I.  p.  345  —  390.  Inhalts- 
ankimdiguog  I,  25 — 31.  Der  Stoff  ist  aber  nicht  zu  Ende  geführt,  sondern 
nur  bis  zum  Entschlüsse  der  Ceres  ihre  entschwundene  Tochter  aufzusuchen. 
Das  Weitere  ist  nicht  erhalten  und  auch  sonst  Lücken  im  üeberlieferten. 
Die  Proömien  zu  B.  II  u.  III  sind  nicht  an  ihrer  Stelle,  das  von  II  gehört 
vor  ein  Gedicht  ad  Florentinum  (Jeep).  B.  G.  Walch,  ubcrioris  comnien- 
tationis  de  Cl.  c.  de  r.  P.  inscr.  specimen,  Gotting.  1770.  4.  J.  B.  Mcrian, 
Tenlevement  de  Pr.  traduit  avec  un  discours,  Berlin  1767.  Ba^en,  lectiones 
var.  ad  Cl.  de  r.  P.  e  duobus  codd.  ital.,  Kiel  1796.  4.  J.  Svedborg,  de 
Claud.  quod  de  r.  Pr.  inscribitur  carmine  epico  quaestiones,  Upsala  1860.  4. 
Von  der  Gigantomachia  sind  129  Hexaroetor  erhalten  und  ein  Bruchstück 
(77  Verse)  einer  griechischen  Bearbeitung  des  gleichen  Gegenstandes  mit 
der  üeberschrift  AXav^iaj^ot»;  s.  Köchly,  coniect.  ep.  I  (Zürich  1851.  4.)  p.  19  ff. 
Schenkl,  Sitzungsber.  der  Wiener  Akad.  XLIII  (1863)  S,  32—42. 

6.  Der  Briefe  sind  es  fünf  (XXXIX — XLIII):  1.  an  Hadrianus  (mag. 
off.  397—399,  praef.  praet.  400—416),  Bitte  eine  in  der  lubrica  aetas  ihm 
angethane  Beleidigung  (vgl.  A.  8)  nicht  so  lange  nachzutragen.  2.  an 
Serena  (A.  3),  Dank  für  ihre  Vermittlung  bei  des  Dichters  Brautwerbung, 
nach  J.  398.  3.  an  Olybrius,  u.  4.  an  Probinus  (nach  395),  Beschwerde  über 
das  Ausbleiben  von  Briefen.  5.  an  Gennadius  ex  procos.,  Antwort  auf  das 
Verlangen  von  Gedichten.  Alle  fünf  haben  elegisches  Mass,  sind  eigent- 
liche Briefe  und  daher  in  einfacher  Sprache  gehalten.  Nur  die  beiden  ersten 
erheben  sich  etwas  über  Umfang  und  Ton  eines  Briefes. 

7.  Die    sieben   Eidyllia   (XLIV— L)   sind  Studien  von  naturbeschrei- 


U)fl2  Oie  Kaiaerxdt    Yierieai  bU  fönltes  Jahrhandert. 

bendem  ood  erziUendem  Inhalt,  in  epueher  oder  elegiadier  Fonn. 
1.  Phoemz,  110  Hexameter.  Edd.  J.  G.  Lüu^  et  A.  Ingauui,  Helangfofs 
1638.  l^pp.  4.  2.  HTsirix,  48  Hexameter,  Beschreibong  des  Igda.  3.  Tor- 
pedo, Sekildenmg  des  ZitterrochenB  in  24  Hexametern.  4.  Nilna,  42  Hex. 
5.  Magnes  (Magnet;,  57  Hex.  6.  Aponns,  aof  die  lieinen  Schwefelquellen 
bei  Patariam,  50  Distichen.  7.  Aof  die  Brüder  Amphinomos  nnd  Ani^iis, 
welche  bei  einem  Aosbmche  des  Aetna  ihre  greisen  Eltern  retteten,  24 
Distichen. 

8.  Unter  den  44  Epigrammen  (LI— XCIV^  der  Gesneischen  Ansg&be 
ist  aoch  Zweifelhaftes  nnd  unechtes,  wie  27  —  29.  41.  Sicher  von  Claod 
verfasst  sind  die  Gelegenheitsgedichte  aof  die  concha  der  Serena  (5)  and 
zar  Begleitung  Ton  Geschenken  derselben  an  Honorius  nnd  Arcadins  (20 
—23).  Spottgedichte  24  (ironische  Abbitte  eines  tadelnden  Urteils  über  die 
r^ediehte  des  Qoästor  Alethius).    25  f.  (auf  den  Schlemmer  Cnretins).    30 

auf  Mallio«  und  HadrianaF,  s.  A.  6).  Halbidyllisch  1—4.  Variationen  aof  das- 
selbe Thema  (gläsernes  Geföss  mit  Eis>  6 — 14,  wovon  13  f.  griechisch.  Bei 
anderen  ans  der  griecfa.  Anthologie  aufgenommenen  (15 — 17)  ist  vielleicht 
der  von  f^vagr.  h.  e.  I,  19  unter  Tbeodosius  II.  gesetzte  CL  (KlavStavog 
xi/t  Kvifog  noiriTai)  gemeint.  Jedenfalls  nicht  von  dem  Claud.  des  Stilicho 
''sondern  von  Claud.  Mamertiis,  Merobaudes  u.  dgl.)  sind  die  christlichen 
Gedichte  46 — 49;  45  ist  nnzweifelhafles  Eigenthum  des  Damasus. 

9.  In  einem  l*heile  der  Hdss.  des  Claud.  ist  eine  Anzahl  Gedichte  an- 
^'efugt  welche  in  Technik  und  Stil,  theilweis  auch  im  Stoffe,  mit  denen 
den  Cl.  Aehnlichkeit  haben  und  ungefähr  aus  derselben  Zeit  zu  stammen 
Bcheinen.    Unter  ihnen   ist  das  bedeutendste   das  epithalamium  Laureotii 

oben  22,  2)  von  87  Versen,  von  den  drei  (letzten)  Seiten  des  archetjpos 
ä  29  Zeilen),  mit  fehlendem  Anfang.  Die  andern  Gedichte  aus  diesen  Hd6& 
(im  epischen  und  elegischen  Mass)  können  sich  mit  dem  ep.  l>aur.  in  keiner 
Weise  messen  und  sind  auch  späteren  Ursprungs;  theil weise  sind  davon 
nur  die  Ueberschriflen  erhalten.  Abgedruckt  sind  sie  in  Kiesels  Antkol.  Ist. 
743—758,  vgl.  ib.  11.  p.  XXVH  f.  L.  Jeep,  qnaest.  critt.  p.  27  ff.;  Die  Hds^. 
des  raptus  S.  378  f. 

10.  Editio  princeps  (des  CL)  Vicent.  1482  fol.  Emend.  p.  Th.  ügoletiun, 
Venet.  1496.  4.  Sonstige  Ausgaben  besonders  von  Th.  Pulmann  (Antverp. 
1571  und  sonst),  J.  Scaliger  (Lugd.  B.  1603;  vgl.  Berna3'8,  Rhein.  Mus.  XV. 
iS.  163—165),  C.  Barth  (Hanov.  1612,  Frankf.  1660.  4.),  N.  Heinsius  (Lugd. 
Bat.  1650.  1665),  J.  M.  Gesner  (Lips.  1759),  P.  Burmann  (Amstelod.  1760.  4.), 
(;.  L  König  (Gotting.  1808.  Vol.  I),  in  W.  E.  Webers  Corpus  poett.  p.  1270 
—1359.    Erste  kritische  Ausgabe  von  L.  Jeep,  Lips.  (Bibl.  Teubner.)  1872. 

Claud.  paneg.  in  cons.  Ol.  et  Prob.,  in  Rufinum  libri  II  cxmi  var.  lecti 
cd.  Orelli,  Zürich  1843.  4. 

Die  Dichtungen  des  Cl.  übersetzt  von  G.  Frhr.  v.  Wedekind,  Darm- 
Btadt  1868. 

11.  J.  Parrhasii  comm.  in  Claudianum',  Basil.  1539.  4.  Th.  Hertel,  de 
nonnullis  Cl.  carminum  locis,  Torgau  1848.  4.  Th.  G.  Paul,  quaestionum 
01.  particula,  Glogau  1857.  4.  und  quaest.  Claud.,  Berlin  1866.  4.  L.  Jeep, 
quaest.  criticae  ad  emendationem  Cl.  panegyricorum  spectantes,  Naumburg 


433  f.    ClaudianuB.   Augustinas.  1003 

1869;  und:  De  Cl.  codice  (saec.  IX)  Veronae  nuper  reperto,  Begrüssungsschr.  d. 
Thomasschule  (Lips.  1B72.  4.)  p.  43—54.  Vgl.  A.  5.  B.  Unger,  Friedland  1869.  4. 

434,  Nicht  blos  die  Kirchenlehrer  und  nicht  blos  8eine4l4 
Zeit  tiberragt  an  geistiger  Bedeutung  und  weitreichender  Wirk- 
samkeit der  Africaner  Aurehus  Augustinus  (J.  354 — 430). 
Nach  einer  stürmischen  Jugend  neun  Jahre  hindurch  Anhänger 
des  Manichäismus  und  Lehrer  der  Rhetorik  in  Africa^  Rom  und 
Mailand,  wurde  er  J.  386  durch  Ambrosius  für  eine  tiefere  Auf- 
fassung des  Christenthums  gewonnen,  dann  in  seiner  Heimat  zu 
Hippo  J.  392  Presbyter  und  um  395  Bischof.  Augustin  ver- 
einigte in  sich  scheinbar  entgegengesetzte  Eigenschaften:  Ueber- 
schwänglichkeit  der  Phantasie  und  sehneidende  Verstandesschärfe, 
leidenschaftliche  Rücksichtslosigkeit  und  gemütvolle  Zartheit, 
Weitherzigkeit  und  Zelotismus,  Autoritätsglauben  und  Origina- 
lität, Eifer  für  die  Einheit  der  Kirche  und  individuellste  Fröm- 
migkeit, Romantik  und  Scholastik,  Schwärmerei  und  Sophistik, 
die  Begabung  des  Dichters  mit  der  des  Philosophen,  das  Pathos 
des  Rhetors  mit  der  Silbenstecherei  des  Grammatikers.  So  selbst 
ein  psychologisches  Räthsel  und  durch  das  eigene  heisse  Blut 
in  Verirrungen  hineingezogen,  versenkte  sich  Augustin  in  die 
Geheimnisse  des  Seelenlebens  und  hat  das  Dogma,  nachdem  es 
durch  die  Orientalen  in  unfruchtbare  Speculationen  über  theo- 
logische und  christologische  Fragen  hineingeführt  war,  wieder 
der  Betrachtung  des  Menschen  zugewandt,  auf  dessen  inneren 
Zustand  und  die  Mittel  zu  seiner  Erlösung  und  Beseligung  hin- 
gelenkt. Vermöge  der  Doppelseitigkeit  seines  Wesens  bewegen 
sich  die  Schriften  Augustins  bald  in  Selbstbetrachtung  oder  ver- 
tiefen sich  mit  religiöser  Innigkeit  in  das  Göttliche,  bald  ver- 
breiten sie  sich  über  das  Gebiet  der  Lehre  und  bekämpfen  mit 
unerbittlicher  Dialektik,  auch  wohl  mit  Spitzfindigkeit,  Abwei- 
chungen vom  Glauben  der  Kirche.  Von  der  ersteren  Art  sind 
seine  Selbstbekenntnisse  (Confessiones);  von  der  andern  seine 
Briefe,  Predigten,  dogmatischen  und  exegetischen  Abhandlungen 
und  Streitschriften.  Auch  die  Schreibweise  des  Augustin  ist 
ungleich:  meist  überladen  und  wortreich,  nicht  selten  aber  auch 
scharf  bestimmt.  Zu  den  bestgeschriebenen  gehören  die  auch 
stoflFlich  besonders  reichhaltigen  22  Bücher  vom  Reiche  Gottes 
(de  civitate  dei). 

1.    Hauptquelle   über   Aug.    seine   Confessiones   (A.  9)    und  Retracta- 
tiones  (A.  4).    Vita  Augustini  von  seinem  Schüler  un(i  Freunde  Possidius, 


i». 


'^' 4004  Die  Kaiserzeit.    Viertes  und  fiinftee  Jahrhundert. 

Bischof  von  Calama,  verfaeBt  uni  432,  abgedruckt  in  den  meisten  Ausgaben 
der  Werke  Augustins  (z.  B.  von  den  Benedictinern  T.  X,  Append.  t.  III), 
eigens  herausgg.  studio  et  labore  Jo.  Salinas,  Neapel  1731  (Augsburg  1768); 
in  Migne's  Augustin.  XI.  p.  105 — 128,  patrol.  XXXIT.  p.  33  —  66;  der  indi- 
culus  ib.  XL  VI.  p.  1—21.  Neuere  Darstellungen  z.  B.  von  den  Benedicti- 
nern (bei  Migne  August.  XI.  p.  153  —  868  =  Patrol.  XXXII.  p.  66—578), 
von  Tillemont,  M^moires  T.  Xill  (Paris  1702.  4.),  B.  Ceillier,  bist.  gdn.  T. 
^"V  XJ.  p.  1—754.  Xll.  p.  1  —  685.    J.  Böhringer,    die  Kirche  Christi  lind  ihre 

Zeugen  I,  3  (Zürich  1844).  Poujoulat,  histoire  de  St.  Augustin,  Paris  '1846c 
3  Voll.  C.  Bindemann,  der  heil.  Augustin,  Greifswald  (Leipzig)  1854 — 1869, 
3  Bde.  Flottes,  ^tudes  sur  St.  Aug.,  son  g^nie,  son  &me,  sa  philosophie, 
Montpellier  1861.  646  pp. 

2.  Geboren  13  Nov.  354  zu  Tagaste.  Sein  Vater  der  leidenschaftliche 
Fairicius,  von  besonderem  Einfluss  auf  den  Sohn  die  sanfte  fromme  Mutter, 
Monica.  Madauris  cocperam  litteratui*ae  atque  oratoriae  percipiendae  gratia 
peregrinari  (Couf.  II,  3,  5).  Fortsetzung  seiner  Studien  und  ziemlich  wil> 
des  Leben  (Frucht:  Adeodatus)  in  Karthago,  wo  er  fQr  den  Manichäismus 
gewonnen  wurde.  Lehrer  der  Rhetorik  in  Tagaste,  Karthago  (conf.  IV, 
7,  12.  V,  7,  13).  Dann  nach  Rom  (ib.  V,  8,  14),  ut  docerem  artem  rheto- 
ricam  (12,  22).  Posteaquam  missum  est  a  Mediolano  Romam  ad  praef. 
urbis  ut  illi  civitati  rhetoricae  magister  provideretur,  .  .  egp  ipse  ambivi, 
.  .  ut  dictione  proposita  me  probatum  praefectus  tunc  Symmachus  (oben 
418,  2)  mitteret.  et  veni  Mediolanum  ad  Ambrosiuni  episcopum  (13,  23), 
durch  welchen  und  seine  nachgekommene  Mutter  der  Wendepunkt  im  Le- 
ben des  Aug.  erfolgte.    Getauft  Ostern  387.    f  während   der   Belagerung 

Hippo's  durch  die  Vandalen,  28  August  430. 

« 

3.  Ap.  Sidon.  ep.  IX,  2:  Hieronymus  interpres,  dialccticus  Augusti- 
nus. Als  Philosoph  BchlosH  sich  Aug.  vorzugsweise  an  den  Idealismus  des 
Piaton  an,  wandte  ihn  aber  zu  christlichem  Theismus.  £.  Feuerlein,  über 
die  Stellung  Aug.*s  in  der  Kirchen-  und  Culturgeschichte,  SybeVs  histor. 
Zeitschr.  XL  (1869.)  S.  270  —  313.  Ferraz,  de  la  psychologie  de  St.  Aug., 
Paris  1862.  498  pp.    Heinichen,  de  Aug.  anthropolog.  orig.,  Lips^  1862. 

4.  Ueber  die  schriftstellerische  Thätigkeit  des  Aug.  gibt  eine  Ueber- 
sicht  die  vita  des  Possidius  (A.  1)  mit  dem  daran  angeschlossenen  indiculns 
seiner  Werke,  besonders  aber  Augustin  selbst  in  den  zwei  Büchern  Re- 
tractationes  (bei  Possidius:  de  recensione  librorum),  die  er  gegen  das 
Ende  seines  Lebens  (ums  J.  427)  verfasste  und  worin  er  seine  bis  dahin 
veröffentlichten  Schriften,  mit  Ausnahme  der  Predigten  und  Briefe,  nach 
der  Zeit  ihrer  Entstehung  aufzählt  und  mit  Bemerkungen  begleitet,  durch 
welche  meist  dogmatische  Incorrecthciten  berichtigt  werden  sollen.  Das  erste 
Buch  bespricht  die  vor  seiner  Wahl  zum  Bischof  herausgegebenen,  das  zweite 
diejenigen  die  er  als  Bischof  vcrfasst  hatte.  Vgl.  das  Vorwort:  iam  diu  est 
ut  facere  cogito  .  .  ut  opuscula  mea  sive  in  libris  sive  in  epistolis  sive  in 
tractatibus  cum  quadam  iudiciaria  severitate  recenseam  et  quod  me  offendit 
velut  censorio  stilo  denotem.  (3.)  scribere  autem  ista  mihi  placuit  ut  haec 
emittam  in  manus  hominum,  a  quibus  ea  quae  iam  edidi  revocare  emen- 
danda  non  possum.    nee  illa  sane  praetereo  quae  catechumenus  iam,  licet 


434.    Augastiniis.  1005 

relicta  spe  quam  terrenam  gerebam,  sed  adhuc  saecu^rium  litterarum  in- 
flatus  coDsuetudine  scripsi.  .  .  inveniet  fortasse  quomodo  scribendo  pro- 
fecerim  qui8(][ui8  opuscula  mea  ordine  quo  scripta  sunt  legerit.  quod  ut 
possit,  hoc  opere  quantum  potero  curabo  ut  eundem  ordinem  noverit.  Und 
am  Schlüsse  des  Werks  (11,  67):  haec  opera  XCIII  in  libris  CCXXXIII  me 
dictasse  recolui  quaudo  haec  retractavi,  utrum  adhuc  essem  aliquos  dicta- 
turus  ignorans;  atque  ipsam  eorum  retractationem  in  libris  IT  edidi  .  .  an- 
tequam  epistolas  ac  sermones  ad  populum,  alios  dictatos,  alios  a  me  dictos, 
retractare  coepissem.  Aus  dem  Verzeichnisse  des  Possidius  kommen  dazu 
als  Erzeugnisse  der  letzten  Lebensjahre  des  Aug.  die  Schriften  Speculum; 
De  haeresibus  ad  Quodvultdeum  über  (auch  in  Oehlen  corpus  haeresiol. 
I),  die  gegen  den  arianischen  Bischof  Maximinus  und  gegen  den  Pelagianer 
lulianuB)  sowie  besonders  De  praedestinatione  sanctorum  und  De  dono  per- 
severantiae. 

6.  August,  conf.  IV,  13,  20:  scripsi  (in  Karthago  um  J.  380)  libros 
de  pulchro  et  apto,  pnto  duos  aut  tres.  tu  scis,  deus;  nam  excidit  mihi, 
non  enim  habemus  eos,  sed  aberraverunt  a  nobis  nescio  quomodo.  14,  21: 
quod  me  movit  .  .  ut  ad  Hierium  (oben  419,  7)  romanae  urbis  oratorem 
scriberem  illos  librop.  Diese  Jugendschrift  fehlt  in  den  retract.,  welche 
beginnen  mit  den  drei  Büchern  contra  academicos.  Ketract.  I,  1:  cum  re- 
liquissem  vel  quae  adeptus  fueram  in  cupiditatibus  huius  mundi  vel  ^uae 
adipisci  volebam  et  me  ad  christianae  vitae  otium  contulissem,  nondnm 
baptizatus  contra  academicos  vel  de  academicis  primum  scripsi  (J.  386), 
ut  argumenta  eorum,  quae  .  .  prohibent  cuiquam  rei  assentiri  et  omnino 
aliquid  tamquam  manifestum  certumque  sit  adprobare  .  .  ab  animo  meo  .  . 
quantis  possem  rationibus  amoverem.  Anschluss  an  das  gleichnamige  Werk 
des  Cicero  (oben  183,  7)  auch  in  der  Form  eines  Gesprächs  mit  einem  Qönner 
Romanianus,  dessen  Sohn  Llcentius  (s.  441,  4  ff.)  und  einem  andern  Jüngling, 
Trygetius.  Herausgegeben  auch  an^Orelli's  Ausg.  von  Cic.  Acad.,  Turic.  1827. 

6.  Retract.  I,  2:  librum  de  beata  vita  non  post  libros  de  acad.  sed 
inter  illos  ut  scriberem  contigit.  ex  occasione  quippe  ortus  est  diei  natalis 
mei.  .  .  Manlio  Theodoro  (s.  436,  3),  ad  quem  librum  ipsum  scripsi,  quamvis 
docto  et  christiano  viro,  plus  tribui  quam  deberem.  .  .  istum  librum  nostro 
in  codice  interruptum  repperi  .  .  nee  adhuc  apud  aliquem  integrum  inve- 
neram  ex  quo  emendarem  quando  haec  retractavi.  I,  3:  per  idem  tempus, 
inter  illos  qui  de  acad.  scripti  sunt,  duos  etiam  libros  de  ordine  scripsi, 
in  quibus  magna  quaestio  versatur  utrum  omnia  bona  et  mala  divinae  pro- 
videntiae  ordo  contineat.  sed  .  .  de  ordine  studendi  loqui  malui  quo  a 
corporalibns  ad  incorporalia  potest  profici.  in  his  libris  .  .  nee  illud  mihi 
placet  quod  Pythagorae  philosopho  tantum  laudis  dedi.  I,  4,  1 :  inter  haec 
scripsi  etiam  duo  vohmiina  .  .  de  his  rebus  quas  maxime  scire  cupiebam, 
me  interrogans  mihique  respondens  tamquam  duo  essemus.  Ratio  et  ego, 
cum  solus  essem;  unde  hoc  opus  Soliloquia  nominavi,  sed  imperfectum 
rcmansit.  I,  5,  1:  post  libros  Soliloquiorum  iam  de  agro  Mediolanum  re- 
versus  scripsi  librum  De  immortalitate  animae.  .  .  qui  ratiocinationum 
contortione  atque  brevitate  sie  obscurus  est  ut  fatiget  cum  legitur  .  .  vix- 
que  intellegatur  a  me  ipso.    Augustini  de  anima  Ö3  Hexameter  von  dialek- 


1006  Die  Kaiserzeit.  'Viertes  bis  fünftes  Jahrhandert. 

tischer  Haltung,  mit  Anrede  an  Gott,  aber  in  sehr  incorrecter  Form,  bei 
Biese  Anthol.  lat.  489  (II.  p.  38—40). 

7.  Betr.  I,  6:  per  idem  tempus  quo  Mediolani  fni,  baptismum  per- 
cepturuB  (J.  387),  etiam  Disciplinarum  libros  conatus  snm  ecribere,  in- 
terrogans  eos  qui  mecum  erant  atque  ab  hninsmodi  studiis  non  abhorre- 
bant,  per  corporalia  cupiens  ad  incorporalia  quibusdam  quasi  passibns  Tel 
pervenire  vel  ducere.  sed  earum  solum  de  grammatica  librum  absolvere 
potui,  quem  postea  de  armario  nostro  perdidi,  et  de  musica  sex  volumina, 
quantum  attinet  ad  eam  partem  quae  rhythmus  vocatur.  sed  eosdem  sex 
libros  iam  baptizatus  iamque  ex  Italia  regressus  in  Africam  scripsi  (vgl. 
ib.  I,  11);  incohaveram  quippe  tantummodo  istam  apud  Mediolanum  disci- 
plinam.  de  aliis  vero  quinque  disciplinis  illic  similiter  incobatis,  de  dia- 
lectica,  de  rhetorica,  de  geometrica,  de  arithmetica,  de  philosophia,  sola 
principiQ.  remanserunt,  quae  tamen  etiam  ipsa  perdidimus,  sed  baberi  ab 
aliquibus  existimo.  Dieses  encyclopädische  Werk  schloss  sich  schon  in 
seinem  Titel  an  Yarro  an  (s.  oben  164,  6  a)  und  behandelte  die  sieben 
artes  liberales.  Der  davon  erhaltene  Theil,  sechs  Bücher  de  musica,  hat 
die  Form  eines  Gesprächs  zwischen  Lehrer  und  Schüler:  „sehr  wortreiche 
und  sehr  inhaltarme  Erörterungen  über  Bhythmik  und  MetriV  (Westphal, 
allg.  griech.  Metrik  S.  46),  in  der  Annahme  von  Pausen  zur  Herstellung 
der  xactgleichheit  zwischen  ungleichen  metrischen  Füssen  von  der  gewöhn- 
lichen Lehre  abweichend,  aber  in  der  Hauptsache  doch  wohl  aus  Varro 
geschöpft.  Westphal  a.  a.  0.  und  Fragmente  d.  griech.  Bhythm.  S.  19  ff, 
nebst  H.  Weil  in  Fleckeisens  Jahrbb.  1862,  S.  335  ff.  1867,  S.  182  f.  Ein 
alter  Auszug  aus  dem  Werke  abgedruckt  bei  Mai,  Collectio  Script,  vett. 
111  (Bom  1828)  p.  116—134,  wozu  die  Nachlese  von  du  Bieu,  schedae  Va- 
ticauae  (Lugd.  B.  1860)  p.  216—220.  Von  dem  Theile  De  rhetorica  ist 
durch  Handschriften  des  Fortunatianus  (oben  420,  5)  ein  Abschnitt  (bonae 
frugis  plena,  Halm)  erhalten  und  unter  der  Ueberschrifb  principia  rheto- 
rices  abgedruckt  z.  B.  bei  Migne  patrol.  XXXII.  p.  1440 — 1448,  am  besten 
in  Halms  Bhetores  lat.  min.  (1863)  p.  137  —  161.  Besonders  Cicero  und 
Hermagoras  werden  darin  viel  genannt.  Katechetische  Form  hat  er  nicht. 
Die  Principia  dialecticae  (bei  Migne  patrol.  XXXIl.  p.  1409 — 1419  und  be- 
sonders herausgegeben  von  W.  Crecelius,  Aug.  de  dialectica  liber,  recogn. 
et  adn.,  Elberfeld  .1857)  bezeichnen  selbst  als  ihren  Verfasser  Augustinus  (c. 
7:  ut  cum  Augustino  nominato  nihil  aliud  quam  ego  ipse  cogitor  ab  ipso 
cui  notu«  sum  etc.).  Die  früheren  Verdachtsgründe  gegen  die  Echtheit 
bestanden  hauptsächlich  in  den  Abweichungen  von  der  sonstigen  Weise 
des  Aug.  (z.  B.  durch  Anwendung  vieler  griechischer  Kunstausdrücke  und 
Nichtanwendung  der  dialogischen  Form),  welche  bei  Schriften  die  sich  im 
Ganzen  und  Einzelnen  auf  fremde  Arbeit  gründen  von  wenig  Beweiskraft 
sind.  Von  dem  Abschnitte  De  grammatica  ist  nur  ein  (wohl  von  einem 
Benedictiner  verfasster)  Auszug  erhalten,  aus  einem  cod.  Lauresham.  (jetzt 
Vatic.)  zuerst  herausgegeben  von  A.  Mai  (Nova  patrum  bibl.  I,  2.  p.  165  ff. 
Bom  1852),  besser  (nach  einer  Pariser  und  Brüsseler  Hds.)  von  C.  Fr.  We- 
ber (Aur.  Aug.  ars  grammatica  breviata,  Marburg  1861.  4.).  Durch  die 
Nichtübereinstimmung  mit  diesem  Auszuge  werden  di^  schon  vorher  sehr 


434.   Augustinus.  1007 

zweifelhaften  Ansprüche  des  Tractats  de  grammatica  bei  Putsche  gramm.  ^ 
latt.  p.  1976  ff.  (und  z.  B.  in  Migne's  patroL  XXXII.  p.  1386  —  1408)  auf 
den  Namen  Augustins  noch  weiter  gef&hrdet.  Weber  1.  1.  p.  2  f.  Die  Ca- 
tegoriae  X  ex  Aristotele  decerptae  (Migne  XXXII.  p.  1419 — 1440)  werden, 
da  Aug.  weder  durch  Eenntniss  des  Griechischen  noch  durcti  Bewunderung 
des  Aristoteles  sich  auszeichnete,  eher  yon  Prätextatus  (oben  422,  1)  her- 
rühren. 

8.  Betract.  I,  7:  iam  baptizatus  cum  Bomae  essem  (J.  387)  nee  ferro 
taCitus  possem  Manichaeorum  iactantiam  de  falsa  et  fallaci  continentia  vel 
abstinentia,  .  .  scripsi  duos  libros,  unum  De  moribus  ecclesiae  catholicae, 
alterum  De  moribus  Manichaeorum.  I,  8:  in  eadem  ufbe  scripsi  dialogum 
in  quo  de  anima  multa  quaeruntur  ac  disseruntur.  .  .  totus  liber  nomen 
accepit  .  .  De  animae  quantitate.  I,  9:  cum  adhuc  Bomae  demoraremur 
voluimus  disputando  quaerere  unde  sit  malum.  .  .  tres  libri  quos  eadem 
disputatio  peperit  appellati  sunt  De  libero  arbitrio.  quorum  secundum  et 
tertium  in  Africa,  iam  etiam  Hippone  regio  presbytei  ordinatus,  .  .  termi- 
navi.  I,  10:  iam  vero  in  Africa  constitutus  scripsi  duos  libros  de  Genesi 
contra  Manichaeos.  I,  11:  deinde  .  .  sex  libros  de  musica  (A.  7)  scripsi, 
qüorum  ipse  sextus  maxime  innotuit.  I,  14:  iam  vero  apud  Hipponem  re- 
gium  presbyter  scripsi  librum  De  utilitate  credendi.  Wie  dieses  war  gegen 
die  Manichäer  gerichtet  auch  das  nächste  Buch  De  duabus  animabus  (ib. 
I,  15),  sowie  das  Contra  Fortunatum  quendam  Manichaeorum  presbyterum, 
eigentlich  eine  Disputation  mit  ihm  quae  excepta  est  a  notariis  veluti  gesta 
(Protokoll)  conficerentur,  nam  et  diem  habet  et  consulem.  I,  20:  volens 
etiam  causam  Donatistarum  ad  ipsius  humillimi  vulgi  .  .  notitiam  pervenire 
.  .  psalmum  qui  eis  cantaretur  per  latinas  litteras  feci,  sed  usque  ad  V 
litteram.  tales  antem  abecedarios  appellant.  .  .  hypopsalma  etiam  quod 
responderetur  et  prooemium  causae  .  .  non  sunt  in  ordine  litterarum.  ideo 
autem  non  aliquo  carminis  genere  id  fieri  yolui  ne  me  necessitas  metrica 
ad  aliqua  verba  quae  vulgo  minus  sunt  usitata  compelleret. 

9.  Retract.  II,  6:  confessionum  mearum  libri  XIII  .  .  a  primo  us- 
que ad  decimum  de  me  scripti  sunt;  in  tribus  ceteris  de  scripturis  sanctis. 
.  .  multis  fratribus  eos  multum  placuisse  et  placere  scio.  Sehr  werthvoU 
auch  für  die  Sittengeschichte.  Die  Bekenntnisse  werden  an  Gott  gerichtet 
(z.  B.  IV,  2:  malebam  tarnen,  domine  tu  scis,  bonos  habere  discipulos  etc. 
et,  deus,  vidisti  de  longinquo  lapsantem  in  lubrico).  Die  Person  Christi 
tritt  sehr  wenig  in  den  Vordergrund.  Oft  einzeln  herausgegeben,  z.  B. 
von  A.  'Neander  (Berlin  1823);  auf  Grundlage  der  Oxforder  £dition  (näm- 
lich Bibl.  patrum  eccl.  cath.  ed.  Pusey,  VoL  I,  Oxford  1838)  herausgg.  u. 
erläutert  von  K.  v.  Kaumer,  Stuttg.  1856.  üebersetzungen  z.  B.  von  G. 
Rapp  (Stuttg.  1838)  u.  F.  Merschmann  (Frankf.  1866). 

10.  Retract.  II,  43,  1:  interea  Roma  Gothorum  irniptione  (J.  410)  .  . 
e versa  est;  cuius  eversionem  deorum  falsorum  multorumque  cultorea  .  .  in 
christianam  religionem  referre  conantes  solito  acerbius  .  .  deum  verum 
blasphemare  coeperunt.  unde  ego  .  .  libros  de  civitate  dei  scribere  in- 
stitui.    quod  opus  per  aliquot  annos  me  tenuit,  eo  quod  alia  multa  inter- 


'.:  V- 


fkf.V.  ■ 


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iwß  I^ie  Kaiserzeit.   Viertes  bi«  fünfte»  Jahrhnndert. 

.    ir 

currebant.  .  .  hoc  autem  de  civ.  d.  grande  opas  tandeni  XXII  libris  est 
^:',;  ierminatum  (ums  J.  426).    quorum  V  primi  eos  refellunt  qai  res  humanas 

l^r  .  ita  prosperari  volunt  ut  ad  hoc  multoruin  deorum  cultnm  .  .  necessariam 

6886  arbitrentar  et  quia  prohibetur  mala  lata  exoriri  .  .  contendant.  se- 
^^''  qoentes  autem  V  ad  versus  eos  loquuntur  qui  fatentur  haec  mala  nee  de- 

'^^   ^  fuisse  umquam  nee  defutura  mortalibus,  .  .  sed  deorum  cultum  .  .   propter 

^:'.*.  .    vitam  post  mortem  fiituram  esse   utilem  disputant.     (Vgl.   Epist.  169,  1.) 

'i-^  ':■■  bis  ergo  X  libris  duae  istae  vanae  opiniones  christianae  religioni  odversa- 

riae  refelluntur.    (2.)  sed  ue  quisquam  nos  aliena  tantum  redargnisse,  non 

autem  nostra  asseruisse  reprehenderet:  id  agit  pars  altera  operis  haius, 
^! .  ;>.  quae  libris  XII  conijnetur.    .  .  primi  quattuor  (XII — XV)  continent  exort^im 

r>;  duarum  ciWtatum,  quarum  est  una  dei,  altera  huius  mundi.    secundi  quat- 

l^'CJ  tnor  (XVI — XIX)  excursum  earum  sive  j^rocursum.    tertii  vero,  qui  et  po- 

^\  stremi  (XX — XXII),  debitos  fines.    ita  omnes  XXII  libri,  cum  sint  de  utraquc 

V  '  civitate  conscripti,  titulum  tamen  a  meliore  acceperunt.    Gewidmet  ist  das 

|. .  Werk  dem  Marcellinus,  ohne  Zweifel  demjenigen  welcher  J.  410   zur  Bei- 

^  :.  l6gung  der  donatistischen  Wirren  nach  Africa  gesandt  war  und  an  welchen 

^.;  auch  andere  Schriften  des  Aug.  sowie  Epist.  128  f.  133.  138  f.  143  gerichtet 

-r,,  sind.    Uauptquellen  sind  Cicero  (bes.  de  rep.)  und  Varro  (Antiquitates  und 

'*:.  de  gente  rom.,  auch  wohl  einzelne  logistorici),  für  das   Orientalische  des 

1"  '  Hieronymus  Bearbeitung  der  Chronik  des  Eusebios;   ausserdem  ist  Piaton, 

l-  Sallust,  Plinius  d.  Aelt.  und  Solinus  benützt,  von  Dichtem  besonders  Vergil 

;^  sehr  oft  angeführt,  nächstdem  Terenz,  Horaz,  Persius,  Lucanns,  Terentianus, 

';  Claudianus  u.  a.    Eettner,  varronischc  Studien  S.  40—46.    Sonderausgaben 

„^  bes.  von  J.  L.   Vivis  (comment.  illustr.,  Basil.   1522.   1666.   1570)  und  B. 

Dombart  (Lips.  Teubner  1863,  2   Voll.).     Redner,  die  civitas   dei  des  h. 

Aug.,  Conitz  1856.  4. 

11.   Unter  den  übrigen  Schriften  Augustinus  sind  von  besonderer  Wich- 
tigkeit die  dogmatischen  de  doctrina  christiana  libri  IV  (verfasst  397—426), 
de  trinitate  libri  XV  (J.  400 — 416),   de   peccatorum  meritis  et  remisslone 
libri  III  (ums  J.  412),  de  gratia  et  libero  arbitrio;  'de  correptione  etgratia; 
de  praedestinatione  sonctorum  und  de  dono  perseverantiae.     Aus  dem  Ge- 
biete der  praktischen  Theologie  sind  zu  nennen  die  Schriften  de  mendacio, 
de  continentia,  de  patientia^  de  agone  christiano,  de  bono  coniugali,   de 
nuptiis  et  concupiscentia,  de  adulterinis  coniugiis,   de  opere  monachorum, 
de  unico  baptismo,  de  cura  pro  mortuis  gerenda  u.  A.    Die  Streitschriften 
»ind  gerichtet  gegen  die  Secten  und  Häresen  der  Manichäer,  Donatisten, 
Pelagianer,    Priscillianisten ,    Arianer     und    Origenisten.      Die     Predigten 
(sermones)  füllen  einen  sehr   starken   Band,   der   aber  auch  Zweifelhaftes 
und  Unechtes  enthält.     Bei  aller  Einfachheit   sind  sie   doch   nicht  selteu 
rhetorisch    wirkungsvoll,   auch   wohl  rührsam.     Ueber  deren  Publicum  s. 
J.  V^rin,  St.  Augustini  auditores,  s.  de  Afrorum  christianorum  circa  Aug. 
ingenio  ac  moribus,  Paris   1870.     Th^se.    Ein  Theil  schliesst  sich  an   die 
Erklärung  biblischer  Schriften  (als  Homilien)  an,  wie  über  die  Psalmen,  da« 
Evangelium  Johannis  und  die  Bergpredigt.   Die  Exegese  tritt  in  der  schnft- 
siellerischen  Thätigkeit  des  Aug.  ziemlich  zurück,   da  seine-  Eenntniss   des 
Griechischen  nicht  vollkommen,  das  Hebräische  aber  ihm  ganz  fremd  war. 


434  f.    Augustinus.    Sulpicius  Severug.  10()9 

Doch  schrieb  er  besonders  über  lob,  die  Evangelien  (de  consensu  evange- 
listarum  libri  IV;  quaestionum  evangelicarum  libri  II),  den  Römer-  und 
Galater-Brief.  H.  N.  Glausen,  Aug.  .  .  sacrae  scripturae  interpres,  Berlin 
1827.  Die  Bibelstellen  sind  allenthalben  nach  der  Itala  angeführt.  Die 
Sammlung  der  Briefe  umfasst  (einschliesslich  der  an  Aug.  gerichteten) 
270  Stücke.  Kurz  sind  nur  wenige  derselben;  einzelne  (wie  Nr.  147,  de 
videndo  deo)  sind  so  ausführlich  dass  sie  auch  unter  den  Abhandlungen 
aufgeführt  werden.  Sie  besprechen  fast  alle  kirchlichen  Fragen  der  Zeit; 
manche  sind  beichtväterlichen  Inhalts.  Andrerseits  bat  brieflichen  Charakter 
das  Werk  De  diversis  quaestionibus  LXXXIII  (itetract.  I,  26).  Die 
Benedictiner  haben  die  Briefe  in  4  Classen  eingetheilt:  1.  aus  J.  886  —  395 
(von  der  Zeit  der  Bekehrung  bis  zur  Bischofswahl);  2.  J.  395—410;  3.  J. 
411  (Disputation  mit  den  Donatisten)  bis  J.  430  (Tod);  4.  die  chrono- 
logisch nicht  bestimmbaren. 

12.  Ausgaben  der  sämmtlichen  Werke  Augustinus  z.  B.  Basileae  150G 
apud  Jo.  Amerbachium;  Ex  emendatione  D.  Erasmi,  Basil.  1528  fol.  10  Voll, 
(und  öftei-B  wiederholt);  Per  theologos  Lovanienses  (Antv.  1577  fol.  11  Voll.), 
mit  supplementum  von  H.  Vignerius  (Paris.  1654.  fol.  2  Voll.);  besonders 
aber  die  der  Benedictiner  e  congregatione  S.  Mauri,  Paris  1679  ff.  11  Voll, 
fol.  Im  Wesentlichen  nur  Wiederholungen  letzterer  sind  die  von  Jo.  Phe- 
roponus  (Clericus),  Antv.  1700 — 1703  (12  Voll,  fol.),  und  die  zweierlei  von 
J.  P.  Migne,  Augustini  opera  omnia  in  11  Voll.  (Paris  1835  — 1836  — 18B9) 
und  Patrolog.  XXXII— XL VII. 

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435.  Zu  Anfang  des  fünften  Jahrh.  verfasste  der  Presbyter4i5 
Snlpicius  Severus  (um  365 — 425)  in  Aquitanien  einen  Ab- 
riss  der  Geschichte  von  Erschaffung^  der  Welt  bis  auf  seine  Zeit 
aus  den  besten  Quellen,  mik  geschichtlichem  Sinn  und  in 
schlichter,  aber  gebildeter  und  den  classischen  Historikern  nach- 
strebender Darstellung.  Dagegen  seine  Biographie  des  Martinus 
von  Tours  ist  ein  frommer  Roman,  ein  Denkmal  seiner  schwärme- 
rischen Verehrung  für  den  Helden,  voll  abenteuerlicher  Wunder. 
Ihm  gelten  auch  die  zwei  Dialoge  mit  ciceronischer  Einkleidung. 

1.  Gennad.  vir.  ill.  19:  Severus  presbyter  cognomento  Sulpicius,  Aqui- 
tanicae  provinciae,  vir  genere  et  litteris  nobilis  et  paupertatis  atque  humi- 
litatis  amore  conspicuus  (vgl.  vita  Hart.  24,  4  ff.),  carus  etiam  sanctomm 
virorum  Martini  Turonensis  episcopi  et  Paulini  Nolensis,  scripsit  non  cou- 
temnenda  opuscula.  nam  epistolas  ad  amorem  dei  et  contemptnm  mnndi 
hortatorias  scripsit  sorori  suae  multas,  quae  notae  sunt,  scripsit  ad  Pau- 
linum  praedictum  duas  et  ad  alios  alias,  sed  quia  in  aliquibus  etiam  fa- 
miliaris  necessitas  inserta  est  non  digernntur.  composuit  et  chronica, 
scripsit  et  ad  multorum  profectum  vitam  b.  MaHini  monachi  et  episcopi, 
»ignis  et  prodigiis  ac  virtutibus  illnstris  viri,  et  Collationem  Postnmiani 
et  Qalli  se  median te  et  iudice  de  conversatione  monachoram  orientalium 
et  ipsius  Martini  habitam  in  dialogi  speciem  duabus   incisionibus  comprc- 

Tkitffxl,  Rnm.  Litcratnrgeschichto.    2.  Aufl.  64 


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1 1^ 


F. 


1010 


Die  Kaiserzeit.    Viertes  bia  fünftes  Jahrhundert. 


hendit.  .  .  hie  in  scnectute  sua  a  Pelagianis  deoeptas  .  .  silentium  usqne 
ad  mortem  tenuit.  In  den  echten  Schriften  Angustins  wird  Sulp,  nie  ge- 
nannt, wbhl  aber  von  Hieronymus  (V.  p.  422  Vall.) :  Severus  noster.  Panlin. 
Nol.  epist.  6  (Sevcro  fratri),  5:  tu  .  .  es  aetate  florentior,  laudibue 
abundantior,  in  .  .  fori  celebritate  diversans  et  facundi  nomiois  palmam 
tenens.  repentino  impetn  discussisti  servile  peccati  ingum.  neque  te  di- 
vitiae  de  matrimonio  familiae  consularis  aggestae  neque  post  coniugium 
peccandi  licentia  et  caelebs  iuventas  ab  angusto  salutis  introitu  .  .  revocare 
potnemnt.  (6.)  tu  ergo  verus  factor  legis  .  .  merito  socrum  (Bassnlam)  .  . 
in  matrem  sortitus  aeternam  .  .  relicto  patre  .  .  Christum  secutus  es.  .  .  pi- 
scatorum  praedicationes  tullianis  omnibus  tuis  litteris  praetulisti.  oonfa- 
gisti  ad  pietatis  silentium  (Zurückziehung  in  ein  Kloster).  Vgl.  ib.  epist. 
1  (wonach  Sev.  Elusone  lebte).  11.  17.  22.  23.  24.  27.  28.  29.  30.  31  (ad 
basilicam  quam  modo  apud  Primuliacum  .  .  condideris).  32.  oben  431,  1 
u.  2.     R.  Ceillier,  bist.  gen.  X.  p.  636—660. 

2.  Sulp.  Sev.  chron.  1:  res  a  mundi  exordio  sacris  litteris  editas 
breviter  constringere  et  cum  distinctione  temporum  usque  ad  nostram  me- 
moriam  carptim  dicere  aggressus  sum.  .  .  non  peperci  labori  meo  quin  ea 
quae  permultis  voluminibus  perscripta  continebantur  duobus  libellis  conclu- 
derem,  ita  brevitati  studens  ut  paene  nihil  (?  vgl.  Bernays  S.  45)  gestis 
subduxerim.  .  .  non  pigebit  fateri  me,  sicubi  ratio  exegit,  ad  distinguenda 
tempora  continuandamque  seriem  usum  esse  historicis  mundialibus  atque 
ex  bis  quae  ad  supplementum  cognitionis  deerant  usurpasse.  Das  A.  T. 
benützt  er,  da  er  des  Hebräischen  nicht  mächtig  ist,  nur  in  der  Ueber- 
setzung  der  LXX.  Daraus  entnimmt  er  die  geschichtlichen  Bestandtheile, 
öfters  mit  polemischen  Beziehungen  auf  Vorgänge  der  eigenen  Zeit  Als 
ehemaliger  Jurist  und  Advocat  zeigt  er  Interesse  auch  für  die  mosaische 
Civil-  und  Criminal-Gesetzgebung  (Bernays  S.  31  ff.).  Vgl.  oben  432,  3. 
Ueber  die  2eit  des*  Buchs  Judith  II,  9l,  1  —  6.  Der  geschichtliche  Inhalt 
des  N.  T.  wird  absichtlich  bei  Seite  gelassen  (II,  27,  3),  weil  bei  ihm  eine 
so  freie  Verwendung  wie  beim  A.  T.  bedenklich  war.  Die  nichtbiblischen 
Gewährsmänner  werden  nie  mit  Namen  genannt,  auch  nicht  die  Chronik 
des  Eusebius;  vgl.  II,  5,  7.  Joseph us  ist  nicht  benützt,  woM  aber  Tacitus; 
namentlich  für  die  Geschichte  der  Zerstörung  Jerusalems  verlorengegangene 
Theile  der  Historien  (Bernays  S.  53—61).  Selten  sind  sachliche  Flüchtig- 
keiten (Bernays  Anm.  81).  Das  Werk  ist  gestellt  auf  das  Consulat  des 
Stiücho  (J.  400)  und  vollendet  J.  403.  Die  Darstellung  ist  den  classischen 
Mustern  mit  Geschick  nachgebildet,  besonders  dem  Sallust  (Bernays  Anm.  9. 
15.  24.  33.  37.  45.  50.  59)  und  Tacitus  (ebd.  A.  6.  70),  auch  VeUejus 
(A.  49)  und  Curtius  (A.  35),  ohne  doch  musivisch  buntscheckig  zu  werden 
und  nicht  ohne  Spuren  der  Zeit  (A.  58).  Ein  wissenschaftliches 'Geschichts- 
werk hat  Sulp,  weder  geliefert  noch  beabsichtigt,  wohl  aber  ein  gutes  und 
angenehmes  Lesebuch.  J.  Bernays,  über  die  Chronik  des  Sulpicius  Severus, 
Berlin  1861.  72  S.  4. 

3.  Erhalten  ist  die  Chronik  durch  eine  einzige  Handschrift  saec.  XI, 
welche  zuerst  M.  Flacius  (s.  A.  4)  benützte  (libellum  hunc  .  .  ex  quadam 
celeberrimae  Saxonum  civitatis  Hildesiae  bibliotheca  erutum)  und  welche 


435  f.    SulpiciuB  Severus.    Hilario.  1011 

aus  der  Pfölzer  Bibliothek  J.  1623  in  die  Vaticana  kam  (Vat.  824).  C. 
Halm  in  den  Sitzungsber,  der  münchner  Akad.  1865.  II,  2.  S.  87—64. 
Nach  deren  üeberschrift  (incipit  prologua  Sulpitii  Severi  in  chronica,  quae 
ipse  fecit  ab  exordio  mundi  nsq.  ad  tempus  sumn)  wird  Chronica  wohl 
der  ursprüngliche  Titel  sein.  Da  Sulp,  mehrere  Male  (I,  36,  6.  42,  1.  46, 
5.  II,  5,  7.  6,  1)  die  Chronik  des  Eusebios  schlechthin  als  chronica  anführt, 
so  hielt  Bemays  (S.  71  f.)  A  mundi  exordio  libri  II  für  die  authentische 
üeberschrift. 

4.  Editio  princeps  der  Chronik  von  M.  F.  (Mathias  Flacius):  Sulpitii 
Severi  sacrae  historiae.  .  .  libri  II  nunc  primum  in  lucem  editi,  Basil.  1556. 
Spätere  Ausgaben  von  Victor  Giselinus  (Antv.  1574),  C.  Sigonius  (Bonon. 
1581,  mit  Comm.),  Jo.  DrujBius  (Arnhem.  1607). 

5.  Die  vita  Martini  gibt  ein  anschauliches  Bild  von  *  der  religiösen 
Erregtheit  der  Zeit,  die  bis  zum  Visionären  gieng.  Der  Heilige  besteht 
Kämpfe  mit  dem  diabolus,  hört  und  sieht  Christus  und  Engel,  thut  allerlei 
Wunder,  verkündet  das  nahe  Weltende  (dial.  II,  14)  u.  dgl.  Dasselbe 
Thema  wird  dann  in  den  beiden  dialogi  (früher  in  drei  abgetheilt)  des 
Weiteren  dialogisch  ausgesponnen.  Drei  Briefe,  ad  Eusebium,  Aurelium 
diacoiium,  Bassulam  (s.  A.  1),  dienen  als  Einleitung  zu  diesen  Dialogen. 
Vgl.  Ep.  I,  1:  mentio  incidit  libelii  mei  quem  de  vita  beati  vir!  Martini 
episcopi  edidi  studioseqne  eum  a  multis  legi  libentissime  audiebam.  Paulin. 
Epist.  11, 11.  Vgl.  unten  483,6.  J.  H.  Reinkens,  Martin  von  Tours,  Bresl.  1866. 
Die  Sprache  ist  auch  in  diesen  Schriften  verhältnissmässig^rein  und  gewählt. 
Sie  sind  in  zahlreichen  Handschriften  erhalten,  unter  welchen  die  älteste 
und  wichtigste  ist  die  der  Capitelsbibliothek  in  Verona  saec.  VII,  welche 
selbst  aus  einer  Hdschr.  vom  J.  519  abgeschrieben  ist.  Aus  der  in  Frank- 
reich und  Deutschland  verbreiteten  Classe  ist  eine  der  ältesten  die  Quedlin- 
burger saec.  IX;  s.  Halm  p.  VIII  f. 

6.  Von  jenen  drei  echten  Briefen  sind  zu  unterscheiden  die  sieben 
welche  mit  sehr  zweifelhafter  Berechtigung  den  Namen  des  Sulp,  tragen 
(Appendix  bei  Halm),  von  welchen  der  zweite  auch  unter  denen  des  Hie- 
ronymus  steht.  Sie  weichen  vom  Tone  des  Sulp,  wesentlich  ab.  Die  beiden 
ersten  (ad  Claudiam  sororem  de  ultimo  iudicio  und  de  virginitate)  sind 
umständlich  und  erbaulich.  Der  dritte,  in  Mönchshumor,  steht  auch  bei 
Paul.  Nol.  Epist.  22. 

7.  Ausgaben  sämmtlicher  Werke  des  Sulp.  Sev.  von  J.  Vorst  (cum 
notis,  Berlin  1668  u.  sonst),  H,  de  Prato  (Veron.  1741  —  1754,  2  Voll.  4.), 
in  Migne's  Patrol.  XX.  p.  95—248,  und  besonders  von  C.  Halm  (rec.  cum 
comment.  ciit.  instr.,  Wien  1866). 

Beiträge  zur  Textkritik  bei  de  Rooy,  spicileg.  critic,  Dordrecht  1771. 

436.     Des   Sulpicius   Severus   Zeitgenosse   und   Landsmann4i6 
Q.   lulius   Hilario   verfasste   J.    397    ein    Schriftchen   über   die 
Dauer  der  Welt;  der  Donatist   Tichonius  aus  Afriea  unter  An- 
derem drei  Bücher  über  den  inneren  Krieg.     Um  dieselbe  Zeit 

64* 


1012  I^ie  Kaiserzeit.    Viertes  bis  fünftes  Jahrhundert. 

schrieb  Flavius  Mallius  Theodorus  (Cos.  399)  nicht  ohne  Selb- 
ständigkeit sein  auf  uns  gekommenes  Werkchen  de  metris. 

1.  Das  Schriftchen  des  Hilario  de  daratione  mundi,  nach  Inhalt  und 
Sprache  barbarisch,  aber  von  kühner  Selbständigkeit  der  Forschung,  in 
der  Bibl.  patrnm  ed.  de  la  Bigne  VII.  p.  277  —  284.  A.  v.  Gutschmid  in 
Fleckeisens  Jahrbb.  87,  S.  714. 

2.  Qennad.  vir.  ill.  18:  Tichonius,  natione  Afer,  in  divinis  litteris 
eruditus  iuxta  historiam  sufficienter  et  in  saecularibus  non  ignarus  fuit,  in 
ecclesiasticis  quoque  negotiis  studiosus.  scripsit  De  hello  intestino  libros  III 
et  Ezpositiones  diversarum  causarum,  in  quibus  ob  suorum  defensionem 
antiquarum  meminit  synodorum.  e  quibus  omnibus  agnoscitur  Donatianac 
partis  fuisse.  .composuit  et  Regulas  ad  investigandam  .  .  intellcgeutiani 
Bcripturarum  VII,  quas  in  uno  volumino  conclusit  (vgl.  J.  B.  Pitra,  Spicileg. 
Solesm.  p.  294  f.).  exposuit  et  Apocalypsin  loanuis  etc.  floruit  hie  vir  aetate 
qua  iam  memoratus  (oben  429,  1  ff.)  Rufinus,  Theodosio  et  ülio  eius  re- 
gnantibus. 

3.  Flavius  Mallius  Theodorus,  Cos.  399  (C.  I.  gr.  6232  u.  sonst),  unter 
allen  Compilatoren  dieser  Zeit  derjenige  welcher  am  meisten  Freiheit  und 
Selbständigkeit  in  der  Form  der  Darstellung  zeigt  (Westphal,  allg.  griech. 
Metr.  S.  46  f.  =  P  S.  130).  Das  Vorwort  ist  an  seinen  Sohn  Theodorus 
gerichtet.  Von  Vorgängern  nennt  er  den  luba  und  Terentianus.  Erste 
Ausgabe  der  Schrift  de  metris  von  J.  Fr.  Heusinger  (nebst  De  pedibus 
expositio  von  einem  unbekannten  lulius  Severus),  Wolfenbüttel  1755  (cura 
Ruhnkenii,  Lugd.  B.  1766);  in  Gaisfords  scriptores  lat.  reimetr.  (1837)  p.  525 
—669.  Vgl.  p.  560 — 567.  lulius  Sev.  ib.  p.  667—673.  A.  Rüben,  diss.  de  vita 
Fl.  Mallii  Theodori,  Utrecht  1694.  Lips.  1754.  Vgl.  auch  oben  433, 3  u.  8.  434,  6. 

417  ^ä''*  Von  den  zahlreichen  Freunden  und  Gegnern  des 
Augustinus  waren  ausser  den  schon  Genannten  literarisch  thatig 
der  bekannte  Urheber  des  Pelagianismus^  der  hochachtbare  Britte 
Pelagius,  von  dessen  Schriften  wir  besonders  ein  wohlgesehrie- 
benes  Glaubensbekenntniss  an  Innoeenz  besitzen;  dessen  Lands- 
mann und  jüngerer  Freund  Caelestius;  der  Uebersetzer  Anianus^ 
und  der  durch  Augustinus  Gegenschriften  bekannte  Bischof  lu- 
lianus.  Von  anderen  christliehen  Schriftstellern  der  Zeit  sind 
erwähnenswerth  Antiochius^  Severianus,  BachiariuS;  Sabbatius^ 
Helvidius^  VigilantiuS;  SimplicianuS;  Innocentius. 

1.  Erhaltene  Schriften  des  Pelagius:  Expositionum  in  epistolas 
Pauli  libri  XIV;  Epistola  ad  Demetriadem ;  Libellus  iidei  ad  Innocentium ; 
wahrscheinlich  auch  die  Epist.  ad  Celantiam  matronam  de  ratione  pie 
vivendi.  Nur  aus  den  Gegenschrifton  Augustins  kennen  wir  sein  Werk  De 
natura  und  De  libero  arbitrio  libri  IV.  Ausserdem  schrieb  er  De  trinitate 
libri  III  und  Anderes. 


436  f.    Hilario.    Thcodorus,    Pelagius  u.  A.  1013 

2.  Gennad.  vir.  ill.  44:  Caelestius  .  .  adhuc  adolescens  »cripsit  ad 
parentes  buob  de  monaBterio  epistolas  in  mojdum  libellorum  tres.  Seine 
Schriften  sind  uns  nur  soweit  bekannt  als  Augustinus  sie  erwähnt  oder 
auszieht.  So  Contra  traducem  peccati,  Definitiones  (s.  Aug.  de  perf.  iust. 
hom.),  und  das  an  Zosimus  gerichtete  Glaubensbekenntniss  (libe]lus  fidei; 
B.  Aug.  de  peccato  orig.). 

3.  Anianus,  Diakonus  in  Celeda,  verfasste  Uebersetzungen  von  Hömilien 
des  Chrysostomus,  abgedruckt  in  dessen  Ausgaben. 

4.  Julian u s,  J.  416  Bischof  von  Aeclanum,  aber  schon  418  als  Pela- 
gianer  abgesetzt.  Gennad.  vir.  ill.  45:  vir  acris  ingenii,  in  dlvinis  scri- 
pturis  doctus,  graeca  et  latina  lingua  scholasticus.  .  .  scripsit  Adversus  Au- 
gustinum  libros  lY  et  iterum  libros  VII.  est  etiam  liber  altercationis  am- 
borum  partes  suas  defendentium.  Zur  Zeit  einer  Hungersnoth  habe  er  sich 
durch  Wohlthätigkeit  ausgezeichnet,  moritur  Valentiniano  et  Constantino 
filio  eins  imperante.    Vgl.  oben  434,  11. 

5.  Ueber  die  Donatisten  Tichonins  und  Cresconius  s.  oben  436,  2. 
429,  6. 

6.  Bei  Gennadius  vir.  ill.  20  ff.  werden  als  christliche  Schriftsteller 
der  Zeit  aufgeführt:  20.  Antiochius  episcopus  (moritur  Arcadü  imp.  tempore); 
21.  SeverianuB  Gabalensis  ecclesiae  episcopus  (in  homiliis  declamator  ad- 
mirabilis  .  .  imperatore  Arcadio;  .  .  moritur  minore  Theodosio  imperante; 
Üeberreate  bei  Pitra,  spicileg.  Solesm.  p.  275  f.);  22.  Niceas;  23.  Olympius, 
natione  Hispanus,  episcopus;  24.  Bachiarius  (vir  christianae  philosophiae) ; 
25.  Sabbatius,  gallicanae  ecclesiae  episcopus;  26.  Ursinus  monachus;  27. 
Macarius,  alius  monachus  (scripsit  in  urbe  Roma  adversus  mathematicos 
librum);  29.  Heliodorus  (Antiochenae  ecclesiae  presbyter);  30.  loannes 
(Jerosolymorum  episcopus);  31.  Paulus  episcopus;  32.  Helvidius,  Auxentii 
(des  Arianers)  discipulus,  Symmachi  imitator  (gegen  ihn  schrieb  Hierony- 
mus);  33.  Theophilus  (Alexandrinae  civitatis  episcopus);  36.  Vigilantius 
presbyter,  natione  Gallus,  Hispaniae  Barcilonensis  parochiae  ecclesiam 
tenuit  (huic  et  b.  Hieronymus  presbyter  respondit;  vgl.  oben  426,  2  g.  E.); 
36.  Simplicianus  episcopus  Mediolanensis  (multis  epistolis  hortatus  est 
Augustinum  adhuc  presbyterum  ut  etc.);  37.  Vigilius  episcopus  (scripsit  .  . 
epistolam  continentem  gesta  sui  temporis  apud  barbaros  martyrum);  41. 
Petronius,  Bononiensis  eccl.  episc.  (f  Theodosio  Arcadü  filio  et  Valentiniano 
regnantibus);  43.  Innocentius  urbis  Romae  episcopus  (J.  401 -—417),  Ver- 
fasser einer  Anzahl  erhaltener  Briefe  (Coustant,  epist.  pontifF.  rom.  I.  p. 
739  ff.  Gallandi  bibl.  patr.  VIII.  p.  645  ff.) ;  47.  Avitus  presbyter,  homo 
Hispanus  genere  (vgl.  unten  448,  1). 

7.  In  griechischer  Sprache  schrieb  um  (liese  Zeit  der  Platoniker 
Synesios  aus  Kyrene,  geb.  379,  etwa  seit  410  Bischof  von  Ptolemais,  Ver- 
fasser von  Reden,  Abhandlungen,  Briefen,  Hymnen  u.  A.  Vgl.  R.  Volk- 
mann, Synesios  von  Kyrene,  Berlin  1869. 

438.    Am  Ende  des  vierten  und  Anfang  des  fünften  Jahrh.4i8 
wirkte  und  schrieb  auch  Macrobius  Theodosius,  von  welchem 


1018  Dk^  Kaueneit    Vierte»  bu  fünfte«  Jahrfa ändert. 

«aec.  IX,  die  aber  jetzt  nur  noch  Sat   I  o.   U,   sowie  den  groc^eren  Tbeil 
von  lU  «Dtbält    Ein  anderer  Bamberg,   (saec.  XPp  ist  neben  Paris.  laass- 
gebend  for  den  Commentar   nun   domn.   Scip.     Anfzählimg  der  Hdschrr 
tei  L.  ▼.  Jan  L  c.  5  (p.  LXÜ— LXXX\11). 

'  8.  Von  der  Schrift  De  differentiis  et  societatibos  graeei  latiniqae 
verbi  sind  nur  mitteUlterliche  Excerpte  in  einer  Pariser  nnd  einer  Wiener 
fEndlicher,  Anal,  gramm.  p.  187  ff.)  Handschrift  vorhanden,  znsammen- 
geutellt  in  L.  t.  Jan*8  Ansg.  I.  p.  229 — 276,  mletzt  in  Keil's  gnunm.  lat  V. 
p.  599  —  654.  8ie  sind  so  ziemlich  die  einzigen  Vertreter  der  anf  Ver- 
gleichnng  des  Griechischen  and  Lateinischen  gerichteten  Stadien.  Viel- 
fach diente  das  Rhematikon  des  Apollonio«  Djskolos  als  Qnelle.  6.  ühlig, 
Rhein.  Mos.  XIX.  p.  39  ff.  6.  F.  C.  SchGmann,  commentatio  Maerobiana, 
Greifswald  and  Leipzig  1871.  48  pp.  Widmang  mittelst  einer  Zoschrifl 
(Theodosias  Symmacho  suo)  an  einen  Svmmachas  (Sohn  oder  Enkel  des 
Redners,  s.  oben  418,  2).  Verwandten  Inhalts  ist  das  Bruchstück  eines 
unbekannten  Verfassers  De  verbo,  abgedrnckt  bei  t.  Jan  p.  278 — ^306.  Ge- 
richtet ist  es  an  Severus,  disertissimus  studiosorum. 

9.  Aufzählung  der  Ausgaben  in  L.  y.  Jan's  prolegg.  c.  VI  (p. 
LXXXVIII— XCVIII).  Ed.  princeps  Venet.  1472  fol.  Aldina  Venet  1528. 
Henragiana  Basil.  1535.  Die  des  J.  J.  Pontanns  (Lugd.  B.  1597  u.  sonst) 
zeichnet  sich  durch  ihre  willkürlichen  Aenderungen  aus  (L.  t.  Jan  p. 
XXXII— XXXVII).  Cum  notis  J.  Meursii,  J.  Gronovü,  Lugd.  B.  1670.  Emen- 
davit,  app.  crit.,  adnotationes  .  .  adiecit  L.  lanus,  Quedlinburg  u.  Leipzig 
1848 — 1852.  2  Voll.    Recognovit  Fr.  Eyssenhardt,  Lips.  Teubner  1868. 

119  439.  Ungefähr  aus  derselben  Zeit  sind  auch  einige  küm- 
merliche Arbeiten  für  den  Bedarf  der  Schule.  So  des  angeb- 
lichen Vibius  Sequester  alphabetisches  Verzeichniss  der  bei 
den  gelesensten  Dichtem  vorkommenden  Ortsnamen ,  und  des 
lulius  Exuperantius  dürftige  Erzählung  des  ersten  Bürger- 
krieges nach  Sallust.  Sonstige  Grammatiker  und  Rhetoren  aus 
dieser  Zeit  sind  ClaudiuS;  Donatianus^  Grillius^  Julius  Honorius^ 
Papirianus  u.  A. 

1.  Titel:  Vibii  Sequestris  de  fluminibus,  fontibus,  lacubus,  ne- 
moribus,  paludibus,  montibus,  gentibus  per  litteras.  Der  Name  Vib.  Seq. 
ist  vielleicht  eine  scherzhafte  Fiction  aus  Cic.  pro  Cluent.  8,  25:  Sex.  Vi- 
bium,  quo  sequestre  .  .  dicebatur  esse  usus.  So  Hessel  (J.  1711),  M.  Hertz, 
F.  Lüdecke;  dagegen  Bursian  p.  III  not.  Von  den  vorkommenden  Namen 
weist  keiner  über  saec.  IV  hinaus;  uud  das  völlige  Fehlen  aller  Spuren 
von  Christlichkeit,  wie  die  Unbefangenheit  womit  von  polytheistischem 
Cult  als  einem  bestehenden  gesprochen  wird  (z.  B.  p.  2,  15  Bu.:  Ahnon 
Ilomac,  ubi  mater  deum  VI  kal.  apr.  lavatur;  p.  12,  13:  Aogitiae  (nemus) 
Lucaniae)  würde  sogar  auf  eine  weit  frühere  Abfassung  führen,  wenn  die 
geistige  Beschränktheit  des  Verf.  nicht  geböte  diess  auf  seine  Quellen 
einzugrenzen.    Vorwort:  Vibius  Sequester  Virgiliano  filio  salutem.    Quanto 


438  f.    Macrobius.    Vibiuä  Sequester.    ExupeLiantius.  1017 

ingeuio  ac  Btudio,  fili  carissime,  apud  plerosque  poetas  fluminuin  moutio 
habitast,  tanto  labore  sum  secnius  eorum  et  regiones  et  vocabula  et  qua- 
litates  in  litteram  digerens,  .  .  cum  tuae  profeBsioni  sit  necessarium.  Die 
berücksichtigten  Dichter  sind  Vergil,  Ovids  M6t.  und  Fasti  (vielleicht  auch 
ex  Ponto),  Lucan's  Phars.,  Sil.  Italiens,  sowie  vielleicht  Statins'  Thebais. 
Ueberdiess  sind  Commentare  zu  diesen  benützt,  auch  nicht  erhaltene  (Bur- 
sian  p.  V— VIII).  Wo  der  Verf.  über  das  Registerartige  hinausgeht  wird 
er  verschroben.  Zahlreiche  sachliche  Fehler  zeugen  von  seiner  Unkenntniss, 
der  Stil  von  seiner  Barbarei.  Doch  ist  der  Text  in  verderbter  Gestalt 
überliefert. 

2.  Die  älteste  Handschrifb  des  Vib.  Seq.  ist  Vaticanns  4929  aaec.  X 
(s.  oben  291,  3).   Die  andern  sind  aus  diesem  abgeleitet  und  noch  schlechter. 

3.  Editio  princeps  des  Vib.  Seq.  von  J.  Mazochi,  Rom.  (J.  unbekannt); 
Aldina  (mit  Mela  u,  s.  w.),  Ven.  1514.  1518  (=^  lunt.  1519);  dann  mit  Com- 
mentar  von  Fr.  Hessel  (Rotterdam  1711),  J.  J.  Oberlin  (Strassburg  1778), 
L.  Bandet  (mit  französ.  Uebersetzung,  Paris  1843);  zuletzt  Vibi  Sequestris 
de  fluminibus  etc.  libellus  a  Conr.  Bursian  recognitus  (Zürich  1867.  4.). 
20  pp.  mit  XIII  pp.  Einleitung.  Vgl.  Fr.  Lüdecke,  Götti.  gel.  Anz.  1868, 
S.  661—569. 

4.  lulii  Exuperantii  opusculum  ist  erhalten  durch  eine  Sallust- 
handschrift  saec.  XI,  Paris.  6085,  welche  eine  Zeit  lang  P.  Pithöus  besass; 
darnach  veröffentlicht  zuerst  von  F.  Sylburg  (1588),  darauf  in  vielen  Aus- 
gaben des  Sallust,  zuletzt  eigens  von  Bursian,  Zürich  1868.  4,  Ueber  eine 
Basler  Handschrift  und  Goldast's  Abschrift  davon  s.  F.  Lüdecke,  Götti.  gel. 
Anz.  1869,  S.  77—80.   Auch  vgl.  Mähly  in  Fleckeisens  Jahrbb.  105,  S.  143  f. 

5.  Dass  das  opusculum  des  lul.  Exup.  aus  dem  vierten  bis  fünften 
Jahrh.  stammt  wird  wahrscheinlich  theils  durch  die  Thatsache  der  aus- 
schliesslichen Benützung  des  Sallust,  der  um  diese.  Zeit  wieder  in  der  Mode 
war,  theils  durch  die  Art  der  Benützung.  Nicht  nur  der  Inhalt  ist  aus 
Sallust  (bes.  lugurtha  und  Historieie)  geschöpft,  sondern  auch  zahlreiche 
einzelne  Wendungen.  Dabei  zeigt  aber  der  Verf.  nur  eine  verschwommene 
Vorstellung  von  der  Verfassung  der  Republik,  begeht  erhebliche  geschicht- 
liche Verstösse  (wie  Verwechslung  des  jungem  Marius  mit  dem  aJtern), 
und  ist  in  seiner  Auffassung  und  Darstellung  ebenso  trivial  wie  unbehülf- 
lich.  Dazu  Mangel  an '  Sprachgefühl  in  Wortstellung  und  einzelnen  Aus- 
drücken, wie  praelium  statt  bellum,  leges  ac  iura  praescribere,  compor- 
tatur  exercitus  (wird  zusammengebracht)  u.  dgl.  Vgl.  G.  Linker,  Berichte 
der  Wiener  Akad.  philol.-hist.  Cl.  XIII  (1854)  S.  286  ff.  Bursian  p.  VI— VIII. 
Auch  vgl.  A.  10  und  oben  423,  5. 

6.  Männer  des  Namens  Exuperantius  gibt  es  im  vierten  und  fünften 
Jahrh.  mehrere  (Wernsdorf  poetae  latt.  min.  V,  1.  p.  649 — 552.  Bursian 
p.  IV  f.),  ohne  dass  aber  der  Verf.  sich  mit  einem  derselben  mit  Sicher- 
heit identificieren  Hesse.  So  war  ein  E.  Bischof  von  Ravenna  J.  386—418; 
an  einen  Anderen,  welcher  militiae  operam  dat,  ist  Hieronymus  Ep.  145 
(p.  1079  Vall.)  gerichtet,  vielleicht  derselbe  welcher  Cod.-Theod.  XIV,  1,  14 
(vom  J.  404)  decurialis,  Vat.fr.  86  vir  clariss.  heisst.    Dass   im  Cod.  Th. 


1018  Dio  Kaiserzeit.   Vierie»  bis  fünftes  Jahrhundert. 

neben  (nach)  ihm  ein  lulius  genannt  ist  beweist  nur  was  bei  Beiden  der 
Hauptname  war,  nicht  die  Unmöglichkeit  dass  der  Fragliche  der  Verf.  des 
opusculum  wäre.  Weniger  glaublich  ist  dass  Letzterer  der  praeses  Aremo- 
ricae  bei  Rutil.  Namat.  I,  213  ff.  ist  (Wernsdorf  1.  1.  p.  551  f.),  da  dessen 
Sohn  Palladius  Rutilius  (nicht  luHus  oder  Exuperantius)  hiess  (s.  oben  405,  1). 

7.  Ueber  den  Grammatiker  Claudius,  welcher  unter  Andern  auch  den 
Sacerdos  benützt  hatte,  s.  J.  Stenp,  Rhein.  Mus.  XXYl.  S.  320 --323,  vgl. 
H.  Hagen,  Anecd.  Helvet.  p.  LXXXVI  f. 

8.  Nach  dem  Aufsatze  de  metris  Horatii  (vgl.  oben  299,  2)  stehen  in 
einem  codex  Bobiensis  grammatische  Excerpte,  Ars  grammatiea  accept^ 
ex  auditorio  Donatiani,  geschöpft  auB  Charisius  (Keil  VI.  p.  254).  Abge- 
druckt bei  Keil,  gramm.  latt.  VI.  p.  275—277. 

9.  Excerpta  ex  Grillii  commento  in  Cic.  libr.  de  invcntionc  in  Halmes 
Rhett,  latt.  min.  p.  596—606.  Grillius  citiert  (p.  598,  20)  den  Rhetor 
Eusebius  (oben  419,  6)  und  wird  selbst  angeführt  von  Priscian.  I,  47  (Grillius 
ad  Vergilium  de  accentibus).  Auch  seine  Schreibweise  stimmt  zum  4—5.  Jahrb. 

10.  Unter  der  Ueberschrift  lulii  Honorii  oratoris  excerpta  quae  ad 
cosmographiam  pertinent  haben  wir  eine  Aufzählung  von  geographischen 
Namen,  gedruckt  in  A.  Gronov's  Ausgabe  des  Mola,  Leiden  1696  u.  1722 
(p.  691—702).  Der  Verf.  ist  wohl  der  von  Cassiodor  (oben  S.  822,  Z.  1  ff.) 
genannte  lulins  orator.  Müllenhoff,  über  d.  Weltkarte  des  Aug.  (Kiel 
1856)  S.  6  ff.  hält  ihn  für  einen  Spanier.  Vielleicht  eine  Verdünnung  davon 
ist  die  willkürlich  mit  dem  Namen  Aethicus  Ister  (unten  488,  1—3)  belegte 
Kosmographie,  gedruckt  zuletzt  in  A.  Gronov's  Mela  (1722)  p.  705 — 722. 
Eine  weitere  (Alia  totius  orbis  descriptio^  bei  Gronov  p.  723—733)  gibt  eine 
Beschreibung  von  Asien,  Europa  und  Africa  (cum  limitibus  suis  et  popnlis) 
sowie  der  Inseln  des  mittelländischen  Meeres,  grossentheils  in  Uebereinstim- 
mnng  mit  Oros.  I,  2.  Vgl.  Ritschi  und  Petersen  (oben  S.  430,  Z.  8  ff.  v.  u.). 
Pertz,  de  cosmogr.  p.  12  ff. 

11.  Priscian.  I,  36  (p.  27,  11  H.):  quod  t«statur  Papirianus  de 
orthographia.  XII,  26  (p.  593,  14):  teste  Papiriano,  qui  de  orthographia 
hoc  ostendit.  Vgl.  ib.  I,  39  (anctore  Plinio  et  Papiriano  et  Probe). 
X,  11  (Nisus  et  Papirianus  et  Probus).  Auszug  aus  diesem  Werke  bei 
Cassiod.  de  orthogr.  4  =  Putsche  p.  2292  ff.  Pap.  erwähnt  selbst  den 
Donat  (p.  2292,  3i  P.)  und  wurde  von  Cassiodor  benützt  (div.  inst.  30).  Er 
wird  also  frühestens  J.  400  geschrieben  haben.  Tortellius  (saec.  XV)  citiert 
von  ihm  B.  II,  HI,  IV.  Er  ist  wahrscheinlich  identisch  mit  dem  Q.  Papirius 
ans  welchem  Lipsius  (de  recta  pronunt.  lat.  ling.  c.  14)  ein  Fragment  an- 
führt, entnommen^  wohl  aus  Adamus  Petrus  in  seiner  Ausg.  des  Palaemon 
etc.  (Basel  1527.  8.)  foL  106:  Q.  Papyrii  de  orthographia  fragmentum. 
Brambach,  lat.  Orthogr.  S.  55  f.  Auch  wird  in  einer  Berner  Hds.  als  Gram- 
matiker aus  Spanien  der  über  Orthographie  geschrieben  Papperinus  genannt, 
und  anderswo  (H.  Keil,  de  gramm.  inf.  aet.  p.  15  not.  H.  Hagen,  Anecd. 
Helv.  p.  CCLII  f.)  ihm  (Paperinus)  Angaben  zugeschrieben  die  theilweise 
übereinstimmen  mit  solchen  des  Papirianus,  aber  freilich  auch  sonst  nicht 
selten  sind. 


439  f.    Grillius  ii.  a.  Grammatiker.    Gromatiker.  1019 

12.  üeber  lulius  Paris  8.  oben  274,  9  u.  11. 

13.  üeber  die  Scbolia  Bobicnsia  zu  den  ciceroniscben  Beden  s.  oben 
290,  4;  die  des  Ps.  Asconius  oben  290,  3. 

14.  Ueber  Vergilkdss.  aus  dieser  Zeit  s.  oben  226,  9;  über  ein  Pa- 
limpsest  s.  oben  399,  4. 

440.  UngefHhr  aus  dieser  Zeit  sind  einige  gromatische 
Schriftsteller  von  denen  wir  Commenta.re  zu  älteren  Fachwerken 
besitzen^  wie  Aggenus  Urbicus,  Nipsus  und  Innocentius. 

1.  C.  Lachmann,  Schrr.  d.  rOm.  Feldmesser  II.  S.  104:  „das.com- 
mentum  Aggeni  Urbici,  nur  in  den  Hdss.  der  zweiten  Classe,  auch  für  den 
Anhang  zu  Boethius  nicht  benützt,  die  jämmerliche  Arbeit  eines  christ- 
lichen Schulmeisters.*'  Vgl.  p.  9:  susccpiraus  qnoque  tractandos  contro- 
versiarum  status  cum  divino  praesidio.  Commcntiert  wird  von  ihm  Jul. 
Frontinus  (oben  322,  3);  Abdruck  a.  a.  0.  I.  p.  1 — 58.  üeberschrift  p.  9: 
explicit  commentum  de  agi*orum  qualitatc.  incipit  de  controversüs.  Dazu 
ein  Anhang  von  Zeichnungen,  betitelt  Liber  diazografus.  Vgl.  ebd.  11. 
S.  142.  Von  diesem  unterschieden  ib.  I.  p.  59—90:  Ageni  ürbici  de  contro- 
versüs agrorum.  Vgl.  liber  colon.  I.  (ebd.  I.)  p.  246:  ex  commentario  ürbici 
edictonim  VI  Gaesaris  QuintoPedio  Camidiano  quae  oppresit  illa  agrorum. 

2.  Schriften  der  röm.  Feldm.  I.  (Berl.  1848)  p.  285:  incipit  Marci  luni 
Nipsi  liber  II  feliciter.  Fluminis  varatio  (p.  285  f.).  Limitis  repositio 
(p.  286 — 288).  varationis  repositio  p.  288  f.  üeber  Setzung  der  lapides 
p.  289—295.  Podismns  p.  295  —  301.  In  einem  cod.  Bamberg,  saec.  XI 
Bruchstücke  mit  der  Aufschrift  Liber  lunii  Nipsi  de  mensuris;  L.  v.  Jan, 
Zeitschr.  f.  d.  Alt.  Wiss.  1844,  Nr.  55, 

3.  Schrr.' d.  rÖm.  Feldm.  I.  p.  310  unter  der  üeberschrift:  Ex  libro  XII. 
Innocentius  v.  p.  (vir  perfectiss.)  auctor  de  litteris  et  notis  iuris  exponendis. 
Casa  per  A  nomen  habens  etc.  Casa  per  B  nomen  habens  etc.  (p.  310—318. 
und  nach  dem  griechischen  Alphabet  p.  318 — 325).  Expositio  litterarum 
finalium  ib.  p.  325—331  (griech.  u.  lat.  Alphabet),  p.  331  die  üeberschrift: 
incip.  et  de  casis  litterarum  montium  in  ped.  V.  fac.  pede  uno  (p.  331 — 
338).  Vgl.  Kudorff  a.  a.  0.  II.  S.  406:  „die  casae  litterarum,  .  .  das 
sonderbarste,  durch  langen  Schulgebrauch  am  meisten  mitgenommene 
Stück  der  ganzen  Feldmessersammlung.*'  S.  408:  „das  Latein  ist  nicht 
sowohl  rustik  als  im  Satzbau,  in  den  Präpositionen  und  selbst  den  Sub- 
stantiven völlig  verwildert."  Vgl.  de  sub  rivo  latus  (von  der  Bachseite) 
p.  316,  17  u.  A.  ebd.  A.  452.  Aehnliches  aus  einer  Mailänder  Hds.  saec.  X 
in  den  Sitzungsber.  der  Berl.  Akad.  1861,  S.  1014  ff. 

4.  üeber  Frontin.  Strateg.  IV.  s.  oben  322,  5. 

441.  In    gebundener    Form   verfasste    um    diese    Zeit    der420 
Rhetor   Severus   Sanctus   Endelecbius   in    zierlichen   asklepia- 
deischen   und   glykoneischen  Versen   sein  anmutiges  Idyll   über 


1020  Die  KsLiacrzt^it    Viertem  bis  fünftes  Jahrhundert. 

eine  Kinderseucbe.  Gleichfalls  noch  in  den  letzten  Jahren  des 
vierten  Jahrh.  richtete  Augustins  Landsmann  und  Schüler  Li- 
centiQS  von  Rom  aus  an  seinen  nach  Africa  zurückgekehrten 
Lehrer  ein  Gedicht  Ton  154  Hexametern^  gespickt  mit  Phrasen 
alten  und  neuesten  Gepräges,  von  wirrepi  Gedankengange  und 
sehr  unclassischem  Versbau.  Auch  Ton  einem  andern  Zeitge- 
nossen, Audax,  sind  einige  schülerhafte  Verse  auf  Augustin  er- 
halten. Dagegen  sind  untergegangen  die  Satiren  welche  Ludllus 
verfasst  hatte. 

1.  Subscription  den  cod.  Flor,  von  Apulejus  (oben  363,  8):  ego  Sa- 
lustins  legi  et  emendavi  Romae  felix  Olibrio  et  Probino  v.  c.  cons.  (J.  395) 
in  foro  Martis  controversiam  declamaos  oratori  Endelechio.  Der  Rhetor 
dessen  Schüler  diesen  Eintrag  in  sein  Exemplar  machte  ist  ohne  Zweifel 
identisch  mit  dem  End.  des  christlichen  Idylls,  das  in  der  editio  princeps 
des  P.  Pithöus  (veterum  aliquot  Galliae  theologorum  scripta,  Paris  1586.  4. 
p.  144  BS  Epigramm.  1596.  p.  573  —  576)  die  Ueberschrifl  hat:  Incipit  Car- 
men Severi  Sancti  i.  e.  Eudeleichi  rhetoris  de  mortibus  boum.  Vielleicht 
nahm  er  erst  nach  seinem  Uebertritt  zum  Christenthnm  die  Namen  Seyenis 
Sanctus  an.  Freundschaft  mit  Paulinus  Nol.;  s.  dessen  epist.  28,  6:  alias 
libellus  ex  his  est  quos  ad  benedictum  i.  e.  christianum  virum,  amicom 
mcum  Endelechium  scripsisse  videor  (die  Lobrede  auf  Theodosius,  s.  oben 
431,  1).  .  .  is  enim  mihi  auctor  huins  .  .  opusculi  fuit,  sicut  ipsius  epistola, 
quae  libello  meo  pro  themate  praescribitur,  docet.  Sehr  wahrscheinlich 
ist  dass  End.  Gallier  war;  daas  aber  gerade  Aquitanier,  erhellt  nicht  aus 
V.  21  ff.:  haec  iam  dira  lu^s  serpere  dicitur.  pridem  Pannonios,  'Dljrios 
quoque  et  Beigas  graviter  stravit  et  impio  cursu  nos  quoque  nunc  petii 
Denn  dass  die  Seuche  zunächst  von  den  Beigen  her  in  des  Dichters  Land 
eingedrungen  sei  besagen  die  Worte  nicht.  Vgl.  Bemays,  Chronik  des 
Sulp.  Sev.  8.  2  f.  A.  3. 

2.  Das  Gedicht  ist  ein  Zwiegespräch  zwischen  zwei  Hirten.  Auf  Be- 
fragen des  Aegon  gibt  Buculus  als  Ursache  seiner  Traurigkeit  die  Rinder- 
pest an,  die  er  beweglich  beschreibt.  Da  treibt  Tityrus  seine  gesunde 
Heerde  vorbei,  gibt,  auf  die  Frage  nach  dem  Schutzmittel  das  er  ange- 
wandt, zur  Antwort:  signum  quod  perhibent  esse  crucis  dei,  .  .  mediis 
froutibus  additum,  cunctarum  pecudum  certa  salus  fuit,  worauf  sich  Aegon 
und  Buculus  alsbald  entschliessen  selbst  auch  Christen  zu  werden:  nam 
cur  addubitem  quin  homini  quoque  signum  prosit  idem  .  .  quo  vis  morbida 
vincitur?  Populäre  (vgl.  Minuc.  Fei.  Oct.  32,  2  f.)  oder  auch  augustinische 
Auffassung  des  Christenthums  v.  117  ff.:  non  ullis  madidast  ara  cruoribiis, 
nee  morbus  pecudum  caede  repellitur,  sed  simplex  animi  purificatio  optatis 
fruitur  bonis.  Das  Versmass  der  33  Strophen  ist  das  von  Horaz  0.  I,  6. 
Ist  die  Seuche  die  lues  pariter  boum  atque  hominum  von  welcher  Ambro- 
sius  spricht  (comm.  in  Lucam  X,  10),  so  wäre  das  Gedicht  noch  aus  saec.IV. 

3.  Gedruckt  ist  das  Gedicht  ausser  bei  Pithöus  (A.  1)  z.  B.  bei 
Wernsdorf,  poctae  latt.  min.  11.  p.  218  —  229,   vgl.   p.  63—61;   neuerdings 


441.   Endelechius.    Licentius.  1021 

herausgeg.  von  F.  Piper  (Gotting.  1835)  und  J.  A.  Giles  (London  1838);  in 
ßiese's  Anthol.  lat.  893  (IL  p.  314—318). 

4.  Licentius,  Sohn  des  Romanianus  welcbem  Augustin  seine  Bücher 
de  academicis  widmete  (oben  434, 5)  und  welcher  ein  cognatns  des  Bischofs  von 
Thagaste,  Alypius,  war  (Aug.  epp.  27,  4  f.),  Schüler  des  Augustin,  in  Karthago, 
Rom  und  Mailand,  aber  nach  Augustins  Rückkehr  nach  Africa  in  Rom 
zurückgeblieben  um  die  rhetorischen  und  poetischen  Studien  fortzusetzen, 
für  welche  er  von  jeher  einen  Hang  hatte  (Aug.  c.  acad.  II,  8.  III,  1.  de 
ordine  1,  2.  5.  8)  und  besonders  ftir  romantische  Stoffe  wie  Pyramos  und 
Thisbe.  Von  R.om  aus  richtete  er  an  Augustin  einen  Brief  und  das  Gedicht, 
worin  er,  von  dea  Schwierigkeiten  ausgehend  die  ihm  der  über  Musik 
handelnde  Theil  von  Varro's  Encyclopädie  mache,  den  alten  Lehrer  um 
Rath  und  Zusendung  seines  Werkes  de  musica  bittet,  pathetisch  ihn  seiner 
Anhänglichkeit  versichert  und  in  zusammengestoppelten  Phrasen  wohlfeile 
Gelehrsamkeit  zur  Schau  tragend  sich  als  strebsamen  aber  eiteln  Rhetor- 
Schüler  kennzeichnet.  Da  er  zugleich  die  Unvorsichtigkeit  hatte  zu  gestehen : 
et  nunc  Romulidum  sedes  .  .  desererem,  .  .  ni  mens  coniugio  incumbens 
retineret  euntem  (71  ff.),  und  seine  Aussichten  im  Briefe  wohl  näher  aus- 
malte, so  erhob  Augustin  (ep.  26  Bened.  ;=*  39)  warnend  den  Finger  (mi 
Licenti ,  .  .  timeo  te  rebus  mortalibus  .  .  compediri.  .  .  imaginationibus 
mortiferarum  voluptatum  aurem  accommodas.  .  .  ornari  abs  te  diabolus 
quaerit)  und  bot  auch  die  Beredtsamkeit  seines  Freundes  Paulinus  in  Noia 
auf,  dem  er  seinen  Brief  an  Lic.  und  dessen  Gedicht  mittheilte  und  der 
nun  in  Prosa  und  (elegischen)  Versen  (epist.  8  =  46 ;  in  Aug.  epp.  32  =  36) 
den  Wankenden  bestürmte  (z.  B.  an  den  Vater:  credimu8*in  omnipotentem 
Christum  quod  adölescentis  nostri  votis  camalibus  spiritualia  vota  Augu- 
stini praevaleant;  an  den  Sohn:  vere  pontifex  et  vere  consul,  Licenti,  eris 
si  Augustini  vestigiis  propheticis  et  apostolicis  disciplinis  .  .  adhaereas,  und 
in  Versen :  tu  thalamos  licet  et  celsos  mediteris  honores,  .  .  vive,  precor,  sed 
vive  deo;  nam  vivere  mundo  mortis  opus:  viva  est  vivere  vita  deo).  Wirk- 
lich scheint  es  den  vereinten  Bemühungen  von  Aug.  und  I^aul.  gelungen 
zu  sein  das  verlaufene  Schaf  zur  Heerde  zurückzubringen.  Wenigstens 
erscheint  des  Lic.  Name  ferner  nicht  wieder,  weder  in  der  politischen  noch 
in  der  Literaturgeschichte. 

5.  Licent.  ad  Aug.  137  ff.:  sed  nos,  praeterea  quod  ab  una  exurgimns 
urbe,  quod  domus  una  tulit,  quod  sanguine  tangimur  uno  saeclorum,  chri- 
stiana  fides  connexuit.  Biblische  Wendungen  v.  44.  102.  Daneben  aber 
v.  26  clari  rector  Olympi  und  32  tibi  noster  Apollo  corda  replet,  was  Chri- 
stus sein  soll.  Aehnlicher  Tactfehler  148:^  conceptum  in  lucem  vomnisti 
nectareum  mel.  Anklänge  an  Vergil  v.  52  (o  mihi  transactos  revocet  si 
pristina  soles  etc.).  97.  132  f.  (non  si  niihi  murmura  centum  det  Boreas  etc.t) 
141;  an  Persins  v.  47;  besonders  aber  an  Claudianus,  zum  Theil  so  stark 
dass  sie  wie  ein  Versuch  aussehen  sich  mit  fremden  Federn  zu  schmücken; 
s.  V.  60.  98  f.  114.  132.  Vorzugsweise  sind  es  an  Claudiau  die  alcxaudri- 
nischen  Phrasen  welche  Lic.  bewundert  und  nachahmt.  Da  v.  98  f.  aus 
Claudians  Gedicht  auf  das  Consulat  des  Probinus  (J.  396)  entnommen  ist, 
so  wird  das  dos  Lic.  aus  396  sein.    Nicht  von  Clandian  aber  hat  Lic.  seine 


1022  Die  Kaiserzeit.   Viertes  bis  fünftes  Jahrhundert. 

Kürzung  von  langem  o  im  Auslaut  (z.  B.  scrutandö,  omnino)»  ^^^  Messung 
Pelöpum  (125),  den  Hiatus  spem  ac  (29)  u.  dgl. 

6.  Aus  Augustins  Briefen  heraus  sind  die  Verse  des  Lic.  gedruckt 
z.  B.  in  P.  Fithöus  epigr.  (Lugd.  1596)  p.  471  f.  und  besonders  bei  Werus- 
dorf,  poetae  latt  min.  IV.  p.  516 — 644,  vgl.  p.  504—516. 

7.  Die  5  Hexameter  des  Audax  (darunter  ein  siebenfüssiger)  an  seinem 
Briefe  in  Augustins  Epp.  260 ««139;  bei  Wemsdorf,  poetae  latt  min.  IV.  p.  514. 

B.  Versus  Bassi  excosule  scripti  in  tumulo  .  .  Münice  (Monicae)  metris 
scti  Augustini  aus  Paris.  8093  bei  Biese,  Anthol.  lat.  670  (II.  p.  127  f.). 

9.  Rutil.  Nam.  I,  599  —  614:  huius  (des  Lucillus,  des  Vaters  von  De- 
cius,  consularis  Tusciae  J.  416;  vgl.  oben  418,  6)  vuliiificis  satira  ludente 
Camenis  nee  Turnus  potior  nee  luvenalis  erit.  restituit  veterem  censoria 
lima  pndorem,  dumque  malos  carpit  praeeipit  esse  bonos.  Seine  Satiren 
hatten  also  ethisch-polemischen  Inhalt. 

421  442.  Etwa  aus*  dem  vierten  bis  fünften  Jalirh.  stammen 
wohl  die  hundert  Räthselgedichte  des  Symphosius.  Sie  be- 
stehen je  aus  drei  Hexametern  nebst  einem  ungeschickten  Prolog. 
Sprache  und  Versbau  sind  in  reinem  Geschmacke  und  zeigen 
den  Verfasser  als  einen  Nachahmer  des  Ausonius. 

1.  Aufschrift  im  cod.  Salm.:  Enigmata  Symfosi  scolastici.  Der  Pro- 
log von  17  Hexametern  macht  den  unglücklichen  Versuch  die  Sammlung 
für  das  Erzeugniss  heiterer  Improvisation  bei  einem  Satumaliengelage  aus- 
zugeben, vgl.  1  f.:  haec  quoque  Symphosius  de  carmine  lusit  inepto.  sie 
tu,  Sexte,  doces,  sie  te  deliro  magistro.  15:  hos  versus  feci  subito  de  car- 
mine vocis.  17:  da  veniam,  lector,  si  non  sapit  ebria  Musa.  Der  Verf. 
lebt  noch  in  den  antiken  Traditionen,  ohne  vom  Christenthum  sich  berührt 
zu  zeigen. 

2.  Chr.  A.  Heumann  hatte  den  verkehrten  Einfall  die  Räthsel  dem 
Lactantius  (oben  393,  8)  zuzutheilen  (Lactantii  Symposium ,  sive  C  epigram- 
mata  etc.  Hannover  1722),  daher  sie  sich  in  manchen  Ausgaben  des  La- 
ctantius finden,  wie  noch  der  von  Fritzsche  (II.  p.  298 — 308,  vgl.  p.  XI  f.). 
A.  Biese  setzt  den  Verf.  an  den  Anfang  von  saec.  VI;  W.  Th.  Paul  (de 
Symposii  aenigmatis,  Berlin  1854)  und  Schenkl  (s.  A.  3)  in  saec.  IV— V; 
L.  Müller   (metr.  lat.   p.  05  —  57)  wegen  der  iteinheit  der  Verstechnik   in 

saec.  n — in. 

3.  Die  Sammlung  ist  durch  eine  Anzahl  Handschriften  erhalten,  welche 
zweierlei  Recensionen  darstellen.  Die  älteste  ist  der  codex  SaJmasianus 
(A  bei  Riese)  aus  Ende  von  saec.  VII  oder  Anfang  von  VIII.  A.  Biese  in 
d.  Zeitschr.  f.  Ostreich.  Gymn.  XIX  (1868).  S.  483—500.  Vgl.  K.  Schenkl, 
Sitzungsber.  d.  Wiener  Ak.  XLHI.  (1863.)  S.  11  ff.  L.  Müller  in  Fleck- 
eisens Jahrbb.  93,  S.  266—272.  J.  Klein,  Rhein,  Mus.  XXIII.  S.  526—531. 
Riese,  Anthol.  lat.  II.  p.  LVHI-LXn. 

4.  Abdruck  der  Bäthsel  z.  B.  bei  Wernsdorf,  poetae  latt.  min.  VI,  2. 
p.  473  —  579  vgl.  p.  410  —  472.    Symp.  enigmcs  revues  sur  plusieurs  manu- 


442  f.    Symphosius.    Avianue.  1023 

scripta  et  tradaitcs  par  E.  F.  Corpet,  Paris  1868.  78  pp.    Bester  Text  bei 
A.  Riese,  Anthol.  lat.  I,  286  (p.  187—207). 

5.  Eine  Nachahmung  des  S.  sind  die  versus  Seoti  cuiusdam  de  alpha- 
beto,  schon  in  Hdss.  saec.  X  u.  XI;  s.  L.  Müller,  Rhein.  Mus.  XX.  S.  357. 
XXIV.  S.  614—617. 

443.    Ungefähr  aus  der   gleichen  Zeit  sind  wohl  auch  die422 
42   aesopischen   Fabeln    im  elegischen   Masse    welche  Avianus 
verfasst   und    einem   Theodosius  gewidmet   hat.     Als  Schulbuch 
benützt,   wurden  sie  oft  abgeschrieben,   vermehrt,   paraphrasiert 
und  nachgebildet.     • 

1.  Aus  dem  Vorwort:  Dubitanti  mihi,  Theodosi  optime,  quoinam  lit- 
terarum  titulo  nostri  nominis  memoriam  mandaremus  fabularum  textus 
occurrit.  .  .  nam  quis  tecum  de  oratione,  quis  de  poemate  loqueretur,  cum 
in  utroque  litterarum  genere  et  Atticos  graeca  eruditione  superes  et  lor 
tinitate  Romanos?  huius  ergo  materiae  ducem  nobis  Aesopum  noveris, 
worauf  ferner  Sokrates,  Flaccus,  Babrius  und  Phaedrus  als  Vorgänger  ge- 
nannt werden,  de  bis  ego  ad  XLII  in  unum  redactas  fabulas  dedi,  quas 
rudi  latinitate  compositas  elegis  sum  explicare  conatus.  Vielleicht  dass 
der  Angeredete  der  Grammatiker  Macrobius  Theodosius  (oben  438)  ist. 

2.  Der  Verf.  handhabt  die  Gestalten  des  Polytheismus  (luppiter,  Phoe- 
bus,  Neptunus,  Fortuna  u.  s.  f.)  mit  Unbefangenheit,  erwähnt  ebenso  die 
Errichtung  von  Altären  (12,  5)  und  von  Opfern  (29,  ;15),  spricht  kurzweg 
vom  campuB  (10,  3)  und  lebte  daher  vielleicht  zu  Born  und  in  heidnischer 
Atmosphäre.  Seine  Sprache  ist  nicht  immer  einfach,  aber  meist  rein;  der 
Versbau  correct,  theilweise  elegant.  G.  Lachmann  (de  aetate  Flavi  Aviani, 
Berlin  1845.  4  pp.  4.)  setzte,  mit  Gannegieter  (de  aetate  et  stilo  Flavii  Av., 
in  sr.  Ausg.  p.  254  ff.)}  den  Verf.  (mit  Abzügen)  ins  zweite  Jahrb.;  L.  Müller 
(de  re  metr.  p.  55)  theilte  ihn  ultimip  imperii  rom.  temporibus  zu;  Ed^l^- 
stand  du  Märil  (po^sies  in^dites  p.  95  ff.)  dem  sechsten ;  W.  Fröhner  (ed. 
p.  XII)  dem  fünften  Jahrb.  (fabulator  rusticissimus  quinti  saec.  tam  est 
quam  potest),  0.  Keller  (Pauly's  Real-Enc.  I,  2.  S.  1326  vgl.  Fleckeisens 
Jahrbb.  Suppl.  IV.  S.  410  f.)  dem  Ende  von  saec.  IV  oder  Anfang  von  V. 
Aehnlich  Wernsdorf,  poetae  latt.  min.  V,  2.  p.  663 — 670.  Angekündigt  ist 
eine  Abh.  de  aetate  et  fobulis  Aviani  von  F.  Zorn. 

3.  Zahlreiche  Handschriften  von  saec.  IX  an.  Der  Text  von  Fröhner 
ist  gegründet  auf  A  (Paris.  8093),  P  (St.  Germain  1188),  C  (Paris.  5570) 
und  K  (Karlsruher  Hofbibliothek  85;  Fragment).  Vgl.  K.  Schenkl,  Ztschr. 
f.  Ostreich.  Gymn.  XVI  (1865).    S.  397—413. 

4.  Ausgaben  mit  Phädrus  u.  A.  (z.  B.  in  P.  Pithöus  epigr.).  Eigens 
von  H.  Gannegieter  (Amstelod.  1731),  C.  H.  Tzschucke  (Lips.  1790),  G.  Lach- 
mann (rec.  et  emend.,  Berl.  1845),  W.  Fröhner  (ex  rec.  et  cum  instrum. 
crit.,  Lips.  Teubner  1862). 

6.  Die  Erweiterung  der  fabulae  erfolgte  hauptsächlich  durch  Hinzu- 
fügung  von  epimythia;  s.  Fröhner  p.  60  ff.    Zum  Theil  verrathen  sie  ihren 


1024  Die  Kaiserzeit.   Viertes  bis  fünftes  Jahrhundert. 

m 

mittelalterlichen  Ursprung  schon  durch  ihre  leoninische  Fassung.  Solche 
hat  auch  die  Paraphrase  (ungefähr  aus  saec.  XI)  betitelt  Novus  Avianus 
(nach  einer  Münchner  und  einer  Brüsseler  Hds.  herausgeg.  von  E.  Grosse, 
Königsberg  1868.  4.).  Aus  saec.  XII  der  Novus  Avianus  von  Alexander 
Neckam  (t  J.  1227)  bei  Fröhner  p.  56  ff.  Paraphrase  des  Av.  in  Prosa  und 
Versen  aus  einer  Pariser  Hds.  saec.  XIV  bei  Fröhner  p.  65  ff. 

444,  Gleichfalls  dieser  Zeit  gehören  einige  anonyme  Lehr- 
gedichte an,  unter  welchen  das  bedeutendste  ist  das  über  Rhe- 
torik (carmen  de  figuris). 

1.    Das    Carmen    de    figuris   wurde    in    einer   Pariser    Handschrift 
(Nr.  7530)  von  Quichcrat  aufgefunden  und  veröffentlicht  (Bibl.  de  IMcole 
deschartes  I.  p.  51  ff.),  dann  von  Schneidewin  (Götti.  1841),  am  vollstän- 
digsten und  besten  in  Halm's  rhetores  latini  minores  p.  63  —  70,  unter  Be- 
nützung der  Beiträge  zur  Kritik  von  H.  L.  Ahrens  (Ztschr.  f.  d.  Alt.  Wiss. 
1843,  S.  162  ff.),    Bergk  und  Mommsen  (ebds.  1845,  S.  81  ff.),    H.  Sauppo 
(Kpist.  crit.  ad  G.  Hermann,   p.  162  ff.),    F.  Ritschi    (Rhein.   Mus.    XVIII. 
8.  138—141.  320)  u.  A.     Zuletzt  in  Riese's  Anthol.  lat.  485  (II.  p.  16—26). 
Ks  besteht  aus  185  — 186  Hexametern  und  behandelt  die  figurae  lexeos  in 
(lor  Weise  dass  jeder  Figur  drei  Verse  gewidmet  sind,  voii  welchen  in  der 
Regel  einer  auf  die  Definition,  zwei  auf  die  Beispiele  fallen.    Nach  einem 
Vorwort  von  drei  Versen  (coUibitum  est  nobis  in  lexi  Schemata  quae  sunt 
trino  ad  te,  Messi,  perscribere  singula  versu  et  prosa  et  versu  parit«r  pla- 
nare  virorum)  folgen  zuerst  die  drei  Grundbegriffe  %6fifiay  Hmlovy  nsQlodogj 
die  auch  Aquila  aus  Alexander  Numenius  hat;  dann  die  einzelnen  Figuren 
in  der  alphabetischen  Reihenfolge  der  griechischen  Kunstausdrücke,  in  der 
Art   dass   sie   für  jeden   Buchstaben    zuerst  aus  Rutilins   Lupiis,    und  in 
dessen  Ordnung,  entnommen,  dann  aus  andern  Quellen  (besonders  Alexan- 
der Numenius)  einige  nachgetragen  werden  (Dzialas,  quaest.  Rutil,  p.  21  ff. 
vgl.  F.  Haase  S.  389—391).    Von  v.  151  an  folgt  ein  weiterer  Nachtrag 
von  (minder  wichtigen)  Figuren  die  im  Vorhergehenden  übergangen  waren. 
Dic'  Beispiele    sind    meist    treffend    und    theils    selbstgebildet  theils    aus 
griechischen  und  römischen  Schriftstellern,  Prosaikern  wie  Dichtern,   ge- 
Kchöpft,  mit  denjenigen  Umgestaltungen  welche  Anlage  und  hexametrische 
P^brm  mit  sich  brachte.     So    aus  Sallust  (Catil.  20,  4)  v.  8  f.,  aus  Fnnins 
(Trag.    47    Vahl.)    v.  51    (auch   bei  Rutilius  Lupus),    aus    Vergil  (Aen.    I, 
604  f.)  V.  78,  aus  Horaz  (S.  I,  5,  23)  im  Nachtrag  v.  179.    Der  archaistische 
Charakter  ist  stark  ausgeprägt  und  erstreckt  sich  nicht  blos  auf  prosodi- 
sches  Ignorieren  von  auslautendem  s  und  Formen  wie  dixem,  indupetravi, 
prosiet,    süäsi  sondern  auch  auf  Wortzertheilungen  wie  (v.  10)  peri-quain 
dicuut  -odos;    namentlich  mit  Lucretius  findet  vielfache  Berührung   statt 
(differitas,  bucera  saecla  u.  dgl.).    Diese  Archaismen  sind  so  zahlreich  und 
auffallend  dass  man  sie  gesucht  nennen  muss.    Während  daher  die  ersteu 
Herausgeber  das  Gedicht  der  augusteischen  Zeit  zutheilten  hat  es  W.  Christ 
(Rhein.  Mus.  XX.  S.  67  f.)  in  die  nach  den  Antoninen  gerückt.   Noch  tiefer 
horab   führt   aber   die   durchgängige  Kürzung   des   auslautenden  o,   sowie 
V.    167    die    mi.ssverst^ndlicho    Benützung    eines    selbst   schon    tändelnden 


444  f.   Carmen  de  fignris  a.  a.   MartianuB  Capella.  1025 

späten  Epigramms  (Nr.  210  in  Meyers  Anthol.  lat.).  Das  Gedicht  ist  daher 
wohl  die  spielende  Yersification  eines  im  Griechischen  (lemodes  150  ==  Iri- 
(iciSris)  und  in  der  alterthümlichen  wie  classischen  Literatur  der  Römer 
wohlbewanderten  Schulmannes  aus  der  Zeit  des  Julius  Rnfinianus,  Ausonius 
und  Paulinus  aus  Nola,  wo  auch  die  Apokope  des  auslautenden  s  wieder 
vorkommt.  Fr.  Haase,  Haller  Allg.  Lit.  Ztg.  1844,  Nr.  217  f.  S.  386—400. 
L.  Müller,  metr.  p.  845  u.  Rhein.  Mus.  XXIIL  S.  683  f.  Ein  solcher  mochte 
sich  auch  Wortbildungen  wie  parimembris  (CffoxmXos),  distribuela,  suffragio- 
lum  erlauben. 

2.  In  Hdss.  des  Priscian  findet  sich  ein  carmen  de  ponderibus  et 
mensuris,  das  daher  vielfach  ihm  zugeschrieben  wurde,  obwohl  ohne 
Grund  (nam  nee  mss.  librorum  auctoritate  satis  defenditur  nomen  gramma- 
tici  nee  rerum  de  quibus  agitur  argumento ,  Keil  gramm»  III.  p.  402).  Das- 
selbe ist  vielmehr  wahrscheinlich  schon  am  Ende  von  saec.  IV  oder  Anfang 
von  V  verfasst  (C.  Schenkl,  Sitzungsber.  der  Wiener  Akad.,  hist.-philol.  Gl. 
XLin.  1863.  S.  35  fF.).  W.  Christ  (Rhein.  Mus.  XX.  S.  66  —  70)  will  es 
sogar  schon  unter  Diocletian  setzen.  Vgl.  L.  Müller  in  Fleckeisens  Jahrbb. 
93,  S.  559.  In  Hdss.  saec.  IX  und  X  hat  es  die  Ueberschrift:  Remi  Fauhii 
de  ponderibus  (et  mensuris)  (ex  sensu  eiusdem  clari  oratoris  -—  des  Rufinus, 
unten  466,  6  ff .  —  ad  Symmachum  —  unten  469,  4  —  metrico  iure  missa), 
auch  ex  opere  Rufini  vel  Fauini.  Abgedruckt  ist  es  (in  163  Hexametern) 
bei  Wemsdorf,  poet.  lat.  min.  V.  p.  494—519  (vgl.  p.  235 — 240),  darauf 
(zu  208  Versen  vervollständigt)  aus  Vindobon.  16  (saec.  VIE— IX)  von 
Endlicher  (Wien  1828),  am  besten  durch  F.  Hultsch,  script.  metrolog.  rom. 
(1866)  p.  88—98  (vgl.  p.  24—81)  und  nach  ihm  bei  Riese,  anthol.  lat.  486 
(IL  p.  27— 37  vgl.  p.  Vnif.). 

3.  üeber  das  Schulgedicht  der  XQ  sapientes  s.  oben  23,  2. 

4.  Ueber  das  Lobgedicht  auf  Sol  s.  oben  21,  4. 

445,  In  Nordafrica,  noch  vor  dessen  Eroberung  durch  die423 
Vandalen,  verfasste  Martianus  Capella  seine  Encyclopädie 
der  sieben  artes  liberales  in  neun  Büchern.  Die  an  sich  schon 
seltsame  Einkleidung^  dass  die  einzelnen  Künste  hei  der  Ver- 
mählung des  Mercurius  mit  der  Philologia  auftreten^  ist  noch 
überdiess  geschmacklos  durchgeführt.  Für  den  grössten  Theil 
des  Stoffes  und  für  seine  Behandlung  war  Varro  Hauptquelle;  für 
die  Rhetorik  (B.  V)  besonders  Aquila  Romanus;  für  die  Geome- 
trie und  Geographie  (B.  VI)  Solinus  und  Plinius;  für  die  Musik 
(B.  IX)  Aristides  Quintilianus.  Häufig  geht  die  Darstellung 
über  in  die  gebundene  Form,  gleichfalls  nach  dem  Vorgange 
des  Varro.  Diese  Theile  sind  verhältnissmässig  geniessbarer  als 
die  prosaischen,  welche  bald  durch  Dürre  abstossen,  bald  die 
gezierte  Ueberladenheit  des  Apulejus  ins  unerträgliche  steigern. 

1.    Unterschrift    im   Bambergensis :    Martiani  Minnei  Felicis  Gapellae 

TsuFFSL,  Böm.  Literaturgeichichte.    2.  Aufl.  65 


I  Die  EoiseTzeit   Viertea  bis  f^nftea  Jahrhundert 

[^arthaginemiB  .  .  libec  Vmi  explicit.  Nach  Caniodor  war  er  gebOrtig 
ladaurft.  üeber  den  Verfasser  nod  sein  Werk  heiset  ee  im  Sehlnss- 
(p.  374  f.  BytH.):    habes  aenilem,   Hartiane,   fabalam,    miscilla  lusit 

lacemii  flamine  Saluia;  Pelaegos  dum  docere  nititur  artes  creagris 
micas  Atticis  sie  in  novena  decidit  volumino.  haec  quippe  .  .  immi- 
Mnsas  deosqoe,  ^Bciplinas  cycUcaa  garrire  i^resti  crada  finxit  plaa- 
.  .  Felicia  sed  Capellae  Samine  (vgl.  Till,  806:  ne  ta  Felix  Tel  Ca- 
Tel  quiiqnis  es),  indocta  rabidum  qnem  videie  aaecala  inrgis  caninoB 
atus  pendere,  proconsulari  peroraatem  (?BR;  vero  dantem)  cnlmiiii. 
ata  aliuiiDam  arbs  Elissae  quem  videt  iugariorum  marcidam  viciniam 

obiiden'tem  vizque  respersnm  lucio,    nictant«  cmu  aomnoleDtam  lu- 

Der  TerfaBBer  war  also  Sachwalter  (vgl.  VI,  5TT:  ex  quo  desndatio 

ne  deatrictior  tibi  foTensis  rabulationis  partibus  ioligata  aciem  .  .  ob- 

ia  Africa  (Eartbago)  so  lange  es  dort  noch  Proconsuln  gab,  also  vor 
richs  Eroberung  von  Eartbago  (J.  439)  oder  Landung  in  Airica  (J. 
und  lebte  in  bescheidenen  VerhUtnissen.  Dass  er  p.  234,  19  f.  (nach 
'  Quelle)  Conatantinopel  Bjxaatium  oppidum  nenot  irOrde  nahecn  anf- 
[en  durch  p.  213,  25  f.:  caput  gentium  Koma,  armis,  virii  lacrisque 

diu  viguit  coeliferis  laudibus  conferenda,  wofern  diesi  anf  die  Zeit 
Alaricha  Eroberung  Boms  (J.  410)  deutet  und  nicht  vielmehr  auf  die 
Lchliche  Wegverleguug  der  Residenz  aus  Bom  nnter  Diocletian  und 
Constantin.  Doch  w&re  fär  die  Zutheilung  an  die  letztere  Zeit  gfin- 
lapella'a  Ignorieren  des  ChristeuthumB  (ausser  etwa  durch  sacrisque 
sowie  die  behagliche  Breite  womit  die  Uinkleiduug  ausgesponnea  ist, 
e  wenig  stimmt  zu  der  allgemeinen  Gedrücktheit  zu  Anfang  des  fiitiif- 
ahrh.  Dagegen'  am  Schlüsse  des  dritten  oder  Anfang  des  vierten 
.  hätte  Hart,  ungcf&hre  Oenossen  seiner  Qescbmacksbildung  au  sei- 
jandsmann  Ämobins  (oben  S9S),  dem  Heiden  Firmicas  (oben  401,  1 S.) 
„BafSnierte  Bosheit"  wenigitensvrird  in  jener  Bezeichnung  Constantino- 
chwerlich  Jemand  mitL.  MflUer  finden;  s.  diesen  in  Fleckeiseos  Jahrbb. 

706—716.    Vgl.  Lüdecke,  GOtti.  gel.  Ans.  1867,  S.  82—86. 

,  Die  beiden  ersten  BOcher  enthalten  die  Einkleidung,  FabeUam 
nam  Satira  comminiscens  hiemali  pervigilio  marcesceutes  mecom  In- 
I  edocuit  .  .  explioabo.  Cum  inter  deos  fierent  sacra  coniogia  (I,  2), 
llenint  .  .  niorem  ducere  institnit  (I,  5).  Nach  dem  Scheitern  vet- 
ener  Bewerbungen  macht  sich  Hercur  anf  den  Weg  um  den  Apollo 
ragen.  Dieser  empfiehlt  ihm  eine  doctissima  virgo  Namens  Philologia. 
r  stimmt  sn  und  holt  die  Heiratserlaubnise  ein.  Die  Braut  wird  in 
-Otterstand  erhoben,  nach  einigem  SbHuben  in  den  Himmel  abgeholt, 
Gesäugen  der  Muten,  mass  aber  invor  all  ihre  BachergolehTBamkeit 
,ch  geben  (II,  135  ff,).  Die  Beise  geht  über  die  Hilcbatrasae,  und  nach 
i  Feierlichkeiten  wird  der  Ehevertrag  abgeschlossen  (II,  217).  Die 
tirung  erinnert  stark  an  Apnlej.  Uet.,  ist  aber  in  geschmacklosester 
mit  gelehrten  Einzelheiten  Überladen  Das  zweite  Buch  echliesst: 
argo  mjrthuB  terminatus,  infiunt  artes  libelli  qui  aequentes  assereut. 
hige  vera  omne  fictum  dimovent  et  disciplinas  annotabnut  sobrias  etc. 
gleich  SU  Anfang  vod  B.  III  berent  der  Verfaaaer  diesen  Vorsate  uad 


445.    Martianus  Capella.  1027 

entschliefist  sich  anch  im  Weiteren  die  Einkleidung  beizubehalten.  Die 
einzelnen  Disciplinen  werden  daher  als  Personen  im  Hofstaate  des  Bräuti- 
gams (dotales  virgines  VIII,  810;  Mercuriales  IX,  897.  899)  eingefflhrt  und 
ins  Einzelnste  hinein  ausgemalt,  manchmal  nicht  ohne  Witz,  daneben  aber 
ihr  Gegenstand  in  trockenster  Weise  abgehandelt,  in  B.  III  die  Grammatik, 
IV  Dialektik,  V  Rhetorik,  VI  Geometrie,  VII  Arithmetik,  Vin  Astronomie, 
IX  Musik.  Durch  die  übermässige  Ausdehnung  der  Einkleidung  (noch  zu- 
letzt geleitet  Harmonia  die  Braut  in  den  thalamus)  und  die  häufige  Ein- 
fügung von  Stflcken  in  gebundener  Form  tritt  der  Contrast  mit  der  Dürre 
der  doctrinellen  Darlegungen  nur  um  so  greller  hervor  und  gewinnt  das 
Ganze  eine  widerliche  Buntscheckigkeit.  Die  Ordnung  worin  die  einzelnen 
Disciplinen  aufgeführt  werden  ist  dieselbe  wie  bei  Varro  (s.  oben  164,  6.  a) 
und  auch  die  Zahl  der  Bücher  die  gleiche,  indem  der  Wegfall  der  Medicin 
und  Architektur  (vgl.  IX,  891)  ersetzt  wird  durch  die  zwei  Bücher  Ein- 
leitung. Es  ist  daher  glaublich  dass  auch  der  Titel  derselbe  war  (Disci- 
plinae).  Am  Ende  von  B.  II  aber  hat  Bamberg,  die  subscriptio:  Martiani 
Minei  Felicis  Capellae  de  nuptiis  philologiae  lib.  II  explicit,  und  darauf  die 
Ueberschrift:  incipit  de  art«  grammatica  lib.  III. 

S.  lieber  die  Quellen  der  einzelnen  Bücher  s.  Eyssenhardt's  Ausgabe 
p.  XXXI— LVIII.  Die  Einkleidung  (B.  I.  II)  ist  wohl  des  Verf.  eigene  Er- 
findung, aber  wohl  schon  hier  manche  ungewöhnliche  (z.  B.  den  Orphikern 
eigene)  Aussage  über  die  Götter  hauptsächlich  dem  Varro  entnommen. 
So  namentlich  die  gelegentliche  Identification  der  Götter  mit  Gestirnen 
und  die  damit  zusammenhängende  Vertheilung  derselben  in  16  Regionen. 
Und  da  die  Form  der  satira  menippea  jedenfalls  dem  Varro  unmittelbar 
entlehnt  ist,  so  hat  es  auch  sonst  Wahrscheinlichkeit  dass  Mart.  denselben 
direct  benützt  hat  (bes.  B.  VII  u.  VIII).  In  der  Rhetorik  ist  für  die  Lehre 
von  den  Figuren  Aquila  (oben  884)  ausgeschrieben;  Fortunatianus  aber 
(oben  420,  5)  kann  ebenso  gut  aus  Mart.  oder  dessen  Quelle  geschöpft  haben 
wie  umgekehrt.  Die  Beispiele  sind  meist  aus  Cicero,  nächstdem^aus  Te- 
renz,  Verg^l,  auch  Sallust  und  Ennius.  B.  VI  ist  aus  Plinins  und  Solinus, 
doch  ohne  Vermittlung  der  sog.  chorographia  pliniana;  s.  Fr.  Lüdecke,  de 
M.  G.  libro  sexto,  Gotting.  1862.  48  pp.  (Diss.)  und  Götti.  gel.  Anz.  1867,  1. 
S.  88 — 90.  Wo  sich  die  Art  der  Qnellenbenützung  controlieren  lässt  zeigt 
sich  überall  Flüchtigkeit  und  Mangel  an  Sachkenntniss.  So  besonders  in  der 
Darstellung  der  Harmonik  und  Rhythmik  (B.  IX),  welche  aus  schlechter 
Quelle  (Aristides  Quint.)  grösstentheils  wörtlich  übersetzt  ist,  mit  zahlreichen 
Missverständnissen;   s.  R.  Westphal,  griech.  Rhythmiker  (1861)  S.  47—66. 

4.  Aus  der  späteren  Literatur  ist  das  Werk  am  nächsten  verwandt 
mit  den  Disciplinarnm  libri  des  Augustinus  (s.  434,  7).  Je  nach  dem  Zeitver- 
hältniss  Beider  (s.  A.  1)  hat  entweder  Letzterer  den  Stoff  aus  denselben  Quel- 
len wie  Mart.,  aber  ausführlicher  und  mit  Weglassung  der  insipiden  Einklei- 
dung und  der  poetischen  Bestandtheile ,  behandelt  oder  Mart.  das  Werk 
des  Augustinus  benützt,  die  etwaigen  christlichen  Zuthaten  desselben  aus- 
gemerzt und  dafür  durch  romanhafte  den  Stoff  versüssen  zu  müssen  geglaubt. 

5.  Jedes  Buch  wird  durch  ein  Stück  in  gebtmdener  Form  eröffnet 
und  meist  auch    geschlossen.    Daneben   finden   sich   nicht  nur  manchfaeh 

65* 


Die  Eaiserzeit.  'Vierteg  bis  fflnfles  JabrhusderL 

it«  eingelegt  (bes.  B.  IT  n.  IX)  Bondem  auch  sonst  geht  die  Bede 
in  poetiacfae  DorBtellung  aber,  BOgor  bei  ganz  abitnueu  Erörtenm- 
rie  ni,  289).  f^ichtlich  wird  H&iichbltigkeit  der  metriscben  Formen 
it  und  Befolgung  der  claasischeD  Hnster.  Am  bäufigsten  sind  epische 
egiBche  Verse,  sowie  Senare;  aber  aach  anakreontische,  onapästische, 
iadeiache,   HendekasjUaben ,   loniber  (z.  B.  IT,  424)   u.  a.  sind  ver- 

Befrains  II,  117  ff.  iX,  91ä  ff.  Die  Prosodie  zeigt  den  Binflnss  der 
SU   Zeit  (z.  B.  etdici,   Sabaeonun   eit  ionicns  II,  124);   Sjn^Opheu 

Vltcale  (s.  6.  si  enidita  IX,  888)  kommen  nicht  selten  vor,  n^cfa 
it  der  Hiatus  (minore  unbigens  I,  Sli  vera  omne  and  Hnsae  et  II, 
nando  oculoa  IX,  903). 

C.  BOttiger,   über   H.  C.    und   seine  satira,   in  Jahns  Archiv  XIII 

S.  690—607;   Ober  seine  Sprache  ebd.  S.  OSO— CS3.    Ejasenbardt's 

z.  B.  p.  XVUI;  indigestns  in  particulia  ab  ipso  (H.  C.)  excogitatis 
sermonia,  .  .  foeda  neglegentia  in  locis  aliorum  Hcriptonun  a  Maitiano 
tis.    .  .  acriptoris  immanis  OBCitantia  et  aeglegentia. 

In  mehreren  Hdschrr.  des  M.  C.  findet  aicli  dia  Sobacription ; 
iB  MemOT  Felix  i.  3p(ectabil.},  oom(eB)  conaist.,  rhetor  (orbis)  R.  ex 
Biasimis  exemplaribuB  emendabam  contra  legen!«  Deuterio  scholostico, 
do  meo,  Bomae  ad  portam  Capenam  cob.  Paulini  t.  c.  anb  d.  non. 
mm  Christo  odinvante.  Der  Cos.  PaulinnB  iat  eher  der  von  634  als 
18  und  daher  Deuterins  schwerlich  der  bei  Ennodiua  genannte  (imtcii 
).     0.  Jahn,  Berichte  d.  aächs.  0.  d.  W.  ISül,  S.  3«1— 3a4. 

Die  Schrift  des  H.  C.  wurde  im  Mittelalter  als  Schulbuch  bcnQtzt. 
Qregor  von  Tours  (geb.  639]  X  eitr.:  si  te  .  .  Hartianas  uoater  aep- 
iaciplinis  emdüt  etc.  (Ejssenhardt  p.  XIX  f.).  Daher  die  grosse  Zahl 
andachriften;  b.  Eyaaenhardt  p.  X-XVIII.  XS  — XXXI.  Die  erhal- 
stammen,  bei  der  Gleichheit  ihrer  Terderbniaae,  alle  aus  demselben 
^ns.  Die  älteste  uud  weitans  beste  ist  Bambergensis  saec.  X  (An- 
nächstdem  die  aua  Beichenau  (jetzt  in  Carlaruhe)  und  in  Darmstodt, 
aus  saec.  X  Ende  oder  XI  Anfang. 

Ed.  princeps  von  Fr.  Vitalis  Bodianus,  Vincent  1499  fol.  Weitere 
ben  bas.  von  B.  Ynlcanins  (Baail.  1677,  mit  leidor),  H.  Orotius  (Lugd. 
U.  F.  Kopp  (nndC.  F.  Hennann,  Frankf.  1886.  4.)  und  Fr.  Eysaenhardt 
Lips.  Tenbner  1866).     Buch  V   anch   in  Halms  Bhetores  latt  min. 

p.  449—492  (vgl.  p.  XI  f.);  B.  IX  in  Meibom's  anct.  vett.  mos. 
4.)  II.  p.  165  ff. 

I.  Beiträge  zur  Textkritik  von  C.  B«ttiger  (Jahns  Archiv  XIU.  S. 
i20)  und  Fr.  Ejasenhardt  (Bhein.  Mus.  XVIl.  p.  638-640.  XVUI.  p. 
26.  637—639.  XIX.  p.  152-164.  479  f.  und  comment.  crit,  de  M.  C. 
ila,  Berlin  1861). 

E.    Pfinftes  Jahrhnndert. 

146.  Mit  dem  fünften  Jahrhundert  befinden  wir  uns  in- 
a    der    Viilkerwauderung.     Ein   Land   des  Westens   um 


445  f.    Martianus  Capeila.   Uebersiclit  des  fünften  Jahrb.  1029 

das  andere  wird  von  dem  Völkerstrome  erfasst  und  verschlungen 
und  mit  ihm  die  alte  Cultur.  Zu  Anfang  des  Jahrhunderts  (J. 
406  ff.)  wird  Grallien  durch  die  Schaaren  des  Radagais  über- 
schwemmt; J.  410  Rom  von  dem  Westgothen  Alarich  erobert 
und  J.  415  von  dessen  Nachfolger  Wallia  in  Südfrankreich  und 
Spanien  das  westgothische  Reich  gegründet^  J.  429  in  Nord- 
africa  die  Herrschaft  der  Yandalen  durch  Geiserich.  Italien  sieht 
sich  J.  452  durch  die  Hunnen  unter  Attila  verwüstet^  und 
kaum  eni^eht  Rom  selbst  demselben  Loose^  erfahrt  es  aber 
schon  J.  455  durch  Geiserich.  Nach  einer  Reihe  unfähiger 
Kaiser  erhält  J.  476  das  weströmische  Reich  den  Gnadenstoss 
durch  den  Heruler  Odoaker,  und  J.  486  geht  Gallien  in  den 
Besitz  der  Franken  unter  Chlodwig  über.  Die  jetzt  herrschenden 
Völker  sind  vorerst  noch  Barbaren^  welche  die  Cultur  zu  Boden 
treten  und  nur  etwa  für  ihre  Schattenseiten  zugänglich  sind. 
Die  besiegten  Völker  unterwerfen  sich  in  dumpfer  Verzweiflung. 
Anfangs  zeigen  noch  Einzelne  ^  deren  Bildung  in  besserer  Zeit 
wurzelt,  in  ihren  Schriften  reineren  Geschmack,  wie  Rutilius 
Namatianus,  Vincentius  aus  Lerinum  und  Leo  der  Grosse.  Aber 
allmählich  erlischt  überhaupt  die  literarische  Hervorbringung, 
und  die  sich  dennoch  darin  versuchen  sind  entweder  von  der 
herrschenden  Barbarei  mitergriffen  oder  beweisen,  wie  Salvianus 
und  ApoUinaris  Sidonius,  durch  die  künstliche  Geziertheit  ihrer 
Schreibweise  dass  die  Literatur  an  die  sie  anknüpfen  todt  ist. 
Cultur  und  Literatur  ist  allmählich  im  Alleinbesitz  und  unter 
dem  Verschlusse  des  Klerus.  Nur  die  Jurisprudenz  gewinnt 
daneben  wieder  einige  Bedeutung  durch  das  Bedürfniss  die  neuen 
Staaten  zu  ordnen,  das  römische  Recht  mit  der  Bildungsstufe 
und  den  Ansprüchen  der  Sieger  zu  vermitteln.  J.  426  wird 
durch  das  Citiergesetz  das  Verhältniss  zur  classischen  Jurispru- 
denz geregelt,  J.  438  im  codex  Theodosianus  die  noch  geltenden 
kaiserlichen  Verordnungen  geordnet  und  zusammengestellt.  Da- 
durch sind  auch  Auszüge  erleichtert  wie  sie  von  Einzelnen  und 
Staaten  unternommen  werden.  Ebenso  werden  verkürzende 
Uebersetzungen  medicinischer  Schriften  immer  häufiger;  am  Ende 
des  Jahrh.  richtet  sogar  der  Grieche  Anthimus  in  lateinischer 
Sprache  eine  Schrift  über  Diätetik  an  den  Frankenkönig  Theu- 
derich. Li  minderem  Grade  wurde  der  Osten  Europa's  von  den 
Schrecken  der  Zeit  betroffen;  dort  hat  das  Heidenthum  energische 
Verfechter    innerhalb     der    Geschichtschreibung    an    Eunapios, 


Die  Euaerzeit.   Fünftes  Jahihvndert 

iodor  und  Zosimos;  der  Betrieb  des  römischen  Rechte  ist 
ifriger,  und  sogar  die  Ueberliefening  der  lateinischen 
laük  findet  .in  Gonstantinopel  einen  fleissigen  Bewahrer 
ftrsteller  an  Priacianus.  Ini  Westen  hegt  Gallien  noch  am 
m  den  Sinn  ffir  die  alte  Cultur;  aber  an  eigener  Schwäche 
)ar  krankend  erliegt  diese  den  vereinten  Bemühungen  der 
sen  und  der  Kirche.  So  legt  sich  allmählich  immer  tie- 
>nnkel  über  Völker  nnd  Länder. 

SE^fiaD.  de  guberD.  VI,  18:  ubi  Bunt  antiquoe  RomaDocum  opes 
tates?  fortiaBimi  quondam  Romani  ctnat,  dudc  sine  viribus.  .  .  vecti- 
lie    aotvebant   popiili    barbaroruin ,    dob    vectigalea    barbarie  samus. 

totiis  romaauB  orbie  et  iniaer  cal  et  liixiirioaua,  Sidon.  ep.  VIll, 
diiB  iam  ecDeecens.  ib.  Itl,  6:  romana  reap.  in  eitrema  haac  mi- 
a  defluxit.  Orient,  conunonit.  II,  186:  labeatis  funera  mundi,  Haxi- 
pigc.  Africanus  ad  Theophiliim  Alciandrinutn)  bei  Heiffeischeid, 
a  CaBiooneia  (Bresl.  1871.  4.)  p.  i:  inter  tot  conlabentis  aaecnU 
\iee  minas.  .  .  inter  tot  conlisi  orbiu  acerba  naufragia.  Clandiao. 
Iri«f  an  SapauduB:  bonaram  artium  iam  inde  a  proavorum  dobIio- 
sculiB  facta  iactura  et  animi  cullum  despuena  .  .  deliciis  et  diTitiia 
I  .  .  pesBum  dedit  cnm  doctrina  Tirtutem.  Fulgent.  myth.  praef.; 
)  noBtri  temporie  aerumnoBa  miseria  dod  dicendi  petat  Studium,  acd 

Beat  ergastnlum,  nee  famae  aBBtat«ndum  pocticae,  sed  fami  ait 
üdum  domeBticau. 

Apoll.  Sidon.  carm.  12,  1  ff.-,  quid  mc,  etei  valeam,  pararo  canneo 
inicolao  iubes  DioneB  inl«r  criDigeras  Hitum  catorras  et  germanica 
uBtinenl«n),  tandantem  tetrico  sabinde  vultu  quod  Burgundio  cantat 
tua,  infundeua  acido  comam  butyro?  vis  dicam  tibi  quid  poema 
?  ex  hoc  barbaricia  abacta  plectria  apemit  aenipedem  atilum  Thalia 
aeptipedCB  videt  patronos.  Vgl.  Anthol,  lat.  385  R.:  inter  eila  gotj- 
ipia  mabsia  ia  drincan  iion  audct  quisquam  dignoa  edicere  veraua 
XD  459,  S.  Doch  bildeten  die  HOfo  der  Weatgothen  in  Toulouse, 
'gunder  in  Yienne  und  später  der  Franken  noch  lange  die  Zufliichts- 
:  die  letzten  Vertreter  rOmiBcber  Literatur.  Ueber  Karthago  Salvian. 
VII,  iti:  illic  artium  liberalium  Bcholae,  illic  philoaophonim  offi- 
[«.  Vgl.  Apul^.  Flor.  16  und  (Qber  die  Zeit  ThraBamunds)  Florent. 
.  lat.  376,  32  R.):  Carth^o  etudiia,  Carthago  ornata  raagiatriB. 

Ced.  Theod.  I,  4,  3  (vom  J.  436):  Papioiani,  l'aulli,  Gaü,  Ulpiani 
Modestini  acripta  nniverea  firmamus  ita  ut  Gaium  quae  Faullum, 
im  et  cuQCtoa  comitetur  auctoritaa  lectioneaque  ex  omni  eins  opere 
<ur.  eomm  qaoque  aententiam  quomm  tractatu»  atque  Bentantiae 
ti  omnea  ania  operibua  miscnenmt  ratam  csae  censemuB,  nt  Scae' 
Sabini,  loliani  atque  Marcelli.  .  .  ubi  autem  diveraae  aententia« 
ntur  potior  nnmeroe  vincat  aactomm,  ve),  ai  numerus  aequalis  Bit, 
irtie   praecedat  auctoritaa  in  qna  eicelleutiB  iogenii  vir  Papiniaaug 


446  f.   Uebersicht.    Butilius  Nam.  1031 

emineat.    Der  Name  Citiergesetz  rührt  von  Hugo  her.    Vgl.  Budorff,  röm. 
Bechtggesch.  I,  S.  202  f.    Dernburg,  Gajus  S.  111  ff. 

4.  ErlasB  des  Theodosius  und  Valeniinian  vom  J.  438  (cod.  Theod. 
praef.):  saepe  nostra  dementia  dubitavit  i^nae  cauea  faceret  ut  tantis  propo- 
sitis  praemiis  quibus  artes  et  studia  nutriuntur  tarn  panci  raroque  extite- 
rint  qui  plena  iuris  scientia  ditarentur  et  .  .  vix  unus  aut  alter  receperit 
soliditatem  perfectae  doctrinae  (RechtskenntniBs).    Vgl.  unten  464,  1. 

5.  EunapioB  (geb.  um  346),  Yerfitöser  der  ßiot  tpiloüoqxov  nal  fto^i- 
ötmv  (ed.  J.  Fr.  Boissonade,  Amsterdam  1822,  und  in  Didot's  Sammlung 
T.  XXXII)  und  Fortsetzer  der  Geschichte  des  Dexippos  (oben  382,  16)  bis 
zum  J.  404  n.  Chr.  Die  Ueberreste  in  Niebuhrs  Ausgabe  des  Dexippos 
(ßonn  1829)  und  in  L.  Dindorfs  bist.  gr.  min.  I.  (Lips.  Teubner  1870)  p.  205  ff. 

6.  Oljmpiodoros  aus  Thebeuj  Fortsetzer  des  Eunapios  bis  ins  J.  427; 
die  ueberreste  in  Niebuhrs  Dexippus  p.  447  ff.  und  L.  Dindorfs  bist.  gr. 
min.  I.  p.  450  ff.  J.  Bosenstein,  kritische  Untersuchungen  über  das  Yer- 
hältniss  zwischen  Ol.,  Zosimus  und  Sozomenus,  in  den  Forschungen  zur 
deutschen  Geschichte,  herausgeg.  von  der  Münchner  histor.  Commission  I,  2. 

7.  Zosimus,  Verfasser  der  totot^  via  in  sechs  Büchern  von  August 
an,  besonders  ausführlich  von  Constantin  an,  bis  zur  Einnahme  Borns  J. 
410.  Ausgabe  von  C.  F.  Beitemeier  (Lips.  1784)  und  I.  Bekker  (Bonn  1837). 
P.  Schmidt,  de  auctoritate  et  fide  historica  Zi.  vitam  Constantini  narrantis, 
Berlin  1866.   B.G.Martin,  de  fontibus Zosimi,  Berlin  1866.   Vgl.  oben 421, 8. 

8.  Für  die  Geschichte  von  saec.  V  ist  eine  besonders  wichtige  Quelle 
Priscus,  dessen  Ueberreste  zuletzt  bei  L.  Dindorf,  bist.  lat.  min.  p.  275^ 
352.    Vgl.  A.  11. 

9.  Epigramm  zu  einer  offiziellen  Erdkarte:  hoc  opus  egreg^um  .  . 
Theodosius  princeps  venerando  iussit  ab  ore  confici,  ter  quinis  aperit  cum 
fascibus  annum  (15^^  Begierungsjahr  des  jungem  Theodosius  422  —  423, 
15*^*  Consulat  J.  435).  supplices  hoc  famuli,  dum  scribit  pingit  et  alter 
mensibus  eziguis  .  .  in  melius  reparamus  opus  etc.  Aufbewahrt  in  dem 
geographischen  Werke  des  Mönchs  Dicuil  vom  J.  825;  Biese  anthol.  724. 
Die  Zutheilung  an  den  eleganten  Dichter  Sedulius  beruht  auf  Missverständ- 
niss;  s.  unten  466,  8. 

10.  Kaiser  im  Westen  Honorius  (J.  895 — 423),  Valentinianus  m  (J.  425 
— 455),  im  Osten  Arcadius  (395—408),  vom  J.  402  an  mit  Theodosius  II 
(—450).  Letzterer  ist  besonders  bekannt  als  Schreibkünstler;  s.  oben  195, 
7  und  385,  5. 

11.  A.  F.  Ozanam,  la  civilisation  au  V«  si^cle,  Paris  1855.  2  Voll. 
(Oeuvres  compL  I.  II).  Zur  Geschichte  und  Quellenkritik  von  saec.  V  vgl. 
A.  Köcher,  de  loanne  Antiocheno  (Bonn  1871)  p.  35—37.  42—80. 

447.    Aus  dem  J.  416  haben  wir  von  Butilius  Namatia-425 
nus  ein  Gedicht  in  zwei  Büchern  worin   des  Verfassers  Heim- 
fahrt  aus  Rom   nach  Grallien   im  elegischen  Masse   beschrieben 
wird,    mit    zahlreichen    Excursen    persönlichen    und    sachlichen 


1032  I>i«  Kaiserzeit   Ffinftes  Jahrhundert.  Krate  Hälft«. 

Inhaltes.     Das  Gedicht  ist  anziehend  durch  Anschaulichkeit  und 
iramieu  Hauch  natürlichen  Gefühles,  dabei   im  Formellen 
und  rein.    Leider  ist   vom  zweiten  Buche   der  grösste 
intei^egangen. 

Name  des  Verf.  in  dem  (einzigen)  codex  Bobienüa  (b.  ä.  1):  Clan- 
tilinB  Namatianaa  t.  c.  Geborener  Oallier  (I,  20:  indigeniunqae 
Jlica  rora  Tocant),  aber  am  weetrßmischen  Hofe  iiiagist«r  ofBciorum 
'.)  und  in  Rom  praef.  urbi  (I,  167—160),  wahrecheinlicti  im  Lanfe 
:U,  alB  Vorgänger  des  Albinua  (1,  473  f.  Tgl.  Cod.  Theod.  XHI,  6, 
er  der  mag.  off.  ifamatiuB  im  cod.  Theod.  VI,  27,  16  so  war  er 

il3.  Sein  Vater  Lachanius  (I,  59&)  war  conaulariB  Tusciae,  coraftB 
rg.,    Qaäator    und    piaef.    (urbi?)    gewexen    und   batte   in   Pisa   ein 

d  (1,  576 — 596).  Vielleicht  ist  derselbe  der  Claudius  welcher  J.  389 
laciae  war  (cod.  Theod.  R,  4,  6)  und  896  praef.  nrb.  (ib.  VI,  26,  8. 

1).   Ein  Verwandter  ist  Palladins,  Sohn  dea  Exaperantina  (I,  207  ff.); 

439,  6.    Anlaaa  der  Heimreiae  war  die  VerwflBtnng   seiner  Gflter 
U)  wohl  durch  die  Westgothen  (bei  Totosa?). 
Die  Heimreise  geschieht  (wegen  der  Gothen,  I,  37  ff.)  zur  See  nnd 

in  Folge  der  ungünstigen  Jahreszeit  (Abfahrt  von  Ostia  Anfangs 
I  viele  Venögemngeu.  An  die  Eritählung  der  Erlebniaae  werden 
riet  Digressionen  (deverticula  II,  61)  angeknOpft,  Ortabeichreibna- 
ytheu,  rhetorische  Ausführungen  (über  Gold  und  Eiseu  I,  357  ff.); 
re  aber  wird  Freunden  ein  Denkmal  gestiftet,  wie  dem  RuSue  Vo- 
(I,  167  £f.  417  ff.),   Palladius  (I,  208  ff,),   Albinus  {I,  466  ff.),  Vi- 

(1,  493  ff.),  Protadiua  (I,  542  ff.),   seinem  Vater  Lachanius  {&.  t) 

L.  6).     Die  Expectoration  gegen  die  Juden   (I,  383  —  398)    gilt  wohl 

den   Christen.    Das   Christentbum    iat  dem  Dichter  eine  deterior 

secta  Tenenis  (I,  535)  und  er  polemisiert  besonders  gegen  deeaen 
nnd  Mdnchswesen  (1 ,  440  ff.  517  ff.].  Aufriebtiger  Polytheismns  z.  B. 

233  ff.  259  ff.    Begebterter  Preis  Roms  zu  Anfang  von  B.  I. 

Zur  Abfasaungazeit  s.  1,    135  f.;    quanivi^    aedecies  denis  et  nulle 

annuB  praeterea  iam  libi  (Roma)  nonus  cat.  J.  1169  d.  St.  (Varr.) 
u.  Chr.    Die  Gothen  (Getae)  apielen  eine  grosse  Rolle  (1,  4ü.  142. 

51).    Eroberung  von  Tolosa  1,  496.   Polemik  gegen  Stiticbo  wegen 

V'eri.rags  mit  ihnen    II,    41^60.    Halb  Idj'll,   halb  Satire,  ist  das 

auch   als  Zeitbild  von  hohem  Interesse.    Doch  ist  von  B.  II  nur 

la  erste  Zehntel  erbalten.    Auch  der  Anfang  von  B.  I  ist  verloren. 

Nachdem  der  im  J.  1494  aufgefundene  coden  Bobicnais  -wieder  ver- 
egangen  ist,  beruht  der  Text  dea  Gedichts  einzig  auf  einer  in  Wien 
:hen  Abschrift  saec.  XVI.  Gditio  princepa  (als  Itinerarium)  von 
na  (Bonon.  1620.  4.).     Ab  Joa.  Castalione  emend,  et  adn.  illnattatum, 

582,    Cum  animadv.    Th.  Sitzmanni,   Lngd.  1618.    Rec.  C.  Barth, 

1623.    Cum  Simleri,  .  .  Graevii  all.  animadv.  ed.  Th,  J.  ab  AUne- 

Amstelod.  1687.  Rec.  T.  Damm  (Brandenb.  1760),  J.  Chr.  Kapp 
en  1786),  J.  C,  Gmber  (Nürnberg  1804).  In  P.  Pithöns  (J.  1590)  Epi- 
ita  (p.  475  ff.),    den  poetae   latini  minores  von  P.  Bnrmann  (T.  II. 


447  f.    RutiliuB  NamatianuB.   OrosiuB.  1033 

p.  3  ff.),  Wernsdorf  (V,  1.  p.  77—202).  Cl.  R.  N.  de  reditu  suo  reo.  et 
illustr.  A.  W.  Zumpt,  Berlin  1840.  XXVI  u.  230  pp.  mit  Karte.  Mit  französ. 
üebersetzung  von  J.  Z.  CoUombet,  Lyon  und  P&ris  1842.  Reo.  et  praefatus 
est  L.  Müller,  Lips.  Tenbner.  1870. 

5.  A.  W.  Zumpt,  Obeervatiouum  in  R.  Cl.  Nam.  Carmen  de  reditu  suo 
pars  prior,  Berlin  1836.  44  pp.  üeber  R.  N.  auch  Wernadorf  poet.  latt. 
min.  V.  p.  5 — 28  und  (über  die  Ausgaben  u.  s.  w.)  p.  40  ff.,  sowie  Zumpts 
Prolegomena.    Ueber  seine  Metrik  vgl.  L.  MüUer's  Ausg.  p.  XI  f. 

6.  Als  zeitgenössische  Dichter  erwähnt  R.  N.  den  Satiriker  Lucillus 
(s.  oben  441,  8),  sowie  einen  (Valerius)  Messala  (I,  268—276),  wohl  den- 
jenigen der  im  cod.  Theod.  als  praef.  praet.  in  den  Jahren  396,  399—401, 
403  oft  genannt  wird,  und  an  welchen  Symmachus'  Epp.  VII,  81— *92  ge- 
richtet sind;  vgl.  Ap.  Sidon.  carm.  IX,  302:  Messalam  ingenii  satis  profundi. 

448.  Um  dieselbe  Zeit  verfasste  auf  Augustins  Aufforde- 426 
rung  der  Presbyter  Orosius  aus  Spanien  zu  apologetischem 
Zwecke  seinen  Geschichtsabriss  in  sieben  Büchern  von  Adam 
bis  ins  J.  410  n.  Chr.,  ohne  tiefere  Studien  und  Sachkenntnis», 
hauptsächlich  nach  Livius  und  der  Bearbeitung  der  eusebiani- 
schen  Chronik  durch  Hieronymus,  mit  virillktirlicher  und  tenden- 
ziöser Auswahl  und  Behandlung  des  StoflPes,  in  ungleichem,  aber 
meist  schwülstigem  Stile.  Ausser  diesem  Werke  besitzen  wir 
von  Orosius  auch  eine  Abhandlung  über  die  Freiheit  des  mensch- 
lichen Willens,  veranlasst  durch  diepelagianischen  Streitigkeiten. 

1.  Gennad.  vir.  ill.  39:  Orosius  presbyter,  Hispanus  genere,  vir  elo- 
quens  et  historiarum  cognitor  (aus  Prosper  chron.  ad  a.  396),  scripsit  ad- 
versum  querulos  et  infamatores  christiani  nominis,  qui  dicunt  defectum 
romanae  reip.  Christi  doctrina  invectum,  libros  VII.  .  .  hie  est  Orosius 
qui  ab  Augustino  pro  discenda  animae  ratione  ad  Hieronymum  (nach  Beth- 
lehem) missus  rediens  reliquias  b.  Stephani  primi  martyris  tunc  nuper  in- 
ventas  primus  jntulit  occidenti  (Minorca).  claruit  extreme  paene  Honorii 
imperatoris  tempore.  Der  Name  Paulus  beruht  auf  Missverständniss  der 
Abkürzung  P  (für  presbyter).  Vaterstadt  Tarraco?  Oros.  VII,  22:  nos 
quoque  in  Hiapania  Tarraconem  nostram.  Zu  Braccara  in  Lusitanien  war 
er  wohl  Presbyter.  Avitus  aus  Braccara,  presbyter  in  Palästina,  schreibt 
an  den  Bischof  von  Braccara,  Balchonius  (Baron,  annal.  eccl.  ad  a.  415) : 
ut  dilectissimus  filius  et  compresbyter  mens  Orosius  usque  ad  has  partes 
ab  africanis  episcopis  mitteretur,  cuius  mihi  Caritas . .  vestrum  omnium  prae- 
sentiam  reddidit.  Vgl.  Augustin.  epist.  166,  2  (an  Hieronymus) :  venit  ad  mc 
(J.  413  oder  414)  relig^osus  iuvenis,  catholica  pace  frater,  aetate  filius,  ho- 
nore  compresbyter  noster  Orosius,  vigil  ingenio,  promptus  eloquio,  fiagrans 
studio  .  .  ad  refellendas  falsas  pemiciosasque  doctrinas,  quae  animas  Hi- 
Bpanorum  multo  infelicius  quam  corpora  barbaricus  gladius  trucidamnt. 
nam  inde  ad  nos  usque  ab  oceani  littore  properavit  etc.  Ibid.  169,  13  (ad 
Euodium  episc):  sanctissimi  et  studiosiseimi  iuvenis  presbyteri  Orosii,  qui 


1034  Die  Eaiserzeit.   Fünftes  Jalurhundert.   Erste  Hiüfte. 

ad  noB  ab  ultima  Hispania,  i.  e.  ab  oceani  littoro,  .  .  adyenii  Er  traf  den 
Aug.  mit  AbfasBung  seines  Werks  de  civ.  dei  beschäftigt,  wovon  die  ersten 
fünf  Bücher  bereits  fertig  waren  (ib.  169,  1).  Auf  des  Or.  schriftliche  Bitte 
um  Belehrung  über  das  Wesen  der  Seele  verfassto  Augustinus  seine  Schrift 
contra  Priscillianistas  et  Origenistas  ad  Orosium.  Geboren  wird  Orosius 
spätestens  390  sein;  sein  Todesjahr  ist  nicht  bekannt. 

2.  Gros.  bist,  praef.:  praeceptis  tuis  parni,  beatissime  pater  Augustine. 
.  .  praeceperas  mihi  ut  scriberem  adyersus  vaniloquam  pravitatem  eorum 
qui  .  .  pagani  yocantur,  .  .  qui  ,  .  praesentia  tantum  tempora  veluti  malis 
extra  solitum  infestissima  'ob  hoc  solum  quod  creditur  Christus  et  cohtur 
deus,  idola  antem  minus  coluntur,  infamant.  praeceperas  ergo  ut  ex  Om- 
nibus qui  haberi  ad  praesens  possunt  historiarum  atque  annalium  fastis 
quaecumque  aut  bellis  gravia  aut  corrupta  morbis  aut  fame  tristia  aut  ter- 
rarum  motibus  terribilia  aut  inundationibus  aquarum  insolita  aut  eniptio- 
nibus  ignium  metuenda  aut  ictibus  fulminum  plagisque  grandinum  eaeva 
vel  etiam  parricidiis  flagitiisque  misera  per  transacta  retro  saecula  repe- 
rissem  ordinato  breviter  voluminis  teztu  explicarem.  maxime  cum  reve- 
rcntiam  tuam  perficiendo  ad  versus  hos  ipsos  paganos  undecimo  libro  (de 
civ.  dei,  s.  oben  434,  10)  insistentcm,  quorum  iam  decem  .  .  elati  sunt,  .. 
levi  -opusculo  occupari  non  oporteret,  .  .  dedi  operam  etc.  .  .  ut  merito 
hac  scrutatione  claruerit  regnasse  mortem  avidam  sanguinis  dum  ignoratnr 
religio,  .  .  ista  illuscente  illam  constupuisse.  Zu  diesem  Zwecke  wählt 
Or.  bei  Verschiedenheit  der  Darstellungen  in  seinen  Quellen  inuncr  die 
blutigste  und  steigert  iKrohl  auch  absichtlich .  die  Greuel.  Beilorum  misc- 
rias  gibt  III  praef.  als  Inhalt  an;  worauf  sich  vielleicht  auch  das  dunkle 
ormesta  u.  dgl.  der  Ueberschrifb  in  einigen  Hdss.  bezieht  (moesta  mundi 
oder  Orosii  miseriae  mundi);  s.  Mömer  p.  178— 181. 

3.  Oros.  I,  21  extr.:  quoniam  spopondisse  me  memini  .  .  dicturam 
me  esse  ab  orbe  condito  usque  ad  urbem  conditam,  huic  volumini,  quod 
ab  orbe  condito  explicuimus,  iinis  hie  sit.  B.  II  führt  die  römische  Ge- 
schichte bis  zur  Eroberung  Roms  durch  die  Gallier  und  berichtet  die  gleich- 
zeitigen sonstigen  Ereignisse  von  der  Ereiferung  Babylons  durch  Kyrus 
bis  zur  Schlacht  bei  Eunaxa;  B.  III  reicht  bis  J.  280  v.  Chr.;  B.  lY:  vou 
den  Kämpfen  mit  Pyrrhus  bis  zur  Zerstörung  Earthago's;  B.  Y:  von  der 
Zerstörung  Korinths  bis  zum  ersten  Bürgerkrieg;  VI:  vom  mithridatischen 
Kriege  bis  Angnstus  und  Christi  Greburt;  VII:  Kaisergeschichte  bis  auf  die 
Gegenwart  (Vallia)  mit  besonderer  Berücksichtigung  der  Geschichte  der 
christlichen  Kirche.  Diese  Eintheilung  ist  das  Beste  am  Werke,  trotzdem 
dass  die  Siebenzahl  der  Bücher  wohl  ihre  Wurzel  im  Aberglauben  hat  (VH, 
2 :  septenariuB  ille  numerus  quo  iudicantur  omnia)  und  die  auf  das  Buch 
Daniel  gegründete  Unterscheidung  von  vier  Weltmonarchien  nach  den  vier 
Himmelsgegenden  (babylonische,  römische,  makedonische,  karthagische)  zu 
Zeiten  störend  dazwischentritt.  Auch  die  synchronistische  Anlage  und  das 
Interesse  für  die  Chronologie  (Zahlen)  ist  löblich,  obwohl  letztere  Seite 
ohne  Plan  und  mit  vielen  Irrthümem  durchgeführt.  Mit  seiner  Quelle,  der 
Chronik  des  Eusebius,  folgt  Or.  für  die  Zeit  vor  Chr.  der  catonischen  Aeia 
[Korn  752);   fQr  die  Kaiserzeit  gibt  er  nur  (rund)  die  Begierung^jahre  der 


448.  Oroßius.  1035 

einzelnen  Kaiser  an.  Mörner  p.  67—82.  Was  auf  Spanien  Bezug  bat  wird 
immer  mit  besonderer  Vorliebe  behandelt,  auch  in  Vor-  und  Nachworten 
zu  den  einzelnen  Büchern  erbauliche  Betrachtungen  reichlich  angestellt. 
Bewusstscin  Bürger  des  römischen  Reichs  und  Christ  zu  sein  bes.  V,  1  f. 

4.  Sorgfältige  Erörterung  der  Quellen  de«  Orosius  bei  Mörner  p.  49 
— 165.  Orosius  möchte  gern  deii  Schein  erregen  als  hätte  er  eine  Menge 
von  Büchern  für  sein  Werk  benützt,  schreibt  desshalb  aus  seinen  Quellen  be- 
sonders gern  solche  Stellen  ab  worin  andere  Schriftsteller  genannt  werden 
(z.  B.  VII,  10  aus  Tac.  Bist,  die  Erwähnung  des  Sallust),  und  gedenkt 
daher  vieler  Griechen  und  Römer  (wie  Piaton,  Polybios,  Paläphatos,  Fha- 
nokles;  Fabius,  Claudius,  Valerius  Antias,  Galba,  Pompoius  Trogus;  auch 
Josephus)  die  er  sicherlich  nie  in  Händen  gehabt  hat,  zumal  da  er  des 
Griechischen  kaum  mächtig  war.  In  Wahrheit  aber  hat  er  nur  wenige 
benützt,  und  zwar  (mit  Ausnahme  eines  Theils  von  Tac.  Hist.)  lauter  solche  die 
wir  noch  besitzen,  so  dass  wir  sein  Verfahren  controlieren  können,  auch  da  wo 
er  seine  wirkliche  Quelle  nicht  nennt,  was  bei  ihm  die  Regel  ist.  Benützt 
und  gelegentlich  genannt  hat  er  das  A.  u.  N.  T. ,  Livius,  Justinus,  Tacitus, 
Sueton,  Eutropius;  benützt  und  nie  genannt  Eusebius  in  der  Bearbeitung 
des  llieronymus,  Florus  und  eine  Kosmographie.  Die  Grundlage  für  die 
Anordnung  bildet  Eusebius-Hieronymus;  für  die  römische  Geschichte  dient 
als  Quelle  bald  die  ausführlichere  Darstellung  des  Livius,  bald  die  Abrisse 
zuerst  des  Florus,  dann  immer  mehr  Eutropius;  für  die  ausserrömische  Ju- 
stinus; bei  der  Kaiserzeit  Eutropius  und  daneben  Tacitus  und  Sueton.  Für 
die  Geschichte  der  Eroberung  Galliens  ist  auch  Caesars  b.  g.  benützt,  doch 
so  dass  Or.  es  für  ein  Werk  des  Sueton  hält;  s.  VI,  7:  hanc  historiam 
Suetonius  Tranquillus  plenissime  explicuit,  cuius  nos  competentes  portiun- 
culas  decerpsimus  (Mörner  p.  148—152,  vgl.  oben  193,  1  E.). 

5.  Die  Flüchtigkeit  der  Quellenbenützung  hat  zahlreiche  Missver- 
ständnisse,  doppelte  Erwähnung  derselben  Thatsache  aus  zweierlei  Quellen, 
Verwechslungen  und  dgl.  zur  Folge  gehabt;  vgl.  U.  Köhler,  qua  rat.  Livii 
ann.  p.  42 — 46.  95 — 98.  Or.  hat  auch  selbst  das  Gefühl  dass  er  seiner  Auf- 
gabe nicht  gewachsen  sei;  vgl,  z.  B.  III  praef.:  repcto  .  .  nee  omnia  nee 
per  omnia  posse  quae  gesta  et  sicut  gesta  sunt  explicari,  quoniam  magna 
atque  innumera  copiosissime  et  a  plurimis  scripta  sunt.  .  .  praeterea  ex 
hac  ipsa  de  qua  queror  abundantia  angustia  oritur  mihi  et  concludit  me 
sollicitudo  nodosior,  die  Schwierigkeit  sowohl  den  Vorwurf  der  ünvoll- 
ständigkeit  als  der  Undeutlichkeit  zu  vermeiden. 

6.  Auf  die  Bildung  und  Ausdrucksweise  des  Or.  waren  von  Einfluss 
Vergil  (Mörner  p.  177  f.)  und  später  Augustinus  (ib.  p.  52 — 65).  Auch  Kennt- 
niss  des  Lucanus  (VI,  1  extr.)  und  des  Cicero  verräth  sich  (Mörner  p.  177), 
wie  überhaupt  rhetorische  Bildung.  Durch  die  Quellen  die  er  gerade  aus- 
schreibt ist  sein  Stil  im  Einzelnen  bedingt;  wo  er  selber  spricht  geräth  Or. 
meist  in  pastorale  Breite  und  Salbung  hinein,  verwickelt  sich  auch  leicht 
in  seinen  Perioden. 

7.  Schlusswort  (VII,  43  extr.) :  explicui  adiuvante  Christo  secundum  tunm 
praeceptum,  beatissime  pater  Augustine,  ab  initio  mundi  usque  in  praesentem 
diem,  h.  e.  per  annos  MMMMMDCXVII,  cupiditates  et  punitiones  hominnm 


Die  Kaiscncit.    Fünitee  Jahrhundert.    Erst«  Hältlc. 

ram,  conflictationea  eaeculi  ei  iudicia  det  quam,  breviiüme  et  qaiua 
iMime  potni.    .  .  de  quolitAte  autem  opueciüoruin  tn  Tideris,  qni  prtte- 

tibi  uliadicanda  si  edas,  per  t«  iudicata  ei  deleas.  Die  5filT  Jahre 
auf  J.  418  ab  Zeit  dea  Abschlaaaes  hin  (Geb.  Chr.  J.  5199  d.  W.); 
I,  4t:  iimptae  sunt  Hispuniae.  .  .  nihil  quidem  novum,  hoc  enim 
er  biennium  .  .  eustiunere  a  barbaria  quod  per  CC  quoDdam  aono» 
fuerunt  a  Boroanis.  Die  Abfassung  des  grBBKren  Theila  ßllt  aber 
'or  die  Beise  nach  Paiftitina,  bald  na*^  der  Ankunft  bei  Angostiii 
nunc  me  A&ioa   excepit),   in  deuen  Nähe  und  vielleicht  aus  den 

von  deraen  Bibliothek  später  auch  das  Weitere  schrieben  wnrde. 
ologeticuB  de  arbitrii  libertate  ist  in  Palästina  am  Ende  d.  J.  41& 
i  {Mömer  p.  23  f.  29  f.). 

Die  orthodoxe  Haltung  des  Or.  trnd  seine  Beiiehung  tn  Angiwtin 
dem  Geschichteabrisse  lange  zu  groHser  Empfehlung.  EOnig  Alfred 
in   im  Angel sächsiBcbe   fibersetzen   [herausgeg.  von  D.  Banington, 

1778,  und  von  J.  Borsworth,  London  I8&61  vgL  R.  Panli,  E.  Al&ed 
ff.  307  ff.).  Dahei  auch  zahlreicfae  Handschriften,  von  saec.  VII  an 
rem  und  Laoo);  aus  saec.  IX  solche  zu  Chartre«  und  Donaneschin- 
iH  saec.  X  Vat.  1974.  Eine  methodische  Yerwerthnng  derselben  ist 
Dch  nicht  unternommen.  Beiträge  zur  Teitkrifdk  Ton  E.  Grubitz 
atdones  Orosianae,  Naumburg  1S36.  4.)  und  ü.  EOhler  (Philolngna 
!.  663—666). 

Ed.  princeps  per  Jo.  SchQitsleT,  Augsburg  1471.  fol.  Sintere  Aoe- 
ficent.  c.  1476  fol.;  von  G.  SoUuinge  (Köln  1626.  fol.),  Fr.  Fabri- 
)ln  1661  u.  sonst)  und  besonders  S.  Uavercamp  (Lngd.  B.  1T3B  ond 
.).  Abdrücke  auch  in  der  Bibl.  patr.  max.  VI,  p.  376  ff.,  in  Gal- 
ibl.  patr.  IX,  und  in  Higne's  patrol.  t  XXSI.  (1646.)  p.  636—1212 

apol.)  u.  p.  1312-1216  (Commonitorium).  Ad  fid.  rec.  Havercampi 
1867. 

Hauptschrift:  Th.  v.  MOmer,  de  Oroeii  vita  eiueque  historiarum 
II  adversna  paganos,  Berlin  1844.  182  pp.  Auch  vgl.  B.  Ceillier, 
a.  des  aut,  XIV.  p.  1  —  10.    G.  F.  H.  Beck,  de  Orosii  historici  fon- 

anctoritate  (Harburg  1832)  p,  1—9.  E.  Mejean,  Paul  Orose  et  son 
Üqae  contre  les  palens,  Strassburg  1862.  33  pp.  Thise. 

L9.  Unter  den  übrigen  Anhängern  Äugustins  in  seinem 
e  gegen  den  Pel^anismus  war  mit  Wort  und  Schrift 
ler  eifrigsten  Marina  Mercator;  ausserdem  der  Bischof  von 
go  Aurehus,  sowie  Leporius,  der  Presbyter  PauUnus  ans 
d  u.  A. 

Augiutin.  epist.  193  (aus  Ende  418)  an  Mercator:  lltteraa  toae  ein- 
inveni  et  alium  adverans  novos  haereticos  librum.  Herausgegeben 
I  erhaltenen  Schriften  des  Harius  Herc.  studio  Jo.  Gamerii  (Paris. 
.),  emend.  St.  Balnziua  (Paris.  1684)  und  in  den  Sammelwerken  vou 
,  (VUI.  p.  615  ff.),  Migne  (Patrol.  XLVIll)  u.  a. 
Schreiben  des  Aurelias  De  damnatione  Pelagü  atque  Coelestii   in 


448  ff.   Orosius,  LeporiuB,  Cassianus  u.  A.  1037 

Gamier'a  Ausg.  des  Mercator,  Gallandi  bibl.  VUI.  p.  129  ff.,  Migne's  Pa- 
trol.  XX  u.  a.  Von  seinem  Nachfolger  (seit  J.  430)  Capreolus  Briefe  gegen 
die  H&resie  des  Nestorius  z.  B.  in  Gallandi  bibl.  IX.  p.  490  ff.,  Migne's 
patrol.  liTII.  p.  843  ff. 

3.  Gennad.  ill.  69:  Leporius  adhuc  monachus,  posiea  presbyter,  .  . 
pelagiannm  dogma  coeperat  sequi,  sed  a  gallicanis  doctoribns  admonitus 
et  in  Africa  per  Augnstinum  a  deo  emendatus  scripsit  Emendationis  snae 
libellnm,  in  quo  et  satisfacit  de  erroribus  et  gratias  agit  de  emendatione. 
Abgedruckt  in  Gamiers  Ansg.  des  Mercator  (I.  p.  224  ff.)  und  in  den  pa- 
tristischen  Sammelwerken,  z.  B.  Gallandi  bibl.  IX,   Migne's  Patrol.  XXXI. 

4.  Casaian.  de  incarn.  dom.  7:  Panlinus  presbyter,  nou  ille  No- 
lanns  episcopus,  conscripsit  s.  Ambrosii  vitam.  Vgl.  oben  427,  1.  Abge- 
druckt in  den  meisten  Ausgaben  der  Werke  des  Ambrosius.  Paulini  Me- 
diolanensis  libellus  adversus  Caelestium  Zosimo  papae  oblatus  (ums  J.  417) 
und  De  benedictionibus  patriarcharum  z.  B.  in  Gallandi  bibl.  patr.  IX  und 
Migne's  patrol.  XX. 

5.  Briefwechsel  des  Evodius  Uzalensis  episcopus  mit  Augustin,  Epist. 
158—164.  169  =  98 — 102.  240  f.  Die  andern  dem  Evodius  beigelegten 
Schriften  z.  B.  in  Migne's  Patrol.  XXXI. 

6.  Ueber  Prosper  s.  unten  463,  1  ff. 

450,  Auf  der  Gegenseite  ist  der  bedeutendste  Scliriftsteller42R 
der  eifrige  Beförderer  des  Mönchswesens  Joannes  Cassianus 
in  Massilia^  welcher  für  den  Anfanger  der  semipela^anischen 
Richtung  gilt.  Wir  besitzen  von  ihm  noch  drei  Werke:  De 
institutis  coenobiorum  libri  XTT;  CollationeS;  vierundzwanzig  er- 
bauliche Gespräche  mit  ägyptischen  Mönchen;  De  incamatione 
Christi  libri  VII.  Gleichzeitige  Sehrifts.teller,  meist  von  dersel- 
ben theologischen  Richtung^  sind  der  Rhetor  Victorinus  aus 
Massilia^  die  Presbyter  Philippus  und  Eucherius,  der  Bischof 
Hilarius  von  Arles  u.  A.  Von  den  drei  Letzteren  sind  auch 
Schriften  auf  uns  gekommen^  sowie  von  dem  Grammatiker  Agroecius. 

1.  Gennad.  ill.  61:  Cassianus,  natione  Scytha,  Constantinopoli  a loanne 
(Chrysostomus)  magno  episcopo  diaconus  ordinatus,  apud  Massiliam  pres- 
byter condit  duo  monasteria.  .  .  scripsit,  experientia  magistrante,  litterato 
sermone  et  .  .  sensu  verba  inveniens  et  actione  linguam  movens  res  om- 
nium  monachorum  professioni  necessarias,  i.  e.  De  habitu  monachi  et  De 
canonico  orationum  modo  atque  Psalmorum  qui  in  monasteriis  Aegypti  diu 
noctuque  tenentur  libros  III;  Institutionum  librum  unum;  De  origine  et 
qualitate  ac  remediis  Vni  principalium  vitiorum  libros  VIII,  singulos  sei- 
licet  de  singulis  ritiis  ezpediens.  digessit  etiam  GoUationes  cum  patribus 
aegyptiis  habitas.  .  .  et  ad  extremum  rogatus  a  Leone  urbis  Romae  epi- 
scopo (damals  noch  archidiaconus)  scripsit  adversus  Nestorium  De  incar- 


1038  Die  Kaiserzeit.    Fflnftes  Jahrhundert.   Erste  Hälfte. 

natione  domini  libros  VII  et  in  his  Bcribendis  apud  Massiliam  et  vivendi 
finem  fecit,  Tbeodosio  et  Valentiniano  regnantibuB  (also  J.  426—450). 

2.  Ausgaben  der  Werke ,  des  Casaianua  opera  et  atud.  Henr.  Cuykii 
(Antverp.  1678),  AI.  Gazaei  (Atreb.  1C28  fol.  u.  aoust)  und  in  den  patriati- 
8chen  Sammelwerken,  z.  B.  Migne'a  Fatrol.  XLIX  und  L  (Paria  18  6).  Ueber 
eine  Handachrift  der  Collationea  a.  oben  399,  4. 

3.  Ueber  Casaianua  vgl.  bea.  Voss.  hiat.  pelag.  I,  7.  Norisins  bist. 
pel.  U,  1  fiP.  G.  F.  Wiggera,  de  lo.  Caaa.  Maaail.  qui  aemipelagianiami  aactor 
vulgo  perhibetur,  Rostock  1824  f.  4.  und  in  Erach  und  Grubera  Enc.  I,  21. 
S.  105  ff.  J.  Geffken,  hiatoria  aemipelagianismi  antiquissima,  Gotting. 
1826.  4.    G.  Kaufmann  in  Raumers  hist.  Taschenb.  1869,  S.  64 — 73. 

4.  Gennad.  ill.  60:  Victorinus  (Var.  Victorius)  rhetor  MassiliensiB 
ad  filii  Bui  Aetherii  peraonam  commentatua  eat  in  Geneaim,  i.  e.  a  princi- 
pio  libri  usque  ad  obitum  patr.  Abrahae,  trea  diveraos  edidit  libroa,  chri- 
stiano  quidem  et  pio  aensu,  aed  utpote  aaeculari  litteratura  occupatua  homo 
et  nulliua  magiaterio  in  divinia  acripturia  exercitatua  levioria  ponderis  sen- 
tentiam  figuravit.  moritur  Theodoaio  et  Valentiano  regnantibus.  Vgl.  unten 
457,  5.  459,  13. 

5.  Gennad.  ill.  62:  Philippua  preabytcr,  optimua  auditor  Hieronymi, 
coramentatus  in  lob  edidit  sermone  aimplici  librum.  legi  eiua  et  Familiä- 
res epiatolaa  et  valde  aalaaa  et  maxime  ad  paupertatis  et  dolorum  toleran- 
tiam  exhortatoriaa.  moritur  Marciano  (J.  450 — 457)  et  Avito  (J.  455  f.) 
regnantibus,  also  J.  455  oder  456.  Sein  Commentar  zu  Job  (in  hiatoriam 
Job  commentariorum  libri  III)  berausgeg.  (von  J.  Sichard)  Basil.  1527  und 
in  den  Werken  des  Hieronymus  (z.  B.  in  Migne's  Patrol.  XXIII.  p.  1401  ff.). 

6.  Gennad.  ill.  63:  Euch  er  ins,  Lugdunensis  ecclesiae  presbyter  (Bi- 
schof seit  434),  scripsit  ad  Valerianum  propinquum  suum  De  contemtu 
mundi  et  saecularis  philosophiae  epistolam  unam,  scholastico  aermone  et 
rationabili.  disseruit  etiam  ad  personam  filiorum  Salonii  et  Veranii,  postea 
cpiscoporum  (s.  462,  11),  obscura  quaeque  sanctarum  capitula  scripturarnm. 
sed  et  Caasiani  quaedam  opuscula  lato  tensa  sermone  angusto  verbi  resolvens 
tramite  in  unum  coegit  volumen,  aliaque  tarn  ecclesiasticis  quam  monaaticis 
Htudiis  necessaria.  moritur  sub  Valentiniano  (J.  425  —  455)  et  Marciano 
(J.  450  —  457)  principibus  (also  zwiachen  450  und  455).  Anagaben  aeiner 
Schriften  e  recogn.  B.  Rhenani  (Basil.  1516.  4.),  cum  acholiia  Eraami  Rot. 
(i3asil.  1530.  4.),  sowie  in  den  patristischen  Sammelwerken,  z.  B.  von  Migne 
(Patrol.  L).    Ueber  eine  Schrift  von  ihm  s.  Salvian.  epist.  8. 

7.  Gennad.  ill.  69:  Hilarius,  Arelatensis  episcopus  (seit  429),  vir  in 
sanctis  scripturis  doctus,  paupertatis  amator,  .  .  homo  genere  clarus.  .  .  in- 
gcnio  immortali  aliqua  et  parva  edidit,  quae  fidelis  animae  et  eruditae 
linguae  indicio  sunt,  in  quibus  praecipue  .  .  vitam  scti  Honorati  (vgL  un- 
ten 462,  7),  praedecessoris  sui,  composuit.  moritur  Valentiniano  et  Mar- 
ciano regnantibus  (also  450—455).  Abgedruckt  ist  diese  vita  z.  B.  an  Sa- 
unas Ausg.  des  Vincent.  Lerin.,  in  Migne's  Patrol.  L.  Vier  Verse  von  ihm 
Anthol.  lat.  487  R.  (II.  p.  37).  Prosper  an  Augustin.  (ep.  225,  9):  unum 
eonim  (der  hochgestellten  Halbpelagianer)  praecipuae  auctoritatis  et  apiri- 


450  f.   Eucherius,  Hilariua  u.  A.   Vincentius  Lerinensis.         1039 

tualium  stadiomm  Tirnm,  sanctum  Hilarium  ArelateDseta  episcopnm,  sciat 
beatitudo  tua  admiratorem  sectatoremque  iu  aüia  omnibus  tuae  esse  doctri- 
nae.  Kampf  des  Gallicani&mns  und  BomanismuB  in  der  Person  Ton  H, 
und  Leo  I,  s.  Leo's  Epist.  10  f. 

8.  Von  Hilarius'  Schwager  Lupns,  Bischof  von  Troyes  (ei)isc.  Tre- 
censis)  J.  429 — 479,  Briefe  in  Gallandi  bibl.  patr.  IX.  p.  516  if.  und  Migne^s 
patrol.  LVm.  p.  C3  ff. 

9.  Predigten  (sermones)  und  Briefe  von  Petrus  Chrysologus  (um  405 
—450)  aus  Imola,  Bischof  von  Ravenna  seit  433,  in  defr  Ausg.  von  Dom. 
Mita  (Bonon.  1643.  4.  Venet.  1742  fol.);  rec.  Seb.  Pauli  (Venet.  1750  fol.), 
in  Migne's  Patrol.  LII  u.  sonst.  Brief  an  den  Presbyter  Eutyches  ib.  L1V. 
p.  739  ff. 

10.  Predigten  von  Valerianus,  Abt  auf  Lerinum,  Bischof  von  Gemele 
(bei  Nizza)  ums  J.  440,  nebst  einer  Epistola  ad  monachos  de  virtutibus  et 
ordine  doctrinae  apostolicae,  herausgeg.  von  Sirmond  (Paris.  1612),  ia  Mita's 
Ausg.  des  Petrus  (A.  9),  Gallandi  bibl.  X.  p.  123  ff.,  Migne's  Patrol.  LII. 

11.  Dem  Bischof  Eucherius  (A.  6)  widmete  (wohl  in  Gallien)  Agroe- 
ciuB  sein  opus  de  orthographia  et  proprietate  et  differentia  sermonis,  wel- 
ches einen  Anhang  zu  dem  betr.  Werke  des  Flavins  Caper  (oben  338^  3) 
bilden  sollte.  Vgl.  p.  2266  P.:  huic  Capri  libello  .  .  quaedam  adicienda 
subieci,  non  quod  vir  tantae  peritiae  aliquid  praetermiserit,  tam  multis 
praesertim  litterarum  operibus  celebratus,  qui  in  commentando  etiam  Cice- 
rone praecipuus,  sed  quia  nos  difficilia  putamus  quae  ille  ut  facilia  ne- 
glexit.  Das  Ganze  in  Putsche's  gramm.  lat.  p.  2266  —  2275.  Vgl.  Apoll. 
Sidon.  VII,  5.  Prob.  zuVerg.  Ecl.  V,  80.  F.  Osann^  comm.  de  Fl.  Capro  et 
Agroecio  grammaticis  (Giessen  1849.  4.)  p.  4  f.  20.  Brambach,  lat.  Orthogr. 
S.  44  f. 

451.  Im  J.  434  verfasste  Vincentius  aus  Lerinum  unter429 
dem  Namen  Peregrinus  sein  Commonitorium,  eine  Mahnung 
zum  Festhalten  an  der  echten  katholischen^  auf  Schrift  und  Tra- 
dition gegründeten  Lehre  und  Warnung  vor  den  Ketzereien  aller 
Art,  in  einfacher  und  verhaltnissmässig  gebildeter  Sprache.  Unver- 
kennbar findet  auch  Vinc.  Augustins  Richtung  allzuschroff  und 
einseitig  und  bekennt  sich  zu  einem  gemilderten  Pelagianismus. 

1.  Gennad.  ill.  64:  Yincentins,  natione  Gallus  (aus  Nordfrankreich), 
apud  monaaterium  Lerinensis  insolae  (bei  Nizza)  presbyter,  vir  in  scripturia 
sanctis  doctus  et  notitia  ecclesiasticorum  dogmatum  snfQcienter  instmctus, 
composuit  ad  evitanda  haereticorum  collegia  nitido  satis  et  aperto  sermone 
validissimam  dispntationem ,  quam  absconso  nomine  suo  titolavit  Peregriui 
adversns  haereticos  (vgl.  A.  2).  cuius  operis  quia  secundi  libri  maximam 
in  schedulis  partem  a  quibusdam  furatam  perdidit,  recapitulato  eins  paucis 
sermonibns  sensn  pristino,  composuit  et  uno  in  libro  edidit.  moritur  Theo- 
dosio  et  Yalentiniano  regnantibus  (also  J.  426 — 450). 

2.  Vincent,   comm.   praef.:    videtur   mihi   minimo   omnium    servomm 


I  Die  KaiBerzeit.    FünfteB  Jahrhundert.    Erat«  Hälft«. 

eregriDO  qaod  res  non  miniiaae  titilitatis  .  .  fatnrft  ät  8i.eft  qoae  fide- 
a  eauctis  patribns  accepi  litteris  cotnprebendam.    .  .  remottorn  lillnlae 

ea  secretam  monast«rii  iDColimiis  babitacnlnm.     .  .  cum   aliqoUDdiu 

ac  triatibue  »ftecularie  militiac  turbiuibuH  voWeremuT  taadem  nos  iu 
m  religionia  .  .  coadidimaH.    .  .  hoc  ecribeadi  l«ge  serrata  nt  nequa- 

omnia,  aed  tantnm  neceBsaria  qoaeque  perstritigam,  neqae  id  onato 
ücto,  eed  facili  commuDiqne  senuone.  .  .  me  enblevandae  recordatio- 
}|  potiuB  oblivionig  meae  gratia  Commooitoriain  mihimat  parasae  nif- 
t.    42  in.:  eiemplum  adhibuimna  a&Dcti  concilü   quod   ante  trienniam 

in  Aaia  apud  Ephesum  celebratum  eat  tv.  cc.  BasBO  Autiochoque 
(J.  431).  c.  40:  iam  tenpuB  eat  iit  pollicitum  proferamue  exemplntn, 
t  quomodo  Banctoram  patmm  gententiae  congregatae  aint,  at  aeeun- 
eas  .  .  fidei  regula  Egeretur.     qaod  quo  commodina  fiat  hie  Bit  üun 

commonitorii  modua,  at  cetera  quae  aeqanntur  ab  alio  Bumamna  ex- 

Dieaea  zweite  commonitoTimn  iat  aber  biB  auf  die  Recapitnlation 

uhluBBe  (c.  41 — 43)  Tarloren  gegangen;  Tgl.  c,  41  in.:  iam  ternpu  est 

quae  duobua  hia  commonitorÜB  dicta  aunt  in  hoiaa  secandi  fine  re- 
ilemoB.     Scbloaa  (c.  43):   baec  aunt  fere  quae    duobuB   commooitoriia 

diaerta  aliquanto  nunc  brcTiiis  recapituiaadi  lege  cODstricta  Boot, 
rmoria  mea  .  ,  prolizitatis  fastidio  uon  obruatur. 

,  Definition  dee  Eatholiichen  c.  3:  id  qnod  ubique,  quod  semper, 
ab  omuibuB  credituoi  eBt.  Alle  novitai  ist  daher  dem  Tino.  rerdBch- 
ad  gauK  nach  seinem  Sinne  das  Wort  des  Caeleatinus:  desinat  incea- 
lovitae  Tetustatem  (c.  43).  Ygl.  39;  eorum  dumtaiat  patmm  senten- 
onferendae  aunt  qui  in  fide  et  communione  cathulica  aancte  .  .  TiTentee 
iri  in  Christe  fideliter  .  .  meruerant  quibus  tarnen  hac  lege  creden- 
ist  ut  quidqnid  vet  omnes  Tel  plures  uno  eodernque  aeuau  manifeste, 
nter,  perseveranter  .  .  firmaTerint,  id  pro  indubitate,  certo  ratoqne 
turj  quidqoid  vero,  qnamvis  ille  aanctuB  et  doctuB,  qnamTis  epiacopos, 
rie  oonfeaaor  et  maii^r,  praeter  omnes  aat  etiam  contra  omnee  aen~ 
id  inter  proprias  et  occnltas  et  privatas  opiniuncalas  .  .  secretam  sit 
aeretici)  audent  polliceri  et  docere  quod  in  eccteaia  sna  .  .  magna 
cialia  ac  plane  personalis  quaedam  ait  dei  gratia,  adeo  ut  sine  nllo 
,  etiamsi  nee  petant  nee  qnaerant  nee  pulaent,  quicnmque  illi  ad  na- 
1  auum  pertinent  .  .  nnmquam  pOBBint  offendere.  Dieas  hat  offenbare 
nng  auf  Ängustiu  de  dono  peraeT.  23;  falluntur  qai  putant  eaae 
B,  non  dari  nobis,  at  petemua,  quaeramaa,  pulsemaa.  Zu  weit  geht 
'^oHBias,  bist,  pelag.  I,  9:  comiDonitorinm  adverBas  Aagnatinnm  ipaum 
i  galt4)in  qai  Auguatini  sententiam  aequerentur  soripsiaBe  Tineentinni 
lamuB.  Aehnlich  Noriaiua  und  A.  Neander,  Eirchengeach.  11, 3.  S.  132T. 
lod  VincentiuB  und  eeine  MeinungagenosBen  ihre  Lehre  retaatate  de- 
t  (PrOBper  epiat.  ad  August,  vom  J.  428  oder  429)  und  Angaatins 
tinationatehre  als  eine  individuelle  Neaerang  (Häresie)  beieichneten 
er  1.  1.;  multi  qai  in  MaBsilienBi  urbe  conaiBtunt  in  .  .  aoriptis  qnae 
US  PelagiaiiOB  condidiati  contrariam  patent  patrum  opinioni  et  ec- 
tico  aensui  qnidqnid  de  vocatione  electemm  secundum  dei  propoBitam 
utj),  so  wurden  aic  seibat  von  augustinischer  Seite  als  Semipelagia- 


451  f.    Vincentius  Lerinensis.   Leo  M.  1041 

ner  verdächtigt.    Gegen  den  Pelagianer  Julianus  (oben  437,  4)  spricht  sich 
VincentiuB  aus,  common.  40.. 

4.  Ausgaben  bes.  von  G.  Calixtus  (Helmstedt  1629.  1655),  St.  Balu- 
zius  (mit  Salvianus,  Paris  1663  u.  sonst),  E.  Klüpfel  (notis  illustr.  und  mit 
78  pp.  prolegg.,  Vienn.  1809),  in  Migne's  patrolog.  L  u.  A. 

5.  Die  beabsichtigte  Schrift  über  die  Trinität  (common.  22  extr.) 
scheint  Yinc.  nicht  verfasst  zu  haben.  Dagegen  auf  seine  weitere  Bethei- 
ligung an  den  pelagianischen  Streitigkeiten  deutet  die  Gegenschrift  Pro- 
spers,  betitelt  pro  Augustino  responsiohes  ad  capitula  (XVI)  obiectionum 
Vincentianarum.  Aus  ähnlichem  Kreise,  obwohl  nicht  von  Vinc.  selbst, 
stammen  die  drei  Bücher  Praedestinatus  (ed.  Sirmond,  Paris.  1643;  in 
Migne's  Patrol.  LIII.  p.  587  fP.).  Ebenso  wenig  rührt  von  Yinc.  her  das 
symbolum  Quicumque.    £.' Klüpfel  p.  56 — 71. 

452.  Ebenso  wichtig  durch  ihren  Inhalt  wie  anziehen(l430 
durch  ihre  .Form  sind  die  Schriften  des  Gründers  der  päpstlichen 
Macht,  des  römischen  Bischofs  Leo  I  (der  Grosse),  J,  440 — 461. 
Sie  bestehen  theils  aus  Festpredigten  (sermones)  theils  aus  Briefen, 
letztere  fast  aus  der  ganzen  Zeit  seines  Episkopats,  den  Jahren 
442 — 460.  Leo  zeigt  sich  darin  gleich  sehr  als  scharfer  Denker 
wie  gewiegter  Geschäftsmann  und  vollendeter  Stilist,  nicht  minder 
klug  als  energisch;  in  seinen  Zielen  unerschütterlich,  in  den 
Wegen  dazu  erfinderisch,  fein  und  wohlberechnend;  in  praktischen 
Fragen  massyoU  und  billig,  im  Dogmatischen  von  sicherer 
Fühlung  und  das  einmal  Festgesetzte  mit  zäher  Ausdauer  gegen 
alle  Abweichungen  verfechtend,  vor  Allem  aber  eifersüchtig 
wachend  über  die  von  ihm  in  Anspruch  genommenen  Vorrechte. 
Seine  Sprache  ist  gewandt,  rein  und  geschmackvoll. 

1.  Gennad.  ill.  70:  Leo,  urbis  Romae  episcopua  (J,  440  —  461),  scripsit 
ad  Flavianum,  Constantinopolitanae  ecclesiae  episcopum,  adversus  Eutychen 
presbyterum  .  .  epistolam.  moritur  Leone  et  Maioriano  imperatoribus 
(10.  November  461).  Erstes  Auftreten  als  Akoluth  J.  418,  also  geboren  etwa 
395.  Jenes  Schreiben  an  Flavianus  (Epist.  28)  über  das  Yerhältniss  der 
zwei  Naturen  in  Christus  wurde  die  Grundlage  der  Beschlüsse  auf  der 
Synode  von  Chalkedon  (J.  451)  und  erhielt  allmählich  symbolischen  Charakter. 
Noch  ausführlicher  ist  das  Schreiben  an  Kaiser  Leo  (Epist.  165)  vom  J.  458 
zur  Rechtfertigung  des  ersten  (und  der  Beschlüsse  von  Chalkedon)  aus 
Schrift  und  Tradition.  Die  Ansprüche  des  rOm.  Episcopats  auf  den  Primat 
sind  besonders  klar  ausgedrückt  Epist.  16  und  156,  2.  Markianos  erkennt 
auch  nach  seiner  Thronbesteigung  Leo's  principatus  in  episcopatu  an  (epist. 
73).  Seine  eigene  Person  hütete  sich  Leo  weislich  den  Intriken  und 
Stürmen  der  Synoden  des  Ostens  auszusetzen.  Dagegen  verlangte  er  von 
den  Bischofen  regelmässige  Berichte  über  alle  wichtigeren  kirchlichen  Vor- 

Tmüvwml^  B6id.  Literainrgeachichte.   2.  Aufl.  qq 


'1". 

■■ar  ■■• 


S^- 


1042 


Die  Kaiserzeit.   Fünftes  Jahrhundert.    Erste  Hälfte. 


^bige,  trat  energisch  jeder  £egnng  von  Selbständigkeit  (wie  von  Hilarioa 
Arelat.  und  Anatolius  Cpol.)  als  ambitus  (ep.  104 — lOG.  157 ,  4)  entgegen 
und  rief  dazu  auch  den  weltlichen  Arm  auf  (ep.  11.  24  u.  sonst). 

2.  Den  Kaisern  gegenüber  weiss  Leo  sachliche  Schärfe  mit  yerbind- 
liebster  Form  zu  paaren;  er  ent£altet  grosse  Geschicklichkeit  und  wunder- 
bare Bührigkeity  und  versteht  sich  namentlich  auch  auf  die  kleinen  Eänete 
der  Diplomatie.  Nie  ^st  er  in  einer  wichtigeren  Sache  ein  Schreiben  an 
den  Ejüser  abgehen  ohne  gleichseitig  eines  an  die  Kaiserin  und  den  bei 
Hof  einflussreichsten  Priester  (nebst  einer  Abschrift  seiner  Briefe  an  die 
Majestäten)  abzusenden.  Als  es  (J.  449)  galt  den  Kaiser  Theodosius  von 
beiner  Unterstützung  des  alexandrinischen  Bischofs  Dioskoros  und  der  sog. 
Räubersynode  von  Ephesus  abzubringen  (Epist.  43  f.)  schrieb  Leo  nicht  nur 
zugleich  an* die  Kaiserin  Pulcheria  (46)  und  lulianus  episcopus  CoensiB 
(quem  in  speculis  propter  fidem  iUic  esse  constitui,  ep.  134,  2  vgl.  136,  3) 
und  andere  in  Constantinopel  vielvermögende  Männer,  sondern  liess  überdiess 
den  Kaiser  und  die  Kaiserin  bearbeiten  durch  Schreiben  des  (westL)  Kaisers 
Valentinianus  (55)  nnd  der  Kaiserin  Galla  Placidia  (56.  58),  sowie  der  Licinia 
Eudoxia  (57),  Schreiben  welche  wohl  mit  gutem  Grunde  in  die  Sammlung 
der  Briefe  Leo's  aufgenommen  sind.  Auch  unter  Markianos  bleiben  Pul- 
cheria UQd  Julianus  die  Kanäle  durch  welche  Leo  auf  den  schwachen- 
Kaiser  einwirkt;  einmal  (ep.  123)  wird  auch  Eudokia  mit  aufboten;  unter 
Kaiser  Leo  ist  derjenige  welcher  zu  opportunae  suggestiones  bei  demselben 
aufgefordert  wird  der  Presbyter  A§tius,  und  auch  der  allmächtige  patrieius 
Aspar  wird  nicht  vergessen  (ep.  153,  1).  Bezeichnend  epist.  140  (J.  454) 
über  Markianos:  multis  experimentis  probavimus  eam  esse  gloriosiaaimi 
Augusti  fidem  ut  tunc  maxime  se  arbitretur  regno  suo  consnlere  cum  pxae- 
cipue  studuerit  pro  integritate  ecclesiae  laborare,  und  ep.  156,  3  an  K,  Leo 
(J.  457):  debes  incunctanter  advertere  regiam  potestatem  tibi  non  ad  solnm 
mundi  regimen  sed  maxime  ad  ecclesiae  praesidium  eese  collatson. 

3.  Das  Interesse  der  kirchlichen  Einheit  macht  den  Leo  zu  einem 
unerbittlichen  Hüter  der  orthodoxen  Lehre;  vgl  Ep.  165,  2:  catholica  fides, 
quae  est  singularis  et  vera  cuique  nihil  addi,  nihil  minui  potest.  In  Fragen 
des  Lebens  aber  ist  er  von  lUgorismus  und  Pedanterie  frei;  vgl.  z.  B.  ep.  159. 
167  f.  P.  C.  Baur,  die  christl.  Kirche  im  4—6  Jahrh.  (Tübi.  1863)  S.  114 
—116.    238—243.    246  f.    248  f. 


4.  Der  erhaltenen  sermones  von  Leo  sind  es  96,  meist  von  verstän- 
diger Kürze,  wie  auch  die  173  Briefe  von  überflüssiger  Breite  sich  fem 
halten.  Die  ersteren  verrathen  rhetorische  Schulung.  Die  Reinheit  der 
Sprache  geht  bei  Leo  nicht  bis  zur  Classicität  (spätlateinische  Worte  nnd 
Wendungen  wie  aliquanti  homines,  obviare,  fiducialiter,  pervaaor,  sabad- 
iuva,  tribulatio  sind  nicht  selten),  aber  für  diese  Zeit  ist  sie  bewunderns- 
würdig und  lässt  4^i^&u^  schliessen  dass  Leo  ein  geborener  Römer  von 
gutem  Hause  und  angeborenem  Formgefühle  war. 

5.  Schriften  die  dem  Leo  mit  Unrecht  zugeschrieben  werden :  Capitata 
B.  praeteritorum  sedis  apostolicae  episcoporum  auctoritates  (aus  J.  431); 
De  vocatipne  omniiun  gentium;  Epistola  ad  Demetriadem,  s.  de  humilitate 


h^  ■ 


462  f.    Leo  M.    Prosper.  1043 

tractatus;  Sacramentarinm   oder   codex  sacramentoram  vetiu  romanae  ec- 
clesiae;  Breviarium  adversus  haereticos. 

6.  Hauptaasgaben  der  Werke  Leo's  yon  PaschasiuB  Quesnellus  (Paris. 
1676.  2  Voll.  4.  Lugd.  1700.  2  Voll,  fol.)  und  cur.  P.  et  Hieron.  fratr. 
Balleriniis  (Venet.  1766  flF.  3  Voll.  fol.).  Damach  in  Migne'a  Patrol.  LIV 
— LVI.    Die  Briefe  auch  in  den  Conciliensammlungen. 

7.  Abhandlungen  Über  Leo  bee.  von  Quesnelle  und  Ballerini  in  ihren 
Ausgaben.    A.  Arendt,  Leo  der  Grosse  und  seine  Zeit,  Mainz  1836. 

463.  In  dogmatischer  Beziehung  ein  eifriger  Anhänger43i 
Augustins  war  der  Aquitanier  Prosper,  von  welchem  wir  ausser 
Streitschriften  gegen  die  Pel^^aner  und  Semipelagianer  und 
Gedichten  ähnlichen  Inhaltes  besonders  eine  Chronik  besitzen, 
welche  sich  genau  an  die  des  Hieronymus  anschliesst,  sie  vom 
J.  379 — 455  n.  Chr.  fortsetzt  und  selbst  später  von  Andern  fort- 
gesetzt und  abgekürzt  wurde.  Das  Verzeichniss  der  Consuhi  vom 
J.  29  n.  Chr.  an  ist  der  einzige  Bestandtheil  derselben  welcher  aus 
Quellen  geflossen  ist  die  uns  nicht  mehr  zugänglich  sind.  Von 
den  übrigen  christlichen  Schriftstellern  ist  besonders  der  Schotte 
Patricius  erwähnenswerth. 

1.  Gennad.  ilL  84:  Prosper,  homo  aquitanicae  regionis,  sermone 
scholasticus  et  assertionibus  nervosus,  multa  composuisse  dicitur.  ex  quibus 
ego  Chronica  illius  nomine  praetitulata  legi,  continentia  a  primi  hominis 
conditione . .  usque  ad  obitum  Yalentiniani  Aug.  et  captivitatem  urbis  Bomae 
a  G^nserico  Yandalorum  rege  factam  (ebenso  Cassiod.  diy.  lect.  17).  legi 
et  librum  adyersuB  opuscula  sub  persona  Cassiani  (oben  460).  .  .  epistolae 
quoque  papae  Leonis  adversus  Eutychen  de  vera  Christi  incamatione  ad 
diverses  datae  et  ab  ipso  dictatae  dicuntur.  Schreiben  Prosper^s  an  Au- 
gustin (ignotuB  quidem  facie)  vom  J.  428  oder  429,  über  die  Reste  von 
PelagianismuB  in  Gallien,  unter  Augustin.  Epp.  226;  vgl.  ib.  226  den  ähn- 
lichen Brief  von  Prosper's  Freund  Hilarius,  sowie  Prosper's  an  Bufinus, 
opp.  Augustini,  append.  X.  p.  109  ff.  Gleichfalls  in  Augustinus  Werke  (und 
Migne's  patrol.  LI)  aufgenommen  sind  Prosper's  pro  Augustino  responsiones 
ad  capitula  obiectionum  Gallorum  calumniantium ,  ad  cap.  obiect.  Yincen- 
tianarum  (oben  451,  8),  ad  excerpta  quae  de  gennensi  civitate  sunt  missa, 
und  besonders  seine  Schrift  De  gratia  dei  et  libero  arbitrio.  Ausserdem 
ein  Auszug  aus  Augustinus  Commentar  zu  den  Psalmen  und  der  dogmatisch 
wichtigsten  Ausspruche  in  dessen  Werken.  Einen  Theil  der  letzteren  be- 
arbeitete Prosper  auch  im  elegischen  Masse  (106  Epigramme).  Vgl.  Riese's 
Anthol.  lai  IL  p.  XII. 

2.  Prosper's  Werke  herausgegeben  von  den  Benedictinem  (Paris  ITll. 
fol.)  »  Migne  U.  Seine  Chronik  vollständig  herausgegeben  von  Labbe, 
nova  bibl.  ms.  (Paris  1667.  fol.)  und  in  Roncalli's  vetustorum  latinorom 
scriptorum  chronica  (Padua  1787.  2  Voll.  4.)  I.  p.  522  ff.  Vgl.  v.  d.  Hagen, 
observationes  in  Prosp.  Aq.  chronicon,  Amsterd.  1733.  4.    Das  Consulnver- 

66* 


1044  Die  Kauerzeit.   Fünftes  Jahrhundert.    Erste  Hälfle. . 

zeichniw  bei  Mommsen,  d.  Chronik  des  Cassiodor  (Abhandl.  d.  sächs.  Ges. 
d.  W.  YlII  »-  philoUhiat  CL'  IIL  Leipzig  1861)  S.  661—674.  Vgl.  dort 
S.  663  f.  Anm.  S.  660  (die  Chronik  ein  „schlechtes  Machwerk*').  675  f.  G>ini 
Ganzen  genommen  ist  diese  spätere  fromme  Chronologie  mit  einer  nns 
kaom  begreiflichen  Gewissenlosigkeit  zarecht  gemacht  worden**).  Eine  ab- 
gekürzte Bedaction  des  Schlossstückes  von  Prosper's  Chronik  ist  der  von 
Canisins  nach  einer  Angsborger  Hdschr.  herausgegebene  sog.  Prosper  Au- 
gustanus. H.  Fernow,  romanische  Elemente  im  Chron.  d.  Pr.  Aq.,  in  Ebert> 
Lembcke*8  Jahrb.  f.  roman.  Lit.  XI  (1870).  S.  267—280. 

3.  Wie  Prosper  die  Chronik  des  Hieronymns  ausschreibt  und  fort- 
setzt, so  wurde  er  selbst  ausgebeutet  in  der  Ostertafel  des  Victorius  Aqui- 
tanius,  aus  welcher  dann  Cassiodor  in  ähnlicher  Weise  schöpfte.  Mommsen 
a.  a.  0.  S.  566.  Prosperi  Aquitani  Chronici  continuator  Hayniensis;  nunc 
primum  edidit  G.  Hille,  Berlin  1866.  37  pp.  Ueber  die  Zeitzer  Ostertafel 
vom  J.  447  vgl.  Mommsen,  Abhandl.  d.  Berl.  Akad.  1862.  S.  639—566. 

4.  Prosper  verfasste  ferner  ein  didaktisches  Gedicht  de  ingratis  in 
yier  Theilen  (zusammen  von  1002  Hexametern),  geschrieben  ums  J.  430,  bei 
Lebzeiten  Augustins  (v.  90  ff.),  und  gerichtet  gegen  das  dogma  quod  .  .  pe- 
stifero  vomuit  coluber  sermone  Britannus  (Pelagius).  Vgl.  693.  praef.  1  ff.: 
unde  voluntatis  sanctae  subsistat  origo,  unde  animis  pietas  insit  et  unde 
fides  Adversum  ingratos  (die  göttl.  Gnade  nicht  anerkennend)  falsa  et  vir- 
tute  (Werkheiligkeit)  superbos  centenis  decies  versibus  ezposui.  Der 
trockene  Stoff  iet  mit  Lebendigkeit,  Eifer  und  in  einer  Form  behandelt 
welche  zwar  die  feineren  Gesetze  über  Cäsur,  Verschleifung  u.  s.  w.  nicht 
befolgt,  wohl  aber  (mit  seltenen  Ausnahmen,  wie  aliud  239)  die  ordinären, 
und  von  Eenntniss  auch  heidnischer  Dichter  sowie  rhetorischer  Bildung 
zeugt.  Archaismen  wie  nascier  (10)  und  mage  (962)  nach  Versbedürfniss. 
Ausserdem  zwei  Epigramme  (im  elegischen  Masse)  wider  einen  literarischen 
Gegner  Augustinus  und  Vertheidiger  der  menschlichen  Willensfreiheit,  sowie 
ein  Epitaph  auf  die  (angeblich  engverwandte)  nestorianische  und  pela- 
gianiscbe  Häresie.  Vorwort  der  106  dogmatischen  Epigramme  (s.  A.  1  £.): 
Dum  sacris  mentem  placet  exercere  loquelis  .  .  quosdam  ceu  prato  libuit 
decerpere  Acres  distinctisque  ipsos  texere  versiculis.  Ueber  Pr.  vgl.  F. 
Papencordt,  vandal.  Herrschaft  (1837)  S.  355—358. 

5.  Unter  den  mit  zweifelhaftem  Ilechte  dem  Prosper  Aquit.  zuge- 
schriebenen Arbeiten  ist  besonders  erwähnenswerth  ein  Gedicht  worin  der 
Redende  seine  Gattin .  ermahnt  sich  mit  ihm  ganz  Gott  zu  weihen.  Es  be- 
ginnt mit  16  zierlichen  Anakreonteen  in  4  Strophen  (auch  bei  Beda  p.  2379 
P.  und  Wernsdorf,  poetae  lat.  min.  III.  p.  413  f.)  und  verläuft  dann  im 
elegischen  Masse  (116  Verse).  Sodann  ein  Lehrgedicht  de  Providentia  divina 
(v.  97—972),  mit  Einleitung  (v.  1  —  96)  im  elegischen  Masse.  Uebergang 
(95  f.):  at  ne  sermo  moram  patiatur  ab  impare  versu,  heroi  numeris  porrige 
pentametrum.  Dass  es  von  Prosper  Aq.  nicht  herrührt  beweist  schon  seine 
entschieden  pelagianische  Haltung.  Vgl.  z.  B.  238  ff.:  quia  liber  homo  et 
sapiens  discernere  rectis  prava  potest,  in  se  intus  habens  discrimina  re- 
rum  iusque  voluntatis,  quo  temperat  arbitrium  mens.  554  ff.  u.  sonst  Die 
Darstellung  ist  gewandt,  correct,  aber  breit  und  oft  trivial. 


453  f.    ProBper  Aquit.  u.'A.    Codex  Theodosianus.  1045 

» 

6.  Andere  christliche  Prosaiker  der  Zeit  von  welchen  uns  Schriften 
in  lateinischer  Sprache  erhalten  sind.  Patricius  (geb.  bei  Glasgow,  ur- 
sprünglich Succath  genannt),  der  bekannte  Irenapostel  (St.  Patrik),  Ver- 
fasser einer  confessio  (bei  Migne  LIII.  p.  %01 — 814),  von  Briefen  u.  A. 
(ib.  p.  814—838);  auch  31  Hexameter  (Aufzählung  von  Prodigien)  werden' 
ihm  zugeschrieben  (Anthol.  lat.  791  B.).  Turribius  Asturicensis  (seit 
447  Bischof),  Verfasser  eines  Schreibens  an  die  Bischöfe  Idacius  und  Ceponius 
gegen  die  Apokryphen  und  die  Priscillianisten,  abgedruckt  hinter  Leo's 
epist.  15  (Migne  LIV.  p.  693 — 695).  Leo  Bituricensis  (Bischof  von  Bourges), 
von  welchem  sich  gleichfalls  ein  Schreiben  an  die  Bischöfe  der  provincia 
in  Lugd.  (Turonica)  unter  den  Briefen  Leo's  d.  Gr.  findet  (Migne  LIV). 

7.  Christliche  Prosaiker  des  Westens  ungefähr  aus  dieser  Zeit,  deren 
Schriften  nicht  erhalten  sind.  Syagrius  (Gennad.  ill.  65);  Paulinus  (ib.  68); 
Asclepius  Afer,  in  baiensi  territorio  episcopus  (ib.  73);  Paulus  presbyter, 
natione  .  .  Pannonius  (ib.  75);  Pastor  episcopus  (ib.  76);  Victor,  Cartennae 
Mauritaniae  civitatis  episcopus  (scripsit  adversus  Arianes  librum  unum 
longum,  quem  Genserico  regi  .  .  obtulit  etc.,  ib.  77);  Voconius,  Castellani 
Mauritaniae  oppidi  episcopus  (ib.  78);  Musaeus,  Massiliensis  ecclesiae  pres- 
byter  (moritur  Leone  et  Maioriano  regnantibus,  ib.  79);  Vincentius  pres- 
byter,  et  ipse  natione  Gallus  (linguam  habens  usu  loquendi  et  maiore 
lectione  politam,  ib.  80). 

8.  Dictinii  tractatus  quos  secundum  Priscilliani  dogma  conscripsit 
erwähnt  Leo  epist.  15,  16. 

9.  Gregor.  Tnr.  bist.  Franc.  II,  8:  quid  de  Actio  .  .  Renati  Frigeridi  nar- 
rat  Historia.  .  .  cum  in  duodecimo  Hiatoriarum  libro  referat  .  .  adicit.  Vgl. 
ib.  9 :  Benatus  Profuturus  Frigeridus,  cum  Bomam  refert  a  Gothis  captam 
atque  subversam,  ait.    Beide  Male  folgen  längere  Anführungen. 

10.  Ueber  den  Kalender  des  Polemius  Silvius  (aus  J.  448  f.)  s.  oben 
S,  114,  A.  10. 

454«  Im  Jahre  438  wurde  nach  neunjähriger  Vorbepeitung432 
durch  eine  Commission  der  codex  Theodosianus  fertig,  eine 
amtliche  Sammlung  der  von  den  Kaisem  seit  Constantin  er- 
lassenen Verfügungen  (ius  principale).  Er  besteht  aus  sechszehn 
Büchern,  welche  eine  sachliche  Ordnung  befolgen,  während  in- 
nerhalb der  einzelnen  Titel  die  kaiserlichen  Verordnungen  nach 
ihrer  Zeitfolge  aufgeführt  sind.  Im  oströmischen  Reiche  galt 
die  Sammlung  mit  ihren  Nachträgen  (novellae  leges)  bis  sie  in 
die  justinianische  verarbeitet  wurde;  im  Westen  wurde  sie  bald 
verkürzt,  und  das  erste  Drittel  ist  fast  nur  in  solcher  Abkürzung 
auf  uns  gekommen. 

1.  Aus  dem  Einführungsgesetze  des  Cod.  Theod.  vom  15.  Febr.  438: 
electis  viris  nobilibus  exploratae  fidei,  famosae  doctrinae,  quibus  delegata 


/ 


1046  Die  Eaiserzeit.   Fünftes  Jahrhundert.    Erste  Hälfte. 

causa  civilis  ofBcii,  .  .  retro  principum  scita  volgavirnus,  ne  iurisperitorum 
ulterius  severitate  mentita,  dissimulata  scientia^  velut  ab  ipsis  adytis  ex- 
pectarentur  formidanda  responsa.  (3.)  quam  ob  rem  detersa  nube  volumi- 
num  in  quibns  multorum  nihil  explicantium  aetates  attritae  sunt  compen- 
diosam  diyalium  constitutionum  scientiam  ex  d.  Constantini  temporibus 
roboramus,  nuUi  post  kal.  lan.  (439)  concessa  licentia  ad  forum  et  quoti- 
dianas  advocationes  ins  principale  deferre  yel  litis  instrumenta  componere 
nisi  ex  bis  videlicet  libris,  qui  in  nostri  nominis  vocabulum  transierunt  et 
sacris  habentur  in  scrimis.  (7.)  longum  est  memorare  quid  in  huius  con- 
summationem  negotii  contulerit  yigiliis  suis  Antiochus  .  .  expraef.  et  ooe., 
quid  Maximinus,  .  .  Martjrius,  quid  etiam  Sperantius,  Apollodorus,  Theo- 
dorus,  .  .  quid  Epigenes,  .  .  Procopius.  Aus  dem  Protokoll  des  römischen 
Senats  vom  J.  438:  cum  .  .  hanc  quoque  orbi  suo  .  .  d.  n.  Theodosius  adi- 
cere  voluit  dignitatem  ut  in  unum  collectis  legum  praeceptionibus  sequenda 
per  orbem  XVI  librorum  CQmpendio,  quos  sacratissimo  suo  nomine  voluit 
consecrari,  constitui  iuberet.  Aus  der  Verordnung  vom  J.  429  (cod.  Theod. 
I,  1,  6):  Ad  similitudinem  Gregöriani  atque  Hermogeniani  codicis  cunctas 
colligi  constitutiones  decemimus  quas  Constantinus  inclitus  et  post  enm 
divi  principes  nosque  tulimus  edictorum  viribus  aut  sacra  generalitate  sub- 
\  nixas.    .  .  sed  cum  simplicius  iustiusque  sit  praetermissis  iis  quas  posteriores 

infirmant  explicari  solas  quas  valere  conveniet^  hunc  quidem  codicem  .  . 
cognoscamus  etc.  ad  tanti  consummationem  operis  et  contexendos  Codices 
(quorum  primus  omni  generalium  constitutione  coUecta  nuUaque  extra  se 
quam  iam  proferre  liceat  pra^termissa  inanem  verborum  copiam  recusabit, 
alter  omni  iuris  diversitate  exclusa  magisterium  vitae  suscipiet)  deligendi 
viri'sunt  singularis  fidei,  limatioris  jngenii.  .  .  Antiochum  v.  i.  exquaest. 
et  praef.  elegimus,  Antiochum  v.  i.  quaestorem  s.  pal.,  Theodorum,  .'.  Eu- 
dicium  et  Eusebium,  loannem^  .  .  Comazontem  atque  Eubulum,  .  .  et 
Apellem,  virum  disertissimum ,  scholasticum.  hos  a  nostra  perennitate 
electos  eruditissimum  quemG[ue  adhibituros  esse  confidimus  etc.  Cod. 
Th.  I,  1,  6  (J.  435):  omnes  edictales  generalesque  constitutiones  vel  in  certis 
provinciis  .seu  locis  valere  aut  proponi  iussae  quas  divus  Constantinus  po- 
sterioreique  principes  ac  nos  tulimus  indicibus  rerum  titulis  distinguantur, 
ita  ut  non  solum  consulum  dierumque  supputatione  sed  etiam  ordine  com- 
positipnis  apparere  possint  novissimae.  .  .  (1.)  quod  ut  brevitate  constri- 
ctum  claritate  luceat  aggressuris  hoc  opus  et  demendi  supervacanea  verba 
et  adiciendi  necessaria  et  mutandi  ambigua  et'emendandi  incongrua  tri- 
buimus  potestatem.  (2.)  contextores  huius  Theodosiani  codicis  Antiochus 
.  .  cousularis,  Gubulus,  .  .  Maximinus,  .  .  Sperantius,  Martyrius,  Alipius, 
Sebastianus,  Apc^Hodorus,  Theodorus,  Oron,  .  .  Maximus,  Epigenes,  Diode- 
rus,  Procopius,  .  .  Erotins,  .  .  Neuterius. 

2.  Buch  1 — 6  enthält  das  ius  ordinarinm  in  der  Ordnung  des  Edicts, 
das  Weitere  aber  das  las  extraordinarium  und  novum,  und  zwar  B.  6 — 8 
neues  Staatsverwaltungsrecht,  B.  9  Strafrecht,  B.  10  f.  Fiscalrecht,  B.  12 
—15  Gemeinde- Verfassung  und  -Verwaltung,  B.  16  Eirchenrecht. 

3.  Epitomiert  ist  der  cod.  Theod.  in  der  westgothischen  lex  romana, 
und  noch  im  saec.  VII  wurde  er,  wahrscheinlich  auf  der  Bechtsschule  zu 


454.    Codex  Theodoßianus.  1047 

Ravenna,    summiert.     Antiqua   summaria  codicis   Theod.  ed.    G.    Haencl, 
Lips.  1884. 

4.  Die  älteste  Ausgabe  (von  Siohard,  Basil.  1528  fol.)  gibt  nur  den 
cod.  Tb.  epitomatus.  Sie  wurde  für  B.  1 — 8  vervollständigt  und  zugleich 
B.  9^16  erstmals  herausgegeben  (aus  cod.  Vat.)  durch  J.  Dutillet  (lo. 
Titius,  Paris  1550).  Weitere  Vervollständigung  und  erste  Herausgabe  von 
VI,  2  ff.  Vn  u.  Vin  durch  Cuiacius  (Lugd.  1566.  Paris  1586  foL).  Codicie 
Theod.  fragmenta  inedita  ex  cod.  palimpsesto  bibl.  reg.  Taurin.  Athenaei 
(vgl.  oben  399,  4)  in  lucem  protulit  atque  ill.  Am.  Peyron,  Turin  1828.  4. 
Theod.  codicis  genuini  fragmenta  ex  membranis  bibl.  ambrosianae  Mediol. 
nunc  primum  ed.  W.  F.  Glossius,  Tubing.  1824.  Th.  cod.  gennina  frag- 
menta ed.  E.  Pugg^,  Bonn.  1825.  Codicis  Th.  libri  V  priores  ed.  C.  F.  C. 
Wenck,  1826.  Vierzehn  von  Peyron  übersehene  rescribiei-te  Blätter  nach- 
getragen von  Carlo  Baudi  a  Vesme,  Turin  1839  ff. 

5.  Ausgabe  mit  dem  reichen  Commentar  von  Jak.  Gothofredus  (opus 
postumum)  in  6  Voll.  Lugd.  1655  fol.  Ed.  nova  .  .  collata  cum  ms.  Würce- 
bürg.  cur.  I.  D.  Bitter,  6  Voll.  Lips.  1736 — 1745  fol.  Kritische  Hauptaus- 
gabe: codex  Theod.  ad  LIV  librorum  mss.  et  priorum  editionum  fidem  re- 
cogn.  et  annot.  crit.  instruxit  G.  Haenel,  Bonn.  1837  —  1842.  XLVIU  u. 
1715  pp.  4. 

6.  Üeber'den  Cod.  Th.  s.  Zimmern,  Gesch.  d.  röm.  Privatr.  I,  1.  S. 
165—172.    Rudorff,  röm.  Rechtsgesch.  L  S.  277—280. 

7.  Cod.  Th.  I,  1,  6,  3  (J.  435):  nullum  extra  se  noveUae  constitu" 
tionis  locum  relicturi  nisi  quae  post  editionem  huius  fuerit  promulgata. 
Diese  späteren  Gresetze  sollten  von  jedem  der  beiden  Höfe  (in  Rom  und 
Constantinopel)  dem  andern  zugesandt  und  von  diesem  publiciert  werden. 
Wirklich  wurden  J.  447—472  oströmische  Novellen  nach  Rom  gesandt  und 
dort  veröffentlicht,  während  weströmische  nach  J.  438  im  cod.  lust.  sich 
nicht  finden.  Sammlung  der  Novellen  von  Theodosius  11,  Valentinian  III, 
(Maximus,)  Marcianus,  Maiorianus,  Severus  und  Anthemius,  in  sechs  Ab- 
theilungen unter  Titelrubriken,  theils  in  der  westgothischen  Verkürzung 
theils  in  der  ursprünglichen  Fassung:  nunc  primum  ed.  P.  Pithoeus  (Paris. 
1571.  4.  u.  sonst).  Vermehrungen  durch  Ci^jacius,  Zirardinus,  Amadutius. 
Vollständige  kritische  Ausgabe  von  G.  Hänel,  noveUae  constitutiones  im- 
peratorum  Theodosii  H  etc.  ad  librorum  mss.  et  editionum  fidem  recogn. 
et  annot.  crit.  instr.,  Bonn.  1844  (im  Bonner  corp.  iur.  anteiust). 

8.  Die  21  sogen.  Sirmondschen  Constitutionen  (J.  Sirmond,  appendix 
codicis  Theod.  novis  constitutionibuB  cumulatior,  Paris  1631  u.  sonst)  sind 
kirchenrechtlichen  Inhalts  und  rühren  von  Constantin  u.  a.  Kaisern  saec.  IV 
her.  Sie  stammen  aus  einer  in  Gallien  J.  581 — 720  entstandenen  chrono- 
logischen Sammlung,  welche  den  dortigen  Concilienbeschlüssen  angehängt 
war  und  sind  schon  durch  eine  Hds.  saec.  VIII  überliefert.  G.  Hänel,  de 
constitutionibus  quas  Jac.  Sirmondus  edidit,  Lips.  1840,  und  im  Bonner 
Corpus  iur.  anteiust.  II.  p.  405 — 480. 

466.    Nach  Veröffentlichung  des  codex  Theodosianus^   aber433 
vielleicht   noch    vor   Theodosius'   II  Tode   (J.  450),   in   (Jallien 


KUH  Di«  Kaiderreit.    Fünfte«  JahrhunUcrt.    Ernte  Hälfte. 

verfaMft  ist  die  sogenannt«  Consultatio,  Frivatgutacht«!!  eines 
oder  mehrerer  Recht^elehrten  auf  Anfragen  von  Sachwaltern, 
unter  wörtlicher  AnfQhrung  von  Gesetzesstellen  aus  dem  codex 
Gr^orianu»,  Hennogenianus  und  Theodosianos. 

I.    Enter  QeraaBgeber  J.  Cuiadus  (Paris.   1&T7)  nach   einer  Abacfarift 

der  eiozigen  («eiUem  verloren  gegaDgcnen)  Hda.  von  A.  Loiul.     Sp&tere 

von  Schnlling  (lomprad.    p.   813  ff,),  Biener  (Iqb  civ.  oot.  p. 

Pogg^   (>>»    Bonner   Corp.    ior.    ant.    p.    391—408)    und   Huechke 

nteiiuL*  p.  725—747). 

F.  Radorff,  fiber  die  Entatehnng  der  Consult-,  Zeitwlir.  Rlr  ge- 
iecbUwias.  XIU.  S.  50—6«.  Vgl.  HuBcfakc  I.  1.  p.  722—725. 
e  Schrift  zerfällt  in  drei  Tbcile  (c.  1  —  3,  4  —  6,  7  —  9),  deren 
lemm  mehrere  Anfragen  umfasat.  Die  Belegstellen  sind  (wie  in 
>m.  Burgund.)  aoBser  den  drei  codicea  lediglich  ans  Panlm  sen- 
ben  373,  3)  geechQpft,  und  iwar  vor  deren  EpitomieruDg.  Die 
la  Viaigoth.  (and  Burgnnd.)  wird  noch  nicht  erw&hnt.  VerfasBer 
t.  Für  die  Abfaesiing  bei  Lebzeiten  von  Theodorins  II  spricht 
c.  7,  3  (Pauli  iuridici,  cuins  aententittH  BacratiBBimomm  principnni 
per  valitnraB  ac  divalis  conatitutio  declorant)  die  Unterlawung 
ting  seines  Namens  (aacrat.  princ),  ob  nun  ac  diraliB  constitatio 
onstantin'B  (cod.  Tbeod.  I,  4,  2)  vom  J.  327  hindeatot  oder  (mit 
;>.  739,  not.  1)  perinde  ac  div.  const.  (Bemper  v^et)  erklärt  wird, 
en  Orfinde  von  HnBcbke   (p.    723  f.)   scheinen   damit  nicht   un- 

"ste  Anführung  der  Schrift,  durch  Ivo  von  Chartrea  (J.  1090 — 1115) 


iber  die  libri  coloninrum  (nngefäbr  ums  J.  450)  s.  oben  330,  4. 
eher  die  Bubscriptio  za  Vegetius  (uniB  J.  460)  b.  oben  124,  6. 
.  oben  372,  4.  416,  tt. 

'•  Im  fünften  Jahrhundert  wurden  für  die  lernbegierigen 
ichen  Stumme  viele  medicinische  uud  naturwissenschaiV 
erke  aus  dem  Griechischen  ins  Lateinische  fibersetzt, 
ders  Schriften  des  Dioskorides,  Hippokrates  und  GalenoBj 
;h  Cassius  Felix  fand  einen  üebersetaer,  und  der  des 
der  methodischen  Schule,  des  Soranus,  der  Afrikaner 
Aurelianus,  gehört  wohl  gleichfalls  in  diese  Zeit. 
I  besitzen  wir,  ausser  den  Büchern  über  chronische  und 
rankheiten,  auch  noch  umfangreiche  Stücke  seines  Ab- 
r  gesammten  Medicin  in  I<Vagen  und  Antworten  (medi- 
esponeionea). 

MBiod.  de  instit.  div.  litt.  31;  quodei  vobia  non  fuerit  graecarum 
nota  faeundia,  inpriroie  habetia  Herbarium  DioBcoridis,  qui  hcrbas 


455  f.   Consultatio.    CaeliuB  Aurelianus.  1049 

agrorum  mirabili  proprietate  disseruit  atqiie  dopinxit.  post  haec  legite 
Hippocratem  atque  Galenum  latina  Lingua  conversos ,  i.  e.  Therapcutica 
Galeni  ad  philosophum  Glauconem  destinata  et  anonymum  quendam  qui 
ex  diversis  auctoribus  probatur  esse  collectus.  deinde  Aurelii  Caelii  de 
medicina  et  Hippocratis  de  herbis  et  curis  (cibis  verbessert  V.  Rose)  diver- 
sosque  alios  de  niedendi  arte  compositos  quos  vobis  in  bybliothecao  nostrae 
sinibus  reconditos  .  .  dereliqui.    Vgl.  unten  489. 

2.  Der  Uebersctzer  (de  graecoin  latinum  über  translatus)  des  Cassius 
Felix  (tcctQoufxpiütrigj  wohl  der  Cassius,  ingeniosissimus  saeculi  nostri 
medicus,  quem  nuper  vidimus,  bei  Celsus  I.  prooein.  p.  11  extr.  Dar.  vgl. 
ib.  IV,  21.  V,  25,  12.  Cael.  Aur.  chron.  IV,  7,  99)  schrieb  nach  cod.  Paris, 
lat.  6114  sub  ardebre  et  asclepio  consulibus,  also  J.  447  (V.  Rose,  Aristot. 
psoudepigr.  p.  388).  Eine  Hds.  dieser  Üebersetzung  ist  auch  in  Cambridge, 
8.  Daremberg^  Oribase  I.  p.  XL. 

3.  Ueber  Caelius  Aurelianus  vgl.  oben  348,  5.  Da  er  wesentlich  Ueber- 
sctzer (des  Soranüs)  ist,  so  beweist  seine  Nichterwähnung  des  Galenos  nur 
für  die  Zeit  des  Soranus  (oben  339,  8),  nicht  seine  eigene.  Die  schon 
stark  zum  Romanischen  neigende  Latinität  des  Cael.  Aur.  (z.  B.*  quod  nach 
verb.  sent.  u.  declar.)  spricht  für  sacc.  V.  Die  Vergleich ung  eines  Bruch- 
stückes ex  genecia  (Gynaecia)  celii  aureliani  methodici  siccensis  (Hermes 
IV.  S.  141  ff.)  mit  dem  erhaltenen  Original  (ntgl  yvvcct%s^v  nccJ&mv)  zeigt 
dass  C.  A.  wörtlich  übersetzt,  aber  abkürzt.  Die  Anführungen  anderer 
eigener  Schriften  (s.  das  Register  Ammans  s.  v.  Cael.  Aurel.)  gelten  nur 
seinen  Uebersetzungen  anderer  Schriffcen  des  Soranus.  V.  Rose,  Anecd. 
II.  S.  167. 

4.  Cael.  Aur.  acut.  I.  praef.:  placet  itaque,  Bellice  discipulorum  summe, 
celerum  passionum  libros  scribere.  .  .  nam  interrogationum  ac  responsio- 
nnm  libros,  quibus  omnem  medicinam  breviter  dixi,  iamdudum  ad  Lucretium 
nostrum  perscriptos  aptissime  dostinavi.  is  enim,  ut  nosti,  ex  omni  parte 
graecarum  scientia  praeditus  est  litterarum.  Im  Lorscher  Kloster  befanden 
sich  Caelii  Aureliani  methodici  siccensis  medicinalium  responsionum  libri  III 
in  uno  codice.  Diese  Hds.  (spätestens  saec.  IX)  ist  verloren,  dagegen  sind 
von  V.  Rose  in  einer  Carlsruher  (saec.  X)  aus  Reichenau  und  einer  Londoner 
(saec.  XII),  in  letzterer  unter  der  Ueberschrifb  Incipit  liber  Sorani  de  di- 
gestionibus,  ansehnliche  Theile  des  Werks  entdeckt  und  herausgegeben 
worden,  Anecdota  gr.  et  graecol.  IL  S.  183—202.  Vgl.  ebd.  S.  168—172. 
Anfang:  Cum  nobis  saepius,  mens  Lucreti,  de  medicina  fuerit  sermo  etc- 
.  .  hoc  dabit  occasionem  meis  interrogationibus  (S.  183.  196.).  Das  Stück 
enthält  Gesundheitsregeln  (salutaria  praecepta,  vgl.  Cael.  Aur.  p.  76.  341 
Amman).  Dazu  noch  aus  derselben  Reichenaucr  Hds.  ebd.  (S.  206 — 225. 
226 — 240,  vgl.  S.  174  —  179)  ein  weiteres  Stück,  beginnend:  Duobus  mc 
libris  diaeticarum  partem  traditurum  promisi,  ex  quibus  superiore  libro 
respondens  de  curatione,  de  passionibus,  de  temporibus  et  inspectione  et 
de  pulsu  et  de  generali  significatione  et  de  typis  et  de  diatritis  et  de  adiu- 
toriis  .  .  ordinavi.  nunc  de  speciali  significatione  diaeticarum  passionum 
(Semiotik   der  inneren,   ncht  chirurgischen    Krankheiton)   et  de   generali 


r 


1050  I^ie  Kaiserzoit.   Fünftes  Jahrhundert.   Erste  Hüllte. 

caratione  respondeamus ,  ut  isto  yolumine  omnis  diaeticarum  cura  com- 
pleatnr.  Dieses  dritte  Buch  müsste  die  Chirurgie  und  Gynäkologie  mit- 
enthalten haben,  wenn  es  das  letzte  war.  Lib.  III  Besponsionum  medi- 
cinalium  angeführt  von  Cael.  Aur.  p.  206.  274.. 436  vgl.  207  ed.  Amm.  1757. 
Auch  dieses  Werk  war  sicher  aus  Soranus  übersetzt;  vgl.  Soran.  gynaec. 
p.  27  u.  37  (iv  TOD  vyieiv^).    Rose  S.  172. 

5.  Der  Sprachschatz  der  Beichenauer  (A.  4)  medic.  resp.  ist  ganz  der  des 
Cael.  Aur.  (vgl.  Böse  S.  202—206).  In  seinen  späteren  Werken  (chron.  a. 
acut.)  hat  C.  A.  das  frühere  überall  benützt,  öfters  ganze  Abschnitte  wieder- 
holt. Ebenso  finden  sich  Entlehnungen  aus  dem  Fragenbuche  des  C.  A. 
bei  Ps.  Plinius,  Isidor  (Origg.  IV)  und  Aurelius-Escolapius.    Böse  S.  175  f. 

6.  Den  Namen  des  Soranus  tragen  zwei  grössere  lateinische  Brach- 
stücke in  Carlsruhe  (Beichenauer  Hds.  saec.  IX— X)  und  London  (Cottonianus, 
saec.  Xni),  beide  mit  der  Ueberschrift  Suranus  filio  karissimo  salutem,  das 
Carlsruher  (abgedruckt  bei  Böse  S.  275—280  vgl.  ebd.  S.  170  f.)  übertüess 
Fori  sfigmon  {nsQl  a(pvYfimv,  de  pulsibus),  am  Schlüsse  in  Fragform.  Das 
Londoner  (abgedruckt  ebd.  S.  243 — 274)  enthält  eine  Einleitung  ad  medi- 
cinam,  gehalten  im  interrogationum  et  responsionum  modus  (S.  247,  Z.  6  f.)) 
nach  einem  längeren  Vorwort  (abgedruckt  auch  in  der  Sammlung  des 
Albanus  Torinus   De  re  medica,  Basil.  1528  fol.,  fol.  1  u.  2  »  c.  1 — 4). 

f  •  Erste  Frage:  quid  est  horus  (oQog)?     Das   Ganze  ist  eine  lateinische  6e- 

f .  arbeitung  der  pseudo-galenischen  XHfoi  durch  einen  Gegner  der  Methodiker. 

Der  Abschnitt  de  pulsibus  (S.  263—266)  zeigt  wörtliche  Benützung  der  im 
Beichenauer  Codex  enthaltenen  ausführlicheren  Darstellung  dieses  Gegen- 
standes. Dagegen  was  bei  Alb.  Torinus  1.  1.  als  c.  5 — 23  steht  sind  zu- 
sammenhangslose Stücke  aus  unbekannten  Quellen.    Böse  S.  169 — 171. 

434  467,  Unter  den  christlichen  Dichtern  der  Zeit  hat  der 
auch  als  Eriegsmann  tüchtige  Bhetor  Merobaudes  aus  Spa- 
nien, von  welchem  früher  nur  ein  kurzes  Gedicht  auf  Christus 
bekannt  war,  durch  neuerdings  entdeckte  Gedichte  geschicht- 
lichen Inhalts,  besonders  auf  Aetius,  an  Werth  gewonnen.  Der 
Ton  derselben  ist  hochtrabend,  die  Form  correct.  An  des  Claudius 
Marius  Victor  Versification  des  Inhaltes  der  Genesis  in  drei 
Büchern  ist  Rechtgläubigkeit  und  Versbau  untadelig;  anziehender 
ist  aber  sein  Brief  an  den  Abt  Salomo,  worin  die  Sitten  seiner 
Zeit,  bei  beiderlei  Geschlechtem,  .satirisch  gezeichnet  werden. 
Vielleicht  aus  derselben  Zeit  ist  auch  das  commonitorium  des 
Orientius,  zwei  Bücher  im  elegischen  Masse,  worin  zu  einem 
christlichen  Lebenswandel  ermahnt  wird. 

1.  Inschrift  aus  Bom  (Orelli  1183)  vom  J.  435:  Fl.  Merobandi  y.  s. 
com.  SC.  Darauf:  Fl.  Merobaudi  aeque  forti  et  docto  viio,  tarn  facere  lau- 
danda  quam  aliorum  facta  laudare  praecipuo,  castrensi  experientia  claro, 
facundia  vel  otiosorum  studia  supergresso,  cui  a  crepundiis  par  yirtutis  et 


457.   Merobaudes  u.  a.  Dichter.  1051 

eloquentiae  cura  ingenium  ita  fortitudini  ut  doctrinae  natam  stilo  et  gladio 
paiiter  exercuit,  nee  in  timbra  vel  latebris  mentis  vigorem  Bcholari  tantam 
otio  torpere  passne  inter  anna  litteris  militabat  et  in  Alpibus  acuebat  elo- 
quium.  ideo  illi  cessit  in  praeminm  .  .  imago  aere  formata.  .  .  qnod  huic 
quoqne  cum  Angustissimis  Roma  principibus  Theodosio  et  Placido  Valen- 
tiniano  rerum  dominis  in  forp  Ulpio  detulerunt,  remunerantes  in  Tiro  anti- 
qnae  nobilitatis  novae  gloriae  Tel  indastriam  militarem  vel  Carmen ,  cnius 
praeconio  gloria  trinmfali  crevit  imperio.  Vgl.  Sidon.  carm.  IX  (ad  FeUc.)» 
293  ff.:  sed  nunc  tertiuB  ille  non  legetur  Baetin  qui,  patriom  solom,  relin- 
quens  undosae  petiit  sitim  Bavennae,  plosores  cui  falgidam  Qoirites  et 
carus  popularitate  princeps  Traiano  statuam  foro  locarunt.  Die  Ausdrücke 
zeugen  von  Eifersucht  und  übler  Laune.  Merobaud.  carm.  5  praef.:  pro 
bis  me  laudibus  tuis  (des  A^tius)  Roma  cum  principe  yicturo  aere  forma- 
vit,  pro  bis  denique  nuper  ad  honoris  maximi  (Consulat)  nomen  .  .  Impe- 
rator evexit.  .  .  vel  ego  vel  alii  qui  in  hac  dicendi  professione  sunt.  . .  de- 
latus  ego  in  .  .  sinum  qua  Salonas  usque  pelagus  illabitur  nactus  sum 
quendam  qui  etc. 

2.  Merobaudis  Hispani  scbolastici  carmen  de  Christo  (30  Hexameter) 
z.  B.  bei  Migne  patrol.  LXI.  p.  972  f.  und  in  den  Ausgaben  des  Claudianus 
(Nr.  XCVIII  bei  Gesner),  daher  Niebnhr  auch  ib.  XCV  (carmen  pascfaale, 
sonst  dem  Damasus  beigelegt)  und  XCIX  (miracula  Christi)  dem  Merob. 
zutheilt. 

3.  J.  1823  entdeckte  B.  G.  Niebuhr  in  einem  codex  reecriptus  der 
St.  Galler  Bibliothek  meist  trümmerhafte  Ueberreste  von  Gedichten  die  er 
durch  Corabination  als  solche  des  Merob.  erkannte  und  herausgab  (St. 
Gallen  1823,  Bojin  1824;  darnach  W.  E.  Weber,  corpus  poett.  latt.  p.  1367 
—1370).  Darauf  von  I.  Bekker  (mit  Corippus)  im  Corp.  Script,  byzant. 
(Bonn  1836),  vgl.  C.  F.  Heinrich  im  Rhein.  Mus.  IL  S.  632  —  643.  Die 
Schrift  der  acht  Blätter  ist  ganz  ähnlich  der  des  Gajus  in  Verona.  Das 
erste  Bruchstück  besteht  aus  23  elegischen  Versen  und  preist  die  beim 
Mahle  versammelte  kaiserliche  Familie  (von  Valentinian  ÜI);  fr.  2  (7  Di- 
stichen) dieselbe  in  einer  Villa;  fr.  3  (vier  unvollständige  Distichen)  hat 
die  üeberschrift  (Vi)ridiaris  viri  inl.  Fausti  (Cos.  438?).  Von  c.  4.  sind 
46  Hendekasyllaben  auf  den  zweiten  Geburtstag  des  Söhnchens  von  AStins 
erhalten.  Carm.  6  ist  ein  Panegyricus  auf  das  dritte  Consulat  des  AStius 
(J.  446),  mit  einem  längeren  Vorwort  in  Prosa.  Von  dem  Panegyricus 
selbst  sind  197  Hexameter  entziffert. 

4.  Das  Lob  ist  bei  Merob.  überall  stark  aufgetragen.  Die  Darstellung 
hat  die  Correctheit  und  Eleganz  des  Claudianus,  aber  ohne  seine  Leichtig- 
keit. Zum  sachlichen  Inhalt  vgl.  A.  Hansen,  de  vita  AStii  (Dorpat  1840) 
II.  p.  24  ff.    G.  Wurm,  de  rebus  gestis  Aetii  (Bonn  1844). 

6.  Des  Claudius  Marius  Victor  Identität  mit  Victorinus  (oben  450, 
4)  ist  zweifelhaft.  Weder  eine  Widmung  an  Aetherius  ist  erkennbar  noch 
Fortfuhrung  bis  zum  Tode .  des  Abraham.  Auch  der  Semipelagianismus, 
wie  man  ihn  von  einem  Massilioten  dieser  Zeit  erwarten  sollte,  tritt  nicht 
auffallend  hervor  (arbitriumque  sui  largitus  es  omnibus,  I  praef.).    Die  drei 


1052  ^i^  Kaibcrzeit.   Fünftes  Jahrhundert.    Erste  Hälfte. 

• 

Bücher  über  die  Genesis  scbliessen  sich  eng  an  deren  Inhalt  an,  mit  um- 
ständlicher Rhetorik.  Pars  prima  (I,  38)  behandelt  die  Schöpfungsgeschichte 
bis  zum  Sflndenfall,  B.  II  dessen  Folgen  bis  zur  Sintflut,  B.  III  deren 
Ende,  Thurmbau,  Abraham,  Sodoras  Untergang.  Der  Verf.  legt  den  Haupfc- 
werth  auf  seine  Orthodoxie.  Vgl.  praef.  9  fin.:  quod  si  lege  metri  quid- 
quam  peccaverit  ordo,  peccavit  sermo  improprius  sensusque  yacillans,  hinc 
nullum  fidei  subeat  mensura  periclum.  II,  1  f.:  hac  tenus  .  .  primordia 
mnndi,  ut  sincera  fides  docuit,  sine  fraude  cucurri.  Pildagogischer  Zweck; 
praef. :  te,  deus  alme,  precor,  .  .  linguas  nobis  iufunde  disertas,  dum  teneros 
formare  animos  et  corda  paramus  ad  verae  virtutis  iter  puerilibus  annis. 

6.  Der  Brief  an  den  Abt  Salomon  besteht  aus  105  Hexametern.  Zeit- 
andeutungen:  agris  .  .  barbarus  incumbit  (10  ff.).  .  .  si  qnid  vastavit  Sar- 
mata,  si  quid  Vandalus  incendit  veloxque  abducit  Alanus  (18  f.).  si  falcem 
verbi  cordi  imprimeremus,  .  .  nee  nos  riphaei  prosterneret  arcus  Alani  nee 
servile  etiam  subverteret  omnia  bellum  et  qui  nunc  nostra  grassantur  clade 
superbi.  Am  männlichen  Geschlechte  wird  besonders  die  materielle  Rich- 
tung getadelt  (nil  sanctum  est  nobis  nisi  quaestus  etc.  34),  am  weiblichen 
die  Putzsucht  (si  gravis  ignotis  processit  Lesbia  gemmis,  .  .  confestim  or- 
natum  sibi  quaeque  exposcit  eundem,  60  ff.),  aber  für  alle  ihre  Fehler  die 
Männer  verantwortlich  gemacht.  Paulo  et  Salomone  relicto  quod  Marc 
cantatur  Phoenissae  (Dido)  et  Naso  Corinnae,  quod  plansum  accipiunt  lyra 
Flacci  aut  scena  Terenti,  nos  herum,  nos  causa  sumus  (72  ff.),  cur  infelix 
in  culpa  est  femina  tantum,  cum  placeat  stolido  coniux  vitiosa  marito? 
(79  f.)  Heil  sieht  der  Verfasser  nur  in  Zunahme  des  christlichen  Sinnes, 
wie  er  sich  z.  B.  bei  dem  Abte  finde. 

7.  Ausgabe  des  Victor  von  Jo.  Gagneius  (Lugd.  1536.  Paris.  1545) 
iiiid  daraus  in  G.  Fabricius'  (p.  307 ff.)  und  Maittaire's  (II.  p.  1567  ff.)  corpus  poe- 
tarum  latt.,  sowie  in  patristischen  Sammlungen  (z.  B.  Migne  LXI.  p.  937 — 971). 

8.  Schluss  (subscriptio)  des  commonitorium :  ut  peccatores  vincens 
Orientius  omnes  sanotorum  veniam  promerear  precibus.  Venant.  Fort, 
de  vit.  Mart.  I,  17 :  paucaque  perstrinxit  florente  Orientius  ore.  Also  jeden- 
falls vor  dem  sechsten  Jahrh.  Dazu  die  Zeitschilderung  im  commonit.  II, 
165  ff.,  z.  B.:  respice  quam  raptim  totum  mors  presserit  orbem,  quantos 
vis  belli  perculerit  populos.  .  .  (171  f.)  non  cava,  non  etiam  metuend'is 
Bub  rupibus  antra  ludere  barbaricas  praevaluere  manus.  (181  ff.)  per  vicos, 
villas,  per  rura  et  compita  .  .  mors,  dolor,  excidiuro,  strages,  inoendia, 
luctus  uno  fumavit  Gallia  tota  rogo.  Selbstbekenntniss  I,  405  f. :  non  igna- 
rus  enim  miseris  succurrere  quaero,  omnia  perpessus  quae  fugienda  loqnor. 
Daher  ist  glaublich  was  die  Acta  sanctorum  der  BoUandisten  aussagen:  b. 
Oricntium,  mundanae  lubricitatis  squalore  deposito,  se  totum  casta  mente  * 
divinae  maiestati  devovisse  et  .  .  pontificalis  Auxio  civitate  cathedrae  digni- 
tatem  ascendisse.  •  Er  habe  im  Auftrage  des  in  Tolosa  residierenden  Theode- 
rich hochbejahrt  eine  Sendung  an  AStius  und  Litorius  übernommen  (um  J.  439). 

9.  B.  I  des  commonit.  besteht  aus  618,  II  aus  418  elegischen  Versen. 
Der  Gedankengang  ist  wenig  klar.  Die  einzelnen  Fehler  (wie  Neid,  Hab. 
gier,  Eitelkeit)  werden  abgehandelt,  besonders  lebhaft   die  Lockungen  der 


457  f.    Orientins.    Salvianus.  1053 

Liebe  (I,  407  ff.),  die  ebrietas  (II,  51  ff.)  besprochen,  der  Gedanke  an  den 
Tod  und  die  Vergeltung  im  Jenseits  ausgemalt  (II,  185  ff.  273  ff.).  In 
letzterem  werden  z.  B.  die  monachi  (II,  338)  besonders  bedacht  Proso- 
dische  Willkfirlichkeiten  (wie  ibi  als  Spondeus,  possSs,  eremo,  mill^simus) 
sind  nicht  selten,  Manches  auch  corrupt  (wie  II,  227:  cumque  tua  hodie 
stringat  assidua  sitis).    Vgl.  A.  10. 

10.  Angehängt  sind  dem  commonit.  in  den  Ausgaben  7  Hexameter  de 
nativitate  domini,  5  Distichen  mit  Namen  Christi  (z.  B.  hostia,  lex,  ratio, 
virga,  plscTs,  aquila),  179  Hexameter  de  trinitate  (v.  1 :  quod  fuit  a  saeclis 
quodque  %8t  in  saecla  seclorum;  181:  crucifixe,  paracllte,  Christe).  Darauf 
incipiunt  orationes  Orientii  XXIV  in  (spondeenreichen)  iambischen  Senaren, 
wovon  aber  nur  das  erste  und  das  letzte  Gebet  erhalten  ist;  jenes  35  Verse, 
durch  den  Refrain  Amen  sonamus,  alleluia  dicimus  in  7  Strophen  abgetheilt, 
dieses  beginnend:  postremo  dico  deprecandi  canticum.  id  facio  quantum 
per  yiginti  cantica.  sed  ne  quis  audax  interpellet  quidpiam:  anguem  ma- 
gistrum  falsitatis  increpo  ut  non  adiciat  siv.e  demat  litteram.  Letztere 
beiden  Verse  dienen  dann  als  Refrain  des  corrupt  erhaltenen  Gedichts,  das 
schliesst  mit  den  trochäischen  Tetrametern :  Dens  sancte,  te  rogamus  patrem 
unigeniti;  Christe  deus,  te  precamur  vivum  dei  filium;  Sancte  Christe,  te 
obsecramuB  indicem  verum  dei. 

11.  Ausgaben  des  Or.  von  M.  A.  Delrio  (Antverp.  1600),  A.  Rivinus  (Lips. 
1651),  E.  Martene  (Rotomag.  1700.  4.),  H.  L.  Schurtzfleisch  (Vitemberg.  1706. 
4.)  und  in  den  patristischen  Sammelwerken,  z.  B.  von  Migne  LXI.  p.  974 — 1006. 

12.  Ap.  Sidon.  carm.  9,  274—285:  nee  (hie  tibi  legetur)  qui  iam  pa- 
tribus  fuere  nostris  primo  tempore  maximi  sodales.  quorum  unus  ßoni* 
facium  secutus  nee  non  praecipitem  Sebastianum  natales  puer  horruit  Ca- 
durcos,  plus  Pandionias  amans  Athenas.  cuius  si  varium  legas  poema  (in 
griechischer  Sprache?),  tum  Phoebum  .  .  sonare  collato  modulamine  arbitreris. 

13.  Ap.  Sidon.  carm.  9,  286 — 292:  non  tu  hie  nunc  legeris  tuumque 
fulmen,  o  dignissime  Quintianus  alter,  spernens  qui  Ligurum  solum  et 
penates  mutato  lare  Gallias  amasti,  inter  classica  signa,  pila,  turmas,  lau- 
dans  AStium  vacansque  libro,  in  castris  hedera  ter  aureatus. 

458.  Noch  vor  der  Mitte  des  Jahrh.  verfasst  sind  die  Schrif-435 
ten  die  wir  von  dem  gallischen  Presbyter  Salvianus  besitzen: 
vier  Bücher  gegen  die  Habgier^  ein  Werk  von  acht  Büchern 
worin  zur  Rechtfertigung  des  Vorsehungsglaubens  das  Unglück 
der  Zeit  als  ein  wohlverdientes  göttliches  Strafgericht  erwiesen 
wird,  und  neun  Briefe.  Alle  diese  Schriften  sind  werthvoU  als 
lebendige  und  in  ihrer  Art  gutgeschriebene  Zeitbilder,  obwohl 
nicht  frei  von  rhetorischer  Uebertreibung  und  Weitschweifigkeit. 

1.  Qennad.  vir.  ill.  67:  Salvianus,  Massiliensis  ecclesiae  presbjter, 
humana  et  divina  litteratura  instructus  et .  .  episcoporum  magister,  scripsit 
scholastico  et  aperto  sermone  multa.    ex  quibus  ista  legi:  De  virginitatis 


1054  Die  KaiBerzeit.   Fünftes  Jahrhundert  Erste  Hälfte. 

* 

i  bono  ad  Marcellum  presbyterum  libros  III,  Adversum  avaritiam  libroB  IV, 

i  De  praesenti  iadicio  libros  V  (=»  de  gab.  VIII)  et  pro  eomm  Tuerito  aatis- 

factionis  ad  Saloniom  episcopnm  libnun  I  et  Expositionis  extremae  pariiä 
libri  Eeclesiastis  ad  Claudiom  episcopnm  Viennensem  librum  I;  libmm 
Epistolamm  I;  et  in  morem  Graecorum  a  principio  Genesis  nsque  ad  con- 
ditionem  hominis  composuit  versn  Hexaemeron  librum  I,  Homilias  epiflco- 
pis  factas  mnltas,  sacramentomm  vero  quantas  nee  recordor.  vixit  usque 
hodie  (um  J.  495)  in  senectute  bona.  Salyian.  gub,  VI,  13:  cum  sciam  etiam 
in  solo  patrio  atque  in  civitatibus  gallicanis  omnes  ferme  praecelsiores 
viros  .  .  factos  fuisse  peiores.  yidi  siquidem  ego  ipse  Treveros  domi  nobile« 
etc.  .  .  vidi  ego  illic  res  lacrimabiles  etc.  ib.  15:  iacebant  passim,  quod 
ipse  vidi  atque  sustinui,  .  .  cadavera  nuda  (bei  der  letzten  Eroberung  Ton 
Trier).  VIT,  6:  terrae  vel  Aquitanorum  vel  nostrorum  omnium  a  deo  bar- 
baris  datae  sunt.  ib.  10:  ille  dux  nostrae  partis  (Litorius)  qui  eandem  ur- 
bem  hostium  (Tolosa)  quam  eodem  die  victorem  se  intraturnm  esse  prae- 
sumpsit  captiyus  intrayit  (J.  439).  Dagegen  Attila^s  Eroberungszug  und 
die  Schlacht  auf  den  catalaunischen  Feldern  (J.  451)  kennt  Salv.  noch  nicht. 
Aufenthalt  in  Afrika  erhellt  aus  de  gub.  VII,  16  (video  scaturientem  vitiis 
civitatem  etc.).  Vgl.  VIII ^  4  f.  Epist.  1:  adolescens  quem  ad  vos  misi 
Agrippinae  (Köln)  .  .  captus  est,  .  .  familia  non  obscurus,  .  .  propinquos 
meuB.  Epist.  4  (ad  socerum  et  socrum):  Hypatio  et  Quietae  parentibus  Sal- 
f  vianuB,  Palladia  (Gattin)  et  Auspiciola  (Tochter)  salutem.   .  .  aeptimus  iam 

ferme  annus  est  ex  quo  nulla  ad  nos  tarn  longo  a  yobis  sitos  scripta  mi- 
sistis.  .  .  tu  quid  succenses  qui  ex  quo  christianus  factus  es  etiam  falsae 
(irascendi  filiis  causas)  habere  desiisti.  esto  enim,  conyersiunculam  nostram 
paganus  quondam  non  aequanimiter  acceperis.  .  .  nunc  longe  aliud  e«t 
Die  Schwiegei^ltem  zürnten  dass  Saly.  seine  Frau  zum  Ohristenthum  be- 
kehrt hatte  und  bald  selbst  in  den  Priesterstand  getreten  y^ar  (carissima 
u.  dgl.  soror  nennt  er  seine  Frau). 

2.  Neben  seiner  rhetorischen  Bildung  yerräth  Saly.  auch  einige  juri- 
stische; ygl.  de  gub.  V,  8  (genus  yenditionis  et  emtionis).  VII,  16  (Gaius- 
Seius)  u.  20  (in  iura  migrare).  VIII,  5  (XII  tabularum  decreta).  Küm- 
merlich dagegen  ist  seine  philosophische;  hält  er  doch  de  gub.  VII,  33 
den  Sokrates  für  den  Verfasser  der  platonischen  Politeia.  Was  de  gub.  I 
zur  Widerlegung  der  Epikureer  gesagt  wird  ist  aus  Cicero  geschöpft,  welcher 
neben  Vergil  (de  gub.  I,  1)  allein  genannt  wird  und  auf  welchen  ib.  IE,  1 
(=s  Oic.  p.  Mur.  6,  14)  anspielt. 

3.  Die  Schrift  adyersus  ayaritiam  wird  citiert  yon  Salyian.  de  gub. 
IV,  1:  sicut  ait  quidam  in  scriptis  suis  =»  ady.  ay.  II,  9.  Salyian.  epist.  9 
(doniino  ac  beatissimo  discipulo,  .  .  per  institutionem  discipulo,  per  amorem 
filio,  .  .  Salonio  episcopo):  quaeris  a  me  .  .  cur  libeUis  nuper  a  quodam 
huius  temporis  homine  (Salyianus  selbst)  ad  ecclesiam  factis  Timothei  no- 
men  inscriptum  ait.  .  .  tria  sunt  quae  in  libellis  istis  .  .  quaeri  possunt: 
cur  is  qui  scripsit  ad  ecclesiam  scripserit,  et  utrum  alieno  nomine  an  suo; 
.  .  si  alieno,  cur  Timothei  potissimum  nomen- .  .  elegerit.  Diese  drei  Fra- 
gen werden  ausführlich  beantwortet,  z.  B.  die  zweite:  idcirco  scriptor  ille 
abscondi  et  latitare  omnibus  modis  yoluit  ne  scripta  quae  in  se  habent 
plurimum  salubritatis  minora  forsitan  fierent  per  nomen  auctoris. 


\ 


458.  Salvianufl.  1055 

4.  Die  Schriffc  de  gubematione  dei  (oder  de  proYidentia)  ist  dem  Bischof 
SaloniuB  (unten  462,  11)  gewidmet.  Daraus:  nos,  qui  rerum  magis  quam 
verbomm  amatores,  utilia  potius  quam  plausibilia  sectamur;  .  .  in  scripti- 
unculis  nostris  non  lenocinia  esse  yolumus,  sed  remedia  etc.  Wirklich  sagt 
der  Verf.  seiner  Zeit  derb  die  Wahrheit.  Alles  Unglück  das  über  sie  ge- 
kommen bezeichnet  er  als  selbstverschuldet  (patimur  quod  meremur).  Ins- 
besondere den  Sieg  der  barbari  über  die  Römer  leitet  er  ab  aus  der  sitt- 
lichen Tüchtigkeit  jener  (sowohl  der  pagani  wie  der  haeretici)  gegenüber 
der  Verdorbenheit  dieser.  Vgl.  IV,  13:  ego  .  .  Romanorum  .  .  paene  om- 
nes  maiores  reatus  dico  et  criminosioris  vitae  esse  quam  barbaros.  Vn, 
&:  inter  pudicos  barbaros  impudici  sumus.  plus  adhuc  dico:  offenduntur 
barbari  ipsi  impuritatibus  nostris.,  13:  et  quod  Vandali  ad  Africam  trans- 
ierunt  non  est  divinae  severitati ,  sed  Afrorum  sceleri  deputandum.  23 : 
quae  esse,  rogo,  romano  statui  spes  pot<est  quando  castiores  ac  puriores 
barbari  quam  Romani  sunt?  .  .  pudeat  vos,  romani  ubique  populi,  pudeat 
vitae  vestrae.  .  .  et  miramur  si  miseri  qui  tam  impuri  sumus,  miramur  si 
ab  hoste  viribus  vincimur  qui  honestate  superamur?  .  .  sola  nos  morum 
nostrorum  vitia  yicerunt.  Diese  sittliche  Zerfahrenheit  wird  besonders  aus- 
führüch  von  den  Aquitani  (VII,  2  ff.)  und  Afri  (VII,  14  ff.  VIII,  2  ff.)  nach- 
gewiesen; anderen  namentlich  ihre  Vorliebe  für  circenses  ac  theatra  vor- 
geworfen. VI,  8:  non  hoc  agitur  iam  in  Mog^ntiacensium  civitate,  —  sed 
quia  excisa  atque  deleta  est.  non  agitur  Agrippinae,  —  sed  quia  hostibus 
plena.  non  agitur  in  Treverorum  urbe  excellentissima,  —  sed  quia  qna- 
druplici  est  eversione  postrata  (vgl.  ib.  13.  15  extr.).  .  .  ludicra  ipsa  ideo 
non  aguntur  quia  agi  iam  prae  miseria  temporis  atque  egestate  non  pos- 
sunt.  12:  vastata  est  Italia  tot  iam  cladibus:  ergo  Italorum  vitia  destite- 
runt?  obsessa  est  urbs  Roma  et  expugnata:  ergo  desierunt  blasphemi  ac  fu- 
riosi  esse  Romani?  inundarunt  Gallias  gentes  barbarae:  ergo  .  .  non  eadem 
simt  Gallorum  crimina  quae  fuerunt?  transcenderunt  in  Hispaniae  terras 
populi  Vandalorum:  mutata  quidem  est  sors  Hispanorum,  sed  non  mutata 
vitiositas.  .  .  circumsonabant  armis  muros  Cirtae  atque  Carthaginis  populi 
barbarorum:  et  ecclesia  carthaginiensis  insaniebat  in  circis,  luxuriabat  in 
theatris.  Die  ISittenschilderung  ist  immer  grell.  Die  Darstellung  bietet 
alle  möglichen  rhetorischen  Figuren  auf^  ermüdet  aber  durch  deren  Ueber- 
mass,  ihre  Breite  (stili  prolixitas  VIII,  1)  und  die  gar  zu  h&ufige  Wieder- 
kehr derselben  Gedanken  (cum  de  ludicris  ao  foeditatibus  publicis  diutis- 
sime  dixerimus  VII,  2),  Wendungen  und  Ausdrücke,  sogar  der  Wortspiele 
(wie  divitiis  —  vitiis).  Buch  VIII  ist  sichtlich  unvollständig.  Auch  fehlt 
der  VII,  1  in  Aussicht  gestellte  Nachweis  dass  die  alten  Römer  besser 
gewesen  seien  als  die  der  Gegenwart j  s.  VII,  1:  scio  .  .  hinc  maxime  probari 
quod  non  respiciat  res  humanas  deus  quia,  cum  Romani  quondam  pagani 
et  vicerint  et  regnaverint,  nunc  christiani  et  vincantur  et  serviant.  .  .  sed 
tarnen  .  .  cum  ad  eam  negotii  partem  accesserimus  ut  de  veteribus  Romanis 
aliqua  dicantur  .  .  approbabimus  tam  iustum  tunc  erga  illos  fuisse  domini 
favorem  quam  nunc  erga  nos  iustam  severitatem.  Eintheilung  in  Bücher 
von  dem  Verf.  selbst;  vgl.  VII,  1 :  cum  in  conclusione  libelli  huius  qui  nunc 
finituB  est  etc. 

5.  Salviani  opera  ed.  P.  Pithoeus  (Paris.  1580.  1594),  G.  Rittershusius 


r. 


1056  Die  Kaiaerzeit.   Fünftes  Jahrhundert.   Zweite  Hälfte. 

(Norimberg.  1628),  n.  bes.  Steph.  Balazius  (Paris.  1663.  1669.  1684);  daraas 
in  Gallandi  bibl.  patr.  X,  der  bibl.  patr.  maz.  (1677)  VIII.  p.  839  ff.  und 
in  Migne's  patrol.  LIII.    Auch  cum  comm.  varr.,  Bremao  1688.  4. 

6.  CG.  Heyne,  censura  ingenii  et  doctrinae  Salviani  librique  de  gab. 
d.,  in  seinen  Opusc.  acad.  VI,  nr.  VU.  p.  119—140.  G.  Kaufmann  in  Bau- 
merts histor.  Taschenb.  1869,  S.  47—64. 

Zweite  Hftlfte  des  Jahrhimderts. 

436  4:59.  Am  längsten  fristete  die  Literatur  sich  das  Dasein 
in  Grallien.  Insbesondere  gedieh  hier  die  Kunst  sich  in  Prosa 
und  Versen  geläufig  und  kunstgerecht  auszudrücken.  Unterge- 
ordnet war  der  Inhalt,  welcher  sich  in  den  hergebrachten  Ge* 
leisen  fortbewegte,  ohne  ernste  Ziele,  nur  zur  Selbstbefriedigung 
der  Verfasser  und  zur  Bewunderung  für  ihre  Freunde.  Um  so 
leichter  artete  die  Versification  in  müssige  Spielerei  aus.  Be- 
sonders beliebt  war  in  dieser  Zeit  die  Form  des  HendekasyUabus. 
Zahlreiche  Namen  yon  Eednem,  Schriftstellern,  Dichtern  dieser 
Art  kennen  wir  besonders  durch  ApoUinaris  Sidonius.  So  Con- 
sentius,  Lampridius,  Leo,  Petrus,  Sapaudus,  Secundinus,  Tonan- 
tius  Ferreolus,  Thaumastus  und  viele  andere.  Verbreitet  ist  in 
manchen  Kreisen  die  Sucht  mit  Gelehrsamkeit  zu  prunken.  Da 
aber  dabei  das  Mass  der  wirklichen  Kenntnisse  ein  sehr  massiges 
ist,  so  kommen  keckere  Greister,  wie  der  Verfasser  der  origo 
gentis  romanae,  dann  Fulgentius  und  der  Grammatiker  Vergilius, 
darauf  die  Citate  selbst  zu  erdichten. 

1.  Sidon.  ep.  V,  10:  pauci  studia  nunc  honorant.  ib.  II,  10:  tantum 
increbuit  multitudo  desidiosorum  ut,  nisi  vel  paucissimi  quique  meram  la- 
tiaris  linguae  proprietatem  de  trivialium  barbarismorum  robigine  vindica- 
yeritis,  eam  breyi  abolitam  defleamns  interitamque.  IV,  17:  sermonis  pompa 
romani,  si  qua  adhuc  uspiam  est,  belgicis  olim  sive  rbenanis  abolita  terris. 

2.  Unterricht  und  literarische  Thätigkeit  erstreckte  sich  in  Gallien 
hauptsächlich  auf  Grammatik  und  Rhetorik,  letztere  mit  Einschluss  der 
gebundenen  Form.  Ap.  Sid.  c.  23,  210  f.:  quidquid  rhetoricae  institutionis, 
quidquid  grammaticalis  aut  palaestrae  est,  .  .  yorasti.  ib.  ep.  IV,  21:  te 
imbuendum  liberalibus  disciplinis  grammatici  rhetorisque  studia  florentia 
.  .  foverunt.  Die  griechische  Sprache  war  in  Gallien  (ausser  Massilia)  ver- 
schollen, die  einheimische  und  germanische  als  plebejisch  und  barbarisch 
in  seltsamer  Missachtung.  ib.  carm.  14  praef.:  quae  si  quispiam  ut  graeca 
.  .  et  peregrina  verba  contempserit.  ep.  III,  3:  tuae  personae  debitum 
quod  sermonis  celtici  squamam  depositura  nobilitas  nunc  oratorio  stilo^ 
nunc  eüam  camenalibus  modis  imbuebatur.  ib.  V,  5:  cum  sis  (Syagrius) 
consulis   pronepos  .  .   immane   narratu  est  quantum  stupeam  sermonis  te 


469.   üebersichi  1057 

0 

germanici  notitiam  tanta  facilitate  rapuisse,  worüber  das  Weitere  albern 
witzelt.  Venant.  Fort.  misc.  YII,  8,  63:  plaudat  tibi  barbarus  harpa.  ib. 
69:  nos  tibi  versiculos,  dent  barbara  carmina  lendos  (Lieder).  I,  1  prol.: 
barbaroB  lendos  harpa  (Harfe)  relidebat.  Vgl.  oben  446,  2.  G.  Kaufmann, 
Rhetorenschulen  und  Klosterschulen,  oder  heidnische  nnd  christliche  Cultur 
in  Gallien  während  des  5^*"  n.  6^"  Jahrb.,  in  Fr.  y.  Bamners  histor. 
Taschenbuch  1869,  S.  3  —  94.  üeber  das  weström.  Beich  J.  456—480  ygl. 
G.  B.  Sievers,  Studien  z.  Gesch.  d.  r5m.  Kaiser  (1870)  S.  615 — 556. 

3.  In  den  gallischen  Kirchen  hGrte  die  Gemeinde  stehend  zu  und 
applaudierte  (wie  im  Osten,  Hieronym.  epist.  52,  8  ad  Nepot.)  dem  geist- 
lichen Redner.  Ap.  Sidon.  carm.  16,  126:  contionaturum  plebs  sedula 
circumsistit.  ep.  IX,  3 :  licet  praedicationes  tua«  .  .  raücus  plosor  audierim, 
tunc  praecipue  cum  in  Lngdunensis  ecclesiae  dedicatae  festis  etc.  Ygl. 
auch  unten  462,  7. 

4.  Ap.  Sidon.  carm.  9,  299  —  314:  ne  tu  mihi  comparare  tentes  quos 
multo  minor  ipse  plus  adoro,  Paulinum  Ampeliumque  Symmachum<][ue  (vgl. 
oben  418,  2),  Messalam  (vgl.  oben  447,  6)  .  .  et  nuUi  modo  Majrtium  se- 
cundum,  dicendi  arte  nova  parem  vetustis,  Petrum  (s.  A.  8)  et -cum  loqui- 
tur  nimis  stupendum,  yel  quem  municipalibus  poetis  praeponit  bene  Villi- 
cum  senatus ,  nostrum  aut  quos  retinet  solum  (Gallien)  disertos ,  dnlcem 
Anthedion  (in  Yesontio,  s.  ep.  YIII,  11  vgl.  carm.  22  praef.)  et  mihi  ma- 
gistri  Musas  sat  yenerabiles  HoSni;  acrem  Lampridium  (s.  A.  6),  catum 
Leonem  (s.  A.  7),  praestantemque  tuba  Severianum  (s.  A.  8)  et  sie  scri- 
bere  non  minus  yalentem  Marcus  Quintilianus  ut  solebat. 

5.  Ap.  Sidon.  ep.  YIII,  4  (an  Consentius):  tu  .  .  citos  iambos,  ele- 
gos  acutes  ac  rotundatos  hendecasjUabös  et  cetera  carmina  .  .  nunc  Nar- 
bonensibus  cantitanda,  nunc  Biterrensibus,  ambigendum  celerius  an  pulchrius 
elucubrasti.  Ygl.  ib.  IX,  15  (ygl.  A.  7):  Consentiorum  qui  superstes  est 
patri  (welcher  selbst  Schriftsteller  gewesen  war,  s.  ib.  carm.  23,  97 — 176) 
.  .  cecinisse  dictus  omniforme  canticum.  An  ihn  ib.  carm.  23  (ad  Consen- 
tium  y.  c.  civem  Narbonensem) ,  worin  y.  20  ff. :  miaisti  mihi  multiplex 
poema.  .  .  ibant  hexametri  superbientes  et  .  .  per  quinos  elegi  pedes  fe- 
rebant;  misisti  et  triplicis  metrum  trochaei,  spondeo  comitante  dactyloque, 
dulces  hendecasyllabos. 

6.  Sidon.  ep.  YIII,  11:  Lampridius  orator  (in  Burdigala)  modo 
primum  mihi  occisum  agnoscitur.  .  .  hie  me  quondam,  ut  inter  amicos 
ioca,  Phoebum  yocabat ,  ipse  a  nobis  yatis  odrjsii  (des  Orpheus)  nomine 
accepto.  .  .  si  orationes  illius  metiaris,  acer,  rotundus,  compositus,  excussus, 
81  poSmata,  teuer,  multimeter,  argutus,  artifex  erat,  faciebat  siquidem 
versus  oppido  exactos  tam  pedum  mira  quam  figurarum  varietate:  hende- 
casyllabos lubricos  et  enodes,  hexametros  crepantes  et  cothumatos,  elegos 
vero  nunc  echoicos,  nunc  recurrentes  (oben  32,  9),  nunc  per  anadiplosin 
fine  principiisque  conexos.  .  .  in  materia  controversiali  fortis  et  lacertosus, 
in  satirica  sollicitus  et  mordax,  in  tragica  saevus  et  flebilis,  in  comica 
urbanus  multiformisque ,  in  fescennina  vemans  verbis,  aestuans  votis,  in 
bucolica  vigilax,  .  .  in  georgica  rusticans.   .  .  praeterea  quod  ad  epigram- 

TmuwrKL,  Rom.  Literaturgeiohichte.  8.  Aufl.  67 


-  .  s- 


1058  Die  Eaiaerzeit.   Fünftes  Jahrhundert.   Zweite  Hälfte. 

mata  spectat,  .  .  acumine  placens,  .  .  in  lyricis  antem  Flaociim  eecutus  etc. 
Daher  ib.  in  dem  Gedichte  an  ihn:  Arpinas  modo  quem  tonante  lingua 
ditat,  nunc  stilns  aut  Maronianus  aut  quo  tu  Latium  beas,  Horati,  Alcaeo 
potior  lyristes  ipso,  et  nunc  inflat  epoB  tragoediarum,  nunc  comoedia 
temperat  iocosa,  nunc  flammant  satirae  et  tyrannicarum  declamatio  con- 
troyersiarum.  Vgl.  ib.  IX,  13:  iatud  yix  Leo  (A.  7),  rex  castalii  chori,  vis 
hunc  qui  sequitnr  Lampridins  queat,  declamana  gemini  pondere  sub  atili 
(Prosa  und  Verse?)  coram  discipulis  Burdigalensibus. 

'^  7.    Sidon.  ep.  IX,    13  (s.  A.  6).  16:    epos   sed  istud  aptius   paraverit 

Leo,  Leonis  aut  secutus  orbitas  cantu  in  latino  .  .  Consentiorum  qui  etc. 
(A.  5).  Vgl.  ep.  Vni,  3  (Leoni):  sepone  tantisper  pythicas  lauros  Hippo- 
crenenque  et  illos  carminum  modos  etc.  suspende  perorandi  illud  quoque 
celeberrimum  flumen  quod  .  .  in  tuum  pectus  .  .  ab  atavo  Frontone  (oben 
361)transfunditur.  sepone  pauzilluiuni  conclamatissimas  declamationes  quas 
oris  regii  vice  conficis.  Er  war  nämlich  Geheimsecretär  des  ostgothischen 
Königs  Eurich;  vgL  ib.  IV,  22.  carm.  9,  311  (A.  4).  14  praef.  (spectabili 
viro  Leone).  23,  448—466:  ad  doctiloqui  Leonis  aedes,  quo  bis  sex  tabulas 
docente  iuris  ultro  Claudius  Appius  taceret.  .  .  at  si  dicat  epos  metrumque 
rhythmis  flectat  commaticis  .  .  faciat  silere  Flaccum. 

8.  Sidon.  ep.  IX,  13:  quod  temporibns  Aug.  Maioriani  .  .  inPetri  Hbrum 
magistri  epistolamm  .  .  effndi,  meis  quoque  contnbernalibus  .  .  Domnulo, 
Severiano  atque  Lampridio  (A.  6)  paria  pangentibus.  Darin:  Petrus  est 
tibi  legendus,  in  utraque  disciplina  satis  institutns  auctor.  .  .  opus  editum 
tenemus  bimetra  quod  arte  texens  etc.  ib.  16:  Severianus  ista  rhetor 
altius,  Afer  yaferqne  Domnulus  (s.  unten  461,  1  f.)  politius,  scholasticusque 
sub  rotundioribus  Petrus  Camenis  dictitasset  acrius  .  .  humo  atque  gente 
cretuB  in  Ligustide  Proculus  melodis  insonare  pulsibus  etc.  ib.  carm.  3: 
mihi  Petrus  erit  Maecenas  temporis  huius. 

9.  Doctissimo  viro  Sapaudo  (vgl.  Sidon.  ep.  V,  10)  rhetori  Claudianus 
(unten  461,  3 — 6).  .  .  declEimationum  tuarum  suavitas.  Üeberschwängliches 
Lob  derselben,  ib. :  fac  memineris  docendi  munus  tibi  a  proavis  et  citra 
hereditarium  fore  (»»  esse).  . .  admonitus  quoque  sis  oportet  Viennensis  urbis 
nobilitatis  antiquae,  cuius  tu  civis  et  doctor  etc.  Migne,  patrol.  LIII.  p.  784  f. 

10.  Sidon.  ep.  V,  8  (an  Secundinus):  diu  qnidem  est  quod  te  hexa- 
metris  familiarius  inservientem  stupentes  praedicantesque  lectitabamus. 
erat  siquidem  materia  iocunda,  seu  nuptiales  tibi  thalamorum  faces  sive 
perfossae  regiis  ictibus  ferae  describerentur.  sed  triplicibus  trochaeis  nuper 
in  metrum  hendecasyllabum  compaginatis  nihil  .  .  simile  fecisti.  deus  bone, 
quid  illic  inesse  fellis,  leporis  piperätaeque  facundiae  .  .  inspexil  .  .  ope- 
ram  facetis  satirarum  coloribus  intrepidus  impende.  nam  tua  scripta  no- 
strorum  vitiis  proficientibus  tyrannopolitarum  locupletabuntur.  Vgl.  ib.  11, 
10:  ab  hexametris  eminentium  poetarum  Constantii  (unten  460,  6)  et  Se- 
eundini vicinantia  altari  basilicae  (in  Lugdunum)  latera  clarescunt. 

11.  Sidon.  ep.  I,  7:  legati  provinciae  Galliac  Tonantius  Ferreo- 
Ins  praefectorius ,  Afranii  Syagrii  consulis  (unter  Gratianus)  e  filia  nepos, 
Thaumastus   quoque  et  Petroniua,  maxima  rerum  verborumqne  scicntia 


45d  f.   ZeitgenoSBen  des  Apollinaria  Sidonins.  1059 

praediti  et  inter  principalia  patriae  nostrae  decora  ponendi  (traten  in  Born 
als  Ankläger  des  Arvandus,  praef.  praet.  Galliarum,  auf.  Vertheidiger  des 
Letzteren  waren  Sidonius  selbst  und  Anxanius).  II,  9  (Tonantium  cum 
fratribns).  carm.  24,  34  if.:  hie  docti  invenies  patrem  Tonanti,  rectorem 
colomenque  Galliarnm^  Prisci  Ferreolum  parem  Syagri.  ib.  84  ff.:  ezin 
tende  gradnm  Tribusque  yillis  Thanmastam  expete,  quem  Übet  duorum; 
quomm  iunior  est  mihi  sodalis  et  collega  simul  graduqne  frater. 

12.  Sonstige  Redner  der  Zeit:  Pragmatius  (Sidon.  ep.  V,  10);  Flavins 
Nicetius  (ib.  VIII,  6);  Bischof  Remigius  in  Reims  (ib.  IX,  7:  declamationum 
tuarum  schedio  .  .  tot  voluminibus).  Zugleich  Lehrer  der  Beredtsamkeit 
Lupus  (ib.  VIII,  11),  loannes  (ib.  VIII,  2). 

13.  Sonstige  Versmacher  der  Zeit:  Heronius  in  Lugdunum  (Sidon. 
ep.  I,  9:  Olius  tuae  hexametris);  Victorius  (potentissime  condidit  versus, 
ib.  V,  21).  Eine  anonym  erschienene  (temporibus  Aug.  Maioriani)  Satire 
auf  Verhältnisse  und  Persönlichkeiten  in  Arelate  erwähnt  Sidon.  ep.  I,  11. 

14.  Sonstige  Gelehrte  der  Zeit:  Paulus  in  Rom  (Sidon.  ep.  I,  9), 
Probus  (ib.  carm.  9,  330.  24,' 94).  Als  Rechtskenner  werden  bezeichnet 
Marcellinus  (ib.  23,  466  ff.),  Tetradius  (ib.  24,  81  vgl.  ep.  III,  10). 

15.  Beschäftigung  mit  Philosophie,  theilweis  auch  schriftstellerische, 
wird  ausgesagt  ausser  von  Claudianus  Mamertus  (unten  461,  3  ff.)  auch 
von  Domitius  (Sidon.  ep.  II,  2  vgl.  carm.  24,  10  ff.),  Eusebius  (Sid.  ep.  IV, 
1),  Eutropius  ib.  III,  6:  consectanei  vestri  Plotini  dogmatibus),  Faustus 
(unten  461,  7  ff.),  Polemius  (Sidon.  ep.  FV,  14  vgl.  carm.  14  praef.:  com- 
platonicis  tuis;  15,  187  ff.:  stoica  pone  supercilia  etc.).  Zu  den  membra  phi- 
losophiae  wurde  auch  die  Astrologie  gerechnet  (Sid.  carm.  22  praef.). 

16.  Wie  Sidonius  in  seinen  Briefen  die  Anhäufung  von  Autorennamen 
der  alten  Zeit  liebt,  gewöhnlich  mit  einem  charakteristisch  sein  sollenden, 
aber  meist  phraseologischen  Epitheton,  so  ähnlich  auch  Mamertus  Clau- 
dianus in  dem  Briefe  an  Sapaudns  (s.  Anm.  9). 

17.  Erdichten  von  Citaten  auch  bei  Romanschriftstellern,  wie  Antonius 
Diogenes  u.  A.  R.  Hercher,  über  Ptol.  Chennns  S.  270  ff.  279  f.  E.  Zeller, 
Vortrüge  S.  297  ff.  E.  Rohde,  über  Lucians  Aovniog  S.  21.  23.  Vgl.  unten 
472,  7.  474,  6.    Phantastische  Einkleidungen  auch  oben  396,  9.  416,  1. 

460.  Der  begabteste  Vertreter  der  Strebsamkeit  und  Porm-437 
gewandtheit,  aber  auch  der  Gedankenarmut  und  Phrasenhaftig- 
keit  der  gallisch- römischen  Literatur  der  Zeit  ist  C.  Sollius 
ApoUinaris  Sidonius  (ums  J.  430 — 488),  aus  einer  adligen 
Familie  in  Lugdunum,  seit  etwa  472  Bischof* von  Clermont  (Ar- 
vemi). Wir  besitzen  von  ihm  eine  Sammlung  von  24  Gedich- 
ten und  neun  Bücher  Briefe,  worin  gleichfalls  manche  Gedichte 
mitenthalten  sind.  Die  umfangreichsten  sind  Epen  zum  Preise 
seines  Schwiegervaters  Avitus  (c.  7),  auf  dessen  siegreichen  Gegner 
Maiorianus  (c.  5)   und  auf  den  Kaiser  Anthemius   (c.  2),    alle 

67* 


Die  Eaberzeit.    FQnftea  Jahrhundert    Zweite  EOlfle. 

geschwellt  durch  Aufgebot  der  Mythologie  und  Gelehr- 
Lind  in  cocventioiieller  Phraseologie  nach  einem  rhe- 
^hema  gearbeitet.  Neben  dem  epischen  Versmass  ist 
elegische  und  die  Hendekanyllaben  häufig.  Die  Briefe 
sich  mit  Bewusstsein  an  die  Master  von  Plinina  und 
B  an  und  Tei^egenwärtigen  uns  das  weiche,  gutmütige 
Wesen  ihres  Verfassers,  sowie  seine  überladene,  ver- 
schreib weise. 

mme  C.  nach  der  Widmung  von  ClaudianuB  (unten  461,  4), 
jberBchriflen  der  Briefe  und  der  Gedichtsammlung.  In  deDeretem 

SidoniuB  Constantio  a.  a.;  comes  Sidoui  Ep.  I,  11.  Domine 
mean  u.  dg],  ep.  V,  17.  1,  9.  IX,  15.  Solliua  Ap.  Sid.  conn.  9  in. 
(Soll.  Ap.  Sid.  Pontio  LeontJo  a.). 

artetag  non.  novembr.  (c.  20)  um  430  (J.  449  adoleBcens,  ep. 
duilia  praefectoria  (ep.  V,  lö)i  Groasvater  praef.  ApollinariB 
It  (ep.  m,  12.  V,  9);  Vater  praef.  praet.  Gall.  (ep.  V,  9.  VIII, 
LCben  a  piuro  {ep.  V,  21}.     Vermählt  (um  462}  mit  Papianilla 

der  Tocht«r  des  Avitna  der  sich  gegen  iCnde  466  zu  ToloEa 
i}  anm  Kaiser  anfirarf.  Sohn  Apollinaris ,  Tochter  Roacia  (ep. 
Durch  seinen  Scbwiegerrater  erhielt  Ap.  zu  Rom  eine  Statue 
IX,  16).  J.  4G6  AvitUB  geatQret  durch  Kicimer  und  Maiorianns. 
nterVirft  sich  (4GT  oder  468)  achlieaglicli  Sid.  mit  dem  Qbrigen 
Ldel.  Hajorian  geatarxt  461;  thataSehlicher  Regent  Galliens 
he  Theoderich  II,  J.  467  Anthemiua  durch  den  oatrCm.  Kaiser 
latrOm.  erhoben.  Unter  ihm  (J.  461)  Sid.  zu  Rom  praef.  urbi  (s. 
,  9  f.  ep.  I,  9),  Um  472  Bischof  au  Clermont  (ep.  HI,  1.  VI.  1) 
her  sogleich  politiBcheu  Haupt,  Leiter  dea  Widerstands  gegen 

Nach  dem  Fall  Clermonta  (J.  474)  Sid.  eine  Zeit  lang  Ge- 
I  Königs  Eurich  (ep.  Vill,  9.  IX,  3).  Lebt  als  Bischof  mindo- 
lympiadae  (ep,  K,  12);  f  um  487  (Qieg.  Tur.),  XII  kal.  aept. 
eh  epitaph.,  noch  martjrol.  vielmehr  23  Aug.,  und  fand  Heilig- 
Vgl.  Gregor.  Tor.  hiat.  Franc.  II,  22  f. 

lad.  ill.  92:  Sidonina,  Arreruorum  epiacopus,  scripsit  varia  et 
ila  et  aanae  doctrinae.  homo  ai  quidem  tarn  divinia  quam  hu- 
itt^rum  imbutus  ocerque  ingenio,  scripait  ad  diveraos  diverao 
rosa  compoaitum  Epiatolarum  inaigne  volnmeu,  iu  qoo  qoid  in 
et  ostendit.  verum  in  chrialiano  vigore  iMlleoa,  etiani  inter 
Dcitatid  duritiem  quae  eo  tempore  Galloa  oppreaaerat,  catholi- 
t  doctor  habetur  ionignis.  Soruit  ea  tempcatate  qua  Leo  et 
ia  iraperahant.  Sid.  aelbat  gibt  eiue  Uebersicht  seiuee  Lebeon 
iterariachen  Thütigkeit  in  dem  Gedicht«  ep.  IX,  16,  worin  v. 
lae  quam  mihi  indulait  poputua  Quirini,  blattifer  ve)  qoain 
ue,  .  .  cum  meia  poni  atatuam  perenuem  Nervs  Traianiis  (des- 
titulis  videret  inter  auctores  utriiiaqiie  Gxam  bybliothecan ; 
lat  visna   propo  poat  biluatre  tcmpua  accepi  capiena  lionorcni 


460.    ApoUinariö  Sidonius.  1061 

(de»  praef.  nrb.).  (33  ff.)  praeter  heroos  ioca  malta  multis  texiii  panni», 
elegos  frequenter  Bubditos  senis  pedibus  rotavi  commate  bino ;  Dunc  per 
undenas  equitare  suetns  syllabas  lusi  celer»  atque  metro  sapphico  creber 
cecini,  citaid  rarus  iambo.  (45  fif.)  iam  eenectutis  propiore  meta  .  .  plus 
pudet  si  quid  leve  lusit  aetas  nunc  reminisci.  quod  pcrhorrescens  ad  epi- 
siolarum  transtuli  cultum  genus  omne  curae»  .  .  derlei  ne  quid  maculet 
rigorem  fama  poetae.  .  .  nullum  cito  cogar  exhinc  promere  Carmen,  per- 
secutorum  nisi  quaestiones  forsitan  dicam  meritosque  caelum  martyres  etc. 
Dazu  kam  es  aber  nicht. 

4.  Die  erste  Hälfte  der  literarischen  Thätigkeit  des  Sid.  bewegt  sich 
in  gebundener  Form.  Die  Sammlung  der  Gedichte  umfasst  24  Stücke. 
Voran  stehen  die  drei  panegyrischen  Gedichte  mit  Begleitschreiben  im  ele- 
gischen Masse,  in  einer  der  geschichtlichen  entgegengesetzten  Ordnung. 
Das  älteste  (vom  J.  456)  ist  das  auf  Avitus  (c.  7),  603  Hexameter  (G.  Kauf- 
mann, die  Werke  d.  Sid.,  S.  20 — 28) ;  aus  J.  458,  als  Majorianus  in  Lugdunum 
sich  befand,  der  panegyricus .  auf  diesen  (c.  5),  599  Hexameter  (G.  Kauf- 
mann ebd.  S.  28-— 32);  aus  J.  468  der  auf  Kaiser  Anthemius  (c.  2),  549 
Hexameter  (ebd.  S.  33  —  38).  Mit  c.  9  (343  Hendekasyllaben)  beginnt  die 
zweite  Hälfte  der  Sammlung  (v.  6  ff.:  nugas  .  .  quas  sparsit  tenerae  iocus 
iuventae  in  formam  redigi  iubes  libelli);  es  ist  ein  poetischer  Brief  (ex- 
cuBatorium  ad  y.  c.  Felicem)  worin  v.  13 — 314  ei&tönig  dargelegt  wird  was 
alles  man  von  der  nachfolgenden  Sammlung  nicht  erwarten  dürfe.  £pi- 
thalamien  Ruricio  et  Iberiae  (c.  11,  von  133  Hex.)  und  Polemio  et  Araneolae 
(c.  15,  von  201  Hex.),  je  mit  Vorwort,  jenes  (c.  10)  im  elegischen  Masse, 
dieses  (c.  14)  in  Hendekasyllaben  mit  abermaliger  Vorrede  in  Prosa. 
Poetische  Briefe  sind  c.  12  (22  Hendekasyllaben),  13  an  Majorianus  (Bitte 
um  Steuornachlass  für  Lugdunum,  20  elegische  Verse  und  20  Hendekasylla- 
ben), 16  (Danksagung  an  Faustus,  episcopus  Bioiensis,  129  Hex.),  auch  c. 
22  (mit  Zuschrift  in  Prosa)  die  Beschreibung  eines  Gutes  von  Pontius  Leon- 
tius  (237  Hex:)  und  23  (513  Hendekasyllaben  an  Consentius).  Nr.  17  —  21 
Gelegenheitsgedichte  von  wenigen  Distichen,  c.  24  Epilog  (propempticon  ad 
libellum,  101  Hendekasyllaben).  Zur  Zeit  von  c.  28  ist  Narbo  noch  im 
Besitze  der  Gothen  (v.  68  ff.:  te  .  .  decus  Getarum  .  .  Theudericus  amat), 
die  es  im  J.  462  gewonnen  hatten. 

5.  Nach  seiner  Wahl  zum  Bischof  verschwor  Sid.  das  Verseraachen, 
doch  nicht  ohne  zahheichc  Rückfälle.  Epist.  IX,  12:  ab  exordio  religiosac 
professionis  huic  principaliter  exercitio  renuntiavi  (vgl.  A.  3)r  Aber  schon 
cp.  IX,  13  erhält  ein  Bewunderer  seiner  Muse  ein  20  J.  altes  und  ein  neues 
Gedicht  zugeschickt,  letzteres  (Asklepiadeen)  sogar  zum  Vortrage  inter  bi- 
bendum;  ebenso  ep.  IX,  15  (Jamben)  und  16  (sapphisch).  Auch  sonst  ist 
er  immer  bereit  Bestellungen  auf  Gedichte  zu  entsprechen.  So  ep.  II,  10 
(Hendekas.  zur  Einweihung  einer  Kirche  in  Lugdunum).  IV,  8  (auf  eine 
der  Königin  Ragnahilda  zu  überreichende  concha).  VII,  17  (nenia  sepul- 
cralis  auf  einen  Abraam).  Andere  Gedichte  in  der  Briefsammlung:  II,  8 
(nenia  funebris  .  .  per  hendecasyllabos,  auf  Philematia,  .  .  quam  .  .  ceteri» 
epigrammatum  meorum  voluminibns  apx^licandam  mercenarins  bybliopola 
öuscipiet).    III,  12   (Hendekas.  auf  das  Grab   seines  Grossvaters).    IV,  11 


1062  Die  Kaiuerzeit    Fünftes  Jahrhundert.   Zweite  Hälfl«. 

(auf  Claudianus).  18  (Kirehwoihe  in  Tours).  VIII,  9  (HcndekaBjllaben  an 
Lara prid jus).  Jugendgedichte  VIII,  11  (Hendekas.)  und  IX,  13  (Anakreonteen). 
Eri^hnung  Beiuer  poctiBcheo  Improviaationen  ep.  I,  11.  V,  IT.  IX,  13.  Daa 
Vonprechen  Attdlae  bellum  etüo  nie  pOBteria  iDtimatnrum  zeigte  sich  als 
unausführbar  (ep.  VUt,  16),  vie  Sid.  auch  die  ÄufTorderung  in  einem  Qe- 
acbicbtswerke  mit  Grand  ablehnt«  (ep.  IV,  22).  Epiat.  VII,  3:  contesta- 
tinnculas  quas  ipse  dictavi  .  .  tibi  transmisi.  ib.  9:  orationem  qoam  videor 
ad  plebem  Bitnrigis  in  ecciesia  «cnnocinatns,  .  .  quam  duabus  vigiliis  uniue 
noctiB  aestiTae,  Christo  teste,  dictatani  (or  beilegt}.  III,  14:  meaa  nngtis, 
sive  confectai  opere  prosario,  aen  poetarutu  stilo  cantilenoeaa.  I,  1:  coc- 
tenti  vereuam  .  ,  editomm  opiuione,  de  qua  mihi  iam  pridem  in  portu  indicü 
publici  .  .  sufficientis  gloriae  ancora  sedet 

6,  Die  neun  BQcbor  Briefe  umfaaacti  147  Stücke,  worunter  IV,  2 
von  Ham.  Claudianus  (461,  3  ff.)  herrührt.  Die  Adressaten  sind  eenatorcs 
et  pontificea  (ep.  VII,  12);  an  Bischöfe  gerichtet  sind  B.  VI.  VII,  1-11. 
VIII,  13 — 16.  IX,  2^11.  Widmung  an  Conslantius  (presbyter  Lngdunonsis); 
ep.  I,  1 :  diu  pruecipis  .  .  ut  si  qnae  litterae  paulo  potitiorcs  varia  occadone 
Buxerunt  .  .  omnes  retractatis  eiemplaribns  enucleatisqiie  uno  voluminc 
includam.  Im  Falle  günstiger  Aufnahme  actntum  tibi  a  nobis  volumina 
nmneiosiora  .  .  multiplicabnntur.  lY,  2  Beschwerde  des  Claudianus  Ober 
NichterwähnuDg  in  der  Sammlung.  IV,  10:  post  jterminatam  libellnm  qui 
pamm  (paulo?)  cultior  est  reliqoae  denuo  litteras  usnati  .  .  sermone  con- 
teio.  non  enim  tanti  est  poliri  formulas  editione  carituras.  IV,  22:  ut  epi- 
stolarum  curam  iam  terminatis  libria  carum  converteremus  ad  stilum  hi- 
steriae.  Die  drei  ersten  Bücher  scheinen  somit  zusammen  herausgegeben. 
Erweiterung  durch  B.  IV— VII;  s.  ep.  VIT,  18  (an  Constautius) :  a  te  prin- 
cipinm,  tibi  dcsinet  (Vergil.  ocl.  VIII,  11):  nam  petitum  raisimus  opus, 
raptim  relectis  exemplaribns,  qnae  ob  hoc  in  manas  pauca  venernnt  quia 
mihi  nihil  de  libelli  buiusce  conscriptione  meditanti  hactenus  incustodita 
nequeunt  inveniri.  Spätere  Hinzufügung  von  B.  VllI  auf  Anregung  des 
PetroniuB  (in  Arelate);  ep.  VUI,  1:  scrinia  Arverna  petia  eventilari,  cui 
sufGcere  suspicabamur  si  qnid  superi  ore  vulgatu  protulissemiis.  itaque 
mocem  geremuB  iniunctis,  .  .  ut  epistolnrum  sericm  .  .  in  extimo  finc  parvi 
adhuc  numeri  summa  protendat.  Tgl.  ib.  16:  spoponderum  Petrouio  .  . 
praesens  opnsculum  paucis  me  epistelis  axpcditurum.  .  .  malui  ut  itlum 
correctionis  labor,  te  (Constantins)  honor  editionis  aspiceret.  .  ,  pcracta 
promissio  est  Dazu  schlieBslioh  B.  IX;  e,  IX,  1  (Firmino):  exigia  ut  epi- 
stelarum  priorum  limite  irrupto  stilus  noster  in  ulteriora  procurrat.  .  .  ad- 
dis  et  causas  quibus  hie  Über  nonus  oeto  superiomm  voluminibus  adcre- 
Bcat:  eo  quod  C.  Secundus,  cuius  nos  orbitas  sequi  hoc  opere  pronuntiae, 
paribus  titulis  opus  cpisteiaro  detenninot  (oben  336,  6  f.),  .  .  nos  vero  ei 
quod  eiemplar  (von  B.  I  —  VIII)  manibus  occurrerit  libri  marginibus  octavi 
cclerit«r  addemus.    So  bat  die  Sammlung  triplices  epilogos  (IX,  1). 

T.  Sid.  ep.  VII,  18:  ita  mens  patet  in  libro  veluti'vultua  in  speculo- 
dictavi  enim  quaepiam  hortando,  laudando  plnrima,  aliqua  suadeudo,  mae- 
rendo  pauca  iocandoque  nonnulta.  ,  .  singulae  causac  singulis  ferrae  epi- 
stelis  finiantar.    Anfangs   zufällig  entstanden    und   wirkliche  Briefe  (Em- 


460.   Apollinaris  Sidonius.  1063 

pfehlungs-  und  Glückwunschschreiben,  Todesanzeigen ,  Geschäftsbriefe  u. 
dgl.),  wuchs  die  Sammlung  immer  mehr  durch  bewussie  Nachbildung  des 
Plinius  und  Symmachus,  das  Bestreben  bestimmte  Stoffe  zu  behandeln  und 
den  Wunsch  von  Bekannten  und  Freunden  durch  solche  Briefe  verewigt 
zu  werden  (ep.  VII,  12.  VIII,  6.  IX,  11.  16).  Viele  Briefe  sind  förmliche 
Lobreden  auf  einzelne  Männer  (wie  Theoderich  II,  ep.  I,  2;  Ecdicius,  ib. 
III,  3;  Claudianus,  ib.  IV,  11;  Sigismer  regius  iuyenis,  ib.  IV,  20),  meist 
auf  den  Adressaten  selbst  (IV,  9.  13.  21.  VI,  1.  12.  VII,  1.  12—14.  IX,  7  u. 
sonst).  Inhalt  und  Ausdehnung  stehen  oft  in  Missyerhältniss  (sunt  omnes 
loquacissimae,  ep.  IX,  11  vgl.  II,  9.  III,  7. 11.  IV,  3.  VI,  3.  VII,  2.  IX,  16  u.  sonst). 
Die  an  Bischöfe  gerichteten  (s.  A.  6)  haben  einen  feierlicheren  Ton  und 
eine  litaneiartige  Schlussformel  (memor  nostri  esse  dignare,  domine  papa). 
Schwerlich  ernst  gemeint  ist  die  Versicherung  (ep.  VIQ,  16):  nos  opuscula 
sermone  edidimus  arido,  ezili,  certe  maxima  ex  parte  vulgato. 

8.  Sidonius  ist  eine  Persönlichkeit  von  demselben  Teige  wie  die  Män- 
ner die  auch  literarisch  seine  Vorbilder  sind,  Plinius  d.  J.  und  Symmachus 
(s.  A.  6  und  ep.  IV,  22:  ego  Plinio  ut  discipulus  assurgo):  gutmütig,  bereit 
zu  helfen,  von  unanfechtbarer  Sittenreinheit  in  einer  verwilderten  Zeit,  fei- 
nerer Sitte  und  geistiger  Bildung  zugewandt,  ein  treuer  Freund  (tenues  nobis 
esse  amicitias  nee  inimici  fingere  queunt,  ep.  IX,  9)  und  guter  Familien- 
vater; dabei  aber  von  einer  grenzenlosen  Eitelkeit,  unersättlichem  Durst 
nach  Lob,  sich  und  Andere  überschätzend  (vgl.  die  Urteile  oben  469,  4  ff. 
und  unten  461,  1 — 6.  8),  ein  würdeloser  Schmeichler  der  Machthaber,  ein 
leerer  Phrasenmacher,  erfüllt  von  den  Vorurteilen  seines  Volkes  (vgl.  oben 
469,  2)  und  seines  (adeligen)  Greschlechtes  (z.  B.  ep.  IX,  6).  Seine  Christ- 
lichkeit ist  am  stärksten  aufgetragen  in  den  Briefen  an  seine  bischöflichen 
Standesgenossen  (z.  B.  ep.  IX,  2  nennt  er  sich  einen  novus  clericus,  pec- 
cator  antiquus),  aber  auch  sonst  aufrichtig  und  correct  (ep.  VIII,  4:  tem- 
pus  est  .  .  de  perpetua  vita  potius  quam  memoria  cogitari;  IX,  8:  iudicii 
dies,  resurrectio;  VIII,  11:  quisque  praesumpserit  .  .  vetita  rimäri,  vereor 
huiusmodi  a  catholicae  fidei  regulis  exorbitaturum) ,  jedoch  frei  von  dog- 
matischer Verbissenheit  (wegen  spiritales  quaestiones  verweist  er  ep.  IV, 
17  auf  sacerdotes  fide  clari;  und  auch  für  Juden  hat  €r  Humanität,  obwohl 
ihm  deren  secta  despectui  est,  ib.  EI,  4  vgl.  VI,  11.  VIII,  13)  und  Kaum 
lassend  für  warme  Bewunderung  der  classischen  Literatur.  Vgl.  ep.  II,  9: 
similis  scientiae  viri,  hinc  Augustinus,  hinc  Varro,  hinc  Horatius,  hinc  Pru- 
dentius  lectitabantur.  Er  hat  zwar  ein  klares  Bewusstsein  von  dem  Gegen- 
satze der  beiden  Weltanschauungen  (ep.  IX,  13:  procul  hinc  et  Hippocre- 
nen  .  .  et  Apollinem  canprum  .  .  abigamus,  et  Minervam.  .  .  removete 
ficta  fatu:  deus  ista  praestat  unus;  vgl.  VIII,  4:  talibus  studiis  anterior 
aetas  iuste  .  .  occupabatur;  modo  tempus  est  seria  legi,  seria  scribi  etc.); 
aber  er  bedient  sich  gewöhnlich  unbefangen  der  Gestalten  und  Begriffe 
der  alten  Welt  und  ist  in  deren  Literatur  wohlbewandert  (s.  bes.  c.  9). 
Dass  er  jedoch  in  dieser  Welt  nicht  ursprünglich  zu  Hause,  sondern  nur 
durch  Schulbildung  und  fortgesetztes  Studium  eingebürgert  ist  zeigt  das 
viele  Fremdartige,  Analogiewidrige,  Verschrobene  imd  Geschmacklose  was 
sein  lateinischer  Ausdruck  hat,  in  Wortstellung  wie  Wortbildung  und  Syn- 


1064  Die  Kaiuorzeit.    FäntUie  Jahrhundert.  Zweite  H5irte. 

oDTinik  (ei  asse  gaudeo  u.  dg\.,  grtuidit«r  anxiuB,  eis  roemioene,  ilicet  = 
nam,  pbtfaisiBC«re,  crepuscalasceni ,  oombinatia,  bonn«cula,  complices,  spon- 
taJiter.  trebftciter.  ducaliuB,  at«max,  incursai  u.  dgl.).  eine  bente  Higchnng 
in  ans  Mea  Zeiten  und  Stdlarten.  Beine  Prosodie  ist,  mit 
irlicber  MeEaungen  von  EigeDnamen  und  FremdwCrtem, 
9,  231.  23,  126),  Ctcaiphon  (e.  88,  139),  cätholicam  (ep.  IV, 
:.  16,  1S2.  187),  untadelig. 

TOD  El.  Vinetua  (Lugd.  1552),  J.  Wower  (cmu  nötig  P. 
Ugd.  1696),  J  aavaro  (Paris.  1599.  1609.  4.),  G.  Elmeo- 
1617)  Dod  hcB.  J.  Sirmoad  (Paris  1614.  165!.  4.  in  Sinuondi 
.  In  der  Bibl.  patr.  max.  VI.  p.  1075  ff.,  Gallandt  bibl. 
'.,  Higttc's  patr,  LVIII.  Auch  hier  wäre  noch  ein  weites 
rbeitefcld. 

lain,  essai  titti^rairo  et  historiquc  sur  Ap.  Sid.,  Hontpel- 
irtig,  C.  S.  A.  S.  und  acine  Zeit  nacb  seinen  Werken  dar- 
WQrEburg  1845.  1846.  Fasaan  1848.  4.  G.  Eaulmann,  die 
ÜB  eine  Quelle  für  die  Geachicbto  seiner  Zeit,  Götti.  1S64. 
3.,  im  Neuen  schweiz.  Museum  V  (Basel  1866)  S.  1—28. 
biator.  Tascbenb.  1869,  S.  30—40.  C.  A.  Chaix,  St.  Sidoine 
,  2  Voll.  (462  u.  408  pp.)  Clermont-Ferrand  1867;  vgl. 
>tti.  gel,  Anz.  1868,  S.  1001—1020, 

dem  Freundeskreise  von  Sidonius  besitzen  wir 
von  Rusticius  Elpidius  Domnulus,  Mamertus  Clau- 
auetus.  Von  Domnulua  sind  uns  einige  christ- 
erhalten;  von  dem  Presbyter  Ma.mertuR  (Ecdicius) 
die  drei  BOcher  de  statu  animae  welche  er  ums 
Sidonius  widmet«.  Ihrem  Inhalt«  nach  ist  diese 
tisch,  in  der  Form  bald  trocken  bald' schwülstig. 
iristUcben  Hymnus  von  prosaischem  Tone  besitzen 
Gtleichfalls  ein  Freund  des  Sidonius  war  der  Bischof 
;),  Faustus,  gegen  welchen  das  Werk  des  Clau- 
ii  war  und  von  welchem  eine  Schrift  de  graüa  dei, 
«n  n.  dgl.  auf  uns  gekommen  ist. 
tion  des  Vat  4229  von  Pomponius  Mola:  Fl.  Rusticina 
lulne  T.  c.  et  apectab.  com,  conaiator.  emendavi  Rabennae. 
iuB  Paria  (oben  274,  9  E.).  Vgl,  Elpidio  viro  spect.  comiti 
in  den  Acta  coneil.  ephea.  bei  Harduin  II.  p,  77.  Die 
ch  den  comitea  cons.  war  die  des  qnaestor.  Der  Domnnlus 
ion.  ep.  IZ,  13  erzählt  daaa  er  unter  Hajorianoa  (J.  467 — 
(dichte  gemacht  habe  (vgl.  oben  469,  8)  nnd  an  welchen 
^chtet  ist  beisBt  ib.  carm.  14  praef.:  vir  quaeBtoriuej  nnd 
Bedichte  (s.  A.  2)  haben  die  Ueberachrift:  Buatici  Helpidi 
laaeatore.  Die  Identität  der  Person  iat  daher  bäcbst  wabr- 
fthn,  Berichte  der  sächa.  Gea,  d.  Wiss,  1851,  S.  345— 34T. 


461.    Domnulus  iiud  Mam.  Claudianus.  1065 

2.  Bustici  Elpidii  carmeu  de  ChriBti  beneficiis  (ed.  Herrn.  Müller, 
Göttingen  1868.  4.)  in  Hexametern,  und  Hisioriarum  testamonti  veteris  et 
Dovi  tristicha/ 24  Strophen  von  je  drei  Hexametern.  Beide  gedmckt  in 
G.  FabriciuB,  corpus  poett.  christ.  p.  754  ff.  und  in  patristischcn  Samm- 
lungen (z.  B.  Bibl.  patr.  max.  IX.  p.  462  ff.). 

3.  Gennad.  vir.  ill.  83:  Claudianus  Viennensis  ccclesifte  presbyter, 
vir  ad  loquendum  artifex  et  ad  dispntandum  subtilis,  composuit  tres  quasi 
de  statu  vel  de  substantia  animae  libros,  in  quibus  agit  .  .  ut  ostendat 
aliquid  esse  incorporeum  praeter  deum.  scripsit  et  alia  nonnulla,  inter 
quae  et  hymnum  de  passione  domini  cuias  principium  est  ,Pange  lingua 
gloriosi^  fuit  autem  frater  Mamerti  Viennensis  episcopi.  Nachruf  an  ihn 
(nuper  ereptus)  von  Sidon.  epist.  IV,  11  mit  masslosem  Lobe,  z.  B.:  vir 
l>rovidus,  prudens,  doctus,  eloquens,  acer  et  hominum  aevi,  loci,  populi  sui 
ingeniosissimus  quiqu«  indesinenter  salva  religione  philosopharetur  et  .  .  a 
coUegio  complatonicorum  solo  habitu  ac  fide  dissociabatur.  .  .  episcopum 
fratrem  maiorem  natu  affectuosissime  obscrvans  etc.  sed  et  ille  suspicie- 
bat  haue  granditer,  habens  in  eo  consiliarium  in  iudiciis,  vicarium  in  eccle- 
siis  etc.  Und  in  der  nachfolgenden  nenia  auf  ihn  z.  B.:  Claudianus,  triplex 
bybliotheca  quo  magistro  —  romana,  attica,  christiana  —  fulsit.  .  .  orator, 
dialecticus,  poeta,  tractator,  geometra  musicusque,  doctus  solvere  vincla 
quaestionum  et  verbi  gladio  secare  sectas,  si  quae  catholicam  fidem  laces- 
sunt.  psalmorum  hie  modulator  et  phonascus  etc.  Brief  des  Claudianus 
an  Sidonius  in  dessen  epist.  IV,  2.  Anderer  an  den  Rhctor  Sapaudus,  s. 
oben  459,  9. 

4.  Die  Schrift  de  statu  animae  hat  die  Widmung:  praefcctorio  (alsa 
nach  J.  467,  s-  oben  460,  2),  patricio,  doctissimo  et  optimo  viro  C.  Sollio 
Sidonio  Claudianus  sal.  und  das  Nachwort:  Claudianus  C.  Sollio  Apollinari. 
Jene  beginnt:  editionem  libellorum  quos  de  animae  statu  condidi  .  .  mihi 
imperasti  und  enthält  auch  eine  kurze  Inhaltsangabe.  B.  I  beginnt:  magnum 
in  gcnere  humano,  Solli  Sidoni,  frater  amantissime^  multorum  vitinm  est 
etc.  Im  Nachwort:  libellorum  a  me  transmissorum,  quos  philosophicae  artis 
Bubtilissima  disputatione  disposui  etc.  Ucberschwänglicher  Preis  dieser^ 
Schrift  durch  Sidon.  epist.  IV,  3  vgl.  V,  2:  librum  de  st.  an.  tribus  volu- 
minibus  illustrem  Mamertus  Claudianus,  peritissimus  christianorum  philo- 
sophus,  .  .  excolere  curavit  etc.  Polemik  gegen  chartula  quaedam  (I,  1), 
ein  opnsculum  (I,  2),  welches,  anonym  erschienen  war  (ib.),  aber  den  Fau- 
stus  zum  Verfasser  hatte;  s.  A.  7. 

5.  Der  Hymnus  Pange  etc.  (vgl.  A.  3)  besteht  aus  30  trochäischen 
Tetrametern,  üeber  ihn  Sidon.  epist.  IV,  3:  de  hymno  tuo  si  percontero 
quid  sentiam,  commaticus  est,  copiosus,  dulcis,  elatus  et  quoslibet  lyricos 
dithyrambos  amoenitate  poetica  et  historica  veritate  supereminet,  u.  s.  f.  iu 
diesem  Stile.  Auch  noch  andere  Sachen  in  gebundener  Form  tragen  seinen 
Namen  und  sind  theilweise  unter  die  Gedichte  des  älteren  Claudianus 
(oben  433).  hineingerathen.  So  im  epischen  Versmass  contra  poetas  vanos, 
ein  Carmen  paachale,  laus  Christi,  sig  xov  aotTjJQa,  dg  tov  dsönotriv  Xql- 
0t6v;  im  elegischen  in  lacobum  mag.  eq.  und  miracula  Christi.   Da  Sidonius 


Die  KaitMirzeit  Ftlnftes  Jahrhiimlert.   Zweite  Hälfte. 

;  H.  A.  S)  Gedichte  in  gricchiacber  S])rache  ihm  beilegt,  ao  lua^ 
der  Verfaeser  sein. 

^druckt  Bind  des  Maro.  ClaudiouuB  orhaltcoe  Werke  z.  B.  in 
hl.  patr.  X  nnd  io  Migno"B  patrol.  LIII  (p.  693  —  790);  die  Gc- 
li   in  G.    FabriciuB   Corp.    poet^>.  chriBt.  p.  775  ff,    und    andern 


inad.  vir.  ill.  35:  FauetuB,  ex  abbate  LerinenBis  mooaaterii 
im  (vielmehr  in  Uoü)  Galliae  episcopus  factns  (ame  J.  462),  vir 
criptoria  satiB  int^jntus,  .  .  compOBuit  libmm  de  ipiritu  Bancto. 
uoqne  opus  cgrcgium  de  gratia  dei  (s.  A.  8).  .  .  legi  eins  et 
rianos  et  Haccdonianoa  parvum  Itbellum  .  .  et  alinm  Adveraiis 
unt  08Be  in  creatnris  atiquid  incori>oreum,  in  quo  divinis  teati- 
itmm  confirmat  Bententiis  nihil  credendum  incorporeum  praeter 
igen  ClaadianuB,  ■.  A.  3  n.  4).  est  et  eins  Eplstola  in  modDiu  libelli 
n  quendam  Gratnm  nomine  edita,  qui  a  fide  catbolica  diacedens 
jiam  abiit  impietatem.  .  .  Bunt  rero  et  alia  ciun  Bcripta,  quac 
m  legi  uominare  nolui.  .  .  scripait  poatea  ad  Felicem  procf. 
itriciae  dignitatis  virutn,  filium  Uagni  consulia,  iam  religioaum, 
ä  timorem  dei  hortatoriani.  Vgl.  ib.  SG:  flornit  hie  (Caesarius, 
.tensis)  00  t«mpore  quo  et  Fauatna,  Anaatasio  remp.  admini- 
don.  carm.  16,  epist  IX,  3.  9.    Vgl.  oben  460,  4. 

Schrift  dcB  Fauetua  De  gratia  Dei  in  zvei  BQcbern,  als  pela- 
gegriffen  »on  Gelasius,  Fulgentiua  (unten  472,  1)  u.  A.,  ist  er* 
)  auf  una  gckomiueuea  Briefe  des  F.  (an  Leoutius,  Paulinns, 
iciua  u.  A.)  sind  dogmatischen  Inhalts  und  meist  umfangreich. 
Leontius  contra  eoa  qoi  dum  per  aolam  dei  voluntatem  alioa 
itom  attrahi  .  .  liberum  arbitrium  cum  ManichaciB  negant;  die 
!nz  mit  dem  prcsbjter  Lucidus  gegen  den  PrädeBtinatianismuE, 
en  gegen  deu  Arianiamus  u,  a,  w.  Letztere  Richtung  aog  dem 
lade  des  arianischen  WeatgothcnkOniga  Euricb  eu  (J.  481).  Fer- 
ea  u.  A.  Vgl.  Sidon.  epiat.  IX,  3  an  Faustna:  immane  suapicio 
ad  in  vobis  tropologicum  geuua  ac  üguratum  limatisque  pluri- 
is  eminentisBimum.  ib,  9:  legi  volumina  tua  etc.  legimua  opus 
im,  multiplex,  Bore,  Bublime,  digeatrum  tituÜB  eiemplisque  oon- 
partitum  sab  dialogi  achemate,   aub  cauBarum  tbemate  qnadri- 

.  mulierem  pulchram  .  .  tibi  iugaati,  .  .  philosophiam  Bcilicet. 
iiiatum  te  matrimonio  qni  laceaBiverit  sestiet  eccleaiae  Cbriati 
idemiam  militare  teque  nobiliua  philoeophari. 

8cbriften  dea  Fauatus  bei  P.  PithOua,  coUoctio  vett.  Galliae 
ms.  1586.  4.),  in  der  Bibl.  patr,  max.  (Lugd.  1677)  VIII,  in 
rol.  LVIII  (p.  783—889  vgl.  LIU.  p.  «81-685).  Vgl.  Wiggers, 
.  228  ff. 

Wie  bei  Claudiautis  ond  Fauatus  so  dreht  eich  auch 
i  Theologen  der  Zeit  von  welchen  wir  noch  Arbeiten 
lie   schriftstellerische  Thätigkeit  vorzugsweise   um   das 


461,  f.    Faustiis.    Arnobius  iun.  u.  A.  1067 

Verhältniss  von  Willensfreiheit  und  Gnade,  auch  wohl  noch  um  die 
alten  Streitigkeiten  über  die  Person  Christi.  Andere  verfassen 
Commentare  zu  biblischen  Schriften,  Predigten  und  dgl.  Solche 
theologische  Schriftsteller  sind  Arnobius  (iunior),  Cerealis,  Ge- 
lasius,  Honoratus,  Ruricius,  Salonius  u.  A.  Besonders  wichtig 
aber  ist  des  Gennadius  Fortsetzung  von  Hieronymus'  Verzeich- 
niss  der  kirchlichen  Schriftsteller  (viri  illustres)  bis  auf  ihn  selbst 
(um  495), 

1.  Des  Arnobius  CommeDtarius  in  psalmos  ist  gewidmet  Leontio 
et  Bustico  episcopis,  die  um  460  fallen.  Ausserdem  ist  erhalten  Arnobii 
catboiiei  et  Serapionis  conflictus  de  deo  trino  et  uno  etc.,  in  Form  einer 
Verhandlung  vor  einem  Schiedsgericht,  in  der  Weise  ut  Arnobius  a  parte 
sedis  apostolicae  defensor  fieret  et  Serapion  a  synedrio  Aegyptiorum  al- 
tercator  existeret,  iudices  vero  essent  a  parte  catholica  Decius  Constantius 
et  a  parte  Aegyptiorum  Ammonius.  Abdruck  in  der  Bibl.  patr.  max.  VIII, 
in  Migne's  patrol.  LIII  (p.  238—569). 

2.  Gennad.  vir.  ill.  86:  Caesarius,  Arelatensis  urbis  episcopus,  .  . 
scripsit  egregia  et  grata  et  valde  monachis  necessaria  opuscula.  de'gratia 
quoqne  et  libero  arbitrio  edidit  testimonia.  .  .  quod  opus  etiam  papa  Fe- 
lix per  snam  epistolam  roboravit  et  in  latius  promulgavit.  floruit  hie  .  . 
Anastasio  remp.  administrante  (J.  491—518).  Vgl.  Greg.  Tur.  bist.  Franc.  IX, 
39.  Predigten  u.  A.  von  Caes.  in  der  Bibl.  patr.  maxima  VIII,  wie  bei 
Migne  LXVII. 

3.  Gennad.  ill.  96:  Gerealis  episcopus  natione  Afer,  interrogatus  a 
Maximino  Arianorum  episcopo,  si  paucis  possct  .  .  fidem  catholicam  assi- 
gnare,  .  .  copiosis  tarn  veteris  quam  novi  testamenti  indiciis  approbavit  et 
libello  edidit.  Abgedruckt  ist  diese  Schrift  z.  B.  in  Migne's  patrol.  LVIII. 
p.  757—767. 

4.  Gennad.  ill.  97:  Eugenius,  Carthaginis  .  .  episcopus  et  confessor 
publicus,  admonitns  ab  Hunerico  Vandalorum  rege  catholicae  fidei  cxpo- 
sitionem  et  maxime  verbi  homousii  proprietatem  disserere  (J.  484)  .  .  com- 
posuit  librum  fidei  (abgedruckt  z.  B.  bei  Migne  patrol.  LVIII.  p.  219—234). 
.  .  iam  vero  asportandus  pro  fidelis  linguae  remuneratione  in  exilium  epi- 
stolas  velut  commonitorias  fidei  .  .  dcreliquit  (abgedruckt  z.  B.  bei  Migne 
LVIII.  p.  770 — 775).  altercationes  quoque  quas  cum  Arianorum  praesulibus 
per  intemuntios  habuit  conscripsit  et  relegendas  per  maiorem  domus  Hu- 
nerico transmisit.  similiter  et  preces  pro  quietc  christianorum  eidem  velut 
apologias  obtulit.  vivere  adhuc  (um  495)  .  .  dicitur.  Er  starb  J.  505.  Vgl. 
Greg.  Tur.  bist.  Franc.  II,  3.  mirac.  I,  58. 

5.  Gennad.  ill.  94:  Gelasius,  urbis  Bomae  episcopus  (J.  492  —  496), 
scripsit  adversus  Eutychen  et  Nestorium  grandc  et  praoclarum  volnmen  et 
tractatus  diversarum  scripturarum  et  sacramentorum  elimato  sermone  et 
adversus  Petrum  et  Acacium  scripsit  epistolas.  .  .  fecit  et  hymnos  in  si- 
militudinem  Ambrosii  episcopi.  obiit  sub  Anastasio  Aug.  Abdruck  des 
Erhaltenen  (worunter  auch  de  lupercalium  intermisaionc)  in  den  Concilien- 


1068  Di«  Kaitferzeit.   Fünffcc8  Jahrhundert.   Zweite  Hälfte. 

saminluDgen,  in  der  Bibl.  patr.  max.  VIII,  in  Migne's  patrol.  LIX,  Schrei- 
ben seiner  Vorgänger,  der  Päpste  Hilarius  (J.  461  —  467),  Simplicius  (J, 
467—483),  Felix  III  (J.  483—492),  bei  Migne  LVIII. 

6.  Gennad.  111.  95:  (Antonius)  Honoratus,  Constantinae  (Africao 
civitatis)  episcopus,  scripsit  ad  Arcadium  quendam  qui  pro  confessione  fidei 
catholicae  in  partibus  Africae  a  Genserioo  rege  missos  exolabat  epistolam 
.  .'  hortatoriam.    In  Migne's  patrol.  L.  p.  567^570. 

7.  Gennad.  111.  99:  Honoratus,  Massiliensis  ecclesiae  episcopus,  vir 
eloquens  et  absque  uUo  linguae  Impedlmento  ex  tempore  in  ecclesia  de- 
clamator  .  .  in  homiliarum  raodum  .  .  multa  componit.  Auch  war  er  al» 
Reiseprediger  thätig.  .  .  sanctus  quoque  papa  Gelasins  (A.  5)  per  scriptn 
ram  agnoscens  eins  fidei  integritatem  rescripto  suo  probatam  iudicavit. 
Banctorum  quoque  patrum  vitas  .  .  coaptat  ipse  legendas,  praecipue  nntri- 
toris  sui  Hilarii  (oben  460,  7).  litanias  ad  supplicandam  dei  clemenüam 
cum  plebe  sibi  credita  pro  viribus  agit.  Gedruckt  ist  seine  vita  BUarii 
z.  B.  in  Migno-'s  patrol.  L.  p.  1220—1246. 

8.  Maximus,  Taurinensis  ecclesiae  episcopus  (was  er  J.  451  und  465 
noch  war),  moritur  Honorio  et  Theodosio  hin.  regnantibus  (Gennad.  vir.  ill. 
40).  Von  ihm  haben  wir  118  homiliae,  116  sermoncs  und  sechs  tractat-us 
(bes.  de  baptismo,  contra  paganos,  contra  ludaeos).  Ausg.  von  Er.  Bruni,  Rom 
1784  fol.  und  in  Migne's  Patrol.  LVII. 

9.  Gennad.  111.  98:  Pomcrius  nationo  Maurus,  in  Gallia  presbyter 
ordinatus,  interrogantibus  luliano  opiscopo  et  Vcro  presbytero  dialecti- 
corum  more  respondens  arte  dlalcctica  .  .  composuit  Do  natura  animac 
et  qualitate  eius  et  De  resurrectionc  .  .  libros  VIII  (abgedruckt  z.  B.  bei 
Migne  LIX).  .  .  memini  legisse  me  ollm  eius  dictatum  ad  quendam  no> 
mlnc  Prlncipium  de  contemtu  mundi  ac  rerum  transiturarum  hortatorium 
et  alium  De  vitüs  et  virtutibus  praetitulatum.  scripsisse  dicitur  et  alia  et 
adhuc  scribore,  quac  ad  meam  notitiam  non  vcnemnt.  vivit  usqae  hodie 
(um  495)^    Bei  Isid.  ill.  12  hcisst  er  lulianus  cognomento  Pomerius. 

10.  Von  Buricius,  episcopus  Lemovicensis  (Limogcs)  J.  484  —  507, 
sind  82  Briefe  in  zwei  Büchern  erhalten,  gerichtet  vorzugsweise  an  Bi- 
schöfe, wie  Sidonius,  Faustus,  Aeonius,  Euphrasius,  Caesarius,  Sedatus, 
AprunculuB^  Volusianus  u.  A.  Die  Nachahmung  des  Sidonius  ist  unver- 
kennbar (II,  18  versucht  sich  B.  auch  in  Hendckasyllaben);  an  Reich thum 
des  Inhalts  aber  sind  die  Briefe  mit  denen  des  Sid.  nicht  zu  vergleichen. 
Abdruck  z.B.  in  Migne's Patrol.  LVIII.  p. 68— 124.  Vgl.  oben  460, 4.  Epitaph  des 
Venant.  Fort.  (IV,  5)  auf  die  beiden  Ruricii  Auicii,   Grossvater  und  Enkel. 

11.  Salonius,  Sohn  des  Eucherius  (oben  450,  6),  Verfasser  einer 
Expositio  mystica  zu  den  Sprüchen  Salomo's  in  dialogischer  Form  (abge- 
druckt z.  B.  bei  Migne  LIII.  p.  967 — 993)  und  einer  ganz  ähnlichen  zum 
Prediger  Sal.  (ib.  p.  993  —  1011).  Ein  Brief  von  ihm,  Ceretius  und  Vera- 
nius  an  Leo  M.  bei  Migne  LIV.  p.  887  ff.  Briefe  und  Schriften  des  Sal- 
vianus  an  ihn,  s.  oben  458,  1.  3.  4;  ebenso  Briefe  des  Sidonius. 

12.  Vigilius,  Bischof  von  Thapsus  (Africa),  J.  484  verbannt;  Verf. 
von  AdversuB  Nestorium  et  Eutychem  libri  V  pro  defensione  synodi  Chal- 


462  f.   Gennadins  u.  A.   Victor.  1069 

cedonensifi  (gedmckt  Tubing.  1528  fol.  Colon.  1555).  Unter  dem  Namen 
des  Äthanasins  erschien  seine  Altercatio  adversas  Ariam.  Bestritten  ist 
die  Urheberschaft  der  libri  XII  de  trinitate.  Abdruck  in  Chifflets  Aneg. 
des  Victor  Vit.  (Divion.  1664.  4). 

13.  Gennad.  ill.  100:  ego  Gennadins,  Massiliae  presbyter,  scripsi 
adversns  omnes  haereses  libros  VIII  et  adversus  Nestorium  libros  VI,  Ad- 
versos  Pelagiom  libros  III  et  tractatus  de  mille  annis  et  de  apocalypsi  b. 
loannis,  et  hoc  opns,  et  epistolam  de  fide  mea  (=»  de  ecclesiasticis  dogma* 
tibuB,  bei  Migne  LVIII.  p.  979—1000)  misi  ad  b.  Gelasium,  urbis  Eomae 
episcopum.  Vgl.  ib.  72  extr.:  hunc  ipsum  libellum  (Timothei  ad  Leonem 
imp.)  noscendi  gratia  ego  rogatus  a  fratribus  in  latinum  transtnli.  Ueber- 
Schrift  des  Hauptwerkes  im  Veronensis:  catalogus  virorum  illustrinm  quos 
b.  Hieronymum  sequens  commemorat.  Ausgaben  an  dem  Werke  des  Hie- 
ronymus  (z.  B.  ed.  Vallars.  H,  2.  p.  967—1016),  in  Migne's  Patrol.  LVHI. 
p.  1053—1120  und  sonst.  Später  fortgesetzt  von  Isidorus.  Alle  diese  zu- 
sammen (mit  deren  mittelalterlichen  Fortsetzungen)  in  den  Schriften  De 
illustribus  ecclesiae  scriptoribus  von  SufPridus  Petrus  Leovardiensis  Frisius 
(Colon.  1680)  und  von  Aub.  Miraeus  (Antverp.  1639  fol.). 

463«  Historische  Arbeiten  aus  der  zweiten  Hälfte  des  fiinf-440 
ten  Jahrh.  sind  des  Victor  Vitensis  Geschichte  der  Verfolgung 
der  orthodoxen  Kirche  durch  die  arianischen  Vandaler,  und  die 
Chronik  des  Spaniers  Idacius^  welche  die  Jahre  379 — 469  um- 
fasst  und  die  Geschichte  seiner  Heimat  besonders  berücksichtigt. 
Ein  Verzeichniss  der  Consuln  vom  Beginne  der  Republik  bis  ins 
J.  468  n.  Chr.,  geschöpft  aus  den  altem  Fasten  und  einem  Aus- 
zuge aus  Livius,  ist  ohne  triftige  Gründe  gleichfalls  dem  Idacius 
beigelegt  worden. 

1.  Victor,  episcopus  Vitensis  (in  Byzacene),  ohne  Zweifel  auch  aus 
Africa  gebürtig  (historia  persecutionis  africanae  a  s.  Victore  patriae  Vi- 
tensis episcopo  in  einer  Handschrift).  Aus  dem  Vorwort:  ego  iubcntis 
imperio  oboedientiae  cervicem  submittens  qnae  obvenerunt  in  partibua 
Africae  debacchantibus  Arianis  sensim  breviterque  indicare  tentabo.  Zeit- 
bestimmung I,  1:  sezagesimus  nunc,  ut  darum  est,  agitur  annus  ex  quo 
populus  ille  cmdelis  ac  saevus  vandalicae  gentis  Africae  attigit  fines  (J. 
427  +  69  =  486;  nach  Papencordt  429  +  69  =  488).  B.  I  (nach  der 
Einthoilung  von  Chifflet)  enthält  die  Verfolgungen  durch  Geiserich  (f  477), 
B.  II,  IV  und  V  die  durch  dessen  Sohn  und  Nachfolger  Ilnnerich  (J.  477 
bis  Ende  484);  B.  III  das  Letzterem  überreichte  Glaubensbekenntniss  der 
orthodoxen  Bischöfe  (s.  oben  462,  4).  Die  Erzählung  ist  unter  dem  frischen 
Eindrucke  des  Selbsterlebten  einseitig  und  grell  gehalten,  die  Darstellung 
ungebildet.  F.  Papencordt,  Gesch.  der  vandal.  HeiTschaft  in  Africa  (Berl. 
1837)  S.  360—370. 

2.  Gedruckt  Colon.  1517.  1538  (cura  R.  Lorichii);  cum  notis  Fr.  Bal- 
duini   (mit  Optatus  Milev.)    Paris.   1569;    cum  notis  P.  Fr.  Chiffletii  (mit 


1070  Die  Kaiserzeit.    Fünftes  Jahrhundert.   Zweite  Hälfte. 

Vigil.  Thapa.),  Divion.  1664.  4.  c.  n.  et  obss.  Th.  Ruinart,  Paris.  1694.  8. 
Veron.  1732.  4.  In  den  i^atristischen  Sammlungen  z.  B.  von  Migne  (LVIIL 
p.  180—260.    Prolegg.  p.  126—179.    Appendices  p.  260—4.34). 

3.  Idac.  praef.:  Idacius,  provinciae  Gallaeciae  natns  in  Lemica  ci- 
vitate  (Lamego),  .  .  summi  praesul  creatus  officii  (vgl.  c.  4:  capto  Idacio 
epiacopo  YII  kal.  aug.  —  des  J.  464  —  in  Aquaefiaviensi  ecclesia),  .  .  per- 
eiuguum  informatns  studio  saeculari,  .  .  sanctornm  eruditissimonun  pairnm 
in  praecedenti  opere  suo  .  .  ostensum  ab  bis  secutus  ezemplar.  quorum 
primua  Eusebius  etc.  post  hunc  Hieronymus  presbyter  etc.  quem  quodam 
tempore  propriae  peregrinationis  (in  Palästina)  .  .  adhuc  infantulus  vidisse 
me  cettus  snm.  .  .  partim  ex  studio  scriptorum,  partim  ex  certo  aliquan- 
torum  relatu,  partim  ex  cognitione  quam  iani  lacrimabile  propriae  vitae 
tempus  osteildit  quae  subaequuntur  adiecimus.  .  .  ab  anno  primo  Theo- 
dosii  Aug.  in  annum  III  Valentiniani  Aug.,  Placidiae  reginae  filii,  .  .  a 
nobis  conscripta  sunt  studio  vel  ex  scriptorum  stilo  vel  ex  relationibus  in- 
dicantum.  exin  immerito  allectus  ad  episcopatus  officium  .  .  subdidimus 
etc.  posteris-  in  temporibus  quibus  offenderint  reliquimus  consummanda. 
Sichtlich  bemüht  sich  der  Verf.  redlich  die  Wahrheit  zu  sagen,  und  wo 
ihm  nicht  seine  Leichtgläubigkeit  im  Wege  steht  ist  er  ein  werthvoller 
Zeuge.    Vgl.  F.  Papencordt,  Gesch.  d.  vandal.  Herrschaft  (1837)  S.  362—365. 

4.  Handschrift  von  Sirmond,  wonach  von  diesem  herausgeg.  Paris. 
1619  und  in  sn.  Opp.  (Paris.  1696.  II.  p.  291  ff.  Venet.  1718.  IL  p.  228  ff-)i 
von  Bouquet  (recueil  des  bist,  de  la  France  I.  p.  612  ff.),  Florez  (Esp.  sagr. 
IV.  p.  345  ff.),  Roncalli  (vetust.  latt.  scr.  chron.  U.  p.  337  ff.).  Auch  bei 
Migne  Patrol.  LI.  p.  873—890. 

5.  Das  von  Sirmond  dem  Idacius  zugeschriebene  (Jonsulnverzeichniss 
streut  auch  geschichtliche  Nachrichten  ein,  Anfangs  spärlich,  in  den  letzten 
zwei  Jahrhunderten  häufiger.  Mit  Idacius  hat  es  sicher  die  Zeit  gemein, 
sowie  die  handschriftliche  Ucberlieferung.  Ausgaben  von  Sirmond  und 
lioncalli  (s.  A.  4),  in  Gmvius'  Thesaur.  antiqq.  rom.  XI.  p.  246  ff.,  Migne's 
Patr.  LI.  p.  891—894  u.  sonst. 

« 

.')97  464.  Die  Geschichte  der  Zerstörung  Troja's  von  dem  an- 
geblichen Phrygier  Dar  es  gehört  nach  Einkleidung  vvie  Aus- 
führung zu  der  Schwindelliteratur,  wie  sie  im  fünften  und 
sechsten  Jahrh.  üppig  wucherte.  Dem  Mittelalter  hat  vorzugs- 
weise dieser  Dares  Stoff  zu  seinen  trojanischen  Rittergeschiehten 
geliefert. 

1.  Aelteste  Erwähnung  des  angeblichen  Werkes  von  Darcs  bei  dem 
Schwindler  Ptolemäus  Chennus  (S.  des  Hephastion,  um  70 — 100  n.  Chr.)  I  (in 
Phot.  Bibl.  cod.  120) :  'AvrinaTQog  di  tpriaiv  6  'A%dvd'to$  (einer  der  vielen  von 
Ptol.  Chenn.  erdichteten  Schriftsteller,  R.  Hercher,  Ptol.  Ch.  S.  269  ff.)  Jdifrjvix, 
7r(f6  'OjjLTJQOv  y^ociffCivta  rriv  *IXid8a^  fivrifiova  ytviG&ai  '^EiitOQog  vn^if  tov  fi^ 
dvsXeiv  TJcctqo'kXov.  Der  Name  Dares  ist  entnommen  aus  Ilias  V,  9  ff.  Aelian 
(um  J.  170  n.  Chr.)  hat  seine  Eenntniss  darüber  wohl  eben  aus  Ptol.  Chennus; 
8.  Var.  bist.  XT,  2:    xal  tov  ^qvya  8\  Jagrira,  ov  (pQvyiav  'JlidSa  in  %al 


463  f.    Idacius.    Dares.  1071 

m 

vvv  dnoam^ofiivrjv  olÖcCy  n^o  ^OfLqQOV  xal  rovtov  ysvia&at  Xiyovai,  Ebeuso 
Eastath.  ad  Odyss.  XI.  p.  1697,  dessen  Angabe  (JaQTjta  ^Qvya  .  .  avtofio- 
Iriaaina  vn'  'OSvaaioig  dvccii^e^fivai)  mit  dem  auf  uns  gekommenen  Dares 
in  Widerspruch  steht.  Dunger  hat  nachgewiesen  dass  ein  griechischer  Dares 
hCchst  wahrscheinlich  überhaupt  nicht  existiert  hat  (S.  12—17). 

2.  Der  Verfasser  der  historia  de  excidio  Troiae  nimmt  die  Maske  des 
Cornelius  Nepos  vor,  welchen  er  —  bezeichnend  fSr  seine  Geschichtskennt* 
niss  —  seine  (angebliche)  Uebersetzung  dem  Sallustius  Crispus  widmen 
lilsst.  Er  sagt:  Cum  multa  Athenis  studiosissime  agerem  inveni  historiam 
Daretis  Phrygii,  ipsius  manu  scriptam,  ut  titulus  indicat,  quae  de  Graecis 
et  Troianis  memoriam  mandat.  quam  ego  summo  amore  complexus  con- 
tinuo  transtuli.  cui  nihil  adiciendum  vel  deminuendum  rei  formandae  causa 
putayi,  alioqui  mea  posset  videri.  Optimum  ergo  duxi  ut  ita  ut  fnit  vere 
et  simpliciter  perscripta  sie  eam  in  latinitatem  ad  verbum  transverterem, 
ut  legentes  cognoscere  possent  .  .  utrum  magis  vera  esse  existiment  quae 
Dares  Phrygius  memoriae  commendavit  .  .  anne  Homero  credendum.  .  .  de 
qua  re  Athenis  iugiter  fnit  mentio,  cum  pro  insano  Homerus  haberetur 
quod  (und  diese  Begründung  verräth  den  Christen)  deos  cum  hominibus 
belligerasse  descripserit.  Die  Behauptung  treuer  Wiedergabe  des  Originals 
kann  aber  nicht  richtig  sein,  da  gleich  der  Rath  welchen  im  Original 
Dares  dem  Hektor  gegeben  haben  soll  (s.  A.  1)  in  der  lateinischen  Be- 
arbeitung nicht  vorkommt.  Die  ganze  Angabe  von  dem  griech.  Originale 
wird  daher  eine  Fiction  sein.    Vgl.  A.  1. 

3.  Der  Verf.  behauptet  Autopsie,  und  hat  damit  ^em  Mittelalter  stark 
imponiert.  Vgl.  c.  12:  Dares  Phrygius,  qui  haue  historiam  conscripsit,  ait 
se  militasse  usque  dum  Troia  capta  est.  hos  se  vidisse  etc.  c.  44:  hacte- 
nuB  Dares  Phr.  graecis  litteris  mandavit.  .  .  hucusque  historia  Daretis.  Am 
Schlüsse  summiert  er  die  Zahl  der  beiderseits  Gefallenen  nach  seinen  acta 
diuma,  und  berechnet  die  der  Trojaner  auf  67600(X,  der  Griechen  aber  auf 
886000  Mann.  Ueberhaupt  stellt  er  sich  ganz  entschieden  auf  den  Stand- 
punkt der  Trojaner,  und  auch  diess  diente  ihm  im  Mittelalter,  das  unter 
Vergils  Einflüsse  stand,  nur  zur  Empfehlung.  Vermöge  seiner  Autopsie  gibt 
er  c.  12 f.  von  den  beiderseitigen  Personen  ganz  genaue  Schilderungen,  z.B. 
Helenam  .  .  cruribus  optimis,  notam  inter  duo  supercilia  habentem.  Dagegen 
verwandelt  er  das  hölzerne  Pferd  rationalistisch  in  einen  am  skäischen 
Thore  gemalten  Pferdekopf  (c.  40).  In  Wahrheit  ist  der  Verfasser  ein 
Kömer,  da  er  das  Werk  des  Valerius  kurzweg  Argonautae  nennt  (c.  1:  qui 
volunt  eos  cognoscere,  Argonautas  legant,  vgl.  ib.  15.  Dunger  S.  8.  15). 
Und  zwar  schrieb  er  in  christlicher  Zeit  (s.  A.  2),  vor  Isidor  (s.  A.  4),  etwa 
im  fünften  Jahrb.,  worauf  die  Sprache  hinweist  (15:  audivit  quia;  31: 
mittit  indutias  pctere)  und  der  ganze  trockene  Ton,  die  kümmerliche  Sti- 
lisierung in  lauter  kurzen  einförmigen  Sätzchen.  Quellen  (neben  der  eige- 
nen Erfindung?)  für  Einzelheiten  Diktys  und  wohl  auch  der  sog.  Pindarus 
Thebanus  (vgl.  Dunger  S.  15 — 17). 

4.  Isidor  kennt  das  Buch  bereits  und  glaubt  an  die  Erdichtung,  s. 
Orig.  I,  41:  historiam  primus  apud  nos  Moyses  .  .  conscripsit;  apud  gentiles 
vero  primus  Dares  Phr.  de  Graecis  et  Troianis  historiam  odidit,  quam  in 


1072  Die  Kaiserzeit.   Fünftes  Jabrhunderf.    Zweite  Hälfte. 

foliis  pakaarum  ab  eo   conscriptam  esse  ferant.     post  Daretem  antem    in 
Qraecia  Herodotns  primus  historiographuB  habitus  est.     Aelteste  Hds.   die 
Florentiner  (saec.  IX — X),  nSLchstdem  (aus  saec.  X)  die  St.  Galler,  Bemer 
nnd  Bamberger,  sowie  (aus  saec.  XII)  die  Wiener;  s.  F.  Meister  S.  1 — 23. 
Dem  Mittelalter  lag  (wie  H.  Danger  nachgewiesen  bat)  Dares  lediglich   in 
seiner  jetzigen  Gestalt  (nicht  etwa  in  einer  ausfOhrlicheren  Fassung)  vor. 
Erste  Erwähnung  (als  Daires)  bei  dem  nordfranzdsiscben  Trouv^re  Benoit 
de  Ste.  More  (um  1150)  in  seiner  Destruction  de  Troyes   (Dünger  S.  32. 
34—36.  37),  sowie  (als  vates  phrygius  I,  25)  bei  Joseph  von  Exeter  (lacanns) 
in  seinen  sechs  Bfichern  De  belle  troiano  (zwischen  J.  1184—1191;  vgl.  Diinger 
S.  23—26),  dann  bei  Albert  von  Stade  (Dunger  S.  26  f.)  um    1230,   in  der 
l'rojumanna  saga  (Dunger  S.  75—80)  und  bei  Konrad   von  Würzburg  (um 
1280).    Vgl.  F.  Meister  S.  25—36.     Auch  eine  Historia  Daretis  Frigii   de 
origine  Francorum  (welche  von  den  Trojanern  abstammen  wollten)  ist  hand- 
schriftlich vorhanden,  aber  noch  nicht  veröffentlicht.     Vielleicht  ist  auch 
die  Historia  excidii  Troiae  auf  fränkischem  Boden  entstanden. 

5.  Ausgaben  meist  mit  Diktys-Septimins;  s.  oben  416,  1 — 5.  Zuletzt  tod 
A.  Dederich,  Bonn  1835  und  seiner  Ausg.  des  Dictys  (1837)  angehängt. 

6.  Dürftige  Abhandlung  de  Darete  Phrygio  von  J.  G.  Eccius  (Lips.  1768). 
Trefflich  H.  Dunger,  die  Sage  vom  trojanischen  Kriege  in  den  Bearbeitungen 
des  Mittelalters  u.  s.  w.  Dresden  1869  (Progr.  des  Vitzthumschen  Gymn.). 
F.  Meister,  über  Dares  von  Phryg^ien,  de  exe.  Tr.  bist.,  Breslau  1871.  36 
S.  4.  Beiträge  zur  Textkritik  von  J.  Schmid,  Ztschr.  f.  östr.  Gymn.  XX. 
1869.  S.  819—830.    • 

442  465,  Grammatiker  imgefähr  aus  dieser  Zeit  sind  die  Com- 
mentatoren  der  Ars  des  Donatus,  Cledoniiis  aus  Rom,  Lehrer 
in  Constantinopel,  und  Pompeius  aus  Mauretanien.  Von  einem 
grammatischen  Werke  des  Galliers  Consentius  sind  zwei  Ab- 
schnitte, de  nomine  et  verbo  und  de  barbarismis  ei  metaplasmis, 
gleichfalls  auf  uns  gekommen;  ebenso  von  dem  grammaticus 
urbis  Bomae  Phocas  eine  Ars  de  nomine  et  verbo  und  eine 
vita  Vergilii  in  Hexametern.  Von  Rufinus  aus  Antiochia  be- 
sitzen wir  einen  commentarius  in  metra  Terentiana,  sowie  eine 
Abhandlung  über  die  Metra  der  Redner,  beide  theilweise  in  ge- 
bundener Form.  Auch  der  Lehrer  des  Priscianus,  Theoctistus, 
sowie  wohl  der  Glossograph  Placidus  gehörten  dieser  Zeit  an. 

1.  Ars  Cledonii  romani  senaioris,  Coustantinopolitani  grammatici 
bei  Putsche  p.  1861—1936  und  Keil  V.  p.  9  —  79.  Sie  ist  uns  erhalten 
durch  einen  cod.  Bemensis  saec.  VI,  der  aber  sehr  verwirrt  nnd  verdorben 
ist.  Sie  bildet  einen  fortlaufenden  Commentar  zu  Donatus,  geschöpft  aus 
den  in  den  Schulen  üblichen  Quellen  (z.  B.  Vergilcommentaren),  denselben 
welche  auch  in  den  ausführlicheren  Werken  von  Sergius  (oben  404,  2)  und 
Pompejus  (s.  A.  2)  benützt  sind  (genannt  werden  Varro,  Plinius,  Probus, 


464  f.   Dares.    Cledonius^  Pompeius  u.  a.  Grammatiker.  1073 

Terentiänus,  Sabinus),  und  enthält  neben  dem  Gewöhnlichen  auch  einige 
gewähltere  Bemerkungen.  Entstehung  aus  Schnlvorträgen ;  vgl.  p.  14, 
4  ff .  K.:  quodam  tempore,  dum  Atb  in  Capitolio  die  competenti  tracta- 
rctur,  unus  e  florentibus  discipulia  lohaunes  a  grammatico  yenia  postulata 
.  .  sciscitatus  est  etc.     F.  Osann,  Beiträge  II.  S.  314—316.   Keil  V.  p.  3—8. 

2.  Pompe i  commentum  Artis  Donati  herausgegeben  von  Lindemann 
(Lips.  1820)  p.  3—480,  bei  Keil,  gramm.  latt.  V.  p.  95  —  312.  Ueber  die 
Handschriften  davon  s.  Keil  p.  83—88.  Der  Charakter  als  Schulbuch  ist 
stark  ausgeprägt  (durch  Fragen,  Anreden  u.  dgl.).  verbosa  et  puerilis 
tractandi  ratio,  molestissima  rerum  tritissimarum  repetitione  fastidium 
creans,  hac  sola  re  quodam  modo  vel  ezcusatur  vel  intellegitur  quod  scbo- 
larum  consuetudinem  grammaticus  scribendo  imitatus  est  (Keil  p.  90). 
Benützt  ist  hauptsächlich  Donats  ausfuhrlichere  Ars  und  des  Servius  Gom- 
mentar  zu  Donat  in  seiner  ursprünglichen  Fassung,  mit  willkürlichen  Um- 
änderungen. Genannt  wird  besonders  häufig  Probus  und  Plinius;  ausser- 
dem Claudius  Sacerdos,  Caper,  luba,  Terentianus,  und  viele  ältere  (Luci- 
lius,  Cato,  Varro,  Caesar,  Verrius  Flaccus  u.  A.),  diese  ohne  Zweifel  nur 
aus  späteren  Quellen.  Als  Maurus  bezeichnet  sich  P.  p.  206,  5  f.  K.  vgl. 
p.  287,  5.  Im  Mittelalter  wurde  sein  Buch  neben  Priscian,  Donatus  und 
Servius  besonders  häufig  benützt  und  angeführt,  erstmals  durch  Julianus 
von  Toledo  (gegen  Ende  von  saec.  VII).  Auch  Excerpte  daraus  sind  er- 
halten  (Keil  V.  p.  88).  Osann,  Beiträge  II.  S.  311—313.  Gräfenhan,  Gesch. 
d.  class.  Philol.  IV.  S.  108  f.  A.  46.  Keil,  gramm.  V.  p.  89—94,  vgl.  Pro- 
rectoratsprogramm  von  Erlangen  1868,  p.  3:  eo  tempore  quo  primum  cum 
vctere  eruditione  misccri  nova  barbaries  cocpta  est,  id  quod  inde  a  sexto 
fore  saec.  vel  exeuntc  quinto  factum  esse  suspicor,  Pompeius  .  .  scripsit. 
qui  quamvis  rudi  scrmone  et  raolestissimis  verborum  ambagibus  usus  ple- 
raque  incpte  et  pueriliter  disputct,  tamen  multa  mclioris  doctrinae  vesti- 
gia  ex  antiquioribus  .  .  rctinuit. 

3.  Ars  Consentii  v.  c.  de  duabus  partibus  orationis,  nomine  et 
verbo,  bei  Putsche  p.  2017  —  2074;  Ars  Cons.  v.  c.  de  barb.  et  metapl., 
von  A.  Cramer  zu  liegensburg  entdeckt  und  von  Buttmann  herausgeg. 
(Berol.  1817);  beide  zusammen  bei  Keil,  gramm.  latt.  V.  p.  338—404.  Nach 
der  Auswahl  seiner  Beispiele  von  Ortsnamen  ist  der  Verf.  sicher  aus  Gal- 
lien (F.  Osann,  Beiträge  II.  S.  346  f.),  und  gehört  daher  wohl  zu  der  Fa- 
milie des  dichterischen  Freundes  von  Sidonius,  Consentius  in  Narbo  (s. 
oben  459,  5).  Die  Identificierung  mit  demselben  (Funccius,  Osann)  ist  aber 
nicht  wahrscheinlich  (Lachmann,  H.  Keil),  dicendi  genus  cxquisitum  et 
artificiosum  et  a  vulgari  grammaticorum  consuetudine  diversum  gallico 
homine  studio  rhetoricae  artis  .  .  exculto  non  videtur  esse  indignum  (H. 
Keil  p.  333).  Verweisungen  auf  nicht  erhaltene  frühere  (p.  353,  17.  398, 
36  f.'  399,  30  K.)  und  spätere  (p.  377,  26.  393,  30  ff.  K.)  Theile  des  Werkes 
machen  glaublich  dass  die  zwei  Schriften  zufällig  gerettete  Ueberreste  einer 
vollständigen  Grammatik  sind.  Vorgänger  nennt  Consentius  selten  bei 
Namen;  doch  finden  sich  die  von  Varro,  Probus,  (Aruntius)  Celsus,  Pa- 
laemo,  Pansa  und  Asper.  Die  ausgedehnte,  aber  nicht  auf  .unmittelbare 
Benützung  führende   Uebereinstimmung  mit  Donatus,  Charisius   und  Dio- 

TxüTFEX,  B^m.  LitoraturgeBohichto.   2.  Aufl.  68 


1074  Die  EaUerzeit.  Fünftes  Jahrhundert   Zweite  Hälfte. 

medes  macht  glaublich  daes  Cons.  aus  den  gleichen  Quellen  wie  diese  ge- 
schöpft hat,  also  aus  Palaemo,  Probus  und  Cdminianus.  H.  Keil  L  1.  p. 
334—336. 

4.  Doppeltes  Vorwort  der  Ars  des  Phocas,  in  gebundener  Form 
(6  Distichen,  beginnend:  Ars  mea  multorum  es)  und  in  Prosa.  Aus  letz- 
terem: praecipue  discipulis  nostris  .  .  nominum  regulas  et  verborum  in 
unum  congessi,  quoniam  .  .  super  ceteris  abunde  dictum  a  summis  aucto- 
ribtts  aestimo.  quo  in  opere  nihil  mihi  sumam  nee  a  me  novi  quidquam 
repertum  adfirmabo.  multa  namque  ex  multorum  libris  decerpta  concinna 
breyitate  conclusi.  Geschöpft  ist  das  Schriftchen  aus  denselben  Quellen  wie 
Charisius,  hauptsächlich  wohl  aus  Palaemon  und  (den  Catholica  des)  ProbuB. 
Angeführt  wird  Ph.  schon  von  Priscian  (X,  23.  p.  616,  16  H.)  und  Cassiodor 
(de  orthogr.  p.  2279  P.  vgl.  p.  2321.  inst.  div.  30);  andererseits  ist  des 
Phocas  vita  Vergilii  (s.  oben  S.  439  f.)  vorzugsweise  aus  Donatus  geschöpft. 
Handschriften  der  ars  sind  zahlreich  (Keil  V.  p.  406 — 407).  Abdruck  der- 
selben bei  Putsche  (p.  1688—1722),  Lindemann  (p.  321—363)  und  bes.  bei 
Keil,  gramm.  latt.  Y.  p.  410  —  439.  Vgl.  ib.  p.  407  f.  Wernsdorf,  poetae 
latt.  min.  UI.  p.  347  f. 

6.  Den  Namen  des  Phocas  trägt  auch  ein  Aufsatz  de  aspiratione 
(bei  Keil  V.  p.  439 — 441),  wohl  mit  unrecht,  nam  et  dicendi  genus  quae- 
dam  quae  ab  illius  sermone  aliena  sunt  continet  et  rerum  tractandarum 
ratio  tam  diversa  est  ab  iis  quae  de  eodem  argumento  a  yeteribus  gram- 
maticis  cbmposita  sunt  ut  recentiore  aetate  haec  ex  antiquorum  common- 
tariis  congesta  et  veteris  grammatici  nomine  inscripta  esse  videantur. 
Keil  1.  1.  p.  409. 

6.  Des  Ruf  in  US,  grammaticus  Antiochensis ,  comm.  in  metra  Ter. 
ist  abgedruckt  bei  Putsche  p.  2706  ff.  und  bei  Gaisford  (script.  rei  metr.) 
p.  378  ff.  Die  ähnliche  Schrift  des  Priscian  (unten  473,  6  b)  ist  darin  noch 
nicht  benützt;  wohl  aber  führt  R.  neben  vielen  andern  Grammatikern  auch 
den  Donatus,  Victorinus  und  Servius  an  (Osann,  Beiträge  IL  S.  307  f.). 

7.  Rufini  V.  c.  litteratoris  versus  (Hexameter  und  sapphische  Strophen) 
et  excerpta  de  compositione  et  de  metris  oratorum  in  den  Sammlungen 
von  Pithoeus,  Gapperonnier,  Gaisford  (script.  rei  metr.  p.  388  ff.),  in  Orelli's 
Schol.  Cic.  1.  p.  183  ff.  Am  besten  in  Halm's  Rhetores  latt.  p.  575 — 584. 
Angeführt  werden  darin  von  jüngeren  Schriftstellern  Charisius,  Diomedes, 
Victorinus,  Terentianus;  auch  ein  Pompeius  Messalinus  (de  numeris  et  pe- 
dibus  oratorum  sie  dicit,  p.  582,  22). 

8.  DasB  die  22  Verse  über  Pasiphae  in  den  sämmtlichen  horazischen 
Metren  (abgedruckt  bei  Wernsdorf,  poet.  latt.  min.  III.  p.  393—395,  in  Riese's 
anth.  lat.  732)  von  Rufinus  verfasst  seien  ist  eine  Vermutung  von  Dousa, 
gebilligt  von  Wernsdorf  (l.  1.  p.  339—342)  u.  A. 

9.  Ueber  den  Schüler  des  Rufinus,  Remius  Favinus,  s.  oben  444,  2. 
Vgl.  Riese,  anthol.  lat.  IL  p.  IX. 

10.  Cassiod.  divin.  lect.  30:  orthographos  antiquos  legant  Velium  Lon- 
gum  (oben  338,  2),   Curtium  Valerianum,  Papirianum   (s.  oben  439,    11), 


•    465  f.   Phocaa,  fi*afinu8  u.  a.  Grammatiker.    Sedulius.  1075 

Adamantiam  Martyrium  de  v  et  b,  eiusdem  de  primis,  mediis  atque 
ultimis  syllabis,  eiusdem  de  b  littera  trifariam  in  nomine  posita.  Auszug 
aus  der  erstem  Scbrift  des  Adamantius  bei  Cassiod.  de  orthogr.  5  und  daraus 
bei  Putsche  p.  2295  ff.  Das  prooemium  davon  an  A.  Mai's  Ausgabe  des 
Fronto  p.  548  ff.  P.  Osann,  Beiträge  IL  S.  288—294.  Auszug  aus  Curtius 
Val.  (ygl.  Symmach.  ep.  VIII,  69)  bei  Cassiod.  de  orthogr.  3. 

11.  Ueber  Lactantiua  Placidus  s.  oben  316,  3. 

12.  Priscian.  inst.  VI,  51  (p.  238,  5  ff.  H.):  quod  .  .  doctissime  attendit 
noster  praeceptor  Theoctistus,  omnis  eloquentiae  decus,  cui  quidquid  in 
me  sit  doctrinae  post  deum  impnto.  Vgl.  XVIII,  66  (IL  p.  231,  24  f.  H.): 
teste  sapientissimo  domino  et  doctore  meo  Theoctisto,  quod  in  institutione 
artis  grammaticae  docet  etc.  Cassiod.  divin.  lect.  30:  Theoctistum  qnoque 
aliqua  de  tali  arte  (orthogr.)  conscripsisse  comperimus.  Ps.  Acro  zu  Hör. 
S.  I,  5,  97:  (Barium)  civitas  est  quae  Atbaris  dicitur  hodieque,  ut  dizit 
grammaticus  Theotistus. 

13.  SchoL  Bern,  zu  Vergil.  EcL  X  fin.  (p.  839  H.):  haec  omnia  de 
commentariis  Romanorum  congregavi,  i.  e.  Titi  Galli  et  Gaudentii  et 
maxime  lunilii  Flagrii  Mediolanensis.  D^r  Verf.  selbst  also  ist  kein  Römer, 
sondern  wie  es  scheint  ein  Schotte  (Adananus)  ungefähr  des  achten  Jahrh. 
Von  seinen  drei  Quellen  wird  T.  (Titins?)  Gallus  Yon  ihm  nur  zu  Georg. 
I,  1 — 149  elfmal  angeführt,  später  nicht  wieder,  vielleicht  weil  für  wesent- 
lich den  gleichen  Stoff  (denn  Gallus  wie  Gaudentius  hatten  aus  Servius 
geschöpft)  die  Fassung  des  Gaudentius  (dessen  Commentar  sich  auf  die 
Eklogen  und  Georgica  erstreckte)  sich  mehr  empfahl.  Der  Versuch  von 
H.  Hagen,  Jahrbb.  f.  class.  PhiloL  Suppl.  IV.  p.  697—703,  zu  beweisen  dass 
vielmehr  Servius  diese  beiden  benützt  habe,  ist  misslungen,  schon  weil  er 
nicht  berücksichtigte  dass  bei  jeder  Verschiedenheit  des  Ausdrucks  das 
correcte  Latein  auf  Seiten  des  Servius  ist,  und  Abweichungen  wie  p.  701: 
omnis  terra,  ut  etiam  Varro  docet,  quadrifariam  dividitur  (Servius)  gegen: 
omnis  terra  quadrifaria  (Gaudentius)  den  Servius  unzweifelhaft  als  den 
Vorgänger  erweisen.  lunius  Philargyrius  (in  den  Schol.  Bern,  ent- 
stellt zu  lunilius  Flagrius)  hatte  in  seinem  Commentar  zu  Verg.  Ecl.  u. 
Georg,  weder  selbst  den  Servius  benützt  noch  ist  er  (trotz  H.  Hagen  I.  1. 
p.  704 — 708)  von  diesem  benützt  worden,  zeigt  noch  achtbare  Kenntnisse 
und  in  seinen  Angaben  grosse  Zuverlässigkeit  (Ribbeck  prolegg.  p.  193  f.). 
Ph.  Wagner,  de  lunio  Philarg.  (Dresden  1846.  1847),  bes.  I.  p.  26—30,  hat 
daher  den  J.  Ph.  für  einen  Zeitgenossen  des  Servius  erklärt,  G.  Thilo 
(Rhein.  Mus.  XV.  S.  134)  spätestens  in  saec.  VI,  wahrscheinlich  aber  früher, 
gesetzt. 

466«  Unter  den  christlichen  Dichtern  der  Zeit  zeichnet443 
sich  der  jungverstorbene  Sedulius  aus  durch  Einfachheit  und 
Lebendigkeit  der  Sprache  sowie  eine  von  dem  classischen  Ge- 
brauche nicht  sehr  stark  abweichende  poetische  Technik.  Er  be- 
arbeitete die  neutestamentliche  Geschichte  unter  dem  Titel  Paschale 
Carmen  zuerst  im  epischen  Masse  in  vier  oder  fünf  Büchern  und 

68* 


1076  Die  Kaiserzeit.    Filnftes  Jahrhundert.   Zweite  Hälfte. 

dann  erweitert  auch  in  rhetorischer  Prosa.  Beide  Bearbeitungen 
sind  auf  uns  gekommen.  Die  poetische  ist  viel  natürlicher  und 
anziehender  als  die  prosaische.  Ausserdem  besitzen  wir  von 
Sedulius  eine  künstlich  angelegte  Elegie  mit  Parallelen  zwischen 
dem  alten  und  dem  neuen  Testament,  sowie  einen  Hymnus  auf 
Christus  in  iambischen  Dimetern  mit  alphabetischer  Folge  der 
vierzeiligen  Strophen  und  häufigen  Schlussreimen. 

1.  .  .  Macedonio  presbytero  Sedulius  Caelius  .  .  salutem.     .  .  cum  sae- 
cularibus  studiid  occupatus  vim  impatientis  ingenii  .  .  inani  vitae  dependereni 
et  litterariae  soUertia  disciplinae  luBibus  infructuosi  operis  .  .  »erviret,  tan- 
dein  dens  .  .  iugcnium  caelestis  (prudentiae)  sale  condivit.    .  .  quattuor  ergo 
Mirabilium  diviuorum  (weil  das  Werk  die  niiracula  Christi  behandelt)  libol- 
los,  quos  ex  pluribus  pauca  complexus  UHque  ad  passionem  et  resurrectio- 
nein  aseensionemque   .  .   ChriBÜ  quattuor  cvangelistarum  dicta  congregans 
ordiuavi,   .   .  tuae  defensioni   coinmendo.     huie  autem    operi  .  .  Paschalis 
carminis  uomen  imposui,  quia  pasQjia  nostrum  immolatus  est  Christus.    Aus 
der  Widmung  der  prosaischen   Redaction  au  denselben  Macedonius:  prae- 
copisti  .  .  paschalis  carminis  textum  .  .  in  rhetoricum  me  transferre  sermo- 
nem.     .   .  iniunctam  suscepi  provinciam.     .    .  tradita  multa  pro   metricae 
nccessitatis  angustia  priori  comracntario  nequaquam  videntur  inserta   quae 
postmodnm  Hnguae  resolutio  magis  est  assecuta.     .  .  quae  defuerant  primis 
addita  sunt  sccundis    (libellis).     .  .  priores  libri,   quia  versu  digesti  sunt, 
nomen  Paschalis  carminis  acccpernnt;  sequcntes  autem  in  prosa  .  .  convenji 
Paschalis  designantur  operis    vocabulo    nuncupati.      Die  Zeit  des  Sedulius 
wird  bestimmt  dadurch   dass  derselbe   ein    Freund   des   Asterius,   Cos.   494, 
gewesen  zu  sein  scheint  (s.  A.  5)  und  von  Gennadius  nicht  aufgefühi*t  wird, 
wohl  aber  erwähnt  von  Yenantius  Fortunatus  (vita  Mart.  I,   16.  misc.  VIII, 
1,  59:   Sed.   dulcis),   Isidor  (ill.   7)   und   Cassiodor.      Einen    unzuverlässigen 
Anhalt  gibt  das  (angebliche?  bestimmt  datierbare?)  Dccret  des  Papsts  Ge> 
lasius    de    libris  recipiendis:   item    vcncrabilis  viri    Sedulii  paschale  opus, 
quod  heroicis  descripsit  versibus,  insigni  laude  praeferimus.     item    luvenci 
(oben  398)  nihilominus  laboriosum  opus  non  spernimus,  sed  miramur.    Vgl. 
Arevali's  prolegg.  150  fF.     Ebenso,  in  Ermanglung  irgend  welcher  Beglaubi- 
gung und  Begründung,  die  von  Arevali  23  erwähnten  Angaben  von  (wel- 
chen?) codd. :  libros  suos  scripsit  tempore  Valentiniani  et  Theodosii  (des 
Jüngern)  u.  ähnl. 

2.  Sedul.  I,  23  ff.:  cur  ego  davidicis  assuetus  cantibus  odas  chorda- 
rum  resonare  decem  sanctoque  verenter  stare  choro  et  placidis  caelestia 
psallere  verbis  clara  salutiferi  taceam  miracula  Christi?  Als  solche  werden 
schon  die  im  A.  T.  berichteten  Wunder  betrachtet  und  B.  I  (nach  einem 
Vorwort  im  elegischen  Masse)  dargestellt.  B.  II  beginnt  dann  mit  der 
Geburt  Christi,  B.  111  mit  der  Hochzeit  zu  Kana.  B.  V  (in  einem  Theile 
der  Hdss.  zerfallt  das  Ganze  nur  in  vier  Bücher)  schliesst  mit  der  Himmel- 
fahrt und  einem  Epilog.  Auch  Reden  Christi  werden  kurz  in  Verse  ge- 
bracht.    Auf  Ueberg^nge   in  der   Erzählung^   Verknüpfung   der    einzelnen 


466.    Sedulius.  1077 

Theile  wird  kein  Werth  gelegt.  Die  Darstellung  beweist  rhetorische  Bil- 
dung und  Kenntniss  besonders  des  Vergil.  Die  prosaische  Bearbeitung 
hat  in  Ausdruck  und  Wortstellung  viel  Geschraubtes. 

3. .  Die  Abweichungen  von  der  classischen  Prosodie  und  Metrik  bei  Sed. 
bestehen  in  Verlängerung  kurzer  Silben  durch  die  Hebung  (z.  B.  I,  35.  V,  162. 
Eleg.  69  f.:  p^r  hominem),  Verkürzung  langer  in  der  Senkung  (z.  B.  haec 
Sputa  V,  102;  TdÖla  V,  146  u.  dgl.)  und  Hiatus  (z.  B.  II,  77  ducäm  hoc; 
el.  6  u.  62  zwischen  den  zwei  Hälften  des  Pentameters;  hymn.  17:  enixa 
est?).  Die  Cäsuren  beschränken  sich  fast  durchaus  auf  itevd-riiiiiiBQTjg  und 
die  Verbindung  von  zQid'7ifjLifis(frig  mit  {zQitog  zgoxccCog  und)  eq>d'rifiiiisQi]g. 
In  der  Elegie  bilden  dieselben  Worte  sowohl  die  nsv&'ritiiiisQ7}g  des  Hexa- 
meters als  die  zweite  Hälfte  des  Pentameters:  epanaleptische  Anlage.  In 
dem  Hymnus  ist  X  vertreten  durch  Xiisto,  Y  durch  Ymnis.  Die  damalige 
Unhörbarkeit  von  auslautendem  m,  s,  t  zeigt  sich  in  Reimen  wie  pectoris  — dei; 
inpie — times;  viderant — praeviam;  personat — pignora;  millia  —  victimam; 
fundere  —  originem;  plurimus — febrium;  vinculis  —  sibi;  torridi — obstruit 
u.  8.  f.    Vgl.  oben  415,  2  u.  unten  467,  2.  468,  4  E. 

4.  Die  Zutheilung  eines  cento  vergilianus  De  verbi  incarnatione  an 
Sedulius  beruht  lediglich  auf  dem  Zufalle  dass  in  einer  corveyschen  Hand- 
schrift derselbe  ohne  Absatz  und  Ueberschrift  in  das  carmen  paschale  ein- 
gereiht ist.  Herausgegeben  ist  dieser  cento  zuerst  von  Martene  und  Du- 
rand (Collcctio  ampl.  IX.  p.  125),  dann  besonders  in  Arevali's  Ausg.  des 
Sed.  (s.  A.  6)  =  Migne  XIX.  p.  773—780.  Derselbe  steht  tief  unter  der 
Kunst  des  Sedulius.  So  reiht  er  v.  72  die  beiden  vergilischen  Stellen  ore 
favete  omnes  und  et  et  huc  advertite  mentem  harmlos  zu  Einem  Verse 
zusammen.     Vgl.  auch  oben  430,  15.  446,  9. 

5.  Aus  einer  Reimser  Seduliushandschrift  veröffentlichte  Sirmond  zu 
Ennod.  epp.  I,  24  die  Subscription:  Hoc  opus  Sedulius  inter  chartulas  dis- 
persum  reliquit.  quod  recollectum  adornatumque  ad  omnem  olegantiam 
divulgatum  est  a  Turcio  Rufio  Asterio  v.  c,  consule  ordinario  (des  J.  494) 
atque  patricio.  Darauf  folgt  ein  (an  Macedonius  presbyter  gerichtetes) 
Epigramm  desselben  von  vier  Distichen  (v.  6:  Asteriique  tui,  .  .  cuius  opo 
et  cura  edita  sunt  populis).  0.  Jahn,  Berichte  der  sächs.  Ges.  d.  W.  1851, 
S.  350  f.  Riese's  Anthol.  lat.  491.  Dieser  Asterius  ist  derselbe  von 
welchem  auch  die  berühmte  Subscription  im  Mediccus  des  Vergil  herrilhrt: 
Turcius  Rufius  Apronianus  Asterius  v.  c.  et  inl.,  ex  comite  domest.  protect., 
ex  com.  priv.  largit.,  ex  praef.  urbi,  patricius  et  consul  ordin.  legi  et  dis- 
tincxi  codicem  fratris  Macharii  v.  c.  .  .  XI  kal.  mal.  Romae.  Daran  schlie- 
ssen  sich  wieder  acht  Distichen  (v.  4:  scenam  euripo  oxtulimus  subitam) 
ähnlichen  Inhalts  an.  Vgl.  Riese's  anthol.  lat.  I.  ]}.  11  f.  Akro-(und  tele-) 
stichischc  Gedichte  auf  Sedulius  antistes  von  einem  Belisarius  scholasticus 
und  einem  Liborius  bei  Migne  XIX.  p.  782 — 786  (aus  Arevalus),  sowie  in 
Riese's  Anthol.  lat.  492  f.  (ygl.  II.  p.  44  f.). 

6.  Ausgaben  des  Sed.  theils  mit  luvencus  (Venet.  1502.  4.  ai)ud  Aldum; 
Basil.  1541)  theils  in  den  Sammlungen  der  christlichen  Dichter  von  Fabri- 
cius  und  von  Maittaire  (II.  p.    1660  ff.),    und  der  Kirchenvät<jr  überhaupt 


1078  Die  Kaiserzeit.    Fünftes  Jahrhundert.    Zweite  Hälfte. 

(z.  B.  Bibl.  patr.  maz.  VI.  p.  458  ff.).  Sonderausgaben  von  Chr.  Cellarius 
(Halle  1704.  1739),  H.  J.  Arntzen  (Leovard.  1761)  und  bes.  recogn.  et  ill. 
a  Faustino  Arevalo,  Rom.  1794.  4.  Abdruck  letzterer  in  Migne's  Patrol. 
XIX  (Paris  1846)  p.  433—772. 

7.  Ueber  Sedulius  vgl.  B.  Ceillier,  bist.  gen.  X.  p.  631— 6S5  und  Are- 
vali's  Prolegg.  J.  Kayser,  Beiträge  zur  Gesch.  d.  Kirchenhymnen  II  (Pader- 
born 1868)  S.  212—229. 

8.  Bei  dem  «chottiHchen  Mönche  Dicuil  (J.  826),  de  mens.  p.  13: 
auctoritate  .  .  Vergilii,  quem  in  talibus  cauäis  nouter  simulavit  (=s  imitatus 
est)  Sedulius  etc.  ist  gemeint  der  Landsmann  Dicuils,  der  Grammatiker 
Sedulius  aus  Schottland,  Verfasser  von  Versen  sowie  einer  expositio  in 
primam  artem  Donati,  von  commentarii  in  Artem  Eutychii,  und  in  maius 
volumen  Prisciani,  in  secundam  editionem  Donati.  Vgl.  Arntzen's  Ausg^. 
(A.  6)  praef.  p.  2—6.  L.  Müller,  Rhein.  Mus.  XX.  S.  358  f.  Sedulii  Scoti 
carmina  edita  ab  Aem.  Grosse  (Königsberg  1868.  16  pp.  4.)  und  Sed.  Sc. 
carmina  XL  ex  cod.  Bruxell.  ed.  £.  Dümmler,  Halle  1868.  36  pp.  4.  Sein 
Commentum  in  Eutychis  Artem  de  discernendis  coniugationibus  aus  einer 
Züricher  Hds.  saec.  IX  abgedruckt  in  H.  Hagens  Anecd.  Helvet.  p.  1 — 38, 
vgl.  ib.  p.  LXXIIl— LXXIX,  wo  das  Werk  wegen  seiner  verhältnissmäs- 
sigen  Tüchtigkeit  (bes.  Kenntniss  des  Griechischen)  vor  die  Zeit  Karls 
d.  Gr.  gesetzt  wird.  Da  es  Spuren  von  Christlichkeit  nicht  zeigt,  so  unter- 
scheidet Hagen  diesen  Grammatiker  Sedulius  von  dem  gleichnamigen  Ver- 
fasser der  Schrift  De  rectoribus  christianis,  herausgeg.  von  A.  Mai,  spicileg. 
rom.  VIII.  p.  1—69. 

444  467.  Die  Uebrigen  welche  sich  in  dieser  Zeit  der  gebun- 
denen Form  bedienen  schliessen  sich  entweder  correct  an  die 
hergebrachten  Regeln  an,  steigern  auch  wohl  die  Schwierigkeiten 
durch  allerlei  Künsteleien,  oder  bauen  sie  ihre  Verse  nach  dem 
volksmässigen  Grundsatz  des  Accents.  Zu  den  Letzteren  gehört 
Auspicius,  ums  J.  470  Bischof  von  Toul,  mit  seinem  Schreiben 
an  Arbogast,  sowie  der  Gallier  Amoenus;  zu  den  Ersteren  da- 
gegen Paulinus  von  Perigueux  (um  470)  mit  seinem  Epos 
über  das  Leben  des  heil.  Martinus  von  Tours  in  sechs  Büchern;  und 
Dracontius,  von  welchem  wir  ein  Lehrgedicht  de  deo  in  drei 
Büchern  besitzen,  sowie  ein  elegisches  Gedicht  (satisfactio)  worin 
er  den  Vandalenkönig  Gunthar  oder  Guthamund  (J.  484 — 496)  um 
Verzeihung  bittet  dass  er,  statt  ihn,  einen  Feind  desselben  be- 
sungen habe.  Beide  Gedichte  sind  stark  rhetorisch  gehalten  und 
verrathen  Kenntniss  wie  der  biblischen  so  auch  der  classischen 
Literatur.  Durch  regelrechte  kunstvolle  Versification  bemerkens- 
werth  sind  die  christlichen  Gedichte  des  Bischofs  von  Vienne, 
Alcimus  Ecdidius  Avitus  (f  523). 


j 


467.    Anepicius.    Amoenua.    Paalinus  Petricord.  1079 

1.  Anspicii  episcopi  ecclesiae  Tallensis  ad  Arbogastem  comitem  Tre- 
verorum  epistola,  abgedruckt  z.  B.  bei  Migne  patrol.  LXI.  p.  ;1006— 1008. 
Die  Verse  lesen  sich  ganz  alexandrinerariig  und  kümmern  sich  weder  um 
Quantität  noch  Hiatus.  Beispiele:  praecelso  6t  spectabüi  his  Arbogasto 
c6miti  Auspfcius,  qui  diligo,  salutem  dico  plurimam  (1  f.).  quod  te  Tullensi 
proxime  magnüm  in  urbe  vidimus  (4).  clariis  et^nim  g^nere,  clarüs  et  vitae 
moribus  (15).  patär  in  cunctis  nobilis  fuit  tibi  Arigius  (17).  fult  in  armis 
alacer  illd  antiquus,  verum  dst  (33).  tamen  non  g^neraliter  istä.  de  cunctis 
dizerim  u.  s.  f. 

2.  Amoeni  enchiridion  veteris  et  novi  testamenti,  einzelne  Punkte 
daraus  je  in  4  Hexametern  abhandelnd  (vgl.  oben  461,  2);  B>e8te  von  einem 
epischen  Gedicht  auf  Martinus;  22  Hexameter  auf  einen  Aegypter  der 
durch  Anrufung  von  Martini  deus  aus  einem  Sturm  gerettet  wurde;  endlich 
ein  Gedicht  in  iambischen  Dimetern  in  Leontium  episcopum  redditum 
Burdegalensi  ecclesiae  in  23  vierzeiligen  akrostichischen  Strophen  mit  meist 
gereimter  Endsilbe.  Strophe  1:  Agnoscat  omne  saeculum  antistitem  Leon- 
tium, Burd^galense  praemium,  dono  superno  redditum.  10:  Earus  sacer- 
dos  ordinem  Hilarius  non  ambiit,  Martinus  illud  effugit,  Gregörius  vix 
sustullt.  21:  Xus  sereno  lumine  etc.  22:  Ymnum  canendo  concrcpet.  23: 
Zelante  fido  pectore  tam  vera  dici  non  pudet.  haec  parva  nobilissimo 
papae  damus  Leontio.  Wie  hier  pectore — pudet  gereimt  ist,  so  vorher 
tempore  —  conscriberet ;  pectore  —  praesumeret;  desiderat  —  improba;  de- 
fleverat  —  anxia;  vgl.  oben  466,  3.  Abdruck  bei  Migne  LXI.  p.  1076 — 1082; 
aber  auch  (ib.  LXXXVIII.  p.  81  f.)  als  Venant.  Fort.  misc.  I,  16. 

3.  Das  Werk  des  b.  Paulinus  Petricordiensis  ist  gewidmet  dem 
Bischof  Perpetuus  von  Toura,  der  noch  ein  Schüler  des  heil.  Martin  ge- 
wesen war.  Vgl.  VI,  13:  quinque  prius  recolens  signavi  gesta  libellis  etc. 
27  f. :  tanti  revehens  praecepta  magistri  Perpetuus,  und  am  Schlüsse :  Per- 
petuum urbs  Türönum  Martini  antistite  gaudet.  Stofflich  folgt  das  Werk 
dem  des  Sulpicius  Severus  und  malt  die  Legenden  nur  noch  weiter  aus. 
Die  Form  im  Granzen  correct,  neben  herkömmlichen  Willkürlichkeiten 
wie  eremo,  münerante  und  Auskunftsmitteln  wie  mage.  Gleichfalls  domino 
sancto  ac  beatissimo  patrono  Perpetuo  episcopo  gewidmet  sind  des  Pau- 
linus versus  quos  pagina  in  pariete  reserata  (an  der  Martinskirche  zu  Tours) 
susciperet,  und  die  de  visitatione  nepotuli  mei,  welchen  Perpetuus  geheilt 
hatte.  Ausgabe:  cum  notis  lureti  all.  cura  et  studio  Chr.  Daumii,  Lips.  1681. 
In  den  patriotischen  Sammelwerken,  z.  B.  von  Migne  LXI.  p.  1009  — 1075. 

4.  Von  einem  andern  Paulinus  (Pellaeus),  aus  Burdigala,  Enkel  des 
Ausonius,  ist  ein  Dankgebet  in  mehr  als  600  Hexametern  (eucharisticon  de 
vita  sua),  aus  J.  466,  erhalten.  Die  metrische  Form  bietet  mehr  Anstösse, 
der  Ton  aber  hat  mehr  Schwung  als  bei  Paul.  Petric.  Gedruckt  z.  B.  in 
der  Appendix  der  bibl.  patr.  (Paris.  1579)  T.  VIII. 

5.  Isid.  ill.  24:  Dracontius  composuit  heroicis  versibus  hexa^meron 
creationis  mundi  etc.  Diese  drei  Bücher  de  deo  bestehen  aus  754,  808  u. 
682  Hexametern.    B.  I  malt  namentlich  die  mosaische  Schöpfungsgeschichte 


1080  Die  Kaiserzeit.   Fünftes  Jahrhandert.   Zweite  Hälfte. 

aus;  B.  II  beschreibt  bes.  die  Sintflut;  B.  III  belegt  die  dogmatischen  Auf- 
stellungen mit  reichen  Beispielen  aus  der  biblischen  und  römischen  Ge- 
schichte (Abraham  und  Isaak;  die  drei  Männer  im  Feuerofen;  Daniel  in 
der  Löwengrube;  Paulus;  Brutus,  Curtius,  Regulus,  Saguntum;  Judith,  Dido 
u.  a.  Frauen);  die  Trockenheit  des  Lehrtones  wird  dadurch  nicht  selten  über- 
wunden. Udefons.  vir.  ill.  14:  Eugenius  (Bischof  von  Toledo,  1 657)  . .  libellos 
Dracontii  de  creatione  mundi  conscriptos,  quoe  autiquitas  protulerat  vitiatos, 
ea  quae  inconyenientia  repperit  subtrahendo,  immutando  vel  meliora  coni- 
ciendo  ita  in  pulchritudinis  formam  coegit  ut  pulchriores  de  artificio  corri- 
gentis  quam  de  mann  processisse  videantur  auctoris,  et  quia  de  die  septicao 
idem  Dracontius  omnino  reticendo  semiplenum  opus  visus  est  reliquisse, 
iste  et  sex  dierum  recapitulationem  singulis  yersiculis  renotavit  et  do  die 
septimo  quae  illi  visa  sunt  eleganter  dicta  subiecit.  clarus  habitus  fiiit 
temporibus  Chindasvinthi  et  Reccesvinthi  regfum  etc.  Von  ihm  ist  vielleicht 
das  Gedicht  de  philomela,  Anthol.  lat.  658  R.,  vgl.  Riese  in  d.  Heidelb. 
Jiihrbb.  1871,  S.  687.  Carm.  de  deo  quod  Dr.  scripsit  libr.  II  emend.  ac 
suppl.  C.  E.  Glaeser,  Brest.  1847.  4.;  libr.  III  ib.  1848.  4. 

6.  Die  satisfactio  (316  Verse)  scheint  rasch  hingeworfen  und  beutet 
das  eigene  (früher  veröffentlichte)  Lehrgedicht  stark  aus.  unersättliches 
Herbeischleppen  von  Beispielen  aus  Mythus  und  Geschichte.  Anlass:  mea 
corda  deus  .  .  pellit  ad  illicita,  ut  qui  facta  ducum  possem  narrare  meo- 
rum,  nominis  asdingi  bella  triumphigera,  .  .  praemia  despicerem  .  .  et  pc- 
terem  subito  certa  pericla  mieer  (19 — 26).  culpa  mihi  fuerat  dominos  re- 
ticere  modestos  ignotumque  mihi  scribere,  nee  dominum  (93  f.).  te  coram 
(Gott)  .  .  me  carminis  illius,  ausus  quod  male  disposui,  paenitet  et  fateor 
(105  f.).  Er  hat  dafür  verbera,  vincla,  fames  erduldet  (312)  und  bittet  jetzt 
den  König  flehentlich  um  Verzeihung,  avi  ut  laudes  dicam  patriasque  suas- 
que  (51).  Des  Königs  terrae  pelagique  triumphos  Ansila  testatur,  Maurus 
ubique  iacet  (213  f.).  Vgl.  Papencordt,  Gesch.  der  vandal.  Herrschaft  S. 
374—379. 

7.  Dracontius  ist  auch  in  der  alten  Mythologie  wohlbewandert  (Cyn- 
thia  =  luna  II,  339.  satisf.  239;  Phriius  II,  447;  Hecate  II,  539;  Iph.  Taur. 
III,  212  ff.;  Oedipus  HI,  265  ff.)  und  citiert  (III,  257)  den  Statins  (Thcb.  X). 
Doch  verwechselt  er  (sat.  188)  den  Commodus  und  M.  Aurelius  und  ge- 
braucht manche  Eigennamen  prosodisch  unrichtig.  So  Mcnecca  (III,  256), 
Stephanus  (sat.  171),  Titus  (ib.  183).  Bemerkenswerth  II,  660  u.  sat.  161: 
ex  eadem  muliere  (volksmässig?).  Dagegen  idola  (II,  579)  und  die  häufige 
Dehnung  von  Kürzen  mittelst  des  rhythmischen  Tons  hat  Drac.  mit  vielen 
christlichen  Dichtern  vor  ihm  gemein.     Vgl.  oben  466,  3. 

8.  Ausgaben  des  Drac.  besonders  von  J.  Sirmond  (Paris.  1619  u.  sonst), 
Faust.  Arevalus  (Rom  1791.  4),  J.  B.  Carpzov  (Helmstedt  1794).  Abdruck 
der  Ausg.  von  Arevalus  bei  Migne,  patrol.  LX.  p.  595 — 932. 

9.  Isid.  ill.  23:  Avitus  episcopus  (seine  Grabschrift  s.  Rhein.  Mus. 
XXI.  S.  271  f*)  scientia  saecularium  litterarum  doctissimus  edidit  qninque 
libellos  heroico  metro  compositos.  quorum  primus  est  de  origine  mundi, 
II  de  originali  peccato,  III  de  sententia  dei,    IV  de   diluvio  mundi,  V  de 


467  f.    DracontiuB,  Avitus,  Luxorius  u.  a.  1081 

transitu  maris  rubri.  scripsit  et  ad  Fuscinam  Bororem  de  laude  virginitatis 
librum  unum,  pulcherrimo  compositum  carmine  et  elegant!  epigrammate 
coaptatum.  Hauptaußgabe  von  J.  Sirmond  (Paria  1643;  in  Sirmondi  opera, 
Paris.  1696,  II.  p.  185  ff.  u.  sonst).  Daraus  in  den  Sammlungen  christlicher 
Dichterz.  B.  von  Maittaire  (II.  p.  1673  ff.),  den  patristischen  Sammel- 
werken (z.  B.  Migne  LIX).  Die  Homilien  des  Av.  (St.  Avit)  z.  B.  in  den 
fitudes  paleographiques  et  hist.  sur  des  papyrus  du  VI«  siöcle  von  Delisle, 
Rilliet  u.  Bordier  (Paris  1866.  4.),  die  in  Betreff  der  Basilika  von  Anne- 
masse in  Facsimilc. 

10.  Ueber  eine  epische  Bearbeitung  der  jüdischen  Geschichte  s.  oben 
21,  3.' 

468,  Durch  den  codex  Salmasianus  sind  uns  erhalten  die44.' 
Verse  des  Flavius  Felix,  Florentinus  und  Luxorius,  welche  alle 
drei  unter  den  Vandalenkönigen  Thrasamund  (J.  496 — 523)  und 
Hilderich  (J.  523—530)  in  Africa  (Karthago)  lebten  und  auch 
nach  Dürftigkeit  der  äusseren  Verhältnisse  und  schriftstellerischer 
Manier  einander  ähnlich  sind.  Der  jüngste  und  fruchtbarste 
unter  denselben  ist  Luxorius,  welcher  durch  Scherzgedichte  in 
verschiedenen  Massen  (bes.  dem  elegischen  und  in  Hendekasyllaben) 
dem  Martialis  nachstrebte.  Ein  Landsmann  und  Freund  des 
Luxorius  war  der  Grammatiker  Coronatus,  von  welchem  die 
gleiche  Quelle  einige  Gedichte  aufbewahrt  hat. 

1.  Fl.  Felicis  V.  cl.  postulatio  honoris  apud  Victori(ni)anum  v.  inl. 
et  iirimiscriniarium  im  cod.  Salm,  (anthol.  lat.  von  Riese  264,  p.  177  f.), 
mit  den  Messungen  stölida,  mcroris,  ecclesiae  und  dem  Schlüsse:  adnue 
poscenti,  miserum  sustolle  ruinae:  clericus  ut  fiam,  dum  velis,  ipse  potes. 
Er  ist  ohne  Zweifel  der  Felix  von  welchem  ib.  210 — 214  fünf  Epigramme 
de  thermis  Alianarum  sich  finden,  das  letzte  (214)  mit  dem  Akrostich  Thra- 
samundus,  dem  Mesostich  cunta  innovat,  und  dem  Telestich  vota  serenans. 
Ucberdiess  besteht  jeder  Vers  aus  37  Buchstaben.  Vgl.  L.  Müller  in  Fleck- 
eisens Jahrbb.  95,  S.  796—798.    Riese,  anth.  lat.  p.  XXIV.  XXVII. 

2.  Des  Florentinus  39  Hexameter  zum  Preise  des  Königs  Thrasa- 
mund in  Riese's  anthol.  lat.  376  (p.  243  f.). 

3.  Von  Luxorius  oder  Luxurius  sind  in  der  anthol.  lat.  von  Riese 
nr.  18  (p.  66—68).  203  (p.  148  f.)  und  287—375  (p.  208—243).  Nr.  18  ein 
epithalamium  Fridi  (68  Hexameter)  von  massivem  Tpne ;  203  gilt  dem  Hil- 
dericus  rex.  Nr.  287  ff.  bilden  eine  zusammenhängende  Sammlung  von  Ju- 
gendgedichten (quos  olim  puer  in  foro  paravi  versus  ex  variis  locis  dedu- 
ctos,  287  vgl.  288:  paginam  .  .  quam  tenello  tiro  lusi  viscere),  gewidmet 
seinem  Freunde  Faustus,  grammaticae  magister  artis  (287).  Aufschrift  im 
Salmas.:  incipit  liber  epigrammaton  viri  clariss.  Luxori  et  spectabilis  (vgl. 
ib.  18).  Es  sind  Epigramme  auf  Personen  und  Sachen,  namentlich  ludi 
circenses  und  Kunstwerke  (374  gar:  de  Diogene  picto,  ubi  lascivienti  mo- 


b 


1082  Die  Kaiserzeit.  Fünftes  Jahrhundert.   Zweite  Hälfte. 

retrix  barbam  vellit  et  Cupido  mingit  in  podice  eins).  Schmutz  gilt  auch 
hier  als  unzertrennlich  von  der  Gattung  (z.  B.  297.  301  f.  308  f.  317.  322  f. 
340.  358.  363.  368).  Der  Verf.  scheint  Heide  zu  sein;  vgl.  369,  7  (iam  putc< 
quod  caeli  locus  est  ubi  numina  regnant  etc.)  und  die  vielen  Anspielnngec 
auf  die  alte  Mythologie.  Sonstige  Verhältnisse:  nostri  defugiens  panperieic 
laris  (289).  Auf  ihn  Anthol.  lat.  37  (p.  85)  R. :  priscos,  Luiori,  certnm  est 
te  vincere  vates  etc. 

4.  Die  meisten  Stücke  des  Lux.  haben  das  elegische  Mass;  nächst- 
dem  sind  Hendekasyllaben  häufig.  Daneben  auch  Hexameter,  iambische 
Gedichte  (288.  315.  360.  309),  trochäische  (291),  anapästische  Dimeter  (299. 
322.  357),  Glykoneen  (295j,  anakreontische  (298)  und  asklepiadeische  (314. 
316.  323.  356.  361)  Verse,  sowie  Asynarteten  (292.  305).  Fremdwörter  wer- 
den auch  hier  dfbers  nach  Bedürfniss  gemessen  (Solon,  Thäles,  Periander, 
Glöobölus  351;  methodicis  302;  philosophum  374;  söphismate  365).  Ver- 
längerung von  Kürzen  (ut  cunct4que  animalia),  Verkürzung  von  Längen 
(viväs  318;  negotii  340,  süperior  363),  doch  nicht  auffallend  häufig.  Die 
Anapäste  coniugis  carae  (322),  cui  dedit  plures  (357)  folgen  der  volks- 
mässigen  Aussprache  (vgl.  oben  466,  3). 

5.  Zu  Lux.  vgl.  L.  Müller  in  Fleckeisens  Jhbb.  96,  S.  783—786.  Riese, 
anthol.  I.  p.  XXIV  f  XXVU. 

6.  Von  Coronatus  in  Riese's  Anthol.  lat.  Nr.  223  (Variation  über 
ein  vergilisches  Thema,  29  Hexameter  erhalten)  und  die  beiden  Epigramme 
226.  228,  immer  mit  der  Bezeichnung  des  G.  als  vir  clarissimus.  Best« 
von  Goronati  scholastici  de  ultimis  syllabis  partium  orationis  mit  der  Wid- 
mung: Domino  eruditissimo  peritissimorum  atque  inlustri  fratri  Lnxorio 
Coronatus.  H.  Keil,  gramm.  lat.  IV.  p.  L.  vgl.  De  gramm.  inf.  aetat.  (Erlang. 
1868.  4.)  p.  4  mit  not.    Riese  anthol.  p.  XXIV.  XXVI. 

7.  Da  der  codex  Salmasianus  aus  den  späteren  Zeiten  meist  Gedichte 
von  Africanern  enthält,  so  scheinen  demselben  Kreise  und  der  gleichen  Zeit 
anzugehören  die  durch  ihn  vertretenen  Versmacher  Calbulus  grammatico& 
(christliches  Gedicht  auf  eine  Quelle,  Anthol.  lat.  378  R.),  Petrus  referenda- 
rius  (ib.  nr.  380,  p.  247),  Octavianus  vir  Ulustris  ann.  XVI,  filius  Grescentini 
viri  magnifici  (ib.  20,  p.  70),  Cato  (ib.  387)  unter  Hunerich  (J.  477  —  484), 
wie  überhaupt  die  carmina  de  singulis  causis  (ib.  nr.  383 — 388,  vgl.  p.  XXV). 
Vgl.  Riese,  Anth.  I.  p.  XXVI-XXVIII. 

8.  An  einen  Presbyter  Parthenius  in  Africa  ein  barbarisch  gezierter 
Brief  des  comes  Sigisteus,  nebst  Antwort  des  Parth.,  mit  Versen  deren 
Schmeicheleien  und  Verskunst  sichtlich  auf  einen  barbarischen  Magen  be- 
rechnet ist,  bei  Reiffen-scheid,  Analecta  Casinensia  (Bresl.  1871.  4.),  Nr.  2  f. 
(p.  3  f ),  z.  B.  te  clipeo  lörlcaque  et  gälea  caelitus  armet-omnipotens,  oder 
credo  equidem  quod  docta  t^lem  nee  Graecia  misit  neque  Larissa  potens 
similem  procreavit  Achillem,  nostris  quälem  armipotens  tam  fertilis  A&ica 
frugum  vexit  ad  astra  virum. 

9.  Aus  einer  ähnlichen  Sammlung  wie  der  des  Luxurius  sind  die  Epi- 
gramme in  Riese's  Anthol.  lat.  90  S.  (I.  p.  102  ff.). 


468  f.   Liixorius,  Coronatns  u.  A.  1083 

F.   Sechstes  Jahrhundert» 

469,    Nachdem    der    germanische    Söldnerführer    Odoaker,446 
welcher  J.  476  den  letzten  weströmischen  Kaiser  gestürzt  hatte, 
selbst  dem  Ostgothen  Theoderich  (J.  454—526)  erlegen  war  (J. 
493)  und  dieser  mit  thatsächlicher  Zustimmung  des  oströmischen 
Kaisers  sich  zum  König  von  Italien  gemacht  hatte,  genoss  dieses 
Land  drei  Jahrzehnte  lang  die  Segnungen  des  Friedens  und  der 
Ordnung.    Unter  Theoderich  schrieben  Boethius,  Ennodius,  theil- 
weise  Cassiodorus  und  in  Constantinopel  Priscianus.   Unter  seinen 
schwachen  Nachfolgern  zerfiel  sein  Reich  wiederum,  und  Italien 
sah  sich  fortwährenden  Verwüstungen  ausgesetzt,  die  den  letzten 
Rest  von  geistigem  Leben   erdrückten.     Auch   in    den   übrigen 
Ländern  des  Westens  kann  sich  die  römische  Cultur  mit  Mühe 
der  Stürme  erwehren  die  sie  vollends  zu  vernichten  drohen.   Am 
längsten  flackert  sie  in  Gallien,  wo  Gregor  von  Tours    und  Ve- 
nantius  Fortunatus,  Arator  u.  A.  sie  literarisch  vertreten.     Noch 
am  meisten  Betrieb  findet   die  Geschichtschreibung:    Africa  hat 
seinen  Bischof  Victor,  Britannien  den  Gildas,   und   in  Jordanis 
betheiligt  sich  an  ihr  sogar  ein  Gothe.   Diesen  Geschichtschreibern 
kann   unter   Justinian    der   Osten   den   Prokopios    aus    Caesarea 
gegenüberstellen.     Die  zahlreichen  Versuche  das   Recht   für  ein- 
zelne Länder  und  für  das  gesammte  Reich  zu  kurzer  Darstellung 
zu    bringen    erhalten    endlich    unter   Justinian    ihren    Abschluss 
durch  das  Corpus  iuris.     Sonst  ist  es   fortwährend  vorzugsweise 
die  Geistlichkeit  durch  welche  die  Literatur  Pflege  findet;  noch 
am  Ende  des  Jahrh.  geschieht  es  durch  den   römischen  Bischof 
Gregor  I,  und  schon  ins  J.  529  fällt  die   Gründung   des  Bene- 
dictinerordens,  , 

1.  Theoderich,  geb.  454,  im  Auftrage  des  ostrCmischen  EaiserB 
Zeno  J.  489  in  Italien  eingebrochen,  nach  vierjährigem  Kampfe  siegreich. 
Nach  Zeno's  Tod  (491)  thatsächlich  selbständiger  Herrscher,  von  Anasta- 
siiis  J.  498  stillschweigend  als  solcher  anerkannt.  Hoflager  in  Ravenna 
und  Verona  (Dietrich  von  Bern).  Besuch  in  Rom  J.  500.  Stirbt  26  August 
526.  Lobrede  auf  ihn  von  Ennodius,  s.  unten  471,  2.  C.  Cless  in  Pauly's  Real- 
Enc.  VI,  1.  S.  1799—1816.    R.  Köpke,  deutsche  Forschungen  S.   148—184. 

2.  lustinianus,  geb.  11  Mai  482,  Kaiser  seit  1  April  527,  stirbt  11 
November  665;  s.  W.  Teuffei  in  Pauly's  Real-Enc.  IV  (1845).  S.  664—677. 
Isambert,  histoire  de  Justinien,  Paris  1856.  2  Voll.  Ueber  seinen  Gcschicht- 
ßchreiber  Prokopius  s.  W.  Teuffei  in  Pauly's  Real-Enc.  VI,  1.  S.  84  —  86 
und  Studien  u.  Charakt.  S.  191—236.  F.  Dahn,  Prokop.  v.  Caes.,  Berlin 
1865.  602  S. 


1084  Dio  Kaiserzeit.   Sechstes  Jabrbandert. 

3.  Vettius  Agorius  Basilius  Mavortius,  Cos.  627,  und  sein  Gehülfe 
bei  dem  Emendieren  von  Handschriften,  Felix  orator  urbis  Bomae;  s.  oben 
235,  6  (S.  487,  Z.  1  fip.),  vgl.  445,  7.  Den  Namen  Mavortius  (aber  schwerlich 
desselben)  trägt  der  cento  vergilianus  des  cod.  salmas.  über  das  urteil  des 
Paris  (Riese's  anthol.  10,  p.  28 — 30),  und  auch  der  de  ecclesia  (ib.  16.  p.  44 
—  49)  gibt  sich  (nach  v.  110)  als  Arbeit  eines  Mav.;  s.  Riese  1.  p.  XXYIII. 
W.  II.  D.  Suringar,  Anonymi  cento  vergilianus  de  ecclesia,  Utrecht  1867. 
F.  Latendorf  in  Fleckeisens  Jahrbb.  103,  p.  861  f. 

4.  Am  Schlüsse  von  Macrob.  somn.  Scip.  I  steht  in  Hdss.:  Aurelias 
Memmius  Symmachus  v.  c.  emendabam  vel  (=»  et)  disting.  meum  Ra- 
vcnnae  cum  Macrobio  Plotino  Eudozio  v.  c.  Ohne  Zweifel  der  kurz  nach 
seinem  Schwiegersohne  Boethius  (unten  470)  J.  526  hingerichtete  Q.  Aar. 
Memm.  Symm.,  Cos.  485;  0.  Jahn,  Berichte  d.  sächs.  G.  d.  W.  1851,  S.  347  f. 
Vgl.  A.  6.  444,  2.    472,  5. 

5.  Deuterius,  Lehrer  der  Grammatik  und  Rhetorik  zu  Mailand,  wel- 
chem Ennodius  (dict.  8  u.  9)  seinen  Neffen  Lupicinus  und  den  Arator  als 
Schüler  empfiehlt,  welchen  er  in  einem  scherzhaften  Gedichte  (II,  104)  preist 
(verenda  Calvities)  und  in  einem  Briefe  (I,  19)  wegen  seiner  Augenleiden 
tröstet  (tua  lumina  nube  doloris  hebctantur,  cuius  tarn  clara  sunt  carmina?). 
Poetischer  Bettelbrief  in  seinem  Namen  bei  Ennod.  carm.  I,  2  (Üeut.  v.  s. 
grammatico).  Zweifelhaft  ist  seine  Identität  mit  dem  Deut,  scholasticus  in 
der  Subscription  des  Capella  (oben  445,  7).  Vgl.  0.  Jahn,  Berichte  d.  sächs. 
Ges.  d.  W.  1851,  S.  350  f. 

6.  AufzSJilung  der  rednerisch  gebildeten  Adeligen  Roms  bei  Ennod. 
paraenes.  didasc.  p.  253  f.  M.:  Faustus  und  Avienus,  die  patricii  Festus, 
Symmachus,  Probinus,  Cethegus,  Boetius,  Agapetus,  Probus.  Dazu  Oly- 
brius  (Ennod.  carm.  I,  8),  und  ausserhalb  Roms  Parthenius  (Arator  ep.  ad 
Parth.  19  fiF.).  Vgl.  oben  467,  8.  Faustus  verfasste  auch  Gedichte  in  meh- 
reren Büchern  (Ennod.  carm.  I,  7.  II,  3.  143).  Sitte  der  öffentlichen  reci- 
tatioucB  noch  in  diesem  Jahrb.  in  Italien;  s.  Ennod.  carm.  I,  9  pracf. :  cur 
recitet  publice  quem  laus  nee  decet  publica  nee  delectat?   Vgl.  unten  480,  2. 

7.  Ungefähr  dem  Anfang  von  saec.  VI  gehört  wohl  an  die  angebliche 
Epistola  Valerii  ad  Riifinum  ne  uxorem  ducat,  ^ine  Art  suasoria  welche 
neben  Horaz  auch  aus  Hieronymus  und  Augustinus  Notizen  entnimmt. 
Darin  z.  B.:  ego  in  domino  sperans  confido  quod  Ulixis  eris  Imitator  etc. 
Gedruckt  in  Hieronym.  Opp.  XI.  Vgl.  L.  Müller  jn  Fleckeisens  Jahrbb.  95, 
S.  790. 

8.  Aus  der  ersten  Ilälfte  von  saec.  VI  ist  wohl  auch  der  mythographus 
vaticanuB  I;  s.  oben  41,  12. 

9.  Aus  dieser  Zeit  ist  vielleicht  der  römische  Senator  Euclerius,  wel- 
cher Gott  =  Christus  um  Erleuchtung  anfleht,  Anthol.  lat.  789  R. 

10.  Dio  herrschende  Ansicht  der  Zeit  über  die  Philosophie  spricht 
Gregor.  Tur.  aus,  Mirac.  I  praef.:  philosophorum  inimicam  deo  sapientiam. 
Vgl.  Ennod.  cucbar.:  illa  saecularis  pompae  philosophia.  Venant.  Fort.  ep. 
V,  1  gesteht:  Plato,  Aristoteles,  Chrysippus  vel  (et)  Pittacus  mihi  vix  opi- 
nionc  noti  sunt. 


469  f.  Mavortius,  Deuierius  u.  A.   Boetius.  1085 

11.  Von  dem  fränkischen  König'  Chilperich  (f  584)  erzählt  Gregor  von 
Tours  hiat.  Franc.  VI,  46:  confecit  duos  libros  quasi  Sedulium  meditatus, 
quorum  versiculi  debiles  nuUis  pedibus  'subsistere  posaunt,  in  quibus,  dum 
uon  intellegebat,  pro  longis  syllabis  breves  posuit  et  pro  brovibus  longas 
Btatuebat;  et  alia  opuscula,  vcl  hymnos  sive  missas.  An  König  Charibert 
preist  Venant.  Fori  misc.  VI,  4  seine  gewandte  Handhabung  der  lateini- 
schen Sprache. 

12.  Eine  Probe  der  Schreibweise  am  Ende  von  saec.  VI,  etwa  in 
Afrika,  gibt  die  praefatio  im  codex  salmasianus  (Rieso's  AnÜiol.  lat.  I.  p.  69  f.), 
worin  die  Manier  des  Tertullianus,  Apulejus  und  Martianus  Capolla  bis  ins 
Aberwitzige  gesteigert  ist. 

13.  Eine  Probe  der  Metrik  und  Prosüdie  aus  derselben  Zeit  s.  in  Riese's 
Anthol.  lat.  481  nebst  IL  p.  LVI. 

14.  Eine  Handschrift  aus  saec.  VI  ist  der  Vossianas  Q  9  oder  Leiden- 
sis,  s.  Riese's  Anthol.  lat.  1.  p.  18—20  vgl.  p.  XII.  Vgl.  auch  unten  479,  4. 
Aus  derselben  Zeit  Handschriften  des  Cypnanus  in  Paris  und  Turin;  s. 
W.  HarteKs  Ausg.,  praef.  p.  II— IX.  Anderes  s.  oben  418,  4.  424,  4.  430,  11. 
465,  1. 

470.  Durch  Charakter  wie  Bildung  ragt  in  dieser  Zeitu? 
hervor  der  vornehme  Römer  Anieius  Manlius  Torquatus  Seve- 
rinus  Boetius,  Cos.  510,  durch  Theoderich  hingerichtet  J.  525. 
Von  seiner  edlen  Gesinnung  wie  seiner  Vertrautheit  mit  dem 
Geiste  und  der  Form  der  classischen  Vergangenheit  bietet  ein 
glänzendes  Zeugniss  die  von  ihm  im  Gefiingniss  verfasste  Schrift 
de  consolatione  philosophiae,  in  fünf  Büchern.  Ausserdem  be- 
sitzen wir  von  ihm  zahlreiche  Uebersetzungen  griechischer  Werke* 
von  philosophischem,  rhetorischem  und  mathematischem  Inhalte. 
Insbesondere  durch  seine  Uebersetzungen  des  Aristoteles  gewann 
er  grossen  Einfluss  auf  die  mittelalterliche  Scholastik.  Diess 
und  der  Märtyrerschein  womit  sein  Lebensende  umgeben  wurde 
gab  auch  Anlass  ihm  christlich -theologische  Schriften  fälschlich 
beizulegen. 

1.  Boetius,  geb.  um  475  480,  vermählt  mit  llusticiana,  der  Tochter 
des  Symmachus  (oben  469,  4),  hatte  den  Theoderich  J.  500  im  Senat  mit 
einer  zierlichen  Rede  begrusst  und  wurde  von  diesem  manchfach  verwen- 
det. Als  aber  der  oströmische  Kaiser  Justin  versuchte  Theoderichs  Thron 
dadurch  zu  untergraben  dass  er  Italien  gegen  die  arianischcn  Gothcn  auf- 
hetzte, und  die  nationalrömische  Partei  in  den  Verdacht  gerieth  darauf 
einzugehen,  ward  B.  in  die  Verwicklung  hineingezogen.  Seine  freimütige 
Vcrtheidigung  des  Senators  Albinus,  welcher  geheimen  Briefwechsels  mit 
Justin  bezichtigt  war,  wurde  von  Gegnern  benützt  um  auch  ihn  bei 
Theodench  anzuschwärzen.  Da  seine  unabhängige  patriotische  Haltung 
während  seines  ganzen  Lebens  der  Anklage  Schein  genug  geben  mochte, 
wurde  B.   in  Ticinum  (Pavia)   gefangen*  gesetzt,    von  dem  servilen  Senat 


1086  Die  Eaiaerzeit.    Sechstes  Jahrhundert 

uDgehört  verurteilt  und  in  agro  Galventino  unter  Martern  (Anon.  Vales.) 
hingerichtet.  Sein  Tod  durch  den  arianischen  GothenkOnig,  die  Verwechs- 
lung mit  Anderen  des  Namens  Severinus,  sowie  seine  vermeintliche  Ab- 
fassung von  theologischen  Schriften  brachten  den  B.  später  in  den  Ruf 
eines  Märtyrers  für  seinen  katholischen  Glauben  und  in  den  Geruch  der 
Heiligkeit.    Vgl.  A.  2.  3.    W.  Teuffei  in  Pauly's  Eeal-Enc.  I,  2.  S.  2416  f. 

2.  Ennodius  ep.  VII,  13  an  Boetius:  tu,  emendatissime  hominum,  .  . 
quem  in  annis  puerilibus  .  .  industria  fecit  antiquum,  qui  per  diligentiam 
imples  omne  quod  cogitur,  cui  inter  vitae  exordia  ludus  est  lectionis  assi- 
duitas,  .  .  in  cuius  manibus  duplicato  igne  rutilat  qua  veteres  face  fnlse- 
runt.  Theoderich  (Cassiod.  Var.  I,  46)  an  B.:  te  multa  eruditione  sagi- 
natum.  .  .  translationibus  tuis  Pythagoras  musicus,  Ptolemaeus  astronomus 
leguntur  Itali.  Nicomachus  arithmeticus,  geometricus  Euclides  audiuntor 
Ausoniis.  Plato  theologus,  Aristoteles  logicus  quirinali  voce  disceptant. 
mechanicum  etiam  Archimeden  Latialem  Siculis  reddidisti.  et  quascunque 
disciplinas  vel  artes  fecunda  Graecia  per  singulos  viros  edidit  te  uno  auctore 
patrio  sermone  Roma  suscepit.  quos  tanta  verborum  luculentia  reddidisti 
claros,  tanta  linguae  proprietate  conspicuos  ut  etc.  Vgl.  Prokop.  Goth.  I, 
1  (p.  11  Bonn.)  und  das  mittelalterliche  Epigramm  auf  ihn  Anthol.  lat 
764  B.  Diese  Thätigkeit  g^eng  hervor  aus  warmer  Begeisterung  für  die  alte 
Literatur  und  die  alte  Zeit;  vgl.  praef.  zum  comm.  in  praedicam.  Aristot: 
etsi  nos  curae  ofßcii  consularis  (J.  610)  impediunt  quo  minus  in  his  stodiis 
omne  otium  plenamque  curam  consumamus,  pertinere  tamen  videtnr  ad 
aliquam  reip.  curam  elucubratae  rei  doctrina  cives  instruere  etc.  Die  Ueber- 
Zeugung  des  B.  war  daher  schwerlich  wesentlich  verschieden  von  der  des 
Ahns  seiner  Frau  (oben  418,  13),  so  gewiss  er  sich  auch  zum  Christenthum 
bekannte.  Vgl.  K.  Schenkl,  Verhandl.  der  Wiener  Philologenvers.  (Wien 
1869)  p.  79  ff. 

3.  Die  Schrift  de  consolatione  beginnt  mit  einer  Klage  im  elegi- 
schen Mass  (Carmina  qui  quondam  studio  florente  peregi  flebilis,  heas, 
maestos  cogor  inire  modos)  über  die  jetzige  Lage  ihres  Verf.  Da  erscheint 
ihm  die  Philosophie  und  tröstet  ihn  über  sein  Schicksal  in  einer  Art  Theo- 
dicee.  Die  Trostgründe  sind  rein  philosophische,  die  für  die  specifisch 
christlichen  kaum  Raum  lassen.  (G.  Arnold,  unparteiische  Kirchen-  und 
Ketzer -Historie  S.  260:  „kein  periodus  der  Schrift  fleusst  aus  den  christ- 
lichen principiis,  sondern  lauter  heidnische  Trostgründe  werden  angefahrt.") 
Die  zu  Tage  tretende  Denkweise  ist  ein  überwiegend  platonisch  gefärbter 
Eklekticismus.  Zu  allen  positiven  Religionen,  auch  der  christlichen,  hat 
der  Verfasser  die  kühle  Stellung  eines  vornehmen  gebildeten  Mannes:  er 
hütet  sich  gegen  sie  zu  polemisieren,  aber  für  seine  Person  hält  er  sie  sich 
vom  Leibe  und  sucht  seine  geistige  Nahrung  anderswo.  Ueberall  Beweise 
edler  Gesinnung,  eines  Strebens  nach  den  höchsten  Zielen  der  Menschheit, 
manchmskl  wahrhaft  religiöse  Stimmung,  aber  immer  frei  von  specifisch 
christlicher  Färbung.  Wenn  er  die  christlichen  Schriften  auch  vom  Jugend- 
unterricht her  kennen  mochte,  so  beruft  er  sich  doch  niemals  auf  sie;  desto 
häufiger  nennt  er  Piaton,  Aristoteles,  Cicero,  Seneca.  Vgl.  F.  Nitzsch  S. 
42 — 89.    Wenn  die  heidnischen  Gdtternamen  (insbes.  Phoebus,  die  Musen, 


470.   Boetius.  1087 

Ceree  u.  A.)  öfters  Yorkommen,  so  ist  das  schwerlich  ernstlicher  gemeint 
als  bei  den  Schriftstellern  des  18^°  Jahrh.  Die  Form  ist  theils  dialogisch, 
theils  hat  sie  Aehnlichkeit  mit  der  satura  Menippea,  sofern  die  prosaische 
Bede  häufig  unterbrochen  wird  durch  metrische  Stücke  in  der  Weise  von 
Seneca's  Tragödien  und  in  den  manchfaltigsten  Formen  wie  sie  Epos,  Ele- 
gie, Jambos  und  Melos  darbieten,  wobei  der  Verfasser  zwar  nicht  immer 
Strenge  beweist,  aber  sicher  grosse  Gewandtheit.  Die  Sprache  ist  die  ge- 
zierte und  manierierte  seiner  Zeit,  doch  temperiert  durch  ein  nüchtern  syl- 
logistisches  Element. 

4.  Ed.  princeps  der  Schrift  Nürnberg  1473  (per  Ant.  Coburger);  spä- 
ter z.  B.  cum  comment.  Thome,  Colon.  1604.  4.;  in  usum  Delphini  cum 
nott.  P.  Callyi,  Lutei  1680.  4.;  cum  nott.  P.  Bertii,  Lugd.  Bai  1671;  cur. 
J.  A.  Vulpio,  Patav.  1721  u.  1744;  cum  nott.  varr.,  Glasgov.  1751.  4.;  mit 
(deutscher)  Uebersetzung  und  Anmerkk.  von  Fr.  C.  Freitag,  Riga  1794; 
ed.  Helfrecht,  Cur.  Begn.  1796;  besonders  die  von  Th.  Obbarius  (ad  opt. 
libr.  msB.  nondum  collatorum  fidem  rec.  et  prolegg.  instr.) ,  Jena  1843  (mit 
LXIV  pp.  prolegg.)  und  von  B.  Peiper,  accedunt  eiusdem  atque  incertorum 
opuscula  Sacra  (s.  A.  8),  Lips.  Teubner  1871.  Uebersetzungen  in  alle  mög- 
lichen Sprachen.  Eine  angelsächsische,  angeblich  von  Alfred  d.  Gr.  (J. 
871  —  901),  herausgg.  von  Ch.  Bawlinson  (Oxford  1698)  u.  J.  S.  Cardale 
(London  1828.  1835).  Eine  deutsche,  aus  dem  Anfang  von  saec.  XI,  in  St. 
Gallen,  hrsgg.  von  E.  G.  Graff  (Berlin  1837),  H.  Hattemer  (Denkmäler  des 
MAlters  III ,  1). 

P.  Langen,  quaestiones  Boetianae,  in  der  Symb.  philol.  Bonn.  p.  261 
— 268.  B.  Volkmann,  in  6.  de  cons.  phil.  libros  commentariolum  criticum, 
Jauer  1866.  8  pp.  4. 

6.  Andere  erhaltene  Schriften  des  B.:  Dialogi  II  in  Porphyrium  a 
Victorino  translatum,  Commentariorum  in  Porph.  a  se  translatum  libri  V, 
uebersetzungen  und  Comment^ire  zu  Aristoteles  Categoriae  (libri  IV),  von 
der  Schrift  de  interpretatione  (erste  Bearbeitung  in  2  Büchern,  zweite  in 
6),  den  Analytika  (prior,  u.  post.),  den  Elench.  sophist.,  der  Topik  des  Ari- 
stoteles; Commentar  zur  Topik  des  Cicero  (oben  179,  6,  2);  de  syllogismo 
categorico  libri  II;  de  syll.  hypothetico  libri  II;  de  divisione,  de  definitione, 
de  differentiis  topicis  (libri  IV);  de  musica  libri  V  (des  Boet.  6  Bücher  über 
die  Musik,  übertragen  und  erklärt  von  0.  Paul;  mit  Tabellen  u.  s.  w. 
Leipzig  1872.  LVI  u.  379  S.);  de  arithmetica  libri  II,  nebst  einer  Ueber- 
setzung der  Geometrie  des  Euklides  in  zwei  Büchern.    Vgl.  A.  7  g.  E. 

6.  Die  von  A.  Mai  (class.  auctt.  e  vaticc.  codd.  ed.  lU.  p.  317  ff.  327  ff.) 
vermeintlich  erstmals  aus  einer  vaticaniscben  Handschrift  saec.  XI  heraus- 
gegebenen Abhandlungen  Communis  speculatio  de  rhetoricae  cognatione  und : 
Locorum  rhetoricorum  distinctio  sind  schon  gedruckt  im  vierten  Buche  der 
differentiae  topicae  des  B.,  p.  880  ff.  der  Basler  Ausgabe,  und  (nebst  an- 
dern Stücken  der  diff.  top.)  auch  in  die  Dialektik  des  Cassiodor  überge- 
gangen; 8.  C.  Halm  im  Bhein.  Mus.  XVIII.  S.  463  f.  Was  bei  Mai  p.  331  ff. 
folgt  und  auch  dem  B.  beigelegt  wurde  ist  vielmehr  ein  Werk  aus  dem 
eilften  Jahrhundert:  Franconis  ex  opere  de  quadratura  circuli  specimen. 

7.  Unter   den    mathematischen   Schriften  bietet  die  den  Namen  des 


1088  T>ie  KaUcrseit.    Sechstes  Jahrhuudeii. 

B.  tragende  Geometrie  besonderes  Interesse,  als  Beitrag  zur  Eenntniss  alter 
Kechnungs-  (bes.  Divisions-)  Methoden  and  zur  Geschichte  der  Zahlzeichen. 
M.  Cantor,  mathemat.  Beiträge  zum  Culturleben  (1863)  S.  181—198.  199 — ^230. 
G.  Friedlein,  Gerbert,  die  Geometrie  des  B.  und  die  indischen  Ziffern,  Er- 
langen 1861.  (vgl.  F.  Uultsch  in  Fleckeisens  Jahrbb.  87,  S.  422-*425),  und: 
Zur  Frage  über  die  Echtheit  der  Geometrie  des  B.  (ebd.  87,  S.  425 — 427). 
Boetii  de  institutione  arithmetica  libri  II,  de  instit.  musica  libri  V.  accedit 
Geometria  quae  fertur  Boetii.  ex  libris  mss.  ed.  G.  Friedlein,  Lips. 
(Teubner)  1867.    Vgl.  Anm.  6  E. 

8.  Der  früheste  Zeuge  für  christlich  theologische  Schriften  des  B.  ist 
Alcuin  (um  770).  Es  sind  die  Schriften  quomodo  trinitas  unus  deus  ac  non 
tres  dii;  utrum  pater  et  filius  ac  spiritus  sanctns  de  divinitate  substantia- 
liter  praedicentur;  brevis  fidei  christianae  complexio;  de  persona  et  dua- 
bus  naturis  contra  Eutychen  et  Nestorium.  Deren  vollständige  Unechiheit 
ist  unzweifelhaft  und  von  Fr.  Nitzseh  in  einer  eigenen  Schrifb  (das  System 
des  B.  und  die  ihm  zugeschriebenen  theologischen  Schriften;  eine  kritische 
Untersuchung;  Berlin  1860.  183  S.)  ausführlich  nachgewiesen;  s.  bes.  S.  93 
-  174.  Ebenso  wurden  dem  B.  mit  Unrecht  beigelegt  die  Schriften  de  uni- 
tatc  et  uno,  quomodo  substantiae  bonae  sint,  und  de  disciplina  scholariuin, 
welche  letztere  einen  brabanter  Mönch  des  IS^«"*  Jahrh.  Namens  Thomas 
(Brabantinus  Cantipratanus)  zum  Verfasser  hat. 

9.  Gesammtausgabon  der  Schriften  des  B.  Venet.  1491.  1492  fol.  (cum 
conim.  8.  Thomae).  Basil.  1646.  1570  (ex  rec.  Glareani).  fol.  Alles  bei  und 
durch  einander  in  Migne's  patrol.  LXllI  und  LXIV. 

10.  C.  G.  Heyne,  censura  Bocthii,  Opusc.  acad.  VI.  p.  144  —  166.  C. 
F.  Bergstedt,  de  vita  et  scriptis  B.,  Upsala  1842.  .1.  U.  Sntterer,  B.  der 
lotzte  Rumer,  Boin  Leben  u.  s.  w.    Eicbstädt  1862.  4. 

448  47L  Ein  Iledekünstler  und  Versemacher  aus  der  Zeit  deä 
Theoderich  ist  der  Bisehof  von  Pavia,  Magnus  Felix  Ennodius 
(J.  473 — 521)  aus  Gallien.  Die  geschichtlich  bedeutendsten  sei- 
ner Schriften  sind  die  Biographie  seines  Vorgängers  Epiphanius 
und  der  Panegyricus  auf  Theoderich  (ums  J.  507),  letzterer 
masslos  im  Preisen,  vorsichtig  im  Verhüllen  und  unerträglich  ge- 
bläht in  der  Form.  Die  neun  Bücher  Briefe  leiden  an  Inhalts- 
losigkeit; noch  mehr  die  Schulreden.  In  seiner  Zeit  als  Stilist 
anerkannt,  hatte  Enn.  Reden  und  Briefe  für  Andere  zu  schrei- 
ben, auch  Predigten  für  Bischöfe.  Die  Sammlung  der  Gedichte 
des  Enn.  enthält  im  ersten  Buche  grössere  Arbeiten  (Reisebe- 
Schreibungen,  ein  Epithalamium,  mehrere  Hymnen),  im  zweiten 
kürzere  Gelegenheitsgedichte,  theil weise  recht  unbedeutende,  zu 
Preis  wie  Unglimpf.    Incorrectheiten  der  Form  sind  nicht  selten. 

1.    Ennodius   aus   Gallien    (ep.  I,  2  vgl.  c.  II,  73),  vielleicht  Arelato. 
Eucharist.  (p.  248  M.):  tempore  quo  Italiam  optatissiraus  Theoderici  regis 


470  f.   BoetiuB.    EonodiuB.  1089 

resuscitavit  ingreBsus  (J.  489)  .  .  ego  annorum  ferme  XVI  amitae  quae  me 
aluerat  .  .  solatio  privatus  siuu.  remansi  sdlus,  inops  etc.  popoBci  in  matri- 
monium  cniuBcläm  nobilisBiinae  .  .  parvulam  filiolam,  protinus  .  .  exceptua, 
.  .  ut  alimentis  affinerem,  .  .  ex  mendico  in  regem  mutatuB.  Nachdem  er 
das  BO  leicht  Gewonnene  durchgebrachC  wurde  Enn.  Priester  und  Beine  Frau 
trat  in  ein  Kloster  ein.  Bischof  von  Ticinnm  (Pavia)  seit  511.  Abge- 
sandter des  Papstes  Hormisdaa  an  den  oström.  Kaiser  Anastasius  für  die 
Vereinigung  beider  Kirchen.  Frühere  Reisen  carm.  I,  1  (nach  Brian9on 
auf  Geheiss  eines  vates  =  Bischofs).  5  (über  den  Po  zu  einer  Schwester). 
6  (aus  Rom  zur  See). 

2.  Panegyricus  dictus  clementissimo  regi  Theoderico,  nach  J.  504 
(Zurückeroberung  von  Sirmium,  s.  12,  3)  und  vor  608  (ehe  Theoderich  für 
seinen  Enkel  Amalarich  das  westgothische  Reich  zu  verwalten  bekam). 
Beschaffenheit:  adeo  omnia  sunt  plena  argutiarum  et  ineptiarum,  tot  un- 
dique  calamistri  adhibiti,  tot  mira  verborom  et  compositionis  monstra  ut 
nauseam  moveat  oratio  targida  atque  inflata,  stomachum  ambigua  et  ob- 
scura.  verum  etsi  graviter  cum  rerum  iudicio  tum  sententiamm  delectu 
laborat  Ennodios,  ist  er  doch  eine  wichtige  Geschichtsquelle  (vgl.  R.  Köpke, 
deutsche  Forschungen  S.  165  ff.,  bes.  S.  173.  175.  178),  Manso  p.  435  vgl. 
M.  Fertig  III.  S.  4:  bei  mancheu;i  Guten  ist  des  UngeschickteQ,  Steifen, 
Verzwickten,  Leeren,.  Masslosen,  Wüsten  und  Barbarischen  in  diesem 
letzten  römischen  Redestücke  viel.  Abgedruckt  auch  in  den  Sammlungen 
der  panegyrici  (oben  387),  cum  annotationibus  in  Manso's  Gesch.  d.  ost- 
goth.  Reichs  p.  437—487,  vgl.  p.  486  f.  487—490.  Uebersetzt  von  M.  Fertig 
(Ennod.  n.  seine  Zeit  III),  Landshut  1858.  4. 

8.  Vita  b.  Epiphanii  episcopi  Ticinensis  (f  496);  b.  Antonii  monachi 
Lerinensis  (bald  nach  dessen  Tod  verfasst).  Libellus  ad  versus  eos  qui  contra 
synodum  (vom  J.  602)  scribere  pVaesumpserunt  (für  Papst  Symmachns). 
Eucharisticum  de  vita  sua,  eine  kurze  Selbstbiographie,  nach  dem  Vorgange 
von  Augustinus  Confessiones  in  Form  eines  Gebetes  (Fertig  L  S.  7  —  11). 
Paraenesis  didascalica  ad  Ambrosium  et  Beatum  (die  in  Rom  studierten, 
Empfehlung  der  Poesie,  verecundia,  castitas,  fides,  grammatica,  rhetorica, 
eingeleitet  je  durch  Verse).  Ausserdem  werden  zu  den  (zehn)  opuscula  des 
E.  noch  gezählt  praeceptum  quando  iussi  sunt  omnes  episcopi  cellulanos  ha- 
bere; petitorium  quo  absolutus  est  Gerontius  paer  Agapeti,  und  stwei  bene- 
dictiones  cerei. 

4.  Die  28  dictiones  enthalten  Reden  für  Andere,  Gelegenheitsreden 
(z.  B.  in  natali  Laurentii  Mediolanensis  episcopi)  und  Schulreden ,  von  letz- 
teren sieben  wirklich  in  der  Schule  gehalten  (bei  Einführung  oder  Beför- 
derung von  Schülern),  15  aber  Musterreden  (10  controversiae ,  5  ethicae  oder 
suasoriae),  bezeichnend  durch  die  Wahl  ihrer  Gegenstände,  die  sich  ganz 
in  den  alten  Geleisen  bewegen;  s.  oben  44,  9. 

5.  Die  neun  Bücher  Briefe  (die  Bachzahl  im  Anschluss  an  Sidonius), 
im  Ganzen  297,  ohne  chronologische  Ordnung,  sind  zum  Theil  an  Männer 
von  hoher  Stellung  in  Kirche  (wie  Symmachns,  Hormisdaa)  und  Staat  (wie 
Boetius  und  Liberius)  gerichtet;  an  Venantiu.«)  V,  22  u.  p.  364  M.;  23  an 
elf  Frauen,  z.  B.  seine  Schwester  Euprepia.    Alle  scheinen  von  E.  als  Dia- 

TsuivxL,  Rdm.  Lit«ratTirge8chiohte.    ä.  Aufl.  69 


■ 


1090  Die  Kaiserzeit   Sechstes  Jahrhundert. 

konus  (in  Mailand)  und  vor  J.  510  geschrieben.  OeiSentUche  Verhältniase,  voll- 
ends politische,  werden  kaum  berührt.  Die  Schreibweise  ist  höchst  manieriert. 

6.  Dass  das  Versemachen  für  einen  Priester  sich  nicht  recht  schicke 
fühlt  Eun.  so  gut  wie  Sidonius  nnd  entschuldigt  es  wiederholt  (c.  I,  6  proef. 
u.  9  praef.).  Galt  doch  die  heidnische  Mythologie  für  ein  unerlässliches 
Zubehör  der  Verse,  so  doss  auch  Enn.  den  Phoebus,  Apollo,  die  CjnthiA, 
Venus  (bes.  I,  4),  Parcae  (I,  5.  II,  2.  109),  Pierides,  di  (II,  24,  1)  oft  genug 
in  Bewegung  setzt,  freilich  ohne  alles  Arg,  indem  ihm  z.  B.  Olympus  ein- 
fach  der  christliche  Himmel  ist  (vgl.  I,  6  von  Christus:  ille  per  excelsnm 
videat  me  dexter  Olympum).  Aber  auch  moraUsche  Bedenken  hatte  das 
Versemachen,  wenn  man  anzügliche  Gegenstände  so  wenig  mied  wie  Enn. 
II,  25  ff.  51  ff.  70  ff.  97.  101  ff.  thut,  offenbar  weil  er,  wie  Luxorius,  ein 
wenig  Schmutz  als  unzertrennlich  von  der  Gattung  des  Epigramm  ansah. 
Dass  jedoch  das  Versemachen  nur  eine  Form  der  Sülübung  war  zeigt  die  häu- 
fige Verbindung  mit  einem  prosaischen  Vorwort  (bei  Ennod.  I,  6. 7. 8. 9. 11, 150) 
oder  Nachwort  (II,  107),  die  Verwendung  von  Versen  als  dictiones  (Ennod. 

I,  2.  6.  9)  und  Versstoffe  wie  Ennod.  II,  28  f.  (de  eo  qui  ut  filium  matri 
reconciliaret  furtum  fecit;  de  eo  qui  dicebatur  meretricis  filius  esse),  vgl.  A.  4. 

7.  Die  Gedichte  von  B.  I  liefern  bei  ihrer  phraseologischen  Haltung 
weniger  stoffliche  Ausbeute  als  Ueberschriften  wie  Itinerarium  Brig^tionis 
castelli,  Itinerarium  Padi,  Dictio  Ennodii  diaconi  quando  Roma  rediit  (vgl. 
A.  1)  erwarten  Hessen.  Das  Epithalamium  dictum  Maximo  v.  s.  bewegt  sich 
nach  dem  Vorgange  des  Claudianus  in  einer  Manchfaltigkeit  von  Formen 
(elegisches  Vorwort,  4  tetr.  troch.,  6  sapphische  Strophen,  der  Haupttheil 
im  epischen  Masse,  zum  Schlüsse  6  Hendekasy Ilaben)  und  fasst  auch  das 
Sinnliche  frei  an.  I,  7  bietet  dem  Faustus  (oben  469,  6)  als  Gegengeschenk 
ein  Vorwort  in  Prosa,  16  Distichen,  12  Hexameter,  wieder  2  Distichen,  5 
sapphische  Strophen  und  zum  Schlüsse  12  anapftstische  Dimeter,  1, 9  episches 
Gedicht  zum  Geburtstag  des  Epiphanius  (s.  A.  3),  in  annum  XXX  sacerdotti 
=»  J.  496.    I,  10—21  Hymnen  im  dim.  iamb.  acat.  bes.  auf  Heilige. 

8.  Buch  n  besteht  aus  151  Gedichten  (dazu  epist.  V,  8)  meist  im 
elegischen  und  epischen  Mass  (c.  107  sapphische  Strophen,  123  tetr.  troch.), 
Epitaphien,  zur  Einweihung  von  Kirchen,  auf  Kunstwerke,  spottende  Epi- 
gramme, Gedichte  zum  Preise  bes.  von  Bischöfen  (77  ff.);  vgl.  150  praef.: 
qui  miratur  ofBcii  terminos  in  amicorum  me  laudibus  egressum  recolat  quam 
imperiosa  est  semper  affectio  etc.  De  horto  regis  (Theoderici)  111.  De 
eo  quod  Messala  consul  (J.  506)  Ennodius  in  cognomine  dictus  est,  32  vgl. 
144 — 146.  Vieles  ist  so  unbedeutend  dass  es  des  Aufbewahrens  nicht  werth 
war;  Enn.  aber  bemerkt  ausdrücklich  was  ex  tempore  (25.  57.  107)  oder 
subito  (142)  gemacht  sei.  Auch  vgl.  57,  6:  carmina  byblis  sulcavi,  tumulo 
ne  tenear  moriens. 

9.  Ennod.  entschuldigt  carm.  II,  57,  8  ff.  u.  146  etwaige  prosodiechc 
Incorrectheiten.  Sie  sind  am  h&afigsten  in  Eigennamen  und  Frondwörtem 
(wie  Melisa,  Satumius,  cSruchus,  physica;  auch  thyrambus  statt  dith.  I,  7. 

II,  109);  doch  kommen  auch  Regelwidrigkeiten  vor  wie  venerandnm,  re- 
misse,  renuis,  mulierem  (oben  466,  7),  rigent,  lltamus  und  andererseits 
otii,  noniinasse,  convYvii,  astütia,  immobilis,  pauperes,  possides. 


471  f.   Enoodius.   Fulgeniius,  der  Bischof  n.  der  Qrammatiker.    1091 

10.  Ausgabe  der  Weirke  des  E.  von  J.  Sirmond,  Paris  1611  (und  in 
Sirmonds  Opera  I,  Paris  1696.  p.  1863  ff.,  Yenet.  1728  p.  371  ff.),  abgedruckt 
auch  in  Gallandi  bibl.  patr.  und  Migne^s  patrol.  LXni  (p.  13—364). 

11.  M.  Fertig,  Enn.  und  seine  Zeit,  I  u.  IL   Passau  1855.  4. 

472«  Ungeföhr  im  J.  480—550  lebte  und  schrieb  in  Africa44i 
der  eitle  Grammatiker  Fabius  Planciades  Fulgentius,  von 
welchem  wir  vier  Schriften  besitzen:  Mythologiarum  (oder  my- 
ihologicon)  libri  III  mit  einer  Einkleidung  in  der  Weise  des 
Märtianus  Capella  und  toU  abenteuerlicher  Erklärungen  der 
Namen  und  Mythen;  eine  allegorische  Auslegung  des  Inhaltes 
der  Aeneis  (Virgiliana  continentia);  eine  höchst  absonderliche 
Art  Yon  Weltgeschichte  (de  aetatibus  mundi)^  -und  endlich  eine 
Expositio  sermonum  antiquorum,  worin  der  Verf.  Belege,  wenn 
sie  ihm  nicht  zu  Gebote  stehen,  herzhaft  selbst  erfindet.  Seine 
Darstellung  bewegt  sich  in  gezierten,  bombastischen,  abge- 
schmackten Phrasen.  Oft  mit  ihm  yerwechselt  und  auch  wohl 
mit  ihm  verwandt  ist  der  Bischof  Fulgentius  Ton  Ruspe  in 
Africa  (J.  468 — 533;  Bischof  seit  508),  von  welchem  zahlreiche 
theologische  Schriften  auf  uns  gekommen  sind,  deren  Schreib- 
weise aber  ebenso  nüchtern  uud  trocken  ist  wie  die  seines 
geckenhaffcen  Namensvetters  verschroben. 

1.  Isidor.  vir.  ili.  14:  FiügQDtiua  Afer,  ecclosiae  Buspensis  episcopus, 
.  .  scripsit  multa,  ex  quibus  legimua  De  gratia  dei  et  libero  arbitrio  libroa 
responsionum  VII,  in  quibns  Fausto  (oben  461,  7)  GaUiae  Reg^ensis  urbis 
episoopo,  pelagianae  pravitati  oonseniienti,  respondens  obnititur  etc.  legi- 
mus  et  eins  librum  de  s.  trinitate  ad  Felicem  etc.  extant  et  duo  eins  libri 
de  yeritate  praedestinationis  etc.  est  et  liber  altercatiohis  eins  quo  de  fide 
cum  Thrasamundo  rege  .  .  disputavit,  und  Anderes.  .  .  olaruit  sub  Thra- 
samundo  (J.  496 — ^623)  rege  Vandalorum,  Anastasio  imp.  regnanie  (J.  491 — 
518).  Ausser  zahbreichen  Schriften  dieses  F.  (bei  Migne  LXV)  besitzen  wir 
auch  eine  Vita  desselben,  wahrscheinlich  von  .seinem  Schüler  (Fulgentius) 
Ferrandus  (s.  unten  486,  12)^eine  in  ihrer  Wahrhaftigkeit  achtungsverthe 
Quelle  für  die  ZeitgeschichteP 

2.  Aus  Fulg.  praef.  der  myih.  ad  Catum  presbyterum.  me  discedentem 
a  ie,  domine,  dum  quasi  urbanis  extorrem  negotiis  ruralis  otii  torpor 
astringeret,  evitans  aerumnosa  calamitatum  nanfragia  qnibus  publicae  in« 
oessabiliter  vexantur  aotiones  (p.  5).  .  .  sopitifi  in  fiftvilla  silentii  xaucisonis 
iorgioTum  classicis  quibns  me  galageüoi  (Salmasius  und  Jungmann:  gallo- 
getioi;  nach  M.  Hertz  galagetici,   also  getici)  quassaverant  impetus  defae- 

•    •  •  • 

catam  silentio  vitam  agere  creditabam  (p.  6).  .  .  tributaria  in  dies  con- 
ventio  compulsantium  pedibus  limen  proprium  triyerat,  nova  indictionum 
ac  momentanea  proferens  genera.   .  .  addebatur  bis  quod  etiam  bellici  fre- 

69* 


1092  Die  Eaiserzeit.    Sechstes  Jahrhundert. 

quenter  incursus  pedum  domo  radicem  infigefe  iusseraot.  -  .  .  taDdcm  domini 
regis  felicitaa  (p.  7)  .  .  payores  extorsit.    .  .  licuit  tandem  arva  vifere  etc. 
(p.  8).     In   den    Aufschriften  der  Myth.   und  Virg.  cont.  heisst   der   Verf. 
Fabius  (vgl.  p.  19  M.)  Planciades  Fulgentius  (vgl.  p.  23.  27  M.)  v.  cL     Die 
Bezeichnung  Carthaginiensis  wird  ihm  selbst  nirgends  beigelegt,  wohl  aber 
war  er,  als  Verf.  der  aetat.  mnndi,  Afrikaner  (s.  A.  10).    Italiener  war  F. 
jedenfalls  nicht;   s.  p.  142  M.:    serva  istaec  tuis  Romanis;    .  .  nobis  vero 
erit  maximum  si  etc.    Vgl.  M.  Zink,  S.  4—8.    Da  er  auch  von  den  pagani 
als  Dritten  spricht  (myth.  I,  23.  II,  9.  III,  7.   Vergil.  cont.  p.  162  M.),  so 
war  er  getauft.    Seine  Zeit  fällt  sicher  nach  Martianus  Cap.  (vgl.  Expos,  s. 
V.  caelibatns);  alles  Weitere  aber  hängt  von  der -Deutung  der  verschwom- 
menen Angaben  des  F.  p.  5  ff.  ab.    Zink  bezieht  den  dominus  rex  auf  den 
Vandalenkönig  Hunerich  (J.  477  —  484)  und  setzt  den  F.  vor  den  mythogr. 
vat  I  (Zink  S.  13  —  16),  etwa  .1.  480  (vgl.  Jungmann  p.  51  f.);   L.  Malier 
(Fleckeisens  Jahrbb.  95,   S.  791  —  796)  versteht  die  Zeitanspielungen  von 
dem  Siege   des  Gothen   Theoderich   über   den  Suevenkönig  Rechiarins  in 
Galläcien  J.  456.    A.   Reifferscheid   (s.  A.  10)   denkt   an   die  Einfälle   der 
Mauren   in   das   vandalische   Gebiet   in  Africa,    welche  von  Thrasamunds 
Nachfolger  Hilderich  (J.  523—530)  bei  Capsa  geschlagen  worden  seien,  und 
ähnlich  Jungmann  (p.  53  f.)   von  den  Kämpfen  welche  nach  Thrasamunds 
Tode,  dessen  Wittwe  Amalafrida   mit  ihrem  gothischen  Anhang  imd  den 
Mauren  gegen  Hilderich  bestand  und  die  mit  der  Vernichtung  der  Gothen 
(bei  Capsa)  endigten.    Emil  Jungmann,  de  Fulgentii  aetate  et  scriptis,  iu 
RitschFs  Acta  societ.  philol.  Lips.  I  (1871)  p.  45 — 61. 

3.  Nicht  erhaltene  ältere  Schriften.  Fulg.  verg.  cont.  p.  149  M.:  sa- 
turanter  haec  in  libro  physiologo  quem  nuper  edidimus  de  medicinalibus 
causis  et  de  septenario  ac  de  novenario  namero  etc.  qui  ista  discere  cnpit 
nostrum  physiologicum  perlegat  librum.  Der  Physiologus  von  welchem  es 
vaticanische  und  Bemer  Hdss.  saec.  IX  gibt  (herausg.  von  Mai,  class.  aoct 
VII.  p.  589—596)  scheint  nicht  der  des  F.  zu  sein.  Ueber  die  Jugendgedichte 
des  F.  8.  praef.  myth.  p.  2  f.  M. :  meas  cachinnantes  saepius  nenias  lepore 
satirico  Utas,  .  .  dum  ludicro  Thalia  ventilans  epigrammate  comoedia 
solita  (est)  vernulitate  mulcere.  Proben  seiner  poetischen  Befähigung  myth. 
praef.  p.  11  f.  (trochäische  Tetrameter,  vielfach  nach  dem  Accent  gemessen, 
z.  B.:  Thespiädes  Hippocrene;  ferte  grädum  pröperantes;  übi  guttas  floru- 
lentae;  rupe  pastor  cäcinit;  ^nod  cecfnit  pastorali  Märo  silva  Mantuae  etc.) 
und  p.  23 — 25  (Hexameter).  Verg.  cont.  p.  140  (fünf  Hexameter). 

4.  Fulg.  myth.  praef.  p.  3  M.:  parumper  ausculta  dum  tibi  (dem 
presbyter  Carthag.  Catus)  .  .  ordior  fabulam  quam  nuper  .  .  nocturna  prae- 
sule  lucema  commentus  sum,  das  Gespräch  mit  Ealliope  das  die  Einleitung 
bildet,  ib.  p.  20:  mihi  non  cornutus  adulter  arripitur  (in  dem  Buche)  etc 
(p.  21 :)  certos  rerum  praestolamur  effectus,  quos  repulsos  mendacis  Graeciae 
fabuloso  commento  quid  mysticum  in  his  sapere  debeat  cerebrum  agnosca- 
mus.  Abfassung  in  reiferen  Jahren  (vgl.  A.  3),  ums  J.  524  (vgl.  A.  2). 
Proben  der  Namenerklärung:  Cybele  =*  nvöog  ßißatov  (III,  5.  p.  111);  Al- 
pheus =  äXri^siag  q>as  (III,  12).     Anderes  bei  Zink  S.  33—35. 

5.  Der  Titel  der  zweiten  Schrift  lautet  in   don  besten  Hdss.  Expositio 


472.   Fulgentius,  der  Grammatiker.  1093 

Virgilianae  continentiac  secundum  philosophos  moralts.  Widmung  nach 
dem  cod.  Goth.  ad  Catum  archidiaconum  Carthaginensera  (vgl.  p.  137: 
Levitarnm  sanctissime).  p.  138:  Virgilianae  continentiae  (Inhalt)  secreta 
physica  tetigi.  .  .  bncolicam  georgicamque  omisimus.  In  seiner  Selbst- 
gefälligkeit läset  F.  die  albernen  Bemerkungen  der  Schrift  durch  Vergil 
selbst  vortragen.  Gegen^  den  Schluss  bin  wird  der  Verf.  selbst  der  Sache 
überdrüssig  und  bricht  jäh  ab,  da  schwerlich  etwas  verloren  ist.  Vgl.  Jung- 
mann p.  73  f.  ■  , 

6.  Die  Handschriften  der  Mythol.  und  Virgil.  cont.  stammen  alle  von 
demselben  archetypus  ab.  Die  älteste  (und  beste)  der  vorhandenen  ist  der 
Vaticano-Palatinus  1578  saec.  IX.  Ueber  das  Verhältnis  derselben  zu  ein- 
ander 8.  E.  Jungmann  (A.  2)  p.  61-^73. 

7.  Vorwort  der  Expositio  sermonum  antiquorum  (oder  de  abstrnsis 
sermonibus),  nach  den  Hdss.  ad  grammaticnm  Chalcidium,  richtiger  mit 
Sigebert  Gemblac.  de  script.  eccl.  28  (vgl.  Jungmann  p.  57—60)  gleichfalls 
ad  Catum  presbyterum:  .  .  libellum  quem  de  abstr.  serm.  parari  iussisti  in 
quantum  memoiiae  entheca  subrogare  potuit  absolutum  retribui,  non  tam 
phaleratis  senponum  studentes  spumis  quam  rerum  manifestatiouibus  dantes 
operam  dihicidandis.  Die  Schrift  enthält  Erklärungen  von  63  veralteten 
und  seltenen  Wörtern  in  willkürlicher  Auswahl,  plaulos  zusammengestellt,  mit 
vielen  gefälschten  oder  erdichteten  Citaten  aus  wirklichen  und  erdichteten 
Schriftstellern  (z.  B.  Crispinns  Heraclea,  Q.  Fabius  Lucullus  epico  carmine, 
Lucilius  comicu«  in  Immolaria,  Callimorphus  Pisaeis,  Antidamas  in  moralibus 
libris).  L.  Lorsch,  Fab.  PI.  Fulg.  de  abstr.  serm.  nach  zwei  Brüsseler  Hdss. 
herausgegeben  und  literarhistorisch  gewürdigt,  Bonn  1844.  XXIV  u.  100  S. 
u.  dazu  R.  Klotz  in  Jahn's  Jahrbb.  43,  S.  71  —  96.  Ueber  eine  Berl.  Hds. 
B.  Rhein.  Mus.  XIX.  S.  297—301.  Abdruck  der  Schrift  auch  an  P.  Daniels 
Servius,  dem  Nonius  von  Mercerius,  Gerlach  und  Roth  (p.  387—398)  u.  sonst. 
Da  die  Anekdote  von  Metennia  in  den  aetat.  ausführlich  erzählt,  in  der 
Expos,  aber  nur  kurz  berührt  ist,  so  scheint  letztere  nach  dem  liber  de 
aet.  verfasst  (Jungmann  p.  55). 

8.  Des  F.  stilistische -Vorbilder  sind  Apulejus  und  Martianus  Capella. 
Aber  auch  mit  Sidonius  hat  er  Aehnlichkeit  genug  um  den  Gedanken  an 
eine  specifisch  „afrikanische  Latinität^'  nicht  aufkommen  zu  lassen.  Sein 
Satzbau  ist  überladen,  so  dass  es  dem  Leser  nur  mit  Mühe  gelingt  vor 
dem  Wortschwall  zum  Verständniss  des  Gedankense  zu  gelangen  und  den 
langgestreckten  Unholden  von  Perioden  ihren  spärlichen  Inhalt  abzuge- 
winnen (Zink  S.  39).    Die  Unregelmässigkeit  ist  bei  ihm  Regel,   und  be- 

. sonders  in  der  Rection  der  Tempora  und  Modi  herrscht  vollständige  Anarchie; 
8.  die  Nachweisungen  bei  Zink  S.  37 — 62  (Gräcismen,  Idiotismen,  poetische 
Constructionen,  Inversionen  u.  s.  w.).  Ueber  die  schwindelhafte,  in  Wahrheit 
aber  dürftige  Gelehrsamkeit  des  F.  in  seinen  Citaten  s.  ebd.  S.  62  —  93. 

9.  Abdruck  der  Schriften  des  F.  in  den  mythographi  latini  von  Th. 
Muncker  (II.  p.  1—184)  und  van  Staveren  (p.  695—783).  M.  Zink,  der  My- 
tholog  J^ulgentius,  Würzburg  1867.  94  S.  4.  E.  Jungmann,  quaestionum 
Fulgentiarum  capita  III  (bis  jetzt  zwei,  s.  A.  2  u.  6),  in  Ritschrs  Acta  soc. 
philol.  Lips.  I  (1871),  und  Coniectanca  Fulgentiana,  in  der  Begrüssungsschr. 
der  Leipziger  Philologenvers.  (Lips.  1872.  4.)  p.  '27—42. 


1094  *  l^io  Kaiserzeit.   Secbstee  Jahiliunderi. 

10.  Liber  absque  litten»  de  aetatibus  mandi  et  hominiB  .  .  auctore 
Fabio  Claudio  Gordiano  Fulgentio  t.  cl.  ernit  e  mss.  codd.  (bes.  der  Sor- 
bonne) Jac.  Hommey  et  notis  illustravit,  Pictav.  1694,  Paris.  1696.  (B.  X 
und  XI  abgedruckt  Bhein.  Hub.  XXIII.  S.  137-— 142).  Nach  dem  Vorwort 
sollte  das  Werk  (nach  der  Zahl  der  Buchstaben)  aus  23  Büchern  bestehen; 
in  den  bekannten  Hdss.  finden  sich  aber  nur  B.  1 — 14.  Der  geschichtliche 
Inhalt  ist  dürftig;  den  meisten  Raum  nimmt  die  bibUsche  Geschichte  ein. 
B.  X  enthält  die  Greschichte  Alexanders  des  Gr.,  XI  die  von  Rom  bis  Caesar, 
XU  den  Inhalt  der  yier  Evangelien,  XÜI  die  Apostelgeachichte ,  XIY  die 
römische  Kaiserzeil  Die  Ausführung  ist  letiroy^afifuxr«^,  bq  daas  in  den 
einzelnen  Büchern  je  ein  Buchstabe  des  Alphabets  der  Reihe  «ach  unan- 
gewendet  bleibt,  in  B.  I  der  Buchstabe  A,  in  II  der  Buchstabe  B  u.  s.  f., 
was  jedesmal  am  Schlüsse  bemerkt  wird  (s.  B.  decimo  libro  absque  E 
finito  undecimuB  absque  L  incipit).  Diese  Idee  ist  ganz  im  Geiste  des 
Grammatikers  Fulg.,  mit  dem  die  Schrift  auch  die  Zahlenmystik  (vgl.  A.  3) 
gemein  hat,  sowie  Stil  und  Wortschatz  und  dass  das  Vorbild  des  mirificum 
opus  sein  soll  librorum  bis  duodenum  volumen  Xenophontis  poetae,  wenn 
diess  auch  nicht  ganz  auf  die  Rechnung  des  F.  gehört.  Dass  sich  der 
Verf.  wiederholt  als  Africaner  bezeichnet  stimmt  gleichfalls  ganz  gut.  Ab- 
weichend ist  nur  der  mittlere  Theil  des  Namens,  dessen  Claudius  aber  bei 
dem  Vater,  Gordianus  bei  dem  Grossvater  des  Fulg.  Ruspensis  (A.  1)  wie- 
derkehrt,  so  dasfa  er  von  dem  Bischof  auf  den  Grammatiker  übergetragen 
scheint.  Den  Namen  Fulg.  selbst  hatte  dem  Bischof  sein  Vater  quasi 
praescius  qualis  esset  futurus  gegeben  (vita  Fulg.),  also  ohne  dass  er  vorher 
in  der  Familie  üblich  gewesen  wäre.  A.  Reiif erscheid,  Rhein.  Mus.  XXUI.* 
S.  133->137.  142  f.    Jungmann  p.  46—49. 

449  473.  Zur  Zeit  des  Kaisers  Anastasins  schrieb  in  Constan- 
tinopel,  aber  in  lateiniscber  Sprache^  der  Grammatiker  Priscia- 
nusy  dem  wir  das  vollständigste  und  vollendetste  Lehrgebäude 
der  lateinischen  Sprache  verdanken ,  die  achtzehn  Bücher  Insti- 
tutionum  grammaticarum;  besonders  wichtig  durch  die  reiche 
Fülle  von  Ueberlieferungen  aus  der  alten  Literatur  und  in  seiner 
Terminologie  vielfach  bis  auf  den  heutigen  Tag  fortwirkend. 
Das  Werk  gehorte  zu  den  gelesensten  des  Mittelalters  und  ist 
daher  in  zahllosen  Handschriften  erhalten.  Ausser  diesem  Haupt- 
werke besitzen  wir  von  Priscian  auch  noch  einige  kleinere 
Schriften^  von  denen  die  wichtigsten  die  drei  an  Synunaclius 
gerichteten  sind,  sowie  in  gebundener  Form  einen  Panegyrikus 
auf  Anastasius  und  ein  geographisches  Schulbuch. 

1.  Das  Zeitalter  des  Pr.  aus  Caesarea  in  Mauretanien  w^ird  bestimmt 
durch  seinen  panegjricus  auf  Anastasius  (J.  491 — 518),  die  Subsoription  des 
Theodorus  (s.  A.  3)  und  die  Ueberschrift  von  Cassiod.  de  orthogr.  13:  ex 
Prisciano  grammatico,  qui  nostro  tempore  Constantinopoli  doctor  foit. 
Aufenthalt  zu  Rom  nach  der  Widmung  an  Symmachus  (A.  5).  Ueber  seinen 


473.   Prißcianua.  1095 

iichrer  Theoktistue  s.  oben  465,  12.    Eine  vita  Prisciani  inediia  aus  einer 
Berner  Hda.  saec.  XI  bei  H.  Hagen,  Anecd.  Helvet.  p.  CLXYIII  f. 

2.    Widmung  der  inst.:   Juliane  consul  ac  patricie,  cni  summos  digni- 
tatis  gradus  summa  adquisivit  in  omni  studio  ingenii  claritudo,  .  .  tibi  hoc 
opus  devoveo.    Der  Schluss  des  Vorworts  enthält  eine  Inhaltsangabe.    B. 
I — XVI  geben  die  Formenlehre,  XVII  und  XVIII  handeln  de  constructione 
s.  ordinatione  partium  orationis  inter  se.    Ueber  die  Quellen  ib.:   cum  eos 
(Apollonios  Dysk.  und  Herodian)  omuia  fere  vitia  quaecumque  antiquorum 
Graecorum  commentariis  sunt  relicta  artis  grammaticae   expurgasse  com- 
perio,  .  .  nostrorum  autem  neminem  post  illos  imitatorem  eorum  extitisse, 
.  .  conatüs  sum  .  .   supra  nominatorum  praecepta   virorum   quae  congrua 
sunt  visa  in  latinum  transferre  sermonem,    coUectis  etiam  omnibus  fere 
quaecumque  necesaaria  nostrorum  quoque  inveniuntur  artiimi  commentarüs 
grammaticorum.    Wirklich  erweist  sich  ein  grosser  Theil  des  Systems  von 
Fr.  als  eine  Uebersetzung  aus  Apollonios  nsgl  cvvtcc^Bcog^  neifl  dvtoyi/v(iiag^ 
ntQl  avvdsafMov,   nsQl  iniq^riiuxzonf ^   sowie  aus  den  Scholien  zu  Dionysios 
Thrax.    Auf  Gnmd  dieser  griechischen  Quellen  weicht  Fr.  in  Einzelheiten 
von  ^der  herkömmlichen  Anordnung  ab  und  pflegt  diess  mit  Geräusch  zu 
verkündigen.    So  in  der  Ausscheidung  von  qualis,  quantus,  quot,  unus,  alter, 
alius,   totns  u.  s.  f.  aus  der  Zahl  der  Pronomina,   in  einer  verschiedenen 
Auffassung    der  Nomina  adiectiva  und  mehrerer  technischen  Ausdrücke, 
sowie  einer  abweichenden  Eintheilung  der  Conjunctionen  (W.  Christ,  Fhilol. 
XVIII.  S.  140).   Um  so  enger  schliesst  er  sich  in  den  speciellen  Ausführungen 
und   in  den  Mittheilungen   aus  der  älteren  Literatur  der  Römer  an  seine 
Vorgänger  (bes.  Flavius  Caper)    an.    In  den  beiden  letzten  Büchern,   wo 
Pr.  nicht  so  reiche  und  für  den  unmittelbaren  Gebrauch  zugerichtete  Vor- 
arbeiten vorfand,   zeigt  sich  die  Unzulänglichkeit  seiner  Studien  und  die 
Enge  des  Kreises  von  Schulschriftstellern  worin  er  zu  Hause  war.    Seine 
Darstellung  leidet  an  grosser  Weitschweifigkeit,  und  von  lateinischer  Wort- 
stellung hat  Pr.  sehr  dunkle  Begriffe. 

3.  Die  Gesammtzahl  der  Handschriften  des  Pr.  berechnet  Hertz 
I.  p.  XIII  auf  gegen  tausend,  quorum  quidem  libros  XVIII  omnes  com- 
plectuntur  pauci,  libros  postremos  duos  (XVII  et  XVIII,  de  constructione, 
sive  Priscianum  minorem)  itidem  satis  pauci,  libros  XVI  priores  (de  VIII 
partibus  orationis  s.  Priscianum  maiorem)  plerique  (I.  1.).  Alle  gehen  zurück 
auf  die  Becension  des  Flavius  Theodorus  (von  Aldhelmus  verwechselt  mit 
Theodosius)  antiquarius  (Schönschreiber),  der  später  in  Hofdienste  trat  (s. 
unten  474,  3)  und  von  sich  sagt:  scripsi  Artem  Prisciani  eloquentissimi 
grammatici,  doctoris  mei,  manu  mea  in  urbe  Borna  Constantinopoli  im 
Laufe  von  J.  526  u.  527;  s.  0.  Jahn,  Berichte  d.  sächs.  Ges.  d.  Wiss.  1851, 
S.  354—359.  Hagen,  Anecd.  Helv.  p.  CLXIX,  12  ff.  Erhalten  ist  aber  weder 
die  Becension  des  Theodorus  selbst  noch  eine  unmittelbare  Abschrift  der- 
selben; vielmehr  zeigen  auch  unsere  ältesten  Hdss.  einen  schon  vielfach 
interpolierten  und  verderbten  Text.  Die  Haupthds.  ist  Paris.  7496  saec.  IX 
(R  bei  Hertz),  besonders  wichtig  durch  die  Correctur  zweiter  Hand  (r),  die 
auf  einen  codex  vetustns  zurückgeht.  Vgl.  M.  Hertz,  Berichte  üb.  d.  Verhandl. 
der  Berl.  Akad..l847,  S.  417  —  421;  ed.  Prise.  L  p.  X— XXIIl.  W.  Christ, 
PhUol.  XVm.  S.  142-161.   H.  Hagen,  Anecd.  Helvet.  p.  CLXX-CLXXIV. 


1096  I^ie  Kaiserzeit.    Sechstes  Jahrhundert. 

4.  üeber  die  Ausgaben  der  Inst.  vgl.  M.  Hertz  I.  p.  XXIII — XXVII. 
In  Putsche's  gramm.  (Hanau  1605.  4.)  p.  533  —  1214.  Ed.  A.  Krehl,  Lips. 
1819  f.  2  Voll.  Hauptausgabe  ex  recens.  M.  Hertzii,  in  KeiVs  gramm.  lat. 
II  u.  in,  Lips.  1855.  1859. 

5.  Kleinere  Schriften.  Dem  Symmachus  (cos.  485?)  gewidmet  sind 
drei.  Vorwort:  Omni  te,  Symmache,  nobilitatis  splencfore  celebratum,  .  . 
studiis  etiam  optimarum  artium  disciplinarumque  fiorentem  .  .  fama  qui- 
dem  antea  nobis  absentem  venerabilem  faciebat,  nunc  autem  praesentcm 
.  .  ostendit.  .  .  itaque  .  .  (a)  de  figuris,  sicut  iussisti,  numerorum  breviter 
collecta  demonstrabo  et  de  nnmmis  yel  (»>  et)  ponderibus,  praeterea  (b) 
de  Terentii  metris,  nee  non  etiam  (c)  de  praecxercitamentis  rhetoricis,  quae 
Graeci  nQoyvpkvaciiata  yocant,  quoniam  diligentius  ea  sophistae  iuniores, 
quos  sequimur,  .  .  exposuisse  videntur.  Die  erste  Schrift  (über  die  im  Lat. 
und  Griech.  üblichen  Zahlzeichen,  die  Münz  Verhältnisse  und  Bildungen  der 
lat  Zahlbegriffe)  ist  geschöpft  aus  Dardanos  (etwa  saec.  IV)  nsgl  öta^fMiv; 
die  zweite  (abgedruckt  auch  bei  Gaisford,  script.  rei  metr.  latt.  p.  410  ff.) 
will  beweisen  dass  die  Stücke  der  palliata  wirklich  in  Versen  geschrieben 
seien,  nur  sehr  regellosen,  und  ist  entnommen  aus  Heliodor,  Hephästion, 
Terentianus  und  Asmonius;  die  dritte  ist  eine  Uebersetzung  der  ngoyvfjkp. 
des  Hermogenes.    Keil  p.  394  f. 

d.  Institutio  de  nomine  et  pronomine  et  verbo  (in  älteren  Ausgaben 
betitelt  de  declinationibns  u.  dgl.),  Auszug  aus  dem  grösseren  Werke  (A. 
2—4)  für  Schulzwecke.    Keil  p.  895  f. 

e.  Partitiones  XII  versuum  Aeneidos,  an  diesen  die  Schnlübung  (fu- 
QißfjLog,  später  inip^BQ.)  durchmachend  welche  die  Griechen  an  Homer  vorzu- 
nehmen pflegten,  die  metrische  und  grammatische  Zergliederung  der  Verse, 
in  Form  von  Fragen  und  Antworteh.    Keil  p.  397  f. 

f.  De  accentibus,  Regeln  über  den  Accent,  meist  mit  Friscian  über- 
einstimmend, aber  nicht  von  ihm  selbst,  nam  nou  soluro  omne  dicendi  genus 
ab  hoc  grammatico  prorsus  alicnnm,  ne  dicam  rüde  et  saepe  etiam  ineptum 
est,  sed  etiam  res  ipsae  de  quibus  agitur  speciem  eius  aetatis  quae  iam 
usum  et  Bcientiam  latinae  linguae  non  habebat  prae  se  ferunt.  in  ezeroplis 
vero  barbara  quaedam  vocabula  hie  scriptor  posuit.    Keil  p.  400  f. 

6.  Ausgaben  der  kleineren  Schriften  (ausser  Putsche  und  Krehl,  A.  4) 
von  F.  Lindemann  (Lugd.  B.  1818)  und  bes.  von  H.  Keil,  gramm.  latt.  III. 
(Lips.  1860)  p.  405—528;  vgl.  die  praef.  p.  387  ff.  W.  Christ,  Philol.  XVIII. 
8.  153—168. 

7.  Prisciani  gratnmatici  de  laude  imp.  Anastasii  .  .  nunc  primum  .  . 
ed.  et  illustr.  St.  L.  Endlicher,  Wien  1828  (comment.  p.  21 — 78).  Dieser 
Panegyrikus  (312  Hexameter  mit  einem  Vorwort  von  22  klappernden  iamb. 
Senaren)  scheint  um*s  J.  512  verfasst.  Trotz  aller  Anstrengung  bleibt  er 
durchaus  nüchtern.  Schluss  in  der  (Bobbioschen)  Hds.  (jetzt  in  Wien): 
expL  laudes  sapientissimi  imp.  An.  . .  dictae  a  Prisciano  grammatico. 

8.  Prisciani  periegesis  e  Dionysio,  1087  Hexameter  mit  dem  Schlusse: 
.  .  pelagi  partes  percurri  carmine  vastas  et  terrae  pariter  regiones  finibus 
amplis.  omnipot-ens  pro  quo  genitor  mihi  praemia  donet.  Abgedruckt 
ist  dieses  Schulgedicht  bei  Wemsdorf,  poetae  lat.  min.  V.  p.  265 — 422  (vgl. 


473  f.    Priscianus.    Eutyches.  1097 

p.  225 — 235  und  die  notae  p.  423 — 493),  in  G.  Bernhardy's  Gcogr.  gr.  min. 
I.  p.  461  «F.,  und  in  C.  Müller'ß  Geogr.  gr.  min.  II  (1861)  p.  190  flf. 

9.  In  Hdss.  eaec.  X  und  XI  trägt  des  Priscian  Namen  eine  cpitome 
Phaenomenon  s.  versus  (12 — 16  Hexameter)  de  sidteribus,  z.  B.  bei  Werns- 
dorf,  poetae  lat.  min.  V.  p.  520—522,  in  Riesele  Anthol.  lat.  679. 

10.  Wahrscheinlich  ans  saec.  VI  ist  das  carmen  de  librae  sive  assis 
partibus,  20  Hexameter,  in  Hdss.  angehängt  an  das  de  pondcribus  (s.  oben 
444,  2).  Abgedruckt  am  besten  bei  Hultsch,  script.  metrol.  rom.  p.  99  f.  vgl. 
p.  31  f.  C.  Schenkl,  Sitzungsber.  der  Wiener  Akad.,  hisi-philol.  Cl.  XLIII. 
1863.  S.  58,  A.  In  Riese's  Anthol.  lat.  741. 

474.  Noch  bei  Priscians  Lebzeiten  verfasste  sein  Schüler*'>ö 
Eutyches  gleichfalls  grammatische  Werke,  von  welchen  eine 
Ars  de  verbo  in  zwei  Büchern  auf  uns  gekommen  ist.  Sie  zeigt 
Benützung  der  Schriften  seines  Lehrers,  aber  auch  älterer  Quellen. 
Der  Vorsprung  welchen  auf  diesem  Gebiete  damals  der  Osten 
hatte  erhellt  am  klarsten  wenn  wir  mit  den  Leistungen  Priscian's 
vergleichen  die  wenig  späteren  kümmerlichen  des  Asper  und 
Audax  oder  gar  die  abenteuerlichen  Schwindeleien  des  Vergilius. 

1.  Cassiod.  de  orthogr.  9  hat  die  Ueberschrifb:  Eutychis  de  aspiratione. 
Die  Hdss.  des  E.  selbst  haben  meist  die  Form  Enticii  oder  Euticis.  Eut. 
p.  466,  28  ff.  E. :  de  quibus  .  .  quia  romanae  himen  facundiae,  meus,  immo 
communis  omnium  hominum  praeceptor,  in  quarto  de  nomine  libro  summa 
cum  subtilitate  copiosissime  grammaticus  Priscianus  disseruisse  cognoscitur 
etc.  Aus  dem  prologus:  tuis  petitionibus  satisfaciens ,  meorum  dilectissime 
discipulorum  Cratere-,  .  .  opusculum  hoc  ad  discemendas  pertinens  coniu- 
gationes  duobus  libellis  inclusi,  quorum  prior  observationibus  instruitur 
generalibns,  alter  .  .  speciales  exequitur  regulas. 

2.  Ausgaben  der  Schrift  des  Eut.  von  Jo  Camerarius  (Tubing.  1537^, 
mit  Mar.  Vict.  u.  A.),  bei  Putsche  (p.  2143—2189)  und  Lindemann  (p.  153 
—198),  und  bes.  von  H.  Keil,  gramm.  lat.  V.  p.  447—489,  vgl.  p.  442—446. 
F.  Osann,  Beiträge  U.  S.  162—165. 

3.  Ueber  einen  andern  Schüler  des  PriscianuJ,  den  Fl.  Theo  dorn  s 
Dionys.  v.  d.,  memorialis  sacri  scrinii  epistolanim  et  adiutor  v.  m.  quae- 
storis  sacri  palatii,  s.  oben  473,  3. 

4.  Unter  dem  Namen  eines  grammaticus  As  per  sind  zweierlei  sehr 
verschiedene,  aber  gleich  werthlose,  Arbeiten  erhalten.  Die  eine  hat  (aus 
Berner  Hdss.  saec.  VOT  u.  IX)  herausgegeben  H.  Hagen,  Anecd.  Helvet. 
p.  39—61,  vgl.  praef.  p.  LXXX — LXXXIII.  minorem  Artem  Donati  secutus 
hie  grammaticus  de  VIII  partibus  orationis  disseruit  et  maximo  exemplorum 
nnmero  congesto  .  .  praecepta  illius  illustravit.  .  .  eruditionis  autem  nulla 
in  hoc  libro  sunt  vestigia,  neque  ulla  veterum  scriptorum  exempla  adscripta 
sunt.  H.  Keil,  gramm.  latt.  V.  p.  530.  Die  andere  ist  abgedruckt  bei 
Putsche  p.  1725—1736,  Lindemann  p.  309—316,  Keil  V.  p.  547—554,  vgl. 


1098  Die  Kaiserzeit.   Sechstes  Jahrhundert. 

p.  630 — 532;  p.  531:  tarn  multa  in  definitionibus  et  in  divisionibus  partium 
orationis  et  in  verbis  qnibus  praeoepta  artis  efferuntur  et  in  genere  tra- 
ctandi  a  more  antiquorum  grammaticorum  dissenüant  ut  recentis  .  .  scri- 
ptoris  manum  prodant.    Beide  Arbeiten  sind  von  einander  unabhängig. 

5.  AudaZy  Verfasser  einer  grammatischen  Schrift  de  Scauri  et  Pal- 
ladii  libris  cxcei-pta  per  interrogationem  et  responsionem ,  erwähnt  nicht 
vor  saec.  VII  und  erhalten  in  einer  Berner  und  einer  Freisinger  Hds.  saec. 
IX  in  München,  sowie  überarbeitet  in  einer  Karlsruher  saec.  IX:  Volfuinus 
incipiunt  artes  Audaci  de  Sc.  et  P.  libris  exe.  H.  Keil,  Hermes  I.  S.  332  f. 
vgl.  Quaest.  gramm.  II  (Halle  1871.  4.)  p.  VIH  mit  not.  und  De  gramm. 
quibusd.  inf.  aet.  (Erlang.  1B68.  4.)  p.  4:  plura  sane  (als  Asper)  ex  anti- 
quiore  doctrina  servavit.  sed  eorum  maximam  partem  e  Maximi  Victorini 
libris  qui  fcruntur  (oben  403,  5)  recepit. 

6.  H.  Keil,  de  gramm..  inf.  aet.  (Erl.  1868)  p.  5:  omnium  qui  infe- 
riore  aetate  de  grammatica  arte  scripserunt  longe  ineptissimus  iiiit  Ver- 
gilius  a  Maio  (Class.  auct.  V.  p.  1  sqq.  vgl.  H.  Hagen,  Anecd.  Helvet. 
p.  188—201)  editus,  qui  sexto  septimove  saeculo  in  Gallia  vixisse  videtur 
(was  in  der  not.  näher  begründet  wird),  is  enim  de  grammatica  arte  ita 
disputavit  ut  potius  insulsas  fabulas  quam  veram  artis  tractationem  exhibe- 
ret.  neque  omnino  certam  disciplinam  et  rationem  disputandi  secutua  est, 
sed  plerumque  de  controversiis  quibusdam  quas  a  grammaticis.  suae  aetatis 
tractatae  esse  ait  disseruit.  in  quibus  omnia  fictis  fabulis  contexuit.  (folgen 
Beispiele.)  .  .  de  plurimis  autem  quaestionibus  quas  tractat  se  institatum 
esse  scribit  ab  Aenea,  praeceptore  suo,  quem  saepe  laudibus  effert;  de  aliis 
praeeepta  ponit  Mitterii  cuiusdam  Spaniensis,  quem  senem  noctu  .  .  inter- 
roganü  sibi  de  rebus  difBcillimie  respondisse  scribit  (p.  12  sqq.)  Vgl.  auch 
H.  Hagen  1.  1.  CVI  f. 

7.  Ein  Anhänger  des  Priscian  und  för  die  Kritik  von  dessen  Schriften 
manchfach  von  Bedeutung  ist  der  Verf.  der  Ars  anonyma  Bernensis,  heraus- 
gegeben von  II.  Hagen,  Anecd.  Helv.  p.  62 — 142  vgl.  p.  LXXXIII— LXXXIX. 

451  475.  Neben  Boetius  der  bedeutendste  Mann  des  Jahrhun- 
derts, durch  amtliche  Stellung  wie  durch  eigenen  Werth,  ist 
Magnus  Aurclius  Gassiodorus  Senator,  aus  einem  angesehenen 
und  reichen  Geschleckte  in  Bruttien  geboren.  Sein  langes  Le- 
ben (ungefähr  J.  480—^575)  reicht  von  Theoderich  bis  Justinian, 
seinen  Höhepunkt  aber  hat  es  unter  Theoderich,  wo  Cassiodor 
Consul  (J.  514)  war  und  als  Greheimsecretär  des  Königs  die 
thatsächliche  Leitung  der  laufenden  Geschäfte  hatte.  Nächst 
Reden  ist  seine  früheste  Veröffentlichung  seine  Chronik,  welche 
die  Weltgeschichte  von  Adam  bis  ins  J.  519  n.  Chr.  umfasst, 
eine  Compilation  aus  älteren  Quellen,  vom  J.  496  an  aus  eige- 
ner Kunde,  aber  in  dürftig  höfischer  Weise.  WerthvoUer  ist 
seine  Geschichte  der  Gothen,   die  uns  aber  nur  in  der  barbari- 


474  f.   Audax  n.  A.   CasRiodorus.  1099 

sierenden  Bearbeitung  des  JorSanis  erhalten  ist^  und  seine  zwölf 
Bücher  Variarnm,  eine  Sammlung  der -von  Cassiodor  in  seinen 
amtlichen  Stellungen  verfassten  Schriftstücke,  Erlasse  im  Namen 
des  jeweiligen  Regenten  und  sonstige  Urkunden.  In  seinen  spä- 
teren Jahren  in  ein  Kloster  zurückgezogen,  verfasste  Cassiodor 
nunmehr  eine  Reihe  theologischer  und  encyclopädischer  Schrif- 
ten. So  eine  üebersicht  der  für  seine  Klosterbrüder  empfehlens- 
werthen  Literatur  in  zwei  Büchern  (lectiones  divinae);  einen 
Abriss  der  sieben  freien  Künste,  Institutiones  divinarum  et  sae- 
cularium  litterarum,  gleichfalls  in  zwei  Büchern,  nur  theilweise  er- 
halten; ausserdem  de  anima,  de  amicitia  u.  A.,  sowie  Gramma- 
tisches (de  orthogfaphia  u.  dgl.).  Allenthalben  zeigt  C.  eine 
für  seine  Zeit  achtbare  Kenntniss  und  Werthschätzung  der  alten 
Literatur  und  einen  tüchtigen  Charakter.  Seine  Schreibweise  ist 
im  Zeitgeschmacke  und  schwülstig. 

1.  üeber  seine  Vorfahren  in  drei  Generationen  gibt  C.  selbst  Kunde 
durch  den  Mund  des  Königs  Theoderich,  in  den  beiden  Erlassen  (Var.  I, 
3  u.  4)  durch  welche  seinem  Vater  Auszeichnungen  bewilligt  werden.  Aus 
I,  4:  Cassiodoros  praecedentes  (dem  Vater  des  Schriftstellers)  fama  con- 
celebrat.  .  .  antiqua  proles,  .  .  cum  togatis  clari ,  inter  viros  forte»  eximii, 
quando  et  valetudine  membrorum  et  corporis  proceritate  floruerunt.  pater 
enim  candidati  sub  Valentiniano  (III)  principe  (J.  425 — 455)  gessit  tribuui 
et  notarii  laudabiliter  dignitatem.  .  .  patricio  Aetio  .  .  magna  fuit  caritate 
sociatus.  Sendung  an  Attila.  Zurückziehung  in  amoenissima  Bruttiorum.  * 
avus  enim  Cassiodorus  .  .  a  Vandalorum  (unter  Genserich)  incursione  Sici- 
liam  Bruttiosque  armorum  defensioc^e  liberavit.  .  .  vixit  et  ipse  in  provincia 
honore  iudicis  et  securitate  privati  etc.  tanta  etiam  patrimonii  sui  ubertate 
gloriatus  est  ut  etc.  Üeber  den  Vater  ib.:  primus  administrationis  introitus 
comitivae  privatarum  mole  fundatus  est  (Comes  rer.  privat.).  .  .  qui  mox 
deinde  sacrarum  largitionum  honore  suscepto  crevit  etc.  his  itaque  sub 
praecedenti  rege  (Odoaker?)  gymnasiis  exercitatus  emeritis  laudibus  ad 
palatia  nostra  pervenit.  I,  3:  in  ipso  imperii  nostri  exordio  .  .  Siculorum 
suspicantium  mentes  ab  obstinatione  praecipiti  deviasti.  .  .  ubi  sub  pro- 
cinctu  martio  civilia  iura  custodiens  publica  privataque  commoda  inavarus 
arbiter  aeetimabas.  .  .  Bruttiorum  et  Lucaniae  tibi  dedimus  mores  regen- 
dos (als  corrector),  ne  bonum  quod  peregrina  provincia  (Sicilien)  meruisset 
genitalis  soli  (vgl.  Var.  XII,  15)  fortnna  nesciret.  .  .  oblectat  nos  actus 
praefectorae  (vgl.  Var.  IX,  24)  recolere  etc.  .  .  patriciatus  tibi  apicem  iusta 
remuneratione  conferimus.  Der  Schriftsteller  selbst  (Senator,  vgl.  den  Bi- 
schof Senator  bei  Ennod.  carm.  II,  87)  wurde  primaevus  unter  Theoderich 
quaestor,  dann  magister  officiorum,  514  Consul  (Chronik  ad  a.:  Senator 
V.  c.  cons.  me  console  etc.),  bei  Athalarichs  Begierungsantritt  noch  ma- 
'  gieter,  sed  impleyit  quaestoris  officium  (Var.  IX,  25  ygl.  I.  praef.:  frequenter 
quaesturae  vicibus  ingravato),  schützte  und  verwaltete  eine  Zeit  lang  die 


1100  Die  Kaiserzeit.    Secbstes  Jahrhundert. 

Küstenprovinzen  (Var.  IX^  25),  und  wurde  J.  534  pracf.  praet.  (Var.  IX,  25). 
Vgl.  Var.  I  praef.:  praefectum  te  praeiorianae  aedis  omnea  novcrunt  IX, 
25:  cumulavimus  (Athalarich)  bcneficii»  nostris  copiosumvirtutibus,  divitom 
moiibus,  pleniim  niagnis  honoribus  Senatorem.  Viermal  war  er  Prafect, 
vier  Königen  hat  er  in  mindestens  40  Jahren  gedient.  Wahrscheinlich 
nach  dem  Sturze  des  Vitigis  (J.  540)  zog  er  sich  in  das  von  ihm  gestiftete 
Kloster  Vivarium  in  Bruttien  zurück,  verfasste  hier  seine  theologischen  und 
allgemeinen  Schriften  und  starb  ums  J.  575.  Vgl.  A.  2.  R.  Köpke,  deutsche 
Forschungen  S.  85—89. 

2.  Die  6chrift«tellerische  Thätigkeit  des  C.  zerf^lt  in  zwei  Hälften: 
eine  historisch  politische  (Reden,  Chronik,  Goth.  bist,  und  Variae)  während 
seiner  Amtszeit,  und  eine  theologisch-grammatische  seit  der  Zurückziehung 
nach  Vivarium.  Vgl.  Var.  I  pracf.:  dixisti  ad  commendationem  universit^tis 
frequenter  reginis  (bes.  Amalasuntha)  ac  regibus  (bes.  Theoderich,  Var.  IX, 
25)  laudes  (die  Üeberreste  bei  C.  Baudi  di  Vesme,  frammenti  di  orazioni 
panegiriche  di  Magno  Aur.  Cass.  Senatore  raccolti,  in  den  Memorie  der 
Tnriner  Akademie  VIII.  p.  169  ff.V  duodecim  libris  Gothorum  historiam 
defloratis  prosperitatibus  condidisti  (s.  A.  4).  Die  schon  vorher  (J.  519) 
verfasste  Chronik  (s.  A.  8)  wird  als  nicht  politische  Arbeit  übergangen. 
Schriften  aus  der  Klostcrzeit  aufgezählt  de  orthogr.  praef.:  post  commenta 
psalterii,  ubi  praest-ante  domino  conversionis  meae  (Ucbertritt  zum  Mönchs- 
leben) tempore  primum  studium  laboris  impendi;  deinde  post  institutiones 
quemadmodum  divinae  et  humanae  debeant  intellegi  lectiones,  duobus  libris 

.  .  sufficientcr  irapletis;  .  .  post  expositionem  epistolae  quae  scribitur  ad 
Romanos,  undc  pelagianae  haereseos  pravitates  amovi;  .  .  post  codicem  in 
quo  artes  Donati  cum  commentis  suis  et  libnim  de  etymologiis  et  alium 
librum  Sacerdotis  de  schematibus  dom.  praest.  collegi;  .  .  post  libnim 
quoque  titulorum,  quem  de  divina  scriptura  coUectum  Memorialem  volui 
nuncupari;  .  .  post  complexiones  in  epistolis  apostolorum  et  Actibus  apo- 
stolorum  et  apocalypsi,  quas  brevissimas  explanationes  decursas  ad  aman- 
tissimos  orthographos  discutiendos  anno  aetatis  meae  nonagesimo  tertio 
(etwa  J.  572)  perveni.  Der  in  seinen  Werken  stehende  computns  pa- 
schalis,  eine  Anweisung  die  Daten  des  christlichen  Kalenders  zu  berech- 
nen, verfasst  J.  562,  ist  hier  nicht  aufgezählt,  schwerlich  weil  er  erst  nach 
dem  93'*«"  Lebensjahre  ausgearbeitet  wurde,  vielmehr  weil  er  nicht  von 
Cass.  selbst  herrührt,  sondern  einem  Abschreiber  seiner  Chronik ;  s.  Momm- 
sen,  Cassiodor  S.  572. 

3.  Chronica  M.  A.  C.  Senatoris,  v.  c.  et  inl.,  ex  qnaestore  sacri 
palatii,  ex  cons.  ord.,  ex  mag.  off.,  praef.  po.  atque  patricii.  Verfasst  auf 
Veranlassung  Eutharichs,  des  Schwiegersohnes  von  Theoderich.  Von  Adam 
bis  in  Eutharichs  Consulat,  J.  519,  werden  5271  Jahre  gerechnet.  Die  ersten 
5  Epochen  (von  Adam  bis  zu  den  primi  consules)  sind  ex  chronicis  Eusebii- 
Hieronymi.  Die  sechste,  a  Bnito  et  Tarquinio  usque  ad  consulMutn  ve- 
strum,  1031  Jahre,  das  längste  aus  dem  Alterthum  überlieferte  Consulnver- 
zeichniss.  Der  ältere  Theil,  bis  J.  31  n.  Chr.,  ex  Tito  Livio  (wohl  im  Abriss) 
et  Aufidio  Basso,  gibt  den  Coss.  immer  zwei  Namen,  der  spätere  (aus  der 
Ostertafel  des  Victorius  Aquit.)  nur  einen  einzigen.    Die  Xviri  und  Kriegs- 


475.    CasBiodorus  Senator.  1101 

tribnnen  werden  weggelassen  und  dafQr  auf  das  Xyirat  40  Jahre  (statt  3) 
gerechnet.  Die  Jahrtafel  der  Kaiberzeit  sammt  den  beigefügten  historischen 
Notizen  ist  geschöpft  aus  der  des  Hieronyraus,  weiterhin  der  nach  Kaisern 
abgetheilten  Consulnlisto  des  Prosper.  J.  455  —  495  stammt  wahrscheinlich 
aus  der  ravennatischen  Chronik  in  ihrer  ursprunglichen  Vollständigkeit. 
Von  496  an  scheint  Cass.  ans  eigener  Kunde,  jedoch  in  dürftigster  Hof- 
BchreiberauBwahl,  die  gleichzeitigen  Ereignisse  aufgezeichnet  zu  haben.  Die 
Fehler  sind  zahlreich  und  zum  Theil  stark.  Die  Ueberliefemng  wird  vielfach 
parteiisch  zurecht  gelegt.  Bemerkenswerth  sind  die  auf  gothische  Verhalt- 
nisse bezüglichen  Znsätze.  Mommsen,  Abhandl.  d.  sächs.  Ges.  d.  Wiss. 
VIII  (philol.-hist.  a.  111),  Leipzig  1861,  S.  549  —  570.  Heber  die  Hand- 
schriften der  Chronik  ebd.  S.  571  —  588.  Die  Ausgaben  (in  den  Werken 
des  Cass.  und  den  Sammlungen  der  Chroniken)  bieten  im  Ganzen  den  Text 
des  Sichardus  in  der  Bearbeitung  des  Panvinius;  kritische  Ausgabe  von 
Mommsen  a.  a.  0.  S.  589 — 659. 

4.  Cassiod.  lässt  über  sich  den  Athalarich  J.  533  sagen  (Var.  IX,  25): 
tetendit  se  etiam  in  antiquam  prosapiem  nostram,  lectione  discens  quod 
vix  maiomxn  notitia  cana  retinebat.  iste  reges  Gothorum  .  .  latibulo  ye- 
tustatis  ednxit,  iste  Amalos  cum  generis  sui  claritate  restituit,  evidenter 
ostendens  in  XVII  •"  progeniem  stirpem  nos  habere  regalem.  origincm 
gothicam  historiam  fecit  esse  romanam,  colligens  .  .  quod  per  libroruni 
campos  passim  fuerat  ante  dispersum.  Vgl.  A.  2.  Var.  XII,  20:  in  historia 
nostra  .  .  retulimus.  Jordan.  Get.  praef. :  XII  Senatoris  volumiua  de  originc 
actibusque  Getarum  ab  olim  usque  nunc  per  generationes  regesque  de- 
scendentia.  Bei  dem  Tode  des  Athalarich  (2  Oct.  534)  scheint  Cass.  sein 
Werk  abgebrochen  zu  haben,  welches  schon  J.  533  dem  Könige  wohl  in  der 
Hauptsache  vollendet  vorlag  und  etwa  J.  535  herausgegeben  wurde.  Be- 
nützung des  Orosius  (Köpke,  deutsche  Forschungen  S.  71),  Trogus,  Am- 
mianus  und  griechischer  Schriftsteller  (Köpke  S.  79—82);  auch  der  gothi- 
schen  Ueberliefemng  und  Heldensage  (ebd.  S.  84  f.  vgl.  S.  89  —  93).  H. 
V.  Sybel,  de  fontibus  Jord.  p.  12  ff.  Der  Auszug  des  Jordanis  (unten  477, 
2  f.)  verschuldete  wohl  den  Untergang  des  Originalwerkes. 

5.  Var.  I  praef.:  dicta(ta)  moa  quae  in  honoribns  saepe  positus  pro 
explicanda  negotiorum  qualitate  profuderam  in  unum  corpus  redigere  sua- 
debant  (diserti).  .  .  ideo  quod  in  quaesturae,  magisterii  ac  praefecturao 
dignitatibus  a  me  dictatmn  in  diversis  publicis  actibus  potui  reperire  bis- 
sena  librorum  ordinatione  composui.  .  .  cunctarum  dignitatum  sexto  et 
VII«  libris  formulas  comprehendi.  .  .  librorum  vero  titulum  .  .  Varia- 
rum nomine  praenotavi,  quia  necesse  nobis  fnit  stiluni  non  nnnni  sumere 
qni  personas  varias  suscepimus  admonere.  .  .  huc  accedit  quod  modo 
regibus,  modo  potcstatibus  aulicis,  modo  loqui  videamur  humillimis,  .  .  ut 
merito  Variarum  dicatur  quod  tanta  diversitate  conficitur.  Die  ersten 
5  Bücher  enthalten  die  Schreiben  und  Erlasse  unter  Theoderich,  B.  VIII  — 
X  die  im  Namen  des  Athalarich,  Theodat  und  Wittiges;  B.  XI  und  XII 
die  Correspondenz  und  Verfügungen  aus  der  Zeit  da  Cass.  praef.  praet.  war. 
Spatestes  Datum  (und  Zeit  der  Herausgabe)  J.  538  (Var.  XII,  16).  Theil- 
weise  Umarbeitung  für  die  Veröffentlichung  vermutet  C.  Schirren,  de  ratione 


1102  t)ie  Raiserseit.    Sechatps  Jahrhandert 

p.   69.     L.   TrosB ,    in  Cass.   Varr.   libroB    sex   priores  symbolae  criticae, 
Hamm  1853. 

6.  Cassiod.  de  anima  praef.:  cum  iam  BUBcej)ii  operis  optato  fine 
gauderem  meque  XII  yolumiuibus  (Variamm)  iactatum  quietis  portus  ex- 
ciperet,  .  .  amicorum  me  suave  colle^um  in  salam  rursas  cogitationia  re- 
pressit,  postulans  ut  aliqua  qaae  tarn  in  sacris  libris  qnam  in  saecnlaribus 
abstnisa  compereram  de  animae  substantia  vel  de  eins  yirtutibns  aperi- 
rem.  Diess  geschieht  denn  in  den  beliebten  (s.  A.  12)  zwölf  Abscbnittexi. 
Vgl.  c:  19:  clausimus  itaque  nostrum  munusculum  numero  dnodenario,  qui 
coelos  signorum  diversitate  decoravit  etc.  Quellen  werden  nicht  genannt. 
Schluäs  von  erbaulichem  Charakter. 

7.  Cassiod.  de  inst.  div.  litt.  (=>  divin.  lect.)  I  praef.:  cnm  studia 
saecularium  litteramm  magno  desiderio  fervere  cognoscerem,  .  .  grayissimo 
eum  dolore  permotus  quod  scripturis  divinis  magistri  public!  deessent. 
.  .  nisus  sum  cum  beat.  Agapeto  urbis  Romae  episcopo  (J.  535 — 536)  ut  .  . 
Gollatis  expensis  in  urbe  romana  professos  doctores  scholae  aeciperent  chri- 
stianae.  .  .  sed  cum  propter  bella  ferventia  et  turbulenta  nimis  in  italico 
regno  certamina  desiderium  meum  nullatenus  valuisset  impleri,  .  .  ad  hoc 
divina  caritate  probor  esse  compulsus  ut  ad  vicem  naagiatri  introductorios 
vobis  libros  istos  .  .  confecerim,  per  quos  .  .  et  scripturarum  divinamm 
series  et  saecularium  litterarum  compendiosa  notitia  .  .  pande^etur.  .  .  in 
quibus  non  propriam  doctrinam,  sed  priscorum  dicta  commendo.  .  .  nos 
potius  latinos  scriptores  .  .  sectamur,  ut  quoniam  Italis  scribimus  romanos 
quoque  expositores  commodissime  indicasse  videamur.  Buch  II  (c  24  ff.) 
behandelt  kurz  auch  die  weltliche  Literatur;  c.  28  z.  B.  ermahnt  zum  Stu- 
dium der  scriptores  rei  rusticae:  invitat  siquidem  vos  locus  Vivaxiensis 
monasterii  ad  multa  p^regrinis  et  egentibus  praeparanda,  quando  habetis 
hortos  irriguos  et  piscosi  amnis  Pellenae  fluenta  yicina.  Schluss  wieder 
mit  einem  Gebet. 

8.  Vorwort  der  Encyclopädie:  Superior  über  (s.  A.  7)  domino  prae- 
staute  completus  institutionem  divinarum  continet  lectionum.  hie  XXXIII 
titulis  noBcitur  comprehensus.  qui  numerus  aetati  dominicae  probatur  ad- 
commoduB  etc.  nunc  tempus  est  ut  aliis  septem  titulis  saecularium  le- 
ctio'^um  praesentis  libri  textum  percurrere  debeamus;  qui  tarnen  calculus 
per  septimanas  sibimet  succedentes  .  .  usque  ad  totius  orbis  finem  semper 
extenditur.  Am  ausfiLhrlichsten  wird  die  Dialektik  behandelt.-  Unterschrift 
des  cod.  Bamberg,  saec.  YIII:  Cassiodori  Senatoris  institutionum  div.  et 
human,  rerum  libri  II  expl.  fei.  Codex  archetypus  ad  cuius  exemplaria 
sunt  reliqui  corrigendi.  Vgl.  A.  Mai,  class.  auctt  III.  p.  350  ff.  Der  die 
Rhetorik  betreffende  Theil  ist  am  besten  gedruckt  bei  Halm,  rhetores  latt. 
min.  p.  495—500.  Die  in  jüngeren  Hdss,  vorausgehenden  80  kurzen  Capp. 
(bei  Halm  p.  501 — 504)  sind  eine  Blumenlese  TOn  Aussprüchen  bes.  des 
Quintilian  die  mit  dem  Werke  des  Cass.  nichts  zu  thun  hat;  s.  Halm  1.  1. 

p.  xn  f. 

9.  Das  schon  divin.  lect.  praef.  u.  c.  30  (vgl.  Hagen,  Anecd.  Helv. 
p.  CXLI— CXLIII)  bethatigte  Interesse   für   Orthographie  führte  zuletzt 


475.   Caseiodorns.  1103 

(s.  A.  2)  auch  noch  zu  einer  eigenen  Schrift  darüber:  XII  anctoram  opuscala 
deducirnns  in  medium,  quae  ab  illis  breviter  et  copiose  dicta  sunt  (praef.), 
bei  Putsche  p.  2275 — 2822.  Sie  ist  gerichtet  an  einen  Aemilius  amicus  und 
bildete  einen  Anhang  zur  Enoyclopädie;  s.  praef.:  iam  tempuB  eat  ut  totius 
operis  nostri  conclusionem  facere  debeamus,  ut  melius  in  animo  recondantur 
quae  septenaria  condnsione  distincta  sunt.  Die  obligate  Zwölfzahl  der 
auctores  entsteht  dadurch  dass  Adamantius  Martyrius  oder  vielmehr  Ada- 
mantius  und  sein  Sohn  Martyrius,  Verfasser  einer  Schrift  über  B  und  V 
(Brambach,  lat.  Orthogr.  S.  54)  vierfach  gezählt  wird  (5 — 8),  Caesellius 
Yindex  doppelt  (10.  11);  die  übrigen  sind  Annaeus  Cornutus,  Yelius  Longus, 
Curtius  Yalerianus,  Papirianus,  Eutyches  und  Priscianus.  Dazu  Auctores 
anonymi  de  orthographia  lY  bei  H.  Hagen,  Anecd.  Helvet.  p.  291 — 301 
vgl.  p.  CXXXY— c:^L. 

10.  Nur  Herausgeber  war  Cassiod.  bei  der  lateinischen  Bearbeitung 
der  Kirchengeschiohte  von  Theodoret,  Sozomenos  und  Sokrates  (Tripartita): 
quos  nofi  per  Epiphanium  scholasticum  latino  condentes  eloquio  necessarium 
duximufi  eorum  dicta  deflorata  in  unius  stüi  tractum  deo  iuvante  perducere 
,et  de  tribna  auctoribus  unam  facere  dictionem  (praef.).  Ygl.  divin.  lect.  17: 
quos  a  viro  Epiphanio  disertissimo  in  uno  corpore  XII  libris  fecimus  deo 
auxiliante  transferri.  Es  ist  eine  Art  Synopse  der  drei  Schriftsteller,  gleich- 
falls vertheilt  per  XII  libros  (praef.). 

11.  Der  unendlich  wortreiche  Commentar  zu  den  Psalmen  (bei  Migne 
LXX.  p.  9 — 1056)  beginnt:  repulsis  aliquando  in  Ravennate  urbe  sollicitu- 
dinibus  dignitatum  .  .  cum  psalterii  caelestis  animarum  mella  gustassem  . . 
avidus  me  perscrutator  immersi  etc.  Da  er  Yieles  nicht  verstand,  ad  Au- 
gustini confugi  lectionem.  Daraus  sei  das  Folgende  ein  Auszug,  quem  tarnen 
codicem  etiam  per  quinquagenos  psaJmbs  .  .  trina  sum  divisione  partitus, 
ut  claritas  litterae  senioribus  oculis  se  pulchrius  aperiret  etc.  Das  Schluss- 
wort beginnt:  explicitus  est  decorus  et  mirabilis  ordo  psalmorum,  numero 
quidem  myst/co  terminatus  etc.  Am  Schlüsse  der  praef.  zu  den  complexio- 
nes  in  epist.  apost.:  Cass.  Sei!iatoris,  ia^  domino  praestante  conversi^ 
explicit  praefatio. 

12.  Cassiod.  Yar.  IX,  25  über  Cass.:  nnmquid  .  .  aliqua  ^e  elatione 
iactavit  .  .?  .  .  benevolus  cunctis,  moderatus  in  prosperis,  ignorans  nisi 
graviter  laocssitus  irasci.  qui  cum  iustitia  sit  rigidus  ad  remissiones  irarum 
non  perdurat  austerus;  suarum  rerum  distributor  egregius  et  dum  nescit 
aliena  quaerere  novit  propria  largus  offerre.  Als  Schriftsteller  hat  Cass. 
seine  weithin  kenntlichen  Eigenthümlichkeiten,  seine  unermüdlich  wieder- 
kehrenden Wendungen  (bes.  von  frommer  Färbung),  seine  Zahlenmystik 
(bes.  mit  der  Zahl  12,  7  und  3;  vgl.  Anm.  5.  6.  8.  9.  10.  11),  durch  die  er 
dem  Aberglauben  seiner  Zeit  seinen  Zoll  entrichtet.  Seine  Bücherl^enntniss 
ist  für  seine  Zeit  ungewöhnlich  und  erstreckt  sich  auch  auf  das  Griechische, 
wiewohl  er  sich  hier  lieber  lat.  Uebersetzungen  bedient;  s.  lect.  divin.  17 
u.  A.  10.  unter  den  römischen  Dichtem  ist  ihm  auch  Horaz  geläufig;  s. 
Yar.  I  praef.  A.  Olleris,  Cassiodore  conservateur  des  livres  de  Vantiquit<; 
latinCy  Paris  1841. 


1 104  Öie  Kaiser  zeit.    Secli'ates  Jahrhundert. 

13.  Ausgaben  seiner  Werke.  Cum  notia  Fornerii,  Paris.  1684.  4.  Ex 
fide  ni88.  anctiora  et  locnpletiora,  Genevae  1666.  1663.  4.  Studio  Jo.  Ga* 
retii  cum  notia,  Rothomag.  1679.  Yenet.  1729.  2  Voll,  fol.;  wieder  abge- 
druckt in  Migne's  patrol.  LXIX  und  LXX,  vermehrt  durch  die  complexiones 
in  epistolas  Pauli,  quas  ed.  et  an  not.  Scipio  Maffeins. 

14.  Vita  Cassiodori  in  Garet's  Ausgabe.  Manso,  Gesch.  des  ostgoth. 
Reichs  (1824)  S.  85—92.  332—341.  A.  Thijm,  jets  over  .  .  Casaiodorus  en 
zijne  eeuw,  Amsterdam  1858.  152  S.  A.  Thorbecke,  Cass.  Senator,  ein  Bei- 
trag zur  Gesch.  d.  Völkerwanderung,  Heidelberg  1867.  A.  Franz,  M.  A. 
Cassiodorius  Senator,  ein  Beitrag  zur  Gesch.  der  theolog.  Literatur,  Breslau 
1872.  137  S. 

452  476.  Vor  und  nach  Cassiodor  verfassten  Chroniken  Mar- 
cellinus Comes  für  die  Jahre  379 — 534  (566),  mit  ausschliess- 
licher Berücksichtigung  der  Ereignisse  im  oströmischen  Reiche; 
sowie  der  afrikanische  Bischof  Victor  von  Tunnuna,  vom  Anbe- 
ginn bis  J.  566,  wovon  aber  nur  der  letzte  Theil,  vom  J.  444  an, 
erhalten  ist,  als  Fortsetzung  des  Werkes  von  Prosper  und  vor- 
zugsweise auf  Afrika  berechnet.  Gleichfalls  Fortsetzer  der  Chro- 
nik des  Prosper  sind  der  Bischof  Marius  von  Avenches,  für  die 
Jahre  455 — 581,  und  der  Abt  Johannes  Biclariensis  für  seine 
Zeit,  J.  565—590. 

1.  Cassiod.  div.  lect.  17:  Marcellinus  quattuor  libroa  de  temporum 
qualitate  et  positionibus  locorum  pulcherrima  proprietate  conficiens.  .  .  chro- 
nica vero  .  .  Bcripsit  graeco  Eusebius,  qaeiu  transtulit  Hieronymus  in  lati- 
mim.  .  .  hunc  Bubsecutus  est  suprascriptus  Marcellinas  lUyricianus,  qui  ad- 
huc  patricii  Instiniani  fertur  rexisse  cancellos,  sed  meliore  condicione  de- 
votus  a  tempore  Theodosii  principis  usqiie  ad  fores  (Garet:  finem,  J.  566) 
imperii  triumphalis  Aug.  lustiniani  opus  suum  domino  iuvante  perdoxit. 
Marcell.  chron.  praef.:  ego  simplici  dnmtaxat  coraputatione  Orientale  tan- 
tum  secutuB  imperium  per  indictione«  perque  consules  infra  scriptos  CXL 
annos,  .  .-a  consulatu  Ausonii  et  Olybrii  (J.  379)  .  .  enumerans  et  usque 
in  consulatum  Magni  (J.  51 B)  .  .  colligens  eorumdem  auctorum  (Eusebius- 
Hieronymus)  operi  subrogavi.  itemqae  alioB  XVI  annos,  a  cop^atu  lostiui 
Aug.  primo  (J.  619)  usque  in  consulatum  lustiniani  Aug.  quartum  (J.  534), 
suffeci.  id  sunt  simul  anni  GL  VI,  et  meum  rusticum  opus  supposui.  Das 
erhaltene  Werk  aber  reicht  durch  Bpätere  Fortsetzungen  (die  erste,  bis  547, 
vielleicht  von  einem  fränkischen  Verfasser)  bis  zum  J.  558,  in  blosen  Da- 
tumsangaben (ohne  Ereignisse)  bis  J.  566.  Jordanis  hattß  wohl  eine  Re- 
däction  vor  sich  die  nur  bis  547  reichte;  v.  Sybel,  fönt.  lord.  p.  32.  Auf- 
schrift: Marcellini  comitis  y.  c.  chrouicon. 

2.  Ausgaben  des  Marc,  von  J.  Sirmond  (Paris  1619  »»Opera  II,  Paris 
169C,  p.  309  ff.  Venet.  1728,  p.  269  ff.),  bei  Roncalli  (vetust.  latt.  scr.  chro- 
nica) TT.  p.  266  ff.;  in  Gallandi  bibl.  patr.  X  =»  Migne's  Patrol.  LI.  p.  917 
—948. 


476.   MareelliDiis  u.  a.  OhrouiBted«  llOf) 

3.  Isid.  ilL  38  (ecript.  eccl.  25):  Victor  Tunnunensis  ecclesiae  afri- 
canae  episcopus  a  principio  mundi  ueque  ad  primum  lustini  iunioris  Im- 
perium (J.  566)  brevem  per  consules  annuos  bellicarum,  ecclesiasticarum 
renim  nobilisaimam  promulgavit  historiam.  Er  habe  im  Dreicapitelstreit 
eine  Bolle  gespielt  und  sei  daher  von  Justinian  in  ein  klGeterlicheB  Gefäng- 
niss  gesteckt  worden,  zuerst  in  Aegypten,  dann  in  Constantinopel,  und 
hier  gestorben  (J.  569).  Vgl.  Victor  ad  a.  555.  556.  Isid.  chron.  p.  410 
Rone. :  Victor  Tunnunensis  ecclesiae  episcopus  recensitis  praedictorum  (Hie- 
ronymus  und  Fortsetzer)  historiis  gesta  sequentinm  aetatum  usque  ad  con- 
Hulatum  lustini  iunioris  explevit.  Dagegen  beginnt  das  Erhaltene:  a  XVIH 
consulatu  Theodosii  iunioris  (J.  444)  Victor  episc.  Tunn.  ecclesiae  Africae 
historiam  prosequitur  ubi  Prosper  reliquit.  Da  aber  Vict.  fdr  J.  444 — 455 
nicht  niu:  in  den  Thatsachen  sondern  auch  nicht  selten  in  den  Worten  mit 
Prosper  vollkommen  übereinstimmt,  so  hat  Papencordt,  Gesch.  d.  vandal. 
Herrschaft  8.  359—364,  vermutet  dass  Isidors  Angabe  die  richtige  sei  und 
die  widersprechende  in  den  Hdss.  des  Victor  von  einem  Abschreiber  her- 
rühre welcher  Prospers  Werk  nur  in  der  bis  zum  J.  444  reichenden  Aus- 
gabe oder  in  einer  verstümmelten  Handschrift  besass  und  dieser  jetzt  als 
Fortsetzung  Victor's  Darstellung  der  späteren  Zeiten  anreihte,  mit  Weg- 
lassung der  früheren  Theile,  von  Erschaffung  der  Welt  bis  aufs  J.  444,  die 
in  Folge  dessen  verloren  giengen. 

4.  In  den  J.  444 — 455  hat  Vict.  die  politischen  Begebenheiten  kürzer, 
die  kirchlichen  weitläufiger  behandelt  als  Prosper.  Weiterhin  beschäftigen 
ihn  fast  nur  die  kirchlichen  Ereignisse  in  Africa.  Seine  Nachrichten  dar- 
über tragen  das  Gepräge  der  Wahrhaftigkeit.  Doch  herrscht  im  Chrono- 
logischen manchfache  Verwirrung.  Bandbemerkungen  zu  seiner  Chronik 
von  unbekanntem  Verfasser  enthalten  einige  nicht  unwichtige  Thatsachen. 
Papencordt  S.  364  f.  Abdruck  bei  Boncalli  II.  p.  337  ff.,  in  den  patristi- 
schen  Sammlungen  von  Galland  und  von  Migne  (LXVIII.  p.  937—962). 

5.  Marii  Aventicensis  (f  um  596)  chronicon,  zuerst  herausgegeben 
von  Chifflet,  dann  gedruckt  in  den  Sammlungen  von  Bouquet  (Becueil  des 
bist,  de  la  France  II.  p.  12  ff.),  Boncalli  (11.  p.  399  ff),  sowie  von  Galland 
und  von  Migne  (T.  LXXII.  p.  793—802).    G.  Monod  (s.  478,  8)  p.  147—163. 

6.  Isid.  ill.  31:  loannes,  Gerundensis  ecclesiae  episcopus,  natione 
Gothus  provinciae  Lusitanae  Scallabitanus.  Er  lernte  zu  Constantinopel 
Lateinisch  und  Griechisch  und  septimo  demum  anno  in  Hispanias  reversus 
est.  Von  den  Arianern  verfolgt,  postea  condidit  monasterium  quod  nunc 
Biclaro  dicitur  (daher  Joa.  Biclarensis).  .  .  addit  et  in  libro  chronicorum 
ab  anno  primo  lustini  iun.  principatus  usque  ad  annum  octavum  Mauritii 
principis  Bom.  et  quartum  Becaredi  regis  annum,  historico  compositoque 
sermone.  Gedruckt  ist  diese  Chronik  in  H.  Florez  Espana  sagrada  VI 
(Madrid  1773)  p.  382  ff.  430  ff.,  in  Migne's  patrol.  LXXII  (p.  863—870)  u. 
sonst.  Aus  der  praef. :  post  Eusebium ,  .  .  Hieronymum ,  .  .  nee  non  et 
Prosperum  .  .  atque  Victorem  Tunn.  eccl.  afr.  episc.  .  .  nos  .  .  quae  tem- 
poribus  nostvis  acta  sunt,  ex  parte  quod  oculata  fide  pervidimus  et  ex  parte 
quae  ex  relatu  fidelium  didiciraus,  studuimus  ad  posteros  notescenda  brevi 

stilo  transmittere. 

Tkutfzl,  R6in.  Llteraturgetohichte.  2.  Aufl.  70 


110(>  t)ie  Kaiserzeit.    Sechstes  Jabrhiinclert. 

7.    Ueber  den  Anonymus  Valesii  s.  oben  421,  18;  über  lanuariiis   Ne- 
potianns  oben  274,  10. 

453  477.  Zwischen  J.  551  und  555  schrieb  der  Gothe  Jordan is 
die  beiden  auf  uns  gekommenen  Greschichtswerke  de  rebus 
geticis  und  de  origine  mundi  (oder  de  breviatione  chronicorum), 
letzteres  eine  ans  den  gewohnlichsten  Hülfsmitteln  zusammen- 
geschriebene Weltchronik,  die  Geschichte  der  Gothen  aber  wichtig 
nach  dem  Untergange  des  Originalwerkes  von  Cassiodor,  von 
welchem  das  des  Jordanis  ein  flüchtiger  und  ungeschickter 
Auszug  ist. 

1.  Schreiben  des  Papsts  Vigilius  (VerdammungBui'teil  gegen  Theodoro« 
aus  Caesarea,  im  Dreicapitelstreit)  vom-  14  August  551  (Migne  patr.  LXIX. 
p.  62):  nos  .  .  cum  Dacio  Mediolanensi,  .  .  atque  Jordane  Crotonen», 
fratribus  et  coepiscopis  nostris,  .  .  decemimus.  Ob  dieser  Jord.  selbst  in 
Constantinopel  anwesend  war  oder  seine  Beitrittserklärung  schriftlich  einsandte 
ist  nicht  zu  entscheiden.  Bischof  heisst  Jord.  sonst  nicht;  vielleicht  ist  er 
daher  eher  der  in  dem  Schreiben  des  Pelagius  (Nachfolger  yon  Vigilius) 
vom  15  Febr.  556  (directam  a  vobis  relationem,  defensore  ecclesiae  nostrae 
Jordane  deferente,  suscipientes  etc.)  genannte.  Köpke  S.  58 — 60.  Jord.  get. 
60:  Scyri  .  .  et  ceteri  Alanorum  cum  duce  sud  nomine  Candax  Scythiam 
minorem  inferioremqne  Moesiam  accepere.  cuius  Candacis  Alanowamiithis 
patris  mei  genitor  Peria,  i.  e.  mens  avus,  notarins  .  .  fuit  etc.  ego  item, 
quamvis  agrammatus,  Jordanis  ante  conversionem  meam  notarius  üii. 
Auch  Geogr.  Rav.  nennt  ihn  Jordanus  oder  Jordanis.  Erst  Peutinger  und 
Rhenanus  haben  (aus  ihrer  Hds.?)  den  Namen  Jomandes  aufgenommen, 
für  welchen  spricht  J.  Grimm,  kleinere  Schriften  III.  S.  171 — 179.  234. 

2.  Aufschrift  Jordanis  de  rebus  geticis  oder  de  Get ar um  s.  Gotho- 
rum  origine  et  rebus  gestis  (vgl.  A.  5).  Aus  dem  Vorwort,  welches  fast 
wörtlich  abgeschrieben  ist  aus  Rufin's  Vorwort  zu  seiner  Uebersetznng  von 
Origenes'  Commentar  zum  Römerbrief  (v.  Sybel,  vgl.  Eöpke  S.  65  —  67): 
me,  .  .  frater  Castali,  lazare  vela  compellis  relictoque  opusculo  quod  intra 
manus  habeO,  i.  e.  de  breviatione  (Var. :  abbrev.)  chronicorum,  suades  nt 
nostris  verbis  XII  Senatoris  volumina  de  origine  actibusque  Getarum  ab 
olim  usque  nunc  per  generationes  regesque  descendentia  in  uno  et  hoe 
parvo  libello  coart-em.  dura  satis  imperia  etc.  super  omne  autem  pondus 
quod  nee  facultas  eorundem  librorum  nobis  datur,  quatenus  eius  sensu i 
inserviamuB.  sed,  ut  non  mentiar,  ad  triduanam  lectionem  dispensatoris 
cius  beneficio  libros  ipsos  antehac  legi,  quonim  quamvis  non  verba  recolo 
sensus  tarnen  et  res  actas  credo  me  integre  tenere.  ad  quos  nonnuUa  ex 
historiis  graecis  ac  latinis  addidi  convenientia,  initium  finemque  et  plura 
in  medio  mea  dictione  permiscens.  Das  initium  ist  übrigens  aus  Orosiiis 
und  irgend  einer  Eosmographie.  Schluss:  haec  qui  legis  scito  me  maiomm 
secutum  scripta  ex  eorum  spatiosis  pratis  paucos  fiores  collegisse,  unde 
inquirenti  pro  captu  ingenii  mei  coronam  coniexam.     nee  me  quis  in  fa- 


4^7.   Jordams.  1107 

vöretii  gentls  praedictae,  quasi  ex  ipsa  trabentem  origiuem,  aliqua  addi- 
disse  credat  quam  quae  legi  aut  comperi.  nee  sie  tarnen  cnneta  quae  de 
ipsis  Bcribuntar  aut  referuntur  complexns  snm  etc.  Abfassung  J.  652;  s. 
c.  14  (Amalomm  regnum  destructum  est,  unter  Totila  und  Teja,  frühestens 
Oct.  552).  19  (pestilens  morbus  .  .  ut  nos  ante.bos  novem  annos,  nämlich 
543  in  Italien,  experti  sumus).  58  (Agil,  contra  quem  Athanagildus  insur- 
gens  .  .  ubi  et  Liberius  etc.).    Köpke  S.  55 — 57.    Vgl.  A.  5. 

3.  Dass  die  Schrift  des  J.  im  Wesentlichen  nichts  ist  als  ein  Auszug 
aus  dem  Werke  Gassiodor's  hat  zuerst  S.  Gassei  ausgesprochen  (magyar. 
Alterth.  S.  299),  darauf  G.  Schirren  (de  ratione  quae  inter  J.  et  Gassiod. 
intercedat  commentatio,  Dorpat  1858.  94  pp.)  aus  sprachlichen  Gründen, 
B.  Eöpke  aber  (Deutsche  Forschungen,  Berlin  1859,  S.  50-— 79)  ans  sach- 
lichen erwiesen.  Vgl.  A.  v.  Gutschmid  in  Fleckeisens  Jahrbb.  85,  S.  124 
— 151.  Die  gelehrten  Gitate  mit  denen  J.  prunkt  sind  fast  alle  dem  Gass. 
nachgeschrieben;  er  selber  spricht  (c.  9)  von  Dio  historicus  qui  operi  suo 
Getica  titulum  dedit  (Verwechslung  mit  Dio  Ghrysostomus,  J.  Grimm  S. 
189).  Seinen  Auszug  aus  G.  verbrämte  J.  mit  buntscheckigen  Bandbemer- 
kungen (Köpke  S.  74—76).  Neben  G.  benützte  er  etwa  Mela,  Orosius  und 
bes.  Marcellinus  Gomes,  Letzteren  ohne  ihn  zu  nennen  (Eöpke  S.  52.  61. 
63).  Die  manchfachen  groben  Irrthümer  kommen  wohl  auf  die  Bechnung 
des  J.  Das  flüchtige  Machwerk  ist  zusammengesetzt  aus  vereinzelten  Bruch- 
stücken und  breit  ausgeführten  oder  nur  angedeuteten  Episoden,  voll  lä- 
stiger Wiederholungen  und  doch  reich  an  Lücken,  voll  falscher  Verbin- 
dungen und  willkürlicher  Ereuz-  und  Quersprünge.  Am  Schlüsse  hat  J. 
vergessen  was  er  zu  Anfang  angekündigt  hatte  und  ein  ander  Mal  verweist 
er  auf  frühere  Angaben  die  er  nicht  gemacht  hat.  Im  Ganzen  ist  seine 
Schrift  eine  rohe  und  verworrene  Masse,  im  Einzelnen  wichtig  als  Stoff 
und  wo  die  ursprüngliche  Farbe  nicht  ganz  verwischt  ist  selbst  anziehend 
(Eöpke  S.  72).  Heil  und  R<ettung  für  die  Beste  seines  Volkes  erkennt  er 
nur  im  Anschluss  an  Bom,  das  durch  göttlichen  Bathschluss  zur  Weltheir- 
schaft  berufen  ist  (Eöpke  S.  77). 

4.  Sonderausgabe  der  Schrift  von  G.  A.  Gloss  (recogn.,  adn.  cri^. 
instr.,  Stuttgart  1861).  c.  1—3  ed.  G.  Stahlberg,  Hagen  1859.  24  pp.  4. 
Eritische  Ausg.  für  die  Pertz'schen  Monumenta  Germ,  längst  angekündigt. 

5.  Aus  dem  Vorwort  der  breviatio  (oder  de  regnorum  ac  temporum 
successione).  Vigilantiae  vestrae,  nobilissime  frater  Vigili  (der  Papst  J. 
537 — 555,  s.  A.  1),  gratias  refero  quod  me  perlongo  tempore  dormientem 
vestris  tandem  interrogationibus  excitastis.  .  .  vis  enim  praesentis  mundi 
cognoscere  aerumnas.  addis  praeterea  ut  tibi  quomodo  resp.  coepit  et 
tenuit  totumque  paene  mundum  subegit  .  .  ex  dictis  maiorum  •  flosculos 
carpens  breviter  referam,  vel  etiam  quomodo  regnum  a  Bomulo  .  .  in  Aug. 
venerit  lustinianum,  quamvis  simpliciter,  meo  tamen  pandam  eloquio.  . .  quo- 
quo  modo  valuimus  late  sparsa  coUegimus  et  prius  ab  auctoritate  divinarum 
scripturarum  .  .  incohantes  .  .  devenimus  ad  regnum  Nini  etc.  .  .  in  XXIV  ^ 
anno  lustiniani  imp.  (April  550  —  551;  vgl.  p.  240),  quamvis  breviter,  uno 
tamen  in  tuo  nomine,  et  hoc  parvissimo  libello  confeci,  iungens  ei  aliud 
Volumen   de   origine   actuque   geticae  gentis,   quod   iam  dudum   communi 

70* 


1108  Die  KaiBerzeit.   Sechstes  Jahrb ändert. 

amico  Castalio  edidissem  etc.  Vgl.  A.  2.  J.  550  oder  Anfangs  551  hatte 
J.  die  brev.  etwa  bis  J.  539  (Ebde  des  Vitiges)  geführt,  da  kam  die  Anf- 
forderung  des  Castalius  (A.  2);  552  vollendete  er  die  gothische  Geschichte 
nnd  führte  auch  diese  bis  J.  539;  dann  kehrte  er  zu  seiner  Chronik  zurück 
und  fügte  ihr  Nachtr&ge  bis  551  hinEu.  7  Juni  555  starb  Vigilius.  Köpke 
S.  57  f.  vgl  S.  53—55. 

6.  Auf  einen  Auszug  aus  Hieronymus  chron.  (und  dessen  Quellen 
Florus,  Eutrop.  und  Sext.  Bufus)  Iftsst  die  brev.  Einiges  aus  Orosius  folgen 
und  schliesst  wieder  mit  Marcellinus,  der  bis  J.  547  ausgiebig  benützt  wird 
(s.  oben  476,  1  E.).  Unbefangen  hat  er  öfters  Nachrichten  des  Eutrop  und 
Orosius  in  den  Hieronymus  hineingearbeitet,  ohne  zu  bemerken  dass  dieser 
selbst  den  Eutrop,  und  Orosius  den  Eutr.  und  Hier,  benützt  hatte  (Köpke 
S.  52  f.).  Wörtliche  Uebereinstimmungen  mit  Get.,  aber  auch  Abweichun- 
gen (aus  Cassiodor);  s.  Köpke  8.  60 — 63.  Sonderausgabe  von  Fr.  Linden- 
brog,  Hamburg  1611.  4. 

7.  Gesammtausgaben  in  GareVs  Cassiodor,  Gruter's  bist.  aug.  script. 
latt.  min.,  Hanau  1611  fol.,  und  in  Muratori's  Script,  rer.  ital.  I. 

8.  Papencordt,  vandal.  Herrschaft  S.  383 — 388.  S.  Freudensprung, 
de  lornando  eiusque  libr.  natalibus,  Münster  1837.  4.  H.  v.  Sybel,  de  fon- 
tibus  libri  lordani  de  or.  act.  Get.,  Berlin  1838.  45  pp.  J.  Jordan,  Jorda- 
nes'  Leben  und  Schriften,  Ansbach  1843.  28  S.  4.  Hansen  in  Panly's  Real- 
Enc.  IV.  S.  241  f.  J.  Grimm,  über  Jörn,  und  die  Geten,  Abhandl.  d.  Berl. 
Ak.  vom  J.  1846  «^  kleinere  Schriften  III  (Berlin  1866).  S.  171  —  235.  J. 
Stahlberg,  Beiti^e  zur  Gesch.  der  deutschen  Historiographie  im  Mittel- 
alter; I.  Jomandes;  Mülheim  a.  R.  1854.  24  S.  4.  R.  Köpke  u.  A.  (s.  A.  3). 
W.  Wattenbach,  Deutschlands  Geschieh t«quellen  *  S.  55—60. 

454  478.  Specialgeschichten  verfassten  auch  der  Brite  Gildas 
(Sapiens)  aus  Bath  und  der  Auvergnate  Gregorius,  Bischof  von 
Tours.    Gildas  (um  493 — 573)  schilderte  die  Leiden  seines  Hei- 

,  matlandes  seit  der  Landung  der  Sachsen^  in  dem  über  querolus 
de  cälamitate^  excidio  et  conquestu  Britanniae;  Gregorius  von 
Tours  (um  540  —  594)  verfasste  neben  wunderhaften  Heiligen- 
geschichten und  andern  theologischen  Schriften  besonders  zehn 
Bücher  fränkischer  Geschichte,  mit  Wahrheitsliebe  und  nicht 
ohne  Kritik;  aber  mit  den  Vorurteilen  und  Beschränktheiten 
seiner  Zeit  und  in  zerrissener,  unbehülflicher  Darstellung. 

1.  Gildas  I,  26:  usque  ad  annum  obsessionis  Badonici  montis  (J.  449\ 
.  .  quiqne  quadragesimus  quartus  oritur  annus,  mense  iam  primo  ernenne, 
qui  iam  et  meae  nativitatis  est.  J.  449  -|-  44  ss  493.  Praefatio :  in  hoc 
libro  quidquid  deflendo  potius  quam  declamando  .  .  fuero  prosecutus  .  . 
non  tarn  fortissimorum  militum  enuntiare  trucis  belli  pericula  mihi  statu- 
tum  est  quam  desidipsonim.  silui  .  .  spatio  bilustri  temporis  vel  eo  am- 
plins  praetereuntis.     .  .  amicig   imperantibns  ut  qualemcunque  gentis  bri- 


478.   Gildas.    Gregorius  Turon.  1109 

tanuicae  historiolam  sive  admonitiuucalam  scriberem.  .  .  nunc  persolvo 
debitum  multo  tempore  antea  exactum,  vile  quidem  stilo,  sed  fidele  (ut, 
puto)  et  amicale  quibusque  egregiis  chrietianis  ete.  Abfaseung  nach  J.  543. 
Die  erste  Hälfte  (Hietoria)  gibt  in  26  Gapp.  eine  Geschichtserzählnng,  die 
zweite  (Epistola)  reiht  daran  increpationes  zuerst  gegen  die  reges  patriae 
(Constantinus,  Aurelins  Gonanns,  Yortiporius,  Guneglassus,  Maglocunns),  non 
minus  prophetarom  oraculis  (alttestamentliche  Gitate)  quam  nostris  sermo- 
lübuB  (11,  18),  dann  (pars  III)  auch  gegen  die  Geistlichkeit.  Der  Ton  int 
eifernd,  die  Sprache  aber  besonders  wegen  der  schleppenden  unorganischen 
Perioden  schwer  verständlich. 

2.  Ausgaben  des  Gildas  in  Tb.  Gale's  bist.  brit.  scriptores  XV  (Ox- 
ford 1691  fol.),  in  G.  Bertrames  britann.  gentium  hist.  ant.  scriptores  III 
(Kopenhagen  1759)  und  in  den  Monumenta  historica  britannica  (London 
1848.  fol.)  I.    In  Migne's  patrol.  LXIX  (p.  328—391)  aus  Gallandi  bibl.  patr. 

3.  Gregorius  (ursprünglich  Georgius  Florentius),  aus  einem  adligen 
Geschlechte  der  Auvergne  (Venant.  Fort.  VIII,  21,  3  ff.),  geboren  zwischen 
539  und  543,  Bischof  von  Tours  573,  gestorben  17  November  594.  Die  vita 
desselben  (von  Odo)  hat  wenig  Werth.  Greg.  hist.  Fr.  IV,  1:  veniam  pre- 
cor  si  aut  in  litteris  ant  in  syllabis  grammaticam  artem  excessero,  de  qua 
adplene  non  sum  imbutus.  Vgl.  de  glor.  confess.  praef.  u.  vitae  patr.  pr.: 
non  me  artis  grammaticae  studium  imbuit  neque  auctoriuu  saecularium 
polita  lectio  erudivit.  Zwar  zeigt  er  Bekanntschaft  mit  Sallust,  Vergil, 
Plinius,  Gellius,  Frudentius,  Orosius,  Sidonius;  doch  ist  seine  Eenntniss  der 
alten  Geschichte  und  der  Geographie  dürftig.  Kries,  de  Gr.  Tur.  episc. 
vita  et  scriptis,  Breslau  1839.  J.  W.  Löbell,  Gregor  von  Tours  und  seine 
Zeit  (Bresl.  1839;  zweite  verm.  Ausg.  Leipzig  1869),  S.  5—12. 

4.  Greg.  hist.  Franc.  X,  31,  19:  decem  libros  Historiarum,  VII  Mira- 
culorum  (1.  de  miraculis  domiui  ac  s.  apostolorum  reliquorumque  martyrum. 
2.  de  virtntibus  s.  luliani  martyris.  3 — 6.  de  virtutibus  s.  Martini.  7.  de 
quorundam  feliciosorum  vita  =  vitae  patrum;  vgl.  de  glor.  conf.  praef.), 
unum  De  vitis  patrum  scripsi;  in  psalteriis  tractatum  librum  unum  com< 
mentatus  sum;  De  cursibus  etiam  ecclesiasticis  unum  librum  condidi  (s.  A. 
7).  quos  libros  licet  stilo  rusticiori  conscripserim ,  tarnen  coniuro  omnes 
Bacerdotes  domini  .  .  ut  numquam  libros  hos  abolere  faciatis  aut  rescribi 
quasi  quaedam  legentes  et  quasi  quaedam  praetermittentes.  De  gloria 
confessorum  gibt  sich  (pra«f.)  selbst  als  achtes  Buch  de  miraculis.  Diese 
Werke  schrieb  Gr.  nicht  nach  einander,  sondern  abwechselnd;  mit  der 
Heüigengeschichte  war  er  sein  Leben  lang  beschäftigt  (etwa  575 — 594)  und 
daneben  schrieb  er  an  seiner  fränkischen  Geschichte,  die  bis  zur  Mitte  von 
B.  V  um  577  entsj^nden  ist,  bis  gegen  Ende  von  VIII  J.  584  oder  585, 
von  da  bis  zum  Ende  J.  590  oder  591,  während  der  Epilog  noch  später 
hinzugefügt  ist.  Der  Psalmencommentar  ist  fast  ganz  verloren.  Nicht  erhal- 
ten sind  auch  die  Hist.  Franc.  II,  22  (in  praefatione  libri  quem  de  missis 
ab  eo  —  Sidonius  —  compositis  coniunximus)  und  de  glor.  mart.  I,  95  extr. 
(passio  eorum,  quam  Syro  quodam  interpretante  in  latinum  transtulimu^) 
erwähnten  Schriften. 


1110  Die  Eaiserzeit.  Sechstes  Jahrhanderi. 

5.  Greg.  bist.  Franc.  I  praef.:  scripturus  bella  regum  cum  geiitibus 
adversis,  martyrum  cum  paganis,  ecclesiarum  cum  haereticis,  prius  fidem 
meam  proferre  cupio,  ut  qui  legerit  me  non  dubitet  esse  catholicom.  .  .  il- 
lud  tantum  stndens  ut  quod  in  ecclesia  credi  praedicatur  sine  aliquo  fuco 
ant  cordis  haesitatione  retineam.  Die  Kirche  in  ihren  Beziehungen  zur 
Welt  ist  der  Mittelpunkt  der  Darstellung;  der  Standpunkt  die  Orthodoxie 
und  Wundergläubigkeit  der  Zeit.  Doch  spricht  der  Verf.  mit  Freimut 
ober  die  Laster  vieler  Diener  der  Kirche  und  ist  überhaupt  nicht  mit  Bc- 
wusstaein  parteiisch.  Der  Gesichtskreis  ist  eng  umgrenzt,  bes.  in  Bezug 
anf  Ausländisches;  s.  A.  3.  Im  Allgemeinen  herrscht  gegenüber  von  der 
Ueberlieferung  Sorglosigkeit;  bei  wichtigen  Punkten  aber  fehlt  es  nicht 
an  bedächtiger  Prüfung.  Löbell  *  S.  320—364.  Wattenbach,  Deutschlands 
Geschichtsquellen*  S.  70 — 75.  Greg.  v.  T.  fränkische  Geschichte,  übersetzt 
von  W.  Wattenbach,  Berlin  1851  (Geschichtschr.  d.  deutschen  Vorzeit). 
Jungbans,  Gesch.  d.  fränkischen  Könige  Childerich  und  Chlodewech  S.  161  f. 

6.  Ausgabe  der  Werke  des  Gr.  von  Th.  Ruinart,  Paris.  1699  fol.,  ab- 
gedruckt in  Migne's  patrol.  LXXI.  Darin  sind  auch  die  übrigen  Heiligen- 
geschichten enthalten  die  dem  Gr.  beigelegt  werden  (z.  B.  historia  septem 
dormientium),  aber  mit  unrecht,  da  das  eigene  Verzeichniss  des  Gr.  (A.  4) 
bis  in  sein  letztes  Lebensjahr  herabreicht.    Vgl.  Löbell  S.  14  f. 

7.  Gregorii  Tur.  episc.  liber  de  cursu  stellarum  qualiter  ad  officium 
implendum  debeat  observari,  sive  de  cursibus  ecclesiasticis,  nunc  primuni 
(aus  einem  cod.  Bamberg,  saec.  Ylll)  ed.  F.  Uaase,  Breslau  1853.  4.  (Ad- 
not.  p.  29—51.)  Der  Name  des  Verf.  ist  im  cod.  nicht  genannt;  Haase  hat 
aber  p.  1 — 3  die  Urheberschaft  des  Gregor  (vgl.  p.  24:  ante  pestilenüam 
Arvernae  regionis  »■  bist.  Franc.  IV,  31;  und  priusquam  Sigibertus  rex 
obiit  ■—  bist.  Fr.  IV,  62)  und  p.  3—6  die  Identität  mit  der  oben  A.  4  ab- 
gekürzt de  curs.  (=»  officiis)  cccl.  betitelten  Schrift  nachgewiesen.  Vgl.  483, 6. 

8.  Literatur  über  Gr.  s.  A.  3.  A.  Jacobs,  göographio  de  Grägoire 
de  Tours,  Paris  1858.  155  pp.  A.  Lecoy  de  la  Marche,  de  Tautoritä  de 
G.  de  T.;  ötude  critique  sur  le  texte  de  Thist.  des  Francs,  Paris  1861  131  pp. 
G.  Monod,  ^tudes  critiques  sur  les  sources  de  Thist.  m^roving.  I.  p.  21 — 146 
(Biblioth.  de  T^cole  des  hautes  ätudes). 

479.  Aus  dem  Anfange  des  sechsten  Jahrh.  stammt  eine 
kleine  diätetische  Schrift,  von  einem  griechischen  Arzte  Anthi- 
mus  im  gothischen  Italien  gerichtet  an  den  Frankenkönig 
Theuderich,  zugleich  eine  der  ältesten  Urkunden  für  den  Ueber- 
gang  des  Lateinischen  ins  Romanische.  Gleichfalls  für  germani- 
sche Völker  bestimmt  waren  um  dieselbe  Zeit  verfasste  lateini- 
sche Bearbeitungen  von  Schriften  des  Oribasius. 

1.  Titel  der  Schrift:  Incipit  epistula  Anthimi  viri  inl.  comitis  et  lega- 
tarii  ad  gloriosissimum  Theudericum  regem  Francorum  de  observatione 
ciborum.  Diess  ist  wohl  der  Arzt  Anth.  welcher  J.  478  in  Constantinopel 
(unter  Zenon)  hochverrätberischer  Yerbindung  mit  dem  Grothen  Theoderich 


478  f.    Gregorius  Turon.    AuthiinuB.  1111 

Strabon  (f  481)  bezichtigt  und  verbannt  wurde  (Malch.  in  Eist.  gr.  min.  I. 
p.  400  Ddf.).  A.  wird  zu  den  Gothen  geflohen,  mit  Theoderich  d.  Gr.  489 
nach  Italien  gezogen  und  als  dessen  Gesandter  nach  J.  611  zu  Chlodwigs 
Sohn,  dem  Frankenkönig  Theuderich  (J.  511—534),  gegangen  sein.  V.  Rose 
S.  44  ff.  Wirklich  gibt  sich  der  Verf.  des  Schriftchens  als  Griechen  und 
Arzt  zu  erkennen,  der  die  Ueberliefeningen  griechischer  Aerzte  auf  die  er 
sich  beruft  mit  allerlei  Bemerkungen  durchsetzt  die  sich  auf  das  von  ihm 
selbst  bei  den  Gothen  und  Franken  Beobachtete  beziehen.  Vgl.  c.  14:  de 
lardo,  unde  non  est  qualiter  exire  delicias  Francorum,  tamen  qualiter  melius 
comedatur  ad  horam  expono.  .  .  de  crudo  vero  lardo,  qnod  solent  ut  audio 
Franci  comedere,  miror  satis  quis  illis  ostendit  talem  medicinam.  64:  fit 
etiam  de  hordeo  opus  bonum,  quod  nos  graece  dicimus  alfita,  latine  vero 
polentam,  Gothi  vero  barbarice  fenea.  15:  cervisa  bibendo  vel  medus 
(Meth)  vel  aloxinum  quam  maxime  omnibus  congruum  est,  quia  cervisa 
quae  bene  facta  fuerit  beneficium  praestat  et  rationem  habet  sicut  tisanae 
quam  nos  facimus.     78 :  oxygala  graece  quod  latine  vocant  melca  (Milch). 

2.  Die  Schiifb  behandelt  94  Nahrungsmittel,  theilweise  ganz  kurz, 
nach  ihrer  Zuträglichkeit  (Verdaulichkeit)  oder  Schädlichkeit  in  rohem  oder 
gekochtem  Zustande,  darunter  auch  Speck  und  Bier  (A.  1),  und  allerlei 
Fischarten  (c.  39  ff.  vgl.  Böse  S.  53  ff.).  Häufig  berührt  sie  sich  mit  dem 
Eochbuche  des  Apicius  (oben  278,  4).  Besonders  merkwürdig  aber  ist  sie 
durch  ihr  Latein,  das  die  damals  wirklich  gesprochene  und  von  dem  Verf. 
auch  anf  solchem  Wege  erlernte  Sprache  uns  vorführt.  Rose  S.  46  ff.  99 
—102.  So  devenire  (werden),  sera  (Abend),  de  für  den  Genetiv,  ille  als 
Artikel,  caballicare,  medietas  (Hälfte),  sodinga  u.  A.  (Rose  S.  46—48.  52  f. 
99 — 102).  Von  dem  Beifall  den  sie  unter  den  Franken  fand  zeugt  die 
Zahl  der  Hdss.  und  die  darin  erkennbaren  verschiedenen  Bearbeitungen 
(Rose  S.  50—52.  66—62). 

3.  Text  (bes.  nach  einer  St.  Galler  Hds.  saec.  IX)  bei  Val.  Rose,  Anecd. 
gr.  et  graecolat.  IL  (Berlin  1870)  S.  65—98. 

4.  Paris.  10233  eine  Uncialhds.  aus  saec.  VI  oder  VII,  enthaltend  eine 
lateinische  Uebersetzung  der  Synopsis  (ad  Eustathium)  von  Oribasius.  V. 
Rose,  Anecd.  II.  S.  116. 

5.  Aus  B.  II  von  Oribasius'  EvnoQiata  (Synopsis  ad  Eunapium)  ein 
Pflanzenverzeichniss  (ed.  Rasar.  II,  1.  p.  50—98),  in  lateinischer  und  nach 
dem  lateinischen  Alphabet  umgeordneter  (agnus  bis  ysopus  u.  yusquiamus) 
Bearbeitung,  welche  schon  Macer  Floridus  (saec.  X)  benützte  und  wovon 
in  Laon  (nr.  424)  eine  Hds.  saec.  X;  als  Apla  {äicXa)  ürivasii  de  herbarum 
virtutibus,  im  cod.  Sloan.  670  (saec.  XH)  in  London.  Als  B.  IV  von  Ori- 
basii  med.  de  simplicibus  libri  V  herausgeg.  durch  Jo.  Schott,  Argentorati 
1533  fol.    Rose  S.  110.  114. 

6.  Hinter  der  ed.  princeps  von  Cael.  Aurel.  tard.  (ed.  J.  Sichavd, 
Basel  1529  fol.)  unter  dem  Titel  Euporiston  libri  III  Theile  der  alten  lat. 
Uebersetzung  der  beiden  (einander  sehr  ähnlichen)  Synopsen  des  Orib.  au 
Eustathius  und  an  Eunapius  Buch  I  ==  ad  Eunap.  I,  1—17;  B.  II  (de  virtut. 
simpl.  med.  ad  Eunap.)  =»  ad  Eustath.  11;  B.  III  (de  confectione  ciborum) 


1112  Die  KaiBOrzeit.    Sechstes  Jahrhundert. 

SB  ad  Eunap.  II,  18 — 50.  B.  II  (Namenverzeichniaa)  p.  257:  isatis  quam 
Gothi  vi8dilem'(?  Rose  S.  117  f.)  vocant.  Auch  einzelne  Worte  (comma- 
laxare)  und  Wendungen  (plus  utilissimum ,  sordes  de  statuis  u.  dgl.)  er- 
innern an  AnthimuB  und  die  Üebersetzung  des  Alex.  Trall.  (unten  489,  9). 
Vgl.  Rose  S.  116-118. 

455  480.  Das  Bedürfniss  die  geltenden  Kechtsgrundsätze  und 
Gesetzesbestimmungen  übersichtlich  zusammenzustellen  bestand 
gleich  sehr  im  weströmischen  wie  im  oströmischen  Reiche.  Nur 
trat  dort  hinzu  das  Verlangen  die  Stellung  der  germanischen 
Sieger  gegenüber  von  den  besiegten  Romanen  abzugrenzen;  und 
einen  wesentlichen  Unterschied  begründete  auch  dass  im  Osten 
Rechtsschulen  und  geschichtliche  Rechtskenntnisse  fortbestanden, 
im  Westen  nahezu  untergegangen  waren.  So  haben  denn  die 
auf  dasselbe  Ziel  gerichteten  Bemühungen  in  beiden  Reichs- 
hälften einen  sehr  verschiedenen  Charakter:  im  Westen  einen 
kümmerlichen  und  rohen,  wie  das  edictum  Theoderici  regis  vom 
J.  500,  bei  den  Westgothen  die  lex  romana  oder  breyiarium 
Alarici,  im  burgundischen  Reiche  der  sogen.  Papian;  während 
im  Osten  durch  Justinian  das  Corpus  iuris  geschaiFen  wurde. 
Dieses  besteht  aus  zwei  Haupttheilen,  dem  Juristenrecht  (ius 
vetus)  und  dem  Kaiserrecht  (ius  principale),  von  welchen  der 
letztere  zuerst  bearbeitet  wurde  ( J.  528  f. ;  umgeänderte  Auflage 
J.  534).  Hiefür  wurde  ein  Ausschuss  niedergesetzt,  dessen  wich- 
tigstes Mitglied  Tribonianus  (f  545)  war.  Die  Constitutionen 
der  Kaiser  wurden  aus  den  bestehenden  Sammlungen  und  deren 
Nachträgen  abermals  gesichtet,  verkürzt  und  zu  den  zwölf  Bü- 
chern des  codex  lustinianeus  vereinigt.  Die  Ausarbeitung 
der  Auszüge  aus  dem  ius  vetus  in  50  Büchern  Digesta  erfolgte 
J.  530 — 533.  Auf  Grund  der  neuen  Codification  wurde  gleich- 
zeitig ein  neues  Lehrbuch  durch  Tribonian,  Theophilos  und  Do- 
rotheos  ausgearbeitet,  die  vier  Bücher  Institution  es  haupt- 
sächlich nach  Gajus.  Dazu  kamen  noch  nachträgliche  Verord- 
nungen, Novellae,  in  drei  Privatsammlungen,  aus  J.  533  bis 
gegen  das  Ende  des  Jahrb.,  meist  in  griechischer  Sprache.  War 
Justinians  Beweggrund  zu  diesen  Sammlungen,  neben  der  Sucht 
seinen  Namen  zu  verewigen,  das  despotische  Bestreben  mecha- 
nische Gleichheit  herzustellen,  Controversen  unter  den  Juristen 
abzuschneiden  und  ein  Urteilen  der  Richter  nach  eigenem  Er- 

-     messen  unmöglich  zu  machen,  so  hat  er  doch  dadurch  die  sonst 
dem  Untergange  verfallenen  Schätze  der  alten  Jurisprudenz  ge- 


480.    Lex  romana  Viaig.  und  Biirgund.  1113 

rettet,  durch  die  Digesta  eine  geschichtliche  Behandlung  des 
römischen  Rechts  möglich  gemacht  und  eine  Grundlage  für  alle 
spätere  Weiterbildung  desselben  geschaffen. 

1.  Das  Edictom  Theodenci  regis  ist  ein  Offentliclier  Anschlag  welchen 
Theoderich  bei  seiner  Anwesenheit  in  Born  (J.  600),  wohl  durch  Cassiodor, 
anfertigen  und  aushängen  liess.  Es  enthält  154  Artikel  in  planloser 
Ordnung,  geschöpft  ex  novelUs  legibus  ac  veteris  iuris  sanctimonia  (d.  h. 
dem  cod.  Theod.  und  späteren  Novellen,  sowie  Paul.  Sent.  und  cod.  Greg.), 
und  sollte  eine  Anleitung  für  die  Rechtsprechung  der  Militär-  und  Civil- 
Richter  bieten.  Abgedruckt  hinter  Pithöus'  Gassiodor  (Paris.  1579  fol.), 
in  den  Sammlungen  von  Lindenbrog,  Goldast  u.  A.,  am  besten  von  G.  F. 
Rhön,  oomm.  ad  ed.  Th.  r.  Ostrog.,  Halle  1816.  4.  Rudorff,  röm.  Rechts- 
gesch.  I.  S.  293  f. 

2.  Für  die  Westgothen  in  Gallien  und  Spanien  galt  als  Gesetz  die 
von  König  Eurich  (J.  466 — 484)  veröffentlichte  lex  Visigothorum.  Dessen 
Sohn,  Alarich  II,  setzte  J.  506  .einen  Ausschuss  unter  dem  Pfalzgrafen  Go- 
jarich  nieder  welcher  das  geltende  Recht  codificieren  sollte^.  Dessen  Ar- 
beit ist  die  lex  romana  Visigothorum  (zu  unterscheiden  von  dem 
nationalen  Rechte  in  den  leges  Visigoth.),  seit  1550  willkürlich  auch  Bre- 
viarium  Alarici  oder  (nach  dem  die  Abschriften  beglaubigenden  referen- 
darius  Anianus)  Aniani  genannt,  herausgeg.  zuerst  von  Sichard  (an  sr.  Ausg. 
des  cod.  Theod.,  Basil.  1528  fol),  dann  von  G.  Hänel  (ad  LXXVI  librorum 
mss.  fidem  recogn.  etc.  Lips.  1849.  4.).  Aus  dem  cod.  Theod.  sind  398 
Constitutionen  entnommen,  dazu  33  Novellen,  aus  cod.  Greg.  22,  H^rmog. 
2  Constitutionen,  aus  Papinian  eine  Stelle.  Gajus  ist  in  verkürzter  Fas- 
sung aufgenommen;  ähnlich  Paulus'  sententiae.  An  den  meisten  Stellen 
ist  eine  Paraphrase  oder  Interpretation  beigefügt.  In  dieser  Gestalt  be- 
stand das  römische  Recht  während  des  früheren  Mittelalters  in  einem  gros- 
sen Theile  des  Westens  fort  und  wurde  selbst  wieder  in  Auszüge  gebracht. 
Rudorff,  röm.  Rechtsgesch.  I.  S.  288—291.  303.  G.  Hänels  praef.  (und  in 
den  Berichten  der  sächs.  Ges.  d.  Wiss.  1866,  S.  1  — 18).  Dernburg,  Gajus 
S.  119  ff.  E.  de  Rozi^re,  formules  Yisigothiques  iui^dites,  Paris  1854.  4. 
J.  G.  0.  Biedenweg,  comm.  ad  formulas  visigoth.  novissime  repertas, 
Beriin  1856. 

3.  Lex  Burgundion  um  vom  J.  472  (unter  König  Gnndobald,  vgl. 
Binding,  burgundisch-romanische  Könige  ,*S.  70  ff.),  verändert  J.  617  (unter 
König  Sigismund),  auch  Gandobada  genannt.  Für  die  Anwendung  des 
burgundischen  oder  römischen  Rechtes  eine  schriftliche  Instruction,  Forma 
et  expositio  legum  conscripta,  in  47  Titeln,  geordnet  nach  den  Titeln  der 
Gundobada  und  geschöpft  aus  den  burgundischen  Gesetzen,  dem  codex 
Greg.,  Hermog.  und  Theodos.  nebst  den  Novellen  dazu,  dann  aus  dem 
uichtepitomierten  Gajus  und  Paulus.  Zweifelhaft  ist  das  Yerhältniss  zum 
breviar.  AI.  (A.  2),  an  welches  das  Werk  in  vielen  Hdss.  angehängt  ist. 
In  diesen  ist  es  für  den  Text  zur  letzten  Rubrik  angesehen  und  daher  be- 
titelt Papiani  liber  primus  responsorum.  Auch  Auszüge  des  Werks  sind 
erhalten.    Ausgaben  von  Cuiacius  (1666.  1586  fol.),  Schulting  (iurispr.  1717. 


1114  Die  Kaiserzeit.   Sechstee  Jahrhundert. 

1737.  4.  1744),  J.  C.  Amaduzzi  (Rom.  1767  fol.),  F.  A.  Bieuer  (ius  civ. 
antei.  p.  1501—1541),  F.  A.  Barkow  (lex  rom.  Burg.  1846),  F.  Bluhme  (iu 
Pertz  Monum.  Germ.,  Leges  III.  1868.  p.  497  if.).  Rudorff,  röm.  Rechts- 
gesch.  I.  S.  291 — 293.  F.  Bluhme,  über  den  burgundischen  Papianns,  iu 
Bekker  und  Muther's  Jahrb.  d.  gem.  d.  Rechts  II  (1858),  und  in  H.  v. 
SybeFs  histor.  Ztschr.  1869,  S.  234  ff. 

4.  Const.  lust.  de  novo  Codice  faciendo  vom  13  Febr.  528:  Haec 
quae  necessario  corrigenda  esse  multis  retro  principibus  visa  sunt,  interea 
tarnen  nullus  eorum  ad  effectum  ducere  ausus  est,  .  .  rebus  donare  publi- 
eis  .  .  censuimus  et  prolixitatem  litium  amputare,  multitudine  quidem  con- 
stitutionum  quae  tribus  codicibus,  Greg.,  Herrn,  atque  Tbeod.,  contineban- 
tur,  illarum  etiam  quae  post  eosdem  Codices  a  Theodosio  .  .  alüsqae  post 
eum  retro  principibus  et  a  nostra  etiam  dementia  positae  sunt,  resecanda, 
uno  autem  codice  sub  felici  nostri  nominis  vocabulo  componendo,  in  quem 
colligi  tam  memoratorum  trium  codicum  quam  novellas  post  eos  positafl 
constitutiones  oportet.  (1.)  ideoque  ad  hoc  .  .  opus  ef&ciendum  elegimus 
.  .  loannem,  .  .  Leontium,  .  .  Phocam,  .  .  Basilidem,  .  .  Thomam,  .  .  Tri- 
bonianum,  v.  magnif.,  magist^ria  dignitate  inter  agentes  decoratum,  Con- 
stantinum,  .  .  Theophilum,  y.  cl.,  comitem  sacri  nostri  consistorü  et  iuris 
in  hac  alma  urbe  doctorem,  Dioscorum  et  Praesentinum ,  disertissimos 
togatoB  fori  ampl.  praetoriani.  (2.)  quibus  specialiter  permisimus,  resecatis 
tam  supervacuis  .  .  praefationibus  quam  similibus  et  contrariis,  .  .  iIHs 
etiam  quae  in  desuetudinem  abierunt,  certas  et  brevi  sermone  conscriptas 

.  .  leges  componere  et  congruis  titulis  subdere,  adicientes  quidem  et  detra- 
hentes^  immo  et  mutantes  verba  earum,  ubi  hoc  rei  commoditas  exigeret, 
colligentes  vero  in  unam  sanctionem  quae  yariis  constitutionibus  dispersa 
sunt,  .  .  ita'  tamen  ut  ordo  temporum  earum  constitutionum  non  solnm  ex 
adiectis  diebus  consulibusque  sed  etiam  ex  ipsa  compositione  earum  clare- 
scat.  Am  7  April  529  wurde  die  fertige  Arbeit  dem  praef.  praet.  Menna 
in  Constantinopel  übersandt  (durch  die  Constitution  Summa  reip.  tuttio) 
mit  der  Bestimmung  dass  yom  16  April  529  an  recitationes  constitutionum 
ex  eodem  nostro  codice  fiant. 

5.  Als  bis  zur  Vollendung  der  Dig.  und  Inst,  zahlreiche  neue  Erlasse 
erschienen  waren  (namentlich  50  Entscheidungen  yon  Controversen ,  Deci- 
siones),  welche  nun  extra  corpus  eiusdem  codicis  diyagabantur,  wurde  eine 
neue  Bearbeitung  des  codex  yeranstaltet  (codex  repetitae  praelectionis), 
per  Tribonianum  y.  exe,  magistrum,  ex  quaest.  et  ex  cons.,  legitimi  operit* 
nostri  ministrum,  nee  non  y.  magnif.,  quaest.  et  Beryti  legum  doctorem 
Dorothenm,  Mennam  insuper  et  Constantinum  et  loannem,  yiros  eloquen- 
tissimos,  togatos  fori  amplissimae  sedis.  Sie  erhielten  ausgedehnte  Voll- 
macht zur  Vornahme  yon  Verbessenmgen.  Dieser  yerbesserte  cod.  lust. 
wurde  durch  die  Constitution  (yom  16  Noy.  534)  Cordi  nobis  yerkündet 
und  erhielt  Gesetzeskraft  yom  29  Dcbr.  534  an,  mit  Ausschluss  aller  übri- 
gen Constitutionen  und  auch  des  ersten  cod.  Just.  (A.  4),  der  in  Folge 
dessen  yöllig  untergegangen  ist.  Der  neue  cod.  lust.  ist  in  12  Bücher, 
diese  in  765  Titel  abgetheilt.  In  letztere  sind  die  (ungefäJir  4652)  Con> 
stitutionen  und  Rescripte  nach  der  Zeitfolge  eingereiht.    Die  älteste  Const. 


480.   Codex  ludtinian.  uud  Digct^ta.  1115 

ist  vou  Iladrian,  die  jüngste  vom  4  Not.  534;  die  meiBten  von  Diocletian 
und  Maximian  (1222),  Alexander  Severus  (447)  uud  Justiuiau  (402).  Chro- 
nologisches Verzeichniss  derselben  bei  Wieling,  iurisprud.  resiituta  IL  p. 
3 — 143,  ergänzt  durch  G.  Hänel's  Corpus  legnm  ab  imperatoribus  romanis 
ante  lustinianum  latarum  quae  extra  Constitutionum  Codices  supersunt,  Lips. 
1867.  282  pp.  4.  nebst  fasc.  II,  enthaltend  reichhaltige  Indices  auch  zu  den 
theodosischen  und  justinianischen  Sammlungen  (278  pp.  4.).  Die  aus  der 
vorconstantinischen  Zeit  (aus  cod.  Greg,  und  Hermog.)  sind  trefiflich  redi- 
giert, die  von  Constantin  an  byzantinisch  schwülstig.  Das  Eirchenrecht 
steht  an  der  Spitze;  im  Wesentlichen  aber  wird  die  Ordnung  der  inzwi- 
schen erschienenen  Digesten  eingehalten  und  damit  die  des  Edicts. 

6.  Verordnung  zur  Sichtung  und  Zusammenstellung  des  ins  vetus 
(de  vetere  iure  enucleando)  vom  16  Decbr.  530L  (Deo  auctore)  im  cod.  lust. 
I,  17  (Triboniano  quaestori),  wo  §.  3:  tibi  primo  et  hoc  opus  commisimus, 
ingenii  tui  documentis  ex  nostri  Codicis  ordinatione  acceptis,  et  iussimus 
quos  probaveris  tarn  ex  facundissimis  antecessoribus  (Bechtslehrem)  quam 
ex  viris  disertissimis  togatis  fori  ampl.  sedis  (Praktikern)  ad  sociandum  la- 
borem  eligere.  (4.)  iubemus  igitur  vobis  antiquorum  prudentium  quibus 
auctoritatem  conscribendarum  interpretandarumque  legum  sacratissinu  prin- 
cipes  praebuerunt  libros  ad  ins  rom.  pertinentes  et  legere  et  elimare,  ut 
ex  his  omnis  materia  colligatur,  nulla  .  .  neque  similitudine  neque  discordia 
derelicta.  .  .  (5.)  cumque  haec  materia  .  .  collecta  fuerit,  oportet  .  .  in 
libros  L  et  certos  titulos  totum  ins  digerere,  tam  secundum  nostri  consti- 
tutionem  Codicis  quam  edicti  perpetui  imitationem.  .  .  (10.)  si  quae  leges 
in  veteribus  libris  positae  iam  in  desuetudinem  abierunt  nullo  modo  vobis 
easdem  ponere  permittimus.  .  .  (12.)  nostram  autem  consummationem, 
quae  a  vobis  .  .  componetur,  Digestorum  vel  Pandectarum  nomen  habere 
sancimus,  nullis  iuris  peritis  in  posterum  audentibus  commentarios  illis 
applicare  etc.  Verkündigung  des  fertigen  Werkes  durch  die  Const.  (vom 
16  Dcbr.  633)  Tanta  circa  nos  (Cod.  lust.  I,  17,  2  »=  Jidmuev  im  prooem. 
der  Dig.),  wo  §.  1  als  Mittheilung  Tribonians  berichtet  ist,  duo  paene  milia 
librorum  esse  conscripta  et  plus  quam  trecenties  decem  milia  versuum'  a 
veteribus  effusa,  welche  von  dem  Ausschuss  in  CL  paene  milia  versuum 
verkürzt  seien  und  in  VII  partes  abgetheilt.  Gesetzeskraft  vom  30  Dcbr. 
533  an  (ib.  23).  Verzeichniss  der  Mitglieder  des  Ausschusses  ib.  9:  Tri- 
bonianus  (mag.,  ex  quaest.  et  ex  cons.,  qui  similiter  eloquentiae  et  legiti- 
mae  scientiae  artibus  .  .  emicnit),  Constantinus  (comes  sacr.  larg.  etc.), 
Theophilns  (vir  ill.,  magister  iurisque  peritus  in  Cpel),  Dorotheus  (vir  ill. 
et  facundissimus  quaestorius,  Rechtslehrer  in  Beryt),  Anatolius  (gleichfalls 
apud  Berytienses  iuris  interpres,  aus  einer  alten  Juristenfamilie),  Cratinus 
(comes  sacr.  larg.  und  antecessor  in  Cpel),  nebst  11  Anwälten  bei  der 
praefectura  orientis  (Stephanus,  Menna  u.  s.  w.). 

7.  Verzeichniss  der  (38)  excerpierten  iuris  auctores  mit  Angabe  von 
Titel  und  Zahl  der  betreffenden  Bücher  im  cod.  Flor.  (A.  11),  daher  index 
Florentinus  genannt;  abgedruckt  in  den  meisten  Ausgaben  der  Dig. 
(am  Schlüsse),  sowie  in  Budorff's  rOm.  Rechtsgesch.  I.  S.  306— -307.  Um- 
druck  der  Excerpte   in   den  Pandekten  nach  Verfassern  und  Büchern  in 


1116  l>ie  Kaiserzeit   Sechsteb  Jahrhuudert. 

C.  F.  Uommel*»  ralingenetfia  librorum  iuris  veterum,  3  Voll.  Lips.  1767  f. 
Der  Aasschuss  hat  ohne  viel  Kritik  alle  ihm  zagänglicheu  alten  Rechts- 
quellen benützt,  die  Bausteine  derselben  auseinandergenommen  und  dann 
wieder  mit  Geschick  zu  einem  neuen  Geb&ude  zusammengefügt.  Jeden- 
falls ist  diese  offizielle  Arbeit  sehr  viel  Tollständiger  und  zuverlässiger  als 
vorangegangene  Privatunternehmungen,  wie  die  fragmenta  vaticana  (oben 
399).  Fr.  Blume,  d.  Ordnung  der  Fragmente  in  den  Pandekten,  Ztscbr. 
f.  Hechtsgesch.  IV.  1820.  S.  257—472.  Vgl.  Rudorff  a.  a.  0.  S.  303  f.  Th. 
Mommsen's  Ausg.  der  Dig.,  Addit.  p.  60* — 68*,  und  der  index  libromm 
ex  quibus  Digesta  compilata  sunt  ib.  p.  69*— 67*. 

8.  Const.  Tanta  (s.  A.  6)  11:  cum  prospeximus  quod  ad  portandam 
tantae  sapientiae  molem  non  sunt  idonei  homines  rüdes,  .  .  ideo  Tribo- 
niano,  viro  exe,  qui  ad  totius  operis  gubemationem  electus  est,  nee  non 
Theophilo  et  Dorotheo,  viris  ill.  et  facundissimis  antecessoribus,  accersiüs 
mandavimus  quatenus  libris  .  .  qui  prima  legum  argumenta  continebant 
et  Institutiones  vocabantur  separatim  collectis  quidquid  ex  bis  utile  .  . 
sit  .  .  capere  studeaut  et  IV  libris  reponere  et  totius  eruditionis  prima 
fundamenta  atque  elementa  ponere,  quibus  iuvenes  suffulti  possint  graviora 
.  .  legum  scita  sustentare.  .  .  (12.)  omni  igitur  rom.  iuris  dispositione  com- 
posita  et  in  tribus  voluminibus,  i.  e.  Institution  um  et  Digestorum  s.  Pan- 
dectarum  nee  non  Constitutionum,  perfecta  et  in  tribus  annis  consnmmata 
etc.  Aus  der' Const.  (vom  21  Nov.  533)  Imperatoriam  (vor  den  Inst.)  4: 
post  libros  L  Digestorum  s.  Pandeetarum  .  .  in  hos  IV  libros  easdem  In- 
stitutiones partiri  iussimus,  ut  sint  totius  legitimae  scientiae  prima  ele- 
menta. (6.)  quas  ex  omnibus  antiqnorum  Institutionibus  et  praecipue  ex 
commentariis  Gai  nostri  .  .  aliisque  multis  commentariis  compositas  .  .  co- 
gnovimus.  üeber  das  Verhältniss  zu  Gajus  (oben  367,  6)  s.  C.  A.  Klense 
u.  £.  Böcking,  Gai  et  lustiniani  Institut,  iuris  rom.  recognoverunt,  adnota- 
tionem  adiecerunt  coniunctasque  edideruut,  Berlin  1829.  4.  Sonstige  Aus- 
gaben der  Inst,  von  G.  Haloander  (Norimb.  1529),  F.  Hotomann  (ed.  II, 
Basil.  1569  fol.),  J.  Ccgacius  (Paris.  1585  u.  sonst),  F.  A.  Biener  (Berol. 
1812),  E.  Schrader  (Berol.  1832.  4.),  P.  Krüger  (rec,  Berlin  1867),  Ph.  E. 
Huschke  (cum  praef.,  Lips.  Teubner  1868). 

9.  Das  Schwinden  selbständiger  Jurisprudenz,  die  durch  Justinian 
überdiess  mit  Bewusstsein  ertödtet  wurde,  sowie  die  Incongrnenz  zwischen 
dem  wesentlich  römischen  Rechte  und  den  byzantinisch -griechischen  Zn- 
htänden  machte  fortwährend  neue  kaiserliche  Erlasse  nothwendig:  vca^al 
dtatd^Big  (letä  tov  xco^txa,  novellae  constitutiones ,  kurz  NsccQal,  Novel- 
lae.  Die  beabsichtigte  amtliche  Sammlung  dieser  nachträglichen  Verord- 
nungen kam  nicht  zur  Aupführung;  wohl  aber  sind  drei  Privatsammlungeu 
erhalten.  Die  älteste  (etwa  aus  J.  556)  besteht  aus  125  Novellen  imd  hat 
den  Titel:  Constitutiones  novellae  lustiniani  de  graeco  in  latinum  translatae 
})er  lulianimi,  virum  eloquentissimum,  antecessorem  civitatis  Cpolitanae, 
daher  kurz  Epitome  luliani.  Vollständiger  ist  die  zweite,  von  168  No- 
vellen in  giiechischer  Sprache,  ungefähr  aus  J.  580.  Eine  dritte  besteht 
aus  134  Novellen  (die  lateinischen  im  Original,  die  griech.  in  lat.  Ueber- 
aetznng)  und  hiess  im  Mittelalter  (im  Gegensatz  zur  Epitome  luliani)  Au- 


480.   Instittttiones  Instiniani.    Corpus  iuris.  1117 

thenticum  (oder  liber  authenticorum),  neuerdings  yersib  yulgata  (Authen- 
ticum,  noyellarum  const.  lust.  versio  vulg.  .  .  reo.  prolegg.  etc.  instruzit 
G.  E.  Heimbach,  Lips.  1846—1861).  F.  A.  Biener,  Geschichte  der  Novellen 
Justinians,  Berlin  1824. 

10.  Von  seinem  Gesetzgebuügswerke  wollte  Justinian  nur  wörtliche 
Uebersetznngen  gestatten  {eQfirivBiai  noctä  noSa),  sowie  Paraphrasen  (1^- 
fi'^vstai  sCg  nlaxog)  und  Verweisungen  auf  andere  Titel  und  Stellen  (in- 
dices  und  nccgdtirla),  nicht  aber  Commentare  (vnoiivrifiata).  Aber  auch 
von  selbst  hielt  sich  die  Thätigkeit  der  Rechtsschulen  wesentlich  innerhalb 
dieser  Grenzen,  sowohl  im  Osten  als  im  Westen  (Rom,  Ravenna,  Pavia). 
Aus  dem  letztern  sind  die  ältesten  Bearbeitungen  und  Benützungen  des 
justinianischen  Rechts:  Glossen  und  Scholien  zu  Julian  und  der  Collatio 
leg.;  das  dictatum  de  consiliariis  und  die  collectio  de  tutoribus,  die  Rechts- 
sammlung der  Agrimenaoren,  sowie  die  Turiner  Glosse  zu  den  Institutionen 
(noch  aus  saec.  VI);  auch  Summarien  des  cod.  Theod.  (Fitting,  Ztschr.  f. 
Rechtsgesch.  X.  S.  317—341).  P.  Erfiger,  die  Turiner  Institutionenglosse, 
Zeitschr.  f.  Rechtsgesch.  VII.  1868.  S.  44  —  78.  H.  Fitting,  über  die  sogen. 
Turiner  Institutionenglosse  und  den  sogen.  Brachjlogus,  Halle  1870.  103  S. 
Vgl.  Literar.  Centralbl.  1871,  S.  158  —  166.  A.  Ficker,  über  Zeit  und  Ort 
der  Entstehung  des  Brachyl.  iuris  civilis,  in  den  Berichten  der  Wiener 
Akad.  1871  (Bd.  LXVII).  S.  681—644.  Die  älteste  mittelalterliche  Glossa- 
torenschule  ist  die  von  Bologna  (um  1075).  v.  Savigny,  Geschichte  d. 
röm.  Rechts  im  Mittelalter,  Heidelberg  1816—1831,  6  Bde. 

11.  Eine  Handschrift  welche  das  gesammte  justinianische  corpus 
iuris  civilis  enthielte  gibt  es  nicht.  Am  meisten  vervielfältigt  sind  die  am 
wenigsten  umfangreichen  Institutionen;  die  ältesten  Hdss.  sind  aus  saec.  X. 
Von  den  Pandekten  ist  die  Haupthandschrifb  der  codex  florentinus  (littera 
florentina)  saec.  VII,  zuletzt  fdr  Mommsen  verglichen  von  Reifferscheid  und 
Kiessling.  Ihre  Lücken  werden  ergänzt  durch  die  zahlreichen  Vulgathandss. 
(saec.  XI  ff.),  welche  durchgängig  die  Digesten  in  Digestum  vetus  (I— XXIV, 
2),  Infortiatum  (XXIV,  3  bis  XXXVHI)  und  Digestum  novum  (XXXIX  — L) 
eintheilen.  C.  Fuchs,  kritische  Studien  zum  Pandektentezte,  Leipzig  1867. 
Mommsen's  Prolegg.  Unter  den  Hdss.  des  Codex  reichen  nur  zwei  (in  Pi- 
stoja  und  M.  Cassino)  in  saec.  X  hinauf.  P.  Krüger,  Kritik  des  just.  Codex, 
Berlin  1867.  £.  Zachariä,  über  d.  griech.  Bearbeitungen  des  Cod.  Inst., 
Zeitschr.  f.  Rechtsgesch.  X  (1871)  S.  48—69. 

12.  Die  Ausgaben  zerfallen  in  glossierte  und  unglossierte,  je  nach- 
dem sie  die  Bemerkungen  (glossae)  der  Bologneser  Schule  (zuerst  gesam- 
melt von  F.  Accursius  als  glossa  ordinaria,  J.  1220  ff.)  enthalten  oder  nicht. 
Die  älteste  unglossierte  Gesammtausgabe  ist  die  von  Cl.  Chevallon  (Paris 
1525—1527),  die  neueste  glossierte  opera  Fehii  (Lyon  1627,  5  Voll.  fol.). 
Unglossierte  Ausgaben  ohne  Anmerkungen  von  G.  Haloander  (Norimb. 
1529.  4.  3  Voll.),  D.  Gothofredns  (erstmals  unter  dem  Namen  Coi-pus  iuris 
civilis,  Genev.  1683.  4.),  Freyesleben  (Corp.  i.  c.  academicum,  1721 — 1789); 
mit  kritischen  oder  exegetischen  Anmerkungen  bes.  von  D.  Gothofredus 
(Lugd.  1590,  zuletzt  1624.  fol.  durch  J.  Gothofredus;  abgedruckt  Ambt. 
ap.-  Elzevir  1663  fol.\  G.  Chr.  Gebauer  und  G.  A.  Spangenberg  (Gotting. 


111s  t)ie  Kaiaerzeit.    Sechst^H  Jahrhanderi. 

1776.  1797.  4.  2  Voll.),  J.  L.  W.  Beck  (Lipa.  1826—1886,  6  Voll.),  A.  und 
M.  Kriegel,  £.  Herrmann,  E.  Oaenbrflggen  (Lips.  1828—1843.  4.  und  Öfters 
wieder  abgedmckt). 

Von  den  Digesten  allein  bes.  die  Ausgaben  ex  officina  Lanrentii  Tor- 
rentini (ez  florentinis  pandectis  repraesentati,  Florent.  1653  fol.  3  Voll.)  und 
reoogn.  Th.  Mommsen  et  P.  Krüger  (Berlin  1866  —  1870.  2  Voll.  4.)  nebst 
der  ed.  stereotypa  davon  (Berlin  1868  ff.). 

13.  E.  Spangenberg,  Einleitung  in  das  römiscb-jnstinianische  Rechts- 
bach oder  corp.  i.  ciy.,  Hannover  1817.  Die  Lehrbücher  der  Institutionen 
z.  B.  von  J.  E.  Euntke  (Lpzg.  1869.  2  Bde.),  der  Pandekten,  bes.  von  E. 
Böcking  (I.  S.  58—69  nebst  den  Anhangen  S.  *1— *22);  die  Werke  über 
rOmische  Bechtsgeschichte  von  Hugo  u.  bes.  Budorff  (I.  S.  196—353).  H. 
E.  Dirksen,  manuale  latinitatis  fontium  iuris  civilis  Bomanorum;  thesauri 
latinitatis  epitome,  Berlin  1837.  1029  pp.  4. 

481.  In  der  Mitte  zwischen  Prosa  und  Poesie  steht  der 
Roman^  der  in  diesem  Jahrhundert  einen  Vertreter  hat  an  der 
abenteuerlichen  Erzählung  vom  Konige  Apollonius  von  Tyrus. 
Sie  ist  die  freie  christianisierende  Bearbeitung  eines  griechischen 
Originals  das  etwa  im  dritten  chrisü.  Jahrhundert  in  Eleinasien 
verfasst  war,  während  die  Uebersetzung  aus  germanischer  Zeit 
stammt.     Im  Mittelalter  wurde  dieselbe  viel  gelesen. 

1.  Dass  der  Roman  eine  Uebersetzung  ist  erhellt  aus  seinen  zahlrei- 
chen Gr&ciBmen  (Riese  p.  XI— XIII).  Da  c.  34  das  Pfiind  Gold  in  50  Stöcke 
ausgeprägt  ist,  was  seit  Caracalla  geschah,  seit  Constantin  aber  vielmehr 
nach  Bolidi  gerechnet  wurde,  so  scheint  das  Original  zwischen  Caracalla  und 
Constantin  entstanden  (W.  Christ,  Sitzungsber.  d.  Münchner  philol.  Cl.  1872. 
S.  4).  Der  Verfasser  desselben  war  aus  dem  griechischen  Kleinasien  (W. 
Teuffei,  Rhein.  Mus.  XXYII.  8.  104)  und  noch  Heide.  Das  christliche  Ge- 
wand ist  dem  Stoffe  erst  von  dem  üebersetzer  lässig  umgeworfen  (ebd.  S. 
103  f.  vgl.  Riese  p.  IX  f.). 

2.  Abfassungszeit  der  uebersetzung:  nach  Symposius  (oben  442),  dessen 
Räthsel  c.  42  ff.  eingeschaltet  sind,  und  vor  der  Schrift  de  dubiis  nominibus 
(aus  saec.  VH,  vgl.  p.  582,  19  K.),  welche  (Grammat.  lat.  ed.  Keil  Y.  p.  579, 
25)  den  Roman  als  anonym  anführt:  in  Apollonio  (p.  16,  21  R.)  'gymnasium 
patet'.'  Nächstdem  wird  ums  J.  747  aus  einer  «Elosterbibliothek  erwähnt 
Historia  ApoUonii  regis  Tyri  in  codice  uno.  Also  wohl  uebersetzung  im 
Laufe  von  saec.  VI,  wozu  die  Latinität  (A.  3)  stimmt  und  besonders  der 
Gebrauch  des  Wortes  dos  (c.  1  u.  19)  in  einer  der  specifisch  lateinischen 
entgegengesetzten,  erst  der  germanischen  Zeit  eigenen  Bedeutung  (»»  pre- 
tium  pnellae,  Muntschatz);  s.  W.  Teuffei  (A.  1)  S.  104  f.  (seltsam  missver- 
standen von  W.  Meyer,  S.  26—28).  Daneben  hat  Bern.  208  dos  in  der 
römischen  Bedeutung  c.  23  (numeratur  dos  amplissima). 

3.  Durch  die  lat.  Bearbeitung  hindurch  erkennt  man  das  Original  als 
einen  Roman  in  der  Weise  der  griechischen  Erotiker,  bes.  des  Xenophon 


481.    Apollonius  von  Tyms.  Uli) 

Ephes.  Die  Charakterzeichnung  ist  dürftig,  die  geschilderten  Verhältnisse 
ohne  locale  und  Zeitförbung,  der  Stil  ursprünglich  geschraubt  zierlich.  Der 
lat.  Bearbeiter  hat  das  Original  im  Geschmacke  seiner  Zeit  christianisiert, 
barbarisiert,  erweitert  und  wohl  auch  (bes.  gegen  den  Schluss)  abgekürzt. 
Häufig  populärer  Satzbau  und  Ausdruck,  Mangel  eines  literarisch  ausgebilde- 
ten Stils,  Worte  und  Wendungen  welche,  dem  sermo  plebeius  entnommen, 
schon  lebhaft  ans  Romanische  erinnern  (Biese).  Vgl.  oben  479,  2.  Zusam- 
menstellung der  spätlatoinischen  Elemente  bei  Riese  p.  XIII — XV. 

4.  Wie  bei  dem  geschichtlichen  Roman  des  Julius  Valerius  (oben  388, 
11)  wurde  mit  dem  Texte  der  Erzählung  von  Ap.  aufs  Freieste  verfahren, 
nach  Belieben  abgekürzt  und  geändert.  Kurze  Redactionen  in  einem  Lau- 
rent. (65,  35)  saec.  X  und  bei  Vincentius  von  Beauvais.  Die  zahlreichen 
(gegen  100)  Handschriften  zeigen  gleichfalls  die  grössten  Verschieden- 
heiten. Bis  jetzt  sind  drei  Hauptclassen  (Redactionen)  nachgewiesen,  die 
eine  (A)  vertreten  durch  den  sehr  lückenhaften  Laurent.  66,  40  saec.  IX — X, 
die  zweite  (B)  besonders  durch  9Vt  Blätter  aus  Tegemsee  (T)  in  München 
(W.  Meyer  S.  6  f.  22—26),  einen  Vossianus  saec.  IX — X  (b),  Vaticanus  1869 
(R)  u.  a.  (Meyer  S.  7—10),  eine  mit  A  parallel  gehende  Fassung;  die  dritte 
(C)  am  besten  im  Sloanianus  (y)  saec.  XI  und  Vindobonensis  510  (Vi)  saec. 
XIH,  auch  Bern.  208  saec.  XIII  (H.  Hagen,  philol.  Anz.  1871 ,  S.  539).  Vgl. 
Meyer  S.  11—17  nebst  W.  TeufPel  S.  106—108.    Riese  p.  III— VII. 

5.  Editio  princeps  s.  1.  et  a.  um  1471,  dann  von  M.  Velser  (Augsburg 
1595;  Opera  1682,  p.  681 — 704),  Lapaume  (Scriptores  erotici  ed.  Didot,  Paris 
1866,  p.  611)  und  bes.  A.  Riese  (rec.  et  praefatus  est,  Lips.  Teubner  1871). 

6.  Uebersetzungen  und  Bearbeitungen.  Deutsche  von  1471.  Angel- 
sächsische ed.  B.  Thorpe,  London  1834  (vgl.  W.  Meyer  S.  17—19).  Alt- 
französische  in  Prosa  und  poetische  Nachdichtung,  s.  E.  Hofinann,  Über 
Jourdain  de  Blaivies,  Apoll,  von  Tyrus,  Salomon  und  Marcolf,  in  den 
Sitzungsber.  der  Münchner  Ak.  (philol.  GL)  1871,  4.  Im  pseudo-shakspeare- 
schen  Pericles  prince  of  Tyre  (K,  Simrock,  Quellen  des  Shakesp.  U.  S.  163  flP.). 
Mittelgriechische  (aus  dem  lat.  Text)  in  852  reimlosen  politischen  Versen 
in  W.  Wagner,  Medieval  greek  texts  I  (London  1870)  p.  63—90  {dir^yriaiq 
nolvna&ovg  'AnoXkfovCov  r.  T.)  vgl.  p.  57—62.  102—104  und  (C.  Gidel,  ^tude 
sur  Ap.  de  T.)  p.  91  — 101.  Auch  A.  d'Ancona,  la  rappresentazione  di  S. 
üliva,  Pisa  1863.     Gräsae,  Literärgesch.  IV.  S.  457  ff. 

7.  W.  Teuffei,  die  bist.  Apollonii  regis  Tyri,  Rhein.  Mus.  XXVU.  S. 
103  —  113.  A.  Riese,  ebd.  XXVL  S.  638  f.  W.  Hartel,  in  der  Ostreich. 
Wochenschrift  f.  Kunst  u.  Wiss.  1872,  S.  161  —  172.  W.  Meyer,  über  den 
lateinischen  Text  der  Gesch.  des  Ap.  v.  T.,  Sitzungsber.  der  Münchner 
Akad.  (philol.  Gl.)  1872,  S.  3—28.  E.  Bährens,  in  Fleckeisens  Jahrbb.  103, 
S.  856—858. 

482.  In  gebundener  Form  verfasste  zu  Anfang  des  Jahr- 
hunderts der  Etrusker  Maximianus  Gedichte  im  Geiste  der 
alten  Elegie^  lebensvoll,  von  sinnlicher  Frische,  beredt,  aber  mit 
vielen  Entlehnungen   aus  den  classischen  Dichtern,   nicht  selten 


1 12Ö  t>ie  Saiserzeit.    Sechstes  Jahrliandert. 

gekünstelt,  übertreibend,  und  auch  nicht  immer  correct.  Den 
Hauptinhalt  bilden  Rückblicke  auf  die  Jugendzeit  und  Klagen 
über  deren  Untergang. 

1.  Persönliche  VerhSltniBse.  Einen  Menschenkenner  lässt  M.  über  sich 
sagen  (4,  26):  cantat,  —  cantantem  Maximianus  amat.  5,  5:  me  etnucae 
gentu  alnmnum  (vgl.  5,  40:  tnsca  simplicitate  senem).  Jagend  in  Born  (1, 
63.  37).  dum  iuvenile  decus  .  .  manebat  orator  toto  clams  in  orbe  foi. 
saepe  poetaram  mendacia  dalcia  finzi,  .  .  saepe  perorata  percepi  lite 
coronam  (1,  9 — 13).  Schulmann  (pueri  .  .  irrident  gressus  .  .  et  tremulom 
quondafii  quod  timuere  caput  1,  283  ff.)?  In  späteren  Jahren  missua  ad 
eoas  legati  munere  partes  (5,  1),  um  Frieden  zu  schliessen  (5,  2  f.).  Wenn 
der  als  sein  älterer  Freund  genannte  Philosoph  BoStius  (magnarum  scm- 
tator  mazime  rerum,  .  .  Boeti  3,  47  f.)  der  bekannte  (oben  470)  war,  und 
der  Max.  an  welchen  Cassiod.  Var.  I,  21  gerichtet  ist  (Theodericua  rex 
Maximiano  viro  illustri  etc.  vgl.  ib.  IV,  22  Max.  vir  ill.)  unser  Dichter,  so 
könnte  jene  diplomatische  Sendung  (durch  Theoderich)  an  Anastasius  ge- 
richtet gewesen  sein  (Wernsdorf,  poetae  lat.  min.  VI,  1.  p.  221.  223 — 227). 

2.  Die  sechs  Elegieen  wollen  alle  in  den  späteren  Jahren  des  Dichters 
yerfasst  sein.  Die  erste  (146  Distichen)  vergleicht  Sonst  und  Jetzt  in  sei- 
nem Leben.  Die  zweite  (36  Dist.)  gilt  der  formosa  Lycoris,  die  den  Gran- 
kopf verschmäht.  Die  dritte  (47  Dist.)  erzählt  von  einer  züchtigen  Jugend- 
liebe, der  Aquüina;  die  vierte  (30  Dist.)  von  einer  ähnlichen  zu  einer 
Tänzerin  und  Sängerin  Candida.  Die  fünfte  (67  Dist.)  schildert  ein  eroti- 
sches Abenteuer  auf  jener  Gesandtschaftsreise  mit  einer  koketten  Griechin, 
wobei  der  greise  Diplomat  schlecht  besteht  und  der  Hetäre  zu  einer  pa- 
thetisch-metaphysischen Rede  über  die  mentula  Anlass  gibt  (non  fleo  pri- 
vatum, sed  generale  chaos  5,  112).  Die  sechste  ist  ein  bloses  Schlusswort 
von  sechs  Distichen.  Der  Verfasser  ist  noch  ein  guter  Heide  (5 ,  45  f. :  nee 
memorare  pudet  tali  me  vulnere  victum:  subditus  bis  flammis  luppiter  ipse 
fuit),  in  der  antiken  Mythologie  wohl  bewandert,  noch  besser  in  Vergil, 
Catull  und  den  Elegikern  und  Lyrikern  der  augusteischen  Zeit.  Die  Re- 
quisiten der  alten  Elegie  bemüht  er  sich  treulich  nachzubilden  und  rechnet 
dazu  ausser  der  individuellen  Haltung  und  der  Rhetorik  offenbar  auch  etwas 
Schmutz  (el.  5).  Vgl.  471,  6.  Stark  realistische  Ausmalungen  1,  253  ff.  2, 11  ff. 
5,  27  ff.  Auch  die  Verstechnik  strebt  in  der  Hauptsache  mit  Glück  nach 
Classicität;  Ausnahmen  davon  Verschleifungen  in  der  Hauptcäsur  (1,  77. 
283.  5,  99.  153),  Messung  von  mortis  als  Spondeus  (1,  208),  ergo  als 
Trochäus  (6,  9),  besonders  aber  prosodische  Fehler  in  griechischen  Wörtern 
(Socrätes  1,  48;  p^dagogus  2,  17;  sireniis  5,  19),  nach  allgemeiner  Zeitsitte. 

3.  Der  erste  Herausgeber,  Pomponius  Gauricus  (Venet.  1501.  4.)  unter- 
schlug 4,  26  den  Namen  Maximianus  um  seine  Behauptung  dass  Cornelius 
Gallus  (oben  227)  der  Verfasser  sei  nicht  zu  beeinträchtigen.  Spätere  Her- 
ausgeber bes.  Th.  Pulmann  (Antverp.  1669),  P.  Pithöus  (Epigr.  et  poem. 
vett.  p.  423),  und  Wernsdorf,  poet.  lat.  min.  VI,  1.  p.  269  —  382,  vgl.  p. 
207—229  und  (über  allerlei  Literatur)  p.  229  —  247.  260— jS68,  sowie  Hl. 
p.  125—134. 


482  f.   Maximiamis.    Araior.  1121 

483«  Auf  christlicher  Seite  bediente  sich  der  gebundenen4ö6 
Form  um  die  Mitte  des  Jahrh.  in  Italien  der  jüngere  Freund 
des  Ennodius,  der  rednerisch  gebildete  Arator,  von  dem  wir 
eine  rhetorische  Versification  des  Inhalts  der  Apostelgeschichte 
in  zwei  Büchern  besitzen,  mit  grösserer  Leichtigkeit,  aber  gerin- 
gerer Sorgfalt  einige  Jahrzehnte  später  Venantius  Fortunatus 
(um  535 — 600),  ein  Italiener  der  im  fränkischen  Reiche  eine 
neue  Heimat  fand  und  in  Poitiers  mit  der  Zeit  Presbyter,  am 
Ende  seines  Lebens  noch  Bischof  wurde.  Sein  Formgeschick 
bethätigte  Fort,  theils  durch  ein  rasch  hingeworfenes  Epos  in  vier 
Büchern  auf  Martinus,  den  Heiligen  von  Tours,  theils  in  vielen 
einzelnen  Gedichten,  Kirchenliedern  wie  solchen  worin  er  fürst- 
liehe  Personen,  Bischöfe  und  sonstige  Würdenträger  des  Reiches 
in  höfischer  Weise  ansang.  Letztere  Gedichte  bilden  eine  Samm- 
lung (Miscellanea)  von  elf  Büchern  und  manchfaltigem  Inhalte. 
Auch  in  Prosa  verfasste  er  Lebensbeschreibungen  von  Heiligen. 

1.  Cassiod.  var.  VIII,  12  (Aratori  Athalaricus  rex):  primaevus  ve* 
nisti  ad  honores.  advocationis  te  campus  ezercait.  .  .  intra  te  fuit  quam- 
vis  ampla  professio  litterarum.  .  .  auspicatus  ee  militexn.  .  .  iuvat  repetere 
pomposam  legatiooem  (de  partibus  Dalmatiarnm  an  Theoderich,  um  525), 
quam  .  .  torrenti  eloquentiae  flmnine  peregisti.  .  .  genitoris  facundia  et 
moribus  adiuvaris,  cuius  te  eloquium  iustruere  potait,  etiam  si  libriB  non 
vacaeses.  erat  ecim  .  .  egregie  litteris  eruditus.  .  .  ibi  te  talliana  lectio 
disertum  reddidit  ubi  qaondam  gallica  lingua  resonavit.  .  .  mittit  et  Li- 
garia TuUios  8U08.  .  .  te  comitivae  domesticorum  illustratum  hopore  de- 
coramus.  Ennod.  carm.  II,  105  (in  natalem  infantis  Aratoris).  114—116  (de 
flagello  inf.  Ar.),  dict.  9  (praefatio  quando  Arator  auditorium  iugfresaus  est). 
Handschrift  aus  Reims:  oblatus  hie  codex  ab  Aratore  illustri  ex  comite 
domesticorum,  ex  comite  privatarum^,  viro  religiöse  etc.  Studiert  hatte  er 
zu  Mailand  (bei  Deuterius)  und  Ravenna  (ep.  ad  Parthen.  35 ff.);  er  nahm 
in  Rom  die  Tonsur  um  540  (vgl.  ep.  ad  Parth.  70)  und  wurde  subdiaconus. 

2.  Dem  Epos  de  actibus  apostolorum  (vgl.  Venant.  yit.  Mart.  I, 
22  f.)  gehen  zwei  Widmungen  im  elegischen  Masse  voraus,  an  den  gelehr- 
ten Florianus  (prisca  volumina  linquens  cede  dies  operi  quod  pia  causa 
iuvat)  und  an  den  Papst  Vigilius  (J.  537 — 555):  versibus  ergo  canam  quos 
Lucas  rettulit  actus  historiamque  sequens  carmina  vera  loquar.  Unter- 
schrift: oblatus  est  huiusmodi  codex  ab  Aratore  subdiacono  .  .  papae  Vi- 
gilio  et  Busceptus  ab  eo  die  VIII  id.  Apr.  (des  J.  544)  in  presbyterio. 
.  .  quem  cum  ibidem  legi  mox  pro  aliqua  parte  fecisset  Surgentio  .  .  in 
scrinio  dedit  recte  coUocandum.  cuius  beatitudinem  litterati  omnes  doctis- 
simique  continuo  rogaverunt  ut  eum  iuberet  publice  recitari.  quod  cum 
fieri  praecepisset  in  ecclesia  b.  'Petri  quae  vocatur  Ad  vincula,  .  .  turba  con- 
venit  atqne  eodem  Aratore  subdiac.  recitanto  distinctis  diebus  ambo  libri 
quattuor  vicibus  sunt  auditi,  .  .  propter  repetitiones  assiduas  quas  cum  fs\o 

Tkvvpki.  ,^öin.  Literaturgesohichte.    8,  Aufl,  71 


1 122  Die  Kaiserzeit.    Sechstes  JabrliuuJert. 

vore  mnltiplici  postulabcint.  Ueberseudung  des  Werkes  Parthenio  mag.  off. 
atque  patricio  (in  Gallien),  eeinem  Jugendfreunde  (in  Eavenna)  und  Schwe- 
stersohne des  EnnodiuB,  mit  einer  Zuschrift  im  elegischen  Masse  worin 
neben  Claudianus  auch  Martialia  ausgebeutet  wird. 

3.  B.  I  enthält  1076,  II  1250  Hexameter.  Das  Stoffliche  tritt  in  der 
rhetorischen  Behandlung  zurück.  Die  Form  ist  elegant,  abgesehen  von 
den  durch  zahlreiche  Vorgänger  entschuldigten  prosodischen  Willkurlicb- 
keiten  (ecclesiae,  idöla,  Macedo,  Pharao,  aflFatim,  spädo  u.  dgl).  Gedruckt 
in  G.  Fabricius,  corp.  poett.  Christ,  p.  ö69  ff.,  in  der  bibl.  patr.  max.  X, 
und  besonders  (cum  observatt.)  von  H.  J.  Arntzen  (Zutphan.  1769).  Dar- 
aus in  Migne's  patrol.  LXVIII.  p.  45—262.    Ed.  A.  Hubner,  Neisse  1850. 

4.  Wie  Arator  ans  dem  westlichen,  so  ist  Venantius  Honorins  Clemens 
Fortunatus  aus  dem  östlichen  Oberitalion  (Treviso)  gebürtig  (vit,  Mart  IV, 
665  ff.:  mea  Tarvisus.  .  .  per  Cenetam  gradiens  et  amicos  Duplavenenses, 
qua  natale  solum  est  mihi).  Grammatisch-rhetorische  und  juridische  Stu- 
dien (zu  Ravenna?),  v.  Mart.  I,  26  ff.  Wanderung  (s.  misc.  I  prol.)  nach 
Gallien,  angeblich  wegen  der  Wunderkraft  des  h.  Martin  (v.  Martin.  I,  44. 
IV,  684  ff  VIII,  1,  21),  ums  J.  566,  unter  König  Sigibert  (X,  20,  1/).  In 
Toui-8  war  damals  Gregor  (oben  478)  schon  Bischof  und  nahm  sich  seiner 
an  (Vm,  21,  11.  26,  2  ff.  27,  11  ff.).  An  ihn  sind  viele  Gedichte  des  F. 
gerichtet  (misc.  V,  3—5.  9—20.  VIII,  16—27.  IX,  6  f.  vgl.  X,  5  f.  12  f.  19). 
In  Poitiers  fesselte  ihn  (VIII,  1,  31:  Martinum  cupiens  voto  Radegnndis 
adhaesi;  vgl.  ib.  11  ff.:  Fortunatus  ego  .  .  Pictavis  residens)  die  schwär- 
merisch fromme  thüringische  Fürstentochter,  frühere  Gemahlin  Lothars  I, 
Radegunde  (misc.  VIII,  1,  22),  welche  dort  ein  Kloster  (nach  der  Regel  der 
h.  Caesaria  von  Arles)  gegründet  hatte.  Ihr  gelten  viele  seiner  Gedichte, 
zum  Theil  mit  leidenschaftlicher  Tonfarbung  (misc.  VIII,  14,  6:  sine  te 
nimium  nocte  premente  gravor.  .  .  tempora  subducis  ceu  non  videaris 
amanti,  cum  vos  dum  cerno  hoc  mihi  crcdo  parum.  XI,  2:  quamvis  sit 
caelum  nebula  fugiente  serenum,  —  te  celante  mihi  stat.  sine  sole  dies). 
Nach  ihrem  Tode  (13  August  587)  verfasste  F.  auch  eine  Lebensbeschrei- 
bung von  ihr.  An  ihre  (Pflege-)  Tochter,  die  von  ihr  zur  Aebtissin  einge- 
setzte Agnes  ib.  XI,  5  ff.  Vgl.  E.  Dümmler  in  d.  Zeitschr.  Im  neuen  Reich, 
1871,  S.  641—656.  In  Poitiers  primum  presbyter,  deinde  episcopus  ordinatus 
est  atque  in  eodem  loco  digno  tumulatus  honore  quiesoit  (Paul.  Diac.  bist. 
Langob.  H,  13).  In  den  Gedichten  nennt  er  sich  aber  weder  presb.  noch 
Bischof,  wohl  aber  XI,  4,  3  Fortunatus  agens  (der  Radegundis)  und  erwähnt 
erst  XI,  29  seiner  Priesterweihe.  Auch  Gregor  von  Tours  (bist.  Franc.  V, 
8)  nennt  ihn  nur  presbyter;  F.  raüsste  also  Biscbof  erst  nach  Vollendung 
jenes  Geschichtswerks,  somit  frühestens  692,  geworden  sein.  Seine  Gedichte 
deuten  oft  auf  eine  etwas  parasitische  Existenz  (z.  B.  III,  16.  VII,  14  f.  X, 
12.  XI,  9  fr.).  Vgl.  Dümmler  S.  655:  während  die  „Mutter"  (Radegunde) 
und  „Schwester"  (Agnes)  ihren  strengen  Fasten  oblagen  bereiteten  sie  für 
ihren  Verehrer,  dessen  schwache  Seite  sie  mit  weiblichem  Scharfblick  er- 
kannt hatten,  die  leckersten  Gerichte.  Th'.  Bormann,  über  das  Leben  des 
lat.  Dichters  Venantius  u.  s.  w.  (Fulda  1848.  4.)  S.  3—22;  vgl.  S.  15:  V. 
zeigt  sich   in  seinen  Gedichten    als   ein  Mann  der  .  .  den  geistlichen  and 


483.    Venantiuß  Fortunatus.  1123 

weltlichen  Würdenträgern  gern  Weihranch  streut  und  es  dabei  mit  der 
einfachen  Wahrheit  nicht  sehr  genau  nimmt;  so  überhäuft  er  einen  Chari- 
bert,  Childerich,  eine  Fredegunde  mit  wahrlich  sehr  unverdienten  Lob- 
spruchen;'  da  wo  er  den  Tod  der  Galsuinta  erzählt  stellt  er  sich  als  wisse 
er  gar  nichts  von  dem  Urheber  dieser  Frevelthat  u.  s.  w. 

5.  Prosaische  Werke  des  F.:  Lebensbeschreibungen  des  Bischofs  Hi- 
larius  von  Poitiers,  auf  Veranlassung  von  dessen  Nachfolger  Pascentius 
(P.  II:  de  miraculis  s.  Hilarii);  des  Albinus  confessor;  Germanus,  B.  von 
Paris;  Severinus,  B.  von  Bordeaux  (Greg.  Tur.  de  glor.  conf.  46;  nicht 
erhalten);  Medardus^  ß.  von  Noyon  (bei  Surins  IIL  p.  668 — 670);  Amantius, 
der  Radegunde  u.  A.  Abgedruckt  z.  B.  bei  Migne  LXXXVIII.  p.  513  —  561. 
Auch  in  den  Miscellanea  ist  viel  Prosaisches  mitenthalten,  insbes.  Briefe 
an  Bischöfe,  eine  Erklärung  des  Vaterunser  (X,  1)  und  des  apostolischen 
Symbols  (XI,  1).  Die  Prosa  des  F.  ist  meist  geschraubt,  schwerfällig  und 
schwülstig.  Für  die  Geschichte  der  Zeit  sind  aber  seine  Schriften,  neben 
denen  des  Gregor  von  Tours,  die  lehrreichsten. 

6.  De  vita  s.  Martini  libri  IV.  Widmung  an  Gregor:  cum  iusseritis 
ut  opus  illnd  .  .  quod  de  suis  virtutibus  explicuisti  (oben  478,  4)  versibus 
debeat'digeri,  id  agite  ut  ipsum  mihi  relatum  iubeatis  transmitti.  nam  .  . 
quod  de  vita  eins  vir  disertus,  domnus  Sulpicius  (oben  435),  sub  uno  libello 
prosa  descripsit  et  reliquum  quod  dialogi  more  subnectit,*  primum  quidem 
opus  a  me  duobus  libellis  et  dialogus  subsequens  aliis  duobus  libellis 
complexus  est,  ita'ut  brevissime  .  .  in  IV  libellis  totum  illud  opus  versu 
inter  hoc  bimestre  spatium,  inter  frivolas  occupationes  sulcarim.  Vgl.  III, 
10  f.:  cum  duce  Sulpicio,  bene  cuius  ab  ore  venusto  Martini  sacros  duleis 
stilus  edidit  actus.  Das  umfangreiche  Werk  (613  +  491  +  629  +  712  =  2246 
Hexameter)  verruth  hinreichend  die  Eilfertigkeit  seiner  Entstehung:  die 
Anlage  ist  salopp  (vgl.  I,  45  f.  50  ff.  56  fF.),  mechanisch  aus  Sulpicius  den 
StoflF  aufgreifend,  die  Ausführung  breit  und  trivial,  voll  leerer  Wortspie- 
lereien (z.  B.  I,  19:  prudens  prudenter  Prudentius  immolat  actus;  vielleicht 
Anspielung  auf  seines  Gönners  Gregor  Worte,  de  curs.  eccl.  p.  24  Hse: 
Pnidentius  cum  de  .  .  Stella  prudenter  dissereret;  I,  99:  ne  timeam  timi- 
dum,  timor  est  deus,  arma  timentum);  die  technische  Form  häuft  die  In- 
correctheiten  aller  Vorgänger  (heresis,  ecclesiae,  problema,  ApoUinaris, 
Arrius  =»  "Ageiogy  ergone,  miscam  u.  s.  f.)  und  verbindet  sie  mit  häufig 
nachlässigem  Versbau  (z.  B.  I,  140:  dogmate,  luce,  fide  informans  virtute 
sequaces).  Abfassung  vor  J.  676,  da  zur  Zeit  des  Abschlusses  (IV,  636  f.) 
Gennanus  noch  Biscnof  von  Paris  war  (vgl!  Greg.  Tur.  V,  8). 

7.  Ansehnlichen  geschichtlichen  und  topographischen  Werth  haben 
die  elf  Bücher  Gedichte  (miscellanea),  von  manchfaltigem  Inhalt,  meist 
Gelegenheitspoesie.  Aus  dem  renommistisch  bescheidenen  Vorwort  an 
Gregor:  quia  viriliter  flagitas  ut  quaedam  ex  opusculis  imperitiae  meae 
tibi  transferenda  (Abschreibenlassen)  proferrem,  nugarum  mearum  admiror 
te  amore  seduci,  .  .  praesertim  quod  ego  imperitus  de  Bavenna  progre- 
diens  Padum  .  .  Tiliamentumque  tranans,  .  .  Rhenum  Germania  transiens 
ac  post  Mosellam,  .  .  Ligerim  et  Garomnam  ..  .  transmittens,  Pjrenaeis 
occurrens  .  .  paene  aut  equitando  aut  dormitando  conscripserim.     Auf  ita- 

71* 


1 124  Die  Kai86rzeit.   Sechstes  Jahrhundert. 

lieniBche  Verhältnisse  bezieht  sich  nur  I,  1.  2;  alle  übrigen  Gedichte  8cbei> 
nen  in  Gallien  verfasst    In  der  Anordnung  kreuzt  sich  die  nach  der  Zeit 
mit  einer   sachlichen   (bes.  nach  dem  Range  der  Adressaten).     Der  I,    15 
als  lebend  angeredete  Bischof  Leontius  erhält  IV,  10  ein  Epitaph;  B.  Vi 
sind  Könige  Sigibert  (f  576)    und  Charibert  (f  667),   IX    aber  Cbilperich 
(I,  t  684)  und  X  Childebert  (II,  geb.  670),  Sigiberts  Sohn  und  Nachfolger 
(J.  675—696) ;  VI,  2  gilt  der  Vermählung  von  Sigibert  und  Brunhild  (J.  566). 
VII,  9,  7  ist  F.  im  9^  Jahre  von  der  Heimat  entfernt;  IX,  7,  60  weiden 
Gedichte  erwähnt  die  er  vor  20  J.  verfasst.    B.  I  —  III  haben  vorzugsweis 
kirchliche   Dinge   (Gebäude  u.  dgl.)    und   Personen  zum  Gegenstande;    IV 
enthält  Epitaphien  auf  Bischöfe,  einen  Abt,  Presbyter,  Diakonus,  dann  aof 
Laien,  zuletzt  Frauen;  V  an  Bischöfe,  bes.  Martin  und  Gregor;  VI  an  Kö- 
nige,  Königinnen,   Prinzessinnen;    VII   an    hohe  Hof-  und  Staats -Beamte 
(Gogo,  Bodegisil,  Lupus,  Bfummnlenus,  Sigismund  u.  A);  VIII  Christliches, 
sowie  an  Radegund  und  Gregor;  IX  an  Chilperich  und  Fredegund  und  deren 
Kinder;  an  Gregor  und  andere  Bischöfe  und  sonstige  Geistliche;  X  wieder 
an  MummulenuB,  an  Childebert  und  Brunhild,  Sigoald;  XI  poetische  Corre- 
spondenz  mit  Radegund   und  ihrer  Aebtissin  Agnes.    Mit  B.  VIII  scheint 
die  Sanuilung  ursprünglich  abgeschlossen  gewesen,  IX— XI  späterer  Nach- 
trag zu  sein. 

8.  Weitaus .  die  meisten  Gedichte  haben  das  Mass  der  Elegie ;  das 
epische  nur  V,  8.  VI,  2  (Epithalamium).  VIII,  9;  IX,  7  auf  Gregors  Ver- 
langen eine  sapphische  Ode.  Prosaisches  Vorwort  zu  einem  Gedicht  V,  5 
(u.  IX,  6);  prosaische  Briefe  mit  Versen  schliessend  III,  4.  V,  1.  Elegie  in 
Schlangenform  (ophites,  serpentinus,  echoicus;  vgl.  oben  32,  9)  III,  37. 
Manche  Gedichte  behandeln  ganz  in  der  Weise  der  Elegie  persönliche 
Erlebnisse,  Abenteuer  (VI,  10.  VII,  14),  Reisen  (X,  10.  XI,  27  f.),  Gesond- 
heitsverhältnisse  (VI,  12.  VIII,  16);  auch  die  Elegie  de  excidio  Thuringiae 
(ex  persona  Radegundis)  gehört  dahin,  sowie  VI,  7  (auf  den  Tod  der  Ga- 
lesuinta)  und  II,  20  (auf  den  todten  Medardus).  Andere  sind  yersificierte 
Briefe  (Empfehlungsschreiben  für  sich  und  Andere).  Zahlreich  vertreten 
sind  die  Lobgedichte  an- Lebende,  bes.  Bischöfe  (wie  Leontius,  Felix,  Gre- 
gorius).  Aufschriften  für  Kirchen  und  Gcrathe;  Epigramme  als  kurze  Ge- 
legenheitsgedichte. 

9.  Kirchliche' Lieder  (hjmni)  mit  Ueberge wicht  des  Rhythmus  in  vier- 
zeiligen  Strophen  und  meist  gereimt;  die  Mehrzahl  mit  aufsteigendem 
Rhythmus  (dim.  iamb.  ac.  II,  7.  10.  VIII,  3  f ;  cat.  II,  8),  im  absteigenden 
II,  9  (dim.  troch.  ac.  und  cat.)  und  besonders  stark  rhythmisierend  VIII,  5 
(ave,  märis  stella,  d^i  mater  alma,  .  .  solve  vincla  r^is,  m&la  nostra  pelle, 
iter  pära  tutum  etc.).  Der  Hiatus  kommt  nicht  in  Betracht  (II,  9:  arbor 
feta  alma  luce;  stans  ad  aram  immo  supplex).  II,  4.  6.  6  Künsteleien  in 
der  Weise  des  Porfirius  (oben  398,  1—3):  Gedichte  deren  Buchstaben  die 
Form  des  Kreuzes  bilden  oder  den  Anfang  des  Namens  Christus  (V,  7,  zu- 
gleich akrostichisch).  Der  Hymnus  auf  Leontius  (I,  16)  in  alphabetischer 
Ordnung  der  Strophen  wird  sonst  dem  Amoenus  (oben  467,  2)  zugeschrieben, 
der  trochäieche  II,  1  (pange  lingua  etc.)  von  Gennaclius  ausdrücklich  dem 
Claudianus  Mam.  (oben  461,  3  u.  5). 


i 


483  f.   Venantius  Fortanatus.    Corippus.  1125 

10.  In  der  griechischen  Literatur  hat  F.  sehr  schwache  Kenntnisse 
(VII,  12,  25  ff.:  Archyta,  Pyth^oras,  Arätus,  Cato,  Pläto,  Chrysippua. 
.  .  quidve  poeta  potest  Maro,  Lysa,  Menander,  Homems;  vgl.  Messungen 
wie  Chalcedon).  Aus  der  römischen  besass  er  in  seiner  Heimat  wohl  aus- 
gedehntere; im  fränkischen  Reiche  aber  schrumpften  sie  auf  Cicero  und 
Vergil  Zusammen,  neben  welchen  nur  noch  Beminiscenzen  an  Horaz «fort- 
wirken (V,  6.  IX,  7).  Vgl.  IX,  7,  36  ff.  Besser  ist  er  in  der  christlichen 
Literatur  zu  Hause  (Mart.  I,  15  ff.  misc.  VIII,  1,  64  ff.  VIII,  6).'  Seine 
Christlichkeit  ist  sehr  eifrig,  klingt  aber  etwas  geschäftlich.  Vgl.  misc.  II, 
12,  3  ff:  iam  pietatis  opus,  victores  (Märtyrer)  texere  libris,  admonet  in- 
genium,  res  rationc  duplex,  una  quod  est  habilis  de  magnis  magna  fateri. 
.  .  altera  causa  monet  quoniam  successus  amatur  etc.  Oft  genug  schim- 
mert recht  weltlicher  Sinn  hindurch,  wie  in  dem  Epithalamium  (VI,  2); 
und  VIII,  6,  205  ff.  malt  die  weibliche  Liebe  zu  Christus  doch  gar  zu  far- 
benreich aus.  Ueborhanpt  ist  F.  sehr  viel  mehr  Talent  als  Charakter. 
Das  elegische  Mass  handhabt  er  fast  mit  ovidischer  Leichtigkeit;  freilich 
um  so  weniger  mit  ovidischer  Durchsichtigkeit,  £leganz  und  Kunst.  Für 
die  prosodische  Behandlung  der  Eigennamen  scheint  nur  die  Bequemlichkeit 
massgebend  (z.  B.  Cösäria,  AgrTppina);  kurze  Silben  werden  unzählige 
Male  durch  die  Hebung  verlängert,  lange  nicht  selten  verkürzt,  harte  Ver- 
schleifungen  (wie  si  Hilarium  quaeris,  quae  ut  foveas,  pro  undis)  gesetzt, 
der  Hiatus  (bes.  zwischen  den  beiden  Hälften  des  Pentameters)  zugelassen, 
die  Cäsur  vernachlässigt.  Dazu  Vulgarismen  wie  moveret  (VII,  1,  1),  re- 
gionis  utraeque  (VII,  6),  concivis  (VII,  14)  u.  dgl.  Wirklich  ist  F.  sermone 
levis  (Mart.  1, 27)  und  arbeitete  nur  allzu  rasch;  s.  A.  6  u.  misc.  III,  27  (garruli- 
täte  levi).  V,  6  praef.  X,  12  (ex  tempore);  sehr  oft  auf  Bestellung.  Vorliebe 
für  Wortspiele  (funis,  finis;  febris,  fibris;  saluto  salutem  u.  dgl.).  Vgl.  Anm.  6. 

11.  Ausgaben  der  Werke  des  Fort,  von  Ch.  Brower  (Mainz  1603.  4.), 
M.  A.  Luchi  (Rom  1786,  2  Voll.),  letztere  wieder  abgedruckt  in  Migne's 
patrol.  LXXXVIU.  Die  Moselgedichte  an  der  Mosella  des  Ausonius  von 
Tross  und   von  Böcking  (S.  105—123);  s.  oben  S.  951. 

12.  Ven.  Fort.  misc.  III,  23  an  den  Bischof  Bertechramnus  in  Bor- 
deaux :  ardua  suscepi  missis  epigrammata  (des  Bert.)  chartis.  .  .  nitido  pom- 
posa  poemata  cultu.  Nur  enthalten  sie  Plagiate  (carmine  de  veteri  furta 
novella)  und  metrische  Schnitzer  (superaddita  syllaba,  pede  laesa). 

13.  Von  einem  Honorius  scholasticus  28  elegische  Verse  an  den  Bi- 
schof von  Ravenna  Jordanes  in  der  Mitte  von  saec.  VI,  zur  Antwort  auf 
dessen  Aufforderung  sich  von  der  Welt  zurückzuziehen,  bei  Mabillon,  Ana- 
lecta  I  p.  364  (387). 

484. 1  Mit  der  Correctheit  eines  Grammatikers  und  dem457 
Servilismus  und  Bombast  eines  Byzantiners  verfasste  der  Afri- 
kaner Flavius  Cresconius  Corippus  Epen  von  geschichtlichem 
Stoffe  und  panegyrischer  Richtung,  sieben  Bücher  lohannidos 
s.  de  bellis  iibycis  und  vier  Bücher  de  laudibus  lustini  Aug. 
Nur  selten  dringt  durch  die  dichten  Weihrauchwolken  ein  Fun- 


1126  Die  Kaisencit.   SecbsteB  Jahrhandcrt. 

ken  geschiclitlicher  Wahrheit;  aber  die  Form  ist  fliessend  und 
Mustern  wie  Yergil  und  Claudianus  nachgebildet.  Dagegen  das 
Epos  eines  unbekannten.  Verfassers,  betitelt  Orestis  tragoe- 
dia,  zeigt  die  im  Westen  herrschende  Verwilderung  in  Sprache 
und  Prosodie,  während  der  Bau  der  Hexameter  tadellos  ist. 

1.  In  den  Ueberschriften  wird  Gorippus  africanus  grammaticus  ge- 
nannt. Die  Johannis  besteht  aus  (681+488+460+1171+773+542+656=) 
4671  Hexametern  (B.  VII  ist  am  Schlüsse  lückenhaft  erhalten),  nebst  einem 
Vorwort  von  40  elegischen  Versen,  und  hat  zum  Gegenstande  den  Krieg 
welchen  Johannes  Patricius  ums  J.  550  in  Africa  gegen  die  Mauren  fuhrt« 
(vgl.  Prokop.  Vand.  U,  28).  Aus  dem  Vorwort  (ad  proceres  Carthaginienses) : 
descripsit  .  .  Aeneam  doctus  carmine  Vergrilius,  meque  lohannis  opus  do- 
cuit  describere  pugnas  etc.  Aeneam  superat  melior  virtute  lohannes,  sed 
non  Vergilio  carmina  digna  AS&no,  .  .  nutat  in  angustum  discors  fortuna 
poetae.  .  .  quid  [quod  ego]  ignarus  qnondam  per  rura  locutus  urbis  per 
populos  carmina  mitto  palam.  forsitan  ex  fracto  ponetur  syllaba  versn: 
confiteor;  Musa  est  rustica  namque  mea.  .  .  quos  doctrina  negat  confert 
victoria  versus  (Anspielung  auf  Juv.  I,  79).  Ed.  princeps:  ex  cod.  medio- 
lanensi  op.  et  stud.  Petri  Mazzuchelli,  Mailand  1820. 

2.  Das  Lobgedicht  auf  Kaiser  Justinus  minor  (J.  565  —  578;  s.  W. 
Teuffei  in  Pauly's  ßeal-Enc.  IV.  1845.  8.  681—685)  ist  nach  der  Johannis 
verfasst  (praef.  35 f.:  quid  lihycas'gentes,  quid  syrtica  proelia  dicam,  iam 
libris  completa  meis?)  und  hat  ein  (im  Anfang  unvollständig  erhaltenes) 
Vorwort  (48  Hexameter),  welches  den  Zweck  des  Gedichts  ehrlich  aas- 
spricht (v.  39  ff.):  cui  vincere  fae  est  indomitas  gentes,  .  .  vince  meae 
saevam  fortunae,  deprecor,  iram.  .  .  nudatus  propriis  et  vulnera  plnrima 
passus  ad  medicnm  veni.  .  .  hnic  ego  sananti  .  .  grates  semper  ago  et 
pro  munere  carmina  porto.  (Vgl.  IV,  182  ff.)  Darauf  folgt  eine  Widmung 
an  einen  einflussreichen  Hofbeamten  Justin's,  den  quaestor  Anastasips  (51 
Hexameter).  Von  dem  Gedichte  selbst  besteht  B.  I  aus  367  Hexametern,  II 
aus  430,  HI  aus  407,  IV  aus  377,  ist  aber  am  Schlüsse  lückenhaft.  Die 
Anlage  ist  so  weitschweifig  dass  diese  4  Bücher  nur  die  ersten  acht  Tage 
von  Justin's  Regierung  umfassen.  Die  einzige  Hds.,  nach  welcher  M.  Ruiz 
(Antv.  1581)  das  Gedicht  herausgab,  ist  verschollen.  Spätere  Ausgaben  von 
Th.  Dempster  (Paris  1610),  A.  Rivinus  (Lips.  1653),  N.  Rittershaus  (Altorf 
1664.  4.)  und  in  W.  Jägers  Panegyrici  No.  XIL 

3.  Sammelausgabe  der  Epen  des  C,  mit  Abdruck  der  Noten  u.  Einl. 
der  Vorgänger,  im  Bonner  Corpus  scriptor.  bist,  byz.,  mit  Merobaudes 
(recogn.  Imm.  Bekker),  Bonn  1836. 

4.  Durch  zwei  Handss.,  einen  Ambrosianus  (Mai,  Spicileg.  I.  p.  XXI\0 
und  besonders  einen  Bemensis  saec.  IX,  ist  überliefert  Orestis  tragoedia, 
071  Hexameter.  Der  monstrOse  Gedanke  diesen  Stoff  in  einem  Epos  zu 
behandeln  und  dieses  Epos  eine  tragoedia  zu  nennen  (etwa  weil  der  Stoff 
ein  trauriger  ist)  deutet  auf  eine  Zeit  die  den  classischen  Traditionen 
völlig  fremd  geworden  ist.  Dazu  stimmen  auch  die  zahlreichen  Vulgarismen 


484  f.    Corippus.    Orestis  tnigocdia.    Giegorius  I.  1127 

in  sprachlichen  Formen  und  Fügungen  (vgl.  Mähly  p.  XI— XX VII)  und  die 
ganz  an  Fortunatus  erinnernde  prosodische  Willkür  (Mtihly,  p.  XXVIII — 
XXXIX),  wogegen  die  Cäsuren  und  Verschleifungen  sogar  elegant  sind,  und 
ßeminiscenzen  bes.  an  Vergil  sowie  an  Statins  und  Lucan  sehr  häufig  vor- 
kommen (Schenkl  ed.  p.  20  f.  Rothmaler  bei  Fleckeisen  95,  S.  863).  Mes- 
sungen wie  Pylädes,  egistus  (Aegisthus)  machen  unmöglich  dass  der  Verf. 
ein  Grieche  sei. 

5.  Ausgaben  der  Orest.  trag,  von  C.  W.  Müller  (Rudolstadt  1858  f.  4.), 
J.  Mähly  (Lips.  Teubner  1866.  16.),  C.  Schenkl  (Prag  1867.  83  pp.).  . 

6.  Beiträge  zur  Kritik  von  F.  Haase  (miscell.  philol.  III,  6.  Bresl. 
1861.  4.),  A.  Rothmaler  (Nordhausen  1865.  4.  Fleckeisens  Jahrbb.  95,  S. 
861—870),  L.  Müller  (Rhein.  Mus.  XXI.  S.  455—467),  C.  Schenkl  (Zeitschr. 
f.  Ostreich.  Gymn.  XVIII.  1867.  S.  81—95),  L.  Schwabe  (Dorpater  Katal. 
für  1867,  IL  13  pp.  4.),  H.  Hagen  (Philologus  XXVII.  S.  157—168). 

4:85.  An  der  Spitze  der  theologischen  Schriftsteller  des458 
Jahrhunderts  steht  Papst  Gregor  I  (um  540 — 604),  der  mit  sei- 
ner Abkehr  von  der  alten  Bildung,  seiner  Schwärmerei  für  das 
Mönchswesen  und  mit  seiner  Leichtgläubigkeit  ganz  ein  Sohn 
seiner  Zeit  ist,  aber  durch  persönliche  Vorzüge,  Geschick  und 
Festigkeit  im  Handeln  in  ihr  hervorragte.  Von  seinen  zahl- 
reichen Schriften  sind  geschichtlich  besonders  wichtig  seine 
Briefe.  Wie  er  um  den  Kirchengesang  sich  grosse  Verdienste 
erwarb,  so  verfasste  er  auch  selbst  Hymnen.  Das  hohe  Ansehen 
das  er  und  seine  Schriften  noch  lange  fort  genossen  führte  bald 
zu  Unterschiebungen  von  solchen  und  Einschüben  in  sie.  Neben 
ihm  ist  besonders  sein  Freund  Leander  zu  nennen,  Bischof  von 
Sevilla,  sowie  Eugippius  und  der  Erzbischof  von  Braga,  Martinus. 

1.  Gregorius  aus  einer  reiche»  und  vornehmen  römischen  Familie, 
geb.  zwischen  540  und  660,  praet.  urb.  um  571 — 574,  Papst  seit  590,  gest. 
12  März  604.  E.  W.  Marggraff,  de  Gregorii  M.  vita,  Berlin  1844.  G.  J.  Th. 
Lau,  Gregor  I  der  Grosse  nach  seinem  Leben  und  seiner  Lehre  geschildert, 
Leipzig  1845.  556  S.    Pfahler,  Gr.  d.  Gr.  und  seine  Zeit,  Frankf.  1853. 

2.  Greg.  Tur.  hist.  Franc.  X,  1:  litteris  grammaticis  dialecticisque 
ac  rhetoricis  ita  erat  institutus  ut  nulli  in  urbe  ipsa  putaretur  esse  se- 
cundus.  Sehr  hyperbolisch  Isid.  ill.  27:  tantum  .  .  scientiae  lumine  prae- 
ditus  ut  non  modo  illi  praesentium  temporum  quisquam  doctorum  sed  ncc 
in  praeteritis  quidem  illi  par  fuerit  umquam.  Dagegen  Gregor  selbst,  im 
Vorwort  zur  expos.  in  lob  (Moral.):  ipsam  loquendi  artem  quam  magi- 
steria  disciplinae  exterioris  insinuant  servare  despexi.  nam  .  .  non  muta- 
cismi  collisionem  fugio,  non  barbarismi  confusionem  devito,  hiatus  niotus- 
que  etiam  et  praepositionum  casus  servare  contemno,  quia  indignum  ve- 
hementer existimo  ut  vcrba  caelestis  oräculi  restringam  sub  regulis  Donati. 
Vgl.  epist.  YII,  32:  quamvis  graecae  liuguae  nescius,  in  contenüone  tarnen 


1128  Die  Kaißerzoit-.   Sechstes  Jahrhundert. 

vestra  iudex  rcscdi.  Dazu  Btimmt  die  Nachricht  dcB  Joann.  Saresber.  nng. 
cur.  Vm,  19  dass  Or.  die  Bücher  der  palatiniscben  Bibliothek  habe  ver- 
brennen lassen,  damit  sie  den  heil.  Schriften  nicht  Eintrag  th&ten.  Laa 
S.  11  f. 

3.  Echte  prosaische  Scnriften:  Expositio  in  b.  lob,  auch  Moralia 
genannt,  eine  praktisch  allegorische  Erklärung  des  Buchs  Hiob,  verfasst 
zwischen  J.  580  u.  590,  abgetheilt  in  ^echs  Codices  und  85  Bücher  und  dem 
B.  Leander  gewidmet.  XXII  Homilien  zum  Ezechiel,  in  zwei  Büchern  (um 
595).  XL  Homilien  zu  den  Evangelien  in  zwei  Büchern  (um  592).  Regula 
pastoralis,  treffliche  Winke  über  die  rechte  Führung  des  geistlichen  Amtes, 
dem  Erzb.  Johannes  von  Ravenna  gewidmet,  um  590.  Vier  Bücher  Dia- 
logen (mit  dem  Diakonus  Petrus)  über  das  Leben  und  die  Wunder  der 
italienischen  Heiligen,  voll  crasser  Wandersucht  (593  oder  594).  Vierzehn 
Register  Briefe,  geordnet  nach  den  Jahren  seines  Fontificats,  mit  Inter- 
polationen (z.  B.  das  Privilegium  des  Klosters  St.  Medardus).  Lau  S. 
311—319. 

4.  Von  zweifelhafter  Echtheit  sind  folgende  Schriften:  Commcntar 
zum  ersten  Buch  der  Könige,  in  6  Büchern;  Erklärung  des  Hohenliedes; 
Erkl.  der  7  Busspsalmen;  Concordia  quorundam  testimoniorum  sacrae  scri- 
pturae.    Lau  S.  319—323. 

5.  Neun  Hymnen  des  Gr.  in  der  Bcnedictinerausgabe  IIL  p.  877  f. 
(Migne  LXXVIII.  p.  849 — 851).  Sie  haben  meist  die  herkömmliche  Form 
des  dim.  iamb.  in  vierzeiligen  Strophen,  zwei  sapphisches  Versmass.  Der 
Reim  ist  bald  scharf  ausgeprägt  (intimum  —  praemium  —  noxium  —  pes- 
simum)  bald  unbestimmt  (optirae  —  proferens  -  novae  -  originem).  Die 
Sprache  ist  einfach.  Hiatus  und  Einfluss  des  Accents  wie  gewöhnlich 
(Honor,  virtüs,  imp^rium  sit  trinitati  unicae,  patri,  natö,  par&clcto  etc.), 
auch  in  den  sapphischen  Gedichten  (spiritus,  cuius  reboät  in  omni,  luds 
aurora  rutilans  coruscat).  Seine  liturgischen  Schriften  (Sacramentarium, 
Antiphonien)  erlitten  im  Mittelalter  von  Sammlern  und  Ordnern  vielfache 
Ueberarbeitungen.  Gründung  von  Sängerschulen,  Einführung  des  Choral- 
gesangs.   Lau  S.  244—298. 

6.  Lau  S.  326  f.:  Phantasie  ist  dem  G.  nicht  abzusprechen,  die  nur 
in  seinen  allegorischen  Erklärungen  häufig  mit  dem  Verstände  davonrennt. 
Bei  grosser  Weitschweifigkeit  und  Gtedehntheit  ist  er  auch  wieder  senten- 
tiös,  und  seine  Schriften  sind  eine  Schatzkammer  von  praktischen  Bemer- 
kungen und  geistreichen  Gedanken.  In  seiner  Texterklämng  hält  er  sich 
grösstentheils  an  Augustin,  den  er  besonders  verehrt,  an  Ambrosius  und 
nieronymus,  doch  mit  einzelnen  Spuren  von  Selbständigkeit.  .  .  Man  ver- 
misst  bei  ihm  das  Systematische,  selbst  eine  genaue  Ordmmg.  .  .  Seinen 
Erklärungen  legt  er  die  lateinische  Uebersetzung  der  h.  Schrift  zu  Grunde, 
bald  die  Itala  bald  die  des  Hieronymus. 

*       — 

7.  Gesammtausgaben  seiner  Schriften.  Lyon  1516.  1539  f.  foL  Paris 
1518.  1523  fol.  Basil.  ap.  Frohen,  cura  Huldr.  Coccii  1551.  1564.  fol^  Ed. 
To.  Gillotius,  Paris.  1571.  1586.  Cur.  Petro  Tussianensi,  Rom  1588—1593;  6 
Voll.  fol.  u.  sonst.     Studio   Petri   Gussanvillaei^  Paris   1675.    3  Voll.   fol. 


485.   Gregorius  I  n.  A.  1129 

HanptauBgabe  die  der  Benedictiner  e  congreg.  b,  Maiiri  (cur.  Dionys. 
Sammarthanus  et  Gu.  Beasin),  Paris.  1705,  4  Voll.  fol.  Abdruck  Venefc. 
1768—1776  von  J.  B.  Gallicioli  in  17  Voll.  4.  Migne  patrol.  LXXV— LXXIX 
(1849).    Lau  S.  327  f. 

8.  Isid.  ill.  28:  Leander,  genitus  patre  Severiano,  Carthaginensis 
provinciae  Hispaniae,  .  .  ex  monacho  Hispalenais  ecclesiae  provinciae  Bao- 
ticae  conatitutus  epiacopus  (J.  *576— 596),  schrieb  gegen  den  Arianismus. 
praeterea  edidit  unum  ad  Floreotinam  sororem  de  institutione  virginum  et 
contemptn  mnndi  libellnm  etc.  scripsit  et  epistolas  multas  ad  papam  Gre- 
gorium  et  .  .  ad  cet^ros  quoque  episcopos.  floruit  sub  Recaredo,  viro  rcli- 
gioso  ac  principe  glorioso,  unter  dem  er  auch  starb.  Seine  Schriften  bei 
Migne  LXXII. 

9.  Martinus  ans  Pannonien,  abbas  Dumiensis,  dann  Erzbischof  von 
Braga  (Braccarensis),  gest.  580,  nulli  in  litterib  secundus  suis  temporibus 
habitus,  .  .  versicnlos  qui  super  ostium  sunt  in  basilica  s.  Martini  ipse  com- 
posuit  (Greg.  Tur.  bist.  Franc.  V,  38).  floruit  regnanto  Teudumniiro  rege 
Suevorum,  temporibus  illis  quibua  lustinianus  in  rep.  et  Anatagildna  Hi- 
spanua  imperium  tenuere  (Isid.  ill.  22).  Ausser  prosaischen  Schriften  (oben 
284,  10.  Fabricius,  bibl.  lat.  med.  aet.  V.  p.  38  f.  A.  Weidner,  Martini 
Dum,  Formula  rec,  Magdfjburg  1871.  4.)  sind  auch  Verse  von  ihm  erhalten. 
Abdruck  in  Migne's  patrol.  LXXII. 

10.  Isid.  ill.  13:  Eugippius  abbas  (monastcrii  LucuUanensis  bei 
Neapel)  ad  quendam  Paschasium  diaconum  libellnm  de  vita  s.  monachi 
Severini  (f  482)  transmissum  brcvi  stilo  composuit.  .  .  damit  post  consu- 
latum'  Tmportuni  iunioris  (J.  500),  Anasta^io  imp.  regnantc.  Das  Erhaltene 
in  Migne's  patrol.  LXTT.  Die  vita  Severini  Noricorum  apostoli  hrsgg.  von 
M.  Velser  (Augsburg  1595.  4.),  zuletzt  auch  von  A.  Kerschbaumor  (Schaif- 
hausen  1862)1  Sie  ist  in  schlichtester  Sprache  geschrieben  und  bezeichnend 
für  das  volksmässige  Latein  der  Zeit.  H.  Sauppe,  Götti.  gel.  Anz.  1862, 
S.  1545—1552.     Vgl.  A.  12. 

11.  Isid.  ill.  17:  Apingius,  ecclesiao  Paccnsis  Ilispaniarum  episcopus, 
discrtus  lingua  et  scientia  eruditus,  interpretatus  est  Apocalypsim  etc. 
s^'ipsit  et  nonnulla  alia.    .  .  damit  temporibus  Theodi  principis  Gothorum. 

12.  Fulgentius  Ferrandus,  um  J.  540  ecclesiae  Carthaginiensis  dia- 
conus,  Verfasser  eines  (erhaltenen)  systematischen  Breviars  der  canones 
(breviatio  canonum),  s.  F.  Maassen,  Gesch.  d.  Quellen  d.  kanonischen  Bechts 
I  (Gratz  1870)  S.  799—802.  Uebcr  seine  vita  des  Fulgentius  s.  oben  472,  1. 
Ausgabe  von  P.  Fr.  Chifflet  (Divion.  1649.  4.)  und  in  Migne's  Patrol.  LXVII. 
Zu  dem  von  A.  Mai  (scriptor.  vett.  nova  coli.  III,  2.  p,  163  ff,)  aus  einem 
cod.  Casinas  der  Briefe  des  Augustin  veröffentlichten  Briefe  des  F.  noch 
fünf  weitere,  rhetorisch  gehaltene  (z.  B.  sancto  patri  Eugippio  presbytero 
Ferrandus  exiguus)  bei  A.  Eeifferscheid,  Anecdota  Casinensia  (Bresl.  1871.  4.) 
p.  6  f.  (nr.  4—8). 

13.  lunilius,  Verf.  einer  Schrift  de  partibus  divinae  legis,  ad  Primasium 
episGopum  in  provincia  Byzacena  u.  A.  (ed.  Paris^  1556  und  in  Migne's 
Patrol.  LXVJII).  Brief  des  Ferrandus  (A.  12)  an  ihn  bei  Reifferscheid 
(s.  A.  12)  p.  7. 


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1130 


Die  Kaiseizeit.    Secliates  u.  Biebentes  Jahrhundert. 


14.  iBid.  ill.  20:  lustioianus,  ecclesiae  Valeniinoc  episcopus,  .  .  scripsit 
librum  Rcsponsionum  ad  quendam  Rnsticum,  de  interrogatis  quaestionibus 
(dogmatische).  .  .  fioniit  in  Hispaniis  temponbos  Theudi  principis  Go- 
thorum. 

15.  leid.  ill.  21:  lustus,  Orgoilitanae  ecclesiae  episcopus  et;  fratcr 
praedicti  lostiniani,  schrieb  eine  allegorische  Erklärung  des  Hohenliedes 
(gedruckt  bei  Migne  LXVII).  huius  quoque  fratres  (gleichfalls  Bischöfe) 
Nebridius  et  Elpidius  quaedam  scripsisse  femntur. 

16.  Isid.  ill.  29:  Licinianus,  Carthaginis  Spartariae  episcopus  (um 
584),  in  scriptaris  doctus,  Verfasser  von  zahlreichen  Briefen  dogmatischen 
Inhalts  (bei  Migne  LXXIl).  clart^t  temporibus  Mauritii  Aug.  (J.  582—602). 
occubuit  Constiintinopoli. 

17.  Isid.  ill.  30:  Severus,  Malacitanae  sedis  antistes  (um  5B0),  collega 
et  socius  Liciniani  episcopi  (A.  16),  edidit  libellum  unum  adversng  Vincentium 
Gaesaraugustanae  urbis  episcopum  (Arianer).  .  .  est  et  alius  eiusdem  de 
virginitate  ad  sororem  libellus,  qui  dicitur  Anulus.  .  .  damit  temporibus 
praedicti  imp.  (des  Mauricius),  unter  dem  er  auch  starb. 

18.  Isid.  ill.  32:  Eutropius,  ecclesiae  Valentinae  (in  Spanien)  episco- 
pus, .  .  scripsit  ad  episcopum  Lucianum  .  .  epistolam  etc.  scripsit  et  ad 
Pctrum  episc.  Ircabicensem  de  districtione  monachorum  epistolam.  Bei 
Migne  LXXX. 

486.  Im  siebenten  Jahrhundert  finden  sich  aus  Italien 
und  Prankreich  keine  Spuren  von  Betrieb  der  Poesie,  wohl  aber 
aus  Irland  und  Spanien  Nachahmungen  der  Alten.  Namentlich 
in  den  spanisch-westgothischen  Kreisen  war  noch  das  meiste 
geistige  Leben.  Dahin  gehören  die  Bischöfe  Eugenius  und 
lulianus  von  Toledo,  vielleicht  auch  Eucheria5  sodann  die  Bi- 
schöfe Maximus  und  Braulio  von  Saragossa. 

1.  Von  Sisebutus  (s.  487,  1.  3)  aus  Hdss.  des  Isidorus  61  correcte 
Hexameter  über  Sonnen-  und  Mond -Finsternisse  in  der  Anthol.  lat  483 
(II.  p.  9—13)  R.  Vgl.  L.  Müller,  Ehein.  Mus.  XXII.  S.  86  f.  88  f.  Anfang: 
Tu  foi-te  in  luco  contendis  carmine  cygnis  (L.  Müller),  .  .  at  nos  congcriee 
obnubit  turbida  rerum  ferrataeque  premunt  milleno  milite  curae,  legicrepi 
tundunt,  latrant  fora,  classica  turbant,  et  trans  oceanum  ferimur  porro, 
usque  nivosus  cum  teneat  Vasco  nee  parcat  Cantaber  horrens. 

2.  Von  Eucheria  poetria  16  Distichen  Anthol.  lat.  390  ß.  Da  v.  31 
von  lulianus  Tolet.  (A,  6)  angeführt  wird,  so  ist  ein  Zusammenhang  zwi- 
schen Beiden  wahrscheinlich. 

3.  Von  Eugenius  Toletanus  (t  657,  s.  oben  467,  5)  ist  vielleicht  das 
Gedicht  de  i)hilomela,  Anthol.  lat.  658  R.  Vgl.  Riese  ib.  II.  p.  115  not. 
u.  p.  XXXVI  f.     Seine  Ueberreste  zuletzt  in  Migne's  Patrol.  LXXXVII. 

4.  Isid.  ill.  33:  Maximus  Caesaraugustanae  civitatis  episcopus  multa 
versu  prosaquc  componere  dicitur.     scripsit  et  brevi  stilo   historiolam   de 


486  f.   Braulio,  lulianus  ii.  A.   Isidorns.  1131 

hia  quae  temporibus  Gothomm  in  Hißpaniis  acta  sunt  (J.  431—644,  in  Fort- 
setzung des  Dexter),  historico  et  composito  sermone.  sed  et  nuilta  alia 
scribere  dicitur,  quae.  necdum  legi.  Das  Erhaltene  z.  B.  in  Migne's  patrol. 
LXXX.  p.  618—632.  Fortsetzer  des  Max.  für  J.  644—668  Eutrandus,  ib.  p. 
633—635. 

5.  Ildefons.  ill.  12:  Braulio  frater  loannis  in  Caesamugusta  dece- 
dentis  adeptus  est  locum.  .  .  clarus  est  iste  habitus  .  .  quibusdam  opu- 
sculis.  scripsit  vitam  Aemiliani  cuiusdam  monachi.  .  .  habuit  sacerdotiuni 
ferme  XX  annis.  .  .  duravit  in  regimine  temporibus  Siscnandi,  Chintilae, 
Tulganis  et  Chindasuinthi  regum.  Vgl.  487,  1.  5.  Seine  erhaltenen  Schrif- 
ten (44  Briefe,  vita  Aemiliani,  Acta  de  martyribus  Caesaraugustanis)  z.  B. 
in  Migne's  patrol.  LXXX.  p.  649—720. 

6.  lulianns,  Bischof  von  Toledo  J.  680  —  690,  Verfasser  eines  Pro- 
gnosticon  futuri  saeculi  ad  Idalium  (Bischof  von  Barcelona)  sive  de  prae 
scientia  futuri  saeculi  libri  III,  einer  Demonstratio  scxtae  aetatis  s.  de 
Christi  adventu  ad  versus  ludaeos  libri  III,  gerichtet  J.  686  an  den  König 
Ervig  (J.  680—687),  einer  Historia  de  Wambao  (oder  Wambanis)  rogis  Go- 
thomm Toletani  expeditione  (J.  674 )j  einer  Vita  Ildefonsi  Toletani  u.  A. 
(Pabric.  bibl.  lat.  med.  et  inf.  aet.  IV.  p.  198—200),  zusammengedruckt  in 
Migne's  Patrol.  XCVI.  luliani  ep.  Toi.  Ars  grammatica,  poetica  et  rhe- 
torica  .  .  nunc  primum  edita,  Rom.  1797  fol.  Auszüge  daraus  in  Keils 
gramm.  lat.   V.  p.    317  —  326    nebst  H.   Hagen,   Anecd.   Helv.   p.   CCIV — 

#CCXXXIX.  Die  Ars  hat  theilweis  katechetischo  Form  und  schliesst  sich 
meist  wörtlich  an  Donatus,  Maximus  Victorinus,  Mallius  Theodorus,  Pom- 
pejus  an.  Auch  Audax  und  Isidorus  werden  schon  angeführt.  Keil  1.  1. 
p.  313—316. 

7.  Gleichfalls  kurz  nach  Isidor  (welcher  p.  582,  19  K.  citiert  wird) 
verfasst  ist  die  anonyme  Schrift  de  dubiis  nominibns,  wohl  hauptsächlich 
nach  der  gleichbetitelten  des  Flavius  Caper  (oben  338,  3).  Herausgegeben 
ist  sie  zuerst  von  M.  Haupt  (an  seiner  Ausg.  von  Ovid.  Hai.  etc.  1838, 
p.  74—105),  V.  Ledere,  F.  W.  Otto  (Gicssen  1850.  4.),  zuletzt  von  H.  Keil, 
gramm.  latt.  V.  p.  571—594,  vgl.  p.  567—570. 

8.  Aus  saec.  VII  ist  der  berühmte  codex  Salmasianus  ==  Divionensis 
=»  Paris.  10318  in  Uncialen  (vgl.  469, 12),  enthaltend  besonders  eine  Sammlung 
lateinischer  Gedichte;  s.  Riese,  Anthol.  lat.  I.  p.  XII  ff.  XVIIl— XX.  Üeber 
den  codex  Darmstadiensis  saec.  VII  s.  oben  375,  7.  403,  6.  Üeber  andere 
B.  oben  416,  7. 

487.  Die  bedeutendste  Gestalt  dieses  Jahrh.  ist  der  letzte459 
Literator  des  römischen  Reiches,  der  fleissige  Bischof  von  Se- 
villa, Isidorus  (um  570 — 640),  der  bei  wenig  Sachkenntniss 
und  Urteil  doch  die  Erhaltung  und  Verbreitung  der  alten  Litera- 
tur, sich  angelegen  sein  Hess.  Von  seinen  zahlreichen  Schriften 
historischen,  grammatischen  und  theologischen  Inhalts  ist  die 
wichtigste  sein  weitschichtiges  Werk  Originum  libri  XX,  das  er 


1132  Die  KaiBcrzeit.   Siebentes  Jahrhundeii, 

unvollendet  hinterliess,  durch  die  Manchfaltigkeit  seines  Inhaltes 
und  die  Benützung  untergegangener  alter  Quellen,  besonders 
des  Suetonius.  Auch  seine  Schrift  de  natura  rerum  hat  im 
Mittelalter  eine  grosse  Rolle  gespielt. 

1.  Praenotatio  libronim  d.  iBidori  a  Braulione  Caesaraagustano  epi- 
Bcopo  (b.  486,  5)  edita:  Isidorus  .  .  Hispalensis  eccleeiae] episcopus,  Leandri 
(oben  485,  8)  episcopi  euccessor  et  germanus.  flomit  a  tempore  Manritii 
imp.  (J.  582  —  602)  et  Rcccaredi  regia.  .  .  vir  in  omni  locutionis  geuere 
forniatus.  .  .  edidit  iibros  differentiarnm  II  (Synonymik,  25S  Artikel,  und 
de  diff.  spiritalibog  35  Artikel).  .  .  prooemiorum  librum  unum  (kurze  In- 
lialteangabe  der  Schriften  des  N.  T.).  •  •  de  ortu  et  obitu  patrum  libram 
unum.  .  .  ad  germanum  suum  Fnlgentium  episcopum  aBtigitamim  o£&- 
ciomm  Iibros  II  (liturgiBcli).  .  .  eynonymorum  Iibros  II  (s.  soliloquia,  Tgl. 
A.  2).  .  .  de  natura  rerum  ad  Sisebutum  regem  librum  unum,  in  quo  tarn 
de  ccclesiasticorum  doctorum  quam  etiam  de  philosophorum  indagine 
Dbscura  quaedam  de  elementis  absolvit  (s.  A.  4).  de  numeris  librum  I  (vgl. 
M.  Gantor,  mathemat.  Beiträge  zum  Culturleben,  1863,  S.  277  f.).  .  .  de 
nominibus  legis  et  evangeliorum  librum  I.  .  .  de  haeresibus  librum  I. 
.  .  scntentiarum  Iibros  III,  quos  floribus  ez  libris  papae  Gregorü  moraJibus 
docoravit.  chronicorum  a  prineipio  mundiuaque  ad  tempus  suum  Ubmm  I 
(s.  A.  3).  .  .  contra  ludaeos  postulante  Florentina  germana  sua  .  .  Iibros 
II.  .  .  de  viris  illustribus  librum  umim,  cui  nos  ista  subiunximus  (s.  A.  wi). 
nionasticae  regul.ae  libr.  I.  .  .  de  origine  Gothorum  et  regno  Suevorum 
et  Wandaloruin  historia  librum  1  (ed.  1601,  p.  398—404).  quaestionum  Iibros 
II.  .  .  etymologiarum  codicem  nimia  magnitndine,  distincium  ab  eo  titnli», 
non  libris.  quem  quia  rogatu  moo  fecit,  quaravis  imperfectum  ipse  reli- 
qucrit,  ego  in  XX  Iibros  divisi.  .  .  ibi  redundans  diyersarum  artium  ele- 
pantia,  ubi  quaecunque  fere  sciri  debentur  restricta  collegit  (s.  A.  5). 
sunt  et  alia  huius  viri  raulta  öpuscula  et  in  ecclesia  dei  multo  cum  Orna- 
mente inscripta.  quem  deus  post  tot  defcctus  Hispaniae  novissimis  tem- 
poribus  snscitans,  orcdo  ad  rostauranda  antiquorum  monnmenta,  ne  nsque- 
quaque  nisticiiate  veterasceremus,  quasi  quandam  apposuit  destinam.  .  .  qno 
vero  flnmine  oloquentiae  .  .  Acephalitarum  haeresim  confoderit  synpdalia 
gesta  coram  eo  Hispali  acta  declarant.  .  .  obiit  temporibus  Heraclii  im- 
peratoris  (J.  610—641)  et  christianissimi  Cliintilani  regis  (der  Westgothen 
J.  636 — 640;  vgl.  Anthol.  lat.  494  R.).  Ildefons.  vir.  ill.  9  (Isid.  opp.,  Paris. 
1601,  p.  737):  floruit  temporibus  Reccaredi,  Liwanis,  Witterici,  Gundemari, 
Sisebuthi,  Suinthilani  et  Sisenandi  regum,  annis  fere  XL  tenens  pontificatas 
honorem. 

2.  Die  Aufzilhlung  der  Schriften  des  Is.  durch  ßraulio  (A.  1)  scheint  in 
der  Hauptsache  chronologisch  zu  sein;  wenigstens  stehen  die  unvollendeten 
Etymologiae  (oder  Origines)  am  Schlüsse,  und  nach  Fächern  ist  sie  nicht 
geordnet.  Die  Gesammtausgabe  Paris.  1601  fol.  enthält  ausserdem  an  oben 
nicht  aufgezählten  Schriften:  de  contemptu  mundi,  Norma  vivendi,  Exhor- 
tatio  poenitendi,  nebät  einem  Lamentum  poenitentiae  (vgl.  Ildef.  ill.  9: 
librum  lameutationis,  quem  ipse  Synonyraorum  vocavit)  in  6zeiligen  alpha- 


487.    Isidorug.  1133 

betisch  angelegten  Strophen  mit  absteigendem  Rhythmus.  Es  beginnt: 
Audi,  Christe,  tristem  fletum  ämarumque  canticum,  und  schliesst:  Gloriam 
iam  vfgil  canam  alphabetum  finiens,  tibi  patri  filioque,  inclito  paracHto, 
ctti  laus  erit  et  potestas  p^r  aetema  saecula.  Ausserdem  Commentare  zum 
A.  T.  (ed.  1601  p.  413—516),  eine  allegorische.  Erklärung  desselben  (ib.  p. 
515—525)  u.  A. 

3.  Die  Chronik  (ed.  1601,  p.  374 — 397)  schliesst 'sich  nach  der  praef. 
an  lulius  Africanus,  Eusebius-Hieronymus  und  Victor  Tunn.  (oben  476,  3  f.) 
an.  .  .  horum  nos  temporum  summam  ab  exordio  mundi  usque  ad  Aug. 
Heraclii  et  Sisebuti  Gothorum  regis  principatum  quanta  potuimus  brevi- 
tate  notavimus,  adicientes  e  latere  descendeutem  lineam  temporum,  cuius 
indicio  summa  praeteriti  saeculi  cognoscatur.  Die  Einth eilung  nach  sechß 
Weltaltern,  entsprechend  den  sechs  SchOpfungstagen ,  ist  eine  Erfindung 
des  Is.  Die  Fortsetzung  von  Gennadius  viri  111.  in  33  Capp.  gedruckt  auch 
in  den  Gesammtausgaben  de  ill.  eccles.  scriptoribus  (oben  462,  13).  W. 
Wattenbach,  deutsche  Geschichtsquellen  '  S.  62 — 64. 

4.  Die  Schrift  de  natura  remm  (vgl.  A.  1)  will  expedire  .  .  rationem 
dierum  ac  mensium,  anni  quoque  metas,  .  .  solis  denique  ac  lunae  cursus, 
.  .  tempestatum  signa  atque  .  .  terrae  positioneni  alter nosque  maris  aestus. 
Also  ein  Handbuch  des  Wissenswürdigsten  aus  der  Naturlehre,  quae  omnia 
secundum  id  qnod  a  veteribus  viris  (bes.  Sueton  in  den  Prata,  auch  So- 
linus  und  vielleicht  Hyginus)  ac  maxime  sicut  in  litteris  catholicorum  vi- 
rorum  (des  Ambrosius  u.  Augustin)  scripta  sunt  proferentes  etc.  Vgl.  G. 
Beckers  Prolegg.  p.  VI— XXUJ.  Sie  v^urde  im  Mittelalter  viel  gelesen 
und  abgeschrieben,  auch  stark  ausgebeutet.  Vgl.  G.  Becker  p.  XXII I 
—XXXIX.  Gedruckt  steht  sie  in  allen  Ausgaben,  z.  B.  in  der  ed.  Paris. 
1601  p.  354—373.    Eecensuit  G.  Becker,  Berol.  1857. 

5.  Correspondenz  des  Is.  mit  seinem  Freunde  Braulio  (s.  486,  5)  wegen 
der  Origines.  £p.  5:  codicem  etymologiarum  cum  aliis  codicibus  de  itinere 
transmisi  et  licet  inemendatum  prae  valitudine  tibi  tamen  modo  ad  emen- 
dandum  studueram  offerre.  Ep.  6:  en  tibi,  sicut 'pol licitus  sum,  misi  opus 
de  origine  quaruudam  rerum  ex  veteris  lectionis  recordatione  coUectum 
atque  ita  in  qulbusdam  annotatum  sicut  extat  conscriptum  stilo  maiorum 
(also  wörtlich  ausgeschrieben).  Folgt  eine  Inhaltsübersicht.  Die  vier  ersten 
Bücher  enthalten  die  artes  liberales,  B.  V  Rechtliches,  VI  Antiquarisches 
über  das  A.  T.;  VII  Christliches;  VIIl  Religionsgeschichtliches ;  IX  beginnt 
das  Sprachliche,  das  bis  zu  Ende  (B.  XX)  reicht,  ausser  dem  alphabetisch 
angelegten  B.  X  sonst  in  einer  Sachordnung  wie  bei  Nonius  Marcel lua. 
Auch  diese  Encyclopädie  ist  vorzugsweise  aus  Sueton's  Prata  entnommen, 
ohne  Kritik  und  so  dass  die  von  Sueton  genannten  Schriftsteller  bald  mit 
abgeschrieben  werden  (wie  bes.  Varro,  s.  oben  167,  1)  bald  ihre  Namen 
durch  unbestimmte  Wendungen  (wie  gentiles,  veteres,  philosophi)  ersetzt. 
Reifferscheid,  Sueton.  reliqq.  p.  420—433.  476  f.,  vgl.  p.  429  (neglegentis- 
simuB  breviator).  431  (diversissimas  res  diversissimosque  auctores  confuu- 
dere  solet).  444  f.  447.  449.  454.  Abdruck  derselben  Augsburg  1472  foL; 
cum  scholiis  B.  Vulcanii  (Basil.  1577),  zuletzt  von  F.  W.  Otto  in  Linde- 
manns corpus  gramm.  latt.  III  (Lips.   1833.  4.),  besser  aber   in  Arevali'j* 


1 1 34  Die  Kaiscvzeit.    SiobontoR  Jalirh lindert. 

Außg,  (A.  G)  T.  TU.  IV.  Die  auf  die  Rhetorik  bezuglicben  Abschnitte  (aus 
13.  11)  am  besten  in  Halmes  rhetores  latt.  min.  p.  505  —  522,  Tgl.  p.  XIII. 
lieber  die  durch  I&.  benützten  Quellen  des  röm.  Rechts  8.  H.  £.  Dirkseu, 
hinterslasB.  Schrr.  I.  S.  185—199. 

6.  Gesamratausgaben :  Paris.  1580  (studio  Marg.  de  la  Bigne).  foL 
Cum  notis  J.  B.  Perez  et  J.  Grial,  Madriti  1599  fol.  n.  1778,  2  Voll.  fol. 
Emendata  per  fratr.  Jacobum  du  Breül,  Paris  1601  fol.  Colon.  1617  fol. 
Hauptausgabe  von  Faust.  Arevalus,  Rom.  1797—1803.  7  Voll.  4.,  abge- 
druckt in  Migne's  patrol.  LXXXI— LXXXIV. 

488.  Um  das  J.  630  und  wahrscheinlich  im  Merovinger- 
reiche  scheint  derjenige  geschrieben  zu  haben  der  unter  dem 
Namen  Aethicus  Ister  und  Hieronymus  in  fredegarischem 
Latein  eine  christliche  Kosmographie  in  sechs  Büchern  verfasste. 
Nicht  minder  barbarisch  ist  der  sogenannte  Geographus  (Ano- 
nymus) Ravennas,  dessen  Grundlage,  eine  griechische  Kosmo- 
graphie, wohl  aus  dem  Ende  des  siebenten  Jahrh.  stammt. 

1.  Das  Werk  gibt  sich  nach  der  Ueberschrift  als   Edicta  Aeihici  pbi- 
osophi  cosmogrnphi,  welcher  Aethicus  (d.  h.  Ethicus)  nach  c.  2    Histriac 

regione  sophista  damit  primusque  Codices  suos  Cosmographiam  nuncapavit. 
Ursprünglich  sei  es  griechisch  geschrieben,  aber  von  dem  Kirchenvater 
Hieronymus  in  einen  lateinischen  Auszug  gebracht,  Behauptungen  welche  auf 
gleicher  Linie  stehen  mit  denen  des  Dares  (oben  464,  2).  Widerlegt  werden 
sie  schon  durch  die  Anführung  (c.  11  f.)  des  Bischofs  Alcimus  Avitas, 
t  523  (oben  467,  9),  und  andere  geschichtliche  Beziehungen.  Auch  ist  darin 
Trogus  Pompejus  in  einem  Auszuge  des  Cassiodor  benützt  (F.  Rühl,  d. 
Verbreitung  des  Justinus  S.  6 — 10).  Andererseits  ist  das  Werk  bereits  ge- 
kannt und  benützt  durch  Isidor  Origg.  XIII  u.  XIV  (s.  Pertz  p.  6,  not.  13) 
und  Fredegar  (bei  Wuttke  S.  LV  f.),  welcher  es  meint  wenn  er  den  Hierony- 
mus als  Quelle  für  die  angebliche  Abstammung  der  Franken  von  den  Troja- 
nern bezeichnet. 

2.  Ausgaben  von  d'Avezac  in  den  Memoires  de  Tacad.  des  inscr.  XIX. 
p.  230—531  (Paris  1862)  und  von  H.  Wuttke,  Leipzig  1853.  (136  S.),  mit 
einer  Einleitung  (CXXXIII  S.),  wozu  1854  die  Abh.  über  die  Echtheit  des 
Auszugs  der  Kosmographie  des  Istriers  Aithikos. 

3.  Abh.  von  Wuttke  (A.  2)  und  dazu  C.  L.  Roth  in  den  Heidelberger 
Jahrbb.  1854,  S.  269—277.  1865,  S.  100-106.  Kunstmann  in  d.  Münchner 
gel.  Anz.  1854,  Nr.  31—34  u.  III.  S.  46—60.  C.  A.  F.  Pertz,  de  cosmogr. 
Ethici  libri  III,  Berlin  1853.  E.  Wölfflin  in  Pauly^a  Real-Enc.  I,  1.  S,  478. 
Vgl.  oben  439,  10. 

4.  Ueber  den  Geographus  Ravennas  s.  oben  68,  2.  Dazu  Mommsen, 
Berichte  d.  sächs.  Ges.  d.  Wiss.  1851  (III).  S.  80—117.  G.  B.  de  RoBsi, 
sopra  il  cosmografo  Ravennate  e  gli  geografi  citati  da  lui,  Rom  1862. 

5.  Mommsen  a.  a.  0.  S.  116  f.:  „die  Kosmographie  ward  am  Endo 
des  Vif.  Jahrh.  in  Ravenua  in  griechischer  Sprache  zuerst  abgefasst,  nicht 


488.    Aethicus  Tater.    Geographus  Ilavounas».  1 1 35 

lauge  nachher  in  einer  erweiterten  Gestalt  gleichfalls  griechisch  bekannt 
gemacht,  alsdann  die  erste  Fassung  etwa  saec.  IX  ins  Lateinische  übersetzt  und 
zu  irgend  welcher  Zeit  ebenfalls  die  zweite,  welche  Guido  von  Pisa  J.  1118 
excerpiert  hat.  Im  Wesentlichen  ist  das  Werk  also  eines  der  wenigen 
literarischen  Erzeugnisse  des  Occidents  aus  dem  VII.  Jahrb.,  dessen  ganze 
Barbarei  es  athmet;  aber  die  Masse  der  darin  aufbehaltenen  geographischen 
Notizen  gehört  nur  zum  kleineren,  vielleicht  zu  einem  sehr  kleinen  Theile 
dieser  Zeit  an.  Das  Buch  enthält  ausser  den  karolingischen  Einschiebseln 
eine  Menge  Angaben  aus  einer  römischen  Landkarte  des  dritten  Jahrb." 

6.  Ueberlieferung  des  Textes  hauptsächlich  durch  zwei  Hdss.,  den 
Pariser  reg.  4794  saec.  XIII  oder  XIV  (A  bei  Pinder  u.  Parthey)  und  den 
Urbiuas  der  Vaticana  (961  oder  678)  saec.  XIII  (B),  wozu  die  Basier  (C) 
saec.  XIV  f.  üeberschrift  im  ürb.:  chosmographya,  vgl.  I,  18  (lectioneni 
nostram  öosmographiae  exactionem  facientes).  IV,  31  (Uavenna  nobilissima, 
in  qua  licet  idiota  ego  huius  cosmographiae  expositor  Christo  adiuvante 
genitus  sum).    Anrede  mi  frater  carissime  (p.  1,  11  P.),  Odocare  (p.  32,  1). 

7.  Die  Quellen  zerfallen  in  zwei  Classen.  Die  eine  umfasst  eine  Un- 
zahl römischer,  griechischer,  makedonischer,  gothischer  sog.  philosophi,  zu 
denen  auch  die  Amazonen  Penthesileia  und  Marpesia  (aus  Jordan.  Gotb. 
7  f.)  gehören  (p.  174  f.:  de  qua  patria  subtilius  agunt  supra  scriptus  Pcn- 
tesileus  et  Marpesius  atqne  Ptolomaeus  rex  .  .  philosophi)  und  die  nur 
dazu  dienen  um  die  Armseligkeit  womit  der  Verf.  fast  nur  aus  einer  ein- 
zigen Quelle  (einer  kreisförmigen  Landkarte)  schöpft  zu  bemänteln.  Die 
andere  ist  ernsthaft  und  zuverlässig.  Der  Verf.  nennt  von  griechischen 
Theologen  Athanasius  von  Alexandria,  Basilius  aus  Caesarea,  Epiphanius  aus 
Kypem,  und  den  nefandissimus  Porphyrius;  von  römischen  Schriftstellern 
Orosius  (p.  50,  16.  420,  11  P.),  lordanis  ( chronographus,  p.  205,  2.  221,  3. 
422,  6;  cosmographus  p.  168,  12.  14.  179,  18.  185,  8;  lordanus  cosm.  p.  29, 
13),  S.  Gregorius  (p.  159,  8)  und  sanctus  Ysidorus  Ispalensis  (p.  13,  8). 
Mommsen  S.  115.  Das  Original  war  also  nach  Isidors  Tod  (f  636)  verfasst, 
auch  nach  J.  678  wegen  p.  185,  3  ff.  und  weil  p.  248,  7  die  brundisinischo 
Provinz  noch  Calabria  heisst  (Mommsen  S.  116).  Die  Bezeichnungen  iuxta, 
desuper  u.  dgl.  gelten  nicht  der  wirklichen  Lage  der  Oerter,  sondern  dem 
Platze  den  sie  auf  der  von  dem  Verf.  abgeschi  iebenen  Karte  einnahmen 
(ebd.  S.  97). 

8.  Auszüge  aus  dem  Geogr.  Bav.  in  einem  historisch  -  geographischen 
Abrisse  welchen  J.  1118  Guido  in  Pisa  zusammenstellte  (s.  A.  5).  Die 
Hdss.  desselben  s.  in  der  Ausgabe  des  Rav.  von  Pinder  u.  Parthey  p. 
X — XIII;  Text  ib.  p.  449  —  556.  Ueber  die  von  Guido  benutzte  Recension 
des  Geogr.  Rav.  s.  Mommsen  a.  a.  0.  S.  109 — 113. 

489.  Auf  der  Grenze  des  Alterthums  und  Mittelalters, 
zwischen  dem  sechsten  und  achten  Jahrhundert,  entstand  eine 
Anzahl  von  üebersetzungen  griechischer  Werke  ins  Late'inische, 
besonders  naturwissenschaftlichen  und  medicinischen  Inhalts.  So 
fanden  Uebersetzer  namentlich  Werke  des  Eukleides,  Philon  und 


113()  Die  Kaiserzeit.    Siebenies  Jahrhundert 

Heron,  des  Hippokrates,  Dioskorides  und  Galenos,  von  Späteren 
des  Soranos,  Oribasios  und  Alexander  von  Tralles.  Durch  diese 
zum  Theil  eigens  für  die  germanischen  Stämme  angefertigten 
Uebersetzungen  wurde  der  Zusammenhang  der  Studien  zwischen 
Alterthum  und  Neuzeit^  Komanismus  und  Germanenthum^  auf- 
recht erhalten. 

\.  Uebersicht  der  schon  in  der  Zeit  des  Cassiodor  vorhandenen  lat. 
Uebersetznngen  bei  Cassiod.  inst.  div.  81;  s.  oben  456,  1.  Diese  üeber- 
getzungen  waren  im  Gebrauche  der  italienischen  und  fränkischen  Aerzte, 
dann  der  salernitanischen  Schule,  lange  vor  den  arabischen  Uebersetznngen. 

2.  Uebersetzung  des  Enklid,  s.  oben  375,  7. 

3.  Aus  Philon's  nvtvfuctixa  (über  Philonis  de  ingeniis  spiritualibus) 
ein  Stack,  über  die  Bewegung  des  Wassers  in  Röhren,  in  lateinischer  (aus 
dem  Arabischen  gemachter)  Uebersetzung,  aus  londoner,  pariser  und 
münchner  Hdss.'  herausgeg.  von  V.  Rose,  Anecd.  graecoiat.  II  (1870). 
S.  299—313  (mit  zwei  Tafeln).  Vgl.  ebd.  S.  283—290.  Die  einzige  hydrauli- 
sche Abhandlung  aus  dem  Alterthum. 

4.  Von  Heron's  Katoptrik  eine  (wohl  sehr  abkürzende)  lateinische 
Uebersetzung  (mit  der  Ueberschrifb  über  Ptolomei  de  speculis)  aus  einer 
erfnrter  Hds.  (saec.  XIV  Ende)  herausgegeben  von  V.  Rose;  Anecd.  gräecoIat. 
II.  S.  317—330.    Vgl.  ebd.  S.  290—296. 

5.  Uebersetznngen  einiger  der  berühmtesten  hippokraÜschen  Bücher, 
bes.  der  ^qpo^idfio/,  n^oyvmaTi%d,  nsQl  Sialrriq  o^itav,  n^ql  diQfov  vS.  rdsr. 
So  negl  diaitrig  6.  I.  übersetzt  (saec.  VI)  im  Paris.  7027  (nebst  nsqü  ißdoiue- 
doav),  und  B.  II  im  Sangall.  762  (p.  187:  lib.  IUI  ippocrati  de  cibis  vel  de 
potum).  Besonderß  häufig  ist  in  alten  Hdss.  ein  medicinisches  Sammelwerk 
in  fünf  Büchern,  unter  dem  missverständlichen  Titel  Oribasii  de  simplicibus 
libri  V  herausgegeben  von  Joh.  Schott  (Strassburg  1538  fol.),  mit  irriger 
Uebertragnng  des  Anfangstitels  auf  das  Ganze  als  Dynamidia  (Dynameus, 
dvvdfteagj  de  virtutibus  herbarura)  Hippocratis  aus  Vaticani  saec.  X  a.  XII 
von  Mai,  class.  auct.  VII.  p.  399 — 458.  Aehnliche  Sammlung  im  Sangallensis 
762  (saec.  IX).  Buch*  I  ein  Auszug  aus  Ps.  Apulej.  de  herbis  (mit  Voran- 
stellung der  lat.  Pflanzennamen);  B.  II  (im  St.  Galler  762  6.  I:  de  virtutes 
herbarum)  Dynamidia  Hipp.;  B.  III  (St.  Galler  B.  II,  s.  p.  72:  de  erbas 
galieni  et  apoll«i  etc.)  wieder  de  herbis,  aus  Galenos  und  Apulejus  (mit 
Voranstellung  der  griech.  Namen).  B.  IV  eine  erweiternde  Uebersetzung  von 
B.  II  der  EvnoQiatcc  {anXä)  des  Oribasius,  das  selbst  ganz  aus  Galenos 
entlehnt  war.  Das  Vorwort  dazu  ist  von  J.  Schott  irrig  dem  Ganzen 
vorangestellt.  Vgl.  oben  479,  5.  u.  6.  Buch  V  ist  abermals  eine  (unvoll- 
ständige) Aljhandlung  der  Simplicia  in  alphabetischer  Ordnung,  schon  be- 
nutzt im  lateinischen  Dioskorides  (A.  6).  Vollständig  gedruckt  ist  dieses 
Buch  V  als  Galenus  de  simpl.  medicamentis  ad  Patornianum  in  den  Ausgaben 
der  Spmia  des  Galenos.  V.  Rose,  Anecd.  gr.  II.  S.  110—114  vgl.  S.  120 
—125  und  oben  376,  4. 


489  f.   Uebersetzungen  nach  Hippokrates  u.  A.   Aldhelmus.       1 1B7 

6.  Die  UebersetzuDg  von  Dioakorides  ist  in  ursprünglicher,  in  ver- 
kürzter und  in  alphabetisch  angelegter  Fassung  erhalten.  Letztere  wurde 
gedruckt  erstmals  zu  Colle  (Toscana)  1478  fol.  Der  lateinische  Bearbeiter 
bat  auch  Zusätze  gemacht,  aus  dem  angeblichen  Oribasius  (BuchV,  s.  A.  5), 
Ps.  Plinius,  Apuleius  de  herbis.  Y.  Böse,  Anecd.  IL  S.  113.  119,  A.  2. 

7.  Galeu's  Therap.  ad  Glauc.  {tä  n^g  rXav%iovce  d'£Qansvti%ä  in  zwei 
Büchern,  auch  Gal.  de  febribus  oder  de  curatione  febrium  genannt)  wurde 
in  lat.  Üebersetzung  lange  gebraucht,  eine  der  Hauptquellen  des  Garipotu» 
(saec.  Xr,  salernitanische  Schule).    Vgl.  A.  5  g.  E. 

8.  lieber  die  Üebersetzung  des  Boranus  durch  Aurelianus  s.  oben  456, 
3  ff.;  des  Pelagonius  oben  416,  18. 

9.  Von  dem  Werke  des  Alexander  aus  Tralles  unter  lustinian,  prakti- 
scher Arzt  in  Rom,  ßißXia  tatgina  Lß\  worin  die  Krankheiten  vom  Kopfe 
bis  zu  den  Füssen  (mit  Ausschluss  der  Frauenkrankheiten)  abgehandelt 
werden,  erschien  noch  am  Schlüsse  des  saec.  VI  eine  lateinische  Üeber- 
setzung (gedruckt  als  Practica  alexandri  yatros,  Papie  1520.  8.),  die  weit- 
läufig ausgeschrieben  ist  yon  Garipotus  (A.  7)  Passionar.  IV,  4 — 18  und 
wörtlich  excerpiert  im  Ps.  Plin.  V;  s.  oben  424. 

490*  Schliesslich  seien  aus  dem  Ende  des  siebenten  und4r>o 
der  ersten  Hälfte  des  achten  Jahrh.  noch  erwähnt  einige  eng- 
lische Geistliche  welche  sich  um  die  alte  Literatur  in  ihrer  Weise 
Verdienste  erwarben.  So  der  Metriker  Aldhelmus  und  der  nach 
dem  Massstab  seiner  Zeit  gelehrte  Mönch  und  Polyhistor  Beda 
(venerabilis),  sowie  die  beiden  Erzbischöfe  Tatuinus  und  Boni- 
facius^  von  welchen  wir  neben  Anderem  auch  granunatische 
Schriften  besitzen. 

1.  Aldhelmus,  Abt  zu  Malmesbury  seit  675,  f  709  als  Bischof  zu 
Sherburn  (Salisbury).  Von  ihm  haben  wir  eine  Anzahl  R&thsel  im  Hexa- 
meter (gedruckt  in  der  Bibl.  patr.  III,  wozu  noch  Nachträge  aus  Hemer 
und  Wiener  Hdss.),  welche  ihm  Anlass  geben  die  Regeln  über  das  heroische 
Versmass  in  dialogischer  Form  vorauszuschicken  (zum  Theil  in  wörtlicher 
Uebereinstimmung  mit  dem  sog.  Maximns  Victorinus)  und  daran  eine  üeber- 
sicht  der  sämmtlichen  metrischen  Füsse  mit  Beispielen  aus  den  verschie- 
denen Wortclassen  anzureihen.  Dieser  Theil  ist  zuerst  herausgegeben  von 
A.  Mai  (Class.  auct.  e  vat.  codd.  editi,  T.  V.  1833.  p.  501--699)  unter  dem 
Titel:  S.  Aldhelmi  de  septenario  (d.  i.  die  Siebenzahl)  et  de  re  grammatica 
ac  metrica  ad  Acircium  regem,  sowie  (mit  den  Räthseln)  verbessert  nach 
einem  cod.  Paris,  in  Aldhelmi  opera  ed.  I.  A.  Giles  (Oxon.  1844)  p.  216 
— 329,  unter  dem  Titel :  Epistola  ad  Acircium ,  sive  liber  de  septenano  ot 
de  metris,  aenigmatibus  ac  pedum  regulis.  Aldhelmus  erwähnt  auch  (p. 
540  Mai)  das  sechste  Buch  seiner  Schrift  de  nomine.  Ausserdem  de  laudi- 
bus  virginitatis  (virginum)  sowohl  in  Prosa  als  in  Hexametern  (letztere  mit 
akrostichischer  praefatio  ad  Maximam  abbatissam),  sowie  (gleichfalls  im 
epischen  Masse)  De  VIII  principalibus  vitiis.    Seine  Verse  zeigen  Studium 

Xxvmx^  BOm.  Litoratnrgeichiohte.   2.  Aafl,  l'Z 


1138  Die  Eaiserzeit.   Aus  dem  achten  Jahrhundert. 

des  Sedulins,  der  Inhalt  Benützung  des  Sueton  (Prata)  und  des  Solinus. 
Keifferscheid,  Suet  reliqq.  p.  449  f.  Mommsen,  Solin.  p.  XXXV.  J.  Caesar 
in  Pauly's  Real-Enc.  I,  1.  8.  689.  H.  Keil,  de  gramm.  inf.  aet.  p.  6  (not. 
2).    Abdruck  von  Giles'  Ausg.  in  Migne's  patrol.  LXXXIX.  p.  64 — 314. 

2.  Beda  geb.  um  672  in  Northumberland ,  Presbyter  702,  f  735. 
Zahlreiche  Schriften  (ed.  Colon.  1688,  8  partes  fol.;  ed.  J.  A.  Giles,  Lon- 
don 1843  f.  12  Bde.,  in  Migne's  patrolog.  1860  f.  T.  XC  — XCV).  In  ge- 
bundener Form  Darstellungen  der  Geschichte  von  Heiligen  und  Märtyrern 
in  Jamben  und  Hexametern,  u.  A.  von  zum  Theil  zweifelhafter  Urheber- 
schaft. Unter  den  geschichtlichen  bes.  seine  historia  ecclesiastica  gentis 
Anglomm  in  fünf  Büchern  und  Chronicon  s.  de  VI  huius  saeculi  aetatibas 
(von  ErschaiFung  der  Welt  bis  J.  726),  beide  auch  in  den  Monumenta  hi- 
storica  britannica  by  Petrie  and  Sharpe  (London  1848.  fol.)  p.  83  —  289. 
Ueber  seine  chronologischen  Angaben  vgl.  G.  Oppert  in  Fleckeisens  Jahrbb. 
91,  S.  822  ff.  Grammatische  Schriften  bes.  De  orthographia  (üsener,  Rhein. 
Mus.  XXIV.  S.  110  ff.).  De  VUI  partibus  orationis,  Cunabula  grammaücae 
artis  Donati  restituta,  De  schematibus  et  tropis  (in  Halms  rhett.  latt.  min. 
p.  607  —  618  vgl.  p.  XV),  De  metrica  ratione  u.  A.  aus  älteren  Quellen. 
Mathematische  (De  arithmeticis  numeris.  De  divisionibus  temporum  u.  A.); 
B.  M.  Cantor,  mathemat  Beiträge  zum  Culturleben  ( 1863 )  S.  279  ff.  Sehr 
viele  theologische,  exegetischen  und  dogmatischen  Inhalts,  sowie  Predigten. 
H.  Gehle,  de  Bedae  Venerabilis  presb.  anglo-saxonis  vita  et  scriptis  disp. 
historico-theologica,  Lugd.  Bat.  1838.  113  pp. 

3.  Tatuinus,  angelsächsischer  Benedictiner  im  Kloster  Bruidune  in 
Mercia,  zuletzt  (J.  731)  Erzbischof  von  Canterbury  (vgl.  Beda  bist.  ecci. 
Angl.  y,  23),  t  784,  Verfasser  einer  Grammatik  (de  VIII  partibus  orationis) 
nach  Donat  und  dessen  Commentatoren ;  s.  A.  Wilmanns,  Rhein.  Mus. 
XXin.  S.  398—401.  Auch  Räthsel  und  andere  Gedichte  sind  von  ihm  er- 
halten.   L.  Müller  in  Fleckeisens  Jahrbb.  93,  S.  666. 

4.  Bonifa  eins  (ursprünglich  Winfrid),  geb.  683  zu  Eirton  in  De- 
vonshire,  Benedictiner,  der  bekannte  Apostel  der  Deutschen,  zuletzt  Erz- 
bischof von  Mainz  J.  746  —  766.  Ausser  Zweifelhaftem  (vita  s.  Laevini) 
haben  wir  von  ihm  besonders  Briefe  (s.  B.  et  ad  eum  scriptae  epistolae 
CLVI),  abgedruckt  cum  notis  (a  N.  Serario),  Mogunt.  1606.  1629.  4.;  in  der 
Bibl.  patr.  max.  XIII;  bei  Migne  patrol.  LXXXIX.  Ordine  chronol.  dispo- 
sitae,  notis  etc.  illustr.  a  St.  AI.  Würdtwein,  Mainz  1789.  Dazu  das  Schul- 
buch de  VIII  partibus  orationis,  aus  cod.  palat.  1746  herausgeg.  von  A. 
Mai  (class.  auct.  VII.  p.  476  ff.).  Vgl.  H.  Keil,  de  gramm.  inf.  aet  (1868) 
p.  6:  simpliciter  et  sine  ulla  reconditioris  doctrinae  specie,  sicut  usus  dis- 
oentium  requirebat,  scriptus,  in  quo  non  solum  Donati  Ars  et  commentarii 
in  Donatum  tum  vulgo  usurpati  sed  aliorum  etiam  grammaticorom  libri 
adhibiti,  e  Charisii  vero  libris  complura  descripta  sunt.  Einiges  Metrische 
aus  derselben  Hds.  veröffentlicht  von  A.  Wilmanns,  Rhein.  Mus.  XXni. 
S.  403—406.  Ueber  die  Aenigmata  des  B.  s.  C.  P.  Bock  im  Preiburger 
Diöcesanarchiv  HI.  Opera  quae  extant  omnia  ed.  J.  A.  Giles,  2  Voll. 
London  1844;  bei  Migne  patrol.  LXXXIX.  p.  698—891. 


Alphabetisches  Register. 


Bio  Zahlen  vor  oinom  Komma  and  Zahlen  ohne  Komma  bezeichnen  die  Nnmor 
des   Textes  (ParaRraphen);  die  Zahlen  nach  einem  Komma  beziehen  sich  anf  die  Anmerknngon. 


ab  actis  senatus  213,  1. 
abecedarii  hymni  434,  8. 
Ablayins  33,  2. 
AbroniuB  Silo  247,  14. 
Abschreiben  37,  5.  39,  4. 

41,  3. 
Absyrtus  424,  10. 
Aburnius  Valens  346,  5. 
ac  vor  Vocalen  401,  4  E. 
Academica  des  Cicero  183, 

7.  des  Angustin  434,  5. 
Accius,  L.  129,  2  ff. 
Achilleis  des  Statins  3 16, 4. 
Achilles    in    parthenone 

394,  7. 
Acholins  383,  1. 
Acilia  und  Acilius  Luca- 
nus 292,  13. 
Acilius,  C.  126,  1. 
Acilius,  L.  124,  3. 
Aconia  422,  1. 
Acro  370,  1  f. 
acrosücha  26,  7. 
acta  diuma  oder  populi 

213,  2. 
acta  fratrum  arvalium  63, 

2  vgl.  76,  7. 
acta  senatus  213,  1. 
Acte  (Eintheilungin)  16,6. 
actiacum    bellum,    Epos 

247,  9. 

actibus  apost.  (de)  483, 2  f. 
actiones  86,  3.    vgl.  legis 

actiones. 

actio  Rutiliana  146,  1. 
actores  atellanarum  9,  4. 
actores  comoediarum  16, 

1.  16,  2.  3.  12  f. 
actores  secundarum  8,  7. 
actores  tragoediarum  13, 

6. 
Actorius  Naso  209,  12. 


actuarii  36,  7. 
Aculeo  161,  6. 
Adamantins       Martyrius 

466,  10. 

Adananus  466,  13. 
Adelphi  des  Terenz  109, 6. 
Adelphius  430,  16. 
Admiranda  des  Cicero  186, 

6. 
Adyentus  386,  3. 
Aebutius    Liberalis    284, 

4  E.  vgl.  292,  11. 
Aelianus  Tact.  339,  7. 
Aelius  Cordus  377,  7  g.  E. 
Aelius  Donatus  404. 
AeliusFestus  Aphth.402,d. 
Aelius  GalluB  206,  4. 
Aelius  Lampridius  397,  4. 
Aelius  Marcianus  374,  2. 
Aelius  Maurus  377,  10. 
Aelius  Melissus  347,  3. 
Aelius  PaetuB  (P.)  124,  1. 
Aelius  Paetus  (Sex.)  124, 2. 
Aelius  Sabinus  377,  8. 
Aelius  Saturninus  269,  3. 
Aelius  Serenianus  371,  4. 
Aelius  Spartianus  388, 4  f. 
Aelius  Stilo  147,  1—3. 
Aelius  Tubero  (L.)  169,  8. 
Aelius  Tubero  (Q.)  Stoiker 

144,  2.    Historiker  206, 

1. 
Aelius  Yerus  349,  2. 
Aemilia  Pudentilla  362, 3. 
Aemilianus      ( Palladius ) 

406. 
Aemilianus  (Scipio)  137,1. 
Aemilianus  Strsu)0  362,  4. 
Aemilius  Asper  323,  3. 
Aemilius  Lepidus  Porcina 

(M.)  187,  6. 
Aemilius  Macer  219, 6—9. 

Jurist  374,  3. 
Aemilius  Papinianus  366. 


Aemilius      Parthenianus 

377,  9. 
Aemilius  Paulus  (L.)  122, 

8. 

Aemilius  Probus  196,  7. 
Aemilius  Scauru8(M.)  141, 

10.  Sein  Urenkel  (Mam.) 

271,  2. 

Aemilius  Severianus  8,  1. 
Aemilius  Sura  272,  6. 
Aeneaden  224,  6. 
Aeneas  224,  6; 
Aeneis  des  Vergil  224. 
aenigmata  26,  1. 
Aeserninus  262,  8. 
aesopische  Fabeln  27, 2  f. 
Aesopus,  Mimograph  8,  1. 
Aesopus,  Schauspieler  13, 

6. 
aestuaria  164,  6,  c. 
Aetherius  460,  4. 
Aethicus  Ister  488,  1—3. 
Aethiopis  189,  9. 
Aetia  des  Varro  164,  4. 
AetiuB  462,  2.  467,  1—4. 

13. 
Aetna  302. 
Afer,  s.  Domitius,  Teren- 

tius. 

Afranius,  L.  131. 
Afranius  Burrus  282,  2. 
africanische  Latinitat  S. 

778  v^l.  48,  6.   472,  8. 
africamsche  Redner  44  g. 

E.  vgl.  S.  684,  A.  6. 
africanum  bellum  194,  3. 
Africanus  (Scipio),  der  äl- 
tere 64,  1.  122, 6.  dessen 

Sohn  126,  3. 
Africanus,    der  jüngere, 

137,  1. 
Africanus,    s.    Caecilius, 

Julius. 
Aggenus  ürbicus  440,  1. 

72* 


1140 


Alphabetisches  Register. 


Agnes  483,  4.  ' 
Agorins  s.  Vettias. 
agraria  de  lege  176,  16— 

18. 
Agricola  des  Tacitus  330. 
agrimensores  56. 
il^rippa  217,  10—14. 
Agrippina  281,  6. 
A^oecius  450,  11. 
Aietins  Fastor  263,  6. 
Akademie,  alte  nnd  nene, 

in  Rom  48.   Einfluss  auf 

Beredteamkeit  48,  4. 
Akrosticha  26,  7. 
akrostichische  argumenta 

zu  Plautus  98,  2. 
Alarich  TL.  480,  2. 
albanischer  Agon  314,  4. 
Albericus  41,  12. 
Albinovanus  s.  Celsus  und 

Pedo. 
Albinus  42S,  4.  438,  6. 447, 

1  f.  470, 1.  Rhetor  44, 10. 

Philosoph  49,  4.  Redner 

145,  7.  Dichter  247,  6  g. 

E.u.  379,  10.    Metriker 

400,  5.    Auch  s.  Clodius 

und  Postumius. 
Albius  TibulluB  240. 
Albucius,  L.  189,  1. 
AlbuciuB,  T.  145,  4. 
Albucius  Silus  263,  4. 
album  74,  2  f.  75,  5. 
Alchemie  401,  3  g.  E. 
Alcimus  410,  3.  vgl.  467, 9. 
Aldhelmus  490,  1. 
Alethius  410,  2  f.  433,  8. 
Alexander  Neckam  443,  5. 
Alexander  Numenius  444, 

1. 
Alexander  Polyhistor  158, 

1. 
Alexander  Severus  371, 4. 
Alexander  Trall.  489,  9. 
Alexandri        itinerarium 

406,  4. 
alexandrinum  bellum  194, 

1  u.  3. 
Alexis  221,  2. 
Alfenus  Fortunatus  34,  3. 
Alfenus  Varus  205,  3  vgl. 

220,  3. 
Alfius  Historiker  142,  7. 
Alfins    (Alphius)     Avitus 

379,  1. 

Alfius  Flavus  263,  9. 
Alfred  d.  Gr.  470,  4. 
alimentariae      ( tabulae ) 
326,  8  b. 

Alliteration  S.  136. 


Alphabet  (lateinisches)  8. 

136  f.  vgl.  281, 3.  versus 

de  alph.  442,  5. 
Alphius  s.  Alfius.] 
Alpinus  189,  9  g.  E. 
Alterthumsforschung   bei 

den  Römern  41. 
Alypius  418,  6.  441,  4. 
Amafinius  170,  1.  3. 
Amaryllis  222,  2. 
Amazonis  238,  8.      % 
Ambivius,  L.  16, 12  f.;  M. 

52,  8. 
Ambrosianus  des  Plautus 

96,  3  f. 
Ambrosius  427. 
amicitia  (de)  von  Cic.  183, 

14. 
Ammianus      Marcellinus 

421,  5—12. 
amöbäische  Form  3,  2.  J 
Amoenus  467,  2. 
Amores  des  Ovid  243,  1  f. 
Ampelins  355,   1 — 3.  — 

459,  4. 
Amphitruo  des  Plautus  95, 

1. 
Ampius  Baibus  209,  11. 
anacycüci  versus  32,  9. 
Anakreonteen  453,  5. 
analogia  (de)  von  Caesar 

192,  4. 
Anastasius429, 10  (Papst). 

Panegyrikus  auf  Kaiser 

A.  473,  7.  vgl.  484,  2. 
Anatolius  480,  6. 
Anauni  281,  5. 
Andria  des  Terenz  109, 1. 
Andronicus  (Livius)  92. 
AndronicuB     ( Pompilius  J 

156,  6. 
Anecdota des  Cicero  185, 5. 
Anecdotum        Parisinum 

295,  4. 

angelsächsisch  470,  4. 
Anianus  437,  3.  480,  2. 
Anicia  Proba  430,  15. 
Anicius  lulianus  419,  1. 
Anicius  Probus  413,  4. 
Annaeus  Comutus  294,  2. 
Annaeus  Lucanus  298. 
Annaeus  Mela  264,  2  vgl. 

298,  2. 
Annaeus  Novatus  263,  7. 
Annaeus  Seneca,    Vater 

264;  Sohn  282—285. 
Annaeus  Serenus  282,  2. 
annales   37,   2.    annales 

pontificum  74.     annales 

maximi  74,1—6. 


Annales  des  Ennius  100. 

des  Tacitus  333. 
annalis  des  Atticus   169, 

2,  b. 

Annali  steh  37.  66,  5. 
Annianus  349,  3. 
Annius  (G.)  19,  3. 
Annius  Bassus  336,  11. 
Annius  Cimber  206,  12. 
Annius  Fetialis  254,  8. 
Annius  Florus  336,  7. 
Annius  Luscus  141,  6. 
Anonymus    Einsiedlensis 

406,  8. 

Anonymus        Norisianus 

407,  2  (III). 
Anonymus  Ravennaa  488, 

4flf. 

Anonymus  Yalesii  421, 13. 
Anser  210,  8. 
Anthedius  419,  8.  459,  4. 
Anthianus  374,  6. 
Anthimus  479,  1—3. 
Anthologia  latma  31,  4. 
Anthologie,  erotische  31, 

1. 
Antias  (Valerius)  162, 2  ß. 
Anticatp  des  Caesar  192, 7. 
Antidota  425,  2. 
Antiochius  437,  6. 
Antiochus       ( Philosoph ) 

154,  5 £.168,6.-454,1. 
Antipater  Acanth.  464,  1. 
Antipater,  Caelius  142, 5f. 
Antipater  Gallus  383,  8. 
antiquitatum     libri     des 

Varro  164,  4. 
Antistius  Capella  365,  1. 
Antistius  Labeo    199,  6. 

der  Sohn  260,  1  f. 
Antistius,  P.  150,  4. 
Antistius  Sosianus  33,  2. 
Antonini  itinerarium  406, 

2. 
Antoninus  Aquila  360,  6. 
Antoninus      philoaophus 

359. 

Antoninus  Pius  350,  1  f. 
Antonius  (Redner)  419,  2. 
Antonius  Castor  278,  2. 
Antonius  Gnipho  166,  5. 
Antonius  Honoratufl  462, 6. 
Antonius  lulianus  809,  7. 

—  346,  1. 
Antonius,  lulus  237,  6. 
Antonius  Liberalis  292, 1 1 . 
Antonius,  M.  der  Redner 

149,  1  f. 
Antonius,  M.  der  Triumvir 

206,  3. 


Alphabetisches  Register. 


1141 


Antonius  Musa  258,  10. 

Antonius  Kufus  249,  5. 

auulo  (de)  246,  ß. 

Apelles  454,  1.  Tragöde 
13,  5. 

Aper,  M.  310,  3. 

apez  196,  4  E. 

Aphthonius  403,  3. 

Apicius  278,  4. 

ApingiuB  485,  11. 

Apocolocyntosis  des  ße- 
neca  284,  7. 

Apollinari«  460,  2.  Tragö- 
de 13,  6.  Kritiker  323,  4. 
Vgl.  AureliuB,  Sulpicius 
und  Sidonius. 

ApoUodorus  Pergamenus 
43,  10. 

Apolloniense  monumen- 
tum  217,  4. 

ApoUonins  Chalced.  und 
Nicomed.  354,  2.  Dysco- 
Ins  359,  9.  Tyaneus  362, 
3.  Tyrius  48*1. 

apologeticum  des  Tertul- 
lian  369,  4. 

apologeticum  Carmen  des 
CommodianuB  380,  3.^ 

Apologia  des  Apulejus 
363,  1. 

Apophthegmata  des  Gato 
120, 5;  des  Caesar  192, 5. 

Appendix  fahb.  279,  4. 

Appianus  352,  3. 

Appius  s.  Claudius. 

Applaudieren  44, 4. 459,  3. 

Apuleius,  L.  41,  1. 

Apuleius  aus  Madaura 
362  f. 

Apuleius  Barbarus  363, 
7  b. 

Apuleius  Celsus  289,  2. 

Apuleius  minor  363,  10. 

Apuleius  Satuminus  145, 
7. 

Aquae  apoUinares  406,  5. 

Aquila  188,  4.  370,  8.  Ju- 
rist 374,  5.  Aq.EomanuB 
384.    Vgl.  Antoninus. 

Aquiliuus  423,  4. 

Aquilius,  Palliatendichter 
106,  3. 

Aquilius  Gallus  171,  1  f. 

Aquilius  Regulus  321,  3. 

Aquilius  Severus  415,  7. 

Aquinus  208,  5.  Vgl.  Ju- 
lius. 

aquis  (de)  von  Frontinus 
322,  6. 

AradiuB  Bufinus  41 6,  2. 


Aratea  des  Cicero  186,  2; 

des  Germanicus  2  70, 6  ff. ; 

des  Avienus  413,  2. 
Arator  483,  1-3. 
Arbiter  s.  Petronius. 
Arbo^ast  467,  1. 
arbonbuB   (de)   von  Co- 

lumella  288,  3. 
Arborius  410,  5. 
Arbronius  Silo  247,  14. 
Arcadius  Charisius  399,  2. 
Archagathus  53,  1. 
Arcbelans,  Laelius  147,  4. 
Archia,  pro  176,  26. 
archimimae  8,  8. 
archimimus  7,  2  E.  8,  7. 
Archippus  324,  7.; 
Architectur  56. 
Ardea  67,  4. 
Arellius  Fuscus  263,  3. 
Argentaria  PoUa  298,  4. 
Argentarius  263,  6  E. 
Argonautica    des    Varro 

Atacinus  208,  1 ;  des  Va- 

lerius  Flaccus  312. 
Argumenta  zu  den  plau- 

tinischen  Stücken  98,  2. 
Aristides  (Miles.)  153,  4. 

348,  1.  —  369,  10. 

AristiuB  Fuscus  237,  1. 

Aristo  6.  Titius. 

armenischer  Eusebius  428, 
8. 

ArmillatuB  321,  5. 

Arnobius  392 ;  iunior  462, 
1. 

Arrianus  223,  2  g.  E.  Ni- 
comed. 352,  4. 

Arrianus  (Maturus  und 
Severus)  387,  8. 

Arrius  Antoninus  319,  4. 
Arrius'Men ander  367,  4. 
Arruntius,  L.  254,  7.  vgl. 

289,  1. 
Arruntius  Celsus  353,  3. 

Arruntius  Stella  318,  1. 
ars   amatoria    des    Ovid 

243,  5.   vgl.  242,  3. 
ars  Bemensis  474,  7. 
ars  Donati  404,  2. 
ars  poetica  des  Horaz  234, 

6  ff. 
ars  vaticana  295,  8  b.  vgl. 

412,  12. 
Artemidorus    314,   6.    — 

352,  4. 
artes  liberales  164,  6,  a. 
ArtoriuB  Proculus  258,  4. 
aruales  fratres  63. 


Arulenua  Rusticus  324,  2. 

vgl.  311,   1. 
Arusianus  420,  4. 
Arzneimittellehren  58. 
Ärzte  in  Rom  53,  1. 
Asclepiodotus  388,  8. 
A8clei)ius  363,  7.  453,  7. 
Asconius  Ped.  290.    Sein 

Sohn  315,  3  E. 
Asellio,  Sempronius  142, 9. 
Asellius  Sabinus  269,  1. 
asianische  Beredtsamkeit 

43,  11. 
AsiliuB  und  Asillius  269, 1. 
AsinariadesPlautus  95,  2. 
Asinius  Cornelius  227,  5. 
AsiniuB  Gallus  271,  3. 
AsiniuB  PoUio  218  mit  A. 

1-7. 
Asinius  Pollio  aus  Tralles 

218,  3. 
Asinius  Quadratus  377,  2. 
Asklepiades    aus    EHazo- 

menä  215,  3. 
Asklepiades  aus  Prusa  63, 

1. 
AsmoniuB  400,  6. 
Aspar  452,  2. 
Asper  474,  4. 
Asper  (Aemilius)  323,  3. 
aspiratione  (de)  465,  5. 
Asprenas  und  Asprenates 

262,  2. 
asse  (de)  339,  5. 
Ästeris  318,  1. 
Asterius  466,  5. 
astris,  de  von  Caesar  192,6. 
Astrologie  50. 
Astronomie  bei  den  Rö- 
mern 50. 
astronomia   des  Hygiuus 

257,  6. 
astronomica  des  Manilius 

248,  2—8. 
Astyanax  383,  5. 
Atacinus  (Varro)  208,  1.  ' 
Atedius  Melior  319,  1. 
Ateius  Capito  260,  8  f. 
Ateius,  G.  171,  5. 
AteiuB  Philologus  207,  1. 
Ateius  Sanctus  365,  1. 
Atellanae  9  f. 
Atellani  9,  4  f. 
Aterianus  383,  4  f. 
Athanasius  462,  12. 
Atherianns  383,  4. 
Atilicinus  293,  4.' 
Atilius  Caiatinus  81,  3. 
AtiliuB  Fortunatianus  400, 

7. 


^- 


1142 


AlphabetißcheB  Regibtor. 


Atiliiis,  L.,  Jurist  124,  4. 

Atilius,  Palliaiendichter 
106,  2.  Schauepioler  16, 
13  vgl  106,  2. 

Atxatinus  206,  10. 

Atta,  8.  QuintiuB. 

Attalos  277,  5. 

Atticus,  T.Fomponins  169 
mit  A.  1  f.  CiceroB  Briefe 
an  ihn  181,  2.  Auch  b. 
luliuB. 

Atticus  Mimograph  8,  1. 

AtticuB  des  Ovid  242,  2. 

Atticus  (Rhetor)  48,  10. 

Atticus  (Herodes)  352,  2. 

attische  Beredtsamkeit  43, 
11.  vgl.  8.  269.  268. 

AttiuB,  L.  129,  2  ff. 

Attius  (Labeo)  803,  5. 

Attius  Fatera  und  Tiro 
Delphidius  396,  8. 

auctoritas  prüden  tum  46. 

aucupio  (de)  882,  8. 

Audax  441,  7.  474,  6. 

Aufidia  218,  9  E. 

Aufidius,  Cn.  142,  3. 

Aufidius  BasBUs  272,  2. 

Aufidius  Ghius  323,  1. 

Aufidius  Fronto  360,  2. 

Aufidius  Namusa  und 
Tucca  171,  6. 

Aufidius  Yictorinus  360, 2. 

Aufschriften  auf  Weih- 
geschenken u.  s.  w.  81. 

Aufustius  196,  16. 
Augenärzte  53,  2. 
Auguralschriftsteller  196, 

10  ff. 
augurüs,   de  von  Cicero 

183,  20. 
Augurinus  (Scntius  oder 

Serius)  327,  6. 
augurum  libri  etc.  75,  If. 
augustae  hist.  scriptores 

388. 
augusteische  Zeit  216.  S. 

417  ff. 
Augustinus  434. 
Augustodunum  387,  7.  8. 

Augustus  217,  1  —  5  vgl. 
S.  422  f.  Verhältniss  zu 
Horaz  230,  3. 

Auianus  443 ;  novus  443, 5. 
Auienus  413. 

Auitus  437,  6  E.  460,  2  u. 

4.  467,  9;  auch  s.  Alfius 

u.  Octavius. 
Aulularia  dos  Flautns  95, 

3. 


Aurelianus  383,  11;  auch 

s.  Caelius. 

Aurelius  (Bischof)  449,  2. 
Aurelius,  M.  359. 
Aurelins  Apollinaris  381, 

3. 
Aureliui  Augustinus  434. 
Aurelius  Charisius  899,  2. 
Aurelius  Cotta  150,  4. 
Aurelius  Cotta  Maximus 

262,  6. 

Aurelius  Festivus  388, 10. 
Aurelius  0|)iliu8  156,  4. 
Aurelius  Fhilippus  375, 10. 
Aurelius  Pruaentius  430. 
Aurelius  Scaurus  145,  7. 
Aurelius  Verus  877,  11. 
Aurelius  Victor  408,  1  E. 

Sex.  408,  1—3. 
AusoniuB  414. 
Auspicius  467,  1. 
Authenticum  480,  9. 
Autobiographen  37,  9. 
AuxaniuB  459,  11. 
axamenta  62. 


Bacchides  des  Flautus  95, 
9. 

Bachiarius  437,  6. 

Baebius,  C.  160,  5. 

Baebius  Macrianus  875, 
10. 

Baebius  Massa  321,  4. 

Balbi  158,  1. 

Balbinus  s.  Caelius. 

Balbo,  pro  176,  36. 

BalbuB,  s.  Ampius,  Cor- 
nelius, Herennius,  Lao- 
lius. 

Baibus  mensor  339,  3  f. 

Balista  225,  1,  A.  1. 

Bandusia  229,  5  a.  E. 

Bantina  tabula  160,  1. 

Barea  Soranus  294,  8. 

Barth  (Caspar)  318,  5. 

Basilides  354,  2. 

basis  capitolina  348,  6. 

Bassinus  391,  2. 

Bassula  435,  1.  5. 

Bassulus  327,  8. 

Bassus249,4.  313,  2.  319, 
2.  397,  2.  898,  2.  441,  8. 
Vgl.  Aufidius,  Caesius, 
Gavius,  lulins,  Saleius. 

Batrachus  422,  2. 

Battarus  197,  2. 

Bavius  228,  2. 


Beda  ( Venerabilis)  490,  2. 

Beinamen  3,  1. 

Belisarius  schol.  466,  5. 

Bella  des  Sallust  203,  7. 

Bellicus  456,  4. 

bellum  civile  des  Caesar 
19.3, 11  f.;  desLucan  298, 
9;  bei  Petronius  300, 3  f.; 
b.  dacicum  827,3;  istri- 
cum  129,  1;  parÜiicam 
327,  3;  siculum  247,  5. 

Bembinus  108,  2—5. 

Beredtsamkeit  bei  den 
Römern  42—44. 

Bertechramnus  483,  12. 

Beschreibungen  im  Epoä 
20,  1. 

Beschwörungsformeln  83, 
1. 

Bestia  (L.)  145,  7. 

Beülienus  160,  8. 

beionica  363,  7  b. 

Betutius  150,  8. 

Bibaculus  189,  8  ff. 

Bibelübersetzungen  416, 
10—12. 

Bibliotheken  in  Rom,  S. 
257  u.  423;  palatina257, 
1. 

Bibulus,  8.  Calpurnius. 

Biographien  39,  3. 

Bissula  414,  1. 

Blaesus  260,  5. 

Blandus  44, 1  vgl.  261, 10. 

Blossius  144,  1. 

Bocchus  286,  4. 

Boeotia  106,  3. 

BoetiuB  470. 

Bonifacius  490,  4. 

BosphoruB  S.  137,  A.  2. 

Botanik  51. 

Brachylogus  480,  12  £. 

Braulio  486,  5. 

Breviarium  des  Eutrop 
409, 1—6;  des  Sex.Rufus 
409,  7;  Alarici  480,  2. 

breviatio  des  Jord.  477,  5. 

Brief,  poetischer  25. 

Briefe  (und  Briefsamm- 
lungen) 45.  Cicero'8l80f. 
an  Cicero  214, 2;  ad  Cae- 
sarem  203,  5;  des  Horaz 
234;  des  Seneca  284,  5. 

Briefform  45,  1. 

Bruttedius  Niger  271 ,  6. 

Brutus  8.  lunius. 

Brutus  von  Cicero  1 79,  3 ; 
praetexta  von  Cassius 
209,  4. 

Bucco  9,  3. 


Alphabetisches  Register. 


1143 


bucolica  29,  1 ;  des  Vcrgil 

222. 
Buculeias  151,  4. 
Bühne  in  Rom  6,  3. 
Burdigalense  itinerarium 

406,  3.    Burdig.  profess. 

S.  950  d. 
Burgundionum  lex  480,  3. 


CaeciliuB  210,  4. 
CaecüiuB  Africanus  356,  3. 
Caeoilius  Apnleius  363, 10. 
Gaecilius  Epirota  258,  1. 
CaeciliusMetellii8(Q.)  122, 

2.  Celer  168,  8  vgl.  211, 

3.  MacedonicuB  137,  7. 
Nepos  168,  8  vgl.  214,  3. 
Nnmidicns  145,  3. 

Caeoilius  Natalis  368,  2. 
Gaecilius  Niger  176,  5,  1. 
Gaecilius    Secundus   322, 

17. 
Gaecilius  Statins  105. 
Gaecina,  A.  196,  13. 
Gaecina,  pro  176,  13. 
Gaelestinus  295,  8  E.  383, 

2.  vgl.  461,  3. 
GaelestiuB  437,  2. 
Gaelio,  pro  176,  34. 
GaeliuB  Antipater  142,  5  f. 
GaeliuB  Apicius  278,  4. 
Gaelius  Aurelianus  456. 
Caelius  Balbinus  379,   7. 
Gaelius  Rufus  206,  5  ff. 
Gaelius  Sabinus  311,  1  ff. 
Gaepasii  168,  10. 
Gaepio  278,  1. 
Gaerellius  375,  5. 
Gaesar,  G.Iulius  191 — 193. 

Sein     Godificationsplan 

199,  1. 
Gaesar,  L.  196,  12. 
GaesariuB  462,  2. 
Gaesellius  Vindex  338,  4. 
Gaesennius  52,  4.  ^' 
Gaesius  208,  5. 
Gaesius  Bassus  299,  1 — 3. 
Gaesius  Primus  und  Tau- 

rinuB  394,  4. 
Gaesonius  Maximus  282, 1. 
Galbulus  468,  7. 
Galenus  318,  6. 
GalidiuB,  M.  200,  1. 
Galidus  s.  lulius. 
Galipla  281,  1. 
Galhopius  108,  2. 
GallistratuB  (Jurist)  367,2. 
Gallistus  289,  3. 


GalpetanuB  289,  1. 

Galpurnius  Bibulus  250, 4. 

Galpumius  Flaccus  346, 9. 

Galpurnius  Longinus  356, 

8. 
Galpurnius  Piso,  unter  Ga- 

ligula  296,  1 ;  unter  Tra- 

Jan  327,  5.  Auch  s.  Piso. 
Galpurnius  Piso  Frugi  (L.) 

138,  4. 

Galpumius    3iculus   301, 

1—6. 
Galpumius  Statura  299, 1. 
Galvisius  Taurus  848,  2. 
Galvus  57,  1.  324,  8.  360, 

lOg.E.  Auch  s.  Licinius. 
Gamerinus  247,  8. 
Gamillus  171,  8. 
Gampanus  337,  9. 
Ganinius  Rufiis  327,  3. 
GaniuB  Rufus  319,  2. 
canticum  im  Mimus  8, 1 1 ; 

in  der  Atellana  10, 2 ;  Tra- 
gödie 13,  4;  in  der  pal- 

Hat^  16,  3  —  6;    in  der 

togata  17,  5. 
Ganutius  150,  5  E. 
Gapella  249, 3.  Marianus 

245.  vgl.  Antistius. 
Gaper  (Flavius)  338,  3*. 
Gapito  263,  10.   —    409, 

2.  5.    V^l.  Ateius,  Sin- 

nius,  TifiniuB. 
capitolinische       Agonen 

314,  4;  Fasten  73,  2  ff. 
Gapitolinus    s.   Gomelius 

und  luliuB. 
GapreoluB  449,  2. 
Gaptivi  des  Plautus  95, 4. 
Garacalla  371,  1. 
Garbo  s.  Papirius. 
Carmen  59, 2;  Carmen  sa- 

liare  62 ;  carmen  de  figu- 

ris  444,  1;  de  ponderi- 

bus  444, 2;  de  librae  par- 

tibuB  473,    10;    codicis 

Par.  8084  s.  410,  14. 
Garmentis  64,  1. 
carmina  triumphalia  74. 
Garminius  412,  13. 
Garthago  446,  2. 
Gartilius  276,  3. 
Garailius  (Sp.)   127  und 

S.  136. 
Gamilius  Pictor  221,  3. 
Garns   bei  Ovid  247,   7; 

beiMartial  319,  2.  Auch 

8.  Mettius. 
Gasca  304,  1. 
Gascellius  (A.)_199,  4. 


Gasina  des  Plautus  95,  6. 
Gassiani  293,  3. 
Gassianus  450,  1—3. 
Gassii  209,  7. 
Gassiodorus  475. 
Gassius  Dio  377,  1. 
Gassius  DionysiuB  52,  1. 
H^assius  EtruBCus  209,  8. 
Gassius  Felix  456,  2. 
Gassius  Hemina  138,  1. 
Gassius  Longinus  209,  6. 
GasBius  Longinus,  Jurist 
293,  3.  Geschichtschrei- 
ber 344,  3. 
Gassius  Parmensis  209,  7. 
Gassius  Salanus  262,  9. 
GassiuB  Sevems  262,  11. 
Castalius  477,  2  u.  5. 
Gastor,  s.  Antonius. 
Gastricius  (T.)  346,  2. 
catachannae  341,  3. 
Gatalecta  225,   5  mit  A. 

1—8. 
Gatholica  295,  8. 
Gfktilina  54,  2. 
Gatilina  des  Sallust  203, 2. 
catilinarische  Reden   Gi- 

cero*8  176,  20—23. 
Gatilius  Severus  371,  4. 
Gatius  Fronto  336,  4. 
Gatius  Insuber  170,  3. 
Gato  s.  Valerius. 
Gatophilo8ophu8  24,  2—6. 
in  Africa  468,  7. 
Gato  der  ältere  117—121. 
dessen  Sohn  124,  6. 
Gato  (maior)   des  Gicero 

183,  11. 
Gato  (minor)  des  Gicero 

177,  6. 
Gato  üticensis  198.   vgl. 

212,  2. 
Gatullus  211  vgl.  225,  2. 

Xa,m        X.        O,         XjLm        A. 

Gatullus  Mimograph  280^ 

1. 
GatuluB  s.  Cinna  und  Lu- 

tatius;  des  Gicero  183,  7 

mit  A.  1. 

Gatulus  Cinna  354,  2. 
Gatuspreab.  472, 2. 4.  6. 7. 
causidici  44,  4  u.  7.  47,  3. 
GeioniuB  Albinus  400,  5. 
Geionius  lulianus  397,  2. 
Gelaus  s.  Apuleius,  Airun- 

tius,    Cornelius,   lulius, 

luventins. 
Celsus   bei   Baibus    339, 

3  g.  E. 
Celsus  AlbinovanuB  237, 5. 


T. 
1 


1144 

Celans,  Epikureer  364,  9. 

Celsus  paier  Sil,  4. 

Celsus  Rufos  897,  2. 

Cenaorinos  376,  4->9. 

Centimeter  desPs.  Serviua 
423,  4. 

centoneB  26, 3 — 6  Tgl.  466, 
4.  469,  8.  nuptialiB  de» 
AoBoniaB  S.  961. 

centunculuB  8,  10. 

Cepurica-68,  4. 

Cerealis  462, 8.  TgLIulius. 

GerinthiiB  240,  8. 

certamen  albanum,  capi- 
tolinum  814,  4.  vgl.  8. 
583,  A.  4. 

CenudiuB  Scaevola  364, 
1—4. 

Cettiiis  Plus  263,  6. 

Cethegas  s.  Cornelius. 

Chaeremon  324,  6. 

CbalcidiuB  472,  7. 

characteresdesVarro  164, 
6,  e. 

Charaz  864,  7. 

Charibert  469,  11. 

Chariuus,  Jurist  399,  2. 
Grammatiker  412,  1—6. 

Chilperich  469,  11. 

ChinuB  FortunatianuB 
420,  6. 

Choliamben  33,  2  f. 

Chor  im  Pantomimus  8, 
U  E.  in  der  röm.  Tragö- 
die 18,  6.  in  der  palliata 
16, 5.  in  der  togata  17, 6. 

Chorographia  des  Cicero 
186,  7. 

Chorographia  pliniana 
808    7. 

Christenthum  S.  7  78. 902  f. 
vg^l.  868,  4.    381,  6.  — 

christliche  Epiker  21. 

ChromatiuB  429,  11. 

chronica  des  Cornelius 
Nepos  195,  4,  2. 

Chronik  des  Hieronymus 
428,  7 ;  des  Dezter  429, 
9 ;  Prosper  468,  2  f. ;  Cas- 
siodor  475,  3;  Marcelli- 
nus n.  A.  476. 

Chroniken  (Stadtchron., 
HauB-  n.  Famillenchron.) 
78. 

Chronograph  von  354  n. 
Chr.  407. 

Cicero  (M.)  8.  268  f.  264. 
§.  172  ~- 186.  Herausge- 
ber des  Lucretins  ?  201, 2. 

Cicero  (Q.)  187. 


Alpbabetischee  Begisier. 

ciceronische  Zeit  S.  255  ff. 
Cicuta  des  HarsuB  238,  2. 
Cimber  b.  Annins. 
CinciuB,  L.  Alimentus  116. 
Cincius,    Jurist  116,    4. 

Historiker  250, 9.  Schau- 
spieler 16,  12. 
Cinna    171,    6.    Catulus 

354,  2. 

Cinna,  Helvius  210,  2  f. 
Ciris  225,  2,  mit  A.  1—4. 
Cistellaria    des    Plautus 

95,  7. 

CiUte  (erdichtete)  459, 17. 
Citiergesets  446,  3. 
civile    bellum   s.  bellum 

civ. 
civitate  (de)  dei  von  Au- 
gustin 434,  10. 
Claranus  828,  5. 
Claudia  des  Statius  316, 2. 

andere  435,  6. 
Claudianus  483;   Mamer- 

tuB  461,  S>-6. 
Claudii  hymnus  398,  9. 
Claudius  417,  1. 
Claudius  (Acilianus)  126, 

1;    Kaiser    281,    2—5; 

Grammatiker  423^  9;  439, 

7: 
Claudius  Aeseminus  262, 

8. 
Claudius  Agaturrinus  294, 

11. 
ClaudiuB  (Ap.)  Caecus  88. 
Claudius  Capito  336,  4. 
Claudius  Donatus  423,  5 

—8. 

Claudius  Etruscus  316,  2. 
Claudius  Eustheniua  388, 

9. 
ClaudiuB  Gk>rdianu8  472, 

10. 
Claudius  Mamt^rtinus  410, 

7  f. 
Claudius  Marcellinua  336, 

4. 
Claudius   Marcellua    (C.) 

196,  10.  (M.)  262,  8. 
Claudius   Marius   Victor 

457,  6—7. 
Claudius  Maximns  354,  4. 
Claudius  Pollio  336,  11. 
Claudius    (Ap.)    Pulcher 

(Censor618d.St.)141,2. 
Claudius    (Ap.)    Pulcher 

196,  10. 
Claudius       Qvadrigariua 

152,  1. 
ClandiuaBestitutua  336, 4. 


Claudius  Sacerdoa  390. 
Claudiua  Saturninns  356, 

6. 
Claudius  Severus  354,    2. 
Claudius        Tryphoninue 

367,  8. 

Claudius  Venacus  371,  4. 
Cledonius  465,  1. 
Clemens  s.  Pactumeius. 
Clitarchus  153,  2. 
Cloatius  Yerus  388,  5. 
Clodia211,  3  vgl.  206,  6. 

7E. 
Ciodianus  41,  10. 
Clodius  Historiker  142,  8. 
Clodius  Albinua  865,  6. 
Clodius^  Licinus  254,  6. 
Clodius  Pollio  281,  9: 
Clodius  Pulcher  200,  6. 
Clodius  Quirinalis  292, 10. 
Clodius  Sabinus  263,  10. 
Clodius,  Ser.  156,  9. 
Clodius,  Sex.  207,  5. 
Clodius  Turrinus  263,  3. 

10. 
Clodius  TuBCUB  258,  6. 
Cluentio,  pro  176,  15. 
Cluvius  Bttfus  809,  2. 
CocceiuB  Nerva  276,   2. 

filius  293,  2.  Kaiser  325, 

1. 
codex    GregorianuB    und 

Hermog.  389.    Theodo- 

sianus  454.  luatinianeoi" 

480, 4  f.  Salmasianua  486, 

8.    Yossianua  304.  469, 

14. 
Codrus  228,  1.  —  819,  3. 
Coelius  8.  Caelius. 

Coeranua  294,  8. 
coUatio  legum  mos.  432. 

coUegium  poetarum  92, 7. 

129,  3. 
coloniarum  libri  339,  4. 

Columella  288.  M.  Colu- 
mella  288,  1. 
columna  rostrata  81,  4. 
comici  15,  1. 
Cominianus  400,  1—3. 
Cominius  (P.)  43,  4. 
Cominius  269,  3. 

commentarii  von  Cicero 
177,  4  vgl.  171,  3;  185, 
4;  von  Caesar  193;  von 
Gajus  367,  4. 

commentarii  augurum  75, 
2. 

commentarii  censorum  76, 
3. 


Alphabetisches  BegUter« 


1145 


commentarii       consulutn 

etc.  76,  1, 
commentarii  magistratu- 

um  76. 
commentarii     pontificuro 

71. 
commentarii  XVvirum  75, 

4. 
commentarii  recfam  70. 
commentator  Cmquianus 

ComminianuB  400,  1 — 3. 
Commodianua  380. 
Commodns  365,  1  f. 
commonitorium  des  Vin- 

centius  451;  de»  Orien- 

tiuB  457,  8  f. 
communeshistoriae  146,4. 
comoedia   12,   1.    15,   1. 

16,  2.  17,  2. 
connputuB  paschalis  475, 2. 
confeBsiones  des  Augustin 

434,  9. 
ConBentiuB  459,  5.  Gram- 
matiker 465,  3. 
Consolatio  des  Cicero  183, 

1.  des  Boetins  470,  3  f. 
Consolatio  ad  Liviam  246, 

6. 
Oonsonanten    (auslauten- 
de)  unhörbar    415,    2. 

143,  3. 
Constantinus,  Kaiser  395, 

1  f.  396.  1  f.    Beden  auf 

ihn  387,  8.  396,  4  —  7. 

vgl.  397,  3.  4.  6.  398,  1  f. 

421,  13. 
Constantinus,  Jurist  480, 

4—6. 
Constantius     ( Sohn    von 

Constantin)  395.  2.  396, 

1  E.  Beden  auf  ihn  387, 

8.anihn406,4.  411. 1.4. 
OonstantiuB  Afr.  426,  7  f. 
Constantius  des  Sidonius 

459,  10.  460,  6. 
Constitutiones  47.  2.  vgl. 

889,  2.  Sirmondi  454,  8. 
consulere  46,  5. 
Consulnverzeichnisse    73, 

2—5.  407,   2  (III).    463, 

5.  475,  3. 
consultatio  455. 
Contamination  16, 10.  vgl. 

222,  2. 
controversiae  44.  5;    des 

Seneca  264,  4  ff. 
coHuersio  475,  2  M. 
Copa  225,  4   mit  A.  1  f. 
Corbulo  286,  3. 


Cordubenses  poetae  247^ 

10. 
Cordus  6.  CremutiuB  und 

luniuB. 

Corinna  243,  2. 
CorippuB  484,  1—3. 
Cornelia  (Briefe)  122.  6. 
Comelianae    des    Cicero 

177,  1.  : 

Cornelius  93,  8. 
Cornelius,  L.  160.  6. 
Cornelius  Alexander  257, 

1.  Alpinus  189,  9  g.  E. 
Cornelius  Balbus  (maior) 

194,  2;  minor  206,  4. 
Cornelius  ßocchus  286,  4. 
Cornelius  Capitolinus  383, 

6. 
Cornelius  Celsus  275. 
Cornelius  CethegU8l22,  3. 
Cornelius  Cossus  81,  1. 
Cornelius  Epicadus  156, 8. 
Cornelius  Gallus  227. 
Cornelius  Labeo  258,  7. 
Cornelius  Lentulus  168, 7. 
Cornelius  Maximus  151.7. 
Cornelius  Minicianus  336, 

4. 
Cornelius  Nepos  195.  ^^ 
Cornelius  Priscianus  356, 

8. 
Cornelius  Scipio  s.  Scipio. 
Cornelius  Severus  247,  5. 
Cornelius  Sisenna  153, 1  ff. 
Cornelius  Sulla  154,  1—3. 
Cornelius  Tacitus  328— 

334. 
'  Cornelius  Valerianus  51,1. 
Comificia  206,  2. 
Cornificii  159,  4.  206,  2. 
Cornificius  159,  4. 
Comißcius  Dichter  206.  2. 
Cornificius   Grammatiker 

206,  2  g.  E.     • 
Comutus  240.  3.  —  294, 2. 
Comutus ,    Commentator 

des  Persius  297,  6;  des 

Juvenal  326,  7. 
Coronatus  468,  6. 
Coruinus   (Messala)    218, 

8—12. 
Coruncanius.  Ti.  87,  1.  2. 
Cosconius,  C.  145,  1. 
Cosconius,  Q.  156,  7. 
cosmographia  439, 10. 488, 

1  ff. 
Cotta,  s.  Aurelius  und  Ya- 

lerius. 
Cotta,  L.  156,  13. 
Cottius  318,  5. 


Crassicius  (L.)  258,  2. 

Crassus  s.  Licinius. 

Crates  41,  1. 

Cratinus  480,  6  E. 

Cremutius  Cordus  272,  1. 

Cremutius  Buso  336,  4. 

crepidata  14,  2. 

Crescens  354,  8. 

Cresconius  429,  6. 

Crispinus  (Plotius)  261,  3. 
—  321,  11. 

Crispus  s.  Passienus,  Sal- 
histius,  Vibius. 

Crispus,  Sohn  des  K.  Con- 
stantin 393,  1. 

Culex  225.  1  mit  A.  4—6. 

Curculio  df^sPlautus  95,  5. 

Curiatius  Maternus  313, 1 . 

Curionumfamilia  141,  12. 
vgl.  Scribonius. 

Curiosiim  urbis  Bomao 
406,  7. 

Cürius  Fortunatianus  377, 
7. 

Curtius  Tnstus  376.  5. 

Curtius  Montanus  299,  5. 

Curtius  Nicias  197,  4. 

Curtius  Bufus  2$frr 


Curtius  Valerianus  465, 10. 
Cvnegetica    des    Gratius 

248,  1 ;  des  Nemesianus 

.382.  1  f. 
Cvnthia    des    Propertius 

241.  1.  3. 
Cvnthius  Cenei  226,  6  E. 
Cypria  Dias  148.  7. 
Cyprianus  378,  1 — 5. 
Cyrilli  glossae  41,  11. 
Cyrus  438,  8. 
Cytheris  209, 1.  vgl.  227, 1. 


Dagellius  Fuscus  383,  7. 
Damasus  415.  1—3. 
Damatius  375,  11. 
Daphnis  s.  Lutatius. 
Dardanus  473,  5. 
Dares  Phryprius  464. 
Dasumius  325,  8. 
de  gebraucht  341,  6  E. 
Decianus  324,  4. 
Decius  418,  6.  441,  9. 
Decius,  P.   141,  5. 
Decius  Traianus  371,  8. 
Declamation  44,  1.  u.  S. 

419.  426.  584. 
Declamationes  des  Quin- 

tilian  820,  11. 
Deillius  250,  5. 


''¥7. 


1146 

Deiotaro  (pro)    176,   43; 

von  M.  Bnitus  309,  1. 
Delia  des  TibuU  240,  2  f. 
Dellius  250,  5. 
DelphidiuB  396,  8.  410,  3. 
Demetrianns  393,  3. 
Demetrius      (Philosoph) 

294,  7  vrI.  306,  2. 
deo  (de)  467,  6. 
deo  (de)  Socraiis  363,  4. 
deonim  (de  natura)   des^ 

Cicero  183,  10. 
depositio  epiac.  407, 2  (VI), 
ileuotiones  216,  12. 
Deuteriug  445,  7.  469,  P. 
Dexippus  383,  16. 
Dexter  429,  9.   vgl.  421, 

3.  428,  10. 
Diabolenus  337,  3. 
Diaeia  426,  9. 
dialogi  des  Seneca  284,  4. 
dialogus  des  Tacitos  329. 
Diana  des  Valcrius  Cato 

197,  1. 
Dichtergeliebte  32,  4. 
Dictinius  453,  8. 
Dictys  416,  1—5. 
Dicuil  446,  9.  vgl.  466,  8. 
Didascalica  des  L.  Attius 

129,  7. 
Didaskalien     zu    Terenz 

108,  4. 
Didius  (Epidius?)  203,  6. 
DidiuB  lulianns  365,  3. 
Dido  an  Aeneas  394,  6. 
dies  fasti  et  nefasti  72,  1. 

85,  3.  86,  2. 
diiferentiae       sermonnm 

185,  8.  342,  3  g,  E.  vgl. 

277,  3  E.  283,  6.  351,  7. 

4.38,  3. 
differentiamm  über  120, 6. 
Digesta  47,  7.  Justinians 

480,  6  f. 

Diocles  Pepar.  115,  4. 
DiocletianuB  381,  1  u.  S. 

873;  an  ihn    gerichtete 

Geschichtswerke  388,  4. 

sein  Edict  388,  12. 
Diomedes ,   Grammatiker 

412,  2  u.  7—11. 
Dionysius  ausMilet  346, 8. 
Dionysiud  (Cassins)  52,  1. 
Dionysius  Cato  24,  2. 
Dionys.  perieg.  473,  8. 
Diophanes  52,  1. 
Dioscorides  489,  6. 
Dirae  197,  2. 
•lisciplinarum    libri    des 

Varro   164,  6,  a.;    des 


Alphabetisches  R-cgister. 

•  Augustin   434,    7;     dos 

Mart.  Cap.  445,  2. 
diuerbium  13,  4.  16,  3  f. 
diuinatio     in    Caecilium 

176,  5. 
diuinatione,  de  von  Cicero 

18.3,  12. 
diuinitas  395,  4.  vgl.  424, 

2.  9. 
diurna  213,  2. 
Dodwelliana     fragmenta 

213,  4. 
dogmate    (de)    Platonis 

363,  5. 

Domitianus  314  vgl.  305. 

Domitius  347, 4.  —  459, 15. 

Domitius  Afer  271,  5. 

Domitius  Apollinaris  323, 
4. 

Domitins  Corbulo  286,  3. 

Domitius  Marsus  238. 

Domitius  ülpianns  372. 

Domnnlus  461,  1  f. 

domo  (de  d.  sua)  176,  30. 

Donatianus  423,  5.  439,  8. 

Donatisten  437,  5. 

Donatns  Aelius  404;  Clau- 
dius D.  423,  6—8;  con- 
fessor  393,  6  f. 

Dorotheus  480,  5.  6.  8. 

Dositheanum  fragmentnm 

364,  5. 
Dositheus  370,  3. 
DoBsennus  9,  3. 
Dracontius  467,  6 — 8. 
Drama  3  ff. 

Dreizahl  der  Schauspieler 

13,  4  (Tragödie).    16,  3 

(Komödie). 
Drepanius   Pacatus    419, 

8—11. 
dnbiis  (de)  nominibus  486, 

7. 
Duellius  (Duilius)  81,  4. 
duodecim  sapientes  23,  2. 
duodecim  tabulae  84. 
dynamidia  489,  5. 

E 

Earinus  316,  2  vgl.  317,  2. 
ecclesia  (de)  26,  3. 
EcdiciuB  461,  3  ff. 
Ecdidius  467,  9. 
echoici  versus  32,  9. 
edictum       ( prätorisches ) 

345, 2.  des  Cornelius  160, 

6. 
edictum  Theoderici  480, 1. 
Egnatius  189,  2. 


Egnatius  Celer  294,  8. 
Egnatius  Dexter  374,  7E. 
eldvlltcc  29. 
Einsiedler  anonym  as  406, 

8.  Gedichte  301,  7. 
Eklektiker  48. 
elegidia  32,  1.  2. 
Elegie,  römische  32. 
Ele^ker,  römische,  32, 1  f. 
elogia  79,  2  f.  vgl.  81,  8. 

128,  3. 
Etpidius  410,  4.  485,  15. 

Rusticius  Elp.  461,  1  f. 
emboliaria  und  emboiium 

7,  4. 
Empedoclea  des    Sallust 

189,  3, 
Empiriker  53. 
Emporius  41,  10. 
Encolpius  300, 3.—  377,1 1. 
Endconsonanten     unhör- 
bar 416,  2.  466,  3.  467, 

2.  468,  4. 
Endelechius  441,  1 — 3. 
Ennianista  100,  4. 
Ennius  99  —  103   vgl.   S. 

135  f. 
Ennius,  Grammatiker  156, 

13.  vgl.  188,  4. 
£nno£u8  471. 
epanaleptische  Verse  32, 

9.  vgl.  466,  2. 
ephemerides  37,  8.  89,  3; 

des  Varro  164,  6,  c.  vgl. 

208,  1. 
Epicadus  156,  8. 
epicedia  32,  7. 
epicedium  Drusi  246,  6. 
Epicharmus    des    Ennius 

102,  5. 
Epictetus  294,  4.  —  419, 

12. 
Epidicus  desPlautns  95, 8. 
Epidius  207,  4. 
Epigramm  31.  vgl.  471, 6. 
EpigrammataVergils  225, 

5,  A.  4;  des  Seneca  285, 

1;  des  Martial  317,  4  f. 
epigrammatarius  11,  3. 
Epikureismns  48  f.  49, 1 . 3. 
Epilog  16,  9. 
epimvthia  443,  5. 
Epiphanius  57,  1.  471,  a 

u.  7.  schol.  476,  10. 
epistola  Valerii  469,  7. 
epistolae    des    Ansonius 

S.  952  m. 
epistolae  ad  Caesajrem  8C> 

nem  203,  5. 
epistolae  des  Ovid  243,  3, 


AlpbabetÖBches  Register. 


1147 


cpisiolae   ex  Ponto   von 

Ovid  245,  2. 
epistolae    des    M.   Varro 

164,  6,  d.;   des  Seneca 

284,  5. 
PÜpistolographie  45. 
opitaphia  32,  7. 
Epiihalamien  22. 
Epitome  Iliadis  308. 
Epitome  des  Victor  408,  3. 

luliani  480,  9. 
Epoden  des  Horaz  232. 
^ncodov,  iictpSoe  231,  1. 
Epos,  römisches  19  fF.  vgl. 

S.  424. 
Eprios  Marcellus  292,  8. 
Eraiosthenes.  223,  2. 
Erdkarte  446,  9. 
Erigone  187,  2. 
Eros  s.  Staberins. 
erotische  Anthologie  31, 1. 
erotische  Dichter  31,  1. 
Erotopaegnia  des  Laevius 

148,  5  f. 
Erucius  168,  10. 
EruciuB  Clarus  336,  4.  — 

353,  6. 
Est  et  non  225,  5,  A.  5. 
Euagrius  429,  8. 
Euangelus  438,  6. 
Euanthius  400,  8. 
Eucheria  32,  2.  486,  2. 
Eucherius  460,  6.  vgl.  .72, 

10. 
Euclerius  469,  9. 
Enemerus  des  Ennius  102, 

Eugamius  375,  10. 
Engenius  420,  3w  —  462, 4. 

Tolet.  486,  3. 
Eugippius  485,  10. 
Eiigraphius  108,  3. 
Euklid  489,  2. 
ßumenius  387,  7 — 9. 
Eumolpus  300,  3. 
Eunapius  446,  5. 
Eunuchus  des  Terenz  109, 

2. 
Euqdius  449,  5. 
Euodug  280,  2. 
Euphorien  32,  1.   227,  1. 
Eurich  460,  2  vgl.  459,  7. 

461,  8.  480,  2. 
Eusebius  396,  3.  419,  6. 

459,  16.  vgl.  428,  7. 
Eustachius  438,  4  f. 
Enstathius  422,  6. 
Eustochium  428,  2.  4. 
Eutrandus  486,  4  E. 
Eutropius  409,  1  — 6.  — 


424,  6.  —  433,  3  f.  — 

459,  15;  Bischof  485,  18. 
Eutyches  474,  1  f. 
Eutychms  353,  4. 
Eutychus  279,  1  -u.  2. 
excerpta  Charisii  412,  5. 
excerptaCominiani  400, 2. 
excerpta  Diomedis  412, 10. 
excerpta  Frising.  240,  7. 
excerpta  Yalesiana    421, 

13. 
exempla     des    Cornelius 

Nepos  195,  4,  3. 
exodiarius  6,  4. 
exodium  6,  4.  7,  4. 
Exuperantius  439,  4-— 6. 
Exuperius  396,  12. 


Fabel  27. 

Fabia  des  Ovid  242,  2. 

Fabian  US  360, 4 ;  Maximus 

262,7;  Papirius  261,  lOf. 
Fabü  (Chronik)  78  E. 
Fabiyus  375,  10. 
Fabius  M.  257,  6. 
Fabius  Aemilianus  137,  2. 
Fabius  Ceryllianus  383, 13. 
Fabius  Hispanus  336,  4. 
Fabius  Labeo  124,  5. 
Fabius  Marcellinus  377,  6. 

11. 
Fabius  Maximus  Cuncta- 

tor  122,  1;  Paulus  Fab. 

Max.  262,  7;  Fab.  Max. 

Servilianus  138,  3. 
Fabius  Mela  260,  6. 
Fabius  Pictor,  Q.  115;  Scr. 

139,  3. 
Fabius  Planciades  472,  2. 
Fabius  Qnintilianus  320. 
Fabius  Rusticus  309,  6. 
Fabius  Sabinus  371,  4. 
Fabiua  Severus  352,  6. 
Fabius  Sosianus  397,  2. 
Fabius  Vestalis  262, 11 E. 
Fabius  Victorinus  403,  6. 
Fabricius  Tuscus  258,  6  E. 
Fabricius  Veiento  292,  7. 
fabula  palliata,  praetexta, 

togata  u.  B.  w.  14  ff. 
fabulae  des  Hyginus  257, 5. 
fabulae  Yarronianae  94, 4. 
facetianim  libe^  334,  2. 
Fadius  Gallus  212,  2. 
Fälschungen  der  neueren 

Zeit  8.  39,  7  und  Apu- 

leius(368, 10),  Consolatio 

ad  Liv.,  Cornelius  Gallus, 


Dcxter,  Dodwelliana,  Fe- 
nestella,  Messala,  origo 
gentis  rom. ,  Orpheus, 
Sabinus,  (Sulpicia,)  Te- 
reus,  Turnus,  Vestricius 
Spnrinna. 

Faltonia  430,  15. 

familiäres,  ad  (von  Cicero) 
181,  1. 

Fannius,  C.  386,  8. 

Fannius  C.  f.  141,  9. 

Fannius,  M.  f.  142,  4. 

fasti  72.  fasti  dies  72,  1. 
85,  3.   fasti  als  Bficher 

72,  4.  fasti  consulares 
und  triumphales  73  und 

73,  1—5.  fasti  capitolini 
73,  2— 4.  fasti  sacerdo- 
tum  73,  7.  Fasti  des  Ovid 
244,  6  u.  7. 

Fatalismus  desLivius  252, 

5;  des  Trogus  253,  3. 
fato,  de  von  Cicero  183, 13. 
Faunns  64,  1. 
Fauorinus  346,  5.  3.52,  1. 
Faustinus  319,  2.  vgl.  363, 

5  f.  —  429,  5. 
Faustus  319,  5.  461,  7  ff. 

468,  3.  469,  6. 
Feldmcsskunst  56. 
Felix  (Märtyrer)   431,  4. 

vgl.  461,  7  f.  462,  2  u.  5. 

468,   1.    Orator  469,   3. 

Auch  ypl.  Cassius,  Fla- 

vius,  Minucius. 
Fenestella  254,  1 — 4.  ge- 
fälschter 254,  5. 
feriale  Cumanum    72,  8, 

Nr.  9. 
feriale  latinum  72,  7. 
Ferox  s.  ürseius. 
Ferrandus  485,  12. 
Ferreolus  459,  11. 
Fescenninen  5. 
fescenninus  5,  6. 
Festivus  8.  Aurelius. 
Festus  256,  4  f.  vgl.  370, 

7.  Rufus  409,  7  f.  Ayie- 

nus413.  Vgl.  Pescennius. 
Fctialis  s.  Annius. 
Fidus  Optatus  353,  6. 
Figulus  s.  Marcius  u.  Ni- 

gidius. 
figuris,  de  (carmen)  441, 1. 
Fimbria,  C.  145,  6. 
finalibus  (de)  syllabis  403, 

4. 
finibus,  de  von  Cicero  183, 

6. 
Firmianus  s.  Lactantius. 


.v:. 


1148 

Firmicus  Maternus  der 
Heide  401»  1  —  5;  der 
Christ  401,  6—10. 

fiflci  (de  iure")  373.  9. 

Flacco,  pro  176,  27. 

llaccuR  B.  CalpurDius,  Gra- 
niu8.  Horatius.  Persins, 
Sioulus,  Valerius,  Ver- 
riu8. 

FlaccuB,  Jambof?taph  3.^, 
2.  ans  Patavium  312,  1. 

FlaccTis  RebiuB  404.  1. 
l^latrriDs  465.  13  ff.  £. 
Flaviamis  412,  6.  413,  5. 
421,  1  f.  4.'>2,  1. 

Flayischo  Dynastie  305. 
Flaving,  rn.86,  1—3. 
Flaviufi  ArchippuB  324, 7. 
Flavins  Paper  338,  3. 
FlavitiB  CharisinB  412, 1  ff. 
FlaviuB  Eutropins  424,  6, 
Flaviuß  Felix  468,  1. 
FlaviuE  Fimbria  145,  6. 

Flavins  graminaticas  393, 

1. 
Flavias  Mallius  Theodo- 

ni8  436.  3. 
FlaviuB  Merobaiides  457, 

1—4. 

FlaviuB  NicetiuB  459,  12. 
FlaviuB  Ryaffri««  420,  2. 
Flavius  Theodorus  473,  3. 

474.  3. 

Flavius  Vepretius  424. 
Flavius  ürsus  321,  10. 
Flavius  Vopiscus  397,  2. 
Flavus,  s.  Alfius,  Sergius, 

Verginius. 

Florentina  485,  8.  486,  3. 

Florentinns  874, 4,  410,  2. 

411,  4.  433,  5.  468,  2. 

florentinus  index  480,  7. 
Florianus  483,  2. 
Florida  des  Apnleius  363, 

Florus  (M.)  320,  11.  und 
^(xescbichtschreiber)  343. 
Vgl.  Annius  und  lulius. 

foedera  66  f. 
FontanuB  29,  2. 
Fonteio,  pro  176,  12. 
Fonteius,  M.  397,  2. 
Forfunatianus,  8.  Atilius, 
Chirius,  CuriuB. 

FortunatuB ,  b.  Yenantius. 
fragmenta  vaticana  399, 

4—10. 
fragmenta  XJlpiani  372,  3. 


Alphabetisches  Begisiur. 

Fra^rmente  Cicero's  176,6. 
fragmentum  Dosith.  364, 

5.    de  iure  fiaci  872,  9. 

am  CeuBorinuK  375,  7. 
Franco  470,  6  E. 
fratres  arvales  68. 
Freinsheim  251,  12. 
FrigeriduB  453,  9. 
Frontimis  322. 
Fronte,  Redner  351 ;  Scfatl- 

1er  des  Fronte  360. 
Fronto  (Cos.  96)  322,  4  E. 

Stoiker  324,  3.  vsfl.  351, 

12.-  AstrolofiT  50,  2.  Auch 

8.  Catins,  Papirius,  Vic> 

torinuB. 
FnficiuB  55,  1. 
FufidiuB  293,  5. 
Fnfins,  L.  150,  4.    Trap 

ffftde  13,  6. 
FulciniuB  387,  10. 
Ful^ntins  226,   6.    472. 

485,  12.    487,  1. 
FulloniuB  8atuminu8  402, 

3. 
Fulvius  AsprianuB  8ft8, 14. 
FulviuB  FlaccuB  141,  3. 
Fulvius  MaximuB  88.  8. 
FulviuR   NobilioT,   Vater 

und  Sohn   125,    1  u.  2 

Vffl.  99,  4  f. 
Fulvius,  Ser.  189,  8.  141, 

12. 
Fulvius  Sparsus  268,  10. 
Fulvius  Valens  845,  5. 
Fundania  166,  1. 
Fundanius  237.  2. 
Furii,  Grabschriften  81, 6. 
Furius  137,  6. 
Fnrius  (A.)  poeta  133,  4. 

vjrl.  146,  4. 
Furius  Alpinus  189.  9. 
Furius  Anthianus  374.  6. 
Furius  Bibaculus  189, 8  ff. 
Furius  Camillus  171.  8. 
Furius  Philocalus  72,  9. 

vgl.  407,  2  (1).  415.  2. 
Furius  Philn«  137,  6. 
Furius  Placidus  897,  2. 
Fumii  206,  9. 
Fnscus,  s.  ArelliuB,  Ari- 

stius,  Da^Uius. 
Fusius  Philocalus  33,   3. 

353,  8. 

G 

Gabinianus  310,  2. 
Gaetulicns  286,  1. 


Gaianus  390,  1. 

Gaius  357. 

Galba,  s.  Sulpicius. 

Galenus  359, 11  vgl.  489. 7. 

Galeriu8  Trachalua  292, 6. 

Gall  icanus     ( V  ulcatius ) 
388,  6. 

gallicnm  bellum  Caesars 
193,  7  f.  Buch  VIII 194.  .S. 

Gallienus  381,  2  u.  S.  87.'^. 

Gallio  (L.  Iuniu8^  263,  7. 

gallische  Redner  8. 74  virl. 
8.  584,  A.  5.  882f.  u.  384, 
10.  459". 

GalluB  320,  7;  371,  9;  s. 
Aelius,  Antipaier,  Aqui- 
lius,  AsiniuB.  Cornelius, 
FadiuB,  Sulpicins. 

Gallus,  T.  465,  13. 

Gannius  19«  8. 

Ganrilius  Martialis  876.^ 

Gaudentius  465,  13. 

Gavius  Bassus  207,  6. 

Gavius  8abinu8  u.  Silo 
268,  10. 

(Telasius  462,  5. 

Gellius,  A.  361. 

Gellius,  Cn.  142,  1. 

GelliuB,  L.  150,  7. 

Gellius  (Jurist)  171,  5. 

Geminus  s.  Tanuaius,  Va- 
riuB. 

genealog^ae  des  Hyginus 
257,  5. 

^eneribus  (de)  nom.  486, 7. 

Genesis  457,  5. 

Gennadius  317,  8  E.  410, 
1.  —  462,  13. 

gente  (de)  pop.  rom.  161, 
4d. 

Geographie  58. 

Geographos  Ravennas 
488,  4  ff. 

Geometrie  bei  den  Rö- 
mern 50,  1. 

Georgica  des  Vergil  223. 

Germanen  in  der  Litera- 
tur 446,  2.  vgl.  450,  2. 

Germania  des  Tacitus  331. 

Germanicus  270,  4 — 11. 

GoBchichte  bei  den  Rö- 
mern 86—39.  Vgl.  S. 
259  f.  419  f. 

Getarum  de  orig.  475,  4. 
477,  2  f. 

gotisches  Gedicht  245,  6. 

Gigantomachia  des  Clau- 
dian  438,  5. 

Gildas  Sapiens  478,  1  f. 


Alpbabetisclies  Register. 


1149 


Grildonicom  bellum  433, 3. 

glandes  215,  9. 
^litius  Felix  226,  8. 
gloria,  de  von  Cicero  183, 

15. 
GloBsae  desPetronius  300, 

2.    zum  Corp.  iur.   480, 

10.  12. 
Glossare  41,  7  ff.   plauti- 

nische  98,  5  f. 
Glossatoren  480,  10. 
Glossen,  altbocbdeutsche 

398,  8. 
Glossographen   41,   7  ff. 

plautiniscbe  98,  5. 
Glycera  des  Tibull  240,  2. 
Gnipbo  8.  Antonius, 
goldenes     Zeitalter     der 

röm.  Literatur  S.  255. 

Gordianus  371,  6. 
Gorgias  265,  1. 

Grabschnften  des  Plautus 

u.  s.  w.  114,  2.  vgl.  216, 

13. 
Graccbanus,  lunius  143, 2. 
Gracchen  140  u.  s.  Sem- 

pronius. 

Gracchus,  Tragiker  249, 7. 
Graecinus  des  Ovid  242,  2. 

Auch  s.  lulius. 

grammatica  (de)  403,  5. 
434,  7  g.  E. 

Grammatik  und  Gramma- 
tiker 41  vffl.  156. 

grammatische  Schriften 
des  M.  Varro  164,  6,  e. 

Granianus  (lulius)  375, 10. 
Granius  Flaccus  196,  15. 
Granius   Licinianus   355, 

4—7. 

Gratia  351,  2. 
Gratianus  395,  2.  417,  1. 
Gratius  Faliscus  248,  1. 
Gregorianus  (codex)  389, 

1  u.  2. 
Gregorius  (Redner)  419,  3. 

von   Tours    478,    3  — 8. 

vgL  483,  4.  6.  7.   Papst 

(Gr.  1)  485,  1^7. 
griechischer    Einfluss    in 

Rom  unditalien,  S.  127ff. 

256  ff. 
Grillius  439,  9. 
groma  56,  3. 
gromatici  56.  Vgl.  164,  6, 

b.  322,  2  f.   (Frontinus). 

339.  440. 
Guido  Pis.  488,  5.  8. 
Gundobada  480,  3. 


Uadrianus  341. — 433, 6. 8. 
üalcyone  des  Cicero  186, 2. 
UaLieutica  des  Ovid  245, 4. 
hannibalischer  Krieg    S. 

128  f. 
haruspicum  reeponsis  (de) 

176,  31. 
HaterianuB  383,  4. 
UateriuB,  (j.  262,  5. 
üatilius  106,  2. 
Heautontimorumenos  des 

Terenz  109,  3. 
Hebdomades    des    Varro 

164,  5.  S.  274. 
Hecyra  des  Terenz  109,  5. 
Heüuphagetica  102,  4. 
Hegesippus  416,  6 — 8. 
Ueiikundo  53. 
Ueienius  Acro  370,  1. 
UeliodoruB,  Stoiker  324, 5. 

Metriker  347, 9.  vgl.  437,' 

0. 
Heliogabalus  371,  3. 
HeiiuB  Cordus  s.  Aeüus. 
Helius  Maurus  377,  10. 
Heipidius  410,  4.  461,  1. 
Helvia  264,  1  u.  2.  282, 1. 
Ueividius  437,  6. 
Helvidius  Priscus  294,  12. 

iSohn  319,  5. 
Ueivius  Cinna  210,  2  f. 
Heivius  Pertinax  360,  12. 
hemerologia  72,  5  und  8. 
Hemina  s.  Cassius. 
Uendekasyliaben  33, 1—8. 

34,  2. 
herbarum  de  virt.  363, 7  b. 
Uerculis  laudes  382,  6. 
Hereuniua  221,  3.  Rheto- 
rik ad  Herennium  159. 
Uerennius  Baibus  200,  5. 
Herenmus        Modestinus 

374,  7. 
Herenmus  Pollio  336,  4. 
Herennius  Senecio  321,  7. 
Hermagoras  43,  10. 
Hermogenes  314,  6. 
Hermogenianus    389,    4; 

codex  389,  3. 
Herodes  Atticus  352,  2. 
Herodianus,  Grammatiker 

359,  9.  Geschichtechrei- 

ber  377,  4. 
Heroides  25,  2 ;  des  Ovid 

243,  3. 
Heron  489,  4. 
Heronius  459,  13. 
He8periu8414,2. 3  (gu.m). 


Hexaemeron  467,  5.  vgl, 

430,  1.  458,  1. 
Hexameter  19,  2. 
hexametro  (de)  403,  5. 
Hieria  221,  2. 
Hierius  419,  7. 
Hieronjmus  428.  vgl.  488, 

1. 
hieroBoljmitanum    itine- 

rarium  406,  3. 
Hilario  436,  1. 
Hilarius  vonPoitiere  411, 

1—3;   aus  Arles  450,  7 

vgl.  453,  1. 
hiiaro-tragoedia  18,  2. 
Himerius  410,  10. 
Hinkiamben  33,  1—3. 
Hippocrates  489,  5. 
Hippolytus    aus     Portus 

377,  3E.;  vgl,  388,  3  (IX). 
Hirtia  rogatio  215,  7. 
Hirtius,  A.  194,  1  u.  2. 
hispaniense  bellum  194,3. 
historia  37,   4;    augusta 

388 ;  miscella  39, 5.  Apol- 

Jonii  481. 
Historiae  des  Sallust  203, 

4;  des  Asinius  Pollio  218, 

3;    des   Plinius  307,  5; 

des  Tacitus  332. 
Historiker,  römische  36  ff. 
histricum  bellum  129,  1. 
Hochzeitslieder  5,  4  f. 
Hoenus  459,  4. 
Homerus  latinus  303. 
Honoratus  404, 5.  —  462, 

6  u.  7. 
Honorius  483,  13.    Auch 

8.  Julius. 
Horaz  229—235  u.  S.  417 

(A.  1)  f.  422.  424.  425  t. 

Reminiscenzen  aus  Lu- 

cretius  201,  2  g.  E.  metra 

horatiana  400,  7.  403,  3. 
Hortensia  206,  14. 
Hortensius  168,    1  u.  2. 

Schrilt  des  Cicero  183,  :>. 
Horus  422,  5. 
Hosidius  Geta  365,  7. 
Hostilius,   Mimograph  8, 

1.  Philosoph  306,  2  g.  E. 
Hostius  129,  1. 
Hyginus  257;  gromaticns 

339,  1  t. 
hymni  21, 4.  483, 9.  485,  t. 
Hypsicrates  156,  12. 


I  langes,  S.  262  mit Anm.  3. 


1150 


Alphabotiflcbcfl  Register. 


Tacchus  41,  1  E. 

iambi  des  Horaz  232,  1. 

lambographen,  römische 

33,  1  f. 
lambns  33. 
hvnthis  318,  1. 
lanuarius  Ncpoiianus  274, 

10. 
lavolenua  Priscns  337,  3. 
Ibis  des  Ovid  245,  3. 
IdaciuB  463,  3  f. 
Idyll  29. 
Idyllia  des  Ausonius  414, 

3  k ;  des  Claudianus  433,7. 
IguTinae  tabulae  65. 
Ilias,  lateinische  303. 
illustres  viri  des  Cornelius 

Nepos  195,  5;  des  Sueton 

342,7;  des  Victor  408,  2; 

des  üieronymus  428,  10. 
iniagines  des  Varro  164, 

5.    8.  274;    des  Atticus 

169,  2,  d. 
imperio  Pompei  (pro)  176, 

14. 
Improvisieren  208,  2. 
index  florentinus  480,  7. 
indigitamenta  71,  2. 
Indignatio    des   Valerius 

Cato  197,  1. 
Ineptiae  239,  2. 
Innocentius  437,  6.    6ro- 

mat.  440,  3. 
Inschriften  40;  auf  Weih- 
geschenken u.  dgl.  81; 

vgl.  114.   128.  136.  160. 

215.  326,  8. 
Instituta  artium  295,  8  f. 

Inst,  des  Gajus  357,  2.  4. 
Institutio     oratoria     des 

Quintilian  320,  7  ff. 
Institutiones   47,  8.    des 

Gajus  357,  4  f.;  des  Ul- 

pianus  372,  4;  des  Lac- 

tantius   393,    4  f.;    des 

lustinianus  480,  8. 
Instructiones  des  Commo- 

dianns  380,  2. 
Invectiva    in    Ciceronem 

203,  6. 
inventione,  de  von  Cicero 

179,  1. 
lo  von  Calvus  210,  7. 
loannes  437^  6.  480,  4  f. 
loannes  Bicl.  476,  6. 
loannes    Cassianus     450, 

1—3. 
ioci  Ciceronis  188,  2;  vgl. 

185,  9. 
Joculatoren  8,  8. 


lohanuis     des     Corippus 

484,  1. 
lona  (de)  369,  6. 
lordanes  Bischof  477,    1. 

483,  13. 
lordanis  477. 
losephus  306  E.    309,  5. 

314,7.  Uebersetzung416, 

6—8. 
lovinus  8.  Bomanins. 
ira  (de)  des  Seneca  284, 

4,  3  ff.;   de  ira  dei  von 
'  Lactantius  393,  6. 
Isaeus  336,  6. 
isagogische  Literatur  2, 3. 
Isidorus  Hisp.  487. 
Ister  B.  Aethicus. 
itala  416,  11. 
'itaXiXTi  18,  1. 
Italiens,  s.  Silius. 
Iter  des  Caesar  192,  3; 

des  Baibus  206,  4. 
Itineraria  58  (S.  101).  406. 
luba  (Metriker)  375,  2  f. 
iudicium  mortis  135,  2; 

pistoris  358,  10. 
lugurtha  des  Sallust  203,3. 
lulia  die  jüngere  242,  3. 

Livilla  282,  1. 
lulianus,  s.  Anicius,  An- 
tonius, DidiuB,  Salvius. 
lulianus  Aeclan.  437,  4. 

Pom.  462, 9.  Jurist  480, 9. 

Toletanus  486,  6.    cos. 

473,  2. 
lulianus,  Kaiser,  395,  2  u. 

4.  410,  7  f.;  vgL  402,  1. 
luliuB  (C.)  Senator  126,  1. 
lulius  Africanus  292,  4; 

vgl.   336,    4.     Chronist, 

377,  3. 
lulius  Aquila  374,  5. 
lulius  Aquilinus  360,  9. 
lulius  Atherianus  383,  4. 
lulius  Atticus  278,  5. 
lulius  AvituB  327,  9. 
lulius  Bassus  249,  4. 
lulius  Caesar   (Dictator) 

191—193;  Strabol50,3; 

L.  196,  12. 
lulius  CaliduB  208,  6. 
lulius  Capitolinus  397,  5. 
lulius  Celsinus  353,  1. 
lulius  CelsuB  337,  1. 
lulius  Cerealis  319,  3. 
lulius  Exuperantius  439, 

4—6. 
lulius  Florus  28,  4  (Sa- 
tiriker). 292,  5  (Redner). 

343,  1  (Historiker). 


luliua  Frontinns  322;  vgl. 

376,  10. 
lulius  Gabinianus  310,  2. 
lulius  Genitor  336,  6. 
lulius  Graecinus  278,  6. 
lulins  Granianua  375,   10. 
lulius  Hilario  436,  1. 
lulius  Honorius  439,  10. 
lulius  HyginuB  257. 
lulius  Kanus  294,  6. 
lulius  Marathus  254,  9. 
lulius  Modestus  277,  1. 
lulius  Montanus  247,   13. 
lulius  Obsequens  409,  9. 
lulius  orator  439,  10. 
lulius  Paris  274,  4.  9.  11. 
lulius  Paulus  (Jurist)  373 ; 

poeta  349,  4.   Gramma- 
tiker 142,  5  E. 
lulius  Komanus  375,  1. 
lulius  Rufus  306,  5. 
lulius  Secundus  310,  4. 
lulius  Sererus  436,  3. 
lulius  Solinus  385. 
lulius  Tiro  321,  2. 
lulius  Titianus  360,  10. 
lulius  Valerius  388,  11. 
lulus  Antonius  237,  6. 
luncus  326,  1. 
lunilius  485,  13. 
lunius,  D.Brutus  209,  5. 

M.  Brutus,  Jurist  139,  2. 

M.  Brutus,  Caesarmörder 

209,  1 — 4.  Briefwechsel 

mit  Cic  181,  4. 
luniuB  CongUB  143,  3. 
lunius  Cordus  377,  7. 
lunius  Gallio  263,  7. 
lunius  Gracchanus  143, 2. 
lunius  luvenalis  326. 
lunius  Mauricianus  356, 5. 
lunius  Maxijnus  324,  1. 
lunius  Messala  397,  2. 
lunius  Nipsus  440,  2. 
lunius  Otho  263,  8. 
lunius  Philargyrius  465, 

13. 
lunius  Busticus  314,  6.  -^ 

364,  3.    Arulenus  324,  2. 
lunius  Silanus  271,  8. 
iure  civili  (de)  184,  2. 
Jurisprudenz  46  f.;    vgl. 

399.  S.  420. 
ins  aelianum  86,  3. 
ins  flavianum  86,  3. 
ins  papirianum  69. 
ins  pnncipale  454. 
lustmianus  (Kaiser)  469, 

2 ;  vgl.  480.  Bischof  485, 

14, 


Alphabetisches  Register. 


1151 


Instiiius  253,  4  ff.  Christ 
354,  8.  Kaiser  484,  2. 
Faustinus  858,  1. 

lustua  486,  16.  Vgl.  Cur- 
tins  u.  Fapirius. 

luvenalis  326. 

lavencns  898,  4 — 7. 

luventius,  PaHiatendich- 
ter  113,  1.  Jurist  151,  3. 

luventias  Celsus  der  Va- 
ter 311,  4;  der  Sohn 
337,  2. 

luventius  Martialis  344, 2. 


Eaiserzeit  266  f. 
Kalendarium  72.    Pincia- 

num,  Maffeianum,  Prae- 

nestinum  etc.  72,  8. 
Kalender    (vollständige) 

72,  9;  vgl.  407,  2(1). 
Kalender&uchstücke?  2,8. 
Kanus  (lulius)  294,  6. 
Kameades  48. 
Karthago  446,  2;  Vertrag 

mit  67,  1. 

Kinderlieder  11,  2,  c. 
Kirchenlieder  11,  3. 
Klosterannalen  33  £. 
Komödie,  attische  15,  2. 

16,  1. 
%(Oft>aidotQ€cy<p6ia  18,  2. 
Kosmographien  488. 
Kriegsgeschichte         und 

Kriegswissenschaft  54. 
Kunstdrama  12. 


Labeo  (Dichter)   303,  5. 

Auch  s.  Antistius,  Attius, 

Cornelius,  Fabius. 
Laberius  189,  7. 
LabienuB,  T.  262,  10. 
Lachanius  447,  1  f. 
L  actantiuB     ( Firmianus ) 

393. 
Lactantius  Placidus  316, 

13. 
LaeliuB,  der  Vater  122,  5. 
LaeliuB,  der  Sobn  137,  3. 
Laelius  des  Cicero  183, 14. 
Laelius  Archelaus  147,  4. 
Laelius  Baibus  271,  9. 
Laelius  Felix  337,  7. 
Laenas  s.  Popillius. 
Laevinus  338,  6. 


Laevius  148,  5  ff. 
Lampadio  s.  Octavius. 
Lampadius  419,  12. 
LampridiuB  397, 4.  459,  6. 
Landwirtschaft  52. 
Larcius  323,  7. 
Largius  Licinus  323,  7. 
Largus  247,  8;   auch  s. 
Licinius  ur  Scribonius. 

Latiner,  Historiker  der- 
selben 36,  3.  Redner  43, 
4.  Vertrag  mit  den  L. 
67,  3. 

Latinus  319, 5.  Drepanius 
419,  8  ff. 

Latro,  8.  Porcius. 

LatronianuB  415,  8. 

laudatio  Caesaris  und  Por- 
ciae  von  Cicero  177,  5. 

laudatio  Catonis  von  Ci- 
cero 177,  6. 

laudationes  funebres  42, 
3.  43,  2.  79,  4—7  •,  auf 
Murdia  352,  5. 

laudes  Herculis  u.  dgl.  21, 
4. 

Lauinius  338,  6.  vgl.  106, 
6. 

Laurentii  epithalamium 
22,  2  u.  433,  9. 

Laiurentins  Lydus  258,  6. 

Laureolus  280,  1. 

Leander  485,  8. 

leges  regiae  68. 

legibus,  de  von  Cicero 
183,  2. 

legis  actiones  85,  2.  86, 3. 

Lehrgedicht  23. 

Leinwand  77,  2. 

XeinoyQdfifuxzoi  472,  10. 

Lenaeus  207,  3. 

Lentuli  168,  7. 

Lentulus  Gaetulicus  286, 
1. 

Lentulus,  Mimograph  8, 1. 

Leo,  M.  452.  Bituric.  453, 
6.  bei  Sidonius  459,  7. 

Leontius  460,  1  u.  4.  461, 
8.  467,  2.  Vgl.  Pontius. 

Lepidus  s.  Aemilius. 
Leporius  449,  3. 
Lesbia  des  CatuU  211,  3. 
lex  agraria  160,  5. 
lex  Antonia  215,  4. 
lex  Burgundionum  480,  3. 
lex  Cornelia  215,  2. 
lex  dei  432. 

lex  de  quaestione  perpe- 
tua  160,  3. 


lex  Icilia  67,  6. 

lex  Julia  municipalis  215, 

6. 
lex  parieti  facieudo  160, 7. 
lex  repetundarum  160,  2. 
lex  romana  Visig.  480,  2. 
lex  Rubria  215,  5. 
lex  tribunicia  67,  5. 
Lexikalisches  41,  7. 
Libanius  410,  11. 
Liberalis  s.  Salviua. 
Liberius  466,  5  E. 
Libo  169,  6.  und  s.  Scri- 
bonius. 
librae  (de  partibus)   473, 

10. 
libri  auguralcB  und  augu- 

rum  75,  1  uud  2. 
libri  oensorii  76,  3. 
libri  coloniarum  339,  4. 
libri  lintei  77,  3. 
libri  magistratuum   76  f. 
libri  pontificum  71. 
libri  sacri  71,  2. 
libri  Saliorum  75,  3. 
Licentius  441,  4—6. 
Licinianus,   Bischof  485, 

16;  auch  s.  Graniusuod 

ValeriuB. 

Licinius  Calvus  210, 5 — 7. 
Licinius,  L.  Crassus  der 

Redner  149,  3  f. 
Licinius,  M.  Crassus,  Illvir 

158,  1.  168,  3. 
Licinius,  P.  Crassus  122, 4. 
Licinius,  P.  Crassus  Mu- 

cianus  139,  5.  vgL  141, 1. 
Licinius  Imbrex  106,  4. 
Licinius  Largus  290,  1. 
Licinius  Luculius  154,  4  f. 

sein  Bruder  168,  4. 
Licini\is  Macer  153,  5  ff. 

vgl.  210,  5. 
Licinius  Maenas  52,  3. 
Licinius  Montan us  360,  H. 
Licinius  Mucianus  309,  ] . 
Licinius  Nepos  336,  5. 
Licinius  Nerva  145,  7. 
Licinius  Rufinus  374,  1. 
Licinius  Sura  321,  14. 
Licinius  Tegula  30,  1. 
Licinus,  s.  Clodius,  Lar- 
gius u.  Porcius. 
Ligario  (pro)  176,  42. 
Liguriuus  319,  5. 
Lilon  Cicero's  186,  3. 
lingua    latina    (de)    des 

Varro  166  vgl.  164,  6,  e. 
Litorius  458,  1. 
Livius,  T.  251  f. 


I 


1152 


AlphabeUticlicä  Hegiater. 


LiTius  Androiiicus  92. 
Lirius  Drusua,  C.  144,\4. 
LiTioa  DruBUfl,  M.  141,  11. 
Lobgedichte  21. 
Ijobiieder  auf  Verstorbene 

80. 
Lobreden  auf  sie  79. 
Logistorici  des  M.  Varro 

lö4,  2. 
Lollianua  346,  7. 
LoUianus  (Mavortias)  401, 

1. 
LoUius  212,  3. 
liOllius  Urbicus  377,  12. 
LonginuB  293,  2.  Ygl.  Cas- 

sius. 

LongalanuB  262,  11  g.  E. 
Lucanas  298. 
Lucceius  Albinus  336^  4. 
Lttcceius,  L.  169^  5. 
Lucianus  350,  4. 
Lucifer  411,  4. 
Lucilius,  C,  der  Batiiiker, 

132. 

liucilius  des  Beneca  284, 

"  1.* 
o  t. 

Lucilius  Balbus  151,  3. 

Lucilius  lunior  302 ,  2  ff. 

Lucilius  441,  9. 
Lucretius  456,  4. 

Lucretius  Carus  201.  Tg). 
224,  6  g.  K. 

Lucretius  Vespillo  262,  4. 

Lucretius  Vispilio  151,  4. 

Lucullus  154,  4  f.  des  Ci- 
cero 183,  7  mit  A.  1  f. 

ludi  8.  129  ff.  133  f. 
Lupus  247,  8.  Bischof  450, 

8.   Vgl.  459,  12  n.  Ruti- 

lius. 

Luranius  218,  10  g.  E. 
Luscius  Lavinius  106,  5. 
Lutatitts,  Q.  Catulus  146, 

4.  vgl.  133,  4. 

LutatiuB  Daphnis  156,  1. 
Lutatius  PlaciduB  316, 13. 
Lutorius  Priscus  269,  2. 
Luxorius  468,  3—5. 
Jjycoris  227,  1. 
Lydia  des  Valerius  Cato 

197,  1;  andere  197,  2. 
Lydus^  s.  Lauren tius. 
Lygdamus  240,  4. 
Lynceus  239,  3. 
Lyrik  30  ff.  vgl.  S.  424. 
lyrische  Dichter  30.   33. 

34. 
lyrische  Gedichte  des  Ho- 

raz  233. 


M 

Macarius  437,  6. 
macaronische    Poesie    S. 

962,  Z.  3  tf. 
Maccius  (Macius)  Plautus 

94—98. 
Maccus  9,  3. 
Macedo  354,  5. 
Macedonius  466,  1.  5. 
Macer,  s.  Aemüius,  Lici- 

nius,  Pompeius. 
Macharius  466,  6. 
Macius  94,  1. 
Macrinns    355,    1      Vgl. 

Opilius. 
Macrobius  438. 
Maecenas  217, 6—9.  ygl.  S. 

422.  Elegieen  aulM.  225, 

5  A.  6. 

Maecianos  356,  7. 
Maecius  Tarpa  190,  1. 
Maenas  s.  Lioinius. 
Maeonius  Astyanaz    38.'{, 

5. 
Maevii  fratres  304,  1. 
Maevius  228,  2. 
magische  Literatur  401, 3. 
Magius  251,  7. 
Magnus  Arborius  410,  5. 
Mago  52,  1  f. 
Maiorianus  437,  4  vgl.  2. 
Mallius  155, 1.  Theodorus 

436,  3. 
Mamertinns  387,  4.  Clau- 
dius M.  41Ö,  7  f. 
Mamertus     (Claudianus) 

461,  8—6. 
Mamilius    und    Manilius 

155,  1. 
Mamilius  Sara  157,  3. 
Mamurra  206, 13  vgl.  211, 

5. 
Manichaei  434,  8. 
Manilia,  pro  lege  176,  14. 
Manilios  196,  17.    Astro- 

nomica  248,  2—8. 
Manilius  Antioch.  208,  2. 
Manilius,  C.  200,  3. 
Manilius,  M*.  139,  1. 
Manlius,    L.   155,  1.    T. 

Torquatus  168,  10. 
Manlius  Vopiscus  319,  2. 
Manneius  215,  13. 
manumissionibus  (de)  364, 

5. 
Marathus  240^3.  Auch  s. 

lulius. 
Marcellinus,  s.  Ammianus, 

f  abius,  Valerius. 


MarcellinuB  bei  Augustin 

434,  10.  vgl.  459,  14. 
Marcellinus  Comes  47C,  1  f. 
Marcello,  pro  176,  41. 
Marcellus  196,  10.  —  386, 

1.  —  426,  1;  auch  s. 
Claudius,  Eprius,  Max- 
ciuB,  NoniuB,Pomponiu9, 
Victorinas,  Ulpius. 

Marcellus  Empiricus  (Bur- 
dig.)  426. 

Marcia  272,  1. 

Marcianus  379,  2.  Auch 
vgl.  Aelias  u.  Martianua. 

Marcius  Figolus  139,  G. 
Marcius  Marcellus  271,  1. 
Marcius  Philippus  150,  2. 
Marcius  Salutaris  400,  4. 
Marcius  vates  64,  1  f. 
Marcomannas  396,  10. 
Marcus  410,  4. 
Marianus  379,  2. 
Marillus  263,  2.  10. 
Marinianus  419,  12. 
Marius  (Dichter)  247,  12. 
Atin.  319,  1. 

Marius  Avent.  476,  5. 
Marias  des  Cicero  186,  2. 
Marius  Maxünos  377,  5  f. 
Marias  Mercator  449,  1. 
Marius    Victorinus    403, 

1—7. 
Maro  s.  Vergilius. 
Mars  62,  5. 
Marsas,  s.  Domitias  und 

Vibius. 
Martialis  317.  Vgl.  Gargl- 

lius. 
Martianus  Capella  445. 

Martinas  Dumiensis  284, 
10.  485,  9.    Turonensis 

435,  5.  vgL  467,  3.  483,  6. 

Martins  459,  4. 
martyrologiam407, 2  (VI). 

MaruUos  (Mimograph) 
359,  7.   VgL  Manilas. 

Maskea  in  der  AteÜana 
9, 4.  in  der  palliata  16, 12. 

Masarius  Sabinus  276,  1. 

Materaus  321,  16.  Vgl. 
Curiatius  und  Firmicas. 

matheseoB  libri  des*  Fir- 
micas 401,  3 — 5. 

Mathematik  der  Römer  50. 
Matidia  341,  4. 
Matius,  C.  205,  5.  Cn.  148, 
4. 
MatriniuB  49,  4, 


M       •■«« 


Mauoriius  469,  3. 

Mauortius  centonarius  2C, 
3. 

Mauortius  LoUianus  401, 
1. 

Maaricianos  856,  5. 

Maurus  s.  Helius,  Ser- 
yius,  Terentianufl.   ^ 

Maximianus,  Beden  auf 
ihn  387,  4—6.  8.  vgl. 
396,  6. 

Maximianns,  Grammati- 
ker 403,  4.  Elegiker  482. 

Maziminus   s.  MetroriuB. 

Maximinus  (Kaiser)  371,5. 

Maziminus       Victorinus 

.  403,  4. 

Mazimus  336,  9.  390, 1  f. 
423;  11.  462,  8.  Auch 
Tgl.  Claudius ,  Fabius, 
lunius,  Marius,  Rutilius, 
Statilius,  Yalerius. 

Mazimus  Taurin.  462,  8. 

Mazimus  Victorinus  403, 
4.     . 

Mazimus  von.  Saragossa 
486,  4. 

Medea  tou  Ovid  243,  8. 

medicamina  faciei  von 
Ovid  243,  7. 

Medicin  53;  de  medicina 
des  Celsus  275,  6. 

medicina  pliniana  425,  1. 

Mela,  8.  Annaeus,  Fabius 
und  Pomponius. 

Melaenis  238,  2. 

Melania  428,  1.  429,  3. 

Melik  und  melische  Dich- 
ter 34. 

MelisBus,  s.  Aelius. 

Melissus,  C.  239,  2. 

Melodien  zu  Horaz  233, 
11. 

Memmii  145,  7. 

Memmius,  C.  200,  2.  L. 
150,  8. 

Memoiren  37,  9. 

Memor  s.  Scaevus  und 
Securus. 

Memorialverse  23,  3. 

Menaechmi  des  Flautus 
95,  11. 

Menander,  s.  Arrius. 

Monas  52,  3. 

MenelauB  140,  5. 

Menippeae  (saturae)  28,  3. 
des  varro  168,  3. 

MenippuB  28,  8.  163,  3. 

Menna  480,  4.  5.  6  £. 

menologia  72,  5  u.  11. 


Alphabetisches  Register. 

mensores  56,  1. 
Mentula  bei  Catull  211,  4. 
Mercator  des^lautus  95, 

13. 
Mercator  (Marius)  449,  1. 

fieQlapL6s  478,  5  e. 
[erobandes  457,  1 — 4. 
Mesomedes  349,  5. 
Messala  447,  6. 
Messala  (Redner)  218  mit 

A.  8—11.   Sein  Kreis  S. 

422.  Nachkomme  44,  7. 
Messala,  Augur  196,  11. 
Messala    Coryinus,     ge- 

^schter  218,  12. 
Me6sala(yip8tanus)309,3. 
Messalinus  262,  6. 
Messius  367,  1.  vgl.  444, 

1.  Arusianus  420,  4. 

Metamorphosen  des  Ovid 

244,  1 — 5.  des  Apulejus 

362,  3. 
Metella  210,  1. 
Metelli  168,  8.  Yg^l.  Oae- 

cilius. 

Meteilus  Scipio  212,  2. 
Metius  190,  1. 
MetiuB  Celer  316,  2. 
metra  horatiana  403,  3. 
metrici  scriptores  41,  6. 
Metrodorus  402,  2. 
metrologici  57. 
Metrorius      (Maziminus) 

408,  4. 
MettiuB  Garns  321,  4. 
MettiuB  Modestus  321,  3. 

MettxusPompusianus  314, 
6. 

miles  gloriosus  des  Flau- 
tus 95,  12. 

milesiae  45,  11.  Vgl.  Ro- 
man. 

Milone,  pro  176,  40;  von 
M.  Brutus  209,  2  g.  E. 

mimae  8,  8  u.  10. 
mimi  7,  2.  8,  10.  16,  12. 
mimiambi  148,  4. 
luf^oi  8,  7. 
mmiographi  .8,  1  und  4. 
mimus  7  f. 
MinerviuB  410,  2. 
Minidus  336,  4.  vgl.  337, 

6  (Min.^  Natalis). 
Minucii,  ihr  Schiedsspruch 

160,  4. 
MinuduB  Feliz  368. 
Minucius  Frothymus   16, 

12. 
mirabilia  Romae  406,  9. 


Tsurnu«,  Böm.  LiterfttargMohichte.   S.  Avil, 


1153 

miscellanea  des  Fort.  488, 

7. 
Misitheus  44,  7. 
ModestiDUS  374,  7.  394,  3. 
Modestus  54,  3  f.    Auch 

8.  Julius, 
modulus  259,  9. 
Montanismus  369,  3.  ygl. 

1.  2. 
Montanus  247,  18.    Vgl. 

Curtius,  Julius  u.  Votie- 

nus. 
monumentum  ancyranum 

217,  4. 
Moretum  29, 2.  225, 3  mit 

A.  1  f. 

moribus  (de)  284,  10. 
mortibus  (de)  persecuto- 

mm  393,  7. 
Moschus  263,  12. 
Mosella  des  Ausonius,  S. 

951. 
MosteJlaria    des   Flautus 

95,  10. 
motoriae  16,  2. 
Mttcianus  309,  1. 
Mucius,  F.  Scaevola  139, 

4. 
Mucius,  Q.  Scaevola,  Au- 

ffur  144,  3;    sein  Sohn 

Q.  Scaevola  144,  3  £. 
Mucius,  Q.  Scaevola,  pon- 

tifez  mazimus  151, 1 — 3. 
muliöre  467,  7.  471,  9. 
mulomedicina  424,  8 — 10. 
Mummius,  AteUanendich- 

ter  10,  2. 

Mummius,  L.  137,  8. 
Mummius,  Sp.  137,  8. 
Munatius  212,  2.    Trall. 

846,  4. 
Munatius  Flancus  206,  8. 
mundo  (de)  863,  6. 
Murdia  352,  5. 
Murena^  pro  176,  24. 
Murredius  263,  10. 
Musa,  s.  OctaviuB  u.  263, 

10. 
Musaeus  324,  9;    presb. 

453,  7. 
musica  (de)  von  Augustin 

434, 7  f.  von  Boetius  470, 

5. 
Musikbegleitung  16,  5. 
MusoniuB  Rufns  294,  3. 
Mystes  236.^.  vffl.  301,  7. 
Mythograpni     (vaticani) 

41,  12. 
Mythologie,      heidnische 

471,  6.  vgl.  470,  3. 

73 


1154 


Alphabetisches  Register. 


mythologische  Stoffe  der 
Mimen  und  Pantomimen 
8,  6. 

TX 

Naevius,  Cn.  98. 
Namatianus,  s.  Rutilins. 
Namatius  447,  1. 
Namen  Besungener  32,  4. 
'  naturales  qaaestiones  des 

Seneca  284,  6. 
natoralis  historia  des  Pli- 

nias  308. 
Naturwissenechaften    bei 

den  ROmem  61. 
Nancellius  416,  9. 
Nanig^ns  60,  2. 
Nazarius  396,  7. 
Nebridins  486,  16. 
Kecepso  401,  3. 
Neckam  (Alex.)  443,  6. 
Nelei  Carmen  93,  10. 
Nemesianus  301  a.   382, 

If. 
Nemesis  des  Tibnll  240, 

2. 
Nemesius  410,  2  £. 
nenia  80,  2. 
Nepos,  8.  Cornelias,  Lici- 

nins. 
NepotianuB,  s.  lannarins; 

auch  8.  428,  2. 
Neratins  Priscns  337,  1. 
Nero  281,  7—10. 
Nerva  pater  276,  2. 
Nerva  nlins  293,  2. 
Nerva,  Kaiser  326,  1. 
Nenplatonismus  402, 1.  3. 
Nicaeus  326,  8. 
Nicagoras  402,  1. 
Niceas  437,  6. 
Nicotins  469,  12. 
NicomachuB  Dexter  421, 

8. 
NicomachuB      Flavianos 

421,  1  f. 

NicostratuB  166,  11.   . 
Nigidins     Fignlns      196, 

1—8. 
Nigrinns  336,  6. 
Nikandros  219,  6. 
Nikanor,  s.  Saevins. 
Niketes  263,  12.  264,  6. 
Ninnins  Crassus  148,  7. 
Nipsns  440,  2. 
Nisns  gramm.  277,  4. 
Nobilior  b.  Fulvins. 
Noctes  atücae  des  Geliius 

3G1,  4  ff. 


nominibus{de  dubiis)  486, 

7  vgl.  481,  2. 
Nonianos  (^ryilins)  286, 

2. 
Nonius  Asprenas  262,  2 

u.  11. 

Nonins  Marcellas  386. 
Nonius  Maximus  327,  9. 
notae  296,  4. 
notae    Einsidlenses    etc. 

296,  4. 

notae  Tironianae  188,  4. 
Notitia  dignitatum  68,  4. 
Notitia  regionum  406,  7. 
Novatianus  378,  6. 
NoTatuB  (M.  Annaens)  268, 

7.    Anderer  391,  2. 
novellae  Theodos.  all.  464, 

7.  lustinians  480,  9. 
Novius,  Atellanendichter 

136,  1—3. 
Novius  Vindex  319,  2. 
Numa,  Epikw  247,  11. 
Numae  commentarii  70, 1. 
Numae  libri  48,  2.  70,  3. 
Numerianus  381,  3. 
Numerius  (Fabios)  106,  6. 
Numitorius  222,  1. 
Nux  elegiä  246,  4. 


5  gekfirzt  441,  6.  444,  1. 
Obsequens  409,  9. 
oceanum  (ad)  382,  6. 
Octavenus  337,  12. 
Octavia  (praetexta)  286, 

7. 
Octavianum,  ad,  Brief  181 , 

6. 
Octavianus  468,  7. 
Octavii  168,  4. 
Octavius  Avitus  221,  3. 
OctaviuB     des    Minucius 

Felix  368. 

Octavius  lannarius  368, 2. 
Octavius  Lampadio  98,  8. 
Octavius  Musa  250,  1. 
Octavius  Rufus  327,  1. 
Octavius  Sagitta  298,  4. 
Octavius  Teucer  41,  1  E. 
Oden  des  Boras  233. 
Odyssea  des  Andronicus 

92,  6. 
Oeconomicus   des  Cicero 

183,  18. 
officÜB,  de  von  Cicero  188, 

16;  von  M.  Brutus  209, 

1;  von  Ambrosius  427, 4. 


Ofilius  190  Boit  A 
Olympiodorus 
Olympius  437 
Onesimus  383 
OpiUus  Aurelius  löGl 
Opilius  Macrinus  37] 
Opimius,  L.  140,   1.  } 

4.  6. 

Oppius  268,  9. 
Oppius,  C.  194,   1    u. 
Oppius  Chares  41,   1 
Optatianus    398,      1  — 
.  auch  8.  Suetonius. 
Optatus  416,  6. 
optimo  de  genere   ora) 

rum  von  äcero  179«^ 
ora  maritima  des  Avied 

413,  4.  ^ 

orator  Cicero's  179,  4.  i 

oratore  179,  2.  { 

Orbilius  197,  3.  } 

orbis  terrae  von  Avieni 

413,  ». 
Orbius  171,  6.  ' 

Orestis     tragoedia     48-J 

4—6. 

Orfitus  418,  2. 
Oribasius  479, 4—6. 489, 5. 
Orientias  467,  8—11. 
Origines  desCato  119;  des 

Isidor  487,  6. 
ongo  gentis  rom.  407 ^  S 

(K);  de«  Psendo- Victor 

408,  4. 
OrosiuB  448. 

Orpheus  186,  6.  —  420, 1. 
Orthograpbie  8. 136 f.;  de 

oithogr.  403,  3.  466,  10. 

476,  9. 

oscae  personae  9,  2. 
osci  ludi  9,  2  u.  6.  10,  2. 
Ostertafel  407, 2  (IV),  453, 

8. 

Otho,  s.  lunius. 
Ovidius  242—246. 


Pacatus  419,  8—11. 
Paccius  319^  6. 
Paccius  Antiochus  289,  4. 
Pacianus  416,  4. 
Paoonianus  269,  3. 
Paconius  337,  15. 
Pactumeius  ClemenB  34.5, 

6. 
pactum  fiduciae  260,  9. 
PacnviuB,  M.  104. 
Pacuvius  Labeo  199,  6. 


Alphabotischcs  Register. 


1155 


Paeanins  409,  5. 
Paetus  8.  Aelins. 
Paetus  Thrasea  294,  7. 
Palaemo  (Remmius)  277, 

3. 
PalfuriuB    Sara    321,    6. 

Historiker  383,  3. 
PalimpBesie  96,  3.  183, 1, 

5.  225,  9.   251,  11.   267, 

5.  298,  9.  336,  12.   361, 

9.  355,  5.  367,  6.  376,  2. 

399,  4.    418,  4.    424,  6. 

457,  3. 
Palladius  405.  Rhetor  420, 

1. 
palliata  15  f. 
PampbiluB  489,  1.  4  £. 
Panaitios  48.  ygX.  144,  2. 

3.   146,  2. 
riavSintai  des  Tiro  188, 

3.  JusÜDianische  480,  6  f. 
panegyrici  387, 1 — 3;  poe- 
tische 21. 

Fanegyricus  auf  Messala 
240,  3;  aufPi60  296;  des 
PliniuB335,  12;  aufCon- 
stantin    396,    6  f.;    aaf 

•Tbeodosios  431,  1;  auf 
AgtiuB  437,  3 ;  auf  Theo- 
derich 471,  2;  des  Si- 
doniuB  460,  4;  des  Gas- 
siodor  475,  2;  auf  Ana- 
stasiuB  472,  7. 

Fange  (Hymnas)  461, 3. 5. 

Fanniculus  319,  6. 

Fansa  258,  2.  465,  3. 

Fantomimographen  8,  1« 

FantomimnB  8,  7. 

Fapianilla  460,  2. 

FapianuB  480,  3. 

Fapias  41,  11. 

FapinianiBtae  366,  4. 

Fapinianus  366.  • 

FapiniuB  133,  1;  auch  b. 
Statins. 

Fapirianus  489,  11. 

Fapirii  historia  39,  7. 

PapiriuB,  L.  122,  7.  Q. 
(Grammatiker)  439,  11. 

FapiriuB,  F,  oder  Sex.  69, 
1.  JuriBt  151,  3. 

Papirius  (C.)  Garbo  141, 

4.  160,  4. 

Papirius    Fabianus    261, 

10  f. 
Pi^pirins  Fronto  364,  9. 
Papirius  lustus  364,  7. 
Papirius  Paetus  156,  9. 
PapperinuB  439,  11. 
Pappus  9,  3. 


Fapstbriefe  45,  10. 
F^stverzeichnisse  407,  2 

(Y  u.  VI). 
FapnluB  298,  J9. 
Fapyriensis  426,  5. 
paradoxa  des  Gicero  183, 

3. 
parasitUB  8,  6.  17,  5. 
Paris  8.  luliuB. 
FartbeniuB  225,  2,  A.  3. 

3,  A.  1.   Andere  319,  2. 

468^  8.  469,  6. 
Farhculo  279,  2. 
partitiones  oratoriae  des 

Gicero  179,  5. 
pascbale  carmen  466,  1. 
Pasicles  258,  2. 
Fasipbae  (de)  466,  8. 
Fasiphilus  405, 1  f.  409, 1, 
Pasquille  11,  3. 
Passennus  Paulus  327,  4. 
Passieni  Grispi  263,  6. 
Passio  sanctorum  407,  6. 
Pastor  453,  7. 
patavinitas     des     Livius 

252,  14. 
Fatera  396,  8. 
FatemuB  54,  2.  vgl.  Tar- 

ruteniuB. 
Patricias  453,  6. 
Paula  428,  1  f. 
Faulinus  bei  Martial  319, 

3. 
Faulinus  463,  7.   459,  4. 

Mediol.  449,  4.  Nol.  431. 

Petricord,  467,  3.    Pell. 

467,  4. 
Paulus  437,  6.    459,   14. 

Auch  s.  Aemilius,  luliuB 

u.  FassennuB. 
Paulus  (Apostel)  und  Se- 

neca  284,  9. 
Paulus      ( Grammatiker ) 

142,  5  E.  (Gonst.j  298,  9. 

VgL  349,  4. 
Paulus,   Epitomator   des 

Festus  256,  6. 
Paulus,  Jurist  373. 
Paulas  presb.  463,  7. 
FausaniaB  350,  3. 
Fedianus  s.  Asconius. 
FediuB  (Sex.)  293,  6. 
Fedo  Albinovanus  247,  6. 
Pegasus  (Jurist)  311,  2. 
Pelagius  437,  1. 
Peiagonius  416,  13.   424, 

10. 
Fentadius  394,  6. 
FereffrinuB  451,  1  f. 
PereUiuB  Faustus  221,  3. 


Ferilla  des  .Ticida  210,  1; 

des  Ovid  242,  2. 
periochae  zu  Livius  261, 9. 
Feripatetiker  48.  49,  4. 
Ferotti  279,  4. 
FerpetuuB  467,  3. 
Persa  des  Plautns  95,  16. 
FersiuB  Flaccus  297. 
personati  9,  4.  16,  9. 
rersonenzabl  in  den  Fal- 

liaten  16,  4. 

FersönlicheB  in   den  Mi- 
men 8,  6. 
Pertinax  360,  12. 
Perücken  in  der  palliata 

16,  9. 
Fervigilium  Veneris  358, 

5—9. 
FescenniusFestuB  377, 14. 
peütio     consulatus     von 

Q.  Gic.  187,  4. 
Petosiris  401,  3. 
Petrarca  180,  5.  201,  8. 

229,  6. 
FetroniuB,  G.  300,  5. 
FetroniuB  Arbiter  300. 
FetroniuB       Anstocrates 

294,  11. 
FetroniuB  episc.  437,   6. 

459,  11.  460,  6. 
Petronius  Musa  258,  10. 
Petrus  bei  Sidonius  459, 

4.  8.  referend.  468,  7. 
Petrus  Gbrysol.  450,  9. 
Petrus  diaconuB  386,  5. 
Petrus  grammaticuB  41, 4. 
Feutinger  58,  3. 
Fbaedrus  279. 
phaenom.  epit.  473,  9. 
PhilargyriuB  466,  13. 
FhilastriuB  416,  6. 
Fhilippicae     des    Gicero 

176,  44—67. 
FhilippuB  Arabs  371,  7. 
FhilippuB  presbyter  450, 

5;   auch   a.  Aurelius  u. 

Marcius. 
Philistio  249,  9. 
FhilocaluB   s.    Furius   n. 

Fusius. 
Philocomus  s.  Yetitius. 
FhilologuB  s.  Ateius. 
philomela  (de)  23,  5.  467, 

6.  486,  3. 
Philon  489,  8. 
Philosophie  bei  den  Rö- 
mern 48  f.  158.  261.  348. 

354.    402.   422.  459,  15. 

469,   10.    S.   131.   260  f. 

425;  des  Horaz  230,  5. 

73* 


115(3 


Alphabetisches  Regisicr. 


philosophische  Schriften 
des  M.  Varro  164,  6,  b.; 
des  Cicero  182. 

Philoxeni  gloasae  41,  11. 

Fhlegon  344,  4. 

Phocas  466,  4  f. 

PhoebadiuB  411,  5. 

Phoenix  (Elegie)  393,  8. 
vgl.  438,  7. 

Fhormio  des  Terenx  109, 4. 

Phrynichus  369,  9. 

Phthiriasis  164,  1. 

physiognomica  363,  7  d.] 

physioiogtis  473,  3. 

Fictor  6.  Fabina. 

Pilutus  8.  Yoltacilius. 

Pindarns  Thebanns  (so- 
gen.) 803. 

Pmnius  (Q.)  166^  1. 

Piso,  8.  Caipomius. 

Piso,  C.  154,  6.  vgl.  176, 
13,  1. 

Piso,  M.  158,  1. 

Piso,  M.  Papius  168,  5. 

Pisonem,  in  176,  37. 

Pithoeanae  glossae  41, 11. 

Pitholaus  209,  10. 

Pitholeo  209,  10. 

Pius,  8.  Antoninus,  Ce- 
stius. 

Placidus  413,  1.  LutatiuB 
41,  8.  316,  13. 

Placitos  (Sex,)  426,  6—8. 

Pbanciades  472,  2. 

Plancio,  pro  176,  38. 

Plancus,  s.  Munatias. 

planipedia  7,  3. 

planipes  7,  2  f.  8,  6. 

Planta  s.  Pompeius. 

Plautins,  Dichter  94,  5; 
Jurist  311,  6. 

Plautus  94  —  98;  Philo- 
soph 261.  9.  294,  5.  Auch 
9.  Rubeliins. 

Plebejismen  8.  Vulgaris- 
men. 

Ilinius  der  altere  307  f.; 
der  jüngere  335. 

Plinius  Valerianns  425. 

Plotia  Hieria  221,  2. 

LMotius  Orispinus  261,  3; 
Gallus  156,  2;  Grypus 
.;i6,  2  u.  821.  12;  8a- 
cerdos  390;  Tucca  223, 
l.  224    2. 

lMotas(Voitaciliu8)  166,2. 

poemata  165,  2.  3.  vgl. 
•210,  3. 

PoenuluB  des  Plautus  95, 
15. 


poetae  92,  7. 

Poggio    312,   4.    816,  6. 

316,  8. 
Polemitts  459,  15. 
Polemius  Silnus  72,  10. 
Polemo  346,  6. 
politische    Literatur     S. 

269. 
Polla  298,  4. 
Pollio  5,  5.  218,  6.  294,  3 ; 

auch  8.  Asinius,  Claudius, 

Clodius,  Pnblilius,  Tre- 

belliuB,  Yitrasius,  Yitru- 

vius. 
PoUiuB  Felix  316,  2.  319, 

1.  324,  6. 
Polyaenus  369,  12. 
Polybius  226,  5.  vgl.  284, 

4. 
Polyhistor  (Solinus)  385, 

6.    Auch  Tgl.  257,  1. 
PomeriuB  462,  9. 
Pompedius  49,  1. 
Pompeia  Macrina  247,  3. 
Pompeius,    Ca.    Magnus 

168,  6.  vgl.  S.  256. 
Pompeius,  Sex.  161,.  5. 

271,  7. 
Pompeius  Bithynicus  168, 

10.  v^l.  214,  3. 
Poi^peius  Feetns  266,  4  f. 
Pompeius,    Grammatiker 

465,  2. 

Pompeius  LenaeuB  51,  1. 
Pompeius  Macer  247,  3. 
Pompeius  Messalinus  465, 

7. 
Pompeius  Planta  336,  9. 
Pompeius  Bufus  160,  8. 
Pompeius  Saturninus  336, 

1. 
Pompeius  Silo  263,  10. 
Pompeius  Trogus  263. 
Pompilius  133,  1. 
PompiliusAndronicus  156, 

6. 
Pomponius,     Yater    des 

Athens   143,  2;    cento- 

narius  26,  8. 
Pomponius,  Cn.  160,  4.  6 ; 

L.   (Bonon.)   135,   4  f.; 

Sex.,  Jurist  346,  7  —  11. 
Pomponius   Atticus    169, 

1  u.  2.  181,  2,  2. 
Pomponius  Bassulus  327, 

8. 
Pomponius  Laetus   64,  3 

vgl.  266,  6. 
Pomponius  Marcellus  277, 

2. 


Pomponius  Mela  291. 
Pomponius  Porphyrie  370, 

4. 
Pomponius  Bufus  274,  3. 

336,  4. 
Fbmponiuft  Secundus  279, 

7. 
ponderibufi   (de)    canaen 

444,  2. 
Pontica  382,  4. 
Ponticus  247,  1. 
PontidiuB  161,  4. 
poniificum    annales    74 ; 

libri  71. 
Pontius  378,  1  g.  E. 
Pontius  Glaucus  des  Ci- 
cero 186,  2. 

Pontius  Leontins  460, 1.  4. 
Ponte  (ex)  des  Ovid  245, 2. 
Popilius  Laenae  263,  11; 

M.  124,  6;  P.  141,  8. 
Porcia  212,  3. 
Porcius  Cato  (M.)   117— 

121;    der  Sohn    124,  6; 

der  Enkel  145,  2;    der 

Urenkel  (üticensis)  198. 
Porcius  Latro  263,  2. 
PorciuB  Licinus    183,    S. 
PorfiriuB  Optatianus  398, 

1—8. 
Porphyrio  370,  4.  . 
PorphyriuB    (Neupiatoni- 

ker)  401,  9.  402,  1. 

Porsena  67,  2. 
Poasidius  434,  1  u.  4. 
post  reditum.  Reden  Ci- 
'  cero's  176,  28— 31. 

Postumianus  419,  6. 
Postumius    (A.)    Albinus 
126,  2.  —  145,  7. 

Postumius  (Sp.)  Albinus 
«137,  9. 

Postumius  Festus  360,  1. 
PostumuB  44,  7  a»  £.       \ 
Potamius  411,  6. 
Potitus  323,  6. 
Praecilius  Fort.  380,  6. 
Praedestinatus  461,  6. 
praefecü  urbis  (Verseich- 
niss)  407,  2  (V). 

praeficae  80,  2. 
praenominibus  (de)  274, 

11. 
praetexta  14;    des  Nae- 

vius  93, 6 ;  des  Ennius  101, 

2;  des  L.  Attius  129,  6. 
praetextata  14^  1. 
PraetextatuB422, 1.  Auch 

s.  207,  1. 


Alphabetisches  Register. 


1157 


pragmaidci  44,  4. 
Pra$i^atiu8  459,  12. 
Prata  des  Saeton  342,  3. 
Precianus  171,  7. 
Priapeia  249,,  8. 
pridie   qnam  in   exilium 

iret  177,  7. 
Frinceps  321,  2. 
Priscianas  422,  3.«—  473; 

Tbeodorns  Pr.  426,  9. 
Priscillianos  410,  4;  v^l. 

396,  8  E.  401,  3  E.  419, 

9.  453,  6.  8. 
Prisous  247,  11.    324,  8. 

446,  8.    Vgl.  HelyidiuB, 

lavolenus,  Lutorias,  Ne> 

ratius,  Tarqnitins. 
Proba  429,    1.    430,    15. 

vgl.  26,  3. 
ProbuB  393,  2.  —  412,  12. 

413,  4.   427,  1.   459,  14. 

Auch  s.  AemiliuB,   Ani- 

cius,  Titiua,  ValeriuB. 

Procilius  169,  3. 
ProcopiuB  Caes.  469,  2. 
Procula  896,  8  E. 
Procülianer,    S.  420  mit 

A.  3. 
ProcnluB  249,  1.   258,  4. 

Jurist  293,  1;  bei  Sido- 

niuB  459,  8. 

Profuturus  453,  9. 
Prolog  des  mimus  8, 3 ;  der 

palliata  16, 8 ;  der  togata 

17,  5. 
Prologe  zu  Plautua  98,  1 ; 

zu  Terenz  108,  7. 
prologi     des     Pompeius 

Trogus  253,  4  f.  8. 
prolusiones  225,  5.  A.  1. 
propempticon  210,  2  f. 
Propertius  241. 
Prosa  85.  88,  4. 
ProsdociuB  419,  12. 
Proserpinae    raptas    des 

Claudian  433,  5. 

ProBodie  S.  134  f. 
TrQoamjta  nffOtatiKcc  16, 11. 
Prosper  Aq.  453,  1-— 5. 

ProtadiuB  410,  2. 
Protagoras  des  Piaton  183, 

19. 
ProtarcbuB  257,  2  E. 
Protokolle  des  Senats  213, 

l. 
Providentia  (de),  Lehrge- 
•  dicht  453,  5. 
provinciis     con  sul  aribus , 
de  176,  35. 


ProvinzenverzeichnisB 

388,  12. 
Pi-udentiuB  430. 
Pseudo-Acro  372,  2. 
Pseudo-Asconius  290,  3. 
Pseudo-AtiliuB  400,  7. 
PseudoluB  desPlautus  95, 

14. 
PBeodon3nne  451, 1  f.  458, 

3. 
Pseudo-Ovidius  246,  4—6. 
Pseudo-Plinius  425. 
PtolemaeuB  350,  5.  Oben- 

nus  464,  1. 
PubliciuB  yate'B  64,  1  f. 
PublicivLB,  Jurist  171,  5. 
PnbliliuB  Optatianus  398, 

1—3. 
Publilius  Pollio  16,  13. 
PubliliuB  Syrus  208,  2  f. 
Pudens  314,  4. 
Pulcher  s.  Claudius. 
Punica  des  Silius  It.  31^, 

4  ff. 
Pupillus  B.  Orbilius. 
PupiuB  239,  1. 
Pnpius  Piso  168,  5. 
Pylades  8,  11. 
Pyrrhus  236,  1. 
Pythagoreismus  48.  ] 


Q 

Quadratus  348,  1. 
quadriga  Messii  420,  4. 
QuadrigariuB  152,  1. 

Quaestiones  47,  6. 
Querelae  des  A.  Caecina 
196,  13. 

Querolus'  8.  149  E. 
quia  vgl.  quod. 
Quintianus  281,  9. 457, 13. 
Quintilia  210,  7. 

QuintilianuB  320;  der  Va- 
ter 320,  1.  Andere  320, 
4.  12. 

Quintilii  376,  1  u.  5. 

QuintiliuB  MarcelluB  371, 
4. 

Quintüius  Varus  263,  6. 

Quintio,  pro  176,  1. 

Quintipor  Clodius  189,  6. 

QuintiuB,  T.  81,  2. 

Quintius  (T.)  Atta  130. 
quod  (und  quia)  statt  acc. 

c.  inf.  388,  11.    401,   8. 

418,  11.  451,  2  f.  456,  3. 

464,  3.  468,  3,  469,  7. 


R 

RabanuB  Maurus  424,  6. 
Rabirio,  pro  G.  176,  19. 
Babirio,  proPostumo  176, 

39. 
Rabirius  170,  2;   Epiker 

247,  9. 
Radegundis  483,  4.  5.  7. 
Radulfus  253,  3  £. 
raptus  Proserpinae  433,  5. 
Räthsel  26,  1  (. 
Rauennas  geogr.  488, 4  ff. 
Rebius  Flaccus  404,  1. 
Rechtswissenschaft  46  f. 
recinium  8,  10. 
recitationes  8.423  f.  mit 

A.  3  ff.  319,   1.  325,  4. 

469,  6.  483,  2. 
recnrrentes  versus  32,  9. 
Reden  bei  den  Historikern 

36,  5;  bei  Livius  252, 12. 
Redner  s.  Beredtsamkeit. 
Regionenverzeichniss  406, 

6  f. 
regula  Gatoniana  124,  6. 
Regulus  (Aquilius)  321,  3. 
Reim  11,  3.  vgl.  427,  5. 
remedia  amoris  von  Ovid 

243,  6. 

Remigius  459,  12. 
RemiuB  Favinus   444,  2. 

vgl.  465,  9. 
RemmiuB  Palaemo  277,  3. 
Renatus  453,  9. 
repetundarum  lex  160,  2. 
ReposianuB  394,  2. 
republica,  de  von  Cicero 

183,  1. 
respondere  46,  5;  vgl.  S. 

420,  A.  1. 
responsa  47,  5.  vgl.  8. 420, 

A.  2. 
responsio  Celsina  337,  2. 
responsio     Ciceronis     in 

Sallustium  203,  6. 
RestitntuB   321,   17.  vgl. 

Claudius, 
retractationes  des  Angu- 

stin  434,  4. 
retro  419,  10  g.  E. 
rhetores  latini  43,  9;  dhr 

Eaiserzeit  44,  1  ff. 
Rbetorica  ad  Herennium 

169.    rhet.  (de)  des  Au- 

gustin  434,  7. 
Rbetorica  des  Cicero  169, 

1. 
Rhetorik  43,  9. 
Rhinthon  18,  1. 


1158 

Rhinthonica  18,  l  und  3. 
rhythmische   Poesie  vgl. 

Vulg&rproBodie. 
riciniam  8,  10. 
Roman  45, 11.  vgl.  300,  6. 

366,  6.  388,  11.  481. 

romana  fides  etc.  1,  3. 
Romanianns  441,  4. 
RomaniuB  Hißpo  263,  10. 
Romanius  lovinus  360, 1 1 . 
Romanns  (luliiis)  375,  1. 

Auch  8.  Aqnila,  Vergilixis 

u.  Voconins. 
römischer  Volkscharakter 

l  f. 
RomuluB  (Fabeln)  27.   * 
T^emnlns  (König)  66,  1. 
Roscio,  pro  Araerino  176, 

2.  pro  R.  comoedo  176,3. 

Roscius  Gallns  16,  12. 
Rosetum  225,  5,  A.  5. 
Kosianus  Geroinus  345,  6. 
Rubellius  Plautus  294,  9. 
Rnbrenua  319,  5. 
RubriuB  289,  1. 
Rudens  des  PI  an  tue  95, 17. 
Rufinns  (cansidicos)  419, 

12.  vgl.  433,  3. 
Rufinns  Antioch.  466,  6 — 

8.  Aquileien8i8429,l— 4. 
Rufinns,  s.  Aradius,  Lici- 

nius. 

RufiusFestus  Avienus  413. 
Rufus  Festus  409,  7  f. 
Rufus,  Sex.  406,   7.  409, 

7  f. 
Rufus  Meliker  249,  5.  — 

Dichter  319,  2.  5. 

Rufus,  s.  Caelius,  Cani- 
nins,  Canius,  Cluvius, 
Mnsonins,  Octavius.Pona- 
peins,  Rutilins,  Sulpi- 
cins,  Valgius,  Vergi- 
nins. 

Ruricins  462,  10. 

rustica  (de  re)  des  Cato 
121, 

rusticae  res  des  M.  V-arro 
166. 

Rusticelins  160,  8. 

Rusticiana  418,  2.  470,  1. 

RusticiuB  Helpidins  461, 

If. 
Rusticns,  s.Fabius,  lunius. 
Rutilia  lex  146,  1. 
Rutilius  Lupus  265. 
Rutilius  Maximus  367,  5. 
Rutilius  Namatianus  447. 
Rutilius  Rufus  146,  1—3. 


Alphabetisches  Register. 


S 


S  im  Auslaut  444^  1.    S. 

136.  262,  Z.  1  .ff. 
Sabbatius  437,  6. 
Sabellus  319,  6. 
SabidiuB  62,  2. 
Sabina  319,  2. 
Sabinianer  8. 420  mit  A.  3. 
Sabini  epistolae  243,  4. 
Sabinnm  des  Horaz  229,5. 
Sabinns,  s.  Aelins,  Caelius, 

Fabius,  Masurins. 
Sabinns  des  Ovid  247,  4. 
Sabinns  TXro  62,  4. 
Sacerdotalfasten  73,  7. 
Sacerdos,     Grammatiker 

390. 
Saevius  Nicanor  156,  3. 
Salanns,  s.  Cassins. 
Saleius  Baesus  313,  2. 
Salii  62. 

Saliorum  libri  75,  3. 
Sallustius  203  und  204. 
Sallust.  Empedoclea  189, 

3. 

Salomo  41,  9.  457,  6. 
Salonius  462,  11.  vgl.  468, 
1.  3.  4. 

Salvianus  458. 

Salvidienus  383,  12. 

Salvius  Inlianus  346,  1— 
4.  8. 

Salvius  Liberalis  336,  3. 

Salvius  Valens  346,  6. 

Salustius  441,  1. 

Sammonicus  Serenns  der 
Vater  370,  ^5;  der  Sohn 
379,  4—6. 

Samocns  370,  6. 

Santra  207,  2. 

Sapaudus  459,  9. 

sapientes  (VIl)  414,  3  i. 

sapientes  (XII)  23,  2. 

Sasema  167,  1. 

satira  6,  2.  28,  1. 

satirae  s.  saturae. 

Satire  28. 

Satirendichter  28, 2  und  4. 

Satrius  Rufus  321,  13. 

saturae  6;  desEnnius  102, 
1 ;  des  Lncilius  132,  6  ff. ; 
desVarro  163, 2;  des  Ho- 
raz 231 ;  Petronins  800, 1 . 

saturae  Menippeae  28,  3. 

des  Varro  163,  3. 
Satumalia  des  Macrobius 

438,  5. 
Satuminus  383, 12.  401, 2. 


u.  vgl.  Aelius,  FuUonius, 

Ppmpeius. 

Satuminus,  Juristen  356,6. 
saturnischer  Vers  60. 
Scaevius  Memor  318,  3. 
Scaevola  161,    l   und  s. 

Cervidins,  Mucius. 
Scaevns  Memor  318,  3. 
Scaurianae     des     Cicero 

177,  1.  4. 
Scaurinus  875,  10. 
Scaums,  s.  Aemilius,  Aii- 

relius,  Terentius. 
Scenenabtheilnng  16,  7. 
Schauspielerzahl  in  Pal- 

liaten  16,  4. 
Schlaohtberichte  36,  6. 
scholasticus  44,  4.  S. 
scholia  Bemensia,  Vero- 

nensia  zu  Vergil  226,  7. 

vgl.  465,  13. 
scholia  zu  Horaz  235, 3  f. ; 

zu  Persins  297,   6;    zu 

Lucan  298,  8;    zu  Stat. 

Theb.  316,  13;  zu  Juve- 

nal  326,    7;    zu  fragm. 

vat.  399,  4. 

scholia  Bobiensia  zu  Ci- 
cero 290,  4. 
scholiasta      Gronovianus 

174,  6. 
Scholiast  des  Germanicus 

270,  10  f. 
Schreibekunst  in  Rom  59, 

1, 
Schulgedichte  23,  2, 

Schullectare  226,  1. 
Schwindelliteratur  416,  1. 
Scipio  des  Ennins  101,  4. 
ScipioNasica  124,3.  126, 

4. 
ScipioNasica  Serapio  141, 

7. 
Scipio  Optimns  87, 1.  124, 

3. 
Scipionen,  s.  Africanus  u. 

Metellns. 
Scipionengrabschriften 

81,  5.  vgl.  128,2.  1.36,2, 
Scipionenkreis  S.  130. 132. 
Scoti  versus  442,  5. 
Scribonius      Aphrodisins 

258,  3. 
Scribonius  Curio  141,  12. 
Scribonius  Curio   150,  6. 
Scribonius  Curio  (t  705) 

206,  1. 
.   Scribonius    Largus    289, 

2—6. 

Scribonius  Libo  169,  6. 


Alphabetisches  Register. 


1159 


Scribonius,  L.Libo  138, 2. 

Bcriptores  bist,  angustae 
388.  vgL  397. 

Bcriptores  rei  rasticae  52« 

Scroia  157,  2. 

SebosQS  207,  7. 

Secundinus  459,  10. 

Secundns,  s.  lolios,  Pli- 
nius,  Pomponius;  Bhetor 
346,  4. 

Secnras  Memor  445,  7. 

Sedigitus,  s.  Volcatins. 

Sedalins  466,  1—7;  jün- 
gerer 466,  8. 

Seins  Fusc.  360,  1. 
SemproniusAsellio  142, 9. 
Sempronius  Atratinus  206, 

10.  ► 
Semproninfl       Gracchas, 

TrfH^er  249,  7. 

SemproDios,  C.  Gracchus 

140,  2.  4—6. 
Sempronius,  Ti.  Gracchus 

122,  6.  vgl.  140,  6. 
Sempronius,  Ti.  Gracchus 

140,  1—3. 
Sempronius  Proculus  293, 

5. 
Sempronius  Sophus  87, 1  f. 
Sempronius       Tuditsinus 

143,  1. 
Senare  (iambische)  13,  4. 
Senator  475,  1. 
Senatspolitik  S.  131. 
senatus  consulta  213,   1; 

i^  Asklepiades  u.  s.  w. 

215,  3. 
senatus  consultum  de  Ba- 

canq.libu8  128,  1. 

Seneca  der  Vater  264; 
der  Sohn  282—285. 

Senecio  s.  Herennius. 

senectnte  (de)  yon  Cic. 
183,  11. 

Senenia  33,  3. 

sententiae  Pauli  373,  3; 
Publilii  208,  2  f. ;  Sene- 
cae  208,  3;  Varronis  167, 
2. 

SepticiuB  Clarus  342,  8. 

Septimius  810,  5. 

Septimius  (P^  55,  1. 

Septimins  (Dictys)  416, 
1—5. 

Septimius  Serenus  379, 3. 

Septimius  Severus  310,  5. 
321,  9.  —  365,  4  f.  (Kai- 
ser), j 

Sequester,  s^^Vibius. 


Sorena  433,  3.  6.  8. 

Serenus,  s.  Annaeus,  Sam- 
monicus  und  Septimius. 

Sergius  Flavus  261,  9. 

Sergius  gramm.  423,  10. 

sermones  des  Horaz  231, 
3.  vgl.  234,  1. 

serpentini  versus  32,  9. 

Serranus  299,  6. 

ServilianuB  (Fabius)  138, 
3. 

Servilius  337,  13. 

Servilius  Barea  294,  8. 

Servilius  Nonianus  286,  2. 

Servilius  Silanus  360,  1. 

Servius  Maurus  423,  1 — 4. 

Servius    Tuüins    66,    3; 
seine  commentarii  70,  1. 

Sescennius  41,  1  £. 

Sestius  (P.)  200,  4;    pro 
Sestio  176,  32. 

Seuerianus  437,  6.  459,  8. 

Seuerinus  485,  10.    vgl. 

470,  1. 
»Seuerus  393,  2.  438,  8  E. 
Redner  419,  4;  Bischof 
485,  17.  Auch  s.  Ale- 
zander, Aquilius,  Cas- 
siuB,  Cornelius,  £nde- 
lechius^  Fabius,  lulius, 
Septimius,  Sulpicius. 

Seztilius  Enna  247,  10. 

Sextilius  Niger  876,  5. 

Sextius  Calvinus  151,  4. 

Seztins  Niger  261,  5—8. 

Sextus  354,  2.  vgl.  356,  3. 
857,  4. 

Sibylla  64,  1. 

siciiicus  S.  186,  A.  3. 

SiciniuB  43,  10. 

Siculus  s.  Calpurnius. 

Siculus  Flaccus  339,  6. 

SidoniuB  460. 

Silanus  (D.)  52,  1.  242,  3. 

Silanus  (M.)  271,  8. 

silbernes     Zeitalter    der 
röm.  Literatur  S.  579  ff. 

Silenus  142,  5. 

Silius  28,  4. 

Silius  Italiens  315. 

Silius  Procidus  827,  9. 

Silo,    8.    Arbronius    und 
Pompeius. 

Siluae  des  Statins  316,  6. 

Siluinusd72,  l.P.  288,  1. 

Siluius  415,  2  E. 
•Silus,  s.  Albucius. 

Simplicianus  437,  6. 

Simplicius  890,  1  f. 

Singen  1,  4.  11,  1.  34,  4. 


Sinnius  Capito  255. 
siparium  7,  4. 
Sirmondische  Constit.  454, 

8. 
Siro  220,  3. 
Sisebutus  486,  1. 
Sisenna,  L.  Cornelius  15.^, 

1  ff. 
Sittius  146,  3. 
Sixtus  429,  4. 
Skazonten  33,  2  f. 
Smyma  des  Cinna  210,  2. 
Sodoma  (de)  369,  6. 
Solinus  (lulius)  385. 
Sollius    Apoll.    Sidonius 

460. 

Selon  84,  2. 
Somnium  Scipionis  183, 1, 

4.  438,  4. 
Sonnencultus  395,  4.  401, 

4. 

Sopater  402,  1. 
Sophronius  428,  10  g.  E. 
Soranus  (Barca)  294,   8. 

(Ephesius)  339,  8.  vgl. 

456,  3—6. 
Bortes  Praenestinae  136,  2 

vgl.  S.  135  E . 
sortes  Vergilianae  226,  4. 
Sota  des  Ennius  102,  2. 
Sotion  261,  8.  282,  1. 
Sparsus  s.  Fulvius. 
Spartianus  388,  4  f. 
Spes  (Elegie)  304,  1. 
Spitznamen  3,  1. 
CJCOvösuxiovTsg  210,3.  vgl. 

S.  263,  A.  1. 
Spottlieder  11,  2,  d. 
Sprüche  in  den  Mimen  8, 

4.  vgl.  208,  3. 
Spruchgedichte  24. 
Spmchsammlung  des  Sex- 
tius 261,  6. 
Spurinna  (Vestricius)  318, 

5. 

Staberius  Eros  156,    10. 
Stadtchroniken  36, 3.  407, 

8(X). 
Stallius  49,  4. 
statariae  16,  2. 
Statilius  Maximus  370,  6. 
Statins   316;   sein  Vater 

313,  3. 
Statins  Caecilius  105. 
Statins  Sebosus  207,  7. 
Statins  Tullianus  412,  14. 
Statius  Ursulus  292,  12. 
Statius  Valens  377,  11. 
Stechbuch  226,  4. 
Stella  (Arruntius)  318,  1. 


1160 


Alphabetisches  Register. 


stemmata  79  und  70,  1. 
Stephanie  17,  4. 
SteiÜDiaa  261,4.  Arzt  289, 
1.  Avittts  819,  2. 

Stichns   des  Plautus   95, 

18. 
Stüicho  433,  1.  3  f. 
Stilo,  Aelius  147,  1—3. 

StoicismUB  in  Rom  48  f. 
49,  2  f.  Einfluss  auf  Ju- 
risprudenz 46,7.  vgl.  144, 
2;  auf  die  Beredtsamkeit 
48,  4.  vgl.  144,  2.  198,  2. 

Strabo  s.  lulius. 
Strategemata  des  Fronti- 

nus  322,  6. 
strophische    Composition 

bei  den  £lefi^kem  32,  6; 

in  Vergils  EcL  222,  3; 

in  Hör.  0.  233,  4;    bei 

Seneca  285,  3. 
stupidns  8,  7. 
Buasoriae  des  Seneca  2G4, 

4  u.  7. 
Siieius  29,  2.  189,  4. 
Suetoniua  342. 
SuetoniuB  Optatianus  388, 

y. 

SueyiuB  s.  Sueiua. 
Suifenus  208,  5. 
Suillius  292,  1. 
Sulla  154, 1—3;  pro  Sulla 

176,  25. 
Sulpicia  240, 3.  unter  Do- 

mitian  318,  6. 
Siilpicius  Aleiander  421, 

14. 
Siilpicius  Apollinaris  353, 

1  f. 
Sulpicius  Blitho  169,  7. 
SulpiciuB  Camerinus  247, 

8. 
Sulpicius  Cornelianus  360, 

7. 
Sulpicius  Flavus  281,  2. 
Sulpicius  Galba  205,  2. 

Sulpicius  (C.)  Galba  145, 
5. 

Sulpicius  (Ser.)  Galba  137, 
4. 

Sulpicius  (C.)  Gallus  128, 
1. 

Sulpicius  Lupercus  414,  6. 

Sulpicius  Maximus  314, 4. 

Sulpicius,  P.  Rufus  150, 
5.  vgl.  171,  3  E.  Ser. 
Rufus  171,  2—4. 

Sulpicius,  Ser.  237,  3. 
Sulpicius  Severus  435. 


Sura,  B.  Aemilius,  Lici- 
nius,  Mamüius,  Pali'urius. 

Surdinua  15,  3. 

Syagrius  420,  2.  vgl.  459, 
11. 

Symmachi  418,  2  g.  E. 

Symmachus,  Vater  418, 1 ; 
Sohn  418,  2—14;  Enkel 
und  Urenkel  418,  2.  vgl. 
469,  4.  473,  5. 

SymphosiuB  442. 

SynesiuB  437,  7. 

Synonyma  des  Cicero  185, 
8. 

Syrus  s.  Publilius. 


tabemaria  17,  2  u.  4. 
tabula  Bantina  160,  1. 
tabula  Peutingeriana  68, 

8. 
tabulae  alimentariae  325, 

8  b. 

tabulae  censoriae  76.       # 
tabulae  duodeoim  84. 
tabulae  Heracleenses  215, 

6. 

tabulae  iguvinae  65. 
Tacitus  328—334. 
Tanusius  Geminus  208,  4. 
Tarpa  s.  Maecius. 
Tarquinius  66,  4. 
Tarquitius  Priscus  258,  5. 
Tarrutenius  Patemus  364, 

8. 

Tarutius,  L.  196,  9. 
Tascius  Vict  421,  1  £. 
Tatius  CyrilluB  397,  6. 
Tatius  Valens  377,  11. 
Tatuinus  490,  3. 
Taurus  s.  Calvisius. 
temporibus  (de)  von  Cic. 

186,  4. 

Terentia  217,  6. 
Terentianus  Maurus  391. 
Terentius  (P.)  Afer  107— 

110.  . 
Terentius  Clemens  356, 4. 
TerentiuB  Libo  134,  2. 
Terentius  Scaurus  347,  1. 
Terentius  (£i.)  Varro  Rea- 

tinus  162—167. 
Terentius  (P.)  Varro  Ata- 

cinuB  208,  1. 
Terentius  Varro  Lucullus 

215,  8. 

Tereus  219,  4. 
Tertullianus  Jurist  367,  6 ; 

Kirchenschriftsteller  369. 


tesserae  gladiatonae  215, 

10. 
testamentum  Dasumii  325, 

8  a. 
testamentum  suis  28,  4. 

vgl.  47,  1  E. 

Tetradius  28, 4.  —  459,  14. 
tetrastichon  de  mensibus« 

414,  7. 

Tettius  Cab.  319,  5  £. 
Thallus  368,  2. 
Thaumastus  459,  11. 
Theater  S.  133;  steinerne 

in  Rom  259,  1  £. 
Thebais  des  Statins  316, 

3. 

Theoctistus  465,  12. 
Theodericus  385, 5.  Köni^ 

Theoderich  469, 1.  Pane- 

ffyricus  auf  ihn  471,  2. 

Theoderici  edictum  480, 

1. 
Theodorus  474,  3.     Th. 

Priscianus  426,  9.    Fla- 

vius  473,  3;  auch  s.  Mal- 

lius. 

Theodosianus  codex  454. 
Theodosiua  I.  417,  2.  vgl. 

419,  10.  Th.  U.  446,  9  f. 
Theodoaius       Hacrobiua 

438.  vgl.  443,  1. 
Theodotus  217,  12. 
Theokrit  222,  2. 
Theophilus  437,  6.  480,  4. 

6    8 

Therasia  431,  2. 
Theuderich  479,  1. 
thierärztliche  Schriftatel- 

ler  53  E. 
Thierejjos  27. 
Thierstimmen  23,  5. 
Thomas  Brab.  4t0,  8. 
Thrasamundus  468,  1  f. 
Thrasea  Paetus  294,  7. 
Thukydides  204, 1. 3. 4. 5. 
Thjestes  des  L.  Variua 

219,  2.  vgl.  249,  7. 
TiberianuB  388,  7.  396,  9. 

—  415,  9. 
Tiberius  270,  1—3. 
tibia  in  den  Mimen  8,  11; 

in  der  Tra^oedie  13,  4; 

in  der  palliata  16,  5. 
tibiae  pares,  dextrae  u.  s. 

w.  16,  4. 
Tibullus  240. 
Tichonius  436,  2. 
Ticidas  210,  1. 
Timaeus  des  Cicero  183, 9. 
Timesitheus  371,  6. 


AlphabetischeB  Begister. 


1161 


TimotheuB  458,  3. 

Tiro  des  Cicero  177,  4. 

181,   4.    188.     Auch   8. 

Inlius. 

Tiro  Sabinus  52,  1. 
TitianiiB  860, 10.  ygl.  375, 

10.  396,  11. 
Titinias  111. 
Titdnins  Capito  327,  2. 
TitiuB  237,  4. 
Titins  AriBto  337,  4. 
TitiuB,  C.  123,  2. 
Titiuß,  C.  ProbuB  274,  11. 
TitiuB  GalluB  466,  13. 
TitiuB  HomulluB  336,  4. 
Titas  (Kaiser)  305  l 
togatae  17.  ygl.  14,  2. 
togatariuB  17,  4. 
Togatendicbter  17,  4. 
togati  480,  5.  6. 
TonantiuB  Ferreolus  459, 

11. 
Topica  von  Cicero  179,  6. 
TorqnataB  168,  10.   262, 

2. 
ToxotiuB  379,  8. 
Trabea  106,  1. 
trabeata  17,  1.  239,  2. 
TrachaloB  292,  6. 
tragicocomoedia  18,  2. 
tragoedia(de)  et  cömoedia 

12,  2.  404,  3. 
Tragoedie,  rOmische  13. 

die  des  Seneca  285. 
Traianns  325,  2.    Brief- 

wechsel  des  Plinins  mit 

ihm  335,  6.  9. 
Tranquillas  s.  Saetonius. 
TrebatiuB  Testa  199,  3. 
Trebellius  (M.)  288, 1  g.E. 
TrebelliuB  Pollio  388,  7. 
TrebiuB  Niger  138,  5. 
TreboniuB,  C.  209,  9. 
TremelliuB  Scrofa  157,  2. 
TriariuB  263,  10. 
Tribonianus  480,  4.  5.  6. 

8. 
TQi%dQavog  desVarro  164, 

3. 
TrinacriuB  247,  8. 
TrinummuB   des  Plautns 

95,  19. 
Tristia  des  Ovid  245,  1. 
Triamphalfasten  73, 3^-5. 
Trimnphlieder  82. 
trochäiBche  Verse  11,  2  f. 
Trogns  Pompeius  253. 
Troiae     excidium     464; 

halosis  300,  3  f. 
Troica  des  Nero  281,  8. 


Trosins  Aper  353,  4. 
TmculentuB  des  Plautns 

95,  20. 
Trypho  289,  2. 
Tryphoninns  367,  3. 
Tubero  s.  Aelins. 
Tucca  8.  Plotius. 
Tnditanus,     Sempronins 

143,  1. 
Tullio,  pro  176,  4. 
Tnllius,  M.  Cicero  172— 

186 
Tnllius,  Q.  Cicero  187. 

Briefe   an   ihn  181,   3; 

von  ihm  187,  3. 
Tnllius,  M.  Lanrea  31,  2. 
Tnllius  Tiro  177, 4.  181, 4. 

188. 
Tnllus  Hostilius  66,  2. 
TuUuB  (Volcatius)  241,  2. 
Turanius  Ruf.  429,  1  fP. 
Turcius  Asterius  466,  5. 
Turia  262,  4. 
Turiner  Glosse  480,  10. 
Turnus  318,  2. 
Turpilius  112. 
Turpio  16,  13. 
Turranius  249,  (9. 
Turranius  Gracilis  138,  6. 
Turranius  Niger  166,  1. 
Turranius    Rufinus    429, 

1—4. 
Turribius  453,  6. 
TuBcianus  345,  1. 
'Tuscilius  336,  4. 
Tusculanae     des    Cicero 

183,  8. 
Tuscus  247,  8  E.  258,  6. 

272,  4. 
TuticanuB  247,  2. 
Tutilius  HoBt.  49,  4.  Rhe- 

tor  821,  1. 


V(U) 

Vacca  298,  1. 
Vagellius  299,  4. 
YalenB   und  Valentianus 

(Kaiser)  395,  2.  vgl.  410, 

9. 
Valens,  s.  Abumius,  Fulr 

vius,  Salvius,  Vettius. 
Valentinus  72,  9. 
Valeria  237,  3. 
Valerianus  853, 7.  Bischof 

450,  10;  vgL  Curtius  u. 

Plinius. 
Valerii  epistola  469,  7. 


TxriTXL,  BOm.  Litexatnrgeschiobte.  8.  Aufl. 


Valerius,  Commentator 
der  XII  Tafeln  84,  6; 
Palliatendichter  118,  2; 
L.  Jurist  199,  5.  Auch 
s.  Inlius. 

Valerius  Aedituus  133,  2. 
Valerius  Antias  152,  2  ff. 

Valerius  Cato  197,  1. 
Valerius  Catullus  211. 
Valerius  Cotta  262,  6. 

Valerius  Flaccus  312. 
Valerius  Larp^s  247,  8. 
Valerius  Licmianus  321, 

15. 
Valerius  Marcellinus  377, 

7.  397,  5  E. 

Valerius  Martialis  317. 
Valerius  Maximus  274. 
Valerius  Messala(M.)  218, 
8—11. 

Valerius  Messala  (Cos. 
701)  196,  12.  Messalinus 
262,  6. 

Valerius  Primanus  292,  8. 
Valerius  Probus  295. 
Valerius  Pudens  314,  4. 
Valerius  Severus  337,  14. 
Valerius  Soranus  134,  1; 
dessen  Söhne  150,  8. 

Valerius  Valentinus  145, 

1. 
Valgius  Rufus  236. 
Vargunteius  100,  4. 

Variae  des  Cassiodor  475, 

5. 
VariuB  Geminus  262,  12. 
Varius,  L.  219,  1—5. 

VariuB  Lucullus  337,  5. 
Varro  Atacinus  208,  1. 

Varro   l^ei  Martial    319, 

2  E. 
Varro,  M.  162—167. 
Varronianaefabulae  94, 4. 
Varus,  8.  Alfenus,  Quinti- 

lius. 
vaticana  fragmenta  399, 

4— 10.  Ars  412,  12. 
Vatinium,  in  176,  33. 

Vatinius  214,  3;  vgl.  210, 

6.  211,  2. 
Vavius  s.  Baviup. 

üebersetzungen  aus  dem 
Griechischen  S.  257.  388, 
11.  402,  5.  403,  2.  416. 
422,  1.  426,  3.    429,  1. 

8.  456.  470,  2.  5  f.  479, 
4—6.  481.  489. 

73** 


1162 


AlphabetischeB  Uegister. 


Ve^etiuB  424. 
Veiento  292,  7. 
VeliuB  Longua  338,  2. 
VelleiuB,  C.  158,  1. 
Velleius  Celer  347,  2. 
VelleioB  Paterculas  273. 
Veaantius  FortonatuB  483, 

4—10. 
VennoniuB  142,  2. 
VentidiaB  204,  3.  vgl  43, 

6. 
VenuleiuB  SatarninuB  356, 

6. 
Yeranias  196,  14. 
vergiliana       continentia 

472,  5. 
VergilianuB  439,  1. 
YergilioB  EuryBaces  136, 

3. 
VergilioB   (Grammatiker) 

474,  6. 
VergiliuB  Maro  220—226. 
VergüiuB  Bomanas  327, 7. 
VerginiuB  (Rhetor)  275, 1. 
VerginiuB,  A.  151,  4. 
VerginioB  Flavus  292,  9. 
VerginiuB  Bufua  318,  4. 

Verkürzung  langer  Silben 
und  umgekehrt  466,  2. 
468,  4. 

Vermessung  des  röm. 
ReichB  217,  12. 

Vermummungen  4. 
Verrinae    orationes    176, 

6—11. 
VerriuB  Flaccus  256. 

VerBkOnsteleien  26,  8.  32, 

9.  . 
versus  memoriales  23,  3. 
Vertacus  402,  3. 

Verträge  aus  der  Königs- 
zeit 66;  aus  saec.  lU  d. 
St.  67. 

Verus,  L.  der  Vater  350, 
1 ;  der  Sohn  359,  1  u.  6. 

Verwandtschaftsgrade 
(über  die)  372,    8. 

Vespae  iudicium  358,  10. 
Vespasianus  305  f. 
Vespillo,  8.  LucretiuB. 

VestriciuB  Spurinna  318f 

5. 
veteres  47,  4. 
Vettius  (Rhetor)  336,  6. 
Vettius   Agoriuff   Mavor- 

tiuB  469,  3;   Praetexta- 

tus  422,  1. 

Vettius  CrispinuB  316,  2. 


Vettius  Philocomus  147, 

4. 
VettiuB  Valens  289,  1. 
Vettius  Vettianus  150,  8. 
▼etula  (de)  246,  5. 
VibiuB  CrupuB  292,  2. 

VibiuB  GaJluB,  Vibius 
EufinuB  und  Rufns  263, 
10. 

Vibius  Marsus  271,  10. 

Vibius  Sequester  439, 
1—3. 

Victor  (P.)  406,  7  E; 
Bischof  453,  7;  christl. 
Dichter  457,  5—7.  Vi- 
tensis  463,  1  f.  Tunnu- 
nensb  476,  3  f.  Auch  s. 
Aurelius. 

Victoriaaltar  418,  13. 
VictorianuB  251,  10. 

Victorinus,  christl.  Dich- 
ter 403, 8;  christl.  Schrift- 
steller 403,  iE.  Massil. 
450,  4.  Andere  b.  Aufi- 
diuB,  FabiuB,  Marina, 
MaximinuB,  Maximus. 

Victorinus  Fronto  351,  2. 
360,  2. 

Victorius  450,  4.  459,  13. 
VictoriuB  Marcellus   321, 

8. 
Vidularia  des  Plautus,  S. 

149  g.  E. 

Vigellius  158,  1. 
Vigilantius  437,  6. 
VigiliuB  437,  6.   462,  12. 
477,  1.  5.  483,  2. 

Villicus  459,  4. 

Vincentius  Bellovac.  240, 
7.  Lerinensis  451;  ande- 
rer 453,  7. 

Vindex,  s.  Caesellius,  No- 
vius. 

Vindicianus  426,  3  f. 

Vindius  Verus  356,  2. 

Vinicii  263,  10.  vgl.  273, 
1—3. 

Violantilla  318,  1. 

VipsaniuB  188,  4. 
VipsaniuB   Agrippa    217, 

10  ff. 
VipstanuB  Messala  309,  3. 
Vir  bonus  225,  5.  A.  6. 
viri  illustres  des  Sueton 

342,  7.  des  Victor  408, 

2.    christliche  428,    10. 

462,  12. 
Virius  Nicomachus  421, 1. 


virtutibuB,  de  von  Cicero 
183,  17.    Auch  vgl.  284, 
.10. 

ViselliuB  Aculeo  151,  6. 
Visellins  Varro  161, 6  g.  E. 
Visigothorum  lex  480,  2. 
Vispillo  8.  Lucretius. 
Vitellius,  Jurist  260,  7. 

ViteUius,  P.  271,  4. 
Vitellius  Afer  411,  8. 
Vitrasius  Pollio  282,  1. 
Vitruvius  Pollio  259. 
Vivarium  475,  1.  7. 
VivianuB  837,  11. 
Uipianus  372. 
ülpius  MarcellüB  356.  8. 
ülpius  Traianus  325,  2. 

Ummidius  Quadratus  336, 

4  E. 

ünhürbarkeit    von    aus- 
lautendem m,  s,  1 466,  3. 

ünicus  319,  4. 
universo  (de)  183,  9,  1. 
Vocalverschleifung  S.  421 
mit  A.  2. 

Voconius  341,  5.   Bischof 
453,  7. 

Voconius  Romanus  336,  2, 
VoconiuB  Victor  319,  4. 
Vogelfang,    Lehrgedicht 
darüber  382,  3. 

Volcatius  GalUcanuB  388, 

6. 
Volcatius,    Grammatiker 

377,  3. 
Volcatius,  Jurist  151,  4. 
Volcatius  Sedigitus  15,  4 

(Kanon).  134.  3. 
Volcatius       Terentianus 

377,  13. 

Volcatius  Tullufl  241,  2. 
Volkscharakter  (röm.)  1. 
Volkslieder  83. 
Volkspoesie  11. 
Voltacilius  Pilutus  155,  2. 
Voltacilius  Pitholaus  209, 

10. 
Voltacilius  Plotus  155,  2. 
Volumnius  250,  3. 
Volumnius  Quadratus  360, 

3. 
Volusenus    Catulus    271, 

5  u.  9. 
Volusius  199,  4. 

VolusiuB  (L.)  288,  1  g.  E. 
Volusius  Maeciauus  356, 
7. 
Volusius,  Q.  206,  11. 


Alphabetisches  Register. 


1163 


Yolusins  «s  Taausins  208, 

4. 
Vopiscus  397,  2. 
VoBsianas  cod.  304. 
YotienuB  Montanus  271, 1. 

vgl.  322,  17. 
UraniuB  390,  1. 
TJrbanuB  338,  1. 
TJrbicüs  s.  Aggenus. 
TJrseiuB  Feroz  311,  3. 
UrsinoB  437,  6. 
UrsuB  321,  10.  vffl.  359,  8. 
Yulcatius,  8.  VolcatiaB. 
YalgariBmen  483, 10.  484, 

4. 
Yulg&rlatein  381,  4. 
Yulgärmetrik  S.  135.  vgl. 

381,  4.  467,  1.  2. 
Yul^rprOBOdie     S.    135. 

vgl.  430,10.14.  467,1.2. 
Yulgata  428,  5. 


W 

WechBelgesänge  u.  Wech- 
Belgespräche  3,  2  f. 

WeiberroUen  ixnMimus  8, 
5. 

Weltchronik  407,  3  (IX). 

Wettkämpfe  (poetische) 
23,  2.  29,  4.  S.  683,  A.  4. 

Wiegenlieder  11,  2,  b. 

WitteruDgsregeln  83,  1. 

Witzworto,  Sammlungen 
120,  6  f.  vgl.  185,  9.  188, 
2.  199,  4.  209,  9.  271, 
5  E. 


XistuB  261,  6. 


Xenophon's  Oeconomicus 
183,  18.  vgl  223,  2. 


Zahl  der  Schauspieler  16, 

4. 
Zahlenmyatik  472 ,  3.  10. 

476,  12. 
Zauberer  Yergilius    226, 

12. 
Zaubersprüche  83,  1. 
Zeno  411,  7. 
ZenobiuB  203,  7. 
Ziegel  mit  Inschriften  215, 

11. 

Zmyma  des  Cinna  210,  2* 
Zoologie  51. 
ZosimuB  446,  7. 
Zwölftafelgesetzgebung 

84. 


Weitere  Nachträge. 

Vgl,  S.  XVI. 

S.      2,  A.  6,  Z.  3  1.:  1861,  und  DarBtellungen  aus  d.  Sittengetich.  III.  S.  21 6  ff. 

S.      8,  Z.  10  I.  Munk. 

S.    12,  Z.  1.    Vgl.  Hen^ea  V.  S.  303—308.    . 

S.    24,  A.  2,  Z.  2  1.:  oben  13,  6). 

S.    36,  Z.  1:  W.  .Wackemagel,   Vöces  variae  animantiom,  Basel  1869.  179  S. 

S.    43,  A.  5:    J.  P;  J.  Schnitzler,    de    satirae  Born,   novae   natara  et   forma, 

.  Rostock  1870. 
S.    81,  Z.  2:  Fr.  ICaassen,  Gesch.  d.  Quellen  des  kanonischen  Rechts  I  (Gratz 

1870)  S.  226—308. 
S.  102,  A.  1  vgL  488,  4  ff. 
S.  116,  A.  4  E.:  Vgl.  Hermes  V.  S.  271—280. 

S.  144,  3,  A.  3:  0.  F.  Lorenz,  CoUationen  von  B  u.  D  zur  Aulul.,  Berlin  1872.  4. 
S.  147,  Z.  4:  XXVII.  S.  173^-177. 
S.  147,  Z.  12  V.  u.:  XXXII.  8.  270—316. 
S.  173,  Z.  14  y.  u.:  Dagegen  s.  W.  Wagner  ^in  Fleckeisens  Jahrbb.   1865,  S. 

289—291. 
S.  197,  A.  6:  0.  Ribbeck,  Philocteta  des  Accius,  Kiel  1872.  21  S.  4. 
S.  297,  A.  3:  A.  Eberhard,  lectiones  Tüll.  I  (Lips.  1872.  4.)  p.  5—18. 
S.  299,  Z.  5:  und  Lectiones  TuU.  (1856)  p.  3—43. 
S.  300,  Nr.  15,  A.  2:  Niemeyer,  über  den  Process  gegen  A.  Clnentius  Habitus, 

Kiel  1871.  24  S.  4. 
S.  327,  A.  3:  Erklärt  von  D.  Böckel.  I.  Berlin,  Weidmann  1872. 
S.  477,  Z.  8:  C.  Campe,  Horaz  und  Anakreon,  Philologus  XXXI.  S.  667—697. 
S.  478,  Z.  16  V.  u.:  W.  Förster,  Progr.  des  Gymn.  in  Brflnn  1870.  4.  p.  5—18. 
S.  479,  A.  5:  A.  Bischoff,  über  horazische  Lyrik  I  (Schaffhausen  1872)  S.  4  ff. 
S.  483,  A.  6:  Zu  Ep.  I,  11  vgl.  W.  Teuffei  im  Rhein.  Mus.  XXVII.  S.  347—349. 
S.  623,  A.  5  u.  6:    Fr.  Schultess,    de   Sen.   quaest.   nat.    et    epistulis   comm., 

Bonn  1872. 
S.  688,  A.  2:  Bussenius,  de  V.  Fl.  in  adhibendis  comparationibus  usu,  Lübeck 

1872.  4. 
S.  689,  Z.  1  V.  u.:  E.  C.  F.  Reuss,  Observationes  Valerianae,  Marburg  1871. 
S.  748,  A.  6  E.:  A.  Pohlmann  (Gotting.  1871.  63  pp.). 

S.  842,  A.  7:  A.  Faber,  de  Minucio  Feiice  comm.,  Nordhausen  1872.  44  pp.  4. 
S.  937,  A.  6:  Recogn.  W.  Hartel,  Berlin  (Weidmann)  1872. 
S.  937,  A.  8:    W.  Förster,   de  Ruft  breviario   eiusque    codicibus,    Progr.  des 

Josephst.  Gymn.  in  Wien  1872.  4.  p.  3 — 21. 
S.  1093,  Z.  13  V.  u.  1.:  zum  Verständnisse  des  Gedankens  zu  etc. 
S.  1108,  Z.  10  l:  Unbefangen  hat  der  Verf.  • 


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